Leggere la «Vita Nuova»: Zur handschriftlichen Überlieferung und literarischen Rezeption der «Vita Nuova» von Dante Alighieri im Trecento 9783110620504, 9783110617603

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Leggere la «Vita Nuova»: Zur handschriftlichen Überlieferung und literarischen Rezeption der «Vita Nuova» von Dante Alighieri im Trecento
 9783110620504, 9783110617603

Table of contents :
Danksagung
Abkürzungsverzeichnis
Bildnachweis
Abbildungsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Incipit: Einleitung
1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen
2 Maggiori Paragrafi
3 Die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert – Anfänge und erste Überlieferung
4 Sotto una rubrica
5 Explicit und abschließende Bemerkungen
6 Literaturverzeichnis
Personenindex
Sachindex

Citation preview

Myrtha de Meo-Ehlert Leggere la Vita Nuova

Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie

Herausgegeben von Éva Buchi, Claudia Polzin-Haumann, Elton Prifti und Wolfgang Schweickard

Band 428

Myrtha de Meo-Ehlert

Leggere la Vita Nuova Zur handschriftlichen Überlieferung und literarischen Rezeption der Vita Nuova von Dante Alighieri im Trecento

ISBN 978-3-11-061760-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-062050-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-061780-1 ISSN 0084-5396 Library of Congress Control Number: 2020934025 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum. Alanus ab Insulis für Andrea, Elena und Tancredi

Danksagung Diese Arbeit hätte nicht ohne die wohlwollende Unterstützung und den wissenschaftlichen Austausch mit meinem geschätzten Lehrer, Thomas Ricklin, durchgeführt werden können. Ich möchte ihm an dieser Stelle für seine Ratschläge, Geduld und die wissenschaftliche Freiheit, die er mir eingeräumt hat, danken. Mein Dank gilt auch meinem Doktorvater, Professor Florian Mehltretter, der das Promotionsvorhaben, nach dem verfrühten Tod von Professor Ricklin, unvermittelt weiter betreut und unterstützt hat. Professor Loris Sturlese hat die Arbeit durch seine vorausschauenden Hinweise zur Handschriftenbeschreibung bereichert, wofür ich ihm danken möchte, wie auch für die langjährige institutionelle Unterstützung und die freundliche Aufnahme in Lecce. Ich danke dem Seminar für Geistesgeschichte und Philosophie der Renaissance der Ludwig-MaximiliansUniversität für die Anschaffung von Reproduktionen der Handschriften ms. Toledo 104,6, ms. Riccardiano 1050, ms. Verona 445, ms Moreni 214 und der Edition von 1576. Dem Dipartimento di Studi Umanistici der Università del Salento und Professor Loris Sturlese gilt mein besonderer Dank für die großzügigen Reisekostenzuschüsse und für den Erwerb einer Reproduktion von ms. Riccardiano 1100. Durch die große Forschungsfreiheit, die mir Thomas Ricklin und Loris Sturlese während der Jahre meiner gleichzeitigen Anstellung als Early Stage Researcher im Marie Curie Initial Training Network «Mobility of Ideas and Transmission of Texts. Vernacular Literature and Learning in the Rhineland and the Low Countries (1300–1550)» ließen, und dank des großzügigen Gehaltes als Marie Curie Early Stage Researcher konnte ich lange Forschungsaufenthalte in Florenz (September–Dezember 2010; Oktober–Dezember 2011; April–Mai 2012; Oktober–Dezember 2012), Rom (Sommer 2010), Pisa (Dezember 2012), Oxford (März 2011), Brüssel (November 2011) selbst finanzieren. Während meiner Forschungszeit am Istituto Italiano per gli Studi Storici konnte ich zwischen 2013 und 2015 Forschungsreisen zur Untersuchung der jüngeren Handschriften nach Florenz, Venedig (November 2014) und Mailand (Dezember 2014) sowie Rom (Juli 2014) unternehmen, welche dem Zweck der Identifikation der Handschrift, die zur Drucklegung des Textes 1576 durch Bartolomeo Sermartelli hinzugezogen wurde, dienten. Ich möchte hier Anna Trama, der Bibliothekarin des Istituto Italiano per gli Studi Storici, für ihre Bemühungen danken, meine Bücherwünsche zu erfüllen und die wissenschaftliche Dokumentation aus den verschiedensten Bibliotheken im In- und Ausland zu besorgen. Ich danke Professor Giorgio Inglese für seine philologischen Ratschläge und dottoressa Michelangiola Marchiaro für die freundliche Unterstützung bei der Identifizierung und Datierung der verschiedenen Schreiberhände. Meinen Kolleginnen, Susanne Zwirlein und Racha Kirakosian, möchte ich für die vielen Anregungen in unseren Gesprächen in Lecce und https://doi.org/10.1515/9783110620504-202

VIII

Danksagung

Oxford danken, die die z. T. mühsame und langwierige Arbeit an den Handschriften verkürzt hat. Meinen Münchner Kollegen und Kolleginen danke ich für den wissenschaftlichen Austausch, der gerade zu Beginn der Forschung sehr intensiv war und den ich während meiner einzelnen Stationen im Ausland vermisst habe. Viel Geduld und Fleiß mussten meine Freunde aufbringen, die einzelne Kapitel Korrektur gelesen haben: ich danke insbesondere Katerina Rempe und Annika Willer, Beliardis Ehlert und meiner Mutter Brigitte für die Anmerkungen und Mühe. Ich danke Piera und Enrico für ihre Gastfreundschaft in Mailand, Alessandro und Camilla für die Zeit in Venedig, Swana für ihr stets offenes Haus in München und Annegret und Heike für die freundliche Bereitstellung eines Arbeitszimmers auf dem ostwestfälischen Land. Meinen Eltern und Schwiegereltern möchte ich für ihre Zeit und ihren Zuspruch danken, der mir in den z. T. schwierigen Arbeitssituationen sehr geholfen hat. Meinem liebsten Andrea, dem ich diese Arbeit widmen möchte, danke für seine Zuversicht und liebevolle Sorge, für seine Weitsicht und dafür, dass er diesen Weg mit mir gegangen ist. Elena Maria wartet darauf, dass ich ihr endlich das Buch zeige, an dem ich so lange geschrieben habe. Ihre Anteilnahme an den Problemen und Fragen, mit denen ich während meiner Arbeit konfrontiert wurde, waren z. T. sehr erheiternd. Ich danke den Herausgebern Prof. Dr. Claudia Polzin-Haumann und Prof. Dr. Dres. h.c. Wolfgang Schweickard für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe «Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie» und Frau Dr. Christine Henschel für ihre freundliche Unterstützung und aufmerksame Begleitung in allen verlegerischen Schritten. Ihnen allen gilt mein großer Dank.  





Foggia, 10. Oktober 2018

Abkürzungsverzeichnis BAV: BBod: BCT: BCTr: BCV: BL: BLM: BM: BNCF: BNCR: BR: BREsc: BSD: BTriv: UB:

Biblioteca Apostolica Vaticana, Roma Bibliothèque de la fondation Bodmer, Cologny Biblioteca Capitolare, Toledo Bibliothek des Karmelkonvents Santa Maria degli Angeli, Firenze Trespaniano Biblioteca Capitolare, Verona Oxford, Bodlean Library Biblioteca Medicea Laurenziana, Firenze Biblioteca Nazionale Marciana, Venezia Biblioteca Nazionale Centrale, Firenze Biblioteca Nazionale Centrale «Vittorio Emanuele II», Roma Biblioteca Riccardiana, Firenze Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial, Madrid Biblioteca della Società Dantesca Italiana, Firenze Biblioteca Trivulziana, Firenze Universitätsbibliothek

Folgende Handschriftenkürzel wurden im Text verwendet: B1 Ca Co Gc E K K2 L L2 L3 M Mc Mm2 Mm5 O R S To Ubaldini V Vat VnFt

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953 Trespaniano, Bibliothek des Karmelkonvents Santa Maria degli Angeli Cologny, Bibliothèque de la fondation Bodmer, ms. 131 Firenze, Biblioteca della Società Dantesca, ms. 4 (ehmals Ginori) Madrid, Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial, ms. III. E. 23 Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L VIII 305 Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176 Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. plut. 90 sup. 136 Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Banco rari 69 Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. plut. 40.46 Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Martelli 12 Venezia, Biblioteca Marciana, ms. it. IX 529 Bologna, Archivio di Stato, Archivio dell’Ufficio dei Memoriali 82 Bologna, Archivio di Stato, Podestà e Capitani, c. 375 Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Acquisti e doni 224 Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050 Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Magl. VI 143 Toledo, Biblioteca Capitolare, ms. 104, 6 Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 4036 Verona, Biblioteca Capitolare, ms. 445 Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Vat. lat. 3973 Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Fondo Tordi 339

https://doi.org/10.1515/9783110620504-203

Bildnachweis S. 96: S. 96: S. 97: S. 97: S. 98: S. 98: S. 100: S. 100: S. 100: S. 100: S. 100: S. 100: S. 101: S. 101: S. 101: S. 101: S. 101: S. 101: S. 101: S. 101: S. 101: S. 101:

Madrid, Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial, ms. III. E. 23, f. 74r° © Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 63v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Banco rari 69, f. 21r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 269v° © Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial Cologny, Fondation Martin Bodmer, Cod. Bodmer 131, f. 8r° © Fondation Martin Bodmer Cologny, Fondation Martin Bodmer, Cod. Bodmer 131, f. 144r° © Fondation Martin Bodmer Bologna, Archivio di Stato, Archivio dell’Ufficio dei Memoriali 82, c. 129v° © Archivio di Stato di Bologna Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Vat. lat. 3973, f. 99v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Madrid, Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial, ms. III. E. 23, f. 99r° © Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Martelli 12, f. 8r° © Biblioteca Medicea Laurenziana) Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Martelli 12, f. 12r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Martelli 12, f. 14v° © Biblioteca Medicea Laurenziana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 4036, f. 12r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 4036, f. 14r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 4036, f. 127v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L VIII 305, f. 1r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L VIII 305, f. 1v° © Biblioteca Apostolica Vaticana, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Acquisti e doni 224, f. 2r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Acquisti e doni 224, f. 2v° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Magl. VI 143, f. 4r° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Magl. VI 143, f. 5r° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Magl. VI 143, f. 19r° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze

https://doi.org/10.1515/9783110620504-204

XII

S. 102: S. 102: S. 102: S. 102: S. 102: S. 102: S. 102: S. 103: S. 103: S. 103: S. 103: S. 103: S. 103: S. 103: S. 103: S. 125: S. 127: S. 127: S. 154: S. 154: S. 154: S. 155: S. 155: S. 160: S. 160: S. 160: S. 160:

Bildnachweis

Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 1r° © Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 2r° © Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 5v° © Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 28r° © Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 1r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 13r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 24r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Verona, Biblioteca Capitolare, ms. 445, f. 1r° © Biblioteca Capitolare Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 1r° © Biblioteca Riccardiana Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 25r° © Biblioteca Riccardiana Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 27r° © Biblioteca Riccardiana Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. plut. 90 sup. 136, f. 1r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. plut. 90 sup. 136, f. 1v° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. plut. 90 sup. 136, f. 16r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. plut. 40.46, f. 1r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 63v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 4076, 1r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 4077, 1r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Martelli 12, f. 25r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 4036, f. 61r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Cologny, Fondation Martin Bodmer, Cod. Bodmer 131, f. 2v° © Fondation Martin Bodmer Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 1r° © Biblioteca Riccardiana Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 1v° © Biblioteca Riccardiana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 62r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 62v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 63r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 63v° © Biblioteca Apostolica Vaticana

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S. 160: S. 207: S. 208: S. 221: S. 221: S. 222: S. 237: S. 237: S. 243: S. 243: S. 244: S. 245: S. 245: S. 246: S. 246: S. 246: S. 246: S. 255: S. 255: S. 255: S. 255: S. 255: S. 256: S. 256:

XIII

Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 64r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Bologna, Archivio di Stato, Podestà e Capitani. C 375 © Archivio di Stato di Bologna Bologna, Archivio di Stato, Archivio dell’Ufficio dei Memoriali 82, c. 129v° © Archivio di Stato di Bologna Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Vat. lat. 3973, ff. 99v°–100r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Vat. lat. 3973, ff. 100v°–101r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Vat. lat. 3973, ff. 178v°–179r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L VIII 305, ff. 27v°–28r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L VIII 305, ff. 28v°–29r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 14r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 25r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 85v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 1r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 1v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 17v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 53v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 35v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 3953, f. 36r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 52r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 48r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 59v° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 258r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 259v° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 1r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 29r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

XIV

S. 257: S. 257: S. 257: S. 257: S. 257: S. 257: S. 258: S. 258: S. 258: S. 258: S. 258: S. 258: S. 258: S. 258: S. 260: S. 260: S. 260: S. 260: S. 260: S. 260: S. 260: S. 260: S. 260:

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Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 29r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 42r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 33r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 30r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 33v° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 31r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 1r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 3r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. f. 4r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 12r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 1r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 1v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 6r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 3r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 13r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 24r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 16v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 15r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 17r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 19v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 14r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 34v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 34r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

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S. 260: S. 261: S. 261: S. 261: S. 262: S. 262: S. 264: S. 273: S. 274: S. 275: S. 275: S. 276: S. 276: S. 276: S. 276: S. 277: S. 278: S. 278: S. 279: S. 279: S. 281: S. 282: S. 296:

XV

Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 16v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 43v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 45v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 46r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 29r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 29v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 13r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 25r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, ff. 29v°–30r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, ff. 41v°–42r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 40r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 44v° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 49r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 52r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 258r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, ff. 12v°–13r °© Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 29r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, ff. 28v°–29r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 34r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 34r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 12r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 42r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 34r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

XVI

S. 296: S. 299: S. 299: S. 299: S. 300: S. 300: S. 300: S. 300: S. 300: S. 300: S. 300: S. 302: S. 302: S. 302: S. 302: S. 302: S. 302: S. 302: S. 302: S. 303: S. 303: S. 303: S. 303: S. 303: S. 304: S. 304: S. 305: S. 305: S. 305: S. 305:

Bildnachweis

Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 34v° © Biblioteca Apostolica Vaticana Universitätsbibliothek Basel, ms. C I 1, f. 91r° © Universitätsbibliothek Basel Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Acquisti e Doni 325, f. 3r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 19r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Toledo, Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo, ms. 104, 6, f. 29r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chigiano L V 176, f. 13r° © Biblioteca Apostolica Vaticana Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. plut. 90 sup. 136, f. 1r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Magl. VII, 1103, f. 45r° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Panc. 9, f. 37r° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Pal. 659, f. 65v° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Pal. 204, f. 27v° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 25r° © Biblioteca Riccardiana Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Pal.561, f. 21v° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Magl. VI 187, f. 4r° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. XL 31, f. 54r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. XL 42, f. 1r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Conv. B, 2, 1267, f. 1r° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Milano, Biblioteca Nazionale Braidense, ms. AG, XI, 5, f. 1r° © Biblioteca Braidense Venezia, Biblioteca Marciana, ms. ital. IX 191, f. 34r° © Biblioteca Marciana New York, Cornell University Library, ms. D 51, f. 1r° © Cornell University Library Milano, Biblioteca Trivulziana, ms. 1050, f. 1r° © Biblioteca Trivulziana Venezia, Biblioteca Marciana, ms. ital. 491, f. 1r° © Biblioteca Marciana Napoli, Biblioteca Nazionale di Napoli,ms. XIII, C 9, f. 1r° © Bilbioteca Nazionale di Napoli Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. plut. 90 sup. 136, f. 15rb° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 42v° © Biblioteca Riccardiana Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 43r° © Biblioteca Riccardiana Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 12v° © Biblioteca Riccardiana Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 17v° © Biblioteca Riccardiana Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 19v° © Biblioteca Riccardiana Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 32v° © Biblioteca Riccardiana

Bildnachweis

S. 305: S. 309: S. 309: S. 309: S. 309: S. 310: S. 310: S. 311:

XVII

Firenze, Biblioteca Riccardiana, ms. 1050, f. 36r° © Biblioteca Riccardiana Venezia, Biblioteca Nazionale Marciana, ms. Ital. 26, f. 1r° © Biblioteca Nazionale Marciana Oxford, Bodleian Library, ms. Can. Ital. 114, f. 1r° © Bodleian Library Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. plut. 90 sup. 137, f. 4r° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, ms. Panc. 10, f. 1r° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Oxford, Bodleian Library, ms. Can. Ital. 114, f. 26r° © Bodleian Library Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. plut. 90 sup. 137, f. 47v° © Biblioteca Medicea Laurenziana Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. plut. 90 sup. 137, f. 4r° © Biblioteca Medicea Laurenziana

Nachdruck und Verfielfältigung jeglicher Art (auch auszugsweise) nicht gestattet.

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Seite 13: Abbildung 2: Seite 87: Abbildung 3: Seite 89: Abbildung 4: Seite 90: Abbildung 5: Seite 90: Abbildung 6: Seite 91: Abbildung 7: Seite 92: Abbildung 8: Seite 93: Abbildung 9: Seite 95: Abbildung 10: Seite 100: Abbildung 11: Seite 113: Abbildung 12: Seite 115: Abbildung 13: Seite 115: Abbildung 14: Seite 116: Abbildung 15: Seite 117: Abbildung 16: Seite 132: Abbildung 17: Seite 140: Abbildung 18: Seite 141: Abbildung 19: Seite 142: Abbildung 20: Seite 143: Abbildung 21: Seite 143: Abbildung 22: Seite 145: Abbildung 23: Seite 151: Abbildung 24: Seite 152: Abbildung 25: Seite 153: Abbildung 26: Seite 153: Abbildung 27: Seite 159: Abbildung 28: Seite 159:

Graphische Darstellung der Erzählebenen Übersicht zur geographischen Verbreitung der VN-Handschriften Zeitstrahl zur handschriftlichen Verbreitung der VN bis 1350 Graphische Darstellung der handschriftlichen Verbreitung der VN bis 1350 Graphische Darstellung der vollständigen Überlieferung bis 1350 Stemmatische Übersicht zur Datierung Übersicht zur geographischen Verbreitung der VN-Handschriften im 14. Jahrhundert Übersicht zur geographischen Verbreitung und zu den Überlieferungsströmen der VN-Handschriften bis zum 16. Jahrhundert Graphische Darstellung zu Format und Material Tabellarische Übersicht zum Buchschmuck Graphische Darstellung zu den Rezipienten hinsichtlich der Ständezugehörigkeit Graphische Darstellung zu den Kopisten als Rezipienten hinsichtlich der Ständezugehörigkeit Graphische Darstellung zu den weltlichen Schreibern Graphische Darstellung zur Zuordnung der Hände Tabellarische Übersicht zu Juristen, Dichter und Berufsschreibern Tabellarische Übersicht zu den Kopieranleitungen Graphische Übersicht zu den Lesespuren des 14. Jahrhunderts in der Vita Nuova Graphische Darstellung zur Lektüre der Vita Nuova vom 14.–16. Jahrhundert Graphische Übersicht zur Datierung der Lesespuren in den VN-Handschriften Systematische Übersicht zu den Lesespuren in den Gedichten der Vita Nuova Tabellarische Übersicht zu den Lesepuren in den vollständigen Vita Nuova-Handschriften Graphische Darstellungen zur Rezeption hinsichtlich der Anzahl von Lesespuren Graphische Darstellung zur Mehrsprachigkeit im 14. Jahrhundert Graphische Darstellung zur Mehrsprachigkeit in den Handschriften des 14. Jahrhunderts heute Graphische Darstellung zur Mehrsprachigkeit in den Paratexten des 14. Jahrhunderts (in folia) Graphische Darstellung zur Mehrsprachigkeit in den Paratexten des Jahrhunderts (in Prozent) Graphische Darstellung zu den Gattungen in den Handschriften des 14. Jahrhunderts (in folia) Graphische Darstellung zu den Gattungen in den Handschriften des 14. Jahrhunderts (in Prozent)

https://doi.org/10.1515/9783110620504-205

XX

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 29: Seite 162: Graphische Darstellung zur co-textuellen Überlieferung: Vita Nuova und andere Texte von Dante Abbildung 30: Seite 162: Graphische Darstellung zur co-textuellen Überlieferung: Vita Nuova und Canzoni distese Abbildung 31: Seite 164: Graphische Darstellung zur co-textuellen Überlieferung: Textumfang in Folia Abbildung 32: Seite 164: Graphische Darstellung zur co-textuellen Überlieferung: Vita Nuova und die Rime Abbildung 33: Seite 165: Graphische Darstellung und quantitative Übersicht zur co-textuellen Überlieferung im 14. Jahrhundert Abbildung 34: Seite 166: Graphische Darstellung zu explizit genannte Autoren in den VN-Handschriften des 14. Jahrhunderts Abbildung 35: Seite 167: Graphische Darstellung zu den expliziten Zuschreibungen in den vollständigen VN-Handschriften Abbildung 36: Seite 172: Graphische Darstellung zu den cotextuellen Überlieferung Abbildung 37: Seite 251: Stemma nach Barbi Abbildung 38: Seite 252: Stemma nach Gorni/De Robertis

Inhaltsverzeichnis Danksagung VII Abkürzungsverzeichnis Bildnachweis XI Abbildungsverzeichnis Incipit: Einleitung

IX XIX

1

1

Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova Appellstrukturen 7 1.1 Methodologische Vorbemerkungen 7 1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova 9 1.2.1 Konstruktion der Leserschaft und fiktive Leser 9 1.2.1.1 Der advocatus diaboli als impliziter Leser 14 1.2.1.2 Der implizite fiktionale Leser 22 1.2.1.2.1 Fedeli d’amore 22 1.2.1.2.2 Donne 28 1.2.2 Reale und fiktive Rezeptionszeugnisse 32 1.2.3 Dante als vorbildlicher Autor. Die metapoetischen Schichten der Vita Nuova 39 1.2.3.1 Spiriti 41 1.2.3.2 Ragioni und divisioni 47 1.2.3.3 Amor als Einflüsterer und Exegesebeispiel 56 1.2.3.3.1 Allegorien und die zeitgenössische Literaturkritik Dantes 60 1.2.3.3.2 Die bella scola zwischen Vita Nuova und Commedia 64 1.3 Die Buchmetapher als Kopieranleitung 70 2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2

Maggiori Paragrafi Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens Vorbemerkungen zur Materialität und Verbreitung der Textträger 75 Forschungsbericht 81 Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert 86 Verbreitung der Vita Nuova: Provenienz und Datierung der Handschriften 86 Fragen zur materiellen Qualität der Vita Nuova-Handschriften: Format, Material und Buchschmuck 93

75

XXII

Inhaltsverzeichnis

2.4

Klassifizierungskritierien zur Beschreibung der Auftraggeber der Handschriften – Die Anfertigung der Vita Nuova für Gemeinschaftsoder private Bibliotheken 104 Soziologische Aspekte der Analyse der Rezeption der Vita NuovaHandschriften des 14. Jahrhunderts 112 Die Schreiber der Vita Nuova 115 Die Vita Nuova der Berufsschreiber 117 Juristen: Schreiber und Kenner der Vita Nuova 121 Dichter und Schreiber 123 Die Leser des 14. Jahrhunderts 136 Die Besitzer der Vita Nuova im 14. Jahrhundert – Coluccio Salutati 145 Co-Texte als Zeugnis einer ersten Vita Nuova-Interpretation 149 Umfang der co-textuellen Überlieferung 149 Mehrsprachigkeit 150 Paratexte 154 Gattungen 158 Das Verhältnis von Co-Texten und Vita Nuova 161 Die Vita Nuova und andere Dante-Texte 161 Dantes Vita Nuova inmitten anderer Autoren 165 Die Vita Nuova und Gedichtanthologien 170 Die Vita Nuova in Miszellanae 172 Rhetorik 172 Heilige, Helden und Dichter 172 Traumdeutung 174 Dichtende und verstehende Frauen: Ovid und die Vita Nuova 176 Erweiterungen der Handschriften 177 Schlussbemerkungen 178

2.5 2.5.1 2.5.1.1 2.5.1.2 2.5.1.3 2.5.2 2.5.3 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.2.1 2.7.2.2 2.7.2.2.1 2.7.2.2.2 2.7.2.2.3 2.7.2.2.4 2.7.2.3 2.8 3

Die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert Anfänge und erste Überlieferung 181 3.1 Rezeptionstheoretischer Ansatz in der Vita Nuova-Forschung – Forschungsbericht 181 3.2 Die Geschichte der Vita Nuova in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts: Überlieferungsstränge und Fallbeispiel 186 3.2.1 Textgenese: zur doppelten Redaktion der Gedichte und den verschiedenen Redaktionsphasen des libellos 187 3.2.1.1 Zwei Redaktionsphasen des libellos 189 3.2.1.2 Die doppelte Redaktion der Gedichte in den Handschriften: E und e 191

Inhaltsverzeichnis

3.2.1.3 3.2.1.4 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.4.1 3.2.4.2 3.2.4.3

XXIII

Gibt es mehrere Redaktionen der Prosateile? 192 Die Redaktionsphasen des libellos in den Handschriften 194 Datierungsprobleme: Drei Datierungen der Vita Nuova im Convivio 196 Die erste Zirkulierung der Vita Nuova zwischen Prachthandschriften und Gerichtsakten: H1* und Memoriali Bolognesi 204 Der Beginn der Vita Nuova-Verbreitung: Vita Nuova-Gedichte in Canzonieri 212 Vat – Donne ch’avete und der Amico di Dante 213 Die Rolle von Cino da Pistoia in der Promotion der Vita Nuova: Mc und K 224 B1 und Nicolò de’ Rossi 238

4

Sotto una rubrica Die Vita Nuova als libello. Die Vita Nuova-Überlieferung in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts 249 4.1 Von Glossen und Leerzeilen – die Vita Nuova-Editionen To und K2 von Boccaccio 249 4.1.1 Eine Vorlagehandschrift, eine Kollatinierungshandschrift und vier Abschriften 250 4.1.2 Die Boccaccio-Handschriften: Gliederung und Buchschmuck 254 4.1.3 Die graphische Neuordnung des Textes 263 4.1.4 Die Vorbemerkung «Maraviglierannosi molti» 266 4.1.5 Die Seiteneinrichtung und die Marginalisierung der divisioni 273 4.1.6 Die Textgliederung im co-textuellen Zusammenhang: «acciò che questa canzone paia rimanere più vedova dopo lo suo fine, la dividerò prima» 280 4.1.6.1 Die Co-Texte und das editorische Programm: To und die Dichterkrönung 283 4.1.6.2 K2 und der Kanon der Florentiner Dichter 289 4.2 Der Erfolg der Boccaccio-Edition und die verschiedenen Lösungen des Problems der Marginalisierung der divisioni: R, L und andere 299 4.2.1 Der Wegfall der divisioni: R1 und Antonio Pucci 301 4.2.2 Ausblick: Boccaccios Autoritätsverlust 308 4.3 Schlussbemerkungen und Lakunen 312 5

Explict und abschließende Bemerkungen

315

XXIV

6 6.1 6.2 6.3

Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis 319 Handschriften 319 Quellentexte 323 Sekundärliteratur 326

Personenindex Sachindex

345 355

Incipit: Einleitung Ich tue also so, als hätten die Sprache und die Welt ihre eigenen Verbindungen. Inger Christensen Unde sicut nullus potest videre pulcritudinem carminis, nisi aspectus eius feratur super totum versum. Augustinus, Breviloquium

Die Vita Nuova, das Frühwerk Dantes, gilt als Höhepunkt des toskanischen Dolce Stil Novo und wird damit in Bezug zur früheren und parallelen Minnelyrik des 13. Jahrhunderts, etwa der Scuola Siciliana und den alt-okzitanischen Troubadours, gesetzt (cf. Bigi 1955). Es handelt sich nicht nur um das erste selbständige Werk einer der tre corone der italienischen Literatur, sondern es wird auch als das erste Werk der italienischen Literatur überhaupt bezeichnet (cf. De Robertis 1970, 5). Die literarische Form dieses Werkes, die Verwendung des Prosimetrums, der Selbstkommentar und die Annahme, es handele sich um ein autobiographisches Werk, in dem Dante sich seiner Jugendliebe erinnert, zeigen ein komplexes Textgefüge aus Gedichten (parole), Prosa (ragioni) und Unterteilungen (divisioni). In diesen unterschiedlichen Teilen werden verschiedene semantische Ebenen miteinander verbunden, so wird zum einen die Geschichte eines innamoramento und dessen Folgen erzählt, und zum anderen wird die Entwicklung einer poetischen Sprache und eines Stils verdeutlicht und eine Poetologie durch ihre Anwendung eröffnet.1 Der konkrete Vorgang des poetischen Sprechens, die Aufnahme des sinnlichen Eindrucks, seine Umwandlung in einen bildhaften Gedächtnisinhalt und dessen Rückführung in Sprache im Akt der Erinnerung wird in Dantes Vita Nuova in den metapoetischen Abschnitten diskutiert, die in die erzählte Handlung eingeflochten und in den Kommentaren gedeutet werden. Dante beschreibt die Vita Nuova selbst als Abschrift oder Exemplum eines anderen «Werkes», des Buches seines Gedächtnisses, das eben mit diesen Worten «Vita Nova» beginnt.2

1 Corti (1993) und Horváth (2011) diskutieren die Korrektheit der poetologischen Lesart der Vita Nuova (in Folge wird der Titel abgekürzt VN zitiert, die deutschen Übersetzungen stammen, soweit nicht anders angegeben, von mir). Zum quellenkritischen Hintergrund dieses Ansatzes cf. de Meo-Ehlert (2015). 2 Dante Alighieri, Vita Nuova, I 1. Die Kapitelangaben der Vita Nuova beziehen sich auf die Unterteilung von Gorni. Der italienische Text wird in der Edition von Barbi 1932 zitiert. Die anderen Werke von Dante werden mit den gängigen Kurztiteln dvE für De vulgari eloquentia, Inf. (Inferno), Purg. (Purgatorio), Par. (Paradiso) und Convivio angegeben. https://doi.org/10.1515/9783110620504-001

2

Incipit: Einleitung

Die Bewertung der Vita Nuova als einfache «Schuldichtung […], Ausdruck eines Kultes, Erfüllung von Riten, Zeremonien und liturgischen Schauspielen»3 durch Benedetto Croce projiziert kanonisierte ästhetische Kriterien auf einen Text, der ganz eigene ästhetische Kriterien entwickelt hat.4 Die eigentliche Poesie Dantes beschränke sich, so Croce, auf die Commedia, die durch ihre Originalität und künstlerische Höchstform brilliere. Croces ästhetischer Ansatz dieser Kritik gründet auf der Unterscheidung von poetischen und unpoetischen Elementen, wobei letztere häufig von den Interpreten als geniale Eingebungen, angenehme Unterhaltung, herausragende Virtuosität und anspruchsvolle Komposition gelobt werden (cf. Croce 2006, 97). In Aesthetica in nuce (1928) und Del poetico e non poetico spitzt Croce seine Ablehnung gegenüber der Allegorie als Ausdruck des Unpoetischen zu: «Die Allegorie ist nichts anderes als eine Art Kryptographie. – L’allegoria non è altro se non una sorta di criptografia»,5 die in einer Abneigung gegen die Verteidigung der Allegorie und Allegorese in der Vita Nuova mündet. In der modernen Dante-Forschung nimmt die Vita Nuova eine besondere Stellung ein; es wird heftig gestritten, was sie als Werk charakterisiere und wie sie in das Gesamtwerk von Dante einzuordnen sei. Aldo Vallone unterteilt die Forschungsdebatte in vier Ansätze und schreibt, dass einige die Vita Nuova symbolisch oder allegorisch lesen, andere sie als realistisches Werk ansähen, die dritten sie idealistisch, als esaltazione estetica dell’ideale muliebre, interpretierten, und schließlich gebe es einen Forschungsstrang, der die Vita Nuova als mystisches oder metaphysisches Werk behandele.6 Welche Lektürestränge lassen sich aus den historisch belegbaren Rezeptionszeugnissen wie der unmittelbaren Textüberlieferung selbst ableiten? Wie wurde der Text der Vita Nuova gelesen und die Buchmetapher aufgenommen?

3 Croce (1921, 35): «poesia di scuola […] atti d’un culto, adempimenti di riti, ceremonie, drammi liturgici […]». 4 Croce (1921, 33): «Bisogna smettere innanzi a esse (le poesie giovanili) le esagerazioni e le false ammirazioni […] E codeste smancerie bisogna smettere ancora più pel libretto, nel quale Dante raccolse una scelta di esse». 5 Croce (1921, 13): «[…] e perciò un prodotto pratico, un atto di volontà, col quale si decreta che questo debba significare quello, e quello quell’altro». 6 Zur Unterteilung cf. Vallone (1966, XIV): «La Vita Nova è un’opera realistica o simbolica? E tesi sostenute […] [si possono distinguere]: a) simbolica (Rossetti, Perez) o allegorica (Kraus, Grasso, Zappia, Flamini, Mandonnet, Valli, Bosticca e Natoli); b) realistica (Del Lungo, Carducci, D’Ancona, Scherillo, Sicardi, ecc); c) idealistica, cioè ‹esaltazione estetica dell’ideale muliebre› (Bartoli, Renier ecc), che è tesi diversa da quella estetica (Cesareo, Momigliano, Croce ecc); d) mistica (Pascoli, Salvadori, ecc) o anche metafisica (Lora, Biondolillo ecc)». Auch Natalino Sapegno weist in seiner Literaturgeschichte auf diese questione vana hin, siehe dazu Sapegno (1938, 50).

Incipit: Einleitung

3

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Teile, wobei die Handschriften der Vita Nuova des 14. Jahrhunderts im Vordergrund stehen (zweiter Teil) und als Ausgangspunkt für eine literaturwissenschaftliche Untersuchung und eine rezeptionsgeschichtliche Bewertung einzelner Handschriften dienen, die gewissermaßen ein Vorwort (erster Teil) und ein Nachwort (dritter Teil) hierzu bilden. Die Analyse beginnt mit einer Untersuchung der textimmanenten Rezeptionsappelle (erster Teil). Da Dante sich selbst als Leser, Schreiber und Kommentator stilisiert, werden sowohl die Autorkonstruktion als auch die verschiedenen Lesermodelle vorgestellt. Ich werde zunächst eine Einführung in das Werk der Vita Nuova unter rezeptionsgeschichtlicher Perspektive bieten, wobei keine Interpretation des Werkes vorgenommen werden soll, sondern einzelne literaturtheoretische und kulturgeschichtliche Aspekte des Textes, wie die Leserkonstruktion und fiktive Leserschaft (S. 9–32) reale, in den Erzählstrang eingeflochtene, und fiktive Rezeptionszeugnisse (S. 32–39) sowie die Autor- und Dichtungskonzeption der Vita Nuova (S. 39–70) hervorgehoben werden. Die Untersuchung der Kopieranleitungen der Vita Nuova schließt das Kapitel mit einer Analyse (gemäß der Visual Poetics) der Buchmetapher als Leitmotiv für die Vita Nuova ab (S. 70–75). Es wird sich dabei zeigen, dass Dante die Vita Nuova nicht für einen «exklusiven» Leserkreis geschrieben hat, sondern dass er Identifikationsmöglichkeiten und Leseranreden an eine Vielzahl von Lesertypen vornimmt und dem Leser konkrete Anweisungen für eine korrekte Lektüre und angemessene Interpretation seines Werkes bietet. Gleichzeitig zeigt er sich in den Kopieranleitungen um die korrekte Textüberlieferung besorgt. Die Analyse der Rezeption der Vita Nuova im 14. Jahrhundert werde ich, gemäß der Unterscheidung von libro und antologia, in zwei Schritten vornehmen, wobei einmal der Textträger und einmal die Kontextualisierung und inhaltliche Auseinandersetzung mit der Vita Nuova im Vordergrund stehen: «Lo studio dell’antologia non può prescindere da quello del libro. Allo stesso modo, l’analisi del libro non può disinteressarsi del contenuto e della tipologia dei testi trasmessi». Ich beziehe mich hierbei auf Borriero (1999, 196), «una prima distinzione di carattere meramente funzionale […] è tra libro e antologia: per libro intendo il supporto materiale dei testi che costituiscono l’antologia». Der zweite Teil «Maggiori paragrafi – die Handschriften» stellt eine Untersuchung der Textträger hinsichtlich ihrer materiellen Aspekte vor und leistet eine systematische Studie der 23 Handschriften der Vita Nuova des 14. Jahrhunderts unter den Gesichtspunkten der Produktion (S. 104–136), Komposition (S. 149– 178), Überlieferung (S. 134–149) und Zirkulierung (S. 86–104) der Handschriften. Danach werden die in die Handschriftenproduktion und -verbreitung involvierten Personen vorgestellt. Dieser Abschnitt nimmt alle in den Handschriften überlieferten Rezeptionsspuren – Besitzervermerke, Leihvermerke, Bibliothekssignatu-

4

Incipit: Einleitung

ren, Schreibervermerke, Schriftarten, Seitengestaltung und Ausstattung der Handschrift, identifizierte und anonyme Lesespuren – zum Ausgangspunkt für eine kulturhistorische Einbettung der Handschriftenrezeption, die in vier Schritten erfolgt. Erstens wird die Frage der Auftraggeberschaft untersucht, die in den Handschriften am schlechtesten dokumentiert ist. Zweitens werden die Schreiber vorgestellt und Schreibwerkstätten, in denen die Vita Nuova abgeschrieben wurde. Dabei wird eine Unterscheidung der Schreiber in Berufsschreiber, Juristen und Dichter vorgenommen. Drittens werden die Lesespuren der Handschriften ausgewertet und die am meisten rezipierten Handschriften und Textabschnitte der Vita Nuova identifiziert. Abschließend werden der einzige namentlich bekannte Besitzer des 14. Jahrhunderts, Coluccio Salutati, und sein Interesse an der Vita Nuova dargestellt. Im weiteren Verlauf der Handschriftenanalyse wird die Kontextualisierung der Vita Nuova hervorgehoben, indem die co-textuelle Überlieferung der Handschriften untersucht wird. Neben einer systematischen Studie zur Zusammenstellung der Handschriften unter den Gesichtspunkten der Mehrsprachigkeit, Textgattung und Anonymität bzw. Auktorialität der überlieferten Texte wird das Verhältnis der Co-Texte zur Vita Nuova bestimmt, das erste Aufschlüsse über die Wahrnehmung und Interpretation des Textes bietet. Erst im dritten und vierten Teil der Arbeit wird die eigentliche «Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert» erzählt. Die Geschichte der Vita Nuova, die ich vorstellen werde, ist unmittelbar mit der handschriftlichen Überlieferung des Textes verwoben. Dabei sind drei methodologische Probleme aufgetreten, die die Materialauswahl maßgeblich beeinflusst haben. Einerseits hängt das Ergebnis einer intertextuellen Untersuchung stark davon ab, ob man die Texte auf Spuren hin oder als Quelle liest, weil die Sichtweise jeweils von dem Ausgangswerk, dem Quellentext oder dem Text, der Spuren aufweist, geprägt ist. Dies schlägt sich auch in den Forschungsbeiträgen zum Nachleben von Dantes Lyrik bzw. zur Originalität der «nachahmenden» Autoren nieder. Darüber hinaus ist das Vokabular der Vita Nuova selbst reich an zahlreichen Anspielungen und intertextuellen Bezügen zur zeitgenössischen bzw. zur unmittelbar vorausgehenden Dichtung sowie voll von Einfügungen klassischer und biblischer Zitate, weshalb die literarische Rezeption bestimmter Metaphern und Reime nicht unmittelbar auf die Vita Nuova zurückgeführt werden kann. Schließlich sind viele Hände in den Handschriften der Vita Nuova des 14. Jahrhunderts noch nicht identifiziert, und gleichzeitig wissen wir um die Rezeption der Vita Nuova vieler Autoren des 14. Jahrhunderts, die nicht nachweislich in den Textträgern belegt sind. Als Kriterium für die Untersuchung einer literarischen Rezeption habe ich daher die Mitwirkung von Autoren an der Verbreitung des Textes gewählt, weil dadurch einerseits eine intensive Auseinandersetzung mit dem Text der Vita Nuova durch seine Abschrift oder Herausgabe des libellos belegt ist und andererseits ge-

Incipit: Einleitung

5

rade die Verbindung von Text und Textträger, die im Vordergrund dieser Arbeit steht, untersucht werden kann. Die Wahl der Handschriften, die in dieser Untersuchung vorgestellt werden, ist einerseits von der Eingrenzung der Leserschaft auf die Dichter durch Vallone bestimmt, andererseits bietet diese Eingrenzung auf Dichter-Handschriften die Möglichkeit, die literarischen Reminiszenzen und die Intertextualität zur Vita Nuova und den in der Handschrift autograph überlieferten Texten der Dichter zu untersuchen. Dadurch wird die Rezeption der Vita Nuova durch die Dichter hervorgehoben, und gleichzeitig werden die Rezeptionsmöglichkeiten der Vita Nuova, die aus dieser Interpretation entstanden sind, in ihrer handschriftlichen Kontextualisierung aufgezeigt. Ausgehend von den Rezeptionszeugnissen, die in den Handschriften der Vita Nuova belegt sind, werden einzelne Fälle einer literarischen Rezeption vorgestellt, wobei die Autoren bewusst ausgelassen wurden, die nicht an der Verbreitung der Vita Nuova direkt beteiligt waren. Die intertextuellen Bezüge der Vita Nuova und der Dichter, die an ihrer Verbreitung beteiligt waren, werden anhand der Untersuchung des Textträgers der vom jeweiligen Dichter angefertigten oder beauftragten Handschrift der Vita Nuova vorgestellt. Damit versuche ich die Rolle des Textträgers, der Handschrift als eigenes und vollständiges Rezeptionsdokument zu lesen. Der «Amico di Dante», Cino da Pistoia, Nicolò de’ Rossi, Giovanni Boccaccio und Antonio Pucci werden eigens betrachtet, während Guido Cavalcanti, Giovanni Quirini und Francesco Petrarca in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben. Das Bild der literarischen Rezeption der Vita Nuova, das ich hier zeichnen werde, bewertet die einzelnen Handschriften als Publikationen, deren Zusammenstellung bewusst war und deren Schreiber in der Rolle des Herausgebers ihre Lektüre und Interpretation der Vita Nuova offenbaren, die durch Reminiszenzen und Nachklänge schwer zu fassen sind, wie das Beispiel von Nicolò de’ Rossi zeigen wird. Der fünfte Teil der Arbeit bietet mit dem Handschriftenkatalog eine umfangreiche Beschreibung der Handschriften, die für die Untersuchung herangezogen wurden und auf denen insbesondere die systematische Auswertung der Lesespuren beruht. Dieser Handschriftenkatalog basiert auf einer ausführlichen Examinierung der Handschriften und gibt neben einer Beschreibung des Textträgers Auskunft über die Lesespuren und Geschichte der Handschriften, die von mir selbst eingesehen wurden. Gleichzeitig war die Handschriftenanalyse die Grundlage für den dritten Teil, in dem einzelne Rezeptionszeugnisse genauer vorgestellt wurden (cf. Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter). Die Arbeit zeigt, wie die Untersuchung des Textträgers der Handschriften zum Verständnis eines Textes und seiner frühen Rezeption beitragen kann und macht

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Incipit: Einleitung

dadurch zugleich verständlich, dass man einem Text ausschließlich in seiner materialisierten Form begegnet und der Textkörper uns selbst Auskunft gibt.

