Lehrbuch der Allgemeinen Photochemie [Reprint 2020 ed.]
 9783112337608, 9783112337592

Citation preview

LEHRBUCH DER

ALLGEMEINEN PHOTOCHEMIE von

Prof. Dr. phil. et ehem.

J. PLOTNIKOW

Leiter des photochemischen Forschungslaboratoriums bei der Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation B e r l i n - T r e p t o w o . P r o f . und D i r e k t o r a . D . d e s C h e m i s c h e n I n s t i t u t s an der e h e m . K a i s e r l i c h e n U n i v e r s i t ä t zu M o s k a u .

AAit 6 8 F i g u r e n im T e x t und einer farbigen Tafel

Berlin und Leipzig 1 9 2 0

Vereinigung

wissenschaftlicher

Verleger

W a l t e r de G r u y t e r & C o . vorinals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung :: J . G u t t e n t a g , V e i l a g s buchhandlung :: Georg R e i m e r :: K a r l J . T i ü b n e r :: Veit & C o m p .

Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechts, vorbehalten.

Druck von Metzger 4 Wittig in Leipzig.

HERRN GEHEIMRAT

PROF. DR. W .

Für die kollegiale und rechtzeitige

NERNST

Freundschaftshilfe

in der schwersten Stunde meines Lebens in

tiefer

Dankbarkeit

gewidmet

Vorwort. Im Laufe der Zeit, die ausschließlich dem Studium der Photochemie gewidmet war, kam ich allmählich zu der Überzeugung, daß das nun recht groß gewordene Gebiet dieser allerneuesten Naturforschung einer grundlegenden zusammenfassenden literarischen Stütze nicht weiter entbehren darf. Ich hielt sogar die Schaffung eines ausführlichen Handbuches der Photochemie für eine wissenschaftliche Notwendigkeit, die als langersehnte Hilfe für die weitere Forschung auf diesem Gebiete sich vollauf bewähren müsse. Im Jahre 1910 kam dieser Gedanke zur vollen Reife, nachdem mit der Herausgabe meiner „Photochemie" der erste Grundstein dazu gelegt wurde. Darauf folgte meine „Versuchstechnik" (1912), der sich das „Photochemische Praktikum" anschloß, das in Manuskriptform im Jahre 1914 in Moskau fertiggestellt wurde, aber dessen Schicksal mir bis heute dank den politischen Verhältnissen vollkommen unbekannt geblieben ist. Das abschließende Werk soll das vorliegende Buch bilden, das keine Kompilationsarbeit, sondern eine Neuschöpfung darstellt, die nach neuen Gesichtspunkten das wenig erforschte Gebiet aufklärt und es den Fachgenossen, wie den, sich für diesen Zweig interessierenden Physikern und Chemikern zugänglicher macht. Die Form des Handbuches konnte leider nicht eingehalten werden, hauptsächlich kraft der politischen Ereignisse der letzten 5 Jahre und damit verknüpften persönlicher Verhältnisse. Das geschichtliche Material war nicht zur Hand, die Bücherei, die unentbehrliche Stütze jeder grundlegenden Arbeit, stand mir nicht mehr zur Verfügung, und die eigenen Erlebnisse, die möglicherweise tief in die innere Verfassung meiner spekulativen Forschung griffen, waren durchaus negativen Charakters, so daß nur die selbstloseste Uberwindung und Ausdauer es zu Wege brachten, daß das Werk, wenn auch in verkürzter Form, das Licht des Tages erblicken konnte. Die Niederschrift dieses Werkes und die Bearbeitung des seit Jahren gesammelten Materials wurde von mir im Sommer 1917 auf meinem Landgut „Schwarzer See" im Gouvern. Riasan, begonnen. Rings herum tobte die von aller kulturmenschlichen Bande sich losgemachte

VI

Vorwort

Zerstörungswut des Russenvolkes. Tag für Tag mußte ich hilflos zusehen, wie das von mir mit soviel Mühe, Arbeit und Kostenaufwand auf -wirtschaftliche Höhe gebrachte Landgut durch die Anhänger K e r e n s k i s und T s c h e r n o f f s gewaltsam zerstört und ausgeplündert bis endlich im November desselben Jahres dem Erdboden gleich gemacht wurde. Meine Landbibliothek wurde zu Zigaretten verbraucht. In Moskau, in einigen erbärmlichen Zimmerchen, fanden die Meinigen eine Zuflucht und dort, unter ununterbrochenen Geschütz- und Gewehrfeuer der Bolschewistenaufstände und darauffolgenden Schreckensherrschaft derselben, wozu sich sofort noch die Hungersnot gesellte, mußte das Werk fortgesetzt werden. Traurig und mühselig waren die errungenen Arbeitsstunden. Meine wissenschaftliche Bücherei, die ich jahrelang so liebevoll gesammelt habe, schmolz immer mehr zusammen, denn die Bücher mußten gegen das kärgliche tägliche Brot umgetauscht werden, um meine Frau und Kind dem förmlichen Hungertode entreißen zu können; meiner Stellung als Universitätsprofessor wurde ich schon in den ersten Tagen der Revolution (20. März 1917) durch das eigenmächtige, ungesetzliche und gewaltsame Vorgehen des Kultusministers, Kadetten M a n u i l o f ' f , der nur Leute seiner politischen Richtung duldete, enthoben. Das erste russische photochemische Laboratorium, das ich mit viel Mühe und teilweise mit meinem Gelde gegründet habe, wurde ebenfalls liquidiert. Als die Ernährungsfrage immer akuter wurde und alle Quellen versiegten, flohen wir mit Lebensgefahr aus dem Sozialparadiese im Herbst 1918 nach der Ukraine zu denVerwandten; in Charkoff wurde der mathematische Teil dieses Werkes verfaßt. Die bolschewistische Blutund Hungerwelle näherte sich aber der reichen und schönen Ukraine immer stärker, drohte dieselbe zu verschlingen und mich von neuem von der Kulturwelt abzuschneiden. Im Namen der neuen sozialen Gerechtigkeit bin ich zum wandernden Bettler gemacht worden, indem andere, physisch stärkere, sich auf meine Kosten bereichert haben; auch meines wissenschaftlichen Heims bin ich verlustig geworden. Ob mir das Schicksal noch einmal ein solches gönnen wird, wo ich friedlich meine wissenschaftliche Arbeit fortsetzen könnte, ist noch sehr fraglich; denn leider spielen bei Wissenschaftlern dieParteiund Nationalfragen und Vorurteile mehr als irgendwo eine Rolle. Meine Lage war verzweifelt. Aber da kam die längst ersehnte Hilfe aus Deutschland. Dank dem rechtzeitigen Eingreifen der deutschen Männer der Wissenschaft und Industrie gelang es mir nach Deutschland zu kommen und Weihnachten 1918 im Kreise meiner deutschen Freunde und Gönner in Leipzig zu verbringen. Leider konnten

Vorwort

VII

meine F r a u und Kind nicht mitkommen und mußten in Charkoff zurückbleiben und dank der kurzsichtigen und naiven Politik der Entente konnte ich seit 2 Jahren meiner Familie keine Nachricht geben. Auf deutschem Boden, der für jede wissenschaftliche Forschung so fruchtbar ist, konnte ich das vorliegende Werk zum Abschluß bringen. So entstand nur ein Lehrbuch, das, wie ich glaube, doch genügend Material unserer gegenwärtigen Forschergeneration bietet, um eine weitere erfolgreiche Entwicklung auf diesem, so interessanten, wissenschaftlich und praktisch dankbarem Gebiete zu ermöglichen. So will ich hoffen, daß dieses Lehrbuch zu meinen alten Freunden noch viele neue heranziehen wird und daß die event. Unebenheiten der Form und des Inhalts nur nach ihrem wahreii Sachverhalte beurteilt werden, denn kaum jemals war die Ausarbeitung eines wissenschaftlich wenig bekannten Problems unter so unleidlichen Verhältnissen zustande gekommen, als es bei der Verfassung des vorliegenden Werkes der Fall war. Hunger, Elend, bittere Not, äußere persönliche Unsicherheit, häufig an Lebensgefahr grenzend, waren die ständigen Begleiter meiner Stubenarbeit, der nie in der langen Zeit eine halbwegs genügende Ruhe des Geistes und der Gedanken beschieden war. Nur der eiserne Wille, das Kind meiner wissenschaftlichen Schöpfung aus dem Zusammenbruch zu retten, bezwang alle Hindernisse des äußeren Lebens und ermutigte den Geist zum weiteren Ausharren. Ihm ist es zu verdanken, daß den hier zusammengefaßten Ideen meiner bisherigen Forschung ein würdiger Abschluß vergönnt werden konnte. In der Fürsorge um unsere Mitmenschen offenbart sich die wahre Gesinnung: in der bittersten Not erkennt man die wahren Freunde; in erhöhtem Grade muß das wahrgenommen werden bei den schweren Verhältnissen, die mir beschieden waren. Deswegen bitte ich alle meine zahlreichen Freunde und Gönner, meinen innigsten und unvergeßlichen Dank für all ihre Unterstützung und warmes Mitgefühl an dieser Stelle entgegenzunehmen. Besonders hervorheben möchte ich: P r o f . W a l d e n Rostock, Prof. Eder-Wien, Prof. C i a m i c i a n - B o l o g n a , Prof. S t a d n i koff-Odessa, Prof. S c h ü k a r e f f - C h a r k o f f , Prof. B e c k m a n n - B e r l i n , Prof. B i r s t e i n und R a k o w s k y in Moskau. Es soll mir an dieser Stelle gestattet sein, den ehemaligen deutschen Behörden in der Ukraine, wie in Moskau, für die warme Teilnahme, die sie mir in Rußland bezeugt haben, meinen herzlichen Dank auszusprechen; insbesondere gilt das dem Charkoffer Generalkommando und meinem auf dem Wege zur Heimat verstorbenen Freunde Herrn Oberleutnant und Adjudant Dr. S a u e r r a c k e r , die

VIII

Vorwort

meinem persönlichen Schicksal das größte Interesse widmeten. Nicht unerwähnt will ich lassen die vielen Bezeugungen reger Teilnahme Anhänglichkeit und Freundschaft, die mir seitens meiner alten deutschen Kollegen und Freunde nach Rußland übermittelt wurden, ihnen allen meinen kollegialen und herzlichen Dank. Unvergeßlich werden mir auch die treuen Kollegen und Freunde bleiben, die inzwischen gefallen oder gestorben sind, und die zu Lebzeiten während des Krieges meiner in treuer und lieber Freundschaft gedachten. Meinen hiesigen Gönnern, den Herren Geheimrat Prof. Dr. W. N e r n s t und Geheimrat F. O p p e n h e i m , dem Generaldirektor der Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation in Berlin, die sich meiner hier so tätig und warm annahmen und mir die Möglichkeit verschafften, mich nun meiner technischen Forschungsarbeit unter günstigen Auspizien zu widmen, erstatte ich an dieser Stelle meinen ergebensten und aufrichtigen Dank. Herrn Diplomingeneur S. R o b e r t son, ehem. Leiter der Anilinfabrik in Moskau, der, ungeachtet starker anderweitiger Inanspruchnahme, die große Mühe nicht scheute, durch eingehendes Korrekturlesen des Manuskriptes das vorliegende Werk zu unterstützen und den kulturmythologischen Abschnitt durch viele Beiträge vervollständigt hat, bitte ich an dieser Stelle meinen freundschaftlichen und verbindlichsten Dank in Empfang zu nehmen. Dank schulde ich auch dem Verlage, der meinem Werke trotz schwieriger Zeitverhältnisse eine über alles Lob vornehme und gediegene Ausstattung gegeben hat. Indem ich nun das vorliegende Werk, das Eesultat einer fast halben Lebensdauer, dem Urteil der für dieses Forschungsgebiet sich interessierenden Leserwelt übergebe, hoffe ich zugleich, daß dasselbe auch von meinen vielen Freunden und Fachgenossen nicht unbeachtet bleibt und daß sie mir mit ihrem kritischem Urteil manche vielleicht noch vorliegenden Lücken besonders im Literaturmaterial auszufüllen helfen werden. Denn Menschenwerk bleibt immer unvollkommen, und unser irdisches Los verurteilt uns leider dazu, die Wahrheit nach uns zu richten, ungeachtet dessen, daß wir uns nach ihr zu richten hätten; der alte Spruch „errare humanuni est" wird die Ewigkeit überdauern. B e r l i n , September 1920. J. Plotnikow.

Inhaltsverzeichnis. Seite

Einleitung

1 Erster

Teil.

Die photoclieiuischeu Grundgesetze der Lichtreaktionen und ihre charakteristischen Eigenschaften. 1. Über das Licht Das Spektrum Die Lichtabsorption

.

5 5 9

2. Über die photochemische Talenz und die Lichtempfindlicbkeit der Körper Über das Atommodell Uber die Photoaktivität der Elemente und ihrer VerbindungenDie Lichtkatalyse 3. Über die Grundgesetze Das Prinzip der Stationarität 4. Einfluß der Temperatur auf die photochemischen Vorgänge . . . Allgemeines Die Klassifikation der photochemischen Temperaturkoeffizienten Phototrope Körper Chlorknallgas Photographische Platten 5. Klassifikation der Lichtreaktionen Klassifikation der photochemischen Prozesse Periodische Lichtreaktionen

15 15 21 40 46 46 58 58 62 69 70 71 72 76 80

I .

G. Kurze Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung Photochemie Die erste Periode Die technisch-photographische Periode Die Photochemie der Neuzeit Zusammenfassende Werke über die Photochemie Zweiter

.

der 83 84 92 97 100

Teil.

Theorie und Praxis der photochemischen Kinetik, Katalyse und der Gleichgewichtszustände. I. Die Grundlagen der Yersuchstechnik und Methodik Lichtquellen Das Sonnenlicht

102 102 102

X

Inhaltsverzeichnis. Seite

Punktförmige Lichtquellen a) Funken- und Metallbogenlicht b) Kohlenbogenlicht c) Das Glühlicht Leuchtende Bänder a) Uviol- und Glaslampen b) Die Quarzlampen Andere Lichtquellen Das Böntgen- und das Radiumlicht Lichtfilter Lichtreaktionsgef äße Über die Versuchsmethodik IT. Die mathematische Theorie der photochemischen Kinetik dör irreversibelen Prozesse Geschichtliches Allgemeines

106 107 107 109 110 110 113 116 116 117 119 130 133 133 140

I. D e r e i n f a c h s t e F a l l e i n e r p h o t o a k t i v e n K o m p o n e n t e mit einem S t r e i f e n der p h o t o c h e m i s c h e n L i c h t a b s o r p t i o n Der erste Grenzfall — starke Lichtabsorption . . ' . . . Räumlich fortschreitende Lichtreaktionen Zweiter Grenzfall — sehr schwache Lichtabsorption . . . . Der normale Fall — für mittelgroße Lichtabsorption . . . . Ein Spezialfall Spezialfall — polychromatisches Licht Spiegelwirkung Das zirkulierende Reaktionsgemisch Zylindrische Reaktionsgefäße Reaktionsverlauf in Lamellenschicht Filterwirkung Uber die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante und den Ausnutzungafaktor der Lichtenergie Lichtreaktion, die von einer Dunkelreaktion begleitet wird .

165 172

II. E i n e p h o t o a k t i v e K o m p o n e n t e m i t m e h r e r e n S t r e i f e n der p h o t o c h e m i s c h e n L i c h t a b s o r p t i o n Erster Fall — getrennte Streifen Zweiter Fall — Die übereinander lagernden Streifen . . . . III. L i c h t r e a k t i o n m i t z w e i a k t i v e n K o m p o n e n t e n . . . . Eine Komponente ist photoaktiv, die andere nicht Beide Komponenten sind photoaktiv Ubereinanderlagernde Streifen Allgemeine Formel für mehrere Komponenten Uber den Temperatureinfluß Uber die „photochemische Ordnung" der Reaktion . . . . B e i s p i e l e zu d i e s e m K a p i t e l Alkoholoxydation durch chromsaure Salze

174 175 181 185 185 188 190 191 192 192 198 198

142 142 144 146 148 150 151 152 154 155 158 160

Inhaltsverzeichnis.

XX Seite

Die Jodoformoxydation Ausbleichen der Farbstoffe Kaliumkobaltioxalatzersetzung Die Oxydation von Jodwasserstoff Lävulosezersetzung Platinchlor wasserstoffaäuren Oxydation von Chinin durch Chromsäure und Sauerstoff

.

.

III. Photochemische Gleichgewichte

202 204 208 210 212 213 215

217

Allgemeines Gleichgewichtszustand A. Dunkel-Licht-Gleichgewichte. . . Gleichgewichte mit mehreren Komponenten Photoaktive Komponente mit mehreren Streifen der photochemischen Absorption B. Lichtgleichgewichte C. Dunkelgleichgewichte, die durch das Licht beeinflußt werden Kinetik der reversibelen photochemischen Vorgänge . . . . Scheinbar umkehrbare Lichtreaktionen oder falsche photochemische Gleichgewichte B e i s p i e l e zu d i e s e m K a p i t e l Bromadditionsgleichgewichte Schwefel Polymerisation von (9-Methylanthrazen Malein-Fumarsäuregleichgewicht Reine Lichtgleichgewichte HalogenwasserstofFgleichgewichte Ozon ^ Sauerstoff Schwefeltrioxydbildung- und zersetzung Wasserbildung und -zersetzung Kohlendioxydbildung und -zersetzung Ammoniak Sulfurylchlorid

240 245 245 255 256 257 258 258 265 269 271 274 276 277

Falsche Gleichgewichte Oxydation der phosphorigen Säure

277 277

IV. Die photochemische Katalyse Allgemeines Kontaktkatalyse Gleichgewichtsverschiebung durch Katalyse Ubertragungskatalyse Chemische Katalyse B e i s p i e l e zu d i e s e m K a p i t e l Die katalytische Ozonzersetzung Uranylkatalyse Jodkatalyse Allgemeines

217 218 218 222 223 224 227 230

281 281 283 290 292 293 294 294 295 297 298

Inhaltsverzeichnis.

XII

Seite

A u t o k a t a l y s e (Oxydation von Jodwasserstoff) G l e i c h g e w i c h t s v e r s c h i e b u n g (Ozongleichgewicht) Ü b e r t r a g u n g s k a t a l y s e (Oxydation der p h o s p h o r i g e n Säure) . N a c h w i r k u n g s e r s c h e i n u n g e n (Wasserstoffoxydzersetzung) . . Jodoformoxydation Ü b e r die v e r z ö g e r n d e W i r k u n g des L i c h t e s

. .

298 804 305 306 308 310

D r i t t e r Teil.

Lichtreaktionen. Versuchsmaterlal

312

I. A n o r g a n i s c h e P h o t o c h e m i e

313

Achte Gruppe Eisen Kobalt Nickel Kupfer Silber P l a t i n , Iridium, P a l l a d i u m , Gold

313

.

313 325 326 327 332 358

Siebente Gruppe Chlor Brom Jod Mangan

363 365 382 387 395

Sechste Gruppe

398

Sauerstoff Wasser Chrom Molybdän Wolfram Uran Schwefel Selen Tellur Fünfte Gruppe

399 405

Stickstoff Ammoniak V a n a d i u m , Niob, T a n t a l Phosphor Arsen Antimon Wismut Vierte Gruppe Silizium Zinn Blei

419 420 421 429 :

437 437 437 438 443 443 446 448 448 449 449 450 451

Inhaltsverzeichnis.

XIII Seite

Kohlenstoff Titan Zirkon . Thorium Thoriumjodid

453 454 455 455 455

.

Dritte Gruppe Bor, Scandium, Yttrium, Lanthan, Ytterbium Aluminium, Gallium, Cerium, Indium Thallium

.

.

455 455 455 456

Zweite Gruppe . Zink Quecksilber . . . Edersche Lösung

457 457 457 461

Erste Gruppe

468

.

.

. Organische Photochemie 1. I n t r a m o l e k u l a r e U m w a n d l u n g Stereochemische Umwandlungen Intramolekulare Umwandlungen Phototropieerscheinung Indigo und der Purpurschneckenfarbstoff der Alten

469

. . . .

469 470 478 484 492

2. P h o t o c h e m i s c h e P o l y m e r i s a t i o n und K o n d e n s a t i o n . . Äthylenreihe Äthylen . . . . Vinylbromid und -chlorid Verbindungen mit zwei Doppelbindungen Die Azetylenreihe Aromatische Reihe . Naphthalin und seine Derivate Benzolreihe und Varia Varia Herstellung der Kautschuke, Harze und Öle auf photochemischem Wege

495 496 496 496 502 506 508 5X1 512 513 515

3. P h o t o l y s e Aldehyde, Alkohole, Ketone Kohlehydrate Organische Säuren Photolyse der Diazoverbindungen Hydrolyse Der Verbindungen mit offner Kette Mit Ringsprenguug Zersetzung der Halogenverbindungen im Lichte

521 523 526 531 540 543 543 546 5 47

4. P h o t o c h e m i s c h e O x y d a t i o n e n

550

Aldehyde, Alkohole Aromatische Verbindungen Organische Säuren

552 558 566

. . .

XIV

Inhaltsverzeichnis. Seite

Photooxydationen in Gegenwart von Brom Öle, Fette, Harze und andere Verbindungen Varia .Farbstoffoxydationen Pyramine Die Oxydation der Leukoverbindungen Farbstoffsensibilisatoren 5. P h o t o s y n t h e s e . . . . Assimilationsvorgang Aldehyde, Alkohole, Ketone . . . Verschiedene Synthesen Photohaloidierung Halogensubstitution Aliphatische Verbindungen Photochlorierungen . . . . Aromatische Verbindungen Bromsubstitution Einwirkung des Lichtes auf Eiweißstoffe

576 578 582 585 590 593 594 597 601 618 621 624 629 630 632 633 634 636

Vierter Teil.

Die angewandte Photochemie. Allgemeines Photochemische Reproduktionsverfabren Die p h o t o g r a p h i s c h e n V e r f a h r e n mit S i l b e r s a l z e u . . Das latente Bild Die Theorie des latenten Bildes Über die Sensibilisierung der Platten Der Einfluß von Ozon und Wasserstoffperoxyd auf die photographische Platte Die Entwicklung . . . Das Fixieren Die Verstärkung der Negative . . Das Abschwächen der Negative Tonieren Die Plattencharakteristik Die Theorie Über diefabrikmäßigeHerstellungderTrockenplattenundPapiere Photographie mit Eisensalzen

638 640 641 644 651 656

Die Photographie mit Cliromsalzeii . . . Farbenphotographie . Historische Notizen Die vom Verfasser veröffentlichten wissenschaftlichen Werke und Abhandlungen Namen- und Sachregister

685 689 699

657 658 661 662 663 667 667 667 679 682

704 707

Einleitung. E s wurde von mir ein Handbuch für Photochemie geplant. Aber wegen der speziellen Umstände, die im Vorworte kurz erläutert wurden, war ich nicht in der Lage, die Literaturangaben nach Wunsch zu vervollständigen, und aus diesem Grunde mußte ich diesem Werke die Form eines Lehrbuches geben. Dies Werk verfolgt das Ziel, dem vorgeschrittenen Photochemiker die Möglichkeit zu geben, in das neue Gebiet sich zu vertiefen und sich neue Wege zur eigenen Forschung zu bahnen. Auch für den Lehrer soll dies Werk als Nachschlagebuch bei den Vorlesungen und beim Unterricht im Laboratorium dienen. Zu gleicher Zeit gestatte ich mir in der Folge, meine verehrten Leser, auf eine Reihe von Arbeitsgebieten, deren Bearbeitung mir persönlich nicht möglich war, aufmerksam zu machen, mit der festen Zuversicht, daß deren Erforschung für die weitere Entwicklung der Photochemie von Bedeutung sein wird. Als Ergänzung zu diesem Lehrbuche sind meine beiden vorangegangenen Werke, die „Photochemie" und die „Photochemische Versuchstechnik" anzusehen. Der vorliegende Band, der die Lichtreaktionen behandelt, ist in vier große Abschnitte eingeteilt. Im ersten Abschnitte werden die „ A l l g e m e i n e n G e s e t z m ä ß i g k e i t e n und G r u n d g e s e t z e " mit einer kurzen geschichtlichen Entwicklungsübersicht der Photochemie näher besprochen. Im zweiten Abschnitte sind die „ G r u n d l a g e n d e r m a t h e m a t i s c h e n T h e o r i e der L i c h t r e a k t i o n e n " gegeben. Der dritte und der größte Abschnitt behandelt das ganze vorhandene Versuchsmaterial und zerfällt in zwei Teile: in den anorganischen und organischen. Der letzte vierte Abschnitt ist der „ A n g e w a n d t e n P h o t o c h e m i e " gewidmet. Dieses Gebiet, die Photographie ausgeschlossen, ist heutzutage das am wenigsten erforschte und entwickelte, und man P l o t n i k o w , Lehrbuch der Photochemie.

1,

2

Einleitung.

darf die Hoffnung aussprechen, daß es in der allernächsten Zeit die ihm gebührende Stufe der Entwicklung erlangt. Die mathematische Theorie der Lichtreaktionen, die den Kern dieses Werkes bildet, fußt auf den photochemischen Grundgesetzen, die in dem ersten Teile abgeleitet worden sind; die Richtlinien zur Klassifikation des Yersuchsmaterials ergab die in demselben Teile erörterte Arbeitshypothese des Verfassers über die Photoaktivität der Elemente und ihrer Verbindungen. Dem Leser kann möglicherweise auffallend erscheinen, daß in diesem Buche der heutzutage so modern gewordenen Quantenhypothese so wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Der Grund dieses Verhaltens liegt darin, daß dieses Gebiet meines Erachtens erst in dem Anfangsstadium seiner Entwicklung sich befindet, und die Versuche, diese Hypothese zum Aufbau der Theorie der Lichtreaktionen zu verwenden, stoßen vorläufig auf Schwierigkeiten einer ungenügenden Anpassungsmöglichkeit. Deshalb mußte ich mich begnügen, bei der Besprechung der Arbeiten einzelner Forscher nur ihre Gesichtspunkte über dieses Thema auszuführen. Bei der Beschreibung der geschichtlichen Entwicklung eines derartigen Gebietes, wie dasjenige der Photochemie, die einerseits ihren Anfang schon seit vorgeschichtlichen Anfängen ableitet, ihre technische Entwicklung erst seit 100 Jahren begonnen hat, und andererseits in ihrer rein wissenschaftlichen Entwicklung erst im. Anfangsstadium sich befindet, stößt man bei dem Versuch der richtigen Wertschätzung der verschiedenen Entdeckungen, Erfindungen und Prioritätsfragen auf eigenartige Schwierigkeiten. Es werden z. B. Entdeckungen gemacht, die ganz in Vergessenheit geraten, um nach geraumer Zeit nochmals zum Vorschein zu kommen, und erst nachdem erfolgt die weitere Entwicklung des daraus abgeleiteten Forschungsgebietes. Auch werden manchmal Gedanken ausgesprochen und formuliert, deren richtige Bedeutung und Wertung den Urhebern entgehen, um erst später durch andere Forscher in ihrer vollen Tragweite erkannt und dementsprechend auch verwertet zu werden. Nun fragt es sich, wem soll die Priorität in diesen Fällen zugesprochen werden? Dem rein historischen Entdecker oder dem, der tatsächlich die Entwicklung dieses Gebietes gefördert hat. Es kommen auch Fälle vor, wo an der Entwicklung eines Gedankens oder Gesetzes mehrere Forscher beteiligt sind, und erst durch ihre gemeinsame Bemühung und Arbeit erhält der entsprechende Gedanke oder das Gesetz seine endgültige verwendbare Fassung. Die richtige und rechtzeitige Einschätzung der Bedeutung

Einleitung.

3

irgendwelcher neuen Entdeckungen und Theorien ist keineswegs leicht. Oft geschieht es, daß man irgendwelchen modernen Anschauungen oder Hypothesen, oder einfach geschickt gewählten Schlagwörtern, infolge des Einflusses irgendeiner bedeutenden Persönlichkeit, oder aus nationaler Eitelkeit viel mehr Aufmerksamkeit schenkt, als sie es verdienen. Als Folge davon kann eine Vernachlässigung anderer Zweige dieses Gebietes und dadurch eine Verzögerung ihrer Entwicklung eintreten. Es ist nicht immer leicht einzelnen Personen, den vorhandenen modernen Strömungen entgegenzutreten, um die Entwicklung einer Wissenschaft in andere, mehr Erfolg versprechende Bahnen zu lenken. Erst nach vielen Jahrzehnten lassen sich auf Grund wirksamer Tatsachen die Unfruchtbarkeit oder der wahre Wert irgendwelcher Entdeckungen oder Theorien erkennen, und dann erst gelangt man zur Einsicht, wie viel unnütze Arbeit und Zeit erspart wären, falls man rechtzeitig den richtigen Forschungsweg betreten hätte. So hat z. B. die rasche technische Entwicklung der Photographie einen verderblichen Einfluß auf die Entwicklung der reinen Photochemie gehabt, indem sie die Aufmerksamkeit aller auf diesem Gebiete arbeitenden Geister damaliger Zeit auf sich lenkte, und die wissenschaftliche Entwicklung der reinen Photochemie, wie es weiter unten bei der geschichtlichen Entwicklung der Photochemie ausführlich geschildert wird, auf viele Jahrzehnte verzögerte. Viele übliche und verbreitete Anschauungen vieler photocliemischer Probleme sind veraltet und erfordern eine Neubearbeitung. Es wäre sehr erwünscht, die Regelung derartiger Fragen einer ständigen internationalen Forschungskommission zu überlassen, damit einzelnen Forschern, besonders wenn sie auf den fraglichen Gebieten tätig waren oder sind, nicht die endgültige Spruchfassung bei der Erklärung der fraglichen Probleme widerspruchlos zugebilligt wird. Denn trotz aller Bemühungen des menschlichen Geistes, die Richtschnur der Objektivität auf dem Forschungsgebiete einzuhalten, allzu oft wird derselbe durch die Anziehung des subjektivischen Imperativs abgelenkt. Beim Verfassen dieses Werkes mußte auch die weitere Entwicklung der Photochemie ins Auge gefaßt werden. Es wäre erwünscht, daß in erster Linie die Grundgesetze und die Gesetzmäßigkeiten allgemeinen Charakters theoretisch und experimentell bearbeitet und gründlich erforscht würden. Weiter ist es notwendig, dem Gebiete der organischen Photosynthese mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als es bisher geschehen ist, denn das ist ein sehr l*

4

Einleitung.

wichtiges Gebiet, von dessen Erforschung die weitere erfolgreiche Entwicklung der Bodenkultur und der photochemischen Technik in hohem Grade abhängig sind. In zweiter Stelle können die photogalvanischen Erscheinungen und die Farbenphotographie eingereiht werden. W a s die einfache Photographie anbetrifft, so kann nur der berechtigte Wunsch ausgesprochen werden, daß das Silbersalz verfahren durch andere einfachere und billigere ersetzt werde. Zum Schluß meiner Einleitung sei mir gestattet, den innigsten Wunsch auszusprechen, daß mein W e r k , trotz der unausbleiblichen Lücken, den Kollegen wie den Anfängern den erwünschten Nutzen und gesuchte Anregung darbieten möge.

Erster

Teil.

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen und ihre charakteristischen Eigenschaften.

