Ausstrahlungswirkungen im Recht: Anforderungen Compliance und Risikomanagement im Bankaufsichts- und Aktienrecht [1 ed.] 9783428553945, 9783428153947

Der Begriff der »Ausstrahlungswirkung« wird in zahlreichen Zusammenhängen herangezogen, um die Übertragung der Wertungen

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Ausstrahlungswirkungen im Recht: Anforderungen Compliance und Risikomanagement im Bankaufsichts- und Aktienrecht [1 ed.]
 9783428553945, 9783428153947

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 115

Ausstrahlungswirkungen im Recht Anforderungen an Compliance und Risikomanagement im Bankaufsichts- und Aktienrecht

Von

Jan-Benedikt Fischer

Duncker & Humblot · Berlin

JAN-BENEDIKT FISCHER

Ausstrahlungswirkungen im Recht

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 115

Ausstrahlungswirkungen im Recht Anforderungen an Compliance und Risikomanagement im Bankaufsichts- und Aktienrecht

Von

Jan-Benedikt Fischer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15394-7 (Print) ISBN 978-3-428-55394-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-85394-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern & Mina

Vorwort Das Manuskript der vorliegenden Arbeit wurde im Mai 2016 fertig gestellt und diese im Sommersemester 2017 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Tag der mündlichen Prüfung war der 24. Juli 2017. Literatur und Rechtsprechung konnten in der nunmehr leicht überarbeiteten Fassung bis November 2017 berücksichtigt und dabei insbesondere um die zahlreichen in der Zwischenzeit erschienenen Beiträge zum Verhältnis zwischen aufsichts- und aktienrechtlichen Organisationsanforderungen ergänzt werden. An der Entstehung solcher Arbeiten haben und hatten auch in meinem Falle viele verschiedene Menschen Anteil. Ihnen allen möchte ich aufrichtig danken. Naturgemäß kann nicht jede und jeder Einzelne an dieser Stelle Erwähnung finden. Das soll so verstanden sein, dass die Erwähnung Bestimmter nichts über den Wert der Beiträge der Unerwähnten sagt, sehr wohl aber über denjenigen der Erwähnten: Meine Doktormutter, Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, hat mich herzlich und stets mit einem offenen Ohr, ob für Fachliches oder Persönliches, betreut. Der Doktorarbeit hat sie sich immer wohlwollend und konstruktiv angenommen. Die Umstände haben keinen Unterschied gemacht: Zu jeder Zeit hat ihre ernsthafte Zuwendung eine seltene Wertschätzung für den „Stand“ des Doktoranden erkennen lassen. Ihr gebührt zuallererst mein Dank. Danken möchte ich ferner meiner Zweitgutachterin, Prof. Dr. Barbara Grunewald. Die kritischen Anmerkungen ihres in verschwindend kurzer Zeit erstellten Gutachtens waren Anlass und Zugewinn für die überarbeitete Fassung dieser Arbeit. Während meiner Promotionszeit war ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig, vornehmlich für Dr. Jonas Wittgens. Ich danke ihm: Er hat diese Dissertation – wohl ohne Absicht – durch die tiefgehenden Einblicke in das Aktienrecht, welche die mir überantworteten Aufgaben gewährten, und – wohl mit Absicht – durch die großen Freiräume, die er mir ließ, befördert. Besonderer Dank gilt Dr. Daniel Rubner. Er hat diese Dissertation bereits gefördert, als ich sie noch nicht erahnte, und fortan immerzu. Keinesfalls unerwähnt bleiben dürfen Leonie Bardt und Dr. Moritz Merkenich, LL.M. (Stellenbosch). Ihnen danke ich dafür, dass sie mir ihre zahlreichen inhaltlichen wie redaktionellen Anmerkungen haben zukommen lassen. Ich weiß zu schätzen, dass sie die Mühen, die es allgemein bereitet, eine fremde Dissertation zu lesen, und die Mühen, die es ganz besonders bereitet haben dürfte, diese Dissertation zu lesen, auf sich genommen haben.

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Vorwort

Ich möchte meinen Eltern danken: Meiner Mutter Dr. (rer. nat.) Kerstin Späth und Peter Späth sowie meinem Vater Ralf Fischer und seiner Frau Birgit. Sie haben meine Ausbildung erst ermöglicht und ihre Unterstützung, frei von allen Formen, hat niemals Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie – ungeachtet meines Werdens – an mich glauben. Ein liebevoller Dank gilt auch meiner Großmutter, Gerda Kopatz, die noch immer herzlich und wachsam darauf achtet, dass aus ihrem Enkel auch etwas Gescheites werde, sowie meinem Großvater Günter Kopatz. Er stand ihr weiland in nichts nach. Und dann ist da die Unterstützung, die Liebe, der keine Dankbarkeit je Gerechtigkeit widerfahren lässt. Jasmin Katharina Granrath hat ohne jede Bedingung mehr für mich getan, als mit Worten zu vergelten ist. Ein aufrichtiger Versuch sei mir dennoch gestattet: Mina, ich danke Dir, von ganzem Herzen. Hamburg und Berlin, im Dezember 2017

Jan-Benedikt Fischer

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 I. Entwicklung sektorspezifischer Corporate Governance-Regeln . . . . . . . . . . . 19 II. Dopplung verbindlicher Corporate Governance-Anforderungen . . . . . . . . . . 21 III. Verhältnisbestimmung über Ausstrahlungswirkungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 B. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 C. Konkretisierung des Betrachtungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Aktien- und Bankaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. „Bankaufsichtsrechtliche Ausstrahlungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 III. Compliance und Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 IV. Konzern- und auslagerungsrechtliche Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 V. Maßstäbe guter Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

1. Teil Compliance und Risikomanagement im Aktien- und Bankaufsichtsrecht

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§ 1 Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Allgemeine Leitungs- und Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Business judgement rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. Unternehmensinteresse als Leitmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Unternehmensorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Mindestanforderungen an die Unternehmensorganisation . . . . . . . . . . . . . 40 2. Organisationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B. Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Compliance-Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Compliance-Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Mindestanforderungen an die Compliance-Organisation . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Organisationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

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Inhaltsverzeichnis 3. Erforderlichkeit, Geeignetheit und Zumutbarkeit der Compliance-Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 C. Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Bestandsgefährdende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Geeignete Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 aa) Risikofrüherkennungssystem und Überwachungssystem . . . . . . . . 50 bb) Eignung zur Risikofrüherkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Maßnahmen der Risikobewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 II. Aktienrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement . . . . . . . 53 1. Umfassende Anforderungen an die Risikomanagement-Organisation . . . . 53 2. Organisationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 D. Kontrolle und „Sanktionen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Überwachung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 III. Unzureichende Compliance- und Risikomanagement-Maßnahmen . . . . . . . . 58 IV. Exkurs: Mögliche Folgen einer Pflichtverletzung für die Gesellschaft . . . . . 59 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

§ 2 Bankaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 A. „Besondere organisatorische Pflichten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. Prinzipienorientierte Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Konkretisierung durch die MaRisk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Grundsatz der doppelten Proportionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Rechtfertigung eigener bankaufsichtsrechtlicher Organisationsvorgaben . . . 64 1. Gefahr eines Bank-Run . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Erhöhtes Insolvenzrisiko (Fristentransformation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Systemische Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4. Funktions- und Gläubigerschutz durch besondere organisatorische Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 III. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Instrumente der Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Aufsicht über die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der Institute 69 a) Doppelanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 b) Maßnahmen gegenüber Instituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 c) Maßnahmen gegenüber den Geschäftsleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 d) Straftaten und Ordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Inhaltsverzeichnis

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B. Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Compliance-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Organisatorische Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Hinweisgeber-Prozess (whistleblowing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 C. Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Risikotragfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Festlegung von Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 III. Internes Kontrollsystem und Besondere Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Internes Kontrollsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Besondere Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 IV. Personelle und technisch-organisatorische Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 V. Notfallkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 VI. Vergütungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 § 3 Ergebnisse des 1. Teils: Anhaltspunkte einer Ausstrahlungswirkung . . . . . . . . . . . . 84

2. Teil Methodenrechtliche Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

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§ 4 Verhältnis von öffentlichem Recht zu Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 A. Steuerungsfunktionen von öffentlichem Recht und Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Zivilrecht als Rahmenordnung zur privatautonomen Interessenverfolgung 89 II. Öffentliches Recht als Programmsteuerung zur Wahrung von Allgemeininteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 III. Funktionsbezogene Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B. Wechselwirkungen zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . 90 I. Relativierung privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Prinzipien . . . . . . 91 II. Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 III. Wechselseitige Auffangordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Komplementäre und substituierende Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Typologie der Auffangvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Bauformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Normenrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Verbindungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

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Inhaltsverzeichnis IV. Koordination der Auffangrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Formelle Normrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Materielle Normrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 C. Fazit: Ausstrahlungswirkungen zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht im Gefüge wechselseitiger Auffangordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

§ 5 Terminologische Eingrenzung einer Ausstrahlungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A. Norminterpretation als Ausstrahlungsforum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 B. Wertungs- bzw. Regelungstransfer (Arten einer Ausstrahlungswirkung) . . . . . . . 102 I. Normative Ausstrahlungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Echter Wertungstransfer: Anreicherung der Aufnahmenorm mit normfremden Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Normativer Wertungstransfer: Verbindlichkeit des Transfers . . . . . . . . . . 104 II. Faktische Ausstrahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Faktischer Regelungstransfer: Inspirative Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Positive Ausprägung faktischer Ausstrahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Negative Ausprägung faktischer Ausstrahlungen (Schranken einer Verallgemeinerung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Unechter Regelungstransfer: Keine inhaltliche Modifikation . . . . . . . . . . 108 III. Weitere Arten eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers? . . . . . . . . . . . . . . . 109 C. Überschreitung der Teilrechtsordnungsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Normen mit Doppelcharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Kodifizierung allgemeiner Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 III. Ausstrahlungswirkungen innerhalb derselben Teilrechtsordnung? . . . . . . . . 112 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 § 6 Voraussetzungen einer Ausstrahlungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 A. Abgrenzung zu anderen transferierenden oder transferähnlichen methodenrechtlichen Instrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Ausstrahlungswirkung als Instrument der Lückenfüllung (Abgrenzung zur Analogie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Ausstrahlungen bei planwidriger Lückenhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Analogieschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Teleologische Reduktion und Umkehrschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 c) Methodologischer „Vorrang“ der Analogiebildung gegenüber Ausstrahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Ausstrahlungen bei planmäßiger Lückenhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Unbestimmte Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Öffnung gegenüber einem Wertungs- bzw. Regelungstransfer . . . . . . . 119

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II. Ausstrahlungswirkungen als Element materieller Normrelation . . . . . . . . . . 120 1. Vorrang formeller Normrelation (Abgrenzung zur Derogation) . . . . . . . . 120 a) Identische und divergente Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Rechtsfolgenwiderspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Transfer bei formeller Normverbundenheit (Abgrenzung zu Verweis und Fiktion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 B. Maßstäbe eines interpretativen Wertungs- bzw. Regelungstransfers . . . . . . . . . . 125 I. Anforderungen an die Ausstrahlungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Inhaltliche Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Hinreichende Bestimmtheit der Ausstrahlungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Faktische Ausstrahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Faktische Ausstrahlungen positiver Ausprägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Indizierung teleologischer Kongruenzen (Wortlaut) . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Teleologische Kongruenz (und Vorbehalt der Systemkompatibilität) 131 c) Grenzen der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Faktische Ausstrahlungen negativer Ausprägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 III. Normative Ausstrahlungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Normativ ausstrahlungsfähige Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Unmittelbar verbindliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Nicht unmittelbar verbindliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) Fehlende unmittelbare Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 bb) Bedeutung als mittelbar verpflichtende Regelungssätze . . . . . . . . . 137 cc) Normative Ausstrahlungsfähigkeit nicht unmittelbar verbindlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Verbindlichkeit der aufnehmenden Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Anordnung der Verbindlichkeit des Transfers fremder Wertungen . . . . . . 140 4. Vorbehalt der Systemkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Gefahr dysfunktionaler Blockaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Grenzen der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 IV. Exkurs: Verhältnis normativer und faktischer Ausstrahlungen zueinander 144 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 § 7 Ergebnisse des 2. Teils: Bankaufsichtsrechtliche Ausstrahlungswirkungen als Element einer Koordination von öffentlichem Recht und Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . 145

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Inhaltsverzeichnis 3. Teil Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

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§ 8 Voraussetzungen einer Ausstrahlungswirkung zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 A. Koordinationsdogmatische Bedeutung des Verhältnisses zwischen Aufsichtsund Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Europarechtliche Vorgaben für § 25a KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Zuordnung des § 25a Abs. 1 KWG anhand von Abgrenzungstheorien . . . . . 151 1. Funktions- und Gläubigerschutz (Interessentheorie) . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Bankenaufsicht (Subordinationstheorie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Überwachungsrechtsverhältnis (Modifizierte Subjektstheorie) . . . . . . . . . 154 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 B. Methodenrechtliches Bedürfnis nach einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlung (Abgrenzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I. Lückenhaftigkeit der aktienrechtlichen Regelungen (Vorrang der Analogie?) 155 1. Planwidrige Regelungslücke im Aktienrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Regelungstechnischer Ansatz des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Gesetzgebungschronik seit der 6. KWG-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Compliance und Risikomanagement im DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Planmäßige „Lücken“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 II. Spezialität bankaufsichtsrechtlicher Compliance- und RisikomanagementAnforderungen (Vorrangige Derogation?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Normenkonkurrenzen im Falle eines Deckungsverhältnisses . . . . . . . . . . 161 2. Normenkonkurrenzen im Falle sachlicher Überschneidungsbereiche (Besondere teleologische Spezialität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 § 9 Ausstrahlung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 A. Ausstrahlungsfähigkeit der bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten (Bestimmtheit des § 25a Abs. 1 KWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 B. Faktische Ausstrahlungen (Verallgemeinernder Transfer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Gesetzgeberische Intention einer faktischen Ausstrahlung . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Nachteilsabwendung durch organisatorische Mindestvorgaben (Teleologische Kongruenzen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Schutz des Gesellschaftsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Gläubiger- und Gemeinwohlschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Schutz kollektiver Interessen über besondere Vorschriften . . . . . . . . . . 172 b) Gläubigerschutz über Schonung des Unternehmensvermögens . . . . . . 173 3. Einschränkung unternehmerischer Freiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 III. Wechselwirkungen im Einzelfall (am Beispiel des Whistleblowing) . . . . . . . 176

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IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 C. Normative Ausstrahlungswirkung (Sektorbezogener Wertungstransfer) . . . . . . . 179 I. Normative Ausstrahlungsfähigkeit (insbesondere der MaRisk) . . . . . . . . . . . 179 II. Normative Ausstrahlungswirkung über Legalitätspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Legalitätspflicht als Hebel zwischen Bankaufsicht- und Aktienrecht . . . . 180 2. Sektorbezogene Ausstrahlungswirkung (Reichweite der Verbindlichkeitsanordnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Systemkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Einschränkung einer Ausstrahlungswirkung über die Legalitätspflicht 182 aa) Wertungsinkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Anreicherung des Aktienrechts mit Zwecken der Aufsicht . . . . . . 183 b) Dysfunktionale Blockaden durch Akkumulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 III. Bedeutung sektorbezogener normativer Ausstrahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Einschränkung der unternehmerischen Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Spiegelung der Außenpflichten in das Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . 187 b) Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Kausaler Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 d) Fazit: Erhöhtes Haftungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Aufsichtsdopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 § 10 Ergebnisse des 3. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Post Scriptum: Ausstrahlungstheorie und Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

Einführung „Ausstrahlung“ ist ein Begriff des allgemeinen Sprachgebrauchs – er meint „strahlenähnlich von einer Stelle ausgehen“ oder „etwas ausleuchten“.1 Im metaphorischen Sinne wirkt etwas, das ausstrahlt, auf jemanden oder etwas ein.2 Diese Vagheit macht den Ausstrahlungsbegriff tauglich zur Beschreibung unzähliger Phänomene und zur anschaulich-bildlichen Simplifizierung hochkomplizierter Vorgänge. Es nimmt daher nicht wunder, dass auch die Juristerei den Begriff für sich entdeckt hat und ihn zur semantischen Verkürzung komplexer tatsächlicher oder rechtlicher Erscheinungen nutzt.3 Unter dem Stichwort wird danach gefragt, ob einer Norm über ihren „unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus Wertungen zu entnehmen sind“, welche auch die Anwendung anderer Normen beeinflussen.4 Es geht darum, die Wertungen oder Regelungen einer Norm in einen anderen Regelungszusammenhang zu überführen.5 Seinen ersten großen – und bis heute wohl berühmtesten – Auftritt auf der Bühne der Rechtswissenschaft hatte der Begriff bereits 1958 im Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. In diesem hatte das Bundesverfassungsgericht die „,Ausstrahlungswirkung‘ der Grundrechte auf das bürgerliche Recht zu beurteilen“.6 Es entschied damals, dass die Auslegung und Anwendung wertausfüllungsfähiger und -bedürftiger Begriffe des Zivilrechts unter Berücksichtigung der in den Grundrechten zum Ausdruck kommenden objektiven Werteordnung zu erfolgen habe. Diese Ausstrahlungswirkung (oftmals auch: mittelbare Drittwirkung7) der Grundrechte auf das Zivilrecht ist bis heute anerkannt.8 Seither hat der Begriff in unzähligen Kontexten an Popularität gewonnen. Ausstrahlungen sollen die Antwort auf eine Vielzahl 1

Dudenredaktion (Hrsg.), Duden, Band 10, S. 167. Dudenredaktion (Hrsg.), Duden, Band 8, S. 164. 3 Vgl. Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, S. 4; Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865. 4 Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, S. 4. 5 Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666. 6 BVerfG, Urt. v. 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/57, BVerfGE 7, 198 = NJW 1958, 257, 258 (Lüth). 7 Vgl. Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 30a; Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 3 Rn. 64 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 1 Rn. 54. m.w.N. Vgl. zur ausnahmsweise angeordneten unmittelbaren Drittwirkung Guckelberger, JuS 2003, 1151, 1152; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Art. 1 Rn. 51. 8 St. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 30. 7. 2003 – 1 BvR 792/03, NJW 2003, 2815; BVerfG, Beschl. v. 22. 10. 2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, 1387, 1391 (jeweils m. zahlreichen Nachw.). Kritisch etwa Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 30 m.w.N. 2

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von Fragen liefern: Können etwa die Schutzvorschriften des UmwG auf Umstrukturierungsvorgänge, die einer Umwandlung nach dem UmwG im wirtschaftlichen Ergebnis entsprechen, übertragen werden?9 Kann die Vorschrift des § 91 Abs. 2 AktG auf den Pflichtenrahmen der Geschäftsführer auch anderer Gesellschaftsformen angewendet werden?10 Und beeinflussen die aufsichtsrechtlichen11 Wohlverhaltenspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß §§ 31 ff. WpHG das (vor)vertragliche Verhältnis zu den Kunden?12

A. Problemaufriss In jüngerer Zeit hat sich der Begriff der Ausstrahlungswirkungen jedoch insbesondere etabliert, um die Bedeutung aufsichtsrechtlicher Vorschriften für das Gesellschaftsrecht zu beleuchten. Dies gilt etwa für aufsichtsrechtliche Vergütungsvorgaben13 oder aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Qualifikation des Aufsichtsrats.14 Insbesondere aber die Bedeutung bankaufsichtsrechtlicher Complianceund Risikomanagement-Anforderungen wird über eine Ausstrahlungswirkung zu erfassen versucht. Diese Debatte nimmt ihren Ursprung in einer anderen Problematik größeren Formats: Das Gesellschaftsrecht wird in bestimmten Bereichen der Corporate Governance immer umfassender durch das Aufsichtsrecht überlagert.15 9

Vgl. Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, passim; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit, passim; Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865. 10 Ausdrücklich bejahend BT-Drs. 13/9712, S. 15 (Begr. RegE KonTraG): „Es ist davon auszugehen, dass für Gesellschaften mit beschränkter Haftung je nach ihrer Größe, Komplexität ihrer Struktur usw. nichts anderes gilt und die Neuregelung Ausstrahlungswirkung auf den Pflichtenrahmen der Geschäftsführer auch anderer Gesellschaftsformen hat.“ Hierzu Drygala/ Drygala, ZIP 2000, 297 ff.; Fleischer, in: MüKoGmbHG, § 43 Rn. 61. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rn. 33, wollen § 91 Abs. 2 AktG analog auf den GmbH-Geschäftsführer anwenden. 11 Vgl. zum Streit, ob es sich bei den § 31 ff. WpHG um aufsichtsrechtliche Vorschriften handelt noch unten § 5 C. I. m. Fn. 588. 12 Eine Ausstrahlungswirkung bejahend: Franck, BKR 2012, 1, 5; Hopt, ZGR 2004, 1, 22 f.; Koller, in: Assmann/U. H. Schneider, vor § 31 Rn. 3; Sethe, AcP 212 (2012), 80, 127 f. Wohl auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 17. 7. 2012 – 17 U 148/11, ZIP 2012, 1852 = juris Rn. 47; Herresthal, ZBB 2012, 89, 95 f. Kritisch Assmann, in: FS U. H. Schneider, 37, 47. Für eine „Konkretisierung“ des Zivilrechts durch die §§ 31 ff. WpHG: Nikolaus/d’Oleire, WM 2007, 2129, 2134; Nobbe/Zahrte, in: MüKoHGB, Anlageberatung Rn. 62; Schwark, in: Schwark/ Zimmer, vor § 31 WpHG Rn. 16; Veil, WM 2007, 1821, 1825 f. A. A. BGH, Urt. v. 27. 9. 2011 – XI ZR 182/10, NJW 2012, 66, 71 (Rn. 47) und BGH, Urt. v. 27. 9. 2011 @ XI ZR 178/10, NJWRR 2012, 43, 48 (Rn. 50) (Lehman Brothers): „Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (…) bewirken aufsichtsrechtliche Bestimmungen regelmäßig weder eine Begrenzung noch eine Erweiterung der zivilrechtlich zu beurteilenden Haftung (…)“. Offener noch BGH, Urt. v. 19. 12. 2006 – XI ZR 56/05, NJW 2007, 1876, 1878 (Rn. 18) (Kick-Back II). 13 Vgl. hierzu Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 575 ff.; Zöbeley, Vergütungsvorgaben, S. 350 ff. 14 Dreher, ZGR 2010, 496, 507 ff.; Merkelbach, Der Konzern 2013, 227, 229; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 582 ff. 15 Vgl. bereits U. H. Schneider, ZGR 1996, 225.

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Der angelsächsische Begriff der Corporate Governance meint nichts anderes als „Unternehmensführung“ und bezeichnet den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens.16 Corporate Governance zählte immer schon zu den wesentlichen Themen im Rahmen der (Fort-) Entwicklung des Unternehmensverfassungsrechts und ist in diesem Sinne ein originär gesellschaftsrechtliches Anliegen.17 Das Aktienrecht beschränkt sich traditionell darauf, nur die grundlegenden gesetzlichen Regelungen zur Unternehmensführung und -überwachung zu treffen. Zu nennen sind hier insbesondere die §§ 76 Abs. 1, 93 AktG für den Vorstand und § 111 Abs. 1 AktG für den Aufsichtsrat. Anforderungen an die Compliance- und Risikomanagement-Organisation finden sich im AktG nur rudimentär bis gar nicht. Die gesetzgeberische Zurückhaltung hängt damit zusammen, dass die Führung und Überwachung des Unternehmens in hohem Maße unternehmerische Entscheidungen verlangt, die anhand vernünftiger unternehmenspolitischer Erwägungen getroffen werden müssen, und nicht durch harte gesetzliche Regeln vorgeschrieben werden können.18 Kleinteiligere Standards guter Unternehmensführung haben daher vor allem in Form unverbindlicher Empfehlungen und Anregungen an börsennotierte Gesellschaften über den DCGK19 Eingang in die deutsche Aktienrechtspraxis gefunden. I. Entwicklung sektorspezifischer Corporate Governance-Regeln In der jüngeren Vergangenheit ist jedoch in bestimmten Bereichen der Wirtschaftsaufsicht – so vor allem im Bankensektor – zunehmend der Trend zu eigenen, sektorspezifischen Corporate Governance-Anforderungen zu beobachten.20 Solche Corporate Governance-Standards knüpfen nicht allgemein an die bloße Verfasstheit einer Organisation als Aktiengesellschaft an, sondern an das Wirkungsfeld des Unternehmens im Finanzsektor. Zwar wurden auch hier weitestgehend zunächst unverbindliche Standards entwickelt, wie etwa die Prinzipien des aus den Mitgliedern verschiedener nationaler und internationaler Aufsichtsbehörden bestehenden Basel Committee on Banking Supervision (BCBS)21 oder die Leitlinien der euro16 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, S. 3, 4. Zur Unterscheidung zwischen der hier angesprochenen „internen Governance“ und „externer Governance“ s. Teichmann, ZGR 2001, 646, 647. 17 Vgl. zuletzt etwa die Corporate Governance-Diskussion anlässlich des 69. DJT 2012 unter der Überschrift „Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung“. Hierzu Habersack, Gutachten E zum 69. DJT. Vgl. aus der Historie des DJT Bayer, NZG 2013, 1; Lieder, in: Bayer/Habersack, Kapitel 10 Rn. 69 ff.; ders., in: Bayer, Beratungen des DJT, S. 117 ff.; J. Schmidt, ebenda, S. 159 ff.; dies., ebenda, S. 259 ff. 18 Vgl. Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83 ff. 19 Deutscher Corporate Governance Kodex, zuletzt i. d. F. v. 7. 2. 2017. 20 Vgl. Binder, ZGR 2015, 667, 693 ff.; v. Werder, in: Kremer u. a., Rn. 170. 21 BCBS, Enhancing Corporate Governance for Banking Organisations, September 1999, überarbeitet im Februar 2006. dass., Principles for enhancing corporate governance, Oktober 2010, überarbeitet zuletzt im Juli 2015. Vgl. hierzu etwa Mülbert, BKR 2006, 349, 355 f.

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päischen Bankaufsichtsbehörde, namentlich die European Banking Authority (EBA).22 Darüber hinaus haben sich in bestimmten Bereichen der Corporate Governance über die Jahre aber vermehrt auch verbindliche gesetzliche Regelungen verfestigt. Dies gilt insbesondere für die Compliance und das Risikomanagement. Für den Bankensektor schreibt § 25a Abs. 1 KWG bereits seit Mitte der 90er Jahre, seit der 6. KWG-Novelle,23 besondere organisatorische Anforderungen an Institute vor. Ein Institut musste hiernach im Wesentlichen über geeignete Regelungen zur Risikosteuerung, -überwachung, und -kontrolle sowie über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen.24 Diese anfangs recht überschaubaren Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG haben sich mittlerweile zu einem umfangreichen Katalog an Compliance- und Risikomanagement-Organisationspflichten entwickelt. Verantwortlich hierfür war zum einen die Überarbeitung im Zuge des Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetzes.25 Zum anderen setzte sich nach der Finanzkrise die Erkenntnis durch, dass die aus einer mangelnden Corporate Governance resultierenden Schwächen für die Krise mitverantwortlich gewesen waren.26 Als zentrale Schwachstellen der Corporate Governance wurden insbeson-

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EBA, Guidelines on Internal Governance (GL 44), September 2011. Vgl. ferner Europäische Kommission, Grünbuch „Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik“ vom 2. 6. 2010, KOM (2011) 284 endg. Hierzu Buschmann, NZG 2011, 87; Habbe/ Köster, BB 2011, 265; Wittig, WM 2010, 2337. 23 Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22. 10. 1997, BGBl. I 1997 S. 2518. 24 § 25a Abs. 1 i. d. F. der 6. KWG-Novelle lautete: „Ein Institut muss (1) über geeignete Regelungen zur Steuerung, Überwachung und Kontrolle der Risiken sowie über angemessene Regelungen verfügen, anhand deren sich die finanzielle Lage des Instituts jederzeit mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lässt; (2) über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation, über ein angemessenes internes Kontrollverfahren sowie über angemessene Sicherheitsvorkehrungen für den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung verfügen; (3) dafür Sorge tragen, dass die Aufzeichnungen über die ausgeführten Geschäfte eine lückenlose Überwachung durch das Bundesaufsichtsamt für seinen Zuständigkeitsbereich gewährleisten; die erforderlichen Aufzeichnungen sind sechs Jahre lang aufzubewahren; § 257 Abs. 3 und 5 des Handelsgesetzbuchs gilt entsprechend.“ 25 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 (Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. 2004 I S. 3610. 26 Vgl. die Feststellungen bei: EBA, Guidelines on Internal Governance (GL 44), September 2011, Tz. 3: „Weak internal governance issues were not identified as a direct trigger for the financial crisis, but rather as a crucial underlying factor.“ Ferner BCBS, Principles for enhancing corporate governance, Juli 2015, Tz. 1: „Effective corporate governance is critical to the proper functioning of the banking sector and the economy as a whole.“; Europäische Kommission, Grünbuch „Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik“ vom 2. 6. 2010, KOM (2011) 284 endg., S. 2: „Selbst wenn die Krise nicht unmittelbar der Corporate Governance anzulasten ist, so hat doch das Fehlen wirksamer Kontrollmechanismen wesentlich dazu beigetragen, dass Finanzinstitute überhöhte Risiken eingegangen sind. (…) Folglich war das in den Finanzinstituten bestehende Corporate-Governance-System entweder unzulänglich, oder es wurde nicht korrekt angewandt.“ Pointiert Isaksson/Kirkpatrick, OECD Observer

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dere Compliance und Risikomanagement entlarvt.27 Dies veranlasste das BCBS, drei Papiere mit Fokus auf dem Risikomanagement zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Bankensektors zu veröffentlichen: Basel III.28 Basel III wurde zur Grundlage (und zum Synonym) für ein umfangreiches europäisches Regulierungspaket bestehend aus CRR29 und CRD IV30, welches mit verbindlichem Anspruch erweiterte Anforderungen an die Corporate Governance von Instituten aufstellt. Das CRD IV-Umsetzungsgesetz31 transformierte die Richtlinienvorgaben in nationales Recht und verschaffte ihnen unmittelbare Verbindlichkeit.32 Auch § 25a Abs. 1 KWG wurde durch das CRD IV-Umsetzungsgesetz in seine heutige Form gegossen: Institute müssen eine umfassende Compliance- und Risikomanagement-Organisation vorweisen, die bestimmte gesetzlich zwingend vorgeschriebene Mindeststandards beachtet. II. Dopplung verbindlicher Corporate Governance-Anforderungen § 25a Abs. 1 KWG dringt damit auf ein regulatorisches Feld vor, welches aktiengesetzlich im Wesentlichen unbeackert ist. Im Bereich der Compliance und des Risikomanagements haben zwingende bankaufsichtsrechtliche OrganisationsvorNo. 273, Juni 2009, S. 11: „If there is one major lesson to draw from the financial crisis, it is that corporate governance matters“. 27 Vgl. The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Chaired by Jacques de Larosière, 25. Februar 2009, Tz. 13 ff., 23 ff. Aus der Literatur Möslein, JZ 2010, 72, 79; Mülbert, ZHR 173 (2009), 1, 8; Seibert, DB 2009, 1167 f. Vgl. die entsprechenden Leitlinien bei BCBS, Principles for enhancing corporate governance, Juli 2015, Tz. 105 ff. (Principle 5), und EBA, Guidelines on Internal Governance (GL 44), September 2011, Ziffer 20 ff. Ferner FSB, Thematic Review on Risk Governance, Februar 2013. 28 BCBS, Guidance for national authorities operating the countercyclical capital buffer (BCBS 187), International framework for liquidity risk measurement standards and monitoring (BCBS 188), und A global regulatory framework for more resilient banks and banking systems (BCBS 189), Dezember 2010. 29 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 6. 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (ABl. Nr. L 176 S. 1, ber. Nr. L 321 S. 6, ber. 2015 Nr. L 193 S. 166) (Capital Requirements Regulation), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 2016/ 1014 vom 8. 6. 2016 (ABl. Nr. L 171 S. 153). 30 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 6. 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. Nr. L 176 S. 338, ber. ABl. Nr. L 208 S. 73) (Capital Requirements Directive IV), zuletzt geändert durch Art. 113 ÄndZDRL 2018 vom 25. 11. 2015 (ABl. Nr. L 337 S. 35). 31 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen vom 28. 8. 2013 (BGBl. I S. 3395). 32 Die CRR bedarf als Verordnung keiner Umsetzung, vgl. unten § 6 B. III. 1. a).

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gaben das soft law, also die unverbindlichen „Rechtssätze“,33 der unterschiedlichen Corporate Governance-Kodizes abgelöst. Hierdurch entstehen Probleme ganz eigener Qualität: Mit seinen genuinen Regelungen zur Unternehmensorganisation greift das öffentliche34 Bankaufsichtsrecht in verbindlicher Weise tief in die Unternehmensverfassung der Gesellschaften ein und beansprucht Deutungshoheit auf dem ursprünglich gesellschaftsrechtlichen Terrain der Corporate Governance. Es entsteht eine Schnittmenge zwischen Bankaufsichts- und Gesellschaftsrecht: ein „Bankgesellschaftsrecht“.35 Hierdurch wird erforderlich, was im Falle unverbindlicher Corporate Governance-Anforderungen entbehrlich ist: Aus dem Aufeinandertreffen des privaten Aktienrechts und des öffentlichen Bankaufsichtsrechts entsteht das Erfordernis, die im Schnittbereich der Corporate Governance liegenden Regelungen der beiden Rechtsgebiete in ein Verhältnis zueinander zu setzen und entstehende Systemspannungen aufzulösen.36 Die Überlagerung des Gesellschaftsrechts durch das Aufsichtsrecht bringt also die methodenrechtliche Notwendigkeit einer Relation mit sich. III. Verhältnisbestimmung über Ausstrahlungswirkungen? Angesichts des hohen Detaillierungsgrads der aufsichtsrechtlichen Regelung wird in der Literatur insoweit vornehmlich nach den sektorübergreifenden Wirkungen des § 25a Abs. 1 KWG gefragt: Lassen sich die branchenspezifischen Pflichten heranziehen, um die Anforderungen an Compliance und Risikomanagement in Unternehmen anderer Branchen inhaltlich näher zu bestimmen?37 Diese 33

Es existiert keine einheitliche Definition des Begriffs soft law, obschon einige Definitionsansätze – insbesondere mit Blick auf das Europäische Gemeinschaftsrecht – in der Literatur herausgearbeitet worden sind. Vgl. hierzu Schwarze, EuR 2011, 3 m.w.N.; Borchardt/ Wellens, European Law Review, 1989, 267, 274; kritisch Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 554. 34 Zur Rechtsnatur des Bankaufsichtsrechts ausführlich unten § 8 A. 35 Dieser prägnante Begriff geht zurück auf Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, und wurde seither etwa aufgegriffen von Kalss, EuZW 2015, 252, 255; dies./Klampfl, in: Dauses, E.III. Rn. 440. Zum Teil wird in ähnlicher Weise auch von „Bankorganisationsrecht“ gesprochen: Mülbert, ZVglRWiss 133 (2014), 520, 525; ders./Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 514; U. H. Schneider/S. H. Schneider, NZG 2016, 41, 43. 36 Vgl. zur Notwendigkeit einer Verhältnisbestimmung zwischen Bankaufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht bereits Fleischer, ZIP 2003, 1, 10; Langenbucher, in: FS Hopt, 2175; U. H. Schneider, DB 1993, 1991 ff.; ders., ZGR 1996, 225 ff. 37 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 61; ders., ZIP 2003, 1, 10. Ähnlich Dreher, ZGR 2010, 496, 505 („Übertragung auf im Ansatz vergleichbare Fragestellungen in der Normal-AG“); Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 296 („sektorübergreifende Wirkungen“); Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 668 („Einwirkung auf nicht regulierte Industrien“); Merkt, ZIP 2014, 1705, 1710 („Übertragung branchenspezifischer Anforderungen auf andere Branchen“). Ferner Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 300 („Übertragung auf Bereiche (…) außerhalb der ursprünglichen Intentionen des Gesetzes“).

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Frage zielt im Kern darauf, zu ergründen, wie weit die Pflichten des Vorstands mit Blick auf sektorspezifische Regelungen reichen. Hier kommt der Begriff der Ausstrahlungswirkung wieder ins Spiel. Denn gerade in diesem Sinne verwendet die Literatur den Begriff „Ausstrahlungswirkungen“ – oder kurz: „Ausstrahlungen“: um die Bedeutung bankaufsichtsrechtlicher Regelungen im Bereich der Unternehmensverfassung für das Aktienrecht zu umschreiben.38 Auch die Bedeutung des § 25a Abs. 1 KWG für die aktienrechtlichen Anforderungen an Compliance und Risikomanagement soll in einer Ausstrahlungswirkung zu sehen sein.39 Hierbei geht es nicht darum, dass der Gesetzgeber bereits erprobte Vorschriften bestimmter Rechtsgebiete heranzieht, um nach ihrem Ebenbild Regelungen in anderen Rechtsgebieten zu erlassen.40 Vielmehr werden unter dem Begriff „Überlegungen gefasst, bankaufsichtsrechtliche Wertungen (…) in einen aktienrechtlichen Regelungszusammenhang zu überführen.“41 Daneben ist aber auch eine weitere, in der Literatur eher stiefmütterlich behandelte Frage relevant, um eine umfassende Verhältnisbestimmung zu ermöglichen: Welche Auswirkungen haben die besonderen bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen auf den aktienrechtlichen Pflichtenrahmen des Bankvorstands?42 Denn auch insoweit ist – schon wegen der Zugehörigkeit der Regelungen zu verschiedenen Teilrechtsordnungen – nicht ohne weiteres klar, dass die aufsichtsrechtlichen Pflichten Auswirkungen auf den aktienrechtlichen Pflichten- und Haftungsmaßstab des Bankvorstands haben. Kern dieser Frage wiederum ist letztlich, wie weit die aktienrechtliche Haftung des Bankvorstands mit Blick auf seine spezifisch aufsichtsrechtlichen Pflichten reicht. Allein: die methodologischen Grundlagen und die „Wirkung“ einer Ausstrahlung (ob branchenspezifisch oder -übergreifend) sind noch immer ungeklärt.43 Dies gilt auch für das Verhältnis einer Ausstrahlungswirkung zu anderen methodenrechtlichen

38 Vgl. Dreher, ZGR 2010, 496; Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666; Leyens/ F. Schmidt, AG 2013, 533, 536; Merkelbach, Der Konzern 2013, 227 ff.; Thaten, Ausstrahlungen, S. 23; Weber-Rey, ZGR 2010, 543; dies., AG 2012, 365, 370. 39 Vgl. an dieser Stelle nur Bürkle, WM 2005, 1496 ff. 40 Zu solchen Ausstrahlungen de lege ferenda s. Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 567. 41 So zusammenfassend Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666. 42 Zu Fragen dieser „branchenspezifischen Auslegung“ bereits Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 296. 43 Vgl. Dreher, ZGR 2010, 496 („noch kein systematischer Zugang“); Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666 („methodologisch noch unbesetzter Begriff“); Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565 („bisher kein Einzug in die rechtswissenschaftliche Methodenlehre“). Zuletzt Thaten, Ausstrahlungen, S. 24 („Leerformel“). Zum Teil wird die methodologische Bedeutung des Ausstrahlungsbegriffs gänzlich negiert, vgl. etwa Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865 („(…) es beruht auch nicht auf einer „Ausstrahlung“ dieser Vorschriften, da die Ausstrahlung keinen Begriff der Methodenlehre darstellt, sondern nur eine bildhafte Umschreibung“).

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Instrumenten, wie der Analogie,44 oder gesetzlichen Verhältnisbestimmungen zwischen zwei Normen bzw. Normkomplexen, zum Beispiel durch Verweis.45 Nur vereinzelt finden sich in der Literatur Versuche, die Grundlagen einer Ausstrahlungswirkung zu klären – die jedoch vielfach über Ansätze nicht hinausreichen.46 Eine etwaige Ausstrahlungswirkung, die das Bankaufsichts- auf das Aktienrecht ausübt, kann aber nur bestimmt werden, wenn ihre methodenrechtliche Grundlage und ihre Einordnung neben anderen Instrumenten des Methodenrechts klar ist.

B. Gang der Darstellung Vor diesem Hintergrund will die Arbeit zwei Fragen beantworten. Erstens: Was ist eine Ausstrahlungswirkung? Zweitens: Inwieweit besteht eine Ausstrahlungswirkung der bankaufsichtsrechtlichen Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen auf das Aktienrecht? Zur Beantwortung dieser Fragen geht die Arbeit in drei Schritten vor. In einem ersten Teil sind die aktienrechtlichen Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen denjenigen des Bankaufsichtsrechts gegenüberzustellen. Ausgehend von der Verankerung von Compliance und Risikomanagement im Rahmen des aktienrechtlichen Pflichtenkanons des Vorstands, der geprägt ist durch dessen weites unternehmerisches (Organisations-)Ermessen,47 ist der Blick auf die in Form prinzipiengeleiteter Regelungen aufgestellten bankaufsichtsrechtlichen Mindestvorgaben an Compliance und Risikomanagement zu lenken.48 Hierdurch werden die Anknüpfungspunkte einer möglichen bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung sichtbar und ihre (praktische) Relevanz verdeutlicht. Die vorangestellte Darstellung der Compliance- und RisikomanagementPflichten wird die sich in einem zweiten Teil anschließende Untersuchung leichter verständlich machen, was unter einer Ausstrahlungswirkung zu verstehen ist und wie diese sich in die juristische Methodenlehre integrieren lässt. Dabei ist von der einer Ausstrahlungswirkung zugeschriebenen Wirkung auszugehen, einen Wertungs- bzw. Regelungstransfer zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht – vulgo: öffentlichem 44

s. aber Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 300 („methodischer Vorgang unterhalb der Analogiebildung“). 45 Vgl. auch den Vorschlag von Bachmann, Referat zum 68. DJT, P 30, These II. 4. b., den Vorrang des Aufsichtsrechts vor dem Gesellschaftsrecht im KWG klarzustellen. 46 Vgl. Dreher, ZGR 2010, 496 ff.; Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 300; Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666 f.; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565 f. In jüngerer Vergangenheit hat allerdings Thaten, Ausstrahlungen, passim den Versuch unternommen, Ausstrahlungswirkungen – ebenfalls für das Verhältnis zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht – eingehend zu untersuchen, wobei der Fokus ihrer Arbeit auf der praxisgerechten Lösung verschiedener Spannungsverhältnisse liegt. 47 Hierzu § 1. 48 Hierzu § 2.

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Recht und Zivilrecht – zu erreichen. Dies erfordert die grundlegende Klärung, in welchem Verhältnis das öffentliche Recht und das Zivilrecht zueinander stehen. Ausgehend von der Lehre wechselseitiger Auffangordnungen49 ist die koordinationsdogmatische50 Bedeutung einer Ausstrahlungswirkung zu untersuchen.51 Eine nähere terminologische Eingrenzung wird die Erarbeitung der unterschiedlichen Erscheinungsformen einer Ausstrahlungswirkung ermöglichen. Hierbei wird die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen faktischen und normativen Ausstrahlungen zutage treten.52 Ausgehend hiervon sind die Voraussetzungen einer Ausstrahlungswirkung und ihr Verhältnis zu anderen methodenrechtlichen Instrumenten eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers zu untersuchen.53 Im dritten Teil der Arbeit sollen die gefundenen Ergebnisse der ersten beiden Teile sodann zusammengeführt werden, um konkret nach einer Ausstrahlungswirkung der bankaufsichtsrechtlichen Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG auf den aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab des Vorstands zu fragen. Hierbei ist zunächst ein Blick darauf zu werfen, ob die normativen Beziehungen zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht einer Ausstrahlungswirkung einen ausreichenden Rahmen bieten.54 Im Anschluss können die Auswirkungen des § 25a Abs. 1 KWG auf die Pflichten des Vorstands im Einzelnen untersucht werden. Hierbei ist an die im zweiten Teil erarbeitete Unterscheidung zwischen faktischen und normativen Ausstrahlungen anzuknüpfen: Die Untersuchung faktischer Ausstrahlungen wird zugleich die Bedeutung der bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten für Aktiengesellschaften anderer Branchen illustrieren, während normative Ausstrahlungen die Auswirkungen des § 25 Abs. 1 KWG auf den aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab des Bankvorstands verdeutlichen werden.55

C. Konkretisierung des Betrachtungsgegenstands Vorab sind mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand einige begriffliche Klärungen und Eingrenzungen vorzunehmen. Dies rührt zum einen aus der Vagheit des Ausstrahlungsbegriffs, zum anderen aus der Weitläufigkeit des Bankaufsichtswie auch des Aktienrechts.

49 Vgl. an dieser Stelle nur Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 7 ff. 50 Vgl. an dieser Stelle nur Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 50 ff. und passim. 51 Hierzu § 4. 52 Hierzu § 5. 53 Hierzu § 6. 54 Hierzu § 8. 55 Hierzu § 9.

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I. Aktien- und Bankaufsichtsrecht Das Aktienrecht ist die Grundlage der Existenz der Aktiengesellschaft. Von wenigen, auf Einzelnormen beschränkten, Ausnahmen abgesehen, ist das Aktienrecht rein privatrechtlich angelegt.56 Es bildet insoweit einen Ausschnitt des Gesellschaftsrechts als Oberbegriff der verschiedenartigen einfachgesetzlichen Regelungen zur Möglichkeit gemeinsamen zweckgerichteten Zusammenwirkens aufgrund autonomer Organisation.57 Zum Aktienrecht zählen all diejenigen Vorschriften, welche die Rahmenbedingungen für die Gründung, die Rechtsverhältnisse sowie die Verfassung der Aktiengesellschaft aufstellen. Wann immer im Folgenden hingegen vom Bankaufsichtsrecht – oder verkürzend: Aufsichtsrecht – die Rede ist, sollen sämtliche Vorschriften angesprochen sein, welche branchenspezifische Sonderregelungen für Unternehmen des Finanzsektors aufstellen. Das Bankaufsichtsrecht stellt als besonderes öffentliches Gefahrenabwehrrecht („Gewerbepolizeirecht“)58 die wesentlichen Voraussetzungen zum Betreiben von Bankgeschäften auf und das Kreditwesen unter staatliche Aufsicht. Wesentliche Quelle des Bankaufsichtsrechts ist das Kreditwesengesetz.59 Dieses knüpft daran an, ob ein Unternehmen Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt und adressiert damit Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute – zusammen: Institute –, Finanzunternehmen und CRR-Institute (das sind CRRKreditinstitute und CRR-Wertpapierfirmen).60 Derlei Unternehmen werden landläufig als Banken bezeichnet und sollen auch im Folgenden der Vereinfachung halber pauschal als Banken, Institute oder Kreditinstitute angesprochen werden, ohne dass hierdurch die Ausführungen insoweit beschränkt werden sollen. Zum Bankaufsichtsrecht zählen auch Vorschriften auf europäischer Ebene, so vor allem die CRR, welche auch im nationalen Recht unmittelbar verbindliche Anforderungen aufstellt. Darüber hinaus sind Rechtsverordnungen, welche auf Grundlage des KWG erlassen worden sind – die wichtigsten Beispiele sind die SolvV61, die LiqV62 und die Gro-

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Ausnahmen bilden etwa die Strafvorschriften der §§ 394 ff. AktG. Vgl. Grunewald, Gesellschaftsrecht, Einführung Rn. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 3 ff. (auch zu den verschiedenen Ansätzen einer Begriffsdefinition). 58 BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1962 – 2 BvF 4, 5/61 und 1, 2/62, NJW 1962, 1670; BVerwG, Urt. v. 29. 3. 1966 – I C 62/65, GewArch 1966, 200; BGH, Urt. v. 15. 2. 1979 – III ZR 108/76, NJW 1979, 1354, 1355; BGH, Urt. v. 12. 7. 1979 – III ZR 154/77, NJW 1979, 1879, 1881 (jeweils m. umfangr. Nachw.). 59 Statt vieler Binder, ZGR 2015, 667, 676. 60 § 1 Abs. 1, 1a, 1b, 3 und 3d KWG. 61 Verordnung zur angemessenen Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung) vom 6. 12. 2013 (BGBl. I S. 4168). 62 Verordnung über die Liquidität der Institute (Liquiditätsverordnung) vom 14.12. 2006 (BGBl. I S. 3117). 57

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MiKV63 – sowie Rundschreiben und Erlasse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Teil des Bankaufsichtsrechts. Hier werden insbesondere die MaRisk64, welche auf der Grundlage des § 25a Abs. 1 KWG einen flexiblen und praxisnahen Rahmen für die Ausgestaltung des Risikomanagements der Institute vorgeben sollen,65 im Verlaufe der Untersuchung eine wesentliche Rolle spielen. Die zentrale Organisationsvorschrift des § 25a Abs. 1 KWG wird von einer Vielzahl weiterer kreditwesenspezifischer Organisationsanforderungen flankiert. Besondere Regelungen finden sich innerhalb des KWG, zum Beispiel in § 25f KWG, der besondere organisatorische Anforderungen zur Risikoabschirmung durch Finanzhandelsinstitute regelt. Neben diesen „allgemeinen“ branchenspezifischen Anforderungen des KWG enthalten aber auch einige Sondergesetze weitergehende Regelungen für bestimmte Institutsformen wie Sparkassen, Pfandbriefbanken, Bausparkassen oder Kapitalverwaltungsgesellschaften.66 So hat eine Pfandbriefbank § 27 Abs. 1 PfandBG, wonach sie über ein geeignetes Risikomanagement für das Pfandbriefgeschäft verfügen muss, zusätzlich zu § 25a KWG zu beachten.67 Von Kapitalverwaltungsgesellschaften verlangt § 28 Abs. 1 KAGB, dass diese über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation einschließlich eines angemessenen Risikomanagements verfügen.68 Obwohl formell dem Bankaufsichtsrecht zuzuordnen, sollen solche speziellen Regelungen im Folgenden – gleich, ob sie inhaltlich von den Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG abweichen oder sich mit diesen decken – im Sinne der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der Arbeit außen vor bleiben. II. „Bankaufsichtsrechtliche Ausstrahlungen“ Aufgrund der Begrenzung auf das Aktienrecht einerseits und das Bankaufsichtsrecht andererseits ist die Untersuchung in gleich zweifacher Hinsicht stellvertretend. Das Bankaufsichtsrecht hat einen rechtsformunabhängigen Ansatz, der ohne Rücksicht auf die Verfasstheit des Unternehmensträgers allein auf eine un63 Verordnung zur Ergänzung der Großkreditvorschriften nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 und zur Ergänzung der Millionenkreditvorschriften nach dem Kreditwesengesetz (Großkredit- und Millionenkreditverordnung) vom 6. 12. 2013 (BGBl. I S. 4183). 64 Das ursprüngliche Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement Nr. 10/2012 (BA) vom 14. 12. 2012 ist jüngst durch die neue Fassung Nr. 09/2017 vom 27. 10. 2017 (BA 54–FR 2210 – 2017/0002) ersetzt worden. 65 Hierzu Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a Rn. 68 ff.; ferner Auerbach/Jost, in: Hopt/Wohlmannstetter, S. 659; Weber-Rey/Baltzer, ebenda, S. 456. 66 Vgl. Rümker/Winterfeld, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 124 Rn. 18 ff. 67 Für einen Überblick über weitere kreditwesenrechtliche Organisationsvorschriften s. Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 6. 68 Hierzu Swoboda, in: Weitnauer/Boxberger/Anders, § 28 Rn. 5 ff.

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ternehmerische Betätigung im Finanzsektor abstellt.69 Zugleich können Unternehmen, die Bankgeschäfte erbringen, grundsätzlich in jeder Rechtsform organisiert sein. Einschränkungen trifft das KWG allein für Einzelkaufleute.70 Daraus folgt, dass § 25a Abs. 1 KWG auch für Institute in der Rechtsform etwa der GmbH, der Genossenschaft oder der KG gilt. Auch in den hier entstehenden Spannungsverhältnissen können Ausstrahlungswirkungen eine Rolle spielen. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich jedoch stellvertretend auf das Aktienrecht als Teildisziplin des Gesellschaftsrechts. Diese Begrenzung findet ihre Rechtfertigung in Erwägungen der Übersichtlichkeit. Die konkrete Wahl der Aktiengesellschaft als Repräsentant des Gesellschaftsrechts liegt dabei in ihrer hohen praktischen Relevanz für den Finanzsektor begründet.71 Stellvertretend ist die Arbeit auch insoweit, als sie sich auf eine Ausstrahlungswirkung des Bankaufsichtsrechts beschränkt. Einerseits soll eine unter Umständen denkbare Ausstrahlungswirkung in umgekehrter Richtung – des Aktienrechts auf das Bankaufsichtsrecht – aus der Betrachtung ausgegrenzt werden.72 Andererseits ist zu bedenken, dass Fragen einer Ausstrahlungswirkung sich ebenso für die besonderen Organisationsregelungen anderer Bereiche der Wirtschaftsaufsicht stellen können, soweit diese Regelungen Bezüge zur gesellschaftsrechtlichen Binnenorganisation enthalten. Die bereits angesprochene Regelung des § 28 Abs. 1 KAGB für Kapitalverwaltungsgesellschaften bildet ein Beispiel hierfür.73 Vergleichbare Vorschriften enthalten etwa auch das Versicherungsaufsichtsrecht74 und das Wertpapierrecht.75 Die vorliegende Arbeit will eine aufsichtsrechtliche Ausstrahlungswirkungen jedoch stellvertretend allein anhand des § 25a Abs. 1 KWG – und damit anhand des Bankaufsichtsrechts – untersuchen. Der Begriff der Ausstrahlungswirkung, dessen Entwicklung (Zwischen-)Ziel der Arbeit ist, kann daher zunächst immer nur ein bankaufsichtsrechtlicher Ausstrahlungsbegriff sein. Ob er in gleicher Weise auch in anderen Spannungssituationen – etwa im Verhältnis des Kapitalverwaltungs- zum GmbH-Recht – herangezogen werden kann, hängt davon ab, inwieweit der gefundene Ausstrahlungsbegriff mit dem Anspruch methodenrechtlicher Allgemeingültigkeit auftreten kann. Ein Ausblick auf diese Frage wird am Ende der Arbeit gegeben werden.76 69

Statt vieler R. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski § 125 Rn. 1. § 2b KWG. 71 Vgl. BaFin, Liste der zugelassenen Kreditinstitute, abrufbar unter www.bafin.de. 72 Vgl. hierzu Bürkle, WM 2005, 1496, 1499. 73 Zur Ausstrahlungsdiskussion im Recht der Kapitalverwaltungsgesellschaften vgl. Kort, AG 2013, 582, 583. 74 Vgl. §§ 23 ff. VAG. Vgl. zur versicherungsaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungsdiskussion etwa Wirth/Paul, CCZ 2010, 95, 96. 75 Vgl. § 33 Abs. 1 WpHG. Vgl. zur wertpapieraufsichtsrechtlichen Ausstrahlungsdiskussion bereits oben Fn. 12. 76 Hierzu unten Post Scriptum. Im weiteren Verlauf wird angelegentlich auf diese Frage zurückzukommen sein, vgl. etwa § 5 C. III. 70

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III. Compliance und Risikomanagement Die Anforderungen an Compliance und Risikomanagement stehen als Exempel im Zentrum der Untersuchung. Dieses Themenfeld bietet sich nicht nur deshalb an, weil bankaufsichtsrechtliche Ausstrahlungswirkungen mit Vorliebe in diesem Zusammenhang betrachtet werden.77 In der Gemengelage aufsichts- und aktienrechtlicher Compliance- und Risikomanagementvorgaben (im Folgenden verkürzend auch schlicht als „Organisationspflichten“ bezeichnet) bestehen praktisch relevante und wissenschaftlich anspruchsvolle sachliche Verschränkungen und Verzahnungen. Vor diesem Hintergrund bedürfen auch diese beiden angelsächsischen Begriffsimporte einer kurzen Erläuterung. 1. Compliance Dem Inhalt einer unternehmensbezogenen „Compliance“ kann man sich ausgehend von der Wortbedeutung des etymologischen Ursprungs in der englischen Sprache nähern.78 To comply with meint „(Regeln) befolgen, einhalten“. Compliance verlangt demnach die Regelbefolgung, die Einhaltung der jeweils geltenden Gesetze bzw. anwendbaren Regeln.79 In einem rechtsstaatlichen System ist dies nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit.80 Ein eigenständiger unternehmerischer ComplianceBegriff muss also darüber hinaus gehen. Anknüpfung einer selbstständigen Bedeutung ist die innerhalb der Gesellschaft erfolgende Verlängerung ihrer Rechtsbefolgungspflicht in Form der die Leitungsorgane treffenden Legalitätspflicht. Diese haben sich selbst normkonform zu verhalten, gleichzeitig aber auf das normkonforme Verhalten anderer im Unternehmen zu achten.81 Ziffer 4.1.3 DCGK formuliert, dass der Vorstand für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen hat und auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hinwirkt. In einem Klammerzusatz definiert der Kodex diese Pflicht als „Compliance“. Compliance kennt jedoch eine zweite Stufe, welche über die bloße Pflicht zur Legalität und Legalitätskontrolle hinaus geht. In Anlehnung an das US-amerikanische Verständnis82 beschreibt sie ein umfassendes Organisationskonzept, welches 77

Vgl. die Nachw. in Fn. 13 und 14. Wie der Corporate Governance-Begriff hat auch der Ausdruck „Compliance“ über die vergangenen Jahrzehnte schleichenden Einzug in den deutschen juristischen Sprachgebrauch gehalten. Vgl. Koch, WM 2009, 1013; Lösler, NZG 2005, 104. 79 Goette, ZHR 175 (2012), 388, 390; Hauschka, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 1 Rn. 2; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 116; Lösler, NZG 2005, 104; U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 646. 80 Zutreffend Hauschka, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 1 Rn. 2. 81 Merkt, ZIP 2014, 1705, 1706. Zur Herleitung der Compliance-Pflicht des Vorstands noch unten § 1 B. I. 82 Hierzu Fleischer, NZG 2004, 1129, 1131 m.w.N.; Paefgen, WM 2016, 433, 434. 78

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die Gewährleistung einer umfassenden Regelkonformität zum Ziel hat.83 Insoweit lassen sich unter Compliance alle aufbau- und ablauforganisatorischen Vorkehrungen verstehen, welche dazu dienen, präventiv Regelverstöße zu vermeiden und in repressiver Hinsicht Regelverletzungen aufzudecken und zu ahnden.84 Jede Organisation des Unternehmens muss darauf bedacht sein, dass die das Unternehmen betreffenden gesetzlichen Bestimmungen an jeder Stelle im Unternehmen beachtet werden.85 2. Risikomanagement Das Risikomanagement ist begrifflich eng mit der Compliance verwoben.86 Diese Verschränkung wird aus Perspektive des Bankaufsichtsrechts durch die in § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3c KWG kodifizierte Pflicht unterstrichen, im Rahmen des Risikomanagements eine Compliance-Funktion einzurichten.87 Risikomanagement bezeichnet die „Gesamtheit aller organisatorischen Regelungen und Maßnahmen zur Risikoerkennung und zum Umgang mit den Risiken unternehmerischer Betätigung.“88 Ausführlicher formuliert der IDW PS 34089, das Risikomanagementsystem umfasse die Gesamtheit aller organisatorischen Regelungen und Maßnahmen zur Identifikation von Risiken, deren Bewertung und Steuerung sowie die Kommunikation von Risiken und die Überwachung des Systems.90 Wesentliche Bestandteile jedes Risikomanagementsystems sind Maßnahmen der Risikoerfassung und -bewältigung.

83 Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 137 f.; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 117; Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 6 f. 84 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rn. 1; Passarge, NZI 2009, 86; U. H. Schneider, ZIP 2003, 645. Weitergehender Überblick zu den begrifflichen Bestandteilen einer Compliance bei Kort, NZG 2008, 81 f. Vgl. zum Compliance-Begriff auch BGH, Urt. v. 17. 7. 2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44 = NJW 2009, 3173, 3175. 85 Arnold/Rothenburg, in: Semler/Peltzer/Kubis, § 7 Rn. 35; Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 77, 153; Poppe, in: Inderst/Bannenberg/Poppe, Kapitel 1 Rn. 39 ff. Spindler, WM 2008, 905. 86 Zutreffend Dengler, WM 2014, 2032, 2035; B. Schmidt, Compliance, S. 21 f.; Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 8 f. („symbiotische Beziehung“). Entsprechend wird mit Blick auf die Unternehmenspraxis auch empfohlen, Compliance- und RisikomanagementOrganisation eng miteinander zu verzahnen. Vgl. hierzu Bachmann, in: Kremer u. a., Rn. 814; Moosmayer, NJW 2012, 3013, 3016. 87 Vgl. fürs Erste Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 46 f. 88 Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter, S. 604. 89 IDW PS 340 v. 11. 9. 2000, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB, WPg 1999, 658 ff. 90 IDW PS 340 Vorbemerkung Tz. 4, Wpg 1999, 658.

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Bezugspunkt jedes risk management ist das „Risiko“.91 Für Zwecke eines juristisch-betriebswirtschaftlichen Risikomanagements ist hierunter die Gefahr negativer Abweichung von einem avisierten Zielwert zu verstehen, welche Auswirkungen auf das wirtschaftliche Gleichgewicht des Unternehmens haben können.92 Der IDW PS 340 formuliert das Risiko als die „Möglichkeit künftiger unsicherer Entwicklungen“.93 Arten von Risiken lassen sich zur Illustration in – freilich nicht zwingende – Kategorien einteilen. Als übergeordnete Risikokategorien können elementare Risiken („höhere Gewalt“), politische/ökonomische sowie unternehmerische Risiken unterschieden werden.94 Zu den unternehmerischen Risiken zählen operationelle Risiken, strategische Risiken und taktische, insbesondere Finanzrisiken.95 Angesichts des jedes Unternehmen treffenden Legalitätsgebots ist auch in der Regelkonformität ein Zielwert zu sehen und der Regelverstoß damit als Negativabweichung mit der potentiellen Folge von Vermögens- oder Reputationseinbußen als Risiko einzustufen.96 Rechts- bzw. Compliance-Risiken stellen daher ein operationelles Risiko des Unternehmens dar;97 Compliance bildet insoweit einen Bestandteil des Risikomanagements.98 Es ist auf den Teilaspekt der Vermeidung von Rechtsrisiken gerichtet. Soweit – wie im Falle des § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG – eine gesetzliche Verpflichtung zu einem effizienten Risikomanagement im Unternehmen besteht, erfasst die Compliance ex negativo auch die Einrichtung und Unterhaltung eines solchen Risikomanagementsystems. Das Risikomanagement ist dann umgekehrt auch Teil einer ordnungsgemäßen Compliance. IV. Konzern- und auslagerungsrechtliche Probleme Compliance und Risikomanagement spielen nicht nur im Einzelunternehmen, sondern auch im Konzernverbund eine Rolle. Bei der Implementierung konzernweiter Compliance- und Risikomanagement-Systeme stellen sich schon aus aktienbzw. konzernrechtlicher Sicht eine Vielzahl unterschiedlicher Fragen.99 Streit besteht insbesondere darüber, inwieweit sich eine tragfähige Rechtsgrundlage für eine 91 Weiterführend zu den Zielvorgaben eines Risikomanagements Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 101 ff. 92 Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter, S. 604 f.; Kless, DStR 1998, 93 f. Vgl. auch Bitz, Risikomanagement, S. 13 f. 93 IDW PS 340 Vorbemerkung Tz. 3, Wpg 1999, 658. Hieran anknüpfend Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 8. 94 Glage/Grötzner, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 14 Rn. 9. 95 Glage/Grötzner, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 14 Rn. 15. 96 Vgl. Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 8 m. Fn. 31. 97 Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 71 m. Fn. 122. 98 Vgl. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3c KWG. 99 Zur Compliance vgl. den Überblick bei Hüffer/Koch, § 76 Rn. 21. Ferner Fleischer, CCZ 2008, 1; Koch, WM 2009, 1013; U. H. Schneider/S. H. Schneider, ZIP 2007, 2061. Zum Risikomanagement Löbbe, Unternehmenskontrolle, S. 183 ff.

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konzernweite Compliance- bzw. Risikomanagement-Pflicht des Vorstands finden lässt.100 Auch das Bankaufsichtsrecht enthält eine gruppendimensionale Erweiterung der Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen.101 Gemäß § 25a Abs. 3 Satz 1 KWG sind die Geschäftsleiter des übergeordneten Unternehmens für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation in der Gruppe verantwortlich. Dissonanzen eigener Art ergeben sich, trifft die bankaufsichtsrechtliche Gruppenverantwortlichkeit auf die Regeln gesellschaftsrechtlicher Leitungsmacht.102 Insbesondere in der Institutsgruppe, bei der die Tochtergesellschaft in der Rechtsform der Aktiengesellschaft organisiert ist und keine unternehmensvertragliche Verbindung zur Muttergesellschaft besteht, ergeben sich durch die begrenzten konzernrechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten der Muttergesellschaft Schranken für die Implementierung der aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen in der Tochtergesellschaft.103 § 25b Abs. 1 Satz 1 KWG „verlängert“ die Pflichten des § 25a Abs. 1 KWG außerdem für den Fall einer Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen auf ein anderes Unternehmen (Outsourcing). Hiernach muss ein Institut im Falle einer Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen auf ein anderes Unternehmen angemessene Vorkehrungen treffen, um übermäßige zusätzliche Risiken zu vermeiden. Die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation im Sinne des § 25a Abs. 1 KWG darf durch das Outsourcing nicht beeinträchtigt werden. Insbesondere muss ein angemessenes und wirksames Risikomanagement durch das Institut gewährleistet bleiben.104 Gemäß § 25c Abs. 4a Nr. 6 KWG trifft die Geschäftsleiter in diesem Fall daher die Pflicht, mindestens angemessene Verfahren und Konzepte einzurichten, um übermäßige zusätzliche Risiken sowie eine Beeinträchtigung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäfte, Dienstleistungen und der Geschäftsorganisation im Sinne des § 25a Abs. 1 KWG zu vermeiden.105 Um die Arbeit nicht zu „überfrachten“ und eine fokussierte Betrachtung des methodenrechtlichen Fundaments von Ausstrahlungswirkungen zu ermöglichen, sollen diese besonderen Fragestellungen, welche sich im Falle einer konzern- bzw. gruppendimensionalen Compliance- und Risikomanagement-Organisation ergeben bzw. welche die Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen mit sich bringt, im

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Vgl. Koch, WM 2009, 1013 ff. Vgl. zum bankaufsichtsrechtlichen Gruppenbegriff Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 164 ff. 102 Hierzu insbesondere Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 147 ff. Ferner Tröger ZHR 177 (2013), 475 ff. Aus versicherungsaufsichtsrechtlicher Sicht Dreher/Ballmeier, ZGR 2014, 753 ff.; Hemeling/Lange, VersR 2014, 1283 ff. 103 So Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 202 f. 104 Zur Funktionsauslagerung vgl. Konopatzki, Funktionsauslagerung, passim. 105 Im Einzelnen zu Organisationspflichten beim Outsourcing Sedlak, Geschäftsorganisation, S. 129 ff.; Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25b Rn. 52 ff. 101

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Folgenden außen vor bleiben.106 Die Betrachtung ist insoweit aufgrund ihrer methodenrechtlichen Konzentration – und wirtschaftlichen Realitäten zum Trotz – auf die Geschäftsorganisation in der unverbundenen107 Gesellschaft begrenzt. Das ist der Sache aber nicht abträglich. Die hier zu erarbeitenden Grundlagen einer „Ausstrahlungsdogmatik“108 lassen sich ohne weiteres anwenden, um auch konzern- und auslagerungsrechtliche Spannungsverhältnisse aufzulösen. V. Maßstäbe guter Corporate Governance Letztlich ist auch hinsichtlich des Umfangs der Untersuchung der einzelnen Elemente ordnungsgemäßer Compliance- und Risikomanagement-Organisation eine Eingrenzung vorzunehmen. Der Untersuchung geht es darum, den Begriff der Ausstrahlungswirkung methodenrechtlich zu fassen und das Verhältnis des Bankaufsichts- zum Aktienrecht näher zu bestimmen. Anliegen der Arbeit ist es nicht, die Anforderungen herauszuarbeiten, welche eine ordnungsgemäße Compliance- und Risikomanagement-Organisation aus bankaufsichts- bzw. aktienrechtlicher Sicht im Einzelnen zu erfüllen hat. Insoweit versteht sich die Arbeit nicht als „Handbuch“ für eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation.109 Daher werden einzelne Organisationselemente nur insoweit dargestellt, als sie für die Untersuchung einer Ausstrahlungswirkung von Bedeutung oder ihr unmittelbares Produkt sind.

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Zu ausstrahlungsrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Outsourcing vgl. Thaten, Ausstrahlungen, S. 238 ff. 107 Vgl. § 15 AktG. 108 Vgl. zum Begriff noch unten Post Scriptum. 109 Vgl. hierzu die umfangr. Nachw. aus der Literatur bei Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 vor Rn. 1; Spindler, in: MüKoAktG, § 91 vor Rn. 1 und vor Rn. 52.

1. Teil

Compliance und Risikomanagement im Aktien- und Bankaufsichtsrecht Bevor eine Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten auf das Aktienrecht untersucht werden kann, sind die jeweiligen Vorgaben der beiden Rechtsgebiete gegenüberzustellen. Aktienrecht und Bankaufsichtsrecht treffen jeweils eigene Regelungen zur Compliance- und Risikomanagement-Organisation. Diese unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer gesetzlichen Anknüpfungspunkte, sondern auch hinsichtlich ihrer Detailtiefe und der an ihre Verletzung geknüpften Rechtsfolgen. Diese Unterschiede gilt es im Einzelnen herauszuarbeiten, um die Bezugspunkte einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung zu verdeutlichen. Darüber hinaus wird die Gegenüberstellung der beiden Regelungskomplexe aufzeigen, welche Früchte aus einer Ausstrahlungswirkung des § 25a Abs. 1 KWG auf den Pflichtenmaßstab des Vorstands gezogen werden können.

§ 1 Aktienrecht Der Einfluss der bankaufsichtsrechtlichen Compliance- und RisikomanagementVorgaben auf die Vorstandspflichten kann nur vor dem Hintergrund der aktienrechtlichen Rechts- bzw. Pflichtenstellung des Vorstands beurteilt werden. Daher sind die wesentlichen aktienrechtlichen Rahmenlinien von Compliance und Risikomanagement nachzuzeichnen. Dies erfordert wiederum, sich zunächst der Grundlagen der aktienrechtliche Pflichtenstellung des Vorstands gewahr zu werden. Insbesondere die Legalitätsverpflichtung des Vorstands und die Reichweite seiner organisatorischen Freiheiten prägen das Bild der aktienrechtlichen Organisationsanforderungen. Dabei sind etwaige Auswirkungen detaillierter aufsichtsrechtlicher Vorgaben auf den aktienrechtlichen Pflichtenrahmen im Geiste einer schrittweisen Untersuchung von Ausstrahlungen freilich zunächst auszublenden und der aktienrechtliche Pflichtenrahmen isoliert zu bestimmen.110

110 Der Einfluss des Bankaufsichtsrechts auf das aktienrechtliche Pflichtengefüge aufgrund etwaiger Wechselwirkungen wird im dritten Teil der Arbeit untersucht.

§ 1 Aktienrecht

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A. Grundlagen I. Allgemeine Leitungs- und Sorgfaltspflicht Wesentliche Grundlage aktienrechtlicher Pflichten des Vorstands gegenüber der Gesellschaft sind §§ 76, 93 AktG. Hiernach besteht für den Vorstand eine allgemeine Leitungs- und Sorgfaltspflicht.111 Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG hat der Vorstand bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.112 Die Vorschrift erfüllt eine Doppelfunktion: Sie regelt zum einen den allgemeinen Verhaltens- und Pflichtenstandard des Vorstands, zum anderen den Verschuldensmaßstab für die Haftung aus § 93 Abs. 2 AktG.113 Der Verhaltensmaßstab ist dabei objektiv danach zu bemessen, wie sich der Leiter eines Unternehmens vergleichbarer Art und Größe bei selbständiger treuhänderischer Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu verhalten hat.114 Der Generalklausel des § 93 Abs. 1 AktG müssen also durch Auslegung konkrete Einzelpflichten entnommen werden.115 1. Legalitätspflicht Eine dieser Pflichten, welche zugleich von wesentlicher Bedeutung für die Aufgabenwahrnehmung ist, ist die Legalitätspflicht des Vorstands.116 Den Vorstand trifft ein Legalitätsgebot. Das bedeutet, dass ein Verstoß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters unter anderem vorliegt, wenn Vorstandsmitglieder im Rahmen ihrer Organtätigkeit gesetzeswidrig handeln.117 Diese Legalitätspflicht hat verschiedene Facetten. Die erste Seite der Legalitätspflicht bewirkt eine Pflichtenbindung des Vorstands. Dieser ist verpflichtet, die gegenüber der Gesellschaft bestehenden Verpflichtungen aus Gesetz, Satzung und Geschäftsordnung sowie die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung zu wah-

111 Daneben ist der Vorstand der Gesellschaft zur Treue verpflichtet, allg. Meinung: Statt vieler Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 8 ff.; Fleischer, WM 2003, 1045 ff.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 95 (jeweils m.w.N.). 112 Statt aller Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 7. 113 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 6. 114 BGH, Urt. v. 20. 2. 1995 – II ZR 143/93, BGHZ 129, 30 = NJW 1995, 1290, 1291. 115 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 6. 116 BGH, Urt. v. 27. 8. 2010 – 2 StR 111/09, NJW 2010, 3458, 3460; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, § 93 Rn. 14; ders., ZIP 2005, 141, 142; ders., BB 2008, 1070; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, 123, 131 ff.; Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 132; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 7; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 509; Wiesner, in: MünchHdbAG, § 25 Rn. 23. A.A. Hellwig/Behme, in: FS Hommelhoff, 343, 345; Merkt, in: FS Hommelhoff, 711, 712 (Nebeneinander von Sorgfalts- und Legalitätspflicht). 117 Vgl. Bayer, in: FS K. Schmidt, 85, 89 f.

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

ren.118 Weiterhin hat er sämtliche Pflichten einzuhalten, welche die Gesellschaft unmittelbar im Außenverhältnis zu Dritten treffen.119 Insoweit ist die Legalitätspflicht Ausdruck seiner Verpflichtung, als Vertretungsorgan für die nicht selbstständig handlungsfähige juristische Person „Aktiengesellschaft“ die Verhaltensweisen umzusetzen, welche die Rechtsordnung ihr als Rechtssubjekt unmittelbar abverlangt.120 Irrelevant ist es daher, ob die die Gesellschaft treffenden Außenpflichten zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind.121 Der Vorstand ist aufgrund der Legalitätspflicht außerdem verpflichtet, Vorschriften zu beachten, welche ihn selbst unmittelbar im Außenverhältnis in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied treffen.122 Die Legalitätspflicht spiegelt insoweit die Außenpflichten des Vorstands in das Innenverhältnis zur Gesellschaft.123 Die Legalitätspflicht hat also in erster Linie die Funktion, den Vorstand gegenüber der Gesellschaft dazu zu verpflichten, sich im Rahmen seiner Organtätigkeit an Recht und Gesetz zu halten.124 Die zweite Seite der Legalitätspflicht wird sichtbar, betrachtet man die Konturen der sog. business judgement rule. Grundsätzlich kann der Vorstand im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen den Haftungsfreiraum des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG für sich in Anspruch nehmen.125 Dies gilt allerdings nur, soweit er dabei ge-

118 Statt aller Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 7; Habersack, in: FS U. H. Schneider, 429, 431 (jeweils m.w.N.). 119 BGH, Urt. v. 10. 7. 2012 @ VI ZR 341/10, NJW 2012, 3439, 3441; Bayer, in: FS K. Schmidt, 85, 88 m.z.N.; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 7; Dreher, in: FS Konzen, 85, 92; Fleischer, in: ders., Hdb. des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 29; ders., ZIP 2005, 141, 144; ders., BB 2008, 1070; Habersack, in: FS U. H. Schneider, 429, 432 f. m.z.N.; Hellwig/ Behme, in: FS Hommelhoff, 343, 349 f.; Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 133; Spindler, in: FS Canaris, Band II, 403, 412; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 512. 120 Vgl. Bicker, AG 2014, 8; Binder, ZGR 2013, 760, 786; Wiedemann, ZGR 2011, 189, 198. 121 Beispiele für die Gesellschaft treffende Pflichten finden sich bei Fleischer, in: Spindler/ Stilz, § 93 Rn. 23. 122 Eine solche Vorschrift stellt z. B. § 25c Abs. 3, 4a KWG dar. Hierzu unten § 2 A. III. 2. a). 123 Binder, ZGR 2013, 760, 786; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 77. Wohl auch Fleischer, in: ders., Hdb. des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 29; Habersack, in: FS U. H. Schneider, 429, 431 f., der auf BGH, Urt. v. 5. 12. 1989 – VI ZR 335/88, BGHZ 109, 297, 304 = NJW 1990, 976, 977 f., verweist, welches in dieser Hinsicht jedoch unergiebig ist. Ferner U. H. Schneider, DB 1993, 1909 ff.; kritisch Thole, ZHR 173 (2009), 504, 506 ff. Inwieweit der Vorstand darüber hinaus auch gegenüber der Gesellschaft verpflichtet ist, privatrechtliche Rechtspflichten einzuhalten, welche ihn unabhängig von seiner Organfunktion treffen (z. B. Berufspflichten), ist zweifelhaft, weil die Legalitätspflicht nur soweit reichen kann, wie es der Schutz der Gesellschaft erfordert (vgl. Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 345; Huthmacher, Haftung des Aufsichtsrats, S. 133; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 116 Rn. 126). So aber Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 145; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 77. 124 Zur haftungsrechtlichen Bedeutung der Legalitätspflicht sogleich (§ 1 A. I. 2.). 125 Hierzu BGH, Urt. v. 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926, 1927 f. (ARAG/Garmenbeck); BGH, Urt. v. 3. 12. 2001 – II ZR 308/99, NZG 2002, 195, 196; BGH, Urt. v. 3. 3. 2008 – II ZR 124/06, BGHZ 175, 365 = NJW 2008, 1583 (UMTS).