1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen 1.1 Methodologische Vorbemerkungen In der von Hans Robert Jauss vorgestellten Methode der Literaturanalyse steht das dialogische Verhältnis von Literatur und Leser mit seinen ästhetischen und historischen Implikationen im Zentrum (cf. Jauss 1970, 169). Gerade in den «schwer faßbaren Kriterien von Rezeption, Wirkung und Nachruhm» könne der Rang und die Qualität eines Werkes bestimmt werden (Jauss 1970, 147). Es geht mir jedoch nicht darum, den Rang und die Qualität der Vita Nuova durch die Zahl der Handschriften und Qualität der Lesespuren zu quantifizieren, sondern vielmehr zu verdeutlichen, wie eine rezeptionsgeschichtliche Perspektive durch die Rekonstruktion eines historischen Momentes in der Rezeptionsgeschichte des Werkes auch unser Textverständnis bereichern kann. «Das literarische Werk ist kein für sich bestehendes Objekt, das jedem Betrachter zu jeder Zeit den gleichen Anblick darbietet. Es ist kein Monument, das monologisch sein zeitloses Wesen offenbart. Es ist vielmehr wie eine Partitur auf die immer erneuerte Resonanz der Lektüre angelegt, die den Text aus der Materie der Worte erlöst und ihn zu aktuellem Dasein bringt […]» (Jauss 1970, 171).

Dieser methodologische Ansatz ermöglicht eine andere Perspektive auf den Text, da nicht der Entstehungsmoment, die Autorintention, ein «Urtext» oder mögliche Textquellen im Vordergrund stehen, sondern der «pragmatische Text im Wandel seiner geschichtlichen Auslegungen», wie Günter Grimm in Rezeptionsgeschichte. Grundlegung einer Theorie formuliert (cf. Grimm 1977, 14). Eine Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova kann, indem sie die direkten und indirekten Rezeptionszeugnisse untersucht, Licht auf das Dante-Bild der frühen Leser werfen, ohne dabei jedoch einen objektivistischen Ansatz zu verfolgen, und dadurch auch den Interpretationswortschatz der Vita Nuova bereichern. Der Kulturwissenschaftler Carlo Ginzburg verdeutlicht die Spannung zwischen Fragestellung und Materialauswahl anhand der von Kenneth Pike in die Linguistik eingeführten Unterscheidung von «etischen» und «emischen» Fragen (cf. Pike 1954; Harris 1976). Sie bezeichnen den Bezug auf die materielle Eigenschaft von sprachlichen Eigenheiten (etisch=Phonetik) und auf die Eigenschaften von Sprache, die Kommunikation ermöglichen, (emisch=Phonemik). «Etisch» bedeutet, dass eine Betrachtung oder Frage an das Vokabular des Beobachters oder Fragenden anknüpft. Eine Frage ist «emisch», wenn sie für den Betrachteten von Bedeutung ist. Für die Auseinandersetzung mit Dante bedeutet dies, dass der rehttps://doi.org/10.1515/9783110620504-002

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

zeptionsgeschichtliche Ansatz eine Fragestellung aufgreift, die sich aus den Themenkomplexen des Textes selbst heraus entwickelt, es sich somit um «emische» Fragen handelt. Detailliert werde ich auf diesen Punkt in den nächsten Abschnitten (S. 9–70) eingehen, hier sei nur angedeutet, dass die rezeptionsgeschichtliche Perspektive ihren Ausgang im Proömium der Vita Nuova nimmt: erstens führt Dante die Metapher «libro della mia memoria» ein und zweitens durchbricht er bereits hier die klassische Trennung von Autor und Leser, indem er sich selbst als Leser, Kopisten und Exegeten darstellt.1 Die Fokussierung der Analyse der Rezeption eines Textes hat ihre Wurzeln in der Literaturwissenschaft und wurde in der Literaturtheorie Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts durch die Germanisten Jauss, Link, Grimm und im weiteren Sinne auch durch den französischen Sprachwissenschaftler Gérard Genette mit seiner Theorie zur Autor- und Leserkonzeption und zu den Sprechebenen festgeschrieben (cf. Jauss 1970; Link 1976: Grimm 1977). Einen kurzen Überblick über die Geschichte der Rezeptionsforschung bietet Reese 1980. In seiner Antrittsvorlesung von 1967 an der Universität in Konstanz stellt Jauss die Frage der «Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft?» und eröffnet damit die Debatte über eine Literaturwissenschaft fern von formalistischen oder marxistischen Ansätzen. Dabei negiert er nicht die Legitimation eines literarischen Kanons als Studienobjekt, sondern betont vielmehr die historischen und soziologischen Komponenten eines solchen Kanons. «[Der] Versuch, die Kluft zwischen Literatur und Geschichte, historischer und ästhetischer Erkenntnis zu überbrücken, kann an der Grenze ansetzen, vor der beide Schulen [nämlich die marxistische und formalistische] stehen geblieben sind. Ihre Methoden begreifen das literarische Faktum im geschlossenen Kreis einer Produktions- und Darstellungsästhetik. Sie verkürzen die Literatur damit um eine Dimension, die unabdingbar zu ihrem ästhetischen Charakter wie auch zu ihrer gesellschaftlichen Funktion gehört: die Dimension ihrer Rezeption und Wirkung» (Jauss 1970, 168).

Im Vordergrund einer literaturwissenschaftlichen Analyse dieser Art stehen zum einen textimmanente Autor- und Lesermodelle, die Gérard Genette in seinem

1 Dante, VN I 1: «In quella parte del libro de la mia memoria dinanzi a la quale poco si potrebbe leggere si trova una rubrica la quale dice: Incipit vita nova. Sotto la quale rubrica io trovo scritte le parole le quali è mio intendimento d’assemplare in questo libello e se non tutte, almeno la loro sentenzia». «In diesem Teil des Buches meines Gedächtnisses, vor dem wenig zu lesen ist, findet sich eine Rubrik, die sagt: Incipit vita nova. Unter dieser Rubrik finde ich die Worte geschrieben, die niederzuschreiben meine Absicht in diesem Büchlein ist, wenn nicht alle, so zumindest ihre Sentenz».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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Werk Diskurs der Erzählung. Ein methodologischer Versuch systematisch analysiert und Beschreibungskriterien für die Klassifizierung von Autor- und Lesermodellen in einem Text liefert, und zum anderen der «historische Leser», der Rezipient, dessen Leseeindrücke und Lesespuren sich in anderen Werken wieder finden (cf. Genette 1994). Teil des rezeptionshistorischen Ansatzes von Jauss bleibt jedoch auch die «klassische» Textanalyse, die versucht, den Erwartungshorizont vom Text her zu konstruieren. «Ein literarisches Werk […] prädisponiert sein Publikum durch Ankündigungen, offene und versteckte Signale, vertraute Merkmale oder implizite Hinweise für eine ganz bestimmte Weise der Rezeption» (Jauss 1970, 175). Die Untersuchung dieser Appellstrukturen eines Textes stehen in der rezeptionshistorischen Theorie von Wolgang Iser im Vordergrund (cf. Iser 1971; 1976). So schreibt er: «Eine Wirkungstheorie ist im Text verankert – eine Rezeptionstheorie in den historischen Urteilen der Leser» (Iser 1976, 8). Eine Rezeptionsgeschichte hänge zwar von der Wirkungstheorie des Textes ab, im Vordergrund der Untersuchung stehe jedoch der reale Leser mit seinen Rezeptionszeugnissen, der für Grimm und Link ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangt (cf. Reese 1980, 39). Somit ist eine zweifache Untersuchung aus rezeptionstheoretischer Sicht durchzuführen: zum einen ist eine detaillierte Analyse der textimmanenten Rezeptionshinweise vorzunehmen und zum anderen sollten die Rezeptionszeugnisse der realen Leser nicht außer Acht gelassen werden.

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova 1.2.1 Konstruktion der Leserschaft und fiktive Leser Bevor ich auf die Konstruktion der Leserschaft und die einzelnen fiktiven Leser (-gruppen) eingehe, möchte ich die Vita Nuova kurz inhaltlich vorstellen. Die Vita Nuova ist ein prosimetrisches Werk, das neben den parole (31 Gedichte: 25 Sonette, fünf Kanzonen und eine Ballade2) und den erklärenden ragioni aus divisioni – Unterteilungen – besteht, in denen Dante metapoetische Reflexionen äußert, deren paratextuelle Funktion Boccaccio hervorheben wird.3 Nach dem «Incipit Vita Nova» beginnt die Erzählung mit der Erinnerung an die erste Begeg-

2 Zur Symmetrie des Aufbaus der Vita Nuova cf. Witte (1876), XX–XXI und Picone (1977a). 3 Boccaccio nimmt eine Neuordnung des Textes vor, die die divisioni außerhalb des Textblockes in die Marginalien verdrängt, und bestimmt mit diesem typographischen Eingriff einen Traditionsstrang in der handschriftlichen Überlieferung.

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nung von Dante und Beatrice im Alter von neun Jahren. Dante verliebt sich in Beatrice, und von nun an wird sein Leben von Amor bestimmt. Neun Jahre später begegnet Dante erneut Beatrice, welche ihn grüßt. Im Gedicht A ciascun’alma presa bittet Dante die fedeli d’amore seine erste Amor-Vision zu deuten. Dante versucht, seine Liebe zu verbergen, und widmet seine Gedichte einer «donna dello schermo», die Schild der Wahrheit ist. Dantes Deckung ist so überzeugend, dass Beatrice ihm den Gruß verweigert und Dante beschreibt den Effekt, den die Verweigerung des Grußes auf ihn hat. In einer zweiten Vision erscheint ihm Amor erneut, und Dante klagt ihm seine Verzweiflung über den Verlust und über die Unangemessenheit seines Ausdrucks gegenüber Beatrice. Dante wird sich seiner eigenen Unvollkommenheit bewusst und sieht die Notwendigkeit einer Veränderung, welche er im «stile della lode» und der Betonung von Beatrices «gentilezza» findet, an die sich der Lobgesang direkt wendet. Dante berichtet vom Tod von Beatrices Vater, woraufhin er, im Zustand des Mitleides, in einer Vision den Tod Beatrices vorhersieht. Mit der Begegnung mit Beatrice, die sich in Begleitung von Giovanna / Primavera befindet, nimmt Dante, über die Namensbedeutung reflektierend, den Lobgesang auf. Nach einem metapoetischen Kapitel über die neue Art im Volgare zu dichten, führt Dante den Lobgesang über Beatrice, «miracolo» und «meraviglia», fort. Beatrices Tod beendet diesen Zustand des Dichters, der sein Glück im Lobgesang seiner donna fand. Dante erklärt nun die Zahlensymbolik, die sich hinter dem häufigen Auftauchen der Zahl Neun verbirgt und beschreibt Beatrice, die unmittelbar mit der Neun, der Potenz der Drei, als Wunder, das seine Wurzel in der Trinität findet, verbunden ist. Der Tod von Beatrice wird nicht direkt beschrieben, sondern in eine Traumbotschaft transloziert. Der Schmerz über den Verlust seiner donna und die Qual der Erinnerung hindern Dante daran, einen anderen Gedanken zu fassen. Er glaubt, in der Donna gentile Mitleid und Liebe zu finden und sich dadurch über seinen Schmerz trösten zu können, doch die Erinnerung an Beatrice ist so stark, dass er zu ihr «zurückkehrt» und sich des Gedankens, sie in gloria eterna zu wissen, erfreut. Dante kündigt im Epilog an, dass er von Beatrice hofft «di dicer di lei quello che mai non fue detto d’alcuna». Der Text schließt mit den Worten «qui est per omnia secula benedictus». Dante beschreibt die Vita Nuova selbst als Abschrift oder Exemplum eines anderen «Werkes», des libro della mia memoria,4 das eben mit diesen Worten «Vita

4 Cf. zum Begriff «Libro della mia memoria» Brugnoli (1997); Candido (2007); Corti (1993); De Robertis (1994; 1970); Farnetti (1997); Singleton (1958, 25–54); Stabile (2007); Zingarelli (1893–1894).

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1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

Nova» beginnt, aus dem er dem Leser zumindest die Sentenz im «libello», d. h. in der Vita Nuova, wie sie dem Leser in ihrer Materialität und Konkretheit zugänglich ist, zusammenfassen und darlegen möchte. In diesem Proömium wird der Vorgang des Schreibens und Lesens kunstvoll sowohl auf seiner strukturellen als auch auf der semantischen Ebene miteinander verbunden.5 Es findet eine Auflösung der starren Trennung des realen Lesers, der im auf Pergament geschriebenen oder auf Papier gedruckten, mit «Vita Nova» überschriebenen Text (im «libello») liest, und des Lesers statt, der im libro della mia memoria liest, der lesen könnte, dass es vor «Incipit Vita Nova» wenig zu lesen gibt. John Ahern betont in seinem Artikel über die impliziten Leser der Vita Nuova das grundlegende Modell der Freundschaft und Geneigtheit des Autors gegenüber seinem Leser. Er unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Arten des Verhältnisses von Autor und Leser gemäß der zwei Formen des poetischen Schreibens, der Tenzone und der Canzone (cf. Ahern 1992, 2) eine Unterscheidung, die auf Brunetto Latinis Abhandlung über die unterschiedlichen Eigenschaften der jeweiligen Gedichtformen bezüglich des Adressatenkreises zurückgeht.  

«Hin und wieder geschieht es, dass zwei Personen sich gegenseitig Briefe entweder in Latein, in Prosa oder Vers, oder in der Volkssprache oder einer anderen Sprache schicken, in denen sie über etwas streiten, und so machen sie eine Tenzone. Ebenso bittet ein Liebender die Geliebte um Mitleid, indem er ihr viele Worte sagt und Gedanken, und sie verteidigt sich in ihrem Sprechen und stärkt ihre Argumente und verringert die des Bittenden. […] und jemand könnte sagen, dass man oft einen Brief an einen anderen schickt, welcher nichts anderes ist als eine Tenzone gegen ihn (ebenso verfasst der um der Liebe willen Liebenden Kanzonen und Verse für seine donna, in denen keinerlei Tenzone zwischen ihm und der donna entsteht). Wenn man die Eigenschaft eines Briefes oder einer Kanzone beachtet, ist es

5 Die Verbfolge im ersten und zweiten Satz ist bemerkenswert: trovarsi (1° potersi leggere), dire (1°incipire); trovare, (Partizip scripte), essere l’intendimento (1° d’asemplare). Zählt man das Partizip mit, dann herrscht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den zwei gegenläufigen Ketten: «trovarsi, dire, trovare, essere l’intendimento» beschreibt den Vorgang des Schreibens in gegenläufiger Reihenfolge. Das Wort löst sich in der ersten Bewegung, zunächst aus der mente, dann aus seiner sinnlich erfahrbaren Form der Schrift und der gesprochenen Sprache. Der eigentliche Schreibvorgang verläuft genau andersherum: am Anfang steht eine «Idee», ein intendimento, die auszudrücken Worte gefunden werden (trovare), dann folgt der Sprechakt des dire und schließlich können sich die Worte schriftlich fixiert als Teil eines Textes in einem Buch befinden (trovarsi). Die zweite Verben-Gedankenkette betont die Figur des Lesers und des Rezipienten; «potersi leggere, incipere, scripte, asemplare» und entspricht sinngemäß der Reihenfolge, die diese Tätigkeiten der Textrezeption einnehmen. Zunächst ist etwas lesbar (potersi leggere), dann beginnt der Leser zu lesen (incipere) und findet Geschriebenes (parole scripte), aus dem er auswählt (asemplare). Durch den Chiasmus der beiden Verbfolgen, wird die inhaltliche Verschränkung von Autor und Leser, gerade durch die doppelte Verwendung des Verbs «trovare» hervorgehoben.

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deutlich, dass derjenige, der ihn verfasst und verschickt, beabsichtigt, dass etwas für die Person, an die er gerichtet ist, gemacht werde. Und das kann entweder durch Bitten oder Fragen oder Befehle oder Drohungen oder Tröstungen oder Ratschläge geschehen. Und in jeder dieser Formen kann derjenige, an den der Brief oder die Kanzone gerichtet ist, sich mit irgendeiner Entschuldigung verweigern oder sich verteidigen. […] Und so sind fast alle Briefe und Liebes-Kanzonen verborgen oder offenkundig in der Art der Tenzone.»6

Bei diesen von Brunetto Latini grundsätzlich behandelten, dann von Ahern auf die Vita Nuova bezogenen, imaginären Leser handelt es sich um die Adressaten der jeweiligen Gedichte, der Tenzonen im ersten Teil der Vita Nuova, in dem Dante einen Wettstreit oder zumindest eine Korrespondenz sucht, und der Kanzonen im zweiten Teil, in dem sich Dante dem stile della lode verschreibt.7 Im ersten Fall bezeichnet Dante die Leser seiner Gedichte in den später hinzugefügten Prosaabschnitten als «fedeli d’amore», während sie im zweiten Teil, sowohl in den Gedichten als auch in der Prosa, als «donne» angesprochen werden. In seiner detaillierten Arbeit zur mittelalterlichen Tenzone und zu italienischen Korrespondenzgedichten untersucht Claudio Giunta den Gebrauch und die Bedeutung der direkten Anrede des Adressaten in der mittelalterlichen Lyrik und unterscheidet unterschiedliche Adressatenebenen (cf. Giunta 2002, 86–90). Giunta führt in seiner umfassenden Studie vor, dass der «modo del dialogo» charakteristisch für die mittelalterliche Lyrik sei, ein Modus, der sich in der Lyrik der Moderne und Gegenwart nicht finde. Während Giunta die Charakteristika der Lesergemeinschaften nicht aufgrund der Leserschaft, sondern aufgrund ihrer Akzidenzen, das Frausein oder «Treue» zu Amor, in den Vordergrund stellt, betont Ahern die Re-

6 Brunetto Latini, La Rettorica 76, 14–16, 146–148: «Cosìe usatamente adviene che due persone si tramettono lettere l’uno all’altro o in latino o in proxa o in rima o in volgare o inn altro, nelle quali contendono di una cosa, e così fanno tencione. Altresssì uno amante chiamando merzé alla sua donna dice parole e ragioni molte, et ella si difende in suo dire et inforza le sue ragioni e indebolisce quelle del pregatore. […] (e) potrebe alcuno dicere che molte fiate uno manda lettera ad altro ne la quale non pare che tencioni contra lui (altressì come uno ama per amore e fa canzoni e versi della sua donna, nella quale non è tenxione alcuna intra llui e la donna) […]. Ma chi volesse bene considerare la proprietà d’una lettera o d’una canzone, ben potrebbe apertamente vedere che colui che lla fa o che lla manda intende ad alcuna cosa che vuole che sia fatta per colui a cui e’ la manda. Et questo puote essere o pregando o domandando o comandando o minacciando o confortando o consigliando; e in ciascuno di questi modi puote quelli a cui vae la lettera o la canzone o negare o difendersi per alcua scusa. […] e così sono quasi tutte le lettere e canzoni d'amore in modo di tencione o tacita o espressa». 7 Ahern (1992, 4): «In terms of Brunetto Latini’s analysis, Dante’s declaration marks a turning aside from the tenzone-paradigm which seeks tangible response. He says that he will now write out of disinterested love. At the conclusion of his first praise poem, ‹Donne ch’avete intelletto d’amore›, he foregoes tangible response to his desire».

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flektiertheit dieser Fiktionalisierung und Unterteilung des eigenen Publikums in der Vita Nuova in die drei Arten Freunde, Frauen und Fremde.8 Das Leser- und Autorkonzept, das der Vita Nuova zugrunde liegt, ist jedoch, hinsichtlich der Struktur weit komplexer, als es auf den ersten Blick scheint: so lassen sich mindestens fünf Erzählebenen ausfindig machen (cf. Booth 1961).

Abbildung 1: Graphische Darstellung der Erzählebenen

Auf der äußersten Ebene befindet sich der reale Autor Dante Alighieri (1265–1321) und seine realen Leser. Es folgt auf der zweiten Ebene ein impliziter Autor des Gesamtwerkes der Vita Nuova, den ich mit dem Autor des Proömiums als Autor des libello identifizieren möchte, diesem entspricht der implizite Leser, der jedoch nicht mit den fedeli d’amore gleichzusetzen ist (cf. Ahern 1990; 1992). Die fedeli d’amore sind, dieser Unterteilung nach, der extradiegetische fiktive Adressat, dem der intradiegetische homodiegetische Erzähler «Dante» gegenübersteht. Die Erzählstruktur verdichtet sich durch die Anspielung an das libro de la mia memoria des Proömiums, welches die Erzählung formal gliedert und inhaltlich strukturiert. In diesem libro gibt es ein weiteres Ich, das sowohl als Autor als auch als Leser und Exeget der eigenen Poesie, dessen Subjekt es wiederum ist, auftritt. Benvenuto Terracini spricht davon, dass das ‹Ich› der Vita Nuova das eine Mal geschwächt, das andere Mal versteckt sei und sich im Winkel einer seiner Fähig-

8 Ahern (1992, 9): «These three successive fictionalizations can be seen as constituting a single movement from a conception of literary communication in which actual speech, the spoken word and its genres (songs, verbal duels, praisepoetry) play a determining role, serving as explicit or implicit models, to a conception of literary communication in which writing itself, in its actual historical and material circumstances, provides its own paradigm».

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keiten auflöse, sobald der Dichter sich genauer beobachte.9 Diese Auflösung ist als sehr bewusste Durchbrechung der klaren Trennung von Leser und Autor anzusehen, die Dante auf zwei Ebenen vollzieht: erstens indem er sich selbst im Proömium als Leser des Werkes, das Vita Nova betitelt ist, stilisiert und zweitens indem er sowohl die Rollen des Autors, des Akteurs als auch des Exegeten der Gedichte einnimmt.10 Ich möchte an diesem Punkt die Konstruktion der Autorschaft zunächst außer Acht lassen und direkt zur Leserschaft übergehen und werde anhand der Leserkonstruktion und den in der Vita Nuova genannten fiktiven und historischen Rezeptionszeugnissen auf die Rolle des Dichters eingehen.

1.2.1.1 Der advocatus diaboli als impliziter Leser Dante richtet die Vita Nuova nicht an einen Leser oder einen einzelnen Leserkreis, der klar abgesteckt ist, vielmehr bietet er unterschiedliche Lektüremöglichkeiten für verschiedene Lesertypen an. Wie die Autorkonstruktion der Vita Nuova sehr komplex ist, so sind auch die Lesermodelle vielschichtig. Meist werden in den Forschungsbeiträgen jedoch die einzelnen Sprechebenen nicht unterschieden, und die Lesermodelle vermischt und mit der historischen (intendierten) Leserschaft behandelt. Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze, wobei entweder von einer elitären und exklusiven Leserschaft ausgegangen wird oder eine intendierte große Publikumswirksamkeit des Werkes angenommen wird. Die fedeli d’amore werden hierbei als initiierte Leser der Vita Nuova vorgestellt, die an einer Auseinandersetzung mit Liebeslyrik und zeitgenössischen Poetiken interessiert seien (cf. Valli 1994). Auch Todorović greift auf die fedeli d’amore als intendierte Leserschaft der Vita Nuova zurück, ohne auf andere Lesermodelle des libello einzuge-

9 Terracini (1966, 220): «A guardar bene, l’io della Vita Nuova è quanto attentuato, velato, come l’ambiente sul quale si disegna. Un io che là dove il poeta si scruta più a fondo, si dissolve e si cela nel cantuccio di una delle sue facoltà: il libro della memoria; la donna della mia mente; dico che Amore segnoreggiò la mia anima». 10 Gorni (2008, 129): «Del libello Dante accredita, e vuole che si riconosca, la filiazione diretta dal libro della sua memoria. Libro quest’ultimo omnicomprensivo, ma (a quanto s’intuisce) sapientemente scandito da rubriche e ordinato in un sistema gerarchico di minori o maggiori paragrafi: preziosi paradigmi di una mente legislativa in sommo grado, rivelatori di come Dante legga e organizzi il reale in forma di volume. Questa antologia a tesi delle remi di sé stesso giovane viene trascritta dall’autore – che si atteggia a copista, breviatore ed esegeta della propria opera (è essenziale che si tenga sempre conto di queste tre funzioni) – con tenacia implacabile di autoanalisi (è mio intendimento d’asemplare), quasi per un processo liberatorio d’affrancamento e definitiva professione di fede».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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hen.11 Petrocchi hat hingegen die Hypothese aufgestellt, dass Dante mit der Vita Nuova ein möglichst großes Publikum erreichen wollte (cf. Petrocchi 1982, 111), was die Präsenz der verschiedenen Lesertypen erklären könnte. Isabelle Abramé-Battesti hingegen zeigt den Wechsel der impliziten Leser auf und zieht eine Linie von den fedeli d’amore zu den donne gentili,12 die in einer «geistlichen», Beatrice nahe stehenden Leserschaft münde.13 Dieser kurze Überblick zeigt, dass die Frage nach den impliziten Lesern der Vita Nuova keineswegs einfach zu beantworten ist, weil weder eine einzige Leserschaft stilisiert wird, wie etwa die fedeli d’amore, noch eine werkchronologische «Entwicklung» oder «Öffnung» auszumachen ist. Vielmehr scheint es, dass Dante einzelne Themen mit einem bestimmten impliziten Leser ausmacht, so wendet er sich etwa gegen einen kritischen Leser, der stilistische und poetologische Einwände an Dantes Unterfangen vorzutragen scheint, während die Stilentwicklung mit den donne verhandelt wird. Gemäß dem oben aufgeführten Schema steht dem impliziten Leser nicht der Dante, der Autor einzelner Gedichte, sondern der Autor des gesamten Werkes gegenüber, der sich in den metapoetischen Abschnitten des Textes, dem Proömium und den Kapiteln V, VII und XVI manifestiert. In den genannten Kapiteln antwortet Dante auf einen möglichen Einwand gegen den «neuen Stil», der von Personifikationen und direkter Rede lebt. Nachdem er mit seinem sechsten Gedicht zum ersten Mal im eigentlichen Sinne ein Gedicht verschickt, d. h. dass er eine ballata mit dem Auftrag, Amor zu finden und in seiner Begleitung lobende Worte an die donna zu richten, schreibt, fügt Dante in den ragioni eine erste kurze Erklärung der Stellvertreter-Funktion des Gedichtes an.  

11 Todorović (2016, 1): «Poems that had circulated in manuscripts within an independent tradition were now incorporated into a longer work, intended for a restricted circulation upon its composition and compilation», 3: «As far as the question of the Vita Nova’s audience is concerned, the book itself, especially the parts in which Dante openly reflects on writing for his first friend or addresses his poems to his fellow poets, seems to suggest that it indeeed was not meant to be disseminated outside of the cotrerie of poets around Dante.» (meine Hervorhebungen). 12 Abramé-Battesti, (2002, 3): «La glose lacunaire ne retient de l’épisode que la matière cavalcantienne, et de façon quelque peu dérisoire, circonscrit le champ de compétences des fidèles d’Amour aux déboires des ‹spiriti visivi›. A l’occasion du gab, en effet, Dante pose le premier jalon d’une autre phénoménologie de l’amour, miraculeuse, et projette le ‹libello› vers un auditoire à la veille de se constituer: celui des ‹donne gentili›». 13 Abramé-Battesti (2002, 4): «En accord avec la fonction du témoignage assignée à la poésie de la louange, Dante forge une nouvelle représentation de l’auditoire, sur un modèle non plus aristocratique et courtois, mais évangélique. En effet, l’opposition entre cœurs nobles et cœurs vils, fidèles d’Amour et lecteurs ignorants est abolie, au profit d’un schéma qui distingue d’une part le concitoyens de Béatrice, témoins et bénéficiares directs de sa vertu béatifiante, d’autre part le reste du monde, destinataire universel du sonnet Tanto gentile».

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«Es könnte schon jemand gegen mich widersprechen und sagen, dass er nicht wisse, an wen sich mein Sprechen in der zweiten Person richtete, weil die ballata weiter nichts enthalte, als die Worte, die ich spreche. Und deshalb sage ich, dass ich mir vornehme, diesen Zweifel in diesem Büchlein an einer anderen Stelle, die noch zweifelhafter als diese ist, zu lösen und zu erläutern; und so warte der, welcher hier zweifelt oder welcher hier Einwände in diesem Sinne anführt».14

Ist es erlaubt, anhand dieses Abschnittes zu vermuten, dass ein solcher Einwand «realiter» erhoben wurde und Dante in dem oben zitierten Abschnitt in der Redaktion des libello der Vita Nuova auf einen früheren auf seine Gedichte bezogenen Einwand erklärend reagiert oder handelt es sich vielmehr um ein rein hypothetisches Gedankenspiel mit dem advocatus diaboli? Nachdem im ersten verteidigenden Abschnitt die direkte Anrede der Gedichte und ihre damit einhergehende Personifizierung im Vordergrund stand, wendet sich Dante im zweiten metapoetischen Abschnitt, in Kapitel VII, der Personifizierung der spiriti zu: «Wahr ist, dass sich unter den Worten, in denen die Ursache dieses Sonetts erklärt wird, einige zweifelhafte Worte finden, nämlich, wenn ich sage, dass Amor alle meine Geister tötet, und nur die des Gesichtes am Leben bleiben, wenn sie auch außerhalb ihrer Organe sind. Diesen Zweifel aber kann unmöglich lösen, wer nicht in gleichem Grad ein Getreuer Amors [fedele d’amore] ist; denen aber, die es sind, ist das offenkundig, was die zweifelhaften Worte erklären könnten. Und deshalb schickt es sich nicht für mich, diesen Zweifel zu erhellen, weil meine Worte teils vergeblich sein würden, teils überflüssig».15

Auch der zweite Abschnitt, der den impliziten Autor zu Tage treten lässt, ist zwar einerseits um das korrekte Verständnis des Textes bemüht, andererseits wird dem impliziten Leser gegenüber eine Unterscheidung zwischen «genügenden» und «ungenügenden» Lesern in Bezug auf die Verwendung der rhetorischen Figur der Personifizierung eröffnet. Was die Personifizierung der spiriti angeht, kann man

14 Dante, VN V 24: «Potrebbe già l’uomo opporre contra me e dicere che non sapesse a cui fosse lo mio parlare in seconda persona, però che la ballata non è altro che queste parole ched io parlo: e però dico che questo dubbio io lo intendo solvere e dichiarare in questo libello ancora in parte più dubbiosa, e allora intenda qui chi qui dubita, o chi qui volesse opporre in questo modo». 15 Dante, VN VII 14: «Vero è che tra le parole dove si manifesta la cagione di questo sonetto, si scrivono dubbiose parole, cioè quando dico che Amore uccide tutti i miei spiriti, e li visivi rimangono in vita, salvo che fuori de li strumenti loro. E questo dubbio è impossibile a solvere a chi non fosse in simile grado fedele d’Amore; e a coloro che vi sono è manifesto ciò che solverebbe le dubitose parole: e però non è bene a me di dichiarare cotale dubitazione, acciò che lo mio parlare dichiarando sarebbe indarno, o vero di soperchio».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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feststellen, dass Dante kein Erfinder oder Begründer einer neuen Tradition ist und sich etwa deshalb erklären müsste. Doch darf man zugleich hervorheben, dass Dante die spiriti in der Verbindung zur Metapher des «libro della mia memoria» in einer neuen Konnotation nicht nur als Personifizierungen der verschiedenen Seelenkräfte oder der unterschiedlichen spiritus verwendet, sondern ihren vermittelnden Charakter zwischen Außen- und Innenwelt in seiner Poetologie betont und sie in den Erzählstrang über Amor (Inspiration), Dante (Sprachrohr) und Beatrice (Adressat) aufnimmt. Das konkrete Verfahren des Dichtens wird durch die Personifizierungen Amors und der spiriti «entmystifiziert», gerade weil sie auf erkenntnistheoretische Erklärungsmodelle anspielen und Handlungsanweisungen für das Dichten geben. Der implizite Leser wird in der Art vorgestellt, dass er diese Interpretation der Poesie an sich oder die «Mechanisierung» des poetischen Schreibens, d. h. die Verdeutlichung der Verbindung von Wahrnehmung, Imagination und Erinnerung, in Frage stellt. Der Verweis auf die fedeli d’amore, («wer nicht in gleichem Grad ein Getreuer Amors ist») erlaubt in diesem Zusammenhang einen doppelten Schluss: zum einen ist ihre Nennung quasi eine Einladung an den impliziten (kritischen) Leser, sich der Lesergemeinschaft, die Dante als ideale Leser fedeli d’amore nennt, anzuschließen. Zum anderen handelt es sich nicht, wie wir noch sehen werden, um einen ontologischen Status, den man entweder besitzt oder nicht, die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ist vielmehr graduell zu erreichen. Im dritten Abschnitt, in Kapitel XVI, steht die Figur Amors im Vordergrund, wobei ausgehend von dieser Figur die Frage der Latinität bzw. Volkssprachlichkeit behandelt wird und Dante schließlich Klarheit im Gebrauch von Allegorien fordert.  

«Es könnte hier manche Person zweifeln, die würdig ist, dass man ihr jeden Zweifel auflöste, und könnte daran zweifeln, dass ich von Amor spreche, als ob er eine Sache für sich wäre, und nicht nur eine geistige Substanz, sondern auch als ob er eine körperliche Substanz wäre; die Sache ist der Wahrheit nach falsch, denn Amor ist nicht für sich eine Substanz, sondern ist ein Akzidenz einer Substanz. Und dass ich von ihm spreche, als ob er ein Körper wäre, ja sogar als ob er ein Mensch wäre, wird durch drei Dinge deutlich, die ich von ihm sage. Ich sage, dass ich ihn kommen sah, wobei es scheint, dass ich Amor als Körper darstelle, weil ja ‹kommen› die Ortsbewegung bezeichnet, und selbstständig ortsbeweglich, nach dem Philosophen, nur Körper sind. Ich sage auch von ihm, dass er lachte, und auch, dass er sprach, welches Eigenschaften des Menschen sind, vor allem die Eigenschaft zu lachen, und deshalb erscheint es, dass ich ihn als Menschen darstelle. […] Also, wenn wir nun sehen, dass die [lateinischen, MdME] Dichter zu unbelebten Gegenständen gesprochen haben, als ob sie Sinn und Verstand hätten, und sie untereinander haben sprechen lassen; und sie haben nicht nur von wirklichen Dingen gesprochen, als ob sie sprechen, sondern auch von erdichteten Dingen, also von Dingen, die nicht sind, und von vielen Akzidenzien, dass sie sprechen, so als ob sie Substanzen oder Menschen wären. So ist auch der Reimdichter wür-

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dig, das Gleiche zu tun, aber nicht ohne Grund, sondern mit Grund, der dann in der Prosa erklärt werden kann».16

Die Personifizierung Amors scheint einen fundamentalen Part im ‹neuen Stil› zu spielen, da Dante diesem Thema das ganze zentrale Kapitel widmet. Die drei Schritte zur Personifizierung, die Darstellung Amors, eigentlich nur ein Akzidenz, als cosa per sé, nicht als geistige Substanz, sondern als körperliche Substanz, sogar als Mensch, werden Schritt für Schritt erläutert. Die Definition von Substanz, die Aristoteles in Metaphysik V, 1017b1–25 bietet, und die Unterscheidung von Substanz und Akzidenz, Metaphysik 1025a14–35, konnte Dante auch in philosophisch-enzyklopädischen Handbüchern, wie dem Speculum naturale von Vincent von Beauvais, finden (cf. Vincent von Beauvais, Speculum doctrinale, III, xiv). Die Lokalbewegung beschreibt Aristoteles im vierten Buch der Physik, wobei die knappe Definition, «Lokalbeweglich sind nur Körper», in die ausführlichen Erklärungen zur zirkulären Bewegung der Himmelskörper fällt.17 Nachdem Dante den philosophischen Unterbau für die ersten beiden Grade der Substantivierung und Verkörperlichung dargestellt hat, bleibt ihm im dritten Schritt zu erläutern, wodurch Amor als menschliche Person gekennzeichnet wird. Diese Erläuterung bringt er durch die Gleichung des si homo est, est risibilis vor (Dante, Ep. 13, 26).