1. Über das Licht. Das Spektrum. Das Ziel der photochemischen Forschung ist die möglichst vollständige und mannigfaltige Nutzbarmachung der uns von außen zuströmenden Energie der Sonne und der künstlichen Lichtquellen. Auf den ersten Augenblick kann es befremdend erscheinen, daß auch eine Verwertung der künstlichen Lichtquellen in Frage kommen kann, weil sie einen Energieverbrauch bereits erfordern, von der Sonne aber erhalten wir dieselbe kostenlos. Dieser scheinbare W iderspruch findet seine Begründung in den besonderen Eigenschaften des Lichtes. Das Wort „Licht'- ist kein festbestimmter Begriff. Wir haben rotes, grünes, ultraviolettes, ultrarotes, Röntgenlicht, Mondliclit, Sonnenlicht usw. Meistens bezeichnet diese Ausdrucksweise nur die Lichtquelle, die uns Licht spendet, von den verschiedenen Lichtarten, die sie enthält, besagt sie uns nichts. Von diesen Lichtarten hat jede ihre besondere Eigenschaften und sie üben mitunter eine entgegengesetzte photocheniische Wirkung auf die Körper aus. Woher kommt das, und worauf ist dieser Unterschied der Eigenschaften der verschiedenen Lichtarten begründet? Betrachtet man einen, mit weißem Sonnenlicht beleuchteten, Spalt durch ein Prisma, so wird kein Spalt, sondern ein in leuchtenden Farben gefärbtes Band wahrgenommen. Wir erhalten das sogenannte sichtbare Sonnenspektrum, bei dem die Farben in der bekannten Reihenfolge aufeinander folgen. Die Spektralfarben sind, wie man zu sagen pflegt, monochromatisch und können weiter auf keine Weise zerlegt werden. Bei näherer Untersuchung hat sich das Resultat ergeben, daß diese verschieden gefärbten Strahlen sich dadurch voneinander unter-

6

Die pliotoehemischen Grundgesotze der Lichtreaktionen.

scheiden, daß sie verschieden große Schwingungen hervorrufen. Die roten Strahlen schwingen am langsamsten, die violetten am stärksten; je größer die Frequenz der Oszillation, desto durchgreifender ist die Wirkung der Strahlen auf einen Körper. Man kann aucli die verschiedenen Strahlen, wie es üblich ist, durch die Wellenlängen charakterisieren. Da die Wellenlängen den Schwingungen umgekehrt proportional sind, so besitzen die roten Strahlen die größten Wellenlängen und die violetten die kürzesten. Das Spektrum ist aber nicht durch die sichtbaren Strahlen begrenzt, sondern erstreckt sich nach beiden Seiten enorm weithin; den roten Strahlen folgen die ultraroten Wärmestrahlen und die elektrischen, den violetten die ultravioletten und schließlich die Röntgenstrahlen. Auf der Tafel I ist das ganze Spektrum der strahlenden Energie veranschaulicht. Man kann das Spektrum als eine S p a n n u n g s r e i h e der strahlenden Energie betrachten, deren innere Spannung mit der S c h w i n g u n g s z a h l wächst. Aus diesem Grunde .haben für uns die Strahlen der kürzeren Wellenart ein besonderes Interesse, da sie die stärksten chemischen Wirkungen ausüben müssen, wa3 auch in der Tat zutrifft. Aus dem oben Gesagten geht hervor, daß das „Licht" nur dann für uns einen photochemischen Sinn haben kann, falls gleichzeitig die, in ihm enthaltenden, Wellenlängen oder Schwingungszahlen angegeben sind. Wir haben keine Lichtquelle, die das gesamte Spektrum der strahlenden Energie aussendet. So sendet z. B. die Nernstlampe die sichtbaren und Wärmestrahlen und keine ultravioletten Strahlen aus. Die Röntgenröhren senden nur Röntgenstrahlen aus. Das Funkenlicht, das Metall- und Quecksilberbogenlicht senden vorzugsweise die ultravioletten Strahlen aus. Das Sonnenlicht sendet wiederum hauptsächlich die sichtbaren und Wärmestrahlen und das Ultraviolett nur bis zu 290 Wellenlänge aus. Daraus ist ersichtlich, daß wir mit der Ausnutzung der Sonnenstrahlen allein, die des chemisch wirksamsten ultravioletten Teiles vollständig ermangeln, nicht auskommen können, und demzufolge sind wir gezwungen, auch andere, an ultravioletten Strahlen besonders reiche, Lichtquellen zu verwenden. Die für uns in Betracht kommenden künstlichen Lichtquellen werden durch den elektrischen Strom erzeugt, der seinerseits durch Verbrennung der Kohle oder Holz gewonnen wird. Die Kohle ist

Über das Licht. T a f e l I.

Das Spektrum

der strahlenden

Schwingungszahl pro 1"

Strahlenart

7

.

.

Unerforscht . . . Kürzeste ultraviolet ten Strahlen . . UltraviolettenStrahlen •Sichtbares Spektrum Ultraroten Strahlen Wiirmestrahlen

Ji

3-10 1 8 bis 3-10' 7

)i

3-10"

„ 3-10"

ii

3.10 ,r >



ii »

Unerforscht . . . Kürzesten elektrischen Wellen . . . . Elektrische Wellen

Ì1 1 0 0 »

1,5-10 1 5

3>10 12

ü 200 ¡iit il 400 ftp li 800 pp

i"

10 pp 10 pp

u >)

8-10" „

)1 3* 10'J „

3-10 9 3-10 3

usw.

1 mm 1i " 1 mm Ì " 1 cm 1» ii 10 cm J m 1 0m ?» 100 m 10 km 100 km

Photometrische Bezeichnungen Bezeichnung: Ein Mikron , i t = 1 0 ~ s m m ; ein (ein Milliontel des Millimeters); ein Angstroem = geschwindigkeit u = 3>10 10 cm/sek.; Wellenlänge Ä; ; :-

;

die Energie

zur Lostrennung

eines

0-1 pp 1 fip

Ü 1 f."



ii

bis

0-1

1-5-10' 5 „ 75«10 13 7 5 . 1 0 " , , 375«10' 2 3 7 5 . 1 0 " „ 300-10 1 2

1) 3 0 0 . 1 0 " , ,

Entdecker

Wellenlänge

I ! von 3 - 1 0 + 1 9 bis 3-10 1 9 von 0-01 Röntgenstrahlen

Energie.

>,

100 pp



200 pp

Wien, Rontgen (1885) Haga, Wind, Soóimerfeld

1

Ì

Cornu ( 1 8 7 8 ) 'Schumann ( 1 8 9 3 ) „ Ritter ( 1 7 0 1 ) 400 pp Newton ( 1 6 6 6 ) „ 800 pp Herschel ( 1 7 0 0 ) 1 p „ L a n g l e y (1886) 10 p Rubens (1896)61-4 p „ ( 1 9 1 0 ) 97 p „ ,u(lmm) 4 mm bis Lampa ( 1 8 9 5 ) 6 mm L e b e d e f f ( 1 8 9 5 ) 10 cm Righi ( 1 8 9 4 ) 1m Lodge ( 1 8 9 0 ) 10 m Hertz ( 1 8 8 9 ) 100 m 1 km Feddersen ( 1 8 6 2 ; 100 km Tesla ( 1 8 9 3 ) 1000 km Lodge ( 1 8 8 8 ) f

und W e r t e . Millimikron pp — 10~''mm 0,1 pp = 10 — 7 mm; LichtSchwingungszahl pro Sek.

Elektrons

e — h v\ h = das

P l i t n c k s c h e Wirkungselement = 6 - 5 ' 1 0 erg/sec. N- die Zahl der Moleküle im Grainmol = 6 • 2 • 10 23 . Die Energie der Lostrennung der Elektronen in Grammol E = Nh v = 4 . 10 — 3 v (abgerundet). Der Durchmesser der Moleküle schwankt von 1—10;u,u. Die exterrestrische Solarkonstante bei normaler Inzidenz auf 1 cm 2 pro 1' gr/'cal. in er/cal. ist im Dnrchschnitt gleich S, = 1,93 -^—z-,—r, wobei auf den sicht" cm2/min baren Teil nur 1-13 also 55 °/0 fällt, —27

aber nichts anderes, als die während Millionen von J a h r e n , und Holz die während J a h r z e h n t e n aufgespeicherte E n e r g i e der Sonne.

Somit

können wir unsere künstlichen Lichtquellen als L i c h t t r a n s f o r m a t o r e n betrachten,

die das L i c h t

der längeren W e l l e n

der

Sonne in

das

8

Die pliotochemisclien Grundgesetze der Liclitreaktionen

der kürzeren des Quecksilber- oder Metallbogenlichtes, Funken- oder Röntgenlichtes verwandeln. Durch die äußersten ultravioletten Strahlen können wir Wirkungen hervorrufen, die wir auf keine andere Weise erzielen können. Deshalb sind sie für uns von besonderer Bedeutung, und jeder weitere Fortschritt. in der technischen Vervollkommnung der künstlichen Lichtquellen, insbesondere wenn es sich um die Erweiterung des ultravioletten Strahlenbereichs handelt, ist nur mit Freude zu begrüßen. Der großen Bedeutung des Sonnenlichtes für unser Dasein, der in ihm enthaltenden gewaltigen Energiemengen, und der starken Abhängigkeit der chemischen Wirkung von der Wellenlänge haben nicht nur die Laien, sondern auch die Mehrzahl der Gelehrten nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Form der Energie ist so zart, so fein, daß sie eine direkte mechanische Wirkung auf unsere Sinne nicht ausübt? Sie drückt nicht, wie die Schwere, sie rüttelt den Körper nicht auf, wie z. B. ein Hochspannung8strom, sie brennt nicht wie irgendein glühendes, flüssiges Metall, sondern sie leuchtet Tag pro Tag hinein, und ganz unmerklich vollzieht sie die gewaltige Arbeit der Aufspeicherung der Energie in den grünen Pflanzen, in denen nur etwa V2000000 i^ 01 ' 111 der chemischen Energie uns nutzbar gemacht wird, der übrige Teil aber geht nutzlos verloren. Spielend kann das Licht, und besonders (las künstliche, ultraviolette derartige chemische Zersetzungen oder Umwandlungen vollbringen, die auf keine andere Weise erzielt werden können. Und der .Einfluß der ultravioletten Strahlen, ihrer Wirkung nach, dürfte vielleicht mit der Wirkung einer Temperatur von vielen zehntausenden Grad verglichen werden. Solche große Energieaufspeicherung ist in dem scheinbar' harmlosen Lichtstrahl verborgen. Man muß die Phantasie sehr stark anstrengen, um sich einigermaßen eine Vorstellung von der gewaltigen Energiespannung, die eine Lichtwelle von großer Frequenz in sich trägt, machen zu können; dann wird man erst begreifen können, warum dem Lichte die K r a f t eigen ist, solche wunderbare Reaktionen, die in F o r m von Spaltungs- und synthetischer Reaktionen sich ermitteln lassen, zu vollbringen J e länger die Wellenlänge des einwirkenden Lichtes ist, desto schwächer ist auch sein Angriffsvermögen und umgekehrt, je größer die Schwingungszahl ist, desto kräftiger wirkt es ein. E s kann den Anschein erwecken, daß hier eiue einfache lineare Beziehung be-

Über das Licht.

9

stehen müsse, und demzufolge die größte Wirkung bei den Röntgenstrahlen zu erwarten wäre, da sie die kleinste Wellenlänge und größte Schwingungszahl besitzen. Diese Schlußfolgerung wäre richtig, falls die Lichtreaktionen nur Funktion des Lichtes allein wären. Das ist alier nicht der Fall, denn die lichtchemische Wirkung muß auch eine Funktion des Chemismus des entsprechenden Körpers sein, also in erster Linie von dein inneren Bau der Atome aus den Elektronen und ihrer Größe abhängen. Die Lichtschwingungen, die den Eigenschwingungen der Elektronen im Inneren der Atome und Moleküle am meisten sich nähern, müssen auch die stärkere Wirkung ausüben, demzufolge ist zu erwarten, daß die äußersten ultravioletten Strahlen, deren Wellenlänge etwa 1 —100 fifi dem Moleküldurchmesser etwa 1—10 fifi sich am meisten nähert, also die Strahlen, die sich in dem noch unerforschtem Gebiete zwischen den Röntgenstrahlen und Schumannschen Strahlen befinden, auch die stärkste Wirkung ausüben müssen; dagegen die Röntgenstrahlen selbst, die so kleine Wellenlängen besitzen, daß sie fast ungehindert die Körper passieren, müssen auch eine schwächere Wirkung ausüben. Die chemische Wirkung muß weiter mit der Vergrößerung der Wellenlänge wieder abnehmen und bei den Wellenlängen, die ihrer Größe wegen wieder die Moleküle ungehindert passieren, also bei elektrischen Wellen wieder aufhören. Die Wirkung hört aber praktisch schon hei Wärmestrahlen auf, da diese Schwingungen schon so wenig Spannungsenergie haben, daß sie das Molekül nicht angreifen können. Somit erstreckt sich der chemisch aktive Teil des großen Spektrums der strahlenden Energie von den längeren Röntgenstrahlen Iiis zu den längeren Wärmestrahlen, mit einem Maximum in äußerstem Ultraviolett. Die Lichtabsorption. Es gibt keine Körper, die das ganze Lichtspektrum ungehindert durchlassen. Irgendein Teil von dem Spektrum wird nicht durchgelassen oder, wie man zu sagen pflegt, absorbiert. Erfolgt die Absorption in unsichtbaren Teilen des Spektrums, so erscheint der Körper farblos oder weiß. Wird aber ein Teil vom sichtbaren Spektrum absorbiert, so erscheint der Körper in komplementären Farben gefärbt. Jeder Körper besitzt ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Reflexionsvermögen; dies ist eine Funktion des Brechungsvermögens

10

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

und wird nach F r e s n e l durch folgende Formel für senkrechte Inzidenz des einfallenden Lichtes charakterisiert:

tkO n das Brechungsindex der einfallenden Strahlen bedeutet. Der Rest (1 — E) dringt in den Körper ein. Es ist klar, daß ein Lichtstrahl, der in den Körper eingedrungen und von demselben absorbiert wird, in seiner Intensität abgeschwächt wird, und je mehr er in die Tiefe des Körpers eindringt, desto mehr verliert er an seiner Stärke, und ist die Körpersehicht unendlich dick, so wird schließlich das ganze Licht absorbiert. Somit ist die Lichtintensitätsveränderung eine Funktion der zu durchdringenden Körperschicht. Ist das Absorptionsvermögen des Körpers groß, so wird das ganze Licht schon in dünnen Schichten vollständig absorbiert; ist es dagegen schwach, so sind dazu größere Schichten erforderlich. Ist die Schichtdicke nicht genügend groß genommen, um eine vollständige Absorption herbeizuführen, so tritt ein Teil des Lichtes abgeschwächt aus dem Körper heraus. Für die Veränderung der Lichtabsorption mit der Schichtdicke gelten folgende Gesetze, die nur für das monochromatische Licht anwendbar sind. Bezeichnen wir die nach der Reflexion in den Körper eindringende Lichtintensität durch J und die Schichtdicke des Körper durch p, so ist nach L a m b e r t die Veränderung der Ljehtintensität dJx, mit der Schichtdicke dx, der an der Stelle x herrschenden Lichtintensität Jx proportional, d. h. d.J,

. ,

;—1 = w „x .

d:r

Nach der Umformung erhalten wir den Ausdruck: d.J -r- = — i d x . ü

Die Integrierung ergibt uns: In,/ = — i x + konst. In — bedeuten die natürlichen Log.) Bei 37 = 0 ist J x - = . J — der Anfangsintensität und demzufolge erhalten wir konst = In-/. Nach der Einstellung dieses Wertes in die obige Integrierungsformel und entsprechende Umformungen können wir dem L a m b e r t schen Gesetze für die Schichtdicke x—p folgende Gestalt geben: I n j - InJ,, oder

P Jp

= J e - ¡3'.

11

Über das Licht.

Mit Hilfe der ersten Formel können wir den Proportional itätsfaktor i. den wir als „Lichtabsorptionskonstante" bezeichnen wollen, bestimmen; dazu brauchen -wir nur die Lichtintensitäten bei verschiedenen Schichtdicken zu messen. Die Methoden der quantitativen Bestimmungen der Lichtintensitäten sind ausführlich in meiner Photochemischen Versuchstechnik1 beschrieben. Die zweite Formel gibt uns die Möglichkeit, die Lichtintensität Jp mit der das Licht aus dem Körper von der Schichtdicke p austritt, zu bestimmen, falls i schon vorher bestimmt worden ist. Die Werte für e~ können direkt mittels der entsprechenden Tabellen für Funktion e~x, die ebenfalls in meinem Buche 1 angegeben sind, berechnet werden. Nehmen wir J — 100 °/0 an, so erhalten wir die Lichtschwächungen auch in Prozenten. Nimmt man statt natürlichen, die dekadischen Logarithmen, so erhalten die beiden oben angegebenen Formeln folgende Gestalt:

g =

und

. , r log/T - log Jp P

Jv = J r 1 0 " ' i '

Der Proportionalitätsfaktor s wird gewöhnlich als Extinktionskoelfizient bezeichnet; wir wollen ihn als „dekadische Absorptionskonstante" bezeichnen. Zwischen der normalen und der dekadischen Konstante besteht folgende Beziehung £= mi

i — - , m

oder

wo m der Modul der natürlichen Logarithmen m = log10 e = 0.4343 bedeutet. Das L a m b e r t s c h e Gesetz gilt nur für feste einheitliche Körper. Bei den Lösungen wird die Lichtabsorption noch durch die Konzentration beeinflußt, demzufolge muß das Lambertsche Gesetz abgeändert werden. B é e r nahm an, daß die Lichtintensitätsveränderung noch der Konzentration des gefärbten Stoffes proportional ist, d. h., daß « "x T ;— = ic.J, x ' dx wo c die Konzentration bedeutet. Die Integrierung dieser Gleichung ergibt uns das Beersche Gesetz gemäß folgender Formel: f g s

und

InJ

— lnJp

o d e r

;

_

ep

Jp = Je~

ep iep

1

logj-logj,

oder

Jp =

J10~cpc

J. P l o t n i k o w , Photochemische Versuchstechnik, Leipzig (1912).

12

Die pliotoclieinischen Grundgesetze der Lichtrraktioneii.

Ist die Konzentration in Grammolen genommen, so heißen die Konstanten i und £ — die molaren Lichtabsorptionskonstanten. Wie zu ersehen ist, verändert sich die austretende Lichtintensität nicht, wenn das Produkt op konstant bleibt; ebenso konstant muß in diesem Falle auch die Größe i oder e sein. Ist das nicht der Fall,

Fig. 1.

das Beersehe Gesetz für den entsprechenden Körper üngiiltig. Das Beersche Gesetz ist in allen Fällen gültig, wo mit der Konzentrations-, Temperatur- und Lösungsmitteländerung keine Veränderung

Fig. 2. Assoziation, Umlagerung usw., eintritt; und umgekehrt, aus der Ungültigkeit des B e e r sehen Gesetzes können wir auf die eingetretenen chemischen Umsetzungen schließen, und unter günstigen Umständen dieselben, auch messend, verfolgen. Die Absorptionskonstanten sind Funktionen der Wellenlängen; zeichnet man diese auf ein Diagramm auf, so erhält man die für jeden Körper eigentümliche Lichtabsorptionskonstantenkurve. Diese verändert sich im allgemeinen mit dem Lösungsmittel. Ein solches Diagramm stellt ein vollständiges Bild

Über das Licht.

13

der bei dem untersuchten Körper obwaltenden Lichtabsorptionsverhältnisse dar. Eine Vorstellung über die herrschenden Absorptionsverhältnisse kann man sich mittels einer photographischen Aufnahme des Absorptionsspektrums verschaffen. Meistens verfährt man auf diese Weise, daß man eine Reihe von Aufnahmen bei verschiedenen Konzen-

Fig. 3.

trationen und Schichtdicken macht; dann erhält man ein Spektrogramm, wie es auf den Figg. 1—4 vorgeführt ist. Sie stellen uns Absorptionskurven von Ammoniumbichromat und -chromatlösungen in Wasser dar. Eine derartige Absorptionskurve kann natürlich die

Fig. 4.

Konstantenkurve nicht ersetzen; sie wird von verschiedenen Faktoren, wie Expositionsdauer, Entwicklungsdauer, Temperatur, Solarisationserscheinungen usw. mehr oder weniger stark beeinflußt und ist deshalb für strenge quantitative Untersuchungen ungeeignetDafür hat sie sich als ein gutes Hilfsmittel bei dem Studium der Konstitutionsverhältnisse der organischen Körper erwiesen. Die spektroskopischen Untersuchungen sind rein qualitativen und orientierenden Charakters.

14

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

Die obigen Formeln geben uns die Möglichkeit, das absorbierte Licht quantitativ zu bestimmen. Ist die Beleuchtungsfläche gleich S, so ist die eintretende Lichtmenge gleich S J und die austretende S Jp, demzufolge ist die vom Körper absorbierte Lichtmenge gleich: A = S(J-Jp). Stellen wir den W e r t für J]t aus der Formel ein, so erhalten wir für die absorbierte Lichtmenge den Ausdruck: -6~ipc].

.4 = SJ[l

Ist die Lichtabsorption infolge der oder c sehr groß, was durch den großen gekennzeichnet wird, so wird die Funktion erhalten eine vollständige Lichtabsorption, A =

großen Werte vpn i, p W e r t des Produktes ipe e ~ , p c = 0 sein, und wir die gleich

SJ

ist. Um die absorbierte Lichtmenge im energetischen Maße zu erhalten, muß man J in energetischem Maße bestimmen, was auf verschiedene Weise, wie z. B. mittels Bolometers, Thermoelemente, usw. ausgeführt werden kann. E s ist selbstverständlich, daß diese Bestimmungen für jede in F r a g e kommende Wellenlänge ausgeführt werden muß. Dies kann auf diese Weise geschehen, daß entweder f ü r jede Wellenlänge diese Bestimmung ausgeführt wird, oder man bestimmt die gesamte Energie und zugleich die Verteilung derselben nach den Wellenlängen, woraus man die Energie f ü r jede einzelne Wellenlänge leicht berechnen kann. Zugleich muß aber darauf aufmerksam gemacht werden, daß wenn zwei verschiedene Wellenlängen die gleicho Energie ergeben, sie photochemisch noch nicht gleichwertig sind, und die kürzere Wellenlänge tiefgreifendere chemische Wirkungen ausüben kann. Nehmen wir z. B. die roten Strahlen und die äußersten ultravioletten: wenn ihre Energien nach Kalorien gemessen auch gleich sind, so üben doch die ultravioletten Strahlen eine kräftigere Wirkung, als die roten, aus. Ahnlich wie man an einer kleinen Flamme sich die Finger verbrennen kann, während in einer großen Wanne sich ruhig baden kann, obgleich ihr kalorimetrischer W e r t inhalt größer ist, als derjenige der Flamme. Die Größe der photochemischen Ausnutzung ist eine komplizierte Funktion der Schwingungszahl und der inneren Struktur der photoaktiven Körper.

Über die photochemische Valenz.

15

2. Über die photochemische Valenz und die Lichtempfindlichkeit der Körper. Auf einer Seite haben wir verschiedene Lichtarten des großen Strahlenspektrums vor uns und auf der anderen Seite die verschiedenartigsten chemischen Körper. Beim Zusammentreffen der beiden Energieformen kann unter Umständen eine Wechselwirkung zwischen diesen stattfinden, indem die Lichtenergie aufgenommen wird und neue chemische Körper entstehen. Aber nicht jede Lichtart wirkt auf einen Körper ein, und nicht jeder Körper ist lichtempfindlich. Woher kommt das? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns in das innere Wesen dieser Vorgänge ein wenig vertiefen. Das Licht ist eine Wellenbewegung, und der Körper besteht aus Atomen, die ihrerseits aus Elektronen aufgebaut sind. Die letzteren sind auf bestimmte Weise räumlich zueinander geordnet und befinden sich in verschiedenartigem Schwingungszustande. Um eine chemische Wirkung hervorrufen zu können, müssen die Lichtwellen die Molekelstruktur derart zu erschüttern imstande sein, daß gewisse Verbände der Elektronen aufgelöst oder geschwächt werden, und eine Umgruppierung der Elektronen, d. h. eine chemische Umsetzung stattfinden kann. Es ist klar, daß die lichtchemische Wirkung im engen Zusammenhange mit dem inneren Bau der Atome und Moleküle stehen muß und demzufolge müssen wir uns anfangs in dieselben einen Einblick verschaffen. 1. Über das Atommodell. Die gewöhnlichen Gitter, mit dejien die Spektra erzeugt werden, enthalten etwa 1000 bis 2000 Teilstriche pro Millimeter. Die mit Hilfe dieser Gitter erzeugten Spektra erstrecken sich nur bis zum äußersten Ultraviolett. Ein Köntgenspektrum können wir auf diese Weise nicht erzeugen, da das Gitter zu grob ist; wir müssen dazu ein viel feineres Gitter, das 1000000 Teilstriche (ein Teilstrich in der Größenordnung eines fj/i) pro Millimeter enthält, verwenden. Künstlich können wir derartige Gitter nicht herstellen. Dem Physiker v. L a u e ist die glückliche Idee gekommen, natürliche Gitter, nämlich die Kristalle, zu verwenden. In Kristallen sind bekanntlich die Atome in Schichten gitterförmig geordnet, und der Abstand zwischen den

16

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

Schichtdicken ist der Größenordnung nach etwa gleich 80 fifi. Ein Röntgenstrahl wird durch Kristallgitter zerlegt und wir bekommen charakteristische Spektralfiguren, die uns einerseits die Wellenlängen der Röntgenstrahlen zu messen, und andererseits den inneren Bau des Kristalls zu bestimmen gestatten. Die Röntgenstrahlen, die von der metallischen Antikathode herrühren, ergeben ein charakteristisches Linienspektrum des betreifenden Metalls; da es sich hierbei um Schwingungen von hoher Frequenz handelt, so werden diese Spektra als Hochfrequenzspektra bezeichnet. Jedes Metall, als Antikathode genommen, ergibt Linien von bestimmter Wellenlänge, die um so kürzer sind, je größer das Atomgewicht des betreffenden Metalles ist. Es hat sich weiter ergeben, daß ganze Gruppen von Elementen einen ähnlichen Bau aufweisen. Besteht die Antikathode aus einer Legierung, so erscheinen die Linien der beiden Metalle im Spektrum. Ist die Antikathode mit einem Salz bedeckt, so erscheinen die Linien aller Elemente, aus denen dies Salz besteht. Führen wir "statt Wellenlängen ihre Schwingungszahlen ein, so ergibt sich folgende, von M o s e l e y entdeckte, Gesetzmäßigkeit: die Q u a d r a t w u r z e l aus der S c h w i n g u n g s z a h l i s t der O r d n u n g s z a h l (und nicht dem Atomgewichte) der Elemente prop o r t i o n a l . Wenn wir auf ein Diagramm die Ordnungszahl auf die Abszissenacbse, und die Quadratwurzel aus den Schwingungszahlen auf die Ordinatenachse auftragen, so erhalten wir eine gerade Linie. Mit Hilfe dieses Gesetzes können wir die neu entdeckten Elemente sofort richtig einordnen, und die vorhandenen Lücken ergeben uns unzweideutig die Stelle der noch unentdeckten Elemente. Die gewöhnlichen Linienspektra der Elemente sind wiederum Funktionen des Atomgewichts des Elementes und seiner Stellung im periodischen System. Um diese scheinbar widersprechende Erscheinung zu verstehen, müssen wir uns, wenn auch in einer beschränkten Form, mit den neuen Theorien der Atomstruktur vertraut machen. Zuerst wurde von R u t h e r f o r d die Annahme gemacht, daß die Atome aus positiven Kernen bestehen, deren Ladung sich proportional der Ordnungszahl verändert und um die die Elektronen kreisen. Der dänische Forscher B o h r hat die R u t h e r fordsche Kerntheorie noch weiter sehr sinnreich ausgebildet und daraus seine wichtigen Schlüsse gezogen, die mit den experimentellen Tatsachen gut übereinstimmten. Es wird zu weit führen, die Theorie von B o h r , D e b y e , V e g a r d u. and. in allen ihren Einzelheiten hier

17

Über die photochemische Valenz.

vorzuführen, und darum begnügen wir uns mit der Beschreibung eines schematischen Modells, das den inneren Sinn und das Wesen der ganzen Theorie deutlich veranschaulicht. Nach Bohr besteht das Atom aus einem positiven Kern, der so viel positive Ladungen enthält, wie es seiner Ordnungszahl entspricht. Rund um diesen Kern bewegen sich in elliptischen Bahnen die Elektronen, deren Gesamtzahl gleich den positiven Ladungen ist, somit stellt nach außen das Atom ein elektrisch neutrales System dar. Die Elektronen sind in verschiedene Zonen verteilt und da auf bestimmte Weise räumlich koordiniert, von denen die äußere Zone

die freien Valenzelektronen, die die Wertigkeit eines Elementes bestimmen, enthält. In der Fig. 5 ist ein solches schematisches Atommodell für Eisen abgebildet. Die räumliche Koordination seiner Elektronen in den Koordinationszonen ist noch unbekannt und hier willkürlich angegeben. Seine Ordnungszahl ist 26. Es stellt uns sozusagen ein Sonnensystem dar, mit dem Unterschiede aber, daß im Sonnensystem die Planeten in beliebigen Entfernungen vom Zentrum kreisen können, dagegen können sich die Elektronen nur in vom Kern bestimmten Abständen, die sich zueinander als ganze Zahlen verhalten, bewegen, und die Bewegungsgeschwindigkeit muß ebenfalls eine bestimmte sein. Diese Beschränkung wird dadurch bedingt, weil die Aufnahme und Abgabe der Energie, in Form des emittierenden Lichtes, durch die Elektronen nicht kontinuierlich, sondern sprunghaft in Form von Lichtquanten erfolgt. Die rechnerische Durchführung zeigt, daß die Radien der möglichen elliptischen Bahnen sich wegen der Lichtquantenausstrahlung oder -aul'nahme zueinander verhalten müssen wie die Quadrate der aufeinanderfolgenden ganzen Zahlen, also wie 1 : 4 : 1 6 :25:86 usw., und daß die Geschwindigkeit des Elektrons um so kleiner sein muß, je weiter es vom Kern entfernt ist, so daß sich die Geschwindigkeiten F l o t n i k o w , Lehrbuch der Photochemie.

2

18

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

auf fliesen Bahnen zueinander verhalten wie 1 : 1 / 2 : 1 / 3 : 1 / 4 . . . usw. Die Verteilung der Elektronen in einem Ringe kann auch keine willkürliche sein. Es ist wohl von B o h r , Y e g a r d und anderen Forschern die Zahl der Ringe und die Elektronenverteilung in ihnen für verschiedene Elemente angegeben worden, aber einer strengen Prüfung konnten die Atommodelle noch nicht unterworfen werden, und sie besitzen demzufolge einen mehr oder weniger problematischen Charakter. Nur für Wasserstoff, der die einfachste Struktur eines Ringes rund um den Kern mit einer positiven Ladung, weil die Ordnungszahl Eins ist, und eines kreisenden Elektrons darstellt, lassen sich die Bahnen und Geschwindigkeit des Elektrons inathematisch leicht ermitteln. Um das Elektron vom Atom loszureißen, müssen wir ihm Energie zuführen, die um so größer ist, je näher es sich dem Kreise befindet, d. h. je kleiner seine Kreisbahn ist. Für verschiedene aufeinanderfolgende Bahnen nimmt die Arbeit ab, l l l l wie : T' : ^ : ^ • • • USW" In einem bestimmten Volum, z. B. 1 cm3 haben wir viele Trillionen von H-Atomen, die in steter Bewegung sich befinden, die um so größer ist, je höher die Temperatur ist. Die Elektronen werden durch Stöße von einer Bewegungsbahn zu der anderen übergeführt. Erfolgt der Übergang von einer größeren, also weiter entfernten Bahn z . der näher stehenden, so muß das Elektron Energie in Form des Lichtes abgeben und dabei eine bestimmte ganze Zahl von Lichtquantenenergie, die einer bestimmten Schwingungszahl entspricht, emittieren. Fällt z. B. ein Elektron von dritter Bahn auf die zweite, so muß die Schwingungszahl proportional 2'

3'

sein, aus der vierten auf die zweite = j.

i_

22

42

sein, usw. usw. Die allermöglichsten Schwingungen werden demzufolge durch die Formel

wiedergegeben, wo R eine Konstante, deren Wert = 3,290-lü 1 5 ist, und als Rydbergsche Konstante bezeichnet wird. Wir müssen demzufolge ein Auftreten einer Serie von Linien erwarten. Und

Über die photocheinische Valenz.