§ 1 Aktienrecht

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setzmäßig handelt. Die Legalitätspflicht markiert also die Grenze des unternehmerischen Ermessens des Vorstands.126 2. Business judgement rule Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG scheidet eine Pflichtverletzung des Vorstands aus,127 wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.128 Die grundlegende Wertung129 dieses Haftungsfreiraums ist, dass die zentrale Aufgabe des Vorstands in der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft besteht (§ 76 Abs. 1 AktG). Dies verlangt in großem Umfang sein unternehmerisches Tätigwerden.130 Die unternehmerische Tätigkeit ist jedoch von der Notwendigkeit geprägt, aufgrund der ihr vielfach zugrundeliegenden prognostischen und nicht justiziablen Einschätzungen unsichere Entscheidungen (oftmals unter nicht unerheblichem Zeit- und Handlungsdruck) zu treffen.131 Die business judgement rule gibt Gerichten einen Maßstab zur Überprüfung von Vorstandsentscheidungen an die Hand, um zu vermeiden, dass diese in Kenntnis nachträglich eingetretener Tatsachen zu strenge Anforderungen an die Sorgfaltspflicht stellen (sog. hindsight bias).132 § 93 AktG normiert keine Erfolgshaftung, sondern verlangt stets ein dem Pflichtenkanon der Organmitglieder widersprechendes Verhalten.133 Maßgeblich ist also nicht allein, dass ein schädlicher Erfolg 126 Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 54. Ferner Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 20; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 15. 127 Wie hier (Tatbestandsausschluss) Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 19; Lutter, in: FS Canaris, Band II, 245, 247; ders., ZIP 2007, 841, 842 f. A.A. etwa Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 66 f. und Spindler, in: MüKoAktG, § 93 Rn. 39 (Konkretisierung der Sorgfaltspflicht); Hüffer/Koch, § 93 Rn. 12 ff. (unwiderlegbare Vermutung). 128 Ausführlich zu den Voraussetzungen etwa Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 19 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 66 ff. Vgl. ferner Grunewald/Hennrichs, in: FS Maier-Reimer, 147, 148 f. 129 Eine Übersicht über die einem unternehmerischen Haftungsfreiraum zugrunde liegenden Erwägungen findet sich bei Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 60 sowie bei Hopt/Roth, GK-AktG, § 93 Rn. 63 (jeweils m.w.N.). Ausführlich zur Gesetzesgenese und zur Rechtslage vor Einführung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. 9. 2005 (BGBl. I S. 2802) (UMAG) Fleischer, in: ders., Hdb. des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 46 ff. 130 Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83 f. 131 BT-Drs. 15/5092, S. 11 (Begr. RegE UMAG). Eingehend Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83 f.; dies., in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 17. 132 Vgl. nur Fleischer, in: ders., Hdb. des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 43; ders., in: FS Immenga, 575, 579 f.; Schäfer, ZIP 2005, 1253 f.; Schneider, DB 2005, 707, 708 f. 133 Vgl. bereits Wiedemann, Organverantwortung, S. 13. Ferner Dauner-Lieb, in: Henssler/ Strohn, § 93 AktG Rn. 18; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 60; Spindler, in: MüKoAktG, § 93 Rn. 5, 26.

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

eingetreten ist, sondern es kommt auf die Art und Weise der Verursachung an.134 Die business judgement rule beugt durch den a priori bestehenden Handlungsfreiraum der durch eine hindsight bias genährten Gefahr vor, dass die verhaltensbezogene Organhaftung letztlich zu einer Erfolgshaftung mutiert.135 Voraussetzung der business judgement rule ist unter anderem eine unternehmerische Entscheidung. Von einer solchen ist in der Regel dann auszugehen, wenn verschiedene, rechtmäßige Handlungsalternativen bestehen.136 Die Wahrnehmung gesetzlich vorgeschriebener Verhaltensweisen des Vorstands, sog. Pflichtaufgaben, unterfällt mangels Handlungsalternativen hingegen grundsätzlich nicht seinem Handlungsfreiraum.137 Insoweit geht die Legalitätspflicht der business judgement rule vor: Der Vorstand kann sich per se nicht auf diese berufen, wenn er bei einer Entscheidung gegen Gesetz oder Satzung verstoßen hat.138 Bei solchen gesetzlich gebundenen Pflichtaufgaben kann der Vorstand grundsätzlich nur insoweit einen Handlungsfreiraum für sich in Anspruch nehmen, als es nicht um das „Ob“, sondern um die konkrete Umsetzung bzw. praktische Ausgestaltung (das „Wie“) der Pflichten geht.139 3. Unternehmensinteresse als Leitmaxime Das unternehmerische Ermessen wird durch die Legalitätspflicht insoweit begrenzt, als der Vorstand die Gesetze und die Satzung zu beachten, die rechtmäßigen Entscheidungen der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats umzusetzen sowie gegebenenfalls Weisungen eines herrschenden Unternehmens zu befolgen hat.140 Darüber hinaus wird die business judgement rule durch das Unternehmensinteresse eingerahmt. Dieses ist oberste Maxime des Vorstandshandelns: Der Vorstand hat die

134 Anders im allgemeinen Schadensersatzrecht, wo zu differenzieren ist: Ist ein Verhalten geschuldet, ist der Begriff der Pflichtverletzung verhaltensbezogen zu interpretieren; ist die Pflicht hingegen auf einen Leistungserfolg ausgerichtet, ist der Begriff erfolgsbezogen auszulegen: Dauner-Lieb, in: NK-BGB, § 280 Rn. 30; dies., in: FS Konzen, 63 ff.; Grüneberg, in: Palandt, § 280 Rn. 12; Schwarze, in: Staudinger, § 280 Rn. C3. A.A. Ernst, in: MüKoBGB, § 280 Rn. 10 ff., 19 (erfolgsbezogen); Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62 ff.; Finkenauer, WM 2003, 665 ff. (verhaltensbezogen). 135 Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 63 m.w.N. 136 Bicker, AG 2014, 8, 9; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 20; Mertens/ Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 17. Kritisch zum nicht „randscharfen“ Begriff der unternehmerischen Entscheidung Nietsch/Hastenrath, CB 2015, 177, 179; Spindler, AG 2013, 889, 891. 137 Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 75 ff. 138 Fleischer, ZIP 2004, 685, 690, ders., ZIP 2005, 141, 142 ff.; Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 74; Ihrig, WM 2004, 2098, 2104 f.; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 15; Merkt, in: FS Hommelhoff, 711, 713; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1255 f.; Spindler, in: MüKoAktG, § 93 Rn. 73 ff.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403 ff. 139 Bachmann, ZIP 2014, 579, 580; Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 75 ff., 116 ff. 140 Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 9.

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Wahrnehmung all seiner Pflichten an ihr zu orientieren.141 Der Begriff des Unternehmensinteresses ist im Einzelnen umstritten und höchst komplex.142 Man kann es (mehr oder weniger) pointiert als einen privatautonom durch den Unternehmensträger in den Grenzen der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG frei definierbaren und interessenpluralistisch geprägten Sammelbegriff für die unterschiedlichen, oft widerstreitenden Interessen von Aktionären, Organmitgliedern, Gläubigern, Arbeitnehmern und der Allgemeinheit verstehen.143 Der Gesetzgeber geht davon aus, dass dem Wohl der Gesellschaft insbesondere eine langfristige und nachhaltige Stärkung der Ertrags- und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens dient.144 Der Vorstand hat also bei der Pflichterfüllung die Belange der Aktionäre zu wahren und die Interessen sonstiger stakeholder (z. B. Arbeitnehmer und Gläubiger) einzubeziehen.145 Ex negativo kann der Vorstand sich gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nur dann auf den Haftungsfreiraum der business judgement rule berufen, wenn er vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.146 II. Unternehmensorganisation Das unternehmerische Ermessen des Vorstands determiniert auch die Organisationsverantwortung des Vorstands. Dieser ist verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Unternehmensorganisation zu sorgen – die Unternehmensorganisation ist Pflichtaufgabe.147 Ein Entschließungsermessen kann der Vorstand insofern nicht für sich beanspruchen.148

141 Statt aller Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 10; Mertens/Cahn, in: KKAktG, § 76 Rn. 9. 142 Ausführlich Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 21 ff. Kritisch zum Begriff des Unternehmensinteresses Zöllner, AG 2003, 2, 7 ff. 143 Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471, 485. 144 Vgl. BT-Drs. 15/5092, S. 11 (Begr. RegE UMAG). 145 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 10. So auch Ziffer 4.1.1 DCGK: „Der Vorstand leitet das Unternehmen in eigener Verantwortung im Unternehmensinteresse, also unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder) mit dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung.“ 146 Vgl. BT-Drs. 15/5092, S. 11 (Begr. RegE UMAG). Mit dem Begriff „Wohle der Gesellschaft“ rekurriert das Gesetz auf das Unternehmensinteresse. Statt vieler Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 23 f. 147 Allg. Meinung, statt aller Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 7; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 56. Ausführlich Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 151, 153. Vgl. auch LG München I, Urt. v. 10. 12. 2013 – 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345, 346 f. (Siemens/ Neubürger). Zur GmbH s. BGH, Urt. v. 20. 2. 1995 – II ZR 9/94, NJW-RR 1995, 669. 148 Vgl. Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 7; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 56; Hölters, in: ders., § 93 Rn. 43 ff.

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

1. Mindestanforderungen an die Unternehmensorganisation Dem Aktienrecht lassen sich nur wenige Vorgaben entnehmen, welche Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Organisation des Unternehmens zu ergreifen sind. Im Grundsatz hat jede Unternehmensorganisation rechtmäßig und effizient zu sein.149 Sie erfordert entsprechend den Realitäten in den Unternehmen in aller Regel einen mehrdimensionalen Ansatz.150 Einerseits muss der Vorstand horizontal für eine sachgerechte Arbeitsteilung sorgen,151 andererseits vertikal durch organisatorische Vorkehrungen, insbesondere durch wirksame Überwachungsmechanismen, sicherstellen, dass die delegierten Aufgaben durch qualifiziertes Personal sachgerecht erfüllt werden.152 Weitere Anforderungen folgen daraus, dass die Aktiengesellschaft als eigene Rechtspersönlichkeit am Verkehr teilnimmt und hierbei durch den Vorstand als Vertretungsorgan repräsentiert wird. Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation muss soweit als möglich und zumutbar sicherstellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen unverzüglich an die entscheidenden Personen weitergeleitet und von diesen zur Kenntnis genommen werden.153 Der Vorstand hat daher die Gesellschaft so zu organisieren, dass ein ordnungsgemäßer Informationsfluss innerhalb des Unternehmens sichergestellt ist.154 Er muss jederzeit Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft haben.155 Zum Teil wird versucht, über diese grundlegenden Leitlinien der Organisation weitere Einzelvorgaben zu begründen. Unterschieden wird etwa nach Unternehmens-, Informations- und Finanzverantwortung.156 Andere unterteilen die Unternehmensorganisation in Planungs- und Steuerungs-, Organisations-, Finanz- sowie Informationsverantwortung.157 Solche Organisationserwartungen an den Vorstand sind zu großen Teilen auf betriebswirtschaftliche Standards bzw. Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung gestützt.158 Sie können daher – auch wenn sie in der Praxis Anerkennung erfahren haben – nicht per se als rechtliche Verpflich149

Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 153. Arnold/Rothenburg, in: Semler/Peltzer/Kubis, § 7 Rn. 35. 151 Spindler, in: MüKoAktG, § 93 Rn. 98. Vgl. zur Auswirkung der Ressortzuteilung auf die Gesamtverantwortung des Vorstands Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 46 ff. 152 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 101 ff.; Wiesner, in: MünchHdbAG, § 25 Rn. 8 (und § 19 Rn. 31 zu Möglichkeit und Reichweite der Aufgabendelegation). 153 BGH, Urt. v. 16. 7. 2009 – IX ZR 118/08, NZI 2009, 680, 681. 154 BGH, Urt. v. 16. 7. 2009 – IX ZR 118/08, NZI 2009, 680, 681; BGH, Urt. v. 15. 12. 2005 – IX ZR 227/04, NJW-RR 2006, 771; Wiesner, in: MünchHdbAG, § 25 Rn. 22. 155 OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 28. 5. 2013 – 20 U 5/12, AG 2013, 599; Wiesner, in: MünchHdbAG, § 25 Rn. 8. Zum GmbH-Geschäftsführer s. BGH, Vers.-Urt. v. 19. 6. 2012 @ II ZR 243/11, NZG 2012, 940; BGH, Urt. v. 20. 2. 1995 – II ZR 9/94, NJW-RR 1995, 669. 156 Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 37. 157 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 51 ff. 158 Vgl. Groß/Amen, Wpg 2003, 1161, 1176 ff. 150

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tungen aufgefasst werden. Betriebswirtschaftliche Erwartungen und rechtliche Notwendigkeiten sind insoweit strikt zu trennen.159 Die wenigen Vorgaben des Aktienrechts beziehen sich im Übrigen lediglich darauf, was eine ordnungsgemäße Unternehmensorganisation zu leisten hat. Hingegen macht das Aktienrecht grundsätzlich keine Vorgaben, welche konkreten Maßnahmen die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation zu beinhalten hat. Eine Ausnahme besteht mit Blick auf die Pflicht des § 91 Abs. 2 AktG, Maßnahmen zur Risikofrüherkennung einschließlich eines Überwachungssystems zu ergreifen. Diese bildet zugleich ein wesentliches Element des Risikomanagements. Darauf wird an anderer Stelle zurückzukommen sein.160 2. Organisationsfreiheit Mindestanforderungen einer ordnungsgemäßen Unternehmensorganisation bestehen im Aktienrecht also grundsätzlich nicht. Dies ist nachvollziehbar, stellt doch die Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung der Unternehmensorganisation eine zukunftsgerichtete Entscheidung unter Unsicherheit dar, bei welcher weitreichende, grundsätzlich jeweils für sich genommen rechtmäßige Handlungsalternativen bestehen. Der Vorstand kann sich daher im Rahmen seiner Organisationsverantwortung auf ein Organisationsermessen berufen und in diesem Rahmen grundsätzlich frei zwischen den verschiedenen Handlungsalternativen wählen.161 Auch bei der Organisation des Unternehmens wird das pflichtgemäße Ermessen des Vorstands dadurch begrenzt, dass die Organisationsentscheidung mit Blick auf das Unternehmensinteresse vertretbar sein muss.162 Die Organisationsstruktur muss so beschaffen sein, dass sie die Erfüllung von Unternehmenszweck und -gegenstand ermöglicht.163 Daraus folgt, dass die Bestimmung einer sachgerechten Organisation ohne Rücksicht auf den konkreten Unternehmensgegenstand nicht möglich ist.164 Leitlinien zur Beurteilung der ordnungsgemäßen Unternehmensorganisation ergeben sich aus Parametern wie der Art und Größe des Unternehmens, der Art, dem Umfang und der Komplexität der betriebenen Geschäfte, der Branchenzugehörigkeit und der Börsennotierung sowie der Risikoexposition.165 Hingegen ist der Vorstand nicht verpflichtet, ein bestimmtes betriebswirtschaftliches Organisationsmodell zu

159

Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 153; Spindler, in: MüKoAktG, § 93 Rn. 30. Unten § 1 C. 161 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 69; Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 77, 153. 162 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 73 ff.; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/ Lutter, § 93 Rn. 17. 163 Wiesner, in: MünchHdbAG, § 25 Rn. 8. 164 Vgl. Blasche, CCZ 2009, 62, 64; Kort, in: GK-AktG, § 93 Rn. 94. 165 Vgl. etwa Wiesner, in: MünchHdbAG, § 25 Rn. 9. 160

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

implementieren, sofern er seine Entscheidung nur vertretbar und sachlich begründen kann.166 III. Zusammenfassung Zu den wesentlichen Pflichten des Vorstands gegenüber der Gesellschaft zählt die Legalitätspflicht, welche die Einhaltung der gesetzlichen Ge- und Verbote vorschreibt. Sie stellt eine Begrenzung des dem Vorstand grundsätzlich zustehenden unternehmerischen Ermessens in Gestalt der business judgement rule dar. Insofern hat der Vorstand insbesondere gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtaufgaben ohne jedes Entschließungsermessen nachzukommen. Seine unternehmerische Freiheit entfaltet sich bei der Wahrnehmung von Pflichtaufgaben erst auf einer zweiten Stufe, nämlich der Entscheidung, wie eine konkrete Pflichtaufgabe umzusetzen ist. Diese Entscheidung unterfällt dem weiten unternehmerischen (Organisations-)Ermessen des Vorstands.

B. Compliance Die grundlegenden Feststellungen zur Pflichtenbindung und unternehmerischen Freiheit des Vorstands prägen auch die aktienrechtlichen Vorstellungen einer Compliance. Es gehört zum Pflichtenkanon des Vorstands, die Compliance innerhalb des Unternehmens sicherzustellen. Dies verdeutlicht Ziffer 4.1.3 DCGK, der die Compliance-Pflicht des Vorstands aufgreift und als geltendes Recht wiedergibt.167 Einer gesonderten Beurteilung bedarf die Frage, inwieweit sich die Pflichten des Vorstands in einem nächsten Schritt zu allgemeinen organisatorischen Standards verdichten lassen.168 Im Folgenden ist daher zwischen Compliance-Pflicht und Compliance-Organisation zu unterscheiden.169 Auf einer ersten Ebene geht es um das „Ob“ der Compliance, namentlich darum, ob eine Pflicht besteht, eine unternehmensinterne Compliance sicherzustellen. Auf einer zweiten Ebene erst kommt es darauf an, wie die Compliance-Pflicht durch eine konkrete Organisation ausgefüllt bzw. umgesetzt wird.170

166 167 168 169 170

Spindler, in: MüKoAktG, § 93 Rn. 30. Bachmann, in: Kremer u. a., Rn. 811; Goslar, in: Wilsing, Ziffer 4.1.3 Rn. 4. Vgl. Koch, WM 2009, 1013. Zutreffend Merkt, ZIP 2014, 1705, 1707. Ferner Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 137 f. Vgl. hierzu bereits oben § 1 A. II.

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I. Compliance-Pflicht Auch die Compliance-Pflicht nimmt ihren Ursprung in §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG.171 Ausgangspunkt ist die Legalitätspflicht. Aus ihrem Zusammenhang mit der Pflicht zur sorgfältigen Unternehmensleitung folgt, dass diese nicht auf die eigene Rechtstreue des Vorstands beschränkt bleiben kann, sondern auch die Überwachung der Rechtsbefolgung durch das Unternehmen und innerhalb des Unternehmens, insbesondere auch nachgeordneter Mitarbeiter, umfasst.172 Der Vorstand muss auch dafür Sorge tragen, dass das Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass keine Gesetzesverletzungen stattfinden.173 Ihn trifft insoweit eine Legalitätskontrollpflicht. Diese ist als eine sich auf den Gedanken der Delegation stützende Verlängerung der eigenen Legalitätspflicht des Vorstands zu verstehen.174 Die Compliance-Pflicht verpflichtet den Vorstand also, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch das Unternehmen und innerhalb des Unternehmens zu überwachen. Zu diesem Zweck hat er sachgerechte Maßnahmen im Rahmen der Organisation des Unternehmens zu ergreifen. Insoweit stellt die Compliance-Pflicht eine Anforderung an die ordnungsgemäße Unternehmensorganisation dar. Diese muss auch auf die Vermeidung von Rechtsrisiken ausgerichtet sein. Ein Entschließungsermessen bezüglich einer Integration der Compliance in die Unternehmensorganisation existiert nicht.175 Dies steht in Einklang mit der Herleitung der Compliance-Pflicht aus der Legalitätspflicht des Vorstands, auf deren Hoheitsgebiet die business judgement rule keine Anwendung findet.176 Zum Teil wird die Compliance hingegen aus der Pflicht zur Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems gemäß § 91 Abs. 2 AktG abgeleitet.177 § 91 Abs. 2 171 Arnold, ZGR 2014, 76, 78 f.; Bürkle, BB 2005, 565, 568 ff.; Dauner-Lieb, in: Henssler/ Strohn, § 76 AktG Rn. 7a; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rn. 95a; Fleischer, NZG 2014, 321, 322; ders., CCZ 2008, 1, 3; ders., in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 47; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 392 ff.; Habersack, AG 2014, 1, 2; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 8; Lutter, in: FS Goette, 289, 291 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 34 f.; Reichert/Ott, NZG 2014, 241 f.; Simon/Merkelbach, AG 2014, 318 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403 ff. Auch die (im Text im Folgenden auszugsweise wiedergegebenen) Ausführungen des LG München I, Urt. v. 10. 12. 2013 – 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345, 346 (Siemens/Neubürger), lassen keinen anderen Schluss als eine Ableitung der CompliancePflicht aus §§ 76, 93 AktG zu. 172 LG München I, Urt. v. 10. 12. 2013 – 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345, 346 (Siemens/ Neubürger); Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 50 m.w.N. 173 LG München I, Urt. v. 10. 12. 2013 – 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345, 346 (Siemens/ Neubürger). Grundlegend Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, passim. 174 Näher Harbarth, ZHR 179 (2015), 136; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403 f. Umfassend zur Legalitätskontrollpflicht zuletzt Holle, Legalitätskontrolle, passim. 175 Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 180. In diese Richtung auch Meyer, DB 2014, 1063, 1065; abw. Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1599. 176 Vgl. dazu Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 123. s. bereits oben § 1 A. I 2. 177 Berg, AG 2007, 271, 274 ff.; Dreher, in: FS Hüffer, 161, 168 ff.; Spindler, WM 2008, 905, 908.

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

AktG ist seinerseits nur eine ausdrückliche Kodifizierung ohnehin bereits nach § 93 Abs. 1 AktG bestehender Pflichten.178 Für die hiesige Untersuchung ist es daher nicht von maßgeblicher Bedeutung, ob § 91 Abs. 2 AktG oder unmittelbar § 93 Abs. 1 AktG als Grundlage der Compliance-Pflicht herangezogen wird.179 Gegen eine Herleitung aus § 91 Abs. 2 AktG spricht jedoch, dass mit der Pflicht zur Einrichtung eines Überwachungssystems, welches auf die Wirksamkeit der zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen ergriffenen Maßnahmen gerichtet ist, bereits das „Wie“ einer Compliance-Organisation näher beschrieben wird. Maßnahmen im Sinne von § 91 Abs. 2 AktG, welche der Früherkennung auch von Rechtsrisiken dienen, setzen bereits voraus, dass eine grundsätzliche Pflicht zur Handhabung von Rechtsrisiken im Unternehmen („Ob“) besteht.180 Darüber hinaus mündet nicht jeder Rechtsverstoß in ein bestandsgefährdendes Risiko im Sinne von § 91 Abs. 2 AktG. Die Compliance-Pflicht und die Pflicht zur Risikofrüherkennung aus § 91 Abs. 2 AktG sind also keineswegs identisch.181 Leitet man die Compliance-Pflicht aus § 93 Abs. 1 AktG ab, ist auch eine teilweise vertretene Ansicht, wonach sich die Compliance-Pflicht des Vorstands aus einer Gesamtanalogie zu spezialgesetzlichen Vorschriften ergebe,182 mangels planwidriger Regelungslücke abzulehnen.183 Bisher unerwähnt geblieben ist eine Kontraposition, welche eine grundlegende Verpflichtung zur Compliance (augenscheinlich) ablehnt.184 Wichtigstes Argument dieser Auffassung ist, dass eine institutionalisierte Compliance-Organisation mit den sich voneinander unterscheidenden Befindlichkeiten – Strukturen, Komplexitäten, Risiken – kleiner, mittlerer und großer Unternehmen nicht vereinbar und daher 178 BT-Drs. 13/9712, S. 15 (Begr. RegE KonTraG). Ferner Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 14. 179 Der Streit ist im Übrigen jedoch nicht von lediglich terminologischer Bedeutung: Hierzu Merkt, ZIP 2014, 1705, 1706. A.A. Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 52 m.w.N. („kaum Relevanz“). 180 Merkt, ZIP 2014, 1705, 1707. 181 Merkt, ZIP 2014, 1705, 1707. 182 Grundlegend U. H. Schneider, ZIP 2003, 645 ff. Vgl. auch ders., NZG 2009, 1321, 1323. Ebenso will Bachmann, in: Kremer u. a., Rn. 821 ff., die Compliance-Pflicht aus unterschiedlichen Vorschriften herleiten und unterscheidet insbesondere zwischen einer aus § 130 OWiG herzuleitenden Compliance-Pflicht im Außenverhältnis und einer aus §§ 76, 93 AktG herzuleitenden Compliance-Pflicht im Innenverhältnis. 183 Merkt, ZIP 2014, 1705, 1707; Paefgen, WM 2016, 433, 437; Wiesner, in: MünchHdbAG, § 25 Rn. 13. Vgl. hierzu auch noch eingehend unten § 8 B. I. 184 Hauschka, ZIP 2004, 877, 882; ders., in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 1 Rn. 31; Holle, AG 2011, 778, 780 ff.; Hüffer/Koch, § 76 Rn. 14 f.; Paefgen, WM 2016, 433 ff.; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 29. Zu einer weiteren, vereinzelt gebliebenen Gegenansicht, welche einen Bezug zwischen der handelsrechtlichen Figur des „ehrbaren Kaufmanns“ und der ComplianceVerpflichtung herstellt, vgl. Stober, NJW 2010, 1573 ff. Zu den zutreffenden Gegenargumenten Merkt, ZIP 2014, 1705, 1707. Der Aufsichtsrat ist in die Wahrnehmung der Compliance- und Risikoverantwortung im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungspflicht gegenüber dem Vorstand (§ 111 Abs. 1 AktG) involviert. Näher Habersack, AG 2014, 1 ff.; Potinecke/Gottschalk, CB 2015, 444 ff.; Winter, in: FS Hüffer, 1103, 1108 ff.

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unsachgemäß ist.185 Diese Argument nivelliert die oben ausgeführte Unterscheidung zwischen der grundsätzlichen – sich aus §§ 76, 93 AktG ergebenden – CompliancePflicht einerseits, und der Frage nach der konkreten Ausgestaltung (sprich: Organisation) der Compliance andererseits. Bei Lichte betrachtet ergeben sich aufgrund des weiten Gestaltungsspielraums des Vorstands keine Unterschiede zwischen der eine Compliance-Pflicht grundsätzlich bejahenden Ansicht und der vermeintlichen Gegenposition. II. Compliance-Organisation 1. Mindestanforderungen an die Compliance-Organisation Geht man davon aus, dass den Vorstand eine grundlegende Compliance-Pflicht trifft, stellt sich auch hier die Frage, inwieweit dem Aktienrecht zwingende Mindestanforderungen an die konkrete Compliance-Organisation entnehmen lassen. Die aktienrechtliche Literatur legt der unternehmerischen Praxis verbreitet eine umfassende Compliance-Organisation nahe.186 Hierbei werden eine Reihe organisatorischer Mindeststandards formuliert. Ein Vorschlag fordert als Minimumelemente einer Compliance-Organisation etwa (1) unternehmensbezogene ComplianceStandards, (2) Compliance-Trainingsprogramme, (3) ein Compliance-Auditprogramm, (4) einen Compliance-Beauftragten, (5) eine „Helpline“, (6) Disziplinarmaßnahmen und (7) einen „internal control report“.187 Zumindest für börsennotierte Gesellschaften soll darüber hinaus wenigstens eine Ressortzuständigkeit für die Compliance zu errichten sein.188 Auch die Einrichtung eines Whistleblowing-Systems wird zu den Standardelementen einer Compliance-Organisation gezählt.189 Einen gegenwärtigen Katalog national und international empfohlener ComplianceMaßnahmen bildet auch der IDW PS 980190 ab, der sich mit der Prüfung von

185

Hüffer/Koch, § 76 Rn. 14 f. Vgl. aus der undurchdringlichen Vielfalt der Literatur Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 154 ff.; Inderst/Steiner, in: Inderst/Bannenberg/Poppe, Kapitel 3; Klahold/Lochen, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 37; Moosmayer, in: ders., Rn. 105 ff. 187 U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 649 f. 188 Kort, NZG 2008, 81, 83 m.w.N. 189 Abraham, ZRP 2012, 11, 12; Fleischer/Schmolke, WM 2012, 1013, 1015 f.; Fuhrmann, in: Fuhrmann/Linnerz/Pohlmann, Ziffer 4 Rn. 65. Zuletzt Maume/Haffke, ZIP 2016, 199, 200, mit dem Hinweis auf eine Studie der Autoren, nach welcher im Sommer 2015 ca. 70 % der 300 befragten Unternehmen über ein Hinweisgebersystem verfügten. Seit 2017 empfiehlt auch Ziffer 4.1.3 DCGK die Einrichtung eines Hinweisgebersystems und regt sogar die Öffnung dieses Systems für unternehmensfremde Dritte an. Hierzu etwa Wilsing/von der Linden, DStR 2017, 1046, 1047. 190 IDW PS 980 vom 11. 3. 2011, Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung von Compliance Management Systemen, Wpg Supplement 2/2011, 78 ff. 186

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

Compliance-Management-Systemen befasst.191 In diesem finden sich insbesondere umfangreiche (Prüfungs-)Vorgaben bezüglich einer unternehmerischen Compliance-Organisation.192 Verbindlichkeit kommt dem Prüfungsstandard mangels Rechtsnormcharakter jedoch nicht zu.193 2. Organisationsfreiheit Konkrete gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise, wie die Compliance auszugestalten ist, existieren nicht. Vielmehr ist zu sehen, dass die Ausgestaltung der Compliance-Pflicht nicht länger eine Frage der Legalität bzw. Legalitätskontrolle ist, sondern sich auf dem Feld der Organisationsverantwortung des Vorstands bewegt.194 Jenseits der Pflicht, überhaupt für eine Compliance zu sorgen – bei der konkreten Ausgestaltung der Compliance-Organisation – steht dem Vorstand daher ein umfangreicher Gestaltungsspielraum zu.195 Hier geht es nicht mehr um die Frage des „Ob“, die sich einer unternehmerischen Beurteilung des Vorstands – auch aus dogmatischer Sicht aufgrund ihrer Verortung in der Legalitätspflicht – entzieht, sondern um Fragen der konkreten Unternehmensorganisation.196 Wie bei der Unternehmensorganisation im Allgemeinen ist der Vorstand auch insoweit auf die Möglichkeit angewiesen, angesichts zukunftsorientierter und prognoselastiger Entscheidungen einen umfassenden unternehmerischen Handlungsfreiraum in Anspruch nehmen zu können.197 Bestimmte Mindestanforderungen, die ungeachtet der individuellen Situation des Unternehmens an die Compliance-Organisation zu stellen sind, bestehen daher nicht.198

191 Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 143. Für einen Überblick über den Inhalt des IDW PS 980 vgl. v. Busekist/Hein, CCZ 2012, 41 ff. und v. Busekist/Schlitt, CCZ 2012, 86 ff. Ferner Wolf, DStR 2011, 997 ff. 192 IDW PS 980 Tz. 23 und Tz. A 14 ff., Wpg Supplement 2/2011, 78. 193 Statt vieler Böttcher, NZG 2011, 1054, 1055. 194 Ähnlich Nietsch/Hastenrath, CB 2015, 177, 180. 195 Umfassend Bürkle, BB 2005, 565, 568 ff. Ferner Bachmann, ZIP 2014, 579, 580; Fleischer, AG 2003, 291, 300; Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 180 f.; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 8; Lutter, in: FS Goette, 289, 291 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 36; Meyer, DB 2014, 1063, 1065. 196 Vgl. Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 123, 180 f. 197 Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1599. 198 Beispielhaft mit Blick auf die Einrichtung eines Hinweisgebersystems Bachmann, in: Kremer u. a., Rn. 835; Fleischer/Schmolke, WM 2012, 1013, 1016 f. m.w.N. Differenzierend Maume/Haffke, ZIP 2016, 199, 202, die davon ausgehen, dass eine Pflicht zur Einrichtung eines Whistleblowing-Systems in dem Rahmen bestehe, in welchem der Vorstand aufgrund der spezifischen Unternehmenssituation verpflichtet ist, für eine umfassende Compliance-Organisation zu sorgen.

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3. Erforderlichkeit, Geeignetheit und Zumutbarkeit der Compliance-Organisation Bei der konkreten Ausgestaltung der Compliance im Unternehmen hat der Vorstand wiederum das Wohl der Gesellschaft im Auge zu behalten. Die konkrete Organisation der Compliance hat sich daher nach den Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens zu richten. Parameter, an welchen der Vorstand sich zu orientieren hat, sind etwa Art, Größe und Organisation des Unternehmens, die durch das Unternehmen zu beachtenden Vorschriften, die geografische Präsenz wie auch Verdachtsfälle aus der Vergangenheit.199 Hierbei wird das unternehmerische Ermessen („nach unten“) begrenzt durch die Merkmale der Erforderlichkeit und Geeignetheit.200 Die Maßnahmen des Vorstands zur Umsetzung der Compliance-Verantwortung dürfen nicht hinter dem zurückbleiben, was unter Berücksichtigung der spezifischen Unternehmenssituation als Minimum erforderlich ist, und müssen geeignet sein, das Ziel der Compliance zu erreichen.201 Auf der Kehrseite („nach oben“) bildet die Zumutbarkeit den Rahmen, welchen die Wahrnehmung der CompliancePflicht zu beachten hat.202 Dem Vorstand steht es danach grundsätzlich frei, insbesondere in kleineren Unternehmen, ganz auf eine ausgefeilte Compliance-Organisation zu verzichten; eine gelegentliche, stichprobenartige Überprüfung der Rechtskonformität im Unternehmen kann insoweit ausreichen.203 Allerdings wird der Vorstand die durch ihn ergriffenen Compliance-Maßnahmen im Ernstfall (sprich: dem Schadensfall für die Gesellschaft) im Zweifel an der Praxis in vergleichbaren Unternehmen und den Maßstäben einer Good Corporate Governance messen lassen müssen.204 Gerade in größeren, international tätigen Unternehmen wird der IDW PS 980 als Leitlinie bei der Etablierung einer Compliance-Organisation herangezogen und kommt insoweit als Vergleichsmaßstab einer angemessenen Compliance-Organisation in Betracht.205

199 LG München I, Urt. v. 10. 12. 2013 – 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345, 346 f. (Siemens/ Neubürger). Instruktiv Bürkle, BB 2005, 565, ff.; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1708 ff. Ferner Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 54 m.w.N. 200 Goslar, in: Wilsing, Ziffer 4.1.3 Rn. 10. 201 Fleischer, AG 2003, 291, 300. Ferner Goslar, in: Wilsing, Ziffer 4.1.3 Rn. 10 m.w.N. 202 Goslar, in: Wilsing, Ziffer 4.1.3 Rn. 10 m. umfangr. Nachw. 203 Vgl. Paefgen, WM 2016, 433, 437 mit dem Beispiel des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Einmann-GmbH, welche drei Mitarbeiter in einem Bahnhofs-Copy-Shop beschäftigt, und dem zutreffenden Hinweis, dass ein filigran ausgearbeitetes Compliance-System hier seinen Zweck verfehlen und ein angelegentliches „Über-die-Schulter-Schauen“ der Wahrnehmung der Compliance-Pflicht eher gerecht würde. 204 Hüffer/Koch, § 76 Rn. 15; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173, 2174. Zu den Elementen eines Compliance-Systems vgl. Bicker, AG 2012, 542, 547 ff.; Bürkle, BB 2005, 565 f. 205 Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 143.

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

III. Zusammenfassung Festzuhalten bleibt damit, dass den Vorstand zwar eine grundlegende Pflicht trifft, durch eine (wie auch immer geartete) Organisation die Compliance im Unternehmen sicherzustellen. Konkrete (Mindest-)Vorgaben, welche Maßnahmen zur Ausgestaltung der Compliance zu ergreifen sind, macht das Aktienrecht hingegen nicht. Die Wahl der Mittel zur Wahrnehmung der Compliance-Pflicht fällt vielmehr in den Ermessensspielraum des Vorstands, der durch die Kriterien der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Zumutbarkeit begrenzt ist.

C. Risikomanagement Die zweite wesentliche Säule der Unternehmensorganisation neben der Compliance bildet das Risikomanagement. Wie schon hinsichtlich der aktienrechtlichen Compliance ist zu unterscheiden zwischen der Pflicht, Risiken der Gesellschaft im Sinne eines Risikomanagements zu erkennen und zu bewältigen (dem „Ob“), und der Frage, inwieweit sich dem Aktienrecht einzelne Mindestanforderungen an die Risikomanagement-Organisation entnehmen lassen (dem „Wie“). Das Risikomanagement findet zwar in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG Erwähnung, welcher bestimmt, dass sich der Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat auch mit der Wirksamkeit des „Risikomanagementsystems“ zu befassen hat.206 Auch in dem durch das BilMoG207 eingefügten und auf Art. 46a Abs. 1 lit. c) der Jahresabschlussrichtlinie208 zurückgehenden § 289 Abs. 5 HGB findet das Risikomanagement Anklang: Hiernach haben kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften (§ 264d HGB) im Lagebericht die wesentlichen Merkmale des „internen Kontrollund des Risikomanagementsystems“ zu beschreiben. Eine ausdrückliche gesetzliche Festschreibung einer Risikomanagement-Pflicht findet sich aber ebenso wenig wie die Pflicht zur Compliance. I. Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagements Einen Anhaltspunkt bei der Suche nach einer aktienrechtlichen Risikomanagement-Verpflichtung bietet Ziffer 4.1.4 DCGK. Hiernach sorgt der Vorstand für ein 206 § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG hat seine europarechtliche Grundlage in dem mittlerweile weggefallenen Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) der Abschlussprüferrichtlinie (Richtlinie 2006/43/ EG vom 17. 5. 2006 (ABl. Nr. L 157 S. 87), zuletzt geänd. durch Richtlinie 2014/56/EU vom 16. 4. 2014 (ABl. Nr. L 158 S. 196)). 207 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) vom 25. 5. 2009 (BGBl. 2009 I S. 1102). 208 Richtlinie 78/660/EWG vom 25. 7. 1978 (ABl. L 222 vom 14. 8. 1978, S. 11) (4. gesellschaftsrechtliche Richtlinie), zuletzt geänd. durch Richtlinie 2009/49/EG vom 18. 6. 2009 (Abl. L 164 vom 26. 6. 2009, S. 42).

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angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling im Unternehmen. Die Kodex-Vorschrift enthält damit die einzige ausdrückliche Festschreibung einer aktienrechtlichen Verpflichtung zum Risikomanagement. Indes können die Regelungen des DCGK nicht selbst Grundlage aktienrechtlicher Pflichten sein.209 Vielmehr gibt der Kodex lediglich Empfehlungen oder Anregungen und beschränkt sich im Übrigen auf die Wiedergabe der Aktienrechtslage.210 Bei Ziffer 4.1.4 DCGK handelt es sich nach der Diktion des Kodex um die Wiedergabe geltenden Rechts.211 Der Kodex geht also seinerseits bereits von dem Bestehen einer aktienrechtlichen Verpflichtung zum Risikomanagement aus. Dabei soll Ziffer 4.1.4 DCGK als verkürzte Rezeption des § 91 Abs. 2 AktG zu lesen sein.212 1. Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen § 91 Abs. 2 AktG bestimmt, dass der Vorstand geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten hat, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.213 a) Bestandsgefährdende Entwicklungen Der Begriff der Entwicklungen meint ausschließlich nachteilige unternehmensbezogene Veränderungen und Prozesse.214 Er bezieht sich damit im Wesentlichen auf „Risiken“ im Sinne eines Risikomanagements.215 Die Vorschrift erfasst indes nicht sämtliche, sondern allein bestandsgefährdende Entwicklungen. Dies bezeichnet nachteilige Veränderungen, welche sich auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft wesentlich auswirken können.216 Hierunter fallen nicht nur risikobehaftete Geschäfte, sondern etwa auch Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften.217 Dies macht erneut den engen Zusammenhang zwischen Compliance und

209

E. Vetter, in: Henssler/Strohn, § 161 AktG Rn. 4; Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 11. Vgl. die Präambel des DCGK. 211 Bachmann, in: Kremer u. a., Rn. 851. 212 Bachmann, in: Kremer u. a., Rn. 851; Goslar, in: Wilsing, Ziffer 4.1.4 Rn. 1. 213 Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 118, weist zutreffend darauf hin, dass § 91 Abs. 2 AktG einer Normstruktur folgt, welche auch für die bankaufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen typisch ist, namentlich eine prinzipienorientierte Regulierung. Hierzu noch unten § 2 A. I. 214 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 91 AktG Rn. 7. 215 Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 21 (m.w.N. auch zur Gegenansicht). Vgl. zum Begriff des Risikos oben Einführung C. III. 2. 216 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 91 AktG Rn. 7; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 23; Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 21 (jeweils m.w.N. auch zu der umstrittenen Frage, ob eine Bestandsgefährdung mit einer Erhöhung des Insolvenzrisikos einherzugehen hat). 217 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 91 AktG Rn. 7; Hüffer/Koch, § 91 Rn. 6. 210

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

Risikomanagement deutlich.218 Um bestandsgefährdende Entwicklungen einschätzen zu können, muss der Vorstand den Ist-Zustand erfassen, Risikopotentiale erkennen und analysieren und sodann eine prognostische Beurteilung hinsichtlich ihrer Bestandsgefährdung abgeben.219 Die vom Vorstand zu ergreifenden Maßnahmen müssen eine frühzeitige Erkennung dieser Risiken erlauben. Ihnen muss so rechtzeitig entgegengewirkt werden können, dass sie sich gerade nicht zu einer Bestandsgefährdung ausweiten, sondern der Fortbestand der Gesellschaft gesichert werden kann.220 b) Geeignete Maßnahmen Die vom Vorstand zu ergreifenden Maßnahmen müssen zur Risikofrüherkennung geeignet sein. Dies sind sie dann, wenn nach der Erfahrung eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters davon ausgegangen werden kann, dass dieser die erforderlichen Informationen rechtzeitig erhält.221 Umstritten ist, ob der Vorstand hiernach zur Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems verpflichtet ist, oder ob auch punktuelle Maßnahmen zur Risikofrüherkennung ausreichen können. aa) Risikofrüherkennungssystem und Überwachungssystem Ausgangspunkt ist das in § 91 Abs. 2 AktG geforderte Überwachungssystem. Dem Wortlaut lässt sich nicht entnehmen, ob dieses Überwachungssystem der fortlaufenden Kontrolle von Risiken mit Unternehmensbezug dient und damit ein systematisiertes Vorgehen im Rahmen der Früherkennung verlangt, oder ob die Überwachung sich allein auf die Kontrolle der vom Vorstand zur Risikofrüherkennung ergriffenen Maßnahmen selbst bezieht. Der Referentenentwurf zum KonTraG222 sah noch vor, dass der Vorstand insbesondere geeignete Maßnahmen zu treffen habe, um zu gewährleisten, dass den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Und weiter: „Dazu gehört auch die Einrichtung eines Überwachungssystems mit der Aufgabe, die Einhaltung der (…) zu treffenden Maßnahmen zu überwachen.“223 Gegenstand des Überwachungssystems sollten nach Vorstellung des Referentenentwurfs nicht die bestandsgefährdenden Risiken, sondern ausschließlich die vom 218

Hierzu schon oben Einführung C. III. Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 91 AktG Rn. 7; Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 20. 220 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 91 AktG Rn. 7; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 32. 221 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 91 AktG Rn. 8; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 91 Rn. 12. 222 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. 4. 1998 (BGBl. 1998 I S. 786). 223 RefE KonTraG, ZIP 1996, 2129, 2131 f. 219

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Vorstand zur Risikofrüherkennung ergriffenen Maßnahmen selbst sein. Trotz des im Übrigen abweichenden Wortlauts rekurriert auch der letztlich Gesetz gewordene § 91 Abs. 2 AktG ausdrücklich auf ein „Überwachungssystem“. Dies soll dafür sprechen, dass auch das Gesetz gewordene Überwachungssystem allein die Maßnahmen des Vorstands im Blick hat.224 Dies lässt sich freilich ebenso von der anderen Seite begutachten: Der Text des Referentenentwurfs hat gerade keinen Eingang in den endgültigen Gesetzeswortlaut gefunden. Der geänderte Wortlaut legt daher nahe, dass das geforderte Überwachungssystem nicht bloß – wie noch nach der Vorstellung des Referentenentwurfs – der Überwachung der vom Vorstand ergriffenen Maßnahmen, sondern auch der Früherkennung bestandsgefährdender Risiken dient.225 Letztlich handelt es sich um einen terminologischen Streit.226 Eine „geeignete“ Risikofrüherkennung verlangt, dass risikorelevante Kenntnisse zeitnah an den Vorstand weitergeben und klare Zuständigkeiten begründet sowie engmaschige Berichts- und Dokumentationspflichten eingeführt werden.227 In aller Regel werden daher nur solche Maßnahmen des Vorstands „geeignet“ sein, bestandsgefährdende Risiken frühzeitig zu erkennen, die das Aufdecken derartiger Risiken auf systematischer Grundlage erlauben, und sich nicht auf punktuelle Erfolge oder Zufälle verlassen müssen.228 Dies erfordert eine laufende Überwachung der Risikosituation im Unternehmen. Das in § 91 Abs. 2 genannte Überwachungssystem ist als Bestandteil dieser Maßnahmen zu begreifen, da der Vorstand selbstverständlich ebenso sicherzustellen hat, dass die getroffenen Maßnahmen auch greifen und umgesetzt werden.229 § 91 Abs. 2 AktG erfordert vor diesem Hintergrund regelmäßig die Einrichtung eines zweistufigen Systems: Auf einer ersten Stufe bedarf es geeigneter Maßnahmen, welche in der Regel ein (Überwachungs-)System zur Risikofrüherkennung einschließen werden; auf einer zweiten Stufe bedarf es eines Überwachungssystems zur Kontrolle der betreffenden Maßnahmen.230 Eine davon zu trennende Frage, auf welche sogleich einzugehen sein wird,231 ist, wie das Risikomanagement konkret organisatorisch auszugestalten ist. 224 LG Berlin, Urt. v. 3. 7. 2002 – 2 O 358/01, BKR 2002, 969, 970 (n. rkr.); Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 91 AktG Rn. 9; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 36; Hüffer/Koch, § 91 Rn. 10; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 91 Rn. 13. 225 LG München I, Urt. v. 10. 12. 2013 – 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345, 346 f. (Siemens/ Neubürger); Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 26; Oltmanns, in: Heidel, § 91 Rn. 6, 8; Spindler, in: Fleischer, Hdb. des Vorstandsrechts, § 19 Rn. 14. 226 Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 30. In diese Richtung bereits Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 299. 227 Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 30. So auch die Ansicht, welche einen Risikobezug des Überwachungssystems ablehnt: Stellvertretend Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 91 AktG Rn. 9; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 91 Rn. 13. 228 Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 299. 229 Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 26; Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 30. 230 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 36. 231 Hierzu unten § 1 C. II. 1.

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

bb) Eignung zur Risikofrüherkennung Die vom Vorstand ergriffenen Maßnahmen müssen geeignet sein, den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Die Eignung einer Maßnahme unterliegt der Beurteilung des Vorstands.232 Diese erfolgt unter Berücksichtigung der Besonderheiten des betroffenen Unternehmens, insbesondere seiner Größe, Struktur, Lage, seiner Branchenzugehörigkeit sowie einem Kapitalmarktzugang.233 Gerade in kleineren Unternehmen oder Unternehmen mit weniger risikoanfälligem Geschäft kann daher die Einrichtung eines Überwachungssystems, welches die Risikosituation des Unternehmens laufend auf etwaige bestandsgefährdende Entwicklungen kontrolliert, unverhältnismäßig sein.234 Hier können unter Umständen punktuelle oder anlassbezogene Kontrollen ausreichen. Im Einzelfall kann es geeignet sein, von einer systematisierten Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen zugunsten einzelfallbezogener Früherkennungsmaßnahmen abzuweichen. Dieses Auswahlermessen entlässt den Vorstand aber nicht aus seiner Pflicht, überhaupt Maßnahmen zur Risikofrüherkennung zu ergreifen; ein Entschließungsermessen steht ihm nicht zu. 2. Maßnahmen der Risikobewältigung Essentieller Bestandteil eines Risikomanagements sind neben Maßnahmen der Risikoerkennung Maßnahmen der Risikobewältigung.235 § 91 Abs. 2 AktG enthält jedoch nur eine Pflicht zur Risikoerkennung und umfasst nicht die Pflicht, Maßnahmen zur Risikobewältigung zu ergreifen.236 Die Vorschrift regelt daher lediglich einen Teilaspekt des Risikomanagements.237 Selbstverständlich ist der Vorstand jedoch verpflichtet, auf erkannte bestandsgefährdende Risiken auch angemessen zu reagieren. Diese Verpflichtung folgt unmittelbar aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Hiernach muss der Vorstand geeignete, erforderliche und zumutbare Maßnahmen zur Risikobewältigung ergreifen.238 Aus der Zusammenschau der §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 und 91 Abs. 2 AktG lässt sich also die Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagements entnehmen: Der Vorstand hat Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung von Risiken, welche für das Unternehmen wesentlich sind, sowie zur Bewältigung der erkannten Risiken zu ergreifen. 232 Ganz h. M., statt aller: Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 91 AktG Rn. 8; Hüffer/Koch, § 91 Rn. 7; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 91 Rn. 12; Mertens/Cahn, in: KKAktG, § 91 Rn. 25; Spindler, in: FS Hüffer, 985, 993 f. (jeweils m.w.N.). 233 BT-Drs. 13/9712, S. 15 (Begr. RegE KonTraG). 234 Vgl. hierzu oben Fn. 203. 235 Oben Einführung C. III. 2. 236 Buntig, ZIP 2012, 357, 358; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 34; Kort, ZGR 2010, 440, 443. 237 Vgl. IDW PS 340 Vorbemerkung Tz. 3 ff., Wpg 1999, 658. 238 Buntig, ZIP 2012, 357, 358 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 34; Müller-Michaels, in: Hölters, § 91 Rn. 6; Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 28.

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II. Aktienrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement Wie schon im Zusammenhang mit der Compliance-Pflicht ist auch hinsichtlich des Risikomanagements zu klären, inwieweit das Aktienrecht über dessen „Ob“ hinaus auch konkrete Mindestanforderungen an die Organisation (das „Wie“) stellt. 1. Umfassende Anforderungen an die Risikomanagement-Organisation Wie soeben gesehen, lässt sich § 91 Abs. 2 AktG das Erfordernis entnehmen, für eine systematische Ausgestaltung des Risikomanagements zu sorgen. Davon abgesehen schweigt das AktG jedoch zu den konkreten Anforderungen an das Risikomanagement. Zum Teil wird § 91 Abs. 2 AktG aber zugleich herangezogen, um auf dessen Fundament die Pflicht des Vorstands zu begründen, ein umfassend organisatorisch ausgestaltetes Risikomanagementsystem einzurichten. Hierzu wird vor allem auf die Regierungsbegründung zum KonTraG verwiesen.239 In dieser heißt es, § 91 Abs. 2 AktG solle die Pflicht des Vorstands verdeutlichen, für ein „angemessenes Risikomanagement“ zu sorgen.240 Auch auf den Wortlaut der §§ 289 Abs. 5 HGB, 107 Abs. 3 Satz 2 AktG, die von einem „Risikomanagementsystem“ sprechen, wird zur Begründung einer umfassenden Organisationspflicht hingewiesen. Der Begriff des Risikomanagementsystems deute auf die Vorstellung des Gesetzgebers hin, dass das Risikomanagement eine umfassende Organisation aufweisen müsse.241 Da der Gesetzgeber die konkrete Ausgestaltung des Risikomanagements aber nicht selbst ausdrücklich vorgegeben habe, sei auf betriebswirtschaftliche Standards zurückzugreifen.242 Insbesondere der IDW PS 340, der unter anderem die Einrichtung umfassender permanenter Überwachungs- und Steuerungsprozesse hinsichtlich risikoaffiner Unternehmensbereiche verlangt,243 stelle einen geeigneten Maßstab dar, welche Anforderungen ein Risikomanagementsystem mindestens erfüllen muss.244 Zutreffend ist, dass der Begriff des „Risikomanagements“ in einem betriebswirtschaftlichen Sinne eine umfassende Organisation beschreibt.245 Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber ebenfalls dieses Verständnis

239

Statt vieler Lück, DB 1998, 8. BT-Drs. 13/9712, S. 15 (Begr. RegE KonTraG). 241 So vor allem Spindler, WM 2008, 905, 906 f.; ders., in: FS Hüffer, 985, 988 ff.; ders., in: MüKoAktG, § 91 Rn. 22 ff. Ferner Berg, AG 2007, 271. 242 Lück, DB 1998, 8, 12; ders., DB 1998, 1925, 1927; Kless, DStR 1998, 93 ff.; Pollanz, DB 1999, 393; Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 848; Spannagl/Häßler, DStR 1999, 1826, 1828 ff. Umfangreiche Nachweise aus der betriebswirtschaftlichen Literatur finden sich bei Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 20 m. Fn. 74. 243 Vgl. IDW PS 340, Ziffer 3, Wpg 1999, 658 f. 244 Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 848. 245 Buntig, ZIP 2012, 357, 358. 240

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

zugrunde gelegt hat.246 Darüber hinaus dürfen betriebswirtschaftliche Desiderata nicht mit geltendem Recht vermengt werden. Nicht alles, was betriebswirtschaftlich wünschenswert ist, muss auch rechtlich erforderlich sein.247 Den IDW-Standards kann entsprechend keine Deutungshoheit über offene Gesetzesbegriffe des Aktienrechts zukommen.248 Zudem spricht die Regierungsbegründung von einem „angemessenen“, nicht von einem umfassenden Risikomanagement oder gar Risikomanagementsystem.249 Es geht also gerade nicht darum, grundsätzlich Mindeststandards einer umfassenden organisatorischen Ausgestaltung des Risikomanagements festzuschreiben. Vielmehr macht der Angemessenheitsbegriff deutlich, dass die Organisation von der Situation des konkreten Unternehmens abhängt und dass keine rechtlich verbindlichen Organisationsstandards existieren, welche vorbehaltlos an das Risikomanagement zu stellen sind. Dass § 289 Abs. 5 HGB und § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG von einem „Risikomanagementsystem“ sprechen, lässt keine anderen Rückschlüsse zu.250 In der Regierungsbegründung zur handelsrechtlichen Darlegungspflicht des § 289 Abs. 5 HGB heißt es vielmehr ausdrücklich, dass diese keine gesellschaftsrechtliche Pflicht des Vorstands zur Einrichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems begründe.251 Gleichermaßen lässt sich von den möglichen Aufgaben des Prüfungsausschusses nicht auf die Pflichten des Vorstands schließen.252 Vielmehr bestimmen umgekehrt die Pflichten des Vorstands die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats (und seiner Ausschüsse). Auch die europarechtlichen Grundlagen253 der §§ 289 Abs. 5 HGB und 107 Abs. 3 Satz 2 AktG sind keineswegs zwingend.254 Im Ergebnis kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass § 91 Abs. 2 AktG die Einrichtung eines umfassend organisatorisch ausgestalteten Risikomanagement-Systems fordert. 2. Organisationsfreiheit Vielmehr ist eine Parallele zur anderen Pflichtaufgaben des Vorstands (wie etwa der Compliance-Pflicht) zu ziehen. Auf der einen Seite lässt sich §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 2 AktG zwar die Pflicht des Vorstands zur Implementierung eines Risikomanagements entnehmen. Der Vorstand hat zwingend Maßnahmen hinsichtlich der einzelnen Elemente eines Risikomanagements (Risikoerkennung 246

Buntig, ZIP 2012, 357, 358; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 20. Mit der ausdrücklichen Kritik, dass die IDW-Prüfungsstandards daher zu weit gefasst seien: Hüffer/Koch, § 91 Rn. 9. Eingehend Buntig, ZIP 2012, 357 ff. 248 Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 90. 249 Buntig, ZIP 2012, 357, 358. 250 Eingehend Dreher, in: FS Hüffer, 161, 164 ff. 251 BT-Drs. 16/10067, S. 76 (Begr. RegE BilMoG). 252 Wiederum BT-Drs. 16/10067, S. 102 (Begr. RegE BilMoG). 253 Oben § 1 C. 254 Zu europarechtlichen Erwägungen en detail Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 77 ff. 247

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und -bewältigung) zu ergreifen. Dieser grundlegenden „Risikomanagement-Pflicht“ kann er sich nicht unter Berufung auf seine unternehmerische Entschließung entziehen. Auf der anderen Seite ist die konkrete Ausgestaltung des Risikomanagements aber eine Frage der Unternehmensorganisation, für welche dem Vorstand bekanntermaßen ein weiter unternehmerischer Handlungsspielraum zu Verfügung steht.255 Freilich existieren hier Standards einer Good Corporate Governance. So soll es ab einer gewissen Unternehmensgröße etwa naheliegen, zentrale Risikocontrollingstellen und eine Interne Revision einzurichten.256 Ferner soll es erforderlich sein, Zuständigkeiten in der Risikoüberwachung klar festzulegen, für eine detaillierte Risikobewertung, -kommunikation und -dokumentation zu sorgen sowie ein Risikobewusstsein im Unternehmen zu schaffen.257 Diese Elemente einer Risikomanagementorganisation stehen jedoch stets unter dem Vorbehalt, dass sie der Situation des konkret betroffenen Unternehmens gerecht werden. Eine gesellschaftsrechtliche Pflicht des Vorstands, im Rahmen eines umfänglichen Risikomanagementsystems gewisse organisatorische Mindeststandards einzuhalten, besteht hingegen nicht.258 Vielmehr steht dem Vorstand hinsichtlich der Ausgestaltung des Risikomanagements im Unternehmen ein umfassendes Organisationsermessen zu.259 III. Zusammenfassung Die Feststellungen zur Risikomanagement-Pflicht des Vorstands decken sich weitgehend mit den Erkenntnissen zur Compliance-Verpflichtung. Die Einrichtung eines Risikomanagements, welches die Erkennung und Bewältigung der wesentlichen (d. h. bestandsgefährdenden) Risiken ermöglicht, ist eine Pflichtaufgabe des Vorstands. Diese Aufgabe ergibt sich aus der allgemeinen Sorgfalts- und Leitungspflicht der §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, soweit es um Maßnahmen der Risikobewältigung geht, und unmittelbar aus der die Sorgfaltspflicht konkretisierenden Norm des § 91 Abs. 2 AktG, als es um Maßnahmen der Risikoerkennung geht. Die Pflicht hat der Vorstand durch Einrichtung eines Risikomanagementsystems umzusetzen. Hinsichtlich der (organisatorischen) Ausgestaltung dieses Sys255

Vgl. oben § 1 A. II. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 36; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/ Lutter, § 91 Rn. 13. Strenger Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 19 Rn. 19, der für eine zwingende Einrichtung solcher Stellen eintritt. 257 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 36. 258 OLG Celle, Urt. v. 28. 5. 2008 – 9 U 184/07, AG 2008, 711, 712 f.; Buntig, ZIP 2012, 357, 358; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 91 AktG Rn. 9; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 35 f.; Hüffer/Koch, § 91 Rn. 9 f.; Ihrig/Schäfer, Rn. 571; Kort, ZGR 2010, 440, 442 f.; ders., in: GK-AktG, § 91 Rn. 55 ff.; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 91 Rn. 14; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 26. 259 Krekeler, ZBB 2012, 351, 354; Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 65; Müller-Michaels, in: Hölters, § 91 Rn. 10. 256

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

tems kann der Vorstand jedoch wiederum auf sein unternehmerisches Ermessen zurückgreifen. Bestimmte (Mindest-)Vorgaben macht das Aktienrecht nicht.

D. Kontrolle und „Sanktionen“ Bislang sind lediglich in positiver Hinsicht die Pflichten des Vorstands ausgeleuchtet worden. Um das Bild der aktienrechtlichen Compliance- und Risikomanagement-Verpflichtung abzurunden, ist jedoch auch in den Fokus zu nehmen, wie deren Umsetzung im Unternehmen überwacht wird und welche Folgen an die Verletzung dieser Pflichten geknüpft sind. I. Überwachung durch den Aufsichtsrat Die Überwachung der Vorstandstätigkeit obliegt gemäß § 111 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat. Diesem stehen zur Kontrolle insbesondere Einsichts- und Informationsrechte sowie das Recht zu, für bestimmte Arten von Geschäften Zustimmungsvorbehalte zu seinen Gunsten festzulegen.260 Die Überwachung bezieht sich dabei auf die gesamte Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands; „überwachungsfreie Räume“ der Geschäftsführung bestehen grundsätzlich nicht.261 Daher fallen auch Ermessensentscheidungen des Vorstands in die Kontrollkompetenz des Aufsichtsrats. Diese hat er in erster Linie auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Hierzu ist die Kontrolle erforderlich, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten sind; dies umfasst insbesondere die Prüfung, ob der Vorstand auf angemessener Informationsgrundlage und unter Orientierung am Unternehmensinteresse gehandelt hat.262 Neben der Kontrolle der Rechtmäßigkeit ist der Aufsichtsrat jedoch auch zu einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit berechtigt und verpflichtet.263 Insoweit ist allerdings zu beachten, dass der Aufsichtsrat zwar durchaus Gegenvorstellungen zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen und Planungen des Vorstands äußern darf. Keinesfalls darf er aber in die eigenverantwortliche Unternehmensleitung des Vorstands eingreifen, indem er diesem seine eigenen Zweckmäßigkeitsvorstellungen oktroyiert.264 Vielmehr hat er sich vornehmlich auf die Prüfung zu beschränken, ob 260

Überblick bei Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471, 475. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, § 111 Rn. 13; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 8. 262 Habersack, in: MüKoAktG, § 111 Rn. 43. 263 Vgl. BGH, Urt. v. 25. 3. 1991 – II ZR 188/89, NJW 1991, 1830, 1831; BGH, Urt. v. 21. 12. 1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629 f.; BGH, Urt. v. 12. 7. 1979 – III ZR 154/77, NJW 1979, 1879, 1881 f.; Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 111 Rn. 160; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 111 Rn. 14; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, § 111 Rn. 8 ff.; Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, § 29 Rn. 23; v. Schenk, in: Semler/v. Schenk, § 7 Rn. 195 f.; Lutter/Krieger/Verse, Rn. 65; Diekmann/Wurst, NZG 2014, 121; Langenbucher, ZGR 2012, 314, 318. 264 Allg. Meinung, vgl. nur Habersack, in: MüKoAktG, § 111 Rn. 43; Lutter/Krieger/Verse, Rn. 86; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 111 Rn. 31; Semler, in: FS: Ulmer, 2003, 627, 629 ff. 261

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sich die Maßnahme in die allgemeine unternehmerische Planung einfügt.265 Stellt der Aufsichtsrat eine Pflichtverletzung des Vorstands fest, obliegt es gemäß § 112 AktG ihm, einen etwaigen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand geltend zu machen.266 II. Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung In der Organhaftung des § 93 Abs. 2 AktG dürfte die wohl wichtigste „Sanktion“ eines Verstoßes des Vorstands gegen die Vorstandspflichten – einschließlich der Compliance- bzw. Risikomanagement-Pflicht – liegen. Verletzt der Vorstand schuldhaft seine Organisationspflichten, ist er der Gesellschaft hiernach zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.267 Die Haftung soll das Gesellschaftsvermögen und damit die Gesellschaft schützen.268 Sie ist als reine Innenhaftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft konzipiert.269 Außenstehende Dritte – einschließlich der Aktionäre – können einen Schadensersatzanspruch nicht auf § 93 Abs. 2 AktG stützen.270 Bei der Beurteilung einer Pflichtverletzung und einer etwaigen Haftung gegenüber der Gesellschaft ist jedoch das weite unternehmerische Ermessen des Vorstands in Rechnung zu stellen. Soweit eine Entscheidung des Vorstands von der business judgement rule gedeckt ist, kommt eine Pflichtverletzung nicht in Betracht.271 Im Rahmen gesetzmäßiger Entscheidungen sind die Grenzen der business judgement rule erst dann überschritten, wenn eine Entscheidung des Vorstands aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters evident falsch oder schlechthin unvertretbar ist.272 Über die haftungsrechtlichen Folgen hinaus kommen nach allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen noch weitere Konsequenzen im Falle einer Verletzung der Organisationspflichten in Betracht. Je nach Schweregrad der Pflichtverletzung ist an eine Abberufung als Vorstandsmitglied und die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages zu denken.273 Darüber hinaus kann die Entlastung verweigert oder der 265

Habersack, in: MüKoAktG, § 111 Rn. 43. BGH, Urt. v. 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926 (ARAG/ Garmenbeck). 267 Zu den Funktionen der Organhaftung s. Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 251 ff.; Bayer/ Scholz, NZG 2014, 926, 928 f. (jeweils kritisch zur kompensatorischen Funktion der Organhaftung). 268 Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 207. 269 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 26. 270 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 26; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 60 ff. Für mögliche Anspruchsgrundlagen einer Außenhaftung der Vorstandsmitglieder vgl. Mertens/ Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 207 ff. 271 Hierzu bereits oben § 1 A. I. 2. 272 Vgl. BGH, Urt. v. 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926, 1927 f. (ARAG/Garmenbeck); BGH, Urt. v. 3. 12. 2001 – II ZR 308/99, NZG 2002, 195, 196. 273 LG Berlin, Urt. v. 3. 7. 2002 – 2 O 358/01, BKR 2002, 969 (n. rkr.). 266

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

einer bereits erteilten Entlastung zugrunde liegende Hauptversammlungsbeschluss gegebenenfalls wegen Gesetzesverstoßes (§ 243 Abs. 1 AktG) angefochten werden.274 III. Unzureichende Compliance- und Risikomanagement-Maßnahmen Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats im oben beschriebenen Sinne erstreckt sich auch darauf, die Erfüllung der Compliance- und der RisikomanagementPflicht zu kontrollieren sowie zu überprüfen, ob der Vorstand bei der organisatorischen Ausgestaltung die Grenzen seines unternehmerischen Ermessens eingehalten hat.275 Bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft hat gemäß § 317 Abs. 4 HGB außerdem der Abschlussprüfer zu beurteilen und hierüber Bericht zu erstatten (§ 321 Abs. 4 HGB), ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 AktG obliegenden Maßnahmen in einer geeigneten Form getroffen hat und ob das danach einzurichtende Überwachungssystem seine Aufgaben erfüllen kann.276 Dabei ist zu beachten, dass bei Compliance-Fragen rechtliche Aspekte stets vorrangig zu berücksichtigen sind und unternehmerische, betriebswirtschaftliche und sonstige praktische Erwägungen „jenseits des Rechts“ erst im Rahmen eines organisationsrechtlichen Spielraums des Vorstands als Entscheidungsparameter berücksichtigt werden können.277 Das gänzliche Fehlen wirksamer Maßnahmen stellt wegen der rechtlichen Verpflichtung des Vorstands, für Compliance und Risikomanagement im Unternehmen zu sorgen, regelmäßig einen Pflichtverstoß dar.278 Hingegen kann eine Pflichtverletzung nicht per se darauf gestützt werden, dass der Vorstand bestimmte organisatorische Elemente im Rahmen des Risikomanagements bzw. der Compliance nicht implementiert hat, weil das Gesetz insoweit keine Pflichtaufgaben des Vorstands vorsieht. Das Fehlen eines Whistleblowing-Systems an sich stellt etwa keine Pflichtverletzung dar. Soweit der Vorstand seine Entscheidung für oder gegen bestimmte Maßnahmen zur Umsetzung der Compliance- oder RisikomanagementVerpflichtung nachvollziehbar begründen kann, bewegt er sich grundsätzlich im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens. Die Organisation ist als pflichtgemäß zu erachten. Für den Aufsichtsrat besteht keine Handhabe, dem Vorstand seine eigene Überzeugung davon, dass bestimmte Elemente einer Compliance- bzw. Risikomanagement-Organisation erforderlich seien, aufzuzwingen.279 274

Überblick bei Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 27 ff. m.w.N. Vgl. zur Compliance Bürkle, CCZ 2015, 52, 53; ders., in: FS Lorenz, 101; Habersack, AG 2014, 1; Kort, in: FS Hopt, 983; Lutter, in: FS Hüffer, 617; Winter, ebenda, 1103. 276 Hierzu Ebke, in: MüKoHGB, § 317 Rn. 79 ff.; Hopt/Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 317 Rn. 10 f. 277 Bürkle, CCZ 2015, 52, 53. 278 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 77; ders., NZG 2014, 321, 328. Zu § 91 Abs. 2 AktG Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 27 ff. m.w.N. 279 Allg. hierzu Habersack, in: MüKoAktG, § 111 Rn. 12, 29. 275

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Hat der Vorstand Maßnahmen zur Compliance und zum Risikomanagement getroffen, kann eine Pflichtverletzung gegeben sein, wenn die Maßnahmen unwirksam sind oder durch den Vorstand unzureichend überwacht werden.280 Allerdings darf die Wirksamkeit der Compliance- bzw. des Risikomanagements nicht im Nachhinein unter Kenntnis des eingetretenen Schadens beurteilt werden. Die Gefahr liegt auf der Hand, dass diese Beurteilung gerade an der Kenntnis des eingetretenen Schadens orientiert ist und die Wirksamkeit des Systems allein danach beurteilt wird, was erforderlich gewesen wäre, diesen konkreten Schaden zu vermeiden.281 Dem Vorstand darf jedoch nicht ex post im Einzelnen vorgehalten werden, wie er das Unternehmen hätte organisieren sollen.282 Daher ist etwa bei Fehlen eines Hinweisgeberprozesses nicht danach zu fragen, ob ein eingetretener Schaden durch Einrichtung eines solchen Prozesses hätte vermieden werden können. Ausschließlich maßgeblich ist, ob die Ausgestaltung der Compliance im Übrigen grundsätzlich geeignet war, Rechtsverletzungen entgegenzuwirken. Eine Pflichtverletzung ist also nur zu bejahen, wenn die Ausgestaltung des Risikomanagements bzw. der Compliance schlechthin ungeeignet war, die Realisierung eines Risikos bzw. eine Rechtsverletzung zu vermeiden. IV. Exkurs: Mögliche Folgen einer Pflichtverletzung für die Gesellschaft Eine Entscheidung des BGH hat sich jüngst mit den Folgen einer unzureichenden Compliance-Organisation für die Gesellschaft selbst beschäftigt und damit die enorme praktische Bedeutung von Compliance und Risikomanagement vor Augen geführt.283 Daher soll der Blick kurz hierauf gelenkt werden. Für die Gesellschaft dürfte das Fehlen einer ausreichenden Compliance-und Risikomanagement-Organisation insbesondere im Rahmen des § 30 OWiG spürbar werden. Hiernach kann gegen die Gesellschaft eine Geldbuße festgesetzt werden, wenn eine Person mit Leitungs- oder Überwachungsfunktion eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die Pflichten, welche die Gesellschaft treffen, verletzt worden sind oder die Gesellschaft bereichert worden ist oder werden sollte. Der BGH vertritt hier die Auffassung, dass für die Bemessung der Geldbuße von Bedeutung ist, inwieweit die Gesellschaft ein effizientes Compliance-Management installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt ist.284 Daraus folgt, dass die Geldbuße entsprechend geringer auszufallen hat, wenn der Gesellschaft wegen der Einrichtung

280

LG München I, Urt. v. 10. 12. 2013 – 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345, 347 (Siemens/ Neubürger). Zustimmend Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 192. 281 Vgl. Grunewald, NZG 2013, 841. 282 Fleischer, AG 2003, 291, 300. 283 BGH, Urt. v. 9. 5. 2017 – 1 StR 265/16, juris Rn. 118. 284 BGH, Urt. v. 9. 5. 2017 – 1 StR 265/16, juris Rn. 118. Hierzu zustimmend Wilsing/ Goslar, GmbHR 2017, 1202.

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

einer (an sich ausreichenden) Compliance- und Risikomanagement-Organisation der Rechtsverstoß nicht angelastet werden kann.285

E. Zusammenfassung Compliance und Risikomanagement sind in aktienrechtlicher Hinsicht parallel ausgestaltet. Das Aktienrecht kennt eine grundlegende Pflicht des Vorstands, für Compliance und Risikomanagement im Unternehmen zu sorgen. Welche (organisatorischen) Maßnahmen er zu diesem Zwecke ergreift, steht in seinem weiten unternehmerischen Ermessen. Zwingende Mindestanforderungen an die Ausgestaltung der Organisation stellt das Aktienrecht nicht auf. In praxi werden diese Pflichten für den Vorstand jedoch nur handhabbar und für den Aufsichtsrat bzw. die Aktionäre kontrollierbar, wenn die wesentlichen Elemente einer ordnungsgemäßen Organisation umrissen sind. Oftmals wird zur näheren Bestimmung der Compliancebzw. Risikomanagement-Organisation der Rückgriff auf Standards guter Corporate Governance oder betriebswirtschaftliche Erkenntnisse bemüht.

§ 2 Bankaufsichtsrecht Es lässt sich aber auch danach fragen, ob sich aus detaillierten Anforderungen, welche das Gesetz an anderer Stelle aufstellt, Rückschlüsse auch auf die aktienrechtlich erforderliche Mindestqualität einer Compliance- bzw. RisikomanagementOrganisation ziehen lassen. Solche detaillierten Anforderungen, welche (in welcher Form auch immer) „Vorbildwirkung“ auf das Aktienrecht ausüben können, enthält das Bankaufsichtsrecht. Warum und inwieweit zwischen diesem und dem Aktienrecht ausstrahlungsrelevante regulatorische Schnittmengen bestehen, wird erst die Gegenüberstellung der beiden Rechtsgebiete zeigen.

A. „Besondere organisatorische Pflichten“ Das Bankaufsichtsrecht fordert in Form von „besonderen organisatorischen Pflichten“ – so die amtliche Überschrift des § 25a KWG – die Einrichtung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation einschließlich eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements. Darüber hinaus fordert § 25a Abs. 1 KWG die Einhaltung der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine rechtliche Verbindlichkeit, sondern um eine Empfehlung an die

285

Ebenso Wilsing/Goslar, GmbHR 2017, 1202, 1203.

§ 2 Bankaufsichtsrecht

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Geschäftsleitung, die in der Betriebswirtschaftslehre als gesichert geltenden und in der Praxis bewährten Erkenntnisse zu berücksichtigen.286 I. Prinzipienorientierte Regulierung § 25a KWG ist Ausdruck einer sog. „qualitativen Bankenaufsicht“. Hierunter ist ein Regulierungs- und Aufsichtskonzept zu verstehen, welches die Qualität unternehmensinterner Verfahren und Prozesse ins Visier nimmt.287 Vorschriften der qualitativen Aufsicht räumen der Aufsichtsbehörde Bewertungsspielräume zur Kontrolle bestimmter Potenziale und Prozesse der Kreditinstitute ein, welche sie bei rein quantitativen Normen nicht besitzt.288 Die traditionell die Bankenaufsicht beherrschende quantitative Aufsicht setzt nämlich an eindeutig bezifferbaren Kredit-, Marktpreis- und Liquiditätsrisiken an, die für alle Institute nach einheitlichen Verfahren ermittelt werden.289 Die qualitative Bankenaufsicht ist wiederum Ausfluss einer sog. prinzipienorientierten Regulierung.290 Unter Prinzipien sind Zielnormen mit einem hohen Generalitätsgrad zu verstehen.291 Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Handlungspflicht der beaufsichtigten Unternehmen normieren, zugleich aber ausdrücklich auch das zu erfüllende regulatorische Ziel.292 An dieses sind die Normadressaten ohne Abweichungsmöglichkeiten oder Einschätzungsprärogativen gebunden. Dem regulatorischen Ziel kommt insofern also eine besondere Bedeutung bei der Auslegung und Anwendung prinzipienorientierter Regelungen zu. Die Wahl der zur Zielerreichung zu ergreifenden Mittel und Methoden ist hingegen innerhalb des gesetzlich gesteckten (prinzipienbasierten) Rahmens dem Normadressaten überantwortet. Für die Institute bzw. ihre Geschäftsleiter bedeutet dies weite Gestaltungsspielräume und ein hohes Maß an Eigenverantwortung.293 Kennzeichnend für der prinzipienorientierten Regulierung zuzuordnende Rechtssätze ist daher die 286 BT-Drs. 16/4028, S. 95 (Begr. RegE FRUG). Ebenso Bitterwolf, in: Reischauer/ Kleinhans, § 25a Rn. 2; Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 48. Die Geschäftsleitung ist insbesondere nicht qua Gesetz zur Befolgung von IDW-Standards (z. B. IDW PS 340 oder IDW PS 261) verpflichtet, wenngleich sie diese in aller Regel in ihre Entscheidungen einzubeziehen haben wird: Theusinger/Liese, NZG 2008, 289, 290; Braun, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, § 25a Rn. 47. Dies gilt gleichermaßen im Aktienrecht, statt vieler Spindler, WM 2008, 905, 909. Vgl. hierzu oben § 1 A. II. 287 Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 72. 288 Paul, in: Hopt/Wohlmannstetter, S. 103. 289 Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 73. 290 Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 83. 291 Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 53. Vgl. ferner U. H. Schneider, in: GS Gruson, 369, 372 f.; Weber-Rey, ECFR 2007, 370, 384. 292 Glawischnig- Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 17. 293 Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 56 f. Ebenso Braun, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, § 25a Rn. 21; Glawischnig- Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 17. Ferner Hofer/Bothe, BaFin-Journal August 2012, S. 7.