16 Dante, VN XVI 1: «Potrebbe qui dubitare persona degna di dichiararle onne dubitazione, e dubitare potrebbe di ciò, che io dico d’Amore come se fosse una cosa per sé, e non solamente sustanzia intelligente, ma sì come fosse sustanzia corporale: la quale cosa, secondo la veritate, è falsa; ché Amore non è per sé sì come sustanzia, ma è uno accidente in sustanzia. E che io dica di lui come se fosse corpo, ancora sì come se fosse uomo appare per tre cose che dico di lui. Dico che lo vidi venire; onde, con ciò sia cosa che venire dica moto locale, e localmente mobile per sé, secondo lo Filosofo, sia solamente corpo, appare che io ponga Amore essere corpo. Dico anche di lui che ridea, e anche che parlava; le quali cose paiono essere proprie de l’uomo, e spezialmente essere risibile; e però appare ch’io ponga lui essere uomo (…, 8:) Dunque, se noi vedemo che li poete hanno parlato a le cose inanimate, sì come se avessero senso e ragione, e fattele parlare insieme; e non solamente cose vere, ma cose non vere, cioè che detto hanno, di cose le quali non sono, che parlano, e detto che molti accidenti parlano, sì come se fossero sustanzie e uomini; degno è lo dicitore per rima di fare lo somigliante, ma non sanza ragione alcuna, ma con ragione la quale poi sia possibile d’aprire per prosa […]». 17 Mugnai, Paolo «Mobile», Enciclopedia dantesca, III, 979–980: «Nell’ambito del moto locale si dinstingue ulteriormente tra moto circolare, moto rettilineo e moto misto, ma l’uso dantesco di moto si riferisce per lo più al moto circolare. […] La mobilità delle sfere celesti comporta la loro materialità, poiché il moto deriva da privazione e imperfezione e ha la sua giustificazione metafisica nella potenzialità della materia (‹Et si coniunctio cum materia causa est mobilitatis, erit separatio a materia causa oppositi: quod est immobilitatis per se et per accidens›, Alb. Magno Metaph. I III 5). Di questa connessione necessaria fra materia e mobilità si serve Dante come di una delle giustificazioni della personificazione poetica che egli fa dell’amore in VN XVI 2».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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Nun spricht Dante von der «letizia» Amors (VN I 18; XV 2), dass Amor weine (VN III 4, 7; V 11), seufze (VN V 10) und betroffen (VN IV 4) oder fröhlich (VN XV 10) sei, menschliche Verhaltensweisen, die unter der spezifischen Eigenschaft des Lachens zusammengefasst werden.18 Dies ist nicht nur die ausführlichste Beschreibung und Verteidigung dessen, was Dante in der Vita Nuova vor- bzw. durchführt, sondern stellt sowohl die doppelte implizite fiktionale Leserschaft, die fedeli d’amore und die donne, als interpretierende und die Allegorie auflösende Leser und Leserinnen und den neuen kritischen Leser vor, an welchen sich Dante in diesem Abschnitt explizit wendet. Welche Informationen kann man über diesen neuen impliziten Leser aus dem zentralen Kapitel extrahieren? Im Anfangssatz verbirgt sich erstmals eine positive Bewertung dieses impliziten Lesers im Ausdruck «persona degna da dichiararle onne dubitazione», der bisher immer auf weitere Erklärungen vertröstet wurde oder dessen Einwände – so er sich denn mit denen identifiziert, die in höheren Grade fedeli d’amore sind – als überflüssig abgetan wurden. Indem er die Kategorien von Substanz und Akzidenz, Physik und Anthropologie verwendet, bewegt sich Dante in diesem Kapitel dezidiert im philosophischen Feld der aristotelischen Definitionen.19 Dieser Umstand stellt uns vor drei Hypothesen, die jeweils

18 Cuntz/Söffner (2006, 295): «[…] der Wandel, den Dante gegenüber den vorangehenden Texten vollzieht, (ist) nicht allein so zu fassen, daß er als erster die Allegorie der Dichter mit der Allegorie der Theologen verbindet. Eher als um zwei verschiedene Verfahren der Allegorie geht es um einen Wandel in den Verfahren der Verkörperung. Denn es ist vor allem die Verkörperung durch die Exempelfiguren, die imagines, die sich bei Dante an die Stelle der Verkörperung durch Personifikationen setzt.» Cf. Kiening (1994); Schmitt (2008). 19 Dante selbst bezieht sich explizit nur auf den «Filosofo» (VN XVI 2: «Dico che lo vidi venire; onde, con ciò sia cosa che venire dica moto locale, e localmente mobile per sé, secondo lo Filosofo, sia solamente corpo»). In den neueren Vita Nuova Ausgaben wird dieser Abschnitt generell auf Aristoteles bezogen: Petrocchi (2006, 196) zitiert Contini: «secondo la cui dottrina (di Aristotele) quello locale è solo un tipo elettivo di moto, tale potendo essere anche ogni manifestazione del divenire (passaggio dalla potenza all’atto)» ohne jedoch eine genaue Angabe des Aristotelesverweises (Physik, IV, 1–4) zu bieten. Pirovano verweist in seinem Kommentar nicht auf Aristoteles, sondern auf Thomas von Aquins Definition «ens per se subsistens», das in Summa theol. 13 5 ausgelegt wird. Cf. Pirovano (2015, 208): «a proposito delle quali [definizioni] occorre osservare che il moto locale o moto di traslazione è quello piú studiato dalla fisica medievale di derivazione aristotelica e che si distingue ulteriormente in moto circolare, rettilineo e misto. In questo segmento di testo non a caso dunque è citato Aristotele, ‹lo Filosofo›, per antomasia». Die Definition des «si homo est, est risibilis», die Dante auch in der Epistola a Cangrande della Scala 74 verwendet, wird von Ciccuto auf Martianus Capella, De nuptiis, IV, 398: «quemadmodum omnis homo risibilis est, ita omne risibile est homo» bezogen. Im Kommentar zur Epistola a Cangrande verweist Th. Ricklin darüberhinaus auch auf Albertus Magnus, Lib. II Topicorum, II, iii, 317b und Aristoteles De partibus animalium III, x. Cf. Ricklin (1993, 176–181). Die Definition des homo risibilis ist jedoch keineswegs auf Martianus Capella beschränkt, sondern findet sich in Boethi-

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

von einem bestimmten Autorbild abhängig sind. So kann man auf der einen Seite annehmen, dass Dante von seinen Lesern erwartet, dass sie ihm in dieser philosophischen Auslegung problemlos folgen können sollten, Dante also mindestens erwartet, dass der Leser versteht, wer mit «lo Filosofo» gemeint ist. Andererseits mag der Verweis auf die ursprüngliche Motivation der volkssprachlichen Dichtung aus mangelnden Lateinkenntnisse der Addressatin, – Dante berichtet, dass die Volkssprache gewählt wurde, damit die Adressatinnen von Liebesgedichten diese verstünden –, derart gelesen werden, dass auch Dante sich mit seinem libello an Frauen richtet.20 Drittens kann diese Ausführung als Provokation zeitgenössischer dichterischer Fragestellungen verstanden werden, weil Dante gegen Cavalcanti, Onesto da Bologna und Cino di Pistoia besonders hervorhebt, dass er Amor nicht als Akzidenz, sondern als Person darstelle, was die genannten Autoren in ihren Gedichten zwar auch tun, aber den akzidentellen Charakter von Amor gleichfalls in den Vordergrund stellen.21 Während bei der ersten Hypothese Dante ein Selbstverständnis zugeschrieben wird, das sich in der Wahl einer «exklusiven» Leserschaft spiegelt, bedeutet die zweite Hypothese, dass sich Dante nicht nur in den Gedichten an die donne wendet, sondern für das gesamte libello eine weibliche und gebildete Leserschaft intendiert hat. In der Konstruktion dieses Leserkreises, auf den ich unten auf S. 28–32 genauer eingehe, findet sich jedoch ein Vorwurf der Inkohärenz, die darin bestehe, dass Dante zwar behaupte, durch die seine donna lobende Dichtung Glückseligkeit zu erlangen, in seinen Gedichten jedoch von diesem Vorsatz ab-

us In Porphyrii Isagogen commentorum I,16 und IV,15, V, 1;9; Boethius In Categorias Aristotelis I, 190, und der weiteren Kommentartradition von Porphyrius und den Logischen Schriften von Aristoteles (Ockham, Abelard, Raimundus Lullus, Albertus Magnus, Thomas von Aquin). Obgleich diese Definition in der VN und dem Schreiben an Cangrande della Scala in einen unterschiedlichen Kontext eingebettet ist – im ersten Fall zur Begründung der Personifizierung Amors und im zweiten Fall in einem logischen Schluss in der Argumentation über die Bewegung und Aufnahmefähigkeit des Empyreums – sofolgt diese Definition in beiden Fällen auf eine Erklärung über den Zusammenhang von Bewegung und Materialität. 20 Dante, VN XVI 6: «E lo primo che cominciò a dire sì come poeta volgare, si mosse però che volle fare d’intendere le sue parole a donna, a la quale era malagevole d’intendere li versi latini. E questo è contra coloro che rimano sopra altra matera che amorosa, con ciò sia cosa che cotale modo di parlare fosse dal principio trovato per dire d’amore.» Cf.. dvE, I I 3 und Convivio I ix 4–5. 21 Cf. Guido Cavalcanti, Donna me prega, 2–3: «un accidente ... ch’è chiamato amore». Cf. Dante, Molti, volendo dir che fosse Amore; Onesto, Bernardo, quel dell’arco, 6. Cino da Pistoia, Io non posso celar, 27; Nicolò de’ Rossi, Amore è uno accidente. Auch Todorović (2016, 72) liest hierin eine Anspielung an Cavalcanti und seine Amorkonzeption: «Love ist not, as his ‹first friend› Guido might argue, a substance but an accident of substance», und kommt zum Schluss «therefore, he can legitimately be assigned faculties of laughing, speaking, and motion».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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kommt und von anderem schreibt.22 Auch die Einbettung in den Reigen der bella scola, die unter Punkt 1.2.1.1 behandelt wird, und die Historisierung der volkssprachlichen Lyriktradition sind an einen Leser gerichtet, der die Provokation dieses Vorgehens begreifen kann. Die gewählten Belege für den antiken Gebrauch der Personifikation scheinen einen Kenner dieser Werke auf einen sinnvollen Gebrauch der Allegorie und Personifikation hinweisen zu wollen (cf. De Bruyne 1947, 93–99): «Und damit eine grobe Person keine Überheblichkeit einnehme, sage ich, dass weder die Dichter so ohne Sinn sprachen, noch die, die reimen, so sprechen sollen, ohne ein Verständnis in sich davon zu haben, was sie sagen; es wäre nämlich eine große Schande für den, der Dinge unter dem Kleid einer Figur oder einer rhetorischen Farbe reimt, und dann, gefragt, nicht wüsste, seine Worte von diesem Kleid zu befreien, so dass ihnen [den Worten] wahrhaftes Verständnis zukäme. Und mein erster Freund und ich wissen viel [gut] von denen, die auf so dumme Weise reimen».23

Es scheint, als müssten wir uns nicht zwischen dem Bild eines gebildeten männlichen bzw. weiblichen Lesers oder eines in der Literaturtheorie unbewanderten Lesers ohne Lateinkenntnisse entscheiden. Obwohl der Tadel des wohlbedachten Gebrauchs von Allegorien gegen historische Personen gerichtet zu sein scheint,24 ist er dennoch Teil der Konstruktion der impliziten Leser und erlaubt, von einer impliziten Leserschaft zu sprechen, die die oben genannten Figuren umfasst und den Text durch die Identifikationsangebote einem größtmöglichen Publikum zu vermitteln sucht. «Dante’s experimental text constructs a new character, the aggressively critical reader, female or male, who exists in some temporal and spatial dimension other than that of the

22 Dante könnte sich hier dieselbe Frage wie in X 10 stellen: «Poi che è tanta beatitudine in quelle parole che lodano la mia donna, perchè altro parlare è stato lo mio?». 23 Dante, VN XVI 10: «E acciò che non ne pigli alcuna baldanza persona grossa, dico che né li poete parlavano così sanza ragione, nè quelli che rimano deono parlare così non avendo alcuno ragionamento in loro di quello che dicono; però che grande vergogna sarebbe a colui che rimasse cose sotto vesta di figura o di colore rettorico, e poscia, domandato, non sapesse denudare le sue parole da cotale vesta, in guisa che avessero verace intendimento. E questo mio primo amico e io ne sapemo bene di quelli che così rimano stoltamente». 24 So kritisiert Cecco d’Ascoli im dritten Buch seiner Acerba (1326–27) nicht nur das Homerzitat aus VN I 8 in den Versen, Cecco d’Ascoli, L’Acerba - Acerba etas, xlviii, 60 [146]: «Del qual già ne trattò quel Fiorentino, / che lì lui si condusse Beatrice/ del corpo umano, e mai non fu divino, ...» sondern auch die Personifizierung von Amor (hier am Beispiel von Donna me prega III.1): «Non è effettivo agente quel che priva, /dunque il Marte non può per suo lume / Amore formar in animal che viva. / Le antiche prove degli eccelsi ditti, / Spogliano Marte di cotal costume, / che tien di querra gli atti circoscritti».

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

author. One might say, then, that this ‹Book of the New Life›, among other things, is also an exploration of the new life of the book» (Ahern 1992, 13).

Mit diesem Versuch, den allgemeinen Leser zu überzeugen, dessen mögliche Kritik an seinen Neuerungen, der Sprachwahl, der Personifizierung und Stilebene er hier erörtert, versucht Dante, auch seinem libello die Möglichkeit einer langandauernden Lektüre und Rezeption zu eröffnen.

1.2.1.2 Der implizite fiktionale Leser 1.2.1.2.1 Fedeli d’amore Giunta bezeichnet die fedeli d’amore, obwohl er auch die Unterscheidung «destinatario storico» und «destinatario fitizio» einführt,25 als implizite Lesergemeinschaft, ohne zu spezifizieren, ob es sich hierbei um die Konstruktion einer Leserschaft seitens des Autors oder um die Adressierung des Werkes oder Teile des Werkes an eine historische Gruppe handelt.26 In der Vita Nuova ist jedoch die Trennung des realen Lesers, der dem Aufruf von Dante, das Eröffnungsgedicht der Vita Nuova zu interpretieren, von einem impliziten Leser, den Dante als fedele d’amore anspricht, notwendig. Gleichzeitig findet eine Vermischung dieser beiden Ebenen durch den Verweis auf das Antwortgedicht von Cavalcanti statt, dessen Anfangszeile er in den Erläuterungen zum ersten Gedicht zitiert.27 Einerseits erläutert Dante in der voranstehenden ragione des Gedichtes, dass er alle fedeli d’amore um eine Interpretation seines Traumes bittet, andererseits wird er nur Cavalcanti als Leser und Antwortenden namentlich nennen.

25 Giunta (2002, 98): «Il dedicatario può tuttavia essere coinvolto in maniera più diretta nel testo, diventandone il destinatario interno: vale a dire l’interlocutore al quale chi scrive rivolge o finge di rivolgere le sue parole trattandolo come un personaggio dell’opera». 26 Giunta (2002, 99): «s’intende facilemnte che ciò che sotto la finzione retorica il saggista ha di mira - benché non vi accenni mai - è un destinatario secondo, vale a dire il pubblico dei lettori suoi contemporaneo.» Cf. Kapitel, «Destinatari nominali», 98–102; «Versi a un destinatario individuato», 107–110; «Versi a un gruppo di destinatari definiti ma non individuati», 111–112; «Versi a categorie sociali o professionali», 113–115; «Dall'istruzione ad hominem all’impersonalità», 116–117; «Le donne, i cuori gentili, le malelingue», 117–120. 27 Eine Vermischung dieser Ebenen führt jedoch allenfalls zu den Geheimbund-Thesen wie sie zum Beispiel Valli (1928) formuliert. Die Vermischung der Ebenen kann gut an der Figur von Cavalcanti verdeutlicht werden, der in der Prosa zum einen der primo amico ist, der Dante als einziger korrekt liest und dessen Antwort als einzige explizit beim «Titel» genannt wird und Auszeichnung als Adressat des gesamten Werkes in seiner wiederholten Nennung in Kapitel XIX 10: «E simile intenzione so ch’ebbe questo mio primo amico a cui io ciò scrivo, cioè ch’io li scrivessi solamente volgare».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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«Als ich darüber nachdachte, was mir erschienen war, nahm ich mir vor, dies viele hören zu lassen, die in jener Zeit berühmte Troubadours waren. Und da ich schon für mich selbst die Kunst, Worte in Reim zu bringen, erprobt hatte, beschloss ich, ein Sonett zu machen, in dem ich alle Fedeli d’Amore grüßen und sie bitten würde, meine Vision zu deuten, und ich schrieb ihnen das, was ich in meinem Schlaf gesehen hatte. Und ich begann dieses Sonett, das anfängt: ‹A ciascun’alma presa›».28

Dies ist der einzige explizite Aufruf an eine (konstruierte) Leserschaft, aus ihrer traditionellen Rolle herauszutreten und selbst zu Kommentatoren und Autoren zu werden. Die Identifikation der famosi trovatori mit den fedeli d’amore scheint sich anzubieten,29 doch unterscheidet Dante auch hier verschiedene Leserebenen. Er schreibt, dass er seine Vision vielen zeitgenössischen Dichtern mitteilen möchte, die somit als extradiegetische Modellleser des Eröffnungsgedichtes bestimmt werden können. In seinem Sonett jedoch wolle er die fedeli d’amore ansprechen und sie um Deutung seiner Vision bitten, wodurch er sie als intradiegetische Leser des Gedichtes definiert. Die Anrede in A ciascun alma presa selbst ist jedoch undefiniert und die Bezeichnung ‹fedeli d’amore› ist im Gedicht nicht zu finden. Dante, VN I 21. «A ciascun’alma presa e gentil core nel cui cospetto ven lo dir presente, in ciò che mi rescrivan suo parvente, salute in lor segnor, cioè Amore».

Die im narrativen Teil vollzogene Unterscheidung der Leserschaft in extradiegetische Leser (famosi trovatori) und intradiegetische Leser (fedeli d’amore) schließt die ragione nicht mit ein, wo die famosi trovatori als intradiegetische Leser Teil der Handlung sind. Die Doppelung, die durch die unterschiedlichen Redaktionsphasen der Vita Nuova bedingt ist, wird sich in der Analyse der realen Leser wiederfinden. In der divisione erklärt Dante, dass er die fedeli d’amore bitte, seine Vision zu deuten oder zu bewerten, jene, die er im Gedicht als «gentil core» und von Amor Beherrschte bezeichnet. Diese doppelte Bezeichnung, in der ragione fedeli d’amore und im Gedicht «gentil core», verstärkt den Eindruck der Eingrenzung des Leserkreises und der Gleichzeitigen Vervielfachung der Leseakte. Die Trouba-

28 Dante, VN I 19: «Pensando io a ciò che m’era apparuto, propuosi di farlo sentire a molti li quali erano famosi trovatori in quello tempo: e con ciò fosse cosa che io avesse già veduto per me medesimo l’arte del dire parole per rima, propuosi di fare uno sonetto, ne lo quale io salutasse tutti li fedeli d’Amore e pregandoli che giudicassero la mia visione, scrissi a loro ciò che io aveva nel mio sonno veduto. E cominciai allora questo sonetto, lo quale comincia: ‹A ciascun’alma presa›». 29 Todorović (2016, 3): «its intended audience can be identified as this small circle of poets, with the ‹fedeli d’amore› who understand Dante’s poetry, the ‹cor’ gentili› and ‹alm(e) pres(e)›».

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

dour werden als Empfänger des Gedichtes dargestellt, das sie «hören» sollen, die fedeli d’amore werden im Sonett «gegrüßt» und gebeten, die Vision zu deuten, im Sonett nun richtet sich Dante an die «gentil core», die er auffordert, ihre Meinung zurück zu schicken. Dante bittet um Antwort, welche er dann auch von vielen erhält. «Auf dieses Gedicht wurde von vielen mit unterschiedlichen Interpretationen geantwortet, unter welchen der Antwortende war, den ich den ersten meiner Freunde nenne, und dieser schrieb ein Sonett, das mit ‹Vedeste, al mio parere, onne valore› beginnt».30

Die Dialogizität des Textes basiert nicht auf einem modernen literaturtheoretischen Kommunikationsmodell von Autor, Werk und Leser, sondern ist im Text selbst verankert und findet nicht nur auf fiktionaler Ebene statt. So antworten Guido Cavalcanti, Dante da Maiano und Cino da Pistoia mit ihren Versuchen, die visione zu interpretieren. In diesem Fall ist der Leseakt also kein «Pseudo-Dialog», wie ihn Grimm in seiner Rezeptionstheorie beschreibt. Der Leser, durch die Aufhebung seiner Rolle als passiver Rezipient, und der Autor, der sich zum einen auch als Leser seines eigenen Werkes stilisiert («io trovo scripte le parole le quali è mio intendimento d’asemplare in questo libello»), und zum anderen in der zeitlich verschobenen Redaktion der Gedichte und der Prosateile des Textes die Möglichkeit findet, auf die ersten Leser zu reagieren, treten in einen echten und aktiven Dialog. Indem Dante sein Eröffnungsgedicht zum Anlass nimmt, seine historische Leserschaft und ihre Eigenschaften als Leser (Interpreten) und Dichter explizit zu würdigen – evoziert durch den ersten Vers des Gedichtes von Cavalcanti –, scheinen diese Eigenschaften auch als Qualitätsmerkmale der Modellleser, der fedeli d’amore, zu gelten und können als wirkungstheoretische Hinweise des Textes gelesen werden. Dante ruft also auch den realen Leser auf, in einen aktiven Dialog zu treten und seine derart definierte Leserrolle anzunehmen. Dass die fedeli d’amore in ihrer Qualität als neue und antwortende Leser die impliziten fiktionalen Leser nicht nur des ersten Gedichtes, sondern der gesamten Vita Nuova sind, zeigen die vier weiteren Stellen, an denen sie in ihrer Rolle als Leser beschrieben werden. Im zweiten Kapitel werden sie als Adressaten des zweiten Gedichtes vorgestellt, obwohl im Gedicht selbst nur von einem unbestimmten «voi» die Rede ist.31

30 Dante, VN II 1: «A questo sonetto fue risposto da molti e di diverse sentenzie; tra li quali fue risponditore quelli cui io chiamo primo de li miei amici, e disse allora uno sonetto, lo quale comincia: ‹Vedeste, al mio parare, onne valore›». 31 Dante, VN II 14.

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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«O voi che per la via d’Amore passate, attendete e guardate s’elli è dolore alcun, quanto ‘l mio grave; e prego sol ch’audir mi sofferiate, e poi imaginate s’io son d’ogni tormento ostale e chiave».

Dante erläutert in der divisione des Gedichtes das Bibelzitat und die Anrede der fedeli d’amore, deren Rolle hier durch ein «Antworten» bestimmt wird. «Dieses Sonett hat zwei Hauptteile. Im ersten möchte ich alle fedeli d’amore mit den Worten des Propheten Jeremias herbeirufen: ‹O vos omnes, qui transitis per viam, attendite et videte si est dolor sicut dolor meus›, und ich bitte sie, dass sie mich anhören. Im zweiten Teil erzähle ich, in welchen Zustand mich Amor versetzt hatte, mit einer anderen Absicht, als die, die letzten Teile des Sonetts nicht zeigen, und sage dort, was ich verloren habe».32

In den Klageliedern, die semantisch für das zweite Sonett als Vorlage dienten, weint Jerusalem über ihr Unglück: «Ihr alle, die ihr des Weges zieht, schaut doch und seht, ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz, den man mir angetan, mit dem der Herr mich geschlagen hat am Tag seines glühenden Zornes» (cf. Jerm. 1, 12). Wie Dante die Adressaten des ersten Sonettes, die er dann mit den fedeli d’amore identifiziert, auffordert, aus ihrer passiven Leserrolle herauszutreten, so bittet er die fedeli d’amore hier, ihm Gehör zu schenken. Das Zuhören steht dem «Gedicht-Sprechen» («e dissi questo sonetto») gegenüber. Während im ersten Fall also die klassische Trennung von Autor und Leser in Bezug auf den Schreib- und Leseakt aufgebrochen wird, wird im zweiten Fall die Entsprechung von Gedichte-Schreiben und Lesen durch die Dimension des Sprechens und Hörens erweitert. Die Bitte um Gehör und Aufmerksamkeit wird mit der dritten Nennung in Kapitel III 7 zu einer Bitte um Entsprechung der Gefühlsregung verstärkt. Im dritten Kapitel stimmt Dante ein weiteres Klagelied über den Tod einer donna an: «Piangete, amanti, poi che piange Amore. Weint, ihr Liebenden, da auch Amor weint». In der Erläuterung setzt Dante wieder die Adressaten, die amanti, mit den fedeli d’amore gleich und betont ihre Rolle als Zuhörer. «Dieses erste Sonett unterteilt sich in drei Teile. Im ersten rufe und fordere ich die fedeli d’amore auf zu weinen, und ich sage, dass ihr Gebieter weint, und ich sage: ‹hörend, was die

32 Dante, VN II 16: «Questo sonetto ha due parti principali; che ne la prima intendo chiamare li fedeli d‘Amore per quelle parole di Geremia profeta che dicono: ‹O vos omnes qui transitis per viam, attendite et videte si est dolor sicut dolor meus›, e pregare che mi sofferino d‘audire; ne la seconda narro là ove Amore m‘avea posto, con altro intedimento, che l'estreme parti del sonetto non mostrano, e dico che io hoe ciò perduto».

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

Ursache für sein Weinen ist›, damit sie sich mehr darauf vorbereiten, mich anzuhören. Im zweiten Teil erzähle ich die Ursache, und im dritten spreche ich von einer Ehre, die Amor jener Frau erwiesen hat».33

Dante erklärt im einleitenden Prosaabschnitt des Gedichtes, dass er selbst zu Tränen gerührt sei und dieses Gedicht weinend schreibe, wodurch die Spiegelung der Rolle der Leser durch die Entsprechung der Gefühle mit denen des Autors erweitert wird.34 Die drei bereits untersuchten Nennungen der fedeli d’amore versuchen stufenweise eine Analogie von Autor und Leser zu suggerieren. Die Analogie des real antwortenden Lesers, Cavalcanti, und den zur Antwort aufgerufenen Modelllesern, den fedeli d’amore, durchbricht die Abgrenzung von Autor und Leser beispielhaft. Eine Vergegenwärtigung wird durch die Entsprechung von SchreibenSprechen und Lesen-Hören erzeugt und der Schreibakt in die Gegenwart des Leseaktes transloziert. Im dritten Fall soll eine den beschriebenen Emotionen des Autors analoge Gefühlsregung hervorgerufen werden. In allen drei Fällen werden die fedeli d’amore jeweils mit in den Gedichten anders Bezeichneten gleichgesetzt: «gentil core», «O voi che per la via d’Amor passate», «Amanti». Bei der vierten Erwähnung der fedeli d’amore in Kapitel VII wird ein ausschließendes Qualitätsmerkmal der Modellleser vorgebracht. In den Kapiteln VII bis X richtet Dante seine Gedichte nicht mehr an Adressaten, die er in den Prosaabschnitten als fedeli d’amore bezeichnet, sondern er spricht in den drei Gedichten zu Beatrice. In den ragioni und den divisioni erklärt er seine «trasfigurazione», die in Kapitel VII durch den Auftrag Amors, den «stile della lode» zu pflegen, kulminiert. Dante wendet sich in der divisione zu Con l’altre donne mia vista gabbate zum zweiten Mal gegen einen kritischen Einwand und schreibt: «Wahr ist, dass sich unter den Worten, in denen die Ursache dieses Sonetts erklärt wird, einige zweifelhafte Worte finden, nämlich, wenn ich sage, dass Amor alle meine Geister tötet,

33 Dante, VN III 7: «Questo primo sonetto si divide in tre parti: ne la prima chiamo e sollicito li fedeli d’Amore a piangere e dico che lo segnore loro piange, e dico ‹udendo la cagione per che piange›, acciò che s’acconcino più ad ascoltarmi; ne la seconda narro la cagione; ne la terza parlo d’alcuno onore che Amore fece a questa donna». 34 Dante, VN III 2: «non poteo sostenere alquante lagrime; anzi piangendo mi propuosi a dicere alquante parole de la sua morte.» Giunta (2002, 118), stellt heraus, dass die fedeli d’Amore wie die donne sich dadurch auszeichnen, dass sie über bestimmte Qualitäten verfügen, die sich in ihrem intendimento widerspiegeln. Sowohl die fedeli d’Amore als auch die donne seien demnach durch ihr (Vor-) Wissen bzw. ihre Erfahrung, durch die das intendimento sowohl den theoretischen als auch praktischen Bereich abdeckt, als (ideale) Leser geradezu prädestiniert.

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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und nur die des Gesichts am Leben bleiben, wenn auch außerhalb ihrer Organe. Diesen Zweifel aber kann unmöglich lösen, wer nicht in gleichem Grad ein fedele d’amore ist».35

Hier bezeichnet der Ausdruck «fedele d’amore» nicht die Zuschreibung einer angeredeten zweiten Person durch Dante selbst, sondern wird auf eine Leserschaft bezogen, welche aus dem Kreis der allgemeinen Leser hervorsticht, die einen Zweifel bezüglich der Personifizierung der spiriti äußern. Diese spiriti beschreibt Dante sowohl in der ragione als auch dem dazugehörigen Sonett, wobei sich die ausführlichere Darstellung im Prosaabschnitt findet. Es ist bemerkenswert, dass es sich erstens nicht um eine Zuschreibung eines konstruierten Adressaten, wie in den vorangehenden Fällen, und zweitens um einen Leser, der die ragioni und parole, also das gesamte libello der Vita Nuova liest, handelt. In den bisher untersuchten Fällen hingegen wurden die fedeli d’amore als Modell einer Leserschaft der Gedichte vorgestellt. Die fedeli d’amore sind also nicht die Modellleser der Gedichte, sondern des libello. Die Gleichsetzung der Modellleser mit den fedeli d‘amore ist besonders deutlich, wenn Dante schreibt, dass es unmöglich ist, die Zweifel für diejenigen zu lösen, die nicht im selben Maße fedeli d’amore seien. Nachdem Dante den Teil der Vita Nuova beginnt, welcher von den Kanzonen ein- und ausgeleitet wird und in dem die Adressaten der Gedichte wechseln – wobei die erste Kanzone mit der Anrufung der «Donne ch’avete intelletto d’amore» beginnt, während die letzte mit einer Verschickung der Kanzone an eben diese donne endet36 – verwendet er im darauffolgenden Kapitel ein letztes Mal den Ausdruck «fedeli d’Amore». Der ganze Abschnitt evoziert das erste Kapitel: in der ragione wird der Entstehungshintergrund des Gedichtes Venite a intender mit Verweis auf Dantes ersten Freund, Cavalcanti, den er im ersten Kapitel mittels des Zitats des Anfangsverses seines Antwortgedichtes benennt, wiedergegeben. Im ersten Gedicht A ciascun’alma presa, auf das Cavalcanti antwortete, und dem Gedicht Venite a intender findet sich die Anrede «cor gentili», die dann mit den fedeli d’amore gleichgesetzt werden. «Venite a intender li sospiri miei, oi cor gentili, ché pietà ‘l disia: li quai disconsolati vanno via, e s’e’ non fosser, di dolor morrei». (Dante, VN XXI 5)

35 Dante, VN VII 14, siehe Anm. 15, oben Seite 16. 36 Dante, VN XX 17: «Pietosa mia canzone, or va piangendo;/ e ritruova le donne e le donzelle/ a cui le tue sorelle / erano usate di portar letizia/; e tu, che se’ figliuola di tristizia, / vatten disconsolata a star con elle».

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

In der ragione bezeichnet Dante die fedeli d’amore als diejenigen, die ihn verstehen mögen («che m’intendano»), ein Attribut, das der Leserschaft der donne zu geschrieben wird, wie wir im Folgenden sehen werden. In Kapitel XXX schreibt Dante zudem, dass er dieses Gedicht zusammen mit dem Gedicht Deh peregrini und das an die donne gerichtete Gedicht Oltre la spera, das das letzte Gedicht der Vita Nuova ist, an zwei donne gentili geschickt habe.37 Zusammenfassend kann man schließen, dass die fedeli d‘amore zum einen das Konzept der Gegenseitigkeit und Korrespondenz der Modellleser durch ihre Verbindung zu den realen Lesern (famosi trovatori – Cavalcanti) verdeutlichen und zum anderen das Maß und der Anspruch ebendieser Modellleser sind. Der Ausdruck «fedeli d’Amore» wird somit zum «Qualitätsmerkmal» eines Lesers, der antwortet, mitempfindet und versteht.

1.2.1.2.2 Donne Das «Verstehen» wird Dante zum Kriterium der neuen Adressaten, die er auswählt, nachdem er entschieden hat, eine neue Materie, eine neue Poesie, hervorzubringen. «Nachdem ich diese drei Sonette gesagt hatte, in welchen ich zu dieser donna redete, obwohl sie gleichsam nur Erzählungen meines eigenen Zustandes waren, glaubte ich, schweigen und nicht weiter reden zu müssen, weil es mir schien, dass ich von mir genug offengelegt hatte, so dass ich gegen sie nun immer (darüber) schweigen könnte. Und es kam mir nun zu, einen neuen Stoff zu wählen, und einen edleren als den früheren. […] Und so nahm ich mir vor, zum Stoff meiner Rede immer nur das Lob jener Anmutigsten zu nehmen. Und indem ich viel darüber nachdachte, schien es mir, ich hätte mir einen zu hohen Stoff vorgenommen, so dass ich nicht wagte zu beginnen. Und so verbrachte ich einige Tage in Sehnsucht zu reden und in Furcht zu beginnen.»38

37 Dante, VN XXX 1: «Poi mandaro due donne gentili a me pregando che io mandasse loro di queste mie parole rimate; onde io, pensando la loro nobilitate, propuosi di mandare loro e di fare una cosa nuova, la quale io mandasse a loro prieghi. E dissi allora uno sonetto, lo quale narra del mio stato, e manda’ lo a loro co lo precedente sonetto accompagnato, e con un altro che comincia Venite a intender». 38 Dante, VN X 1, 11: «Poi che dissi questi tre sonetti, ne li quali parlai a questa donna, però che fuoro narratori di tutto quasi lo mio stato, credendomi tacere e non dire più però che mi parea di me assai manifestato, avvegna che sempre poi tacesse di dire a lei, a me convenne ripigliare matera nuova e più nobile che la passata. […] E però propuosi di prendere per matera de lo mio parlare sempre mai quello che fosse loda di questa gentilissima; e pensando molto a ciò, pareami avere impresa troppo alta matera quanto a me, sì che non ardia di cominciare; e così dimorai alquanti dì con disiderio di dire e con paura di cominciare».

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Es waren die donne, die als Geburtshelferinnen für den neuen Stil fungierten und denen Dante die erste Kanzone Donne ch’avete intelletto d’amore widmete. Nicht nur durch das Attribut der Liebeskundigkeit, sondern vor allem die Tatsache, dass Dante selbst ein Antwortgedicht der Donne in das libello der Vita Nuova aufnimmt und sich als dessen Autor zu erkennen gibt, bezeugt die Stilisierung der donne als weitere Modellleserinnen, die sowohl in den ragioni als auch den parole als Adressateninnen genannt werden.39 «Donne ch’avete intelletto d’amore, i’ vo’ con voi la mia donna dire, non perch’io creda sua laude finire, ma ragionar per isfogar la mente. Io dico che pensando il suo valore, Amor sì dolce mi si fa sentire, che s’io allora non perdessi ardire, farei parlando innamorar la gente».

«Donne, die ihr Kenntnis habt von Amor, Ich möchte mit euch von meiner donna sprechen, nicht weil ich glaube ihr Lob zu beenden, sondern, um nachdenkend den Geist zu befreien. Ich sage, wenn ich ihrer Tugend gedenke, Amor süß in mir zu fühlen ist dass, wenn ich nun nicht zu brennen verlierte, ich die Menschen sprechend verlieben machte».

Die Geschichte der Entwicklung des eigenen poetischen Stils, wie sie Dante in der Vita Nuova erzählt, wird von Frauen begleitet, sie sind die Angesprochenen und die (fiktiv) Antwortenden. Wichtige Entwicklungsschritte von einer Liebeslyrik zu einem philosophischen Dichten werden durch die Präsenz und Begegnung mit den Frauen hervorgerufen. Im zentralen Kapitel der Vita Nuova gibt Dante den Grund der Geburt der Volkssprache mit den Verständnisschwierigkeiten der Frauen an, denen Latein zu unbequem war.40 Dante tritt als Dichter nach der zweiten Begegnung mit Beatrice und der Traumvision des gegessenen Herzens in die Öffentlichkeit, in dem er die bekannten Troubadours seiner Zeit bittet, den Traum zu deuten. Auch sind es Frauen, die als Geburtshelfer der stilistischen Weiterentwicklung zum stile della lode und der thematischen Umorientierung dienen. Die Begegnung mit der donna gentile hat eine Funktion in der Handlung der Liebesgeschichte der Vita Nuova und ist für die Geschichte der Entwicklung des poetischen Stils unabdingbar. Dante berichtet, dass er nach Beatrices Tod einer donna gentile begegnet sei, die ihr Mitgefühl für Dantes Trauer gezeigt habe und Dante in seiner Bezogenheit auf Beatrice schwanken lässt.

39 Dante, VN X 15, 16. 40 Dante, VN XVI 6: «E lo primo che cominciò a dire sì come poeta volgare, si mosse però che volle fare intendere le sue parole a donna, a la quale era malagevole d’intendere li versi latini. E questo è contra coloro che rimano sopra altra matera che amorosa, con ciò sia cosa che cotale modo di parlare fosse dal principio trovato per dire d’amore».

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«Als ich mir meiner Plagerei bewusst wurde, hob ich die Augen, um zu sehen, ob mich jemand gesehen hätte. Und dann sah ich eine edle donna, jung und sehr schön, die mich aus einem Fenster heraus so mitleidsvoll betrachtete, so dass es schien, dass das ganze Erbarmen in ihr wohne».41

Die donna gentile ist durch Mitleid und Erbarmen charakterisiert, wie Dante im Convivio II xiii 6 besonders betont «e non la poteva immaginare in atto alcuno, se non misericordioso», wo er eine längere Beschreibung der Begegnung mit der donna gentile anfügt.42 Während die Gedichte, die um das Donna Gentile-Kapitel gruppiert sind, keine Unterteilungen haben, hat erst das letzte Gedicht der Vita Nuova, in dem Dante sich auf seine Liebe zu Beatrice zurückbesinnt, wieder eine divisione und Leseanweisung für die richtige Gedichtinterpretation. Das letzte Gedicht Oltre la spera mit seinem expliziten Aristoteles-Verweis und einer Bezugnahme auf die Intellekttheorie kann als Dantes erster Versuch gedeutet werden, eine philosophische Poesie für Frauen zu dichten. Die Leserschaft wird eingeladen über die philosophischen Hintergründe von Poesie nachzudenken, wobei das Gedicht als «Aufhänger» für philosophische Überlegungen genutzt wird, wie Dante es später ausgiebig im Convivio macht. So verschränken sich zum Schluss erneut die Ebenen von intradiegetischen Adressaten, donne und peregini, von verschiedenen Modelllesern, fedeli d’Amore und donne, so dass die Verwischung der Grenze von implizitem Leser, Modellleser und realem Leser verstärkt wird. Die donne werden durch ihr Verständnis als Modellleserinnen ausgezeichnet, gleichzeitig sind sie auch Adressateninnen der Gedichte des neuen Stils und (fiktiv) Antwortende (cf. Steinberg 2007, 61–94; 14). Ebenso verhält es sich mit dem Ausdruck der «fedeli d’Amore», der die klassische Grenze zwischen Autor und Leser, realem und fiktivem Leser aufweicht, aber kei-

41 Dante, VN XXIV 2: «Onde io, accorgendomi del mio travagliare, levai li occhi per vedere se altri mi vedesse. Allora vidi una gentile donna giovane e bella molto, la quale da una finestra mi riguardava sì pietosamente, quanto a la vista, che tutta la pietà parea in lei accolta». 42 Dante, Convivio, II ii 1: «Cominciando adunque, dico che […] appresso lo trapassamento di quella Beatrice beata che vive in cielo con li angeli e in terra con la mia anima, quando quella gentile donna, cui feci menzione ne la fine de la Vita Nuova, parve primamente, accompagnata d’amore, a li occhi miei e prese luogo alcuno ne la mia mente» und II xii 4–6: «e misimi a leggere […] Boezio […] e Tullio. E avvegna che duro mi fosse ne la prima entrare ne la loro sentenza, finalmente v’entrai tanto entro, quanto l’arte di gramatica ch’io avea e un poco di mio ingegno potea fare; per lo quale ingegno molte cose, quasi come sognando, già vedea, sì come ne la Vita Nuova si può vedere. […] io, che cercava di consolarme, trovai non solamente a le mie lagrime rimedio, ma vocabuli d’autori e di scienze e di libri: li quali considerando, giudicava bene che la filosofia, che era donna di questi autori, di queste scienze e di questi libri, fossa somma cosa».

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ne Lesergemeinschaft, weder real noch fiktiv bezeichnet, sondern vielmehr die Eigenschaften des Modelllesers bündelt und die Wirkungstheorie des Textes verbildlicht. Wenn Dante in der ragione zu Piangete amanti ausführt, dass die Motivation dieses Gedichtes in den sporadischen Begegnungen der verschiedenen donna mit seiner Beatrice liege und die Poetisierung dieses Sachverhaltes sich im letzten Teil des Gedichtes finde, was denjenigen, die das verstünden, offensichtlich sei, dann gibt er selbst den realen Lesern durch die erklärende ragione die Möglichkeit, zu denen zu gehören, «die ihn verstehen» (Dante, VN III 3), also unabhängig von den ontologischen Merkmalen der donne oder fedeli d’amore durch reines Verständnis oder Erkenntnis in diesen Leserkreis aufgenommen zu werden. Wie Justin Steinberg in seiner literaturwissenschaftlich-soziologischen Untersuchung zu Dantes Sprechen an und als donna gezeigt hat, kann die zwischen den Kanzonen Donne ch’avete und Donna pietosa eingegrenzte Sektion der Vita Nuova als Neudefinition eines etablierten Phänomens angesehen werden, indem die donne in ihrer Privatsphäre (z. B. am Totenbett) und uninteressiert angesprochen werden und womit Dante auf Fehlinterpretationen seiner frühen Gedichte, insbesonders Donne ch’avete reagiere.43 Es kann abschließend festgehalten werden, dass Dante in der Vita Nuova ein sehr vielschichtiges Publikum anspricht und nicht für einen eingeschränkten Leserkreis schreibt. Er bietet dadurch Identifikationsmöglichkeiten für unterschiedliche Lesertypen, die sich in einem der Lesermodelle wiederfinden können und schrittweise einer neuen Leserrolle zugeführt werden. Zu Beginn der Vita Nuova werden gleich vier unterschiedliche Leser vorgestellt: Schreiber, Dichter, Liebende und Freunde. Der erste Leser der Vita Nuova ist Dante selbst, der in der Buchmetapher des Proömiums aus dem libro della memoria abschreibt. Die Dichter werden durch die Versendung von A ciascun alma presa als Adressaten hervorgehoben, gleichzeitig aber auch als ‹fedeli d’Amore› benannt. Durch die Nennung der Versendung von A ciascun alma presa an famosi trovatori und die Kritik an einem Großteil der Gedichtinterpretation, die Dante erhalten hat, wird der Leser auf die Neuinterpretation vorbereitet und gleichzeitig findet sich hier eine captatio benevolentiae durch die Bezeichnung «famosi trovatori». Es geht jedoch nicht um  

43 Steinberg (2007, 13): «I argue that, the vexed treatment of the female voice, which is at the center of the Vita Nova, was Dante’s attempt to contain the misreadings of his poetry that he would have encountered in his own reading of Benn aggia and anticipated in future readers. As evidenced in the Vatican anthology, the pratice of writing in the female voice, often in tenzoni between two male poets, formed part of an important social ritual for the Tuscan ruling elite. In contrast, throughout the Vita Nova, Dante frames his dialogues with female readers and interlocutors as private speech acts», und «The donne of the Vita Nova», cf. Steinberg (2007, 81–92).