19

tatsächlich fand B a l m e r , daß die Schwingungszahlen der Wasserstolilinien durch die Formel

wiedergegeben werden, wobei R dieselbe Größe, die von B o h r rein theoretisch berechnet wurde, besitzt. Somit erhalten wir eine glänzende Übereinstimmung zwischen der Theorie und dem Experiment, was darauf hindeutet, daß die B o h r sehe Theorie auf richtigen Grundlagen aufgebaut ist. So einfach, wie das Wasserstoffatom, ist kein anderes gebaut. Beim Heliumatom, dessen Kern zwei positive Ladungen besitzt, und bei dem zwei Elektronen in einem Hinge sich bewegen, sind schon verschiedene Anordnungen der Elektronen zueinander möglich. Sie können z. B. auf besonderer oder auf derselben Bahn rotieren. Aus verschiedenen Gründen ergibt sich, daß nur die zweite Möglichkeit hier vorhanden sein kann. Die meisten der Serienlinien des Heliums konnten rechnerisch ermittelt werden, aber noch nicht alle. Auch liier wurde dieselbe Größe für die R y d b e r g s c h e Kopstante gefunden und berechnet. Bei anderen Elementen vom komplizierteren Bau konnte eine genaue Anwendung der Bohrschen Atomtheorie noch in keiner Weise geschehen. Bei ihnen sind mehrere aufeinanderfolgende Ringzonen von Elektronen besetzt. Die Elektronen in Ringzonen sind auf bestimmte Weise räumlich koordiniert. Die Ausstrahlung des Lichtes kann dabei dadurch hervorgerufen werden, daß entweder ein ganzer äußerer Ring sich in einen inneren einschiebt, oder daß einzelne Elektronen aus dem äußeren in einen inneren Ring hineinspringen. Die Er-' mittlung aller möglichen Schwingungen eines solchen komplizierten Systems ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Auch die Erscheinungen der Bandenspektra werden auf diese Weise erklärt. Die äußeren Ringe ergeben die längeren und die inneren die kürzeren Wellenlängen. Es läßt sich leicht beweisen, daß die Quadratwurzel der großen Schwingungen der innersten Ringe der Ladungszahl des Kernes proportional sind; da aber die Ladungen der Ordnungszahl proportional sind, so ergibt sich daraus das M o s e l e y s c h e Gesetz, daß die Quadratwurzel aus der Schwingungszahl der Ordnungszahl proportional ist Somit können wir alle Gesetzmäßigkeiten der Linien-, Bandenund Hochfrequenzspektra theoretisch ableiten. Man muß nur dazu das Atommodell jedes einzelnen Elementes richtig aufstellen, und die Aufstellung einer solchen Tafel, die uns die richtige räum2*

20

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

liehe Struktur aller Elemente ergibt, ist nur eine Frage der Zeit. Prinzipiell ist diese Frage schon als gelöst zu betrachten und die Spektra stellen uns die Spiegelbilder des inneren Atombaus dar. Für uns Photochemiker ist die praktische Lösung dieses Problems ebenso von großer Bedeutung. Werden wir einmal im Besitze der Atomstruktur für alle Elemente sein, so werden sich alle photochemischen Eigenschaften viel präziser definieren und auch manche vorausbestimmen lassen. Der äußere Ring, der die freien Valenzelektronen enthält, ist die eigentliche Sphäre der photochemischen Wirkung für die gewöhnlichen Strahlen, und die photochemischen Eigenschaften hängen von der räumlichen Konfiguration der Elektronen ab. Diese Eigenschaften sind atomistischen Charakters und sind periodische Funktionen der Elemente. Diese Valenzelektronen stellen so z. s. die photochemische Valenz dar, die die Eigenschaften der Lichtreaktionen charakterisieren müssen. Für die gewöhnlichen Dunkelreaktionen ist die räumliche Koordination dieser Valenzelektronen in der äußeren Ringzone ausschlaggebend, weil sie das Auftreten verschiedener Werte bei ein und demselben Elemente bedingt; diese Elektronen sind demzufolge verschieden fest an das Atomsystem gebunden, was bei chemischen und elektrochemischen Vorgängen durch das Auftreten verschiedener Wärmeeffekte gekennzeichnet wird. Für die Lichtreaktionen dagegen ist diese Erscheinung und die inneren Energieverhältnisse der Moleküle von untergeordneter Bedeutung, weil diese auf Kosten der von außen zuströmenden Energie stattfinden, und die Größe der einwirkenden Lichtenergie und die Aufnahmefähigkeit derselben durch die Valenzelektronen hierbei ausschlaggebend sind. Wie die Strahlen, die in dem noch unerforschten Gebiete des Spektrums zwischen den Schumannschen und Röntgenstrahlen liegen, auf die Körper wirken werden, wissen wir nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sie auch die inneren Ringe beeinflussen und demzufolge auch viel durchgreifendere und eigenartige photochemische Wirkungen ausüben werden können. Ob das Licht auch den Kern selbst beeinflussen kann, ist fraglich. Wäre das der Fall so könnte man durch das Licht auch die radioaktiven Umwandlungen beeinflussen können. P e r r i n nimmt an, daß aus dem Erdinneren besondere Ultraröntgenstrahlen ausströmen, die den radioaktiven Zerfall verursachen, der eigentlich ein endothermer Vorgang ist. Derartige starke Energie-

Über die photochemische Valenz.

21

Strahlung müßte sich schon auf irgendwelche Weise bemerkbar machen. Der radioaktive Zerfall müßte durch absorbierte Strahlen hervorgerufen werden und in hintereinander gelagerten Schichten ein verschiedener sein. Aus dem Erdinneren strömende Ausstrahlung dürfte keine gleiche sein, sondern, je nach der stattgefundenen Absorption in der Erdkruste selbst, durch verschiedene Mengen radioaktiver Körper — verschieden ausfallen. Demzufolge müßte auch die Radioaktivität mit dem Orte sich ändern. Ähnliche Strahlung müßte in noch stärkerem Maße von der Sonne ausgesandt werden. Aber wie gesagt, es gibt vorläufig noch keine Anzeichen dafür, daß die Radioaktivität eine Art photochemischen arbeitspeichernden Vorgang höherer Ordnung sei. Wir können heutzutage nur den lebhaftesten Wunsch aussprechen, daß die Physiker uns schon in der allernächsten Zeit mit den Atommodellen bescheren, damit dieselben auch die theoretische Photochemie auf die richtigen Wege leiten, wodurch ihre erfolgreiche Entwicklung ermöglicht wird. 2. Über die Photoaktivität der Elemente und ihrer Verbindungen. Elemente. Jeder Körper absorbiert irgendeinen Teil des großen Lichtspektrums, das sich von etwa lOOOfiu bis 0,01 ¡jp erstreckt; vollständig lichtdurchlässige Körper gibt es nicht. Chemisch wirksam können nur die von Körpern absorbierten Strahlen werden, und zwar ist es erfahrungsgemäß nur ein geringer Teil der absorbierten Strahlen, dem eine chemische Wirksamkeit zukommt. Im folgenden bezeichne ich diesen Teil des Spektrums als den Streifen der „photochemischen Absorption". Das übrige wird rein „thermisch" absorbiert. Ein Körper kann auch melirere Streifen der photochemischen Absorption besitzen, die mitunter voneinander weit entfernt liegen und sogar unter Umständen entgegengesetzte Wirkung ausüben. Die photochemische Wirkung ist in ihrem primären Stadium ein lichtelektrischer Vorgang und wird bedingt durch die räumliche Lagerung der Valenz-Elektronen im lichtempfindlichen Atom. An dem festen inneren Atomkern, der nur beim radioaktiven Zerfall erschüttert und verändert werden kann, haften die freien Valenzelektronen, die die Bindung der Atome zu Molekülen herbeiführen. Diese Valenzelektronen können durch das Licht angegriffen und derart erschüttert werden, daß eine Lockerung, unter Umständen ein Losreißen des Verbandes zwischen den Atomen stattfindet. Als Folge davon

22

Die photochemiselien Grundgesetze der Lichtreaktionen.

tritt eine chemische Umsetzung ein. Nun entsteht die Frage, warum nicht bei jedem Molekül eine chemische Einwirkung des Lichts stattfindet, und welche Vorbedingungen zu dieser Einwirkung nötig sind? Wir besitzen zur unzweideutigen Beantwortung dieser Frage noch keine wissenschaftlichen Grundlagen und sind auf den Weg der Hypothese angewiesen. Wir nehmen an, daß lichtempfindlich oder „photoaktiv" nur die Verbindungen oder Elemente sein können, die noch freie Valenzelektronen übrig haben, d. h. „photochemisch ungesättigt" sind. Sind aber alle Valenzelektronen abgesättigt und enthält eine Verbindung überhaupt keine freien Valenzelektronen, so muß sie lichtunempfindlich sein, weil das Licht keinen Angriffspunkt findet. Wir kommen so zu der Arbeitshypothese, daß nur photochemisch ungesättigte Verbindungen lichtempfindlich sein können. Ich will nun versuchen, das im dritten Teile dieses Lehrbuches der allgemeinen Photochemie gesammelte Versuchsmaterial vom Standpunkte dieser Arbeitshypothese zu betrachten, und beginne mit den Elementen. In der Tafel II sind die Elemente nach dem periodischen System geordnet. Die angewandte Lichtempfindlichkeitsskala ist ziemlich willkürlich und wurde dem Gefühle nach aufgestellt, weil wir noch keinen Maßstab für Lichtempfindlichkeit besitzen. In der Mitte, wo die mehrwertigen, d. h. diejenigen Elemente sich befinden, denen die meisten Valenzelektronen anhaften, sind auch die photoaktivsten Elemente angehäuft, während an den seitlichen Rändern der Tabelle die Elemente der nullten Gruppe stehen, die keine freien Valenzelektronen besitzen, und die auch nicht photoaktiv sind. Denkt man sich die Tabelle zylinderförmig aufgerollt, so erhält man eine Spirale, auf der die Elemente in der angegebenen Reihenfolge aufgetragen sind. Bei einem Teil der Elemente fehlen die Angaben über ihre Lichtempfindlichkeit. Eigentlich müssen auch diese lichtempfindlich sein, weil sie freie Valenzelektronen enthalten. Hier sei jedoch darauf aufmerksam, gemacht, daß eine Lichtempfindlichkeitsangabe wertlos ist, wenn nicht auch die Wellenlänge der chemisch einwirkenden Strahlen angegeben wird. Eine praktische Prüfung auf Lichtempfindlichkeit ist aber nur in einem begrenzten Teile des Spektrums möglich, der von etwa 800 fifi bis etwa 200 fifi reicht. Was über 200 f i f i bis zu den Röntgenstrahlen liegt, bleibt vorläufig infolge des Fehlens entsprechender Lichtquellen für uns verschlossen. Auch das vorhandene, besonders das von älteren Forschern her-

23

Ü b e r die photochemische V a l e n z .

o eS •c Q

si

bE v X '

oä Ü5

P X •N y;

o

co

P-r X

> X 02! X

X «fr* X

ö

©

O

bD £ o _C T3 3

S X o X

tcx X

o ü

F

£ x

03

VX

£

x

^

X X

a o a> oj H

«

ß'oS'B .8 2 S o ®TO frt o o I i 'S S " ? m a 'rS N§ Co •S s i s q S-öw g 'S ö .SP 2 «S .3 S s a aj

S X «äj x «

X

S £ S1*

X X

H ö f t l.'D O w >-* " O

-fi P3 Ä

«f^

X

:3

s ra ®

V

0 X

B

k X sä 2

>

> Y

N I i i

o ~S3

^

X-

x

c8 t-

X

H x

C

c3

-

O

Ui

P3

fe

T3 a p,

I I 1





F l « Q O jz » o Ü C = 0 + RC(H2)-OH

—>

HO—j^ijc—cj|ij—OH+RCHO.

Wie zu ersehen ist, hat das System vom photochemischen Standpunkt aus keine Änderung des ungesättigten Charakters erfahren. Die beiden Systeme enthalten je 12 freie Valenzelektronen, die am Sauerstoffe haften. Es ist anzunehmen, daß diese Reaktion nur eine Zwischenstufe zu weiteren Umsetzungen bildet. Daß die Aldehyde sich unter Bildung von CO und RH zersetzen können, ist uns schon bekannt. Wie die Pinakone sich weiter photochemisch zersetzen können, wissen wir noch nicht, aber wir können vermuten daß sieh unter Abspaltung von CO gesättigtere Verbindungen bilden werden. Aus Chinon entsteht z. B. unter diesen Umständen Hydrochinon: 0 : C 6 H 4 :0 + RCH^OH —^ HO • C6H4 • OH + RCHO . Ähnlich verhalten sich auch andere cyclische Ketone und auch Aldehyde, die sich nach folgendem Reaktionsschema umsetzen: 2RCHO + 2H

—^

RCH(OH)CH(OH)R.

Die Doppel Verbindungen können Wasser addieren, indem sie in Alkohole übergehen: R j C H ^ C H R ^ R j C H O H — C H 3 R 2 . In diesem Falle bildet sich ein gesättigteres System, da die Doppelverbindung verschwindet. O x y d a t i o n e n . Auch bei den zahlreichen Photooxydationen wird das Molekül dort angegriffen, wo sich die ungesättigten Elemente befinden. 3*

36

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

So werden z. B. die Aldehyde und die Alkohole zu Sauren oxydiert. Das allgemeine Schema ist: RC(H):0 + 0 — RCOOH; RCH 2 OH + 3 0 — >- RCOOH + H ä O a . Es bildet sich meistens Wasserstoffperoxyd, falls Wasserstoff aus dem Molekül entfernt und oxydiert wird, wie ja bei jeder Oxydation von H 3 zuerst H 2 0 2 als Zwischenstufe entsteht. Die Ketone werden an der CO-Stelle gespalten und der Rest zu Aldehyd bzw. weiter zu Säure oxydiert. So oxydiert sich z. B. Cyclohexanon in wäßriger Lösung zu Capron- und Adipinsäure: CH

4S;..c c H>°+ n0

>

cH

XcH;:cS; C 0 ^ c H 2 • R-H + C0 2 ; RH + 0 — ^ RHO. Nehmen wir z. B. Zitronensäure. Sie zersetzt sich folgenderweise: COOH-CH2-C(OHXCOOH).CH2-COOH+0 -> 3C0 2 + CH3COCH3+H z 0 Das erste Stadium besteht in der Abspaltung von C0 2 , der übrig gebliebene sekundäre Alkohol wird zu Keton weiter oxydiert. Das Keton kann unter Freiwerden zu CO zu Äthan zersetzt werden. Die Aminosäuren liefern dabei noch freies NH3 nach dem Schema: NH2-C(RXH)-COOH + 0

—^

C0 2 + NHS + RCHO.

So zersetzt sich z. B. Alanin folgenderweise: NHa.C(HXCH3)-COOH + 0 = C0 2 + NH3 + CH 3 .CH0. Auch in diesen Fällen ist die Zahl der freien Valenzelektronen auf beiden Seiten dieselbe, d. h. wir erhalten noch keine photochemisch gesättigten Systeme. Der Charakter der Photooxydation kann je nach Versuchsbedingungen ein verschiedener sein. Entweder kann das primäre Stadium in der Photolyse bestehen und die zerfallenen Bestandteile reagieren mit dem Sauerstoff in statu nascendi. Oder es tritt Sauerstoff als photoaktive Komponente auf und greift das Molekül an. Oder es kann beides zugleich geschehen. Das zahlreiche Versuchsmaterial über Photosynthesen verdanken wir in erster Linie den italienischen Gelehrten C i a m i c i a n und Silber.

Über die photochemische Valenz.

37

Photochlorierungen. Die Reaktion besteht darin, daß Wasserstoff durch Chlor ersetzt wird und der freiwerdende Wasserstoff mit dem freien Chlor zu Chlorwasserstoff sich verbindet: R—H + C l - C l —>• R—C1 + H—Cl. 6°







Wie zu ersehen ist, erhält man kein gesättigteres System, sondern die Zahl der freien Valenzelektronen bleibt dieselbe, nämlich 12. Das HCl entweicht und die Reaktion schreitet immer weiter. Wie die Reaktion in geschlossenen Gefäßen und unter Einwirkung der Strahlen von verschiedenen Wellenlängen verlaufen würde, ist unbekannt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß in diesem Falle auch eine Zersetzung der Chloride stattfinden würde. Betrachten wir die Chlorierung von Benzol näher; hier sind zwei Möglichkeiten vorhanden. Entweder wird Chlor addiert und es bildet sich Benzolhexachlorid: C H

6 s + 3 Clj = C 6 H a Cl e , 6° 36° 36° "wobei die 6 freien Valenzen des Kohlenstoffs abgesättigt werden und ein gesättigteres System entsteht, oder es wird Chlor substituiert: CeH6 + Cl2 — * CeH6Cl + HCl. In diesem Falle erfolgt keine Änderung der Zahl der freien Valenzelektronen, aber das HCl entweicht und erleichtert so das Fortschreiten der Reaktion in dieser Richtung. Welche von diesen beiden Reaktionen eintritt, hängt von den Versuchsbedingungen ab. Bei der Chlorierung von reinem Benzol bildet sich vorzugsweise das Hexachlorid. Zu gleicher Zeit entsteht auch in geringen Mengen Benzylchlorid. Ähnlich verhält sich Thiophen und seine Derivate. Dagegen werden Toluol, Xylol, Acetophenon und viele andere Derivate des Benzols vorzugsweise in der Seitenkette substituiert. Die Chlorierung von H 2 0 verläuft nach dem folgenden Schema: 2C10H + 2"HCl 2 H 2 0 + 2C12 — >- 4 HCl + 0 2 . 20° 12° 8° 24° 24° 8° In beiden Fällen haben wir 32 freie Valenzelektronen. Die Reaktion kann deshalb, je nach Versuchsbedingungen, nach beiden Richtungen verlaufen. — Die Bromierung verhält sich ganz ähnlich wie die Chlorierung. G a s g l e i c h g e w i c h t e . Es wurde eine Reihe von Gasgleichgewichten, hauptsächlich von A. Coehn und seinen Mitarbeitern, untersucht, wobei sich ergab, daß diese Gleichgewichte durch

38

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

Strahlen verschiedener Wellenlängen nach der einen oder anderen Richtung verschoben werden können. T a b e l l e 8. H—H + Cl—C1 (12 fr. Val.) H, + Br, (12 fr. Val.) ^ 2 H J (12 fr. Val.) ^ 2 H , 0 + 2 Cl 2 (8 + 24 fr. Val.) ^ SO, + Cl, (10 + 12 fr. Val.) 2SO, + 0 2 (20 + 8 fr. Val.) CO + Cl, (4 + 12 fr. Val.) 2 0 s (24 fr. Val.) ^ 2NH S (4 fr. Val.) 2 CO, (16 fr. Val.) 2 H , 0 (S fr. Val.)

2H—C1 (12 fr. Val.) 2 H B r (12 fr. Val.) H 2 + J 2 (12 fr. Val.) 4 HCl + 0 , (24 + 8 fr. Val.) (nicht untersucht) S0,C1, (22 fr. Val.) 1 ) 2 S 0 3 (28 fr. Val.)') COC1, (16 fr. Val.) 3 0 , (24 fr. Val.) 8 ) N, + 3II, (4 fr. Val.) 3 ) (nicht untersucht) 2 CO + 0 , (8 + 8 fr. Val.) 2 H , + 0 , (8 fr. Val.)

Bei allen diesen Reaktionen erhalten wir auf beiden Seiten des Gleichgewichtes die gleiche Zahl der freien Valenzelektronen. Wir können auf keine Weise ein vollständig gesättigtes System erhalten. Aus diesem Grunde ist es photochemisch ganz gleich, und nur von Energieverhältnissen abhängig, nach welcher Richtung der Prozeß verläuft. Die längeren, energetisch schwächeren Wellen werden die exothermen Prozesse beschleunigen, die kürzeren, energiekräftigeren Wellen werden die Prozesse im umgekehrten Sinne, also arbeitaufspeichernd, verlaufen lassen. Diese Gleichgewichte können wir als reine Lichtgleichgewichte bezeichnen. Manche von diesen Gleichgewichten, wie z. B. HCl, HBr, H J , H 2 0 , enthalten auf beiden Seiten der Gleichgewichtsgleichung dieselbe photoaktive Komponente, die das Gleichgewicht reguliert, weil der Wasserstoff abgesättigt ist und außerdem absorbiert er Strahlen von äußerstem Ultraviolett, etwa 1 2 S ) Bei der Berechnung der freien Valenzelektronen Strukturen angenommen:

^04" y04° 1. S f und 4 ° 0 = S < J 2°X>4° 2° X ) 4° .04° 4°0< | X)4°

2. 3.

H

wurden folgende



oder

Ck

,04° >S< | . CK 2 ° x 0 4 ° 6°

und 0 = 0 . 4° 4°

N /( - H u n d N = 2°\H 2°

N. 2°

(Die Bildung von NH 3 ist noch nicht untersucht worden.)

39

Über die photochemische Valenz.

bei 130 fifi, die hier nicht in Betracht kommen. Wie soll man sich nun diese merkwürdige Tatsache erklären, daß ein und dasselbe Element, z. B. 01, bei HCl-Gleichgewicht, einmal im Lichte die Bildung von HCl, und andersmal wieder im Lichte die Zersetzung von HCl bewirkt? Wie es eben betont wurde, sind beide Teile des Gleichgewichts photochemisch gleich ungesättigt, und es kann weder die eine, noch die andere Richtung vorgezogen werden. In diesem Falle treten andere, nämlich die energetischen Faktoren in den Vordergrund. Das Chlor besitzt zwei Streifen der photochemischen Absorption: der eine liegt im blauvioletten Teile und der andere im äußersten Ultraviolett, etwa bei 220 //¿t. Da die Energiespannung bei den ultravioletten Strahlen eine große ist, so sind sie imstande, die Valenzelektronenkonfiguration derart stark zu erschüttern, daß eine Sprengung des Moleküls stattfindet, die mit einer Energieaufspeicherung begleitet ist. Die längeren Wellen besitzen nur so viel Kraft, um den arbeitsleistenden Vorgang bei der Bildung von HCl, der auch freiwillig stattfindet, zu beschleunigen. Beide Vorgänge sind irreversibel, solange monochromatisches Licht einwirkt. Wirken beide Strahlenarten zugleich, so stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein. Die Existenz der beiden Streifen der photochemischen Absorption ist auf die Kompliziertheit der räumlichen Koordinierung der 7 Valenzelektronen von Chlor zurückzuführen. Ein Teil von diesen muß leichter angreifbar sein und absorbiert die längeren Wellen, und der andere Teil ist fester gebunden und absorbiert die ultravioletten Strahlen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der zweite Streifen auch einen kleineren Temperaturkoeffizienten besitzen wird. Ähnlich müssen auch die anderen oben angegebenen Gleichgewichte sich verhalten. An diesen Beispielen tritt deutlich der Unterschied zwischen den Eigenschaften der photochemischen Valenz und der einfachen Wertigkeit zutage. Additionsreaktionen. Die Verbindungen mit Doppelbindung oder dreifacher Bindung addieren bekanntlich die Halogene, besonders Brom. Das allgemeine Schema dieser Reaktionsklasse ist das folgende: (R1)(R2)C=C(R3XR4);+ B r - B r 2°

12°



(R^R^CBr-CBr^KRJ. 12°

Wir erhalten ein Dibromid. Die freien Elektronen der Kohlenstoffatome werden abgesättigt. Demzufolge muß die Reaktion im Lichte zugunsten der Dibromidbildung verlaufen. Da diese Reaktionsklasse Dunkelgleichgewichte darstellt,, so wird im Lichte das Gleichgewicht

40

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

zugunsten der Dibromidbildung verschoben und wir erhalten die sogenannten Dunkellichtgleichgewichte. Erfolgt auch im Dunkeln eine praktisch vollständige Umwandlung in Dibromid, so wird im Lichte diese Reaktion beschleunigt. Es entsteht nun die Frage, ob ein Licht imstande ist bei anderer Wellenlänge, wie z. B. derjenigen des zweiten Streifen der photochemischen Absorption beim Brom, das etwa bei 220 (ip liegt, eine Zersetzung des Dibromids zu bewirken? Eigentlich müßte dann ein ungesättigteres System sich bilden; da aber das Gleichgewicht sehr labil ist, das Brom sich leicht abspalten lätit und die Möglichkeit vorhanden ist, gesättigtere Polymerisationsprodukte zu bilden, so ist es wahrscheinlich, daß eine derartige Bromabspaltung durch das Licht bewirkt werden kann. Die Versuche bestätigen es auch. So zersetzt sich z. B. Äthylenchlorid und -bromid im Lichte der Quarzlampe und bildet Kondensationsprodukte. Versuchen wir auf Grund dieser Theorie uns eine Vorstellung über die möglichen Umsetzungen des O-Nitrobenzylidenazetophenom zu verschaffen. Seine Formel ist die folgende: C 6 H 4 N0 2 CH : CHCOC6H6. Wie wir wissen, neigt die N0 2 -Gruppe zu Umlagerungen, die unter Umständen bis NH gehen kann, die CO-Gruppe neigt zum Austritt und zur Spaltung des Moleküls, die Doppelbindung hat die Tendenz, Kondensationen herbeizuführen. Bei Einwirkung aller Strahlenarten können alle diese Reaktionen gleichzeitig auftreten. Und das trifft auch in der Tat zu. Nach E n g l e r und D o r a n t bilden sich im Lichte: B e n z o e s ä u r e und . I n d i g o b l a u : .cox y c o x 2 C6H4NO,CH : CHC0C 6 H 5 = C6H,< >C: C< >C e H 4 Nnh/ \NH/ + 2 C6H5COOH. Wir haben hier tatsächlich Abspaltung der Benzoesäure, der eine Umlagerung vorangehen mußte und eine Kondensation. Der ganze Vorgang stellt uns eine Photosynthese des Indigos dar. Der grauweiße Saft der Purpurschnecken wird im Lichte unter Bildung des Dibromindigos rot. 3. Die Lichtkatalyse. Fügen wir in ein photochemisch indifferentes System valenzelektronenreiche und photochemisch ungesättigte Elemente, oder Verbindungen ein, so wird dadurch das System photochemisch ungesättigt gemacht und demzufolge wird es lichtempfindlich werden. Es ist

Über die photochemische Valenz.

41

klar, daß die photoaktivsten Elemente, nämlich (Jr, Fe, Cl, Er, J usw. auch die stärksten katalytischen Wirkungen ausüben müssen. Ebenso stark wirksam müssen auch die Verbindungen sein, die diese Elemente schwach abgesättigt und stark angehäuft enthalten. Die Versuchsergebnisse stimmen damit überein. Das System braucht aber nicht unbedingt indifferent zu sein, sondern es kann auch lichtempfindlich sein, dann wird es durch das Hinzufügen der Katalysatoren nur gegen Strahlen a n d e r e r Wellenlängen empfindlich gemacht. Mit anderen Worten, besteht das innere Wesen der photochemischen Katalyse darin, daß in ein System neue S t r e i f e n der p h o t o c h e m i s c h e n A b s o r p t i o n eingeführt werden. Selbstverständlich muß die Photokatalyse allen photochemischen Grundgesetzen unterworfen sein. Der Katalysator wird seinen eigenen Temperaturkoeffizienten und seinen Nutzeffekt besitzen. Ist der Vorgang arbeitspeichernd, so kann der Katalysator entweder den Nutzeffekt des ganzen Systems vergrößern, oder er gibt die Möglichkeit, andere Strahlen auszunutzen. Beides ist von grundlegender Bedeutung für die photochemische Technik und Industrie. Denn mit Hilfe der Katalysatoren können wir einerseits den Spektralbereich der chemisch wirksamen Strahlen stark erweitern und andererseits die Reaktionen, die im reinen Zustande nur in äußersten ultravioletten Strahlen stattfinden, im sichtbaren Teile des Spektrums vor sich gehen lassen. Auf diese Weise könnte unter Umständen die Benutzung der Lichtquellen für Ultraviolett vermieden und dieselben durch das Kohlenbogenlicht oder das kostenlose Sonnenlicht ersetzt werden. Bei den organischen Photosynthesen und Photolysen wird man voraussichtlich von diesen wertvollen Eigenschaften der Lichtkatalysator'en ebenfalls viel Gehrauch machen können. Wir können die photochemische Katalyse in folgende Klassen einteilen: 1. K o n t a k t k a t a l y s e , wo der Katalysator an der indifferenten Verbindung lose anhaftet, dieselbe photoaktiv macht und nach vollzogener Umsetzung wieder ausscheidet, um an anderes Molekül sich anzuklammern. Als Beispiele können die Sensibilisierung von Ozon durch Chlor, der E d er sehen Lösung durch Eisensalze, photographische Platten durch Farbstoffe, der organischen Säuren und anderer Verbindung durch Uranylsalze, Eisensalze usw. dienen. 2. Ü b e r t r a g u n g s k a t a l y s e , wo durch Zusatz eines fremden Körpers die Reaktion in eine Reihe von Teilreaktionen zerlegt wird, deren Geschwindigkeit größer als die der Grundreaktion ist. Als Beispiel kann hier die Oxydation der phosphorigen Säure dienen, bei

42

Die photoekemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

der der Jodwasserstoff als photochemischer Übertragungskatalysator dient, indem er dieselbe in zwei Teilreaktionen 1)

2HJ + 0 - H 2 0 + J 2 (lichtempfindlich),

2)

H 2 0 + J 2 + H3PO3 = H 3 P0 4 + 2 HJ

zerlegt, deren Geschwindigkeiten viel größer, als die der Grundreaktion H 3 P 0 3 + 0 = H 3 P 0 4 ist. 3. C h e m i s c h e K a t a l y s e , wo der dem Reaktionsystem zugeführte fremde Körper für die angewandten Strahlen als nicht lichtempfindlicher Körper auftritt und keine neuen Streifen der photochemischen Absorption einführt. Er beeinflußt nur die Geschwindigkeit der Lichtreaktion, indem er den chemischen Widerstand verändert. Als Beispiel kann z. B. der beschleunigende Einfluß der Feuchtigkeit auf die meisten Lichtreaktionen, Einfluß des Mediums, negative Wirkung des Sauerstoffs auf die meisten Photochlorierungen, positive Wirkung von Anethol auf das Ausbleichen der Farbstoffe bei der Farbenphotographie usw. dienen. 4. O p t i s c h e oder L i c h t f i l t e r k a t a l y s e , wobei manche Körper — sei es auch Lösungsmittel, oder aus einer Reaktion sich bildende Produkte, oder auch photochemisch inaktive Komponenten, die photochemisch aktive Strahlen thermisch absorbieren und auf diese Weise die Absorptionsverhältnisse bei der Reaktion ändern. Als Folge kann eine Verzögerung oder Beschleunigung der Reaktion eintreten. Die näheren Betrachtungen über diese Frage findet der Leser in dem zweiten Teile dieses Buches. Als ein Beispiel der Kontaktkatalyse kann auch die Assimilisation der Kohlensäure in den grünen Pflanzenblättern durch Chlorophyll angeführt werden. Die Kohlensäure zersetzt sich unter dem Einflüsse der ä u ß e r s t e n u l t r a v i o l e t t e n Strahlen in 2CO und 0 2 . Ist Wasserstoff zugegen, so erfolgen verschiedenartigste Synthesen. Diese Synthesen haben aber mit den in der Natur und in den grünen Blättern sich vollziehenden n i c h t s G e m e i n s a m e s . Denn in der Natur erfolgt die Spaltung der C0 2 unter dem Einflüsse der von Chlorophyll absorbierten s i c h t b a r e n Strahlen, und das Chlorophyll ist hier der photochemische Hauptfaktor, der den Prozeß einleitet und reguliert. Da es selbst unverändert bestehen bleibt, so spielt es eine rein photo-katalytische Rolle, und die Kohlensäure muß sich an Chlorophyll anlagern; die entstandene labile Verbindung muß im Lichte derart zersetzt werden, daß die C0 3

Über die photochemisclie Valenz.

43

eine chemische Umsetzung erleidet, das Chlorophyll aber sich regeneriert lind an ein neues C02-Molekül anlagert. Jetzt fragt es sich weiter, welcher Art diese labile Verbindung sein muß? Die Antwort darauf gibt uns der Charakter des Zerfalls, nämlich die Bildung des freien Sauerstoffs. Der freie Sauerstoff bildet sich photochemisch nur beim Zerfall der Peroxyde, wie z. B. bei H 2 0 2 -Zersetzung im Lichte usw. Demzufolge muß aus der C0 3 und dem Chlorophyll eine peroxydartige Verbindung entstehen, die den Sauerstoff abspaltet. Ob diese Verbindung direkt oder nur unter dem Einflüsse des Lichtes entstehe, können wir nicht entscheiden. Diese theoretischen Schlußfolgerungen decken sich wunderbarerweise mit den experimentellen Ergebnissen von W i l l s t ä t t e r und Stoll. Diese Forscher konnten direkt nachweisen, daß tatsächlich eine labile Verbindung zwischen C0 2 und Chlorophyll sich bildet und die folgende Struktur hat: N ' N-H Chl< >Mg + CO, + H , 0 Chl< yO " \N—Mg—0—C Chl< | ,0 \N—Mg-O—CMg + 0 . + HC< \N—Mg-O—C< | S\t/ \H \0 abspaltet. Die Sauerstoffabspaltung kann auch stufenweise vor sich gehen. Formaldehyd kondensiert sich weiter zu Zuckerarten und Stärke. Es gibt noch eine Verbindung — Perameisensäure, die aus Ameisensäure und H 2 0 2 gewonnen werden kann: HCOOH + H.O, = ILO + C ^ O \0_0H

44

Die photochemisclien Grundgesetze der Lichtreaktionen.

und die sich leicht in Kohlensäure umlagert: 0=0—H 0=0—OH I —V | 0—OH OH Und sie könnte als labiles Zwischenprodukt sich bilden, was wenig wahrscheinlich ist, denn die Säure müßte das Mg angreifen. Die bisher betrachteten Fälle der photochemischen Katalyse bestanden darin, daß ein fremder Körper, in ein System eingeführt, die photokatalytischen Wirkungen ausübt. Wir können uns aber auch solche Fälle vorstellen, wo photoaktive Elemente oder Radikale, in ein lichtempfindliches Molekül eingeführt, die Lichtempfindlichkeit desselben noch erhöhen, ohne direkt an der Reaktion teilzunehmen oder irgendwelche spezielle Veränderungen selbst zu erleiden. Verläuft die Reaktion nach verschiedenen Stufen oder Richtungen, so kann selbstverständlich ein derartiger innerer Katalysator auch einen gewissen Einfluß ausüben und eine oder andere Verlaufrichtung vorzugsweise begünstigen. Nehmen wir als Beispiel das Äthylen. Dasselbe polymerisiert sich im äußersten ultravioletten Lichte sehr träge und seine Kondensationsprodukte sind nicht einheitlich zusammengesetzt. Führt man in sein Molekül Chlor oder Brom ein, so erhalten wir die Verbindungen Vinylbromid oder -chlorid CH2 = CHBr, das dieselbe Struktur wie Äthylen hat, so erfolgt unter Ringbildung die Polymerisation sehr schnell und glatt im ultravioletten Lichte unter Bildung des sog. Brom-Kautschuks (CH2—CHBr)18, einer gesättigten Verbindung mit RingstrukturCH„—CHBr—CH,—CHBr • •. CH2 r i CHBr—CH 2 —CHBr CHBr. Vgl. III. Teil. Dies kann nur dadurch erklärt werden, daß das stark photochemisch ungesättigte Halogen, das in solcher Nähe von der Doppelbindung sich befindet, ihre Zerreißung und die bestimmte Ringbildung begünstigt. Dementsprechend ist zu erwarten, daß der Einfluß des Lichtes und des Halogens auch bei anderen Verbindungen desselben Typus S c

= CHBr

Über die photochemische Valenz.