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

Verwendung einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe sowie die Festschreibung regulatorischer Ziele im Normtext. Dem folgend enthält auch § 25a Abs. 1 KWG eine durch viele offene Begriffe (z. B. „ordnungsgemäße Geschäftsorganisation“, „angemessenes Risikomanagement“) umschriebene Handlungspflichten nebst Zielvorgaben (z. B. „(…) die die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen (…) gewährleistet“).294 Diese offenen Begriffe sind mit Blick auf die Zwecke einer gesonderten Regulierung des Bankensektors auszulegen.295 Anders als in anderen Regelungszusammenhängen des Bankaufsichtsrechts fehlt es hinsichtlich der Geschäftsorganisation an einer Verordnungsermächtigung zur näheren Konkretisierung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsorganisation und der Angemessenheit des Risikomanagements.296 Die Vorgabe „starrer“ Anforderungen würde den Zweck einer prinzipienorientierten Regulierung, namentlich: eine qualitative Bankenaufsicht zu ermöglichen, konterkarieren.297 1. Konkretisierung durch die MaRisk Die Präzisierung der Organisationsvorgaben des § 25a Abs. 1 KWG erfolgt daher auf untergesetzlicher Ebene durch die MaRisk. Es handelt sich um ein mit der Kreditwirtschaft konsultiertes Rundschreiben, welches den Instituten eine gewisse Planungs- und Rechtssicherheit verschaffen soll, der Aufsicht aber zugleich Flexibilität hinsichtlich der Änderungs- und Anpassungsmöglichkeiten des Regelwerks belässt.298 Mit den MaRisk macht die BaFin ihre Auffassung, wie § 25a KWG auszulegen sei, transparent.299 Der Fokus der MaRisk liegt ganz auf ihrer praxisnahen Flexibilität. Dies findet seinen Niederschlag etwa in ihrer (Weiter-)Entwicklung im Dialog mit der Unternehmenspraxis sowie der zu diesem Zwecke gewählten modularen Struktur.300 Darüber hinaus sind die MaRisk ihrerseits als prinzipienorientiertes Regelwerk konzipiert, was durch zahlreiche Öffnungsklauseln zum Ausdruck kommt.301 Gleichwohl enthalten sie umfassend detaillierte präskriptive Organisationsanforderungen, welche tief in das organisatorische Innenleben der Institute

294

Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 39. Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a Rn. 32; Preußner, NZG 2004, 57, 58. 296 Hingegen enthält bspw. § 11 Abs. 1 Satz 2 KWG eine Ermächtigung zugunsten des BMF, durch Rechtsverordnung im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank nähere Anforderungen an die ausreichende Liquidität der Institute zu bestimmen. Von dieser Ermächtigung wurde mit der LiqV Gebrauch gemacht. Vgl. hierzu auch unten § 2 C. I. 297 Hierzu Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 19. 298 Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 19. 299 Vgl. Dengler, WM 2014, 2032, 2033. 300 Im Einzelnen Hannemann/Schneider/Weigl, MaRisk, Teil 1, S. 28 ff. 301 Im Einzelnen Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 98 ff. Ferner Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 33 ff. 295

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eingreifen.302 Dies wird wiederum dadurch abgeschwächt, dass die MaRisk als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften keine unmittelbare Bindungswirkung gegenüber den Instituten entfalten.303 Verstöße gegen die MaRisk werden nur insoweit „sanktionsrechtlich“ relevant, als sie zugleich einen Verstoß gegen die Vorschriften des KWG, also vor allem § 25a Abs. 1 KWG, darstellen.304 Nicht zu unterschätzen ist jedoch die faktische Bindungswirkung der in den MaRisk zum Ausdruck kommenden Auffassung der BaFin.305 Darüber hinaus haben wichtige Vorschriften der MaRisk mittlerweile in § 25c Abs. 4a und 4b KWG Eingang in den Gesetzestext und damit in die Reihe verbindlicher inhaltlicher Vorgaben gefunden.306 2. Grundsatz der doppelten Proportionalität Weiteres Element einer prinzipienorientierten Regulierung im Recht der qualitativen Bankenaufsicht ist der auf die Bankenrichtlinie zurückgehende Grundsatz der doppelten Proportionalität.307 Er besagt, dass sowohl die Anforderungen an die Ausgestaltung des Risikomanagements als auch die Prüfungshäufigkeit und -intensität der Aufsichtsbehörde durch das institutsindividuelle Geschäfts- und Risikoprofil bestimmt werden.308 Der Proportionalitätsgrundsatz ist im deutschen Bankaufsichtsrecht ausdrücklich in § 25a Abs. 1 Satz 4 KWG niedergelegt. Auch die MaRisk enthalten mit Rücksicht auf den Grundsatz zahlreiche Proportionalitätsklauseln.309 Die Bedeutung des Proportionalitätsgrundsatzes liegt materiell-rechtlich vor allem in einer „Lockerung“ der bankaufsichtsrechtlichen Organisationsvorgaben: § 25a Abs. 1 KWG legt zwingende Mindestvorgaben fest, die eine angemessene Compliance- und Risikomanagement-Organisation umfassen muss. Darüber hinaus gelten die bankaufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen jedoch nicht absolut, sondern ihre Umsetzung ist eine Frage der Proportionalität.310 Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht: Die Aufgaben der Internen Revision können bei Instituten, bei denen aus Gründen der Betriebsgröße die Einrichtung einer internen

302

Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 98. VGH Kassel, Urt. v. 31. 5. 2006 – 6 UE 3256/05, WM 2007, 392, 393; Dengler, WM 2014, 2032, 2033. 304 Dengler, WM 2014, 2032 ff.; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 21; o.V., in: Reischauer/ Kleinhans, Anhang 1 zu § 25a, AT 1, Ziffer 1 Rn. 2. 305 Vgl. hierzu Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 556. s. auch noch unten § 6 B. III. 1. b) (bb). 306 BT-Drs. 18/12601, S. 43 f. (Begr. RegE TrennbankenG). Hierzu ferner Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 99; StRA DAV, NZG 2013, 577, 578. 307 Art. 22 Nr. 2, 123 Abs. 2 und 124 Nr. 4 BankenRL. 308 Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 32. Im Einzelnen Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 85 ff. 309 Hierzu Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 99. 310 Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 89. 303

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Revisionsstelle unverhältnismäßig ist, von den Geschäftsleitern erfüllt werden.311 Hier kommt die Flexibilität einer prinzipienbasierten Regulierung der bankaufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen zum Ausdruck, deren Umsetzung stets proportional zu den institutsindividuellen Verhältnissen zu erfolgen hat. Gleichzeitig ermöglicht auch der Proportionalitätsgrundsatz jedoch nicht, von einer Einhaltung der Mindestanforderungen des § 25a Abs. 1 KWG abzusehen. Ein Verzicht auf die Wahrnehmung der Revisionsaufgaben ist aufgrund der zwingenden Mindestvorgaben in § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KWG daher – auch bei kleiner Institutsgröße – nicht möglich. II. Rechtfertigung eigener bankaufsichtsrechtlicher Organisationsvorgaben Das Gesellschaftsrecht trägt dem Grundsatz der Privatautonomie und dem Interesse der beteiligten Parteien an einer eigenverantwortlichen Verfolgung ihrer individuellen Belange Rechnung, indem es sich konkreter Vorgaben zur Ausgestaltung der Unternehmensorganisation enthält. Das Bankaufsichtsrecht hingegen macht konkrete Vorgaben zur Institutsorganisation und greift damit in Grundrechte, genauer: in die Eigentumsfreiheit der Anteilseigner und die Gewerbefreiheit der Unternehmen, ein. Als Einschränkung privater Freiheiten bedürfen die bankaufsichtsrechtlichen Organisationsvorgaben deshalb einer besonderen, aus höheren Interessen des Allgemeinwohls gewonnenen Rechtfertigung.312 Diese Rechtfertigung ist in der „Bedeutung der Finanzwirtschaft für die Realwirtschaft“ zu suchen.313 Das Kreditgewerbe nimmt in der modernen Volkswirtschaft eine zentrale Stellung als Finanzintermediär zur Vermittlung von anlagesuchendem Kapital an die kreditnehmende Wirtschaft und Private ein.314 Banken sammeln verfügbare Gelder als Einlagen und vermitteln diese als Kredite. Hierdurch bringen sie die unterschiedlichen Laufzeitinteressen der Institutskunden in Einklang (Fristentransformation) und erreichen eine Optimierung der Kapitalallokation.315 Darüber hinaus ist das Kreditwesen Instrument staatlicher Geld- und Wirtschaftspolitik, was das erhebliche staatliche Interesse an einer funktionierenden Kreditwirtschaft begründet.316 Diese zentrale Stellung des Kreditgewerbes birgt jedoch sektorspezifische volkswirtschaftliche Gefahren. 311

So explizit MaRisk, AT 4.4.3 Tz. 1. Vgl. hierzu BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1962 – 2 BvF 4, 5/61 und 1, 2/62, NJW 1962, 1670. Vgl. ferner BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958 – 1 BvR 596/56, NJW 1958, 1035 (Apotheken-Urteil). 313 BT-Drs. 16/13684, S. 29 (Bericht des Finanzausschusses zum FMVAStGE). 314 R. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 125 Rn. 19. 315 BT-Drs. 3/1114, S. 19 (Begr. RegE KWG); R. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 125 Rn. 19; Kirchhartz, in: Claussen, § 1 Rn. 124; Tröger, ZHR 177 (2013), 475, 481 m.w.N. aus der Volkswirtschaft. Vgl. auch Art. 2 Abs. 1 BaySpkG. Zur Funktion der Sparkassen Rümker/Winterfeld, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 124 Rn. 26. 316 BT-Drs. 3/1114, S. 19 (RegBegr. zum KWG). Ferner R. Fischer, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 125 Rn. 20; Kirchhartz, in: Claussen, § 1 Rn. 124. 312

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1. Gefahr eines Bank-Run Hierzu zählt zum einen die Gefahr, dass Kunden der Bank aufgrund eines Vertrauensverlustes schlagartig die Gelder und damit die Liquidität entziehen – der sog. Bank-Run.317 Um ihrer volkswirtschaftlichen Vermittlungsfunktion nachkommen zu können, sind Banken in besonderer Weise auf das Vertrauen ihrer Kunden angewiesen. Einleger fungieren (auch wenn sie sich selbst oftmals nicht so empfinden) als Kreditgeber „ihrer“ Bank. Häufig verfügen die Kunden aber nicht über die notwendigen Ressourcen, um sich ausreichend über die Bank als Kreditnehmer und deren individuelle Risikoexposition zu informieren und können die (finanzielle) Situation der Bank nicht überblicken.318 Es besteht ein Informationsgefälle zwischen Bank und Einleger.319 Kann der einzelne Einleger die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bank aber nicht zuverlässig einschätzen, wird er in aller Regel bei dem leisesten Anzeichen einer Krise versuchen, seine Einlagen abzuziehen. Diese Verhaltensweise entspricht dem üblichen Gebaren, einem dubios gewordenen Schuldner ohne zusätzliche Sicherheiten keinen Kredit mehr zu gewähren.320 Dabei wird der Einleger darauf bedacht sein, anderen Einlegern zuvorzukommen, damit die Auszahlung seiner Einlagen nicht der Zahlungsunfähigkeit der Bank zum Opfer fällt.321 Da alle Einleger diesem Verhaltensmuster folgen werden, entsteht ein Run auf die Bank: Jeder versucht, seine Einlage zu sichern, bevor die Zahlungsunfähigkeit der Bank eintritt.322 Durch diesen massenhaften Entzug der Einlagen wird der Bank schlagartig die Liquidität entzogen, was ad ultimo zur Insolvenz des betroffenen Instituts führen kann.323 Dabei spielt es im Nachhinein keine Rolle, ob die Bank tatsächlich in Gefahr einer wirtschaftlichen Schieflage war oder nicht.324 2. Erhöhtes Insolvenzrisiko (Fristentransformation) Diese Gefahr des abrupten Liquiditätsverlustes wird dabei durch das ohnehin erhöhte Insolvenzrisiko der Banken genährt. Dies hängt mit der Aufgabe der Fristentransformation zusammen.325 Banken reichen in Wahrnehmung ihrer Vermitt317

Bieg, Bankbilanzen, S. 31; Binder, Bankeninsolvenzen, S. 104 ff. Zu diesem Informationsdefizit im Einzelnen Kupitz, Kreditwirtschaft, S. 138 ff. Ferner R. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 125 Rn. 20; Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 136 f. 319 Fey, Banken, S. 61 f. 320 Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 250. 321 Fey, Banken, S. 61 f. 322 Detailliert zu verhaltenspsychologischen Aspekten Bieg, Bankbilanzen S. 29 f. 323 Wolfers/Voland, in: Hopt/Wohlmannstetter, S. 330. Bankeninsolvenzen sind tatsächlich selten, hierzu Obermüller, in: Gottwald, § 103 Rn. 1; Ruzik, BKR 2009, 133 f. Zum Bank-Run auch Tröger, ZHR 177 (2013), 475, 481. 324 Vgl. Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 32 m.w.N. und dem Beispiel des Beinahe-Zusammenbruchs des britischen Baufinanzierers Northern Rock in 2007. 325 Vgl. Bieg, Bankbilanzen, S. 8. 318

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

lungsfunktion Kredite aus, welche den Laufzeitinteressen der Kreditnehmer entsprechend häufig langfristigen Bindungen unterliegen.326 Die Refinanzierung erfolgt weit überwiegend nicht mithilfe von Eigenkapital, sondern über die Spareinlagen der Bankkunden.327 Diese wollen aber die Möglichkeit jederzeitigen Zugriffs auf ihre Einlagen haben. Während die Darlehensvergabe auf Aktivseite also langfristigen Bindungen unterliegt, erfolgt die Refinanzierung der Bank über kurzfristige Passiva.328 Um die langfristigen Aktivbindungen bilanziell decken zu können, muss die Bank laufend ausreichend Mittel auf der Passivseite vorhalten.329 Misslingt dies (etwa aufgrund eines Bank-Run), drohen ihr Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz.330 3. Systemische Risiken Eine weitere spezifische Gefahr bilden die systemischen Risiken im Finanzsektor. Systemische Risiken bezeichnen das Risiko einer Störung im Finanzsystem, das schwerwiegende negative Auswirkungen für das Finanzsystem und die Realwirtschaft haben kann.331 Diese entstehen aus der Vielzahl und Intensität der Interbankenverbindungen im Finanzsektor. Aufgrund der Interdependenz der Banken können sich Krisen einzelner Institute schnell auf die gesamte Finanzbranche auswirken.332 Die Stellung des Bankensektors als zentraler Akteur innerhalb der Gesamtwirtschaft wiederum kann eine Expansion finanzsektoraler Krisen auf die gesamte Wirtschaft bewirken.333 Die Krise einer einzelnen Bank greift multiplikativ auf die Finanzbranche und die übrige Wirtschaft über.334 326 Ausführlich zu den Schwierigkeiten der Banken im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Vermittlungsfunktion Bieg, Bankbilanzen, S. 8 ff. Vgl. ferner Wolfers/Voland, in: Hopt/ Wohlmannstetter, S. 331. 327 Vgl. Bieg, Bankbilanzen, S. 14. 328 Bieg, Bankbilanzen, S. 14; Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 137 f. 329 Vgl. Bieg, Bankbilanzen, S. 14. 330 Mit Beispielen aus der jüngsten Finanzkrise Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 30 f. 331 So die Legaldefinition in § 1 Abs. 33 KWG. Vgl. auch Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 CRD IV. 332 Albert, in: Reischauer/Kleinhans, § 6 Rn. 1; Jungmichel, WM 2003, 1201; Lehmann, in: MüKoBGB, Internationales Finanzmarktrecht Rn. 8; Sauer/Wittemann, in: Assies u. a., 1. Kapitel C I Rn. 243. Vgl. zur Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Ansteckungseffekten Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 32 m.w.N. 333 Albert, in: Reischauer/Kleinhans, § 6 Rn. 1; Jungmichel, WM 2003, 1201; Kirchhartz, in: Claussen, § 1 Rn. 123; ferner Wolfers/Voland, in: Hopt/Wohlmannstetter, S. 331; Ruzik, BKR 2009, 133, 134 f. Vgl. bereits BT-Drs. 3/1114, S. 19 (Begr. RegE KWG): „Die Funktion der Einlagensammlung und der Kreditversorgung gibt dem Kreditgewerbe innerhalb der Volkswirtschaft eine zentrale Stellung. Ernstere Schwierigkeiten im Kreditwesen bleiben deshalb erfahrungsgemäß nicht auf diesen Bereich beschränkt, sondern wirken sich stets auch auf weitere Wirtschaftszweige aus. Zahlungsstockungen, mangelhafte Kreditversorgung und unerwarteter Entzug von Krediten, die unvermeidlich Folgen solcher Funktionsstörungen sind, verursachen zwangsläufig schwere Schäden nicht nur im Kundenkreis der betreffenden Kreditinstitute, sondern darüber hinaus auch in weiteren Teilen der Wirtschaft. Wie die Erfah-

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4. Funktions- und Gläubigerschutz durch besondere organisatorische Pflichten Die spezifischen Gefahren der bestehenden Informationsasymmetrien sowie der Eigen-/Fremdmitteldiskrepanzen der Banken verdeutlichen, dass der Finanzsektor in besonderer Weise auf das Vertrauen der Einleger in das Funktionieren des Finanzsektors angewiesen ist. Das Bankaufsichtsrecht soll daher durch vertrauensbildende und -erhaltende Maßnahmen die Stabilität, die Funktionsfähigkeit und die Integrität des Finanzsystems stärken.335 Zugleich zielt es darauf, die Einleger vor dem aus der Fristentransformation entstehenden besonderen Risiko eines Vermögensverlustes zu schützen.336 Dieser Gläubigerschutz des Bankaufsichtsrechts adressiert die besondere Risikoexposition der Institutskunden und ist daher nicht an den privaten Interessen der individuellen Gläubiger orientiert. Er bezweckt im Sinne eines institutionellen Gläubigerschutzes einen kollektiven Schutz im öffentlichen Interesse.337 Daher kann aus der Gläubigerschutzfunktion bankaufsichtsrechtlicher Normen grundsätzlich kein individualschützender Charakter zugunsten einzelner Gläubiger hergeleitet werden.338 Das Bankaufsichtsrecht bezweckt also gleichermaßen einen systembezogenen Funktions- und einen Schutz der Institutsgläubiger.339 Vor diesem Hintergrund sind auch die besonderen organisatorischen Pflichten von Instituten zu lesen. Eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der Institute einschließlich einer Compliance- und Risikomanagement-Organisation soll der Rearungen der Bankenkrise von 1931 gezeigt haben, kann der Zusammenbruch eines Großinstituts das Wirtschaftsgefüge eines ganzen Landes in schwere Gefahr bringen. Das reibungslose Arbeiten des Kreditapparats ist deshalb eine entscheidende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Gesamtwirtschaft.“ Ferner FSB, Policy Measures to Address Systemically Important Financial Institutions, 4. November 2011, Ziffer 3. 334 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 139 f. 335 BT-Drs. 3/1114, S. 19 und 25 f. (Begr. RegE KWG); BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1962 – 2 BvF 4, 5/61 und 1, 2/62, BVerfGE 14, 197, 198; Binder, ZGR 2015, 667, 704; Kirchhartz, in: Claussen, § 1 Rn. 124; U. H. Schneider/S. H. Schneider, NZG 2016, 41, 42. Ähnlich R. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einführung Rn. 166 ff.; ders., in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 125 Rn. 19 ff., 23; Huber, Bankrecht, Rn. 15. Zu den verschiedenen rechtstheoretischen Ansätzen im Einzelnen o.V., in: Beck/Samm/Kokemoor, § 6 Rn. 8 ff. 336 Vgl. BT-Drs. 3/1114, S. 24 und 25 f. (Begr. RegE KWG); BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1962 – 2 BvF 4, 5/61 und 1, 2/62, BVerfGE 14, 197, 198; Albert, in: Reischauer/Kleinhans, § 6 Rn. 1; Binder, ZGR 2013, 761, 780 m.w.N.; ders., ZGR 2015, 667, 704; Hammen, WM 1998, 741, 745; R. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 125 Rn. 19; ders., in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, Einführung Rn. 166 ff.; Schelm, in: Kümpel/Wittig, Tz. 2.3; o.V., in: Beck/ Samm/Kokemoor, § 6 Rn. 15 ff. Ferner Bieg, Bankbilanzen, S. 34 ff.; Kupitz, Kreditwirtschaft, S. 20 ff. 337 Binder, ZGR 2013, 761, 783; Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 33. 338 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 12. 12. 2007 – 17 U 111/07, AG 2008, 453, 454; R. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einführung Rn. 129; ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 125 Rn. 24 ff. A.A. o.V., in: Beck/Samm/Kokemoor, § 6 Rn. 22 ff. 339 Funktions- und Gläubigerschutz stehen gleichberechtigt nebeneinander: BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1962 – 2 BvF 4, 5/61 und 1, 2/62, BVerfGE 14, 197, 198; o.V., in: Beck/Samm/Kokemoor, § 6 Rn. 15 ff. A.A. Kupitz, Kreditwirtschaft, S. 21.

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

lisierung von typischen, aus der spezifischen Geschäftstätigkeit der Banken erwachsenden Risiken vorbeugen.340 Dies soll insbesondere dadurch geschehen, dass das bankaufsichtsrechtliche Risikomanagement über die allgemeinen unternehmerischen Risiken (wie Marktpreis- und Kreditrisiken) hinaus branchenspezifische Risiken adressiert.341 Im Sinne des Gläubigerschutzes soll damit der Gefährdung der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte und einer damit verbundenen wirtschaftlichen Schieflage des Instituts entgegengewirkt sowie eine Gefährdung der Finanz- und Gesamtwirtschaft vermieden werden.342 Ein individualschützender Charakter (über § 823 Abs. 2 BGB) kommt den Organisationsanforderungen des § 25a Abs. 1 KWG hingegen nicht zu.343 III. Bankenaufsicht Wenn das Bankaufsichtsrecht in diesem Sinne Interessen des Gemeinwohls verfolgt, ist es nicht ausreichend, die Umsetzung und Ausgestaltung der kreditwesenrechtlichen Regelungen der Entschließung der Institute zu überlassen. Vielmehr bedarf es einer staatlichen Aufsicht und Kontrolle über die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen.344 Gemäß § 6 Abs. 1 KWG übt die BaFin345 daher eine laufende Aufsicht über Institute aus.346 Die Regelung stellt die zentrale Vorschrift der Bankenaufsicht dar. 1. Instrumente der Aufsicht Zur Wahrnehmung ihrer Aufsichtsfunktion steht der BaFin eine Vielzahl von Mitteln und Instrumenten zur Verfügung. Ein wichtiges Aufsichtsmittel der BaFin liegt darin, in Verlautbarungen oder Bekanntmachungen zu Rechts- oder Auslegungsfragen Stellung zu nehmen.347 Ein wichtiges Beispiel bildet das Rundschreiben 340 Kort, in: GK-AktG, § 93 Rn. 93a; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 91 Rn. 31; Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 40; Wirth/Paul, CCZ 2010, 95, 96. 341 Eingehend noch unten § 2 C. 342 Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 2; Preußner, NZG 2004, 57, 58. Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 34 weist zutreffend darauf hin, dass die Bank – kontraintuitiv – nur teilweise einen Handlungsanreiz hat, Risiken durch eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation entgegenzuwirken. 343 Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 184; Schäfer, WM 2012, 1022; Seibert, WM 2008, 2006, 2011. 344 Zuletzt umfassend zur Aufsicht über die Geschäftsorganisation in Banken Sedlak, Geschäftsorganisation, passim. 345 Zur Behördenorganisation der BaFin R. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 126 Rn. 19 ff. 346 Näher R. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 125 Rn. 31 (und § 126 Rn. 1 ff. zur Zusammenarbeit mit der EZB und der Deutschen Bundesbank). 347 Diese Verlautbarungen werden von der BaFin unterschiedlich bezeichnet, etwa als Rundschreiben, Merkblätter, Mitteilungen oder Leitfäden.

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10/2012 (BA) vom 14. Dezember 2012, das „an alle Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute in der Bundesrepublik Deutschland“ die Mindestanforderungen an das Risikomanagement aus Sicht der BaFin darstellt – die MaRisk.348 Die Gesamtheit aller ihrer Aufsicht unterstehenden Institute kann die BaFin über ihre Kompetenz zum Erlass von Rechtsverordnungen, welche ihr an verschiedenen Stellen des KWG eingeräumt ist, auch mit verbindlichen Vorschriften erreichen.349 Die BaFin kann sich auch direkt an individuelle Institute wenden. Als wesentliches Aufsichtsmittel sieht das KWG hierbei zahlreiche Anzeige- und Meldepflichten der Institute vor.350 Außerdem ist die BaFin gemäß § 44 KWG befugt, jederzeit Auskunft über Geschäftsangelegenheiten der Institute sowie die Vorlage von Unterlagen zu verlangen. Die besondere Schutzfunktion der Bankenaufsicht manifestiert sich eindrücklich in § 6 Abs. 3 KWG: Hiernach kann die BaFin im Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben gegenüber den Instituten und ihren Geschäftsleitern Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu verhindern oder zu unterbinden oder um Missstände in einem Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können oder die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen.351 § 6 Abs. 4 KWG ergänzt, dass die BaFin bei der Ausübung ihrer Aufgaben in angemessener Weise auch die möglichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Stabilität des Finanzsystems zu berücksichtigen hat. § 6 Abs. 3 KWG statuiert damit die allgemeine Anordnungskompetenz der Aufsichtsbehörde zum Erlass von gegen Institute und deren Geschäftsleiter gerichteten Verwaltungsakten.352 2. Aufsicht über die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der Institute a) Doppelanknüpfung Die Eingriffsbefugnisse der BaFin erfahren an vielen Stellen des KWG eine Konkretisierung, so auch im Rahmen der Aufsicht über die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation. § 25a Abs. 1 KWG weist hierbei die Besonderheit einer „Doppelanknüpfung“ auf: Zunächst statuiert § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG eine unmittelbare aufsichtsrechtliche Verpflichtung der Institute zur Etablierung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation.353 Diese sind selbst gegenüber der Auf348 349 350

KWG. 351 352 353

Zu den MaRisk oben § 2 A. I. 1. Überblick bei R. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 126 Rn. 65. Vgl. z. B. §§ 13 Abs. 2 Sätze 5 und 8, 14 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 4 Satz 5, 24, 25 Abs. 1 Vgl. Schelm, in: Kümpel/Wittig, Tz. 2.3. Habetha/Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, § 6 Rn. 24. Merkt, in: FS Hommelhoff, 711, 717; Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 127.

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sichtsbehörde – und damit im Außenverhältnis – zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation verpflichtet. § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG wiederum bestimmt, dass die Geschäftsleiter für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verantwortlich sind.354 Diese haben die erforderlichen Maßnahmen für die Ausarbeitung der entsprechenden institutsinternen Vorgaben zu ergreifen, sofern nicht das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan entscheidet. Zum Teil wird davon ausgegangen, es handele sich hierbei um die bloße Repetition der ohnehin bestehenden Legalitätsverpflichtung der Geschäftsleiter,355 wonach diese zur Einhaltung aller die Gesellschaft als Rechtssubjekt treffenden Rechtssätze im Innenverhältnis verpflichtet sind. Diese Sichtweise verkennt, dass sich die Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter im Innenverhältnis allein nach den jeweils einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Regelungen richtet. § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG wäre vor diesem Hintergrund gegenstandslos. In § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG ist vielmehr eine eigene, im Außenverhältnis gegenüber der Aufsichtsbehörde bestehende Organisationspflicht der Geschäftsleiter zu sehen.356 Ergänzend bestimmt auch die allein an „die Geschäftsleiter“ gerichtete Vorschrift des § 25c Abs. 3 und 4a KWG, dass diese im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung für die Geschäftsorganisation bestimmte im Einzelnen näher bezeichnete Pflichten – etwa der Erarbeitung von Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung (§ 25c Abs. 3 Nr. 1 KWG) – zu erfüllen haben.357 b) Maßnahmen gegenüber Instituten Aus § 25a Abs. 2 Satz 2 KWG ergibt sich unmittelbar die Möglichkeit, gegenüber einem Institut im Einzelfall Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1, Satz 3 und 6 KWG sicherzustellen. § 45b KWG enthält einen Katalog weiterer Maßnahmen, die speziell bei organisatorischen Mängeln durch die Aufsichtsbehörde gegenüber dem Institut ergriffen werden können.358 Besondere Anordnungsbefugnisse bestehen darüber hinaus mit Blick auf die Vergütungssysteme des § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 KWG.359 Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KWG kann die Aufsichtsbehörde insbesondere die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile untersagen oder auf einen bestimmten Anteil des Jahresergebnisses beschränken. 354 Die aufsichtsrechtliche Geschäftsorganisationsverpflichtung trifft nicht allein die Geschäftsleiter, dazu sogleich. In diesem Sinne aber offenbar Wirth/Paul, CCZ 2010, 95 f. (zu § 64a VAG). 355 T. Schneider, Risikomanagement, S. 42 m. Fn. 117, 130. 356 s. insbesondere Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 21 („Normadressat im Institut“). Ferner Armbrüster, KSzW 2013, 10, 11 f. („persönliche Verantwortung der Geschäftsleiter“); Wirth/Paul, CCZ 2010, 95 f. (jeweils zu § 64a VAG). 357 BT-Drs. 17/12601, S. 43 (Begr. RegE TrennbankenG). 358 Überblick bei Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 173. 359 Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 173.

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Als ultima ratio kann die BaFin die Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KWG versagen, wenn das Institut nicht bereit oder in der Lage ist, die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zum ordnungsmäßigen Betreiben der Geschäfte zu schaffen. Unter den gleichen Voraussetzungen kann die BaFin auch eine bereits erteilte Erlaubnis gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 3 KWG aufheben. c) Maßnahmen gegenüber den Geschäftsleitern Durch die Zuweisung einer eigenen aufsichtsrechtlichen Verantwortung der Geschäftsleiter in § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG wird die Möglichkeit der Aufsichtsbehörde geschaffen, unmittelbar gegenüber diesen Maßnahmen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation zu ergreifen.360 Zu nennen ist hier die (förmliche) Verwarnung361 und das Abberufungsverlangen.362 Die Abberufung kann die Aufsichtsbehörde gemäß § 36 Abs. 2 KWG vom Institut verlangen, wenn der Geschäftsleiter vorsätzlich oder leichtfertig gegen bankaufsichtsrechtliche Vorschriften verstoßen hat und trotz Verwarnung durch die Bundesanstalt dieses Verhalten fortsetzt.363 Daneben kommt ein Abberufungsverlangen gemäß §§ 36 Abs. 1, 35 Abs. 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KWG auch ohne Verwarnung in Betracht.364 Jeweils unter den gleichen Voraussetzungen kann die BaFin den Geschäftsleitern die Tätigkeit untersagen. In jedem Fall ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.365 Besondere Maßnahmen stehen der Aufsichtsbehörde gegenüber den Geschäftsleitern bei einem Verstoß gegen die Pflichten aus § 25c Abs. 4a (bzw. 4b in Institutsgruppen) KWG zur Verfügung.366 Wenn die Aufsichtsbehörde zu dem Ergebnis kommt, dass das Institut oder die Gruppe nicht über die Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte nach § 25c Abs. 4a (bzw. 4b) KWG verfügt, kann 360

Vgl. Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 127 f. In diese Richtung auch Reppenthien, in: Beck/Samm/Kokemoor, § 25a Rn. 61. 361 Die Verwarnung im Rahmen des § 36 Abs. 2 KWG ist Verwaltungsakt: VGH Kassel, Urt. v. 31. 5. 2006 – 6 UE 3256/05, WM 2007, 392 (n. rkr.); VG Frankfurt a. M., Beschl. v. 6. 10. 2003 – 9 E 2175/02 (3), NJW 2004, 1059; R. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 36 Rn. 84. A.A. VG Berlin, Urt. v. 27. 1. 1992 – 25 A 6891, WM 1992, 1059; Szagunn/Haug/ Ergenzinger, § 36 Rn. 19; Ficus, NVwZ 2009, 1413 ff. (keine Regelungswirkung). 362 Das Abberufungsverlangen ist nicht eigentlich eine Maßnahme gegenüber dem Geschäftsleiter, da es gegenüber dem Institut auszusprechen ist. Vgl. Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, § 36 Rn. 10. 363 Vgl. Bitterwolf, in: Reischauer/Kleinhans, § 25a Rn. 14; Braun, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, § 25a Rn. 736. 364 Vgl. auch R. Fischer/Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 33 Rn. 26. 365 Daher kann unter Umständen auch im Falle einer Abberufung nach § 36 Abs. 1 KWG eine (formlose) Verwarnung auszusprechen sein: R. Fischer/Müller, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, § 36 Rn. 6; Glawischnig-Quinke, in: Reischauer/Kleinhans, § 36 Rn. 56 f. 366 s. auch BT-Drs. 17/12601, S. 43 f. (Begr. RegE TrennbankenG).

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sie unabhängig von anderen Maßnahmen nach dem KWG anordnen, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die festgestellten Mängel innerhalb einer angemessenen Frist zu beseitigen. In Ausnahmefällen kann sie insbesondere eine andere mit der Führung der Geschäfte betraute und zur Vertretung ermächtigte Person widerruflich als Geschäftsleiter einsetzen, wenn sie zuverlässig ist und die erforderliche fachliche Eignung hat, § 25c Abs. 4c und 5 KWG. d) Straftaten und Ordnungswidrigkeiten Darüber hinaus ist ein Verstoß gegen § 25c Abs. 4a oder 4b KWG strafbewehrt. Gemäß § 54a Abs. 1 KWG wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer entgegen § 25c Abs. 4a oder Abs. 4b Satz 2 KWG nicht dafür Sorge trägt, dass ein Institut oder eine dort genannte Gruppe über eine dort genannte Strategie, einen dort genannten Prozess, ein dort genanntes Verfahren, eine dort genannte Funktion oder ein dort genanntes Konzept verfügt, und hierdurch eine Bestandsgefährdung des Instituts, des übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts herbeiführt. Der Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 25a Abs. 2 Satz 2 KWG oder § 45b Abs. 1 KWG stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 56 Abs. 2 Nr. 3f bzw. 3m KWG). Diese kann im ersten Fall mit einem Bußgeld von bis zu E 5 Millionen, im zweiten Fall mit einem Bußgeld von bis zu E 200.000,– geahndet werden (§ 56 Abs. 6 Nr. 1 bzw. 3 KWG). Täter einer Ordnungswidrigkeit kann nur eine natürliche Person sein.367 Im Falle einer Bank, die in der Rechtsform einer juristischen Person betrieben wird, kommen als Täter der Ordnungswidrigkeit daher nur die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs in Betracht.368 Bei der Bankaktiengesellschaft ist die ordnungswidrigkeitenrechtlich relevante natürliche Person also das Vorstandsmitglied.369 IV. Zusammenfassung Im Bankaufsichtsrecht bestehen mit Blick auf die besonderen Erfordernisse des Bankensektors spezifische Anforderungen. Das Bankaufsichtsrecht folgt dabei hinsichtlich der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation der Institute einer prinzipienorientierten Regulierung. Diese prägt sowohl die Interpretation der Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen als auch die Aufsicht durch die BaFin. Damit ist ein wichtiger Unterschied des aufsichtsrechtlichen Regelungsumfeldes 367

Rogall, in: KarlsKomm-OWiG, vor § 1 Rn. 19. Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, § 56 Rn. 72. 369 Im Rahmen des § 30 OWiG kann ein Rechtsverstoß durch den Vorstand (und in diesem Rahmen auch durch die Mitglieder des Aufsichtsrats oder andere Leitungspersonen) jedoch auch für das Unternehmen selbst ordnungswidrigkeitenrechtlich relevant werden. Hierzu oben § 1 D. IV. 368

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zum Aktienrecht bereits herausgestellt: Die Umsetzung der bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen an die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation steht unter staatlicher Aufsicht. Mangels einer übergeordneten, auf das Allgemeinwohl gerichteten Zwecksetzung der gesellschaftsrechtlichen Organisationsanforderungen fehlt eine solche Kontrolle im Aktienrecht.

B. Compliance Als erstes Element einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation nennt § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG die Pflicht zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen. Diese Pflicht wiederholt einerseits das für jede Rechtsperson geltende Legalitätsgebot.370 Insoweit gibt § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG lediglich eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit wieder.371 Das Legalitätsgebot verlangt keinen Bezug der einzuhaltenden gesetzlichen Bestimmungen zum Bankaufsichtsrecht.372 Vielmehr sind schlichtweg alle Gesetze zu beachten, welche das Institut adressieren. Hierbei wird es sich freilich in erster Linie um die einschlägigen aufsichtsrechtlichen Gesetze handeln (insbesondere KWG, WpHG, KAGB, BauSparkG, DepotG, GWG, PfandG, SchiffsbankG, HypothekenbankG und die zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen). Darüber hinaus kommen jedoch weitere gesetzliche oder aus dem Postulat ordnungsgemäßer Geschäftsführung ableitbare organisatorische Pflichten in Betracht.373 Andererseits betont § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG die Pflicht zur Sicherstellung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und enthält damit die gesetzliche Grundlage der bankaufsichtsrechtlichen Compliance-Verpflichtung.374 Zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist eine umfassende Compliance-Organisation einzurichten.375 Dies zeigt der Wortlaut des § 25a Abs. 1 KWG, wonach die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch Organisation zu gewährleisten ist. Die konkrete Compliance-Organisation steht dem Institut bzw. seinen Geschäftsleitern im Rahmen des durch den Proportionalitätsgrundsatz eingeräumten Gestaltungsspielraums frei.376 Die ausdrücklichen Mindestanforderungen, welche das KWG aufstellt, darf die Instituts-Compliance jedoch nicht unterschreiten.377 370

BT-Drs. 14/8017, S. 124 (Begr. RegE 4. FinFöG). Spindler, WM 2008, 905. 372 Hannemann/Schneider/Weigl, MaRisk, AT 4.4.2, S. 392. 373 BT-Drs. 15/3641, S. 47 (Begr. RegE Finanzkonglomeraterichtlinie-UmsetzungsG). 374 Vgl. Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a Rn. 37 ff.; Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 48. 375 Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 41; Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 102. 376 Braun, in: Boos/Fischer/Schute-Mattler, § 25a Rn. 21; Glawischnig-Quinke, in: Szesny/ Kuthe, Kapitel 14 Rn. 41. 377 Vgl. Paefgen, WM 2016, 433, 437. 371

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I. Compliance-Funktion Eine solche ausdrückliche Vorgabe findet sich seit dem CRD IV-Umsetzungsgesetz in § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3c KWG. Dieser normiert die Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Funktion, welche der Schaffung einer angemessenen Compliance-Organisation und -Kultur im Institut dient.378 1. Zweck Zweck der Compliance-Funktion ist demnach nicht, die Organisation des Unternehmens im Allgemeinen sicherzustellen.379 Die Compliance-Funktion soll vielmehr Risiken aus der Nichtbefolgung rechtlicher Vorgaben (sog. ComplianceRisiken) entgegengenwirken, indem diese die Geschäftsleitung bei der Ausgestaltung entsprechender Maßnahmen unterstützt, die ergriffenen Maßnahmen bewertet und deren Qualität und Angemessenheit sichert sowie überwacht.380 Die Compliance-Funktion verfolgt also einen risikoorientierten Ansatz und dient allein der Handhabung von Rechtsrisiken.381 Insoweit ist die Compliance-Funktion nicht nur aufgrund ihrer systematischen Verortung, sondern auch thematisch dem Risikomanagement zuzuordnen. 2. Aufgaben Die Aufgaben der Compliance-Funktion sind in den MaRisk näher umschrieben. Hiernach hat diese insbesondere drei Aufgaben wahrzunehmen. Erstens soll sie die wesentlichen rechtlichen Regelungen und Vorgaben identifizieren, deren Nichteinhaltung das Vermögen des Instituts gefährden könnte.382 Von besonderer Bedeutung sollen in diesem Zusammenhang rechtliche Vorgaben zur Verhinderung von Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche sowie strafbaren Handlungen zulasten des Instituts oder des allgemeinen Verbraucher- und Datenschutzes sein.383 Allerdings ist die Compliance-Funktion nicht auf die Rechtsrisiken beschränkt, die aus Verstößen gegen kreditwesenrechtliche Regelungen oder Vorgaben erwachsen, sondern erfasst Risiken aus der Verletzung von Rechtssätzen gleich welchen gesetzlichen Ur-

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Hofer, BaFin-Journal, März 2013, S. 17. Hannemann/Schneider/Weigel, MaRisk, AT 4.4.2, S. 396 f. 380 BT-Drs. 17/10974, S. 85 (Begr. RegE CRD IV-UmsetzungsG). Die ausdrückliche Forderung nach einer Compliance-Funktion geht zurück auf EBA, Guidelines on Internal Governance (GL 44), September 2011, Ziffer 28. 381 Hannemann/Schneider/Weigel, MaRisk, AT 4.4.2, S. 396 f. 382 MaRisk, AT 4.4.2 Tz. 2. Zur Vorgehensweise bei der Identifizierung rechtlicher Risiken Hannemann/Schneider/Weigel, MaRisk, AT 4.4.2, S. 403 f. 383 Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 72. 379

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sprungs.384 Gleichwohl sollen nach Ansicht der BaFin insbesondere Risiken, welche aus der Verletzung von nicht branchenspezifischen Regelungen resultieren (z. B. arbeits- oder sozialversicherungsrechtliche Vorschriften) aus der ComplianceFunktion ausgenommen werden können.385 Die Wesentlichkeit eines ComplianceRisikos richtet sich nach dem Grad der potentiellen Vermögensgefährdung.386 Die Gefährdung des Institutsvermögens kann etwa unmittelbar auf hoheitlichen Sanktionen (z. B. Bußgeldern) oder mittelbar aus der Gefahr von Reputationseinbußen beruhen.387 In einem nächsten Schritt hat die Compliance-Funktion auf die Implementierung wirksamer Verfahren zur Einhaltung der für das Institut wesentlichen rechtlichen Regelungen und Vorgaben und auf entsprechende Kontrollen hinzuwirken.388 Letztlich hat sie die Geschäftsleitung hinsichtlich der Einhaltung dieser rechtlichen Regelungen und Vorgaben zukunftsbezogen zu unterstützen und zu beraten.389 Hierzu besteht eine wenigstens jährlich, jedoch auch anlassbezogen zu erfüllende Berichtspflicht der Compliance-Funktion gegenüber der Geschäftsleitung.390 3. Organisatorische Verankerung Unternehmensorganisatorisch soll die Compliance-Funktion unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt und berichtspflichtig sein,391 sie kann jedoch auch anderen unternehmensinternen Kontrolleinheiten angebunden werden.392 Das Institut hat einen Compliance-Beauftragten zu benennen, der für die Erfüllung der Aufgaben der Compliance-Funktion verantwortlich ist.393 Die Letztverantwortung für die 384

Hierdurch unterscheidet sich die Compliance-Funktion von ihrem kapitalmarktrechtlichen Äquivalent (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG), welche gemäß den MaComp eine reine „Wertpapier-Compliance“ darstellt. Hierzu Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 85. 385 O.V., in: Reischauer/Kleinhans, Anhang 1 zu § 25a, MaRisk AT 4.4.2 Tz. 2 Rn. 2. 386 O.V., in: Reischauer/Kleinhans, Anhang 1 zu § 25a, MaRisk AT 4.4.2 Tz. 2 Rn. 4. 387 Vgl. BCBS, Compliance and the compliance function in banks, April 2005, S. 7; EBA, Guidelines on Internal Governance (GL 44), September 2011, S. 43. 388 MaRisk, AT 4.4.2 Tz. 1 Satz 2. 389 MaRisk, AT 4.4.2 Tz. 1 Satz 3. Hierzu Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 86. 390 MaRisk, AT 4.4.2 Tz. 6. 391 MaRisk, AT 4.4.2 Tz. 3. 392 Ausführlich zur institutsinternen Anbindung der Compliance-Funktion Hannemann/ Schneider/Weigel, MaRisk, AT 4.4.2, S. 405 ff. Die Compliance-Funktion darf allerdings nicht der Internen Revision angebunden sein (Erl. zu MaRisk, AT 4.4.2 Tz. 3). 393 MaRisk AT 4.4.2 Tz. 4. Zum Compliance-Beauftragten Schulz/Renz, BB 2012, 2511 ff. Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Compliance-Beauftragten vgl. BGH, Urt. v. 17. 7. 2009 – 5 StR 394/08, NJW 2009, 3173; hierzu Deutscher, WM 2010, 1387; Ransiek, AG 2010, 147. Ferner Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29. Vgl. auch schon BGH, Urt. v. 29. 8. 2008 – 2 StR 587/ 07, BGHSt 52, 323 = NJW 2009, 89. Zu den Grenzen strafrechtlicher Verantwortlichkeit vgl. Bürkle, CCZ 2010, 4.

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Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen verbleibt gleichwohl bei der Geschäftsleitung.394 Die Geschäftsleiter selbst trifft außerdem gemäß § 25c Abs. 3 Nr. 5 KWG die Pflicht, die Richtigkeit des Rechnungswesens und der Finanzberichterstattung sicherzustellen. Dies schließt die dazu erforderlichen Kontrollen und die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen und den relevanten Standards ein. II. Hinweisgeber-Prozess (whistleblowing) Ein weiteres Element der bankaufsichtsrechtlichen Compliance-Organisation ergibt sich aus der Pflicht zur Einrichtung eines sog. Whistleblower-Prozesses.395 Dieser soll es den Mitarbeitern unter Wahrung der Vertraulichkeit ihrer Identität ermöglichen, Verstöße gegen die CRR oder gegen das KWG oder gegen die auf Grund des KWG erlassenen Rechtsverordnungen sowie etwaige strafbare Handlungen innerhalb des Unternehmens an geeignete Stellen zu berichten, § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 KWG.396 Gemeint sind ausschließlich Verstöße, die einen Bezug zum Institut aufweisen.397 Wiederum bestimmen die Institute bzw. ihre Geschäftsleiter die organisatorischen Einzelheiten selbst. So kann die whistleblower-Stelle etwa innerhalb oder außerhalb des Instituts liegen; in letzterem Fall sind die OutsourcingBestimmungen des § 25b KWG zu beachten.398 Aus dem Wortlaut der Vorschrift („Prozess“) lässt sich als Vorgabe lediglich ableiten, dass ein standardisierter Prozess die Hinweisgebung erleichtern soll. Dies erfordert – auch unter dem Gesichtspunkt der Vertrauensbildung –, dass Hinweise und die zum whistleblowing bereiten Mitarbeiter nicht im Einzelfall und gegebenenfalls unterschiedlich prozessiert werden, sondern dass Mitarbeiter einen Standardvorgang, deren Ablauf im Vorhinein bekannt und dadurch im Nachhinein überprüfbar ist, in Anspruch nehmen können.399

C. Risikomanagement Als zweite Säule einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation tritt das Risikomanagement gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG neben die Compliance. Hiernach muss eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation insbesondere ein angemessenes 394

Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 86. Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 41. 396 Die Vorschrift geht zurück auf Art. 71 CRD IV. Vgl. auch EBA, Guidelines on Internal Governance, September 2011, Ziffer 17. 397 Renz/Rohde-Liebenau, BB 2014, 692, 696. 398 BT-Drs. 17/10974, S. 108 (Begr. RegE CRD IV-UmsetzungsG). Zur Auslagerung näher Renz/Rohde-Liebenau, BB 2014, 692, 696 f. Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 524 erwägen eine Einbindung des Hinweisgebersystems bei der zentralen Anlaufstelle. 399 Eingehend zu dem im Rahmen des Hinweisgeber-Prozesses wichtigen Aspekt des Vertrauens Renz/Rohde-Liebenau, BB 2014, 692, 695 ff. Dazu auch noch unten § 9 B. III. 395

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und wirksames Risikomanagement umfassen, auf dessen Basis das Institut die Risikotragfähigkeit laufend sicherzustellen hat. Die Vorschrift legt – dem Grundsatz prinzipienorientierter Regulierung folgend – qualitative Mindeststandards fest, welche das Risikomanagement umfassen soll.400 Die dem Institut bzw. seinen Geschäftsleitern hierdurch eingeräumte Eigenverantwortung bei der Ausgestaltung der Organisation401 findet hinsichtlich des Risikomanagements ihren Niederschlag in dem Begriff der Angemessenheit des § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG, der wiederum Bezug nimmt auf den Grundsatz der doppelten Proportionalität.402 Dieser ist in § 25a Abs. 1 Satz 4 KWG dahingehend ausformuliert, dass die Ausgestaltung des Risikomanagements von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftstätigkeit des Instituts abhängt.403 Dem Merkmal der Wirksamkeit kommt daneben keine eigenständige Bedeutung zu.404 Dem Institut bzw. seinen Geschäftsleitern steht also auch mit Blick auf die Ausgestaltung des Risikomanagements ein umfassender Gestaltungsspielraum zur Hand.405 Gewisse Einschränkungen ergeben sich zum Einen aus der Pflicht der Geschäftsleiter gemäß § 25c Abs. 3 Nr. 4 KWG, für eine angemessene und transparente Unternehmensstruktur zu sorgen, die sich an den Strategien des Unternehmens ausrichtet und der für ein effektives Risikomanagement erforderlichen Transparenz der Geschäftsaktivitäten des Instituts Rechnung trägt. Zum Anderen wird der Gestaltungsspielraum des Instituts bzw. der Geschäftsleiter insoweit konkret begrenzt, als § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG die Kernelemente, welche ein angemessenes Risikomanagement wenigstens beinhalten muss, zwingend vorgibt.406 I. Risikotragfähigkeit Zentraler Bezugspunkt des Risikomanagements ist die Risikotragfähigkeit:407 Das Risikomanagement bildet die Basis, auf der das Institut die Risikotragfähigkeit laufend sicherzustellen hat. Entsprechend hat das Risikomanagement Verfahren zur Ermittlung und Sicherstellung der Risikotragfähigkeit zu umfassen, § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWG. Außerdem ist die Risikotragfähigkeit bei der Festlegung der Strategien im Sinne von § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG zu berücksichtigen; die 400

Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a Rn. 95. Oben § 2 A. I. 402 Vgl. Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 32. 403 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a Rn. 96; Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 85 ff. 404 Ein unwirksames Risikomanagementsystem ist schon nicht angemessen: Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 51. 405 Vgl. auch OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 12. 12. 2007 – 17 U 111/07, AG 2008, 453. 406 Unverbindliche Maßstäbe zum Risikomanagement von Kreditinstituten enthält auch der IDW PS 525 vom 26. 6. 2010, Die Beurteilung des Risikomanagements von Kreditinstituten im Rahmen der Abschlussprüfung, Wpg Supplement 3/2010, 4 ff. 407 Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 507. 401

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Gewährleistung der Risikotragfähigkeit ist überdies Ziel der Einrichtung des Risikosteuerungs- und Risikocontrollingprozesses.408 Das Institut ist risikotragfähig, wenn das interne Eigenkapital zur Unterlegung aller wesentlichen Risiken ausreicht.409 Um die Risikotragfähigkeit ermitteln zu können, haben die Geschäftsleiter ein Gesamtrisikoprofil zu erstellen. Hierzu sind im Rahmen einer umfassenden Risikoinventur die wesentlichen Risiken des Instituts zu identifizieren und zu definieren. Wesentlich sind solche Risiken, welche die Vermögens-, die Ertrags- oder die Liquiditätslage wesentlich beeinträchtigen können.410 Entsprechend bestimmt § 25c Abs. 4a Nr. 2b KWG, dass im Rahmen der Risikoinventur die Risikokonzentrationen zu berücksichtigen sowie mögliche wesentliche Beeinträchtigungen der Vermögenslage, der Ertragslage oder der Liquiditätslage zu prüfen sind. Zu den wesentlichen Risiken zählen insbesondere Adressenausfall-, Marktpreis-, Liquiditäts- sowie operationelle Risiken (§ 25c Abs. 4a Nr. 2a KWG). Regelmäßig werden jedoch weitere Risikokategorien im Rahmen des Risikomanagements zu berücksichtigen sein.411 Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 KWG soll eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation angemessene Regelungen vorhalten, anhand derer sich die finanzielle Lage des Instituts jederzeit mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lässt. Die finanzielle Lage umfasst die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Instituts,412 welche bereits im Rahmen der Risikoinventur einzubeziehen sind. Zum Teil wird mit Blick auf § 11 Abs. 1 KWG vertreten, dass § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 KWG keine eigenständige Bedeutung zukommt.413 Nach § 11 Abs. 1 KWG sind die Institute verpflichtet, ihre Mittel so anzulegen, dass jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft (Liquidität) gewährleistet ist.414 Dies bedingt ebenfalls die Pflicht des Instituts zur Bestimmung der Liquiditätslage.415 Richtigerweise adressiert § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 KWG aber ein über die bloße Bestimmung der Liquiditätslage hinausgehendes Managementinformationssystem, welches der Überwachung und Steuerung der Risiken sowie des Geschäftsablaufs insgesamt dienen soll.416 Über das Managementinformationssystem soll die Geschäftsleitung ausreichend über die Risiken des Instituts sowie über die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften informiert und ihr zugleich ermöglicht werden, je408

MaRisk, AT 4.1 Tz. 2. Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 60. 410 s. auch MaRisk, AT 2.2 Tz. 2. 411 Vgl. auch Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 108 f. 412 Bitterwolf, in: Reischauer/Kleinhans, § 25a Rn. 10; Braun, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, § 25a Rn. 654. 413 Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 94. 414 Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 94. 415 Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 94. 416 Bitterwolf, in: Reischauer/Kleinhans, § 25a Rn. 10; Braun, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, § 25a Rn. 650 ff. 409

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derzeit die finanzielle Lage des Instituts zu bestimmen.417 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Institut ohne ein funktions- und leistungsfähiges Informationssystem nicht gesteuert und überwacht werden kann.418 Das Managementinformationssystem entfaltet insofern im Rahmen der Risikoinventur eine unterstützende Funktion für das Risikomanagement.419 II. Festlegung von Strategien Nach § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG umfasst das Risikomanagement die Festlegung von Strategien sowie die Einrichtung von Prozessen zur Planung, Umsetzung, Beurteilung und Anpassung der Strategien. Zu den festzulegenden Strategien zählt insbesondere eine auf die nachhaltige Entwicklung des Instituts gerichtete Geschäftsstrategie und eine damit konsistente Risikostrategie. § 25c Abs. 4a Nr. 1 KWG konkretisiert die Pflicht zur Festlegung von Strategien dahingehend, dass die Geschäftsleiter im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation mindestens dafür Sorge zu tragen haben, dass jederzeit das Gesamtziel, die Ziele des Instituts für jede wesentliche Geschäftsaktivität sowie die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele dokumentiert werden; darüber hinaus haben die Geschäftsleiter dafür Sorge zu tragen, dass die Risikostrategie jederzeit die Ziele der Risikosteuerung der wesentlichen Geschäftsaktivitäten sowie die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele umfasst.420 Die maßgeblichen Erwartungen der Aufsichtsbehörde an die Geschäfts- und Risikostrategie ergeben sich aus den MaRisk, AT 4.2. Im Wesentlichen dient die Geschäftsstrategie dazu, die Ziele des Instituts für jede wesentliche Geschäftsaktivität sowie die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele darzustellen.421 Die Risikostrategie hat entsprechend die Ziele der Risikosteuerung der wesentlichen Geschäftsaktivitäten sowie die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele zu umfassen.422 Die Geschäftsleitung hat einen Strategieprozess einzurichten, der sich insbesondere auf die Prozessschritte Planung, Umsetzung, Beurteilung und Anpassung der Strategien erstreckt.423 Die in den Strategien niedergelegten Ziele sind so zu formulieren, dass eine sinnvolle Überprüfung der Zielerreichung möglich ist.

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Vgl. Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a Rn. 651 f. Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a Rn. 650. Vgl. auch BGH, Urt. v. 15.12. 2005 – IX ZR 227/04, NJW-RR 2006, 771, 772. 419 In diese Richtung auch Bitterwolf, in: Reischauer/Kleinhans, § 25a Rn. 10. 420 § 25c Abs. 4a Nr. 1 KWG basiert auf den MaRisk, AT 4.2 Tz. 1 und 2: Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, § 25c Rn. 73. 421 MaRisk, AT 4.2 Tz. 1. 422 MaRisk, AT 4.2 Tz. 2. Hierzu Hannemann/Schneider/Weigl, MaRisk, AT 4.2, S. 259 ff. 423 MaRisk, AT 4.2 Tz. 4. 418

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III. Internes Kontrollsystem und Besondere Funktionen Ferner bedarf ein angemessenes Risikomanagement gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KWG der Einrichtung interner Kontrollverfahren einschließlich eines internen Kontrollsystems und einer Internen Revision. 1. Internes Kontrollsystem Das interne Kontrollsystem beinhaltet alle Formen von Überwachungsmaßnahmen, die unmittelbar oder mittelbar in die zu überwachende Arbeitsabläufe integriert sind.424 Hierzu hat es Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation der Risiken entsprechend der in der Art. 76 – 87 CRD IV niedergelegten Kriterien zu umfassen (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3b KWG). Konkretisierungen ergeben sich aus § 25c Abs. 4a Nr. 3a – g KWG. Hiernach muss das interne Kontrollsystem Risikosteuerungs- und -controllingprozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Kommunikation der wesentlichen Risiken und damit verbundener Risikokonzentrationen enthalten. Die MaRisk bestimmen, dass durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten ist, dass die Risiken und die damit verbundenen Risikokonzentrationen unter Berücksichtigung der Risikotragfähigkeit und der Risikotoleranzen wirksam begrenzt und überwacht werden.425 Die Risikosteuerungs- und -controllingprozesse müssen gewährleisten, dass die wesentlichen Risiken – auch aus ausgelagerten Aktivitäten und Prozessen – frühzeitig erkannt, vollständig erfasst und in angemessener Weise dargestellt werden können. Hierzu hat das Institut geeignete Indikatoren für die frühzeitige Identifizierung von Risiken sowie von risikoartenübergreifenden Effekten abzuleiten, die je nach Risikoart auf quantitativen und/oder qualitativen Risikomerkmalen basieren.426 Außerdem ist in angemessenen Abständen, mindestens aber vierteljährlich, gegenüber der Geschäftsleitung und seitens der Geschäftsleitung gegenüber dem Aufsichtsorgan über die Risikosituation einschließlich einer Beurteilung der Risiken zu berichten. In regelmäßigen Abständen sollen außerdem angemessene Stresstests für die wesentlichen Risiken sowie das Gesamtrisikoprofil des Instituts durchgeführt und auf Grundlage der Ergebnisse möglicher Handlungsbedarf geprüft werden. Die Interne Revision muss in angemessenen Abständen, mindestens aber vierteljährlich, an die Geschäftsleitung und an das Aufsichtsorgan berichten. Zur Wahrnehmung dieser Überwachungsfunktion bedarf das interne Kontrollsystem aufbau- und ablauforganisatorischer Regelungen mit einer klaren Abgren424

Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 57. MaRisk, AT 4.3.2 Tz. 1. 426 MaRisk, AT 4.3.2 Tz. 2. Die MaRisk formulieren darüber hinausgehende konkrete Erwartungen der Aufsichtsbehörde an die Risikosteuerungs- und -controllingprozesse, s. MaRisk, BTR. 425

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zung der Verantwortungsbereiche (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3a KWG). Gemäß § 25c Abs. 4a Satz 1 Nr. 3a KWG sind wesentliche Prozesse und damit verbundene Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten, Kontrollen sowie Kommunikationswege klar zu definieren und aufeinander abzustimmen. Dies beinhaltet nach Vorstellung der Aufsichtsbehörde auch die regelmäßige und anlassbezogene Überprüfung von IT-Berechtigungen, Zeichnungsberechtigungen und sonstigen eingeräumten Kompetenzen.427 Es soll sicherzustellen zu sein, dass Mitarbeiter keine miteinander unvereinbaren Tätigkeiten ausüben. Auch bei Arbeitsplatzwechseln sollen Interessenkonflikte vermieden werden.428 Ferner erfordert die Aufbau- und Ablauforganisation eine grundsätzliche Trennung zwischen den Bereichen „Markt“ und „Handel“ auf der einen und „Marktfolge“ sowie den Funktionen, die dem Risikocontrolling und der Abwicklung und Kontrolle der Handelsgeschäfte dienen, auf der anderen Seite (§ 25c Abs. 4a Nr. 3b KWG).429 Auf Ebene der Geschäftsleiter ist gemäß § 25c Abs. 3 Nr. 1 KWG sicherzustellen, dass die erforderliche Sorgfalt bei der Führung des Instituts gewährleistet ist und durch eine organisatorische Aufgabentrennung sowie entsprechende Maßnahmen Interessenkonflikten vorgebeugt wird.430 2. Besondere Funktionen Außerdem muss das Institut gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KWG über eine Interne Revision und gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3c KWG über eine Risikocontrolling- und eine Compliance-Funktion verfügen. Die Risikocontrolling-Funktion ist für die unabhängige Überwachung und Kommunikation der Risiken zuständig ist.431 Hierfür soll sie aufbauorganisatorisch bis einschließlich der Ebene der Geschäftsleitung von den Bereichen getrennt werden, die für die Initiierung bzw. den Abschluss von Geschäften zuständig sind.432 Eine vergleichbare Inkompatibilität findest sich auch für die Compliance-Funktion.433 Diese ist organisatorisch von der Internen Revision zu trennen.434 Die Aufgabe der Internen Revision besteht in der risikoorientierten und prozessunabhängigen Prüfung und Beurteilung der Wirksamkeit und der Angemessenheit des Risikomanagements im Allgemeinen und des

427

MaRisk, AT 4.3.1 Tz. 2. MaRisk, AT 4.3.1 Tz. 1. 429 Die Anforderungen an die Aufbau- und Ablauforganisation werden in den MaRisk, BTO, noch weiter konkretisiert. 430 Näher Leyens/F. Schmidt, AG 2013, 533, 538. 431 MaRisk, AT 4.4.1 Tz. 1. 432 MaRisk, AT 4.4.1 Tz. 1. 433 Zur Compliance-Funktion ausführlich oben § 2 B. I. 434 Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitel 14 Rn. 74; Langen, in: Schwennicke/ Auerbach, § 25a Rn. 87. 428

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

internen Kontrollsystems im Besonderen sowie der Ordnungsmäßigkeit aller Aktivitäten und Prozesse.435 IV. Personelle und technisch-organisatorische Ausstattung Eine weitere Anforderung an das bankaufsichtsrechtliche Risikomanagement liegt gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 KWG darin, dass dieses eine angemessene personelle und technisch-organisatorische Ausstattung des Instituts zu gewährleisen hat. Die Geschäftsleiter haben mindestens dafür Sorge zu tragen, dass die quantitative und qualitative Personalausstattung und der Umfang und die Qualität der technisch-organisatorischen Ausstattung die betriebsinternen Erfordernisse, die Geschäftsaktivitäten und die Risikosituation berücksichtigen (§ 25c Abs. 4a Nr. 4 KWG).436 V. Notfallkonzepte Ferner muss das Risikomanagement nach § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG die Festlegung eines angemessenen Notfallkonzepts, insbesondere für IT-Systeme, umfassen. Ein Notfallkonzept meint die Vorsorge für Notfälle in zeitkritischen Aktivitäten und Prozessen.437 Die Geschäftsleiter trifft insoweit gemäß § 25c Abs. 4a Nr. 5 KWG die Pflicht, mindestens dafür zu sorgen, dass regelmäßig Notfalltests zur Überprüfung der Angemessenheit und Wirksamkeit des Notfallkonzeptes durchgeführt werden und über die Ergebnisse den jeweils Verantwortlichen berichtet wird. Das Notfallkonzept muss Geschäftsfortführungs- sowie Wiederanlaufpläne umfassen, die gewährleisten, dass im Notfall zeitnah Ersatzlösungen zur Verfügung stehen, und die die Rückkehr zum Normalbetrieb innerhalb eines angemessenen Zeitraums ermöglichen.438 VI. Vergütungssysteme Letztlich hat das Risikomanagement angemessene, transparente und auf eine nachhaltige Entwicklung des Instituts ausgerichtete Vergütungssysteme für Geschäftsleiter und Mitarbeiter439 zu enthalten (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 KWG).440 435

MaRisk, AT 4.4.3 Tz. 3. Weitere detaillierte Anforderungen enthalten die MaRisk, BT 2. s. hierzu auch MaRisk, AT 7.1 und 7.2. 437 MaRisk, AT 7.3 Tz. 1. 438 MaRisk, AT 7.3 Tz. 2. 439 Ausgenommen sind Vergütungen der Mitarbeiter, soweit sie durch Tarifvertrag oder durch individualvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung vereinbart sind. 440 Mit Blick auf die hier zu untersuchenden Auswirkungen für den Pflichtenmaßstab des Vorstands können die aufsichtsrechtlichen Anforderungen a priori nur insoweit Bedeutung 436

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Gemäß § 25a Abs. 5 KWG haben die Institute angemessene Verhältnisse zwischen der variablen und fixen jährlichen Vergütung für Mitarbeiter und Geschäftsleiter festzulegen. Dabei darf die variable Vergütung grundsätzlich jeweils 100 Prozent der fixen Vergütung für jeden einzelnen Mitarbeiter oder Geschäftsleiter nicht überschreiten.441 Einzelheiten zur Ausgestaltung, Überwachung und Fortentwicklung der Vergütungssysteme, einschließlich der Entscheidungsprozesse, der Zusammensetzung der Vergütung, der Ausgestaltung der Vergütungsparameter, der Leistungszeiträume und der Offenlegung ergeben sich aus der InstitutsVergV442. Vergütungssysteme sind gemäß § 2 Abs. 2 InstitutsVergV die institutsinternen Regelungen zur Vergütung sowie deren tatsächliche Umsetzung und Anwendung durch das Institut. Die Vergütungssysteme weisen insoweit Rückkopplungen zu den gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG festzulegenden Strategien auf, als sie gemäß § 4 InstitutsVergV auf die Erreichung der Ziele ausgerichtet sein müssen, die in den Geschäfts- und Risikostrategien des Instituts niedergelegt sind.443

D. Zusammenfassung § 25a Abs. 1 KWG bestimmt schematisch, welche organisatorischen Anforderungen Compliance und Risikomanagement aus aufsichtsrechtlicher Sicht wenigstens aufweisen müssen. Die Compliance der Institute muss mindestens insoweit organisiert sein, als die Einrichtung einer Compliance-Funktion und eines Hinweisgeber-Prozesses zwingend vorgeschrieben ist. Noch deutlich umfangreicher fallen die Anforderungen an das Risikomanagement aus. Das Bankaufsichtsrecht trifft damit nicht nur eine Entscheidung hinsichtlich des Ob von Compliance und erlangen, als es um die Mitarbeitervergütung geht, weil nur diese in die Verantwortung des Vorstands fällt (vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rn. 1497). Für die Vergütung des Vorstands („der Geschäftsleiter“) ist in der AG gemäß § 87 Abs. 1 AktG der Aufsichtsrat zuständig (ausführlich Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40, 3. Vgl. aber auch § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG, wonach die Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft über die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließen kann (say on pay), wobei der Beschluss für den Aufsichtsrat nicht verbindlich ist. Näher zum say on pay Dauner-Lieb, Der Konzern 2009, 583, 591; Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623; Schick, ZIP 2011, 593). Die Frage nach einem konkretisierenden Rückgriff auf die deutlich über das Aktienrecht hinausgehenden Anforderungen des Bankaufsichtsrechts (Zöbeley, Vergütungsvorgaben, S. 191 ff., 353) kann sich daher allenfalls hinsichtlich der Vergütungsverantwortung des Aufsichtsrats stellen (vgl. etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 87 Rn. 26. Zuletzt Bauerfeind, GWR 2016, 89, 91 f.). 441 Die Anteilseigner, die Eigentümer, die Mitglieder oder die Träger des Instituts können allerdings gemäß § 25a Abs. 5 Satz 5 KWG über die Billigung einer höheren variablen Vergütung, die 200 % der fixen Vergütung für jeden einzelnen Mitarbeiter oder Geschäftsleiter nicht überschreiten darf, beschließen. 442 Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (Institutsvergütungsverordnung) vom 16.12. 2013 (BGBl. 2013 I S. 4270). 443 Überblick bei Rubner, NZG 2010, 1288 ff. Ausführlich Zöbeley, Vergütungsvorgaben, S. 189 ff.

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

Risikomanagement, sondern entscheidet ebenso hinsichtlich bestimmter Gegenstände einer ordnungsgemäßen Organisation, also in einem gewissen Maße über das Wie.444 Erst die konkrete Ausgestaltung der Compliance und des Risikomanagements innerhalb dieser organisatorischen Mindestvorgaben unterliegt im Rahmen des Proportionalitätsgrundsatzes dem Gestaltungsspielraum der Institute. Eine rechtliche Bindung an die in den MaRisk durch die BaFin geäußerten Konkretisierungen besteht nicht. Die Aufgabe der BaFin, die Umsetzung der bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben zu überwachen und gegebenenfalls durchzusetzen, sorgt jedoch faktisch für eine hohe Bedeutung der MaRisk bei der Auslegung des Bankaufsichtsrechts. Die Organisationsfreiheit der Institute bzw. ihrer Geschäftsleiter ist also in dem Umfang der bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen eingeschränkt.

§ 3 Ergebnisse des 1. Teils: Anhaltspunkte einer Ausstrahlungswirkung Compliance und Risikomanagement sind dem Bankaufsichts- wie auch dem Aktienrecht ein Anliegen. Hier bestehen regulatorische Schnittmengen. Die Gegenüberstellung der bankaufsichts- und der aktienrechtlichen Organisationsvorgaben offenbart jedoch Unterschiede hinsichtlich des „Tiefgangs“ der Regelungen: Das Aktienrecht verankert die Unternehmensorganisation, einschließlich der Ausgestaltung von Compliance und Risikomanagement, bei den Vorstandspflichten und stellt sie damit unter die Obhut der unternehmerischen Handlungsfreiheit. Zwar ist der Vorstand verpflichtet, für eine den unternehmensindividuellen Verhältnissen gerecht werdende Ausgestaltung der Compliance- und der Risikomanagement-Organisation zu sorgen. Dabei entscheidet er im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens jedoch eigenverantwortlich darüber, wie die Organisation im Einzelnen aussehen soll. Das Aktienrecht schreibt kein organisatorisches Minimum vor und verpflichtet den Vorstand auch im Übrigen nicht, bestimmte Mindestelemente einer Compliance oder eines Risikomanagements zu implementieren. Das Bankaufsichtsrecht hingegen äußert detaillierte Vorstellungen davon, was eine Compliance- bzw. Risikomanagement-Organisation mindestens zu leisten hat. Dank der Wahl einer prinzipienbasierten Regulierung belässt das Bankaufsichtsrecht hier zwar Gestaltungsspielräume für die Institute bzw. ihre Geschäftsleiter. Die Vorgaben konkretisieren den erforderlichen Mindeststandard einer Compliance- und Risikomanagement-Organisation aber so weitgehend, dass den Instituten klare 444 Man kann dieses Wie auch als Ob auf einer zweiten Stufe verstehen: Die bankaufsichtsrechtlichen Regelungen treffen Bestimmungen dazu, ob die Einrichtung einer Compliance- und Risikomanagement-Organiation überhaupt erforderlich ist (1. Ob), sowie dazu, welche Gegenstände (Mindeststandards) die Organisation wenigstens umfassen muss (2. Ob – im Text der Griffigkeit halber als Wie bezeichnet). Das Wie läge bei einem solchen Verständnis bei der Frage der konkreten Ausgestaltung der wenigstens einzurichtenden Gegenstände. Für die Betrachtung ist es unerheblich, welches Verständnis man bevorzugt.

§ 3 Ergebnisse des 1. Teils

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Umsetzungsvorgaben gemacht werden und die Aufsichtsbehörde auf Grundlage einer qualitativen Aufsicht die Einhaltung der Anforderungen überprüfen und gegebenenfalls durchsetzen sowie die Erreichung der mit den Organisationsvorgaben verfolgten besonderen öffentlichen Zwecke sicherstellen kann. Die unternehmerischen Gestaltungsfreiräume fallen insoweit deutlich kleiner als nach allgemeinem Aktienrecht aus.445 Der Abgleich der aufsichtsrechtlichen mit den aktienrechtlichen Anforderungen an Compliance und Risikomanagement wirft unterschiedliche Fragen auf: Erstens fragt sich, wie die unterschiedlich eng gewebten und unterschiedlich „sanktionierten“ Anforderungen der beiden Rechtsgebiete für den Vorstand der Bankaktiengesellschaft in Einklang zu bringen sind. Gelten die Mindestvorgaben des KWG für den Bankenvorstand auch aktienrechtlich verbindlich gegenüber der Gesellschaft? Diese Überlegung scheint nur im ersten Zugriff obsolet. Denn die aktienrechtlichen Rechtsfolgen können nur dann auch auf einen Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Anforderungen Anwendung finden, wenn diese in die aktienrechtliche Pflichtenordnung transferiert werden. Gerade hier kann aber eine Ausstrahlungswirkung relevant werden, etwa über die Legalitätspflicht.446 Besondere Bedeutung aber hat die Frage nach einem solchen Transfer wegen der damit einhergehenden haftungsrechtlichen Implikationen: Greift die Haftung des § 93 Abs. 2 AktG auch bei einem Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften? Zweitens: Die unzähligen Compliance- und Risikomanagement-Ratgeber für die Praxis zeugen von dem dringenden Bedürfnis einer inhaltlichen Konkretisierung der aktienrechtlichen Organisationsvorgaben.447 Die Überlegung liegt nahe, bis zu einem gewissen Grade eine Konkretisierung der Vorstellungen einer ordnungsgemäßen Compliance- und Risikomanagement-Organisation im Sinne rechtlich verbindlicher Mindeststandards vorzunehmen, sodass ungeachtet der unternehmerischen Freiheit des Vorstands eine sachgerechte Kontrolle durch den Aufsichtsrat bzw. die Aktionäre möglich wird. Angesichts der kongruenten Anliegen einer ordnungsgemäßen Unternehmensorganisation und der sich insoweit überschneidenden Regelungen drängt sich ein Rückgriff auf das Bankaufsichtsrecht auf, um diese inhaltliche Konkretisierung der offenen aktienrechtlichen Begriffe zu erreichen. Ein solcher „interpretatorische Seitenblick“ entspricht einem typischen juristischen Impuls: Wann immer die Auslegung offener Rechtstermini im Raum steht, wird man versucht sein, detaillierte Vorgaben (gegebenenfalls aus anderen Bereichen des Rechts) heranzuziehen, um ihre konkretisierende Funktion zu erproben.448 Aber lassen sich aus den spezialgesetzlichen Festlegungen für ein Risikomanagementsystem Grundelemente herauskristallisieren, die notwendige Bestandteile eines 445

Vgl. Gebauer/Niermann, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 48 Rn. 19. Eingehend zur Bedeutung der Legalitätspflicht im Zusammenhang mit Ausstrahlungswirkungen noch unten § 9 C. II. 447 Vgl. bereits oben Fn. 109. 448 Vgl. Dreher, ZGR 2010, 496, 531. 446

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1. Teil: Compliance und Risikomanagement im Aktien-/Bankaufsichtsrecht

Risikomanagementsystems auch im Aktienrecht sind?449 Und lassen sich entsprechend für die Compliance aus den detailreichen spezialgesetzlichen Regelungen wie § 25a KWG bestimmte Prinzipien ablesen, welche zur Konkretisierung der aktienrechtlichen Compliance-Organisation herangezogen werden können?450 Können die bankaufsichtsrechtlichen Mindestvorgaben also allgemein für den aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab des Vorstands übernommen werden? Und wenn ja, welche Bedeutung kommt ihnen im Rahmen der aktienrechtlichen Organisationspflichten des Vorstands zu? Können die Vorgaben des § 25a Abs. 1 KWG den Vorstand der „Normal-AG“ gesellschaftsrechtlich, also gegenüber der Gesellschaft, zur Etablierung bestimmter Compliance- oder Risikomanagement-Strukturen verpflichten? Oder bieten sie lediglich (unverbindliche) Anhaltspunkte bei der Überlegung, was von einer Compliance- und Risikomanagement-Organisation im Allgemeinen, also branchenunabhängig, zu erwarten ist?