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einen ontologischen oder sozialen Status, vielmehr zeigt Dante, dass das Verständnis seiner Gedichte die Leser zu Freunden macht («e questo fue quasi lo principio de l’amistà tra lui e me»). Durch die Entgrenzung der Leserfigur können sich zukünftige Leser anhand der methodologischen Anweisungen (Gebrauch von divisioni) und Interpretationsanweisungen, die Dante in der Vita Nuova bietet, zu verstehenden Lesern bilden.

1.2.2 Reale und fiktive Rezeptionszeugnisse Wie ich zu zeigen versucht habe, ist der Text der Vita Nuova reich an metapoetischen Reflexionen über die Rolle des Autors und des Lesers. Dante bietet in seinen divisioni zahlreiche «Leseanweisungen» und verweist an mehreren Stellen auf den dichterischen Dialog, in den er mit seinen Modell- und realen Lesern getreten ist. Wie bereits in den Ausführungen zur Verschränkung der impliziten fiktiven und realen Leser untersucht wurde, berichtet Dante im ersten Kapitel von einer Versendung des ersten in das libello aufgenommenen Gedichtes an «molti li quali erano famosi trovatori in quel tempo» (cf. Dante, VN I 20). Obgleich keine losen Blätter des 13. Jahrhunderts identifiziert wurden, die diesen Sachverhalt belegen können, darf man Dantes Behauptung, «a questo sonetto fu risposto da molti e di diverse sententie», Glauben schenken.44 Die im Prosateil evozierte Erwartungshaltung an einen zeitlich («in quel tempo») und professionell eingeengten Leserkreis findet ihre Entsprechung in der Nennung von Cavalcantis Antwortgedicht. Unter den drei Antwortgedichten auf A ciascun alma presa nimmt es durch die Titelnennung, «che comincia Vedeste al mio parere ogni valore», nicht nur eine hervorgehobene Stellung ein, sondern wird auch als erstes Rezeptionszeugnis eines Gedichtes der Vita Nuova angeführt.45 Ein Vergleich der intertextuellen Bezüge der Antwortgedichte von Guido Cavalcanti, Terino da Castelfiorentino (Cino da Pistoia?) und Dante da Maiano, wie ihn del Balzo vorgenommen hat, bietet die Möglichkeit, die im erklärenden Prosateil des Textes eingefügte Bewertung einer dem Autor zugänglichen Lesart des Gedichtes herauszustellen. Der Verweis auf Cavalcanti enthält zwei unterschiedliche Informationen: zum einen handelt es sich um eine historische Interpretation des Gedichtes A ciascun alma

44 Storey (2005, 117–132) vermutet eine Zirkulierung loser Blätter für Donne ch’avete. 45 Dante, VN II 1: «tra li quali fu risponditore quelli cui io chiamo primo dellei miei amici, e disse allora uno sonetto, lo quale comincia Vedesti al mio parere, onne valore. E questo fu quasi lo principio dell’amistà tra lui e me, quando elli seppe che io era quelli che li avea ciò mandato». Cf. Flechter (1903); Ginsburg (1977).

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presa (neben anderen überlieferten Antwortgedichten), zum anderen gibt Dantes Bewertung dieser Interpretation Aufschluss darüber, welche Lektüre des Gedichtes er vorzog. Diese Interpretation wird als Modellinterpretation eines historischen Lesers, der dadurch auch zum Modellleser avanciert, vorgestellt. Was ist nun das Besondere an der Interpretation von Cavalcanti? Während Dante da Maiano von «favoleggiar» spricht und die Vision des gegessenen Herzens als «farneticata» abtut (cf. Dante da Maiano, Di cio che stato sei dimandatore, 9; 11), nimmt Cavalcanti Dante in seiner Traumdeutung ernst. Ihm zufolge ist Amor der «signor Valente», Verursacher des Traumbildes, das den Tod Beatrices voraussage, «veggendo che vostra donna la morte chiedea» (Cavalcanti, Vedesti al mio parere, 3; 9). Obwohl die Interpretation Cavalcantis bei Dante auf die größte Zustimmung stößt, schreibt er: «lo verace iuditio del detto sogno non fu veduto allora per alcuno, ma ora è manifestissimo alli più semplici» (Dante, VN II 2). In der gängigen Kommentierung dieses Absatzes wird der Tod Beatrices als distinktives Moment der Interpretation angesehen, «allora» und «ora» würden die Vor- und Nachzeitigkeit des «turning point» ausdrücken (Ciccuto 2006, 102, Anm. 92–95). Man darf sich fragen, ob es der ps.-prophetische Charakter des Gedichtes Vedeste al mio parer ist, den Dante in seinem Urteil betont oder ob es sich bei Dantes Aussage um einen allgemeinen Tadel gegen die interpretatorischen Qualitäten seiner Zeitgenossen handelt. Der Satz ist vielmehr als Aufforderung Dantes an alle seine Leser zu verstehen, sich dichterisch antwortend mit den «famosi trovatori» zu messen, was die Untersuchung der Rezeptionsappelle der Vita Nuova zeigen wird. Den nächsten Rezeptionshinweis finden wir im selben Kapitel, in dem Dante die Wahl seiner «donna dello schermo» beschreibt und ihr einige Gedichte widmet, um von seiner wahren Liebe abzulenken. «Und um die anderen [meine Liebe, MdME] mehr glauben zu machen, machte ich einige Reimdinge für sie [la donna dello schermo], welche hier zu schreiben nicht meine Absicht ist, es sei denn insofern ich sie gemacht habe, um von jener lieblichsten Beatrice zu handeln, weswegen ich sie insgesamt weglassen werde, mit Ausnahme von einigen Dingen, die ich aufschreiben werde, denn sie scheinen ihr Lob».46

Diese nicht in die Vita Nuova aufgenommenen, von Beatrice ablenkenden Gedichte haben die Aufgabe, die Leser in die Irre zu führen, sie haben somit einen

46 Dante, VN II 9: «E per più fare credente altrui, fece per lei [la donna dello schermo, MdME] certe cosette per rima, le quali non è mio intendimento di scrivere qui, se non in quanto facesse a tractare di quella gentilissima Beatrice, e però le lascerò tutte, salvo che alcuna cosa ne scriverò che pare che sia loda di lei».

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präzisen Rezeptionsauftrag. Nicht in die Vita Nuova aufgenommen wurde auch der serventese, den Dante zum Lob der sechzig schönsten Frauen von Florenz geschrieben haben will.47 Es ist unbestritten, dass diese Nennung in der Zahlensymbolik der Vita Nuova ihre Berechtigung findet, dennoch könnte der Abschnitt aus rezeptionsgeschichtlicher Perspektive auch als leiser Fingerzeig auf ein leicht zu imitierendes Modell gelesen werden. Die Vorgaben sind nur zahlensymbolischer Art und enthalten keinen Hinweis über Reim und Metaphern. Es sind fünf derartige Gedichte als Antwort auf diese «Imitationseinladung» in der Dante-Forschung berücksichtigt worden (cf. Contini 1965, 36). Gianfranco Contini verweist auf Boccaccios Caccia di Diana, datiert in das Jahr 1334 (cf. Boccaccio 1969), den «sermintese» Leggiadro Sermintese, pien d’amore, 1335 von Antonio Pucci,48 das Gedicht Contento quasi ne’ pensier d’amore, Rime I, LXIX (cf. Sarteschi 2003) von Boccaccio (ca. 1342), einige Gedichte von Franco Sacchetti (Battaglia delle belle donne, Puccini 2007) und ein Gedicht von Amelio Bonaguisi.49 Wenn wir annehmen, dass Dantes serventese aufgrund einer geringen handschriftlichen Verbreitung verloren gegangen ist, kann dieser Verlust frühestens in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eingetreten sein, denn zuvor muss der serventese zumindest den vier genannten Autoren zugänglich gewesen sein. Andernfalls ließen sich die expliziten Bezüge zur Vita Nuova, insbesondere in Caccia di Diana, nicht nachvollziehen. Desgleichen könnte die geläufige Interpretation von Guido, i’ vorrei che tu e Lapo ed io als Anspielung auf ein nummerisches Loblied auf (mindestens dreißig) Frauen nicht aufrechterhalten werden. Dennoch soll nicht verschwiegen werden, dass Dante sowohl bezüglich der Form (serventese) als auch bezüglich des Inhalts (Loblied und Corteo von Frauen) ein beliebtes Thema ausgewählt hat.50 Als nummerisch geordnete Loblieder auf eine bestimmte Anzahl von Frauen können die genannten Gedichte als Beleg einer ersten imitativen Lektüre der erklärenden Prosa von Vita Nuova III 3 gelten.

47 Dante, VN II 10–11. Ob Dante ihn wirklich geschrieben hat und er nicht überliefert ist, oder ob es sich um einen literarischen Schachzug handelt, den sich Dante in der Vita Nuova erlaubt, ist in der Dante-Forschung weiterhin umstritten. Im Sonett Guido, i’ vorrei che tu e Lapo ed io, wird ein ähliches numerisches Spiel genannt, wobei sich die donna jedoch auf der 30. Position und nicht an neunter Stelle, wie in der Vita Nuova berichtet wurde, befindet. (Rime LII); cf. Mazzoni (1941, 131). 48 D’Ancona (1884, 46–51); Ferri (1909, 255–260); Pini (1893, 18–19). 49 Dante, Rime 36; Zambrini (1881); McGuire Jennings (2014, 147–167, 249–255). 50 Hier sei nur auf den Serventese del Dio d’Amore (ca. 1280) und die möglichen Vorbilder von De Amore von Andrea Capellanus, verwiesen Lai du Trot und Conseil d’amour von Richart de Fournival, Salut d’Amor und die Confessio Amantis von John Gower, auf die Lecco (2007), hinweist. Siehe auch Karnein (1985) und zum Serventese cf. Medin (1913–1914).

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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Ein weiteres Moment der Rezeptionsanleitung findet sich in der divisione zur Kanzone Donne ch’avete. Von den in die Vita Nuova aufgenommenen Gedichten wird es am ausführlichsten analysiert und gegliedert (cf. Botterill 1994; Durling/ Martinez 1990, 55–70, wo eine detailliertere divisione vorgestellt wird). «Ich sage richtigerweise, dass man, um das Verständnis dieser Kanzone noch weiter zu öffnen, noch minutiösere Unterteilungen benutzen müsste. Dennoch wer nicht genug Verstand besitzt, sie aufgrund der vorgenommenen (Unterteilungen) zu verstehen, missfällt mir nicht, wenn er die Kanzone in Ruhe lässt, denn ich fürchte sehr, dass ich bereits durch die vorgenannte Unterteilung zu vielen das Verständnis eröffnet habe, wenn es denn käme, dass viele sie zu hören bekämen».51

Dante scheint in diesem Abschnitt seine Erwartung an das Publikum als «lettori ingegnosi» zu formulieren, indem er seine Unterteilungen einerseits als hinreichende Hilfestellung für das Verständnis der Kanzone darstellt und er andererseits den Leser «di non tanto ingegno» bei Verständnisschwierigkeiten auslädt, sich weiter mit dem Werk zu befassen. Diese Unterteilung der Leserschaft anhand des intendimento erlaubt es Dante darüber hinaus, den verständigen Leser indirekt aufzufordern, sich in einer noch detaillierteren Unterteilung dieses Gedichtes zu üben: «converrebbe usare di più minute divisioni». Anders als im Falle von A ciascun alma presa lässt Dante den Leser jedoch im Ungewissen wie diese canzone, die «fue alquanto divolgata tra le genti con ciò fosse cosa che alcuno amico l’udisse» aufgenommen wurde (cf. hierzu Kapitel 3.2.4.1 Vat – Donne ch’avete und der Amico di Dante, S. 213–224). Die Appellstruktur der Vita Nuova verdichtet sich in Kapitel XIII, in dem Dante den Tod von Beatrices Vater zum Anlass von zwei Sonetten nimmt. Während Dante im Falle von Donne ch’avete den Aspekt des intendimento (cf. Scott 1963, 220–221), des richtigen Verständnisses der Leser betonte, steht in diesem Kapitel die Übereinstimmung der durch die Worte der donne in Dante hervorgerufenen Gemütsregung und des in den parole von Dante an den Leser gerichteten Gefühlsausdrucks im Vordergrund. «Viele Frauen fanden sich dort beisammen, wo diese Beatrice erbarmungswürdig weinte: als ich einige Frauen von ihr zurückkehren sah, hörte ich sie von dieser Edelsten Worte sa-

51 Dante, VN X 33: «Dico bene che, a più aprire lo intendimento di questa canzone, si converrebbe usare di più minute divisioni; ma tuttavia chi non è di tanto ingegno che per queste che sono fatte la possa intendere, a me non dispiace se la mi lascia stare, ché certo io temo d’avere a troppi comunicato lo suo intendimento pur per queste divisioni che fatte sono, s’elli avvenisse che molti le potessero audire».

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gen, so als ob sie klagte: unter diesen Worten hörte ich, dass sie sagten: ‹Sicher sie weint so, dass wer sie sieht, vor Mitleid sterben müsste.› […] Und wie ich so noch an demselben Ort verweilte, kamen auch Frauen an mir vorbei, die gingen und miteinander sprachen: ‹Wer von uns wird jemals erfreut sein, die wir diese donna so erbarmungswürdig haben sprechen hören?› Dann gingen andere Frauen vorbei, die kamen und sprachen: ‹Dieser hier weint nicht mehr noch weniger, als ob er sie wie wir gesehen hätte.› Andere sagten dann über mich: ‹Sieht diesen, der nicht mehr er selbst zu sein scheint, soweit ist es gekommen!›».52

Der in den Worten der donne ausgedrückte Schmerz Beatrices über den Verlust ihres Vaters löst in Dante dieselbe Gefühlsregung aus. Er entspricht somit der Aufforderung des Mitleidens, das in der ersten Formulierung, «ella piange sì, che quale la mirasse dovrebbe morire di pietade», die von den donne vorgetragen wird und bricht in Tränen aus, «alcuna lagrima bagnava la mia faccia». Die Aufforderung des Mitleidens ist nicht direkt an Dante gerichtet, sondern an die donne selbst, wie ihre zweite Äußerung, «chi dee mai esser lieta di noi», veranschaulicht. Auch in diesem Fall wird die Gefühlsregung durch das Hören und Weitersagen verbreitet: «che avemo udita parlare questa donna cosí pietosamente». Dante wird schließlich, aus der Perspektive der donne schreibend, durch seine Dichtung Glied in der Kette der Gefühlsweitergabe: «E perché piangi tu sì coralmente/ che fai di te pietà venire altrui?». Während Dante in Donne ch’avete dichtend seine Leser verliebt machen könnte,53 wird die gefühlsregende Kraft seiner Dichtung aus der Sicht der donne bekräftigt und bestätigt. Auch in Kapitel XVII nimmt die Dichtung eine Mittlerfunktion ein, indem sie die «ehrliche und liebliche Süße», die Beatrice in ihren Betrachtern auslöst, an ihrer Stelle vermitteln soll. «Ich sage, dass sie sich so freundlich und so voll aller Lust zeigte, dass jene, die sie betrachteten, in sich eine ehrliche und liebliche Süße bemerkten, die sie nicht wiederzugeben wuss-

52 Dante, VN XIII 3–6: «[…] molte donne s’adunaro colà dove questa Beatrice piangea pietosamente: onde io veggendo ritornare alquanto donne da lei, udio dicere loro parole di queste gentilisissima, com’ella si lamentava; tra le quali parole udio che diceano: ‹Certo ella piange si, che quale la mirasse dovrebbe morire di pietade.› […] E però dimorando ancora nel medesimo luogo, donne anche passaro presso di me, le quali andavano ragionando tra loro queste parole: ‹Chi dee mai esser lieta di noi, che avemo udito parlare questa donna così pietosamente?›. Apresso costoro passaro altre donne, che veniano dicendo: ‹Questi ch’è qui piange né più né meno come se l’avesse veduta, come noi avemo.› Altre di poi diceano di me: ‹Vedi questi che non pare esso, tal è divenuto!›. E così passando queste donne, udio parole di lei e di me in questo modo che detto è». 53 Dante, Donne ch’avete 4–7: «Io dico che pensando il suo valore, / Amor sì dolce mi si fa sentire, / che s’io allora non perdessi ardire, / farei parlando innamorar la gente».

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ten. […] Als ich an dies dachte, schlug ich vor, Worte zu sagen, in denen ich von ihren wunderbaren und herausragenden Handlungen zu verstehen gäbe; so dass nicht nur jene, die sie sinnhaft sehen konnten, sondern die anderen, das von ihr wissen, was die Worte nicht verständlich machen können».54

Mit diesen Worten wird die Motivation des Gedichtes und seine Aufgabe als Erklärung an ein entferntes Publikum ausgeführt. Während Cavalcanti, der erste antwortende Leser der Vita Nuova, in Kapitel XIX 10 auch zum Modellleser und Adressaten der gesamten Vita Nuova erhoben wird, vergrößert Dante im Laufe der folgenden Rezeptionshinweise den Leserkreis zunehmend. Diese Erweiterung des Adressatenkreises vom dem ihm intellektuell und freundschaftlich am nächsten Stehenden zu den Fremden wird im Kapitel XXIX des Werkes abgeschlossen: «Diese Pilger scheinen mir von weither [zu kommen] und ich glaube nicht, dass sie auch von dieser donna gehört haben […]. Wenn ich sie [die Pilger] eine Weile festhalten könnte, würde ich sie zum Weinen bringen, ehe sie aus dieser Stadt hinausgehen, denn ich würde Worte sagen, die jeden zum Weinen bringen, der sie vernimmt».55

Auf der einen Seite fordert Dante in der Appellstruktur der Vita Nuova also sein Publikum auf, sich in die ihm zugedachte Rolle des mitfühlenden Lesers hineinzuversetzen, während er gleichzeitig vorführt, dass dieses intendimento nur durch Dichtung vermittelt werden kann. Symptomatisch dafür ist die bewusste Auslassung einer poetischen «Verarbeitung» von Beatrices Tod. Der Tod Beatrices steht im Zentrum der Erzählung der Vita Nuova und ist für die Stilbildung von Dante grundlegend. Dante gibt zwei Begründungen für die Auslassung einer direkten Klage über das Verscheiden Beatrices mit einem Verweis auf das ihm ungenügende, sprachliche Ausdrucksvermögen und einem Rückverweis auf das Proömium.56 Als dritten Grund gibt Dante an, dass es «postutto biasimevole» sei, ein Ei-

54 Dante, VN XVII 3–4: «Io dico ch’ella si mostrava sì gentile e sì piena di tutti li piaceri, che quelli che la miravano comprendeano in loro una dolcezza onesta e soave, tanto che ridicere non lo sapeano. […] onde io pensando a ciò, […] propuosi di dicere parole, ne le quali io dessi ad intendere de le sue mirabili ed eccellenti operazioni; acciò che non pur coloro che la poteano sensibilemente vedere, ma li altri sappiano di lei quello che le parole ne possono fare intendere». 55 Dante, VN XXIX 2–4: «Questi peregrini mi paiono di lontana parte, e non credo che anche udissero parlare di questa donna […] Se io li [i peregrini] potesse tenere alquanto, io li pur farei piangere anzi ch’elli uscissero di questa cittade, però che io direi parole le quali farebbero piangere chiunque li intendesse». 56 Dante, VN XIX 2: «E avvenga che forse piacerebbe a presente trattare alquanto de la sua partita da noi, non è mio intendimento di tratarne qui per tre ragioni: la prima è che ciò non è del presente proposito, se volemo guardare nel proemio che precede questo libello; la seconda si è che

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genlob zu formulieren, welches er bei diesem Thema kaum abwenden könne, und so lädt er andere Dichter ein, diese Aufgabe zu übernehmen: «Es steht sich mir nicht zu hiervon zu handeln, denn davon handelnd müsste ich zu meinem eigenen Lobredner werden, was vor allem mir zum Tadel gereichen würde; und deshalb lasse ich diese Abhandlung für einen anderen Interpreten».57

Es ist möglich, dass Dante hier auf Cino da Pistoias Kanzone Avegna ched’ el m’aggiia più per tempo, deren letzte Verse das Thema des Lobgedichtes behandeln, anspielt. Als Datierung von Cinos Kanzone wird das Jahr 1290 angegeben, einige Jahre vor der Redaktion der Vita Nuova. Die Datierung von Cino da Pistoias Kanzone geht jedoch gerade von einer auf den Angaben der Vita Nuova basierenden Chronologie aus, welche als Beatrices Todesdatum das Jahr 1290 ergibt. Mir scheint die Kanzone aufgrund der intertextuellen Bezüge zur hier besprochenen Prosaerklärung und zu Donne ch’avete und Gli occhi dolenti dem Aufruf Dantes Folge zu leisten, Beatrices Tod zu besingen. Auch das Gedicht Siccome l’altrui laude non fa giusto von Antonio da Tempo von 1332 kann als Anspielung auf diesen Absatz der Vita Nuova interpretiert werden.58 Anstelle eines Gedichtes, in dem Dante den Tod Beatrices beklagt, befindet sich im libello ein Einschub über Beatrice als miracolo, der ein Beispiel einer vorbildlichen Exegese vorstellt: «vielleicht sähe eine feinere Person hierin ein noch feineres Argument, aber dieses ist jenes, das ich hierin sehe und das mir am meisten gefällt».59 Obgleich Dante auf der einen Seite mehrmals, wie unter anderem der eben zitierte Abschnitt bezeugt, auf die Möglichkeit einer noch ausführlicheren und eventuell noch ergiebigeren Exegese seiner Gedichte verweist und als Bewertungskriterium sein Gefallen an der Auslegung anführt, liegt ihm das richtige

posto che fosse del presente proposito, ancora non sarebbe sufficiente la mia lingua a trattare come se converrebbe di ciò». Der Verweis auf das Proömium könnte sich sowohl auf die unter der Rubrik Incipit Vita Nova beziehen, wie z. B. Petrocchi in seinem Kommentar hervorhebt, oder aber auf die Auswahl, die der sich unter dieser Rubrik befindlichen parole vornehmen möchte. 57 Dante, VN XIX 2: «non è convenevole a me trattare di ciò, per quello che, trattando, converrebbe essere me laudatore di me medesimo, la quale cosa è al postutto biasimevole a chi lo fae; e però lascio cotale trattato ad altro chiosatore.» Cf. La Leandreide, «Laudare tuo valor troppo ad se tira/ non nè di tua ragione il dir in rima; /bastite che’l mio chuor per te sospira». Giovanni Girolamo Nadal, Leandreride (1996). 58 Antonio da Tempo, Delle Rime volgari, 77. Cf. All’uom ricco ferena, 111, 12–14: «A sua laude attendere / Non de’ chi si nomina, / Nè si de’ riprendere […] Cato: Nec te collaudes, nec te culpaveris ipse». 59 Dante, VN XIX 7: «forse ancora per più sottile persona si vederebbe in ciò più sottile ragione; ma questa è quella ch’io ne veggio, e che più mi piace».  

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Verständnis seiner Gedichte sehr wohl am Herzen.60 Eine Person «di non tanto ingegno» (X 33) oder eine «persona grossa» (XVI 10) bilden hier den Gegensatz zum Modellleser, der als «sottile persona» (XIX 7) und jemand der «sottilmente […] vede» (XXII 2) bezeichnet wird, wobei «sottile» ein Charakteristikum eines übermenschlichen, nämlich des engelhaften Intellektes zu sein scheint.61 Die divisioni sind als vom Autor angebotene Verständnishilfen zu verstehen, wobei Dante seine vorgeführten Unterteilungen nur als Lektürehilfe und Ansporn zur genaueren Analyse seiner Gedichte darstellt: «Man könnte noch detaillierter unterteilen, und noch detaillierter verständlich machen aber man mag es bei dieser Unterteilung belassen, deshalb werde ich mich nicht mehr mit weiteren Unterteilungen einmischen».62 Das intendimento scheint somit durch Kommentierung und durch die Aufnahme in den Kreis der Freunde, durch Syntonie der Gefühle und durch Antworten möglich zu sein. Das Urteil über die Interpretation des ersten Gedichtes des libello kann vor dem Hintergrund der Unterscheidung von «persona sottile» und «persona di non tanto ingegno», welche ihre Entsprechung in der Gegenüberstellung «primo mio amico» und den «più semplici» findet, den Schluss nahelegen, dass Dante die «più semplici» und jene «di non tanto ingegno» von einer aktiven Rezeption ausnehmen möchte, «a me non dispiace se la mi lascia stare». Die geneigten Leser jedoch sind weder an einen akademischen oder sozialen Status gebunden, sondern zeichnen sich durch eine Eigenschaft, nämlich das intendimento aus. Ähnlich wie bei der Frage zur Edelheit in Convivio IV bricht Dante mit starren Grenzen und führt beispielhaft vor, dass es sich nicht um eine akzidentielle und zufällige Eigenschaft handelt.

1.2.3 Dante als vorbildlicher Autor. Die metapoetischen Schichten der Vita Nuova Um die Aufforderung an den Leser, aktiv auf die Texte zu reagieren und zu antworten, sie zu gliedern und zu verstehen, abschließend zu betrachten, möchte ich die Schreibanleitungen in der Vita Nuova untersuchen. Zur Untersuchung der Autorkonstruktion wurde in der Dante-Forschung die Unterscheidung von Dante-

60 So in Dante, VN XIX 7: «ma questa è quella (ragione) ch’io ne veggio, e che più mi piace.» und auch in XXVII 5: «assai è manifesto a coloro a cui mi piace che ciò sia aperto», aber auch X, 33: «ma tuttavia chi non è di tanto ingegno che per queste che sono fatte la possa intendere, a me non dispiace se la mi lascia stare». 61 Dante, VN XXII 8, Quantunque volte, 25–27: «luce d’amor, che li angeli saluta, / e lo intelletto loro altro, sottile/ face maravigliar, sì v’è gentile». Cf. Maffia Scariati (2003). 62 Dante, VN XXX 9: «Potrebbesi più sottilmente ancora dividere, e più sottilmente fare intendere; ma puotesi passare con questa divisa, e però non m’intrametto di più dividerlo».

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poeta und Dante-agens eingeführt (cf. Contini 1970), die später durch Dante-personaggio erweitert wurde (cf. Renucci 1977). Todorović hat in ihrem wichtigen Beitrag zur Autorkonstruktion der Vita Nuova hervorgehoben, dass diese Unterscheidung für die Prosa der Vita Nuova nicht ausreiche, die selbst dreigeteilt sei und auf klassische Modelle der lateinischen Textauslegung zurückgreife.63 Wie Houston (cf. Houston 2008, 95–98), so führt auch Todorović zur Unterscheidung der verschiedenen Sprechebenen der Vita Nuova ein Zitat aus Bonaventuras Sentenzenkommentar an,64 in dem die vier Stufen vom Schreiber zum Autor durch die Beteiligung an der Textproduktion und die Frage der Urheberschaft, d. h. durch viel oder weniger Hinzufügen, charakterisiert wird.  

«Quadruplex est modus faciendi librum. Aliquis enim scribit aliena, nihil addendo vel mutando; et iste mere dicitur scriptor. Aliquis scribit aliena, addendo, sed non de suo; et iste compilator dicitur. Aliquis scribit et aliena et sua, sed aliena tamquam principalia, et sua tamquam annexa ad evidentiam; et iste dicitur commentator, non auctor. Aliquis scribit et sua et aliena, sed sua tanquam principalia, aliena tamquam annexa ad confirmationem; et talis debet dici auctor».65

Todorović führt in ihrem Beitrag überzeugend aus, wie die Lesegewohnheiten, die Textzugänglichkeit und die klassischen und volkssprachlichen Beispiele Dante in der Abfassung der Vita Nuova beeinflusst haben und welche Spuren dieses viergliedrige Autorbild in der Vita Nuova hinterlassen hat. Sie konzentriert sich dabei auf die ragioni und divisioni, in denen sie Formen des accessus ad auctorem und der divisio textus identifiziert. Zur Einordnung der Autorkonstruktion der Vita Nuova im Gesamtwerk Dantes und zur Entwicklung von Dante als auctor und Autor sei auf Ascoli Russels grundlegende Studie verwiesen (cf. Ascoli Russel 2008). Die Frage nach der Autorkonstruktion und Dantes Selbstverständnis und den poetologischen Neuerungen wurde in der Dante-Forschung gegenüber einem rezeptionsgeschichtlichen Ansatz vorgezogen (cf. Chenu 1997; Minnis 1988). Hier soll eine Behandlung der Au-

63 Todorović (2016, 3): «One is biographical narrative, which describes the supposed circumstances that led him to compose the poems and whose origins can be traced to the Old Occitan razos; the others are derived from Latin book culture: one modeld on the accessus ad auctores and the other on the divisio textus, both used for glossing texts of the autores. […] Dantes guides his reader through each of his poems as if they were canonical texts». 64 Todorović (2016, 8): «A firm point of reference for my analysis is thus a concept theorized in the so-called medieval theory of authorship, most famously attested in St. Bonaventure’s definition of the efficient cause or author of Peter Lombard’s Libri Sententiarum». 65 Bonaventura, Commentaria in Quatuor Libros Sententiarum (1934, 12), zitiert nach Houston (2008, 103).

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torkonstruktion jedoch der rezeptionsgeschichtlichen Fragestellung untergeordnet sein und wird nur grob für die Vita Nuova skizziert, um den Erwartungshorizont abzustecken, mit dem Dante den Leser konfrontiert, wenn er sie um Antwort und eine intensive Auseinandersetzung mit seinen Texten bittet. Es geht also nicht darum, Dantes Autorkonstruktion im Einzelnen vorzustellen, sondern darum herauszuarbeiten, inwiefern Dante den Leser auffordert, aus seiner Rolle als Leser herauszutreten und eine andere Rolle anzunehmen. Ich werde dabei drei Metaphern vorstellen, die Dante nutzt, um implizit oder explizit über sein Dichten zu sprechen, und die neue Rolle des lesenden Autors und antwortenden Lesers zu umreißen. Dante erläutert, in der Konstruktion als Dante-poeta, sein dichterisches Schreiben auf drei unterschiedlichen Ebenen: zunächst verbirgt das poetische Bild der spiriti Schreibanweisungen, die sowohl in den Prosaabschnitten als auch in den poetischen Teilen verortet sind, dann legt Dante Amor gewissermaßen Arbeits- und Interpretationsanweisungen in den Mund und schließlich finden sich in den kommentierenden Abschnitten der divisioni einzelner Gedichten und in den ragioni metapoetische und (auto-)referentielle Abschnitte, in denen Dante seine Art zu schreiben verteidigt und literaturgeschichtlich einordnet. Die spiriti geben Aufschluss über die Wortfindung und Metaphernbildung durch die Anspielung an die mittelalterliche Erkenntnistheorie und Mnemotechnik und bietet dem zum Dichten eingeladenen Leser verborgene Hinweise zur Sprachfindung. Die Auslegung der Personifizierung Amors richtet sich mit der Ermahnung des sorgfältigen Allegoriegebrauches ebenfalls explizit an die Dichter. Die für die Neuordnung der divisione verwendete Witwenmetapher mündet in Anweisungen zur korrekten Abschrift des Textes und lädt gleichzeitig zur Reflexion der theologischen Aufgeladenheit der Vita Nuova ein.

1.2.3.1 Spiriti Die spiriti sind die ersten Sprecher der Vita Nuova und treten erstmals in Kapitel I,4–6 auf: Nachdem Dante Beatrice im Alter von neun Jahren zum ersten Mal erblickte, reagieren die drei spiriti kommentierend auf das Gesehene. «Der spirito della vita, der in der geheimsten Kammer des Herzens wohnt, begann beim Anblick von Beatrice so sehr zu zittern, dass das Zittern in den allerkleinsten Pulsen schrecklich [zitternd] sichtbar wurde, und zitternd sagte er diese Worte: ‹Ecce deus fortior me, qui veniens dominabitur michi›».66

66 Dante, VN I 5: «In quel puncto dico veracemente che lo spirito della vita, lo quale dimora nella secretissima camera del cuore, cominciò a tremare sì fortemente, che apparia nelli menomi polsi

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Dante spricht hier nicht von einem beliebigen spirito, der in der Poesie des Dolce Stil Novo durchaus ein häufig verwendetes Motiv ist (cf. Corti 2003, 51–58), sondern präzisiert, dass es sich um einen spirito della vita handle. Er wird im Zustand des «tremare» beschrieben, der sowohl der eigentlichen belebenden Tätigkeit des spiritus vitalis entspricht als auch eine Reaktion auf die Erscheinung von Beatrice ist.67 Dieser Zustand und die Tätigkeit wird durch die dreimalige Erwähnung des «Zitterns» mit «tremare», «orribilmente» (orrore in der Bedeutung von Schauder) und «tremando» hervorgehoben (cf. Guerri 1922, 5). Die Tätigkeit oder der Zustand des spirito animale ist hingegen das Erstaunen, die meraviglia.68 «Der spirito animale, der in der erhabenen Kammer wohnt, in die alle spiriti sensitivi ihre Eindrücke bringen, begann sehr zu staunen und insbesondere zu den spiriti del viso sprechend, sagte er diese Worte: ‹Apparuit iam beatitudo vestra›».69

Hier löst der Anblick von Beatrice keine unmittelbare physische Reaktion aus, sondern ein «Wundern», es folgt eine Beurteilung – «apparuit iam beatitudo vestra» – und erst im dritten Schritt, wird auf den physischen Gegenpart hingewiesen, die spiriti del viso, den Gesichtssinn. Die Tätigkeit des spirito animale kann in drei Ausdrücken wiedergefunden werden: so könnte man «maravigliare» mit «viso» (visio) und «apparuit» (dem Verb der Erscheinung) gleichsetzen. «Der spirito naturale, der an dem Ort wohnt, wo unsere Ernährung versorgt wird, begann zu weinen und weinend sagte er diese Worte: ‹Heu miser, quia frequenter impeditus ero deinceps!›» 70

Der Zustand des spirito naturale wird dreifach als Weinen beschrieben: «cominciò a piangere», «piangendo» und im Ausdruck «heu miser – Ach ich Armer, von nun an werde ich oft gehindert werden».

orribilmente; e tremando disse queste parole: ‹Ecce Deus fortior me, qui veniens dominabitur michi!›». 67 Cf. Andrea Cappellanus, De Amore XVI, (2006, 500): «In repentina coamentis visione cor contremescit amantis». Bei der unerwarteten Sicht der geliebten Person erschaudert das Herz des Liebenden. 68 Cf. Cavalcanti, Rime XXXVIII: «Or odi maraviglia ch'el disia: / lo spirito fedito li perdona, / vedendo che li strugge il suo valore». 69 Dante, VN I 6: «In quel puncto lo spirito animale, lo quale dimora nell’alta camera nella quale tutti li spiriti sensitivi portano le loro perceptioni, si cominciò a maravigliare molto, e parlando spetialmente alli spiriti del viso, disse queste parole: ‹Apparuit iam beatitudo vestra!›». 70 Dante, VN I 7: «In quel puncto lo spirito naturale, lo quale dimora in quella parte ove si ministra lo nutrimento nostro, cominciò a piangere, e piangendo disse queste parole: ‹Heu, miser, quia frequenter impeditus ero deinceps!›».

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Es handelt sich bei den spiriti nicht um einfache Personifikationen bestimmter Seelenvermögen oder bestimmter psycho-physiologischer Vorgänge, wie die gängigen Interpretationen dieses Passus nahelegen, welche die spiriti als naturphilosophischen Unterbau der Liebestheorie von Dante entweder auf Aristoteles,71 Albertus Magnus,72 Thomas von Aquin73 oder auf ps-Hugo von St. Viktor74 beziehend lesen. Vielmehr handelt es sich bei den spiriti um ein weit komplexeres Referenzgefüge, das unter der Leitmetapher der Vita Nuova des libro della mia memoria zu lesen ist. Erst in diesem Zusammenhang erschließt sich die merkwürdige Beschreibung und herausragende Stellung, die Dante den spiriti beimisst. Wie eine quellenhistorische Untersuchung ergeben hat, kann das Auftreten der spiriti nicht als bloße personifizierende Beschreibung der Gefühlsregungen beim ersten Anblick von Beatrice abgetan werden, vielmehr ist es als poetische Ausarbeitung einer komplexen Wahrnehmungs- und Erkenntnistheorie unter besonderer Berücksichtigung der Sprachfindung zu interpretieren. So sind es die spiriti, die das Gesehene ins Gedächtnis transportieren, wo der bildliche Eindruck sprachlich gespeichert wird, und sie sind es auch, die aus diesem Sprachspeicher die Erinnerungen im «visibile parlare» hervorholen.75

71 Eine erste Kommentierung der spiriti findet sich in der Pisaner Ausgabe von 1872 wo D’Ancona eine Bemerkung von Paganini abdruckt. Paganini führt die spiriti auf die Aristotelesrezeption von Thomas von Aquin zurück. So schreibt er, dass man die spiriti als Personifizierung der von Thomas bescrhiebenen Seelenvermögen interpretieren könne: «Ciascuno di questi spiriti non è altro che una personificazione di ciò, che nella filosofia peripatetica, quale veniva esposta da Tommaso di Aquino, si chiamva modo di vita. Quattro se ne annoverano di si fatti modi, secondo che era stato insegnato da Aristotele, nel Trattato Dell’anima (II,2).» Paganini bezieht sich in seinem Hinweis auf Thomas von Aquin auf die Werke De potentiis animae und De motu cordis ad magistrum Philippum. 72 Cf. hierzu insbesondere Flamini (1910); McKenzie (1922, 75); Azzolina (1903, 124–125); Gorni, (1996, 8); De Robertis (1984, 31–34). 73 Carducci in D’Ancona (1872, 65) bezieht in der Pisaner Ausgabe die spiriti, die der «dottrine dei medici greci e arabi» des spiritus vitalis, spiritus animalis und spiritus naturalis entsprechen, auf die Dreiteilung der Seele in anima vegetabilis, anima sensibilis und anima rationalis, eine Dreiteilung, die eigentlich aufgrund der verschiedenen Tätigkeiten vorgenommen werde und die Thomas von Aquin in der Summa Theologiae formuliere. 74 Carducci/ Federzoni (1910) geben als Quelle für die Verortung der Seelenkräfte Hugo de S. Viktor an und verweisen auf De Anima II, 13, der von Melodia, Scherillo, Casini und Polvara in die Kommentare der Vita Nuova aufgenommen wird. Carducci scheint sich hier auf De spiritu et anima, das zweite Buch des pseudo-hugonischen Werkes De anima, zu beziehen, das in der Patrologia Latina unter den Werken des Augustinus aufgeführt wird, zeitweise als hugonisches Werk gehandelt wurde, aber mittlerweile als nach 1162 entstanden Werk angesehen wird, das größtenteils Isaac de Stellas Epistola De anima folgt. Cf. hierzu Goy (1976); Ricklin (1998, 227); Racciti (1961). 75 Cf. de Meo-Ehlert (2015). Diese verbindende Lektüre der spiriti unter der Metapher des libro della mia memoria spielt in der Auslegung von Dante und Petrarca von Giambattista Gelli eine

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Bevor ich auf den Inhalt der drei Aussagen der spiriti eingehe, soll hervorgehoben werden, dass Dante durch die Wahl des Lateinischen eine Metaebene einleitet. Leo Spitzer hat in seinen Bemerkungen zu Dantes «Vita Nuova» die Verwendung der lateinischen Sätze hinsichtlich ihrer «Latinität» analysiert und fragt sich: «Wie soll man sich also die (relative) Ungelenkigkeit der Ausdrucksweise des spirito naturale gegenüber der (relativen) Tadellosigkeit (natürlich von spätlateinischem Standpunkt aus) der vorhergehenden zwei Redner denken? Nun, ich nehme an, dass der spirito naturale, der tierischste unter den drei Seelenkräften, der die Ernährung obliegt, sich am ungeschlachtesten ausdrückt, vielleicht mit gewollter Komik, wie so oft im höfischen Mittelalter die Natur derbkomisch, brutal erscheint» (Spitzer 1937, 174).