45

ein ähnlicher sein wird. Dagegen kann die Wirkung des Lichtes auf die Verbindungen vom Typus BrR

w

x

> 0 = OH,,

wo das Halogen von der Doppelbindung weit entfernt ist, eine andere sein. Wirksam muß hier der zweite Streifen bei 220ju/i sein. Nehmen wir noch als Beispiel das Ferritrichloracetat 2 (CCl3COO):iFe = 2Fe(CCl a C00) s + 0 2 01 6 + 2 C 0 2 . Hier haben wir drei photoaktive Gruppen: C0 2 , 3C1 und Fe. Jede hat ihre eigenen Streifen der photochemischen Absorption. Bei C1 im sichtbaren und äußersten Ultraviolett, bei F e — im sichtbaren, bei C0 2 im Ultraviolett. Demzufolge muß diese Verbindung in sehr großem Spektralbereich lichtempfindlich sein. Das trifft auch in der Tat zu. Es ist anzunehmen, daß die Primärreaktion in der Abspaltung von C0 2 besteht und daß 01 und F e diesen Prozeß innerkatalytisch begünstigen. Jeder von den wirksamen Streifen wird seinen eigenen Temperaturkoeffizienten ergeben. Zusammenfassung und Schluß. Die oben angeführten Betrachtungen über die PhotoaktivitiU der Elemente und Verbindungen können wir kurz in folgenden Sätzen wiedergeben: 1. Jedes Element oder Verbindung, die freie Valenzelektronen besitzt, ist photochemisch als ungesättigt zu betrachten und besitzt eine bestimmte photochemische Valenz. 2. Die Photoaktivität der Elemente ist eine periodische Eigenschaft derselben. 3. Jede photochemisch ungesättigte Verbindung ist photoaktiv (lichtempfindlich). 4. Das Licht hat das Bestreben, ein photochemisch ungesättigtes System in ein gesättigtes überzuführen, wobei die Prozesse, sowohl arbeitspeichernd als auch arbeitleistend verlaufen können. 5. Bleibt bei photochemischer Umsetzung der Sättigungszustand unverändert, so bedingen die herrschenden Energieverhältnisse den Reaktionsverlauf; die längeren Wellen beeinflussen vorzugsweise die arbeitleistenden und die kürzeren die arbeitspeichernden Vorgänge.

4(i

Die photochemisehen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

6. Die photochemiscli ungesättigten Elemente und Verbindungen können auch als Lichtkatalysatoren auftreten. Das innere Wesen der photochemischen Katalyse besteht darin, daß in das System neue Streifen der photochemischen Absorption eingeführt werden, die allen photochemischen Grundgesetzen unterworfen sind. 7. Die eigentliche Sphäre der photochemischen Wirkung befindet sich in dem äußersten Kinge des Atommodells, wo die freien Valenzelektronen in bestimmter Weise zueinander koordiniert sind. Die eben erwähnten theoretischen Betrachtungen über die Photoaktivität und photochemische Valenz ergeben uns die Möglichkeit, das ganze vorliegende Versuchsmaterial auf einfache und übersichtliche Weise einzuordnen und in den inneren Mechanismus der Lichtreaktionen einen tieferen Einblick zu gewinnen. Über die Beziehungen, die zwischen der chemisch absorbierten Lichtenergie und den umgesetzten Stoffmengen herrschen, und über den Zeitverlauf der Lichtreaktionen, gibt uns unsere Theorie in der vorliegenden Form noch keinen Aufschluß. Um die bei diesen Vorgängen herrschenden quantitativen Gesetze zu ermitteln, müssen wir andere Wege einschlagen, über die in dem Lehrbuche weiter unten ausführlich berichtet wird.

3. Über die Grundgesetze. Das Prinzip der Stationarität. In dem vorigen Kapitel haben wir das Problem der Photoaktivität der Elemente und ihrer Verbindungen ausführlich behandelt und die Abhängigkeit derselben von dem inneren Bau der Atome und Moleküle feststellen lassen. Es haben sich dabei gewisse Gesetzmäßigkeiten ergeben, die uns einen tieferen Einblick in den inneren Mechanismus der Lichtreaktionen gewähren, aber über den gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen der einwirkenden Lichtenergie jind der umgesetzten Stoffmengen keinen Aufschluß ergeben. In diesem Kapitel wird diese Frage einer eingehenden Behandlung unterworfen. Die lichtchemischen Prozesse finden nur so lange statt, wie die Bestrahlung anhält; unterbricht man den Energiestrom, so hört auch der Lichtvorgang auf, d. h., daß die Lichtreaktionen einen dauernden Zufluß den strahlenden Energie zur Voraussetzung haben. Demnach

4(i

Die photochemisehen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

6. Die photochemiscli ungesättigten Elemente und Verbindungen können auch als Lichtkatalysatoren auftreten. Das innere Wesen der photochemischen Katalyse besteht darin, daß in das System neue Streifen der photochemischen Absorption eingeführt werden, die allen photochemischen Grundgesetzen unterworfen sind. 7. Die eigentliche Sphäre der photochemischen Wirkung befindet sich in dem äußersten Kinge des Atommodells, wo die freien Valenzelektronen in bestimmter Weise zueinander koordiniert sind. Die eben erwähnten theoretischen Betrachtungen über die Photoaktivität und photochemische Valenz ergeben uns die Möglichkeit, das ganze vorliegende Versuchsmaterial auf einfache und übersichtliche Weise einzuordnen und in den inneren Mechanismus der Lichtreaktionen einen tieferen Einblick zu gewinnen. Über die Beziehungen, die zwischen der chemisch absorbierten Lichtenergie und den umgesetzten Stoffmengen herrschen, und über den Zeitverlauf der Lichtreaktionen, gibt uns unsere Theorie in der vorliegenden Form noch keinen Aufschluß. Um die bei diesen Vorgängen herrschenden quantitativen Gesetze zu ermitteln, müssen wir andere Wege einschlagen, über die in dem Lehrbuche weiter unten ausführlich berichtet wird.

3. Über die Grundgesetze. Das Prinzip der Stationarität. In dem vorigen Kapitel haben wir das Problem der Photoaktivität der Elemente und ihrer Verbindungen ausführlich behandelt und die Abhängigkeit derselben von dem inneren Bau der Atome und Moleküle feststellen lassen. Es haben sich dabei gewisse Gesetzmäßigkeiten ergeben, die uns einen tieferen Einblick in den inneren Mechanismus der Lichtreaktionen gewähren, aber über den gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen der einwirkenden Lichtenergie jind der umgesetzten Stoffmengen keinen Aufschluß ergeben. In diesem Kapitel wird diese Frage einer eingehenden Behandlung unterworfen. Die lichtchemischen Prozesse finden nur so lange statt, wie die Bestrahlung anhält; unterbricht man den Energiestrom, so hört auch der Lichtvorgang auf, d. h., daß die Lichtreaktionen einen dauernden Zufluß den strahlenden Energie zur Voraussetzung haben. Demnach

Über die Grundgesetze.

47

gehören die lichtchemischen Prozesse zu den „stationären" Vorgängen, und die „Stationarität" muß als ihre Grundeigenschaft angesehen werden, Die Dunkelvorgänge verlaufen auf Kosten eines Energievorrates, und sie zerstreuen denselben in Form von Wärme, Licht- und Elektronenstrahlung. Im Gleichgewichtszustand erfordern sie keinen Aufwand von Energie, und in einem thermisch abgeschlossenen Räume bleibt der Gleichgewichtszustand beliebig lange unverändert. Die stationären Vorgänge verlaufen dagegen auf Kosten der von außen zuströmenden Energie; sie können auch mitunter dieselbe aufspeichern, und somit die räumlich fortschreitende Strahlungsenergie in die kompakte transportable, chemische Energie, in Form von neuen Körpern, umwandeln. Der Gleichgewichtszustand erfordert für sein Bestehen einen dauernden Zufluß der strahlenden Energie. Hört der Energiestrom auf, so kehrt der-Gleichgewichtszustand in seine frühere Lage zurück. Der Unterschied zwischen diesen beiden Klassen der Erscheinungen ist ein prinzipieller, und dementsprechend müssen auch die Gesetze, die diese beiden Klassen beherrschen, verschieden sein. Bei den Dunkelvorgängen, die auf Kosten ihrer eigenen Energie vor sich gehen, muß dieselbe der ausschlaggebende Faktor sein; die chemische Energie ist in den chemischen Massen konzentriert und deswegen muß der chemische Reaktionsverlauf einem Massenwirkungsgesetz folgen, was auch in dem Gesetze von G u l d b e r g und W a a g e , nach dem die Reaktionsgeschwindigkeit proportional der Konzentration der teilnehmenden Reaktionskomponenten ist seinen Ausdruck findet. Bei den photochemischen Vorgängen liegen die Verhältnisse anders. Hier ist die von außen einwirkende Energie der ausschlaggebende Faktor, und es ist klar, daß nur der Teil der strahlenden Energie photochemisch wirken kann, der von dem Körper aufgehalten und absorbiert wird; die Strahlen, die zurückgeworfen oder den Körper frei durchgehen, können auf denselben keine Wirkung ausüben. Es ist fraglich, ob das ganze Absorptionspektrum photochemisch wirke oder nicht? Das Absorptionspektrum ist kein einfaches, sondern ein sehr kompliziertes Gebilde, das mit dem komplizierten Bau der Moleküle und Atome aufs engste verknüpft ist. Es ist klar, daß nur die Teile des Absorptionspektrums hier in Betracht kommen können, die durch ihre photoaktiven Komponenten zur Geltung kommen. Diese Teile des ganzen Absorptionspektrums,

48

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

die die chemische Wirkung hervorrufen, sind von mir seinerzeit als „Streifen der photochemischen Absorption" bezeichnet worden. Der übrige Teil des Absorptionspektrums stellt eine reine thermische Absorption dar. Das in dem Streifen der photochemischen Absorption absorbierte Licht bewirkt somit die chemische Umsetzung. Die chemisch umgesetzten Stoffmengen müssen demzufolge in einem funktionellen Zusammenhange mit der absorbierten Lichtmenge stehen, d. h. daß v =

F(A)

ist, wo v die Reaktionsgeschwindigkeit (pro Zeit umgesetzte „Stoffmenge") und A die absorbierte „Lichtmecge" bedeuten. Die Natur ist immer bestrebt, den einfachsten Weg einzuschlagen und wir können annehmen, daß eine einfache Proportionalität zwischen der umgesetzten Stoffmenge und der absorbierten Lichtmenge bestehe. Für den Fall nur einer photochemisch aktiven Komponente mit einem Streifen der photochemischen Absorption würde unsere Funktion folgende Gestalt erhalten: F=

kA,

wo k den Proportionalfaktor bedeutet und als photochemische Reaktionsgeschwindigkeitskonstante bezeichnet wird. Diese Formel stellt eine lineare Gleichung dar, und es ist selbstverständlich, daß sie nur für monochromatisches Licht gültig sein kann. Nun fragt es sich weiter: wie ändert sich diese Beziehung mit der Wellenlänge und Temperatur? Es ist anzunehmen, daß auf der Höhe des ganzen Streifens der photochemischen Absorption der Temperaturkoeffizient und die Konstante k unverändert bleiben. Besitzt die photoaktive Komponente noch einen Streifen für die photochemische Absorption, so gilt auch für denselben das oben Gesagte, nur k und Temperaturkoeffizient werden einen anderen Wert haben. Lagern sich die beiden Streifen übereinander, so gestalten sich die Verhältnisse viel komplizierter. Besteht die Reaktion aus zwei Komponenten, von denen die eine photochemisch aktive, die andere lichtunempfindliche ist, so wird die Reaktionsgeschwindigkeit proportional der Konzentration dieser Komponente und dem von der anderen Komponente absorbierten Lichte sein, d. h. daß die Gleichung folgende Gestalt haben wird: V —

kAcn,

Über die Grundgesetze.

49

wo c die Konzentration der lichtunempfindlichen Komponente und n ihr Exponent bedeutet. Haben -wir mehrere photoaktive und lichtunempfindliche Reaktionskomponenten, so erhält die Gleichung in ihrer allgemeinen Form folgende Gestalt: V — k A.D...

Cj"'. c2 n>. es n'...,

wodurch das photochemische Grundgesetz in seiner allgemeinen Form ausgedrückt wird. Die mathematische Bearbeitung desselben und seine praktische Anwendung bilden den Inhalt des zweiten Teiles dieses Werkes. E s wurde gesagt, daß die Lichtreaktionen ihrem inneren Wesen nach von den Dunkelreaktionen verschieden sind. Das Primärstadium der Lichtreaktionen stellt einen lichtelektrischen Vorgang dar; es erfolgt sozusagen eine photochemische Dissoziation", und der innere Mechanismus der Lichtreaktionen ist demzufolge ein ganz anderer, als bei den gewöhnlichen Dunkelreaktionen. Verlaufen die beiden Vorgänge gleichzeitig nebeneinander, so müssen die Eigenschaften des Gesamtvorgangs aus den Eigenschaften ider einzelnen Vorgänge sich summieren, d. h. additionell verhalten. 'Wird z. B . eine Dunkelreaktion belichtet, so entsteht im Lichte eine neue Reaktion, mit ihrem eigenen Temperaturkoeftizienten, Reaktionsgeschwindigkeitskonstante, wobei die Gesamtgeschwindigkeit gleich der Summe der Geschwindigkeit der beiden einzelnen Vorgänge der Dunkel- und der Lichtreaktion sein wird. Nehmen wir einen anderen Fall an. E s bilden sich während der Belichtung Dunkelkatalysatoren, die einen Dunkelvorgang hervorrufen, wodurch zu der Lichtreaktion eine Dunkclreaktion hinzutritt, und die Gesamtreaktionsgeschwindigkeit ist gleich der Summe der Geschwindigkeiten der beiden Reaktionen. Diesem Prinzip der „Addition 1 ' müssen alle Lichtreaktionen, reversibele, wie auch irreversibele folgen, wodurch die Reaktionsgeschwindigkeitsgleichung eines solchen komplizierten Vorgangs folgende Gestalt erhält:

V =fcjA B... c^cj 1' •• + kd a m' b m'... c " V ' \ . . , wo a, b... die Konzentrationen der lichtempfindlichen Komponenten bedeuten. Bei tiefen Temperaturen und starken Lichtintensitäten treten die Eigenschaften der Lichtreaktion, bei hohen Temperaturen und geringer Lichtintensität die der Dunkelreaktion in den Vordergrund. Plotnikow, Lehrbuch der Pholochemle. 4

50

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

Ist kd = 0, d. h. daß die Dunkelreaktion gleich Null ist, so erhalten wir die frühere Gleichung für die reine Lichtreaktion; ist k, = 0, so haben wir mit reiner Dunkelreaktion zu tun. Die mathematische Bearbeitung dieser komplizierten Reaktionsgleichung befindet sich ebenfalls in dem zweiten Teile. . Ist einmal der innere Mechanismus der Lichtvorgänge und der Dunkelvorgänge seinem Wesen nach ein verschiedener, so muß auch die Beeinflussung derselben durch die Katalysatoren eine verschiedene sein. Da die Lichtkatalysatoren ebenfalls auf Kosten der von außen zuströmenden Energie ihre Wirkung ausüben, so müssen sie imstande sein, entweder ein neues photochemisches Gleichgewicht hervorzurufen oder ein vorhandenes zu verschieben, und somit die Aufspeicherung der Lichtenergie beeinflussen zu können. Die Dunkelkatalysatoren können bekanntlich das Dunkelgleichgewicht nicht verschieben, weil sie die entgegengesetzten Reaktionen gleich beeinflussen. Versuchen wir ein Bild der Entwicklung dieses Gedankengangs bei der Aufstellung der eben erwähnten Grundgesetze in aller Kürze zu entwerfen. In seinem Büchlein spricht C h r i s t i a n W e i ß 1 (1801) folgende Worte aus: „ . . . ein farbiger Körper strahlt das Licht zurück, mit welchem er keine chemische Verwandtschaft hat, z. B. der rote Körper also das rote Licht, gegen welches er keine Verwandtschait äußert, dagegen alles übrige einsaugt." Vermutlich hat W e i ß darunter verstanden, daß nur das absorbierte Licht chemisch wirkt. Der erste, der den Gedanken, daß nur „die absorbierten Lichtstrahlen für die Hervorbringung einer chemischen Veränderung wirksam seien", klar aussprach, war der Kurländer C h r i s t i a n J o h a n n D i e t r i c h F r h . v. G r o t t h u s 2 (1817) (geb. 1785, Leipzig, gest. 1822, Geddütz). Diesem Gedanken wurde wenig Aufmerksamkeit geschenkt und er geriet in Vergessenheit; erst in den letzten Jahren erweckten die G r o t t h u s s c h e n Erwägungen das ihnen- gebührende Interesse, wobei man die volle Bedeutung derselben erkannte. Dasselbe Gesetz wurde später von D r a p e r 3 (1841) ganz unabhängig von G r o t t h u s entdeckt und trug bis zur letzten Zeit seinen Namen. 1

Ch. W e i ß , „Betrachtungen über Farbenänderung im Lichte . . . " , Leipzig (1801). 2 G i l b e r t , Annal. 61. S 50 (1817). — O s t w a l d s Klassiker 152. S. 94; Jahresverhandlungen der Kurländischen Gesellsch.f.Lit. u. Kunst 1. S. 119 (1819). 3 Phil. Magaz. (3) 19. S. 195 (1841).

Über die Grundgesetze.

51

H e r s c h e l 1 (1842) beobachtete, daß das Ausbleichen der auf Papier aufgestrichenen Blumenfarbstoffe in dem „Teile" des Sonnenspektrums am schnellsten vor sich geht, der der Blumenfarbe „komplementär" ist, d. h. von derselben absorbiert wird. Ähnliche Erscheinungen beobachtete später Vogel und auch viele andere Forscher. Somit fällt die Entdeckung dieses ersten photochemischen Grundgesetzes in den Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Aber wie ersichtlich, ist dieses Gesetz von rein qualitativem Charakter und besagt nichts über die quantitative Beziehung zwischen der absorbierten Lichtmenge und der stattgefundenen Stoflumsetzung; ebensowenig entscheidet es über die Frage, ob das ganze absorbierte Licht chemisch wirkt oder nicht, und wenn nicht, welcher Teil davon chemisch ausgenutzt wird. Die schönen Untersuchungen der Botaniker E n g e l m a n n 2 (1869) und T i m i r i a z e f f (1869) über die Assimilation der Kohlensäure in den grünen Blättern der Pflanzen im spektral-zerlegten Lichte ergaben als Resultat, daß die Menge der zersetzten C0 2 in einem parallelen Verhältnis zu der Größe der Lichtabsorption steht und dort die größte Dimension aufweist, wo auch die Absorption am stärksten auftritt, nämlich im orangen Teile des Spektrums. Dasselbe konnte auch bei anders gefärbten Pflanzen, in denen andere Stoffe an Stelle des Chlorophylls sich vorfinden, wahrgenommen werden, und dementsprechend verschiebt sich sowohl das Maximum der Absorption, wie auch dasjenige der chemischen Wirkung. Die beiden Forscher haben aber die nötigen Konsequenzen aus ihren vortrefl liehen Arbeiten nicht gezogen, und die Entdeckung dieses zweiten Grundgesetzes über die quantitative Beziehung zwischen der absorbierten Energie und den umgesetzten Stoffmengen fiel anderen Forschern zu. M. W i l d e r m a n n 3 (1902) hat die Frage klar aufgestellt: folgen die Lichtreaktionen einem dem F a r a d a y schen Gesetze für Elektrolyse analogen Geset/.e oder nicht, d. h. sind die umgesetzten Stoffmengen der absorbierten Lichtenergie proportional, oder gehorchen sie dem Massenwirkungsgesetze von G u l d b e r g und W a a g e und ihr Geschwindigkeitsfaktor ist der Lichtintensität proportional. Auf Grund seiner quantitativen Versuche mußte er sich zu der letzten Anschauung bekennen. Das rührt daher, daß, wie wir weiter 1 2 8

Philos Tranaact. (1842). E n g e l m a n n , Botan.-Ztg. Nr. 1 u. 2. (1883); Nr. 3 u. 4. (1884). M. W i l d e r m a n n , Zeitschr. f. physik. Chem. 42. S. 331 (1903). 4*

52

Die photochemisclien Grundgesetze der Lichtreaktionen.

sehen werden, die Gleichungen für die Reaktionsgeschwindigkeiten, unter gewissen bestimmten Versuchsbedingungen nach beiden Grundlagen abgeleitet, einander weitgehend ähnlich sind, was den Anschein erwecke, daß die Lichtreaktionen dem Massenwirkungsgesetze folgen. In einer Sitzung der Berliner Akademie im Jahre 1904, bei der Besprechung der Arbeit von L u t h e r und W e i g e r t 1 über die Umwandlung des Anthrazens in Dianthrazen im Lichte, sprach v a n ' t Hoff die Meinung aus: die Reaktionsgeschwindigkeit, d. h. die pro Zeiteinheit umgesetzte „Stoffmenge" ist der vom Anthrazen absorbierten Lichtmenge gleich — was die beiden genannten Forscher als Grundlage für die Berechnung ihrer Versuche verwendet haben. Sie erhielten aber keine Übereinstimmung ihrer Versuchsergebnisse mit der Theorie. Der Grund ist darin zu suchen, daß diese Reaktion von verschiedenen Nebenerscheinungen begleitet wird, deren Einfluß zu eliminieren nicht gelungen war. Die erste direkte experimentelle Prüfung dieses Gesetzes wurde erst von L a s a r e f f 2 im Jahre 1907 ausgeführt. Er hat bewiesen, daß die Geschwindigkeit des Ausbleichens der Farbstoffe in dünnen Kollodiumschichten, in spektralzerlegtem Lichte, der absorbierten Lichtenergie, die direkt gemessen wurde — proportional, und im ganzen Streifen der Lichtabsorption — von der Wellenlänge des Lichtes unabhängig ist. Es ist als ein glücklicher Zufall zu bezeichnen, daß die Wahl der Untersuchungsobjekte gerade solche Körper traf, die keine thermische Absorption besaßen und auf diese Weise eine Bestätigung des Grundgesetzes in seiner endgültigen und einfachsten Form ergaben. Auch die Zersetzung von H 2 0 2 ergab ein ähnliches Bild (Henri und W u r m s e r ) . 3 Dieses zweite Grundgesetz ist eigentlich eine quantitative Erfassung des ersten, und man könnte die beiden in eins unter dem Namen „das G r o t t h u s - v a n ' t Höfische photochemische Gesetz" vereinigen, oder man mußte sie mit den Namen aller Forscher, die ihre Entwicklung förderten, verbinden. Daß dieses Gesetz einer Beschränkung bedarf, wurde auch schnell erkannt, denn es hat sich ergeben, daß nicht das ganze absorbierte Licht photochemisch wirkt, sondern nur ein Teil des1

L u t h e r u. W e i g e r t , Zeitschr. f. physik. Chem. 51. S. 297; 53. S. 385. (1905). — Vgl. unter W e i g e r t , Berl. Ber. 42. S. 850, 17*3 (1900); Zeitschr. f. physik. Ch. 63. S. 458 (1908). — A. B y k , Zeitschr. f. physik. Chem. 62. S. 454 (1908); Zeitschr. f. Elektro eh. 14. S. 460 (1908); Berl. Ber. 42. S. 1148 (1909). 2 L a s a r e f f , Ann. d. Phys. 24. S. 661 (1907). 9 H e n r i und W u r m s e r , Compt. rend. 157. S. 126 (1913).

Über die Grundgesetze.

53

selben, und das wurde von den meisten Forschern irrtümlich in der Form ausgesprochen, daß das Grotthussche Gesetz ungültig sei, Avie dies z. B. bei der Zersetzung von Chlorplatinwasserstoffsäuren [ B o l l ( 1 9 1 3 ) ] A z e t o n ( H e n r i und W u r m s e r 2 , Kobaltioxalates [ Y r ä n e k (1917) 3 ] u. a. erwiesen wurde. Dagegen sprach P l o t n i k o w (1912) * den Gedanken aus, daß es Streifen der sogenannten „photochemischen Absorption" geben müsse, in denen das Gesetz streng gültig sei, falls die thermische Absorption bei Messungen abgezogen werde. Sind mehrere Streifen der photochemischen Absorption zugegen, die sich teilweise überdecken, so muß der Vorgang dementsprechend komplizierter verlaufen. Ein derartiger Fall wurde auch von L a s a r e f f näher experimentell untersucht. Die mathematische Bearbeitung dieser Fälle befindet sich in dem I L Teile dieses Werkes. Im Jahre 1912 und 1913 untersuchten Y . H e n r y u. R. W u r m s e r 5 die. photochemische Zersetzung von Azeton und Azetaldehyd. Das Maximum der Lichtabsorption bei Azeton, das bei 2G5 ¡ifi liegt, fällt mit dem Maximum der Lichtwirkung vollständig zusammen; die Autoren ziehen daraus den Schluß, daß in diesem Falle das Grotthussche Gesetz gültig sei. Bei Azetaldehyd befinden sich zwei Lichtabsorptionsstreifen, der eine mit dem Maximum bei 227 /JU und der andere im äußersten Ultraviolett. Photochemisch wirken nur die Strahlen des ersten Streifens; daraus ziehen sie den SchluL>, daß in diesem Falle das Grotthussche Gesetz ungültig sei, und erklären es auf die Weise, daß fiil- die Reaktion nur die Gruppe C ^ ^ maßgebend ist. Vom Standpunkte unserer Anschauungen ist dies Verhalten auf die Weise einfach zu deuten, daß in beiden Fällen das Sauerstoffatom die photocliemisch ungesättigte Komponente ist, die für das Licht die Angriffsstelle darstellt. Die Streifen der „photochemischen Absorption" liegen in dem längeren Ultraviolett, die übrige Absorption muß eine rein thermische sein und sich an der Reaktion garnicht beteiligen; auch bei Azeton müßte eigentlich eine thennische 1 B o l l , Compt. rend. 157. S. 115 (1913). 156. S. 1881 (1913). - H e n r i und W u r m s e r , Compt. rend. 155. S. 503 (1912); 156. S. 230 (1913). 3 V r ä n e k , Zeitschr. f. Elektrochemie 23. S. 336 (1917). 4 J P l o t n i k o w , Zeitschr.f.physik. Chem. 79. S. 641 (1912). Grundzügo der Photochemie, Chem.-Ztg. 248 (1912). 5 V. H e n r i und B, W u r m s e r , Compt. rend. 155. S. 503 (1912); 156. S. 230, 1012 (1913).

54

Die photoehemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

Absorption vorhanden sein, die vermutlich noch weiter im Ultraviolett liegt. Ähnlich liegen die Verhältnisse auch bei Äthylazetat. Im Gebiete des Streifens der photochemischen Absorption müssen alle photochemischen Gesetze gültig sein. H e n r i und B i o l e c k i 1 haben die Absorptionskurve gemessen und gefunden, daß der pliotochemich aktive Streifen der C^^--Gruppe

angehört.

Sie

stellen

demzufolge den Satz auf: „daß ein jeder Körper nur für diejenige Absorption chemisch empfindlich ist, die den reagierenden Molekülgruppen entspricht." (Loi d'absorption photochemique élémentaire.; Die Fehlingsche Lösung besitzt zwei Lichtabsox-ptionsstreifen, den einen im äußersten Ultraviolett und den anderen im Rot, der den blauen Farbton der Lösung verleiht; der erste rührt von dem Oxalatkomplex und der andere vom Kupfer her. Die beiden Komponenten sind.photochemisch ungesättigt, also photoaktiv, und demzufolge muß diese Verbindung mindestens zwei Streifen der photochemischen Absorption besitzen. Von A. B y k 2 (1908) wurde der Nachweis erbracht, daß diese Verbindung tatsächslich im ultravioleten Lichte lichtempfindlich ist, und durch L e i g h t o n 3 (1913), daß sie auch im roten Lichte reduziert wird, aber nur in Gegenwart reduzierender Substanzen, wie z. B. Hydrocliinon. Dies rührt daher, daß die roten Strahlen eine geringere Frequenz besitzen und demzufolge auch eine geringere Angriffskraft. Eine verschiedene Wirkung der beiden Strahlenarten konstatierten auch B o l i n und L i n d e r 4 . Ein interessantes Beispiel stellt, die photokatalytische Wirkung des Chlors auf die Ozonersetzung, die von W e i g e r t 6 (1908) untersucht wurde, dar: Ozon wird durch das von ihm absorbierte ultraviolette Licht zersetzt; fügt man ihm Chlor hinzu, so wird es auch durch die vom Chlor absorbierten blauen und violetten Strahlen, wie es daB Grotthussche Gesetz erfordert, zersetzt. Chlor wird dabei nicht verbraucht und stellt einen reinen Lichtkatalysator dar. Die Zersetzungsgeschwindigkeit ist der von Chlor absorbierten Liclitenergie proportional. Die endgültige Fassung dieses Gesetzes ist vom Verfasser 8 schon im Jahre 1912 in der Form ausgesprochen: „daß die um1

H e n r i und B i e l e c k i , Compt. rend. 155. S. 456 (1912). A. B y k , Zeitschr. f. physik. Chemie 49. S. 681 (1904); Cl. S. 5 (1908). 3 L e i g h t o n , Journ. of phys. Chem. 7. S. 205 (1913). 4 J. B o l i n und L i n d e r , Zeitschr. f. physik. Chem. 93. S. 721 (1919). 6 F. W e i g e r t , Zeitschr. f. Elektroch. 14. S. 591 (1908). • P l o t ' n i k o w , Photochemische Studien, Monogr. (russ.), 1912 und 1915. Moskau. 2

Über die Grundgesetze.

55

gesetzten Stofimengen in dem ganzen Bereiche des Streifens der photochemischen Absorption, unabhängig von der Wellenlänge, der absorbierten Lichtmenge proportional sind; der Ausnutzungsfaktor und der Temperaturkoeffizient bleiben ebenfalls unverändert." Im Jahre 1915 wurde diese Formulierung erweitert und genauer präzisiert. Die Ableitung der Grundgesetze nach dem Prinzip der Stationarität wurde vom Verfasser im Jahre 1912 ebenfalls ausgeführt. In der letzten Zeit ist das Bestreben vorhanden, dies Gesetz in eine neue Form zu bringen, mit Zuhilfenahme der modernen Quantentheorie des Lichtes. Nach E i n s t e i n 1 und S t a r k 2 soll zur Lostrennung eines Elektrons aus dem Molekülverbande die Energie e =

hv,

wo h die Plancksche Konstante (das Lichtquant) = 6-5• 1 0 - 2 7 Erg und v die Schwingungszahl der einwirkenden Wellenlänge bedeuten, verbraucht werden; es ist ersichtlich, daß diese Energie mit der Schwingungszahl proportional stetig wächst. Nach E i n s t e i n soll die photochemische Wirkung darin bestehen, daß eine bestimmte Zahl der Moleküle N durch das Licht unter Lostrennung von Elektronen gespalten werden, was eine Energie absorption Q (in Kalorien gemessen) gleich: Q = Nh v

erfordert. Dieses Gesetz ist heutzutage als das Einsteinsche photoichemische Äquivalentgesetz bekannt. Warburg3, Nernst4, Bodenstein6, Weigert6, Winther7 haben sich mit der Anwendung dieses Gesetzes zur Erklärung des inneren Mechanismus der Lichtreaktionen und zur Berechnung der Energieverhältnisse beschäftigt. Es ist klar, daß dies Gesetz in der jetzigen Form noch unzureichend ist, um die bekannten Erscheinungen einwandfrei zu erklären und zu umfassen; es nimmt an, daß nur ein Elektron vom E i n s t e i n , Ann. d. Phys. 17. S. 132 (1905); 37. S. 332. 881 (1912). S t a r k , ebenda 38. S. 467 (1912). 3 Warburg, Berl. Akad. S. 746 (1911), S. 216 (1912), S. 644 (1913), S. 772 (1914), S. 314 (1916). 4 N e r n s t , Zeitschr. f. Elektroch. 21. S. 335 (1918). 5 B o d e n s t e i n , Zeitschr. f. physik. Chem. 86. S. 297 (1913). 6 W e i g e r t , Zeitschr. f. Elektroch. 23. S. 357 (1917); Zeitschr. f. wissensch. Phot. 9. S. 381 (1912). 7 W i n t h e r , Zeitschr. f. wissensch. Phot. 11. S. 92 (1912). 1

2

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

56

kompliziert gebauten Atome, an dem mehrere freie Valenzelektronen haften, durch das Licht losgetrennt wird. Die vom Körper photochemisch aufgenommene Energie ist laut dieses Gesetzes eine „lineare'' Funktion nur der Schwingungszahl und demzufolge ist sie für alle Lichtreaktionen, ungeachtet ihres verschiedenen Charakters und der Ungleichheit des inneren Baues ihrer photoaktiven Komponenten, dieselbe. Mit anderen Worten wird bei der Wechselwirkung zwischen der chemischen Energieform und der Lichtenergie der Chemismus des Vorganges gar nicht berücksichtigt. Es wäre richtiger, dieses Gesetz vorläufig als eine geistreiche und vielversprechende Arbeitshypothese anzusehen. Die weitere erfolgreiche Erforschung dieser Frage steht im engen Zusammenhange mit der Entwicklung der Lehre vom Bau der Atome und Moleküle aus den Elektronen. Erst wenn wir die letztere richtig erfaßt haben, wird es uns möglich sein, das innere Wesen der Photoaktivität und ihre periodischen Eigenschaften, die Gesetzmäßigkeiten der Temperaturkoeffizienten und den Reaktionsverlauf der Lichtreaktionen, sowie photochemische Katalyse vom quantentheoretischen Standpunkte aus zu erfassen. Gehen wir jetzt zu der geschichtlichen Entwicklung des Additionsprinzips über. Die Versuche ergaben immer mehr Tatsachen, daß der innere Mechanismus der Lichtreaktionen sich von den gewöhnlichen Dunkelreaktionen wesentlich unterscheidet. So zersetzt sich z. B. Jodwasserstoffgas HJ im Lichte nach der l t e n Ordnung, und im Dunkeln nach der 2?en Ordnung (Bodenstein 1 ). Es sind Fälle bekannt, wo im Lichte neue Stoffe sich bilden, die auf gewöhnliche Weise nicht erzeugt werden können, oder daß das Licht derartige Zersetzungen (Photolysen) herbeizuführen imstande ist, die auf keine andere Weise erzielt werden können. Der Einfluß der Temperatur ist auch ein anderer, als bei der Dunkelreaktion, nämlich ein sehr geringer; darauf hat zuerst G o l d b e r g 2 aufmerksam gemacht (1902), indem er die folgende Schlußfolgerung aussprach: „der Mechanismus der Licht.reaktionen unterscheidet sich wesentlich von demjenigen, der freiwillig im Dunkeln verläuft." Vier Jahre später fügte er noch hinzu: „Bei zahlreichen photochemischen Vorgängen messen wir nicht die Geschwindigkeit der photochemischen Reaktion, sondern die einer komplizierten Reaktionsfolge.'' Im Jahre 1906 begann P l o t n i k ö w 3 1 2 3

M. B o d e n s t e i n , Zeitsclir. f. phya. Chem. 22. S. 23 (1897). E. G o l d b e r g , ebenda 41. S. 1 (1903). J. P l o t n i k o w , ebenda 58. S. 219 (1907).