449 450

So Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 50. Exemplarisch Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 63 ff.

2. Teil

Methodenrechtliche Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung Die mannigfaltigen Fragestellungen, welche die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Compliance- und Risikomanagement-Vorgaben aufwirft, lassen sich auf die gemeinsame Überlegung einer Ausstrahlungswirkung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht zurückführen. Bevor die Frage einer Ausstrahlungswirkung jedoch beantwortet werden kann, sind grundlegende Unklarheiten terminologischer Art zu beseitigen. Insbesondere drängt sich die Frage auf, welche besondere Bedeutung einer Ausstrahlungswirkung beigemessen wird, dass die Wechselbeziehung zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht gerade in einer solchen gesehen wird. Denn mit der Annahme einer Ausstrahlungswirkung geht einher, dass hinlänglich anerkannte methodenrechtliche Instrumente, welche die Beachtung detaillierter gesetzlicher Vorgaben im Rahmen der Anwendung allgemeiner, offener Regelungen ermöglichen – zu denken ist hier etwa an die Analogie oder den lex specialisGrundsatz –, allenfalls periphär Berücksichtigung finden.451 Es gilt also zunächst, den Ausstrahlungsbegriff selbst genauer zu untersuchen, bevor man sich der Bedeutung der aufsichtsrechtlichen Mindestvorgaben für den aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab des Vorstands im Einzelnen widmen kann. Erst ein methodologisch-begriffliches Fundament wird es erlauben, in einem dritten Teil dieser Arbeit das Verhältnis von bankaufsichts- zu aktienrechtlicher Compliance- und Risikomanagement-Organisation zu untersuchen. Um die Bedeutung einer Ausstrahlungswirkung zu verstehen, ist zu erinnern, dass Bankaufsichtsrecht und Aktienrecht an verschiedenen Ufern der Gesamtrechtsordnung beheimatet sind.452 Bankaufsichtsrecht ist öffentliches Recht, Aktienrecht ist Zivilrecht. Dies hat Auswirkungen auf die zwischen den beiden Teildisziplinen auftretenden Wechselwirkungen und wirft zugleich Licht in die methodenrechtliche Bedeutung von Ausstrahlungen, die sich zwischen öffentlichem und privatem Recht vollziehen. Vor diesem Hintergrund sind sodann die Konturen des Ausstrahlungsbegriffs näher auszuleuchten. Zwar werden Ausstrahlungen in der rechtswissenschaftlichen Diskussion oftmals mit einer sonst nur anerkannter juristischer Methodik zuteilwerdenden Selbstverständlichkeit behandelt,453 was den Eindruck er451

Vgl. hierzu bereits oben Einführung A. III. Vgl. bereits oben Einführung C. I. 453 Vgl. etwa Arnold, ZGR 2014, 76, 93 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 90 Rn. 44a; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1797. 452

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

weckt, es handle sich um ein methodologisch erprobtes Instrument. Indes ist der Begriff der Ausstrahlungen methodisch noch unbesetzt.454 Eine sinnvolle Diskussion setzt jedoch klare Begriffsverhältnisse voraus. Daher ist herauszuarbeiten, was unter einer Ausstrahlungswirkung im Einzelnen zu verstehen ist und unter welchen Voraussetzungen von einer Ausstrahlungswirkung ausgegangen werden kann.

§ 4 Verhältnis von öffentlichem Recht zu Zivilrecht Der konkretisierende Effekt von detaillierten Vorschriften auf allgemeine, offene Rechtssätze darf keineswegs als „Automatismus“455 aufgefasst werden. Nicht jede detaillierte Norm ist die Konkretisierung ihres offenen bzw. unbestimmten Pendants. Vielmehr ist das Zusammenspiel von Regelungen stets in Abhängigkeit von ihrem systematischen Kontext im normativen Gesamtgefüge zu beurteilen. Der wohl wichtigste systematische Aspekt ist hierbei die Dichotomie der Rechtsordnung. Es gehört zu den Grundbegriffen des Verständnisses der deutschen Gesamtrechtsordnung, dass diese sich in öffentliches Recht und Privatrecht als zwei selbstständige Teile untergliedert.456 Öffentliches Recht und Zivilrecht sind zwei unterschiedliche regulatorische Techniken, auf welche der Gesetzgeber zurückgreifen kann.457 Vor diesem Hintergrund lässt sich durchaus fragen, inwieweit überhaupt Wechselwirkungen zwischen den beiden Teilrechtsordnungen möglich sind. Die Zweiteilung der Gesamtrechtsordnung bestimmt auch das Verhältnis „Bankaufsichtsrecht – Aktienrecht“. Wechselwirkungen zwischen Bankaufsichtsund Aktienrecht sind immer zugleich Wechselwirkungen zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht.458 Die Möglichkeit von Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Teildisziplinen – und damit die Möglichkeit einer Ausstrahlungswirkung – muss den grundlegenden Feststellungen zur Interaktion zwischen öffentlichem und privatem Recht folgen.

454

Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666. Vgl. Dreher, ZGR 2010, 496, 531. 456 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 8 und S. 19 mit dem Hinweis, dass das dualistische Konzept der Rechtsordnung von der Verfassung nicht verlangt wird, jedoch plausibel und praktisch ist, weil es die Rechtsanwendung davon entlastet, in Vorschriften eines „allgemeinen Rechts“ Vorbehalte hineinzulesen, welche die Besonderheiten des BürgerStaat-Verhältnisses berücksichtigen, und welche aufgrund der besonderen Stellung des Staates unabdingbar sind. 457 Vgl. Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 31; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, S. 13. 458 Etwas anderes kann nur insoweit gelten, als ausnahmsweise von Vorschriften mit Doppelnormcharakter auszugehen ist. Hierzu allgemein unten § 5 C. I. und speziell für § 25a Abs. 1 KWG unten § 8 A. 455

§ 4 Verhältnis von öffentlichem Recht zu Zivilrecht

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A. Steuerungsfunktionen von öffentlichem Recht und Zivilrecht Die Zweiteilung der Gesamtrechtsordnung in das öffentliche Recht auf der einen und das Zivilrecht auf der anderen Seite erklärt sich aus den verschiedenen Steuerungszielen der beiden Teilrechtsordnungen.459 I. Zivilrecht als Rahmenordnung zur privatautonomen Interessenverfolgung Das Zivilrecht ist im Ausgangspunkt das Recht der freien, keinem Begründungszwang unterliegenden Entscheidungen gleichgeordneter Rechtssubjekte. Es adressiert das Verhältnis der Bürger untereinander.460 Die Privatrechtsordnung baut auf dem Prinzip der Privatautonomie auf und stellt den Privatrechtssubjekten eine Rahmenordnung, insbesondere bestehend aus der Vertrags-, der Eigentums- und der Haftungsordnung zur dezentral und eigeninitiiert gesteuerten Interessenwahrnehmung zur Verfügung.461 Im Herrschaftsbereich des Privatrechts steuern die beteiligten Privatrechtssubjekte ihre Beziehungen daher selbst und privatautonom. Die Normdurchsetzung bzw. Konfliktlösung erfolgt über die Initiative der beteiligten Privatrechtssubjekte und nur vermittels derjenigen Steuerungsinstrumente, die durch sie aktiviert werden.462 Die Steuerungsfunktion des Privatrechts gleicht daher einer „Begleitfunktion“.463 Das Privatrecht gibt den Rahmen vor, innerhalb dessen die Privatrechtssubjekte ihre Interessen eigenverantwortlich verfolgen und durchsetzen. Als Beispiel: Die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz wegen schuldhafter Pflichtverletzung wird nur relevant, soweit sie geltend gemacht wird. Sie steht unter dem Vorbehalt der Aktivierung der zur Hand stehenden Mittel – in diesem Fall der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen.

459 Für einen geschichtlichen Überblick über die Aufspaltung von öffentlichem Recht und Privatrecht vgl. Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 7 ff. 460 Vgl. Rehbinder, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 370, welchem zufolge das Privatrecht auf die situative „Feinsteuerung“ der Bürgerbeziehungen gerichtet sei. 461 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 17; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, S. 16. 462 Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 172 ff. Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 17, spricht von der „Eigendynamik“ der gesellschaftlichen Beziehungen, betont aber zutreffend, dass dem Privatrecht eine „Dienstleistungsfunktion“ zur autoritativen Feststellung und Durchsetzung dieser Beziehungen zukommt; vgl. ferner S. 136: „Selbstregulierung durch Einräumung privater Klagemöglichkeit“. 463 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 32. Instruktiv Schmidt-Aßmann, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann, S. 16 ff. („Rahmencharakter“).

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

II. Öffentliches Recht als Programmsteuerung zur Wahrung von Allgemeininteressen Das öffentliche Recht adressiert hingegen nicht das Verhältnis der Bürger untereinander, sondern bringt den Staat als weiteren Akteur ins Spiel.464 Es ist Handlungsform und Sonderrecht des Staates. Als solches ist es determiniert durch Verfahrensstandards und Neutralitätsgebote und unterliegt einem Begründungszwang.465 Prägendes Prinzip ist nicht länger die Autonomie der Privatrechtssubjekte. Im Mittelpunkt des öffentlichen Rechts steht das Gemeinwohl. Folgerichtig kann die Umsetzung der öffentlichen-rechtlichen Rechtsordnung nicht dem Gutdünken der Privatrechtssubjekte anheimgestellt sein, sondern erfolgt von Amts wegen, staatlich fremdbestimmt und autoritativ.466 Mit Blick auf das Allgemeinwohl werden staatliche Leistungen gewährt (Leistungsverwaltung) oder Freiheiten durch zwingendes Recht oder autoritative Verfügung beschränkt (Eingriffsverwaltung).467 Das öffentliche Recht beschränkt sich entsprechend nicht auf eine Rahmensteuerung, sondern ist auf konkrete Inhalte im Sinne einer Programmsteuerung gerichtet.468 III. Funktionsbezogene Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht Öffentliches Recht und Zivilrecht schlagen unterschiedliche Wege ein, um eine Steuerung der Sozialordnung durch Recht zu erreichen. Das öffentliche Recht übernimmt die Funktion einer „Programmsteuerung“ zur Wahrung übergeordneter Gemeinwohlinteressen, während das Privatrecht auf eine „Rahmensteuerung“ gerichtet ist, um die Fein- oder Nachsteuerung privater Interessen innerhalb des gesetzten Rahmens autonom zu ermöglichen.469

B. Wechselwirkungen zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht Gleichwohl sind öffentliches Recht und Zivilrecht unter dem Dach einer Gesamtrechtsordnung vereint. Es handelt sich um zwei Mittel zur Wahrnehmung der gleichen Aufgabe: der Sozialordnung durch Recht.470 Dann können sie aber nicht als 464

Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 18. Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 20. 466 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 20. Vgl. auch Trute, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, S. 172 f. 467 So auch Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 20. 468 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 21. s. aber auch Trute, ebenda, S. 171 ff. 469 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 32; Rehbinder, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann, Innovation, S. 370; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 18. 470 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 12 f. 465

§ 4 Verhältnis von öffentlichem Recht zu Zivilrecht

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zwei sich autonom gegenüber stehende, in vollständiger Isolation existierende unverbundene Kosmen betrachtet werden.471 Denn auch wenn die Teilrechtsordnungen unterschiedliche Techniken der Sozialordnung darstellen, so müssen sie doch im Lichte ihrer gemeinsamen übergeordneten Aufgabe miteinander harmonieren. I. Relativierung privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Prinzipien Dass keine vollständige Isolation besteht, zeigt sich bereits daran, dass weder das Privatrecht noch das öffentliche Recht eine absolute Fixierung auf ihre jeweiligen Prinzipien aufweist. Vielmehr treten sie über ihre unterschiedlichen Steuerungsvorgaben und -instrumente in Wechselbeziehungen zueinander. Auf der einen Seite öffnet sich das Privatrecht in weiten Teilen für öffentlich-rechtliche Anliegen. Der gesellschaftsrechtliche numerus clausus der Rechtsformen und die Unnachgiebigkeit bestimmter rechtsformspezifischer Kernbestimmungen472 sind Ausdruck des staatlichen Interesses an einer Kontrolle der Zusammenschlussmöglichkeiten Privater.473 Die Handlungsfreiheit der Privatrechtssubjekte wird hier im Rahmen der Privatrechtsordnung autoritativ mit Blick auf öffentliche Interessen beschränkt. Auf der anderen Seite werden auch öffentlich-rechtliche Prinzipien durchbrochen. So greift der Staat oft nicht auf öffentlich-rechtliche Handlungsformen zurück, sondern bedient sich privatrechtlicher Gestaltungen. Der Vertrag – originär privatrechtliches Mittel konsensualer Ergebnisfindung – ist heute im öffentlichen Recht fest als Handlungsinstrument etabliert.474 Insoweit wird nicht länger von einem staatlichen Sonderrecht Gebrauch gemacht, sondern auf ein „Verhandlungssystem“ gesetzt, welche Ergebnisse durch Verständigung auf Augenhöhe erzielt.475 Hier zeigt sich deutlich, dass öffentliches Recht und Privatrecht sich nicht unnachgiebig gegenüber stehen, sondern Öffnungen für die Steuerungsvorgaben und -instrumente der jeweils anderen Teilrechtsordnung aufweisen.

471

Vgl. Kramer, Methodenlehre, S. 94 f. Zum aktienrechtlichen Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) etwa Grunewald, Gesellschaftsrecht, § 10 Rn. 18; Hüffer/Koch, § 23 Rn. 34 ff.; Windbichler, JZ 2008, 840, 842 ff. 473 Ausführlich Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 17 f. 474 Vgl. §§ 54 ff. VwVfG. 475 Weiterführend Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 21, die zutreffend auch auf die Vorteile einer solchen Lösung hinweist: An die Stelle schwerfälliger und zeitraubender verwaltungsrechtlicher Entscheidungsstrukturen tritt das flexible und effiziente Vertragshandeln. Der öffentlich-rechtliche Begründungspflichten insoweit ersetzende privatrechtliche Konsens ist zugleich Garant eines rechtsstaatlich tragbaren Ergebnisses. 472

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

II. Einheit der Rechtsordnung Dies korreliert mit dem Grundsatz, dass die Rechtsordnung insgesamt ein System kohärenter und konsistenter Wertentscheidungen abbilden muss.476 Ihre einzelnen Bestandteile dürfen nicht isoliert voneinander interpretiert werden, sondern müssen den normativ-systematischen Gesamtkontext beachten.477 Für die Rechtssetzung und -anwendung im Rahmen der jeweiligen Teilrechtsordnung bedeutet dies, dass diese nicht ohne Rücksicht auf die Normen und Zielsetzungen der jeweils anderen Teilrechtsordnung erfolgen kann, soll die Rechtsordnung tatsächlich ein insgesamt kohärentes und konsistentes Wertesystem darstellen.478 Rechtssetzung und -anwendung haben mit Rücksicht auf die Einheit der Rechtsordnung zu erfolgen. Dieser Grundsatz umschreibt das Bedürfnis, logische Widersprüche innerhalb der Gesamtrechtsordnung zu vermeiden und konfligierende Normzwecke zu einem gerechten und schonenden Ausgleich zu bringen – die zu setzende oder auszulegende Norm soll sich in das idealiter widerspruchsfreie Normensystem einfügen.479 Dabei liegt das Einheitsargument allein in der Forderung nach einer widerspruchsfreien Rechtsordnung.480 Die „Einheit der Rechtsordnung“ darf hingegen nicht als „Kampfbegriff zur Sicherung der Dominanz“ einer bloßen Leitidee herangezogen werden.481 Dies bedeutet, dass der Grundsatz nicht Grundlage dafür sein darf, in der Heterogenität der durch die Rechtsordnung zu berücksichtigenden Interessen begründete, notwendige normative Unterschiede gleich zu machen.482 Dass demselben Interesse an einer Stelle der Rechtsordnung der Vorzug, anderswo der Nachrang gebührt, kann seine Rechtfertigung in situativen Differenzen finden.483 Während das Gesetz etwa in bestimmten Fällen die Interessen der von einer Entscheidung betroffenen Aktionäre durch entsprechende Zustimmungserfordernisse schützt,484 können andere Entscheidungen – zum Beispiel im Interesse einer effektiven Un-

476

Vgl. Engisch, Juristisches Denken, S. 119 Kramer, Methodenlehre, S. 92 f., spricht von einem „Sinngefüge“. 478 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 26 f. 479 Grundlegend Engisch, Einheit, passim; Felix, Einheit, S. 5 ff. und passim. Ferner Kramer, Methodenlehre, S. 92 ff. m.w.N.; Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 22 Rn. 774 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 43. Auf Verfassungsebene spricht das BVerfG, Urt. v. 14. 12. 1965 – 1 BvR 413, 416/60, NJW 1966, 147, 148 von der Einheit der Rechtsordnung als dem „vornehmsten Interpretationsprinzip“. 480 K. Schmidt, in: ders., Vielfalt, 9, 28; Zippelius, Methodenlehre, S. 43; jüngst auch Meier/ Wick, WM 2017, 1338, 1346. 481 So anschaulich Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 272. 482 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 272; Jarass, Aussprache, in: VVDStRL 1991, 275, 316. Vgl. auch Meier/Wick, WM 2017, 1338, 1345 f. 483 Vgl. Jarass, Aussprache, in: VVDStRL 1991, 275, 316. 484 s. z. B. §§ 180 AktG, 233 Abs. 1, 242 UmwG. Vgl. hierzu Raiser/Veil, § 16 Rn. 69; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 179 Rn. 31. 477

§ 4 Verhältnis von öffentlichem Recht zu Zivilrecht

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ternehmensführung – auch ohne die Zustimmung der betroffenen (Minderheits-)Aktionäre getroffen werden.485 Aus der Einheit der Rechtsordnung folgt ebenso wenig eine absolute Einheit,486 wie die Dichotomie der Steuerungsfunktionen eine absolute Trennung zu begründen vermag. Vielmehr ist die Möglichkeit von Differenzen oder sogar Widersprüchlichkeiten aufgrund der unterschiedlichen Steuerungsfunktionen und -elemente der unterschiedlichen Teilrechtsordnungen zu respektieren – gleichzeitig aber legt der Gedanke einer einheitlichen Rechtsordnung den Grundstein für Wechselbeziehungen zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht.487 III. Wechselseitige Auffangordnungen Die Einheitlichkeit der an das Recht gestellten Aufgabe und die Unterschiedlichkeit der Steuerungsleistungen, welche öffentliches Recht einerseits und Zivilrecht andererseits mithilfe der ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Steuerungsinstrumente zu erbringen imstande sind, sind Anknüpfungspunkt der Lehre, welche öffentliches Recht und Zivilrecht als wechselseitige Auffangordnungen sieht, die sich mit Blick auf ihre unterschiedlichen Steuerungsvorgaben und -mechanismen gegenseitig beeinflussen, ergänzen und stützen – sich auffangen.488 Der Lehre liegt die Erkenntnis zugrunde, dass es im Rahmen einer Teilrechtsordnung Regelungsbedürfnisse geben kann, die mit den ihr zur Verfügung stehenden Steuerungsinstrumenten nicht hinreichend befriedigt werden können, und fragt danach, wie diese Leistungsdefizite durch Rückgriff auf die Gestaltungselemente der jeweils anderen Teilrechtsordnung behoben werden können.489

485 Ein Beispiel bildet die Möglichkeit des Hauptaktionärs, der mit wenigstens 95 % der Aktien an der Gesellschaft beteiligt ist, die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung zu beschließen, § 327a Abs. 1 AktG. Hierzu Grunewald, in: MüKoAktG, § 327a Rn. 2; Wilsing, in: Henssler/ Strohn, § 327a AktG Rn. 1. 486 Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 115 und passim, vertritt die Theorie eines „Gemeinrechts“, wonach die Zweiteilung in öffentliches Recht und Privatrecht aufgehoben und Normen mit übereinstimmenden Regelungsrationalitäten als Gemeinrecht zusammengefasst, während solche Normen, die für bestimmte Sachbereiche gesonderte Regelungen treffen, als Spezialrechtsgebiete ausgesondert werden sollen. Hierzu aber bereits zurückhaltender ders., in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 249. Kritisch hierzu Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 29 ff. 487 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 272 f.; Jarass, Aussprache, in: VVDStRL 1991, 275, 315 f. 488 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 261 ff.; Schmidt-Aßmann, ebenda , S. 7 ff. Sich dem anschließend Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 31 ff. Der Begriff der „wechselseitigen Auffangordnungen“ geht zurück auf Hoffmann-Riem, AöR 119 (1994), 590, 624. 489 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 8.

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

1. Komplementäre und substituierende Wirkung Wechselbeziehungen zwischen den beiden Teilrechtsordnungen treten sowohl in Form komplementärer als auch substituierender Wirkungen auf:490 Öffentliches Recht und Zivilrecht können nebeneinander bestehende, sich regulativ nicht überschneidende, sondern ergänzende Instrumente bereit halten, welche einerseits grob-, andererseits feinsteuernd eine gemeinsame Zwecksetzung verfolgen und in diesem Sinne komplementär wirken.491 Die beiden Teilrechtsordnungen können einander aber auch substituieren, indem sie Mittel und Wege bereit halten, die Anliegen der jeweils anderen Teilrechtsordnung zu verfolgen.492 Diese ergänzende oder stützende Wechselwirkung kann etwa darin liegen, dass öffentliches und privates Recht auf die Regelungen oder Wertungen der jeweils anderen Teilrechtsordnung zurückgreifen, und so deren Erkenntnisse und Erfahrungen für die eigene Problemlösung nutzbar machen. Exempel hierfür sind § 906 Abs. 1 BGB und dessen Rückgriff auf die Wertungen des öffentlichen Immissionsschutzrechts493 und § 242 Abs. 1 StGB, der mit dem Fremdheitsbegriff Rekurs auf die bürgerlich-rechtliche Eigentumsordnung nimmt. Die beiden Teilrechtsordnungen tragen auf diese Art und Weise einerseits dazu bei, Leistungsdefizite zu überwinden, welche durch das jeweils begrenzte Repertoire an teilrechtsordnungseigenen Steuerungsinstrumenten und Regelungsmechanismen entstehen, und halten andererseits Möglichkeiten der gegenseitigen Fein- oder Nachsteuerung bereit, um eine möglichst weitgehend überschneidungsfreie und lückenfüllende Regulierung zu ermöglichen.494

2. Typologie der Auffangvorgänge Der wechselseitige Rückgriff auf die Gestaltungselemente der jeweils anderen Teilrechtsordnungen bedingt Überschneidungen und Verschränkungen zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht. Dabei lassen sich die Vorgänge, in welchen aufgrund eines komplementären oder substituierenden Zusammenspiels Schnittmengen und Verschränkungen entstehen, typologisch ordnen. Diese Einordnung kann lediglich der Veranschaulichung dienen, weist ihrerseits zahlreiche Überlappungen auf und ist – insbesondere mit Blick auf die Etablierung der Ausstrahlungswirkung als Element einer Normrelation – keinesfalls als abschließend anzu-

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Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 271. Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 56 f. 492 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 57 f. 493 Vgl. hierzu noch unten § 6 B. II. 1. a). 494 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 271; Schmidt-Aßmann, ebenda, S. 10. 491

§ 4 Verhältnis von öffentlichem Recht zu Zivilrecht

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sehen. Sie kann nicht mehr leisten, als einen ersten Zugang zu dem Wechselspiel zwischen öffentlichem und privatem Recht zu erlauben.495 a) Bauformen Wechselwirkungen lassen sich etwa anhand der verschiedenen Rechtsinstitute und Regelungsmechanismen ordnen, welche an den Schnittstellen zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht wirken – den Bauformen.496 Denn in diesem Grenzbereich – dort, wo die Normen und Instrumente der jeweiligen Teilrechtsordnung an ihre Wirkungsgrenze stoßen – entsteht ein Bedürfnis, ergänzend und unterstützend auf die Regelungsinstitute der anderen Teilrechtsordnung zurückzugreifen.497 Zu diesen Bauformen zählt zum Einen die privatrechtsgestaltende Verfügung, also etwa öffentlich-rechtliche Genehmigungen privaten Verhaltens.498 Hierher gehört aber auch der Organisationszwang.499 Beispielsweise machen die unterschiedlichen Arbeitnehmerbeteiligungsgesetze500 zwingende unternehmensverfassungsrechtliche Vorgaben zur Wahrung bestimmter öffentlich-rechtlicher Anliegen. Eine weitere Bauform stellen die autonomen Systeme kollektiver Aufgabenerfüllung dar.501 Dies meint den Fall, dass einem Kreis von Betroffenen oder Verantwortlichen eine auf erster Stufe administrativ geregelte öffentliche Aufgabe zur gemeinsamen eigenverantwortlichen Erledigung – gegebenenfalls in privatrechtlicher Form – überlassen werden.502 Beispiele hierfür finden sich in Form der gemeinnützigen und gewerblichen Sammlung im Kreislaufwirtschaftsgesetz.503 Hierher gehören aber auch sog. gestufte Steuerungsvorgaben: Die Verwaltung formuliert hier Ziele, deren Umsetzung im privaten Wege erfolgen soll. Für den Fall, dass das private Verhalten diese Ziele nicht zur Genüge umsetzt, enthält die förmliche Zielfestsetzung jedoch den Vorbehalt, auf zweiter Stufe auf regulatorische Steue495

Gleichzeitig ist die Typologie insoweit mit Vorsicht zu genießen, als sie durch die – notwendige – Verwendung äußerst abstrakter Begriffe nur schwer zu fassen, bisweilen gar verwirrend sein kann. 496 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 31. 497 Vgl. hierzu ausführlich Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 50 ff. 498 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 31 f., nennt als Grundformen administrative Genehmigungen privater Rechtsgeschäfte, zum Beispiel im Grundstücks-, Kartell- oder Außenwirtschaftsrecht, als Varianten dieser Grundformen die Konzession und den Planfeststellungsbeschluss. 499 Hiermit ist nach Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 31, die „innerbetriebliche Organisation privater Wirtschaftssubjekte“ adressiert. 500 Zu den wichtigsten zählen das DrittelbG und das MitbestG. Vgl. Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 6 Rn. 1 zur Auswirkung des MitbestG auf die Organisationsverfassung der Unternehmen, und Einl. Rn. 37 ff. zur sozialpolitischen Bedeutung. 501 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 34 f. 502 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 34. 503 Vgl. §§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4; 3 Abs. 17 und 18 KrWG.

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rungsinstrumente zurückzugreifen.504 Das Modell der gestuften Steuerungsvorgaben ist typisch für die Regulierung des Kreditwesens im Rahmen einer qualitativen Aufsicht. Das Bankaufsichtsrecht formuliert Ziele einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation, deren Erreichung sie der (privatrechtlichen) Gestaltungsfreiheit der Institute bzw. ihrer Geschäftsleiter anheimstellt. Sieht es die Zielerreichung jedoch gefährdet oder nicht hinreichend sichergestellt, kann mittels hoheitlicher Anordnung Einfluss auf die Zielerreichung genommen werden.505 b) Normenrelation Verschränkungen und Überschneidungen im Lichte des wechselseitigen Ergänzungs- und Stützungsbedürfnisses der Teilrechtsordnungen lassen sich auch typologisch danach ordnen, wie die Normen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts sich zueinander verhalten.506 So kann das Zusammenspiel öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Normen in ihrer Autonomie liegen, bei welcher keinerlei Interaktion der Normen stattfindet.507 Fälle der Indizierung, bei welcher die Wertungsvorgaben der einen Teilrechtsordnung vermutungsweise für die andere Teilrechtsordnung gelten, jedoch durch eine abweichende Zwecksetzung umgestoßen werden können, können eine gegenseitige Beeinflussung und einen Austausch zwischen den Teilrechtsordnungen beflügeln und auf diese Weise komplementäre oder substituierende Wirkungen erzeugen.508 Gleiches gilt für Fälle einer synchronen Normrelation, in welchen öffentliches Recht und Zivilrecht derselben Normierung unterworfen sind, und Fälle einer Evozierung, in welchen die Normen der einen Teilrechtsordnung den Vorrang gegenüber den Normen der anderen Teilrechtsordnung beanspruchen.509 Auch Ausstrahlungen lassen sich als Unterfall des Typus „Normrelation“ verstehen, sieht man in ihnen die Übertragung der Wertungen bzw. Regelungen einer Norm über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus. c) Verbindungsebenen Letztlich lässt sich das besondere Zusammenspiel der Teilrechtsordnung anhand besonderer, zwischen ihnen bestehender Verbindungsebenen ordnen.510 Verbindungsebenen sind erstens in gemeinsamen, teilrechtsordnungsübergreifenden Systemgedanken (Prinzipien) zu sehen.511 Bestimmte Normen regeln Rechtsverhältnisse 504

Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 32. Hierzu eingehend oben § 2 A. III. Vgl. auch Bührle, Gestaltungsfreiheit, S. 57 ff. 506 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 38. 507 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 41 ff. 508 Hierzu noch ausführlich unten § 6 B. II. 1. a). 509 Vgl. Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 39 ff. 510 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 9. Zusammenfassend Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 43 f. 511 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 9. 505

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synchron, ohne Unterscheidungen danach zu treffen, ob ausschließlich Private oder auch Hoheitsträger beteiligt sind, allein mit Blick auf eine zentrale Zielvorgabe, die im öffentlichen Recht und im Privatrecht gleichsam Geltung beansprucht.512 Solche gemeinsamen Zielvorgaben können sich etwa aus der den Grundrechten zu entnehmenden objektiven Werteordnung ergeben, an welche alle Teile der Rechtsordnung rückgebunden sind.513 Eine Verbindung von öffentlichem und privatem Recht kann zweitens auch auf der Ebene der Einzelnormierung bestehen, soweit die beiden Teilrechtsordnungen nicht einem einheitlichen Systemgedanken verpflichtet sind, sondern lediglich für Einzelfragen auf die Rechtsinstitute und Erfahrungen der anderen Teilrechtsordnung zurückgreifen, um sie anschließend in das eigene Regelsystem zu integrieren.514 Insoweit können mit Blick auf Ausstrahlungen Überschneidungen mit dem Typus der Normrelation entstehen, sieht man in Ausstrahlungen einen Weg, den Regelungsgehalt einer Norm auch im Rahmen der Anwendung einer anderen Norm zur Geltung zu bringen.515 Die jeweils andere Teilrechtsnorm fungiert in diesen Fällen als „rechtstechnischer Baustein“, auf den im Sinne einer ergänzenden oder unterstützenden Funktion zurückgegriffen wird.516 IV. Koordination der Auffangrelationen Öffentliches Recht und Zivilrecht sind also nicht isoliert voneinander zu betrachten, sondern beeinflussen, ergänzen und stützen sich gegenseitig im Sinne wechselseitiger Auffangordnungen. Hierdurch entstehen Überschneidungen und Verschränkungen zwischen den beiden Teilrechtsordnungen, die es ihrerseits erforderlich machen, das Verhältnis der Normen und ihre Wechselwirkungen zueinander zu koordinieren.517 Ihre Anwendungsbereiche müssen gegeneinander abgegrenzt und die Folgen möglicher inhaltlicher Verbindungen oder Beeinflussungen definiert werden. Diese Verhältnisbestimmung wird in aller Regel erst im Einzelfall durch Auslegung anhand der konkreten Interaktionssituation erfolgen können.518 Ausdrücklich kodifizierte Koordinationsregeln, welche eine Ordnung in Relation zueinander stehender Normen des öffentlichen und des privaten Rechts herstellen, werden sich nur selten finden.519 Oftmals wird das Zusammenspiel zweier Normen nämlich nicht von vorneherein in der Rechtsordnung einkalkuliert sein, sondern sich erst im Rahmen der praktischen Anwendung, etwa aufgrund der Auswirkungen 512

Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 9. Vgl. oben Einführung. 514 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 43 f. 515 Vgl. zu diesem Aspekt von Ausstrahlungswirkungen ausführlich unten § 5 B. 516 Solche Verbindungen auf Einzelnormebene entstehen etwa im Falle indizierender oder evozierender Normrelation: Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 43 f. 517 Grundlegend Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 49 ff. und passim. 518 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 271. Zustimmend Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 33 f. 519 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 62 ff. 513

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weiterer Normen, oder im weiteren historischen Verlauf der Gesetzgebung ergeben,520 sodass auch das Bedürfnis einer Koordination erst nachträglich entsteht. Dabei sind im Rahmen der Verhältnisbestimmung zwei grundlegende Fragen zu klären: Das formelle und das materielle Verhältnis der in Wechselbeziehungen stehenden Normen zueinander. Anknüpfungspunkt einer Koordination ist also die Normrelation, sprich: die Beziehung zweier Normen zueinander.521 1. Formelle Normrelation Als erstes ist nach der einschlägigen Rechtsgrundlage zu fragen. Durch eine „formelle Normrelation“ ist herauszufinden, ob die interagierenden Normen (nebeneinander) Anwendung finden.522 Die Auslegung kann ergeben, dass die interagierenden Normen in ein Konkurrenzverhältnis zueinander treten, weil ihre Tatbestände sich ganz oder teilweise decken und daher dieselben Lebenssachverhalte erfassen.523 Die Konkurrenz entsteht aus dem Verhältnis der Rechtsfolgen der konkurrierenden Normen zueinander: Diese können sich widersprechen, können lediglich divergieren oder können identisch sein. Entsprechend der höchst unterschiedlichen Arten der Normenkonkurrenz bestehen mehrere Möglichkeiten, diese Konkurrenz zu bewältigen: Die konkurrierenden Normen können in ihrem Überschneidungsgebiet nebeneinander oder wahlweise Geltung entfalten (Kumulation oder Alternativität).524 Eine der Normen kann die andere jedoch auch in ihrem Anwendungsbereich verdrängen (Derogation).525 Letztlich kann es zu der seltenen Situation kommen, dass überhaupt keine der Normen zur Anwendung gelangt (Neutralisierung).526 2. Materielle Normrelation Die formelle Normrelation ist gleichsam die Vorstufe zu der Untersuchung, ob die Normen inhaltlich zueinander in Beziehung treten. Interagieren zwei Normen, weil entweder bereits keine Normenkonkurrenz im formellen Sinne zwischen ihnen besteht oder die Regelungen nebeneinander Geltung entfalten, stellt sich die Frage danach, inwieweit inhaltliche Verknüpfungen und Wechselwirkungen bestehen, also wie sich ihre Interaktion konkret darstellt.527 Im Rahmen dieser materiellen Normrelation kann es schließlich dazu kommen, dass eine Teilrechtsordnung die Ge520

Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 271. Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 87. 522 Instruktiv Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 94 ff., 102. Ferner Emmenegger/ Zbinden, in: Emmenegger, Cross-Border Banking, S. 193, 206 f. 523 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 94 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 267 f. 524 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 96 ff. 525 Zur Derogation noch ausführlich unten § 6 A. II. 1. 526 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 97. 527 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 102 ff. 521

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staltungen bzw. Regelungen der anderen Teilrechtsordnung als adäquate Problemlösung für sich akzeptiert und für die eigene Teilrechtsordnung übernimmt. Dabei kann die wechselseitige Beeinflussung dadurch entstehen, dass ein (verbindlicher oder unverbindlicher) Transfer der Wertungen bzw. Regelungen der Normen einer Teilrechtsordnung in die Auslegung und Anwendung der Normen der jeweils anderen Teilrechtsordnung stattfindet.528 Die Zweispaltung der Teilrechtsordnung fordert an dieser Stelle jedoch ihren Tribut: Aufgrund der unterschiedlichen Steuerungsfunktionen und -ziele können die Wertungen bzw. Regelungen der jeweils anderen Teilrechtsordnung nicht einfach unbesehen übernommen werden. Die Steuerungsvorgaben der „aufnehmenden“ Teilrechtsordnung dürfen nicht durch sog. „dysfunktionale Blockaden“, welche durch den Transfer unvereinbarer Wertungen oder Regelungen entstehen, beeinträchtigt werden.529 Vielmehr müssen sie im Sinne einer konsistenten und kohärenten Gesamtrechtsordnung mit den systemimmanenten Wertungen der „aufnehmenden“ Teilrechtsordnung und der Gesamtrechtsordnung vereinbar sein. Der Wertungstransfer steht unter dem sog. „Vorbehalt der Systemkompatibilität“.530

C. Fazit: Ausstrahlungswirkungen zwischen Bankaufsichtsund Aktienrecht im Gefüge wechselseitiger Auffangordnungen Ungeachtet der funktionsbezogenen Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht stehen diese nicht isoliert neben-, sondern treten im Sinne wechselseitiger Auffangordnungen in Beziehung zueinander. Daraus folgt zum einen die Möglichkeit einer gegenseitigen Nutzung von Wertungen und Gestaltungselementen im Sinne einer komplementären und substituierenden Ergänzung. Zum anderen macht dieses normative Wechselspiel eine Verhältnisbestimmung erforderlich. Die Überschneidungen und Verschränkungen, die etwa aufgrund bestimmter Bauformen im Grenzbereich zwischen den Teilrechtsordnungen entstehen, sind durch eine Koordination der wechselwirkenden Normen handhabbar zu machen. Soweit also der Rückgriff auf die jeweils andere Teilrechtsordnung möglich ist, ist zugleich eine Koordination der in Wechselbeziehung stehenden Normen nötig. Diese Beziehung zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht im Allgemeinen prägt auch das Verhältnis von Bankaufsichts- zu Aktienrecht im Besonderen. In gleicher Weise, wie die beiden Teilrechtsordnungen in Wechselbeziehungen zueinander treten, nehmen auch die Teildisziplinen des Bankaufsichts- und des Aktienrechts komplementär bzw. substituierend aufeinander Einfluss. So finden sich 528

Vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 306 f. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 271, 310; Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 61. 530 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 60 f., 102 f. Exemplarisch für das Verhältnis des Strafrechts zum Zivilrecht auch Emmenegger/Zbinden, in: Emmenegger, Cross-Border Banking, S. 193, 222 ff. 529

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Wechselwirkungen zwischen den beiden Rechtsgebieten etwa schon im Rückgriff auf gestufte Steuerungsvorgaben zur Regulierung bestimmter bankaufsichtsrechtlicher Materien. Gleichsam können die beiden Rechtsgebiete aufeinander Einfluss nehmen, indem sie auf die Wertungen oder Gestaltungselemente des jeweils anderen Rechtsgebiets zurückgreifen. Mit Blick auf die Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG könnte sich eine Wechselwirkung etwa daraus ergeben, dass das Aktienrecht die bankaufsichtsrechtliche Wertung eines erforderlichen Minimums an organisationsrechtlicher Ausgestaltung der Compliance und des Risikomanagements übernimmt. Eine Auffangfunktion des Bankaufsichts- für das Aktienrecht könnte aber auch bestehen, wenn das Aktienrecht in Bereichen, in welchen die eigenen Wertungen mit den Wertungen des Bankaufsichtsrechts übereinstimmen, lediglich auf bestimmte Einzelregelungen einer ordnungsgemäßen Organisation zur Konkretisierung des eigenen Pflichtenkanons zurückgreift. Das Aufsichtsrecht könnte gleichermaßen hiervon profitieren, wenn es die aktienrechtlichen Instrumente der Feinsteuerung (insbesondere die Organhaftung) ergänzend zur Erreichung der mit den aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen verfolgten Gemeinwohlinteressen heranzieht. In dieser Erkenntnis, dass Bankaufsichts- und Aktienrecht sich als wechselseitige Auffangordnungen gegenübertreten, steckt zugleich eine Aussage darüber, ob man (bankaufsichtsrechtliche) Ausstrahlungswirkungen generell als methodologisch zulässig anerkennen kann. Dies lässt sich ganz klar bejahen: Als der Transfer von Wertungen oder Regelungen zwischen den Teilrechtsordnungen können Ausstrahlungen dort ein eigenes Element der Auffangfunktionen bilden, wo ein zusätzlicher Koordinationsbedarf besteht, der nicht bereits durch vorrangig zur Anwendung zu bringenden Gestaltungsinstrumente befriedigt werden kann.531 So können Ausstrahlungen zu einem kohärenten und konsistenten Zusammenspiel von öffentlichem und privatem Recht im Allgemeinen, von Bankaufsichts- und Aktienrecht im Besonderen beitragen.532

§ 5 Terminologische Eingrenzung einer Ausstrahlungswirkung Die Interaktion zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht als wechselseitigen Auffangordnungen kann sich im Rahmen unterschiedlichster Auffangfunktionen vollziehen und auf verschiedenen Ebenen der Normenrelation eine Koordination erfordern. Umso klarer tritt die Notwendigkeit hervor, den Begriff einer Ausstrahlungswirkung näher zu umreißen und dadurch die Abgrenzung gegenüber anderen 531

Zur Abgrenzung von Ausstrahlungswirkungen zu anderen Instrumenten eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers noch unten § 6 A. 532 Ähnlich bereits Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 300 („Hintergrund dieses Vorgangs ist das Streben nach systematischer Geschlossenheit des Rechts“).

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Elementen einer Verhältnisbestimmung zu ermöglichen. Dabei ist der Begriff der Ausstrahlungswirkung vom Ergebnis her zu entwickeln und hat sich an den Leistungen zu orientieren, welche eine Ausstrahlung erbringen soll. Als Element einer Interaktion zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht als Teile wechselseitiger Auffangordnungen müssen Ausstrahlungswirkungen die Anforderungen an ein Wechselspiel zwischen den beiden Teilrechtsordnungen erfüllen.

A. Norminterpretation als Ausstrahlungsforum Den Überlegungen zu den Merkmalen einer Ausstrahlungswirkung ist voran zu stellen, dass Ausstrahlungen sich im Rahmen der Auslegung vollziehen.533 Ausstrahlungswirkungen orientieren sich daher an denselben Spielregeln. Als Forum einer Ausstrahlungswirkung eignet sich die Auslegung insbesondere, weil sie auf systematischer und teleologischer Ebene die Möglichkeit eröffnet, die Wertungen, Rechtsgedanken und Regelungsinhalte anderer Normen zu berücksichtigen.534 Wenn Ausstrahlungswirkungen sich im Rahmen der Normauslegung vollziehen, bedeutet dies, dass sie bekannte Kategorien des durch Normauslegung Erreichbaren beschreiben und das Ergebnis der Auslegung unter einem neuen Oberbegriff verkürzend zusammenfassen.535 Die Ausstrahlungswirkung ist Ergebnis der Normauslegung. Dies raubt dem Ausstrahlungsbegriff indes nicht seine methodologische Bedeutung.536 Vielmehr wohnt jedem Instrument des Methodenrechts ein maßgeblicher deskriptiver Anteil inne.537 Konsequenz dieser Erkenntnis ist aber, dass Ausstrahlungen sich nur innerhalb der Grenzen der Auslegung entfalten können und ihre Regeln zu achten haben. Letztlich bedarf einer Klarstellung, dass die Ausstrahlungswirkung einer Norm nicht durch ihre Auslegung zu Tage tritt, sondern sich im Rahmen der Auslegung der die Ausstrahlungswirkung im Ergebnis aufnehmenden Norm zeigt.538 Freilich wird (inzident) oftmals eine Erörterung der ratio legis der Ausstrahlungsnorm selbst erforderlich sein, um ihre Auswirkungen auf die 533 Vgl. Dreher, ZGR 2010, 496, 503 ff.; Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666 ff.; Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 295; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565 ff. Ferner Kort, NZG 2008, 81, 83. Zurückhaltend Binder, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, 2007, 145, 163 f. Vgl. zu dem (insbesondere im Zusammenhang mit den kapitalmarktrechtlichen Wohlverhaltenspflichten unternommenen) Versuch, „Ausstrahlungen“ anhand der Bildung von Verkehrssitten bzw. Handelsbräuchen zu erklären: Rothenhöfer, in: Beiträge für Hopt, 55, 70; Bliesener, Wertpapierhandel, S. 158 f. 534 Dreher, ZGR 2010, 496, 505; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565 f. 535 Vgl. zur Ausstrahlungswirkung des UmwG Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, S. 4: „verbale Kurzformel“. 536 Anders wohl Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865. 537 Vgl. zur Analogiebildung unten § 6 A. I. 1. und zur Bestimmung eines Derogationsverhältnisses unten § 6 A. II. 1. 538 Vgl. auch Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666.

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

Auslegung der Beeinflussungsnorm zu beurteilen. Die Ausstrahlungswirkung ist letztlich aber immer das Ergebnis der Interpretation der Aufnahmenorm.539 Die Auslegung selbst kann stets nur anhand der jeweils in Frage stehenden Einzelnorm erfolgen. Dies ist an sich selbstverständlich. Für die Ausstrahlungswirkung bedeutet dies aber, dass es auch für diese nicht sachgemäß – und methodenlogisch nicht möglich – ist, ihre Existenz mit Blick auf ein gesamtes Rechtsgebiet oder einen gesamten Normenkomplex zu beurteilen.540 Als Auslegungsergebnis kann eine Norm stets nur relativ mit Bezug auf jeweils eine andere, nämlich die im konkreten Fall auszulegende Einzelnorm Ausstrahlungswirkung entfalten, und niemals absolute, undifferenziert auf ein gesamtes Rechtsgebiet oder gar die gesamte (Teil-)Rechtsordnung wirkende, Ausstrahlungen für sich beanspruchen. Formulierungen wie „Ausstrahlungen auf das Aktienrecht“ oder „Ausstrahlungen auf die Corporate Governance-Debatte“ dienen daher lediglich der Schlagwortbildung und Veranschaulichung, dürfen aber nicht dahingehend fehlverstanden werden, dass die Ausstrahlung sich auf das gesamte Rechtsgebiet oder den Problemkreis im Gesamten vollzieht.541

B. Wertungs- bzw. Regelungstransfer (Arten einer Ausstrahlungswirkung) Zur Definition eines bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungsbegriffs bedarf es ferner einer genaueren Betrachtung ihres zentralen Charakteristikums, des durch sie umschriebenen Transfers. Es ist bereits ausgeführt worden, dass Ausstrahlungen nach den Wirkungen fragen, welche eine Norm über ihren „unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus“ entfaltet.542 Die Bedeutung einer ausstrahlenden Norm soll sich nicht darin erschöpfen, dass ihre Rechtsfolgen – gelingt die Subsumtion – auf einen realiter gegebenen Sachverhalt angewendet werden. Vielmehr soll sie eine darüber hinausgehende Wirkung auf andere Normen erzielen. Diese Wirkung soll in einem Transfer zwischen der Ausstrahlungs- und der Aufnahmenorm liegen. Worauf dieser Transfer sich bezieht, ist wiederum anhand des konkreten Verhältnisses der betrachteten Normen zueinander zu bestimmen.

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Dazu auch noch unten § 6 B. II. und III. In diese Richtung weist aber die Formulierung bei BGH, Urt. v. 27. 9. 2011 – XI ZR 182/ 10, NJW 2012, 66, 71 (Rn. 47) und BGH, Urt. v. 27. 9. 2011 @ XI ZR 178/10, NJW-RR 2012, 43, 48 (Rn. 50) (Lehman Brothers): „Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (…) bewirken aufsichtsrechtliche Bestimmungen regelmäßig weder eine Begrenzung noch eine Erweiterung der zivilrechtlich zu beurteilenden Haftung (…)“. 541 Vgl. zu solchen Formulierungen etwa Arnold, ZGR 2014, 76; Dreher, ZGR 2010, 496, 503 („Ausstrahlungen des Aufsichtsrechts auf das allgemeine Aktienrecht“); Hopt, ZIP 2013, 1793. 542 Oben Einführung A. III. 540

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Denkbar ist die Übertragung „aufsichtsrechtlicher Wertungen“543 bzw. der „Transfer eines Rechtsgedankens“544. „Wertungen“ meinen insoweit das einer Norm oder einem Normkomplex zugrunde liegende gesetzgeberische Konzept (namentlich das Wertungskonzept), welches das Ergebnis einer Abwägung der verschiedenen in einen Ausgleich zu bringenden Interessen ist. Ein Wertungstransfer kommt freilich nur insoweit in Betracht, als die zu transferierenden Wertungen nicht bereits Bestandteil der aufnehmenden Teilrechtsordnung sind. Eine Ausstrahlungswirkung des Bankaufsichtsrechts auf das Aktienrecht zielt nur dann auf einen Wertungstransfer, wenn das Aufsichtsrecht Wertungen enthält, welche dem Aktienrecht fremd sind. Entsprechen sich die Wertungen der beiden Teilrechtsordnungen hingegen, kommt lediglich ein Transfer einer auf diesen kongruenten Wertungen fußenden konkreten Regelung in Betracht. Dies wird zum Beispiel relevant, sollen allgemein gehaltene Vorschriften des Aktienrechts anhand detaillierter Regelungen des Aufsichtsrechts konkretisiert werden. Vor diesem Hintergrund sind zwei Arten einer Ausstrahlungswirkung denkbar. Zum einen sind normative Ausstrahlungswirkungen vorstellbar, die einen Transfer fremder Wertungen (und der darauf basierenden Regelungen) mit verbindlichem Anspruch beschreiben.545 Zum anderen sind faktische Ausstrahlungen denkbar, bei welchen nicht ein Wertungstransfer stattfindet, sondern die Regelungen der Ausstrahlungsnorm auf der Grundlage kongruenter Wertungen übernommen werden. I. Normative Ausstrahlungswirkungen Die Auslegung einer Norm kann ergeben, dass diese verbindlich auf die Ausstrahlungsnorm Rücksicht zu nehmen hat und hierdurch mit Inhalten angereichert wird, welche ihr grundsätzlich nicht innewohnen. Die fremden Wertungen (und die auf diesen basierenden Regelungen) eines Rechtsatzes werden auf einen anderen Rechtssatz übertragen (transferiert).546 1. Echter Wertungstransfer: Anreicherung der Aufnahmenorm mit normfremden Wertungen Normative Ausstrahlungswirkungen bezeichnen die Modifikation der Beeinflussungsnorm im Sinne der Wertungen der Ausstrahlungsnorm. In diesem Sinne 543

Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666. Ähnlich Dreher, ZGR 2010, 496, 505. Koller, in: Assmann/U. H. Schneider, vor § 31 Rn. 3 m. Fn. 6; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565. 545 In diese Richtung Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666 ff.; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565 ff.; wohl auch dies., AG 2012, 365, 370. Vgl. ferner Binder, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, 2007, 145, 163 ff., welcher der Frage nachgeht, ob aufsichtsrechtliche Anforderungen „bindende Auslegungsgrundsätze“ für das Aktienrecht (scil. § 91 Abs. 2 AktG) darstellen können (und dies i.E. ablehnt). 546 Vgl. Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565. 544

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fragt eine Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Vorschriften auf das Aktienrecht danach, ob sich „bankaufsichtsrechtliche Wertungen mit normativer Wirkung in einen aktienrechtlichen Regelungszusammenhang“ überführen lassen.547 Konkret mit Blick auf die hier zu untersuchenden Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen geht es um Folgendes: Das Bankaufsichtsrecht trifft mit § 25a Abs. 1 KWG die Wertung, dass Compliance und Risikomanagement einen gewissen organisatorischen Mindeststandard erfüllen müssen. Sofern sich diese Wertung dem Aktienrecht nicht entnehmen lässt – was noch eingehend zu untersuchen sein wird548 –, könnte ein Transfer der bankaufsichtsrechtlichen Wertungen und der darauf beruhenden Organisationsregelungen des § 25a Abs. 1 KWG in das Aktienrecht über eine normative Ausstrahlungswirkung in Betracht kommen. Aus Sicht der Aufnahmenorm geht es also um den Transfer normexogener Wertungen. Es handelt sich daher insoweit um echte Ausstrahlungswirkungen, als sie den Regelungsgehalt der Aufnahmenorm modifizieren.549 2. Normativer Wertungstransfer: Verbindlichkeit des Transfers Liegt in einem echten Wertungstransfer eine Modifikation des Norminhalts, muss dieser immer zugleich ein verbindlicher Wertungstransfer sein. Dies mag nicht unmittelbar einleuchten, lässt sich jedoch anhand der folgenden Überlegung verdeutlichen: Soweit eine Ausstrahlung nicht verbindlich ist, ist die Ausstrahlungsnorm lediglich als eine nicht zwingende und daher Abweichungen zulassende Leitlinie bei der Interpretation der „Aufnahmenorm“ zu verstehen. Sie übt eine bloß inspirative Vorbildfunktion auf die Aufnahmenorm aus.550 Die Frage, ob Abweichungen von der durch die „Ausstrahlungsnorm“ angebotenen Leitlinie angezeigt sind, bemisst sich aber nicht anhand der Wertungen der Ausstrahlungs-, sondern an den normeigenen Wertungen der Aufnahmenorm. Um diese Frage zu beantworten, sind also die Wertungen der Aufnahmenorm durch Auslegung zutage zu fördern und mit den Wertungen der Ausstrahlungsnorm abzugleichen. Ein Transfer fremder Wertungen der Ausstrahlungsnorm erfolgt hingegen nicht. Ein echter Wertungstransfer im oben beschriebenen Sinne findet nicht statt. Echte Ausstrahlungswirkungen, welche den Inhalt der Aufnahmenorm modifizieren, müssen daher immer auch verbindlich sein. Abweichungen von den inhaltlichen Vorgaben der Ausstrahlungsnorm sind (innerhalb der Reichweite der Ausstrahlung) nicht möglich. Von einer normativen Ausstrahlungswirkung des Bank547

Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666. Unten § 9 B. II. 549 Zu den Schwierigkeiten, welchen eine solche echte Ausstrahlungswirkung im Zusammenhang mit den der Normauslegung gesetzten Grenzen begegnet, ausführlich unten § 6 B. III. 3. 550 Hiermit ist eine faktische Ausstrahlungswirkung angesprochen. Hierzu sogleich ausführlich (§ 5 B. II.). 548

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aufsichtsrechts auf das Aktienrecht ist demnach dann auszugehen, wenn „offene aktienrechtliche Termini oder Rechtsprinzipien unter Rückgriff auf bankgesellschaftsrechtliche Grundsätze interpretiert werden sollen.“551 II. Faktische Ausstrahlungen Der durch die Normauslegung vermittelte Transfer kann demgegenüber auch in einer „milderen“ Beeinflussung liegen.552 Grundlage dieser Überlegung ist, dass sich rein tatsächlich ein „Seitenblick“ etwa auf detaillierte (Spezial-)Normen ohnehin oft nicht vermeiden lassen wird, geht es um die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe oder die Konkretisierung von Generalklauseln.553 In diesem Seitenblick kann eine faktische Ausstrahlungswirkung liegen, nimmt die Aufnahmenorm im Rahmen der Auslegung mit rein „inspirativem“ Vorsatz Anleihe bei der Ausstrahlungsnorm. 1. Faktischer Regelungstransfer: Inspirative Funktion Faktische Ausstrahlungen beschreiben eine Beeinflussung unverbindlicher Art im Sinne einer tatsächlichen Einflussnahme einer Norm auf die Auslegung und Anwendung einer anderen.554. Diese inspirative Einflussnahme kann unterschiedliche Ausprägungen annehmen, um deren Herausarbeitung sich insbesondere Meinrad Dreher für das Verhältnis des Bankaufsichtsrechts zum Aktienrecht verdient gemacht hat.555 Denkbar sind positive Ausstrahlungen im Sinne einer Vorbildfunktion einerseits, und negative Ausstrahlungen im Sinne einer schrankenbildenden Funktion andererseits. a) Positive Ausprägung faktischer Ausstrahlungen Positive Ausstrahlungen einer Norm sind anzunehmen, wenn diese als „Vorbild“ herangezogen und der Versuch unternommen wird, ihre Erkenntnisse im Rahmen der Auslegung einer anderen Norm nutzbar zu machen. Sie können anzunehmen sein, soweit das Aufsichtsrecht im allgemeinen Aktienrecht wertend mit der Folge berücksichtigt wird, dass aufsichtsrechtliche Elemente die Anwendung des Aktienrechts mitprägen.556 Diese Prägung kann darin liegen, dass das Aktienrecht auf die speziellen bzw. konkreten Regelungen des Aufsichtsrechts zurückgreift und diese in das eigene aktienrechtliche Regelungsgefüge integriert. Dies kommt in Betracht, 551

Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666. Vgl. ferner Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565. Vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 273. 553 Zutreffend Dreher, ZGR 2010, 496, 531. 554 Kritisch gegenüber tatsächlichen Ausstrahlungswirkungen aber Assmann, in: FS U. H. Schneider, 37 ff. 555 Dreher, ZGR 2010, 496, 503 ff. 556 Dreher, ZGR 2010, 496, 503. In diese Richtung auch Binder, ZGR 2013, 760, 781. 552

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soweit im speziellen Aufsichtsrecht normierte Regelungen lediglich sachgerechte, allgemein gültige Konkretisierungen von Prinzipien darstellen, die ohnehin im Aktienrecht gelten.557 Die spezielle Regelung muss also in allgemeinen Rechtsgrundsätzen oder in allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen wurzeln. Dies erfordert die Vorfindlichkeit entsprechender Grundsätze und Wertungen im Aktienrecht.558 Die Funktion der Ausstrahlungsnorm liegt hierbei darin, dass sie im Sinne einer Inspiration hilft, „die Vorfindlichkeit eines Rechtsgrundsatzes, der bereits im allgemeinen Aktienrecht enthalten ist, zu ,entdecken‘ (…)“.559 Es geht also nicht um eine schematisch-leitbildhafte Übertragung des Aufsichtsrechts in das Aktienrecht.560 Vielmehr bedeutet die Ausstrahlung in dieser Form lediglich eine systembildende, wertende Geltung oder zumindest Berücksichtigung eines Rechtsgedankens des Aufsichtsrechts bei der Auslegung und Anwendung einer anderen, allgemeineren Norm (des Aktienrechts).561 Die Ausstrahlungswirkung bildet Wertungsmodelle ab,562 auf deren Grundlage ein Rückgriff der allgemeineren Norm auf die spezielleren Regelungen möglich ist – zwar nicht in ihrer konkreten Ausgestaltung, jedoch insoweit, als sie Ausformung eines allgemeinen Prinzips sind.563 Die Überprüfung, ob die speziellen Regelungen der Ausstrahlungsnorm sich in einen allgemeineren Kontext überführen lassen, erfordert daher stets die Untersuchung der dem allgemeineren Regelungskontext zugrunde liegenden Wertungen und einen Abgleich mit den Wertungen der Ausstrahlungsnorm.564 Von der Ausstrahlungsnorm als „Quasi-Zielvorgabe“ ausgehend sind die Wertungen der Aufnahmenorm durch Interpretation zu erarbeiten. Das heißt: Die allgemeinere Norm greift im Falle einer positiven Ausstrahlung zwar auf die ausdrücklich kodifizierten Rege557

Einige der Formulierungen Drehers indes deuten darauf hin, dass dieser von einem normativen Anspruch der Ausstrahlungswirkung ausgeht. So spricht Dreher, ZGR 2010, 496, 503, 505 und 507 von einer „wertenden Berücksichtigung“ des Aufsichtsrechts im Rahmen der Auslegung und Anwendung des Aktienrechts. Insoweit lassen die Ausführungen Drehers durchaus mehrere Deutungen zu. Seine zusammenfassende Beschreibung der Ausstrahlungswirkungen de lege lata als „Entdeckung im Aktienrecht vorfindlicher Rechtsgrundsätze“ überzeugen aber, dass er eine lediglich faktische und keine normative Art der Ausstrahlungswirkung vor Augen hat. 558 Dreher, ZGR 2010, 496, 503 f.: Zum Teil deute der Gesetzgeber solche Vorfindlichkeit selbst an („Andeutungssachverhalte“). Als Beispiel verweist Dreher auf die Begr. RegE zu § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG i. d. F. des BilMoG (BT-Drs. 16/10067, S. 45): „Mit der Vorschrift wird eine bereits bestehende aktienrechtliche Informationsverpflichtung lediglich konkretisiert, also weder neu geschaffen noch verändert oder aufgehoben“ (Hervorhebung nicht im Original). 559 Dreher, ZGR 2010, 496, 506 f. 560 Dem soll der spezielle und differenzierte Normgehalt aufsichtsrechtlicher Bestimmungen ohnehin entgegenstehen: Dreher, ZGR 2010, 496, 502. 561 Vgl. Dreher, ZGR 2010, 496, 502. 562 Dreher, ZGR 2010, 496, 504 f. 563 Vgl. auch Dreher, ZGR 2010, 496, 504 f. 564 Hierzu noch im Einzelnen unten § 6 B. II.

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lungen der „spezielleren“ Norm zurück. Die Regelung, welche im Ergebnis durch die Konkretisierung der Aufnahmenorm auf dem Interpretationswege erreicht wird, ist aber das Ergebnis einer eigenständigen Auslegung der Aufnahmenorm.565 b) Negative Ausprägung faktischer Ausstrahlungen (Schranken einer Verallgemeinerung) Oftmals wird der Rückgriff auf eine detaillierte Vorschrift im Rahmen der Auslegung einer allgemeinen, unbestimmten Rechtsnorm nahe liegen. Handelt es sich bei der detaillierten Vorschrift aber um eine Regelung, welche zur Verfolgung anwendungsbereichsspezifischer Sonderzwecke erlassen wurde, geht mit ihrer Heranziehung zur interpretativen Konkretisierung der allgemeinen Norm stets eine Verallgemeinerung einher. Eine solche ist aber stets nur insoweit gerechtfertigt, als übereinstimmende Ziel- oder Zwecksetzungen einen Rückgriff der allgemeinen Norm auf die Speziellere erlauben. Im Übrigen darf die allgemeine nicht über die spezifische Norm hinausgehen.566 Soweit es an einer Wertungskongruenz fehlt, bildet die Ausstrahlungsnorm also eine „rechtssystematisch gebotene Grenze“ bei der Auslegung der Aufnahmenorm.567 Regelmäßig wird dies der Fall sein, wenn eine systematische bzw. teleologische Interpretation ergibt, dass die auf speziellen Wertungen beruhenden Regelungen der Ausstrahlungsnorm die Grenze darstellt, welche die Auslegung der Aufnahmenorm nicht überschreiten darf.568 Die Ausstrahlungsnorm wirkt insoweit auf die Aufnahmenorm zurück, als jene aufgrund ihrer speziellen Wertungen bzw. Regelungen gegenüber dieser eine schrankenbildende Funktion ausübt.569 c) Zusammenfassung Faktische Ausstrahlungen entfaltet eine Norm, wenn sie im Rahmen der Auslegung einer anderen Norm als unverbindliche Erkenntnisquelle herangezogen wird.570 Die ausstrahlende Norm steht unverbindlich Modell für die Auslegung einer anderen Norm.571 Es handelt sich insoweit nur um einen faktischen „Wertungstransfer“, als er 565

Vgl. insoweit auch Zöbeley, Vergütungsvorgaben, S. 357. Dreher, ZGR 2010, 496, 504 f. Zustimmend Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 38. 567 Dreher, ZGR 2010, 496, 531 ff., 534. 568 Anders Dreher, ZGR 2010, 496, 504 f.: Negative Ausstrahlungswirkungen sollen im Rahmen einer systematischen Auslegung in Verbindung mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung Wirkungen im Aktienrecht entfalten können. Zustimmend Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 38. Die argumentative Bedeutung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung ablehnend Sethe, AcP 212 (2012), 80, 125. 569 So ausdrücklich für das Verhältnis des Aufsichtsrechts zum Aktienrecht Dreher, ZGR 2010, 496, 503. 570 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 61. 571 Vgl. Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 39. 566

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nicht mit verbindlichem Anspruch auftritt, sondern die normeigenen Wertungen der Aufnahmenorm im Rahmen der Auslegung Abweichungen zulassen und gegebenenfalls erfordern. Man kann insoweit von einer „nicht zwingenden Bindung“ an die Ausstrahlungsnorm sprechen.572 Die erkenntnisverschaffende Wirkung der Ausstrahlungsnorm kann dabei einerseits darin liegen, dass sie eine Zielvorgabe im Rahmen der Auslegung der Aufnahmenorm darstellt. Die Auslegung der Aufnahmenorm versucht in diesem Fall, Wertungen zutage zu fördern, welche denjenigen der Ausstrahlungsnorm entsprechen, und auf Grundlage dieser kongruenten Wertungen Regelungen der Ausstrahlungsnorm auf die Aufnahmenorm zu „transferieren“. Es geht – anders als bei normativen Ausstrahlungen – also nicht um einen Transfer normfremder Wertungen, sondern um den „Transfer“ bestimmter Regelungen auf der Basis gemeinsamer Wertungen der Ausstrahlungs- und der Aufnahmenorm. Dabei handelt es sich nicht eigentlich um einen echten Transfer im Sinne einer Übertragung, weil in der Ausstrahlungsnorm lediglich ausdrücklich, gegebenenfalls in spezialgesetzlichem Kontext, kodifiziert ist, was sich durch Auslegung auch der Aufnahmenorm entnehmen lässt.573 Man kann die Ausstrahlungsnorm gleichsam als Hinweis auf in der Aufnahmenorm enthaltene Wertungen bzw. Regelungen lesen.574 Die funktionale Inspiration kann andererseits im genauen Gegenteil liegen, zeigt sich, dass die anwendungsbereichsspezifische Konkretisierung der allgemeinen Prinzipien oder Grundsätze durch die Ausstrahlungsnorm besondere Wertungen oder Interessen berücksichtigt, die nicht verallgemeinerbar sind. In diesem Fall stellt die Ausstrahlungsnorm die Grenze einer Auslegung der Aufnahmenorm dar. 2. Unechter Regelungstransfer: Keine inhaltliche Modifikation Mit der Feststellung, dass faktische Ausstrahlungen lediglich tatsächliche Inspirationswirkung im Rahmen der Auslegung der Aufnahmenorm haben, geht einher, dass nicht eigentlich ein (Wertungs-)Transfer stattfindet. Die Auslegung dient dazu, die einer Norm zugrunde liegenden Wertungen, den ihr innewohnenden Regelungsgehalt, ans Licht zu bringen.575 Dies macht deutlich, dass die bloß faktische 572 So für das Verhältnis der §§ 31 ff. WpHG zum Vertragsrecht Sethe, AcP 212 (2012), 80, 127 (s.a. S. 129: „faktische Bindung“). Ähnlich Seibert, WM 2009, 1489 m. Fn. 10 („unverbindlicher Anhaltspunkt“). 573 Vgl. auch Armbrüster, VersR 2011, 1, 11. In diese Richtung auch Gaßner/Escher, WM 1997, 93, 100; Rothenhöfer, in: Beiträge für Hopt, 55, 74 (jeweils zum Verhältnis des § 31 Abs. 1 WpHG zu den vertraglichen Sorgfaltspflichten der Bank bei der Vermögensverwaltung); Wilsing/Paul, DB 2009, 1391 ff. (zu § 5 FMStFV). 574 Vgl. Weber-Rey, AG 2008, 345, 358. Zu Ausstrahlungen der §§ 31 ff. WpHG ferner Buck-Heeb, ZIP 2013, 1401, 1411; Sethe, AcP 212 (2012), 80, 127. 575 Vgl. Enneccerus/Nipperdey, BGB, S. 323:„Einen Rechtssatz auslegen, heißt seinen Sinn klarstellen, und zwar den Sinn, der für das Rechtsleben, also auch für die richterliche Entscheidung der maßgebende ist.“; Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 22 Rn. 755b.

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Beobachtung der Ausstrahlungsnorm im Rahmen der Auslegung der Aufnahmenorm nicht einen Transfer fremder Wertungen bewirkt, sondern lediglich als Quell der Inspiration zur Entdeckung der ohnehin in der Aufnahmenorm enthaltenen Wertungen dienen kann.576 Die „fremden“ Wertungen der Ausstrahlungsnorm werden nicht erst in die Aufnahmenorm inkorporiert. Vielmehr sind mit den Wertungen der Ausstrahlungsnorm kongruente Wertungen in der Aufnahmenorm bereits enthalten. Es kommt lediglich zu einem „Transfer“ der speziellen Regelungen der Ausstrahlungsnorm insoweit, als diese als Vorbild einer eigenen Regelung der Aufnahmenorm genommen werden. Anders gewendet: Bei methodengerechter Auslegung ist das Ergebnis der Interpretation der Aufnahmenorm dasselbe, gleichviel ob die „ausstrahlende“ Norm existiert und berücksichtigt wird oder nicht. Das transferierende Element faktischer Ausstrahlungen erschöpft sich darin, dass gesetzlich ausgedrückte Konkretisierungen auf allgemeine Prinzipien oder Normen im Sinne einer Rechtserkenntnisquelle „übertragen“ werden.577 In diesem Sinne soll im Folgenden auch von dem durch faktische Ausstrahlungen vermittelten „Wertungstransfer“ oder „Regelungstransfer“ die Rede sein. III. Weitere Arten eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers? Es drängt sich die Überlegung auf, inwieweit auch weitere Arten eines Wertungsbzw. Regelungstransfers – gemessen an dem Grad seiner Verbindlichkeit – denkbar sind. Dabei ist zunächst festzustellen, dass ein verbindlicher, aber unechter Wertungs- bzw. Regelungstransfer bereits denklogisch ausscheiden muss. Findet kein echter Wertungstransfer im oben beschriebenen Sinne statt, stellt sich die Frage seiner Verbindlichkeit schon nicht. Gleichermaßen ist aber auch ein echter, aber faktischer Wertungs- bzw. Regelungstransfer nicht möglich. Ein unverbindlicher Transfer ist immer zugleich ein unechter, weil die endlich für das Auslegungsergebnis maßgeblichen Wertungen der auszulegenden Norm selbst entstammen müssen und die durch Auslegung gewonnen Regelungen immer solche der auszulegenden Norm selbst sind.578

C. Überschreitung der Teilrechtsordnungsgrenzen In dem hier zugrunde gelegten Verhältnis zwischen Bankaufsichts- zu Aktienrecht ist dem Begriff einer Ausstrahlungswirkung die Überschreitung der die Teil576

Dreher, ZGR 2010, 496, 506 f. Thaten, Ausstrahlungen, S. 162, will Ausstrahlungen ausschließlich als Heranziehung einer Norm als Rechtserkenntnisquelle verstehen, meint aber i.E. wohl dasselbe. Dem folgend Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 61. 578 Vgl. zum Ganzen schon oben § 5 B. II. 2. 577

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rechtsordnungen des privaten und öffentlichen Rechts scheidenden Grenze immanent.579 Dem Ausstrahlungsterminus wohnt der Versuch inne, methodengerecht einen systematischen Bruch zu vollziehen: Innerhalb der sie „beheimatenden“ Teilrechtsordnung entfalten Normen kraft systematischer Anordnung Wirkungsmacht. Die Grenze einer Teilrechtsordnung aber markiert grundsätzlich zugleich die Wirkungsgrenze der dieser Teilrechtsordnung zuzuordnenden Normen: Öffentlichrechtliche Normen wirken öffentlich-rechtlich, zivilrechtliche Normen wirken zivilrechtlich.580 Ausstrahlungen sollen Wirkungen einer öffentlich-rechtlichen Norm im Zivilrecht – oder umgekehrt: einer zivilrechtlichen Norm im öffentlichen Recht – beschreiben.581 Es geht insoweit um eine mittelbare Wirkung, weil die Geltung etwa der öffentlich-rechtlichen Norm im Zivilrecht gesetzessystematisch nicht (ausdrücklich) vorgesehen ist, sondern gerade erst über den Wertungs- bzw. Regelungstransfer erreicht werden muss.582 Das Erfordernis eines solchen „Transfers über die Grenze“ entfällt, wenn die maßgeblichen Wertungen bzw. Regelungen bereits in die „aufnehmende“ Teilrechtsordnung integriert sind. Hier sind verschiedene Fälle denkbar: Am deutlichsten wird das fehlende Bedürfnis nach einem teilrechtsordnungsübergreifenden Wertungs- bzw. Regelungstransfers (via Ausstrahlungen) in dem Fall, dass die potentiell interagierenden Normen derselben Teilrechtsordnung – also beide dem Zivil- oder beide dem öffentlichen Recht – entstammen. I. Normen mit Doppelcharakter Schwieriger zu beurteilen sind Fälle sog. Normen mit Doppelcharakter. Grundsätzlich gilt, dass jede Rechtsnorm entweder dem privaten oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist.583 Der Gesetzgeber kann jedoch frei über die Zuordnung einer Regelung zu den Teilrechtsordnungen disponieren. Es besteht kein „Zuordnungszwang“. Es ist auch möglich, eine Norm beiden Teilrechtsordnungen gleichermaßen zuzuordnen, sprich: Normen mit Doppelcharakter zu definieren.584 Der Doppelcharakter einer Norm meint dabei nicht, dass diese über Rezeptionsnormen der jeweils anderen Teilrechtsordnung auf diese einwirkt, also einer Öffnung (in Form von

579

Zur eindeutigen Zuordnung des § 25a Abs. 1 KWG zum öffentlichen Recht ausführlich unten § 8 A. 580 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 17. 9. 2013 – XI ZR 332/12, NZG 2013, 1226, 1228. s. aber sogleich zu sog. Normen mit Doppelcharakter. 581 Vgl. Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565 f. 582 Vgl. Rothenhöfer, in: Beiträge für Hopt, S. 55, 72 („nicht unmittelbar zivilrechtliche Wirkung“). 583 Vgl. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 99 f. 584 Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 99 f. Zustimmend N. Lang, ZBB 2004, 289, 294 (jeweils m.w.N.). A.A. Scherer, NJW 1989, 2724, 2726: „Eine Norm kann nur öffentlichrechtlich oder privatrechtlich sein. Tertium non datur.“

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unbestimmten Rechtsbegriffen oder Generalklauseln585) bedarf, um ihre Wirkungen in dieser anderen Teilrechtsordnung zu entfalten.586 Ihre Wirkung ist vielmehr von vorneherein in beide Teilrechtsordnungen integriert. Sie ist zu gleichen Teilen eine öffentlich-rechtliche und eine zivilrechtliche Norm.587 Beispielsweise werden die §§ 31 ff. WpHG von Teilen der Literatur als Normen mit Doppelcharakter klassifiziert.588 Diese stellen Wohlverhaltenspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf. Als Doppelnormen sollen sie diese Wohlverhaltenspflichten gleichermaßen aus aufsichtsrechtlicher Perspektive (im Rahmen des Aufsichtsverhältnisses „gegenüber der Aufsichtsbehörde“) wie aus zivilrechtlicher Perspektive (im Rahmen des Vertragsverhältnisses „gegenüber dem Kunden“) regeln.589 Betrifft eine Norm als „Doppelnorm“ jedoch sowohl das öffentliche als auch das private Recht, bedarf der Transfer ihrer Wertungen bzw. Regelungen auf eine andere Norm – gleich welcher Teilrechtsordnung diese zuzuordnen ist – keiner Überschreitung der Teilrechtsordnungsgrenze. II. Kodifizierung allgemeiner Rechtsgrundsätze Dieses Erfordernis nach einem „Transfer über die Grenze“ besteht weiter dann nicht, wenn die maßgebliche Wertung der Ausstrahlungsnorm lediglich einen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstellt. Häufig beschränkt der Gesetzgeber sich nämlich darauf, allgemeine, für die gesamte Rechtsordnung geltende Rechtsgrundsätze lediglich in einer Teilrechtsordnung ausdrücklich zu normieren.590 Der Grundsatz von Treu und Glauben etwa, in der ganzen Pracht seiner Ausdrücklichkeit ausschließlich in § 242 BGB (sprich: zivilrechtlich) normiert, gilt für alle Bereiche des Rechts.591 Ähnliches lässt sich für das in § 138 BGB kodifizierte Gebot statuieren, bei

585

Hierzu noch unten § 6 A. I. 2. N. Lang, ZBB 2004, 289, 294. 587 Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 99 f.; N. Lang, ZBB 2004, 289, 294. 588 Fischbach, Organisationspflichten, S. 193 f.; N. Lang, ZBB 2004, 289, 294; Reich, WM 1997, 1601, 1603 f.; Schwintowski, VuR 1997, 83, 85 f. Zum Teil werden die §§ 31 ff. WpHG als rein zivilrechtliche Vorschriften eingeordnet: Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 253; Möllers, in: KK-WpHG, § 31 Rn. 13 (unklar aber: Rn. 10). Nach der wohl h. M. handelt es sich um rein aufsichtsrechtliche Normen: OLG Karlsruhe, Urt. v. 17. 7. 2012 – 17 U 148/11, ZIP 2012, 1852 (juris Rn. 47); Bliesener, Wertpapierhandel, S. 91 ff., 112 f.; Koller, in: Assmann/ U. H. Schneider, vor § 31 Rn. 3; Schwark, in: Schwark/Zimmer, vor § 31 WpHG Rn. 15; Einsele, JZ 2008, 477, 482 f. 589 Fischbach, Organisationspflichten, S. 189 ff.; N. Lang, ZBB 2004, 289, 294; Schwintowski, VuR 1997, 83, 85 f. 590 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 40 f. 591 Exemplarisch BGH, Urt. v. 25. 6. 1959 – III ZR 54/58, NJW 1959, 1637; BVerwG, Urt. v. 22. 1. 1993 – 8 C 46/91, NVwZ 1993, 1102, 1104; BFH, Urt. v. 23. 2. 2010 – VII R 19/09, NJWRR 2010, 1160, 1161. Aus der Kommentarliteratur Krebs, in: NK-BGB, § 242 Rn. 1, 19; Schubert, in: MüKoBGB, § 242 Rn. 114 ff. 586

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der Vornahme von Rechtsgeschäften die guten Sitten zu wahren.592 Jeweils erfährt eine auf „allgemeinen Rechtsgrundsätzen beruhende“593 und damit für die gesamte Rechtsordnung Geltung beanspruchende Wertung lediglich innerhalb einer Teilrechtsordnung eine Kodifizierung. Hierdurch wird ihre Wirkung jedoch nicht auf diese Teilrechtsordnung beschränkt, sondern gilt allgemein auch darüber hinaus. In dem Rückgriff der jeweils anderen Teilrechtsordnung auf diese Kodifizierung liegt daher nichts anderes als der Rückgriff auf allgemeingültige Wertungen. III. Ausstrahlungswirkungen innerhalb derselben Teilrechtsordnung? Eines teilrechtsordnungsübergreifenden Wertungs- bzw. Regelungstransfers bedarf es nicht, soweit die in Rede stehenden Wertungen oder Regelungen bereits in beide Teilrechtsordnungen integriert sind. In diesen Fällen einer „Synchronisierung“, in welchen dieselbe Regelung gleichzeitig das öffentlich-rechtliche wie auch das privatrechtliche Rechtsverhältnis reguliert,594 sind identische Wertungen oder Regelungen in das öffentliche Recht und das Zivilrecht inkorporiert. Raum für die Ausstrahlung von Wertungen oder Regelungen besteht in all diesen Fällen nicht. Eine andere Frage ist, ob der Begriff der Ausstrahlungswirkung die Überschreitung der Teilrechtsordnungsgrenze zwingend voraussetzt. Keine Schwierigkeiten bereitet die Vorstellung, dass eine Norm in der Art einer faktischen Ausstrahlung Vorbildfunktion für eine andere Norm derselben Teilrechtsordnung ausübt. Ohne weiteres sind Situationen denkbar, in welchen sich die Frage stellt, ob die detaillierten Regelungen einer Norm zum Vorbild bei der Auslegung einer anderen Norm derselben Teilrechtsordnung heranzuziehen sind. So könnte eine Auslegung der Organisationspflichten des § 29 KAGB insoweit Anleihe bei den Organisationspflichten der §§ 25a KWG, 23 ff. VAG nehmen, wo jene weniger umfangreich normiert sind (oder vice versa). Schwieriger ist hingegen die Frage zu beurteilen, ob sich gleichermaßen auch normative Ausstrahlungswirkungen innerhalb derselben Teilrechtsordnung vollziehen können. Freilich kann auch – über die faktische Beeinflussung hinaus – zwischen Normen derselben Teilrechtsordnung eine Verhältnisbestimmung erforderlich werden und die verhältnisbestimmende Interaktion in einem verbindlichen „Wertungstransfer“ zwischen den beiden Normen bestehen.595 So kann ein Wertungstransfer zwischen Normen derselben Teilrechtsordnung etwa durch einen Verweis angeordnet sein oder sich aus dem systematisch-teleologischen Gesamt592

Vgl. hierzu nur Ellenberger, in: Palandt, § 138 Rn. 3 f. BVerwG, Urt. v. 22. 1. 1993 – 8 C 46/91, NVwZ 1993, 1102, 1104. 594 Zum Begriff der Synchronisierung vgl. Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 40. 595 Vgl. hierzu die Diskussion einerseits um die Bedeutung des UmwG für Strukturmaßnahmen außerhalb des Umwandlungsrechts, andererseits um die Bedeutung des § 91 Abs. 2 AktG für den Pflichtenmaßstab der Geschäftsleiter anderer Gesellschaftsformen, oben Einführung und unten Post Scriptum. 593

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zusammenhang der Teilrechtsordnung ergeben.596 Vor dem Hintergrund aber, dass Normen naturgemäß innerhalb „ihrer“ Teilrechtsordnung für ihren Anwendungsbereich verbindliche Wirkungen entfalten, dürfte das Bedürfnis nach einem verbindlichen Wertungs- und Regelungstransfer jenseits dieser anerkannten methodischen Instrumente zur Lückenschließung gering sein.597 Jedenfalls aber verlieren Ausstrahlungswirkungen dort, wo sie sich innerhalb derselben Teilrechtsordnung vollziehen, ihre übergeordnete koordinationsdogmatische Bedeutung. Als ein Element der Relation zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht kommen sie immer nur dann in Betracht, wenn auch die in einem Spannungsverhältnis zueinander stehenden Normen unterschiedlichen Teilrechtsordnungen entstammen. Daher ist diese Arbeit und bleibt auch im Folgenden auf Ausstrahlungswirkungen über die Grenze der Teilrechtsordnungen hinweg begrenzt und macht in diesem Sinne auch von dem Ausstrahlungsbegriff Gebrauch.598

D. Zwischenergebnis Ausstrahlungswirkungen beschreiben einen teilrechtsordnungsübergreifenden Wertungs- bzw. Regelungstransfer im Rahmen der Norminterpretation. Normative, das heißt: echte, Ausstrahlungswirkungen sind hierbei das Ergebnis eines Auslegungsvorgangs, in dessen Verlauf die Aufnahmenorm in verbindlicher Weise mit normexogenen – fremden – Wertungen angereichert wird. Faktische Ausstrahlungen hingegen transferieren nicht normfremde Wertungen, sondern beschreiben die „Übernahme“ der Regelungen der Ausstrahlungsnorm durch die Aufnahmenorm aufgrund kongruenter Wertungen. Die Ausstrahlungswirkung weist auf den ohnehin in der Aufnahmenorm enthaltenen Regelungsgehalt hin; sie hilft dabei, diesen durch Auslegung zu „bergen“.