Liest man diesen Interpretationsansatz nicht nur als Kritik an Chistoni, der in diesen lateinischen Sätzen Dantes schlechte Lateinkenntnisse bestätigt sieht,76 sondern als einen ernstzunehmenden Ansatz, kann man diese sprachliche Übereinstimmung mit der Hierarchie der spiritus hinsichtlich ihrer Tätigkeit als weiteres Argument für die These anführen, dass die spiriti Sprachgeber und Medium vom äußeren Sinneseindruck zum geschriebenen Gedächtnisinhalt sind und die spiriti-Theorie in diesem Sinne als «poetisches Zitat» lesen,77 in dem die Hierarchie des sprachlichen Ausdrucks (genera loquendi) mit der Hierarchie der spiritus ver-

entscheidende Rolle. Gelli bezieht sich auf einen Text, den er als eine Paraphrase von Themistius des aristotelischen Textes De memoria et reminiscentia angibt, in dem das Herz als Sitz der Phantasie und des Gedächtnisses mit einem geschriebenen Buch verglichen wird, in dem unser Intellekt dauerhaft liest und dessen Buchstaben den Phantasmata oder Bildern entsprechen. Cf. Giovan Battista Gelli (1884, 41–42): «Fu oltra di questo data questa potenza agli uomini dalla natura, perchè l'intelletto, il quale è in loro la più nobil parte, e quella per la quale ei sono uomini, potesse acquistare la sua perfezione, non sendo egli stato creato da Dio nel suo principio, perfetto, come quello delle intelligenze superiori; onde cerca sempre di acquistarla, ma il più delle volte per la cognizione delle cose gli sono necessarii i fantasmi ovvero simulacri nelle cose, conosciute dai sensi, e descritte dalla fantasia, secondo Aristotile, negli spiriti vitali che sono nel nostro cuore, il quale, come dice Temistio nella sua parafrasi sopra il libro Della memoria e reminiscenza, è comparato e assomigliato a un libro scritto, le lettere del quale sono i fantasmi ovvero imagini, dove l'intelletto nostro continuamente legge; e però fu da Aristotile detto che a chi vuole intendere sono necessarii i fantasmi, e gli fa di bisogno risguardare in quegli». 76 Chistoni (1903, 63): «I tatti latini, che si riscontrano nella Vita Nuova, non solamente non sono un bel frutto di erudizione, ma anzi, mentre ci svelano la poca abilità dell’Alighieri nel maneggio della lingua romana». 77 De Bonfils Templer (1972, 308): «La significazione di tale dottrina nel contesto della Vita Nuova è ben lungi dall’essere puramente dottrinale, ma, come la maggior parte degli elementi dottrinali che confluiscono nella creazione artistica dantesca, essa è stata assunta quale mezzo espressivo d’un contenuto essenziale».

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bunden wird. Auf die Analogie von genera dicendi und der Hierarchie der spiriti wies zudem Gorni am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hin.78 Ich möchte die Funktion der spiriti am Beispiel von Donne che avete intelletto d’amore kurz verdeutlichen: In der vierten Stanze beschreibt Dante die Wirkung und die Bedeutung von Beatrice auf Erden, wobei einmal ihre seelische Tugend und einmal ihre körperliche Tugend im Vordergrund stehen. Dante besingt die Augen und den Mund seiner Beatrice, die beide Ausgangspunkt der spiriti sind, wie er in der entsprechenden ragione erklärt.79 Die spiriti werden hier in ihrer doppelten Rolle zunächst als Motor der psycho-physiologischen Reaktion des innamoramento dargestellt und dann als diejenigen, die durch das gesprochene Wort – den Gruß Beatrices und die Dichtung – Glückseligkeit verschaffen, wie Dante im Gespräch mit den donne nach dem Gedicht Spesse fiate vegnomi erläutert: «Zu welchem Ende liebst du diese donna, da du ihre Gegenwart nicht aushalten kannst? Also sagte ich ihnen diese Worte: ‹Madonna, das Ziel meiner Liebe war schon im Gruß dieser donna, welchen ihr vielleicht versteht, und in ihm war die Glückseligkeit, weil er das Ende aller meiner Wünsche war. Aber weil es ihr gefiel, ihn mir zu versagen, so hat Herr Amor, seine Güte, meine Gückseligkeit in das gesetzt, was mir nicht genommen werden kann. […] In diese Worte, die meine donna loben›».80

Abschließend soll auf das doppelte Referenzgefüge der drei Aussagen der spiriti hingewiesen werden, in denen sich biblische mit klassischen Allusionen verweben. Bereits der erste Satz, den der spirito della vita spricht – «Ecce Deus fortior me, qui veniens dominabitur michi! – Siehe Gott ist stärker ist als ich, der kommt,

78 Gorni (1996, 8): «I movimenti psichici sono rappresentati drammaticamente dalla fisiologia degli spiriti, che parlano in latino ciascuno con una propria modalità espressiva, correlata alla tripartizione dei ‹genera dicendi›. Lo spirito della vita risiede nel cuore e si esprime in stile alto; lo spirito animale, che dimora nell’alta camera del cervello, sede delle percezioni indotte dagli spiriti sensitivi, parla in stile medio, specialmente rivolgendosi agli spiriti del viso, i più sottili di tutti; infine lo spirito naturale, lo quale dimora in quella parte ove si ministra lo nutrimento nostro, parla nello stile basso e corporeo della fuzione elementare che è la sua». 79 Dante, VN X 23: «Degli occhi suoi, come ch’ella gli muova/ escon spiriti d’amore infiammati/ che fieron gli occhi a quel, che allor la guati,/e passan sì, che ’l cor ciascun ritrova./ Voi le vedete Amor pinto nel viso/ Là ’ve non puote alcun mirarla fiso». 80 Dante, VN X 5: «che fine ami tu questa tua donna, poi che tu non puoi sostenere la sua presenza? Allora dissi queste parole loro: ‹Madonna, lo fine del mio amore fue già lo saluto di questa donna, forse di cui voi intendete, e in quello dimorava la beatitudine, ché era fine di tutti i miei desiderii. Ma poi che le piacque di negarlo a me, lo signore Amore, la sua merzede, ha posto la mia beatitudine in quello che non mi puote venire meno› […] ‹In quelle parole che lodano la donna mia›».

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um über mich zu herrschen» – führt in die biblischen Anspielungen ein, vor allem an die Figur von Johannes den Täufer, die in der Vita Nuova in mehreren Stellen aufleuchten.81 Der Ausspruch des spirito animale hingegen könnte Beatrice in eine Analogie zu, Lc. 1,11, «apparuit autem illi angelus Domini» stellen. Die drei Tätigkeiten der spiriti offenbaren eine interessante Parallele: Erschaudern, Verwundern und Jammern sind gerade die Tätigkeiten, die Aristoteles in seiner 1278 von Wilhelm von Moerbecke ins Lateinische übersetzten Poetik beschreibt. «Tragödie ist Darstellung einer ernsten und abgeschlossenen Handlung, von einem gewissen Umfang, in anmutiger Sprache, mit einer nach ihren Teilen gesonderten Anwendung jeder Darstellungsart, durch handelnde Personen, nicht durch Erzählung, welche durch Mitleid und Furcht die Reinigung der Leidenschaften dieser Art bewirkt».82

Misericordia und timor würden dadurch Bewunderung erzeugen, wenn sie sich gegenseitig bedingen und wider Erwarten geschehen: «Da aber die Darstellung sich nicht bloß auf vollendete, sondern auch auf Furcht und Mitleid erregende Handlungen bezieht, dieser Charakter aber ihnen hauptsächlich dann zukommt, wenn sie wider erwarten geschehen, und in noch höherem Grade, wenn sie durcheinander bedingt sind. Denn auf diese Art wird mehr Bewunderung erregt, als wenn sie sich von selbst oder aus Zufall ereignen. Denn auch unter den zufälligen Begebenheiten scheinen diejenigen am bewundernswürdigsten, welche gleichsam absichtlich geschehen zu sein scheinen».83

Den drei von Dante beschriebenen Tätigkeiten Erschaudern, Wundern und Jammern, stehen hier die drei zu erzeugenden Gemütsregungen der Misericordia, des Timor/Terror und das Mirabile gegenüber. Über die Aristoteles-Rezeption von

81 Cf. Lc., 3,16: «venit autem fortior me»; Mt., 3,11: «qui autem post me venturus est fortior me est»; Js., 40,10: «Ecce Dominus Deus in fortitudine venit, et brachium eius dominabitur». Neben der berühmten Etymologie von Giovanna/ Primaver(r)a in Kapitel XV, sei hier auch auf die Antwortgedicht O voi che siete la voce nel deserto von Cino da Pistoia auf das zweite Gedicht der Vita Nuova O voi che per la via d’amore verwiesen, in dem Cino den Adressaten als «voce nel deserto» ansprechend erneut auf Johannes den Täufer zurückführt, cf. Mc., 1,3–4. 82 Aristoteles, Poetica, 1449b: «Est igitur tragodia imitatio actionis studiose et perfecte, magnitudinem habentis, delectante sermone seorsum unaquaque specierum in partibus, actitantium et non per enuntiationem, per misericordiam et timorem concludens talium mathematum purificationem». Dt. Übersetzung: Walz (1833). 83 Aristoteles, Poetica, 1452b: «Quoniam autem non solum perfecte actionis est imitatio, sed et terribilis et miserabilis, hec autem fiunt et maximes et magis quando facta fuerunt preter opinionem secus invicem. (φοβερῶν καὶ ὲλεεινῶν). Nam quod mirabile sic habebit magis quam si a casu et fortuna, hec mirabilissima videntur, quecumque tamquam ideonee videntur facta esse». Dt. Übersetzung: Walz (1833).

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Dante gibt es zahlreiche Studien, in der Kommentierung der spiriti wurde diese mögliche Anspielung nicht berücksichtigt, sie eröffnet jedoch, trotz ihres bisher rein assoziativen Charakters, einen Interpretationsraum, den es noch auszuwerten gilt.84 Kann der intertextuelle Bezug zur Poetik von Aristoteles nachgewiesen werden, so treffen wir in der Vita Nuova einen äußerst frühen Zeugen für die volkssprachliche Rezeption und poetische Ausarbeitung des aristotelischen Textes, rund 15 Jahre nach ihrer Übersetzung. Im Bild der spiriti wird der Leser eingeladen, sich mit Erkenntnistheorie und Mnemotechnik zu befassen, um den physiologischen Vorgang des poetischen Sprechens greifen zu können und damit die Voraussetzungen des poetischen Schreibens zu gewinnen. Erst mit Giambattista Gelli kann eine solche Lektüre der Vita Nuova und Auslegung der Verbindung des libro della mia memoria und der spiriti gefunden werden.85

1.2.3.2 Ragioni und divisioni In den kommentierenden Prosa-Abschnitten, den ragioni, erläutert Dante sowohl den historisch-fiktionalen Entstehungshintergrund (den Anlass) der Gedichte als auch den Prozess des Schreibens selbst, den Stil und die Weiterentwicklung des Stils. Hier finden sich Angaben zu Auftraggebern, zum Schreibvorgang, zu erhaltenen Antwortgedichten und zu den unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten, auf die ich schon oben hingewiesen habe. In Kapitel XXI schreibt Dante, dass ein junger Mann zu ihm gekommen sei und ein Trauergedicht bestellt habe. Nachdem Dante sich des Verwandtschaftsgrades seines Auftraggebers mit seiner donna bewusst geworden ist, entscheidet er, ein neues Gedicht zu schreiben: Venite a intender. Mit Se’ tu colui verfasst Dante das Antwortgedicht der donne auf Voi che portate, wobei er die Autorschaft nicht leugnet, sondern explizit in die Rolle der donne schlüpft und das Antwortgedicht aus ihrer Sicht formuliert. Todorović identifiziert in den ragioni eine Form des accessus ad auctores – «The accessus is present at every step. It accompanies almost every ragione of every poem of the Vita Nova» (Todorović 2016, 92; Quain 1986) – und gibt eine Übersicht über die sieben Informationen, die ein accessus enthalten müsse, für je-

84 Cf. zu Dantes Aristotelesrezeption u. a. Paolazzi (1991); Gilson (2004; 2012); Münchberg (2005); Mehtonen (1996). 85 Den ausschlaggebenden Hinweis finden wir in den Lezioni petrarchesche von Giambattista Gelli, in denen Gelli zunächst eine detaillierte Einteilung und Beschreibung der Seelenkräfte vorbringt. Über die Phantasie schreibt er, dass sie sich ausschließlich dadurch von der Memoria unterscheide, weil in ihr Figuren und Bilder durch die Sinne «universalmente e senza determinazione di tempo o di luogo» eingeschrieben seien, Gelli (1884, 39). Siehe dazu Ellero (2007).  

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de einzelne ragione der Gedichte an. Sie versucht diese sieben Punkte auch im Proemio zu identifizieren und diesen Absatz als accessus der gesamten Vita Nuova zu lesen,86 was auch für die Punkte eins bis sechs (Autor, Titel, Autorintention, Inhalt, Nutzen, Genre) funktioniert. Zu Punkt 7, der Zugehörigkeit zur Philosophie, schreibt sie: «Dante’s work composed and transmitted in the vernacular context, however, does not belong to any part of philosophy as would a Latin text in the university curriculum. […] In this last part of the proem to the Vita Nova, Dante introduces a new element that reverses the traditional tendency to classify each work as philosophy. He situates his book in the sphere of vernacular book production by classifying it as a material product - libello, in opposition to the metaphorical and philosophical libro» (Todorović 2016, 79).

Diese Aussage offenbart einerseits die klassische Gegenüberstellung von volkssprachlicher Literatur und philosophischer lateinischer Gelehrtheit, die jedoch eine konstruierte Einschränkung der modernen Wissenschaft ist und weniger der mittelalterlichen Auseinandersetzung mit diesen Fragen entspricht, wie allein ein Verweis auf Dantes Convivio belegen mag (cf. Bray /Sturlese 2003; Imbach 1989). Andererseits schlägt sich diese Gegenüberstellung auch in der Interpretation von libello und libro nieder, wobei libello eine volkssprachliche Gedichtanthologie bezeichne und libro ein «akademisches» Buch. Obwohl ein interessantes Verhältnis durch die Betonung des kulturellen Kontextes der Buch-(bzw. Handschriften-) produktion betont wird, bleibt die Verbindung der Buchmetapher und der ersten Sprachgeber der Vita Nuova, der spiriti, und damit der erkenntnistheoretische Unterbau der Poetik der Vita Nuova unberücksichtigt. Auch in den divisioni sieht Todorović eine Bestätigung für Dantes poetologischen Anspruch und sein Bestreben als auctor wahrgenommen zu werden, indem er die Werkzeuge der Textinterpretation und -analyse auf sein libello anwendet, die klassischen Autoren vorbehalten waren. «The divisio textus present in the divisiones of the poems of the Vita Nova, however, is more similar to the pactice that originated in scriptural exegesis and then spread to the commentaries of nonscriptural texts as well. While from the twelfth century on the commentators were interested in modus agendi – the mode of proceeding – which referred to the deeper meaning of the text that reflected the Holy Spirit rather than the human auctor of scripture, in the thirteenth century the commentators’ attention to the form – forma – which focused on the literal sense of scripture and was produced by the human auctor, increased significtantly.

86 Todorović (2016, 79): «I argue that this introductory sentence, which cannot be considered one of the paragraphs because it is the author’s introduction, a prologue, written by the work’s author/commentator/compiler/scribe, and reffered to the present time and not to his past, should be read as a form of accessus to the entire Vita Nova».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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The form was twofold: forma tractandi (form of treatment, form as style), was similar to the modus agendi, and forma tractatus (for of the treatise, form as structure) was also called divisio textus or ordinatio partium (ordering of the parts)» (Todorović 2016, 95).

Betrachtet man die divisioni für sich genommen, unabhängig von ihrem unmittelbaren Zusammenhang mit den Gedichten, so lässt sich eine interessante Entwicklung dieses meist unbeachteten Teiles der Vita Nuova beobachten.87 Von den 31 Gedichten der Vita Nuova nimmt Dante für 25 Gedichte eine Unterteilung vor, für 5 Gedichte gibt er an, dass keine Unterteilung notwendig sei (XXVIII Tanto gentile; XXV Videro gli occhi; XXVI Color d’amore; XXIX Lasso per forza; XXX Deh peregrini), und ein Gedicht bleibt völlig unkommentiert stehen (XX Si lungamente) und markiert so die Zäsur des Todes von Beatrice, die durch «Quomodo sedet sola civitas plena populo! facta est quasi vidua domina gentium» (VN XXIX 1, Klagelieder I.1) eingeleitet wird. Bereits die erste divisione eröffnet den Anspruch, den dieser Teil an den Text und an den Leser stellt, nämlich ein «wahrhafteres Urteil» und die Sentenz des Gedichtes zu vermitteln.88 Die Gegenüberstellung von «allora» und «ora» charakterisiert zudem die in den divisioni aufgebaute Spannung, durch die der Leser immer wieder auf neue Erkenntnis vertröstet und somit zur weiteren Lektüre eingeladen wird.89 Wie bereits hervorgehoben, fordert Dante seinen Leser an mehreren Stellen dazu heraus, selbst divisioni vorzunehmen, und führt bis zur divisione von Donne ch’avete eine immer detailliertere Unterteilung vor.90 Die ersten vier

87 Zun den divisioni der Vita Nuova cf. Weinmann (1989, 184–188), wo eine Analyse der Gedichtunterteilung im Verhältnis zur Struktur des Sonettes und der Metrik vorgenommen wird. Cf. auch D’Andrea (1980); Botterill 1994. 88 Dante verwendet diesen Ausdruck allein in vier Fällen: divisione zu A ciascun’alma presa (II 1), Con altre donne mia vista gabbate (VII 13), Se tu colui (XIII 17) Lasso per forza (XXVIII 6). 89 Dante, VN I 24-II 2: «Questo sonetto si divide in due parti; che ne la prima parte saluto e domando risponsione, ne la seconda significo a che si dee rispondere. La seconda parte comincia quivi: Già eran. A questo sonetto fue risposto da molti e di diverse sentenzie; tra li quali fue risponditore quelli cui io chiamo primo de li miei amici, e disse allora uno sonetto, lo quale comincia: Vedeste, al mio parere onne valore. E questo fue quasi lo principio de l’amistà tra lui e me, quando elli seppe che io era quelli che li avea ciò mandato. Lo verace giudicio del detto sogno non fue veduto allora per alcuno, ma ora è manifestissimo a li più semplici». Cf. auch V 24: «Potrebbe già l’uomo opporre contra me e dicere che non sapesse a cui fosse lo mio parlare in seconda persona, però che la ballata non è altro che queste parole ched io parlo: e però dico che questo dubbio io lo intendo solvere e dichiarare in questo libello ancora in parte più dubbiosa, e allora intenda qui chi qui dubita, o chi qui volesse opporre in questo modo». 90 Dante, VN X 33 (zu Donne ch’avete): «Dico bene che, a più aprire lo intendimento di questa canzone, si converrebbe usare di più minute divisioni; ma tuttavia chi non è di tanto ingegno che per queste che sono fatte la possa intendere, a me non dispiace se la mi lascia stare, ché certo io

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

Unterteilungen sind geprägt von der Bestimmung des Angeredeten und des Sprechers oder der Identifikation der Person, der zu antworten sei. Die Unterteilungen zu Cavalcando l’altrier und Ballata i’vo stimmen in Teilen überein und heben dadurch die Rekonstruktion des Entstehungshintergrundes und den Auftrag, den Dante an die Ballade richtete, hervor. In den jeweiligen Fällen schreibt Dante, dass Amor oder Beatrice gefunden werden sollten, was die Botschaft von Amor bzw. an Beatrice sei und dass im dritten Teil der Abschied von der jeweiligen Person, Amor und Beatrice, beschrieben werde. Durch die Übereinstimmung der Unterteilung wird die Stellvertreterposition der Ballade, die an Dantes Stelle Beatrice aufsucht, besonders betont. Während die ragioni den Entstehungskontext vorstellen, fügt Dante in den ersten zehn divisioni in eine rhetorische Dimension seiner Gedichte ein, indem er auf die verschiedenen Teile, den Empfänger und Sender des Gedichtes, die Anrede, die Ausführung, aber auch auf Ironie verweist. Die philosophische Dimension seiner Gedichte wird erstmals in den divisioni von Donne ch’avete mit dem Hinweis auf den Seelenadel und die Seelenkräfte eröffnet (cf. Dante, VN X 26–33). Die folgenden Gedichte werden in den Unterteilungen auf die Fragen nach Potenz und Akt,91 Imagination (VN XIV 29–31, Donna pietosa) und

temo d’avere a troppi comunicato lo suo intendimento pur per queste divisioni che fatte sono, s’elli avvenisse che molti le potessero audire». XXVI 5 (zu L’amaro lagrimar): «Potrebbe bene ancora ricevere più divisioni, ma sariano indarno, però che è manifesto per la precedente ragione»; XXX 9 (zu Oltre la spera): «Potrebbesi più sottilmente ancora dividere, e più sottilmente fare intendere; ma puotesi passare con questa divisa, e però non m’intrametto di più dividerlo». 91 Dante, VN XI 7–8, Amor e’l cor gentil: «Questo sonetto si divide in due parti: ne la prima dico di lui in quanto è potenzia; ne la seconda dico di lui in quanto di potenzia si riduce in atto. […] La prima si divide in due: ne la prima dico che suggetto sia questa potenzia; ne la seconda dico sì come questo suggetto e questa potenzia siano produtti in essere, e come l’uno guarda l’altro come forma materia. […] Poscia quando dico (la seconda parte), dico come questa potenzia si riduce in atto; e prima come si riduce in uomo, poi come si riduce in donna» und XII 5–8, Negli occhi porta: «Questo sonetto si ha tre parti: ne la prima dico sì come questa donna riduce questa potenzia in atto secondo la nobilissima parte de li suoi occhi; e ne la terza dico questo medesimo secondo la nobilissima parte de la sua bocca; e intra queste due parti è una particella, ch’è quasi domandatrice d’aiuto a la precedente parte e a la sequente, e comincia quivi: Aiutatemi donne. La terza comincia quivi: Ogne dolcezza. La prima si divide in tre; che ne la prima parte dico sì come virtuosamente fae gentile tutto ciò che vede, e questo è tanto a dire quanto inducere Amore in potenzia là ove non è; ne la seconda dico come reduce in atto Amore ne li cuori di tutti coloro cui vede; ne la terza dico quello che poi virtuosamente adopera ne’ loro cuori. […] Poscia quando dico: Aiutatemi donne, do da intendere a cui la mia intenzione di parlare, chiamando le donne che m’aiutino onorare costei. Poscia quando dico: Ogne dolcezza, dico quello medesimo che detto è ne la prima parte, secondo due atti de la sua bocca; l’uno de li quali è lo suo dolcissimo parlare, e l’altro lo suo mirabile riso; salvo che non dico di questo ultimo come adopera ne li cuori altrui, però che la memoria non puote ritenere lui nè sua operazione».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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Wahrnehmung (VN XV 10–11, Io mi senti) und den Seelenteilen (VN XVII 4–7, Gentil pensero) gegliedert. Während die divisioni zu Amore e’l cor gentil und Negli occhi porta unmittelbar aneinander anschließen,92 wird im zweiten Teil der divisione zu Negli occhi das Thema der Sprachmodi eingeleitet, aufgrund derer das darauffolgende Gedicht Se tu colui geteilt wird. Die divisioni zu Donna pietosa und Io mi senti’ hingegen greifen das Unterscheiden nach Anrede und Sprechsituation von Negli occhi auf, gründen jedoch hauptsächlich auf den Gegenpart von Traum und Wirklichkeit («im ersten Teil sage ich das, was bestimmte Frauen, und was eine Frau in meiner Phantasie sagten und taten […] im zweiten Teil, sage ich das, was mir die Frauen sagte, nachdem ich dieses Phantasieren gelassen hatte»93). Der Tod von Beatrice bildet eine Zäsur, die Dante auch in den divisioni zum Ausdruck bringt.94 Die Kanzone Si lungamente, die in der Chronologie der Vita Nuova unmittelbar vor dem Tod Beatrices steht, wird nach der ersten Strophe abgebrochen und bleibt unkommentiert ohne jede Unterteilung stehen. Es folgt der Beginn der Klagelieder: «Quomodo sedet sola civitas plena populo! facta est quasi vidua domina gentium. Wie liegt die Stadt so verlassen, die voll Volks war! Sie ist wie eine Witwe, die Fürstin unter den Völkern, [und die eine Königin in den Ländern war, muss nun dienen, MdME]. Ich war noch bei der Ausarbeitung dieser Kanzone, und hatte nur die oben geschriebene Strophe vollendet, als der Herr der Gerechtigkeit diese edelste rief, unter dem Zeichen jener gebenedeiten Königin, der Jungfrau Maria zu lobsingen, deren Name in den Worten dieser seligen Beatrice in höchster Ehrwürde gehalten wurde.95

92 Dante, VN XI 7–8 und XII 5–8, siehe Anm. 207: «ich sage wie diese Potenz sich in Akt auflöst, und wie sie sich zuerst im Mann auflöst und dann wie sie sich in der Frau auflöst […] im ersten Teil sage ich wie diese Frau diese Potenz in Akt auflöst aufgrund ihres edelsten Teiles ihrer Augen». 93 Dante, VN XIV 30: «la prima parte si divide in due: ne la prima dico quello che certe donne, e che una sola, dissero e fecero per la mia fantasia quanto è dinanzi che io fossi tornato in verace condizione; ne la seconda dico quello che queste donne mi dissero poi che io lasciai questo farneticare» und XV 10–11: «la prima delle quali dice come io mi senti’ svegliare lo tremore usato nel cuore, e come parve che Amore m’apparisse allegro nel mio cuore da lunga parte; la seconda dice come me parea che Amore mi dicesse nel mio cuore, e quale mi parea; la terza dice come, poi che questi fue alquanto stato meco cotale, io vidi e udio certe cose. La seconda parte comincia quivi: dicendo: Or pensa; la terza quivi: E poco stando. La terza parte si divide in due: ne la prima dico quello che io vidi; ne la seconda dico quello che io udio». 94 Zur Gliederung der Vita Nuova cf. Gorni (1995); Picone (1977); Baldelli (1976). 95 Dante, VN XIX 1: «Io ero nel proponimento ancora di questa canzone, e compiuta n’avea la soprascritta stanzia, quando lo segnore de la giustizia chiamoe questa gentilissima a gloriare sotto la insegna di quella regina benedetta virgo Maria, lo cui nome fue in grandissima reverenzia ne le parole di questa Beatrice beata». Für die Bedeutung der Klagelieder als intertextueller Bezug der Vita Nuova cf. Martinez (1998, 16–20).

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

Diese Witwenmetapher («vidua domina gentium») ist das Leitmotiv in den Kapiteln XIX und XX und wird von Dante dreimal vor einem metapoetischen Abschnitt über seine Stilbildung verwendet. Zunächst legt Dante die drei Gründe für die Auslassung eines Berichtes über Beatrices Tod vor: weil dies nicht dem Vorsatz des Proömiums entspräche, seine Sprache zudem noch nicht ausreiche, dies angemessen zu behandeln, und weil in einer solchen Abhandlung notgedrungen Eigenlob entstehe, was sich nicht gezieme,96 wie wir bereits oben gesehen haben. Obgleich Dante den Tod von Beatrice in der Paraphrasierung «lo segnore de la giustizia chiamo questa gentilissima a gloriare sotto la insegna di quella regina benedetta virgo Maria» ausdrückt, wird durch das Zitat aus den Klageliedern auf die Liturgie der Karwoche, die Tenebrae, verwiesen und Beatrices Tod damit christlich überhöht.97 Zwischen Gründonnerstag und Karsamstag ist die Liturgie auf die Klagelieder, die Lamentationes, ausgerichtet und durch die Zahl Drei bzw. Neun gegliedert. So besteht eine Messe aus drei Nocturnen, welche ihrerseits aus drei Psalmen, drei Lesungen und drei Responsorien bestehen, und einer Laude, aus fünf Psalmen bestehend. Jedem Psalm geht eine Antiphon voraus, während derer eine Kerze gelöscht wird, die Altarkerzen werden während des Benedictus gelöscht, so dass die Kirche am Ende der Liturgie in völliger Dunkelheit liegt und die Holzratschen das Erdbeben nach dem Tod Christi verdeutlichen sollen, das in der Traumvision von Donna pietosa angedeutet wird.98 Nach seinem Einschub über die Symbolik der Neun und Beatrice, Wurzel der Trinität, die durch den liturgischen Hintergrund der Karliturgie als alter christus verstärkt wird, kommt Dante noch einmal auf die Klagelieder zu sprechen. «Als sie von dieser Welt verschied, blieb die oben genannte Stadt beinahe Witwe, von jeder Würde entkleidet, als ich, noch in dieser trostlosen Stadt weinend, an die Fürsten der Erde von ihrem Zustand schrieb und diesen Anfang (der Klagelieder) von Jeremias nahm, der sagt: ‹Quomodo sedet sola civitas›.99 Und das sage ich, damit sich niemand wundert, wes-

96 Dante, VN XIX 2: «E avvenga che forse piacerebbe a presente trattare alquanto de la sua partita da noi, non è lo mio intendimento di trattarne qui per tre ragioni: la prima è che ciò non è del presente proposito, se volemo guardare nel proemio che precede questo libello; la seconda si è che, posto che fosse del presente propostio, ancora non sarebbe sufficiente la mia lingua a trattare come si converrebbe di ciò; la terza si è che, posto che fosse l’uno e l’altro, non è convenevole a me trattare di ciò, per quello che, trattando, converrebe essere me laudatore di me medesimo, la quale cosa è al postutto biasimevole a chi lo fae; e però lascio cotale trattato ad altro chiosatore». 97 Cf. Martinez (1998, 20–25); Vickers (1989, 102); cf. auch Allegretti (2012). Zur Liturgie der Karwoche cf. MacGregor (1992). 98 Dante, VN XIV 24: «Poi mi parve vedere a poco a poco / turbar lo sole e apparir la stella,/ e pianger elli ed ella;/ cader li augelli volando per l’are,/ e la terra tremare; / ed omo apparte scolorito e fioco,/ dicendomi: – Che fai? non sai novella?/ morta è la donna tua, ch’era sì bella». 99 Es handelt sich um den Brief VIII (XI) an die Kardinäle von Italien, cf. auch Holmes (2008).

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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halb ich es oben angefügt habe, fast als Eingang in die neue Materie, die danach folgt. Und wenn mich jemand tadeln möchte, dass ich hier nicht die Worte schreibe, die an jene angefügten folgen, entschuldige ich mich dessen, aber mein Vorsatz war, von Beginn an nur in Volkssprache zu schreiben; und weil die Worte, welche jenen folgen, die angefügt sind, alle lateinisch sind, wäre es gegen meinen Vorsatz, wenn ich sie schriebe».100

Diese Erklärung spannt den Bogen zum Anfang des Kapitels und zur unmittelbaren Nachricht von Beatrices Tod und birgt einen zweifachen Verweis: es wird auf den Beginn der Vita Nuova zurückverwiesen, indem ein intertextueller Bezug bewusst hergestellt wird. In der «pistola sotto forma di serventese» (VN II 11), die Dante nach der Wahl der donna dello schermo schreibt, erhält Beatrice wundersam den neunten Platz unter den gelobten Frauen. Das Gedicht wird jedoch nicht eingefügt, sondern ist vielmehr Vorbereitung für O voi che per la via d’Amor passate, in dem Dante vom Verlust seiner donna dello schermo schreibt, der in diesem Gedicht durch einen Ortswechsel bedingt ist. O voi che per la via beginnt mit einem Zitat aus den Klageliedern I. 12, die Dante in der divisione auf Latein zitiert: O vos omnes qui transitis per viam, attendite et videte si est dolor sicut dolor meus. Während in Kapitel XIX die direkte Behandlung von Beatrices Tod bewusst ausgelassen wird, ist eine Auseinandersetzung mit und Klage über den Verlust der donna dello schermo aus Angst vor Entdeckung der Täuschung bewusst gewählt: «Und weil ich dachte, dass, wenn ich von ihrem Verlassen nicht ziemlich traurig redete, die Leute mein Verstecken eher bemerken würden, nahm ich mir vor, einige Klagen in einem Sonett zu machen».101 Der zweite intertextuelle Bezug zum Brief an die «wichtigsten Bürger von Florenz» wird als schwierig angesehen, weil Dante vermutlich von einem heute verlorenen Text spricht,102 obwohl ein Brief unter der Autorität Dantes überliefert ist,

100 Dante, VN XIX 8–9: «Poi che fue partita da questo secolo, rimase tutta la sopradetta cittade quasi vedova dispogliata da ogni dignitade; onde io, ancora lagrimando in questa desolata cittade, scrissi a li principi de la terra alquando de la sua condizione, pigliando quello cominciamento di Geremia profeta che dice: ‹Quomodo sedet sola civitas›. E questo dico, acciò che altri non si maravigli perché io l’abbia allegato di sopra, quasi come entrata de la nuova materia che appresso vene. E se alcuno volesse me riprendere di ciò, ch’io non scrivo qui le parole che seguitano a quelle allegate, escusomene, però che lo intendimento mio non fue dal principio di scrivere altro che per volgare; onde, con ciò sia cosa che le parole che seguitano a quelle che sono allegate, siano tutte latine, sarebbe fuori del mio intendimento se le scrivessi». 101 Dante, VN II 13: «E pensando che se de la sua partita io non parlasse alquanto dolorosamente, le persone sarebbero accorto più tosto de lo mio nascondere, propuosi di farne alcuna lamentanza in uno sonetto». 102 Cf. Pastore Stocchi (1970). Mentre «i cenni alle epistole perdute permettono d’individuarne con una certa sicurezza un manipoletto estremamente esiguo. La testimonianza più antica è dello stesso Dante, il quale narra nella Vita Nuova (XXX 1–2) come, morta la sua donna (1290), egli invi-

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

der mit den Anfangsversen der Klagelieder beginnt. Der Brief XI, der an die italienischen Kardinäle gerichtet ist, die den «principi della terra» entsprächen, wird geläufigerweise nach 1314 datiert und fällt somit als intendierter Referenzpunkt aus.103 Interessanterweise könnte dieser Brief jedoch als intertextuelle Bezugspunkt durchaus funktionieren: die auf Rom bezogene Witwenmetapher betrifft die lange Sedesvakanz nach dem Tod von Papst Nikolaus IV., die die Stadt des Papstes und der Kardinäle verwaiste. In der Vita Nuova wird die Witwenmetapher ein weiteres Mal im metapoetischen Abschnitt vor der dritten Kanzone Gli occhi dolenti als Erklärung für die Neuordnung der drei verschiedenen Teile der Vita Nuova – den ragioni, poesie und divisioni – verwendet. Dante schreibt hier: «Und damit diese Kanzone nach ihrem Ende verwitweter erscheint, unterteile ich sie, bevor ich sie schreibe; und auf diese Weise werde ich von nun an vorgehen».104 Während die beiden ersten Fälle der Witwenmetapher jeweils auf eine Gruppe bzw. Personifizierung bezogen werden – Jerusalem als Verkörperung des Gottesvolkes und Florenz als von Beatrice zurückgelassene Stadt –, kann das Gedicht als Ansammlung von parole allenfalls von der divisione zurückgelassen werden, welche diesem Bild gemäß aufsteigt und vor oder über dem Gedicht steht. Dante zeigt den Verlust von Beatrice also in der Neuordnung seiner Gedichte und Vorrangstellung der divisioni, durch die das Gedicht verwitwet. Die natürliche Ordnung ragione, poesia, divisione wird aufgebrochen und vertikalisiert, indem der unterteilende und ordnende Teil vor

asse a li principi de la terra (cioè ai principali cittadini di Firenze) un’epistola latina che esordiva con le parole di Geremia Quomodo sedet sola civitas e lamentava la desolazione della città orbata di Beatrice. È evidente la conformità dell’epistola, nel suo spirito e nella forma, con la corrente definizione del dictamen e con l’uso attestato di Dante: si noti che quello stesso exordium a sententia ripreso dai Treni di Geremia apre anche l’Epistola XI». 103 Capitani (1973); Frugoni (1979); Sasso (2012). Der Brief wird handschriftlich nur in ms. Laurenziano-Mediceo, XXIX 8 überliefert. Ob die Datierung des Briefes aufgrund der dort genannten Kardinäle Orsini und der mit Stefanaschi identifizierte «Trasteverino» eventuell eine Vordatierung in die Redaktionszeit der Vita Nuova erlauben, kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, bedeutete jedoch eine Abschrift rund 20 Jahre vor der heutigen Datierung. Es bleibt jedoch ungeklärt, warum Dante auf einen Brief verweist, da die bloße Verteidigung der Verwendung des Lateinischen kaum überzeugt, betrachtet man den Gebrauch des Lateinischen in der Vita nuova. Pipa (1985, 100): «Comunque s’interpreti la locuzione ‹li principi della terra›, come i potenti del mondo o come i rettori di Firenze […], è chiaro che Dante scrisse un’epistola politica, simile, si pensa a quela indirizzata più tardi ai cardinali italiani – il ‹Quomodo sedet sola civitas› appare in testa ad ambedue gli scritti. Qualsiasi cosa Dante abbia scritto in quella epistola, non avrà certo lamentato la vedovanza di Firenze dopo la morte di Beatrice – e si osservi che ‹sopradetta cittade› si riferisce, sintatticamente, non a Firenze, ma alla Gerusalemme di Geremia […]». 104 Dante, VN XX 2: «E acciò che questa canzone piaia rimanere più vedova dopo lo suo fine, la dividerò prima che io la scriva; e cotale modo terrò da qui inanzi».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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das Gedicht gestellt wird. Dem Leser wird zuerst eine intellektuelle Herangehensweise an das Gedicht nahegelegt und dadurch wird die ästhetische Erfahrung des Gedichtes verändert und gelenkt. Während die ersten 19 Gedichte die Spannung zwischen narrativer Prosa und Poesie durch die doppelte Darstellung und Erzählung der Ereignisse erzeugt wird, wurde aber auch die Unverständlichkeit der Gedichte betont. Für die letzten elf Gedichte, von denen allein vier nicht unterteilt werden, wird diese Spannung durchbrochen, und durch die divisione als Vorverweis auf das Gedicht wird die Prosaerzählung vom Gedicht getrennt. Durch die Neuordnung wird die divisione zum eigentlichen Kommentarteil der Vita Nuova stilisiert, da sie den im Schreiben eingefangenen Sinn eröffnen soll, der dem Schreiben der divisione vorausgeht.105 Todorović bietet in ihrer Monographie Dante and the Dynamics of textual exchange eine neue Interpretation für die divisioni an, die sie auf die divisio textus zurückführt. Die Neuordnung der Textteile erklärt sie mit einem Verweis auf selectio und compilatio, die Dante in seiner Rolle als Kompilator durch die Auslassung der direkten Beschreibung von Beatrices Tod, die Auslassung des Briefes und durch die Neuordnung der Textteile hervortreten lassen (cf. Todorović 2016, 146). Sie hebt hervor, dass dieser Textteil integraler Bestandteil des Textes ist, der Dante als Autor und Literaturhistoriker hervorscheinen lässt, gleichzeitig jedoch von modernen Lesern als «superfluous, unnecessary tool» gesehen wird.106 Dass nun Boccaccio diesen Teil der Vita Nuova in die Marginalien verbannte, mag als Einladung zur weiteren Kommentierung durch den Leser in den Marginalien gedacht worden sein, löste jedoch eine zunehmend paratextuelle Funktion der divisione und ihren schleichenden Verlust aus. Gerade die Bestimmung der divisioni, im Gegensatz zu den ragioni, als chiosa und nicht als integraler Textbestandteil und ihre Herabsetzung als «zu kindisches Werk», die Boccaccio in seiner Anmerkung Maraviglierannosi molti Dante selbst zuschreibt, wird die Überlieferung und Lesart der Vita Nuova tiefgreifend beeinflussen.107 Gleichzeitig wi-

105 Cf. Dante, Convivio II ii 6: «A lo ‘ntendimento de la quale canzone bene imprendere, conviene prima conoscere le sue parti, sì che leggiero sarà poi lo suo intendimento a vedere. Acciò che più non sia mestiere di predicere queste parole per le sposizioni de l’altre, dico che questo ordine, che in questo trattato si prenderà, tenere intendo per tutti li altri». 106 Todorović (2016, 97): «on the contrary, it is an approach of a poet, an author, who is concerned with the legacy of his poetry and of himself as a poet, who blurs the line between authorship and exegesis as they were understood at the time in order to establish the former within the current literary framework». 107 Zu Boccaccio als Herausgeber der Vita Nuova cf. Kapitel 4 (S. 249–299) mit entsprechender Literaturangabe. Cf. Dante, Convivio I i 16: «E se ne la presente opera, la quale è Convivio nominata e vo’ che sia, più virilmente si trattasse che ne la Vita Nuova, non intendo però a quella in parte alcuna derogare, ma maggiormente giovare per questa quella; veggendo sì come ragionevolmente

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derspricht die Trennung von divisione und Gedicht der Witwenmetapher, weil die Einheit von Gedicht und Unterteilung durchbrochen wird und eine räumliche Trennung erfolgt durch die ‹Himmelfahrt› der divisione gemäß der Trennung von Beatrice als «domina gentium» von ihrer Stadt. Dante zeigt im Gebrauch dieser Metapher jedoch noch eine weitere konkrete Anweisung, indem er den Zusammenhang von graphischer Darstellung und Anordnung und Inhalt betont. Das Gedicht soll «più vedova» nach seinem Ende erscheinen, womit der Leerraum oder die Leerzeile nach dem Gedichtende gemeint ist. Die Erklärung der Neuordnung der divisioni und die Betonung der Beziehung zur Witwenmetapher lässt die haptische Erfahrung des Lesens und der Gedichtüberlieferung in den Vordergrund treten und laden den Leser und (eventuell zukünftigen) Schreiber ein, die graphischen Mittel der Handschriftenproduktion zur inhaltlichen Hervorhebung zu nutzen und eine inhaltliche Zäsur graphisch darzustellen.