Über die Grundgesetze.

57

seine photochemischen Untersuchungen über die Oxydation des Jodwasserstoffs durch Sauerstoff im Lichte. Unter bestimmten Versuchsbedingungen war es ihm möglich, die beiden Reaktionen — die Dunkelreaktion und die reine Lichtreaktion — getrennt voneinander zu untersuchen, wobei ihre Mechanismen sich als verschieden erwiesen. Die beiden Reaktionen hatten verschiedene Temperaturkoeffizienten und Katalysatoren ergeben. Auf Grund dieser Tatsachen wurde von ihm der Satz aufgestellt: „daß die allgemeine Geschwindigkeit der Reaktion gleich der S u m m e der Geschwindigkeiten der beiden Vorgänge sein muß", und zwei Jahre später ist es ihm auch gelungen, an dieser Reaktion diesen Satz experimentell zu prüfen und zu bestätigen, wodurch er auch eine präzisere Formulierung erhielt. Die Wichtigkeit dieses Prinzips für praktische Untersuchungen der Lichtreaktionen ist ohne weiteres klar. Nur auf diesem Wege kann man die photochemischen Eigenschaften der reinen Lichtvorgänge experimentell bestimmen. Zu diesem Zwecke wird zuerst die Geschwindigkeit der Dunkelreaktion bestimmt und von der Geschwindigkeit des Gesamtvorgangs abgezogen, woraus sich die Geschwindigkeit der reinen Lichtreaktion ergibt. Auf diese Weise können wir die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante sowie den Temperaturkoeffizienten der reinen Lichtvorgänge berechnen. Auch der verschiedene Einfluß der Katalysatoren läßt sich auf diese Weise genauer erforschen. Mit Zuhilfenahme dieses Satzes konnten L u t h e r und F o r b e s 1 (1909) die photochemischen Eigenschaften der reinen Lichtreaktion bei der Oxydation von Chinin durch Chromsäure, P l o t n i k o w 2 (1912), der Jodoformoxydation durch Sauerstoff bestimmen. Dieses Grundgesetz wurde im Jahre 1912 von P l o t n i k o w 3 nach dem Prinzip der Stationarität in der eben angegebenen Form abgeleitet, Außer den Lichtreaktionen existieren noch die sogenannten L e u c h t r e a k t i o n e n . Das sind Dunkelvorgänge, die mit einer Lichtemission verbunden sind. E s fragt sich, welche Beziehungen zwischen der umgesetzten Stoff menge und dem emittierten Lichte bestehen? Es ist klar, daß die emittierte Lichtmenge der umgesetzten Stoffmenge proportional sein muß; da aber die Dunkelvorgänge dem L u t h e r und F o r b e a , Journ. Amer. Soc. 31. 8. 770 (1907). " P l o t n i k o w , Zeitschr. f. physik. Chem. 75. S. 337, 385 (1912). ä Plotnikow, Jahrb. v. E d e r , 1913. Photochem. Studien (russ.) Monographie (1912). 1

5S

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

Massenwirkungsgesetze folgen, so muß auch der äußere Lichteffekt von der Reaktionsgeschwindigkeit, d. h. der Konzentrationsabnahme abhängig sein, indem er desto stärker erscheint, je größer die Geschwindigkeit. d. h. in je kürzerer Zeit das gesamte Licht emittiert wird und umgekehrt. Die gesamte emittierte Lichtmenge bleibt aber immer dieselbe, falls dieselbe Stoffmenge, z. B. ein Grammol, umgesetzt wird. Da die Phosphoreszenzerscheinung derselben Klasse der Erscheinung angehört, so muß sie demselben Gesetze folgen. Am deutlichsten treten die Veränderungen des Lichteffektes bei der Temperaturveränderung auf.

4. Einfluß der Temperatur auf die photochemischen Vorgänge. Allgemeines. Da die photochemischen Vorgänge sich von den gewöhnlichen Dunkelreaktionen ihrem inneren Wesen nach unterscheiden, so müssen auch, wie es schon im vorigen Kapitel ausführlich berichtet wurde, alle ihre Eigenschaften und ihr innerer Mechanismus von denen der Dunkelvorgänge verschieden sein. Demzufolge muß auch der Temperatureinfluß auf die Lichtreaktionen ein anderer sein. Da das Primärstadium des photochemischen Vorgangs einen photoelektrischen Charakter trägt, und diese Erscheinung ihrerseits von der Temperatur in hohem Grade unabhängig ist, so war es schon von vornherein zu erwarten, daß die Temperatur auf die Lichtreaktionen keinen, eventuell sehr geringen, Einfluß ausüben werde. Vergleicht man die Wirkung der kurzen Lichtwellen (mit großer Schwingungszahl) auf ein Elektron mit der Temperatureinwirkuug auf dasselbe, so kommt man zum Schluß, daß nur sehr hohe Temperatur von vielen Zehntausenden Graden dieselbe Energie zur Lostrennung eines Elektrons mit der entsprechenden Geschwindigkeit, wie es die Lichtstrahlen von großer Schwingungszahl tun, liefern können. Danach können wir erwarten, daß der Temperatureinfluß auf die Lichtreaktionen demjenigen auf die gewöhnlichen Reaktionen bei sehr hohen Temperaturen weitgehend ähneln wird. Wenden wir uns nun zu den Versuchen, um nachzuprüfen, ob unsere Schlußfolgerungen richtig seien. Der Temperaturkoeffizient der gewöhnlichen Dunkelreaktionen hat sich als eine Funktion der Temperatur erwiesen. Bei den tiefsten Temperaturen wurde bisher nur eine Bestimmung des Temperaturkoeffizienten,

5S

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

Massenwirkungsgesetze folgen, so muß auch der äußere Lichteffekt von der Reaktionsgeschwindigkeit, d. h. der Konzentrationsabnahme abhängig sein, indem er desto stärker erscheint, je größer die Geschwindigkeit. d. h. in je kürzerer Zeit das gesamte Licht emittiert wird und umgekehrt. Die gesamte emittierte Lichtmenge bleibt aber immer dieselbe, falls dieselbe Stoffmenge, z. B. ein Grammol, umgesetzt wird. Da die Phosphoreszenzerscheinung derselben Klasse der Erscheinung angehört, so muß sie demselben Gesetze folgen. Am deutlichsten treten die Veränderungen des Lichteffektes bei der Temperaturveränderung auf.

4. Einfluß der Temperatur auf die photochemischen Vorgänge. Allgemeines. Da die photochemischen Vorgänge sich von den gewöhnlichen Dunkelreaktionen ihrem inneren Wesen nach unterscheiden, so müssen auch, wie es schon im vorigen Kapitel ausführlich berichtet wurde, alle ihre Eigenschaften und ihr innerer Mechanismus von denen der Dunkelvorgänge verschieden sein. Demzufolge muß auch der Temperatureinfluß auf die Lichtreaktionen ein anderer sein. Da das Primärstadium des photochemischen Vorgangs einen photoelektrischen Charakter trägt, und diese Erscheinung ihrerseits von der Temperatur in hohem Grade unabhängig ist, so war es schon von vornherein zu erwarten, daß die Temperatur auf die Lichtreaktionen keinen, eventuell sehr geringen, Einfluß ausüben werde. Vergleicht man die Wirkung der kurzen Lichtwellen (mit großer Schwingungszahl) auf ein Elektron mit der Temperatureinwirkuug auf dasselbe, so kommt man zum Schluß, daß nur sehr hohe Temperatur von vielen Zehntausenden Graden dieselbe Energie zur Lostrennung eines Elektrons mit der entsprechenden Geschwindigkeit, wie es die Lichtstrahlen von großer Schwingungszahl tun, liefern können. Danach können wir erwarten, daß der Temperatureinfluß auf die Lichtreaktionen demjenigen auf die gewöhnlichen Reaktionen bei sehr hohen Temperaturen weitgehend ähneln wird. Wenden wir uns nun zu den Versuchen, um nachzuprüfen, ob unsere Schlußfolgerungen richtig seien. Der Temperaturkoeffizient der gewöhnlichen Dunkelreaktionen hat sich als eine Funktion der Temperatur erwiesen. Bei den tiefsten Temperaturen wurde bisher nur eine Bestimmung des Temperaturkoeffizienten,

Einfluß der Temperatur auf die photochemischen Vorgänge.

59

nämlich von J. P l o t n i k o w (1905)1, gemacht. Er fand ihn bei einer Temperatur von — 100° für die Bromaddition des Äthylens gleich 6,2; der größte bisher bekannte Wert. Im normalen Temperaturintervall von etwa 0° bis 100°, in dem die meisten Reaktionen untersucht werden, hat sich der durchschnittliche Wert für den Temperaturkoeffizienten der Dunkelreaktionen gleich 2,5 ergeben. Bei hohen Temperaturen, etwa bei 1000° und höher, hat sich der Temperaturkoeffizient bei einer Reihe von Gasreaktionen gleich 1,3 durchschnittlich ergeben. Somit er- T°ahs 1 hält man eine deutliche Veränderung des Temperaturkoeffizienten mit der Temperatur, die durch das vorstehende Diagramm (Fig. 6) veranschaulicht wird. In der Richtung nach den höheren Temperaturen strebt die Kurve asymptotisch dem Werte Eins zu. Also muß tatsächlich bei sehr hohen Temperaturen auch die Dunkelreaktion von V,' der Temperatur unabhängig und in dieser Beziehung der LichtX reaktion ähnlich sein. W i e wir / 2 3 ¥ S 6 7 S Tf weiter unten sehen werden, ist Fig. 6. der Temperaturkoeffizient der bisher untersuchten Lichtreaktionen nahe Eins und somit stimmen unsere theoretischen Schlußfolgerungen mit den Tatsachen überein. Ehe wir aber zu den weiteren Betrachtungen über den photochemischen Temperaturkoeffizienten übergehen, ist es zweckdienlich noch einige Betrachtungen über den Einfluß der Temperatur auf die chemischen Prozesse im allgemeinen anzustellen.2 Stellen wir weiter die Frage auf, wohin strebt der andere Zweig der Kurve hin? Strebt er einem bestimmten, wenn , auch großetu Wert, oder asymptotisch der Unendlichkeit zu? Das sind sehr wichtige Fragen, auf die wir heutzutage infolge der Abwesenheit des entsprechenden Versuchsmaterials keine Antwort geben

\

J. P l o t n i k o w , Zeitschr. f. physik. Chemie 53. Heft 5 (1905). J. P l o t n i k o w , „Zur Frage der Existenzmöglichkeit der chemisch-iu licaktionen bei absolutem Nullpunkte." Prometheus. X X X , S. 273 (1919). 1

2

(50

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

können. Es müssen noch Bestimmungen des Temperaturkoeffizienten bei noch tieferen Temperaturen ausgeführt werden. Wir haben einen Körper, nämlich das Fluor, das mit einer ganzen Reihe anderer Substanzen sehr heftig reagiert; demzufolge könnten wir eine Eeihe Reaktionen, die bei verschiedenen tiefen Temperaturen meßbar verlaufen, wählen. Mitunter reagiert das Fluor mit Wasserstoff bei der Temperatur der flüssigen Luft (also bei — 182°) unter Explosion. Die Technik der Herstellung tiefer Temperaturen ist schon so weit vorgeschritten, daß wir verschiedene flüssige Gase in großen Mengen herzustellen imstande sind. Wir können flüssig auch Helium in genügenden Mengen herstellen und somit eine Temperatur von 4° abs., also ganz nahe am absoluten Nullpunkte, erreichen. Somit ist die prinzipielle Möglichkeit der Bestimmung der Temperaturkoeffizienten bei sehr tiefen Temperaturen gegeben. Die technischen Schwierigkeiten, die im Wege stehen, sind natürlich sehr groß, aber nicht unüberwindlich. Gelänge es uns, den Temperaturkoeffizienten bei der Temperatur- des flüssigen Heliums zu bestimmen, so könnten wir die Kurve mit einer bestimmten Sicherheit bis zum absoluten Nullpunkte extrapolieren und somit die eben aufgestellte Frage beantworten. Ergibt sich ein endlicher Wert, so bedeutet es, daß auch beim absoluten Nullpunkte chemische Prozesse, wenn auch ungewöhnlich langsam, stattfinden können, und es steht uns nichts im Wege, durch einen Katalysator dieselben zu beschleunigen. Wird die Kurve asymptotisch der Unendlichkeit zustreben, so können keine chemischen Prozesse vor sich gehen, und es wird ein völliger Ruhestand für die gewöhnlichen Dunkelreaktionen bei absolutem Nullpunkte eintreten. Da die Lichtreaktionen einen ungewöhnlich kleinen Temperaturkoeffizienten besitzen und dabei stationäre Vorgänge sind, hindert uns nichts anzunehmen, daß sie auch bei Abwesenheit der Wärmeenergie, d. h. beim absoluten Nullpunkte, vor sich gehen können. Ebenso müssen auch dabei die photoelektrischen und radioaktiven Erscheinungen stattfinden können. Aus dem eben gesagten können wir den Schluß ziehen, daß der absolute Nullpunkt, bei dem keine Wärmeenergie vorhanden ist, noch keine absolute Ruhe im allgemeinen bedeutet, sondern es können dabei eine Reihe vom Prozessen, wie die photochemischen, lichtelektrischen und radioaktiven vor sich gehen. Auch in bezug auf die gewöhnlichen Dunkelreaktionen bleibt diese Frage, wie wir eben gesehen haben, noch unentschieden und nur die weiteren Versuche können uns darüber Aufschluß geben.

Einfluß der Temperatur auf die photochemischen Vorgänge.

61

Kehren wir wieder zu dem photochemischen Temperaturkoeffizienten zurück. E. G o l d b e r g 1 war der erste, der im Jahre 1902 darauf aufmerksam machte, daß die photochemischen Temperaturkoeffizienten einen kleinen, nahe an Eins liegenden Wert besitzen. Die Zahl der damals bekannten Lichtreaktionen war eine sehr geringe und man konnte nichts Bestimmtes darüber sagen. Im Jahre 1910 machte J. P l o t n i k o w die Beobachtung, daß die Temperaturkoeffizienten der Lichtreaktionen, die als photochemisch-aktive Komponente das Jodatom enthalten, nämlich Jodwasserstoff- und Jodoformoxydationen einen und denselben Wert 1,40 ergeben; für die Dunkelreaktioi\en erhielt er die Werte 2,07 und 2,61. Das führte ihn zum Schluß, daß der photochemische Temperaturkoeffizient eine charakteristische photochemische Konstante, die mit dem inneren Bau der photochemisch-aktiven Komponente, sei es ein Atom oder ein Radikal, in engem Zusammenhange stehen müsse. Aus diesem Grunde sprach er die Vermutung aus, daß auch diese Reaktionen, bei denen als aktive photochemische Komponente das Brom oder Chloratom fungiert, denselben Wert für den Temperaturkoeffizienten ergeben würden. Seine Versuche über die Einwirkung von Brom auf Zimtsäure in verschiedenen Lösungsmitteln, sowie auf Benzol, bestätigten diese Vermutung; es ergab sich der Wert 1,40. Aus diesem Grunde hielt er es für möglich, auch für das Chloratom denselben Wert 1,40 voraussagen zu können; die Versuche von B e n r a t h und T u c h e l über Chlorwasserzersetzung einerseits, und von N a s a r o w über Chloraddition an Zimtsäure andererseits, bestätigten diese Voraussetzung; es ergab sich wieder der Wert 1,40. Im Jahre 1911 wurden von P l o t n i k o w die Werte der bekannten Temperaturkoeffizienten tabellarisch zusammengestellt, und dabei hat sich das merkwürdige Resultat ergeben, daß alle Werte sich in drei Gruppen, die in der Tabelle angegeben sind, einordnen lassen. Die Mehrzahl der bisher bekannten Lichtreaktionen hat einen sehr kleinen, nahe an Eins liegenden Temperaturkoeffi/rienten: 1,08 mit + 0,03; sie befinden sich in der ersten Gruppe. In die zweite Gruppe sind die eingeordnet, die den Wert 1,20 mit ± 0,03, und in die dritte, die den Wert 1,40 + 0,03 besitzen. ( + 0,03 bedeutet nicht die Genauigkeit der Messungen verschiedener Autoren, sondern Schwankungen der Werte von dem mittleren Wert für jede Gruppe). 1

G o l d b e r g , Zeitschr. f. physik. Chemie 41, S. 1. (1903).

62

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

Die Klassifikation zeigt uns, daß hier eine uns unbekannte Regelmäßigkeit vorliegt. Besonders merkwürdig verhält sich die dritte Gruppe. Für die drei Elemente Cl, Br und J der siebenten Gruppe des periodischen Systems der Elemente hat sich in flüssigem Zustande derselbe Wert 1,40 ergeben. Die innere Struktur ihrer Atome aus den Elektronen muß weitgehend ähnlich sein. Die Lichtabsorption und die mit ihr verbundene photochemische Wirkung müssen mit dem inneren Bau der Atome im engen Zusammenhange stehen. Demzufolge müssen wir erwarten, daß auch der Temperaturkoeffizient mit diesen Faktoren zusammenhängt und eine charakteristische photochemische Konstante repräsentiert. Dieser Temperaturkoeffizient ist für den sichtbaren Streifen der pliotochemischen Absorption bestimmt; bei den anderen, bei 220 ¡ifi liegenden, kann er möglicherweise auch einen anderen Wert haben. Die in der Tafel I, Kap. 2 angegebene Einordnung der Elemente gibt uns die Möglichkeit, weitere Schlüsse zu ziehen, daß auch die andere Triade der sechsten Gruppe S, Se, Te gleiche Werte ergeben wird. Ob diese Werte auch = 1,40 sein werden, läßt sich vorläufig nicht voraussagen. Auch die andere Gruppe der Elemente der sechsten Gruppe 0, Cr, Mo, W und Ur müssen gleiche Temperaturkoeffizienten ergeben; da manche von ihnen, wie z. B. Cr und Ur den Wert 1,03 besitzen, so müssen die übrigen auch denselben Wert ergeben. Was das Verhalten der anderen Elementengruppen anbetrifft, so wäre es verfrüht, jetzt schon, ohne entsprechendes Versuchsmaterial, irgendwelche Schlüsse oder Voraussetzungen zu ziehen. Die K l a s s i f i k a t i o n d e r p h o t o c h e m i s c h e n T e m p e r a t u r koeffizienten nach Joh. Plotnikow. Erste Gruppe. Reaktion

Autor

Photographische Platten

.

.

. •

»

>>

. . .

>>

.

.

.

>>

»

.

.

.

» >j . . . ij J» . . . Oxalsäure + PeCl 8 in wäßr. Lös. tt

>t

7t

„ + Uranylsalz„ Wasserbilduug (H 2 + O s ) 'j

j?

.

Lumiire Schellen • Padoa-Mervini Dalezki

Abnqy, Dewar Lemoine i D. B e r t h e l o t tt ,, ; B r u n e r - K o z a k . . 1 J. A n d r e j e f f C o c h n u. G r o t e

Temp.-Intervall

T.K.

- 190° bis + 20° - 32° „ 90° - 85° „ 15° + 4° „ 64° + 4° „ 64» bis 200° 3» bis 44» 21° „ 61° 4» „ 80°

1,03 1,00 1,05 1,06 1,04 1,08

150»

„ 240»

1,01 1,00 1,08 1,04

Einfluß der Temperatur auf die photochemischen Vorgänge. Reaktion

Autor

Temp.- Intervall

63 T.K.

Zyanin(Kollodiumhaut) + 0,(gasf.) 20° bis 80° Sehwezoff 1,07 20» »i 80° Pinachrom „ + „ . . 1,07 n Pinaverdol „ + „ . . 20° » 80° 1,07 ii 1,04 Pynazyanol „ + ,, . . 20° ii 80° it Lepidinzyanin „ + „ . . Wawiloff 1,04 20° ii 80° Chininsulfat 4- Cr0 3 (wäßr. Lös.) Goldberg 1,04 20° ii 70° ( N H J j C r A + Alkohol . . . . Plotnikow 1,00 20° II 30° (NH 4 ) 2 Cr0 4 + Alkohol . . . . 1,02 20° a 30° ii Anthrazenpolymerisation . . . "Weigert 1,04 HgCl s + FeClj in Wasser . . . Ch. W i n t h e r 1,04 20° a 60° Spencer NaOCl Zerfall 1,06 Lävulose-Dimerisation . . . . D. B e r t h e l o t 1,04 40° a 70» Phototropie von O-Tolyl-piperylosazon P a d o a - T a b e l l i n i - 90° ii - 10° 1,06 Phototropie von Benzaldehydphenylhydrosazon - 10° a + 10° 1,00 ii ii Phototropie von p-diamido-Stilbeno-disulfonsäure . . . . . . „ Z a z z a r o n i - 10° a 20° 1,07 Chlorknallgasbildung (H s + C1J . D e n i s o n , R o s c o e 1,00 Kaliumkobaltioxalat E a Co(C 1 0 4 ) 3 . Vranèk 1,06 Fchlingsche Lösung Bolin-Linder 1,00 25° » 15° L i t e r a t u r zu d e r e r s t e n G r u p p e . L u m i è r e , Comp. rend. 128, S. 359 (1899). S c h e l l e n , s. P r e c h t , Areh. f. wiss. Phot. I, S. 58 (1899). P a d o a - M e r v i n i , E. Akad. Lincei I I (1916); Gaz. chim. ital. 47, I. S. 288 (1917). v. D a l e z k i , Zeitschr. f. wiss. Photogr. 18, S. 233 (1919). L e m o i n e , Ann. chim. phys. C, S. 448 (1855). B r u n e r u. K o z a k . Zeitschr. f. Elektroch. 17, S. 355 (1911). D. B e r t h e l o t , Coropt. rend. 160, S. 440 (1915). J . A n d r e j e f f , Ber. d. Petersb. Polyteelin. XV. (1911). A. C o e h n u. G r o t e , Nernst-Festschrift, S. 136 (1912). S c h w e z o f f , Journ. russ. phys. ehem. Ges. 6 (1910); Zeitschr. f. wiss. Photogr. 9, S 65 (1910). W a w i l o f f , Arch. d. Sc. Phys. Moscou I, S. 22 (191R). E. G o l d b e r g , Zeitschr. f. wiss. Photogr. 4. Heft 3 (1906). J . P l o t n i k o w , ebenda 19, S.40 (1919;; Petersb. Akad. Ber. (1918). " W e i g e r t , Ber. 42, S. 854 (1909). W i n t h e r , Zeitschr. f. wiss. Photogr. 11, S. 62 (1912). S p e n c e r , Journ. ehem. soc. 105, S. 2565 (1914). D. B e r t h e l o t , Compt. rend. 160, S. 440 (1915). P a d o a - T a b c l l i n i , R. Akad. Lincei 21,11, S. 188; Gaz. chim. ital. 45 S. 10 (1915). P a d o a u. Z a z z a r o n i , E. Akad. Lincei 24, S. 828 (1915). D e n i s o n - E o s c o e , s . B e w a n , Proc. Cambr. Phil. Sue. [5] 12, S. 398(1904). V r a n è k , Zeitschr. f. Elektruch. 23, S. 336 (1917). B o l i n - L i n d e r , Zeitschr. f. physik. Chem. 93, S. 721 (1919).

64

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen. Zweite Reaktion

Gruppe. Autor

Ozonzers. in Gegenw. in Cl 2 als Katalysator W e gert Anthrazenpolymerisation . . . Luther Weigert Oxalsäure + HgCl, in wäßr. Lös Eder-Valenta Chlorknallgasbildung (H s 4- Cl 2 ) . B e v a n , B u n s e n Coehn B e c k e r S 0 2 4- O (in gasf. Z u s t ) . . . . Photogalvanische CuO-Zelle Goldma nnB ro d sk y Bolin- Linder Fehlingsche Lösung

Temp -Intervall

T.K.

15° bis 25° 154° 167° 0° 80° 11° n 16° 50° n 160°

1,17 1,21 1,19 1,21 1,20 1,20

27°

17 0

1,20

L i t e r a t u r zu d e r z w e i t e n G r u p p e . W e i g e r t , Zeitschr. f. Elektischem. 14, S. 591 (1908). L u t h e r - W e i g e r t , Zeitschr. f. phys. Chem. 51, S. 319 (1905). E d e r - V a l e n t a , Keitr. zur Photochemie I I , S. 11 (1904). B e v a n - B u n s e n , Proc. Cambr. Phil. Soc. 12, S. 398 ^1904). C o e h n - B e c k e r , Zeitschr. f. physik. Chem. 70, S. 88 (1909). G o l d m a n n - B r o d s k y , Ann. d. Phys. 44, S. 849 (1914). B o l i n - L i n d e r , Zeitschr. f. physik. Chem. 93, S. 721 (1919). Dritte Reaktion

Gruppe. Autor

Plotnikow 2 H J + O (in wäßr. Lösung) . . CHJ 8 + O (in alkoh. Lösung) . . 11 CHJ 3 + O (in Benzollösung) . . 11 Br 2 + Zimtsäure in Benzollösung 11 Zimtsäure in CCl 4 -Lösung . . . 11 B r 2 + Benzol J> Benrath-Tuchel Cl 2 + Wasser Slator Cl 2 4- Benzol Nasaro w CI 2 + Zimtsäure in CCl 4 -Lösung . Lemoine Styrol - > Metastyrol (fest.) . . . Mathews - Curtis H 4 0 2 -Zersetzung Phototropie von SalizylidenPadoa -Minganti ji-Naphtylamin

Temp.-Intervall

T.K.

5° bis 50° 3 0 n 51° 3° ii 51° 6° 19° 1,5° a 19° 6° a 19° 5° a 30° fi° 20° a 10° a 40° 3° •i 35°

1,3 9 1,42 1,42 1,37 1,41 1,40 1,40 1,50 1,40 1,37

,,

i 1,50 0°

ii

-

10° 1,40

L i t e r a t u r zu d e r d r i t t e n G r u p p e . P l o t n i k o w , Zeitschr. f. physik. Chem. 58 (1907); 64 (1908); 75 (1910^; 8, S. 579 (1912); Photochem. Studien (russ. Monogr.) Moskau (1912). B e n r a t h - T u c h e l , Zeitschr. f. wiss. Photogr. 13, S. 383 (1913—14). S l a t o r , Zeitschr. f. physik. Chem. 45, S. 513 (1903). N a z a r o f f , Zeitschr. f. wiss. Photogr. 18, S. 231 (1910). L e m o i n e , Compt. rend. 129, S. 717 (1899). M a t h e w s - C u r t i s , Journ. phys. chim. 18, S. 166, 521 (1914). P a d o a - M i n g a n t i , R. Akad. Lincei, II. S. 97 (1915); Gaz. chim. ital. 45, 15 (1915).

Einfluß der Temperatur auf die photochemischen Vorgänge.

65

Dunkelvorgänge. Reaktion Zyanin-Oxydation durch 0 2 . . Pinachrom- „ '„ 02 . . Pinaverdol- „ „ 0, . . Pinazyanol . . . (X, . . Lepidinzyaniu „ 02 . . Chinaldinzyanin „ 02 . . Phototropie von o-Tolyl-piperylosazon. Phototropie von Benzaldehydphenylhydrosazon Phototropie v. Salizyliden-pi-naphtylamin 2 H J + 0 (in wäßr. Lös.) . . . CHJ 3 + O (in Benzollösung) . Kobaltioxalat (K^CotCoOj., . . .

i

Autor Wawiloff „ „ „ „ „

. Temp.-Intervall

T.K.

76° bis 112°

3,30

79u



111°

3,30

85? 86°

„ ,,

113° 116°

3,00 3,30

P a d o a - T n b e l l i n i . —90° •, , P a d o a - f t t i n g a n t i j —10° j „ „ ! j 0° ' Plotnikow j 5° „ 6° Vranek



- 10° : 2,00

,,

+ 10° i 1,70 : - 10° 2,00 50° 2,07 51° ; 2,61 4,56

„ „ „

L i t e r a t u r dazu. 1 W a w i l o f f , Arch. d. Sc. Phys. Moskou I, S. 22 (1918). P a d o a - T a b e l l i n i , R. Akk. Lincei 21, II, 188 (1915). P a d o a - M i n g a n t i , ebenda II, S. 197 (1915). ' P l o t n i k o w , Zeitschr. f. phys. Chemie64, Heft 2 (1908); 75, Heft 3, 4 (1910). V r a n ^ k , Zeitschr. f. Elektrocliem. 23, S. 336 (1917). Ebenso können wir nichts Bestimmtes über den W e r t des Temperaturkoeffizienten von F l u o r sagen. E s ist nicht ausgeschlossen, daß er denselben W e r t 1 , 4 0 haben wird. Mit Sicherheit können wir vorläufig nur behaupten, daß dieses Element auch sehr lichtempfindlich ist. E s wäre von großem Interesse, diese W e r t e der Temperaturkoeffizienten auf theoretischem W e g e abzuleiten. E s sei aber zugleich bemerkt, daß diese Regelmäßigkeiten vorläufig nur für den flüssigen Zustand und für den sichtbaren Streifen der photochemischen 1 In der Literatur findet man sehr oft Angaben, daß die Reaktionsgeschwindigkeit bei verschiedenen Temperaturen sich praktisch wenig verändert, wie z. B. bei organischen Photolysen in Gegenwart oder Abwesenheit von Katalysatoren, und bei manchen anderen Reaktionen. Es ist deshalb anzunehmen, daß der Temperaturkoeffizient dieser Vorgänge nahe Eins ist. Du aber direkte Messungen und Berechnungen von den Autoren nicht gemacht worden sind, so konnten diese Reaktionen in die obige Klassifikation nicht aufgenommen werden. Diese Untersuchungen zeigen aber, daß die erste Gruppe die größte Zahl der Reaktionen umfaßt und daß der Temperaturkoeffizient 1,03 am häufigsten auftritt.

Plotnikow,

L e h r b u c h der Photochemi«-.

0

66

T>ie photochemisclien Grundgesetze der Liehtreaktioneu.