§ 6 Voraussetzungen einer Ausstrahlungswirkung Der begriffliche Grundstein einer Ausstrahlungswirkung ist gelegt. Es bleiben die Voraussetzungen zu klären, unter welchen ein Rechtssatz Ausstrahlungswirkung auf einen anderen Rechtssatz ausübt. Zu diesem Zweck sind die Anforderungen an die Ausstrahlungswirkung einer Norm herauszuarbeiten. Aus der beschreibenden Funktion des Ausstrahlungsterminus, als Sammelbegriff bestimmte Ergebnisse der koordinierenden Normauslegung unter einem terminologischen Dach zusammen596

s. noch unten § 6 A. II. 2. Vgl. hierzu noch sogleich § 6 A. und Post Scriptum. 598 Zur Möglichkeit einer Erweiterung der hiesigen Betrachtungen hin zu einer allgemeinen „Ausstrahlungsdogmatik“, die auch Wechselwirkungen innerhalb derselben Teilrechtsordnung erfasst, noch unten Post Scriptum. 597

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zufassen, folgt zunächst, dass Ausstrahlungen die Regeln der Auslegung zu beachten haben.599 Diese Erkenntnis wirft zugleich die Frage auf, welche besonderen Anforderungen an die Normauslegung zu stellen sind, um zu dem Ergebnis eines via Ausstrahlungswirkungen vermittelten Wertungs- bzw. Regelungstransfers zu gelangen. Darüber hinaus verfolgt die Erarbeitung der Voraussetzungen einer Ausstrahlungswirkung den Zweck, eine Abgrenzung zu anderen methodenrechtlichen Instrumenten eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers zu ermöglichen.

A. Abgrenzung zu anderen transferierenden oder transferähnlichen methodenrechtlichen Instrumenten Ausstrahlungswirkungen können als eigenes methodenrechtliches Instrument der Normverhältnisbestimmung nur dann anerkannt werden, wenn sie sich gegenüber anderen Instrumenten eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers abgrenzen lassen. Sie müssen einen „Mehrwert“ gegenüber Spezialität, Analogie und Co. bieten. Sie können erst dort ansetzen, wo diese herkömmlichen Wege der Verhältnisbestimmung nicht weiter führen. Vor diesem Hintergrund sind die Grenzen zwischen einer Ausstrahlungswirkung und „alternativen“ Methoden eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers abzustecken. I. Ausstrahlungswirkung als Instrument der Lückenfüllung (Abgrenzung zur Analogie) Ein Wertungs- bzw. Regelungstransfer ist nur möglich, wenn die potentiell aufnehmende Norm insoweit Lücken enthält, welche es im Wege der Auslegung zu schließen gilt. Sind alle zur Normanwendung erforderlichen Wertungen und Regelungen bereits durch sie selbst getroffen oder durch eine formelle Verbindung (in Form des Verweises, der Fiktion oder der Vermutung) zu anderen Normen einbezogen, besteht kein Bedürfnis mehr, sie im Rahmen der Auslegung mit weiteren (fehlenden) Wertungen oder Regelungen anzureichern. Die Unterscheidung zwischen planmäßigen und planwidrigen Lücken erfordert auch eine differenzierte Betrachtung bei der Suche nach Ausstrahlungen.600

599

Hierzu ausführlich oben § 5 A. Zur Unterscheidung zwischen planmäßigen und -widrigen Lücken Rüthers/C. Fischer/ Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 832 ff., 835. 600

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1. Ausstrahlungen bei planwidriger Lückenhaftigkeit Normen können planwidrige Lücken aufweisen.601 Eine planwidrige Lücke ist anzunehmen, wenn eine vom Wertungsplan der Gesetzgebung aus betrachtet notwendige Regelung im Gesetz fehlt.602 a) Analogieschluss Die Schließung solcher planwidriger Gesetzeslücken erfolgt in erster Linie durch Analogieschluss.603 Hierunter versteht man die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen ungeregelten Sachverhalt, welcher von der Rechtsnorm zwar nicht erfasst ist, dem von dieser vorgestellten und in den Tatbestandsvoraussetzungen abgebildeten Sachverhalt jedoch ähnlich.604 Es muss eine vergleichbare Interessenlage bestehen, das heißt der von der Analogienorm vorgestellte und der ungeregelte Sachverhalt müssen Gemeinsamkeiten aufweisen, die so wesentlich sind, dass eine Ungleichbehandlung dieser im Wesentlichen gleichen Sachverhalte nicht gerechtfertigt wäre.605 Diese Ähnlichkeit ist dabei nach äußerlichen Gemeinsamkeiten der realiter gegeneinander stehenden Sachverhalte und der ratio legis der Analogienorm zu beurteilen.606 Der Analogieschluss setzt voraus, dass die Zwecke und Grundgedanken der Analogienorm erforscht und erkannt werden: Die Wertungen der Analogienorm und ihre Übertragbarkeit auf den ungeregelten Sachverhalt sind durch Auslegung festzustellen.607 Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann die bestehende Gesetzeslücke durch den Rückschluss von der Analogienorm auf den ungeregelten Sachverhalt ausgefüllt 601 Zu dem maßgeblichen Regelungsplan und der Auffindung von Lücken vgl. Rüthers/ C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 847 ff. 602 Ausführlich Canaris, Lücken, S. 16 ff. 603 Bydlinski, Methodenlehre, S. 475. Spielart der Analogie ist der sog. Erst-Recht-Schluss (argumentum a fortiori), wiederum mit der Unterart des Größenschlusses (argumentum a maiore ad minus und a minori ad maius). Hierzu ders., S. 479 f.; Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 897 ff. Differenzierter Engisch, Juristisches Denken, S. 248 ff. 604 Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 889. 605 Engisch, Juristisches Denken, S. 250 f.; Zippelius, Methodenlehre, S. 68 ff. Ferner Larenz, Methodenlehre, S. 381. 606 Vgl. Bydlinski, Methodenlehre, S. 475 f. 607 Engisch, Juristisches Denken, S. 252 f.: „Das formale Schlußverfahren (…) funktioniert nur in Verbindung mit bestimmten materiellen Erkenntnissen, die mit spezifisch juristischer Methodik gewonnen werden müssen.“ Ähnlich Larenz, Methodenlehre, S. 381:„Es handelt sich bei der juristischen Analogie also allemal um einen Vorgang wertenden Denkens, nicht lediglich um eine formal-logische Gedankenoperation. Um zu erkennen, welche Elemente eines gesetzlich geregelten Tatbestandes für die gesetzliche Wertung und warum sie für diese bedeutsam sind, bedarf es des Rückgangs auf die Zwecke und den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, die ratio legis.“ Vgl. ferner Canaris, Lücken, S. 71 ff. (Analogie als „Mittel der Lückenfeststellung“). Zur Analogiefähigkeit von Normen Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 955 ff.

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werden.608 Der Analogieschluss bewirkt also einen Wertungs- bzw. Regelungstransfer: Die ratio legis der Analogienorm wird in die Gesetzeslücke bzw. in die lückenhafte Norm transferiert. Dabei ist die Analogiebildung nicht nur innerhalb einer Teilrechtsordnung möglich, sondern auch über ihre Grenzen hinweg.609 Ein Beispiel bildet der öffentlich-rechtliche Abwehr- bzw. Folgenbeseitigungsanspruch in Analogie zu §§ 906 bzw. 1004, 12, 362 BGB.610 Hier werden die Wertungen und Regelungen der zivilrechtlichen Vorschriften herangezogen, um das öffentliche Recht hinsichtlich des fehlenden Abwehranspruchs zu ergänzen.611 b) Teleologische Reduktion und Umkehrschluss Der Zugang zu gesetzlichen „Lücken“ kann auch über andere Wege erfolgen.612 Zu nennen sind hier der Umkehrschluss und die teleologische Reduktion.613 Diese haben aber nicht eigentlich einen Wertungs- bzw. Regelungstransfer zum Gegenstand. Vielmehr dient der Umkehrschluss im Ergebnis der Belassung einer aufgefundenen Lücke,614 die teleologische Reduktion „schafft“ erst eine zweckbedingt erforderliche Lücke.615 Die teleologische Reduktion und der Umkehrschluss treten daher nicht in „methodologische Konkurrenz“ zu Ausstrahlungswirkungen. c) Methodologischer „Vorrang“ der Analogiebildung gegenüber Ausstrahlungen Anderes gilt für die Analogie. Tun sich planwidrige Lücken im Gesetz auf, sind diese grundsätzlich vermittels des über eine Analogie und anhand der an diese zu stellenden Voraussetzungen zu erreichenden Wertungs- bzw. Regelungstransfers zu schließen. Für Ausstrahlungswirkungen der vergleichbaren Norm besteht insoweit kein Raum.616 Ausstrahlungswirkungen kommen auch nicht „subsidiär“ zur 608 Engisch, Juristisches Denken, S. 249; Zippelius, Methodenlehre, S. 67 ff. s. auch Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 888, mit einem Überblick über weitere Instrumente der Lückenschließung, bei welchen jedoch ein Wertungstransfer nicht stattfindet. Vgl. ferner Canaris, Systemdenken, S. 118. 609 So i. E. auch Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 278. 610 Vgl. BVerwG, Urt. v. 19. 1. 1989 – 7 C 77/87, NJW 1989, 1291. 611 Vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 278. 612 Überblick bei Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 888. 613 Zu Erst-Recht- und Größenschlüssen s. oben Fn. 603, zur teleologischen Extension vgl. Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 889 ff., und zum Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze bzw. die freie schöpferische Gestaltung sogleich. 614 Vgl. hierzu Bydlinksi, Methodenlehre, S. 476 f. 615 Vgl. aber Bydlinksi, Methodenlehre, S. 480 f.; Engisch, Juristisches Denken, S. 299 ff; Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 902 ff., die allesamt darin, dass die zu restringierende Norm für den von ihrem Telos nicht erfassten Fall keine Ausnahmeregelung vorsieht, eine Gesetzeslücke sehen. 616 Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 29, erkennt in der Analogie ebenfalls ein Aliud zu „Ausstrahlungswirkungen“. Anders wohl Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 300, die in

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Schließung planwidriger Lücken in Betracht, wenn sich etwa herausstellt, dass die ratio legis der Analogienorm nicht übertragbar ist. Ausstrahlungswirkungen sind in gleicher Weise auf die ratio legis (auch) der Norm angewiesen, deren Wertungen bzw. Regelungen transferiert werden sollen.617 Scheitert bereits der Analogieschluss zu einer Norm an dem nicht übertragbaren Normzweck, müssen Ausstrahlungswirkungen dieser Norm ebenso scheitern.618 In Ermangelung eines analogiefähigen Rechtssatzes kann die Lückenfüllung daher allenfalls noch über allgemeine Rechtsgrundsätze bzw. eine schöpferische richterliche Normsetzung erfolgen.619 2. Ausstrahlungen bei planmäßiger Lückenhaftigkeit Nicht jede „Lücke“ im Gesetz widerspricht dem Vollständigkeitsplan des Gesetzgebers. Vielmehr enthält das Gesetz auch planvolle Lücken. Solche sind insbesondere in unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln zu erblicken.620 Diese bedürfen aufgrund ihrer wertungsbezogenen Unbestimmtheit in hohem Maße einer Auslegung und eröffnen damit die Möglichkeit eines interpretativen Wertungsbzw. Regelungstransfers.621 a) Unbestimmte Rechtsbegriffe Unbestimmte Rechtsbegriffe sind normative, sprich: wertausfüllungsbedürftige, Begriffe. Diese lassen sich weiter unterteilen in sog. „offene normative“ und sog. einer Ausstrahlungswirkung ein Minus zur Analogie sehen („Mit dem Begriff der Ausstrahlungswirkung (…) wird in der Rechtswissenschaft ein methodischer Vorgang unterhalb der Analogiebildung beschrieben“). 617 Vgl. dazu noch unten § 6 B. II. und III. 618 Insoweit lässt sich eine Verwandtschaft von Analogie und Ausstrahlungswirkung hinsichtlich ihrer Voraussetzungen erkennen. Eine Verwandtschaft erkennt auch Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 295, der behauptet, dass „die geschilderte Wirkung (scil. die Schrittmacherrolle des Aufsichtsrechts gegenüber dem Gesellschaftsrecht) nicht durch eine Analogie eintritt.“ Es solle zumeist die Planwidrigkeit der Regelungslücke fehlen. Im Ergebnis hält Konopatzki auf S. 301 sodann fest, dass eine „Ausstrahlungswirkung nicht bereits aufgrund der bloßen Existenz einer detaillierten aufsichtsrechtlichen Regelung angenommen werden“ dürfe. Vielmehr müsse „in jedem Fall untersucht werden, ob das Gesellschaftsrecht für eine solche Beeinflussung überhaupt offen ist, ob die aufsichtsrechtlichen Wertungen verallgemeinerbar sind und ob eine vergleichbare Interessenlage besteht.“ 619 Kritisch Bydlinski, Methodenlehre, S. 481 ff.; Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 916 ff. 620 Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 836 f. m.w.N. 621 An dieser Stelle braucht nicht ausgeführt zu werden, dass letztlich jede Norm in gewissem Rahmen der Auslegung nicht nur zugänglich, sondern sogar bedürftig ist. Auch sogenannte deskriptive, das heißt: die Wirklichkeit beschreibende, Begriffe sind häufig unbestimmt und auslegungsbedürftig (vgl. hierzu Engisch, Juristisches Denken, S. 140 ff.; Rüthers/ C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 22 Rn. 180, 731). Die Auslegungsbedürftigkeit hängt hier jedoch nicht mit einer wertungs- bzw. regelungsbezogenen Offenheit des Tatbestandes, sondern mit der Möglichkeit unterschiedlicher Interpretationen deskriptiver Begriffe zusammen.

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

„verweisende normative“ Begriffe.622 Zum Einen enthält das Gesetz an vielen Stellen wertausfüllungsbedürftige Termini, die der Rechtsanwender durch eigene Wertung im konkreten Fall auszufüllen angehalten ist.623 Diese offenen normativen Begriffe ermöglichen und erfordern eine eigene Bewertung des Rechtsanwenders, also die Ausnutzung eines gesetzlich eingeräumten Ermessens durch eigene Abwägung.624 Die Wertmaßstäbe zur Ausfüllung dieser offenen normativen Begriffe können hierbei außerrechtlichen moralischen oder ethischen Vorstellungen entstammen, ihren Ursprung aber auch in der Rechtsordnung selbst nehmen.625 Als Beispiel kann hier der offene normative Begriff der „im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ dienen, der einerseits durch Vorschriften der StVO, andererseits durch ungeschriebene Sorgfaltsanforderungen ausgefüllt werden kann.626 Verweisende normative Begriffe bedürfen hingegen nicht unmittelbar einer eigenen Wertung des Rechtsanwenders, sondern verweisen auf andere gesetzliche Regelungen und Normenkomplexe.627 Sie setzen die Existenz von (anderen) Normen voraus.628 Ob eine Sache „fremd“ im Sinne von § 242 StGB ist, ist nicht durch eigene Wertung zu bestimmen, sondern grundsätzlich anhand der bürgerlich-rechtlichen Eigentumsordnung zu ermitteln.629 Der Fremdheitsbegriff stellt insoweit einen offenen Terminus dar, welcher auf die zivilrechtlichen Vorschriften zur Eigentumsordnung „verweist“. b) Generalklauseln Zu den unbestimmten normativen Begriffen zählen auch Generalklauseln. Der Begriff der Generalklausel ist zwar zuvörderst als Gegenbegriff einer kasuistischen Tatbestandsbildung zu verstehen,630 wird jedoch oftmals mit normativen Begriffen nahezu gleichgesetzt.631 In der Tat bestehen allenfalls bedingt Unterschiede zwischen normative Begriffen und Generalklauseln und sind die Übergänge jedenfalls fließend.632 Als Generalklauseln lassen sich solche normativen Begriffe bezeichnen, die sich „durch besonders qualifizierte Vagheit auszeichnen und den zentralen Gehalt 622

Vgl. zu dieser Unterscheidung Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 5 Rn. 182 f. Hierzu auch Larenz, Methodenlehre, S. 288 ff. 624 Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 5 Rn. 183. Ferner Engisch, Juristisches Denken, S. 144 f.; Kramer, Methodenlehre, S. 72. 625 Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 5 Rn. 183. 626 Beispiel nach Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 5 Rn. 183. 627 Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 5 Rn. 182. 628 Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 5 Rn. 182. Hierzu auch Engisch, Juristisches Denken, S. 164 (kritisch zu diesem Verständnis aber S. 144). 629 Dieses Beispiel findet sich bei Engisch, Juristisches Denken, S. 143, und Rüthers/ C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 5 Rn. 182. 630 Engisch, Juristisches Denken, S. 158. 631 Vgl. Kramer, Methodenlehre, S. 72; Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 836. 632 Engisch, Juristisches Denken, S. 161 f.; Kramer, Methodenlehre, S. 73 m. Fn. 124. 623

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einer gesetzlichen Regelung ausmachen“.633 Solcher unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln bedient der Gesetzgeber sich in der Regel, um die umfangreiche Anwendbarkeit einer Norm zu eröffnen. Über die Einräumung großer Beurteilungsspielräume kann im Rahmen der Wertausfüllung überdies dem Wandel sozialer (ethisch-moralischer) und politscher Vorstellungen Rechnung getragen werden.634 Generalklauseln haben einen „dynamischen“ Charakter, der sich mit der Zeit und den jeweils maßgeblichen Anschauungen ändert. Ihre Auslegung ist abhängig vom Zeitgeist. c) Öffnung gegenüber einem Wertungs- bzw. Regelungstransfer Unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln stellen gewollte (Be-)Wertungslücken im Gesetz dar. Sie können qua ihrer Natur nur unter Rückgriff auf außerhalb der anzuwendenden Norm liegende Wertungen bzw. Regelungen inhaltlich präzisiert werden.635 Insbesondere verweisende normative Begriffe – wie „fremd“ im Sinne von § 242 StGB – setzen die Existenz anderer Rechtsnormen explizit voraus. Auch sonstige wertausfüllungsbedürftige Begriffe (offene normative Begriffe und Generalklauseln) können jedoch (müssen aber auch!) anhand sowohl außerrechtlicher (wie gesellschaftlicher oder politischer) Anschauungen als auch der durch die Rechtsordnung aufgestellten Maßstäbe – das sind die ihr immanenten Wertungen und Regelungen – ausgefüllt werden. Die dynamische Natur der unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklausen legt überdies keinen Wert auf den gesetzesgenetischen Zeitenlauf, sodass Regelungen im Wege der Ausstrahlung zur Geltung kommen können, gleich ob sie mehr oder weniger alt an Jahren sind als die Beeinflussungsnorm selbst. Dies ist mit Blick auf den lex posterior-Grundsatz keine Selbstverständlichkeit.636 Unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln sind der normative Schlüssel zur Aufnahmefähigkeit einer Norm gegenüber Ausstrahlungswirkungen.637 Im Zusammenhang mit dem Sittenbegriff der §§ 242, 826 BGB spricht Norbert Lang daher zu Recht von „typischen Rezeptionsnormen des BGB für öffentlich-rechtliche Normen“.638

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Kramer, Methodenlehre, S. 72 f. Kramer, Methodenlehre, S. 76 ff.; Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 5 Rn. 185, 836 ff. Ferner Larenz, Methodenlehre, S. 288 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 47. 635 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 111. 636 Zum lex posterior-Grundsatz s. Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 22 Rn. 772; Zippelius, Methodenlehre, S. 33. 637 In diese Richtung auch Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 111; Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666; Kort, NZG 2008, 81, 83. Ferner Rothenhöfer, in: Beiträge für Hopt, 55, 71. Ähnlich auch Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 301. 638 N. Lang, ZBB 2004, 289, 294. 634

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

II. Ausstrahlungswirkungen als Element materieller Normrelation Als Wertungs- bzw. Regelungstransfer zur Schließung planvoller Lücken im Gesetz adressieren Ausstrahlungswirkungen das inhaltliche Verhältnis zweier Normen zueinander. Sie bilden insoweit ein Element der materiellen Normrelation.639 Ausstrahlungswirkungen können sich daher nur entfalten, soweit der Weg zu einer materiellen Normrelation eröffnet ist. 1. Vorrang formeller Normrelation (Abgrenzung zur Derogation) Ein Transfer in den Regelungsgehalt einer Norm ist nur möglich, soweit ihr Inhalt im konkreten Anwendungsfall überhaupt Bedeutung entfaltet. Dies setzt voraus, dass die Normen nicht im formellen Sinne in Konkurrenz zueinander treten oder – dank einer kumulativen oder alternativen Anwendung – nebeneinander Geltung entfalten.640 Dies gilt gleichermaßen für Ausstrahlungswirkungen. Daher ist zu untersuchen, ob die potentiell interagierenden Normen nebeneinander gelten bzw. ob und inwieweit eine Verdrängung statt findet. Denn mit der Verdrängung der Norm werden zugleich ihre Wertungen und Regelungen suspendiert und durch die Regelungen der überlegenen Norm ersetzt. Kommt es zu einer vollständigen Wertungs- bzw. Regelungsersetzung, scheiden Ausstrahlungswirkungen, die ja gerade eine inhaltliche Wechselwirkung über den Transfer von Wertungen oder Regelungen besorgen sollen, aus. Eine vollständige Verdrängung kann namentlich aufgrund sog. Derogationsregeln eintreten,641 soweit eine andere Norm die höherrangige (lex superior derogat legi inferiori),642 speziellere (lex specialis derogat legi generali)643 oder jüngere (lex posterior derogat legi priori)644 Regelung enthält.645 Dabei kennen die Vorrangregeln keine Teilrechtsordnungsgrenzen. Höheres, spezielleres oder jüngeres öffentliches 639

Hierzu oben § 4 C. Vgl. hierzu oben § 4 B. IV. 641 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 88 ff., 97. Vgl. auch Larenz, Methodenlehre, S. 266 ff., 269. 642 Die rechtsmethodische Begründung des Vorrangs der höherrangigen Norm wird im Stufenbau der Rechtsordnung erblickt: Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 6 Rn. 272 f. 643 Die Begründung des Vorrangs der spezielleren Norm kann in ihrem vorrangigen Geltungsanspruch aufgrund größerer Sachnähe gegenüber der allgemeineren Norm gesehen werden: Vgl. Kramer, Methodenlehre, S. 118 m.w.N. Dem liegt der logische Schluss zugrunde, dass eine speziellere Vorschrift stets Vorrang vor einer Allgemeineren haben muss, weil sie andernfalls gegenstandslos wäre. Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 268. 644 Der Vorrang der jüngeren Norm gründet sich in der Notwendigkeit eines dynamischen Ordnungssystems: Heckmann, Geltungskraft, S. 162. 645 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 88 f.; Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 22 Rn. 770 ff. Vgl. zum Begriff der Derogationsregeln auch Heckmann, Geltungskraft, S. 157 ff., 163 ff. Im Einzelnen ist die rechtsmethodische Begründung der Derogationsregeln nicht unumstritten. Hierzu Engisch, Juristisches Denken, S. 275 f. 640

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Recht geht grundsätzlich auch Privatrecht vor, ist dies im Rang niedriger, allgemeiner oder älter.646 Auch zur Verhältnisbestimmung zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht wird immer wieder auf die Vorrangregeln, genauer: den Spezialitätsgrundsatz, verwiesen.647 Die Derogationsregeln dienen indes der Wahrung der Einheit der Rechtsordnung.648 Sie kommen nur zum Zuge, soweit die Auflösung von Normenkonkurrenzen dies erforderlich macht.649 Dies hängt wiederum von der im konkreten Spannungsverhältnis bestehenden Normenkonkurrenz ab, welche durch Auslegung zu ermitteln ist.650 Die Derogationsregeln beschreiben daher ihrerseits nur das Ergebnis einer vergleichenden Auslegung und können nicht vermöge eigener Geltungskraft das Verhältnis zweier Normen bestimmen.651 a) Identische und divergente Rechtsfolgen Erstens sind Fälle der Rechtsfolgenidentität denkbar: Beide Konkurrenznormen ordnen dieselbe Rechtsfolge an. Prominentes Beispiel sind Fälle der Anspruchskonkurrenz im Zivilrecht.652 Zweitens kann eine Rechtsfolgendivergenz auftreten, wenn die beiden Konkurrenznormen mit Blick auf denselben Sachverhalt unterschiedliche Rechtsfolgeanordnungen treffen, ohne dass die Verwirklichung der einen zwingend die Verletzung der anderen zur Folge hat.653 Rechtsfolgendivergenzen finden sich in den Fällen unerlaubter Handlungen zwischen zivil- und strafrechtlichen Rechtsfolgeanordnungen. Sowohl im Falle der Rechtsfolgenidentität als auch der Rechtsfolgendivergenz wird eine vollständige Verdrängung einer der Konkurrenznormen in aller Regel nicht notwendig sein, weil die Rechtsfolgeanordnungen auch nebeneinander Bestand haben können. Daher werden Konkurrenzen zwischen identischen oder divergenten Rechtsfolgen zumeist im Wege einer kumulativen oder alternativen Anwendung der Vorschriften, andererseits auch durch eine Modifizierung bzw. Konkretisierung der einen Norm durch die andere aufgelöst werden

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Selbiges gilt vice versa. Vgl. Binder, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, 2007, 145, 163 f.; Dreher, ZGR 2010, 496, 502; Leyens/F. Schmidt, AG 2013, 533. Vgl. für das Verhältnis des Aufsichtszum Gesellschaftsrecht bereits U. H. Schneider, ZGR 1996, 225 und 227 f. Auch schon ders., DB 1993, 1909 ff. Vor europarechtlichem Hintergrund jüngst Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502; Mülbert, ZVglRWiss 113 (2014), 520. 648 Zur Einheit der Rechtsordnung bereits oben § 4 B. II. 649 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 88 ff., 97. Vgl. auch Larenz, Methodenlehre, S. 266 ff., 269. 650 Vgl. Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 88 ff. 651 Vgl. schon Enneccerus/Nipperdey, BGB, S. 351. Ferner Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 88 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 267 f. 652 Larenz, Methodenlehre, S. 267 (m. Fn. 25). 653 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 95. 647

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

können.654 Eine Derogation ist in diesen Fällen zur Wahrung einer konsistenten Rechtsordnung nicht erforderlich. Bestehen die Normen also insoweit nebeneinander, kann sich grundsätzlich auch ein interpretationsbezogener Wertungs- oder Regelungstransfer im Wege einer Ausstrahlungswirkung vollziehen. b) Rechtsfolgenwiderspruch Allein in Fällen eines Rechtsfolgenwiderspruchs, in welchen sich die Anordnungen der konkurrierenden Rechtsnormen gegenseitig ausschließen, wird die obligatorische Verhältnisbestimmung regelmäßig zum Gebrauch der Vorrangregeln zwingen.655 Hier haben die Vorrangregeln zur Konsequenz, dass die vorrangige Regelung die Nachrangige auf ihrem (der vorrangigen) Anwendungsgebiet vollständig suspendiert. Die Regelungen und Wertungen der verdrängten Norm werden außer Kraft gesetzt, die Regelungen und Wertungen der verdrängenden Norm nehmen insoweit vollumfänglich ihren Platz ein. Die Vorrangnorm gilt anstelle der Nachrangnorm. Eine Einflussnahme in Form eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers auf den Inhalt der verdrängten Norm wird dadurch unmöglich: Der Inhalt, welcher durch den Transfer beeinflusst werden könnte, ist bereits verdrängt. Auch die Annahme von Ausstrahlungswirkungen muss daher scheitern, soweit eine Derogation zwischen den konkurrierenden Normen Platz greift. Allerdings schließt ein Derogationsverhältnis Ausstrahlungen nur in dem Umfang aus, in welchem tatsächlich eine Verdrängung statt findet. Dies lässt sich am Beispiel des Verhältnisses des Bankaufsichtsrechts zum Aktienrecht verdeutlichen: Bankaufsichtsrechtliche Normen können aktienrechtliche von vorneherein nur insoweit verdrängen, als deren Anwendungsbereiche sich decken, sprich: soweit eine Bankaktiengesellschaft betroffen ist. Kommt es hier zur Verdrängung, sind Ausstrahlungen situativ ausgeschlossen. Im Übrigen, soweit es um einen „verallgemeinernden“ Wertungstransfer der bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften auf das Aktienrecht auch ohne konkreten Bezug zur Bankaktiengesellschaft geht, bleiben Ausstrahlungen denkbar.656 2. Transfer bei formeller Normverbundenheit (Abgrenzung zu Verweis und Fiktion) Sind einer materiellen Normrelation die Tore geöffnet, weil es nach Vorstehendem nicht zu einer Derogation kommt, folgt hieraus nicht automatisch die Annahme einer Ausstrahlungswirkung. Vielmehr kann eine Norm auch in der Weise „lü654

Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 96; Larenz, Methodenlehre, S. 267 f.; Zippelius, Methodenlehre, S. 37 ff. Zur Auflösung von Normenkonkurrenzen bereits oben § 4 B. IV. 1. 655 Engisch, Juristisches Denken, S. 212. Ferner Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 94 f., 98. 656 Ausführlich noch unten § 8 B. II. 2.

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ckenhaft“ sein, dass der Gesetzgeber nicht ausdrücklich eine Sachverhaltsregelung trifft, sondern lediglich die Anordnung ausspricht, auf welche Wertungen bzw. Regelungen der Rechtsordnung zur Sachverhaltsregelung zurückzugreifen ist.657 Diese Anordnung kann die Form eines Verweises, einer gesetzlichen Fiktion oder einer gesetzlichen Vermutung annehmen. Die Verweisung dient gesetzeskonzeptionell in erster Linie der Vermeidung von Wiederholungen.658 In Erfüllung dieses Zwecks bewirkt sie aber zugleich, dass die von der Verweisnorm in Bezug genommenen Elemente der Referenznorm entsprechend auch für jene gelten.659 Der Inhalt der Verweisnorm wird durch die Regelungen und Wertungen der referenzierten Norm geprägt. Die Verweisung selbst ordnet damit auf gesetzlicher Ebene den Transfer der Regelungen und Wertungen der Referenznorm in die verweisende Norm an. Dabei kann innerhalb ein und derselben Teilrechtsordnung verwiesen werden. Der Verweis kann aber auch über die Grenzen einer Teilrechtsordnung hinaus reichen.660 Bekannte Beispiele bilden die Anknüpfung der Handlungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren an die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§ 12 VwVfG) oder der verwaltungsrechtliche Rekurs auf das bürgerliche Vertragsrecht im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Vertrages (§ 62 VwVfG).661 Eine „verdeckte Verweisung“ kann in der gesetzlichen Fiktion erblickt werden.662 Die gesetzliche Fiktion ordnet an, dass ein bestimmter Sachverhalt so zu behandeln sei, als erfülle er die gesetzlichen Merkmalen einer Norm – ohne Rücksicht darauf, ob er diese Merkmale tatsächlich erfüllt.663 Auf die gleiche Weise operieren mit der Fiktion methodologisch verwandte, unwiderlegliche gesetzliche Vermutungen, die ebenfalls die Gleichstellung zweier Sachverhalte anordnen.664 Soweit das Gesetz hierbei Wechselbezüge zwischen verschiedenen Rechtssätzen herstellt, begründet die Fiktion bzw. die Vermutung in gleicher Weise wie die Verweisung einen Wertungstransfer zwischen den in Interaktion tretenden Normen. Bestimmt § 812 Abs. 2 BGB etwa, dass als Leistung auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses gilt, werden insoweit die anerkenntnisrechtlichen Wertungen (§§ 780, 781, 397 Abs. 2 BGB) in den bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff übernommen.665 657

Vgl. Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 4 Rn. 132 ff. Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 4 Rn. 132. 659 Larenz, Methodenlehre, S. 260 f. 660 Zur Verweisung als Instrument zur Überwindung von Teilrechtsordnungsgrenzen s. Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 108 ff. 661 Mit weiteren Beispielen Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 277. 662 Esser, Rechtsfiktion, S. 26 ff. 663 Larenz, Methodenlehre, S. 262. 664 Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 4 Rn. 133. 665 Hierzu Lorenz, in: Staudinger, § 812 Rn. 9 ff.; Schwab, in: MüKoBGB, § 812 Rn. 27. 658

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

Freilich bedürfen auch solche formellen Normverbindungen der Auslegung, so insbesondere hinsichtlich ihrer Reichweite oder ihres konkreten Referenzpunktes.666 Der Umstand eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers selbst ist in ihnen aber bereits angelegt und bedarf keiner interpretativen Erarbeitung mehr. Verweis, Fiktion und Vermutung führen gleichermaßen dazu, dass die in Bezug genommenen Wertungen bzw. Regelungen in die verweisende Norm und – bei Referenzierung der anderen Teilrechtsordnung – als eigener Bestandteil auch in die eigene Teilrechtsordnung aufgenommen werden.667 Eines interpretationsinduzierten Wertungstransfers in Form von Ausstrahlungen bedarf es im Falle eines formell angeordneten Transfers nicht mehr. Verweis und Fiktion bilden insoweit ein vorrangiges Element materieller Normrelation.668 III. Zusammenfassung Die Analogie kann gebraucht werden, um planwidrige Regelungslücken zu schließen. Sie taugt indes nicht, um absichtlich durch den Gesetzgeber im Gesetz belassene Lücken – Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe – zu schließen. Hierin liegt der Mehrwert einer Ausstrahlungswirkung gegenüber der Analogie.669 Der durch die Ausstrahlungswirkung avisierte Wertungs- bzw. Regelungstransfer konkurriert überdies mit einer Verhältnisbestimmung über die Derogation, insbesondere soweit eine Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes in Betracht kommt. Hier erfolgt die Abgrenzung über das Normverhältnis: Der Rechtsfolgenwiderspruch macht eine derogierende Auflösung der formellen Normkonkurrenz erforderlich, Ausstrahlungswirkungen scheiden aus. Jenseits des Rechtsfolgenwiderspruchs kann es jedoch zu einer inhaltlichen Interaktion kommen. Auf Ebene der materiellen Normrelation ist ferner eine Abgrenzung der Ausstrahlungswirkung zu Fällen des Wertungs- bzw. Regelungstransfers vorzunehmen, welche sich über formelle Normverbindungen (über Verweis oder Fiktion) vollziehen. Nur soweit es an solchen formellen Transferanordnungen fehlt, können Ausstrahlungswirkungen sich im Rahmen der materiellen Normrelation entfalten.

666 So ist etwa durch Auslegung zu ermitteln, ob ein Verweis sich allein auf die Rechtsfolgen der rezipierten Norm bezieht, oder auch ihren Rechtsgrund miteinschließt. Hierzu Rüthers/ C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 4 Rn. 132. 667 Vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 305 f. 668 Vgl. auch Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 108 ff. 669 Vgl. hierzu auch Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 300: „Eine bestimmte Norm wird auf einen bestimmten Regelungskomplex zwar nicht analog angewendet, aber sie beeinflusst ihn allein durch ihre Existenz dahin gehend, dass Rechtsfragen gleich oder zumindest ähnlich entschieden werden wie in dem Regelungskomplex, für den die fragliche Norm unmittelbar gilt.“

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B. Maßstäbe eines interpretativen Wertungsbzw. Regelungstransfers Damit sind die „äußeren Rahmenbedingungen“ einer Ausstrahlungswirkung abgesteckt. Als nächstes gilt es, die inhaltlichen Voraussetzungen einer Ausstrahlungswirkung zu überprüfen. Hier ist zu untersuchen, welche inhaltlichen Anforderungen an die Ausstrahlungsnorm und ihr Verhältnis zur Aufnahmenorm zu stellen sind. Des weiteren ist zu beleuchten, welche Maßstäbe an die Auslegung der Aufnahmenorm anzulegen sind, damit in dem Interpretationsergebnis eine Ausstrahlungswirkung zu sehen ist. Dabei gebieten die Unterschiede zwischen normativen und faktischen Ausstrahlungen auch eine Differenzierung bei den jeweils an den Wertungstransfer zu stellenden Anforderungen. I. Anforderungen an die Ausstrahlungsnorm Nicht nur angesichts der unzählbaren Vielzahl an Rechtssätzen kann es im Einzelfall schwer fallen, Regelungen aufzudecken, welche wertungsbezogene inhaltliche Nähen zur auszulegenden Norm aufweisen. Dies gilt umso mehr, sollen die ergänzend heranzuziehenden Wertungen bzw. Regelungen in der anderen Teilrechtsordnung gefunden werden. Freilich wird sich die Ausstrahlungsfrage in der Regel dann stellen, wenn eine Teilrechtsordnung regulatorisch in die Domäne der anderen Teilrechtsordnung eindringt, wie bei dem hier ausschnittsweise betrachteten „Bankgesellschaftsrecht“. Oftmals wird sich die Ausstrahlungsproblematik daher nicht ausgehend von einer wertungsmäßig lückenhaften Norm als Suche nach einem möglichen Wertungstransfer entfalten. Umgekehrt wird vielmehr die Erkenntnis, dass eine Norm Regelungen in einem Bereich trifft, der so oder in ähnlicher (inhaltsverwandter) Weise bereits durch eine andere Regelung abgedeckt ist, Anlass geben, nach einer Ausstrahlungswirkung zu fragen.670 Gleichwohl bleibt die Frage, welche Voraussetzungen an die Geeignetheit der Ausstrahlungsnorm zur Ausfüllung der Wertungs- bzw. Regelungslücken der Aufnahmenorm zu stellen sind. 1. Inhaltliche Nähe Auf einer ersten Ebene wird eine Ausstrahlungswirkung regelmäßig ganz abstrakt eine inhaltliche Nähe der potentiell interagierenden Normen erfordern. Diese kann sich in einer unmittelbaren inhaltlichen Verbindung äußern. Im Verhältnis des Bankaufsichts- zum Aktienrecht kommt die Ergänzung „offener“ aktienrechtlicher Organisationspflichten durch das Bankaufsichtsrecht insbesondere insoweit in Betracht, als auch dieses Regelungen zur Unternehmensorganisation trifft. Die Untersuchung von Wechselwirkungen hinsichtlich der organisationsrechtlichen Vorgaben drängt sich etwa bei Regelungen zu Mandatsbeschränkungen für Organmit670

Vgl. oben Einführung A. und § 3.

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

glieder (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG, § 25d Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 KWG),671 zur Bildung von Aufsichtsratsausschüssen (§ 107 Abs. 3 AktG, § 25d Abs. 7 – 12 KWG)672 oder eben zur Compliance- und Risikomanagementorganisation auf. Die inhaltliche Nähe darf jedoch nicht zu einer vollständigen inhaltlichen Übereinstimmung heranwachsen. So sind etwa die aufsichtsrechtlichen Sachkundeanforderungen an die Mitglieder des Aufsichtsorgans (§ 25d Abs. 1 KWG) im Ergebnis mit dem aktienrechtlichen Sachkundeerfordernis673 identisch.674 Gleiches gilt etwa für die Anforderung des § 25d Abs. 1 KWG an die Mitglieder des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorgans, der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausreichend Zeit zu widmen.675 Im Falle solch identischer Vorgaben erübrigt sich ein Wertungs- bzw. Regelungstransfer dadurch.676 Auch ohne eine solche unmittelbare inhaltliche Nähe können Ausstrahlungen denkbar sein, soweit die Rechtssätze eine mittelbare inhaltliche Konnexität aufweisen. Ein Beispiel bildet das Verhältnis des § 25d Abs. 1 KWG, welcher die besonderen bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Aufsichtsratsmitglieder regelt, zu § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG, wonach die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung durch Klage angefochten werden kann. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungskomplexe kann nicht von einer direkten inhaltlichen Nähe der Normen zueinander ausgegangen werden. Freilich besteht auch insoweit eine gewisse Konnexität, als die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder durchaus Rücksicht auf die an diese zu 671

Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rn. 1475 ff.; Mimberg, WM 2015, 1791 ff. Vgl. Kaspar/Hönsch, AG 2014, 297 ff. 673 Zu dem von der ganz h. M. anerkannten aktienrechtlichen Erfordernis einer Mindestqualifikation der Aufsichtsratsmitglieder s. BGH, Urt. v. 15. 11. 1982 – II ZR 27/82, NJW 1983, 991 (Hertie). Aus der Literatur Dreher, in: FS Boujong, 71, 75; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, § 100 Rn. 30; Henssler, in: Henssler/Strohn, § 100 AktG Rn. 4, Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 553 ff.; Raiser/Veil, § 15 Rn. 113; Semler, in: FS K. Schmidt, 1489, 1501 ff.; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer § 25 Rn. 2. Jüngst Huthmacher, Haftung des Aufsichtsrats, S. 151. 674 H. M.: Brandi/Gieseler, NZG 2012, 1321, 1325; Hasse, VersR 2010, 18, 23 (zu § 7a Abs. 4 VAG); Hingst/Himmelreich/Krawinkel, WM 2009, 2016, 2019; Lang/Balzer, WM 2012, 1167, 1172; Lehrl, BKR 2010, 485, 496. Wohl auch Langenbucher, in: Hölscher/Altenhain, S. 3, 11 f.; Leyens/F. Schmidt, AG 2013, 533, 539; Lutter/Krieger/Verse, Rn. 1456; R. Fischer, in: Krieger/U. H. Schneider, § 19 Rn. 62; Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, § 25d Rn. 5b. A.A. Kruchen, Der Aufsichtsrat 2011, 58; tendenziell auch Hilgers/Kurta, ZBB 2010, 471, 473 f.; implizit auch Samm, in: Beck/Samm/Kokemoor, § 36 Rn. 124; unklar Berger, VersR 2010, 422, 423, der auf der einen Seite konstatiert, dass die Anforderungen an die Mitglieder des Aufsichtsorgans den (strengeren) Anforderungen an Geschäftsleiter entsprächen, andererseits aber annimmt, den Anforderungen an das Aufsichtsorgan stünden im Einklang mit den Erfordernissen des Aktienrechts. 675 Zur aktienrechtlichen Rechtslage Rubner/Granrath, NJW-Spezial 2014, 719 f. Daran anknüpfend Rubner/J.-B. Fischer, NZG 2015, 782, 787. 676 Ein weiteres Beispiel ohne teilrechtsordnungsübergreifende Implikationen zeigt sich im Vergleich der Regelungen des VwVfG (Bund) zu denen der jeweiligen landesrechtlichen Verwaltungsverfahrensgesetze. 672

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stellenden persönlichen Anforderungen nehmen muss.677 Zum Teil wird daher § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG dahingehend ausgelegt, dass eine „Verletzung des Gesetzes“ im Sinne der Vorschrift auch bei einem Verstoß gegen die besonderen persönlichen Anforderungen, insbesondere die Höchstmandatsgrenzen, des § 25d KWG anzunehmen sei.678 Folgt man dieser Ansicht, wäre hierin ein Transfer der Wertungen bzw. Regelungen des § 25d KWG auf die Regelung des § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG im Wege einer Ausstrahlungswirkung zu sehen.679 Ein solcher mittelbarer inhaltlicher Bezug kann also für die Annahme eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers via Ausstrahlungswirkung genügen. Im Übrigen können bestimmte Indizien dabei helfen, die inhaltliche Verwandtschaft zweier Regelungen zu entdecken. Beinhalten unterschiedliche Rechtssätze dieselben Begriffe oder treffen sie dieselben Regelungen, spricht eine starke Vermutung für ein sachliches Verwandtschaftsverhältnis dieser beiden Normen. Solche Übereinstimmungen können also einen Anhaltspunkt bei der Untersuchung ausstrahlungsbezogener Wechselwirkungen bieten. Darüber hinaus begründet aber schon die Begriffs- oder Regelungsparallelität zugleich auch die Vermutung, dass Wechselwirkungen zwischen den Regelungen insoweit bestehen, als die eine Norm die Wertungsvorgaben der anderen indiziell als angemessen akzeptiert. Auf diese „Indizierung“ wird zurückzukommen sein.680 Bei Normen, welche überhaupt keine inhaltlichen Wechselbezüge aufweisen, kommt ein Wertungs- bzw. Regelungstransfer hingegen nicht in Betracht. Inwieweit etwa die Wertungen bzw. Regelungen der Vorschriften über die sofortige Vollziehbarkeit von Anordnungen der Aufsichtsbehörde oder über Umlagen und Kosten (§§ 49 ff. KWG) zur näheren Bestimmung aktienrechtlicher Organisationspflichten herangezogen werden können sollen, erschließt sich nicht.

677

Zum aktienrechtlichen Sachkundeerfordernis vgl oben Fn. 673. Ein Verstoß gegen das Sachkundeerfordernis hat indes nicht die Angreifbarkeit des Wahlbeschlusses zur Folge: Dreher, in: FS Boujong, 71, 73; Habersack, in: MüKoAktG, § 100 Rn. 13; Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, § 30 Rn. 4; Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 100 Rn. 20; Hüffer/Koch, § 100 Rn. 2; Huthmacher, Haftung des Aufsichtsrats, S. 159; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 100 Rn. 10; Semler, in: FS K. Schmidt, 1489, 1490. A.A. Wardenbach, Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat, S. 262 ff. 678 Kiefner, in: KK-AktG, § 251 Rn. 13; Simons, in: Hölters, § 251 Rn. 5 (noch unter Verweis auf den alten § 36 Abs. 3 Satz 5 und 6 KWG, welcher ursprünglich die bankaufsichtsrechtlichen Inkompatibilitäts- und Höchstmandatsregelungen enthielt); Weber/Kersjes, Hauptversammlungsbeschlüsse, § 1 Rn. 480. 679 Die Gegenmeinung lehnt eine Anwendung des § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG bei einem Verstoß gegen § 25d KWG zu Recht ab. Grundlegend Lutter/Krieger/Verse, Rn. 1489. Zustimmend Grunewald, NZG 2015, 609, 612. Umfassend jüngst auch Brönnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, S. 93 ff. 680 Unten § 6 B. II. 1. a).

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2. Hinreichende Bestimmtheit der Ausstrahlungsnorm Die bloße inhaltliche Nähe genügt aber nicht, um die Ausstrahlungsfähigkeit einer Norm zu bejahen. Soll diese einen anderen wertausfüllungsbedürftigen Rechtssatz füllen, muss sie selbst hinreichend bestimmt sein, um einen „Erkenntnisgewinn“ im Rahmen der Auslegung bewirken zu können.681 Dies wird in aller Regel ihre inhaltliche „Überlegenheit“ in der Weise erfordern, dass sie einen höheren Detailgrad als die auszulegende Norm aufweist. Gleichsam wird diese Überlegenheit häufig erst Anlass zu entsprechenden Ausstrahlungsüberlegungen geben.682 Die bankaufsichtsrechtlichen Compliance- und Risikomanagementorganisationspflichten sind ein treffliches Beispiel hierfür. Weist die vermeintliche Ausstrahlungsnorm hingegen ihrerseits in hohem Maße offene wertausfüllungsbedürftige Begriffe auf, ist vielmehr danach zu fragen, ob diese selbst einer Konkretisierung durch den Transfer der Wertungen einer anderen Norm bedarf. So kommt eine Konkretisierung des aktienrechtlichen Pflichtenmaßstabs des Vorstands gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG durch einen Transfer der Wertungen des § 43 Abs. 1 GmbHG kaum in Betracht, weil § 43 Abs. 1 GmbHG selbst in einem Maße unbestimmt ist, dass zur Erarbeitung von Einzelpflichten eine Konkretisierung erforderlich ist.683 II. Faktische Ausstrahlungen Positive faktische Ausstrahlungen bezeichnen den „Transfer“ einer Regelung (im Sinne ihrer interpretativen Vorbildfunktion) auf Grundlage gemeinsamer Wertungen der Ausstrahlungs- und der Aufnahmenorm. Sollen die Regelungen einer Norm im Sinne faktischer Ausstrahlungen Modell für die Interpretation eines anderen Rechtssatzes stehen, müssen die beiden Rechtssätze eine über die bloße inhaltliche Nähe hinausgehende teleologische Kongruenz aufweisen. Diese teleologische Kongruenz beinhaltet das Erfordernis, dass die Wertungen der Ausstrahlungsnorm sich in das die aufnehmende Norm umgebende normative Gesamtgefüge einpassen. Ist dies nicht der Fall, kommen faktische Ausstrahlungen allenfalls in ihrer schrankenbildenden (negativen) Ausprägung zur Geltung.

681

Vgl. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 833. Oben Einführung A. und § 3. 683 Fleischer, in: MüKoGmbHG, § 43 Rn. 10; Haas/Ziemons, in: Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt, § 43 Rn. 55. Unter Umständen ist es aufgrund der gleichgelagerten Sorgfaltsstandards (vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 3) jedoch möglich, die von der Rechtsprechung zu § 43 GmbHG entwickelten Grundsätzen in das Aktienrecht zu übertragen (bzw. umgekehrt), soweit „die Situation bei der GmbH mit der bei der AG vergleichbar ist und nicht vorrangige GmbH-rechtliche Wertungen eine abweichende Entscheidung erforderlich machen“ (so die im GmbH-Konzernrecht übliche Formulierung, vgl. Emmerich, in: Emmerich/ Habersack, vor § 291 Rn. 8). 682

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1. Faktische Ausstrahlungen positiver Ausprägung Ein erster Zugriff auf die Verhältnisbestimmung zweier interagierender Normen kann und wird bisweilen in historisch-gesetzesgenetischen Aspekten liegen. So kann der Gesetzgeber andeuten oder explizit ausdrücken, dass er von einer (wie auch immer gearteten) „Ausstrahlungswirkung“ einer Norm ausgeht.684 Unverrückbar ist der ausgedrückte Wille indes nicht.685 Insbesondere Gründe der Billigkeit oder Erwägungen der Einzelfallgerechtigkeit können den gesetzgeberischen Willen im Rahmen der Auslegung in den Hintergrund treten lassen. Ungeachtet des gesetzgeberisch ausgedrückten Willens kommt es für einen Regelungstransfer im Sinne einer positiven Ausstrahlungswirkung daher maßgeblich darauf an, dass die in Wechselbeziehung stehenden Normen hinsichtlich der ihnen zugrunde liegenden Wertungen, das heißt: Ziele, Zwecke oder Prinzipien, Kongruenzen aufweisen.686 a) Indizierung teleologischer Kongruenzen (Wortlaut) Die Entdeckung zweier unterschiedlichen Teilrechtsordnungen zuzuordnender, gleichwohl teleologisch kongruenter Normen kann sich im Einzelfall als schwierig erweisen.687 Insofern bietet es sich an, bei der Normzweckerforschung auf bestimmte Indizien Acht zu geben, welche die Vermutung teleologischer Kongruenzen begründen. Solche „Indizien“ sind bereits angesprochen worden: Ein wichtiger Anhaltspunkt für teleologische Kongruenzen kann sich aus der Verwendung gleicher Begriffe innerhalb der unterschiedlichen Teilrechtsordnungen bzw. ihrer Normen ergeben.688 Begriffe wie „Wohnsitz“, „Vertrag“ oder „Nichtigkeit“ werden vom öffentlichen Recht gleichermaßen benutzt wie vom Zivilrecht. Vor dem Satz, dass Gleiches gleich zu behandeln ist (Art. 3 Abs. 1 GG), und zur Wahrung der Widerspruchsfreiheit des Gesetzes soll von einer „Einheitlichkeit der Terminologie“ auszugehen sein.689 Normen, welche die gleichen Rechtsbegriffe verwenden, sollen grundsätzlich auch einheitlich auszulegen sein. Gleichermaßen soll die Vermutung einer einheitlichen Bedeutung zweier Normen bestehen, wenn öffentliches Recht und Privatrecht nicht nur die gleichen Begriffe verwenden, sondern im Einzelfall 684

Vgl. oben Fn. 10. Im Zusammenhang mit Ausstrahlungswirkungen aber in diese Richtung Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 667. 686 Systematische Aspekte können für die Feststellung von positiven Ausstrahlungswirkungen allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen, weil diese gerade einen systematischen Bruch vollziehen sollen. Sie werden daher kaum mit systematischen Argumenten zu begründen sein (anders aber Thaten, Ausstrahlungen, S. 163: „Es [scil. das Aufsichtsrecht] ist Erkenntnisquelle im Rahmen der systematischen Auslegung des Aktienrechts“), dürfen aber auch nicht von vorneherein mit solchen abgelehnt werden. In diese Richtung aber Dreher, ZGR 2010, 496, 505; Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 667. 687 Hierzu bereits oben § 6 B. I. 688 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 39. 689 Hierzu Canaris, Systemdenken, S. 117. 685

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identische oder nahezu identische Einzelregelungen enthalten. In diesem Fall regeln beide Teilrechtsordnungen einen Sachverhalt übereinstimmend, entweder unter Verwendung exakt desselben Wortlauts oder unter punktuellen semantischen oder umfassend normstrukturellen Abweichungen, ohne dass die Sachverhaltsregelung divergiert.690 So regeln beispielsweise § 105 Abs. 1 AktG und § 25d Abs. 3a Nr. 1 KWG inhaltlich übereinstimmend, normstrukturell hingegen divergierend die Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zu Geschäftsleitungs- und Aufsichtsorgan.691 In letzterem Fall ist ein Regelungstransfer über faktische Ausstrahlungen freilich in der Regel obsolet. In Fällen einer solchen Indizierung sind öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Normen dergestalt miteinander verbunden, „dass die eine Teilrechtsordnung die (Wertungs-)Vorgaben der anderen als Indiz einer angemessenen Problemlösung akzeptiert.“692 Nach Wolfgang Hoffmann-Riem soll es sich hierbei um eine „rechtlich anerkannte, aber nur indizielle Wirkung“, „eine im Regelfall verbindliche, allerdings überwindbare Wertungsvorgabe“ handeln.693 Die Begriffs- oder Regelungsparallelität zweier Normen kann in diesem Sinne als erster Hinweis auf zwischen diesen bestehende teleologische Kongruenzen gelesen werden. In dieser Parallelität kann dann gleichzeitig ein Ansatzpunkt für die Untersuchung eines Regelungstransfers liegen. Gleichwohl: Eine Begriffs- oder Regelungsparallelität ist keineswegs zwingend für die Annahme teleologischer Kongruenzen und eines auf ihrer Grundlage sich vollziehenden Regelungstransfers (im Sinne positiver Ausstrahlungen). So wird zu Recht vertreten, dass öffentlich-rechtliche Grenzwerte, anerkannte technische Regeln oder eine aufsichtsrechtliche Praxis die Konkretisierung zivilrechtlicher Pflichten und Verantwortlichkeiten indiziell präjudizieren oder zumindest auf Darlegungslasten und materielle Beweislasten zurückwirken können.694 Dies soll gerade auch im Rahmen der Ausfüllung bzw. Konkretisierung von Generalklauseln gelten.695 Zum Beispiel werden immissionsschutzrechtliche Grenzwerte für die Ausfüllung des Wesentlichkeitsmerkmals in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB herangezogen, obschon insoweit nicht ohne weiteres von parallelen Begriffen oder Regelungen ausgegangen werden kann.696 Teleologische Kongruenzen werden sich dennoch begründen lassen, weil sich den Vorschriften des BImSchG und des BGB insoweit ein gemeinsames Prinzip des Schutzes der Nachbarn vor übermäßiger Beeinträchtigung durch Immissionen entnehmen lässt, wenn auch einerseits als Konkretisierung 690

Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 105 f. Vgl. hierzu Plagemann, WM 2014, 2345, 2347. 692 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 39. 693 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 273 f. 694 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 274 f. 695 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 41 f., 111 ff. 696 Zum Verhältnis des Immissionsschutzrechts zu § 906 BGB s. BGH, Urt. v. 23. 3. 1990 – V ZR 58/89, NJW 1990, 2345; Brückner, in: MüKoBGB, § 906 Rn. 18 ff., 21 m.w.N. 691

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des Eigentumsrechts, andererseits im Sinne eines Allgemeinschutzes und einer Allgemeinvorsorge.697 Gemeinsame Begriffe oder Regelungen bilden also lediglich ein erstes Indiz für positive Ausstrahlungen auf Grundlage teleologischer Kongruenzen, sind aber keine zwingende Voraussetzung ihres Bestehens. b) Teleologische Kongruenz (und Vorbehalt der Systemkompatibilität) Genauso wenig aber ist diese „Indizierung“ hinreichende Bedingung einer positiven Ausstrahlung. Vielmehr wird die durch die Indizierung begründete Vermutung einer Wertungskongruenz umgestoßen, wenn die eigene Zwecksetzung der „aufnehmenden“ Norm eine abweichende Norminterpretation verlangt.698 Ein Regelungstransfer kommt nur in Betracht, soweit die Wertungen der Ausstrahlungsnorm den Wertungen der Aufnahmenorm im Wesentlichen entsprechen. Es bedarf eines teleologischen „Deckungsbereichs“,699 kommt also maßgeblich auf teleologische Kriterien an.700 Die Interaktion von Normen, welche unterschiedlichen Zwecken oder Zielen verschrieben oder die Ausformung verschiedener Prinzipien sind, scheidet hingegen in aller Regel aus.701 Dies gilt allzumal, wenn sich die zugrunde liegende Wertungen im Einzelfall sogar widersprechen. Die laut HoffmannRiem „im Regelfall verbindliche“ Wertungsvorgabe ist im Ergebnis also nichts anderes als eine unverbindliche, umstoßbare Wertungsvorgabe.702 Für das Verhältnis des Bankaufsichtsrechts zum Aktienrecht führt Meinrad Dreher aus, dass der Gesetzgeber im Aufsichtsrecht Regelungen erlasse, welche lediglich Konkretisierungen allgemeiner, auch im Aktienrecht geltender Rechtsprinzipien seien.703 Als Beispiele solcher allgemeiner Prinzipien, welche Gegenstand aufsichtsrechtlicher „Konkretisierung“ sein könnten, sollen etwa die Widerspruchsfreiheit von Regelungen, die Vermeidung bzw. Auflösung von Interessenkonflikten, die Gleichbehandlung von Organmitgliedern und die ordnungsgemäße Unternehmensorganisation und -führung in Betracht kommen.704 Während diese Prinzipien im Gesellschaftsrecht unter Umständen nur punktuell und allgemein kodifiziert sind, können sie in anderem Regelungsumfeld eine spezifischere Ausgestaltung erfahren. Die Kodifikation dieser spezifischen Ausgestaltung kann dann 697

Vgl. § 1 Abs. 1 BImSchG. Vgl. Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 39. 699 Vgl. Rothenhöfer, in: Beiträge für Hopt, 55, 70 ff. 700 Vgl. Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 566. Kritisch Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 667. Zur teleologischen Auslegung allg. Larenz, Methodenlehre, S. 333 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 49 ff. Anderer Ansatz bei Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 22 Rn. 717 ff. 701 Zu den Besonderheiten einer schrankenbildenden, faktischen Ausstrahlung sogleich (§ 6 C. II. 2.). 702 A.A. insoweit Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 273 f. 703 Dreher, ZGR 2010, 496, 504. Zu dieser Vorfindlichkeit bereits oben § 5 B. II. 1. a). 704 Dreher, ZGR 2010, 496, 504. 698

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Rückschlüsse auf die Konkretisierung des generell vorfindlichen, jedoch nur allgemein normierten Rechtsgrundsatzes zulassen.705 Das heißt: Die konkret ausformulierten Regelungen des Bankaufsichtsrechts können im Rahmen der Auslegung aktienrechtlicher Vorschriften in das Aktienrecht „transferiert“ werden, soweit die Wertungen der konkreten bankaufsichtsrechtlichen Vorschrift mit den Wertungen der allgemeinen, auslegungsbedürftigen Vorschrift des Aktienrechts übereinstimmen.706 Der Vorbehalt der Systemkompatibilität707 spielt im Rahmen positiver Ausstrahlungen – anders als bei normativen Ausstrahlungswirkungen708 – keine bzw. eine allenfalls untergeordnete Rolle. Zwar müssen die Regelungen der Ausstrahlungsnorm sich nicht nur mit den Wertungen der Aufnahmenorm, sondern darüber hinaus mit den Wertungen der Aufnahmeordnung (das ist die jeweils andere Teilrechtsordnung) und der Rechtsordnung insgesamt – also auch verfassungsrechtlichen Grundsätzen – vereinbaren lassen und sich in dieser Form in das die aufnehmende Norm umgebende normative System einfügen.709 Positive Ausstrahlungen beschreiben jedoch lediglich die Vorbildfunktion einer Norm für eine andere. Sie sind also immer nur Umschreibung für das Ergebnis der Auslegung der „Aufnahmenorm“. Ergibt die Auslegung, dass die Wertungen der zu vergleichenden Normen identisch sind, ist in aller Regel auch eine Aussage darüber getroffen, dass die ausformulierten Regelungen der Ausstrahlungsnorm (implizit) auch in der Aufnahmenorm enthalten sind. Denn die Wertungen der Aufnahmenorm bilden als solche in der Regel bloß eine punktuelle Verdichtung der Wertungen der eigenen Teilrechtsordnung ab. Nimmt hingegen die vermeintliche Ausstrahlungsnorm eine konkretisierende Ausformung eines Prinzips vor, welches in allgemeiner Form auch der „Aufnahmenorm“ zugrunde liegt, verfremdet dieses hierbei aber mit Blick auf bereichsspezifische Sonderzwecke,710 liegt hierin nichts anderes als eine Abänderung der der allgemeinen Norm zugrunde liegenden Wertungen. Eine positive Ausstrahlungswirkung scheitert in diesem Fall schon daran, dass Ausstrahlungs- und Aufnahmenorm nicht dieselben Wertungen zugrunde liegen. Eines Rekurs auf den Vorbehalt der Systemkompatibilität bedarf es nicht.711 705

Dreher, ZGR 2010, 496, 504. So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 61. 707 Hierzu schon oben § 4 B. IV. 2. 708 Dazu unten § 6 B. III. 4. 709 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 39, 102 ff. 710 Vgl. Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 667. 711 Die Gefahr einer Grundrechtsbeeinträchtigung (Art. 3 Abs. 1 GG und – konkret mit Blick auf das Verhältnis Bankaufsichts-/Aktienrecht – Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG) durch eine positiv-faktische Ausstrahlungswirkung besteht schon deshalb nicht, weil diese lediglich das Ergebnis der Auslegung der Aufnahmenorm beschreibt. Anders Thaten, Ausstrahlungen, S. 169 ff., die Ausstrahlungen zwar auch in einem faktischen Sinne (als „Rechtserkenntnisquelle“) versteht, eine Grundrechtsbeeinträchtigung aber dennoch prüft (und grundsätzlich verneint). 706

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c) Grenzen der Auslegung Darüber hinaus ist stets im Sinn zu halten, dass Ausstrahlungswirkungen einen Transfer im Rahmen der Norminterpretation beschreiben sollen. Sie haben daher die anerkannten Auslegungskanones ebenso zu beachten, wie die Grenzen des durch Norminterpretation Erreichbaren. Hierbei ist insbesondere von Bedeutung, dass die Auslegung immer nur dazu dienen kann, den einer Norm durch den Gesetzgeber beigelegten Inhalt (im Sinne der Zweck- und Zielrichtung) zu ermitteln.712 Die maßgebliche Interessenbewertung muss sich aus der Norm selbst ergeben und dem Regelungsziel des Gesetzgebers zugerechnet werden können.713 Hingegen kann die Auslegung nicht dazu dienen, die gesetzgeberischen Interessen zu modifizieren oder für unbeachtlich zu erklären.714 Denn dann geht es nicht mehr darum, Geregeltes zu Tage zu fördern, sondern Ungeregeltes zu regeln. Der Rechtsanwender bedient sich nicht länger der Auslegung, sondern der Rechtsfortbildung.715 Für diese gelten andere Spielregeln.716 Dies betont noch einmal, dass positive Ausstrahlungen stets nur einen „Regelungstransfer“ im Sinne einer Vorbildfunktion beschreiben. Die durch die Aufnahmenorm getroffene Regelung müssen sich aus ihr selbst ergeben. Die Ausstrahlungsnorm kann lediglich im Sinne einer Inspiration bei der Entdeckung der Wertungen und Regelungen der Aufnahmenorm „behilflich“ sein. Wertungen bzw. Regelungen, welche der Aufnahmenorm nicht durch Auslegung zu entnehmen sind, können ihr auch nicht über faktische Ausstrahlungen „hinzugefügt“ werden.717 2. Faktische Ausstrahlungen negativer Ausprägung Die Untersuchung teleologischer Kongruenzen ist auch für die Annahme negativer Ausstrahlungen von Bedeutung. Die besonderen Zwecke und Ziele einer Regelung verbieten eine Verallgemeinerung über ihren speziellen Anwendungsbereich hinaus.718 Wird die gemeinsame teleologische Grundlage im Sinne einer besonderen Ziel- und Zwecksetzung der vermeintlichen Ausstrahlungsnorm verfremdet, ist ein Transfer der aus dieser speziellen Zwecksetzung geborenen Regelungen nicht möglich. Sonderregelungen stellen also eine Auslegungsgrenze für die offenen Rechtsbegriffe der allgemeineren Materie dar: Soweit eine bestimmte Regelung 712

Enneccerus/Nipperdey, BGB, SS. 323. Hierzu schon oben § 5 B. II. 2. Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 22 Rn. 755b. 714 Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 22 Rn. 755a. 715 Engisch, Juristisches Denken, S. 177; Kramer, Methodenlehre, S. 191 ff. Beachte aber den Unterschied der Rechtsfortbildung zu – durch Auslegung zu schließende – offenkundige Norm- bzw. Formulierungslücken. Hierzu Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 23 Rn. 866; Zippelius, Methodenlehre, S. 64. 716 Vgl. Rüthers/C. Fischer/Birk, Methodenlehre, § 22 Rn. 755a f. 717 Dies vermögen allenfalls normative Ausstrahlungen. Hierzu sogleich (§ 6 C. III.). 718 Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 667. 713

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

allein aufgrund besonderer Ziele und Zwecke gerechtfertigt ist, kann ihr Regelungsgehalt nicht im Wege positiver Ausstrahlungen auf Normen übertragen werden, welche nicht ebenfalls diese oder vergleichbare Sonderzwecke verfolgen. Die Wertungen und Regelungen der „ausstrahlenden“ Norm sind insoweit nicht mehr mit den teilrechtsordnungseigenen Wertungen der aufnehmenden Norm kompatibel. Verneint man in diesem Sinne eine positive Ausstrahlung aufgrund spezifischer Zwecke der vermeintlichen Ausstrahlungsnorm, ist damit zugleich eine Aussage über ihre negative Ausstrahlungskraft getroffen: Scheitert die Annahme einer Vorbildwirkung trotz einer inhaltlichen Ausstrahlungsrelevanz des Normverhältnisses an dem Fehlen einer teleologischen Überschneidung, wird in aller Regel zugleich die schrankenbildende Funktion der Ausstrahlungsnorm festgestellt sein.719 3. Fazit Die Annahme der positiven Ausstrahlungswirkung einer Norm auf eine andere setzt voraus, dass eine teleologische Kongruenz der Normen in der Weise besteht, dass sie wenigstens partiell übereinstimmende Ziele, Zwecke oder Prinzipien aufweisen. Solche Kongruenzen werden oftmals bereits durch die Verwendung gleicher Begriffe oder ähnliche Regelungen indiziert sein. Fehlt es an solchen teleologischen Kongruenzen, liegt darin zugleich die Feststellung einer schrankenbildenden Funktion der Ausstrahlungsnorm. III. Normative Ausstrahlungswirkung Die bisherigen Ausführungen haben Geltung ganz allgemein für alle rechtlichen Regularien ungeachtet der erlassenden Stelle und dem Grad ihrer Verbindlichkeit gegenüber dem Adressaten beansprucht. Das ist insoweit unproblematisch, als unter Umständen jede Regelung Ausstrahlungen entfalten kann, die nicht auf einen verbindlichen echten Wertungstransfer abzielen, sondern nur den Anspruch einer inspirativen Beeinflussung erheben. Die Inspiration bleibt im Ergebnis ohne echten modifizierenden Einfluss auf die aufnehmende Norm und hilft nur dabei, die dieser innewohnenden Wertungen ans Licht zu bringen. Damit ist gleich, woher die Inspiration kommt – also auch, welche rechtliche „Wertigkeit“ der Ausstrahlungsnorm

719 Positive und negative Ausstrahlungen bilden im Rahmen der Ausfüllung planmäßiger Gesetzeslücken das argumentativ-interpretative Zweigestirn, welches Analogie- und Umkehrschluss auf dem Feld der Schließung planwidriger Lücken besetzen: Der Umkehrschluss ist der Antagonist der Analogie. Er ist dann begründet, wenn eine Analogie ausscheidet, weil der Zweck bzw. die Wertungen der Rechtsnorm nur auf den ausdrücklich, sprich: unmittelbar vom Gesetz geregelten Fall, zutreffen (Bydlinski, Methodenlehre, S. 476 f. Zu den Voraussetzungen der Analogie oben § 6 A. I. 1. a)).

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zukommt. Gegenstand faktischer Ausstrahlungen können daher zum Beispiel auch die MaRisk sein, obgleich ihnen keine Bindungswirkung zukommt.720 Normative Ausstrahlungswirkungen aber beschreiben nicht den inspirativen Transfer fremder Regelungen auf Grundlage gemeinsamer Wertungen, sondern den verbindlichen Transfer normfremder Wertungen (und der auf ihnen fußenden Regelungen).721 Diese Zielsetzung normativer Ausstrahlungswirkungen begegnet gewissen Problemen: Zum Einen scheint der Transfer normfremder Wertungen mit den Grundsätzen der Auslegung zu kollidieren, die immer nur dazu dienen kann, den einer Norm innewohnenden Regelungsgehalt zutage zu fördern.722 Zum Anderen soll es sich um einen keine Abweichungsmöglichkeiten zugunsten eigener Wertungen der Aufnahmenorm zulassenden verbindlichen Transfer handeln. Von einem verbindlichen Transfer kann aber nur dann gesprochen werden, wenn die Beeinflussung der Aufnahmenorm auch gegenüber dem Adressaten dieser zwingend ist. Das wirft die Frage auf, welchen Grad der Verbindlichkeit die Normen aufweisen müssen, die in das Verhältnis einer normativen Ausstrahlungswirkung zueinander treten sollen. 1. Normativ ausstrahlungsfähige Regelung Konkret ist damit zunächst zu klären, welchen Grad der Verbindlichkeit die Ausstrahlungsnorm erreichen muss, damit der Transfer ihrer Wertungen durch die Aufnahmenorm als verbindlich akzeptiert werden kann. a) Unmittelbar verbindliche Regelungen Unproblematisch lässt sich diese Frage für unmittelbar verbindliche Rechtssätze beantworten. Regelungen, welche ohne einen Zwischenakt für den Adressaten unmittelbar verbindliches Recht darstellen, kommen ohne weiteres als Ausstrahlungsnorm in Betracht. Dies sind solche Regelungen, die einerseits zur Verbindlichkeit geeignet sind, nämlich weil sie von einer Stelle erlassen wurden, welche die Kompetenz zum Erlass verbindlicher Normen inne hat. Andererseits müssen sie nach dem Willen des Regelungsgebers zumindest auch auf Verbindlichkeit gegenüber dem Regelungssubjekt gerichtet sein. Zu solchen Regelungen zählen insbesondere die Verfassung, Parlamentsgesetze, Verordnungen und Satzungen.723 Auch auf eu720 Im Grundsatz ebenso Lorenz, in: Romeike, S. 3, 17; Kießling/Kießling, WM 2003, 513, 515. A.A. Thaten, Ausstrahlungen, S. 184: „Die Rundschreiben der BaFin können Anhaltspunkte dafür geben, ob eine aufsichtsrechtliche Norm einen allgemeingültigen oder aber einen speziellen Inhalt hat. Bei der Begründung einer Ausstrahlung kommt ihnen also Relevanz zu, selber ausstrahlen können sie hingegen nicht.“ Dazu, ob die MaRisk konkret hinsichtlich der Compliance- und Risikomanagement-Organisation eine faktische Ausstrahlungswirkung auf den aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab des Vorstands ausüben, noch ausführlich unten § 9 B. 721 Ausführlich oben § 5 B. I. 722 Hierzu bereits oben § 5 A. 723 Vgl. Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 14 ff.