1.2.3.3 Amor als Einflüsterer und Exegesebeispiel Bereits im ersten Kapitel der Vita Nuova, unmittelbar nach der Erzählung der ersten Begegnung mit Beatrice (und der Sprachfindung durch die spiriti), wird die Rolle Amors festgelegt, dem Dante von nun an zu dienen hat.108 «Von nun an sage ich, dass Amor meine Seele beherrschte, die ihm so zu bestimmt war, und er begann über mich viel Sicherheit und Herrschaft durch die Kraft zu nehmen, die ihm meine Imagination gab, dass es mir zukam, alle seine Wünsche vollständig zu erfüllen».109

An zwei Stellen gibt Amor Dante-agens Schreibanweisungen,110 die Dante in seinen Gedichten zu befolgen habe und gegen deren Kritik sich Dante einerseits be-

quella fervida e passionata, questa temperata e virile essere conviene. Chè altro si conviene e dire e operare ad una etade che ad altra; perchè certi costumi sono idonei e laudabili ad una etade che sono sconci e biasimevoli ad altra, sì come di sotto, nel quarto trattato di questo libro, sarà propria ragione mostrate. E io in quella dinanzi, a l’entrata de la mia gioventute parlai, in questa dipoi, quella già trapassata.» 108 Zu Amors Rolle in Dantes Stilfindung cf. Wehle (1986, 57–59): «Zum einen in der Gestalt Amors. Er ist für das liebende Ich nicht nur ein ständiger Berater in Liebesdingen. Er führt es zugleich in die Kunst des Dichtens ein». 109 Dante, VN I 8, cf. I 10 und II 4: «D’allora innanzi, dico che Amore segnoreggiò la mia anima, la quale fu sì tosto a llui disponsata, e cominciò a prendere sopra me tanta sicurtade e tanta signoria per la virtù che li dava la mia ymaginatione, che me convenia fare tutti li suoi piacere compiutamente». 110 Dante, VN VI 1: «dette le parole che Amore m’avea imposte a dire».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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reits durch die Wahl des stilisierten und autoritätsvollen Sprachrohrs und andererseits in den an den kritischen Leser gewendeten Argumentationen schützt. So fordert ihn Amor in Kapitel IV auf, eine donna dello schermo zu wählen und ihr Gedichte zu widmen, um von seiner wahren Liebe abzulenken: «Wenn du aber dennoch von diesen Worten, die ich mit dir gesprochen habe, etwas sagen würdest, so sag es in der Art, dass man die vorgetäuschte Liebe nicht erkennt, welche du dieser gezeigt hast und welche sich dir geziemt, anderen zu zeigen».111 Nachdem diese Strategie dazu geführt hat, dass Beatrice Dante ihren Gruß entzogen hat, erscheint Amor Dante erneut in einer Vision und hebt diesen Schreibauftrag auf – «Fili mi, tempus est ut pretermictantur simulacra nostra» (Dante, VN V 10). Amor ändert nun seinen Ratschlag: «Und da dein Geheimnis wirklich von ihr durch die lange Gewohnheit erkannt wurde, möchte ich, dass du bestimmte Worte in Reim sagst, in denen du die Kraft ausdrückst, die ich durch sie über dich halte. Und wie du alsbald ihrer seit deiner Kindheit warst, und rufe dafür den als Zeugen, der das weiß. Und wie du ihn bittest, es ihr zu sagen, und ich, der ich jener bin, werde gerne mit ihr darüber sprechen. Und so wird sie deinen Willen hören und ihn hörend, wird sie die Worte der Getäuschten erkennen. Und mach diese Worte so, dass sie fast ein Mittel sind, so dass du nicht unmittelbar zu ihr sprichst, was nicht würdig ist, und schick sie nicht ohne mich in irgendeinen Teil, wo sie von ihr verstanden werden können, sondern schmücke sie in süßer Harmonie, in der ich jedesmal bin, wenn es das Handwerk will».112

Während Amor hier neben der stilistischen Anweisung, «non parli a lei immediatamente», den Inhalt des auf diese ragione folgenden Gedichtes, der ballata, definiert, gibt er andernorts Hinweise, die sich auf die gesamte nachfolgende Lyrikproduktion beziehen und zum Ausgangspunkt für den stile della lode werden: «Und dann sage ich, dass mich eine Vision von Amor traf, so dass es mir erschien, ihn von jener Stelle kommen zu sehen, wo meine donna war, und es schien mir, dass er zu mir in

111 Dante, VN IV 6: «Ma tuttavia, di queste parole che teco ò ragionato, se alcuna cosa ne dicessi, dille nel modo che per loro non si discernesse lo simulato amore che tu ai mostrato a questa e che ti converrà mostrare ad altri». 112 Dante, VN V 14–15: «Onde con ciò sia cosa che veracemente sia conosciuto per lei alquanto lo tuo secreto per lunga consuetudine, voglio che tu dichi certe parole per rima, nelle quali tu comprendi la forza che io tegno sopra te per lei. E come tu fosti suo tostamente dalla tua pueritia, e di ciò chiama testimonio colui che lo sa. E come tu prieghi lui che li le dica, e io, che sono quelli, volontieri le ne ragionerò. E per questo sentirà ella la tua volontade, la quale sentendo, conoscerà le parole degli ingannati. Queste parole fa che sieno quasi un mezzo, sì che tu non parli a lei immediatamente, che non è degno, e non le mandare in parte alcuna, sanza me, ove poterssero essere intese da lei, ma falle adornare di soave armonia, nella quale io sarò tutte le volte che sarà mestiere».

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

meinem Herzen freudig sagte: ‹Denk daran, diesen Tag zu segnen, an dem ich dich nahm; aber du musst das [wirklich] machen›».113

Diese Schreibanweisungen bestimmen den novo stile della lode, durch den Dante in Purgatorio XXIV für Bonagiunta identifizierbar ist, oder anders gesagt: an dieser Stelle legt Dante-poeta Amor metapoetische Anweisungen für Dante-agens in den Mund, die den Stil von Dante-poeta charakterisieren und welche auch den Merkmalen entsprechen, durch die Dante-agens in der Commedia von Bonagiunta wiedererkannt wird.114 «‹Ma di’ s’i’ veggio qui colui che fore trasse le nove rime, cominciando Donne ch’avete intelletto d’amore›. E io a lui: ‹I’ mi son un che, quando Amor mi spira, noto, e a quel modo ch’e’ ditta dentro vo significando›. ‹O frate, issa vegg’io›, diss’elli, ‹il nodo che ’l Notaro e Guittone e me ritenne di qua dal dolce stil novo ch’i’ odo. Io veggio ben come le vostre penne di retro al dittator sen vanno strette, che de le nostre certo non avenne; e qual più a riguardar oltre si mette, non vede più da l’uno a l’altro stilo›».

«‹Doch sag mir, ob ich den hier vor mir sehe, Aus dessen Munde die schönen Verse kamen: Die Frauen, die auf Liebe sich verstehen›. Und ich zu ihm: ‹Ich bin ein Mensch, der immer, Wenn Liebe ihn behaucht, es wohl bemerket, Und wie sie in mir spricht, so muß ich’s sagen›. ‹O Bruder›, sprach er, ‹nun seh ich den Knoten, Der den Notar, Guitton und mich noch ferne Von jenem süßen neuen Stil gehalten. Ich sehe wohl, wie folgsam eure Federn Dem, der diktiert, auch auf sein Wort gehorchen; Das ist mit unsern freilich nicht geschehen. Und wer noch weiter sich vertiefen möchte, Wird nichts mehr finden zwischen beiden Stilen›».

In der Commedia bestimmt Dante aus der Perspektive Bonagiuntas das Charakteristikum seines dichterischen Schaffens in der Aufnahme und Weitergabe des Diktats: «I’ mi son un che quando Amor spira, noto». Dante konstruiert sein frühes dichterisches Schaffen bzw. sich in seiner Autorschaft an dieser Stelle in der Commedia als einen aufnehmenden Empfänger der Inspiration oder des Diktats von Amor. Dieser Ausdruck soll das Verhältnis von Innerem und Äußerem, von parola mentis und verba veranschaulichen, wie Pinto über die philosophischen und sprachtheoretischen Implikationen dieses Abschnittes gezeigt hat.115 In der

113 Dante, VN XV: 2 «Allora dico che mi giunse una imaginazione d’Amore; che mi parve vederlo venire da quella parte ove la mia donna stava, e pareami che lietamente mi dicesse nel cor mio: ‹Pensa di benedicere lo dì che io ti presi, però che tu lo dei fare›». 114 Dante, Commedia, Purg. XXIV, 49–62. Übersetzung Gmelin (2006, 227). Siehe S. 213–224 Kapitel 3.2.4.1, S. 226–236. 115 Pinto (2002, 206): «La nuova poesia è allora quella che, avendo compreso la natura densamente razionale del femminile, si propone come compito istituzionale la massima congruenza fra la parola pronunciata (o scritta) e quella interna, della mente e del cuore (la quale, come sap-

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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Vita Nuova jedoch finden sich stilistische Anweisungen, die einer Beschreibung des Dichtens als Handwerk gleichen. So legt Dante die einzelnen Phasen des Schreibens – vom Anlass, der ersten Zeile, zur ersten Strophe, den Unterteilungen, bis zu ihrem Auftraggeber – dem Leser mit den unterschiedlichen Lesemöglichkeiten, dem Empfänger und den Rückantworten offen dar, wobei auch hier Amor als Diktierender benannt wird.116 Die Figur Amors in seiner exegetischen Funktion tritt mit der Erklärung des verschmähten Grußes von Beatrice hervor. An Dichte und Bedeutung gewinnt diese Charakterisierung jedoch in Kapitel XV vor dem Hintergrund der Bewertung der verschiedenen Leser, die entweder durch ihren «non tanto ingegno» oder ihre «sottigliezza» bestimmt werden. Während Dante den Leser mehrmals auffordert, seinen Text sottilmente zu lesen und zu interpretieren, so gibt er in Kapitel XV ein Beispiel für eine derartige Exegese, in persona amoris. Über die Namensetymologie von Giovanna, «Primavera» und Beatrice sagt er: «Und wer (dies) feinsinnig betrachten möchte, der würde Beatrice Amor nennen, wegen ihrer großen Ähnlichkeit, die sie mit mir [Amor] hat».117 In drei Textabschnitten in Kapitel V, VII und XVI, die ich bereits im Kapitel über den advocatus diaboli untersucht habe (S. 14–22), antwortet Dante auf mögliche Einwände gegen den «neuen Stil», der von Personifikationen und direkter Rede lebt. Im dritten Abschnitt, in Kapitel XVI, steht Amor im Vordergrund. Dante verhandelt hier zunächst die Personifizierung von Amor, bevor er auf die Frage der Latinität bzw. Volkssprachlichkeit eingeht und schließlich Klarheit in den Allegorien fordert. Dies ist nicht nur die ausführlichste Beschreibung und Verteidigung dessen, was Dante in der Vita Nuova vor- bzw. durchführt, sondern stellt auch seinen dichterischen Anspruch in doppelter Hinsicht dar: einerseits bezieht er sich auf die junge Geschichte der volkssprachlichen Dichtung und andererseits ist es die einzige Stelle in der Vita Nuova, in der Dante hintereinander fünf antike Autoren als Gewährsmänner anführt.

piamo da Vita Nuova, XIX, può essere solo parola di lode della donna amata, cioè testimonianza del culto poetico all’oggetto femminile di desiderio). In piena consonanza con il De Vulgari, l’ufficio di creare un nuovo linguaggio letterario (naturale e non artificiale) è demandato non ai grammatici, né ai filosofi, ma ai poeti». 116 Dante, VN XI 3: «Amor e ‘l cor gentil sono una cosa, / sì come il saggio in suo dittare pone, / e così esser l’un sanza l’altro osa / com’alma razional sanza ragione». 117 Dante, VN XV 4–5: «Quella prima è nominata Primavera solo per questa venuta d’oggi, ché io mossi lo imponitore del nome a chiamarla così Primavera, cioè prima verrà lo die che Beatrice si mostrerà dopo la imaginazione del suo fedele. E se anche vogli considerare lo primo nome suo, tanto è quanto dire ‹prima verrà›, però che lo suo nome Giovanna è quello Giovanni lo quale precedette la verace luce, dicendo: ‹Ego vox clamantis in deserto: parate viam Domini›. Ed anche mi parve che mi dicesse, dopo, queste parole: ‹E chi volesse sottilmente considerare, quella Beatrice chiamerebbe Amore, per molta simiglianza che ha meco›».

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

1.2.3.3.1 Allegorien und die zeitgenössische Literaturkritik Dantes In den metapoetischen Abschnitten der divisioni hat Dante den kritischen Leser mehrmals auf eine genauere und erschöpfende Erklärung der direkten Anrede an seine Gedichte, der Personifizierung von Amor und der spiriti verwiesen, die in Kapitel XVI, auf eine Reihe von antiken Autoritäten gestützt, in einer Anklage des falschen und unvorsichtigen Gebrauchs der Allegorie durch zeitgenössische Dichter endet. Die Problematisierung der Personifizierung Amors hat zweierlei Zweck: einerseits wird Dante anhand dieses Problems die volkssprachliche Dichtung der klassischen Dichtung gleichwertig darstellen, andererseits stützt er die Begründung für die Wahl der Volkssprache der rimatori auf die Unkenntnis der donne, lateinische Liebesgedichte zu verstehen. Wehle hat die Rolle Amors in Dantes poetischer Entwicklung hervorgehoben und an drei Momenten festgemacht. Er lässt die Rolle der spiriti jedoch unberücksichtigt und beschränkt sich auf Amor, welchen er als Geburtshelfer des poetischen Sprechens vorstellt. Wie die Frauen, die lateinische Liebesgedichte nicht verstehen konnten, so scheint Dante in der Geschichte der Entwicklung des poetischen Schreibens, die lateinischen Worte der spiriti und Amors nicht zu verstehen: «Wie ihm [Dante] die Tragweite seiner Liebe fremd war, so die Worte Amors: dieser benutzt zeichenhaft die ‹Fremdsprache› Latein; der Liebende verstand – noch – so gut wie nichts» (cf. Wehle 1986, 62). Dante verdeutlicht hier die Geschichte der volkssprachlichen Lyrik anhand der Geschichte des eigenen innamoramento der Vita Nuova, wo er im ersten Kapitel von den spiriti und Amor auf Latein angesprochen wird, jedoch später äußert, dass ihm der Sinn der Worte dunkel erscheine.118 Der Beginn seines poetischen Schreibens entspricht in dieser Hinsicht dem Beginn der volkssprachlichen Dichtung. «Und es ist keine große Zahl an Jahren vergangen, da diese volkssprachlichen Dichter zuerst auftauchten, weil volkssprachlich in Reim zu sprechen soviel ist, wie auf Latein in Versen zu sagen. Und Zeichen dafür, dass eine kurze Zeitspanne vergangen ist, sieht man, wenn wir in der Lingue d’Oc und der Lingua di sì suchen wollen, wir keine Dinge vor der gegenwärtigen Zeit für hundert und fünfzig Jahre finden. Und der Grund dafür, dass ein paar Grobe im Ruhm standen, dichten zu können, ist, dass sie fast die ersten waren, die in der Lingua di sì dichteten. […] Und damit eine grobe Person keine Überheblichkeit einnehme, sage ich, dass weder die Dichter so ohne Sinn sprachen, noch die, die reimen, so sprechen sollen, ohne ein Verständnis in sich davon zu haben, was sie sagen; es wäre nämlich eine große Schande für den, der Dinge unter dem Kleid einer Figur oder einer rhetorischen Farbe reimt, und dann, gefragt, nicht wüsste, seine Worte von diesem Kleid zu befreien, so dass ihnen [den Worten]

118 Dante, VN V 11: «Allora, pensando, alle sue parole, mi parea che m’avesse parlato molto oscuramente, sìche io mi sforzava di parlare, e diceali queste parole: ‹Che è ciò, signore, che mi parli con tanta oscuritade?›. E quelli mi dicea in parole volgari: ‹Non dimandare più che utile ti sia›».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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wahrhaftes Verständnis zukäme. Und mein erster Freund und ich wissen viel von denen, die auf so dumme Weise reimen».119

Die Metapher der Allegorie als Kleid wird im zweiten Buch des Convivio als Mantel der Erzählung, unter dem die Wahrheit in schöner Lüge verborgen ist, präzisiert.120 Die Allegorie sei jedoch von der Art, wie sie die Theologen verstünden, zu unterscheiden. Im Brief an Cangrande della Scala wiederholt Dante die Forderung der allegorischen Interpretation, welche er im Convivio um die beiden anderen Schriftsinne, die in der Bibelexegese gebräuchlich waren, erweiterte: «Ich sage, […] dass diese Auslegung buchstäblich und allegorisch zu sein hat. Und um dies zu verstehen, muss man wissen, dass man die Schriften höchstens in vier Sinnen verstehen kann und auslegen muss».121 In Purgatorio XI findet man eine ähnliche Stelle mit einer Kritik am verworrenen Sprechen und an den frühen Dichtern, die vom Ruhm der Sprache beflügelt wurden. Dante erteilt seinen zeitgenössischen Dichterkollegen eine Lektion in Sachen Metapherntheorie und allegorisches Sprechen und gibt sowohl Regeln für die Lektüre als auch für das Verfassen von Dichtung.122 Während er die Freundschaft mit Guido Cavalcanti gerade mit dessen korrekter Interpretation des Eröffnungsgedichtes der Vita Nuova, A ciacun alma presa, begründet und dessen weisen Gebrauch der Allegorie gegen seine Zeitgenossen hervorhebt, wird der Ruhm von Guido Cavalcanti im Purgatorio XI für überholt erklärt.123

119 Dante, VN XVI 4: «E non è molto numero d’anni passati, che appariro prima questi poete volgari; ché dire per rima in volgare tanto è quanto dire per versi latino, secondo alcuna proporzione. E segno che sia picciolo tempo, è che se volemo cercare in lingua d’oco e in quella di sì, noi non troviamo cose dette anzi lo presente tempo per cento e cinquanta anni. E la cagione per che alquanti grossi ebbero fama di sapere dire, è che quasi fuoro li primi che dissero in lingua di sì». und XVI 10, Anm. 23, S. 21. 120 Dante, Convivio II i 4–5: «L’altro si chiama allegorico, e questo è quello che si nasconde sotto ’l manto di queste favole, ed è una veritade nascosa sotto bella menzogna». 121 Dante, Convivio II i 2: «Dico che […] questa sposizione conviene essere litterale e allegorica. E a cio dare a intendere, si vuol sapere che le scritture si possono intendere e deonsi espondere massimamente per quattro sensi». Übersetzung Ricklin (1996b, 13). 122 Vor dem Hintergrund von Huizinga (1949, 129): «All poetry is born of play: the sacred play of worshop, the festive play of courtship, the martial play of the contest, the disputatious play of braggadocio, mockery and invective, the nimble play of wit and readiness», könnte Dante somit als Spielverderber der zeitgenössischen Dichtungspraxis und gleichzeitig als Erfinder eines neuen Spiels angesehen werden. 123 Dante, Commedia, Purg. XI 97–102; 139–142. Gmelin (2006).

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

«Così ha tolto l’uno a l’altro Guido la gloria de la lingua; e forse è nato chi l’uno e l’altro caccerà del nido. Non è li mondan romore altro ch’un fiato di vento, ch’or vien quinci e or vien quindi, e muto nome perché muta lato. […] Più non dirò, e scuro so che parlo; ma poco tempo andrà, che’ tuoi vicini faranno sì che tu potrai chiosarlo. Quest’opera li tolse quei confini».

«So hat der eine Guido weggenommen Des andern Dichterruhm, und heute lebet Vielleicht, der beide aus dem Nest wird jagen. Es ist der Ruf der Menschen nur ein Blasen Des Windes, der bald da-, bald dorthin wehet Und Namen wechselt, wie er Richtung wechselt. […] Mehr sag ich nicht, obwohl ich dunkel rede. Doch bald wird dir ein Gleiches widerfahren Von deinem Nachbarn, daß du’s magst erklären. Dies gute Werk ließ ihn von drunten steigen».

Dante beschreibt sich in diesem Abschnitt als «neuen Vogel», der die alten, den einen und den anderen Guido, aus dem Nest stoße. Es handelt sich hierbei um Guido Guinizelli (1230/40–1276), den Dante in Purgatorio XXIV als Vorgänger des dolce stil novo darstellt, der von Guido Cavalcanti abgelöst wird und nun durch den «Nestparasiten» Dante verdrängt werde. Sich am Hochmut Dantes stoßend oder ihn deutend, wird die Nestmetapher von den Kommentatoren der Commedia als domus famae auf Ovid (Met. XII, 15 «nidus erat voluerum bis quattruor arbore summa»), Horaz und Habakuk (II, 9: «vae qui congregat avariatiam malam domui suae ut sit in excelso nidus eius et liberari se putat de manu malis») zurückgeführt. Während die Nestmetapher bei Horaz positiv konnotiert ist und die Bereicherung des Ruhmes unterstreicht, deutet der alttestamentarische Verweis die zweifelhafte Existenz des Nestparasiten an: «Weh dem, der für sein Haus unrechten Gewinn sucht und sich hoch droben sein Nest baut, um dem drohenden Unheil zu entgehen».124 Bietet Dante in der Commedia eine Geschichte der zeitgenössischen Literatur mit Guido Cavalcanti, Guido Guinizelli, Iacopo da Lentini und Forese Donati (1250–1296) als Angehörige des alten Stils, so findet sich in der Vita Nuova und in De vulgari eloquentia die Eingrenzung und Reglementierung des neuen Stils. In De vulgari eloquentia definiert Dante den Gegenstand der volkssprachlichen Dichtung, den Zielen der drei Seelenteilen als «salvezza, amore e virtù» entsprechend, wobei das Heil dem vegetativen Seelenteil, der auf den Nutzen ausgerichtet ist, die Liebe dem animalen Seelenteil, der auf Lust ausgerichtet ist, und die Tugend dem rationalen Seelenteil zugeordnet sind (cf. Dante, Dve II ii 6). Dante unterscheidet weiterhin drei verschiedene Stilebenen und reserviert die «würdigen» Themen dem höchsten Stil, der seine metrische Entsprechung in der Kanzone findet. Die Kanzone ist für Dante eine Verkettung von gleichförmigen Stanzen (Strophen), welche die gesamte poetische Technik auf-

124 Horaz, Ep. I, 20: «Me libertino natum patre et in tenui re / Maiores pennas nido extendisse loqueris». Zum Horazvergleich cf. Barański (2010).

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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nimmt und als «gremium totius sententie» beschrieben wird (cf. Dante, Dve II ix 2). Um diese Technik geht es in den weiteren Kapiteln der De vulgari eloquentia, einen Aspekt der Poesie, den Dante bereits in der Vita Nuova in der minutiösen Gliederung, Analyse und in der regelrechten Anleitung zum Schreiben thematisierte. Dante kritisiert in De vulgari eloquentia diejenigen, die auf gut Glück («a caso») ohne das technische Handwerkszeug und ohne die nötige kulturelle Bildung zu besitzen, dichten und sich mehr noch in allegorischen Dichtungen auslassen. «Und es zeigt sich also und es beschämt die Dummheit derjenigen, die sich ohne technische Fähigkeiten und Kultur, bloß auf die Genialität vertrauend, an die höchsten Themen wagen, die in der höchsten Form besungen werden, und so sollen sie aufhören mit dieser Überheblichkeit, und, wenn die Natur oder das Nichtstun sie zu Gänsen gemacht hat, so sollen sie sich nicht einbilden, den Adler zu imitieren, der sich auf zu den Sternen schwingt. […] Schande nun, schande über die Idioten, die sich so sehr erdreisten, dass sie beim Kanzonendichten hervorpreschen, Leute, über die wir lachen sollten, wie über einen Blinden, der versucht, die Farben zu unterscheiden».125

Die Kritik richtet sich nicht nur gegen den unangemessenen Gebrauch der Kanzonen, sondern auch des Versmaßes und einzelner Worte, den Dante als «plebescere» bezeichnet.126 Demgegenüber steht ein Kanon von zeitgenössischen Dichtern, deren Verse Dante als positive Beispiele für gelungene Dichtung zitiert, allen voran Arnaldo Daniello und Cino da Pistoia, Guido Guinizelli und Guido Cavalcanti, sowie zahlreiche Troubadours. Dante fügt sich selbst als «amico» in den Dichterreigen seiner Zeitgenossen ein und zitiert neben den Kanzonen der Vita Nuova (Donne ch’avete intelletto d’amore, Donna pietosa di novella etate) weitere Kanzonen wie Doglia mi reca, Amor che movi tua virtu dal cielo und Amor che nella mente mi ragiona.127 Wie ein guter Architekt ein Gefüge aus Vorbildern und formalen Anspielungen pflegt, so soll auch der Dichter Poesie als Handwerk auffassen und ne-

125 Dante, Dve II iv 11: «Et ideo confutetur eorum stultitia, qui, arte scientiaque immunes, de solo ingenio confidentes, ad summa summe canenda prorumpunt; et a tanta presumptuositate desistant; et si anseres natura vel desidia sunt, nolint astripetam aquilam imitare» und vi 3: «Pudeat ergo, pudeat ydiotas tantum audere deinceps, ut ad cantiones prorumpant! quos non aliter deridemus, quam cecum de coloribus distinguentem». 126 Dante, Dve II x 5: «Vide igitur, lector, quanta licentia data sit cantiones poetantibus, et considera cuius rei causa tam largum arbitrium sibi usus asciverit; et si recto calle ratio te direxerit, videbis auctoritatis dignitate sola, quod dicimus esse concessum.» Cf. Dante, Dve II vi 8: «Subsistant igitur ignorantie sectatores Guittonem Aretinum et quosdam alios extollentes, nunquam in vocabilis atque constructione plebescere desuetos!». 127 Dante, Dve II ii 9: «Amicus eius: Doglia mi reca nello core ardire»; Dve II v 4: «Amicus eius: Amor, che movi tua virtù da cielo»; Dve II vi 6: «Amicus eius, Amor che ne la mente mi ragiona».

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

ben der Einbettung in den zeitgenössischen Stil die antiken Autoren imitieren. Das Gedicht als Konstrukt wird aus verschiedenen Teilen kunstvoll, aber auch den natürlichen Regeln folgend zusammengesetzt.128

1.2.3.3.2 Die bella scola zwischen Vita Nuova und Commedia Der Kanon der zeitgenössischen Dichter wird durch einen zweiten Kreis von Dichtern ergänzt. Im Kapitel XVI der Vita Nuova führt Dante Vergil, Lukan, Horaz, Homer und Ovid als Gewährsmänner für den Gebrauch von Personifikationen an, aus dem Anfang der jeweiligen Werke zitierend.129 «Wenn wir also sehen, dass die Dichter zu den unbeseelten Dingen gesprochen haben, so als ob sie Sinn und Verstand hätten, und sie miteinander sprechen haben lassen, und nicht nur wahre Dinge, sondern auch unwahre Dinge, also dass sie von Dingen gesagt haben, die nicht sind, dass sie sprechen, und sie gesagt haben, dass viele Akzidentien sprechen, als ob sie Substanzen und Menschen wären; so ist der Reimdichter würdig, Ähnliches zu tun, aber nicht ohne jeden Grund, sondern mit Grund, der dann durch Prosa eröffnet werden kann».130

Die Vorbildstellung der antiken Dichter des «fare lo somigliante» wird durch eine zusätzliche Anforderung an die volkssprachliche Dichtung gefestigt: sie soll in kommentierenden Abschnitten ausgelegt werden. Wie Zygmunt Barański hervorgehoben hat, ist das gesamte Kapitel XVI von intertextuellen Bezügen zur Ars Poetica von Horaz durchzogen, und Dante scheint mit der Wahl des Horaz-Zitats, in dem Homer zitiert wird, bewusst auch sein eigenes kommentierendes Vorgehen unter die Autorität von Horaz stellen zu wollen.131 128 Zum Verhältnis von Architektur und Sprache Dante, Dve II vi 2–4: «Est enim sciendum quod constructionem vocamus regulatam compaginem dictionum; ut Aristotiles phylosophatus est tempore Alexandri. Sunt enim v hic dictiones compacte regulariter, et unam faciunt constructionem. […] Sed non minoris difficultatis accedit discretio prius quam, quam querimus attingamus, videlicet urbanitate plenissimam. Sut etenim gradus constructionum quamplures». und Dante, Dve I vii 7. 129 Cf. Rossini (1997). Rossini bietet hier weniger eine Interpretation der bella scola denn eine semantische Untersuchung über die Verwendung des Reimpaares cenno und senno in der gesamten Commedia. Für unser Vorhaben ist sein Artikel daher von geringer Bedeutung. Hollander (2008) zeigt einen interessanten Fund des Nachlebens der bella scola in Chaucers Troilus V. 1786–92 auf. 130 Dante, VN XVI 8: «dunque, se noi vedemo che li poete hanno parlato a le cose inanimate, sì come se avessero senso e ragione, e fattele parlare insieme; e non solamente cose vere, ma cose non vere, cioè che detto hanno, di cose le quali non sono, che parlano, e detto che molti accidenti parlano, sì come se fossero sustanzie e uomini; degno è lo dicitore per rima di fare lo somigliante, ma non sanza ragione alcuna, ma con ragione la quale poi sia possibile d’aprire per prosa». 131 Barański (2010). Cf. auch Picone (2005, 176–177; 181–185), der die Remedia amoris von Ovid als Modell des Textes identifiziert.

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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«Dass die Dichter, so wie gesagt wurde, gesprochen haben, zeigt sich durch Vergil, der sagt im ersten Buch der Aeneis, dass Juno, also eine den Trojanern feindliche Göttin, zu Aiolos sprach, dem Herrn der Winde: ‹Eole, nanque tibi›, und dieser Herr ihr so geantwortet hat: ‹Tuus, o regina, quid optes explorare labor; michi iussa capessere fas est›. Durch ebendiesen Dichter spricht im dritten [Buch] der Aeneis die Sache, die nicht beseelt ist, zur beseelten Sache: ‹Dardanide duri›. Durch Lukan spricht die beseelte Sache zur unbeseelten Sache: ‹Multum, Roma, tamen debes civilibus armis›. Durch Horaz spricht der Mensch zur Wissenschaft selbst wie zu einer anderen Person; und das sind nicht nur Worte von Horaz, sondern er sagt sie, fast die Worte des guten Homers rezitierend, so (sagt er) in seiner Poetria: ‹Dic michi, Musa, virum›. Durch Ovid spricht Amor am Anfang des Buches, das den Namen Buch der Liebeskunst hat, so als ob er eine menschliche Person sei: ‹Bella michi, videa, bella parantur, ait›». 132

Während Barański die Autoritätskonstruktion der antiken Autoren, insbesondere Horaz, unter dem Gesichtspunkt von Dantes Autoritätsgewinn hervorhebt,133 bestreitet Antonio Iannucci in seinem Beitrag zur bella scola, dass sich Dante bereits in der Vita Nuova zum Kanon der antiken Autoren zurechne und den Anspruch erhebe, als Autorität im poetischen und poetologischen «Diskurs» zu fungieren.134 Todorović untersucht im zweiten Kapitel ihrer Monographie die Bezüge von Boethius und der Vita Nuova und gibt einen Überblick über die aktuelle Forschung zur Rezeption antiker Autoren im 13. Jahrhundert. Sie bezieht sich hierbei auf Helene Wieruszowski, die anführe, dass die schulische Auseinandersetzung mit klassi-

132 Dante, VN XVI 9: «Che li poete abbiano così parlato come detto è, appare per Virgilio; lo quale dice che Iuno, cioè una dea nemica de li Troiani, parloe ad Eolo, segnore de li venti, quivi nel primo de lo Eneida: ‹Eole, nanque tibi›, e che questo segnore le rispuose, quivi: ‹Tuus, o regina, quid optes explorare labor; michi iussa capessere fas est›. Per questo medesimo poeta parla la cosa che non è animata a le cose animate, nel terzo de lo Eneida, quivi: ‹Dardanide duri›. Per Lucano parla la cosa animata a la cosa inanimata, quivi: ‹Multum, Roma, tamen debes civilibus armis›. Per Orazio parla l’uomo a la scienza medesima sì come ad altra persona; e non solamente sono parole d’Orazio, ma dicele quasi recitando lo modo del buono Omero, quivi ne la sua Poetria: ‹Dic michi, Musa, virum›. Per Ovidio parla Amore, sì come se fosse persona umana, ne lo principio de lo libro c’ha nome Libro di Rimedio d’Amore, quivi: ‹Bella michi, videa, bella parantur, ait›». 133 Barański (2010, 13–15): «Specifically, thanks to Horace, Dante endorsed the libello’s literarycritical dimension and defined his own standing as a commentator in relation to the highest ‘authority’ in the field. […] Horace was presented as the preceptor who provided an overview of poetry and rules for writing; and, as chapter 16 reveals, Dante aspired to offer the same service for vernacular poets – hence the historical observations and the advice on how to compose poetry that he introduced into the chapter. […] Dante should sound most like Horace when he lays down rules for vernacular poets to follow […]». 134 Iannucci (1993, 102): «Il poeta moderno e volgare diviene il sesto membro della ‹bella scola›: così facendo egli oblitera quel segno di discrimine tra poesia volgare e classica, tra ‹dicitori in rima› e ‹litterati poete›, da lui stesso tracciato nella Vita nuova (25) e ribaldito nel De vulgari eloquentia».

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

scher Dichtung an Vergil, Ovid und Horaz, manchmal auch Lukan und Statius vollzogen werde: «This is the same canon of Latin authors Dante cites in the theoretical-historical paragraph 16 of the Vita Nova, where he implicitly compares himself and his authorial decisions to these same authors» (Todorović 2016, 70; cf. auch Wieruszowski 1967, 186). In Kapitel XVI sieht Todorović eine Bestätigung für Dantes Bestreben, seine Glaubwürdigkeit als klassische auctoritas zu konstruieren (cf. Todorović 2016, 71). Sie verweist in diesem Zusammenhang auf Quain und die Unterscheidung von auctores und lectores, von lateinisch schreibenden klassischen Autoren und zeitgenössischen volkssprachlichen Dichtern.135 Allerdings erwähnt Todorović nicht, dass Dante nicht durch eine bloße Auflistung klassischer Zitate seine Kenntnis der Poetologie unter Beweis stellt und dadurch seinen Anspruch begründet sei, sondern dass er am Ende des Kapitels selbst als Autorität spricht und durch seine Verurteilung des falschen Gebrauchs von Allegorien in doxologische Sammlungen aufgenommen werden kann. Erst in der Commedia sieht Todorović den Prozess der Aufwertung und Gleichwertung der volkssprachlichen Lyrik gegenüber der lateinischen Autoren vollbracht,136 wenn Dante sich als pari inter pares in Inferno IV in die bella scola einreihe.137 «Lo buon maestro cominciò a dire: ‹Mira colui con quella spada in mano, che vien dinanzi ai tre sì come sire: quelli è Omero poeta sovrano; l’altro è Orazio satiro che vene; Ovidio è ’l terzo, e l’ultimo Lucano. Però che ciascun meco si convene nel nome che sonò la voce sola, fannomi onore, e di ciò fanno bene›. Così vid’i’ adunar la bella scola di quel segnor de l’altissimo canto

«Der gute Meister hat zu mir gesprochen: ‹Schau hin auf jenen mit dem Schwert in Händen, Der als ein Herr einhergeht vor den Dreien. Das ist Homer, der höchste Fürst der Dichter, Der nächste ist Horaz mit den Satiren, Ovid der dritte, und zuletzt Lukanus. Da sie sich aber alle mit mir teilen Den Namen, den die eine Stimme nannte, Ehren sie mich, und das ist recht und billig›. So sah ich nun vereint die schöne Schule Des Herren mit der höchsten Kunst des Sanges,

135 Quain (1986, 11): «The writers of antiquity, both pagan and Christian, were in the medieval schools known as auctores, writers who possesssed an auctoritas to which respect and admiration were due. The ‹canon› of auctores, rigorously excluded contemporary writers who were merely lectores». 136 Todorović (2016, 73): «The Vita Nova thus represents an important stage in the development of the new sensibilities among the moderns. This paragraph of the libello, furthermore, represents a clear precursor to Inf. IV, where he will, again, be in the company of ‹cotanto senno›, only this time he will walk with them as an equal, his presence being more explicit in its physicality, no matter how humbled he might claim to be feeling in that moment». 137 Dante, Commedia Inf. IV, 85–102, Übersetzung Gmelin (2006, 20); cf. Vazzana (2002).

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

che sovra li altri com’aquila vola. Da ch’ebber ragionato insieme alquanto, volsersi a me con salutevol cenno, e’l mio maestro sorrise di tanto; e più d’onore ancora assai mi fenno, ch’’ sì mi fecer de la loro schier, sì ch’io fui sesto cotanto senno».

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Der andre wie ein Adler überflieget. Nachdem sie etwas sich besprochen hatten, Wandten sie sich zu mir mit ihrem Gruße; Darüber mußte wohl mein Meister lächeln. Dann taten sie mir noch viel mehr der Ehre, Denn sie empfingen mich in ihrem Kreise, Daß ich bei soviel Geist der Sechste wurde».

Führt Dante diese fünf antiken Dichter in der Vita Nuova als Vorbilder und Autoritäten in der Rechtfertigung der Verwendung von Metaphern und der Konstruktion der Amor-Personifikation ein, so wird er in der Commedia von den antiken Dichtern in die «bella scola» aufgenommen. In De vulgari eloquentia schließlich führt Dante seine «Theorie» zur Imitatio aus. Die «großen Dichter» seien gerade aufgrund ihres beispielhaften technischen Feinschliffes als seconda natura nachzuahmen. «Und wundere dich nicht, o Leser, wenn dir viele Dichter ins Gedächtnis gerufen werden, denn was wir höchste Gedichtkonstruktion nennen, können wir nicht aufzeigen, ohne Beispiele dieser Art zu geben. Und vielleicht wäre es höchst nützlich, um es eine zweite Natur werden zu lassen, Einsicht in die «poeti regolati» genommen zu haben, also Vergil, Ovid der Metamorphosen, Statius und Lukan, wenn nicht andere, die eine hohe Prosa schreiben wie Titus Livius, Plinius, Frontinus, Paulus Ororius und viele andere, denen zu begegnen, eine freudige Stille [Interesse] uns einlädt».138

Die in Inferno IV genannte bella scola, die in De vulgari eloquentia um den Kanon der Prosadichter erweitert wurde, wird von einem Adler angeführt: «sovra li altri com’aquila vola» (cf. Boitani 2004, 147–164; Carrega 1998; Baraldi 2008). Der Adler wird in den mittelalterlichen Kommentaren zur Commedia entweder mit Vergil (Guida da Pisa) oder allen Vertretern der bella scola (Boccaccio und Kommentator in ms. Plut. 40.7. der Biblioteca Laurenziana) identifiziert.139 Er wird auf einen

138 Dante, Dve II, vi, 7: «Nec mireris, lector, de tot reductis autoribus ad memoriam: non enim hanc quam suppremam vocamus costructionem nisi per huiusmodi exempla possumus indicare. Et fortassis utilissimum foret ad illam habituandam regulatos vidisse poetas, Virgilium videlicet, Ovidium Metamorfoseos, Statium atque Lucanum, nec non alios qui usi sunt altissimas prosas, ut Titum Livium, Plinium, Frontium, Paulum Orosium, et multos alios, quos amica solitudo nos visitare invitat». 139 Seriacopi, (2000; online Ausgabe: http://pendientedemigracion.ucm.es/info/italiano/acd/ tenzone/index.html, letzter Zugriff: 15.06.2015): «Però dice: Come aquila vola sopra gl’altri vecchi. Cosìe costoro sopra i vizi mondani sono stati conoscitori, ma egli hanno tanto perseverato nelle vertudi corporali, e no•reverito il nostro Signore Iddio, ch’e’ dice: ‹La vita di costoro non è chive quanto ad Dio›».