Absorption gelten. Im gasförmigen Zustande ist der Reaktionsmechanismus, wie es aus vielen weiter unten angeführten Beispielen zu ersehen ist, ein viel komplizierterer. Vertritt man den Standpunkt, daß hei den Gasreaktionen Ionisationskerne, die zugleich auch Reaktionszentren sind, sich, bilden, so wird der eigentliche Reaktionsmechanismus durch den Diffusionsvorgang stark verdeckt; der Temperaturkoeffizient muß dann den Temperatureinfluß auf die Diffusion charakterisieren und, wie bekannt, gleich 1,20 sein; und es ist wohl keinem Zufall zuzuschreiben, daß gerade in der zweiten Gruppe, die bei den Temperaturkoeffizienten denselben Wert 1,20 ergibt, sich viele Gasreaktionen befinden. Über den inneren Mechanismus der im festen Zustandei stattfindenden Lichtreaktionen wissen wir überhaupt nichts. E s erweckt den Eindruck, als ob nur zwei Werte der photochemischen Temperaturkoeffizienten anzunehmen seien — 1,03 und 1,40, und daß der mittlere 1,20 als ein Diffusionstemperaturkoeffizient anzusehen sei; dieser Wert muß nur dann erscheinen, wenn der Reaktionsverlauf heterogenen Charakter besitzt. "Was die in flüssigem Zustande verlaufenden Reaktionen: Anthrazenpolymerisation und die Zersetzung der E d e r sehen Lösung anbetrifft, so sei darüber folgendes bemerkt. F ü r Anthrazenpolymerisation wurde von W e i g e r t im Gegensatz zu den früheren Versuchen von L u t k e r - W e i g e r t der Wert 1,04 erhalten. Dem Verfasser scheint dieser Wert einleuchtender und demzufolge wäre diese Reaktion in die erste Gruppe einzureihen. Bei der Ederschen Lösung fällt bekanntlich ein Niederschlag aus, und die Reaktion wird noch katalytisch durch Eisenverunreinigung und Sauerstoff beeinflußt. E s ist nicht ausgeschlossen, daß dieser Umstand nicht ohne Einfluß ist. Es wäre sehr erwünscht, eine Neubestimmung bei verschiedenen Wellenlängen uild bei reiner Lösung vorzunehmen. Die F e h l i n g s c h e Lösung ergibt für längere Wellenlängen den Wert 1,00, dagegen für kürzere den Wert 1,20. Im letzteren Falle wird sie noch von einer Dunkelreaktion begleitet, deren Geschwindigkeit bei der Berechnung des T.K. nicht abgezogen wurde. Demzufolge muß der wahre Wert viel kleiner sein und auch zu der ersten Gruppe hingehören. In der dritten Gruppe sind die Werte für Benzolchlorierung und H 2 0 3 -Zersetzung etwas zu hoch ausgefallen. Im ersten Falle ist der Dunkelvorgang nicht abgezogen worden und demzufolge muß der Wert geringer sein und dem Werte 1,40 sich nähern. Was die zweite Reaktion anbetrifft, so ist der Wert nach Angabe des Autors nahe an 1,50, d. h. daß er in

Einfluß der Temperatur auf die photochemischen Vorgänge.

67

der Tat kleiner anzunehmen sei. Die Photopolymerisierung des Styrols ist ein sehr komplizierter Vorgang. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der T.K. ein viel kleinerer sein wird. Eine weitere sehr wichtige Frage, die zu entscheiden wäre, ist diejenige über den Einfluß der Wellenlänge auf den Temperaturkoeffizienten. Laut theoretischer Auseinandersetzungen muß im ganzen Gebiete des einfachen Streifens der photochemischen Absorption der Temperaturkoeffizient von der Wellenlänge unabhängig sein. Befinden sich in einem Körper zwei oder mehrere lichtempfindliche Komponenten mit zwei oder mehreren voneinander getrennt liegenden Streifen der „photochemischen Absorption", so müsssen für die entsprechenden Wellenlängen auch verschiedene Temperaturkoeffizienten sich ergeben. So ist z. B. der T. K. für die Elemente der siebenten Gruppe in dem sichtbaren Teile gleich 1,40. Für den zweiten Streifen, der bei 220 fifi liegt, kann der T.K. einen anderen, vermutlich einen kleineren, Wert besitzen. Lagern sich dagegen die Streifen teilweise übereinander, oder bilden sich während des Prozesses photochemische Katalysatoren mit eigenen Streifen, so wird der Vorgang schon viel komplizierter und es kann eine allmähliche Veränderung der Größe der Temperaturkoeffizienten mit der Wellenlänge eintreten. Auch auf andere Faktoren, und insbesondere auf den Einfluß der Feuchtigkeit, muß bei diesen Untersuchungen Rücksicht genommen werden. Bei den meisten Reaktionen übt die Feuchtigkeit einen bedeutenden Einfluß aus. Bei großen Temperaturintervallen, und insbesondere bei tiefen Temperaturen, kann der Feuchtigkeitsgehalt sehr schwanken und demzufolge wird die Reaktionsgeschwindigkeit verschieden stark beeinflußt und der Temperaturkoeffizient erhält eine größere Wertzahl. Es sind sehr wenig Versuche über den Einfluß der Wellenlänge auf den Temperaturkoeffizienten bisher gemacht worden. Padoa und M e r v i n i haben entsprechende Versuche am lichtempfindlichen Silbercitrat-Papier angestellt und gefunden, daß für blaue Strahlen der Temperaturkoeffizient gleich 1,19 und für ultraviolette Strahlen gleich 1,07 ist. Dagegen haben sie ihn für gewöhnliche photographische Platten für alle Strahlen, ebenso wie D a l e z k i , gleich 1,05 gefunden. Für Chlorknallgas fanden P a d o a und B u t i r o n i den Wert des Temperaturkoeffizienten im grünen Licht gleich 1,50 (es muß dabei bemerkt werden, daß Chlor das grüne Licht „nicht" absorbiert), und im ultravioletten und violetten gleich 1,17 und 1,21. Für weißes Licht haben sie von 1.15 bis 1,45 schwankende Werte erhalten.

68

Die photocliemisclien Grundgesetze der Lichtreaktionen.

Bei der Oxydation von Pyrogallol, Na2S und anderen erhielt M. T r a u t z 1 sehr große Werte für den Temperaturkoeffizienten, die durchschnittlich etwa hei 2,5 liegen; dies erklärt sich dadurch, daß die Geschwindigkeit der Lichtreaktion nur einen geringen Teil der Dunkelreaktion ausmacht, und somit müssen die von ihm erhaltenen Werte der Dunkelreaktion zugeschrieben werden. Was die Untersuchung von L. B r u n e r , C z a r n e z k y und D l u s k a 2 anbetrifft, so haben sie für die Bromierung des Toluols im Lichte den Wert 1,8 für den Temperaturkoeffizienten erhalten. Für die Dunkelreaktion haben sie die stark schwankenden Werte von 3,9 bis 5,6, was einen Fehler von etwa 44°/ 0 ausmacht, erhalten. Bei der Berechnung des Temperaturkoeffizienten ist die Dunkelreaktion nicht eliminiert, zugleich sind die Schwankungen der Dunkelkoeffizienten derart groß, daß die Berechnung des Temperaturkoeffizienten aussichtslos erscheint. Eins ist nur klar, daß der Temperaturkoeffizient einen viel kleineren Wert, als 1,8 besitzen muß. Aus dem eben Gesagten geht hervor, daß alle bisher bekannten Temperaturkoeftizienten der Lichtreaktionen in eine von den drei Gruppen' sich einreihen lassen, und die wenigen Ausnahmen entweder auf die Versuchsmängel bei der Bestimmung, oder auf den komplizierten Reaktionsverlauf zurückgeführt werden können. Ein weiteres, eingehendes und systematisches Studium in dieser Richtung wäre sehr erwünscht und dürfte für diese merkwürdige Regelmäßigkeit nähere Aufklärung ergeben. Zum Schluß sei noch die Frage über die Formel, nach der die photochemischen Temperaturkoeffizienten zu berechnen seien, berührt. Wir besitzen heutzutage keine Theorie, mit deren Hilfe sich diese Formel ableiten ließe, auch sind keine Versuche unternommen, zur Aufstellung einer empirischen Formel der Abhängigkeit des Temperaturkoeffizienten von der Temperatur. Dem Verfasser scheint es vorläufig am zweckmäßigsten, die einfachste Formel der Dunkelreaktionen — die logarithmische 3 — zu verwenden:

% ~ T,

(log K t - log A-,)-10

Daraus läßt sich der gewöhnliche Temperaturkoeffizient pro 10° sehr leicht berechnen, indem man nach der Dekad. Log.-Tafel den 1

T r a u t z , Phys. Zeitschr. 7, S. 899 (1906); Eders Jahrb. 37 (1909). B r u n e r und D l u s k a , Bull. Acad. Czacoire, S. 707 (1907); B r u n e r und C z a r n e z k y , ebenda, S. 538 (1910). . 3 S. darüber J. P l o t n i k o w , Zeitschr. f. pliysik. Chemie 61, Heft 5 (1905). 5

Einfloß der Temperatur auf die photochemischen Vorgänge.

69

entsprechenden Wert auffindet. Weiter unten folgen manche Beispiele der Temperaturkoeffizientenbestimmung, deren nähere Beschreibung ein gewisses Interesse bieten kann. Phototrope Körper. P a d o a und T a b e l l i n i ' 1 haben den Temperaturkoeffizienten bei der phototropen Umwandlung von o-Tolyl-piperilosazon und Benzaldehydphenylhydroosazon bestimmt. Der erste Körper verändert seine Farbe von Gelb ins Rot und ergibt im Temperaturintervalle von - 10° bis - 90° den Temperaturkoeffizienten T.K. = 1,06, dagegen im Dunkeln im Temperaturintervalle von + 10° bis — 10° den Wert T.K. = 2,00. Der zweite Körper verändert seine rote Farbe in die weiße und ergibt im Temperaturintervalle + 1 0 ° bis — 10° den T.K. = 1,00, und im Dunkeln im Temperaturintervalle + 110 0 bis 80° den Wert 1,70. Die Messungen wurden durch Farbenvergleich mit speziell präparierten Färbetalonen ausgeführt. P a d o a und T e r e s a M i n g a n t i 2 haben den T.K. bei Salizyliden/?-naphtylamin bestimmt. Dieser Körper verändert seine Farbe von Gelb nach Eot und ergab den T.K. = 1,40 im Temperaturintervalle von 0° bis - 10° und im Dunkeln T.K. = 2,00. Im Lichte verlaufen die angeführten Reaktionen nach der ersten und im Dunkeln nach der zweiten Ordnung. Sie stellen ein photochemisches Gleichgewicht von der Form: Licht

As ^ = > 2 A * ^

Dunkel

dar. P a d o a und F o r e s t i 3 haben auf Grund der vorhandenen Werte für die Temperaturkoeffizienten die Gleichgewichtsverschiebung bei den phototropen Umwandlungen im Lichte mit Hilfe der Temperaturveränderungen berechnet und nachdem experimentell nachgeprüft. Es ergab sich eine befriedigende Übereinstimmung zwischen den berechneten und den gefundenen Werten. P a d o a und Z a z z a r o n i 4 haben den T.K. bei pp-Diamido-stilben-o-disulfonsäure bestimmt und ihn = 1,07 gefunden. Im Dunkeln ist er = 1,65. Die Reaktion ofäs> 1 1 3 4

Padoa Padoa P ä d 08. Padoa

und und und und

G

«

H

3

C H

-

C H

c

«

H

3ie pnotocuemischeii Grundgesetze der Liichtreaktionen.

der angewandten Photochemie, das nur auf einer Lichtreaktion, nämlich der Silbersalzzersetzung beruht, und dies wirkte auf die weitere rein wissenschaftliche Entwicklung der Photochemie in hohem Grade hemmend ein. Diese zweite Periode, die etwa 60 Jahre umfaßt, kann als technisch-photographische bezeichnet werden; sie währte bis Anfang des XX. Jahrhunderts. Der Anfang des XX. Jahrhunderts wird durch ein starkes Anwachsen des Interesses für die reine Photochemie gekennzeichnet, und die Entwicklung dieser neuen Periode nimmt einen fast stürmischen Verlauf an. In den letzten 20 Jahren hat die Photochemie in allen ihren Zweigen große Fortschritte gemacht und eine feste Grundlage erhalten, auf der ihre weitere erfolgreiche Entwicklung gesichert erscheint. Gehen wir jetzt zu der kurzen Beschreibung dieser drei Hauptperioden der historischen Entwicklung der Photochemie über. Als Anhang zu jedem Kapitel sind die historischen Notizen über die wichtigsten Entdeckungen und Erfindungen beigefügt, die uns einen tieferen Einblick in die Entwicklung der Photochemie gewähren. Sie erste Periode. Jedes Volk, sogar in der allerersten Zeit seiner Entwicklung-, kommt fast instinktiv zur Erkenntnis von der großen Bedeutung der Sonne, dieser segenspendenden Gottheit, die Leben auf der Erde schafft, unterhält und fortpflanzt. Nur die Äußerungsform, in der sich seine Gefühle widerspiegeln, hängt von der Höhe seiner kulturellen Entwicklung ab. Anfangs trägt sie einen mystisch-religiösen, dann philosophischen, und endlich einen exakt-wissenschaftlichen Charakter. Die alten Literaturquellen, die dieses Thema berühren, sind leider ziemlich lückenhaft, und wir besitzen keine absolut einwandfreie Erkenntnis über den Stand dieser Frage bei den meisten Völkern des grauen Altertums, obgleich manche Überlieferungen, die einer geschichtlichen Wahrheit nicht entbehren, deutlich bezeugen, daß viele von ihnen in der Sonne ein höheres, göttliches Wesen verehrten und somit den Gedanken der Abhängigkeit ihreDaseins von der Wirkung der Sonne genügend zum Ausdruck brachten. Die ältesten Quellen, die bereits davon Erwähnung tun, stammen von den griechischen Geschichtsschreibern her. So schreibt H e r o d o t , daß die Babylonier zur Zeit der ersten Dynastie unter dem Herrscher Naram-Sin den berühmten Sonnentempel zu Sippar, um das Jahr 3850 v. Chr., gründeten. Von ihrem Religionskultus berichtet er

Kurze Zusiimmenfa**ung der geschichtlichen Entwicklung der Pliotochemie.

85

auch, daß er einen Naturdienst in personifizierter Form vorstelle, der aber zugleich der Sonne eine spezielle göttliche Verehrung zuteil werden lasse. Mit diesen Angaben stimmen vielfach die keilschriftlichen Ausgrabungen aus den Ruinenfeldern von Ninive und Babylon überein. Auch den Assyriern und Chaldäern war der Sonnenkultus nicht fremd, und die Bezwinger ihrer Macht, die alten Perser, verehrten als ihren höchsten Gott — den Gott des Lichtes und des Lebens (Auramasda), die Sonne aber betrachteten sie als besondere Gottheit (Mithra), und diese altiranische Lichtreligion des Zoroaster behielt ihre Kraft über 1000 Jahre, behauptete sich bei den drei großen Dynastien der Achmeniden, der Seleniden und Sameniden, bis zum Eintritt des Islams, der dieser Religionsanschauung ein Ende machte. Z o r o a s t e r , der gemäß griechischen Quellenangaben in der Zeit um 600 Jahre v. Chr. gelebt haben soll, während der Regierung des Perserkönigs H y s t a s p e s , Vater des Dareios I., galt bei seinen Zeitgenossen als Prophet und Verkünder einer neuen religiösen Wahrheit, die in den Naturgewalten — hauptsächlich der Sonne — einen von den Hauptfaktoren jeder vitalen Betätigung vermuteten. Diese Verehrung der Sonne offenbarte sich bei den alten Iranier in Form von Lobsprüchen, Hymnen, die zu gewissen Tageszeiten gebetartig von ihnen wiedergegeben wurden. Es ist anzunehmen, daß N i e t s c h e in seinem „Also sprach Zarathustra" die Motivquelle des Liedes zur Sonne diesen alten Überlieferungen entnahm. Auch die Weda, die älteste Sammlung der Sanskrith-Literatur in dem Teile „Samhita der Rigweda" (Sammlung von Liederp der Rigweda, etwa 500 v. Chr.) weist darauf hin, daß die alten Indier schon in ihrem ursprünglichen Stammorte am Indus die Sonne als die Ursprungskraft jedes Daseins verehrten. Dies kommt auch tief und erhaben in den folgenden Strophen des Rig\vT>da-Liedes „Der Anfang aller Dinge" zum Vorschein 1 : Im Dunkel war und Finsternis versunken Der Anbeginn. Ea wallte durcheinander Das All im weiten Raum der toten Ode. Da schuf die Macht des Lichtes das erste Loben. Durch seine Kraft erwuchs der erste Trieb, Zugleich erwacht des Geistes erster Same. Den Sinn des Daseins dann begreifend fanden Die Weisen einen Steg zum Sein von Nichtsein. Vgl. mich die Hymne des Ammon-Ra in der Photochemie des Verfassers. Halle (1910).

86

Die pliotochemischen Grundgesetze der Liehtreaktionen.

Daß die Griechen dem Lichte der Sonne eine göttliche Verehrung zollten, ersieht man an ihren Sagen von Helios, der den Menschen "das Licht des Tages bringt. Auch den Römern, trotz ihrer ziemlich materialistischen Religionsanschauungen, war der Sonnenkultus nicht fremd. Auch bei den alten Skythen, Sarmaten, Slaven war die lichtspendende Kraft der Sonne aberkannt und verehrt. Die neuzeitlichen Ausgrabungen in den Neandertalhöhlen entbehren nicht einiger Beweise, daß die Urbewohner dieser Stätte in dem Sonnenlichte die übernatürliche Kraft, die Leben, Segen und Gedeihen spendet, betrachteten. Darauf deuten mannigfaltige, in Form von Amuletten eingeritzte Steingebilde, die die Gestalt des Sonnendiskus versinnbildlichen sollen. Und so sehen wir überall dort, wo die monotheistische Weltanschauung nicht Platz gegriffen hat, den Kultus der Sonne als dankbare Erkenntnis der durch das Licht gespendeten Wohltaten hervortreten, um zu Wahrnehmungen und Anregungen, zuerst rein geistiger Art, die damalige Menschheit anzuspornen. Manch schöpferischer Gedanke ist diesem Kultus, wie wir sehen, entsprungen, der oft dazu angetan war, ein verwandtschaftliches Band in den Lebensanschauungen der Völker der alten Welt zu bilden. Weder der Judaismus, noch das aus ihm sich ableitende Christentum, wiesen in den Zeiten ihrer Bildungsperiode und des Aufblühens, kraft der in ihnen innewohnenden Intoleranzfaktoren, diese Fülle von Lebensfreudigkeit und Lebenslust, die den Alten so eigen war, und ihnen geholfen hat, das Joch des nur durch Außenfunktionen bedingten Daseins frohen Mutes zu tragen. Auch die alten Indianerreiche der Inkas und Azteken, die sich in Zentral- und Südamerika tingefähr um die Mitte unserer Zeitrechnung zu mächtigen politischen Gebilden emporschwangen, verehrten die Sonne als höhere Gottheit. Der Monco G a p a c , der Begründer des Inkareiches, nannte sich bereits Sohn der Sonne, und K o r t e z , der Eroberer Mexikos, erbeutete in dem berühmten Sonnentempel des letzten M o n t e z u m a ungeheure Schätze, die seit Jahrhunderten dort aufbewahrt waren. Die spanischen Chronisten beschäftigten sich vielfach mit der Auslegung dieses Sonnenkultus und brachten manche Schätze der dramatischen und lyrischen Poesie dieser Völker in spanischer Sprache zur Veröffentlichung. Der Ahnendienst (Schintoismus) der Japaner, der mit dem Naturdienst eng verbunden ist, anerkennt, trotz seiner rein personifizierenden Religionsunterlage, eine göttliche Verehrung der Sonne;

Kurze Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung der Photochemu'.

87

in jedem noch so kleinen Tempel Japans fehlt nie der kleine runde Metallspiegel (das Gohei), das Sinnbild der Sonne und des Glanzes. Das Symbol der Macht der Sonne ist auch auf der japanischen Nationalstandarte versinnbildlicht. Auch die Indianerstämme des neuzeitlichen Amerikas, die Sioux. Apachen, Irokesen u. a. pflegten die Sonne neben dem großen Geist, als Hauptgottheit zu betrachten. Nicht fremd ist auch diese Anbetungsanschauung den Kaffernstämmen Zentralafrikas. Nicht unerwähnt müssen auch die altgermanischen Sagen bleiben, die — Freyer — den Sonnengott, der „das Wachstum der Pflanzen befördert und unter dessen wohltuenden Strahlen sich Menschen und Tiere wohlfühlten", als wichtige Gottheit betrachteten. Über den Sonnenkultus der alten Ägypter ist uns etwas mehr geschichtlich Festgelegtes bekannt. Klar erkannte jenes wichtige Volk des Altertums die ^roße Bedeutung dieser Lichtquelle, die uns Tag für Tag vom Firmamente scheint, für das irdische Dasein, und betrieb darum mit Eifer den Sonnenkultus, der unter der Regierung des Pharao A m e n h o t e p IV. (1600 v. Chr.) seinen Höhepunkt erreichte. Wir können heutzutage nur Bewunderung der altorientalischen Denkweise entgegenbringen, die auf so einfache und erhabene Art diese Grundkraft der Natur zu einein Religionsprinzip erhoben hat. Auch viele praktische Kenntnisse besaßen die alten Ägypter; sie kannten die ausbleichende Wirkung des Lichtes auf Leinen nnd verschiedene Malerfarben, und die heilende Wirkung der Sonne auf den menschlichen Organismus. Es ist tief bedauerlich, daß dieses alte Kulturvolk durch andere, kulturell niederstehende Völker zugrundegerichtet wurde, und dadurch diese sehr bemerkenswerte Kultur für die Nachwelt verloren ging; viel Schönes, Gutes und Erhabenes, viele Kenntnisse sind gänzlich verschwenden und auf die Entwicklung anderer Völker ohne Einfluß geblieben. Neue Kulturen blühten im alten Rom und Griechenland auf-, sie' waren eigenartige, andere wie in Ägypten. Die philosophisch denkenden Männer gaben sich Mühe, die Erscheinungen der Natur durch scharfe Logik zu ergründen, und ihre Lehren sind von erheblichem Einfluß auf die geistige Entwicklung anderer Völker geworden. Auch die Probleme des Lichtes wurden von ihnen behandelt. So nahm z.B. P l a t o an, daß ein Zusammenwirken der von dem Auge ausgehenden Strömung mit der von der Lichtquelle ausgehenden, die Gesichtserscheinung bilde; er ist somit als Schöpfer der Emissionstheorie des Lichtes anzusehen. P y t h a g o r a s nahm

88

Die pliotochemiseheu Grundgesetze der'Liclitreaktionen.

an, daß die Gesichtsempfindung durch kleine, von den sichtbaren Körpern ausgesandte Teilchen erregt werde. A r i s t o t e l e s lehrte wiederum, daß das Licht eine besondere Qualität oder Wirkung (Energeja) eines durchsichtigen Mediums sei, das zwischen dem Gegenstand und dem Auge das sinnliche Erfassen vermittle. Somit haben wir drei Repräsentanten verschiedener Theorien; der Emissions-, der korpuskularen und undulatorischen Äthertheorie; die letzten treten auch in späteren. Zeiten in der einen oder anderen Form auf. Auch die heilende Wirkung des Lichtes war schon z u H e r o d o t e s Zeiten bekannt und auch praktisch verwertet. Die Wirkung des Lichtes auf die Bildung der grünen Farbe der Pflanzen war schon A r i s t o t e l e s bekannt(350 v.Chr.). Vitruvius, der berühmte Baukünstler zu C a e s a r s Zeiten, und P l i n i u s behandelten in ihren Werken die Frage der Veränderung. der Farben im Lichte und stellten Tabellen der zu jener Zeit bekannten lichtunechten Farben auf. Im allgemeinen waren die Kenntnisse der lichtempfindlichen Reaktionen noch sehr dürftig, sie bezogen sich hauptsächlich auf die in der Natur vorkommenden Umsetzungen, besonders auf die Veränderung verschiedener Mineralien, Tinkturen, Pflanzensäfte usw. Eine praktische Verwertung hat der Purpurschneckenfarbstoff erhalten. Schon die alten Phönizier verwandten zum Färben der Faser den Saft der Purpurschnecken, ohne jedoch von dem notwendigen Vorhandensein des Lichtes für diese Zwecke etwas zu wissen. Die erste Erwähnung darüber findetman erst bei A r i s t o t e l e s , dann J u l i u s P o l l u x (II n. Chr.), P h i l o s t r a t o s (III n. Chr.) und gegen Ende des X. Jahrhunderts in einer Schrift von E u d o x i a M a k r e m b o l i t i s t a , der Tochter des byzantinischen Kaisers Konstantin VIII., die nach D e d e k i n d von dem Griechen P a l a e o k a p p o s verfaßt sein soll. Das Zeitalter der Alchemie blieb natürlich nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung der Photochemie, denn die Alchimisten mußten die Wirkung verschiedener Agentien bei allerlei Verwandlungen studieren, und zu diesen Agentien gehörte auch das Licht. Dadurch vermehrte sich mit der Zeit die Kenntnis der lichtempfindlichen Reaktionen, und ganz allmählich, unter schwierigen Umständen, schritt die wissenschaftliche Erforschung dieses Gebietes vorwärts. Wir wollen hier nur an den Hauptetappen dieses langen, mühsamen Entwicklungsganges verweilen, und zwar denjenigen Ent-

Kurze Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklang der Photochemie.

89

deckungen oder Erfindungen unsere Aufmerksamkeit schenken, die entweder auf theoretische, oder praktische, oder aber historische Bedeutung Anspruch haben. Am Ende des XVIII. und am- Anfang des X I X Jahrhunderts macht die Photochemie bedeutende Fortschritte. Der Botaniker R a y 1 (1686) unterscheidet schon die Wirkung des Lichtes von derjenigen der Luft und Wärme beim Wachstum der Pflanzen. Der russische Großkanzler Graf B e s t u s c h e f f (1725) stellte die geheimnisvolle „Nerventinktur" her, die zu jener Zeit als Heilmittel galt. Im Dunkeln sah sie gelb aus, im Lichte verbleichte sie, und beim Verdunkeln nahm sie wieder ihre ursprüngliche Farbe an. Diese Tinktur war nichts anderes als eine alkohol-ätherische Lösung von Eisenchlorid (FeCl3), das im Lichte zu Ferrochlorid FeCl 2 reduziert wird. Im Jahre 1727 hat ein deutscher Arzt, J o h a n n e s S c h u l z e 2 aus C o l b i t z , später Professor in Altdorf, die Lichtempfindlichkeit der Silbersalze und die ersten Schattenphotographien entdeokt. Der Turiner Physiker Giacomo Battista B e c c a r i u s (1757) hat dieselbe Entdeckung unabhängig von S c h u l z e gemacht. Die beiden Entdeckungen wurden vollständig vergessen und übten auf die Entwicklung der Photographie keinen Einfluß aus. Die berühmten Chemiker P r i s t l e y (1772) und S c h e e l e (1777) haben sich mit Lichtreaktionen beschäftigt und manches Wertvolle gefunden. Darunter hat S c h e e l e gefunden, daß das AgCl in NH S löslich ist und daß das blaue und violette Licht auf dasselbe einwirke. Im Jahre 1782 erscheint das bemerkenswerte Buch von dem Genfer Gelehrten J o h a n n e s S e n e b i e r , „Memoires physico-chimiques sur l'influence de la lumière" (Genf). In diesem Werke beschreibt er seine zahlreichen und sinnreichen Versuche über das Ausbleichen der alkoholischen Tinkturen der Pflanzenfarbstoffe, auch des Chlorophylls, bei Gegenwart von Sauerstoff; er studiert den Einfluß verschieden gefärbten Lichtes und der Temperatur; gibt sehr geistreiche Erläuterungen über die von ihm beobachteten Erscheinungen. An einer Stelle z. B. spricht er deutlich aus, daß das Holz eine aufgespeicherte Sonnenenergie ist. Auch auf dem Gebiete der Pflanzenphysiologie sind seine -Leistungen von großer Bedeutung, indem er entdeckte, daß die Blätter Kohlensäure zersetzen, indem sie sich den Kohlenstoff aneignen und das Sauer•stoffgas ausscheiden. 1 2

Kay, Historia Plantarum, Londini (1686). Edcr, Biographie von Schulze, Wien (1917).

90

Die photochernisclien Grundgesetze der Lichtreaktionen.

In J. S e n e b i e r besitzen wir einen der bedeutendsten und geistreichsten Vertreter der reinen photocliemischen Forschung. B e r t h o l l e t (1785) entdeckte die Zersetzung des Chlorwassers im Lichte, und S a u s s u r e (1796) verwendete diese Reaktion zur Konstruktion des ersten photochemischen Aktinometers. Saussure hat die Kohlenstoffassimilation als typische Lichtreaktion gekennzeichnet und hat dabei als erster bewiesen, daß dieser Prozeß mit dem Atmungsprozeß der Pflanzen nicht identisch ist, sondern, daß der letzte kein Lichtvorgang ist. Durch die grundlegenden Arbeiten von S a u s s u r e ist die Ernährungslehre der Pflanzen auf sichere experimentelle Basis gestellt worden. Im Jahre 1800 entdeckte W. H e r s c h e l die ultraroten Strahlen, und im Jahre 1801 R i t t e r die chemische Wirkung der ultravioletten Strahlen auf Chlorsilber. Dann folgten in schneller Reihenfolge eine ganze Anzahl anderer mehr oder weniger wichtiger Entdeckungen. Wedgwood und D a v y (1802) machten die ersten photographischen Aufnahmen auf Papier, das mit Silbersalzen getränkt war. Gay L u s s a c und T h e n a r d (1809) entdeckten den Einfluß des Lichtes bei der Vereinigung von Chlor mit Wasserstoff und Äthylen. Seebeck machte die wichtige Entdeckung der Farbenwiedergabe des Spektrums durch Silbersalze und ist somit als Entdecker der Farbenpliotographie zu betrachten. Im Jahre lbl 7 stellte der Kurländer, Freiherr Theodor von Grottlius, das erste photochemische Grundgesetz auf, das lautet: nur die vom Körper a b s o r b i e r t e n S t r a h l e n können c h e m i s c h wirken. Dies wichtige Gesetz wurde von den Zeitgenossen nicht beachtet und ist ganz in Vergessenheit geraten, wodurch diese Entdeckung auch keinen Einfluß auf die weitere Entwicklung der Photochemie haben konnte. Erst fast hundert Jahre später, als das Gesetz, schon von anderen wieder als etwas neues ausgesprochen und praktisch verwertet wurde, ist auch Grottlius das Prioritätsrecht dieser Entdeckung zugesprochen worden. Im Jalirc 1839 hat Dumas die Trichloressigsäure durch Einwirkung von Chlor auf Essigsäure im Sonnenlichte dargestellt und somit einen Anstoß zu einer Reihe von Photosynthesen gegeben. Historische Notizen. EtwaöOJ. veröffentlichte V i t r u v i u s , C a e s a r s berühmter Baukünstler, ein Werk r v. Ch. in dem er mitunter die Frage über die Veränderlichkeit der Malerfarben im Lichte behandelte. Etwa30J. veröffentlichte P l i n i u s eine ähnliche Schrift, in der viele zu der n. Ch. Zeit bekannter lichtunechter Farbstoffe angegeben werden.

Kurze Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung der Photochemie.

91

X. Jahrh. veröffentlichte E u d o x i a M a k r e m b o l i t i s t a , die Tochter des byzantinischen Kaisers K o n s t a n t i n VIII. eine Schrift, in der sie erwähnt, daß, um den Purpurschneckensaft in den Farbstoff zu verwandeln. die Lichteinwirkung notwendig (vgl. III. Teil) sei. 1694 entdeckte W . H o m b e r g die Schwärzung der mit AgN0 3 getränkter Ochsenknochen im Lichte. 1725 entdeckte der russ. Graf B e s t u s c l i o f f die Zersetzung der alkoholischen Eisenchloridlösung im Lichte. 1727 entdeckte ein deutscher Arzt in Halle, J o h a n n H e i n r i c h S c h u l z e aus Colbitz (bei Magdeburg) die Lichtempfindlichkeit des Silberkarbonats und stellte damit die ersten Schatt-enphotographien her. 1737 entdeckte H e l l o t die sympathische Tinte in der Form der AgNO.,Lösung und stellte damit auf Papier Lichtbilder her. 1757 endeckte der Turiner Prof. der Physik J o h a n n B a p t i s t B e c e a r i u s zuerst die Lichtempfindlichkeit des Chlorsilbers und stellte unabhängig von S c h u l z e auch Schattenphotographien her. 1772 veröffentlichte der englische Chemiker P r i s t l e y eine Schrift über verschiedene photochemische Vorgänge. 1776 entdeckte B e r g m a n n in Upsala die Lichtempfindlichkeit des Oxalsäure-Quecksilberchloridgemisches, wobei sich Kalomel ausscheidet und sprach den Satz aus, daß alle Silbersalze lichtempfindlich sind 1777 veröffentlichte der schwedische Chemiker S c h e e l e in Upsala ähnlicht Schriften; mitunter beschreibt er die Zersetzuug von HNO, im Lichte, und die Löslichkeit des Chlorsilbers in Ammoniak, und daß das Maximum der Einwirkung des Lichtes bei Silbersalzen im Violett liegt. 1782 veröffentlichte der Genfer Gelehrte J o h a n n S e n e b i e r sein berühmtes Buch über photochemische Wirkung des Sonnenlichtes, in dem er viele wichtige Beobachtungen und Anschauungen über die Einwirkung des Lichtes auf Pflanzen, Harze, Farben usw. angibt. Mitunter beschreibt S e n e b i e r die merkwürdige Tatsache, daß das gefärbte Licht auf Chlorsilber derart einwirke, daß das Chlorsilber sich nicht nur schwärzt, sondern auch einen Anstich in die einwirkende Färbterhält. 1782 veröffentlichte auch H a g e m a n n Angaben über die Lichtempfindlichkeit der Harze. 1785 entdeckte B e r t h o l l e t die Zersetzung des Chlorwassers im Lichte 1787 zeigte R o b i n s o n , daß das Licht, welches lichtempfindliche und absorbierende Medien passiert, auf Silbersalzc schwächer einwirkt. 1790 konstruierte S a u s s u r e das erste photochemische Photometer, wobei als Maß der Lichtintensität die Stärke der Gasentwicklung bei der Chlorwasserzersetzung dienen sollte. 1791 entdeckte B e r t h o l l e t die bleichende Wirkung des Chlors im Sonnenlichte, und sprach die Meinung aus, daß das Ausbleichen der Farbstoffe im Lichte ein Oxydationsvorgang ist. 1798 entdeckte V a u q u e l i n die Lichtempfindlichkeit der ehromsaure:1: Salze. 1800 entdeckte B ö c k m a n n die Lichtempfindlichkeit des gelben Phosphors. 1801 beobachtete C r n i k s c h a n k die beschleunigende Wirkung des Lichte* auf H + Cl.