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ropäischer Ebene findet sich national unmittelbar verbindliches Recht.724 Dies betrifft die in allen ihren Teilen verbindlichen und unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat geltende Verordnungen im Sinne von Art. 288 Abs. 2 AEUV.725 Gleichfalls entfalten Beschlüsse im Sinne von Art. 288 Abs. 4 AEUV unmittelbare, verbindliche Wirkung.726 All diesen Regelungen wohnt bereits ein verbindliches Element inne, welches sich im Ausstrahlungsfall im Rahmen der Auslegung einer anderen Norm fortsetzen kann. b) Nicht unmittelbar verbindliche Regelungen Die Wahl verbindlicher Regelungen durch den Regelungsgeber ist indes keineswegs so selbstverständlich, wie es auf den ersten Blick wirken mag. Gerade im Bereich des (Bank-)Aufsichtsrechts erfreut sich der Rückgriff auf sog. soft law großer Beliebtheit727 und wird der „Kern“ verbindlicher Vorschriften von einer Vielzahl grundsätzlich unverbindlicher Regelungen arrondiert. aa) Fehlende unmittelbare Verpflichtung Die Unverbindlichkeit solcher Regelungen rührt meist daher, dass die erlassende Stelle über keine Gesetzgebungskompetenz, genauer: nicht über die Kompetenz zum Erlass verbindlicher Normen, verfügt. Urheber solcher Regelungen ist nicht der Gesetzgeber. Vielmehr werden diese unverbindlichen Regelungen durch nationale, von der Exekutive eingesetzte Gremien, durch internationale Gremien oder durch private Vereinigungen oder Verbände erlassen.728 Das wohl bekannteste Beispiel bildet der von der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex erlassene DCGK.729 Auf dem Gebiet des (Bank-)Aufsichtsrechts bilden die von der BaFin erlassenen MaRisk ein Beispiel für solches soft law. Auf internationaler Ebene sind die Leitlinien des BCBS oder der EBA zu nennen.730 Indes können auch Stellen mit Normsetzungsbefugnis solche unverbindlichen Regelungen erlassen, insbesondere exekutive Stellen wie die Regierung oder Verwaltungsbehörden.731 Empfehlungen im Sinne von Art. 288 Abs. 5 AEUV sind etwa 724 Vgl. kritisch zu sog. delegierten Rechtsakten, insbesondere „technischen Regulierungsstandards“: Langenbucher, ZBB 2013, 16, 18 und 20 m.w.N. 725 Hierzu Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 89 ff. 726 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 172 ff. (s. insbesondere Rn. 189 zur unmittelbaren Wirkung von Beschlüssen); Geismann, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, Art. 288 AEUV Rn. 56 ff. 727 Zum Begriff des soft law oben Fn. 33. 728 Zutreffend Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 554. 729 Zur Rechtsqualität des DCGK Bachmann, in: Kremer u. a., Vorbemerkung Rn. 80 ff.; Seibt, AG 2002, 249, 250; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 754. 730 Hierzu auch oben Einführung A. I. 731 Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 554.

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unverbindlich, werden jedoch von grundsätzlich normsetzungsbefugten Instanzen – insbesondere der Europäischen Kommission – erlassen.732 In diesem Falle beruht die Unverbindlichkeit der Regelung, sofern es nicht schon an der Normsetzungsbefugnis auf diesem Gebiet fehlt, auf der Entschließung der regelungsgebenden Instanz zum Rückgriff auf eine „unverbindliche“ Handlungsform. bb) Bedeutung als mittelbar verpflichtende Regelungssätze Auch wenn solche Regelungen im Grundsatz für den Adressaten unverbindlich sind, kann ihnen über Zwischenakte in verschiedener Hinsicht rechtliche Bedeutung zukommen. Eine mittelbare Verbindlichkeit kann sich zum Beispiel über eine Selbstverpflichtung des Adressaten ergeben, so im Falle des DCGK.733 Ein Verstoß gegen den DCGK selbst bleibt zwar mangels Rechtsqualität des Kodex ohne Rechtsfolgen.734 Jedoch hat jede börsennotierte Aktiengesellschaft sich gemäß § 161 AktG darüber zu erklären, ob sie dem Kodex folgt bzw. inwieweit sie ihm nicht folgt und aus welchen Gründen.735 Über diese Entsprechenserklärung erlangt der DCGK auch jenseits seines Empfehlungscharakters eine wichtige rechtliche Bedeutung. Erstens macht eine fehlerhafte Entsprechenserklärung die Beschlüsse der Hauptversammlung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat anfechtbar.736 Zweitens kommt eine Haftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft für einen etwaigen auf der fehlerhaften Erklärung beruhenden Schaden in Betracht.737 Eine ähnliche mittelbar-verpflichtende Qualität wird den MaRisk zugesprochen. Mangels Kompetenz der BaFin zur rechtsverbindlichen Interpretation gesetzlicher Normen entfalten diese keine unmittelbar verpflichtende Wirkung.738 Eine gewisse faktische Verbindlichkeit sollen sie dennoch erlangen:739 Vor dem Hintergrund, dass die MaRisk die Auslegung der prinzipienorientierten Regelungen des § 25a Abs. 1

732

Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 203. Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 557, nennt ferner die Möglichkeit selbstverpflichtender Bindung an unternehmensinterne Verhaltensstandards, wie Ethik- oder Best-Practice-Kodizes. 734 Bayer/Scholz, in: Spindler/Stilz, § 161 Rn. 100; Hüffer/Koch, § 161 Rn. 25. 735 Zum Erklärungsinhalt im Einzelnen Goette, in: MüKoAktG, § 161 Rn. 39 ff.; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, § 161 AktG Rn. 9. 736 Ganz h. M.: BGH, Urt. v. 16. 2. 2009 – II ZR 185/07, NZG 2009, 342 (Kirch/Deutsche Bank); BGH, Urt. v. 21. 9. 2009 – II ZR 174/08, NZG 2009, 1270 (Umschreibungsstopp); Goette, in: MüKoAktG, § 161 Rn. 91 ff. m.w.N. Zum Streit um die Anfechtbarkeit von Wahlbeschlüssen wegen einer fehlerhaften Entsprechenserklärung vgl. Hüffer/Koch, § 161 Rn. 32. 737 Überdies kommt über § 31 BGB (analog) auch eine Haftung der Gesellschaft gegenüber Gläubigern in Betracht, zu allem Bayer/Scholz, in: Spindler/Stilz, § 161 R. 100 ff. 738 Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 95 f. Zustimmend Dengler, WM 2014, 2032, 2033. Ausführlich schon oben § 2 A. I. 1. 739 Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 556. Weitergehend Michael, VersR 2010, 141, 143 ff. (Verwaltungsvorschrift mit atypischer faktischer Außenwirkung). 733

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

KWG durch die Behörde wiedergeben,740 haben Unternehmen, welche die MaRisk nicht befolgen, zwar nicht wegen eines unmittelbaren Verstoßes gegen diese, unter Umständen aber wegen eines darin zugleich liegenden Verstoßes gegen § 25a KWG Sanktionen zu befürchten. Umgekehrt kann über den Gleichheitsgrundsatz eine Selbstbindung der Aufsichtsbehörde an ihre (praktizierte) Auslegung des § 25a KWG und damit eine Art „begrenzter Außenwirkung“ eintreten.741 Insoweit ist es sicherlich zutreffend, dass auch den MaRisk eine gewisse Bindungswirkung zukommt.742 cc) Normative Ausstrahlungsfähigkeit nicht unmittelbar verbindlicher Regelungen Zweifelhaft ist, ob solche grundsätzlich unverbindlichen Regelungen Grundlage einer normativen Ausstrahlungswirkung sein können. Zum Teil wird angenommen, dass auch grundsätzlich unverbindliche Regelungen Fernwirkungen im Sinne verbindlicher Ausstrahlungswirkungen entfalten könnten, ist ihre Bindungswirkung nur „ausreichend hoch“ – etwa aufgrund einer „faktischen Bindung“743 an die unverbindliche Regelung (wie im Falle der MaRisk).744 Dem ist entgegenzutreten. Problematisch ist bereits, dass solche unverbindlichen Regelungen meist von nicht gesetzgebungsbefugten Instanzen erlassen werden, der Regelungsgeber also nicht über die Kompetenz zum Erlass von für den Adressaten verbindlichen Regelungen verfügt. Über eine normative Ausstrahlungswirkung könnte diesen unverbindlichen Regelungen über die Auslegung einer anderen Norm gleichwohl mittelbar verbindliche Wirkung verschafft werden. Dies weckt Zweifel an der Vereinbarkeit einer normativen Ausstrahlungswirkung unverbindlicher Normen mit dem Rechtsstaatsprinzip. Aufgrund des Grundsatzes der Gewaltenteilung ist grundsätzlich die Gesetzgebung zum Erlass normativen Rechts berufen, nach dem Vorbehalt des Gesetzes muss normatives Recht inhaltlich wenigstens auf den Gesetzgeber rückführbar sein.745 Dies ist gerade nicht der Fall, wird die Regelung von nicht gesetzgebungsbefugten Stellen erlassen. 740

Vgl. die Nachweise in Fn. 299. Langenbucher, ZBB 2013, 16, 20; Michael, VersR 2010, 141, 142; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 556. Zur Selbstbindung der Verwaltung Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 104 ff.; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 21 ff. 742 Eine Einordnung der MaRisk als sog. „normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift“ ist indes abzulehnen: Brogl, in: Reischauer/Kleinhans, § 1 Rn. 306; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 20 f. m.w.N.; Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 95 f. Grundlegend hierzu BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985 – 7 C 65/82, BVerwGE 72, 300 = NVwZ 1986, 208 (Wyhl); BVerwG, Urt. v. 28. 10. 1998 – 8 C 16-96, BVerwGE 107, 338 = NVwZ 1999, 1114; BVerwG, Urt. v. 29. 8. 2007 – 4 C 2/07, NVwZ 2008, 76. 743 Hierbei handelt es sich freilich um einen Widerspruch in sich. Zu einer ähnlichen contradictio mit Blick auf den Begriff des soft law vgl. Schwarze, EuR 2011, 3 m.w.N. 744 Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 567, die insoweit wohl auch eine Art normativer Ausstrahlungswirkung im Blick hat. 745 Degenhart, Staatsorganisationsrecht, § 4 Rn. 288 ff.; Grzeszik, in: Maunz/Dürig, Art. 20, VI. Rn. 97; Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 86. Zur Rechtssetzung durch die Exekutive 741

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Auch wenn die demokratische Legitimation der regelungsgebenden Stelle besteht bzw. die Befugnis zum Erlass normativen Rechts gegeben ist, kann nicht von einer normativen Ausstrahlungswirkung unverbindlicher Regelungen ausgegangen werden. Diese Annahme widerspräche dem mit der gewählten Handlungsform ausgedrückten Willen der regelungsgebenden Instanz zur unverbindlichen Regelung eines Sachverhalts. Wählt der Regelungsgeber eine unverbindliche Vorschrift zur Regelung eines Sachverhalts, kann diesem nicht der Wille unterstellt werden, dass die Wertungen und Regelungen dieser Norm über normative Ausstrahlungswirkungen im Rahmen einer anderen Norm verbindlich werden sollen.746 Vor allem aber würde mit der verbindlichen Berücksichtigung der Regelung vermittels einer normativen Ausstrahlungswirkung eine schwere Beeinträchtigung des Vertrauensschutzes des Bürgers einhergehen, der aufgrund der gewählten Handlungsform der Erlassstelle auf die Unverbindlichkeit der Vorgabe vertrauen darf. Dem entspricht es, dass zum Beispiel die Empfehlungen des DCGK nicht als verbindliche Konkretisierung der allgemeinen Sorgfaltspflicht der Organmitglieder bzw. umgekehrt als safe harbour in Betracht kommen.747 c) Fazit Die normative Ausstrahlungsfähigkeit einer Norm hängt von ihrer Bindungswirkung ab.748 Normative Ausstrahlungswirkungen im Sinne eines verbindlichen Wertungstransfers können nur von verbindlichen Rechtsnormen ausgehen. Unverbindliche Regelungen hingegen können auch dann keine normative Ausstrahlungswirkung entfalten, wenn sie mittelbare, „faktische Bindungswirkung“ entfalten.749 2. Verbindlichkeit der aufnehmenden Norm Mit der Verbindlichkeit der Ausstrahlungsnorm kann es nicht sein Bewenden haben. Die Verbindlichkeit des Wertungstransfers wird nur relevant, wenn die übertragenen Wertungen sich über die aufnehmende Norm gegenüber dem Bürger vgl. Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 4 ff. Zur entsprechenden Kritik am DCGK s. Hoffmann-Becking, ZIP 2011, 1173, 1174; Seidel, NZG 2004, 1095 f.; Spindler, NZG 2011, 1007, 1009; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 160 ff., 165. 746 Auf den Willen des Gesetzgebers stellt zutreffend auch Rothenhöfer, in: Beiträge für Hopt, 55, 73 – freilich in anderem Zusammenhang – ab. 747 H. M.: Bayer/Scholz, in: Spindler/Stilz, § 161 Rn. 100; Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 180; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, § 161 Rn. 73; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, § 161 AktG Rn. 4 f.; Wittmann/Kirschbaum, in: Heidel, § 161 AktG Rn. 3. Offener Seibt, AG 2002, 249, 250 f., der davon spricht, dass der DCGK „Eingang in das verbindliche Gesetzesrecht“ unter anderem „durch die Ausstrahlungswirkung auf ausfüllungsbedürftige Blankettnormen“ hält. 748 Insoweit zutreffend Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 567. 749 A.A. wohl Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 567.

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

fortsetzen. Bei der Aufnahmenorm muss es sich daher ebenfalls um gegenüber dem Adressaten verbindliches Recht, also insbesondere Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen, handeln.750 Andernfalls mag zwar denkbar sein, dass die verbindliche Ausstrahlungsnorm die Auslegung einer anderen Regelung verbindlich beeinflusst. Diese Beeinflussung setzt sich jedoch gegenüber dem Adressaten nicht fort. Zur Verdeutlichung sei auf das Verhältnis des AktG zu den MaRisk verwiesen: Die Auslegung und Anwendung aufsichtsrechtlicher Vorschriften einschließlich Regelungen der MaRisk wird oftmals nur unter Rückgriff auf das Aktienrecht erfolgen können.751 Der Geschäftsleiterbegriff etwa, der auch jenseits von § 25a Abs. 1 KWG an zahlreichen Stellen des KWG relevant wird,752 kann nur sachgerecht angewendet werden, berücksichtigt man die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zur Vertretung und Geschäftsführung.753 In diesem Rahmen ist auch vorstellbar, dass das Aktienrecht in zwingender Weise Einfluss auf die Auslegung von Vorschriften der MaRisk nimmt. Die Auslegung der MaRisk kann aber gegenüber dem Adressaten nicht verbindlich werden, weil es bereits an der Bindungswirkung der MaRisk selbst fehlt. Die „verbindliche Ausstrahlungswirkung“ verpufft, ohne gegenüber dem Adressaten Geltung zu erlangen. 3. Anordnung der Verbindlichkeit des Transfers fremder Wertungen Problematisch erscheint, ob daraus, dass die Voraussetzungen verbindlicher (Ausstrahlungs- und Aufnahme-)Normen gegeben sind, stets auch auf die Verbindlichkeit des Wertungstransfers selbst geschlossen werden kann. Das Problem liegt darin, dass normative Ausstrahlungswirkungen den verbindlichen Transfer normfremder Wertungen im Rahmen der Auslegung beschreiben. Die Auslegung aber dient nur dazu, die der Norm immanenten Wertungen zu ermitteln. In dem Anspruch einer normativen Ausstrahlungswirkung, eine Norm über die Auslegung mit fremden Wertungen anzureichern, scheint daher ein Widerspruch zu den Grundsätzen der Norminterpretation zu liegen. Dieser Widerspruch ist nicht allein dadurch überwunden, dass Ausstrahlungs- und Beeinflussungsnorm verbindliche Rechtssätze sind. Vielmehr kann der Anspruch eines verbindlichen Transfers normfremder Wertungen nur dadurch mit den 750 Freilich zählt auch die Verfassung zum verbindlichen Recht. Indes kommt eine verbindliche inhaltliche Prägung einer Verfassungsnorm durch niederrangiges Recht grundsätzlich nicht in Betracht. Damit kann die inhaltliche Beeinflussung einer Verfassungsnorm allenfalls durch eine andere Verfassungsnorm (oder gegebenenfalls internationales Recht) passieren. Ausstrahlungswirkungen auf Ebene der Verfassung sind hier jedoch nicht Gegenstand der Betrachtung. 751 Hierzu Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 283 f. Ferner Bürkle, WM 2005, 1496, 1499. 752 Überblick bei Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, § 1 Rn. 162. 753 Vgl. Demmelmair, in: Beck/Samm/Kokemoor, § 1 Abs. 2 Rn. 778 ff.

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Grundsätzen der Auslegung in Einklang gebracht und der (vermeintliche) Widerspruch aufgelöst werden, dass man die Anordnung der Rechtsordnung fordert, ein verbindlicher Wertungstransfer möge sich zwischen den beiden Normen vollziehen. Ergibt sich aus der Aufnahmenorm, dass diese fremde Wertungen im Rahmen ihrer Anwendung akzeptiert, entspricht der Wertungstransfer im Ergebnis wieder ihren Wertungen. Es geht quasi nicht mehr um den Transfer fremder Wertungen, sondern um die Ausfüllung einer eigenen Wertung der aufnehmenden Norm durch Rückgriff auf die Ausstrahlungsnorm. In aller Regel wird sich daher aus der aufnehmenden Norm selbst eine solche Anordnung der verbindlichen Wertungsvorgabe ergeben müssen, indem sie vorgibt, dass sie (in bestimmten Fällen) auch solche Wertungen aufnimmt und als für sich verbindlich akzeptiert, die ihr nicht unmittelbar zugrunde liegen. Jenseits etwaiger Ausstrahlungswirkungen finden sich solche Anordnungen etwa in Verweisen oder Fiktionen.754 Ein Beispiel einer solchen Anordnung ohne förmlichen Verweis bildet die bereits angesprochene Generalklausel des § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG, wonach der Aufsichtsratswahlbeschluss bei einer Verletzung des „Gesetzes“ angefochten werden kann.755 Mit Gesetz ist insoweit jede Rechtsnorm im Sinne des Art. 2 EGBGB gemeint.756 Ein Gesetzesverstoß führt damit zu einer Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses, unabhängig von den dem verletzten Gesetz zugrunde liegenden Zwecken, Zielen oder Prinzipien. Vielmehr macht sich § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG die Wertungen dieser „Gesetze“ zu Eigen bzw. ignoriert diese, sodass es für seine Anwendung keine Rolle spielt, dass über den Gesetzesbegriff unter Umständen teilrechtsordnungsfremde Wertungen aufgenommen werden. Es entspricht vielmehr der eigenen Wertung des § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG, dass es auf die (fremden) Wertungen des „Gesetzes“ nicht ankommt. 4. Vorbehalt der Systemkompatibilität Auch bei normativen Ausstrahlungen lässt sich darüber nachdenken, ob gemeinsame Zwecke, Ziele oder Prinzipien im Sinne einer teleologischen Kongruenz zu den inhaltlichen Anforderungen an jene zählen.757 Das Ziel einer normativen Ausstrahlungswirkung – der Transfer fremder Wertungen und Regelungen – zeigt aber bereits, dass teleologische Kongruenzen in diesem Sinne grundsätzlich nicht erforderlich sind. Vielmehr macht die Verbindlichkeitsanordnung die teleologischen 754

Implizit hält auch Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 306, die Existenz einer Art normativer Ausstrahlungswirkung für möglich, indem er auf die Möglichkeit eines verbindlichen Wertungstransfers (im Sinne einer Veränderung des Gehalts der Normen der aufnehmenden Teilrechtsordnung) auch ohne förmlichen Verweis hinweist. 755 Oben § 6 C. I. 1. 756 Hüffer, in: MüKoAktG, § 243 Rn. 16; K. Schmidt, in: GK-AktG, § 251 Rn. 4 m. § 243 Rn. 9. 757 Zum Erfordernis teleologischer Kongruenzen bei positiv-faktischen Ausstrahlungen oben § 6 B II. 1. b).

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

Grundlagen der beiden Normen gleich – sie spielen für das Wechselspiel keine Rolle. Auch normativen Ausstrahlungen sind jedoch – trotz Verbindlichkeitsanordnung – Grenzen gesetzt. Insbesondere kann eine normative Ausstrahlungswirkung abzulehnen sein, verstößt sie gegen den Vorbehalt der Systemkompatibilität. Dieser stellt zwar nicht das Erfordernis auf, dass Ausstrahlungs- und Aufnahmenorm gemeinsame teleologische Grundlagen aufweisen müssen. Jedoch knüpft er die Ausstrahlungswirkung an die Bedingung, dass die transferierten Wertungen und Regelungen mit vorrangigen eigenen Wertungen der „Aufnahmeordnung“ oder mit überragenden allgemeinen Rechtsprinzipien kompatibel sind. Die zu übertragenden Wertungen müssen sich in das die aufnehmende Norm umgebende normative System einfügen und mit den Wertungen und Steuerungsvorgaben der fremden Teilrechtsordnung harmonieren. a) Gefahr dysfunktionaler Blockaden Da die Ausstrahlungsnorm nicht das Abbild normeigener Wertungen der Aufnahmenorm ist, sondern dieser uneigene Wertungen hinzufügen soll, besteht bei normativen Ausstrahlungswirkungen die Gefahr, dass es zu dysfunktionalen Blockaden kommt: Passen sich die fremden Wertungen und Regelungen nicht in das normative Gesamtgefüge der aufnehmenden Ordnung ein, besteht die Gefahr einer Behinderung der Zielverwirklichung und damit der Beeinträchtigung der Funktionalität der jeweiligen Steuerungselemente.758 Dies kann etwa bei einer Beeinträchtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit oder des Grundsatzes der Gewaltenteilung anzunehmen sein. Diese dürfen durch einen Wertungstransfer nicht über Gebühr beeinträchtigt werden.759 Zur Illustration ist auf die Frage der Anfechtbarkeit von Aufsichtsratswahlbeschlüssen bei einem Verstoß gegen die besonderen persönlichen Anforderungen des § 25d KWG zurückzukommen:760 Ein Verstoß gegen § 25d KWG stellt eine Verletzung des Gesetzes dar und würde als solcher nach dem Wortlaut des § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG die Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses begründen.761 Die Möglichkeit eines private enforcement der aufsichtsrechtlichen Anforderungen im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG neben den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen der Aufsichtsbehörde (insbesondere § 36 Abs. 3 Satz 1 KWG) würde jedoch zu einer unerträglichen Erhöhung der Rechtsunsicherheit mit Blick auf die Wirksamkeit der Aufsichtsratswahl führen.762 Die verbandsendogen initiierte 758 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 271. Ferner Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 61. 759 Vgl. zur „Ausstrahlung“ der §§ 31 ff. WpHG Assmann, in: FS U. H. Schneider, S. 37, 47; Sethe, AcP 212 (2012), 80, 125. 760 Zu diesem Beispiel bereits oben § 6 B. I. 1. und III. 3. 761 Grunewald, NZG 2015, 609, 612. 762 Ausführlich Lutter/Krieger/Verse, Rn. 1489. Jüngst auch Brönnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, S. 93 ff.

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Anfechtungsklage könnte die Kontrollbefugnis der Aufsichtsbehörde vorwegnehmen (oder umgekehrt), wodurch die jeweiligen Kontroll- und Eingriffsziele (der behördlichen bzw. der privaten Angriffsmöglichkeiten) beschnitten würden. Aufgrund dieser Gefahr dysfunktionaler Blockaden ist die Anfechtbarkeit eines Aufsichtsratswahlbeschlusses bei einem Verstoß gegen § 25d KWG abzulehnen.763 Über das Argument des Kompatibilitätsvorbehalts kann die Verbindlichkeitsanordnung der Beeinflussungsnorm also ausnahmsweise außer Kraft gesetzt werden, um der Gefahr dysfunktionaler Blockaden entgegenzuwirken. b) Grenzen der Auslegung Im Übrigen vollziehen sich auch normative Ausstrahlungen allein im Rahmen der Auslegung. Daher haben auch diese die Grenzen der Interpretation zu wahren. Lässt sich die Anordnung der Verbindlichkeit eines Wertungstransfers in Form der „Ausstrahlungswilligkeit“ einerseits oder der „Aufnahmewilligkeit“ andererseits auf dem Interpretationswege nicht feststellen, müssen Ausstrahlungswirkungen ausscheiden. Normative Ausstrahlungswirkungen entfallen, wenn die Verbindlichkeitsanordnung erst im Wege der Rechtsfortbildung ergänzt werden muss. Die Rechtsfortbildung nämlich verlässt das Gebiet der Auslegung und vollzieht sich jenseits ihrer Grenzen – und damit jenseits der Grenzen, binnen derer Ausstrahlungswirkungen existieren können 5. Fazit Ein verbindlicher Transfer fremder Wertungen (und Regelungen) lässt sich nur erreichen, soweit sich durch Auslegung ergibt, dass die Aufnahmenorm die fremden Wertungen im Rahmen ihrer Anwendung akzeptiert. Normative Ausstrahlungswirkungen setzen daher neben einer Ausstrahlungs- und einer Aufnahmenorm, die jeweils unmittelbar gegenüber dem Adressaten verbindlich sind, eine durch Auslegung zu ermittelnde Anordnung der Rechtsordnung voraus, dass die Wertungen und Regelungen jener zwingend auch im Rahmen der Auslegung und Anwendung 763 I. E. ebenso Brönnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, S. 93 ff.; Grunewald, NZG 2015, 609, 612; Lutter/Krieger/Verse, Rn. 1489. Mit Blick auf die Neufassung des § 100 Abs. 5 AktG durch das AReG (Gesetz zur Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/ 2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse vom 10. 5. 2016 – Abschlussprüferreformgesetz) könnte eine teilweise Neubeurteilung erforderlich sein. § 100 Abs. 5 AktG n.F. fordert zum Teil deckungsgleich mit § 25d Abs. 1 KWG, dass in bestimmten Gesellschaften (u. a. in CRR-Instituten) mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung oder der Abschlussprüfung verfügt und die Aufsichtsratsmitglieder in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sind. Insoweit stellt sich die Frage, ob ein Verstoß gegen dieses unmittelbar aktienrechtliche Erfordernis die Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses gemäß § 251 Abs. 1 AktG zu begründen vermag. Für eine Anfechtbarkeit unter § 100 Abs. 5 a. F. Habersack, in: MüKoAktG, § 100 Rn. 71; dagegen Hüffer/Koch, § 100 Rn. 28.

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

dieser Geltung entfalten. Eine teleologische Kongruenz der beiden Normen ist hierbei nicht erforderlich – wohl aber, dass der Wertungstransfer den Vorbehalt der Systemkompatibilität beachtet und insoweit insbesondere mit allgemeinen Rechtsprinzipien wie dem Grundsatz der Rechtssicherheit oder der Gewaltenteilung vereinbar ist. IV. Exkurs: Verhältnis normativer und faktischer Ausstrahlungen zueinander Die Gesamtschau der unterschiedlichen Anforderungen an faktische Ausstrahlungen einer- und normative Ausstrahlungen andererseits ermöglicht einen exkursorischen Blick auf ihr Verhältnis zueinander. Der verbindliche Anspruch normativer Ausstrahlungswirkungen erweckt den Anschein, diese bildeten ein plus zu faktischen Ausstrahlungen und beanspruchten daher einen methodenlogischen Vorrang. Faktische Ausstrahlungen beschreiben schließlich nur die Vorbildfunktion einer Vorschrift, während Ausstrahlungen normativer Prägung mit verbindlichem Anspruch auftreten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Norm nicht eine unverbindliche Vorbildfunktion erfüllen kann, soweit ihre Wertungen bereits verbindlich im Rahmen der Auslegung einer anderen Norm zu berücksichtigen sind. Allerdings ist die unterschiedliche Zielrichtung der beiden Ausstrahlungsarten zu rekapitulieren: Normative Ausstrahlungen sind auf den Transfer fremder Wertungen gerichtet, faktische Ausstrahlungen auf die Entdeckung von der Aufnahmenorm immanenten Wertungen. Ergibt die Auslegung, dass die teleologischen Grundlagen der Ausstrahlungs- und der Aufnahmenorm übereinstimmen, kann ein Transfer fremder Wertungen im Sinne normativer Ausstrahlungen nicht mehr in Betracht kommen. Ergibt die Auslegung hingegen teleologische Differenzen, scheidet wiederum eine Vorbildfunktion im Sinne faktischer Ausstrahlungen aus. Eine wertungsbzw. regelungsbezogene Wechselwirkung kommt nur mehr in Form eines Transfers fremder Wertungen bzw. Regelungen über normative Ausstrahlungswirkungen in Betracht. Die beiden Ausstrahlungsarten beschreiben daher unterschiedliche Ergebnisse der Normauslegung. Sie stehen in keinem Rang-, sondern in einem aliudVerhältnis zueinander. V. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Ausstrahlungswirkungen einer Norm nur dann in Betracht kommen, wenn diese unter Wertungs- bzw. Regelungsgesichtspunkten eine inhaltliche Nähe zur Aufnahmenorm aufweist. Zudem muss die Ausstrahlungsnorm hinreichend bestimmt sein, um die ihrerseits aufgrund unbestimmter Rechtsbegriffe oder Generalklauseln auslegungsoffene und -bedürftige Aufnahmenorm inhaltlich auszufüllen.

§ 7 Ergebnisse des 2. Teils

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Ein Regelungstransfer im Sinne faktischer Ausstrahlungen kommt sodann nur insoweit in Betracht, als eine teleologische Kongruenz zwischen Ausstrahlungs- und Aufnahmenorm besteht und sich die zu transferierenden Regelungen in das die aufnehmende Norm umgebende normative Gesamtgefüge einpassen. Fehlt es hieran, kann allein von einer faktischen Ausstrahlung in ihrer negativen, schrankenbildenden Funktion ausgegangen werden. Ein normativer Wertungstransfer erfordert hingegen zwar keine teleologische Kongruenz, jedoch zwingend die Verbindlichkeit sowohl der Ausstrahlungs- als auch der Aufnahmenorm. Darüber hinaus muss die Auslegung ergeben, dass die Aufnahmenorm die fremden Wertungen und Regelungen als verbindlich für die eigene Auslegung akzeptiert. Ausnahmsweise kann trotz Verbindlichkeitsanordnung ein Transfer am Vorbehalt der Systemkompatibilität scheitern, wenn die Gefahr dysfunktionaler Blockaden droht.

§ 7 Ergebnisse des 2. Teils: Bankaufsichtsrechtliche Ausstrahlungswirkungen als Element einer Koordination von öffentlichem Recht und Zivilrecht Ziel dieses Kapitels war es, die Grundlagen des Ausstrahlungsbegriffs sowie die Voraussetzungen einer Ausstrahlungswirkung herauszuarbeiten. Dieses Fundament soll zum Einen die methodenrechtliche Einordnung und die Erfassung der Bedeutung einer Ausstrahlungswirkung, zum Anderen die Untersuchung ermöglichen, ob die Verhältnisbestimmung zwischen bankaufsichts- und aktienrechtlichen Complianceund Risikomanagement-Organisationspflichten über eine Ausstrahlungswirkung erfolgen kann. Dabei hat sich gezeigt, dass sich der – zunächst nur bankaufsichtsrechtliche – Ausstrahlungsbegriff ergebnisorientiert anhand der Leistungen bestimmen lässt, welche eine Ausstrahlungswirkung erbringen soll. Daraus folgen drei wesentliche Merkmale: Gegenstand der Ausstrahlungswirkung ist ein Wertungsbzw. Regelungstransfer, der aus Anlass des Aufeinandertreffens zweier Normen verschiedener Teilrechtsordnungen erfolgt, und sich im Rahmen der Auslegung als Forum der Ausstrahlungswirkung vollziehen soll. Der Wertungs- bzw. Regelungstransfer ist dabei das Kernelement einer Ausstrahlungswirkung, mit Blick auf seine Intensität aber zugleich ihr „dynamisches Charakteristikum“. Die Intensität des Transfer kann den Grad des Normativen erreichen, wenn fremde Wertungen und Regelungen mit verbindlichem Anspruch in die andere Teilrechtsordnung transferiert werden, und kann im Faktischen verbleiben, wenn die ausdifferenzierten Regelungen der fremden Teilrechtsordnung aufgrund gemeinsamer Wertungen lediglich als Vorbild bei der Interpretation teilrechtsordnungseigener Normen herangezogen werden. Ohne Frage ist hierbei insbesondere die – in ihrer rechtlichen Wirkung eher greifbare – verbindliche Ausstrahlungswirkung interessant, verlangt aber zugleich nach strengeren methodenrechtlichen Voraussetzungen.

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2. Teil: Grundlagen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung

Gleichzeitig ist der „vermittelte“ Transfer dasjenige Element der Ausstrahlung, welches seine methodenrechtlichen Bedeutung für die Interaktion der unterschiedlichen Teilrechtsordnungen widerspiegelt: Öffentliches Recht und Zivilrecht treten sich im Sinne wechselseitiger Auffangordnungen gegenüber. Dies ermöglicht, die Leistungsdefizite einer Teilrechtsordnung durch die Nutzung von Wertungen und Regelungselementen der jeweils anderen Teilrechtsordnung im Sinne einer komplementären und substituierenden Ergänzung aufzufangen. Ein Zusammentreffen öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Normen im Sinne einer Auffangrelation macht jedoch immer zugleich eine Bestimmung ihres Verhältnisses zueinander – eine Koordination – erforderlich. Ausstrahlungswirkungen – ob in faktischer oder normativer Ausprägung – leisten beides zugleich: Sie sind Auffangfunktion und Verhältnisbestimmung. Ein Wertungs- bzw. Regelungstransfer via Ausstrahlungen beinhaltet die Möglichkeit, auf die Erkenntnisse der jeweils anderen Teilrechtsordnung zurückzugreifen. So beschreiben faktische Ausstrahlungen sämtliche Fälle „wertbezogener Durchdringungen“, in welchen eine Norm im Rahmen der Auslegung unter Respektierung des ganzheitlichen Zusammenhangs der Rechtsordnung in der anderen Teilrechtsordnung entwickelte Wertungs- bzw. Regelungsvorgaben entdeckt und als eigene anerkennt.764 Dagegen beschreiben normative Ausstrahlungen all die Fälle, in welchen das Auslegungsergebnis ergibt, dass die normativen Prämissen der jeweils anderen Teilrechtsordnung auf die auszulegende Norm einwirken und ihren Gehalt verändern.765 In beiden Fällen findet ein Wechselspiel zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht statt. In koordinationsdogmatischer Hinsicht bilden Ausstrahlungen daher einen eigenen Typus der Auffangrelationen.766 Zugleich nimmt ein Wertungs- bzw. Regelungstransfer immer auch eine Koordination vor, indem er die interagierenden Normen der unterschiedlichen Teilrechtsordnungen im Sinne einer materiellen Normrelation in ein Verhältnis zueinander setzt und ihre Bedeutung für- und nebeneinander zusammenfasst. Hierdurch tragen Ausstrahlungswirkungen zur Kohärenz und Konsistenz des teleologischen Gesamtgefüges der Rechtsordnung bei. Ausstrahlungswirkungen vollziehen sich dabei im Rahmen der Normauslegung. Als Ergebnis der Auslegung sind sie niemals als solche Argument für einen Wertungs- bzw. Regelungstransfer. Vielmehr können sie immer nur in dem Umfang auftreten, in welchem die Normauslegung sie zulässt. Niemals können sie über die Auslegung hinausreichen, niemals ohne Beachtung der Auslegungsregeln begründet werden. Entsprechend ergeben sich die Voraussetzungen einer Ausstrahlungswir764

Vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 306. Vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 306. 766 Ausstrahlungen bilden einen hybriden Auffangvorgang. Ihnen wohnen ebenso Elemente eines Auffangvorgangs über eine Normrelation inne wie Elemente eines Auffangvorgangs über Verbindungsebenen oder Bauformen (s. oben § 4 B. III. 2.). Dies raubt ihnen jedoch nicht ihre in koordinationsdogmatischer Hinsicht bestehende typologisierende Bedeutung. Vielmehr liegt es in der Natur der Typologie, dass sie keine trennscharfe Abgrenzung vornimmt, sondern Überschneidungsbereiche zwischen verschiedenen Typen zulässt. 765

§ 7 Ergebnisse des 2. Teils

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kung insbesondere aus ihrer Interpretationsbezogenheit. Durch die Abhängigkeit von der Auslegung wird die koordinative Funktion von Ausstrahlungswirkungen einerseits begrenzt: Ausstrahlungswirkungen beschreiben das Ergebnis einer Normauslegung. Dem Ausstrahlungsbegriff kommt insoweit vor allem eine deskriptive, zusammenfassende Funktion zu. Er ist Oberbegriff für die Wirkungen in Form eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers, welche die Interpretation zu leisten imstande ist. Andererseits liegt gerade in dieser deskriptiven Funktion des Ausstrahlungsbegriffs seine methodologisch-terminologische Existenzberechtigung: Unter dem Begriff der Ausstrahlungswirkungen können die Voraussetzungen zusammengefasst werden, welche an einen Wertungs- bzw. Regelungstransfer zwischen zwei uneingeschränkt nebeneinander geltenden, formell unverbundene Normen zu stellen sind. Damit erlaubt der Ausstrahlungsterminus eine inhaltliche und begrifflich klare Abgrenzung der sich im Rahmen der Auslegung vollziehenden Wechselwirkung zweier Normen zu (anderen) wertungs- bzw. regelungsbezogenen methodenrechtlichen Instrumenten, die einer formellen Verbindung bedürfen (z. B. der Verweis) oder die Koexistenz zweier gleichberechtigter Normen angreifen (Derogation) bzw. ihr Fehlen substituieren sollen (Analogie). Das Denken in Kategorien fällt leicht. Die Begriffs- und Typusbildung übt auf den Rechtsanwender stets hohe Attraktivität aus. Hierin liegt auch der Reiz eines Ausstrahlungsbegriffs. Die koordinationsdogmatische Vertypung der Ausstrahlungswirkung als Element einer Verhältnisbestimmung zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht birgt aber zugleich eine Gefahr: Die Gefahr nachlässiger Rechtsinterpretation und -anwendung. Der Verweis auf die scheinbare Erfüllung bestimmter Typenmerkmale darf niemals eine erforderliche – wenn auch unter Umständen schwerfällige und umständliche – Argumentation im Detail ersetzen. Ausstrahlungswirkungen muss sich immer in dem Bewusstsein genähert werden: Der bloße Verweis auf die Ausstrahlungswirkung einer Norm darf nicht zum Substitut einer sachgerechten Auslegung werden. Die Abhängigkeit einer Ausstrahlungswirkung von der Norminterpretation und ihre Konkurrenz zu anderen Instrumenten des Wertungs- bzw. Regelungstransfers begründen bereits den Verdacht, dass ihr Anwendungsbereich gering sein dürfte. Dieser wird sich im Folgenden am Beispiel des Verhältnisses aufsichtsrechtlicher zu aktienrechtlichen Organisationsanforderungen erhärten: Für Ausstrahlungswirkungen ist grundsätzlich kein Raum.767

767 Eine – als solche allerdings wenig überraschende – Ausnahme bildet die allein aufgrund der Legalitätspflicht (als Verbindlichkeitsanordnung) begründbare normative Ausstrahlung aufsichtsrechtlicher Vorschriften auf den Pflichtenkanon des Vorstands. Hierzu unten § 9 C. II.

3. Teil

Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten Das im zweiten Teil der Arbeit entwickelte Verständnis des Ausstrahlungsbegriffs erlaubt es, nunmehr konkret das Spannungsverhältnis zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht anhand der These zu untersuchen, dass die beiden Rechtsgebiete über eine Ausstrahlungswirkung des Bankaufsichtsrechts in Wechselbeziehungen zueinander treten. Hierfür ist in einem ersten Schritt grundlegend zu untersuchen, ob die Rahmenbedingungen für eine Ausstrahlungswirkung der bankaufsichtsrechtlichen Organisationsvorstellungen auf den aktienrechtlichen Pflichtenrahmen des Vorstands gegeben sind. Von dieser Grundlage ausgehend ist die konkrete Bedeutung der besonderen organisatorischen Pflichten des Aufsichtsrechts für das Aktienrecht anhand der inhaltlichen Anforderungen an eine Ausstrahlungswirkung zu untersuchen. Dies erfordert eine Differenzierung zwischen faktischen und normativen Ausstrahlungswirkungen. Dabei wird sich zeigen, dass diese Differenzierung sich mit einer weiteren Unterscheidung deckt: Eine Beeinflussung ist in der Weise denkbar, dass das branchenspezifische Aufsichtsrecht über eine faktische Ausstrahlung verallgemeinert wird und so Bedeutung für alle Aktiengesellschaften erlangt. Es kommt also eine Verallgemeinerung branchenspezifischer Standards über faktische Ausstrahlungen in Betracht. Auch für den Bankvorstand stellen Aufsichts- und Aktienrecht aber zwei eigene, voneinander zu unterscheidende Pflichtenkanones auf. Ein Transfer der aufsichtsrechtlichen Wertungen in das Aktienrecht stellt aus der Perspektive des Bankvorstands allerdings keine Verallgemeinerung dar, sondern lediglich eine Beeinflussung seines aktienrechtlich abgesteckten Pflichtenrahmens durch aufsichtsrechtliche Vorgaben. Insoweit kommt eine verbindliche branchenspezifische Konkretisierung des aktienrechtlichen Pflichtenkanons über eine normative Ausstrahlungswirkung in Betracht. Hier geht es also nicht um eine Verallgemeinerung der Branchenspezifika, sondern um ihre Integration in das Aktienrecht.

§ 8 Voraussetzungen einer Ausstrahlungswirkung zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht Ungeachtet der Unterscheidung zwischen faktischer, verallgemeinernder (branchenübergreifender) und normativer, brancheninterner Ausstrahlungswirkung müssen bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein, damit der Weg für eine Aus-

§ 8 Voraussetzungen einer Ausstrahlung auf das Aktienrecht

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strahlungswirkung frei ist. Insbesondere muss sich hierfür ein Bedürfnis ergeben, nämlich weil andere methodenrechtliche Instrumente eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers nicht vorrangig greifen.

A. Koordinationsdogmatische Bedeutung des Verhältnisses zwischen Aufsichts- und Aktienrecht Es ist bereits zu der Überlegung Stellung genommen worden, dass Ausstrahlungswirkungen nicht unbedingt die Interaktion von Normen unterschiedlicher Teilrechtsordnungen voraussetzen – wenngleich sie in aller Regel über die Grenze der Teilrechtsordnungen hinweg stattfinden dürften.768 Auch für eine Ausstrahlung des § 25a Abs. 1 KWG auf das Aktienrecht ist es damit nicht zwingend Voraussetzung, dass zwischen den beiden Rechtsgebieten diese folgenschwere Grenze verläuft. In dem hier verstandenen Sinn – Ausstrahlungen als Element der Koordination von öffentlichem und privatem Recht – bedürfen sie indes sehr wohl zwei sich fremder Normen.769 Koordinatorische Funktion erfüllen sie mit Blick auf die aufsichts- und aktienrechtlichen Organisationsanforderungen nur, wenn die Wertungen bzw. Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG nicht ohnehin in das Aktienrecht integriert sind bzw. umgekehrt, den aktienrechtlichen Compliance- und RisikomanagementAnforderungen nicht auch öffentlich-rechtlicher Charakter zukommt. Letzteres Szenario bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Ausführungen. Bei den aktienrechtlichen Vorstandspflichten – einschließlich der Pflicht zu Compliance und Risikomanagement – handelt es sich um reines Zivilrecht.770 Um die koordinationsdogmatische Bedeutung einer Ausstrahlungswirkung für das hier betrachtete Spannungsverhältnis und damit zugleich zu verdeutlichen, warum sich gerade dieses zur Untersuchung von Ausstrahlungswirkungen anbietet und entsprechend oft gewählt wird,771 ist im Folgenden herauszuarbeiten, dass es sich bei § 25a Abs. 1 KWG um eine rein öffentlich-rechtliche Norm handelt. Dabei ist insbesondere ein Augenmerk darauf zu legen, dass die Notwendigkeit einer „Grenzüberschreitung“ (und damit zugleich die Koordinationsfunktion einer etwaigen Ausstrahlung) nicht etwa deshalb entfällt, weil der Regelungsgehalt des § 25a Abs. 1 KWG aufgrund eines Doppelnormcharakters sowohl in die öffentlichrechtliche als auch in die zivilrechtliche Teilrechtsordnung inkorporiert ist.772

768 769 770

AktG.

Oben § 5 C. III. Vgl. oben § 4 C. Öffentliches – genauer: strafrechtliches – Aktienrecht findet sich etwa in §§ 399 ff.

771 Vgl nur Thaten, Ausstrahlungen, passim; Dreher, ZGR 2010, 496, 505; Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 668; Weber-Rey, ZGR 2010, 543. 772 Hierzu oben § 5 C. I.

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

Ein solcher Doppelnormcharakter wird etwa für die wertpapierhandelsrechtlichen Organisationspflichten des § 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a. F. vertreten.773 Nach der Vorschrift war ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, die für eine ordnungsmäßige Durchführung von Wertpapierdienst- und -nebendienstleistungen notwendigen Mittel und Verfahren vorzuhalten und wirksam einzusetzen. Einerseits wurde für den öffentlich-rechtlichen Charakter der Norm insbesondere die Überwachung durch die Aufsichtsbehörde angeführt.774 Andererseits sollte in § 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a. F. eine Konkretisierung vor- und nebenvertraglicher (zivilrechtlicher) Pflichten zu sehen sein, die primär dem Anleger- und nur sekundär dem Funktionsschutz des Kapitalmarktes dienen.775 Da sich weder die Argumente für eine öffentlich-rechtliche noch für eine zivilrechtliche Einordnung vollständig entkräften ließen, sollte die Organisationspflicht des § 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a. F. nach teilweise vertretener Ansicht als Norm mit Doppelcharakter einzuordnen sein.776 Mit seinen unternehmensorganisationsrechtlichen Anforderungen macht auch § 25a Abs. 1 KWG Vorgaben in einem typisch gesellschaftsrechtlichen Regelungsbereich. Dessen Einhaltung wird aber durch die Aufsichtsbehörde überwacht und gegebenenfalls autoritativ durchgesetzt.777 Dies gibt Anlass, parallel zu den Überlegungen zu § 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a. F. auch über den Doppelcharakter des § 25a Abs. 1 KWG nachzudenken. Hinsichtlich des § 25a Abs. 1 KWG fehlt es an einer (dem Gesetzgeber grundsätzlich freistehenden778) eindeutigen Zuordnung zu einer der beiden Teilrechtsordnungen. Der regelungshistorischen Tradition des deutschen Gesetzgebers würde eine Einordnung des § 25a Abs. 1 KWG in das öffentliche Recht entsprechen: Die Banken- und Finanzaufsicht ist traditionell Teil des besonderen Gewerbeaufsichtsrechts und damit öffentlich-rechtlich.779 I. Europarechtliche Vorgaben für § 25a KWG Allerdings ist mit Blick auf § 25a Abs. 1 KWG zu beachten, dass dieser auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zurückgeht. Namentlich setzen die dort nor773

Fischbach, Organisationspflichten, S. 193 f. Wohl auch Reich, WM 1997, 1601, 1603 f. Instruktiv Bliesener, Wertpapierhandel, S. 103 ff. Ferner Fischbach, Organisationspflichten, S. 192 f. m.w.N. 775 Fischbach, Organisationspflichten, S. 193 f. s. auch Kümpel, WM 1995, 689. 776 Fischbach, Organisationspflichten, S. 194; N. Lang, ZBB 2004, 289, 294; Reich, WM 1997, 1601, 1603 f.; Schwintowski, VuR 1997, 83, 85 f. Anders die wohl h. M., nach der es sich um rein aufsichtsrechtliche Normen handelt: OLG Karlsruhe, Urt. v. 17. 7. 2012 – 17 U 148/11, ZIP 2012, 1852 (juris Rn. 47); Bliesener, Wertpapierhandel, S. 91 ff., 112 f.; Koller, in: Assmann/U. H. Schneider, vor § 31 Rn. 3; Schwark, in: Schwark/Zimmer, vor § 31 WpHG Rn. 15; Einsele, JZ 2008, 477, 482 f. Für eine zivilrechtliche Einordnung Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 253; Möllers, in: KK-WpHG, § 31 Rn. 13 (unklar aber: Rn. 10). 777 Oben § 2 A. III. 778 Hierzu oben § 5 C. I. 779 Vgl. Bliesener, Wertpapierhandel, S. 106 ff. 774

§ 8 Voraussetzungen einer Ausstrahlung auf das Aktienrecht

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mierten Organisationspflichten die Vorgaben von Art. 10 Abs. 1 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie780 und Art. 4 Abs. 4 der Kapitaladäquanzrichtlinie (a. F.)781 um.782 Bei der Richtlinienumsetzung ist der nationale Gesetzgeber aber an die Zielvorgaben des Europarechts, insbesondere das Gebot der effektiven Umsetzung, gebunden.783 Soweit sich hieraus Vorgaben für eine zivil- oder öffentlich-rechtliche Richtlinienumsetzung entnehmen lassen, ist die Zuordnungsfreiheit des deutschen Gesetzgebers eingeschränkt. Richtlinien sind gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV hinsichtlich ihrer Zielvorgaben für die Mitgliedsstaaten verbindlich.784 Das Gebot der effektiven Richtlinienumsetzung verpflichtet die Mitgliedstaaten, die verbindliche Geltung der Zielvorgaben der Richtlinie auch im nationalen Recht zu sichern.785 Dies umfasst eine vollständige, hinreichend bestimmte und klare Umsetzung der Richtlinie.786 Bei der Wahl der Form und Mittel zur Richtlinienumsetzung ist der nationale Gesetzgeber nach Art. 288 Abs. 3 AEUV jedoch frei. Das Europarecht macht insbesondere keine Vorgaben, in welcher Form das nationale Recht die Richtlinienvorgaben implementiert, solange diese verbindliche Geltung erlangen. Auch spezifische Umsetzungsvorgaben für die geschäftsorganisatorische Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG enthält das Europarecht nicht.787 Grundsätzlich kann der nationale Gesetzgeber daher auch zwischen einer öffentlich-rechtlichen und einer privatrechtlichen Umsetzung wählen.788 Aus dieser Relativität der Zuordnung folgt wiederum, dass auch die Verankerung in Form einer Doppelnorm denkbar ist.789 Ein Doppelnormcharakter des § 25a Abs. 1 KWG scheitert daher nicht bereits daran, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Umsetzung der europarechtlich vorgeschriebenen Organisationsanforderungen eingeschränkt ist. II. Zuordnung des § 25a Abs. 1 KWG anhand von Abgrenzungstheorien Der Doppelnormcharakter des § 25a Abs. 1 KWG ist aber abzulehnen, lässt sich die Norm eindeutig einer der Teilrechtsordnungen zuordnen. Finden sich hingegen 780

Richtlinie 93/22/EWG v. 10. 5. 1993 über Wertpapierdienstleistungen. Richtlinie 93/6/EWG v. 15. 3. 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten. 782 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a Rn. 4. Die europarechtlichen Grundlagen haben sich infolge mehrfacher Richtlinienüberarbeitungen mittlerweile geändert. 783 Statt vieler EuGH, Urt. v. 10. 4. 1984 – Rs 14/83, NJW 1984, 2021, 2022. 784 Hierzu Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 112 ff. 785 Herdegen, Europarecht, § 8 Rn. 39. 786 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 119 f. 787 Zu §§ 31, 32 WpHG und Art. 11 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie vgl. Bliesener, Wertpapierhandel, S. 109 f. 788 Vgl. Geismann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 288 AEUV Rn. 44; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 132. 789 Vgl. N. Lang, ZBB 2004, 289, 294. 781

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

Argumente, die gegen eine eindeutige Zuordnung der Norm zu einer der Teildisziplinen sprechen, oder verbleiben umfassende Zweifel hinsichtlich einer Zuordnung nur zu einer Teilrechtsordnung, ist von einer Norm mit Doppelnatur auszugehen. Zur Bestimmung der Rechtsnatur des § 25a Abs. 1 KWG ist dabei auf die zur Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Zivilrecht entwickelten Zuordnungstheorien zurückzugreifen.790 Von der Vielzahl der zur Abgrenzung entwickelten Theorien791 sollen im Folgenden die drei Theorien aufgegriffen werden, welche heutzutage im Wesentlichen noch von Bedeutung sind: die Interessen-, die Subordinations- und die Subjektstheorie.792 1. Funktions- und Gläubigerschutz (Interessentheorie) Die Interessentheorie bestimmt die Zuordnung einer Norm danach, welche Interessen sie zu schützen bestimmt ist. Dient eine Regelung dem Schutz öffentlicher Interessen bzw. des Allgemeininteresses, soll es sich um eine Norm des öffentlichen Rechts handeln. Normen des Privatrechts sollen hingegen solche sein, welche Privatbzw. Individualinteressen schützen.793 § 25a Abs. 1 KWG dient vornehmlich der Verfolgung der besonderen Ziele der Bankenaufsicht.794 Neben einem finanzmarktbezogenen Funktionsschutz avisiert das Bankaufsichtsrecht zwar auch einen besonderen Schutz der Institutsgläubiger. Dieser stellt allerdings einen rein institutionellen Schutz dar. Ein Schutz des einzelnen Gläubigers bezweckt das Bankaufsichtsrecht nicht. Dies kommt dadurch deutlich zum Ausdruck, dass § 25a Abs. 1 KWG keine individualschützende Wirkung über § 823 Abs. 2 BGB entfaltet.795 Der vom Bankaufsichtsrecht bezweckte Gläubigerschutz ist insoweit also bloß Schattenwurf des Schutzes von Allgemeininteressen. Darüber hinaus verfolgt das Wirtschaftsaufsichtsrecht grundsätzlich auch keine unternehmerischen Interessen oder das Wohl der Gesellschaft.796 Zwar bestehen mit Blick auf die von § 25a Abs. 1 KWG verfolgte Solvenzsicherung Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise auch ein unmittelbarer Schutz des Gesellschaftsvermögens avisiert ist. Wie eine eingehende Untersuchung dieser Frage an späterer, geeigneterer Stelle jedoch zeigen wird, ist der durch die aufsichtsrechtlichen Organisationsvorschriften erzielte Vermögensschutz zugunsten der Gesell790

Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 10 ff. Überblick bei Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 10 ff. 792 Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, § 40 Rn. 218. 793 Sodan, in: Sodan/Ziekow, § 40 Rn. 290 f. m. umfangr. Nachw. (auch zur – hier nicht näher zu beleuchtenden – Kritik an der Interessentheorie). 794 Oben § 2 A. II. 4. 795 Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 184; Schäfer, WM 2012, 1022; Seibert, WM 2008, 2006, 2011. 796 Binder, ZGR 2013, 761, 780; ders., ZGR 2015, 667, 704. Für das schweizerische Recht auch Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 143 f. 791

§ 8 Voraussetzungen einer Ausstrahlung auf das Aktienrecht

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schaft ein reiner Reflexschutz.797 Hier sei daher in autorialer Erzählweise lediglich vorgreiflich festgehalten, dass § 25a Abs. 1 KWG allein öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt ist. 2. Bankenaufsicht (Subordinationstheorie) Eine weitere Theorie zur normbezogenen Abgrenzung der beiden Teilrechtsordnungen ist die sog. Subordinationstheorie. Nach dieser sind Normen öffentlichrechtlich, wenn sie ein Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger betreffen; privatrechtliche Normen sind durch ein Gleichordnungsverhältnis gekennzeichnet.798 § 25a Abs. 1 KWG regelt Pflichten der Unternehmensorganisation. Für die Umsetzung dieser Organisationspflichten sind gemäß § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG grundsätzlich die Geschäftsleiter verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter erinnert an die Situation im Aktienrecht: Hier ist die Unternehmensorganisation eine Pflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft. Die Verpflichtung des Vorstands liegt damit im horizontalen Gleichordnungsverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstand. Die Festlegung der „Verantwortlichkeit“ der Geschäftsleiter für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation durch § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG könnte in entsprechender Weise ein horizontales Verhältnis anbetreffen. § 25a Abs. 1 KWG darf indes nicht isoliert von seinem systematischen Zusammenhang gesehen werden. Insbesondere die aufsichtsrechtliche Befugnis, die Einhaltung der Organisationspflichten zu überwachen und gegebenenfalls kraft hoheitlichen Eingriffs bzw. staatlicher Zwangsmittel durchzusetzen, ist in die Überlegungen aufzunehmen. Die hoheitlichen Mittel der Aufsichtsbehörde bestehen unmittelbar gegenüber dem Institut, wegen § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG aber ebenso gegenüber den Geschäftsleitern. Die Funktion des § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG liegt darin, die Geschäftsleiter als weitere Subjekte aufsichtsrechtlicher Verantwortung „gegenüber der Behörde“ zu bestimmen. Hingegen soll die Vorschrift keine Verantwortungszuweisung für das Innenverhältnis zwischen Institut und Geschäftsleiter vornehmen.799 Das Innenverhältnis zwischen Unternehmen und Geschäftsleiter richtet sich vielmehr nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen.800 Durch die Aufsichts- und Eingriffszuständigkeit wird das bipolare Gleichordnungsverhältnis zwischen dem Unternehmen und seinen Geschäftsleitern also anders als im Aktienrecht vertikal durchschnitten. In dieser autoritativen Durchsetzungsbefugnis der Aufsichtsbehörde kommt das Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen den Adressaten aufsichtsrechtlicher Verpflichtungen und der Überwachungsbehörde zum 797

Hierzu ausführlich unten § 9 B. II. 1. Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, § 40 Rn. 220; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 12. 799 Insofern missverständlich Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a Rn. 53 ff. 800 Hierzu oben § 2 A. III. 2. a). 798

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

Ausdruck.801 Mit anderen Worten bestehen die Organisationsverpflichtungen des § 25a Abs. 1 KWG „gegenüber der Aufsichtsbehörde“ (quasi als Statthalter der Allgemeinheit). Hieraus erwächst ein „Überwachungsrechtsverhältnis“802 in der Subordinationsbeziehung zwischen Aufsichtsbehörde und Institut bzw. Geschäftsleiter. Hiernach ist § 25a Abs. 1 AktG dem öffentlichen Recht zuzuordnen. 3. Überwachungsrechtsverhältnis (Modifizierte Subjektstheorie) Das Ergebnis einer Zuordnung des § 25a Abs. 1 KWG zum öffentlichen Recht ist auch bei Anwendung der modifizierten Subjektstheorie dasselbe. Auch hier gibt das Überwachungsrechtsverhältnis zwischen Behörde und Normadressat den Ausschlag bei der Beurteilung der Rechtsnatur des § 25a Abs. 1 KWG. Diese (Zuordnungsoder Sonderrechts-)Theorie stellt zur Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht auf die Adressaten (Zuordnungssubjekte) einer Norm ab. Eine Regelung ist öffentlich-rechtlich, wenn wenigstens ein Zuordnungssubjekt der Norm der Staat ist und dieser als solcher mit besonderen Rechten oder Pflichten ausgestattet ist.803 Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um Zivilrecht. Öffentliches Recht ist also das Sonderrecht des Staates, Privatrecht „Jedermannsrecht“.804 Zwar lässt die isolierte Betrachtung des § 25a Abs. 1 KWG – wie soeben erläutert – keinen Rückschluss auf eine Sonderberechtigung des Staates zu. Erneut ist aber der systematische Kontext in die Betrachtung einzubeziehen. Die besondere Berechtigung des Staates liegt gerade in der Befugnis der Aufsichtsbehörde zur autoritativen Durchsetzung der Organisationsvorgaben.805 Diese wird in besonderer Weise gegenüber den Instituten bzw. ihren Geschäftsleitern als hoheitliche „Überwachungsund Zwangsstelle“ berechtigt. III. Zwischenergebnis Im Sinne einer sachgerechten Bestimmung der Rechtsnatur einer Regelung hat grundsätzlich keine Abgrenzungstheorie eine überragende Stellung gegenüber den anderen. Vielmehr erfordert die sachgerechte Normenzuordnung, den Schwerpunkt je nach Einzelfall auf eine bestimmte Theorie oder auf eine Kombination der Theorien zu legen.806 Hier ist das Ergebnis indes eindeutig: Keine der Zuord801

Mit dem gleichen Befund für die §§ 31 ff. WpHG Bliesener, Wertpapierhandel, S. 104 f. Bliesener, Wertpapierhandel, S. 104 f. 803 Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 13; Sodan, in: Sodan/Ziekow, § 40 Rn. 302 (und Rn. 300 f. zur sog. formalen Subjektstheorie, auf welche hier nicht weiter eingegangen werden muss). 804 Vgl. auch oben § 4 A. zu den verschiedenen Steuerungsfunktionen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts. 805 Im Einzelnen zu den Durchsetzungsmechanismen oben § 2 A. III. 806 Überblicksartig Rennert, in: Eyermann, § 40 Rn. 41; Sodan, in: Sodan/Ziekow, § 40 Rn. 288, 306 (jeweils m.w.N.). 802

§ 8 Voraussetzungen einer Ausstrahlung auf das Aktienrecht

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nungstheorien kommt zu dem Ergebnis, § 25a Abs. 1 KWG könnte zumindest auch dem Zivilrecht zuzuordnen sein. Auch wenn die Organisationspflichten des § 25a Abs. 1 KWG ein originär aktienrechtliches Anliegen (die Unternehmensorganisation) betreffen, handelt es sich um eine rein öffentlich-rechtliche Vorschrift. Soll im Rahmen der Auslegung des aktienrechtlichen Pflichtenmaßstabs eine Interaktion mit den aufsichtsrechtlichen Wertungen und Regelungen stattfinden, bedarf es eines teilrechtsordnungsübergreifenden Transfers. Jeder Ausstrahlungswirkung des § 25a Abs. 1 KWG kommt damit immer auch ein koordinationsdogmatischer Wert zu.807

B. Methodenrechtliches Bedürfnis nach einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlung (Abgrenzung) Damit ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, ob die Rahmenbedingungen – die harten Voraussetzungen –, unter welchen eine Ausstrahlungswirkung möglich ist, erfüllt sind. Dies meint insbesondere die (planmäßige) Lückenhaftigkeit der Aufnahmenorm. Daran knüpft sich unmittelbar die Frage an, ob es zum Zwecke der Interaktion und Koordination von Bankaufsichts- und Aktienrecht einer Ausstrahlungswirkung bedarf oder ob andere, vorrangig zu beachtende methodenrechtliche Instrumente zur Verfügung stehen. I. Lückenhaftigkeit der aktienrechtlichen Regelungen (Vorrang der Analogie?) Ein Bedürfnis nach einem Transfer – gleichviel auf welchem methodenrechtlichen Wege – setzt voraus, dass das Aktienrecht in Bezug auf die organisatorische Umsetzung der Compliance- bzw. Risikomanagement-Pflicht des Vorstands Wertungs- bzw. Regelungslücken aufweist. Einer Ausstrahlungswirkung allerdings bedarf es aus methodenrechtlicher Sicht nur, soweit das Aktienrecht planmäßige Wertungslücken enthält, die einer Ausfüllung bedürfen. Im Falle planwidriger Gesetzeslücken stehen sie hinter dem Analogieschluss hintenan.808 Hinsichtlich Compliance- und Risikomanagement-Maßnahmen drängt sich angesichts der bestehenden aktienrechtlichen Pflicht des Vorstands, solche im Unternehmen grundsätzlich sicherzustellen, – auch mit Blick auf ausführliche sondergesetzliche Regelungen wie § 25a KWG – die Frage auf, ob das Aktienrecht entgegen dem Plan des Gesetzgebers insoweit lückenhaft ausfällt.809

807 808 809

Vgl. hierzu auch Post Scriptum. Im Einzelnen oben § 6 A. I. 1. Vgl. U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 649.

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

1. Planwidrige Regelungslücke im Aktienrecht? Entsprechend wird zum Teil vertreten, die fehlenden aktienrechtlichen Regelungen bezüglich einer Compliance- und Risikomanagement-Organisation ließen sich im Wege einer Analogie zu spezialgesetzlichen Vorschriften wie §§ 25a KWG, 23 ff. VAG, 29 KAGB und 33 Abs. 1 WpHG herleiten.810 Dies impliziert, dass das Aktienrecht insoweit planwidrige Lücken aufweist. Nähere Ausführungen zu dieser vermeintlichen Lückenhaftigkeit der aktienrechtlichen Organisationsanforderungen sucht man hingegen vergeblich.811 Es ist also genauer zu bestimmen, ob tatsächlich planwidrige Regelungslücken im Aktienrecht bestehen, die einer Schließung im Wege der Analogie bedürfen und den Rückgriff auf Ausstrahlungswirkungen versperren. a) Regelungstechnischer Ansatz des Aktienrechts Ein erster Hinweis lässt sich dem Regelungsansatz des Aktienrechts entnehmen. Es entspricht der Steuerungsfunktion des Zivilrechts, lediglich die Rahmenordnung zur eigenverantwortlichen Interessenverfolgung abzustecken,812 dass das Aktienrecht zwar die grundsätzliche Vorstandspflicht zur Gewährleistung einer Compliance und eines Risikomanagements enthält, aber keine konkreten inhaltlichen Anforderungen an deren Organisation aufstellt. Dazu gehört auch, dass dem Vorstand im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen ein weiter Freiraum belassen wird. Es würde der Rahmenfunktion des Aktienrechts zuwiderlaufen und die zur Wahrnehmung der Leitungsaufgabe notwendige unternehmerische Freiheit des Vorstands schmälern, regelte das Aktienrecht die Organisation der Compliance und des Risikomanagements in all ihren Einzelheiten.813 Diese spricht vielmehr dafür, dass das Fehlen ausgefeilter aktienrechtlicher Organisationsanforderungen dem legislativen Ansatz des Aktienrechts folgt, die Rahmenvoraussetzungen für eine privatautonome Ausgestaltung des unternehmerischen Tätigwerdens der Aktionäre und der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand (als Agent der Aktionäre) zu schaffen, als dafür, dass die Ellipse genauerer aktienrechtlicher Vorgaben dem Gesetzesplan zuwider läuft. b) Gesetzgebungschronik seit der 6. KWG-Novelle Dieses Ergebnis wird durch die Chronik der Gesetzgebung seit der erstmaligen Betonung aktienrechtlicher Organisationspflichten durch die Einfügung des § 91 810

Vgl. U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 649. Ablehnend Ihrig/Schäfer, Rn. 572 f.; Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 94; Sethe, ZBB 2012, 357, 359. 811 So auch Koch, WM 2009, 1013, 1019 f. 812 s. oben § 4 A. I. 813 Zur Bedeutung einer Ausstrahlungswirkung für den unternehmerischen Entscheidungsfreiraum des Vorstands noch unten § 9 C. III. 1.

§ 8 Voraussetzungen einer Ausstrahlung auf das Aktienrecht

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Abs. 2 AktG und der Verankerung detaillierter organisatorischer Anforderungen im Bankaufsichtsrecht durch Einfügung des § 25a KWG gestützt. Die ursprüngliche Version des § 25a KWG fiel zwar noch deutlich bescheidener aus als die Version des § 25a Abs. 1 KWG in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung von Gesetzen auf dem Gebiet des Finanzmarkts814, enthielt aber auch damals bereits detaillierte Vorgaben hinsichtlich einer risikoorientierten Geschäftsorganisation.815 Ansätze einer aktienrechtlichen Regulierung risikobezogener Geschäftsorganisation folgten (erst) im April 1998 mit der Einfügung des § 91 Abs. 2 AktG durch das KonTraG. Schon bei Einfügung des § 91 Abs. 2 AktG hätte es daher nahegelegen, die aktienrechtlichen Organisationsvorschriften nach dem Vorbild ihres aufsichtsrechtlichen „Pendants“ zu gestalten – wenn nicht sogar einen (nahezu) gleichen Wortlaut zu wählen – oder zumindest über die Gesetzesbegründung einen Bezug zu § 25a Abs. 1 KWG herzustellen, hätte der Gesetzgeber für das Aktienrecht entsprechend konkrete organisatorische Anforderungen aufstellen wollen.816 Entsprechende Hinweise sucht man allerdings vergeblich. Seither ist § 91 Abs. 2 AktG unverändert geblieben. Auch im Übrigen ist eine aktienrechtliche Konkretisierung der Anforderungen an die organisatorische Ausgestaltung der Compliance- bzw. des Risikomanagements unterblieben.817 Im Nachhinein scheint der Gesetzgeber es nicht für erforderlich erachtet zu haben, die Anforderungen an die Compliance- bzw. Risikomanagement-Organisation im Aktienrecht näher auszuformulieren. Im Gegensatz hierzu orientierte sich der 2009 mit dem 9. VAG-Änderungsgesetzes818 eingefügte und durch das Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen819 in den inhaltlich verfeinerten820 §§ 23 ff. VAG aufgegangene § 64a VAG a. F. ausdrücklich an der entsprechenden Vorschrift des § 25a Abs. 1 KWG, um ein kohärentes Vorgehen der Aufsichtsbehörde im Rahmen qualitativer Aufsichtsnormen zu ermöglichen.821 Hier hat der Gesetzgeber einen eindeutigen Bezug zwischen Versicherungs- und Bankaufsichtsrecht und somit einen Gleichlauf der organisationsrechtlichen Anforderungen hergestellt. Dass vergleichbare Anforderungen in den 20 Jahren seit der 6. KWG-Novelle nicht auch in das Aktienrecht übernommen wurden, kann als 814

Gesetz vom 15. 7. 2014 (BGBl. I 2014 S. 934). Für den Wortlaut des § 25a Abs. 1 KWG i. d. F. der 6. KWG-Novelle s. oben Fn. 24. 816 Bihr/Kalinowsky, DStR 2008, 620, 623; Bürkle, WM 2005, 1496, 1498. Ähnlich Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 300. 817 Vgl. Offerhaus, in: MünchAnwHdb AktR, § 18 Rn. 1, 7 ff. 818 Neuntes Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes v. 23. 12. 2007 (BGBl. 2007 I S. 3248). 819 Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen v. 1. 4. 2015 (BGBl. 2015 I S. 434). 820 BT-Drs. 18/2956, S. 238 ff. (Begr. RegE Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen). Zu einem Überblick über die inhaltlichen Ergänzungen Armbrüster, r+s 2015, 425, 429. 821 BT-Drs. 16/6518, S. 15 (Begr. RegE 9. VAG-ÄnderungsG). 815

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

Hinweis darauf gelesen werden, dass der Gesetzgeber entsprechende strenge Organisationspflichten im Aktienrecht nicht etablieren wollte, die „Lücke“ also bewusst belassen hat. c) Compliance und Risikomanagement im DCGK Dieser Eindruck wird durch einen Blick auf den DCGK bestärkt. Dieser hat dem Bankaufsichts- und Aktienrecht chronologisch nachfolgend Compliance und Risikomanagement ebenfalls in sein Programm aufgenommen. Die Bezugnahme auf die aktienrechtlichen Pflichten erfolgt im Lichte der zunehmenden praktischen Relevanz umfassender Complianceprogramme und Risikomanagementorganisationen.822 Jeweils gibt der Kodex jedoch nur die geltende Rechtslage wieder, ohne darüber hinausgehende Anforderungen an die Organisation der Compliance oder des Risikomanagements aufzustellen.823 Vorschläge für Empfehlungen oder Anregungen, welche dem Vorstand konkrete organisatorische Vorgaben machen sollten, wurden in der Geschichte des Kodex bisher abgelehnt, um nicht unnötig in die Organisationshoheit des Vorstands einzugreifen.824 Auch für die Zukunft macht die KodexKommission keine Anstalten, entsprechende Empfehlungen oder Regelungen aufzunehmen. Vielmehr wird mit Blick auf Ziffer 4.1.4 DCGK sogar eine Streichung angeregt, weil diese nur Selbstverständliches wiedergeben würde.825 Eine Klarstellung in Form einer ausdrücklichen Normierung aktienrechtlicher Complianceund Risikomanagementanforderungen läge auf der Hand, wollte der Gesetzgeber dieser sich in der Zurückhaltung des Kodex wiederspiegelnden Entwicklung weg von konkreten Organisationspflichten des Vorstands entgegensteuern. Auch insoweit spricht die fehlende legislative Aktivität dafür, dass das Aktienrecht mit Blick auf die Unternehmensorganisation nicht (planwidrig) lückenhaft ist. d) Zwischenergebnis Nimmt man diese Aspekte zusammen, kann das Fehlen einer näheren aktienrechtlichen Ausformulierung von Compliance- bzw. Risikomanagementorganisationspflichten nicht als planwidrige Lücke im Aktienrecht aufgefasst werden.826 Dieses stellt sich vielmehr als „beredtes Schweigen“ dar, welches als solches die Organisationshoheit des Vorstands betont. Eine Analogie zu sondergesetzlichen

822

Vgl. Bachmann, in: Kremer u. a., Rn. 813; E. Vetter, DB 2007, 1963. Vgl. hierzu schon oben § 1 C. I. 824 Vgl. Bachmann, in: Kremer u. a., Rn. 854. 825 Bachmann, in: Kremer u. a., Rn. 854. 826 I. E. ebenso Bihr/Kalinowsky, DStR 2008, 620, 623; Dreher, ZGR 2010, 496, 503; Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 295 ff.; Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 93a; Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a Rn. 29; Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 38. In diese Richtung auch Koch, WM 2009, 1013, 1020. 823

§ 8 Voraussetzungen einer Ausstrahlung auf das Aktienrecht

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Organisationsvorschriften kommt allein deshalb schon nicht in Betracht.827 Ausstrahlungswirkungen sind daher nicht aufgrund einer methodenrechtlich vorrangigen Analogiebildung ausgeschlossen. 2. Planmäßige „Lücken“ Das Fehlen planwidriger Lücken in Bezug auf aktienrechtliche Compliance- und Risikomanagement-Pflichten besiegelt jedoch nicht die Möglichkeit einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung. Vielmehr muss das Aktienrecht sehr wohl lückenhaft sein, insoweit, als planmäßige Wertungs- bzw. Regelungslücken des aktienrechtlichen Pflichtenmaßstabs den Rückgriff auf die Wertungen bzw. Regelungen anderer (rechtlicher oder außerrechtlicher) Normen ermöglichen. Als typische Fälle planmäßiger Wertungslücken im Gesetz sind Generalklauseln und offene normative Begriffe bereits herausgestellt worden.828 Solche bestimmen auch das aktienrechtliche Pflichtengefüge. Anknüpfungspunkt der Compliance- wie auch des Risikomanagements ist die Sorgfalts- und Leitungspflicht des Vorstands. Gleiches gilt für die aktienrechtliche Organisationspflicht, nach welcher sich auch die Ausgestaltung von Compliance und Risikomanagement richten.829 Der bei der Wahrnehmung dieser Pflichten anzulegende Verhaltensstandard ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, wonach die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben. Hierbei handelt es sich nicht um die Umschreibung einer konkreten (Sorgfalts-)Pflicht, sondern um einen offen generalklauselartig gefassten Pflichtenstandard.830 Dieser ist wertausfüllungsbedürftig. Konkrete Einzelpflichten lassen sich erst durch Auslegung ermitteln.831 Die Beurteilung hat dabei (ohne Rücksicht auf Gepflogenheiten der Unternehmenspraxis) normativ durch den konkreten Rückgriff auf andere Rechtssätze zu erfolgen.832 Das Aktienrecht enthält also in § 93 Abs. 1 AktG eine planmäßige Wertungs- bzw. Regelungslücke in Form des generalklauselartig gefassten Pflichtenmaßstabs des Vorstands. Die nähere inhaltliche Bestimmung der Vorstandspflichten hat unter Rückgriff auf andere Normen der Rechtsordnung zu erfolgen und kann in einer Vorbildfunktion des Aufsichtsrechts bzw. dem Transfer aufsichtsrechtlicher Wertungen bzw. Regelungen liegen. Damit ist das Aktienrecht grundsätzlich offen für 827 Desungeachtet sind auch die Interessenlagen der aufsichtsrechtlichen und aktienrechtlichen Vorschriften nicht miteinander vergleichbar, dazu unten § 9 B. II. Selbst bei unterstellter planwidriger Regelungslücke wäre eine Analogie also noch abzulehnen. 828 Oben § 6 A. I. 2. 829 Im Einzelnen oben § 1 A. 830 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 6; Hölters, in: ders., § 93 Rn. 41. 831 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 6; Hölters, in: ders., § 93 Rn. 41. 832 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 7; Bürgers/Körber, in: Bürgers/Israel, § 93 Rn. 3.