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

bestimmten Stil, den verso eroico dittatico (Francesco da Buti), oder den poetischen Stil insgesamt (Boccaccio) und poetico furore (Landino) bezogen. Für Dante ist es gerade die Regelfolgsamkeit und Regelbildung, die die antiken Dichter nachahmenswert machen: «Es ist wahr, dass sie [die volkssprachlichen Dichter] sich von den großen, also von den regulären Dichtern unterscheiden, weil diese, die großen Dichter, in einer Sprache gedichtet haben und mit einer regulierten Technik, jene anderen jedoch per Zufall, wie es gesagt wurde. Daher geschieht es, dass je besser wir sie nachahmen, desto korrekter wir zu dichten wissen».140

Dante, der sich einerseits als «Kuckuckskind» unter den zeitgenössischen Dichtern definiert hatte, versucht andererseits neue Regeln für das dichterische Schreiben zu schaffen, um dadurch in den Reigen der poeti regolari aufgenommen zu werden. So scheint seiner «Investitur» in Inferno IV eine Art Beratung vorausgegangen zu sein, bevor Homer die Frage mit einem «salutevol cenno» schließt.141 Dantes Kritik am zeitgenössischen dichterischen Schreiben und seine Selbstkanonisierung wurde von seinen Zeitgenossen nicht ohne Wimpernzucken aufgenommen. Giovanni del Virgilio hinterfragt beispielsweise in seiner erste Ekloge Dantes Einreihung in den Kanon der klassischen Autoren, und Cecco d’Ascoli kritisiert die Rolle von Amor im metapoetologischen Kontext.142 Dass diese question über die Jahrhunderte hinweg zugunsten Dantes ausgefallen ist, mögen – ohne ins Detail gehen zu wollen – das Beispiel des Commedia-Kommentars von Giovanbattista Gelli und die Erstedition von De vulgari eloquentia, von Iacopo Corbinelli besorgt, zeigen. Gelli führt in seinen Preambuli einen Vergleich nicht nur mit den Dichtern der bella scola und Dante vor, sondern fügt noch eine Reihe

140 Dante, Dve II iv 3: «Differunt tamen a magnis poetis, hoc est regularibus, quia magni sermone et arte regulari poetati sunt, hii vero casu, ut dictum est. Idcirco accidit ut, quantum illos proximius imitemur, tantum rectius poetemur. Unde nos, doctrine operi impendentes, doctrinatas eorum poetrias emulari oportet». 141 Rossini (1997, 163–165) hebt die «atmosfera […] fortemente connotata nel senso di una ‹investitura› cavalleresco-accademica» der «compagnia» hervor. 142 Giovanni del Virgilio: «Pierdum vox alma, novis qui cantibus orbem/ mulces, lethifluum vitali tollere ramo/ dum cupis,/ evolvens triplices confinia sortis/ […] Tanta quid heu semper jactibis seria vulgo, / et nos pallentes nihil ex te vate legemus?/ Clerus vulgaria temnit/ Etsi non varient, quum sint idiomata mille. / Praeterea nullus, quos inter es agmine sextus, / nec quem conseguqeris coelo, sermone forensi/ descripsit: quare, censor liberrime vatum, fabor, si fandi paulum concedis habenas. / Nec margiratis profliga prodigus apris,/ nec preme castalitas indigna veste Sorores». Cf. auch Cecco d’Ascoli, Acerba III, 1: «Amor nel cerchio non tien fermo punto, /o cala o monta nell’umano concetto,/ sempre col moto fu cosi congiunto».

1.2 Die Appellstrukturen der Vita Nuova

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anderer antiker Autoren an, die Dante inhaltlich übertroffen habe.143 Interessanterweise wird Dante im Kommentar zur editio princeps von De vulgari eloquentia allerdings als fünfter eines neuen Kanons, nämlich eines Kanons von volkssprachlichen Dichtern genannt, denen, entsprechend der Idee des visibile parlare, ein antiker Maler zugeordnet wird und der seinen Abschluss in Petrarca findet.144

143 Giovann Battista Gelli (1887, I, 13–16): «Di maniera ch’e’ non sono mancati di quelli (e non sono però stati Fiorentini, che l’amore gli abbia ingannati, ma di patria più tosto emula e inimica alla nostra), che parendo loro ch’ei non abbia solamente pareggiati tutti gli altri poeti, ma gli abbia di gran lunga avanzati e posto loro il piede innanzi, e particolarmente a Omero ed a Virgilio, i quali sono tenuti più eccellenti degli altri […]. Scrisser Omero, […] la partita di Ulisse di Grecia […] e finalmente il suo ritorno della città di Troia a Itaca sua patria […]. E Dante […] scrive la partita dell’anima umana da Dio […] e finalmente come ella ritorni […] a la patria sua celeste. Scrisse Virgilio […] la partita di quel pio e giusto […] e lo arrivar che egli fece nel regno d’Italia, dove egli finalmente si morì. E Dante scrive la partita dell’uomo de la selva oscura della confusione […] e ultimamente lo arrivare che egli fa […] al regno del Cielo, ove egli non muore, come fece Enea in quel d’Italia, ma sì vive poi sempre […]. Scrissero Stazio e Valerio Flacco […] l’uno l’odio e la discordia de’ due fratelli Tebani e la magnanimità d’Achille […], e l’altro i pericoli della navicazione degli Argonauti. E Dante scrive la guerra e il combattimento, che fa lo nostro sensitivo con il ragionevole; il valore e la grandezza del nostro arbitrio libero; e i pericoli che si truovano nel mare […] agitato […] da la fortuna. Scrisse Ovidio le trasformazioni di molti e molti uomini, […] chi in fiere […]. E Dante ci dimostra non solamente come noi ci trasmutiamo, mediante i vizii, in sterpi e in serpenti bruttissimi […] ma il modo come noi possiamo ancor poi trasformarci […] in spiriti beati. […] Scrisse Claudiano […] l’andata di Cerere a l’inferno […]: e Dante scrive l’andata che fa l’anima umana nelle tenebre della confusione […]. Dimostranci Tibullo, Catullo e Properzio i lacci e gl’inganni di quello Amore […] e Dante l’oscuro carcere […] nel […] quale ci conducono i consigli e le lusinghe dell’amore disordinato […]. Riprendono Iuvenale e Persio gran parte de’ vizii umani […]: e Dante […] esorta e insegna in un medesimo tempo a quegli il modo da purgarsene e fuggirgli. Insegnano Plauto e Terenzio nelle loro commedie conoscere i vizii e gl’inganni de’ servi […] e Dante c’insegna conoscere quei delle passioni nostre proprie […]». 144 Iacopo Corbinelli (1577), L’Annotationi: fiiiv- ivv: «dico dintorno al naturale d’alcuni di quei Poetia, che Dante cita, o che meriterino, si come principi, o nella poesia presidenti, d’esser citati& imitati: de quali io pur voglio parlare alquanto la loro Poesia con la Pittura antica associando, & dimostrando, come con pari gradi, & con pari gridi & fame sien queste due Sorelle salite alla lor gloriosa altezza ciascuna. Diciano adumque, che da gl’anni MCCL, sino à i MCCCC, fiorirono & Giutton d’Arezo, & G. Guinizelli da Bologna, & G. Cavalcanti, & M. Cino, & Dante, sequentemente poi Franc. Petrarca, Sennuccio Del Bene, Giovanni Boccacci, Franco Benci Sacchetti, & altri di quei tempi, quali io non nomino, […].» De vulgari eloquentia, fivv- gv: «Et à cio che inprimamente dal primo c’incominciamo, diremo, che Guittone, scrittore cosi sano, & sincero, & piu sempre dedito alla sententia, ch’à la parola, si possa à Polignoto non senza causa comparare, il quale come nascente, rozzo principio fu di quella Arte, che poscia divenuta adulta, & matura, crebbe nella sua plenitudine. coma à Cimone ancora, che nei volti ando ritrovando i varij movimenti, i muscoli nelle membra, negl’habiti le pieghe, il Guinizelli agguagliamo, accurato ne concetti, figurato nelle parole, proprio nel decoro. A Zeusi, delle ragioni de lumi, & dell’ombre introduttore, oppenesi G. Cavalcanti, luminoso altresi ne suoi Versi, & non senza molta arte, puro. A Parrhasio poi, della

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

Während die spiriti die Sprachfindung und das visibile parlare verbildlichen und die divisioni, insbesondere die Witwenmetapher, den performativen Schreibakt in den Vordergrund stellen, hebt die Amor-Episode mit ihrer Kanonbildung den Leser als (Dichter und) Exegeten hervor. Gegen die «persona grossa» gerichtet, solle er «sottilmente considera[ndo] quella Beatrice chiamerebbe Amore, per molta simiglianza che ha meco» (VN XV 5).

1.3 Die Buchmetapher als Kopieranleitung Wayne Storey führt die Material philology weiter und bietet mit seinen Untersuchungen zu Visual Poetics einen neuen Zugang zu den Texten und Textträgern der frühen italienischen Lyriktradition (cf. Storey 1993; 2004). Es sei dabei zu berücksichtigen, dass die Dichter des 13. Jahrhunderts in ihren Werken ihre Sorge über die Abschrift und Textverbreitung ausdrückten, wodurch dieser Aspekt des Textes für das Textverständnis nicht außer Acht gelassen werden könne.145 In seinem Beitrag «Following instructions: remaking Dante’s Vita nova in the Fourteenth century» avanciert Storey seine Lektüre der Vita Nuova unter kodikologischen und paläographischen Gesichtspunkten, die bisher in dieser Form in der Vita Nuova-Forschung unbekannt war.146 Er betont dabei, dass Dante nicht

simmetrica linea, dell’argutia de volti, del vago de capelli ritrovatore, s’equipara M. Cino, huomo negl’amorosi affetti cosi litteramente perito, & di cosi benigna vena, com’alcun altro. Nel quinto grado & con questi quattro, Apollodoro, Eupomo, Eumaro, & Eufranore, s’assembla & si paragona Dante, di giuditio nell’imitare, di valore in ardire, di sapientia in ammaestrare, & finalmente in alterezza di poetare, àniuno de mortali inferiore. Seguita l’altro lume dell’Italica poesia M. Fr. Petrarcha, al cui mellifluo stile e sembiante la maniera d’Apelle facilißima, & pienda di quella gratia, che e tanto piu ampla 6 suave, quanto e piu chiusa. Questa cosi formosa pudicità loda Propertio nella faccia d’Hippodamia, come noi lodiamo altresi in quella dell’elettiß. Poeta nostro: la forza della cui bellezza fu datta tale da la natura, che se quell’aurea simplicita, o artificiata negligentia, per dir cosi, la volessero alri ornamenti dipignere, i medesimi la estinguerieno. Non si rifaceva adumque d’alcun feminile ornamento, Sed facies aderat nullis obnoxia gemmis, Qualis Apelleis est color in tabulis. [Properz, Elegie II, 21–22] Et cosi siam pervenuti al sommato della Poetica & Pittura». 145 Storey (2004, 272): «After recent studies in material philology, it would be difficult to hold that the poets from the second half of the Duecento did not think about the forms of material dissemination of their production». 146 Einige Beiträge zur Metapher des libro della mia memoria untersuchen zwar die «handschriftliche» Textformität und identifiziert die literarischen Rubriken und Paragraphenzeichen in der Verwendung des Lateinischen, «appresso» und «poi». Es geht in diesen Beiträgen jedoch um das ‹Buch› bzw. die ‹Handschrift› als strukturelle Vorlage und weniger als die konkreten Kopieranweisungen, die Storey (2005) identifiziert.

1.3 Die Buchmetapher als Kopieranleitung

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nur Lektüre- und Kommentierungsanleitungen für die Vita Nuova gegeben habe, sondern darüber hinaus konkrete Hinweise für die Schreiber bot. Diese Kopieranweisungen nun seien weniger auf typographische Feinheiten, etwa Absätze, Leerzeilen, Kapitelunterteilungen oder Paragraphenzeichen zu beziehen, als auf die Integrität der Textüberlieferung ausgerichtet. Das Proömium biete mit der gängigen Floskel «Incipit...» dem Schreiber die Möglichkeit, die Integrität des Werkes zu überprüfen, und auch die Explicitformel «qui est per omnia secula benedictus» erfülle diese Funktion. So solle die Titelangabe, die Dante von allen Gedichten unmittelbar vor dem ersten Vers in der Formel «e cominciai allora un sonetto [una canzone/ una ballata] che comincia […] [es folgt der erste Vers des jeweiligen Gedichtes]» anfügt, dem Schreiber als Hinweis dienen, dass ein Gedicht einer bestimmten Länge und Konformität im Text folgt und dass der Text fehlerhaft ist, wenn dieses Gedicht in seiner Vorlage nicht überliefert wurde. Gleichermaßen seien auch die Unterteilungen als Hilfestellung für den Schreiber gedacht, in denen meist die ersten Worte der einzelnen Strophen als Gliederungspunkte wiederholt werden. Todorović stützt ihre Untersuchung zur Textkomposition der Vita Nuova auf die Forschungsbeiträge von Storey und gibt einige überzeugende Beispiele für die Präsenz von Kopieranleitungen unter der Berücksichtigung von Dantes Rolle als Autor, Schreiber seiner eigenen Gedichte aus dem libro della mia memoria. Insbesondere hat sie gezeigt, dass Dante den Terminus «scrivere» für den konkreten Akt des Kopierens verwendet, während «dire» oder «fare parole per rima» den schöpferischen Akt des Dichtens bezeichnet.147 Die divisioni seien zudem als Hilfestellung für die Seiteneinrichtung des Schreibers gedacht,148 der mit Schwierigkeit konfrontiert werde, Gedichte und Prosa auf einer Seite anzuordnen: «The strong presence of the scribal inventory in the libello’s text is a strong indicator that Dante is very aware of the problem of the materiality of the Vita Nova and consequentily of the difficulties the combination of poetry and prose coexisting on one charta of transcription might cause to the scribes confronting this new textual structure» (Todorović 2016, 140).

So sehr diese These überzeugt, so scheint sie mir als Erklärung der divisioni unzureichend, weil die divisioni erstens in den ersten 18 Kapiteln des libello nach

147 Todorović (2016, 10): «Dante the scribe also speaks through the verb scrivere, which appears forteen times in the prose of the libello and always refers to the act of writing, copying (opposed to ‹dire (per rima)›, which refers to composing poetry)». 148 Todorović (2016, 11): «Without precise prose instructions containing the genre of each poem, the scribe could err in his choice of layout. But Dante supplies constant instructions to the copyist of his text, starting the genre of each poem, for example».

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

dem Gedicht geschrieben werden und somit den Schreiber nicht auf das Gedicht und die Gedichtgliederung vorbereiten und Dante zweitens eine andere Funktion der divisioni in Kapitel XX.2 unter Verwendung der Witwenmetapher anzeigt und drittens der zunehmend sparsame Gebrauch der divisioni der Gedichte des zweiten Teils der Vita Nuova, also nach dem Tod von Beatrice, dieser These widerspricht. Sollte Dante die divisioni vor allem oder zumindest mit dem Ziel der integralen Überlieferung der Gedichte in den Text der Vita Nuova aufgenommen haben, so scheint diese Funktion wohl kaum nach dem Tod von Beatrice abhanden gekommen zu sein. Wie Storey,149 so führt auch Todorović die Kopieranleitungen auf Dantes intendierte Leserschaft zurück, die sie beide in einem gewählten Kreis von Dichterfreunden identifizieren: «Dante’s use of the scribal register in the Vita Nova suggests, therefore, that while composing the prose and ultimately compiling the libello, he was bearing in mind the idea that it would be distributed to his friends-readers-copyists, who would then make their own copies of the text. The Vita Nova was, in all probability, conceived to be sent to the ‹fedeli d’amore›, the circle of Dante’s close poet-friends. […] But the internal structure of the Vita Nova, and especially the composition and the materially precise language of the divisiones, indicates that while compiling the little book Dante had in mind this last category – an elite, a societas amicorum, consisting of a very limited circle of poets who would be able to understand the poetics of his work and who might have wanted to make their own copies of the libello» (Todorović 2016, 142).

Es drängt sich mir jedoch die Frage auf, weshalb Dante solche detaillierten Kopieranweisungen in den Text eingefügt haben soll, wenn er sich an ein schreibkundiges und mit Gedichtgattungen und -längen vertrautes Publikum gewendet hat. Seine Dichterfreunde, die hier als elitärer intendierter Leserkreis vorgeschlagen werden, hätten solche Anweisungen für die korrekte Abschrift des libellos nicht nötig. Vielmehr scheint mir, dass Dante die Figur des Berufsschreibers vor Augen hatte oder von Schreibwerkstätten, in denen zum Teil mehrere Schreiber an der Abschrift eines Textes arbeiteten. Durch die Angaben von Gedichttitel und Gattung (womit auch die Länge angegeben wird), kann die Arbeit an der Abschrift aufgeteilt werden und eine korrekte Bindung durch die Wiederholungen des Gedichttitels in der ragione und divisione, vor und nach dem Gedicht, gewährleistet sein. Auch scheint Dante ein Schreiber vor Augen zu stehen, der mit den Formen der Textauslegung und Seiteneinrichtung klassischer Autoren wohl vertraut war.

149 Storey (2005, 121): «Dante’s instructions on the layout and transcription of the libello would have been intended for the private, non-professional copyist-friend who simply wanted to make a personal copy».

1.3 Die Buchmetapher als Kopieranleitung

73

Justin Steinberg kommt ebenfalls auf Dantes wiederholte Metaphern zur Materialität seiner Texte zu sprechen und hebt hervor, dass Dante konkrete Codices für seine Texte imaginierte,150 und betont, dass «for Dante, the book of memory is a physic container as real as the material space of contemporary books» (cf. Steinberg 2007, 10). Was nun tatsächlich im 14. Jahrhundert mit der handschriftlichen Überlieferung der Vita Nuova passiert, mag einerseits beweisen, dass die divisioni den Schreiber vor ein Problem stellten, wie wir es mit Boccaccio, seiner Neuordnung und der Kommentierung dieser Neuordnung erleben, andererseits mögen die verschiedenen Überlieferungsstränge der Vita Nuova genau das Gegenteil bezeugen, nämlich dass weder die unterteilende, exegetische noch die schreibanleitende Funktion der divisioni eine herausragende Rolle spielten. Unabhängig von seiner Rezeption vervollständigt die Betonung der Schreibanleitung jedoch das Bild der Vita Nuova auf zweifache Weise, indem einerseits der vierten Notion der im Proömium vorgestellten Autorschaft, Dante als Schreiber des Buches seines Gedächtnisses, Rechnung getragen wird, andererseits wird die Buchmetapher selbst als Leitmotiv des gesamten Textes bestätigt. Wie ich in diesem Teil der Arbeit zur Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova herausgearbeitet habe, ist ein rezeptionstheoretisches Interesse im Text der Vita Nuova verankert und wird von Dante kunstvoll auf bildliche Weise thematisiert. Es lassen sich unterschiedliche Lesermodelle identifizieren, und es kann eine zunehmende Aufweichung einer Abgrenzung der einzelnen Leserkreise durch das Ineinandergreifen der Appellstrukturen festgestellt werden. Ascoli Russel löste diese Verwobenheit der Aufgaben von Autor und Leser mit einem Verweis auf die biblische Konnotation des auctor: «In entrambi, Dante non soltanto si avvale della tradizionale dicotomia auctor-lector, ma indica anche una via per superarla, avvicinandosi a un concetto più moderno di autore che è anche lettore, la cui comprensione del proprio testo (intendimento) è pertanto identica all'originale intenzione (intendimento) avuta nel comporlo. Così facendo, l'Alighieri viene implicitamente a ricordare il suo stesso creatore, l’Autore degli autori, la cui comprensione (intellectum) è simultanea all'intenzione (intentionem) creativa, perfettamente realizzata (Ascoli Russel 2008, 154, Übersetzung Montanari)».

150 Steinberg (2007, 9): «Indeed, even a preliminary study into Dante’s earliest reception reveals a striking contrast between how he imagines the materiality of his texts and the historical reality of extant transcriptions. Whether Dante is describing the rubricated, divided, and glossed ‘book of memory’ in the Vita Nova or the university-standard libro da banco (desk book) implicit in Paradiso 10, his codicological metaphors inevitably evoke the material resources and reading practices that characterized High Scholasticism and university culture».

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1 Rezeptionsgeschichte in der Vita Nuova – Appellstrukturen

Obwohl Dante den Kreis der fedeli d’amori immer wieder als Modellleser vorstellt, sollte nicht von einer exklusiven Leserschaft ausgegangen werden. Vielmehr inkludiert Dante die verschiedenen Lesertypen, den kritischen Leser, den philosophisch-gebildeten Leser, den Schreiber, den dichtenden Leser, den akademisch kommentierenden Leser und bietet Identifikationsmöglichkeiten und Appellstrukturen für alle genannten Lesertypologien.

2 Maggiori Paragrafi Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens 2.1 Vorbemerkungen zur Materialität und Verbreitung der Textträger Text und Textüberlieferung Kann ein Autor die Textüberlieferung beeinflussen? Es ist nicht möglich, die Rezeption der Vita Nuova im 14. Jahrhundert zu untersuchen, ohne die handschriftliche Überlieferung des Textes zu berücksichtigen. Über das komplexe Geflecht aus Appellstrukturen an zukünftige Leser, mit den fiktiven und realen Rezeptionszeugnissen des Textes und Verweisen auf eine eigenständige bzw. vorzeitige Überlieferung und Rezeption einzelner Teile der Vita Nuova, die Dante vom ersten bis zum letzten Kapitel der Vita Nuova in den Text verstreut eingewoben hat, wurde ausführlich im ersten Teil der Arbeit verhandelt. Bevor im nächsten Teil der Dissertationsschrift einige Beispiele literarischer Reaktionen auf die Vita Nuova in Reminiszenzen und Antwortgedichten vorgestellt werden, soll hier die konkrete und materielle Überlieferung des Textes und die Dokumentation der Lesespuren, Korrekturen und die Materialität der Rezeption im Vordergrund stehen. Zum einen wird die Textüberlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert erst durch eine Analyse aller handschriftlichen Zeugnisse deutlich, die unabhängig ihrer Vollständigkeit oder Verdorbenheit als Dokument und Rezeptionszeugnis gleichwertig ausgewertet werden. Zum anderen wird die Analyse zeigen, dass es keinen «festen» Text gab und man aus rezeptionsgeschichtlicher Sicht nicht von Textverstümmelung oder -verdorbenheit sprechen kann, sondern vielmehr einen sehr offenen Textbegriff formen muss, um der Vielzahl an Überlieferungszeugnissen gerecht zu werden. Die Frage, welche Version der Vita Nuova zum Beispiel Cavalcanti gelesen habe, wie Gorni sie stellte, ist aufgrund der uneindeutigen Datierung der Vita Nuova, der doppelten Redaktionsphase und des Verlustes des Autographs bzw. der Textzeugen, die die Vita Nuova in ihrer frühen Fassung überlieferten oder gar autographe Korrekturen aufweisen, für das ganze 14. Jahrhundert zu stellen (cf. Gorni 2006, 7). Cavalcanti ist durch seine Adressatenfunktion sicherlich einer der herausragendsten und am dringendsten zu benennenden Leser, weil er von Dante als Leser der Vita Nuova stilisiert wurde, doch wie steht es um die realen Leser, welchen Text hatten sie zur Verfügung, wie ist die Text»verdorbenheit» und wie gehen die Schreiber mit den Vorlagen um? https://doi.org/10.1515/9783110620504-003

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Werden die von Dante angelegten Appellstrukturen in den Abschriften umgesetzt und findet eine «aktive» Auseinandersetzung mit dem Text statt, so wie sie Dante in der Vita Nuova bereits angelegt hat und z. B. durch die Erwähnung von realen und fiktiven Antwortgedichten implizierte? Die Vita Nuova sei von Dichtern gelesen worden und habe darüber hinaus kaum Interesse bis zu ihrer ersten Drucklegung im 16. Jahrhundert erfahren, schloß Vallone aus seinen Studien zur critica dantesca (cf. Vallone 1981, 30). Diese Einschätzung wurde beinahe kritiklos übernommen und führte zu einer Marginalisierung der Vita Nuova aus einer literaturhistorischen und ideengeschichtlichen Betrachtung und Bewertung der Vita Nuova, deren poetologischer Ansatz und deren Bedeutung für die Nobilitierung von Poesie, Textanalyse und Textüberlieferung noch immer unterschätzt wird. Anders als in den bisherigen Abhandlungen über die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova stelle ich die Überlieferung einzelner Gedichte oder Gedichtcorpora der Überlieferung der prosimetrischen und der vollständigen Vita Nuova gleichwertig gegenüber und behandele sie nicht getrennt.1 Dafür sprechen zwei Argumente, die auf den autoreferentiellen Abschnitten in Dantes Werk basieren bzw. die ersten fiktiven und realen Rezeptionszeugnisse hinzuziehen. Erstens ist die Rezeption der Vita Nuova nicht von ihrer Entstehungsgeschichte und von der Thematisierung ihrer Entstehung durch Dante selbst in der Vita Nuova zu trennen. Die Thematisierung der Textgenese einerseits und die Buchmetapher andererseits zeugen von der Vielschichtigkeit und Verwobenheit in Dantes performativem Sprechen: durch die fiktiven Rezeptionszeugnisse seines Textes und die Kopieranleitungen wird die zukünftige Lektüre seines Textes haptisch und graphisch festgelegt. Dante präsentiert sein Kopfinneres, seinen imaginären Raum, als Handschrift, als «libro». In der Vita Nuova lädt er den Leser ein, darüber nachzudenken, wie ein Text in diesen imaginären Raum gelangt und wie er dann zu Papier gebracht und reproduziert werden kann. Was passiert nun, wenn sich dieser Text wirklich materialisiert, wenn er eine Form annimmt? Gemäß Dantes Rekonstruktion der Textgenese umfasst nun dieser Text zunächst nur Gedichte, die nach und nach durch Narration, Kommentar und Gliederung ergänzt werden. Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova des 14. Jahrhunderts scheint diese Entwicklung nachzuempfinden. Deshalb können nicht nur vollständige Überlieferungszeugnisse als Rezeptionszeugnisse gelten, sondern auch die Überliefe 

1 Die ersten Handschriftenkataloge der Vita Nuova finden sich in den Editionen von Antonio Maria Biscioni (1723, 421) mit einer Auflistung von 7 Handschriften, von Torri (1843) mit einer Beschreibung von 7 Handschriften. Barbi (1907) beschreibt für seine kritische Edition 80 Handschriften. De Robertis integrierte diesen Katalog durch die sogenannte «extravagante» Überlieferung einzelner Vita Nuova-Gedichte in Pirovano (2015, 37–48), Pirovano (2012) gibt eine Übersicht über 48 vollständige Handschriften.

2.1 Vorbemerkungen zur Materialität und Verbreitung der Textträger

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rung einzelner Gedichte und Gedichtcorpora muss unbedingt mituntersucht werden. Es mag sich die Frage aufdrängen, ob der Titel «Vita Nuova» nur auf den dreigliedrigen Text oder auch auf die einzelnen Gedichte, die in ihm enthalten sind, zu beziehen ist oder ob der Titel auch für die Gedichtanthologie – also die Sequenz der 31 Gedichte – verwendet wurde. Dante selbst ist uneindeutig, wenn er über die Vita Nuova spricht. Während er in den metapoetischen Abschnitten der Vita Nuova die Verknüpfung von Prosa und Poesie, von Narration und Kommentar ausführlich behandelt, offenbart Dante in den späteren Werken ein zwiespältiges Verhältnis zur Vita Nuova. Im Convivio verweist Dante dreimal auf die vollständige Vita Nuova, welche er hier «libello» nennt und deren Titel er zitiert, ohne das Genre genauer zu definieren. Der Terminus «libello» jedoch gewinnt im Convivio eine weitere Konnotation, die in der Vita Nuova, wo Dante viermal von dem Text als «libello» spricht, noch nicht deutlich ist. Neben den Vita Nuova-Verweisen2 verwendet Dante den Begriff «libello» im Convivio sowohl in Bezug auf De vulgari eloquentia3 als auch auf Ciceros Über das Alter,4 wodurch diese Bezeichnung um eine philosophiehistorische Ebene erweitert wird. In seinem lateinischen Traktat De vulgari eloquentia zitiert Dante zwar auch volkssprachliche Dichtung, es handelt sich jedoch nur um Anschauungsmaterial, das in seine sprachphilosophische Untersuchung zur Entstehung der Volkssprache eingebettet ist. Der fiktive Dialog De senectute von Cicero ergänzt den Bedeutungsraum des Begriffs «libello» um den klassisch philosophischen Dialog und scheint die Vita Nuova rückwirkend in den Kontext von philosophischen Werken zu stellen und dadurch auch als philosophisches Werk deklarieren zu wollen.5 Während

2 Dante, Convivio II ii 1–2: «[…] quando quella gentile donna, cui feci menzione ne la fine de la Vita Nuova, parve primamente, accompagnata d’Amore, a li occhi miei e prese luogo alcuno ne la mia mente. E sì come è ragionato per me ne lo allegato libello, più da sua gentilezza che da mia elezione venne ch’io ad essere suo consentisse». 3 Dante, Convivio I v 10: «Di questo si parlerà altrove più compiutamente in uno libello ch’io intendo di fare, Dio concedente, di Volgare Eloquenza». 4 Dante, Convivio II viii, 9: «E questo massimante per volere Aristotile in quello de l’Anima; volere Tullio, spezialmente in quello libello de la Vegliezza […]». 5 Zum philosophischen Anspruch der Vita Nuova im Vergleich zum Convivio erläutert Dante zu Beginn des Convivio, dass der Gebrauch der Allegorie und Allegorese in der Vita Nuova durch das Convivio leichter verdeutlicht werde, welches somit einerseits zum «giovamento» der Vita Nuova beitrage. Andererseits biete das Convivio eine «mannhaftere» Umsetzung dessen, was in der Vita Nuova nur begonnen wurde, nämlich der kontinuierlichen Auslegung der Gedichte. Cf. Dante, Convivio I i 16: «E se ne la presente operea, la quale è Convivio nominata e vo’ che sia, più virilmente si tratasse che ne la Vita Nuova, non intendo però a quella in parte alcuna derogare, ma maggiormente giovare per questa quella».

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

sich Dante im Convivio auf die vollständige Vita Nuova bezieht und diese in einen philosophischen Kontext stellt, so beschränkt sich der Commedia-Verweis auf die erste Kanzone der Vita Nuova, Donne ch’avete intelletto d’amore. Für Dante scheint die Vita Nuova erst in ihrer dreigliedrigen Form vollständig zu sein, was besonders in seinen metapoetischen Ausführungen in Kapitel XVI der Vita Nuova und der Kritik am mangelhaften Gebrauch von Selbstkommentaren und Unterteilungen seitens seiner Dichterkollegen zum Ausdruck kommt. Der Bezug von Donne ch’avete zur gesamten Vita Nuova ist für die frühen Kommentatoren der Commedia jedoch offensichtlich. Man könnte annehmen, dass die Kanzone als pars pro toto auch die vollständige Vita Nuova bezeichnete und diese durch die Thematisierung des dolce stil novo als kommentierte Gedichtsammlung darstellte. In der Vita Nuova räumt Dante der Überlieferung der Kanzone Donne ch’avete eine Sonderstellung ein, die auf einer separaten und vehementen Verbreitung der Kanzone vor der Fertigstellung der Vita Nuova beruht. Weil Dante selbst hervorhebt, wie die Gedichte verbreitet und rezipiert wurden, bevor sie in die Vita Nuova aufgenommen wurden, soll die Untersuchung der handschriftlichen Verbreitung und Rezeption dieser Gedichte nicht auf ihre Inkorporierung in die Vita Nuova beschränkt werden. Um die Neuheit und Radikalität des poetologischen Programms und den philosophischen Bedeutungshorizont der Vita Nuova deutlich zu machen, sollte gerade die Rezeption der Gedichte betrachtet werden, deren vorzeitige und unabhängige Verbreitung und Rezeption von Dante selbst bestätigt wurde. Die Handschriften, die nur einzelne Gedichte der Vita Nuova überliefern, bieten uns also einerseits Aufschluss über die Kontextualisierung dieser Gedichte vor ihrer Inklusion in die Vita Nuova bzw. in ihrer von der Vita Nuova unabhängigen Überlieferung, andererseits decken die Handschriften, die nach der Abfassung der Vita Nuova entstanden sind, interessante intertextuelle Bezüge auf, die sich aus der Betrachtung des bloßen Textes der Vita Nuova nicht erschließen ließen, einem zeitgenössischen Leser aber durchaus gegenwärtig gewesen sein mögen. Obwohl die Frage «Was ist die Vita Nuova» oder «was ist der Text (das Original) der Vita Nuova» immer unterschwellig mitschwingt, suche ich in meiner Arbeit keine Antwort bei Dante, sondern vielmehr in den Zeugnissen des Textes, die uns zur Verfügung stehen. Ziel meiner Arbeit ist nicht, die Autorintention zu rekonstruieren oder die Handschriften wegen ihrer Textvollständigkeit oder -korrektheit in meine Untersuchung einzubeziehen, sondern ein möglichst getreues Abbild der Rezeptionsmöglichkeiten und der historisch in den Handschriften dokumentierten Rezeption der Vita Nuova oder einzelner Elemente des Textes aufzuzeigen. Daher habe ich mich entschieden, auch die Handschriften in meine Untersuchung einzubeziehen, die nur einzelne Kanzonen der Vita Nuova überliefern. Die Handschriften sind Zeugnis der Kontextualisierung und Materialisierung des Textes, die Schreiber- und Lesespuren gelten nicht als Fehler oder Leserhinder-

2.1 Vorbemerkungen zur Materialität und Verbreitung der Textträger

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nis, sondern als Zeugnis einer Auseinandersetzung mit dem Text. Wenn sich Dante in der Commedia durch die erste Kanzone der Vita Nuova identifizieren lässt, so handelt es sich hierbei um eine sehr bewusste Anspielung an die Kanonneubildung und Aufnahme von Dante in die bella scola der klassischen Dichter von Kapitel XVI der Vita Nuova und von Inferno IV, deren Radikalität nur vor dem Hintergrund der Kontextualisierung von Donne ch’avete intelletto d’Amore auszumessen ist. Die Kontextualisierung ist jedoch nicht nur intratextuell zu verstehen, sondern sollte auch die materielle Nähe in der Textüberlieferung berücksichtigen. Zu Beginn der Untersuchung der Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova stellte sich mir die Frage, ob eine «aktive» Rezeption der Gedichte oder anderer Teile des Textes durch die von der Forschung veranschlagte Leserschaft der Dichter stattgefunden habe, ob in den Handschriften etwa Antwortgedichte eingefügt wurden oder andere Zeichen zu finden seien, die auf eine literarische Auseinandersetzung und Reaktion auf die Appellstrukturen des Textes hinweisen. Dieser Gesichtspunkt wurde im Laufe meiner Forschung ergänzt um Fragen der Auseinandersetzung der Schreiber mit Dantes Kopieranleitungen und der Einladung zur Auslegung der Gedichte, wie sie Dante selbst an einzelnen Gedichten exemplifizierte und im Kapitel XVI theoretisiert hat. Die drei Fragen, ob die Handschriften zeigen, dass der Text so kopiert wurde, wie Dante es durch seine Kopieranleitungen intendiert hat, ob es Kommentare oder kommentierende Marginalien gibt und eine literarische Auseinandersetzung in den Handschriften belegt ist, müssen wider Erwarten und grob betrachtet, alle drei negativ beantwortet werden. Es wurden keine neuen Gedichte in das libello eingefügt und es finden sich keine umfangreichen Kommentierungen der Vita Nuova, obgleich ein erfolgreiches editorisches Projekt die Standardisierung des Textes als Studientext Mitte des 14. Jahrhunderts vorantrieb. Textverluste, Einfügungen und eine doppelte Überlieferung der Vita Nuova als Gedichtanthologie und als prosimetrischer Text lassen auch den dritten Punkt, die Textüberlieferung, als fragliches Unterfangen erscheinen. Eine genauere Betrachtung dieser einzelnen Aspekte zeigt jedoch ein differenzierteres Bild und beweist, dass das poetologische Programm Dantes sehr wohl wahrgenommen wurde und aktiv umgesetzt wurde, jedoch in einer subtileren Art und Weise, als man es vielleicht annehmen möchte. Die Handschriftenbeschreibungen dienen als Beleg einer intensiven Lektüre und Auseinandersetzung mit dem Text und sollen gleichzeitig eine detaillierte Übersicht über die untersuchten Punkte geben. Im Anschluss an die nachfolgende Analyse kann diese ausführliche Handschriftenbeschreibung der Handschriften des 14. Jahrhunderts als Übersicht der jeweils untersuchten Punkte für jede Handschrift, die für die Untersuchung herangezogen wurden, konsultiert werden. Die Handschriftenbeschreibungen selbst beziehen sich jeweils auf die gesamte Handschrift und versuchen jede einzelne Handschrift als gewachsenes Zeugnis von Bezügen, Entscheidun-

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

gen und Kausalitäten zu lesen. Die stemmatische Einordnung ist in diesem Geflecht von Beziehungen nur ein Punkt unter vielen, im Vordergrund stehen die Änderungen, Eingriffe, bewusste oder akzidentelle Unterlassungen des Schreibers, der selbst Leser einer anderen Handschrift war und der die Lektüre der neu angefertigten Handschrift determiniert. Die 23 untersuchten Handschriften ähneln sich größtenteils in Form und Aufmachung. Eine Vorliebe für Papier oder Pergament scheint nicht vorzuherrschen. Es gibt keine kleinen Handschriften, die nur den Vita Nuova-Text für den privaten Gebrauch überliefern, oder große illuminierte Prachthandschriften, vielmehr kristallisiert sich ein ähnliches Hervorhebungssystem durch verschiedene Typologien von Initialen und Paragraphenzeichen heraus, was, gemeinsam mit einer Vorliebe für die littera textualis, auf einen ähnlichen Entstehungsraum schließen lässt und auf eine homogene Leserschaft. Betrachtet man jedoch die einzelnen Entstehungsphasen, die involvierten Personen, Lesespuren und die co-textuelle Zusammenstellung der Handschriften, so ergibt sich ein anderes Bild. Es lassen sich Typologien und Ausnahmen in der Überlieferung identifizieren, die gleichzeitig als erste Interpretationszeugnisse gewertet werden können. So lässt sich zum einen vorwegnehmen, dass die Vita Nuova meist mit den Canzoni distese von Dante überliefert wurde und zum anderen z.T als Teil der Kanzonen dargestellt und rezipiert wurde, was die Nummerierung und Zuschreibung deutlich machen (so in B1, Gc, L2, Co und L3). Während sie nicht mit De vulgari eloquentia, mit rhetorischen Studienwerken, mit poetologischen Texten überliefert wird, findet sich eine Einordnung in Canzonieri, in denen sie zunächst durch einzelne Gedicht vertreten ist, dann aber auch in diese durch ihre vollständige Überlieferung integriert wird (wie in K). Die Analyse der Herstellung, Zusammenstellung, Überlieferung und ersten Lektüre der Vita Nuova-Handschriften zeigt den Rezeptionsraum und -kontext der Vita Nuova im 14. Jahrhundert auf und erlaubt dadurch Rückschlüsse sowohl über die Verbreitung und Rezeption volkssprachlicher Literatur im Allgemeinen, als auch über die Stilisierung von Dante als florentinischer avantgardistischer Dichter. Gleichzeitig werden die ersten Interpretationsansätze der Vita Nuova deutlich, die bis heute in der Vita Nuova-Forschung fortgeführt werden: die autobiographische Interpretation, vornehmlich durch Boccaccios Historisierung von Beatrice bedingt, die Einordnung in Imaginationstheorien und Traumdeutung und die Betonung der Kommentierungswürdigkeit von volkssprachlicher Dichtung. Es fällt zudem auf, dass die Vita Nuova nicht eschatologisch durch eine co-textuelle Überlieferung etwa von Visionen oder geistlicher oder allegorischer Literatur gedeutet wurde.6 Eine religiöse Auftraggeberschaft und Leserschaft der 6 Abgesehen von Francesco da Barberinos Trionfo dell’amore, der in B1, K, Gc, R fragmentarisch vertreten ist.

2.2 Forschungsbericht

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Vita Nuova im 14. Jahrhundert kann nicht belegt werden, und die spätere Stilisierung von Dante, Autor der Vita Nuova, als «poeta e teologo» kann nicht auf den frühen Rezeptionsraum zurückgeführt werden.7 Wer hat nun den Text gelesen und war an der Verbreitung der Vita Nuova beteiligt?