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

92 1801 1802 1609 1810 1812 1814 1815 1817 1819 1821 3837 1838

beobachtete R i t t e r die Wirkung der ultravioletten Strahlen auf Silberehlorid. machten W e d g w o o d und D a v y die photographischen Aufnahmen auf Silberpapier. entdeckten G a y - L u s s a c und T h é n a r d die Lichtempfindlichkeit des Chlorknallgasgemisches. entdeckte S e e b e c k die merkwürdige Eigenschaft des vorbelichteten Chlorsilbers, auf Papierunterlage das Sonnenspektrum in Farben wiederzugeben. entdeckte D a v y die Bildung des Phosgens COCl2 im Lichte durch direkte Vereinigung von CO und Cl,. haben N. J. N i è p c e und D a g u e r r e ihre Arbeiten über Photographie begonnen. entdeckte P l a n c h é die Lichtempfindlichkeit der HgCl t + (NH^CjO, und B r a n d e n b u r g die Mischung der Mangansalze. wurde von Frh. v. G r o t t h u s aus Kurland das fundamentale photochemische Gesetz, dal! nur das absorbierte Licht chemisch einwirke, ausgesprochen. entdeckte H e r s c h e l l die auflösende Wirkung von Na,S 3 0 3 auf AgCl. machte F a r a d a y auf die Veränderlichkeit der Gläser im Lichte aufmerksam und daß aus ölbildendem Gase und Chlor das Kohlenstoffperchlorid sich bildet. entdeckte C h e v r e u l die beschleunigende Wirkung der Feuchtigkeit auf das Ausbleichen der Pflanzenfarbstoffe. entdeckte D u m a s die Bildung von Trichloressigsäure im Lichte.

Die terfwisch-photograpMsclie Periode. Aus der vorigen Schilderung der Entwicklung der Photochemie geht hervor, daß sie in rein wissenschaftlichen Bahnen sich bewegte. Das Tatsachenmaterial vermehrte sich von Jahr zu Jahr, und es wurde auch das erste Grundgesetz entdeckt. Und so hätte ihre Entwicklung weiter den normalen Fortgang gehabt, und sie wäre gleichzeitig mit anderen Disziplinen zum Aufblühen gekommen, falls keine Hindernisse in den Weg gekommen wären. Die Entdeckung der Photographie der Sibersalze durch D a g u e r r e (1837) brachte sie auf andere Wege und zwar aus folgenden Gründen. Die Möglichkeit, Lichtbilder mit feinen Details herzustellen, übte großen «Reiz auf die Phantasie der damaligen Geister aus. Alles warf sich auf dieses Gebiet der angewandten Photochemie, die nur auf einer Reaktion der Silbersalzzersetzung beruhte. Der Mechanismus dieser Reaktion hat sich aber als sehr kompliziert erwiesen. Noch heutzutage, mit allen vorhandenen Hilfsmitteln der vorgeschrittenen physikalischen Chemie, können wir diesen Mechanismus nicht enträtseln, und zu damaligen Zeiten, wo die Entwicklung der Chemie selbst erst im Anfangsstadium sich befand, war dies noch viel schwieriger; und so blieb allein der Weg der

Kurze Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung der Photochemie.

93

blinden Empirie, des Aufsuchens praktischer Handgriffe, guter Rezepte und rein technischer Vervollkommnung übrig. Die weiteren glänzenden technischen Erfolge und weitere Verbreitung im täglichen Leben zwangen diese einseitige Forschung immer weiter in das Gebiet vorzudringen, und es kam sogar so weit, daß die Photographie, obgleich nur auf einer Reaktion beruhend, mit dem großen Gebiete der Photochemie identifiziert wurde, und somit die eigentliche Photochemie sozusagen verdrängte. Die Spezialisten in der Photographie und in den verschiedenen photomechanischen Verfahren waren keine Photochemiker, sie besaßen meistens keine wissenschaftlichen Kenntnisse und aucli keine Vorstellung über die Bedeutung der eigentlichen Photochemie als Wissenschaft. Es hat sich zwar eine sogenannte wissenschaftliche Photographie herausgebildet, die aber so stark im Banne der Technik stand, daß sie auf die rein wissenschaftliche Entwicklung der Photochemie praktisch keinen Einfluß hatte. Die technische Vervollkommnung der Photographie und des Lichtdruckverfahrens ist in der letzten Zeit sehr weit vorgeschritten; besonders hervorragend tätig in dieser Richtung war der Wiener Gelehrte J. M. E d e r . Die rein wissenschaftliche Entwicklung der Photochemie war aber fast ganz zum Stillstand gekommen. Vergessen wurden die schönen Arbeiten von S e n e b i e r , P r i s t l e y , S c h e e l e , G r o t t h u s u. a. und nur dann und wann tauchte eine photochemische Untersuchung von rein wissenschaftlichem Charakter auf. So hat z. B. C h e v r e u l ( 1 8 7 3 ) nochmals betont, daß das Ausbleichen der Farbstoffe ohne Feuchtigkeit und Luft nicht stattfinden könne. D r a p e r (1841) entdeckte nochmals das G r o t t h u s s c h e Gesetz. B e c q u e r e l (1843) machte bemerkenswerte Arbeiten über die Farbenwiedergabe des Spektrums auf Silbersalzplatten. H. Vogel (1873) entdeckte die sensibilisierende Wirkung mancher Farbstoffe auf die Silbersalzzersetzung, was für die photographische Technik von großer Bedeutung geworden ist. E n g e l m a n n und Timiriazeff(1869)führten ihre trefflichen Arbeiten über die Assimilisation der C0 2 in spektralzerlegtem Lichte aus, deren Bedeutung für Photochemie von ihnen und ihren Zeitgenossen nicht erkannt wurden. Für die rein wissenschaftliche Entwicklung der Photochemie ist die kinetische Untersuchung von B u n s e n und R o s c o e (1854) über die Bildung von Chlorwasserstoff aus seinen Bestandteilen im Lichte von Bedeutung geworden. Das war die erste photochemische kinetische Messung. Sie haben gefunden, daß die Reaktionsgeschwindigkeit proportional der Lichtintensität und Zeit verläuft, d . h . ¿¿ = konst. ist. Diese einfache Beziehung ergab sich aber als Folge ihrer besonderen

94

Die photochemischen Grundgesetze der Liehtreaktionen.

Versuchsanordnung, bei der das entstehende Produkt aus dem Reaktionssystem entfernt würde und die Konzentrationen der reagierenden Bestandteile konstant gehalten würden. Dann fanden sie weiter die beschleunigende Wirkung des Wasserdampfs und die verzögernde der Luft. Außerdem fanden sie, daß am Anfang die Reaktion sehr langsam verläuft und die Geschwindigkeit allmählich wächst» bis sie einen konstanten Wert erhält. Unglücklicherweise haben sie dieser Erscheinung, die auf einen autokataly tischen Prozeß hindeutet, eine spezifisch-photochemische Wirkung zugeschrieben und sie als „pliotochemische Induktion" bezeichnet. Der Name B u n s e n s stand schon damals sehr hoch im Ansehen der wissenschaftlichen Welt, und wie es immer in diesen Fällen geschieht, wurde vieles einfach auf Gutglauben genommen. Ein unglücklich gewähltes und mißverstandenes Schlagwort, sei es auf politischem, religiösem oder wissenschaftlichem Gebiete, wirkt auf unreife Massen immer schädlich und auf die positive Entwicklung dieses Gebietes selbst hemmend. So geschah es auch in diesem Falle. Eine große Anzahl von Forschern stürzte sich auf die Untersuchung dieser Reaktion, um diese geheimnisvolle „Induktion" zu enträtseln. Ihr Mechanismus ist aber recht kompliziert und heutzutage noch ungenügend erforscht Nach dem damaligen Stand der Photochemie und physikalischen Chemie war es fast unmöglich, den Mechanismus gründlich zu erforschen. Als Folge davon war, daß trotz sehr zahlreicher Arbeiten, die von vielen Forschern mit viel Zeitaufwand und Energie gemacht wurden, die Induktion eine geheimnisvolle Sphynx noch immer blieb. Nur nach etwa 50 Jahren, im Jahre 1906, haben L u t h e r und G o l d b e r g gezeigt, daß es sich hier einfach um die verzögernde Wirkung der Sauerstofispuren, die während der Reaktion verbraucht werden und deshalb eine Beschleunigung hervorrufen, handelt, und daß Sauerstoff überhaupt als ein starker negativer Katalysator bei den Photochlorierungen auftritt. So hat ein Berg eine Maus geboren. Und wie viel unnütze Arbeit wurde geleistet, die, auf andere Weise verwertet, mehr positive Resultate für die Photochemie ergeben hätte. Es wurden, auch andere Reaktionen untersucht, die das vorhandene Versuchsmaterial noch vergrößerten, aber irgendwelche nennenswerte Erfolge im Sinne rein wissenschaftlichen Erforschens hat diese technisch-photographische Periode, die bis zum Anfang des XX. Jahrhunderts dauerte, nicht zu verzeichnen. Diese Periode nach dem Zeitmaß war sehr kurz; nicht volle 60 Jahre sind seit den

Kurze Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung der Photochemie.

95

Arbeiten von D a g u e r r e und Nifepce verflossen; wenn man aber bedenkt, was für Fortschritte die anderen Zweige der Wissenschaft während dieser Zeitperiode zu verzeichnen hatten, so kommt mau unwillkürlich zum Schluß, daß die Entwicklung der reinen Photochemie durch das rasche Aufblühen der photographischen und photomechanischen Technik überrumpelt und zum Stillstand gebracht wurde. Während dieser Zeit erlebte man das Aufblühen der organischen und anorganischen Chemie, wie auch der Physik; neue wissenschaftliche Disziplinen brachen sich Bahn, wie die physikalische Chemie, Kolloidchemie, Radioaktivität, Elektronik usw., und sie sind alle zur hohen Stufe der Entwicklung gelangt, während unsere uralte Photochemie sich noch immer in einem Zustand der Sombiose befand und auf selbsttätige Existenz keinen Anspruch machte. Daß dieser Zustand nicht lange dauern konnte, war klar. Ein Photochemiker muß zugleich ein Chemiker, ein Physiker ein Physikochemiker und etwas Mathematiker sein, und die erfolgreiche Entwicklung der Photocliemie hängt in erster Linie von der Höhe der Entwicklung dieser Disziplinen ab. Wie gesagt, haben Anfang des XX. Jahrhunderts diese Disziplinen schon eine bedeutende Stufe der Entwicklung erreicht und somit den Boden für die weitere Entwicklung der Photochemie vorbereitet. Andererseits war auch das Bestreben vorhanden, neue Gebiete zu erschließen, und da die Photochemie ein neues vielversprechendes und bedeutendes Gebiet war, so wurde die Aufmerksamkeit vieler Gelehrter auf diese Disziplin gelenkt und ihre Entwicklung erhielt einen fast stürmischen Charakter. In kurzer Frist von 20 Jahren wurden die Grundgesetze aufgestellt, das Versuchsmaterial gesammelt und geordnet, eine Versuchstechnik gegründet, viele Werke zusammenfassenden Charakters veröffentlicht, und eine Fülle neuer Tatsachen entdeckt. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, daß der Sonnenkultus in den nächsten Jahrzehnten wieder von neuem zum Aufblühen kommt. Selbstverständlich werden die neuen Priester der Wissenschaft nicht mit Gebeten und Gesängen und mit der Herrichtung neuer Tempel das uns vom Firmament so herrlich scheinende Himmelgestirn preisen, sondern der neue Sonnenkultus wird sich in der Errichtung mannigfaltiger Lehr- und Forschungsanstalten für Photochemie, an denen es so mangelt 1 , für Agrikultur-Photochemie, für Lichtheilkunde und zahlreicher photochemischer Betriebe ofFen1 P l o t n i k o w , Lehr- und Forschungsinstitute der Photochemie. Forderung des Tages.) Chem. Ztg. 42. S. 385 (1918).

(Eine

Die photochemischen Grundgesetze den1 Liclitreaktioneii.

96

baren. Das ganze Bestreben wird auf die direkte Ausnutzung dieser unerschöpflichen Energiequelle hingerichtet, und diese große Leuchte, diese Urkraft der Natur, wird durch das menschliche Genie und Fleiß zu einer wahrhaft segenspendenden G-ottlieit erhoben. Historische Notizen. 1838 1839 1839 1839 1839 1840 1842 1842 1843 1851 1853

wurde von L. D a g u e r r e die ersten Daguerrotypen hergestellt. wurden dieselben der Pariser Akademie vorgelegt. entdeckte P o n t o n die Lichtempfindlichkeit des mit K,Cr a O ; getränkten Papiers. wurde von M a l a g u t i das Schwärzungsgesetz it = konst. formuliert. wurde von D r a p e r , unabhängig von G r o t t h u s , die Ansicht ausgesprochen, daß nur das absorbierte Licht chemisch wirke. zeigte F i z e a u , daß die Dagerrotypien durch Behandlung mit Goldlösungen widerstandsfähiger gemacht werden. beobachtete H e r s c h e l , daß das Ausbleichen der Blumenfarbstoffe im Lichte in den Teilen des Sonnenspektrums am schnellsten vor sich geht, die den Blumenfarben komplementär sind. sprach V o g e l ähnliche Anschauungen wie G r o t t h u s , H e r s c h e l und D r a p e r aus. entdeckte E. B e c q u e r e l die Farbenphotographie auf chlorierten Silberplatten. entdeckte A r c h e r das Kollodiumverfahren. entdeckte F o x T a l b o t die Eigenschaft der Chromatgelatine (ev. Leim) nach Belichten in Wasser unlöslich zu werden, und die photographischen Entwickler.

1855 1857

1864 1864 1864 1868 1869 1869

1869

fand W i t t w e r , daß die Zersetzung des Ohloiwassers im Lichte dein Massenwirkungsgesetze von G u l d b e r g und W a a g e folgt. (Die Untersuchung wurde 1752 begonnen.) veröffentlichten B u n s e n und B o s c o e ihre bedeutungsvolle Untersuchung über Chlorknallgasbildung im Lichte. Stellten die Erscheinungen der Induktion, Deduktion, Extinktion fest. Die Untersuchung begann im Jahre 1854. entdeckte M o h r - W i t t s t e i n die photochcmische Oxydation der Oxalsäure. erfand S v a n den Pigmentprozeß. entdeckte M u l d e r die beschleunigende Wirkung des Lichtes auf das Trocknen der Öle. entdeckte T y n d a l die Zersetzung des Amylnitritdampfes im Lichte: entdeckte F r i t s c h e eine Eeihe Photopolymerisationen, wie Anthrazen, Photen, Phosen usw. stellte T i m i r i a z e f f "Versuche über die Assimilation der Kohlensäure in den grünen Blättern der Pflanzen an, wobei sich das Resultat ergeben hat, daß die Zersetzung da am größten ist, wo auch die Lichtabsorption am stärksten auftritt. wurde von E n g e l m a n n beobachtet, daß die Assimilation der Kohlensäure in den grünen Pflanzenblättern in direktem Verhältnis zu der Liclitabsorption steht.

Kurze Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung der Photochemie.

97

1870

wurden die photochemischen Umwandlungen in flüssigem Schwefel von B e r t l i e l o t und C a l l e m a n d beobachtet. 1870 beobachtete M o r r e n die Umwandlung S 0 2 in SO, und S im Lichte. 1871 erfand M a d d o x die Trockengelatineplatten. 1872 . entdeckte M a y die Veränderlichkeit der elektrischen Leitfähigkeit bei der Belichtung des Selens. 1872 entdeckte B a u m a n n die Photopolymerisation von Vinylchlorid. 1873 entdeckte H. V o g e l die sensibilisierende Wirkung mancher Farbstoffe auf die Silberemulsionsplatten. 1877 entdeckte C h a s t a i n g die v e r z ö g e r n d e Wirkung des Lichtes auf manche photochemische Oxydationsreaktionen. 1878 entdeckte L w o f f die Photopolymerisation von Vinylbromid. 1887 begann K d e r mit der Herausgabe seines „Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik". 1889 faßt E d er die photochemischen Vorgänge als Resonanzerscheinungen auf. 1891 begann E d e r mit der Herausgabe seines wertvollen „Handbuch der Photographie". 1891 stellte L i p p m a n n seine Farbenphotographien her. 1894 stellte J o l y die ersten Dreifarbenrasterbilder auf einer Platte her.

Die Photochemie der Neuzeit. Für das erfolgreiche Vordringen in irgendein neues unbekanntes wissenschaftliches Gebiet ist es von Wichtigkeit, daß die theoretischen Erfolge mit der technischen Vervollkommnung der Meßapparate, wie der ganzen Versuchstechnik überhaupt Hand in Hand gehen. Sehr oft wird die weitere Entwicklung eines wissenschaftliches Zweiges durch mangelhafte experimentelle Technik gehemmt. Die Erforschung der Lichtreaktionen ist von der Höhe der Vervollkommnung der Lichtquellentechnik und der optischen Meßapparate in hohem Maße abhängig. Um den Verlauf einer Lichtreaktion quantitativ untersuchen zu können, müssen wir gute Lichtquellen haben, die uns ein konstantes Licht von großem Spektralbereich aussenden. Wir müssen gute optische Apparate besitzen, um die Lichtabsorption und absorbierte Lichtenergie messen zu können, und wir müssen imstande sein, diese Energie in absolutem Maße zu bestimmen. Am Anfang des XX. Jahrhunderts war das alles schon soweit vorgeschritten, daß ein erfolgreiches Vordringen in das neue Gebiet gesichert war. Die Erfindung des Quecksilberbogenlichtes in Form der I'viol- und Quarzlampen, die Konstruktion der Quarzspektrographen und Spektralphotometers übten einen beschleunigenden Einfluß auf die weitere Entwicklung der Photochemie; man war sozusagen im Besitze der richtigen Werkzeuge. Die weitere Vervollkommnung der Technik der Quarzlampen und anderer, im äußersten Ultraviolett noch linienreicherer, Lichtquellen ist für die weitere Entwicklung der Plotnikow,

L e h r b u c h rU-r PhotocV-i.iip.

98

Dio photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

wissenschaftlichen und angewandten Photochemie von großer Bedeutung. Auch die Beseitigung der Mängel bei den Lichtabsorptionsmessungen im Ultraviolett wäre sehr erwünscht. Gehen wir jetzt zu der kurzen Beschreibung der Entwicklung der Photochemie in den letzten 25 Jahren über. Ubersichtlichkeitshalber geben wir das ganze Material nur in Form der historischen Notizen. Historische Notizen. 1895 1895 1897

1899 1899 1900 1900 1900 1902

1902 1904

1905 1905 1906

entdeckte E n g l e r und D o r a n t die Photosynthese des Indigoblau. stellte 0 . W i e n e r die neuen Grundlagen für die Farbenphotographie, das sogenannte Ausbleichverfahrcn fest. fand B o d e n s t e i n die Veränderung der Ordnung im Lichte bei HJ-Zersetzung. Im Dunkeln verläuft die Reaktion nftch dem Schema: 2 H J = H , + J 2 , und im Lichte: H J = H + J , d. h. nach der ersten Ordnung. entdeckten M a r k w a l d ' und B i l t z die Phototropieerscheinung. wurde von S c h w a r z s s c h i l d sein Schwärzungsgesetz für photographische Platten itv = konst. bekannt gegeben. haben die italienischen Gelehrten C i a m i c i a n und S i l b e r ihre bedeutungsvollen Arbeiten über organische Photosynthese begonnen. bestätigte L e n a r d die von N e r n s t ausgesprochene Vermutung, daß Oj im ultravioletten Lichte zu 0 3 polymerisiert wird. entdeckte K i s t i a k o w s k y die erste photochemische Nachwirkungserscheinung bei der H s O s -Zersetzung in Gegenwart von Blutlaugensalz. stellte W i l d e r m a n n dieFragc zuerst auf, ob die Reaktionsgeschwindigkeit der Lichtreaktionen dem Massenwirkungs- oder dem F a r a d a y schen analogen Gesetze folge, und auf Grund seiner Versuche über Phosgenbildung entschied er sieh für die Gültigkeit des Massenwirkungsgesetzes. machte E. G o l d b e r g darauf aufmerksam, daß die Lichtreaktionen einen kleinen, nahe an Eins liegenden Temperaturkoeffizienten besitzen. sprach v a n ' t H o f f in einer Sitzung der Berliner Akademie der Wissenschaft die Meinung aus, daß die Reaktionsgeschwindigkeiten der photochemischen Reaktionen dem Absorptionsgesetze folgen müssen. Demzufolge muß die umgesetzte Stoffmenge der absorbierten Lichtenergie proportional sein. versuchten L u t h e r und W e i g e r t diese Schlußfolgerung von v a n t ' H o f f zur Berechnung ihrer Versuche der umkehrbaren Umwandlung des Anthrazens in Dianthrazen zu verwenden. sprach E i n s t e i n sein photochemisches Äquivalentgesetz aus. stellte J . P l o t n i k o w das „Additionsprinzip" für die Lichtreaktionen fest; dasselbe besagt, daß im allgemeinen ein photochemischer Prozeß sich additionel aus zweierlei Vorgängen — der reinen Lichtreaktionen und der gewöhnlichen Dunkelreaktionen zusammenstellt, und die Eigenschaften der Lichtreaktionen als stationärer Vorgänge und die der

Kurze Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung der Photochemie.

1907 1907 1907 1907 1907 1908 1908 1908 1908 1909 1909 1910 1910 .1911 1911 1911 1911 1911 1912 1912 1912 1913 1913 1913

99

Dunkelreaktionen sich voneinander wesentlich unterscheiden. Die experimentelle Prüfung wurde im Jahre 1908 veröffentlicht. F r i e d l ä n d e r hat entdeckt, daß der Purpurschneckenfarbstoff die Zusammensetzung des Dibromindigo besitzt. L a s a r e f f bestätigte durch direkte Messungen das photochemische Absorptionsgesetz von G r o t t l i u s - v a n ' t H o f f . von L u t h e r und P l o t n i k o w wurde die Theorie der scheinbaren photochemischen Gleichgewichte und der Übertragungskatalyse aufgestellt, experimentell geprüft und bestätigt gefunden. W e i g e r t gibt seine Theorie der Kondensationskerne bei Gasreaktion bekannt. veröffentlichte W a r b u r g die ersten Untersuchungen über energetische Messungen der photoehemischen Ausbeute. wurde von P l o t n i k o w der erste Lichtthermostat konstruiert. entdeckte S t o b b e die Phototropieerscheinungen bei den Fulgiden. von W e i g e r t wurde gezeigt, daß das Chlor als Lichtkatalysator durch das von ihm absorbierte Licht Ozon zersetzt und dem G r o t t h us sehen Gesetze folgt. S c h a u m veröffentlichte den I. Teil seines „Handbuchs der Photochemie". haben C o e h n und W a s s i l j c w a gefunden, daß HCl-Gas im Quarzlichte in H j nnd Cl2 zersetzt wird. W i n t h e r entdeckte die enorm starke beschleunigende Wirkung der Eisensalze auf die E d c r s c h e Lösung. erschien die „Photochemie" von J. P l o t n i k o w . begonnen D. B e r t h e l o t und G a u d e c h o n ihre Arbeiten über Photolyse organischer Verbindungen. erschien der erste Katalog für photochemische Apparate der FirrnaF. K ö h l e r in Leipzig. veröffentlichte P l o t n i k o w seine Klassifikation der photochemischen Temperaturkoeffizienten, aus der hervorgeht, daß die T. K. charakteristische photochemische Größen sind. veröffentlichte W e i g e r t seine „Lichtchemische Wirkungen". wurden von P l o t n i k o w die Nachwirkungserscheinung bei der Oxydation von Jodoform in Tetrachlorkohlenstoff quantitativ untersucht. wurden die Nachwirkungserscheinungen bei der Bromierung von Toluol von B r u n e r und L a h o c i n s k i untersucht. erschien die „Photochemische Versuchstechnik" von P l o t n i k o w , in der zuerst eine Zusammenstellung neuer photochemischer Apparate und Arbeitsmethoden gegeben wurde. entdeckte W i n t h e r den ersten „Lichtakkumulator", unter Verwendung der umkehrbaren Eeaktion: Fe 1 " + Hg Fe" -}- Hg". wurden von P l o t n i k o w die photochemischen Grundgesetze nach dem Pi-inzip der Stazionarität abgeleitet. veröffentlichte B e n r a t h sein Lehrbuch der Photochemie". B o d e n s t e i n und D u x untersuchten die Chlorknallgasreaktion und fanden, daß sie nach dem Quadrate der Chlorkonzentration verläuft. H e n r i und W u r m s e r fanden, daß die Photolyse des Azetaldehyds durch die dem Aldehydkomplexe angehörige Absorptionsstreifen bewirkt wird.

100

Die photochemischen Grundgesetze der Lichtreaktionen.

1915

erschien die Monographie von P l o t n i k o w „Photocheuiische Studien" in der die Grundlagen der mathematischen Theorie der pheto. chemischen Dynamik gegeben ist. 1916 wurde von P l o t n i k o w das photochemische Gleichgewicht der Bromaddition an ungesättigtem Kohlenwasserstoffe quantitativ untersucht und dabei gefunden, daß das Brom nach dem Quadrate des von ihm absorbierten Lichte reagiert. 1917 entdeckte P l o t n i k o w die „Periodische Lichtreaktion". 1919 veröffentlichte P l o t n i k o w seine Theorie über die photocheuiische Valenz. 1920 erschien das„Lehrbuch der allgemeinen Photochemie" von P l o t n i k o w.

Versuchen wir den geschichtlichen Entwicklungsgang der Photochemie sinnlich in Form eines Diagramms, bei dem die Abszissenachse die "Zeit und die Ordinate die Intensität der Entwicklung bedeuten, uns vorzustellen, so erhalten wir ein folgendes Bild. In der ersten, sozusagen mystischen Periode, wird die Kurve fast parallel der Abszisse verlaufen, denn während der vielen tausend Jahren dieser Periode ist nur ein sehr dürftiges Versuchsmaterial in Form des Ausbleichens mancher Farbstoffe. Leinen und Malerfarben bekannt geworden. Mit dem Zeitalter der AIchemie fangt die Kurve schon an ein wenig zu steigen; sie steigt stetig bis zum Anfang des XIX. Jahrhunderts, wo die ersten Grundgesetze entdeckt werden. Die Zeitperioden werden hier schon nach Jahrzehnten gerechnet. Beim Eintreten der technisch-photographischen Periode sinkt wieder die Kurve bis zur Abszissenachse, um beim Anfang dés XX. Jahrhunderts eine starke Biegung zu erfahren und einen sehr steilen Verlauf nach oben zu nehmen. Die Zeitperioden werden schon nach Jahren gemessen und die Intensität der Entwicklung ist eine sehr große. Infolge des Weltkrieges wird wohl eine geringe Verlangsamung eintreten, die aber voraussichtlich nicht lange dauern wird und dann muß die Blütezeit der Photochemie eintreten. Zusammenfassende Werke über die Photochemie. D i e P h o t o c h e m i e der A l t z e i t . XIII. Jahrh. H e r a c l i u s , Von den Farben und Künsten der Kömer. XV. „ C e n n i n o C e n n i n i , Buch von der Kunst und Traktat Malerei. 1549. 1667. 1686. 1688. 1737. 1749.

der

M i c h e l A n g e l o , Traktat von der hochedlen Malerei. K. B o v l e , Expérimenta et considerationes de coloribus, Genf. R a y , Historia plantarum, Londini. M a r i o t t e , Traité de la Nature des couleurs, Paris. D u f a y , Ausbl. d. Tapeten, Gardinen. Mémoires d. Pariser Akademie. C a s t e l , Die auf lauter Erfahrung gegründete Farbenoptik, Halle.

Kurze Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung der Photochemie.

101

1143. S c l i e u c h z e r , Pliysica oder Naturwissenschaft, Zürich. 1764. P e r n e t y , Handlexikon der bildenden Künste, Berlin. 1712. P r i a t l c v , Geschichte der Optik [deutsche Ausgabe von K l u g e l (1776)] History and Present Vision, Light, Colours (1777). 1782. J o b . S e n e b i e r , Physikochemische Abhandlungen über den Einfluß des Lichtes" (franz. Geneve); deutsche Ausgabe, Leipzig (1785). 1790. B e r g m a n n , Opuseula pliysica et chimica. 1793. S c h e e l e , „Sämtliche Werke", deutsche Ausgabe von H e r m b s t ä d t . Berlin. 1793. S c h e e l e , Aeres atque ignis examen chimicuin, Upsala (1777). 1799. G m e l i n , „Geschichte der Chemie". 1801.. C. F i s c h e r , „Geschichtc der Physik" (1801—1806). 1803. B e r t h o l l e t , „Essay de statique chimique" (1803); deutsche Ausgabe (1811). 1808. L i n k und H e i n r i c h , „Über die Natur des Lichtes", Petersburg. 1810. G o e t h e , Farbenlehre, H e m p e l s Ausgabe. 1832. G. S u c k o w , „Commentatio pliysica de lucis eflectibus chimicis", Jena (1828). .,Über die chemischen Wirkungen des Lichtes, Darmstadt (1832). 1834. L a n d g r e b e , „Über das Licht". 1835. J . F i e d l e r , ,,De lucis effectibus chimicis in corpora anorganica", Uratislaviae. Die pliotographisch-technische 1845. 1854. 1868. 1870. 1878. 1887. 1888. 1891. 1905. 1906. 1908. 1909. 1910. 1910. 1911. 1912. 1913. 1913. 1913. 1916. 1920. 1920.

Periode.

K a r s t e n , Literaturbericht, Fortschritte der Physik. H u n t , Rechearches on Light II. Aufl.; I. Aufl. (1844). E. B e c q u e r e l , La lumiere, Paris. D u c o s de H a u r o n , Les couleurs en photogr., Pari¡5. A. V o g e l , Lehrb. d. Photographie, III. Aufl. E d e r , beginnt die Herausgabe d. Jahrb. d. Photographie. W. H a r r i s s o n , History of Photographie. E d e r beginnt d. Herausgabe seines Handbuches d. Photographie. Die P h o t o c h e m i e der Neuzeit. R. L u t h e r , Aufgaben der Photochemie, Leipzig.. H. V o g e l , Photochemie, Berlin. K. S c h a u m , Handb. d. Photochemie, I.Teil, Leipzig. P l o t n i k o w , Grundzüge d. Photochemie, Ber. Mendelejew-Kongr. Petersburg. A. C o e l m , Photoch. Vorg. in Gasen, Ber. Jahrb. d. Rad. u. Elektr. P l o t n i k o w , Photochemie, Halle. F. W e i g e r t , Chemische Lichtwirkungen, Stuttgart. P l o t n i k o w , Photochem. Versuchstechnik, Leipzig.. C i a m i c i a n , La Fotochimica doli' Avenire, Bologua. E d e r , Quellenschriften zu Anfängen der Photographie. Halle. B e n r a t h , Lehrb. d. Photochemie, Heidelberg. S. S c h e p p a r d , Lehrb. d. Photochemie, Leipzig. P l o t n i k o w , Lehrb. d. allgem. Photoehemie, Berlin-Leipzig. P l o t n i k o w , Photochem. Valenz etc., Berlin-Leipzig.

Zweiter Teil.

Theorie und Praxis der photochemischen Kinetik, Katalyse und der Gleichgewichtszustände. I. Die Grundlagen der Versuchstechnik u n d Methodik. Lichtquellen.

Es gibt keine Lichtquellen, die uns entweder das ganze Liclitspektrum oder nur monochromatisches Licht aussenden, sondern die bisher existierenden Lichtquellen emittieren irgendeinen Teil des Spektrums, das kontinuierlich oder diskontinuierlich gebaut ist. Die Größe des emittierenden Spektralbereiches und seine Zusammensetzung entscheiden über die Brauchbarkeit und Verwendungsmöglichkeit der entsprechenden Lichtquelle für bestimmte Zwecke. Auch die äußere Form der Lichtquellen spielt dabei eine große Rolle: die lichtemittierende Stelle kann einen Punkt, eine Fläche, ein schmales Band oder irgendwelche andere unregelmäßige Form darstellen. Davon hängt die Lichtintensitätsverteilung im Räume und an der Oberfläche des zu beleuchtenden Objektes in hohem Grade ab. Im engsten Zusammenhange damit steht wiederum die äußere Form und Konstruktion der zu verwendenden Reaktionsgefäße. Es ist deshalb hier am Platze, eine kurze Beschreibung der charakteristischen Eigenschaften der brauchbarsten Lichtquellen zu geben und damit die Aufstellung der Grundlinien der Versuchstechnik, die allen Anforderungen der quantitativen Forschung entspricht, zu ermöglichen. 1. D a s S o n n e n l i c h t . Die Sonne stellt eine runde leuchtende Scheibe dar. In dem Weltraum ändert sich die Lichtintensität ihrer Strahlung umgekehrt proportional dem Quadrate der Entfernung. An der Erdoberfläche sind die Entfernungsänderungen im Verhältnis zu der großen Entfernung der Sonne von der Erde derart geringfügig, daß die Strahlung als p a r a l l e l angenommen werden kann, was für praktische Zwecke von großem Vorteil ist.