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

einen aufsichtsrechtlichen Wertungs- bzw. Regelungstransfer zur Konkretisierung der Organisationspflichten des Vorstands. II. Spezialität bankaufsichtsrechtlicher Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen (Vorrangige Derogation?) Als Element materieller Normrelation bedürfen Ausstrahlungswirkungen ferner zweier inhaltlich nebeneinander stehender Normen, deren inhaltliches Wechselspiel nicht schon durch formelle Normverbindungen angelegt ist. Zwar ergibt sich weder aus § 25a Abs. 1 KWG noch aus §§ 76, 91 Abs. 2 oder 93 AktG eine formelle Verbindung zu den Organisationsvorschriften der jeweils anderen Teilrechtsordnung.833 Es erfolgt keine Bezugnahme durch Verweis oder Fiktion. Der materiellen Normrelation geht jedoch eine formelle Relation voran, anhand welcher sich entscheidet, ob die „konkurrierenden“ Normen nebeneinander Anwendung finden und einer inhaltlichen Interaktion zugänglich sind.834 Insoweit legt der Detailreichtum der bankaufsichtsrechtlichen Organisationsregelungen im Vergleich zu den offenen aktienrechtlichen Vorgaben die Überlegung einer Spezialität des § 25a Abs. 1 KWG nahe.835 Die Auffassung, das Bankaufsichtsrecht sei lex specialis gegenüber dem Aktienrecht, soweit jenes die „dichteren“ Regelungen aufweise, findet sich verbreitet in der Literatur.836 Die Spezialität des § 25a Abs. 1 KWG hätte die Derogation aktienrechtlicher Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen und damit eine vollständige Ersetzung der aktienrechtlichen Wertungen und Regelungen zur Folge. Mangels koexistenter Organisationsvorschriften wäre der Weg zu einer materiellen Normrelation und damit zu wertungs- bzw. regelungsbezogenen Wechselwirkungen versperrt.837 Ein Spezialitätsverhältnis setzt stets die Konkurrenz zweier Normen voraus. Für die Bestimmung des Verhältnisses bankaufsichtsrechtlicher zu aktienrechtlichen Organisationspflichten ergibt sich hier eine Schwierigkeit: Das Aktienrecht enthält bis auf den Anhaltspunkt in § 91 Abs. 2 AktG und die wenigen Leitlinien, die sich den §§ 76, 93 AktG entnehmen lassen, überhaupt keine Regelungen zur Unternehmensorganisation. Es fragt sich daher, an welche Vorschrift des Aktienrechts eine 833

Zur Möglichkeit eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers über formelle Verbindungen ausführlich oben § 6 A. II. 2. 834 Oben § 4 B. IV. 835 Die Normen des KWG einerseits und des AktG andererseits stehen auf der gleichen Stufe in der Normenhierarchie (einfaches Bundesrecht), sodass eine Anwendung der dem Spezialitätsgrundsatz grds. vorgehenden (vgl. Zippelius, Methodenlehre, S. 39 ff.) lex superiorRegel von vorneherein ausscheidet. 836 Dreher, ZGR 2010, 496, 502; ders./Ballmeier, ZGR 2014, 753, 768 f.; Sethe, ZBB 2012, 357, 359; Weber-Rey, AG 2008, 345, 358. Zum VAG auch Bürkle, Compliance in Versicherungsunternehmen, § 1 Rn. 77. Ähnlich ders., WM 2005, 1496, 1498. Ablehnend wohl Lutter/ Krieger/Verse, Rn. 1454. 837 Im Einzelnen oben § 6 A. II. 1.

§ 8 Voraussetzungen einer Ausstrahlung auf das Aktienrecht

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Konkurrenz zu dem „dichteren“ § 25a Abs. 1 KWG geknüpft sein soll.838 Hier lässt sich wohl allein an § 91 Abs. 2 AktG anknüpfen und fragen, ob eine Spezialität des § 25a Abs. 1 KWG insoweit dazu führt, dass auch in aktienrechtlicher Hinsicht eine umfassende Organisation im Sinne des § 25a Abs. 1 KWG (die ja eine Complianceund eine Risikomanagement- Organisation umfasst) einzurichten ist.839 1. Normenkonkurrenzen im Falle eines Deckungsverhältnisses Eine Normenkonkurrenz ist gegeben, wenn sich die Tatbestände zweier Rechtssätze vollständig oder zum Teil, das heißt: lediglich mit Bezug auf einzelne Fallgruppen vollständig, decken.840 Zwischen diesen beiden Rechtssätzen besteht ein Spezialitätsverhältnis, wenn der Anwendungsfall der spezielleren Norm immer auch ein Anwendungsfall der allgemeineren Norm wäre, wenn also der Anwendungsbereich der spezielleren Norm einen Ausschnitt des Anwendungsbereichs der allgemeineren Norm darstellt. Alle Fälle der spezielleren Norm lassen sich unter den Tatbestand der allgemeineren subsumieren, nicht aber umgekehrt.841 Hierfür muss der Tatbestand der spezielleren Norm alle Merkmale der allgemeineren Norm plus mindestens ein zusätzliches Merkmal aufweisen.842 Die Aussage, zwei Normen stehen im Verhältnis des lex specialis zueinander, beschreibt daher immer auch ein inhaltliches Deckungsverhältnis. Eine Spezialität des Bankaufsichtsrechts kommt damit nur in Betracht, soweit seine Normen in einem Deckungsverhältnis zu aktienrechtlichen Vorschriften stehen. Die Regelungen des Bankaufsichtsrechts knüpfen allein an das Wirkungsfeld des Unternehmens – namentlich eine Betätigung im Finanzsektor – an.843 Anknüpfungspunkt aktienrechtlicher Regelungen ist hingegen die Verfasstheit einer Organisation in Form der Aktiengesellschaft, gleichviel worauf das durch sie getragene Unternehmen ausgerichtet ist.844 Daraus folgt, dass eine Aktiengesellschaft, die Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt, sowohl das Aktien- als auch das Bankaufsichtsrecht zu beobachten hat. Eine Aktiengesellschaft, die keiner 838 Diese Schwierigkeiten treten auch in den in Fn. 836 zitierten Beiträgen dadurch deutlich zutage, dass die Autoren sich mehrheitlich überhaupt nicht oder nur vage zu einer Norm auf aktienrechtlicher Seite äußern, die in Konkurrenz zu den Organisationsvorgaben des § 25a KWG treten soll. Zu den Ausnahmen s. Fn. 839. 839 I. E. auch Dreher/Ballmeier, ZGR 2014, 753, 769. Zum VAG auch Bürkle, in: ders., Compliance in Versicherungsunternehmen, § 1 Rn. 77. Vgl. auch Lorenz, in: Romeike, S. 17 f. 840 Larenz, Methodenlehre, S. 266. 841 Kramer, Methodenlehre, S. 117 ff. 842 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 163; Kramer, Methodenlehre, S. 117; Larenz, Methodenlehre, S. 267; Zippelius, Methodenlehre, S. 38 f. 843 R. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 125 Rn. 1. Vgl. auch BT-Drs. 3/1114, S. 56 (Begr. RegE KWG). 844 Vgl. Grunewald, Gesellschaftsrecht, Einführung Rn. 1; Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 1 Rn. 1. Ferner K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 45 ff.

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

Betätigung im Finanzsektor nachgeht, hat dem Bankaufsichtsrecht hingegen grundsätzlich keine Beachtung zu schenken, ebenso wenig wie eine Bank, die nicht in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betrieben wird, auf das Aktienrecht Acht geben muss. Dies zeigt deutlich: Der Anwendungsbereich bankaufsichts- und aktienrechtlicher Rechtssätze unterscheidet sich. Es besteht keine vollständige Deckung zwischen den Tatbeständen der beiden Teildisziplinen. Bankaufsichts- und Aktienrecht stehen bereits grundlegend, ohne dass der Blick auf die konkreten Einzelnormen gelenkt werden müsste, in einem bloßen Überschneidungsverhältnis zueinander.845 Im Falle eines solchen Überschneidungsverhältnisses stehen zwei „konkurrierende“ Tatbestände nicht in einem Verhältnis des engeren zum weiteren Begriff zueinander, sondern sie überschneiden sich (wie zwei Kreise) lediglich in bestimmten Bereichen.846 Mangels Deckungsverhältnis kann aber auch kein echter Rechtsfolgenwiderspruch aufgrund einer Normenkonkurrenz, den es im Wege der Derogationsregeln aufzulösen gelte, entstehen. Das Bankaufsichtsrecht beansprucht daher keine Spezialität im Sinne der klassischen Vorrangregeln gegenüber dem Aktienrecht.847 Die Wertungen des Aktienrechts werden mangels Derogation nicht durch diejenigen des Bankaufsichtsrechts vollständig ersetzt, sodass es grundsätzlich zu inhaltlichen, das heißt: wertungsbezogenen, Wechselwirkungen kommen kann. Diese allgemeinen Feststellungen gelten im Besonderen auch für die Organisationsanforderungen des § 25a Abs. 1 KWG und ihr Verhältnis zu § 91 Abs. 2 AktG. 2. Normenkonkurrenzen im Falle sachlicher Überschneidungsbereiche (Besondere teleologische Spezialität) Konkurrenzen können sich jedoch auch im Überlappungsgebiet zweier sich lediglich überschneidender Normen entstehen. Bestehen die in diesem Überschneidungsbereich aufkommenden Normenkonkurrenzen in einem Rechtsfolgenwiderspruch, stellt sich auch hier die Frage, wie dieser aufzulösen ist. Ein Beispiel bilden die sog. Direktkontakte des Aufsichtsrats zu Mitarbeitern. Nach wohl überwiegender 845 Für das Verhältnis von schweizerischem Aufsichts- zu Aktienrecht Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 163. Binder, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, 2007, 145, 163, formuliert, das Bankaufsichtsrecht sei eine branchenspezifische, verbindliche Konkretisierung des Aktienrechts unter gleichzeitiger Ausdehnung auf andere Gesellschaften. 846 Kramer, Methodenlehre, S. 117; Zippelius, Methodenlehre, S. 39. Im Spezialitätsverhältnis liegt der Kreis der spezielleren Norm – um im Bild zu bleiben – hingegen vollständig im Kreis der allgemeineren: Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 163; Zippelius, Methodenlehre, S. 38 f. 847 I. E. ebenso Binder, ZGR 2013, 761, 785; U. H. Schneider/S. H. Schneider, NZG 2016, 41, 42. So auch für das Verhältnis des Wertpapieraufsichtsrechts zum Zivilrecht Bliesener, Wertpapierhandel, S. 159. Auf den lex posterior-Satz, der dem Spezialitätsgrundsatz nachgeht (Schmalz, Methodenlehre, Rn. 74.), ist daher nicht mehr zu sprechen zu kommen. Dieser greift zwar auch im Verhältnis öffentlich-rechtlicher zu zivilrechtlichen Normen, setzt aber den gleichen Rang und den gleichen Spezialisierungsgrad voraus (Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 91 f. m. Fn. 348). Wie lex superior bzw. specialis bedarf aber auch jener eines Deckungsverhältnisses zwischen den konkurrierenden Normen.

§ 8 Voraussetzungen einer Ausstrahlung auf das Aktienrecht

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Ansicht im Aktienrecht sind diese grundsätzlich unzulässig.848 Das Bankaufsichtsrecht lässt diese hingegen für bestimmte Fälle ausdrücklich zu.849 Im Falle der Bankaktiengesellschaft treten Bankaufsichts- und Aktienrecht insoweit in Konkurrenz zueinander und es ergibt sich ein Rechtsfolgenwiderspruch.850 Diese Überschneidung ist nicht vermittels des Spezialitätsgrundsatzes und der diesem nachfolgenden vollständigen Derogation, sondern im Wege (teleologischer) Auslegung aufzulösen.851 Widersprechen sich die Rechtsfolgen, kann man im Wege der Norminterpretation jedoch zu dem Ergebnis einer fingierten Spezialität gelangen.852 Um eine fingierte Spezialität handelt es sich deshalb, weil diese nicht das Ergebnis eines methodischen Vergleichs der beiden Normtatbestände ist.853 Da sich die Tatbestände bloß überschneiden und nicht vollständig decken, kann es insoweit nicht darum gehen, eine Spezialität im Sinne eines anerkannten Normverhältnisses zu begründen. Vielmehr soll für den Fall eines situativen Rechtsfolgenwiderspruchs im sachlichen Überschneidungsbereich der beiden Tatbestände ein Vorrang begründet werden, als ob eine Spezialität im klassischen Sinne bestünde.854 Maßgeblich ist hierbei in aller Regel der Telos der „konkurrierenden“ Normen.855 Im Einzelfall kann es daher ausnahmsweise doch zu einer Verdrängung aufgrund dieser Quasi-Spezialität kommen, ergeben sich Widersprüche zwischen den sich sachlich überschneidenden Normen. Für das Verhältnis des Bankaufsichts- zum Aktienrecht ist zu berücksichtigen, dass das Aufsichtsrecht dem öffentlichen Wohl verpflichtet ist, das Aktienrecht hingegen privaten Interessen. Im Falle einer Kollision dieser Schutzzwecke ist kaum eine Güterabwägung denkbar, die einen Vorrang des Individualinteresses vor dem

848 Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, § 29 Rn. 29; ders., ZGR 2011, 136, 152 f.; Hüffer/Koch, § 111 Rn. 21; Korte, Information des Aufsichtsrats, S. 167 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 90 Rn. 52; Scheffler, ZGR 2003, 236, 254 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 136. A.A. Dreher, in: FS Ulmer, 89, 92 ff.; ders., in: FS Goette, 43, 49; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, § 109 Rn. 11 f.; Habersack, in: MüKoAktG, § 111 Rn. 68; Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 111 Rn. 511 ff.; Kropff, NZG 2003, 347, 349 f.; ders., in: FS Raiser, 225, 242; Leyens, Information, S. 182 ff.; Roth, AG 2004, 1, 8 f. Zurückhaltend Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 172; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 36. 849 § 25d Abs. 8 Satz 7, Abs. 9 Satz 4, Abs. 12 Satz 7 KWG. Hierzu Leyens/F. Schmidt, AG 2013, 533; Lutter/Krieger/Verse, Rn. 1501 ff.; Velte/Buchholz, ZBB 2013, 400, 405 f. 850 Auch hier begegnet man der Problematik, dass sich die Anknüpfung an eine konkrete aktienrechtliche Konkurrenznorm als schwierig erweist. Hierzu bereits oben § 8 B. II. 851 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 268 f. m. Fn. 28; Zippelius, Methodenlehre, S. 39. Dazu, dass auch der Begriff der „Derogation“ letztlich nichts anderes als ein Auslegungsergebnis beschreibt, oben § 6 A. II. 1. 852 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 163 ff. Zustimmend Binder, ZGR 2013, 761, 783 ff., 785. Ferner Larenz, Methodenlehre, S. 268 f. m. Fn. 28. 853 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 163. 854 Emmenegger, Koordinationsaufgabe, S. 163 f. 855 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 268 f. m. Fn. 28.

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

öffentlichen Wohl statuiert.856 Das Bankaufsichtsrecht verfolgt insoweit gegenüber dem Aktienrecht die „spezielleren“ Zwecke. Eine konkurrenzklärende Auslegung ist damit zugunsten des Bankaufsichtsrechts im Grundsatz vorentschieden.857 Im Gemeinwohlauftrag des Aufsichtsrechts ist auch die Rechtfertigung einer organisationsrechtlich vorgesehenen Durchgriffsmöglichkeit des Aufsichtsrats auf Mitarbeiter des Unternehmens zu sehen. Im Beispiel der Direktkontakte folgt hieraus, dass die Regelungen des KWG in aller Regel aufgrund einer „fingierten Spezialität“ Vorrang gegenüber dem Aktienrecht beanspruchen werden. In der Bankaktiengesellschaft sind Direktkontakte des Aufsichtsrats zu Mitarbeitern abweichend von aktienrechtlichen Grundsätzen – und diese im Wege einer „fingierten Spezialität“ verdrängend – daher grundsätzlich zulässig.858 Die Möglichkeit einer fingierten teleologischen Spezialität wird also allein im Falle eines Rechtsfolgenwiderspruchs relevant. Dies gilt auch im Hinblick auf das Verhältnis des § 25a Abs. 1 KWG zu den aktienrechtlichen Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen. Grundsätzlich findet hier keine Derogation des Aktienrechts durch das Aufsichtsrecht statt, sodass ein „gleichberechtigtes“ Nebeneinander der beiden Normen(komplexe) einen Rahmen für einen wertungs- bzw. regelungsbezogenen Transfer über eine Ausstrahlungswirkung bereit hält. Eine Derogation kann nur ausnahmsweise im Falle einer fingierten Spezialität in Betracht kommen. Dies setzt allerdings einen konkreten Widerspruch zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht in einem sachlichen Überschneidungsbereich voraus. Jedenfalls mit Blick auf die Compliance- und Risikomanagement-Organisation in der (unverbundenen) Bankaktiengesellschaft besteht jedoch kein über eine fingierte Spezialität zu lösender Widerspruch zwischen den beiden Rechtsgebieten.859

C. Zusammenfassung Die Rahmenbedingungen einer Ausstrahlungswirkung sind im Verhältnis der bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Unternehmensorganisation zu der aktienrechtlichen Organisationspflicht des Vorstands gegeben. Eine inhaltliche Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Organisationsanforderungen lässt sich nicht durch Analogiebildung erreichen. Die auf die Compliance- und RisikomanagementOrganisation bezogenen „Lücken“ des Aktienrechts widersprechen nicht dem Plan des Gesetzgebers. Mangels echter Normenkonkurrenz findet grundsätzlich keine Verdrängung der aktienrechtlichen Normen aufgrund einer Spezialität des Aufsichtsrechts statt, sodass ein Wertungs- bzw. Regelungstransfer möglich ist. 856

Binder, ZGR 2013, 761, 783 f. Binder, ZGR 2013, 761, 783 ff. Jüngst auch Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, S. 74 ff. 858 Nach einer „Ausstrahlungswirkung“ der aufsichtsrechtlichen Informationskompetenz des Aufsichtsrats fragen Arnold, ZGR 2014, 76, 94; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 90 Rn. 44. 859 Hierzu sogleich ausführlich (§ 9 C.). 857

§ 9 Ausstrahlung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht

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§ 9 Ausstrahlung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht In einem nächsten Schritt ist das inhaltliche Verhältnis der Vorschriften zueinander daraufhin zu untersuchen, ob die aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten auf die Vorstandspflichten ausstrahlen. Hierfür ist zunächst zu überprüfen, ob § 25a Abs. 1 KWG inhaltlich als Ausstrahlungsnorm in Betracht kommt. Anschließend ist seiner faktischen Ausstrahlung nachzugehen. Diese erfordert die Untersuchung einer teleologischen Kongruenz zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht und präjudiziert damit auch die Frage, inwieweit der Transfer fremder Wertungen über – im Anschluss hieran zu untersuchende – normative Ausstrahlungen relevant wird.

A. Ausstrahlungsfähigkeit der bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten (Bestimmtheit des § 25a Abs. 1 KWG) § 25a KWG muss geeignet sein, die Lücken des Aktienrechts zu füllen. Hiermit ist seine Ausstrahlungsfähigkeit angesprochen, die eine inhaltliche Nähe zur aktienrechtlichen Organisationspflicht sowie die ausreichende Bestimmtheit des § 25a KWG erfordert.860 Ersteres ist im ersten Teil dieser Arbeit ausführlich dargestellt worden. Die inhaltliche Nähe der unterschiedlichen Organisationspflichten gibt überhaupt erst Anlass, über eine Ausstrahlungswirkung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht nachzudenken. Problematisch ist aber, ob § 25a Abs. 1 KWG auch hinreichend bestimmt ist, um einen konkretisierenden Wertungstransfer ins Aktienrecht zu erlauben.861 Zweifel hieran bestehen aufgrund des prinzipienbasierten Regelungsansatzes des § 25a KWG, der sich dadurch auszeichnet, seinerseits in hohem Maße Gebrauch von unbestimmten Rechtsbegriffen zu machen. Dies tritt dadurch deutlich zutage, dass die offenen Organisationsanforderungen des § 25a Abs. 1 KWG erst durch die MaRisk näher konkretisiert werden. Zu allem Überfluss verfolgen auch die MaRisk selbst einen prinzipienorientierten Ansatz. Hier ist zu unterscheiden: Zwar bedient sich § 25a Abs. 1 KWG selbst unbestimmter Rechtsbegriffe, die wiederum (anhand der Wertungen bzw. Regelungen anderer Vorschriften) konkretisiert werden müssen. Unbestimmtheiten treten insbesondere aufgrund des Proportionalitätsgrundsatzes des § 25a Abs. 1 Satz 4 KWG hinsichtlich der Frage auf, wie die einzelnen verpflichtenden Mindestelemente einer Geschäftsorganisation auszugestalten sind. Dem Gesetzestext lässt sich nicht entnehmen, wie der Vorstand etwa die Risikocontrolling- und Compliance-Funktion (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3c KWG) in concretu umzusetzen hat. Entsprechend ist auch ein Rückgriff des Aktienrechts auf § 25a Abs. 1 KWG zur Konkretisierung der 860

Oben § 6 B. I. Balzer, ZBB 1997, 260, 264 f., und Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 833, äußern entsprechende Zweifel mit Blick auf § 33 WpHG (der u. a. auf § 25a Abs. 1 KWG verweist). 861

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

aktienrechtlichen Erwartungen an die Ausgestaltung einer Risikocontrolling- bzw. Compliance-Organisation nicht möglich. Es fehlt an der hinreichenden Bestimmtheit des § 25a Abs. 1 KWG. Hier ließe sich allein daran denken, zum Zwecke einer Konkretisierung auch des Aktienrechts auf die Wertungen und Regelungen der MaRisk zurückzugreifen. Es darf aber nicht übersehen werden, dass sich die Frage nach der konkreten Ausgestaltung dieser Funktionen im Aktienrecht überhaupt erst stellt, wenn man die Pflicht zur Einrichtung dieser Funktionen im Aktienrecht bejaht hat. Das Aktienrecht aber kennt diese Pflicht grundsätzlich nicht.862 Zur Überlegung der Ausgestaltung von Risikocontrolling- und Compliance-Funktion im Aktienrecht kommt man also erst, wenn man das Aktienrecht bereits dahingehend konkretisiert hat. Zur Konkretisierung ließe sich auf die im Bankaufsichtsrecht detailliert festgeschriebenen verbindlichen Mindeststandards einer Compliance- und Risikomanagement-Organisation zurückgreifen, die auch die Einrichtung einer Risikocontrolling- und einer Compliance-Funktion umfassen. Erst im nächsten Schritt hat man sich mit der genauen organisatorischen Ausgestaltung dieser Funktionen zu beschäftigen. Hier fehlt es dann aufgrund der offenen prinzipienorientierten Regulierung in der Tat an der hinreichenden Bestimmtheit des § 25a Abs. 1 KWG. Soweit es um die Pflicht zur Implementierung bestimmter Mindestelemente einer Compliance- und Risikomanagement-Organisation geht, sind die Vorgaben des § 25a Abs. 1 KWG hinreichend bestimmt und kommen zur Konkretisierung des aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab des Vorstands in Betracht. § 25a Abs. 1 KWG ist bis zu diesem Grad ausstrahlungsfähig.863

B. Faktische Ausstrahlungen (Verallgemeinernder Transfer) Faktische Ausstrahlungen meinen die Vorbildwirkung der Regelungen einer Norm für eine andere, welcher gemeinsame Wertungen zugrunde liegen. Mit einer solchen faktischen Ausstrahlung geht stets eine Verallgemeinerung der Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG einher: Hinter der Ausstrahlung steht die Überlegung, ob sich aufsichtsrechtliche Vorgaben auf alle Aktiengesellschaften übertragen lassen.864 Die an den Institutsvorstand adressierten Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG sollen derart auf das Aktienrecht übertragen werden, dass sie über den aktienrechtlichen Pflichtenkanon für alle Vorstände unabhängig von dem Wirtschaftssektor, in welchen das Unternehmen tätig ist, Geltung entfalten. Hat etwa der Vorstand eines Stahlkonzerns bei der Ausgestaltung der unternehmensinternen Compliance- und

862 863 864

Hierzu oben § 1 B. III. und C. III. I. E. ebenso Thaten, Ausstrahlungen, S. 188. Vgl. die Nachw. in Fn. 37. Ferner Preußner, NZG 2004, 303, 305.

§ 9 Ausstrahlung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht

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Risikoorganisationspflicht aufgrund einer Ausstrahlungswirkung des § 25a Abs. 1 KWG die Vorgaben des Bankaufsichtsrechts zu beachten?865 Voraussetzung hierfür ist, dass sich dem Aktienrecht dieselben Wertungen wie § 25a Abs. 1 KWG entnehmen lassen. Die maßgebliche Wertung des § 25a Abs. 1 KWG liegt darin, dass eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation einschließlich Compliance und Risikomanagement in organisatorischer Hinsicht wenigstens die durch diesen festgelegten Mindestvorgaben erfüllen muss.866 Auch dem Aktienrecht müsste also die Wertung zu entnehmen sein, dass eine ordnungsgemäße Geschäftsim Sinne einer Compliance- und Risikomanagement-Organisation gewisse organisatorische Mindestelemente enthalten muss. Auf dieser gemeinsamen Wertungsgrundlage ließen sich dann die organisatorischen Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG in den aktienrechtlichen Pflichtenkanon „transferieren“. Hierbei geht es nicht um einen Transfer der (fremden) Wertungen des Aufsichtsrechts, sondern allein um einen Transfer im Sinne einer Heranziehung der aufsichtsrechtlichen Regelungen aufgrund übereinstimmender aktienrechtlicher Wertungen. Dies erfordert die Untersuchung der teleologischen Grundlagen der aktienrechtlichen Anforderungen an Compliance und Risikomanagement. Entsprechen diese denjenigen des § 25a Abs. 1 KWG, lassen sich dessen Regelungen als Vorbilder zur Ausgestaltung der eigenen Wertungen des Aktienrechts heranziehen. I. Gesetzgeberische Intention einer faktischen Ausstrahlung Die Bedeutung des § 25a Abs. 1 KWG als Ausstrahlungsnorm für den aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab könnte sich aus einer Intention des Gesetzgebers ergeben. Das VG Frankfurt am Main vertritt, dass den §§ 25a Abs. 1 KWG, 91 Abs. 2 AktG eine Gesamtintention des Gesetzgebers zugrunde liege. Dieser habe mit Einführung des § 25a KWG im Jahre 1997 und des § 91 Abs. 2 KWG im Jahre 1998 die Verpflichtung der Geschäftsleitung hervorheben wollen, Risikofrüherkennungssowie Risikoüberwachungssysteme in den Unternehmen einzurichten, um Entwicklungen vorzubeugen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden können.867 Die gesetzlich genauer gefassten Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG würden § 91 Abs. 2 AktG konkretisieren und könnten daher zu dessen Auslegung herangezogen werden; es handle sich insoweit lediglich um eine genauere gesetzliche Fassung der ohnehin geltenden aktienrechtlichen Anforderungen.868 § 25a Abs. 1 KWG und § 91

865

Zu diesem Beispiel Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666 f. Ausführlich oben § 2 B. und C. 867 VG Frankfurt a. M., Urt. v. 8. 7. 2004 – 1 E 7363/03 (1), WM 2004, 2157, 2160 (Bruderhilfe). Ebenso Preußner/Pananis, BKR 2004, 347, 349; Preußner/D. Zimmermann, AG 2002, 657, 660. 868 In diese Richtung Preußner/Pananis, BKR 2004, 347, 349; Preußner/D. Zimmermann, AG 2002, 657, 660. 866

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

Abs. 2 AktG sollen sich daher in ihrer rechtlichen Bedeutung entsprechen.869 Eine eigenständige Bedeutung gegenüber § 91 Abs. 2 AktG komme dem § 25a Abs. 1 KWG daher nur angesichts der besonderen aufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnisse zu.870 Die gesetzesgenetische Chronologie der §§ 25a Abs. 1 KWG, 91 Abs. 2 AktG ist bereits untersucht worden; diese spricht gegen eine den aufsichts- und aktienrechtlichen Organisationsanforderungen zugrunde liegende Gesamtintention.871 Insbesondere äußert der Gesetzgeber sich nicht zu einer etwaigen Ausstrahlungswirkung der bankaufsichtsrechtlichen Organisationsvorschriften. Dass sich in anderem Zusammenhang explizite Hinweise auf eine intendierte Ausstrahlungswirkung in den Gesetzesmaterialien finden,872 deutet im Umkehrschluss darauf hin, dass der Gesetzgeber hinsichtlich § 25a Abs. 1 KWG nicht von einer solchen ausging bzw. eine solche zumindest nicht in seine Überlegungen einbezogen hat. Dies wird durch mehrere Aspekte gestützt. Einerseits lautet die amtliche Überschrift des § 25a KWG „Besondere organisatorische Pflichten“.873 Dies lässt vermuten, dass der Gesetzgeber besondere Pflichten für Institute schaffen wollte, welche sich inhaltlich von allgemeinen Pflichten des Aktienrechts abheben.874 Zum anderen bringt der Gesetzgeber an anderen Stellen deutlich zum Ausdruck, dass er die bereichsspezifischen Organisationsanforderungen auch in anderem Kontext für maßgeblich erachtet: § 33 Abs. 1 Satz 1 WpHG nimmt durch einen Verweis auf § 25a Abs. 1, 2 und 25e KWG die dort festgelegten Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation ausdrücklich in Bezug.875 Diese Aspekte deuten vielmehr darauf hin, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass den bankaufsichts- und den aktienrechtlichen Organisationsanforderungen unterschiedliche Wertungen zugrunde liegen und diese sich nicht in ihrer rechtlichen Bedeutung entsprechen. Die gesetzgeberische Inten869 VG Frankfurt a. M., Urt. v. 8. 7. 2004 – 1 E 7363/03 (1), WM 2004, 2157, 2160 (Bruderhilfe); LG München I, Urt. v. 15. 10. 2010 – 5 HK O 2122/09, ZIP 2010, 2451, 2456 (n. rkr.). In diese Richtung bereits LG Berlin, Urt. v. 3. 7. 2002 – 2 O 358/01, BKR 2004, 969 (n. rkr.). Ebenso Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a Rn. 18; Preußner, NZG 2004, 57, 59 f.; Preußner/Pananis, BKR 2004, 347, 349; Preußner/D. Zimmermann, AG 2002, 657, 660; S. Zimmermann, BKR 2005, 208. 870 Preußner/D. Zimmermann, AG 2002, 657, 660. 871 Oben § 8 B. I 1. b). 872 BT-Drs. 13/9712, S. 15 (Begr. RegE KonTraG). Zum Wortlaut bereits oben Fn. 10. 873 In der ursprünglichen Fassung lautete die Überschrift noch präziser „Besondere organisatorische Pflichten von Instituten“, vgl. hierzu BT-Drs. 13/7142, S. 3 (Begr. RegE 6. KWGNovelle). Hinsichtlich der aktuellen Fassung ist einzugestehen, dass die Überschrift vollständig „Besondere organisatorische Pflichten; Verordnungsermächtigung“ lautet. Die zweite Hälfte des Titels wurde im Text der Dramaturgie wegen unterschlagen. 874 Vgl. Bürkle, WM 2005, 1496, 1498. 875 Vgl. BT-Drs. 16/4028, S. 70 (Begr. RegE FRUG). Über die in Bezug genommenen Vorgaben des KWG hinausgehende Anforderungen speziell für Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind in § 33 Abs. 1 Satz 2 und 3 WpHG niedergelegt. s. aber Fett, in: Schwark/ Zimmer, § 33 WpHG Rn. 5 („Redundanz“).

§ 9 Ausstrahlung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht

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tion einer Ausstrahlungswirkung des § 25a Abs. 1 KWG auf das Aktienrecht lässt sich aus den Materialien nicht ableiten. II. Nachteilsabwendung durch organisatorische Mindestvorgaben (Teleologische Kongruenzen) Damit stellt sich die Frage, ob sich aus einer teleologischen Kongruenz zwischen den bankaufsichts- und den aktienrechtlichen Vorschriften auf die gemeinsame Wertung schließen lässt, dass die Organisation von Compliance und Risikomanagement bestimmte Mindestelemente aufweisen muss. Ein erstes Indiz gleicher Wertungen ergibt sich hierbei bereits daraus, dass sowohl Aufsichts- als auch Aktienrecht auf dieselben Termini zurückgreifen. „Compliance“ und „Risikomanagement“ finden als Begriffe in beiden Rechtsgebieten Verwendung.876 Mit Blick auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Terminologie folgt daraus die Vermutung, dass die beiden Begriffe ungeachtet des Zusammenhangs ihrer gesetzlichen Erwähnung – also auch im Bankaufsichts- und Aktienrecht – einheitlich auszulegen sind. Die detaillierten Vorschriften des § 25a Abs. 1 KWG wären vor diesem Hintergrund als detaillierte gesetzliche Festschreibung des allgemein anerkannten Inhalts von Compliance und Risikomanagement zu betrachten. Diese Indizierung befreit indes nicht davon, die teleologischen Grundlagen des Aufsichts- und des Aktienrechts gegeneinander abzugleichen, um die in der Indizierung liegende Vermutung gleicher Wertungen bestätigt oder verworfen zu sehen.877 Eine gemeinsame teleologische Grundlage zwischen aufsichts- und aktienrechtlichen Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen könnte sich mit Blick auf deren Zielrichtung herleiten lassen. Das Risikomanagement dient der Prävention insbesondere unternehmerischer Risiken.878 Die Compliance deckt hierbei den Ausschnitt der Vermeidung rechtlicher Risiken ab.879 Dies gilt unterschiedslos im Aufsichts- wie im Aktienrecht. Die Risikovermeidung ist allerdings nur Zwischenziel. Im Ergebnis geht es jeder Risikoprävention darum, die aufgrund der Risiken drohenden Nachteile abzuwenden. Dementsprechend wird vertreten, dass Compliance und Risikomanagement im Aufsichts- wie im Aktienrecht im Kern demselben Grundgedanken verpflichtet seien: Sie sollen das Unternehmen durch entsprechende Organisationspflichten vor Nachteilen und Schäden bewahren.880 Sind die Organisationsvorschriften beider Rechtsgebiete auf die Solvenzsicherung im Sinne der Abwendung von Nachteilen für die Gesellschaft ausgerichtet, legt dies nahe, dass beide Rechtsgebiete auch dieselben Anforderungen an Compliance 876 Vgl. oben Einführung C. III. Der Compliance-Begriff findet auf aktienrechtlicher Seite allein in Ziffer 4.1.3 DCGK Erwähnung. 877 Im Einzelnen zur Indizierung oben § 6 B. II. 1. a). 878 Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 93a. 879 Zum Ganzen oben Einführung C. III. 880 Vgl. Fleischer, NZG 2014, 321, 325; ders., in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 61.

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

und Risikomanagement für sachgemäß halten, um diese Solvenzsicherung zu erreichen. Die umfassenden Organisationsregelungen des § 25a Abs. 1 KWG wären als bereichsspezifische „Ausformulierung“ von Regelungen zu verstehen, welche in dieser Form auch im Aktienrecht gelten, weil diesem insoweit dieselben Wertungen zugrunde liegen. Zwar weisen Compliance und Risikomanagement im Grundsatz sowohl im Aktien- als auch im Aufsichtsrecht bestandsschützenden Charakter zugunsten der Gesellschaft auf.881 Die aktienrechtlichen Pflichten des Vorstands gegenüber der Gesellschaft sind aber grundsätzlich anhand ihrem Wohle (dem Unternehmensinteresse) auszulegen.882 Entsprechend schützt die gesellschaftsrechtliche Organhaftung das Gesellschaftsvermögen und die Aktionäre.883 Das Bankaufsichtsrecht ist hingegen auf einen Schutz des Finanzmarkts und der Institutsgläubiger gerichtet. Die Interessen des Unternehmens oder den Schutz des Gesellschaftsvermögens hat es grundsätzlich nicht im Blick. Im Ausgangspunkt verfolgen die beiden Rechtsgebiete daher mit der Nachteilsabwendung unterschiedliche Zwecke. Die Frage ist, ob sich mit Blick auf die Ausgestaltung von Compliance und Risikomanagement ausnahmsweise dennoch eine gemeinsame teleologische Grundlage finden lässt. 1. Schutz des Gesellschaftsvermögens An dieser Stelle ist auf die weiter oben gespielte Andeutung zurückzukommen, dass Bankaufsichts- und Aktienrecht den gleichen Interessen verpflichtet sein könnten:884 Eine teleologische Kongruenz könnte sich hinsichtlich der Organisationspflichten des § 25a Abs. 1 KWG daraus ergeben, dass das Bankaufsichtsrecht insoweit ausnahmsweise auch einen Schutz der Gesellschaft einbezieht. Anhaltspunkt für diese Überlegung ist die Strafvorschrift des § 54a Abs. 1 KWG. Für diese Norm wird diskutiert, ob Schutzgut (auch) das Unternehmensvermögen ist.885 § 54a Abs. 1 KWG verbietet bei Strafe den Verstoß gegen die Organisationsvorschrift des § 25c Abs. 4a KWG. § 25c Abs. 4a KWG wiederum konkretisiert die Pflichten der Geschäftsleiter hinsichtlich der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation aus § 25a Abs. 1 KWG. Über § 25c Abs. 4a KWG wird also eine inhaltliche Verbindung zwischen der Organisationsvorschrift des § 25a Abs. 1 KWG und der Strafbewehrung des § 54a Abs. 1 KWG hergestellt. Die inhaltliche Verknüpfung deutet zugleich auf eine teleologische Rückkopplung hin: Das Schutzgut der Vorschrift, die einen Verstoß gegen die Organisationspflichten unter Strafe stellt, muss zwangsläufig mit 881

Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 131. Ausführlich oben § 1 A. I. 3. 883 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 1; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 2; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, 123, 124; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 1; Spindler, in: MüKoAktG, § 93 Rn. 1; Ulmer, in: FS Canaris; Band II, 451, 463 ff. 884 Oben § 8 A. II. 1. 885 Häberle, in: Erbs/Koolhas, § 54a KWG Rn. 1; Janssen, in: MüKoStGB, § 54a KWG Rn. 5; Wastl, WM 2013, 1401, 1402. 882

§ 9 Ausstrahlung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht

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dem Schutzgut der Organisationsvorschriften selbst korrelieren. Dient die strafrechtliche Regelung, welche die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Organisationsvorgaben sicherstellen soll, (auch) dem Schutz des Unternehmens, könnte sich auf dieser Grundlage ausnahmsweise auch ein Unternehmensschutz der Organisationsvorgaben selbst begründen lassen. Im Ergebnis lässt sich der Schutz des Unternehmens auch unter Heranziehung des § 54a Abs. 1 KWG jedoch nicht als Zweck des § 25a Abs. 1 KWG identifizieren. Zu § 54a Abs. 1 KWG heißt es in der Regierungsbegründung zum Trennbankengesetz886, dass Pflichtverletzungen im Risikomanagement „im Fall der Verursachung einer Unternehmenskrise“ unter Strafe gestellt werden sollen.887 Voraussetzung einer Strafbarkeit nach § 54a Abs. 1 KWG ist entsprechend eine Krise des Unternehmens.888 Im Umkehrschluss kann es der Vorschrift gerade nicht um die Vermeidung einer Unternehmenskrise durch eine Schonung des Gesellschaftsvermögens gehen. Dies wird dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber in der Regierungsbegründung ausführt, dass „Pflichtverletzungen im Risikomanagement, mit denen nicht nur die Stabilität des einzelnen Instituts, sondern des Finanzsystems als Ganzem auf dem Spiel steht“, nicht ausreichend strafrechtlich bewehrt seien.889 Der Gesetzgeber moniert allein den unzureichenden strafrechtlichen Schutz vor Pflichtverletzungen im Risikomanagement, welche das gesamte Finanzsystem gefährden.890 Die zeigt deutlich, dass er sich mit der Frage des ausreichenden strafrechtlichen Schutzes der Anleger, des Unternehmens sowie der Funktion des Finanzsystems auseinander gesetzt und allein mit Blick auf den Schutz des Finanzsystems Regelungsdefizite erkannt hat.891 Damit korrespondiert, dass das Unternehmensvermögen bereits über den Untreuetatbestand des § 266 StGB geschützt wird.892 Die Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG stehen ganz im Zeichen bankaufsichtsrechtlicher Zwecke. Einen Schutz des Unternehmens avisieren die organisatorischen Mindestanforderungen hingegen nicht. Dies belegt auch ein beispielhafter Blick auf die Compliance-Funktionen der beiden Rechtsgebiete: Während Verstöße gegen Vorschriften, welche nicht dem Bankaufsichtsrecht entstammen, aus dem Aufgabenfeld der kreditwesenrechtlichen Compliance-Funktion ausgeschieden werden können,893 hat eine aktienrechtliche Com886 Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (Trennbankengesetz) vom 7. 8. 2013 (BGBl. 2013 I S. 3090). 887 BR-Drs. 94/13, S. 56 (Begr. RegE TrennbankenG). 888 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 850; Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, § 54a KWG Rn. 3. 889 BT-Drs. 17/12601, S. 44 (Begr. RegE TrennbankenG). 890 Goerkjan, wistra 2014, 201, 202. 891 Goerkjan, wistra 2014, 201, 202. Zustimmend Janssen, in: MüKoStGB, § 54a KWG Rn. 5. 892 Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, § 54a KWG Rn. 1. 893 O.V., in: Reischauer/Kleinhans, Anhang 1 zu § 25a, MaRisk AT 4.4.2 Tz. 2 Rn. 2.

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

pliance-Funktion – so sie denn einzurichten ist – Verstöße gegen sämtliche für das jeweilige Unternehmen relevanten Vorschriften zu erfassen, soweit sie ein bestandsgefährdendes Risiko bergen.894 Zwar wird die Abwendung von Nachteilen und Schäden der Gläubiger und des Gemeinwohls in aller Regel auf einer ersten Stufe die Nachteilsabwendung zugunsten des Kreditinstituts einschließen und der aufsichtsrechtliche Funktions- und Gläubigerschutz sich daher über die Schonung des Institutsvermögens vollziehen. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen gehen jedoch weit über die bloße Solvenzsicherung der Institute hinaus.895 Der Unternehmensschutz ist im Interesse eines funktionierenden Finanzmarkts und des Gläubigerschutzes unter Umständen sogar verzichtbar. Dies zeigt sich etwa an § 56 Abs. 2 Nr. 3 lit. f KWG, der eine Bußgeldandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 25a Abs. 2 Satz 2 KWG enthält.896 Ein Bußgeld stellt einen Nachteil für das Unternehmen dar, soll jedoch Nachteile für Gläubiger und Allgemeinheit, welche durch die Risikorealisierung mangels ordnungsgemäßer Geschäftsorganisation entstehen, abwenden helfen. Der Gesetzgeber verzichtet zugunsten des Allgemeinwohls auf einen Solvenzschutz im Interesse des Unternehmens. Dies unterstreicht die alleinige Orientierung bankaufsichtsrechtlicher Vorschriften am Allgemein- und Gläubigerschutz und belegt, dass jeglicher über die qualitativen bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Geschäftsorganisation erreichter Solvenzschutz der Gesellschaft bloße Reflexwirkung ist. 2. Gläubiger- und Gemeinwohlschutz Der Schutz des Unternehmens ist kein gemeinsames Anliegen der aufsichts- und der aktienrechtlichen Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen. Jedoch könnte mit Blick auf den Gläubiger- und Gemeinwohlschutz ein gemeinsames Interesse bestehen. Das Bankaufsichtsrecht avisiert diesen ohnehin unmittelbar. Dafür, dass auch die aktienrechtlichen Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen auf einen solchen Schutz gerichtet sind, spricht, dass das Unternehmensinteresse interessenpluralistisch zu interpretieren ist und die Interessen der Gläubiger der Gesellschaft ebenso einschließt wie auf der Sozialbindung des Eigentums beruhende kollektive Interessen.897 a) Schutz kollektiver Interessen über besondere Vorschriften Soweit daher Kollektivinteressen an Compliance und Risikomanagement des Unternehmens zu bejahen sind, hat der Vorstand diese im Rahmen des Unterneh894 895 896 897

Eingehend oben § 1 C. I. Im Einzelnen hierzu Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 78 ff., 131 f. Zu § 25a Abs. 2 Satz 2 KWG oben § 2 A. III. 2. b). Vgl. Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471, 485.

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mensinteresses und damit auch bei der organisatorischen Ausgestaltung zu berücksichtigen. Jedoch ist zu beachten, dass der Gesetzgeber dort, wo er den Vorstand zur Berücksichtigung kollektiv-funktionsschützender Vorschriften anhalten will, den übergeordneten Interessen der Allgemeinheit durch besondere Regelungen Rechnung trägt.898 Dies gilt insbesondere in empfindlichen Wirtschaftsbereichen wie dem Banken- und Versicherungswesen, in welchen Compliance- und RisikomanagementOrganisation über die Binnengrenzen der Unternehmensstruktur hinaus sektoral oder gesamtwirtschaftlich relevant werden können.899 Soweit ein besonderes Interesse an der unternehmensinternen Compliance- und Risikomanagement-Organisation hingegen nicht besteht und der Gesetzgeber entsprechend keine besonderen Regelungen erlässt, erfahren diese Interessen grundsätzlich auch keine Berücksichtigung im Rahmen der Pflichtenwahrnehmung durch den Vorstand und damit keinen gesellschaftsrechtlichen Schutz. b) Gläubigerschutz über Schonung des Unternehmensvermögens Auch ein gemeinsamer Gläubigerschutzzweck lässt sich Aufsichts- und Aktienrecht nicht entnehmen. Insoweit ist zwar zunächst festzuhalten, dass eine ordnungsgemäße Ausgestaltung der Compliance und des Risikomanagements vor dem Hintergrund der durch sie effektuierten Risikovermeidung und Nachteilsabwendung stets rein tatsächlich auch im Interesse der Gläubiger liegen wird. Allerdings ist das Interesse der Gläubiger nicht ausschlaggebend für die Organisation der Compliance und des Risikomanagements. Der Vorstand handelt im Rahmen seiner Organtätigkeit unmittelbar im Sinne einer Prinzipal-Agenten-Beziehung als Agent der Aktionäre. Die Wahrnehmung seiner Pflichten ist daher am vorrangigen Interesse der Aktionäre auszurichten.900 Dieses ist daher auch für die Ausgestaltung der Compliance- und Risikomanagement-Organisation maßgeblich. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Zielsetzung der Organhaftung. Zwar lässt sich anführen, dass die Gläubigerinteressen nicht nur unmittelbar im Rahmen des Unternehmensinteresses, sondern darüber hinaus in der die Vorstandspflichten flankierenden Organhaftung Niederschlag finden: Das Gesellschaftsvermögen soll nicht durch Pflichtverletzungen des Vorstands geschmälert und den Gläubigern hierdurch keine Haftungsmasse entzogen werden.901 Jedoch ist hierin kein Beleg dafür zu sehen, dass die Haftung unmittelbar auch die Gläubiger der Gesellschaft schützen soll. Eine unmittelbare Gläubigerschutzfunktion der Organhaftung kommt 898

Vgl. Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471, 486. Zu systemischen Risiken oben § 2 A. II. 3. 900 Sog. moderater shareholder-value-Ansatz: Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 31 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 12; Spindler, in: MüKoAktG, § 76 Rn. 76 m. umfangr. Nachw. In diese Richtung auch OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 17. 8. 2011 – 13 U 100/10, BeckRS 2011, 24234 = CCZ 2012, 236, 238 (m. Anm. Wieneke); Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 11. Zu anderen Ansätzen vgl. Hüffer/Koch, § 76 R. 28 ff. 901 Bachmann, Gutachten E zum 70. DJT, E 21; Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 28 ff. 899

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lediglich in § 93 Abs. 5 AktG zum Ausdruck.902 Dieser räumt den Gläubigern in Form eines Sonderrechts einen eigenen Anspruch gegenüber pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitgliedern ein, soweit von der Gesellschaft selbst keine Befriedigung zu erlangen ist.903 Jenseits der Vorschrift des § 93 Abs. 5 AktG ist ein über die Schonung des Gesellschaftsvermögens faktisch bewirkter Gläubigerschutz hingegen ein bloßer Reflexschutz.904 Dies belegt die Möglichkeit der Gesellschaft, auf Ersatzansprüche zu verzichten,905 welche allein die unmittelbaren Ansprüche der Gläubiger gemäß § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG unberührt lässt.906 Die Gläubiger bleiben also lediglich berechtigt, die ihrem Schutz dienenden Ansprüche aus § 93 Abs. 5 AktG geltend zu machen. Den darüber hinausgehenden gesellschaftsschützenden Ersatzanspruch können sie nicht verwirklichen. Auch wenn also ein mittelbarer Schutz der Gläubiger über die Haftung tatsächlich erreicht wird, ist diese nicht unmittelbares Ziel der Organhaftung. Erst Recht lassen sich daher über die Vorstandshaftung keine Rückschlüsse auf eine unmittelbare Gläubigerschutzfunktion der Compliance- und Risikomanagement-Organisation ziehen. 3. Einschränkung unternehmerischer Freiheiten Bis hierhin lassen sich also keine teleologischen Kongruenzen zwischen bankaufsichts- und aktienrechtlichen Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen feststellen. Dieses Ergebnis wird bestätigt, gleicht man die durch § 25a Abs. 1 KWG getroffenen Wertungen mit den grundlegenden Wertungen der Aktienrechtsordnung ab. Die Forderung nach einer sachgerechten Compliance- und Risikomanagement-Ausgestaltung folgt im Aktienrecht unmittelbar aus der Pflicht des Vorstands, das Unternehmen so zu organisieren, dass die Erfüllung von Unternehmenszweck und -gegenstand in größtmöglichem Umfang sichergestellt sind.907 Welche Ausgestaltung dies erfordert, ist allein am Interesse des jeweiligen Unternehmens zu bewerten und kann nicht, auch nicht in Form eines Minimums an organisatorischen Erfordernissen, abstrakt gesetzlich vorgegeben werden. Vielmehr obwaltet hierüber das unternehmerische Ermessen des Vorstands. Dies basiert auf der grundlegenden Wertung, dass die Leitung des Unternehmens eigenverantwortliche Aufgabe des Vorstands ist. Der Vorstand soll die Möglichkeit erhalten, die Organisation an die Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens, insbesondere seine 902

Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928. Hierzu Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 48; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 80 ff. 904 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928; Hölters, in: ders., § 93 Rn. 8 („mittelbarer Gläubigerschutz“). A.A. wohl Bachmann, Gutachten E zum 70. DJT, E 21; Fleischer, in: ders., Hdb. des Vorstandsrechts, § 11 Rn. 4; ders., in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 2; Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 93 Rn. 29. 905 Hierzu Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 45. 906 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928. 907 Wiesner, in: MünchHdbAG, § 25 Rn. 8. 903

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individuelle Risikoexposition, anzupassen.908 Hierdurch wird ihm die Chance gegeben, eigenverantwortlich anhand von ihm selbst unter Ausrichtung am Unternehmensinteresse priorisierter Zielvorgaben die optimale Organisationsstruktur des Unternehmens – auch mit Blick auf Compliance und Risikomanagement – zu bestimmen. Detaillierte (Mindest-)Anforderungen an Compliance und Risikomanagement würden hingegen der unterschiedlichen Realstruktur der Unternehmen nicht gerecht.909 Anderes gilt im Aufsichtsrecht. Die Compliance- und Risikomanagement-Organisation forciert hier nicht die Wahrung des Unternehmensinteresses, sondern ist Ausfluss der besonderen Zwecke der Bankenaufsicht.910 Entsprechend legt das Bankaufsichtsrecht mit Blick auf die spezifische Risikoexposition der im Finanzsektor tätigen Unternehmen minutiös Mindestanforderungen an die Complianceund Risikomanagement-Organisation fest. Bankaufsichtsrechtliche Organisationsanforderungen bedürfen einer mit dem Aktienrecht vergleichbaren Flexibilität nicht, weil sie ausschließlich auf Unternehmen einer Branche, der Finanzbranche, ausgerichtet sind. Die Geschäftsleiter bedürfen darüber hinaus auch nicht der Möglichkeit, die unterschiedlichen Interessen im Rahmen der Compliance- und Risikomanagement-Ausgestaltung einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen, weil das Aufsichtsrecht diese Abwägung bereits vorzeichnet: Die Organisation im Sinne des § 25a Abs. 1 KWG ist allein am Wohle der Allgemeinheit auszurichten. Ein verbleibendes Bedürfnis nach unternehmerischer Freiheit wird im Rahmen der konkreten Ausgestaltung der Mindestanforderungen durch den Proportionalitätsgrundsatz befriedigt.911 Das heißt: Anstatt unternehmerische Freiräume einzuräumen, beschränkt das Bankaufsichtsrecht solche. Würde man die branchenspezifischen Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG in den aktienrechtlichen Pflichtenkanon übernehmen, würde die mit Blick auf die besonderen Erfordernisse der Finanzbranche erfolgte Einschränkung des unternehmerischen Organisationsermessens über diese Branche hinaus verallgemeinert. Dies würde die aktienrechtlichen Wertungen konterkarieren, solche Einschränkungen gerade nicht vorzunehmen, um dem Vorstand maximale Freiheit bei der Entscheidung über die sachgerechte Organisation des Unternehmens zu geben. Die unternehmerische Abwägung, welche Organisation des Unternehmens sachgerecht sei, würde bei einer dem Aufsichtsrecht entsprechenden Wertung unter Orientierung am Gemeinwohl – und damit unter Abwendung vom Unternehmensinteresse – bereits durch die Regelung des § 25a Abs. 1 KWG vorweggenommen. Dies belegt, dass die Wertung des § 25a Abs. 1 KWG, es bedürfe wenigstens bestimmter Elemente, um eine sachgerechte Organisation der Compliance und des

908 909 910 911

Vgl. Hopt/Roth, in: GK-AktG, § 91 Rn. 65 f. Vgl. Fleischer, DB 2014, 1971, 1975; Kort, in: GK-AktG§ 91 Rn. 139. Im Einzelnen oben § 2 A. II. 4. Oben § 2 A. I. 2.

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Risikomanagements sicherzustellen, sich nicht in das aktienrechtliche Wertungssystem einfügt. III. Wechselwirkungen im Einzelfall (am Beispiel des Whistleblowing) Dieses Ergebnis bedeutet nicht, dass sich Aufsichts- und Aktienrecht nicht in bestimmten Fällen hinsichtlich der konkreten Anforderungen an Compliance und Risikomanagement decken können. Einmal enthält § 25a Abs. 1 KWG Regelungen, welche als solche auch im Aktienrecht existieren. Zum Beispiel ist die Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung ein (kapital-)gesellschaftsrechtliches Prinzip.912 Die Regelung der Gesamtverantwortung der Geschäftsleiter für eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation in § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG gibt daher eine bestehende aktienrechtliche Wertung lediglich in Form einer eigenen Regelung wieder.913 Ferner werden insbesondere allgemein gefasste Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG in dieser Form oftmals auch aus aktienrechtlicher Sicht von den Unternehmen zu erwarten sein.914 Hierzu zählt etwa das Erfordernis einer angemessenen personellen und technisch-organisatorischen Ausstattung des Unternehmens (vgl. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 KWG). Ebenso wird in vielen Fällen eine Compliance-Funktion nebst Hinweisgeber-Prozess erforderlich sein.915 Dieses Erfordernis ergibt sich jedoch nicht daraus, dass Aufsichts- und Aktienrecht dieselbe Wertung treffen, dass solche Elemente zu den Mindestanforderungen einer Compliance- und RisikomanagementOrganisation gehören, sondern aus einer Einzelfallauslegung des aktienrechtlichen Pflichtenmaßstabs anhand der spezifischen Gegebenheiten des betroffenen Unternehmens. Letztlich werden sich bestimmte Einzelwertungen des § 25a Abs. 1 KWG auch im Aktienrecht finden, sodass sich die Regelungen jener Vorschrift übernehmen lassen. Gebieten die spezifischen Gegebenheiten eines Unternehmens etwa die Einrichtung eines Whistleblowing-Prozesses, fragt sich, welche Anforderungen an diesen Prozess zu stellen sind. Die Beurteilung muss an der Funktionsfähigkeit des Systems ausgerichtet sein. Diese wird erfordern, dass der Hinweisgeber sich durch die Aufdeckung von Rechtsbrüchen nicht der Gefahr sozialer Ächtung innerhalb des Unternehmens aussetzt.916 Andererseits darf das System nicht zu einer Kultur des Denunziantentums führen.917 Dies bedeutet, dass der Hinweisgeberprozess auch

912

Vgl. §§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 61, geht davon aus, dass insoweit eine bankaufsichtsrechtliche „Ausstrahlung“ in Betracht käme. 914 Fleischer, NZG 2014, 321, 325; ders., in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 61. 915 Vgl. oben § 1 B. II. 1. 916 Instruktiv zur Gefahr der Exklusion und des „Mobbing“ Deiseroth/Derleder, ZRP 2008, 248, 249 f. 917 Maume/Haffke, ZIP 2016, 199, 202. 913

§ 9 Ausstrahlung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht

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nicht anonym ausgestaltet sein darf.918 Darüber hinaus setzt die Funktionsfähigkeit des Prozesses voraus, dass die Informationsstelle für einen sachgerechten Umgang mit den erhaltenen Informationen garantiert.919 Exakt diese Anforderungen an ein effektives Whistleblowing-System sind in § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 KWG wiedergegeben: Dieser fordert, dass eine Berichterstattung an eine geeignete Stelle unter Wahrung der Vertraulichkeit der Identität möglich sein muss.920 Die Vorschrift formuliert also lediglich allgemein vorfindliche Wertungen eines funktionsfähigen Whistleblowing-Systems durch bereichsspezifische Regelungen aus. Ihre Regelungen können aufgrund gemeinsamer Wertungen als Vorbilder auch für das Aktienrecht herangezogen werden, soweit dieses die Einrichtung eines Hinweisgeberprozesses fordert. IV. Zwischenergebnis Aktien- und Bankaufsichtsrecht weisen hinsichtlich ihrer jeweiligen Organisationsanforderungen eine Zieldisparität auf.921 Es geht ihnen nicht gleichermaßen um die Nachteilsabwendung zugunsten der Gesellschaft.922 Während die aktienrechtlichen Anforderungen am Wohle der Gesellschaft auszurichten sind und der Schonung ihres Vermögens dienen, geht es aus aufsichtsrechtlicher Sicht darum, die Nachteile und Schäden im Sinne eines Funktions- und Gläubigerschutzes zu vermeiden. Gemeinsame teleologische Grundlagen, die umfassend genug wären, den Schluss auf identische Wertungen des Aktien- und des Bankaufsichtsrechts mit Blick auf die Ausgestaltung von Compliance und Risikomanagement zuzulassen, lassen sich daher nicht ableiten. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass eine Übernahme 918 Vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 1/2006 zur Anwendung der EUDatenschutzvorschriften auf interne Verfahren zur Meldung mutmaßlicher Missstände in den Bereichen Rechnungslegung, interne Rechnungslegungskontrollen, Fragen der Wirtschaftsprüfung, Bekämpfung von Korruption, Banken- und Finanzkriminalität, 1. 2. 2006, S. 11 f. Hierzu Wisskirchen/Körber/Bissels, BB 2006, 1567, 1569. 919 Vgl. Maume/Haffke, ZIP 2016, 199, 202 ff. 920 Oben § 2 B. II. 921 Binder, ZGR 2013, 761, 780; ders., ZGR 2015, 667, 704. In diese Richtung auch Thaten, Ausstrahlungen, S. 236 zum Risikomanagement: „Die Risikomanagementvorgaben des Aufsichtsrechts sind also sehr weitgehend vom Einleger- und Systemschutzgedanken überformt. Das schlägt sich nicht nur in einer von § 91 Abs. 2 AktG deutlich abweichenden Zielvorgabe nieder (…)“. Anders offenbar auf S. 212 zu Compliance: „Aktien- und Aufsichtsrecht nähern sich dem der Compliance also von untrschiedlichen Ausgangspunkten, weil sie sich dem Schutz unterschiedlicher Personengruppen verschrieben haben. Sie bedienen sich aber desselben Regelungsinstruments: einer Unternehmensorganisationspflicht zur Verhinderung von Rechtsverstößen. Es liegt daher nahe, dass sie auch dasselbe Ziel verfolgen.“ 922 A.A. Fleischer, NZG 2014, 321, 325; ders., in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 61: „Aktien- und aufsichtsrechtliche Compliance [sind] trotz verschiedener Ausgangspunkte (allgemeine versus prudentielle Corporate Governance, Aktionärs- versus Einlegerinteressen) im Kern demselben Grundgedanken verpflichtet (…): Sie sollen das Unternehmen durch entsprechende Organisationspflichten vor Nachteilen und Schäden bewahren, die sich aus Regelverstößen ergeben.“

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

der aufsichtsrechtlichen Wertung, Compliance und Risikomanagement erforderten eine bestimmte Mindestorganisation, mit der grundlegenden aktienrechtlichen Wertung, dass der Vorstand das Unternehmen eigenverantwortlich zu leiten und unter Inanspruchnahme seiner unternehmerischen Freiheit zu organisieren hat, nicht vereinbar ist.923 § 25a Abs. 1 KWG kann daher nicht so verstanden werden, dass dieser schlichtweg allgemeine, auch im Rahmen aktienrechtlicher Compliance- und Risikomanagement-Anforderungen bestehende (vorfindliche) und für alle Aktiengesellschaften unabhängig von der Branche geltenden Wertungen durch konkrete Regelungen ausformuliert.924 Die bankaufsichtsrechtlichen Organisationsvorgaben können nicht als „Auslegungsgrundsätze“ für die Interpretation der aktienrechtlichen Vorschriften herangezogen werden.925 Eine Übertragung der auf einen organisatorischen Mindeststandard gerichteten Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG in den aktienrechtlichen Pflichtenkanon würde gerade der allgemeinen Konzeption aktienrechtlicher Compliance- und Risikomanagementvorgaben eingedenk der unterschiedlichen Realstruktur der Unternehmen widersprechen. § 25a Abs. 1 KWG stellt vielmehr eine sektorspezifische Sonderregelung dar.926 Entsprechendes gilt angesichts ihrer konkretisierenden Bedeutung für die aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen für eine Ausstrahlungswirkung der MaRisk.927 Diese Son923 Aus diesem Grund lassen sich die aufsichts- und aktienrechtlichen Anforderungen an Compliance und Risikomanagement auch nicht auf ein gemeinsames „Prinzip ordnungsgemäßer Unternehmensorganisation bzw. -führung“ zurückführen (vgl. hierzu aber Dreher, ZGR 2010, 496, 504). Inwieweit es sich bei der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation tatsächlich um ein allgemeines aktienrechtliches Prinzip handelt, kann an dieser Stelle offen bleiben. 924 I. E. ebenso Blasche, CCZ 2009, 62, 64; Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 94. Ähnlich auch Kießling/Kießling, WM 2003, 513, 515: „§ 25a KWG präzisiert die schon bislang bekannten Grundsätze ordnungsgemäßer Geschäftsführung in Instituten“ (Hervorhebung nicht im Original). In eine andere Richtung Lorenz, in: Romeike, S. 17 f., der für den allgemeinen Teil der MaRisk davon ausgeht, dass dieser „weitgehend auch auf Unternehmen anderer Branchen übertragbar“ sei, und i. E. sogar eine verbindliche Ausstrahlungswirkung des § 25a KWG auf § 91 Abs. 2 AktG befürwortet. 925 Binder, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, 2007, 145, 164; Fleischer/ Schmolke, ZHR 173 (2009), 649, 679; Kort, ZGR 2010, 440, 470. Mit Blick auf Compliance aber offenbar noch a.A. ders., NZG 2008, 81, 82: „Diese sektorspezifischen, wenn auch ihrerseits sehr allgemein gehaltenen normativen Compliance-Vorgaben haben Ausstrahlungswirkung auch auf das Compliance-Management von Unternehmen in anderen, nicht sektorspezifischen Wirtschaftsbereichen, und zwar auch für Unternehmen, die nicht börsennotiert sind.“ 926 OLG Celle, Urt. v. 25. 5. 2008 – 9 U 184/07, AG 2008, 711, 712: Allerdings könne sich die Pflicht zur Praktizierung eines Risikomanagementverfahrens aus § 91 Abs. 2 AktG ergeben. Welche Maßnahmen danach zu ergreifen seien, sei unternehmensspezifisch zu differenzieren. Nur für Kreditinstitute gelte nach § 25a Abs. 1 Sätze 3 und 4 KWG eine detaillierte gesetzliche Regelung. Im Grundsatz auch Fleischer, NZG 2014, 321, 325; Kleinert, in: FS Baums, 669, 672. 927 Eine faktische Ausstrahlung der MaRisk ist trotz ihrer fehlenden Bindungswirkung möglich. Hierzu oben § 6 B. III.

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derregelungen strahlen vielmehr in negativer Hinsicht aus, indem sie die Grenze aufzeigen, welche die Auslegung aktienrechtlicher Organisationspflichten vorbehaltlich besonderer Zwecksetzungen im Einzelfall zu wahren hat. Nur soweit punktuellen Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG ausnahmsweise Wertungen zugrunde liegen, welche sich in dieser Form auch im Aktienrecht finden, kommt eine Vorbildfunktion der aufsichtsrechtlichen Regelungen im Sinne faktischer Ausstrahlungen zur Konkretisierung der aktienrechtlichen Vorstandspflichten in Betracht.

C. Normative Ausstrahlungswirkung (Sektorbezogener Wertungstransfer) Im Rahmen normativer Ausstrahlungswirkungen gilt, dass es auf gemeinsame teleologische Grundlagen und Wertungen nicht ankommt, sofern die Rechtsordnung die Anordnung enthält, dass die fremden Regelungen verbindlich und ohne Rücksicht auf die ihnen zugrunde liegenden Wertungen übertragen werden sollen. Denkbar bleibt daher, dass die Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG im Wege normativer Ausstrahlungswirkungen Eingang in den aktienrechtlichen Pflichtenkanon finden. I. Normative Ausstrahlungsfähigkeit (insbesondere der MaRisk) Normative Ausstrahlungswirkungen setzen voraus, dass sowohl die Ausstrahlungs- als auch die Aufnahmenorm jeweils verbindlich sind.928 Dies ist hinsichtlich § 25a Abs. 1 KWG und der relevanten aktienrechtlichen Vorschriften zum Pflichtenmaßstab des Vorstands (§§ 76, 91 Abs. 2, 93 Abs. 1 AktG) unproblematisch. Diese zählen allesamt zum einfachen und damit zum unmittelbar gegenüber dem Bürger verbindlichen Recht.929 Sie sind normativ ausstrahlungs- bzw. aufnahmefähig für die normativen Ausstrahlungen der Ausstrahlungsnorm. Anders verhält es sich – darauf sei aufgrund ihrer Bedeutung für die Auslegung der aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen exkursorisch hingewiesen – hinsichtlich der MaRisk. Diese stellen untergesetzliche Verwaltungsvorschriften dar, die als solche nicht gegenüber dem Bürger verbindlich sind.930 Sie können damit aber auch keine Regelungen beinhalten, welche verbindlich im Rahmen der Interpretation einer anderen einfachrechtlichen Norm (hier: des Aktiengesetzes) zu berücksichtigen sind. Von ihnen kann a priori keine normative Ausstrahlungswirkung auf den aktienrechtlichen Pflichtenkanon des Vorstands ausgehen.931 928

Ausführlich oben § 6 B. III. 1. und 2. Vgl. Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 570 m. Fn. 90. 930 Eingehend oben § 2 A. I. 1. 931 Offenbar a.A. Lorenz, in: Romeike, S. 17 f., der von einer rechtlich verpflichtenden Ausstrahlungswirkung des § 25a Abs. 1 KWG – konkretisiert durch die MaRisk – ausgeht. 929

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

II. Normative Ausstrahlungswirkung über Legalitätspflicht? Mangels Verbindlichkeit der MaRisk kommt eine Ausstrahlungswirkung dieser auf das Aktienrecht nicht in Betracht. Voraussetzung einer Ausstrahlungswirkung des § 25a Abs. 1 KWG auf das Aktienrecht ist, dass die Rechtsordnung die verbindliche Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen im Rahmen des aktienrechtlichen Pflichtenmaßstabs anordnet. Das Aktienrecht bietet tatsächlich einen Anknüpfungspunkt: Als „Hebel“, über welchen aufsichtsrechtsrechtliche Vorschriften Eingang in das Aktienrecht finden, kommt die Legalitätspflicht des Vorstands in Betracht.932 1. Legalitätspflicht als Hebel zwischen Bankaufsicht- und Aktienrecht Die Legalitätspflicht verpflichtet die Vorstandsmitglieder zur Beachtung der gesetzlichen Vorschriften. Welche Rechtssätze von der Legalitätspflicht erfasst werden, ist durch Auslegung zu klären. Grundsätzlich gilt, dass gesetzliche Vorschriften, welche für die Gesellschaft oder den Vorstand in seiner Organfunktion im Außenverhältnis unmittelbar verbindlich sind, in den Anwendungsbereich der Legalitätspflicht fallen.933 Diese unterscheidet dabei nicht nach der zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Natur der Ge- oder Verbotsgesetze.934 Hingegen fallen Regelungen, die nicht verbindliche Rechtssätze sind, nicht unter die Legalitätspflicht. Dies meint etwa „anerkannte Grundsätze der Geschäftsmoral“935 oder Verwaltungsvorschriften, z. B. die MaRisk.936 Soweit die Legalitätspflicht reicht, werden die Rechtspflichten der Gesellschaft oder des Vorstands in der Weise in das Aktienrecht gehebelt, dass der Vorstand ihre Beachtung unmittelbar auch im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft schuldet.937 § 25a Abs. 1 KWG formuliert für das Institut sowie für die Geschäftsleiter unmittelbar verbindliche Pflichten im Indem § 25a KWG und die MaRisk grundlegende Anforderungen an den Umgang mit Risiken aufstellen, eigneten sie sich zu einer Beurteilung dieser Anforderungen auch in Nicht-Kreditinstituten. Die MaRisk sei „geradezu prädestiniert, um für die Auslegung des § 91 Abs. 2 AktG herangezogen zu werden.“ 932 Dreher/Ballmeier, ZGR 2014, 753, 781; Leyens/F. Schmidt, AG 2013, 533, 539; Merkt, in: FS Hommelhoff, 711, 718; Wundenberg, Prinzipiengeleitete Aufsicht, S. 133 ff. Zu § 64a VAG: Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1294; ders., KSzW 2013, 10, 11; Wirth/Paul, CCZ 2010, 95, 96. s. auch Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 263. 933 Zum Ganzen oben § 1 A. I. 1. 934 Die Legalitätspflicht kennt keine Unterscheidung zwischen „absoluten“ und „relativen“ Gesetzen, sodass auch ein vermeintliches Handeln des Vorstands im Unternehmensinteresse einen Verstoß im Außenverhältnis nicht rechtfertigen kann. So aber Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 13 ff. m.w.N. Für eine Beschränkung der Legalitätspflicht auf „harte“, ohne Beurteilungs- und Auslegungsspielräume geltende Normen R. Fischer, DStR 2007, 1083, 1086. 935 Fleischer, ZIP 2005, 141, 144. 936 Dengler, WM 2014, 2032 ff.; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 21. 937 Vgl. Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1294; ders., KSzW 2013, 10, 11.

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Außenverhältnis.938 Die bankaufsichtsrechtlichen Organisationsregelungen fallen damit in den Anwendungsbereich der Legalitätspflicht: Diese „hebelt“ die bankaufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen unmittelbar in das aktienrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstand, die Organisationsanforderungen werden „Teil“ des aktienrechtlichen Pflichtenkanons. Der Vorstand ist über die Legalitätspflicht daher grundsätzlich auch gegenüber der Gesellschaft zur Beachtung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben des § 25a Abs. 1 KWG verpflichtet.939 2. Sektorbezogene Ausstrahlungswirkung (Reichweite der Verbindlichkeitsanordnung) Die Reichweite der Legalitätspflicht wird jedoch durch den Anwendungsbereich des erfassten Rechtssatzes begrenzt. Sie kann nur solche Außenpflichten einbeziehen, welche auch an die Gesellschaft bzw. ihren Vorstand adressiert sind. Hingegen kann die Legalitätspflicht nicht Außenpflichten als für den Vorstand im Innenverhältnis verbindlich erklären, welche die Gesellschaft bzw. den Vorstand gar nicht treffen. Dies hat Bedeutung für die Reichweite einer normativen Ausstrahlungswirkung des § 25a Abs. 1 KWG, die sich über die Legalitätspflicht als aktienrechtliche Öffnung vollziehen soll. § 25a Abs. 1 KWG statuiert Pflichten ausschließlich für Unternehmen des Finanzsektors und ihre Geschäftsleiter. Die Legalitätspflicht kann daher dessen Regelungen auch nur für den Bankvorstand zu einem Teil des aktienrechtlichen Pflichtenmaßstabs machen. Sie sorgt insoweit für einen Pflichtengleichlauf, indem sie die bankaufsichtsrechtlichen Pflichten des Bankvorstands im Rahmen seines aktienrechtlichen Pflichtenkanons reflektiert. Eine darüber hinausgehende Externalisierung der bereichsspezifischen Sonderzwecke und eine Generalisierung der bankaufsichtsrechtlichen Regelungen sowie ihre Übertragung in den aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab aller Vorstände von Unternehmen ungeachtet ihrer Branche erfolgt nicht. Die Sonderregelungen und die ihnen zugrunde liegenden Wertungen bleiben auf den Bankvorstand limitiert. Die Übernahme aufsichtsrechtlicher Wertungen bzw. Regelungen über den Hebel der Legalitätspflicht widerspricht daher auch nicht der bereichsspezifischen Konzeption der aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten.940 Eine normative Ausstrahlungswirkung des § 25a Abs. 1 KWG verfolgt also einen anderen Ansatz als faktische Ausstrahlungen: Während faktische bankaufsichtsrechtliche Ausstrahlungen spezielle Regelungen, welchen allgemeine Wertungen zugrunde liegen, für alle Aktiengesellschaften verallgemeinern wollen, wollen normative Ausstrahlungswirkungen ungeachtet gegebenenfalls unterschiedlicher Wertungen den allgemeinen aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab an die speziellen

938 939 940

Oben § 2 A. III. 2. a). Vgl. die Nachw. in Fn. 932. Vgl. Wirth/Paul, CCZ 2010, 95, 96.