Die Grundlagen der Versuchstechnik und Methodik.

103

Die Lichtstärke des Sonnenlichtes ist auch sehr groß und beträgt an der Oberfläche der Erde bei Zenitstellung etwa 100000 MeterHefnerkerzen. Nach L e o n h a r d W e b e r (Kiel) ist die Stärke für die ganze Erde und für das ganze Jahr gleich 116800000 StundenMeter-Hefnerkerzen. Die Solarkonstante nach A b b o t 1 ist gleich 1-932 Cal. cm2 min. Nach den letzten Messungen von M o o r e 2 ist sie gleich 1*951. Das Sonnenspektrum erstreckt sich bis zu 290 nn auf den höchsten Bergen (etwa bei 4500 m); an der Erdoberfläche erstreckt sich praktisch das Spektrum bis zu 300 und enthält viel Wärmestrahlen. Wie zu ersehen ist, fehlt im Sonnenlicht der äußerste ultraviolette Teil vollständig, und darum sind wir gezwungen, zu künstlichen Lichtquellen zu greifen. Die technisch-photochemische Verwertung des Sonnenlichtes bildet die Frage der nächsten Zukunft. Für wissenschaftliche, quantitative Untersuchungen ist diese Lichtquelle unbrauchbar, weil ihre Lichtintensität von sehr vielen Faktoren, wie Bewölkung des Himmels, Zustand der Atmosphäre, Jahres- und Tageszeiten in hohem Grade abhängig ist. Für das praktische Leben hat das Sonnenlicht eine enorme Bedeutung, denn das Licht bedeutet das Leben. Es ist von Interesse, sich einen Begriff zu machen über die Größe der auf die Erdoberfläche auffallenden Sonnenenergie und über den Teil, der mit Hilfe der Pflanzen in die chemische Energie verwandelt wird. Die ersten Versuche der zahlenmäßigen Bestimmungen des Ausnutzungsfaktors wurden von P f e f f e r 3 gemacht, indem er die auf 1 cm2 der Blattoberfläche pro Sekunde auffallende Strahlungsenergie in Kalorien ausdrückte, und mit der Verbrennungswärme der während dieser Zeit gebildeten Stärke verglich. Derselbe ergab 0,7 °/0. H . B r o w n 4 hat dieselben Versuche exakter ausgeführt, indem er nur das von Chlorophyll absorbierte Licht in Betracht nahm, die C0 2 -Absorption bestimmte und rechnete sie in Hexose um, deren Verbrennungsw.ärme er = 3760 g cal. annahm. 1 cm 2 C0 2 entsprach 5,02 cal. Die Gesamtstrahlung maß er mit der Thermosäule. Der Ausnutzungsfaktor wurde von ihm gleich 4,1 °/0 gefunden. Da aber von der Gesamtstrahlung nur 4,2 °/0 photochemisch verwertet wird, so folgt daraus, daß der Ausnutzungsfaktor gleich 98 °/0, d. h. daß fast die ganze' vom Chlorophyll absorbierte Lichtenergie von ihm photochemisch ausgenutzt wird. ' A b b o t , Annal. astroph. Observ. 3. S. 134 (1913). M o o r e , Naturw. S. 230 (1919). 3 P f e f f e r , Edera Photochemie (1906). 4 H. B r o w n , Escombc Phil. Trans. Eoy. Soc. 193. S. 223 (1900). — Proc. Roy. Soc. 76. S. 29 (1905). 2

104

Theorie und Praxis der photochemischen Kinetik, Katalyse UBW.

T i m i r i a s e f f 1 hat für die Ausnutzung 30°/0 gefunden; er hat aber seine Versuche mit den alkoholischen Lösungen von Chlorophyll gemacht, was selbstverständlich unzutreffend ist. S c h r o e d e r 2 hat Berechnungen angestellt, wieviel Kohlenstoff in den Pflanzen, die die Erdoberfläche bedecken, gebunden ist, und wieviel Kohlensäure durch das Licht zerlegt und durch die Pflanzen assimiliert wird. Er ist zu folgenden Resultaten, die in den Tabellen 12, 18 wiedergegeben sind, gekommen: Tabelle 12. Die Zahlen bedeuten Billionen Kilogramm. Kohlenstoff j Wald . . . ! Kulturland Steppe . . . Ödland . . .

11 4

23 9

! i

1,1 0,2

Mittel ;

j CO, .erlegt

j

40 14 4

0,5

16,3

35,00

58,9

Der Kohlenstoffgehalt in organischen Substanzen wird durchschnittlich gleich 45°/0 genommen. Das Meerinnere enthält etwa 0,5. Das Luftmeer enthält 2100 Billionen kg C0 2 , d. h. daß VS5 davon von den Pflanzen mit Hilfe des Lichtes verwertet wird. Der Atmungsprozeß der Pflanzen erfordert ungefähr 10° 0 von ihrem C-Gehalt. Die 1,6 Milliarden Menschen, die die Erde bewohnen, atmen etwa 0,5 Billionen kg C0 2 aus (jeder Mensch atmet täglich etwa 900 g C0 2 aus). Wenn wir den Gehalt des Kohlenstoffs in den CO,-Wert umrechnen. so erhalten wir für: Tabelle 13. CO, Bill, k Wald . . Holz . . Kulturland Steppe . Ode . .

1 1

. . . . .

. . . .

60 1000 28 8 2

Mittel

1098

T i m i r i a s e f f , Proc. Koy. Soc. 71. S. 449 (1903i. H. S c h r o e d e r , Naturwissenschaften 7. S. 25 (1919>.

Die Grundlagen der Versuchstechnik und Methodik.

105

d. Ii. der Kohlenstoff in gebundenem Zustande auf der Erdoberfläche 5 0 % v o n dem Luftmeergehalt ausmacht. Rechnen wir den von S c h r ö d e r angegebenen Betrag der C0 2 , der in Form von Pflanzen und Holz die Erde bedeckt und gleich 1100 Billionen kg C0 2 oder 300 Billionen kg C ist, in kleinen Kalorien um, so erhalten wir, da die Verbrennungswärme von 1 g C gleich 8000 cal. ist, den Wert 2,4-10 1 8 cal. 1 Der ganze Gehalt des Luftmeeres an C0 2 ist zweimal so groß und erfordert für seine vollständige Dissoziation etwa 5-10 1 8 cal. Der Boden enthält etwa 8000 Bill, kg C, was einer Energie von 24.10 1 8 cai. entspricht. Wie zu ersehen ist, ist der Betrag an freier Kohlensäure, der uns noch zur weiteren Ausnutzung zur Verfügung steht, gar nicht groß. Wäre kein Ersatz vorhanden, so würde diese Kohlensäuremenge von den Pflanzen in etwa 30 Jahren verbraucht. Wir können die Ausnutzung mehrfach vervielfältigen, indem wir durch intensiver getriebene Land- und Waldkultur und möglicherweise durch Veränderung der Assimilationsbedingungen, wie z. B. durch Verbreiterung des Empfindlichkeitspektralbereichs, erzielen. Aber wie gesagt, wir haben hier eine bestimmte Grenze, die in dem verhältnismäßig geringen Gehalte der Kohlensäure in der Luft liegt und die wir nicht überschreiten können. Eine geringe Vergrößerung der Ausnutzung wäre noch auf die Weise denkbar, daß man das Pflanzenwachstum beschleunigt und auf diese Weise den Jahresumsatz der Ernte vergrößert. Dies ist aber von klimatischen Verhältnissen derart abhängig, daß wohl kaum auf diesem Wege nennenswerte Erfolge zu erzielen seien. Das Problem der Vergrößerung der Ausnutzung der Sonnenenergie durch Hebung der Agrikultur ist sehr schwierig und wird wohl noch viel Zeit in Anspruch nehmen, bis es einigermaßen befriedigend gelöst wird. Viel leichter und aussichtsvoller scheint der technische Weg der Ausnutzung der Lichtenergie durch fabrikmäßige Herstellung verschiedener energiereicherer oder überhaupt wirtschaftlich wichtiger Körper auf photochemischem Wege. 1 Es ist zu bemerken, daß die Verbrennungswärme der Pflanzenprodukte eine geringere ist und im Durchschnitt etwa gleich der Verbräunungswärme der Stärke = 4000 cal. pro 1 g ist. Ebenso geringer ist auch die Verbrennungswärme der verschiedenen Kohlensorten, die man im Erdboden findet. Da es sich bei diesen Überschlagsrechnungen nur um die Größenordnung handelt, so wurde einfachheitshalber alles auf reine Kohle berechnet.

106

Theorie und Praxis der photochemiselien Kinetik, Katalyse usw.

Es ist deshalb von Interesse, um sich einen Begriff über die Größe der uns zur Verfügung stehenden Sonnenenergie, die auf die Erdoberfläche gelangt, zu machen, eine kurze Überschlagsrechnung auszuführen. Nach S c h r o e d e r ist die gesamte von der Sonne ausstrahlende Energie gleich 3 • 10 30 cal. pro Jahr. Auf die Erde fällt davon 1,34-10 2 1 cal. Ein Teil von diesem Energiebetrag wird zur Wasserverdunstung (0• 34-10 21 , also etwa 25°/ 0 ) verwendet und -wird der Atmosphäre bei Wasserbildung zurückgegeben. Ein anderer, der größere Teil, wird von der Atmosphäre absorbiert oder zurückgestrahlt, und nur 0-16-10 1 8 cal., also etwa 0-01 °/0 werden von den Pflanzen auf dem Festlande, das etwa der Erdoberfläche ausmacht, assimiliert. Von diesem geringen Teile wird von den Menschen und Tieren für ihre Lebensunterhaltung wieder nur ein geringer Teil verwendet. Praktisch kann man sagen, daß fast die ganze Sonnenenergie uns zur weiteren Ausnutzung zur Verfügung steht. Es ist selbstverständlich, daß von einer vollen, restlosen Ausnutzung des ganzen Energiebetrages keine Rede sein kann; aber •wenn es auch gelingen würde, nur 1 / 10 von der Energiemenge, die auf das Festland niederströmt, in Form von Naturprodukten und technischer Fabrikate wirtschaftlich zu verwerten, so würde das eine der gewaltigsten wissenschaftlichen und technischen Leistungen und auf die kulturelle Entwicklung der Menschen von enormer Bedeutung sein. Die Hauptliteraturquellen zu dieser Frage: L i e b i g , Die Chemie in ihrer Anwendung usw. Bd. I (1862). A r r h e n i u s , Werden der Welten (1908). C i a i n i c i a n , La Fotocliimica dell' Avenire, Bologna, (1913). E b e r m a y e r , Physiologie der Pflanzen (1882). M a y e r , Agrikulturchemie (1905). S c h r ö d e r , Naturwissenschaften 7. S. 8, 23 u. 976 (1919). H e r t z s p r u n g , Zeitschr. f. wiss. Photogr. III. S. 173 (1905). W e i g e r t , Handb. d. anorg. Chem. v. Abbeg III. 2. Teil. S. 174 (1909).

2. Punktförmige Lichtquellen. Streng genommen besitzen wir keine punktförmigen Lichtquelle^ sondern sie stellen immer eine mehr oder weniger große leuchtende Scheibe von unregelmäßiger Form dar. Von einer bestimmten Entfernung angefangen, können diese praktisch als punktförmig angesehen werden, und dann ändert sich bekanntlich die Lichtintensität umgekehrt proportional dem Quadrate der Entfernung.

Die Grundlagen der Veivuchatechnik und Methodik.

a) F u n k e n - und M e t a l l b o g e n l i c h t . Wird zwischen zwei Metallelektroden ein kräftiger Funkenstrom durchgeleitet, so erhält man ein intensives, an ultravioletten Strahlen sehr reiches Licht, das ein Linienspektrum der betreffenden Metalle darstellt. Das Funkenlicht nähert sich seiner Konstruktion nach am meisten einer punktförmigen Lichtquelle; es ist, wie gesagt, reich an ultravioletten und arm an Wärmestrahlen, was für photocheniische Zwecke von besonderer Bedeutung ist. Auch die Intensitätsverteilung ist eine derartige, daß das Maximum der Lichtintensität im äußersten Ultraviolett liegt. Läßt man aber einen Gleichstrom durch, so erhält man ein Metallbogenlicht, das wiederum das Spektrum der verwendeten Metalle ausstrahlt. Im Bogen werden die Metalldämpfe zum Glühen gebracht, was sie zur Lichtemission zwingt; zu gleicher Zeit wird auch ein schwaches kontinuierliches Spektrum emittiert. Die Stromstärke beträgt 5 bis 15 Ampere; Wechselstrom kann nicht verwendet werden, weil die Lampe darunter nicht brennen kann. Als Elektroden für diese Lichtquellen werden benutzt: Eisen, Kupfer, Silber, Ag + Cd-Legierung, Zn, AI, usw. und verschiedene Kombinationen dieser Metalle miteinander.

Z9a7

Durch besondere Kunstgriffe kann man genügend konstantes Licht erzeugen. Bei Beleuchtung großer Flächen wird die Verteilung der Lichtintensität auf denselben keine gleichmäßige sein, weil die Lichtquelle punktförmig ist. Diese Lichtquelle hat große Verwendung bei spektrophotographischen Aufnahmen erhalten. In der a™ Fig. 8 ist eine Abbildung von Kupferspektrum gegeben, das einen großen Linienreichtum zeigt. b) K o h l e n b o g e n l i c h t . Leitet man einen elektrischen Strom zwischen Kohlenelektroden, so erhält man ebenfalls einen Bogen, der aber von Metallbogenlicht sieh ein wenig unter- ••« scheidet. Dies rührt daher, weil Kohle ein sehr temperaturbeständiger Körper ist. Es ist noch nicht

Fig. 8.

108

Theorie und Praxis der photocliemischen Kinetik, Katalyse usw.

gelungen, die Kohle zum Schmelzen zu bringen, sondern nur zum Erweichen (Plotnikow 1 ). Aus diesem Grunde können wir durch Kohlenelektroden sehi starke elektrische Ströme durchschicken und auf diese Weise sehr hohe Temperaturen erreichen. Als Folge davon ergibt sich eine sehr starke Erhitzung der Kohlenelektroden, bis etwa 4500°, die ihrerseits mit einer starken Temperaturstrahlung verbunden ist. Da die Kohle einen schwarzen Körper darstellt, so erhalten wir auf diese Weise eine intensive Temperaturstrahlung in der Form eines kontinuierlichen Spektrums. Der Bogen selbst, der ans glühenden Gasen (CO.,. CO, N s , 0 2 , u. a.) besteht, sendet ein verhältnismäßig schwaches diskontinuierliches Spektrum aus. Die Lichtintensitätsverteilung ist die folgende: die positive Kohle sendet 85 °/ 0 , die negative 10°/ 0 aus, auf den Bogen selbst fällt nur 5°/ 0 von der Gasamtstrahlung (s. Fig. 9). Auch die Temperaturverteilung ist eine verschiedene, nämlich: die positive besitzt etwa 4300°, negative etwa 3600° und der Bogen etwa 4500°. Die allgemeine Lichtstärke beträgt etwa 4000 H.-K.; dieselbe ist abhängig von der Kohlensorte, ihrer Dimensionen, der Strom stärke und insbesondere von den Metallsalzzusätzen. Durch letztere kann man die LiclitFix. 9. intensität bis auf etwa 80000 Hefnerkerzen bringen. Das reine Kohlenbogenlicht sendet viel Wärmestrahlen, sichtbare und ultraviolette Strahlen bis etwa 300 |u/< aus. Also der Zusammensetzung nach ist das Kohlenbogenlicht dem des Sonnenlichtes weitgehend ähnlich, auch die Lichtintensitätsverteilung ist annähernd dieselbe. Fügt man aber dem Bogen Metallsalze hinzu, so wird der ultraviolette Teil des Spektrums stark vergrößert. Näheres über die Eigenschaften des Kohlenbogenlichtes findet man in der photochemischen Versuchstechnik des Verfassers, Leipzig (1912). Wie aus der Fig. 9 zu ersehen ist, stellt das Kohlenbogenlicht keine punktförmige Lichtquelle dar, sondern es. ist eine längliche Scheibe, deren oberer Teil das stärkste, die Mitte das schwächste Licht aussendet. Demzufolge ist auch die Lichtverteilung im Räume eine kompliziertere. Von einer bestimmten Entfernung an wird sich 1

(1919).

P l o t n i k o w , Physikal. Zeitschr. 19. S. 520(1918); Prometheus 80. S. 361

Die Grundlagen der Versuchstechnik und Methodik.

109

praktisch die Lichtintensität umgekehrt proportional dem Quadrate der Entfernung verändern. In der Nähe der Lichtquelle gestalten sich die Verhältnisse komplizierter, und eine gleichmäßige Beleuchtung einer größeren Oberfläche oder längeren Rohres ist schwer zu erzielen. Die Selbstregulierlamp.en ergeben für eine bestimmte Zeitdauer eine verhältnismäßig gute Konstanz der Intensität Für streng quantitative Messungen ist auch diese Lichtquelle nicht brauchbar, dafür ist sie für die qualitativen Versuche verschiedenster Art sehr geeignet, besonders bei Verwendung starker Lichtintensitäten. Auch das Fehlen des äußersten Ultravioletts macht sich bei photochemischen Arbeiten unangenehm bemerkbar.

c) D a s G l ü h l i c h t . Das Glühlicht wird auf die Weise erzeugt, daß man den elektrischen Strom durch dünne feste Stäbe oder Drähte hindürchschickt; sie werden durch die J o u l e s c h e Wärme zum Glühen gebracht und senden helles Licht aus. Meistens werden zu diesem Zwecke die Metalldrähte verwendet, und die sog. Glühlampen erfreuen sich in der Beleuchtungstechnik großer Verbreitung. Sie senden verhältnismäßig wenig Wärmestrahlen und wenig ultraviolette Strahlen aus und brennen mit großer Konstanz; das Spektrum ist kontinuierlich. Die Form der Lichtquelle ist sehr verschieden und besitzt meistens eine ganz unregelmäßige Gestalt. Von bestimmten Entfernungen an ändert sich die Lichtintensität umgekehrt proportional dem Quadrate der Entfernung. Diese Lichtquellen sind verhältnismäßig lichtschwach und für die chemische Lichteinwirkung unbrauchbar; aber sie sind für optische Untersuchungen, wo sie auch eine Verwendung finden, sehr geeignet. Nimmt man Btatt Metallfadenstifte Stifte aus der Nernstmasse (Thoriumoxyd 99,1 °/0, Ceriumoxyd 0,9 °/0), so erhält man auch eine intensive Lichtquelle, die kein ultraviolettes Licht, aber viel Wärmestrahlen aussendet. (Die Temperatur ist etwa 2000°). Würden die Nernstlampen keine Wärmestrahlen aussenden, so würden sie als ideale Lichtquelle zu betrachten sein, da sie die ganze zugeführte Energie in die sichtbare verwandeln, und somit den größten Nutzeffekt im Sinne der Lichtverwertung ergeben. Die Lichtintensitätskonstanz dieser Lichtquelle ist eine gute; die Lichtintensität ist auch eine bedeutende, sie beträgt etwa 400 Hefnerkerzen.

HO

Theorie und Praxis der photochemischen Kinetik, Katalyse usw.

Diese Lichtquelle findet ergiebige Verwendung bei optischen Messungen, sowie bei photochemischen Arbeiten, wo es sich ausschließlich um die Verwertung des sichtbaren Lichtes handelt. 3. Leuchtende Bänder. Ein Ideal einer linienförmigen Lichtquelle wäre ein leuchtender Faden von großer Leuchtintensität und gewünschter Lichtzusammensetzung; wir besitzen aber derartige Lichtquellen nicht, denn die Metallfadenlampen können keine große Strombelastung vertragen und demzufolge besitzen sie auch keine große Leuchtkraft. In der letzten Zeit sind Lichtquellen in den Handel gebracht, die leuchtende Bänder von sehr großer .Leuchtkraft darstellen. Dieselben ergeben vom photochemischen Standpunkte aus so viel Vorzüge, daß sie sich einer großen Verbreitung erfreuen und für quantitative photochemische Messungen besonders geeignet sind. Das sind die sogenannten Quecksilberdampfbogenlampen, zu deren Beschreibung wir jetzt übergehen. Die Verwendung des Quecksilberdampfes zu Leuchtzwecken beruht auf seiner Eigenschaft, durch einen G l e i c h s t r o m zum Leuchten gebracht zu werden; wir erhalten, mit anderen Worten, einen leuchtenden Quecksilberdampf bogen, der beliebig lang gemacht werden kann. Der Bogen brennt aber nicht im Freien, sondern ist in einen Mantel gehüllt. Je nach der angewandten Glassorte unterscheidet man: 1. einfache Glaslampen, 2. Uviollampen und 3. Quarz- oder Bergkristallampen. a) U v i o l l a m p e n und G l a s l a m p e n . Diese beiden Lampentypen unterscheiden sich nur dnrch die angewandten Glassorten. Die Uviollampen werden aus dem sogenannten Uviolglase (verkürzt vom Ultraviolettglase), das bis zu der

s

I

1

Fig. 10.

+

Wellenlänge 250 uft durchlässig ist, und die anderen aus dem gewöhnlichen Glase, das bis zu 300 fifi durchlässig ist, angefertigt; im übrigen ist die Konstruktion genau dieselbe. Die äußere Form der Lampen ist in der Fig. 10 abgebildet. Sie besteht aus einem Glasrohr, das nach Wunsch mehrere Meter lang sein kann; die obere positive Elektrode ist aus Kohle und die

Die Grundlagen der Versuchstechnik und Methodik.

111

untere aus Platin hergestellt. Die untere bleibt während der Brenndauer mit Quecksilber bedeckt Diese Lichtquelle stellt somit ein langes leuchtendes Band von etwa 3 cm Breite dar. Versuchen wir in elementarer Form das Entfernungsgesetz für diese Lichtquellenform abzuleiten.1 Nach dem Lambertschen Gesetze bedingt ein leuchtendes Flächenelement d S , das unter dem Winkel 2 g e g e n die Normale Licht ausstrahlt, gegen ein Flächenelement ds unter dem Einfallswinkel a, in der Entfernung r, die Beleuchtungsstärke di: (a)

J"cos "2 — d S cos a • d s d ii — r*

worin J die vom leuchtenden Element senkrecht ausgestrahlte spezifische Intensität bedeutet, d. h. das Verhältnis der in einen unendlich kleinen Raumkegel ausgestrahlten Lichtenergie zum — Offnungswinkel diesesRaumkegels. Dieses Gesetz läßt sich ein- d S facher aussprechen, wenn man den unendlich kleinen RaumFig. Ii. winkel dro einfährt, unter dem, "von einem Punkt P des bestrahlten Flächenelements ds aus, das leuchtende Element d S gesehen wird. Nach Fig. 11 ist nämlich: > d S cos ] = J0[l - i - t M - v n V * ' - ? J .

(45)

Die gesamte Lichtabsorption in den Grenzen von + R bis — R ist gleich: + n A= f j 0[ 1 - e '; " ~»*]dy r. oder a A = 2 J0J [1 - e - i m - ^ V v ^ l d y o oder .-r/2

A = 2J0R ß 1 - e-2i(»-*)Ä.in¥>] 8 i n ( p d f . 0 W i r können das Integral in folgender Weise ausdrücken: jr/2 .-i /2 ,i/2 2i J[1 — e~ "' - ä »iu sj n rpdtp = J*sill rpdrp — J s i n rp 0 .1/2

(46)

qp.

ti/2

^Jsin (p d tf = I — cos ].

Da die Schichtdicke p sehr klein ist, so kann eine Reihenentwicklung vorgenommen werden, wobei man sich mit dem ersten Gliede der Reihe begnügt. Wir erhalten dann die bekannte vereinfachte Formel: oder

Vdib-x) dt

= KJ0Sip{b

d(b — x) = b- x

- x)

KJAdt. 0

Die mathematische Theorie der photochemischen Kinetik uaw.

159

Die Integrierung ergibt uns die logarithmische Linie In6,—

oder

= -

b

KJ011

b — x = b e~

(50)

kJt'1

oder iL = 1 _

e-fcJi".

(51)

Ist auch i klein, so kann man wieder eine Reihenentwicklung vornehmen, und wir erhalten dann: y = K i J

0

(52)

t

d. h. daß das Verhältnis der Konzentration des neu gebildeten Stoffes zu der Anfangskonzentration — proportional dem Produkte aus der Lichtintensität und der Zeit ist. Am praktischsten ist die Berechnung pro Flächeneinheit auszuführen. Das Produkt J01 wird unberechtigterweise auch als Lichtmenge bezeichnet. Ist dagegen die Lichtabsorption sehr groß, so können wir, ungeachtet des kleinen Wertes von p, die Funktion e~ 'p,b ~ x> = 0 setzen, und erhalten dann Vd(b

Tt

- x)

==KJos

Vb ist bekanntlich die Anfangsstoffmenge M, Vx = y die gebildete Stoffmenge. Nach der Integrierung erhalten wir: y = KSJ0t,

(53)

d. h., daß die gebildete Stoffmenge proportional der wirklichen Lichtmenge ist. Wir erhalten eine lineare Gleichung von der einfachsten Form. In der Praxis können aber verschiedene Störungen in Gestalt von Trübungs- und Zerstreuungserscheinungen, Undurchsichtigwerden, Reflexion, usw. auftreten, die diesen einfachen Verlauf mitunter stark verändern. Es wird wohl in den meisten Fällen schwierig sein, alle diese störenden Einflüsse theoretisch zu fassen, und man wird gezwungen sein, dieselbe auf empirischem Wege zu ermitteln. Wir können uns auch eine Zirkulation oder ein Durchfließen des Reaktionsgemisches, das an irgend einer Stelle beleuchtet wird, vorstellen. Überwiegt die Licht-Reaktionsgeschwindigkeit, so wird das Reaktionsgemisch stark verändert. Überwiegt die Durchfließgeschwindigkeit, so erfährt das Reaktionsgemisch nur eine geringe Änderung. Diese Erscheinungen können in tierischer und Pflanzen-

160

Theorie und Praxis der photochemischen Kinetik, Katalyse usw.

weit auftreten und ihr näheres Studium wäre deshalb von Interesse. In der Praxis hat man mit diesen Fällen häufig zu tun. Eine derartig dünne lichtempfindliche Lamelle mit geringer Lichtabsorption stellt uns die photographische Platte dar. Verliefe die Silbersalzzersetzung normal, so müßte unter allen Umständen die gebildete Silbermenge der Lichtmenge Jt proportional sein. Bekanntlich gilt diese einfache Beziehung nur für bestimmte Grenzen. Die oben erwähnten Nebenerscheinungen, zu denen noch der sekundäre Prozeß der Entwicklung mit allen seinen Eigentümlichkeiten hinzukommt, tragen dazu bei, daß der Verlauf der Schwärzung von der einfachen linearen Richtung stark abweicht. Einen anderen Fall der dünnen Lamellen, aber mit sehr starker Lichtabsorption, stellen uns die grünen Blätter dar, weil das photothemisch aktive Chlorophyll eine derart starke Lichtabsorption besitzt, daß schon in sehr dünnen Schichten eine vollständige Absorption der aktiven Strahlen eintritt, und die zersetzte COa-Menge 13t auch Jt- der absorbierten Lichtmenge — proportional. 11. Filterwirkung. Unsere bisherigen Ableitungen fußten auf der Annahme, daß der sich bildende Stoff gegenüber dem einwirkenden Lichte farblos erscheint, und somit optisch keine Hindernisse in den Weg stellt. In der Praxis hat man aber auch mit Fällen zu tun, bei denen der sich bildende Körper ebenfalls gefärbt ist und dabei das einwirkende Licht absorbiert, oder man ist gezwungen, in das Keaktionsgemisch andere Stoffe einzuführen, die ebenfalls die aktiven Strahlen absorbieren. In beiden Fällen wird das aktive Licht geschwächt, und demzufolge der Reaktionsverlauf stark beeinflußt. Es handelt sich nun darum, diesen veränderten Reaktionsverlauf zu bestimmen. Die Lichtfilterwirkung kann durch zweierlei Form geschehen und zwar durch 1. äußere Filter, 2. innere Filter. Bei den äußeren Lichtfiltern befindet sich die lichtabsorbierende Lösung in dem äußeren Mantelgefäße und ergibt eine reine Schichtwirkung. Bei inneren Lichtfiltern wird der Absorbens in das Reaktionsgemisch selbst eingeführt, kann aber mitunter auch an der Reaktion teilnehmen, oder dieselbe katalytisch beeinflussen. Betrachten wir die beiden Fälle näher.

Die mathematische Theorie der photochemischen Kinetik usw.

|#1

1. Ä u ß e r e L i c h t f i l t e r . Bezeichnen wir die Schichtdicke des Mantelgefäßes durch ¡^, die Konzentration des angewandten lichtabsorbierenden Körpers durch a, seine Absorptionskonstante durch iy Dann wird das einfallende Licht von J„ bis JPi geschwächt, wobei JP = . V e - " " " ist. In das Reaktionsgemisch tritt das Licht mit der Intensität J;)| ein, und demzufolge erhält die Reaktionsgeschwindigkeitsgleichung folgende Gestalt: •-

= K J 0 Se~ ' > . « [ 1 - e~ •>("

'>] •

(54)

Diese Gleichung ist nur in dem Falle gültig, falls die Lichttiltersubstanz im Lichte keine Veränderung erleidet. Ist das aber der Fall, so muß in die obere Gleichung, statt a, a -y eingesetzt werden, wo y die Konzentration des sich bildenden Körpers bei der Filtersubstanz bedeutet. Erfolgt ein Ausbleichen der Lichtiiltersubstanz, so wird das auf die Lichtreaktion einwirkende Licht immer stärker und ruft dementsprechend eine Vergrößerung der Reaktionsgeschwindigkeit hervor. Dies Anwachsen erfolgt aber bis zu einem gewissen Maximum; von da ab erfolgt aber ein stetiges Abfallen der Reaktionsgeschwindigkeit. Da diese komplizierten Fälle in der Praxis wohl kaum eintreten, so kann die nähere theoretische Bearbeitung derselben hier unterbleiben. 2. I n n e r e L i c h t f i l t e r . a) K o n s t a n t e L i c h t f i l t e r . Bringen wir die Filtersubstanz in das Reaktionsgemisch ein, so erscheint der Reaktionsverlauf, wie wir sogleich sehen werden, viel komplizierter. Der Grund liegt darin, daß das einfallende Licht von beiden Körpern — der photochemisch aktiven Komponente und dem Lichtfilterkörper absorbiert und zwischen ihnen verteilt wird. Die Aufgabe besteht darin, den Teil, der vom photochemisch aktiven Körper absorbiert wird, zu bestimmen. Haben wir ihn bestimmt, so können wir auch die Reaktionsgeschwindigkeitsgleichung aufstellen. Bezeichnen wir durch A das von der photochemisch aktiven Komponente absorbierte Licht, das gleich: A = ./ n [l - t- ' X 6 " •*>] ist.

JJI o t ni k o w, Ix'brbuch der Fhotoeheiui«-

11

162

Theorie und Praxis der photochemischen Kinetik, Katalyse uaw.

Durch Ä das von der Lichtfilterlösung absorbierte Licht, das gleich ist (i1 bedeutet die entsprechende Absorptionskonstante und a die Konzentration). Vermischen wir diese beiden Körper, so erhalten wir eine größere Absorption, als es den beiden Körpern einzeln entspricht. Besäße die Lichtabsorption eine summierende Eigenschaft, so wäre die Gesamtabsorption gleich e~ 'X

fc

- *)] .

In der Tat ist aber die Gesamtabsorption

1

gleich:

A + Aj = J 0 [ 2 -

e~

A0 = . / J l _ e~

-

•>(» -») ] ,

(55) (56)

von der ein Teil auf den photochemisch aktiven Körper fällt. Jetzt müssen wir die Verteilung des gesamten absorbierten Lichtes auf die beiden Bestandteile bestimmen. Bezeichnen wir das vor dem ersten Bestandteile — der photoaktiven Komponente — absorbierte Licht durch q, und das von dem Lichtfilter absorbierte durch qi und geschehe die Lichtabsorption additioneil, so müßte der erste Bestandteil gleich A und der zweite gleich Al bleiben. Da aber beim Vermischen die Lichtabsorption durch die Gleichung (56) und nicht durch die (55) wiedergegeben wird, so wird auch q nicht gleich A und qi nicht gleich Ax sein, sondern wir erhalten folgende Verhältnisse: 2

W

und

Dementsprechend folgende Gestalt:

erhält

die

Reaktionsgeschwindigkeitsgleichung

1

Die Ableitung dieser Formel ist die folgende: Haben wir 2 absorbierende Körper mit den Konzentrationen