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

Regelungen und Wertungen des § 25a Abs. 1 KWG anpassen. Es geht also um eine „branchenspezifische Auslegung“941 der Legalitätspflicht.942 3. Systemkompatibilität Trotz ihres lediglich sektorspezifischen Bezugs führen normative Ausstrahlungswirkungen dazu, dass das Aktienrecht mit den fremden Regelungen und Wertungen des § 25a Abs. 1 KWG angereichert wird. Dies steht zwar im Einklang mit der Bedeutung einer normativen Ausstrahlungswirkung als echter Transfer normfremder Wertungen. Jedoch steht dieser Wertungstransfer jeder Verbindlichkeitsanordnung zum Trotz unter dem Vorbehalt der Systemkompatibilität und kann sich nur vollziehen, sofern er nicht dysfunktionale Blockaden zur Konsequenz hat. a) Einschränkung einer Ausstrahlungswirkung über die Legalitätspflicht Eine Einschränkung normativer Ausstrahlungswirkungen könnte mit Blick auf die unterschiedlichen teleologischen Grundlagen des Aufsichts- und des Aktienrechts vorzunehmen sein. Zum Teil wird vertreten, es dürfe angesichts der unterschiedlichen Zielrichtungen keine „unbesehene, automatische Übertragung aufsichtsrechtlicher Pflichten“ über den Hebel der Legalitätspflicht in das Aktienrecht erfolgen.943 Bei der Übertragung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen auf die zivilrechtliche Haftung sei vielmehr eine Einzelfallbetrachtung anzustellen.944 Eine Anwendung der Legalitätspflicht komme hierbei nur insoweit in Betracht, als das Aufsichtsrecht nicht in Widerspruch zum Aktienrecht steht.945 aa) Wertungsinkompatibilität Inwieweit eine Einschränkung der normativen Ausstrahlungswirkung erforderlich ist, zeigt ein Blick auf die unterschiedlichen Wertungen, welche einerseits den bankaufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen, andererseits dem aktienrechtlichen Pflichtenkanon zugrunde liegen. Grundsätzlich gilt zwar, dass die Wertung des § 25a Abs. 1 KWG, Compliance- und Risikomanagement-Organisation erforderten zwingend gewisse Mindeststandards, der aktienrechtlichen Grundwertung widerspricht, dass über die Organisation des Unternehmens die unternehmerische Freiheit des Vorstands obwalte. Die Legalitätspflicht stellt jedoch ihrerseits eine Einschränkung des unternehmerischen Ermessen dar.946 Ihr liegt die gesetz941

Vgl. Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 296. I. E. a.A. Lorenz, in: Romeike, S. 17 f. Vgl. hierzu Fn. 931. 943 Schaloske, VW 2008, 1521, 1522. Kritisch auch Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1294; ders., KSzW 2013, 10, 11 (alle zu § 64a VAG a. F.). 944 Schaloske, VW 2008, 1521, 1523. 945 Dreher/Ballmeier, ZGR 2014, 753, 781. 946 Oben § 1 A. I. 2. 942

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geberische Wertung zugrunde, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft, die als juristische Person selbst nicht handlungsfähig ist, als ihr Repräsentationsorgan nach innen die Wahrung ihrer Rechtstreue (und seiner Rechtstreue als Vorstand) im Außenverhältnis schuldet. Soweit die Legalitätspflicht daher reicht, steht die Wertung der unternehmerischen (Organisations-)Freiheit des Vorstands hintenan. Der Vorstand ist nur in den Grenzen des Rechts frei.947 Die Legalitätspflicht erfasst aber auch die Organisationspflichten des § 25a Abs. 1 KWG und stellt ihre Einhaltung damit dem unternehmerischen Ermessen des Vorstands vor. Hierdurch löst die Legalitätspflicht den Widerspruch zwischen den Wertungen der freiheitsbeschränkenden Organisationsregelungen des § 25a Abs. 1 KWG und den Wertungen des Aktienrechts in ihrem (der Legalitätspflicht) Anwendungsgebiet auf. bb) Anreicherung des Aktienrechts mit Zwecken der Aufsicht Die Auflösung dieses wertungsbezogenen Widerspruchs hilft jedoch nicht darüber hinweg, dass die Legalitätspflicht und die aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten unterschiedlichen Schutzzwecken verpflichtet sind. Das Ziel der Legalitätspflicht ist es, allein zum Zwecke des Gesellschafts- und Eignerschutzes die Rechtstreue des Vorstands zu sichern.948 Aufgrund des auf das Wohl der Allgemeinheit ausgerichteten Schutzzwecks des § 25a Abs. 1 KWG würden über eine Ausdehnung auf die bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten aber Zwecke der Allgemeinheit in die Normziele der Legalitätspflicht integriert. Dies hätte zur Folge, dass die Gesellschaft über die Legalitätspflicht mittelbar vor einem Verstoß gegen die allein öffentlichen Interessen dienende Norm des § 25a Abs. 1 KWG geschützt würde und umgekehrt, die Legalitätspflicht mittelbar öffentliche Interessen in das Aktienrecht aufnehmen würde. Eine sachgerechte Annäherung an diese Problematik erfordert eine Differenzierung: Die Verfolgung der spezifisch öffentlich-rechtlichen Zwecke der bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten obliegt der Gesellschaft (und dem Vorstand) als Adressat des § 25a Abs. 1 KWG im Außenverhältnis. Die Zweckverfolgung vollzieht sich hierbei über die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Außenpflichten. Die Legalitätspflicht verlangt komplementär im Innenverhältnis vom Vorstand, die Einhaltung der durch § 25a Abs. 1 KWG statuierten Pflichten – und damit die Verfolgung der diesem zugrunde liegenden Zwecke – dadurch sicherzustellen, dass er die der Gesellschaft (und ihm selbst) im Außenverhältnis abverlangten Pflichten rechtstreu erfüllt. Der Legalitätspflicht schützt die Gesellschaft also allein vor einer Verletzung der ihr gegenüber geschuldeten Rechtstreue des Vorstands. Für die Zwecke der Außenverpflichtung ist die Legalitätspflicht hingegen

947 948

Vgl. hierzu Holle, Legalitätskontrolle, S. 62. Vgl. Schaloske, VW 2008, 1521, 1522

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blind.949 Zwar entsteht aufgrund der Innenhaftung ein zusätzlicher aktienrechtlicher Verhaltensanreiz für den Vorstand, die öffentlichen Interessen dienenden Organisationspflichten des § 25a Abs. 1 KWG rechtstreu zu erfüllen. Hierin mag man tatsächlich eine Anreicherung des Aktienrechts mit den besonderen Erfordernissen der Bankenaufsicht dienenden Zwecken sehen. In diesem über das Aktienrecht vermittelten Schutz öffentlicher Interessen ist jedoch lediglich eine reflexartige Rückkopplung zu sehen, die dadurch entsteht, dass die Legalitätspflicht dem Vorstand ganz universal Rechtstreue mit Blick auf alle Pflichten der Gesellschaft (und des Vorstands) ungeachtet ihres Schutzzwecks abverlangt. Über eine differenzierte Betrachtung der Legalitätspflicht lassen sich die normativen Wechselwirkungen zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht trotz fehlender gemeinsamer Wertungen und teleologischer Grundlagen erklären. b) Dysfunktionale Blockaden durch Akkumulation Die Annahme einer normativen Ausstrahlungswirkung erfordert darüber hinaus, dass es durch diese nicht zu dysfunktionalen Blockaden kommt. Bei einer Ausstrahlungswirkung aufsichtsrechtlicher Vorschriften auf die Legalitätspflicht des Vorstands besteht eine Gefahr jedoch darin, dass die Rechtssicherheit des Vorstands durch eine Anreicherung der aktienrechtlichen Pflichtenlage mit relevanten spezialgesetzlichen Organisationspflichten beeinträchtigt wird.950 Jürgen Bürkle vertritt insoweit, dass kein Grund ersichtlich sei, warum nur die organisatorischen Pflichten des KWG auf die aktienrechtlichen Organisationspflichten branchenfremder Unternehmen fernwirken sollten.951 Eine verbindliche Anknüpfung an das KWG würde ebenso eine verbindliche Anknüpfung an andere Wirtschaftsaufsichtsgesetze gebieten.952 Hierdurch würde es zu einer Akkumulation relevanter Organisationspflichten kommen: Der Vorstand hätte die unterschiedlichsten Anforderungen der verschiedenen Sondergesetze zu beachten. Dies würde zu einer Erhöhung der Rechtsunsicherheit für den Vorstand führen.953 Dieser Akkumulationsproblematik ist die limitierte Reichweite einer normativen Ausstrahlungswirkung aufsichtsrechtlicher Organisationspflichten entgegenzuhalten. Bürkle geht davon aus, dass es zu einer verallgemeinernden, zugleich aber verbindlichen Fernwirkung bereichsspezifischer Organisationspflichten komme. In diesem Fall wäre in der Tat von der von Bürkle angesprochenen Akkumulationsproblematik auszugehen. Wie gezeigt, bedarf eine verbindliche Ausstrahlung aber stets einer Verbindlichkeitsanordnung. Diese liegt mit Blick auf den Pflichtenkanon 949

Es ist daher nicht von Belang, ob es sich um gewerbe-, kartell-, aufsichts- oder allgemein zivilrechtliche Pflichten handelt. Hierzu Paefgen, AG 2014, 554, 558 f.; Wiedemann, ZGR 2011, 189, 199. 950 In diese Richtung auch Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 667 f. 951 Bürkle, WM 2005, 1496, 1499. 952 Bürkle, WM 2005, 1496, 1499. 953 Bürkle, WM 2005, 1496, 1499.

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des Vorstands in dessen Legalitätspflicht. Die Legalitätspflicht reicht aber immer nur so weit, wie die maßgebliche Organisationspflicht selbst.954 Bankaufsichtsrechtliche Organisationspflichten strahlen nur für den Bankenvorstand verbindlich in das Aktienrecht aus, versicherungsaufsichtsrechtliche Pflichten nur für den Versicherungsvorstand. Eine übergebührliche Beeinträchtigung der Rechtssicherheit durch die Pflicht zur Beachtung verschiedenster spezieller Organisationsvorschriften entsteht daher nicht. Sollen besondere wirtschaftsaufsichtsrechtliche Vorschriften hingegen verallgemeinert werden, kommen nur unverbindliche faktische Ausstrahlungen in Betracht. Bei diesen geht es nur darum, gemeinsame Wertungen zu entdecken und hieraus geborene Regelungen zum Vorbild zu nehmen. Es kommt also nicht zu einer Anreicherung mit fremden Wertungen, sodass auch in diesem Fall keine Beeinträchtigung der Rechtssicherheit zu besorgen ist. Auch die Gefahr dysfunktionaler Blockaden aufgrund einer Akkumulation mehrerer bereichsspezifischer Organisationspflichten steht einer normativen Ausstrahlungswirkung des § 25a Abs. 1 KWG nicht entgegen. 4. Zusammenfassung Damit steht fest: § 25a Abs. 1 KWG übt eine normative Ausstrahlungswirkung auf den aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab des Bankvorstands aus. Dabei fungiert die Legalitätspflicht als Verbindlichkeitsanordnung (als „Hebel“), welche die bankaufsichtsrechtlichen Regelungen und die ihnen zugrunde liegenden Wertungen verbindlich in den aktienrechtlichen Pflichtenkanon integriert. Ein Verstoß gegen den Kompatibilitätsvorbehalt aufgrund entgegenstehender Wertungen des Aktienrechts liegt hierin nicht. Ebenso wenig begründet die Ausstrahlungswirkung die Gefahr dysfunktionaler Blockaden.955 Die bankaufsichtsrechtlichen Organisationsvorgaben können daher insoweit als bereichsspezifische, das heißt: lediglich für der Bankenaufsicht unterliegende Unternehmen geltende, verbindliche Konkretisierung der aktienrechtlichen Anforderungen an die Compliance- und RisikomanagementOrganisation gelesen werden.956 954

Daher kann es allenfalls insoweit zu einer Akkumulation kommen, als ein Unternehmen mehrere Organisationspflichten gleichzeitig zu beachten hat, etwa § 25a Abs. 1 KWG und § 33 WpHG. Die Beeinträchtigung der Rechtssicherheit ist hier überschaubar, weil § 33 Abs. 1 WpHG auf die Organisationspflichten des § 25a Abs. 1 KWG verweist und die Pflichten des WpHG auch im Übrigen komplementär zur bankaufsichtsrechtlichen Organisation wirken. Vgl. hierzu H. Schäfer, in: Heidel, § 33 WpHG Rn. 5. 955 Zu im Einzelfall bestehenden Wertungskonflikten zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht (am Beispiel von Direktkontakten) oben § 8 B. II. 2. Soweit von einer besonderen teleologischen Spezialität des Bankaufsichtsrechts auszugehen ist, tritt das Aktienrecht hinter den situativ spezielleren aufsichtsrechtlichen Vorschriften zurück. Normative Ausstrahlungswirkungen scheiden insoweit aus. 956 Ähnlich i. E. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9. 12. 2009 – 6 W 45/09, NZG 2010, 306 (Ls.) = BeckRS 2010, 00532 (n. rkr.) (IKB); LG München I, Urt. v. 15. 10. 2010 – 5 HK O 2122/ 09, ZIP 2010, 2451, 2456 (n. rkr.); Hüffer/Koch, § 91 Rn. 9; Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706, 1707. Ferner Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 263 (zu § 64a VAG a. F.).

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

III. Bedeutung sektorbezogener normativer Ausstrahlungen Die zunächst wenig überraschende Erkenntnis, dass die Legalitätspflicht als Verbindlichkeitsanordnung ausnahmsweise eine normative Ausstrahlungswirkung des Bankaufsichtsrechts auf den Pflichtenkanon des Bankvorstands erlaubt, zieht eine Reihe bedeutsamer Konsequenzen nach sich. Insoweit gilt es insbesondere die Auswirkungen auf das aktienrechtliche Pflichten- und Haftungsgefüge zu untersuchen. 1. Einschränkung der unternehmerischen Freiheit Die Rolle der Legalitätspflicht als ausstrahlungsrechtliche Verbindlichkeitsanordnung ist bereits erläutert worden. Hiervon gehen auch die Überlegungen zur Bedeutung einer normativen Ausstrahlungswirkung für den unternehmerischen Handlungsfreiraum des Vorstands aus. Das Aktienrecht schreibt dem Vorstand als Pflichtaufgabe lediglich vor, irgendwie für Compliance und Risikomanagement im Unternehmen zu sorgen. Die Organisation im Einzelnen untersteht der Regentschaft seines unternehmerischen Ermessens. § 25a Abs. 1 KWG bestimmt hingegen schematisch, welche Organisation Compliance und Risikomanagement aus aufsichtsrechtlicher Sicht aufweisen müssen. Das Bankaufsichtsrecht trifft damit nicht nur eine Entscheidung hinsichtlich des Ob von Compliance und Risikomanagement, sondern ebenso hinsichtlich des Ob bestimmter Gegenstände einer ordnungsgemäßen Organisation. Die normative Ausstrahlungswirkung des § 25a Abs. 1 KWG über die Legalitätspflicht transferiert diese bankaufsichtsrechtliche Entscheidung, dass es im Unternehmen bestimmter Elemente einer Compliance- und Risikomanagement-Organisation bedarf, in den aktienrechtlichen Pflichtenkanon. Folge ist, dass der Vorstand im Umfang der aufsichtsrechtlichen Vorgaben nicht mehr über die Ausgestaltung der Organisation entscheiden kann. Die Legalitätspflicht macht aus der Organisation, soweit sie der Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Mindestvorgaben dient, eine Pflichtaufgabe.957 Ein unternehmerisches Ermessen scheidet insoweit aus.958 Aus dem ursprünglichen aktienrechtlichen Wie wird so ein bankaufsichtsrechtlich induziertes Ob der Organisation. Der unternehmerische Entscheidungsfreiraum des Vorstands wird erst jenseits aufsichtsrechtlicher Mindestvorgaben wieder relevant. Erstens kann der Vorstand im Rahmen eines pflichtgemäßen Ermessens darüber entscheiden, wie er die Mindestanforderungen konkret umsetzt.959 Das Wie wird insoweit quasi eine Stufe nach unten verlagert. Zweitens deckt die business judgement rule die Entscheidung des Vorstands, ob eine über die Mindestanforderungen hinausgehende Compliance- und Risikomanagement-Organisation erforderlich ist. 957

Vgl. Dengler, WM 2014, 2032, 2037. Blasche, WM 2011, 343, 347; Dengler, WM 2014, 2032, 2037; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1798. Ferner Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 262 (zu § 64a VAG a. F.). 959 Dengler, WM 2014, 2032, 2037. 958

§ 9 Ausstrahlung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht

187

2. Organhaftung Freilich ist § 25a Abs. 1 KWG schon aus seiner selbst heraus, aufgrund seiner Natur als verbindlicher Rechtssatz, von Bankvorstand und -gesellschaft verbindlich zu beachten.960 Diese Beachtlichkeit wird nicht erst durch die Legalitätspflicht geschaffen. Allerdings ist diese Beachtlichkeit zunächst rein aufsichtsrechtlicher Natur. Die Bedeutung der normativen Ausstrahlungswirkung über die Legalitätspflicht liegt darin, dass diese eine aktienrechtliche Beachtlichkeit der aufsichtsrechtlichen Vorschriften schafft und die gesellschaftsrechtliche Organhaftung gegenüber der Gesellschaft aktiviert. a) Spiegelung der Außenpflichten in das Innenverhältnis Die Haftung des § 93 Abs. 2 AktG schützt über eine Schonung des Gesellschaftsvermögen die Gesellschaft und wird daher nur bei einer Verletzung von Pflichten relevant, die dem Vorstand unmittelbar gegenüber der Gesellschaft auferlegt sind.961 Dies ist nicht der Fall, besteht eine Verpflichtung ausschließlich im Außenverhältnis. Dies trifft etwa auf § 25a Abs. 1 KWG zu. Die Pflicht zur Compliance- und Risikomanagement-Organisation besteht allein im Außenverhältnis („gegenüber der Aufsichtsbehörde“).962 Sie besteht nicht gegenüber der Gesellschaft – die ja auch selbst Verpflichtete ist – und dient nicht ihrem Schutz. Der Verstoß des Vorstands gegen die Organisationspflichten löst an sich daher keine Haftung gegenüber der Gesellschaft aus. Die Haftungsrelevanz solcher Außenpflichten wird erst durch die „Hebelwirkung“ der Legalitätspflicht begründet.963 Ein Verstoß des Vorstands gegen die Gesellschaft (oder ihn selbst) im Außenverhältnis treffende Pflichten stellt zugleich einen Verstoß gegen die Legalitätspflicht dar – und damit gegen eine im Innenverhältnis bestehende Pflicht des Vorstands.964 Der Vorstand haftet nicht eigentlich für die Verletzung der Außenpflicht, sondern dafür, dass er durch die Verletzung der Außenpflicht die Legalitätspflicht im Innenverhältnis verletzt. Haftungsrechtlich stellt diese den Brückenschlag zwischen Außen- und Innenverhältnis dar.965

960

Vgl. Binder, ZGR 2013, 760, 785 f. Vgl. Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, § 116 Rn. 81; Huthmacher, Haftung des Aufsichtsrats, S. 133; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 116 Rn. 126; jeweils zum Aufsichtsrat, aber unter Verweis auf § 93 Abs. 2 AktG. 962 Oben § 2 A. III. 2. a). 963 Vgl. auch Schlechtriem, in: Kreuzer, S. 20 f. 964 Bayer, in: FS K. Schmidt, 85, 89 f.; Fleischer, ZIP 2005, 141, 144; Hopt/Roth, in: GKAktG, § 93 Rn. 133; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 24; Ihrig, WM 2004, 2098, 2104; Lutter, ZIP 2007, 841, 844; Schlechtriem, in: Kreuzer, S. 20 f.; M. Zimmermann, WM 2008, 433, 435. 965 Ähnlich Armbrüster, KSzW 2013, 10, 11; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 263. 961

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

b) Pflichtverletzung Der Vorstand verstößt gegen seine Pflichten, wenn er überhaupt keine Maßnahmen der Compliance und des Risikomanagements ergreift. Hierfür bedarf es allerdings des Transfers aufsichtsrechtlicher Regelungen über die Legalitätspflicht nicht. Dies gilt vielmehr schon aufgrund der aktienrechtlich bestehenden Verpflichtung, in angemessener Weise für Compliance und Risikomanagement zu sorgen. Relevant wird die Ausstrahlungswirkung aber in einem nächsten Schritt: Eine Pflichtverletzung ist aufgrund der Legalitätspflicht auch dann anzunehmen, wenn der Vorstand einzelne Elemente einer Compliance- und Risikomanagement-Organisation gemäß § 25a Abs. 1 KWG nicht umsetzt. Ergreift er Maßnahmen, können diese aber nicht mehr als geeignete Umsetzung der bankaufsichtsrechtlichen Mindestvorgaben gewertet werden, ist ebenfalls von einer Pflichtverletzung auszugehen.966 Dabei ist aber zweierlei zu beachten: Erstens steht dem Vorstand hinsichtlich der konkreten Umsetzung der Mindestvorgaben aufgrund des Proportionalitätsgrundsatzes ein Gestaltungsspielraum zu.967 Zweitens ist es im Falle einer unklaren Rechtslage zur Wahrung der Legalitätspflicht ausreichend, wenn der Vorstand nach Einholung eines fachkundigen Rechtsrats mit guten Gründen von der Rechtmäßigkeit seines Handelns ausgehen durfte.968 Ein Verstoß gegen § 25a Abs. 1 KWG (und damit gegen die Legalitätspflicht) ist daher erst anzunehmen, wenn die vom Vorstand ergriffene Maßnahme evident ungeeignet ist, den aufsichtsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Für den Bankvorstand positive Kehrseite der strengen aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen ist, dass diese einen safe harbour bieten: Erfüllt die Compliance- bzw. Risikomanagement-Organisation die aufsichtsrechtlichen Erwartungen, scheidet eine Haftung des Bankvorstands wegen eines Verstoßes gegen aktienrechtliche Compliance- bzw. Risikomanagementpflichten aus.969 c) Kausaler Schaden Die Pflichtverletzung wird haftungsrechtlich nur relevant, soweit der Gesellschaft aus dieser ein Schaden entsteht.970 Hierbei ist genau zu prüfen, ob sich der eingetretene Schaden auf die schuldhafte Verletzung der bankaufsichtsrechtlichen Or966

Vgl. Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 265 (zu § 64a VAG a. F.). Oben § 2 A. I. 2. 968 Bayer, in: FS K. Schmidt, 85, 92; Dreher, in: FS Konzen, 85, 94 f.; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 24; M. Zimmermann, WM 2008, 433, 435. 969 Binder, ZGR 2013, 760, 768. Ähnlich Dreher, ZGR 2010, 496, 531 f. Einen entsprechenden safe harbor bietet die Einhaltung der MaRisk nicht: Dengler, WM 2014, 2032, 2039; Schäfer/Zeller, BB 2009, 1709, 1710. 970 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 34; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 55 ff.; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 AktG Rn. 97 ff. 967

§ 9 Ausstrahlung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht

189

ganisationsanforderungen971 durch den Vorstand zurückführen lässt.972 Oftmals wird es schwer fallen, einen Schaden kausal zu einer bestimmten Organisationspflichtverletzung des Vorstands zurückzuverfolgen. Die Kausalität dürfte aber etwa bei Kosten, die der Gesellschaft aufgrund einer Anordnung der Aufsichtsbehörde (etwa gemäß § 25a Abs. 2 Satz 2 KWG) zusätzlich entstehen, regelmäßig anzunehmen sein. Ferner wird die Gesellschaft den Vorstand regelmäßig wegen eines unmittelbar gegen sie verhängten Bußgelds in Regress nehmen können.973 Schadensauslösende Pflichtverletzung des Vorstands ist hier aber nicht länger der Organisationspflichtverstoß, sondern die Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung der Aufsichtsbehörde (§ 25a Abs. 2 Satz 2, 45b Abs. 1 KWG).974 d) Fazit: Erhöhtes Haftungsrisiko Mit der Einschränkung der business judgement rule geht also ein im Ergebnis erhöhtes Haftungsrisiko des Vorstands einher.975 Entscheidungen, die in originär aktienrechtlicher Hinsicht nur nach Maßgabe des unternehmerischen Ermessens zu treffen waren, werden durch die Ausstrahlungswirkung aufsichtsrechtlicher Vorschriften dem Handlungs- und damit Haftungsfreiraum des Vorstands entzogen. Ursprünglich freie Entscheidungen werden als Pflichtaufgaben manifestiert. Ihre Missachtung stellt automatisch eine grundsätzlich haftungsrelevante Pflichtverletzung dar.976 Der Gesellschaft wird hierdurch ein eigenes „Druckmittel“ gegenüber ihrem Repräsentativorgan an die Hand gegeben, um dieses zur Beachtung unmittelbarer Außenpflichten der Gesellschaft zu drängen.977

971

Genau genommen muss sich der Schaden auf die Verletzung der Legalitätspflicht zurückführen lassen. Ein Verstoß gegen diese ist insoweit aber wiederum nur anzunehmen, wenn die Organisationspflichten des § 25a Abs. 1 KWG missachtet wurden. 972 Blasche, WM 2011, 343, 347 f. 973 Zu bankaufsichtsrechtlichen Bußgeldern oben § 2 A. III. 2. d). 974 Hierzu oben § 2 A. III. 2. b). 975 Dengler, WM 2014, 2032; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 263. Vgl. auch R. Fischer, DStR 2007, 1083, 1085. 976 Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1294; ders., KSzW 2013, 10, 11; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 263. Ferner Böttcher, NZG 2009, 1047, 1051. Die Erweiterung der gesellschaftsrechtlichen Haftung des Vorstands wirkt sich auch auf die Überwachungspflicht (und damit die Haftung) des Aufsichtsrats aus, vgl. Bürkle, WM 2005, 1496, 1499. 977 Ähnlich Wiedemann, ZGR 2011, 189, 199, der darauf hinweist, dass in der „Internalisierung der Rechtstreue in das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Organ wohl auch der Gedanke [mitschwinge], die Interessen der gesellschaftlichen Bezugsgruppen und der geltenden Wirtschaftsordnung müssten durch eine Binnenhaftung zusätzlich gesichert werden (…)“.

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

3. Aufsichtsdopplung Letztlich darf auch nicht außen vor gelassen werden, dass die Ausstrahlungswirkung der aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten auf das Aktienrecht zu einer doppelten Kontrolle der Pflichterfüllung durch den Vorstand führt. Die Überwachung der Vorstandstätigkeit obliegt nach aktienrechtlichen Grundsätzen dem Aufsichtsrat. In diesem Zusammenhang hat der Aufsichtsrat hinsichtlich § 25a Abs. 1 KWG zu kontrollieren, ob die vom Vorstand ergriffenen Maßnahmen die aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen umsetzen.978 Die Einhaltung der Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG wird aber zugleich durch die Aufsichtsbehörde staatlich überwacht. Die verbandsendogene Kontrolle durch den Aufsichtsrat überschneidet sich an dieser Stelle mit der Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde.979 Es kommt zu einer Aufsichtsdopplung.980 Im Falle einer Missachtung der Mindestanforderungen des § 25a Abs. 1 KWG sieht der Vorstand sich aufsichts- und aktienrechtlichen „Sanktionen“ gleichermaßen ausgesetzt. IV. Zwischenergebnis Die Wertungen und Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG strahlen auf den aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab des Bankvorstands aus. Die Verbindlichkeitsanordnung, welche angesichts der Fremdheit der zu übertragenden Wertungen aus Sicht des Aktienrechts erforderlich ist, liegt in der Legalitätspflicht. Diese verpflichtet den Vorstand der Bankaktiengesellschaft auch im Innenverhältnis gegenüber dieser, die im Außenverhältnis „gegenüber der Aufsichtsbehörde“ bestehenden Organisationspflichten des § 25a Abs. 1 KWG einzuhalten. Die durch diese Norm getroffene Wertung, dass die Compliance- und Risikomanagement-Organisation wenigstens bestimmte Mindestanforderungen zu erfüllen hat, wird insoweit gemeinsam mit den darauf basierenden Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG in das aktienrechtliche Verhältnis übernommen. Dieses Ergebnis überrascht angesichts der anerkannten Reichweite der aktienrechtlichen Legalitätspflicht wenig. Ebenso wenig verwundert es, dass die Ausstrahlungswirkung unmittelbare Auswirkungen auf die Reichweite der Organhaftung hat. Die eigentliche Erkenntnis liegt in der übergeordneten Bedeutung einer solchen Ausstrahlungswirkung über die Legalitätspflicht: Die Legalitätspflicht markiert die Grenze der Pflicht des Vorstands zur alleinigen Verfolgung des Unternehmensinteresses. Durch ihre Tore finden externe Wertungen 978

Vgl. zum Ganzen oben § 1 D. 1. Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471 ff., 482 (zum VAG). 980 Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471 ff., 482 (zum VAG), auch zu den Spannungssituationen, welche dieses Nebeneinander verbandsendogender und -exogener Aufsichtskompetenz mit sich bringt. Ferner Leyens/F. Schmidt, AG 2013, 533, 543 ff. In börsennotierten Gesellschaften (sprich: in den meisten Banken) kommt es wegen § 317 Abs. 4 HGB sogar zu einer „Verdreifachung“ der Aufsicht, s. oben § 1 D. 1. 979

§ 9 Ausstrahlung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht

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und Regelungen Eingang in den aktienrechtlichen Pflichtenkanon.981 Im Falle der Ausstrahlungswirkung des § 25a Abs. 1 KWG bedeutet der Wertungstransfer eine Anreicherung der Vorstandspflichten mit aufsichtsrechtlichen (Sonder-)Zwecken.982 Die Verfolgung öffentlicher Interessen wird gleichgestellt mit der Verfolgung privater Interessen. Die Erreichung aufsichtsrechtlicher Ziele wird zusätzlich durch die Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft für Verstöße gegen § 25a Abs. 1 KWG – und damit gegen die Legalitätspflicht – gefördert.983 Die aktienrechtliche Verpflichtung des Vorstands zur Rechtstreue gegenüber der Gesellschaft wird somit durch die Ausstrahlungswirkung der bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten zu einem funktionalen Äquivalent aufsichtsrechtlicher Steuerung.984 Die Anreicherung des aktienrechtlichen Pflichtenmaßstabs mit öffentlichrechtlichen Zielen mutet zwar wie ein Systembruch an: Es widerspricht der Konzeption von öffentlichem Recht und Zivilrecht, für das Handeln im Rahmen privatautonomer Gestaltung materielle (Gemeinwohl-)Zielsetzungen vorzugeben.985 Eine Gemeinwohlorientierung der Vorstandspflichten besteht insoweit allerdings nur im Umfang der aufsichtsrechtlichen Organisationsverpflichtung und nicht allgemein. Das Aufsichtsrecht gibt insoweit lediglich punktuell die Zielkoordinaten vor, die eine angemessene Interessenartikulation und -balancierung mit Blick auf die übergeordneten Belange der Allgemeinheit auch im Rahmen privatrechtlicher Pflichtenwahrnehmung sichern.986 Dies entspricht der Funktion des öffentlichen Rechts – auch in seiner Abgrenzung zum Zivilrecht.987 Ein Systembruch liegt hierin nicht.988 Auf der anderen Seite der Bilanz steht die durch den verbindlichen Transfer aufsichtsrechtlicher Vorgaben entstehende Verrechtlichung der unternehmerischen Tätigkeit des Vorstands.989 Im Umfang der bankaufsichtsrechtlichen Mindestvorgaben einer ordnungsgemäßen Compliance- und Risikomanagement-Organisation wird der unternehmerische Freiraum des Vorstands „abgelöst“ durch inhaltlich vage, jedoch zwingende gesetzliche Vorgaben. Ein Handeln in Unsicherheit, zu dessen Zurückdrängung die business judgement rule gerade etabliert worden ist,990 wird hierdurch wieder häufiger.991 Zugleich führt die Ausstrahlungswirkung dazu, dass die 981 982 983 984 985 986 987 988 989 990

147 f. 991

Vgl. Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 8 ff. Binder, ZGR 2013, 760, 764. Insoweit zutreffend Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1294. Vgl. auch Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 32 f. Vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 310. Vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 310. Oben § 4 A. Vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 310. Vgl. Hopt, ZIP 2013, 1793, 1797. Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83, 92 f.; Grunewald/Hennrichs, in: FS Maier-Reimer, Dengler, WM 2014, 2032.

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3. Teil: Ausstrahlungswirkung bankaufsichtsrechtlicher Organisationspflichten

Erfüllung der prinzipienbasierten Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG nicht nur unter dem Druck aufsichtsbehördlicher Maßnahmen steht, sondern zugleich von einer aktienrechtlichen Haftungsandrohung angereizt wird: Der Vorstand haftet persönlich für im Extremfall horrende Schäden, welche durch die unzureichende Umsetzung der Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG entstehen können. Hierbei muss der Vorstand sich gleich in zwei Richtungen – unter anderen Vorzeichen – rechtfertigen: Gegenüber der Aufsichtsbehörde als „Diener“ öffentlicher Interessen, gegenüber dem Aufsichtsrat als Agent der Anteilseigner. Die Ausstrahlungswirkung etabliert insoweit eine Aufsichtsdopplung.

§ 10 Ergebnisse des 3. Teils Eine Ausstrahlungswirkung der bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten auf das Aktienrecht lässt sich nur sehr eingeschränkt bejahen. Ein verbindlicher Transfer der aus Sicht des Aktienrechts fremden aufsichtsrechtlichen Wertungen in den aktienrechtlichen Pflichtenkanon findet – begrenzt auf den Bankensektor! – über die Legalitätspflicht statt. Ein verallgemeinernder Transfer der Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG im Sinne einer faktischen Ausstrahlung lässt sich wegen der gerade nicht übereinstimmenden Wertungen jedoch grundsätzlich nicht begründen. Nur im Einzelfall können die bankaufsichtsrechtlichen Regelungen Modell für das Aktienrecht stehen, soweit sich ausnahmsweise punktuelle Übereinstimmungen zugrunde liegender Wertungen finden.992 Die Bedeutung einer Ausstrahlungswirkung für die Verhältnisbestimmung zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht liegt darin, dass sie einerseits eine genaue Bestimmung des aktienrechtlichen Pflichtenmaßstabs des Vorstands anhand der aufsichtsrechtlichen Vorgaben erlaubt, andererseits klare Grenzen einer wertungsbzw. regelungsbezogenen Wechselwirkung zeichnet. Die Feststellung, dass normative Ausstrahlungen des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht bestehen, enthält die Erkenntnis, dass das Bankaufsichtsrecht im Umfang der Ausstrahlungswirkung in den aktienrechtlichen Rechtsrahmen inkorporiert und „wie Aktienrecht“ behandelt wird. Die Feststellung, dass Ausstrahlungen im Übrigen gerade nicht bestehen, enthält zugleich die Erkenntnis, dass die aktienrechtlichen Erwartungen nicht ohne weiteres am Aufsichtsrecht orientiert sein können. Der Ausstrahlungsbegriff kann vor diesem Hintergrund zu einer passgenauen Bestimmung der Interaktion zwischen Aufsichts- und Aktienrecht herangezogen werden. Er erlaubt es, die strengen Erwartungen des Aufsichtsrechts von dem dynamischen Kanon des Aktienrechts abzugrenzen. Zugleich ist er angesichts seiner deskriptiven Funktion mit der gebotenen Sorgfalt heranzuziehen: Eine Ausstrahlungswirkung des Bankaufsichts- auf das Aktienrecht kann nicht pauschal angenommen werden, sondern beschreibt stets das 992

I. E. auch Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 588.

§ 10 Ergebnisse des 3. Teils

193

konkrete Auffangverhältnis zweier Normen im Einzelfall.993 Die Aussage, „das Bankaufsichtsrecht strahlt auf das Aktienrecht aus“, ist daher ebenso verkehrt wie die Aussage, „das Bankaufsichtsrecht strahlt nicht auf das Aktienrecht aus“.994

993

Vgl. schon oben § 5 A. s. auch Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 568 ff. Vgl. aber einerseits z. B. Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 667: „Der voreiligen Verallgemeinerung bankgesellschaftsrechtlicher Normen stehen nicht nur die zahlreichen Besonderheiten des gerade für Finanzinstitute einschlägigen Regelungshintergrunds entgegen.“ Andererseits Fleischer/Schmolke, RIW 2009, 337, 341: „Dass bankaufsichtsrechtliche Vorgaben in Teilbereichen auf aktienrechtliche Pflichtenstandards ausstrahlen, lässt sich in jüngerer Zeit an verschiedenen Stellen beobachten. Das Paradebeispiel bildet § 25a Abs. 2 KWG; (…)“. 994

Zusammenfassung in Thesen Thesen zum ersten Teil 1. Aktien- und Bankaufsichtsrecht überschneiden sich. Sachliche Überschneidungsbereiche zeigen sich mit Blick auf die Regelungen zu Compliance und Risikomanagement. Diese regulatorischen Schnittmengen werfen die Frage auf, ob und inwieweit die detaillierten Regelungen des Bankaufsichtsrechts die unbestimmten Vorschriften des Aktienrechts inhaltlich beeinflussen. Zugleich machen die Überschneidungen eine Verhältnisbestimmung zwischen den beiden Rechtsgebieten erforderlich. Compliance und Risikomanagement im Aktienrecht 2. Compliance und Risikomanagement sind Pflicht! Die Pflicht des Vorstands, für Compliance im Unternehmen zu sorgen, ergibt sich aus der Legalitäts- und Legalitätskontrollpflicht. Die Risikomanagement-Pflicht ergibt sich aus einer Gesamtschau der §§ 76 Abs. 1, 91 Abs. 2, 93 Abs. 1 AktG: § 91 Abs. 2 statuiert die Pflicht, Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung bestandsgefährdender Risiken zu ergreifen. Die Pflicht, erkannten Risiken entgegenzuwirken, ergibt sich aus der allgemeinen Sorgfalts- und Leitungspflicht des Vorstands. 3. Compliance- und Risikomanagement-Organisation ist Ermessensfrage! Zwar steht dem Vorstand hinsichtlich der Umsetzung der Pflichten (Ob) kein Ermessensspielraum zu. Welche Maßnahmen er aber zur Umsetzung der Verpflichtungen ergreift (Wie), unterfällt seinem unternehmerischen (Organisations-)Ermessen. Zwingende Mindestvorgaben einer ordnungsgemäßen Compliance- bzw. Risikomanagement-Organisation (z. B. Whistleblowing-Stelle, Kontroll- oder Notfallverfahren, interne Revision) machen weder das Aktienrecht noch betriebswirtschaftliche Standards (z. B. IDW PS 340). 4. Compliance und Risikomanagement sind haftungsrelevant! Die Umsetzung der Compliance- und der Risikomanagement-Maßnahmen wird durch den Aufsichtsrat überwacht. Verletzt der Vorstand die Pflicht zur Compliance bzw. zum Risikomanagement, ist er der Gesellschaft zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet. Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Vorstand überhaupt keine Maßnahmen zur Umsetzung der Compliance- oder der RisikomanagementPflicht ergreift. Eine Pflichtverletzung ist aber auch anzunehmen, wenn der Vorstand zwar Maßnahmen ergreift, diese aber ungeeignet oder unzureichend sind, um die Compliance bzw. das Risikomanagement im Unternehmen sicherzustellen. Hingegen liegt nicht schon darin ein Pflichtverstoß, dass der Vorstand lediglich von der Implementierung bestimmter Elemente einer Compliance- oder Risikomanagement-

Zusammenfassung in Thesen

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Organisation (z. B. einer Whistleblowing-Stelle oder einer internen Revision) absieht. Darüber hinaus ist dem unternehmerischen Ermessen bei der Frage Rechnung zu tragen, ob die zur Umsetzung der Organisationspflichten ergriffenen Maßnahmen ausreichend sind. Compliance und Risikomanagement im Bankaufsichtsrecht 5. Für Unternehmen des Finanzsektors enthält das Bankaufsichtsrecht eigene Regelungen zu Compliance und Risikomanagement. Die Rechtfertigung der besonderen Anforderungen liegt hierbei in den besonderen Risiken der Finanzbranche. Aufgrund der besonderen Vertrauensanfälligkeit des Bankensektors besteht die Gefahr eines Bank-Run, welche durch das erhöhte Insolvenzrisiko von Kreditinstituten verstärkt wird. Instabilitäten des Finanzsektors greifen wiederum schnell auf die Realwirtschaft über (systemische Risiken). 6. Wie das Aktienrecht verpflichtet auch das Aufsichtsrecht zur Einrichtung von Compliance und Risikomanagement. Anders als das Aktienrecht legt § 25a Abs. 1 KWG jedoch darüber hinaus zwingende Mindeststandards hinsichtlich der organisatorischen Ausgestaltung fest. Es regelt damit sowohl die Frage nach dem Ob von Compliance und Risikomanagement als auch die Frage nach dem Ob bestimmter mindestens erforderlicher Organisationselemente. 7. Die organisatorischen Mindeststandards sind prinzipienorientiert ausgestaltet. Sie geben zwar verbindliche Zielwerte vor, belassen den Unternehmen jedoch einen weiten Umsetzungsspielraum. Das Wie der Ausgestaltung von Compliance und Risikomanagement liegt daher – innerhalb der Grenzen zwingender Mindestanforderungen – in ihrem Ermessen. 8. Die aufsichtsrechtliche Compliance- und Risikomanagement-Pflicht trifft aufgrund der Doppelanknüpfung des § 25a Abs. 1 KWG sowohl die Institute unmittelbar als auch die Geschäftsleiter. Ein Verstoß gegen die bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten kann daher gegenüber dem Institut ebenso wie gegenüber den Geschäftsleitern mit den Mitteln des Bankaufsichtsrechts (z. B. Widerruf der Erlaubnis, Abberufungsverlangen) geahndet werden. Thesen zum zweiten Teil 9. Die Ausstrahlung ist Instrument zur Verhältnisbestimmung. Bankaufsichtsrechtliche Ausstrahlungswirkungen können das methodenrechtliche Instrument eines Wechselspiels zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht darstellen. Sie beschreiben einen Wertungs- bzw. Regelungstransfer im Rahmen der Auslegung zwischen zwei gleichrangigen Normen unterschiedlicher Teilrechtsordnungen. Ausstrahlungen als Element materieller Normrelation 10. Ausstrahlungswirkungen lassen sich als Element einer materiellen Normrelation im Rahmen der Koordination von öffentlichem Recht und Zivilrecht als wechselseitigen Auffangordnungen verstehen. Öffentliches Recht und Zivilrecht stehen sich nämlich nicht im Sinne einer absoluten Dichotomie gegenüber. Vielmehr

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ist die Unterscheidung zwischen den beiden Teilrechtsordnungen ausschließlich funktionsbezogen: Das Zivilrecht übernimmt die Funktion einer Rahmenordnung, innerhalb derer die Privatrechtssubjekte ihre Interessen eigenverantwortlich verfolgen können. Die Aufgabe des öffentlichen Rechts liegt hingegen in einer mit Blick auf das Gemeinwohl erfolgenden Programmsteuerung, welche es durch die Regelung und autoritative Durchsetzung konkreter Inhalte wahrnimmt. Dort, wo die Gestaltungs- und Steuerungsinstrumente der einen Teilrechtsordnung nicht ausreichen, um ihre sämtlichen Regelungsbedürfnisse zu befriedigen, kann sie auf die andere Teilrechtsordnung zurückgreifen. 11. Die bei dem Rückgriff auf die Gestaltungselemente der jeweils anderen Teilrechtsordnung entstehenden Verschränkungen und Überschneidungen zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht (Auffangvorgänge) machen eine Koordination ihrer Normen und Wechselbeziehungen erforderlich. Diese erfolgt auf der ersten Stufe über eine formelle Normrelation. Diese fragt nach der anwendbaren Rechtsgrundlage. Auf der zweiten Stufe ist eine materielle Normrelation vorzunehmen und das inhaltliche Wechselspiel zweier nebeneinander Wirkung entfaltender Normen zu untersuchen. Rahmenbedingungen einer Ausstrahlungswirkung 12. Ausstrahlungswirkungen stellen einen interpretativen Transfer von Wertungen bzw. Regelungen einer Norm in planmäßige Lücken (Generalklauseln, unbestimmte Rechtsbegriffe) einer anderen Norm dar. Hierin liegt ihr Mehrwert gegenüber anderen Instrumenten des Methodenrechts, die einen Transfer erzeugen oder transferähnlich wirken. Die Analogie hat einen anderen Anwendungsbereich: Sie kann nur zur Schließung planwidriger Lücken herangezogen werden. Die Derogationsregeln greifen auf einer anderen Ebene (formelle Normrelation): Sie schließen nicht beabsichtigte Lücken, sondern ersetzen die Wertungen bzw. Regelungen einer Norm durch die vorrangigen Wertungen bzw. Regelungen einer anderen Norm. Ein durch Verweise oder Fiktionen bewirkter Transfer erfolgt nicht im Rahmen der Auslegung, sondern über formelle Verbindungen der interagierenden Normen. Faktische und normative Ausstrahlungen 13. Zwei Arten von Ausstrahlungswirkungen lassen sich unterscheiden: Im Falle faktischer Ausstrahlungen dienen die Regelungen einer Norm als Hinweis bei der Auslegung einer anderen Norm, der identische Wertungen zugrunde liegen. Faktische Ausstrahlungen kommen als eigentliche Rechtserkenntnisquelle (positiv) in Betracht, wenn teleologische Kongruenzen bestehen, oder als rechtssystematisch gebotene Grenze der Auslegung (negativ), wo es an solchen Kongruenzen fehlt. 14. Normative Ausstrahlungen beschreiben hingegen die verbindliche Übertragung der Wertungen (und Regelungen) einer Norm in den Gehalt einer anderen, welcher die übertragenden Wertungen fremd sind. Sie können nur von unmittelbar verbindlichen Normen ausgehen, sie können nur bei der Auslegung unmittelbar verbindlicher Normen wirken. Eine normative Ausstrahlungswirkung z. B. der

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MaRisk oder des DCGK kommt mangels unmittelbarer Verbindlichkeit nicht in Betracht. Darüber hinaus bedarf es einer Verbindlichkeitsanordnung der Rechtsordnung, welche bewirkt, dass die Aufnahmenorm die für sie fremden Wertungen (und Regelungen) der Ausstrahlungsnorm als verbindlich akzeptiert. Teleologischer Kongruenzen oder einer Wertungsidentität bedarf es im Falle normativer Ausstrahlungen aufgrund der Verbindlichkeitsanordnung nicht. Normative Ausstrahlungswirkungen müssen jedoch den Vorbehalt der Systemkompatibilität beachten: Ein Transfer kann nur erfolgen, sofern die zu übernehmenden Wertungen (und Regelungen) mit den Wertungen der aufnehmenden Teilrechtsordnung kompatibel sind. Überschreitung der Teilrechtsordnungsgrenze 15. Ausstrahlungswirkungen setzen grundsätzlich zwei Normen unterschiedlicher Teilrechtsordnungen voraus. Daher kommen sie – jedenfalls als Element einer Verhältnisbestimmung – nicht in Betracht, wenn eine der Normen aufgrund ihrer Doppelnatur beiden Teilrechtsordnungen zuzuordnen ist oder lediglich allgemeine Rechtsprinzipien kodifiziert. Thesen zum dritten Teil 16. Faktische Ausstrahlungen bestehen im Grundsatz nicht! Einer Übertragung aufsichtsrechtlicher Mindestanforderungen stehen die unterschiedlichen Wertungen des Aufsichts- und des Aktienrechts entgegen. Ausnahmsweise ergibt sich für den Bankvorstand über die Legalitätspflicht eine normative Ausstrahlungswirkung der aufsichtsrechtlichen Mindestvorgaben auf den aktienrechtlichen Pflichtenkanon. Rahmenbedingungen einer Ausstrahlung zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht 17. Eine Ausstrahlungswirkung ist zur Erreichung eines Wertungs- bzw. Regelungstransfers zwischen aufsichts- und aktienrechtlichen Organisationsvorschriften erforderlich. Die aktienrechtlichen Vorschriften sind zivilrechtlicher Natur. § 25a Abs. 1 KWG ist hingegen dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Die Norm weist keinen Doppelcharakter auf. Sie dient dem Schutz der Funktion des Finanzmarktes sowie dem Gläubigerschutz und damit allein öffentlichen Interessen (Interessentheorie). Die aufsichtsrechtlichen Organisationsvorschriften und die damit verbundenen Eingriffsbefugnisse der BaFin regeln ein Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen der Aufsichtsbehörde auf der einen, den Instituten und ihren Geschäftsleitern auf der anderen Seite (Subordinationstheorie). Die BaFin wird zu Eingriffen gegenüber Instituten berechtigt und ist damit öffentlich-rechtliches Zuordnungssubjekt der Organisations- und Eingriffsvorschriften (Modifizierte Subjekttheorie). 18. Das Aktienrecht ist nicht planwidrig lückenhaft. Eine Übertragung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Wege einer Analogie zu § 25a Abs. 1 KWG kommt daher nicht in Betracht. Vielmehr regelt das Aktienrecht den Pflichtenkanon des Vorstands durch Verwendung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbe-

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griffen bewusst „lückenhaft“, um dem Erfordernis eines unternehmerischen Entscheidungsfreiraums Rechnung zu tragen. 19. § 25a Abs. 1 KWG ist nicht lex specialis zu § 91 Abs. 2 AktG. § 91 Abs. 2 AktG wird nicht verdrängt. Zwischen den Vorschriften besteht kein für ein Spezialitätsverhältnis im Sinne der Methodenlehre erforderliches normatives Deckungsverhältnis. Das Bankaufsichtsrecht adressiert Unternehmen des Finanzsektors ungeachtet ihrer Rechtsform. Das Aktiengesetz adressiert Aktiengesellschaften ungeachtet ihres Unternehmens. Lediglich für Bankaktiengesellschaften besteht daher ein sachlicher Überschneidungsbereich. 20. Widersprüche sind durch eine besondere teleologische Spezialität des Bankaufsichtsrechts zu beheben! Soweit es zu einem Rechtsfolgenwiderspruch zwischen Bankaufsichts- und Aktienrecht im Bereich sachlicher Überschneidungen (Bankaktiengesellschaft) kommt, sind diese durch Auslegung aufzulösen. Das Bankaufsichtsrecht verdrängt das Aktienrecht im Einzelfall aufgrund seiner spezielleren Zwecke (besondere teleologische Spezialität). Direktkontakte des Aufsichtsrats zu Mitarbeitern sind daher in der Bankaktiengesellschaft zulässig, während sie in der „normalen“ Aktiengesellschaft grundsätzlich unzulässig sind. Sektorübergreifende faktische Ausstrahlungen 21. Eine faktische Ausstrahlung der bankaufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen auf den aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab des Vorstands besteht nicht. Die Regelungen des § 25a Abs. 1 KWG können nicht (pauschal) über die Grenzen des Aufsichtsrechts hinaus verallgemeinert werden, weil Aufsichts- und Aktienrecht insoweit nicht dieselben Wertungen zugrunde liegen. 22. Eine faktische Ausstrahlung ergibt sich nicht aus der gesetzgeberischen Intention eines Gleichlaufs von bankaufsichts- und aktienrechtlichen Organisationspflichten. Dies zeigt die Gesetzesgenese der §§ 25a Abs. 1 KWG, 91 Abs. 2 AktG. Der Gesetzgeber ging vielmehr davon aus, dass den Organisationsanforderungen unterschiedliche Wertungen zugrunde liegen und diese sich nicht in ihrer rechtlichen Bedeutung entsprechen. 23. Es bestehen keine teleologischen Kongruenzen zwischen Aufsichts- und Aktienrecht. Zwar stehen Compliance und Risikomanagement jeweils im Zeichen der Nachteilsabwendung. Die Nachteilsabwendung dient im Aktienrecht jedoch allein dem Wohl der Gesellschaft. Damit die Organisation optimal an die Interessen des jeweiligen Unternehmens angepasst werden kann, räumt das Aktienrecht dem Vorstand einen weiten Ermessensspielraum ein. Das Aufsichtsrecht stellt hingegen das Wohl der Allgemeinheit (Gläubiger- und Funktionsschutz) über das Gesellschaftswohl. Um diesen Schutz auch vor dem Hintergrund unternehmerischer Freiheiten sicherzustellen, legt es zwingende Mindeststandards ordnungsgemäßer Organisation fest. Anstatt unternehmerische Freiräume einzuräumen, beschränkt das Bankaufsichtsrecht solche.

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24. Faktische Ausstrahlungen sind im Einzelfall denkbar, soweit Bankaufsichtsund Aktienrecht punktuell identische Wertungen aufweisen. Ein Beispiel bilden die aufsichtsrechtlichen Regelungen zur Whistleblowing-Funktion. Das Aufsichtsrecht formuliert insoweit allgemeine, auch im Aktienrecht geltende (vorfindliche) Wertungen lediglich durch konkrete Regelungen aus. Diese können daher als Vorbild für die Hinweisgeberstelle in allen Aktiengesellschaften dienen. Eine WhistleblowingStelle muss hiernach: (1) für die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers garantieren, (2) soll nicht die Möglichkeit eines anonymen Whistleblowing eröffnen, und (3) muss einen sachgerechten Umgang mit den Informationen gewährleisten. Sektorbezogene normative Ausstrahlungen 25. Die organisatorischen Mindestanforderungen des Aufsichtsrechts üben eine normative Ausstrahlungswirkung auf den aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab des Bankvorstands aus. Die Legalitätspflicht fungiert insoweit als Hebel (Verbindlichkeitsanordnung), der die im Außenverhältnis zur BaFin bestehenden Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG in das Innenverhältnis des Bankvorstands zur Gesellschaft überträgt. Gegenstand der Ausstrahlungswirkung sind hierbei jedoch ausschließlich die kreditwesengesetzlichen Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG. Von den MaRisk geht keine Ausstrahlungswirkung aus. 26. Die Ausstrahlungswirkung hat eine Anreicherung des Aktienrechts mit Zielen der Aufsicht zur Folge. Über den Hebel der Legalitätspflicht wird der Vorstand auch gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, die mit den Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG verfolgten Ziele (Funktions- und Gläubigerschutz) zu verfolgen. Die aktienrechtliche Verpflichtung des Vorstands zur Rechtstreue gegenüber der Gesellschaft wird somit zu einem funktionalen Äquivalent aufsichtsrechtlicher Steuerung. 27. Der verbindliche Transfer der aufsichtsrechtlichen Wertungen und Regelungen führt zu einer Verrechtlichung der unternehmerischen Tätigkeit des Bankvorstands. Der unternehmerische Entscheidungsfreiraum wird eingeschränkt. Der Bankvorstand kann nicht entscheiden, ob er bestimmte Elemente des § 25a Abs. 1 KWG (z. B. eine Whistleblowing-Stelle oder eine interne Revision) umsetzt oder nicht. Er ist auch in aktienrechtlicher Hinsicht zur Implementierung der Mindestanforderungen verpflichtet. Aus dem ursprünglichen Wie der Organisation wird durch die Ausstrahlungswirkung ein Ob der Organisation. 28. Die normative Ausstrahlungswirkung bewirkt ein erhöhtes Haftungsrisiko des Bankvorstands. Aufgrund der Ausstrahlungswirkung werden die Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG für den Bankvorstand wie Aktienrecht behandelt. In einem Verstoß gegen § 25a Abs. 1 KWG liegt zugleich ein Verstoß gegen aktienrechtliche Pflichten, welche dem Bankvorstand gegenüber der Gesellschaft obliegen (Legalitätspflicht). Der Vorstand haftet daher gegenüber der Gesellschaft für einen aus der Nichtbeachtung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben entstehenden Schaden. Eine Pflichtverletzung ist anzunehmen, wenn der Bankvorstand überhaupt keine Maßnahmen zur Umsetzung einzelner Mindestelemente einer Compliance- und Risi-

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komanagement-Organisation ergreift oder die ergriffenen Maßnahmen ungeeignet sind. Bei der Beurteilung der Geeignetheit ist jedoch zu beachten, dass dem Vorstand hinsichtlich der konkreten Umsetzung (Wie) der Mindestvorgaben wiederum ein weiter Spielraum zugutekommt. Dabei bieten die aufsichtsrechtlichen Mindestvorgaben auch in aktienrechtlicher Hinsicht einen safe harbour: Der Bankvorstand genügt seinen Verpflichtungen, wenn er die organisatorischen Vorgaben des § 25a Abs. 1 KWG erfüllt. Zur Implementierung darüber hinausgehender Anforderungen ist er keinesfalls verpflichtet. 29. Die Einhaltung der Mindestvorgaben einer ordnungsgemäßen Complianceund Risikomanagement-Organisation wird gleich zweifach überwacht: Der Bankvorstand hat sich gegenüber der BaFin und gegenüber dem Aufsichtsrat zu verantworten. Die normative Ausstrahlungswirkung hat insoweit eine Aufsichtsdopplung zur Folge.

Post Scriptum: Ausstrahlungstheorie und Rechtspraxis „Ausstrahlung“ ist ein Begriff des allgemeinen Sprachgebrauchs – er meint „strahlenähnlich von einer Stelle ausgehen“ oder „etwas ausleuchten“. „Ausstrahlung“ ist heutzutage aber auch ein rechtswissenschaftlicher Terminus, der die inhaltliche Ausleuchtung einer Norm durch eine andere beschreibt. Eine Übersetzung dieser Metaphorik in einen methodenrechtlichen Sprachduktus ist bis dato nicht erfolgt. Ziel dieser Arbeit war es, einen Beitrag zu dem methodenrechtlichen Verständnis eines juristischen Ausstrahlungsbegriffs zu leisten. Hierzu ist zunächst ein bankaufsichtsrechtlicher Ausstrahlungsbegriff entwickelt und an dem Verhältnis der Organisationspflichten des KWG zum aktienrechtlichen Pflichtenmaßstab des Vorstands erprobt worden. Die Antwort auf eine eingangs aufgeworfene995 Frage ist die Arbeit bisher schuldig geblieben: Lässt sich dieser bankaufsichtsrechtliche Begriff zu einem allgemeinen methodenrechtlichen Ausstrahlungsterminus erweitern? Bankaufsichtsrechtliche Ausstrahlungen beschreiben einen interpretativen Wertungs- bzw. Regelungstransfer zwischen zwei gleichrangigen Normen unterschiedlicher Teilrechtsordnungen. Zu den grundlegenden Merkmalen einer bankaufsichtsrechtlichen Ausstrahlungswirkung zählt also zum einen ein Gleichrang zwischen den betrachteten Normen. Hieran fehlt es etwa bei einer grundrechtlichen Ausstrahlungswirkung. Die ausstrahlende Kraft der Grundrechte folgt unmittelbar daraus, dass die ihnen zugrunde liegende Werteordnung aus den Fugen der einfachrechtlichen Ordnung herausgelöst und mit normenhierarchischer Überlegenheit ausgestattet ist.996 Sie hat sich daher auch nicht auf gemeinsame Wertungen der Ausstrahlungs- und der Aufnahmenorm oder darauf zu verlassen, dass die Aufnahmenorm die Geltung der fremden Wertungen anordnet. Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte fügt sich vor diesem Hintergrund nicht in die hier erarbeitete Ausstrahlungsdogmatik ein. Ein grundlegendes Merkmal bankaufsichtsrechtlicher Ausstrahlungsdogmatik ist zum anderen die Überschreitung der Grenze zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht. Jedoch sind Wechselwirkungen zwischen zwei Normen auch innerhalb derselben Teilrechtsordnung jedenfalls denkbar.997 Der Versuch, umwandlungs-

995 996 997

Oben Einführung C. II. Jarass, VVDStRL 1991, 238, 255; Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 296. Eingehend schon oben § 5 C. III.

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rechtliche Ausstrahlungen zu begründen, ist bereits genannt worden.998 Weiterhin geht gar der Gesetzgeber selbst für § 91 Abs. 2 AktG davon aus, dass für Gesellschaften mit beschränkter Haftung je nach Größe, Komplexität ihrer Struktur usw. entsprechende Anforderungen an die Risikofrüherkennung gelten und die Regelung Ausstrahlungswirkung auf den Pflichtenrahmen der Geschäftsführer auch anderer Gesellschaftsformen hat,999 wobei freilich nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber dem Begriff der Ausstrahlungswirkung seinerzeit eine methodenrechtliche Bedeutung beimessen wollte. Um auch solche Fälle eines teilrechtsordnungsinternen „Wertungstransfers“ zu erfassen, bedürfte der hier erarbeitete bankaufsichtsrechtliche Ausstrahlungsbegriff einer Modifikation dahingehend, dass Ausstrahlungen einen interpretativen Wertungs- bzw. Regelungstransfer zwischen zwei gleichrangigen Normen ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu den Teilrechtsordnungen beschreiben. Für faktische Ausstrahlungen lassen sich Szenarien eines teilrechtsordnungsinternen Transfers wohl noch erdenken. Hingegen lässt sich nur schwer eine Regelung vorstellen, die innerhalb „ihrer“ Teilrechtsordnung mittels einer Verbindlichkeitsanordnung im Sinne normativer Ausstrahlungen auch über ihren Anwendungsbereich hinaus verbindliche Wirkung entfaltet. Entsprechend bestehen Zweifel, ob es jenseits formeller Verbindungen und der Schließung planwidriger Lücken eines methodenrechtlichen Instruments des „Wertungstransfers“ innerhalb derselben Teilrechtsordnung überhaupt bedarf. Im Falle des Umwandlungsrechts werden Ausstrahlungen bemüht, um die Minderheitenschutzvorschriften des UmwG auf wirtschaftlich vergleichbare Strukturvorgänge außerhalb des UmwG zu übertragen, ohne gegen das Analogieverbot des § 1 Abs. 2 UmwG zu verstoßen.1000 § 91 Abs. 2 AktG soll in das Recht anderer Gesellschaftsformen ausstrahlungsweise übertragen werden, obwohl eine Analogie mangels planwidriger Regelungslücke scheitert.1001 Da es an planmäßigen „Lücken“ fehlt – die Voraussetzung einer Ausstrahlungswirkung sind –, sind beide Fragen aber an den Maßstäben der Analogie zu messen.1002 Der Rückgriff auf Ausstrahlungswirkungen mutet insoweit wie eine „Verlegenheitslösung“ contra legem an, um die Ausdehnung einer Norm wider die methodenrechtliche Zulässigkeit eines Wertungstransfers im Ergebnis doch zu erreichen.1003 Contra legem sind Ausstrahlungswirkungen nur dann nicht, wenn sie – wie

998

Oben Einführung. BT-Drs. 13/9712, S. 15 (Begr. RegE KonTraG). Zum Wortlaut oben Fn 10. 1000 Vgl. den Überblick bei Semler, in: Semler/Stengel, § 1 Rn. 63 ff. 1001 Eine Analogie zu Recht ablehnend Bork, ZIP 2011, 101, 105; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, § 91 Rn. 40; Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 80. A. A. Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, § 35 Rn. 33. Dies bedeutet nicht, dass es in der GmbH nicht auch einer Risikofrüherkennung bedarf, vgl. Fn. 1003. 1002 Hierzu eingehend oben § 6 A. I. 1003 Zur in Abhängigkeit von der jeweiligen GmbH unmittelbar aus der eigenen Leitungsund Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers herzuleitenden Pflicht zur Risikofrüherkennung: 999

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die hier Behandelten – an die Grenzen des im Rahmen der Auslegung Möglichen gebunden werden. Eine allgemeine Ausstrahlungsdogmatik lässt sich daher nur unter Ausklammerung teilrechtsordnungsinterner sowie hierarchisch vermittelter Fernwirkungen etablieren. Ausstrahlungen des Versicherungs- oder Wertpapieraufsichtsrechts auf das Gesellschaftsrecht begegnen den gleichen Rahmenbedingungen wie die Ausstrahlung des Bankaufsichtsrechts: Ein Wertungs- bzw. Regelungstransfer muss die Brücke zwischen einfachrechtlichen Normen unterschiedlicher Teilrechtsordnungen schlagen. Gleiches gilt für sämtliche Fälle der Interaktion zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht – in beide Richtungen. Eine Ausstrahlungsdogmatik ist insoweit Teil einer Koordination von öffentlichem Recht und Zivilrecht als wechselseitigen Auffangordnungen. Sie lässt sich nutzbar machen, um die Reichweite inhaltlicher Interaktion zweier Normen zu bestimmen und ihre Wertungen und Regelungen fortzuentwickeln. Dies führt zur methodenrechtlichen Quintessenz dieser Arbeit, dem um den bankaufsichtsrechtlichen Zusatz reduzierten Ausstrahlungsbegriff: Ausstrahlungen beschreiben einen interpretativen Wertungs- bzw. Regelungstransfer zwischen zwei gleichrangigen Normen unterschiedlicher Teilrechtsordnungen. Welche Bedeutung aber haben die Erkenntnisse dieser Arbeit (oder ihr Ausbleiben) für die Praxis? Eine faktische Ausstrahlungswirkung bedeutet schon wegen ihrer fehlenden verbindlichen Natur keinen Einschnitt. Die unverbindliche Anleihe bei den Regelungen einer detaillierten Norm ist eher Segen als Fluch, bieten diese doch einen Orientierungspunkt bei der Auslegung unbestimmter – und damit für Rechtsunsicherheiten anfälliger – Normen. Gerade für die Bereiche Compliance und Risikomanagement belegen erste gerichtliche Entscheidung die Bedeutung einer angemessenen Organisation für die Verantwortlichkeit von Unternehmen und Vorstand,1004 und damit das Bedürfnis nach einem safe harbour. Anders stellt sich die Lage im Falle normativer Ausstrahlungswirkungen dar. Keinen Praktiker dürfte die „Erkenntnis“ überraschen, dass die Legalitätspflicht den Vorstand auch an außerhalb des AktG – sogar außerhalb des Zivilrechts – normierte Pflichten und damit den Bankvorstand an die Organisationsanforderungen des § 25a KWG bindet. Die Überraschung steckt wohl auch nicht in dem neuen Etikett dieses Phänomens („Ausstrahlungswirkung“). Aber die Erarbeitung der methodenrechtlichen Grundlagen hat gezeigt, dass normative Wechselwirkungen im Gesetz angelegt sind und mit viel gutem Glauben nicht beseitigt werden können – so sehr dies für die Vorstands- und Beratungspraxis angesichts der zunehmenden Zahl an Organisationsanforderungen und der damit stetig steigenden Haftungsgefahren auch zu wünschen OLG Jena, Urt. v. 12. 8. 2009 – 7 U 244/07, NZG 2010, 226; Spindler, in: MüKoAktG, § 91 Rn. 80; Wicke, GmbHG, § 43 Rn. 5. 1004 BGH, Urt. v. 9. 5. 2017 – 1 StR 265/16, juris; LG München I, Urt. v. 10. 12. 2013 – 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345 (Siemens/Neubürger).

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sein mag.1005 Für die Praxis weist dies in eine Zukunft voller Compliance- und Risikomanagementberater.1006 Bei der notwendigen Extraktion der „richtigen“ Organisationsanforderungen kann diese Arbeit keine Hilfe sein. Sie kann aber durch das methodenrechtlichen Fundament Gewissheit verschaffen: Wo fängt die Haftung an – und wo hört sie auf?

1005

Zu diesen Haftungsgefahren jüngst etwa Bührle, Gestaltungsfreiheit, S. 42 f.; Kleinert, in: FS Baums, 669. 1006 Vgl. allein die Neuerscheinungen bzw. -auflagen der letzten Jahre, etwa Bürkle, Compliance in Versicherungsunternehmen, in der 2. Aufl. 2015; Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, in der 3. Aufl. 2016; Inderst/Bannenberg/Poppe, Compliance, in der 3. Aufl. 2017.

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Stichwortverzeichnis Aktienrecht – Anreicherung mit aufsichtsrechtlichen Zwecken 183 – Begriff 26 – Regelungsansatz 156 – Schutz kollektiver Interessen 172 ff. – Verhältnis zu Bankaufsichtsrecht 149 Analogie 24, 114, 124 ff., 147, 202 – planwidrige Lücke siehe dort – zu § 25a KWG 155 Auffangrelationen 97, 146 Aufnahmenorm 103, 132, 139 – im Aktienrecht 179 Aufsichtsdopplung 190 Aufsichtsrat – Anfechtung des Wahlbeschlusses 126, 141 f. – Ausschüsse 126 – besondere persönliche Anforderungen 126 f., 142 – Direktkontakte zu Mitarbeitern siehe Direktkontakte Aufsichtsrecht siehe Bankaufsichtsrecht; Wohlverhaltenspflichten Auslegung – Bedeutung für Ausstrahlungswirkung 101 – Grenzen 133, 143 Ausstrahlung siehe Ausstrahlungswirkung Ausstrahlungsdogmatik 33, 201, 203 Ausstrahlungsnorm 101, 103 ff., 111, 125 ff., 131, 141 f. – § 25a Abs. 1 KWG als ~ 165, 167, 179 – hinreichende Bestimmtheit 128, 165 – inhaltliche Nähe 125 Ausstrahlungswirkung – Abgrenzung 114, 120, 122 – aktienrechtliche 18, 28, 202 – als Element materieller Normrelation 120

– Anordnung der Verbindlichkeit siehe Verbindlichkeitsanordnung – Arten einer ~ 102, 109, 144 – Aufnahmenorm siehe dort – Auslegung als Ausstrahlungsforum siehe Auslegung – Ausstrahlungsnorm siehe dort – bankaufsichtsrechtliche 27, 201 – Bedeutung für business judgement rule siehe business judgement rule – Bedeutung für die Praxis siehe praktische Bedeutung einer Ausstrahlungswirkung – Begriff 17, 23, 100, 201 – de lege ferenda 23 – der aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten siehe Wohlverhaltenspflichten – der Grundrechte siehe mittelbare Drittwirkung der Grundrechte – des Umwandlungsgesetzes 17, 202 – faktische siehe faktische Ausstrahlungswirkung – Gefahr dysfunktionaler Blockaden siehe dysfunktionale Blockaden – innerhalb derselben Teilrechtsordnung 112, 202 – methodologische Bedeutung 100 f., 145, 203 – normative siehe normative Ausstrahlungswirkung – planmäßige Lücken siehe dort – praktische Bedeutung 186, 203 – sektorspezifische 23, 148, 179, 181 – sektorübergreifende 22, 148, 166 – Überschreitung der Teilrechtsordnungsgrenze siehe dort – unverbindliche Regelungssätze 138 – Verbindlichkeit der Aufnahmenorm siehe Aufnahmenorm – Verhältnis zur Analogie 116 – Voraussetzungen 113 – Zulässigkeit 100

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Stichwortverzeichnis

Bank-Run 65 ff. Bankaktiengesellschaft 72, 85, 122, 163 f., 190 Bankaufsichtsrecht – Aufsichtsdopplung siehe dort – Ausstrahlungsfähigkeit 165, 179 – Begriff 26 – Doppelanknüpfung 69, 153 – Europarechtliche Grundlagen 150 – Geldbuße 72 – Instrumente 68 – Maßnahmen gegenüber Geschäftsleitern 71 – Maßnahmen gegenüber Instituten 70 – Rechtfertigung 64 – Schutz der Allgemeinheit 172 – Spezialität siehe lex specialis – Straftaten 72, 171 – Verhältnis zu Aktienrecht 149 – Ziele 67, 152, 172 – Zuordnung zum öffentlichen Recht siehe Zuordnung Banken 26 Bankenaufsicht, qualitative 61 ff. Bankgesellschaftsrecht 22, 125 Bankorganisationsrecht siehe Bankgesellschaftsrecht Basel Committee on Banking Supervision 19, 21, 136 Basel III 21 business judgement rule 156 – Bedeutung normativer Ausstrahlungswirkung 174 – Begriff 37 – Organisationsermessen siehe dort Compliance – Begriff 29 – DCGK 158 – Geldbußen 59 – Hinweisgeber-Prozess siehe Whistleblowing – Mindestanforderungen, aktienrechtliche 45 – Mindestanforderungen, bankaufsichtsrechtliche 73 – Organisation 42 ff., 59, 73, 76, 86, 166 – Pflicht, aktienrechtliche 43

– Pflicht, bankaufsichtsrechtliche 73 – Verstoß 58 – Zweck 169 Compliance-Funktion 30, 74 ff., 81, 165 f., 171, 176 Corporate Governance 19 CRD IV 21, 80 CRR 21, 26, 76 DCGK 19, 29, 42, 48, 136 f., 139, 158 Derogation 98, 120 ff., 147, 160 ff. Direktkontakte 162 ff. Doppelanknüpfung siehe Bankaufsichtsrecht Doppelnorm siehe Normen mit Doppelcharakter dysfunktionale Blockaden 142 ff., 184 ff. Einheit der Rechtsordnung 92 European Banking Authority 20, 136 faktische Ausstrahlungswirkung 166 – Inspirationsfunktion 108 – negative 107, 133 – positive 105, 129 – Regelungstransfer (Inspiration) 105 – Verhältnis zu normativer Ausstrahlungswirkung 144 – Vorfindlichkeit siehe dort – Wille des Gesetzgebers 167 Fiktion 122 ff., 160 Fristentransformation 64 f., 67 funktionales Äquivalent 191 Generalklauseln 105, 111, 117 ff., 130, 159 Gläubigerschutz 67, 152, 172 ff. Grundsatz der doppelten Proportionalität 63 Haftung 204 – als funktionales Äquivalent siehe funktionales Äquivalent – des Vorstands 38, 57, 100, 170 ff., 187 ff. – safe harbour siehe dort – Zweck 57 Hinweisgeber-Prozess siehe Whistleblowing

Stichwortverzeichnis IDW PS 340 30 f., 53 IDW PS 980 45, 47 Indizierung 96, 127 ff., 169 Institute siehe Banken Kontrolle – Aufsichtsdopplung siehe dort – durch den Aufsichtsrat 56 – im Bankaufsichtsrecht siehe Bankaufsichtsrecht Kontrollsystem, internes 80 Koordination 97 ff., 145 ff., 149, 155, 203 Kreditinstitute siehe Banken KWG-Novelle (6.) 20, 157 Legalitätskontrollpflicht 43 Legalitätspflicht 180, 187 – als Hebel zwischen Bankaufsicht- und Aktienrecht 180 – Begriff 35 – Reichweite 35, 203 lex specialis 120, 160 ff. – Deckungsverhältnis 161 – fingierte Spezialität 163 – sachliche Überschneidungsbereiche 162 – Teleologische Spezialität des Bankaufsichtsrechts 160 MaRisk 27, 62 ff., 135 ff., 140, 166, 178 ff., 199 mittelbare Drittwirkung der Grundrechte 17, 201 Nachteilsabwendung 169 normative Ausstrahlungswirkung 134 – mittelbar verpflichtende Regelungssätze 137 – unverbindlicher Regelungen 136 – verbindlicher Regelungen 135 – Verbindlichkeit 104 – Verhältnis zu faktischer Ausstrahlungswirkung 144 – Wertungstransfer 103 Normen mit Doppelcharakter 110 f., 150 Normenrelation – Ausstrahlungswirkung als Element materieller ~ siehe Ausstrahlungswirkung

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– formelle 98, 120 – materielle 98 öffentliches Recht – Programmsteuerung 90 – Wechselwirkungen mit Zivilrecht siehe Wechselwirkungen Organisationsermessen 41, 46, 175, 186 Pflichtverletzung 188 – Haftung siehe dort – Rechtsfolgen 57 – Schaden 188 planmäßige Lücke 117, 159 planwidrige Lücke 115 – im Aktienrecht 156, 158 praktische Bedeutung einer Ausstrahlungswirkung 176, 186, 203 Prinzipienorientierte Regulierung 61 Proportionalität, doppelte siehe Grundsatz der doppelten Proportionalität Rechtsfolgendivergenz 121 Rechtsfolgenidentität 121 Rechtsfolgenwiderspruch 122, 124, 163 f. Revision, interne 80 ff. Risiko – Begriff 31 – systemisches 66 Risikobewältigung 52 Risikofrüherkennung 41, 44, 49 ff. – bestandsgefährdende Entwicklungen 49 – Geeignetheit der Maßnahmen 52 Risikofrüherkennungssystem 50 Risikomanagement – Begriff 30 – besondere Funktionen 81 – DCGK 158 – Festlegung von Strategien 79 – Kontrollsystem, internes siehe dort – Mindestanforderungen 53 – Notfallkonzepte 82 – Organisation 53 – personelle Ausstattung 82 – Pflicht, aktienrechtliche 48 – Pflicht, bankaufsichtsrechtliche 76 – Risikotragfähigkeit 77

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Stichwortverzeichnis

– technisch-organisatorische Ausstattung 82 – Vergütungssysteme 82 – Verstoß 58 – Zweck 169 Risikomanagementsystem 30, 53 f., 85 safe harbour 139, 203 soft law 22, 136 Solvenzsicherung 152, 169, 172 Sorgfaltspflicht 35 Spezialität, fingierte (teleologische) siehe lex specialis Spezialitätsgrundsatz siehe lex specialis Teilrechtsordnungsgrenze siehe Überschreitung der Teilrechtsordnungsgrenzen teleologische Kongruenzen 129 f., 141, 169 Teleologische Reduktion 116 Typologie der Auffangvorgänge – Bauformen 95 – Normenrelation 96 – Verbindungsebenen 96 Überschreitung der Teilrechtsordnungsgrenzen 109 – allgemeine Rechtsgrundsätze 111 Überwachung siehe Kontrolle Überwachungsrechtsverhältnis 154 Überwachungssystem siehe Risikofrüherkennungssystem Umkehrschluss 116, 168, 171 Umwandlungsgesetz siehe Ausstrahlungswirkung des Umwandlungsgesetzes Unbestimmte Rechtsbegriffe 117 ff. Unternehmensinteresse 38, 56, 170, 172, 175 Unternehmensorganisationspflicht 40

unternehmerische Freiheit siehe Organisationsermessen Verbindlichkeitsanordnung 140, 143, 145, 181, 186, 202 Vergütungsvorgaben 18 Verhältnisbestimmung, siehe auch Koordination – über Ausstrahlungswirkungen 22 – zwischen öffentlichem und Privatrecht 90 Verweis 24, 112, 123 f., 147, 160 Vorbehalt der Systemkompatibilität 131 ff., 141, 145, 182 Vorfindlichkeit 106 Wechselseitige Auffangordnungen 93 – Typologie der Auffangvorgänge siehe dort Wechselwirkungen 87 f., 90, 95, 98, 100, 125, 162, 176, 184, 201, 203 – Koordination siehe Koordination – Vorbehalt der Systemkompatibilität siehe dort – Wechselseitige Auffangordnungen siehe dort Wertpapierhandelsrecht siehe Wohlverhaltenspflichten Whistleblowing 58 f., 76, 176 Wohlverhaltenspflichten 18, 111, 150 Zivilrecht – Steuerungsfunktion 89 – Wechselwirkungen mit öffentlichem Recht siehe Wechselwirkungen Zuordnung – Interessentheorie 152 – modifizierte Subjektstheorie 154 – Subordinationstheorie 153