2.2 Forschungsbericht Zu der handschriftlichen Überlieferung der Vita Nuova-Handschriften gibt es keine umfassende Studie, die auf die Textrezeption gerichtet ist und nicht dem Zweck einer Neuedition des Textes dient. Wichtige Forschungsbeiträge finden sich jedoch in den Handschriftenbeschreibungen der einzelnen kritischen Editionen der Vita Nuova, wie sie jüngst Pirovano für seine kritische Edition von 2015 vorgenommen hat.8 Die stemmatischen Fragen zur Textrekonstruktion gelten seit der Edition von Barbi als weitestgehend geklärt, auch Gorni (1993) und Pirovano (2012, 248 mit Hervorhebung der Kontaminierung und stemmatischen Neupositionierung von Am) ändern das Stemma nicht grundlegend, sondern werten einzelne Überlieferungstraditionen neu. Während Barbi (1907; 1932) in seiner Edition die durch K vertretetene Überlieferungstradition hervorhebt, wird diese gerade in der Edition von Gorni ausgeschlossen, weil bestimmte Textabschnitte als Hinzufügungen des Schreibers gewertet werden.9 Stefano Carrai hat die von Gorni dem Schreiber zugeschriebenen Fälle wieder in den Text der Vita Nuova aufgenommen und die Rolle von K in der Überlieferung der Vita Nuova gestärkt (cf. Carrai 2005; dann 2009, 25–30). Sein Hauptargument dafür war es, einer handschriftlich bezeugten und möglichst dem Originaltext nahen Überlieferung zu folgen (cf. Carrai 2007a, 41). Gorni ist es auch, der aufgrund der Untersuchung der Handschriften eine neue Kapitelunterteilung vorschlägt (cf. Gorni 1994; 1995). Für seine Edition untersuchte Pirovano die 16 Haupthandschriften der Vita Nuova und schließt die materielle und graphische Überlieferung des Textes durch die

7 Boccaccio beginnt die Stilisierung, unter Rückverweis auf den Dichterwettstreit um Dantes Epitaph, und in seiner Dichtungstheorie, gleichzeitig historisierte er Beatrice jedoch und lässt dadurch wenig Platz für eine eschatologische Interpretation der Vita Nuova. Die Betitelung «poeta teologo» hat sich in der Kommentartradition zur Commedia schnell durchgesetzt, in der Vita Nuova-Interpretation findet sie jedoch erst mit der Edition von 1576 Eingang. 8 Pirovano (2012) gibt einen Überblick über die Geschichte der Vita Nuova-Editionen und detaillierte Handschriftenbeschreibungen. 9 Dazu Pirovano (2012, 264): «Pertanto queste varianti non possono essere giudicate, come voleva Barbi, caso per caso: secondo Gorni esse fanno sistema e vanno discusse – e rifiutate – in blocco, privilegiando la soluzione stemmatica b + β».

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Handschriften (die erstmals durch die Kapitelneuordnung durch Gorni in den Fokus der Dante-Forschung gerückt wurde), insbesondere die Seiteneinrichtung in seine Untersuchung ein (cf. Pirovano 2012, 275). Pirovano kehrt allerdings zur Kapitelunterteilung von Barbi mit 42 Kapiteln zurück. Diese Untersuchungen der Handschriften der Vita Nuova wurden alle im Rahmen von Editionsprojekten vorangetrieben und dienen der Identifizierung des Ur-Textes, wobei sich jedoch eine Verschiebung im philologischen Verständnis dieses Begriffs ausmachen lässt. Es scheint weniger der Text, den Dante wirklich geschrieben hat, sondern ein möglichst ursprünglicher Text, der einem frühen Leser zugänglich sein konnte, rekonstruiert zu werden. Stephen Nichols hat in den Neunziger Jahren die sogenannte material philology für volkssprachliche mittelalterliche Texte vorgestellt, wobei der Text in seiner konkreten Textüberlieferung und sein haptischer Textträger im Vordergrund stehen (cf. Nichols 1990; 1997). Der physische Textträger, die Handschrift und ihre Herstellung, werden dabei als unmittelbarer Bestandteil des Textes aufgefasst, der in seiner Aufmachung (Rubrizierung, Materialauswahl, Paratexte und Co-Texte) untersucht wird. Die Handschriftenproduktion und die in die Herstellung involvierten Personen (Schreiber, Rubrikatoren, Illuminatoren, Buchbinder- und Verkäufer) werden neben dem Autor in die Textanalyse einbezogen. Der Text wird weniger als unabhängige Entität als vielmehr als Produkt und Zeitzeugnis verstanden. Trotzdem bleibe eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen «Originaltext» und Texthinzufügungen bestehen, wie Kempf kritisiert hat und dagegen das mittelalterliche offene Textverständnis anführt, demnach der Text angelegt sei handschriftlich und als Artefakt überliefert zu werden.10 Die Grundlage der material philology kann in der Theorie der «mouvance» ausgemacht werden,11 die einen offenen Textbegriff für mittelalterliche Texte einfordert und die Textanalyse auf soziologische und kulturpolitische Aspekte zu einer «sociology of texts» ausweiten will (cf. McKenzie 1986). In diplomatischen Editionen wird die Handschrift als Artefakt gewürdigt, wie sie auch in den letzten Jahren Eingang in die Tradition der Dante-Editionen mit dem Editionsprojekt zu

10 Kempf (2017, 17): «What remains, however, is the basic division into an original and authorial text on the one hand and supplementations to this original on the other. Whether the effects of these supplementations are called detrimental or simply altering, the division remains. I would like to dissolve this division and argue that the openness can already be inscribed into the original text. In other words, the addition of other manuscript elements, the temporal open-endedness, as well as all the other features of the Material Philology, rather than being later influences on the original text, may already be written into it from the beginning». 11 Zumthor (1972, insbesondere Kapitel 2), versteht unter «mouvance» die textuelle Beweglichkeit, die sowohl die Schreibersprache als auch die Neuordnung und Textverluste umfasst. Cf. auch Millet (1994).

2.2 Forschungsbericht

83

den Canzonieri delle orgini fand (cf. Brunetti 2012). Dieser Ansatz mündet in den Visual Poetics in einer Verbindung von klassischer Textanalyse und Paläographie, in der die kodikologische Überlieferung und graphische Darstellung des Textes zur Textinterpretation herangezogen werden und gleichzeitig die Beziehung von Schreiber und Autor über den materiellen Bezug der Handschrift hinaus herausgearbeitet wird. Wichtige Forschungsbeiträge zur Schrift- und Lesekultur des italienischen Mittelalters hat Armando Petrucci geliefert, in denen sowohl der symbolische Charakter des Lesens, die Ausbildung, Herstellung und der Zugang zu Büchern behandelt wurde (insbesondere Petrucci 2007). Grundsätzlich scheinen der Text in seiner Genese und der Leser in den letzten zehn Jahren in den Fokus der italienischen Philologie gerückt zu sein. Grundlegende Forschungsbeiträge wurden aus Nachbargebieten zur Rezeption der Handschriften geleistet, die sich auch auf die Untersuchung der Vita Nuova-Rezeption auswirken. So wurden große Forschungsprojekte zur Rezeption der Commedia (cf. Bertelli 2011; 2016) und des Decameron (cf. Cursi 2007) vorgenommen, aber auch zur Genese und Überlieferung von Petrarcas Rerum vulgarium fragmenta (cf. Cursi 2014b). Eine rezeptionsgeschichtliche Untersuchung der Vita NuovaHandschriften gibt es bisher nicht. Zwar wird die Rezeption der Vita Nuova im Rahmen von Untersuchungen über die Schriftentwicklung und die Herausbildung der Juristen als Schreiber volkssprachlicher Literatur tangiert, einen Schriftvergleich aller Vita Nuova-Schreiber mit Schreibern anderer volkssprachlicher Literatur gibt es derweil nicht. Die Rezeptionsforschung hat bisher die Vita Nuova weitestgehend ausgeschlossen. Nur einzelne Beiträge von Jelena Todorović zur Erstedition der Vita Nuova und den ersten Lesern der Vita Nuova wollen den Blickwinkel der Rezeptionsforschung einnehmen, obwohl auch sie eigentlich bei einer Handschriftenbeschreibung stehen bleiben (cf. Todorović 2012a; 2013). Es werden nur wenige Schlüsse über die Handschriften hinaus über die Rezeption der Vita Nuova gezogen und die Textüberlieferung steht auch in diesen Beiträgen im Vordergrund. Justin Steinberg widmete der frühen Vita Nuova-Rezeption ein Kapitel in seiner Studie «Urban Readers und Writers in Late Medieval Italy», in dem er erstmals eine kulturelle und soziologische Untersuchung des Rezeptionsraums der Werke von Dante vornimmt (cf. Steinberg 2007, 17–60). Die Boccaccio-Editionen wurden in den letzten zehn Jahren vermehrt erforscht, und eine Reihe von Konferenzen wurden zum Thema Boccaccio als Schreiber veranstaltet. Die Forschungsliteratur hierzu werde ich zu Beginn des dritten Kapitels vorstellen, an dieser Stelle sollen die Untersuchungen zur handschriftlichen Verbreitung im Vordergrund stehen (Siehe Kapitel 4.1 und insbesondere 4.1.6.1 und 4.1.6.2, S. 282–299). Für die Untersuchung der Vita Nuova-Handschriften maßgeblich sind die Beiträge von Domenico de Robertis, der zwischen 2002 und 2005 eine fünfbändige Ausgabe von Dantes Rime vorgelegt hat, in deren kritischem Apparat

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

die handschriftliche extravagante Überlieferung der Vita Nuova berücksichtigt wird und eine Handschriftenbeschreibung vorgenommen wird (cf. De Robertis 2002, besonders, vol. 1: Documenti und 1.1: Documenti). Allerdings zeigt gerade diese Edition die große Forschungslücke auf, die durch die getrennte Behandlung der Vita Nuova-Gedichte und des vollständigen Textes entsteht, die De Robertis zwar durch seine Artikel zur extravaganten Überlieferung der Vita Nuova auszugleichen gesucht hat, wobei auch hier die Textrekonstruktion im Vordergrund steht (cf. De Robertis 1966). Vergleichende Studien, die die Rezeption ähnlicher Fälle, etwa Petrarcas Rerum vulgarium fragmenta oder Boccaccios Decameron, die beide auch mehrere Redaktionsphasen durchlaufen haben und bereits in Versionen zirkulierten, die nicht der endgültigen Fassung des Textes entsprechen, miteinbeziehen, gibt es nicht. Die Leserschaft, Schreiber und Besitzer wurden nur punktuell für einzelne Handschriften untersucht, wobei sich die neuesten Beiträge dem Zusammenspiel von Text und Bild zuwenden, insbesondere der HomerZeichnung von Boccaccio12 und dem Einfügen einer Handschrift in ein Portrait von Filippino Lippi (cf. Salvatore 2014; 2015; 2016, 359–360). Die Forschungsbeiträge zu einzelnen Handschriften und die Handschriftenbeschreibungen sind z. T. sehr veraltet, in anderen Fällen wurden neue Forschungen gerade im Rahmen des Editionsprojektes von Pirovano durchgeführt. Die letzten Beiträge etwa zum Trespaniano-Fragment wurden von Trovato (cf. Trovato 2000) vorgelegt, die neuesten Forschungsergebnisse zu diesem Fragment sollen in diesem Jahr erscheinen, konnten von mir jedoch noch nicht eingesehen werden.13 Ich werde die Forschungsliteratur, die für die Handschriftenbeschreibung verwendet wurde, im Handschriftenkatalog aufführen. Wichtige Werkzeuge für die Untersuchung der handschriftlichen Überlieferung der Vita Nuova-Handschriften sind die detaillierten paläographischen und literaturwissenschaftlichen Studien zu den Canzonieri der frühen italienischen Literatur, die neben Studien zu Schreibern und Auftraggebern auch eine Reproduktion der Handschrift beifügen (cf. Leonardi 2001). In dieser Reihe wurden die Handschriften E, Mc und Vat untersucht. Auch eine Edition von K wurde von Borriero 2006 besorgt, der eine Reproduktion beigefügt wurde. Viele Handschriften der Vita Nuova sind inzwischen online verfügbar und können über die Digitalisate der Biblioteca Laurenziana (Pluteo-Handschriften)14 und der Vatikanischen Bi 

12 Bertelli/Cursi (2012); Petoletti/Martinelli Tempesta (2013); Pasut (2013); Bertelli/Cursi (2014a; 2014b); Bertelli (2015). 13 Todorović, Jelena, Revisiting the Trespiano Fragment. 14 L: http://teca.bmlonline.it/ImageViewer/servlet/ImageViewer?idr=TECA0001141353&keywor ks=Vita%20Nova; L3: http://teca.bmlonline.it/ImageViewer/servlet/ImageViewer?idr=TECA000 0623464&keyworks=Plut.40.46.

2.2 Forschungsbericht

85

bliothek, aber auch über die Datenbank e-codices konsultiert werden.15 Die Digitalisierung der Handschriften ermöglicht eine Beschreibung und Einsicht in die Überlieferung, für eine vollständige Untersuchung, insbesondere der Bindung, Maße und Wasserzeichen, ist jedoch eine direkte Examinierung notwendig. Ein nicht abgeschlossenes Forschungsprojekt der Universität Pavia hat in den Jahren 1999 bis 2001 eine Kurzbeschreibung von 11 Vita Nuova-Handschriften vorgenommen.16 Auch die Datenbanken Manus online-Censimento dei manoscritti delle biblioteche italiane17 und mirabileweb.it bieten inzwischen ebenfalls Handschriftenbeschreibungen, letztere wurde durch eine nationale Förderung in den Jahren 2009 bis 2011 erstellt und wird von den Verlagen SISMEL und Galluzzo sowie der Società per lo studio del pensiero medievale getragen. Auch die Reihe Autografi di letterati italiani bietet eine knappe, aber informative Übersicht über Dichterautographen und erlaubt einen Schriftvergleich, der sowohl der Identifizierung als auch der Datierung von Schreiberhänden dient (cf. Brunetti/Fiorilla/Petoletti 2013). Studien zur co-textuellen Überlieferung der Vita Nuova gibt es vermehrt ab der Boccaccio-Edition. Einzelne Beiträge untersuchen jedoch z. B. die co-textuelle Überlieferung mit dem Somniale Danielis, wie Cappozzo in seiner Dissertation. Allerdings stellt er weniger die Bedeutung der co-textuellen Überlieferung heraus, sondern nimmt sie als Kriterium für seine diplomatischen Editionen des Traumdeutungsbuches (cf. Cappozzo 2012). Die nachfolgende Analyse basiert auf den Untersuchungen der Handschriften, die ich zwischen 2010 und 2017 vorgenommen habe und versucht die Rezeptionszeugnisse, die die Textträger enthalten, darzulegen. Die Vita Nuova wird dadurch in die florentinische Schreib- und Lesekultur des 14. Jahrhunderts eingeordnet und kann als Beispiel für die Sensibilität der Schreiber gelesen werden, auf die im Text verankerten Schreibvorgaben und Kopieranleitung zu reagieren und diese graphisch umzusetzten. Gleichzeitig wird deutlich, dass eine Trennung der Kategorien der Schreiber und Leser nur in dann sinnvoll ist, wenn es um die Analyse der Textverbreitung geht: die Schreiber sind zum einen die ersten Leser des Textes und setzten sich aktiv mit dem Text durch verschiedene Schreib- und Korrekturphasen oder Neuordnungen auseinander. Gleichzeitig sind Leser belegt, die nicht nur korrigierend in die Handschriften eingreifen, sondern Co- und Paratexte hinzufügen und dadurch den Text der Vita Nuova bereichern. Die Einbettung der  

15 Vat: http://digi.vatlib.it/view/MSS_Vat.lat.3793; B1: http://digi.vatlib.it/view/MSS_Barb.lat. 3953; K: http://digi.vatlib.it/view/MSS_Chig.L.VIII.305; Ubaldini: http://digi.vatlib.it/view/MS S_Barb.lat.4036 und K2: http://digi.vatlib.it/view/MSS_Chig.L.V.176. 16 http://vitanova.unipv.it darunter: K, To, V, S, O, VnfT, M/ M2 und Ca. 17 manus.iccu.sbn.it

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Vita Nuova in ihre materielle Überlieferungsgeschichte öffnet den Blick für die Wirkungsgeschichte des Textes. «In contrast to the representation of the ideal, abstract text – which is stable because it is detached from materiality, a representation elaborated by literature itself – it is essential to remember that no text exists outside of the support that enables it to be read; any comprehension of a writing, no matter what kind it is, depends on the forms in which it reaches its reader» (Chartier 1989, 161).

Die Auswertung der Lesespuren untermauert einerseits den Erfolg, den die Vita Nuova im 14. Jahrhundert genoß, andererseits wird gerade hier deutlich wie der Text gelesen wurde und was dem Leser des 14. Jahrhunderts als beachtenswert erschien. Diese Auswertung offenbart nicht nur neue intertextuelle Bezüge und Interpretationsmöglichkeiten des Textes, sie führt auch die Lesekultur des italienischen 14. Jahrhunderts vor. Ziel ist es, die Verbreitung und Überlieferung der Vita Nuova in ihrem Kontext vorzustellen und als Vergleich für die Rezeption anderer Texte dienen zu können.

2.3 Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert 2.3.1 Verbreitung der Vita Nuova: Provenienz und Datierung der Handschriften Es können 29 Handschriften des 13. und 14. Jahrhunderts identifiziert werden, die Texte der Vita Nuova überliefern. Während die Zahl von Barbi noch mit 10 Handschriften angegeben wurde, kann das Material um weitere 20 Handschriften ergänzt werden, die die Vita Nuova als Gedichtanthologie oder nur einzelne Gedichte des libellos überliefern. Bisher wurde die Gedichtüberlieferung als unabhängige Überlieferung behandelt, welche aufgrund der philologischen Untersuchung zur Textüberlieferung als erste Redaktion der Gedichte der Vita Nuova gilt. Da in der vorliegenden Studie jedoch die Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova im Vordergrund steht und keine philologische Untersuchung der Textüberlieferung und des Urtextes vorgenommen wird bzw. nur unter Berücksichtigung einer rezeptionsgeschichtlichen Fragestellung eine Rolle spielt, kann die Überlieferungsgeschichte der Vita Nuova auf 29 Textzeugen ausgeweitet werden, von diesen wurden 23 Handschriften im Handschriftenkatalog beschrieben. Die ersten Rezeptionszeugnisse der Vita Nuova sind in Bologna zu finden, wo gleich drei Handschriften in die unmittelbare Abfassungszeit des libellos fallen. Das erste Dokument Mm2 überliefert die Vorzeigekanzone Donne ch’avete und kann noch in die Jahre vor Abfassung der Vita Nuova datiert werden. Die Einfügung der Kanzo-

2.3 Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

87

ne in die sogenannten Memoriali Bolognesi zeigt, dass die Kanzone bereits in den 90iger Jahren des 13. Jahrhunderts außerhalb von Florenz zirkulierte und man davon ausgehen kann, dass die Kanzone in Bologna über diese Abschrift hinaus bereits schriftlich verfügbar war.

Abbildung 2: Übersicht zur geographischen Verbreitung der VN-Handschriften

Mit der Abschrift von Negli occhi in Mm5 im Jahr 1300 erweitert sich der Rezeptionskreis der Vita Nuova-Gedichte in Bologna und man kann über die nicht mehr überlieferten Handschriften aussagen, dass entweder eine Art Gedichtanthologie, in der die beiden Vita Nuova-Gedichte enthalten waren, als Vorlage genutzt wurde oder zwei getrennte Handschriften die Dante-Texte überlieferten und wir von mindestens vier Textzeugen um 1300 in Bologna ausgehen können. Livi hatte in seiner Studie zu Dante und Bologna hervorgehoben, dass der Schreiber von Mm5 Dante vermutlich durch Cino da Pistoia vermittelt kennengelernt habe, allerdings muss diese Vermittlung bereits vor 1300 stattgefunden haben, entweder in der

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Ausbildungszeit des Schreibers, die laut Livi in Pistoia stattgefunden habe, oder während Cino da Pistoias frühem Bologna-Aufenthalt zwischen 1292 und 1297.18 Daraus lässt sich für die Entwicklung der Vita Nuova-Rezeption Folgendes schließen: entweder kam Cino da Pistoia mit dem Gedicht Negli occhi in Berührung und hat Isfacciato, dem Schreiber von Mm5, damit in Pistoia oder in Bologna bekannt gemacht, oder Cino da Pistoia lernte Negli occhi erst bei einem seiner Aufenthalte in Bologna kennen. Beide Hypothesen haben eine große Auswirkung auf die Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova-Gedichte: im ersten Fall könnte man von einer weiten Verbreitung der Gedichte über ihren Entstehungskontext hinaus (wo sie durch Vat belegt sind) ausgehen, im zweiten Fall hingegen würde sich Bologna als herausragendes Zentrum für die Rezeption der Vita Nuova profilieren. Obwohl die handschriftlichen Funde keine genau datierbaren Belege liefern, ist es anzunehmen, dass die Vita Nuova-Gedichte auch in mehreren Handschriften in Florenz zirkulierten. Vat kann als einer der ältesten Zeugen der Florentiner Überlieferung von Donne ch’avete angesehen werden und wird in das letzte Drittel des 13. Jahrhunderts datiert. Das Gedicht wurde hier in einen Canzoniere integriert und stellt die große Ausnahme in der Gedichtüberlieferung dar: Dante wurde bis dahin in den großen Gedichtanthologien ausgespart und ist auch in Vat nur mit Donne ch’avete vertreten (Cf. Kapitel 3.2.4.1 Vat – Donne ch’avete und der Amico di Dante, S. 213–224). Ob Bologna ein erstes Zentrum der Vita Nuova-Rezeption und -Verbreitung war, kann zwar durch Mm5 nicht ausreichend belegt werden, dass Bologna jedoch eine herausragende Rolle in der Überlieferung der Vita Nuova inne hatte, wird spätestens durch H1* bestätigt, eine vermutlich vollständige oder prosimetrische Handschrift, die den Titel Vita Nova trug und 1306 in Bologna als gestohlen gemeldet wurde. In Bologna sind zu Dantes Lebzeiten also drei Vita Nuova-Handschriften entstanden, wobei zwei Handschriften eine sehr spezielle Funktion im Rahmen der juristischen Dokumente des Ufficio dei Memoriali einnehmen und nicht für die Öffentlichkeit zugänglich waren. Die zeitlich verschobene Einfügung in die Rechtsunterlagen belegt jedoch, dass mindestens eine weitere Gedichtanthologie in Bologna bis 1300 zugänglich war. Diese Bologneser Gedichtanthologie wird zeitgleich mit Gedichtüberlieferungen in der Toskana (Vat, E), im Veneto (B1) und Umbrien (M2) ergänzt. Eine Übersicht über die handschriftliche Überlieferung und der anzunehmenden verschollenen Textzeugnisse zeigt die zeitliche Entwicklung und Expansion der Textüberlieferung von Florenz ausgehend, mit zwei Handschriftenfunden im Veneto um 1335 und einer massiven Handschriftenproduktion um 1350 in Florenz. 18 Siehe hierzu auch Kapitel 3.2.4.2 Die Rolle von Cino da Pistoia in der Promotion der Vita Nuova: Mc und K, S. 224–238 und Livi (1921 24).

2.3 Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

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Abbildung 3: Zeitstrahl zur handschriftlichen Verbreitung der VN bis 1350

Mit einem Asteriskus wurden die verschollenen Handschriften angegeben, wobei der kleine Asteriskus die Gedichtanthologie bzw. die Urfassung der Gedichte bezeichnet und der große Asteriskus den Vita Nuova-Autographen in prosimetrischer Form. Die Übersicht zeigt, dass die Gedichte unmittelbar nach Abfassung über die regionalen Grenzen hinaus überliefert wurden, gleichzeitig wird deutlich, dass die Vita Nuova zwischen 1320 und 1350 in Florenz nicht kopiert worden zu sein scheint. Die erste vollständig überlieferte Vita Nuova-Handschrift M (1310–1330) hat einen außerhalb von Florenz überlieferten Vorgänger [zumindest *H1 scheint als vollständige Vita Nuova-Handschrift gelten zu können] und ein weiteres vollständiges Exemplar, heute fragmentarisch überliefert, wurden vor 1344 im Veneto kopiert. Erst Mitte des 14. Jahrhunderts findet eine Überlieferungswelle in Florenz statt, die noch vor Boccaccios Edition anzusetzen ist. Während einzelne Gedichte der Vita Nuova bereits vor 1300 zirkulieren, kann eine Vita Nuova-Gedichtanthologie erst mit M2 zwischen 1310 und 1330 belegt werden. Eine erste Abschrift der vollständigen Vita Nuova ist außerhalb von Florenz mit M in Umbrien (zwischen 1310 und 1330) und vor 1344 mit Ca in Veneto belegt. Die folgenden Graphen zeigen die zeitliche Verteilung der vollständigen Vita NuovaHandschriften und der Gedichtüberlieferung, wobei hier Zeugen singulärer Überlieferung und Zeugen der Überlieferung von Gedichtcorpora und der Vita NuovaAnthologie gemeinsam dargestellt werden. Mit singulärer Überlieferung bezeichne ich die Überlieferung einzelner Gedichte, als Gedichtcorpora wird sowohl die gemeinsame Überlieferung der drei Kanzonen der Vita Nuova als auch die Überlieferung verschiedener Gedichte der Vita Nuova in einem Canzoniere bezeichnet und die Vita Nuova-(Gedicht-)Anthologie benennt die Überlieferung aller Vita Nuova-Gedichte in der Reihenfolge, in der sie im libello zu finden sind.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Abbildung 4: Graphische Darstellung der handschriftlichen Verbreitung der VN bis 1350

Während die überlieferten Handschriften der singulären Überlieferung und der Gedicht-Anthologien gerade bis 1300 mit vier Handschriften vertreten sind, gibt es keine so frühe Überlieferung des vollständigen Textes, der um 1350 mit vier Handschriften stark rezipiert wird, während in diesem Zeitraum keine Handschrift, die ausschließlich die Gedichte der Vita Nuova überliefert, abgeschrieben wurde. Insgesamt spiegeln die Handschriften ein sehr interessantes Bild wider, indem sich drei unabhängige Überlieferungsstränge, den Entstehungsphasen der Vita Nuova entsprechend, herausgebildet haben. Die ersten Überlieferungszeugnisse beziehen sich auf die erste Redaktion der Gedichte, noch bevor diese in die Vita Nuova aufgenommen wurden und ist mit drei Handschriften vertreten: Mm2, Mm5 und Vat. Die Zeugen Gc und Co belegen eine weitere Zirkulierung der singulären Gedichtüberlieferung auch in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.

Abbildung 5: Graphische Darstellung der vollständigen Überlieferung bis 1350

2.3 Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

91

Neben einzelnen Gedichten zirkulierte ein Teil der Vita Nuova-Gedichte in unregelmäßiger Reihenfolge bereits im Canzoniere Escorialense, der in die Jahre 1290 bis 1310 datiert wird, doch erst mit M2 bzw. Ubaldini kann von einer Gedichtanthologie gesprochen werden, weil erst hier die Gedichte der Vita Nuova in ihrer Reihenfolge überliefert werden. Insgesamt kann angenommen werden, wenn man die Erweiterungen durch Gorni und Pirovano von Barbis Stemma mit einbezieht, dass es circa 50 Vita Nuova-Handschriften im 14. Jahrhundert gegeben haben muss, von denen allerdings nur die Hälfte erhalten geblieben ist.

Abbildung 6: Stemmatische Übersicht zur Datierung

Die räumliche Verteilung zeigt, wie zu erwarten, eine Konzentrierung der Handschriftenproduktion in Florenz und der Toskana, aber auch periphere Überlieferungen in Umbrien, den Marken und Venetien, die zunächst nur die Gedichtüberlieferung betrifft und erst im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts auch für die Überlieferung der vollständigen Vita Nuova gilt (V), während ein Fragment der Vita Nuova schon Mitte des 14. Jahrhunderts mit Ca in Umbrien belegt werden kann. Die Handschriften des 14. Jahrhunderts bleiben überwiegend in der Toskana und werden erst im 15. und 16. Jahrhundert als Kopiervorlage und Kollationierungsvorlage in anderen Regionen verwendet. Es lassen sich drei Überlieferungsrichtungen ausmachen: zum einen werden die Handschriften aus Randregionen nach Florenz gebracht oder zum anderen – vor allem im Auftrag von Carlo Strozzi – nach Rom gebracht oder, drittens, von Sammlern ins Ausland geschickt, wobei es sich hier um besondere Exemplare wie die Boccaccio-Autographen und eines der frühesten Canzoniere-Exemplare handelt.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Abbildung 7: Übersicht zur geographischen Verbreitung der VN-Handschriften im 14. Jahrhundert

Während die Vita Nuova-Handschriften des 14. Jahrhunderts alle in Norditalien entstanden sind, lässt sich Mitte/Ende des 16. Jahrhunderts eine Verschiebung des Wirkungsraumes nach Rom ausmachen, wo Ende des 16. Jahrhunderts allein sechs Handschriften des 14. Jahrhunderts gezählt werden und das zu einem neuen Zentrum der Dante-Studien wird. Belegt ist etwa die Abschrift der Vita Nuova des Treviser Arztes und Dichters Iacopo Antonio Benaglio, der in der Titelei Rom als Abschriftsort angibt.19 Um die Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova bis zur ihrer Drucklegung verfolgen zu können, müsste eine Untersuchung über die Entstehung, Überlieferung und eventuelle Nutzung aller Vita Nuova-Handschriften an anderen Orten untersucht werden.

19 Ms. Cornell University Library, Ithaca, Ms. D 51, 1v°: «Incomincia la vita nova di dante aldigieri fiorentino per la sua beatrice et scritta per ia. ant. benalio trivigiano in roma negli ann. dela chris. sal. m.d.xiii nel primo ann. del Pont. di Leone.x.».

2.3 Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

93

Abbildung 8: Übersicht zur geographischen Verbreitung und zu den Überlieferungsströmen der VN-Handschriften bis zum 16. Jahrhundert

2.3.2 Fragen zur materiellen Qualität der Vita Nuova-Handschriften: Format, Material und Buchschmuck Für wen wurden die Handschriften angefertigt? Bevor die Frage beantwortet werden soll, wer die Vita Nuova in ihren verschiedenen Formen besaß und gelesen hat, versuche ich an dieser Stelle zu klären, für wen die Handschriften angefertigt wurden. Oft wird der Erfolg eines Werkes an der Zahl der überlieferten Handschriften beziffert, was aber nur wenig über die intendierte Leserschaft und eine

94

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

aktive Lektüre des jeweiligen Werkes aussagt. Die Commedia etwa wurde in über 800 Handschriften überliefert, gegen circa 85 Handschriften der Vita Nuova, und scheint damit der zweit meistgelesene Text in Italien nach der Bibel zu sein. Während das Convivio mit 45 Handschriften, von denen nur vier aus dem 14. Jahrhundert stammen, als erfolglos eingeschätzt werden müsste, zeigt die Erstedition von 1490 und die drei weiteren Editionen des 16. Jahrhunderts jedoch, dass das Werk eine weite Verbreitung fand zu einer Zeit, in der die Vita Nuova noch ausschließlich handschriftlich zugänglich war und knapp ein halbes Jahrhundert auf ihre erste Drucklegung (als prosimetrisches und nicht vollständiges Werk) warten musste (besorgt von Bartolomeo Sermarteli 1576 in Florenz). Eine Auswertung der materiellen Ausstattung der Handschriften des 14. Jahrhunderts kann Aufschluss über die intendierte Leserschaft bieten, weil der Einsatz von Buchschmuck, Farben oder Goldgrundierung, aber auch die Beschaffenheit des Trägers selbst, Papier oder Pergament, als Kostenfaktor und Bedeutungsträger Rückschlüsse über die Handschriften als Auftragsarbeiten für eine Gemeinschaft oder für eine private Bibliothek erlauben. Während die ersten beiden Textzeugen für einen nicht öffentlichen Gebrauch, als Seitenfüller in Rechtsakten eingetragen, zwei Vita Nuova-Gedichte überliefern, wird in der Anklage von 1306 der Verlust einer Handschrift im Wert von 15 Bologneser Lire angegeben und lässt aufgrund der Beschreibung (Pergament und durch Holz verstärkter Einband) auf eine Auftragshandschrift schließen, die vermutlich für einen weiteren Adressatenkreis bestimmt war. Der Raub im Jahr 1306 belegt zudem ein verstärktes Interesse an der Handschrift, sei es rein ökonomischer oder auch inhaltlicher Art. Betrachten wir nun vergleichend die Ausstattung der Handschriften, die den Text der Vita Nuova vollständig überliefern, so fällt auf, dass eine Majorität sehr sorgfältig ausgeführt ist, Pergament verwendet und durch Rubrizierung, Initialen und farbige Paragraphenzeichen die Handschrift strukturiert und nobilitiert.20 Die Handschriften hingegen, die einzelne Gedichte oder die Vita Nuova als Gedichtanthologie überliefern, wurden meist auf Papier ausgeführt und weisen ein nicht so umfangreiches Repertoire an Initialen und Buchschmuck auf. Es ist zu bemerken, dass die Handschriften des späten 14. Jahrhunderts, die den vollständigen Text der Vita Nuova überliefern (V, R und L), alle auf Papier geschrieben wurden und damit Fragen nach Verfügbarkeit und Status von Papier im 14. Jahrhundert betreffen (zur Funktion und zum Status von Papier bzw. Pergament als Bedeutungsträger cf. Arlinghaus 2015).

20 Pergamenthandschriften: Vat, *H1, E, M (und M2), B1, K, VnFt, O, S, To, K2, Co. Papierhandschriften: Ca, Ubaldini, L2, Gc, V, R, L.

2.3 Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

95

Abbildung 9: Graphische Darstellun zu Format und Material (gestrichelte Linie: Papier; durchgezogene Linie: Pergament).

Die Untersuchung der Zeichnungen und Miniaturen zeigt, dass nur eine geringe Anzahl an Handschriften mit kostspieligen Miniaturen ausgestattet war und die Vita Nuova nicht durch bildliche Darstellungen ergänzt wurde, wie wir sie etwa bei der Commedia finden.21 Ein Teil der Miniaturen wurde nicht ausgeführt und erlaubt daher keinen Aufschluss über das Bildprogramm. In zwei Fällen jedoch überliefert eine Vita Nuova-Handschrift des 14. Jahrhunderts auch großflächige Initialen oder Miniaturen, die jedoch nur in einem Fall direkt mit dem Text der Vita Nuova in Verbindung stehen. Hierbei handelt es sich um die Handschrift Co, deren beide unterschiedliche und separat entstandene Teile jeweils mit einer großflächigen Initiale eröffnet werden: auf f. 8r° wird Petrarcas Canzoniere mit einer seitenfüllenden Initiale eröffnet, während die Vita Nuova-Gedichte auf f. 144r° mit einer weniger aufwendigen floralen Initiale ausgestattet sind. Aus Boccaccios Hand stammt ein Homer-Portrait in K2, das als Nobilitierung seiner selbst, aber vor allem der Stilisierung Dantes als alter homerus dient, eine Stilisierung, die in der Vita di Dante, dem ersten in K2 überlieferten Text, bereits vorgenommen wird. In B1 hingegen wurde, wohlmöglich von der Hand von Francesco da Barberino, eine Zeichnung zum Trionfo dell’amore vorgenommen.

21 Eine Übersicht über die illuminierten Commedia-Handschriften des 14. Jahrhunderts bietet Ponchia (2015).

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

E, 74r°: nicht ausgeführt

© Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial

B1, 63v°: Francesco da Barberino (?), Trionfo dell’amore

© Biblioteca Apostolica Vaticana

2.3 Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

L2, 21r°, H1: Zeichnungen zur Commedia

© Biblioteca Medicea Laurenziana

To, 269v°: Giovanni Boccaccio, Homer

© Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial

97

98

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Co, 8r°: Initiale zu Petrarcas Canzoniere Voi ch’ascoltate

© Fondation Martin Bodmer

Co, 144r°: Initiale zu Dantes Kanzone Donne ch’avete

© Fondation Martin Bodmer

2.3 Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

99

In keiner einzigen Vita Nuova-Handschrift des 14. Jahrhunderts finden sich jedoch illustrierende oder historisierende Illuminationen. Der Text und die Gedichte werden allenfalls durch eine aufwendige Initiale eingeleitet und verfügen in einem Teil der Handschriften über ein komplexes Hervorhebungssystem mit unterschiedlich großen Initialen, farbigen Majuskeln und Paragraphenzeichen.22 Im Gegensatz zur Commedia, deren ältesten Handschriften bereits illuminiert wurden und durch ein reiches Bildprogramm auffallen,23 findet sich in der Überlieferung der Vita Nuova erst im 15. Jahrhundert ein Danteportrait, aber keine historisierende Miniaturen.24 Auch in der Überlieferungsgeschichte des Convivio finden sich wenige illuminierte Handschriften, von denen keine in das 14. Jahrhundert datiert werden kann.25 Einerseits bedeutet die Abwesenheit von aufwendigem Buchschmuck, dass die Handschriften in der Produktion weniger kostspielig waren, andererseits zeigt dieser Umstand jedoch auch, dass die Vita Nuova kein Sammlerstück war, das aus repräsentativen Zwecken erworben wurde und aufgrund des Buchschmucks Gefallen und Interesse hervorrufen sollte. Einige Initialen sind zweifarbig (rot und blau) ausgeführt und in einem Fall gibt es eine fünffarbige Initiale mit Gold, allerdings handelt es sich nicht um Seiteninitiale, die erst später hinzugefügt wurde. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Vita Nuova-Handschriften aufgrund ihrer Ausstattung nur indirekt Aufschluss über die Auftraggeber bieten: einerseits sticht die Mitarbeit von prominenten Dichtern in der Überlieferung der Vita Nuova hervor, andererseits spricht die sorgfältige, jedoch, verglichen mit den Commedia-Handschriften, einfache Ausstattung für eine Leserschaft, die primär am Text selbst interessiert war und die Handschrift nur hintergründig aus repräsentativen Zwecken in Auftrag gab oder erwarb. Aufgrund der Ausstattung und des Buchschmucks ist eine Klassifizierung der Auftraggeber der Vita Nuova weitestgehend fruchtlos, allerdings bietet die Auswertung der Ausstattung der Handschriften im Allgemeinen Informationen über die ersten Auftraggeber.26

22 Es handelt sich um die Handschriften M, B1, K, To, K2, L und Co. 23 Die älteste illuminerte Commedia-Handschrift ist BNCF, ms. Pal. 313, sie wird in die 1325–1350 datiert. 24 Es handelt sich dabei um die Handschrift Riccardiana 1040, terminus post quem 1436. 25 Die ältesten Convivio-Handschriften sind in ms. BNCF II iii 47 (1335–40), BAV, Barb. lat. 4086 (1322–1335), BML, Pluteo 90 sup 134 (1375–1400) und BML, Ash. 842 (1380–1390) überliefert. Ersterer wurde vermutlich in einer Werkstatt von mehreren Schreibern gleichzeitig kopiert, wie die Pecienvermerke in der Handschrift zeigen. Cf. dazu, Arduini (2006) und (2008); Ceccherini 2016. Illuminierte Handschriften des 14. Jahrhunderts des Convivio sind nicht überliefert. 26 Der Zierstab von K2 und das Wappen wurde erst im 15. Jahrhundert ausgeführt. Ich werde dazu in der Handschriftenbeschreibung von K2 eingehen (siehe cf. Handschriftenkatalog, Online-

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

100

Kürzel

Buchschmuck rubri- Überschriften Initialen und Anfangsbuchstaben ziert

Paragraphenzeichen

Mm2 Mm5 Vat

x

farbig

*H1 zentriert z. T. unterschrien

E

M und M2



x

Überschriften rot und blau

8r°; Mc.

B1

x

Ca

x

12r°;

14v°

schwarz zentriert

einfache Initialen außerhalb des Textkorpus, nicht ausgeführt

rubriziert

Anfangsbuchstaben und Paragraphenzeichen, 1r° P rot auf blau-weißem Grund, 51 im Textkörper, im Canzoniere-Teil Anfangsbuchstaben abwechselnd rot und blau A Einfachkollorierte Anfangsbuchstaben bei jedem Strofenwechsel. Abwechselnd in Rot und Blau für jreden Prosaabsatz und Gedichtbeginn

Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter), cf. auch Kapitel 2.5.3 «Die Besitzer der Handschriften des 14. Jahrhunderts».

2.3 Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

Kürzel

Buchschmuck rubri- Überschriften Initialen und Anfangsbuchstaben ziert

Paragraphenzeichen

Ubaldini x 12r° 14r° 127v° Anfangsbuchstaben der Verse und Gedichte Initalen filigraniert hervorgehoben K

x

x

1r° 1v° 1r° Initialen abwechselnd in Rot und Blau. Größere Initialen zu Beginn neuer Abschnittte. Einfache Initialen auf f. 27v° und 121v°, auf f. 120r°–121r° nicht ausgewführt VnFT

x

Initialen bei Gedichtanfängen und neuen Sinnabschnitten abwechseln in rot und blau

O

2r° 2v° Initialen mit Randverzierung und geometrischen Verzierungen; hervorgehobene Anfangsbuchstaben der Gedichte und zu Beginn der Prosaabschnitte S

101

x

4r° 5r° 19r° rote Fleurée-Initialen z.t. mit violetter Verzierung im Textkorpus (13 Linien); hervorgehobene Anfangsbuchstaben im Textfluss L2

nicht ausgeführt

x

Gc

einfache Initialen; Anfangsbuchstaben z. T. hervorgehoben  

x

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

102

Kürzel

Buchschmuck rubri- Überschriften Initialen und Anfangsbuchstaben ziert

To

x

Paragraphenzeichen

rot

1r° 2r° 5v° 28r° Große rotblaue Feuronée-Initiale auf f. 1r° im Textkorpus (8 Linien) und Randverzierung in denselben Farben; große rote oder blaue Initialen mit blauen oder roten Randverzierungen zu Beginn eines neuen Cantos oder eines neuen Kapitels z. B. auf f. 3r°, kleinere rote oder blaue Lombarden im Textfluss z. B. auf 3r° und gelbhinterlegte Majuskeln  



K2

blau und rot

x

1r° 13r° 24r° 24r° Initialen bei Sektionswechsel mit blau-rotem Zierstab und bei Gedichtanfängen abwechselnd in blau und rot, auf 1r! ein großer Zierstab, Majuskeln gelbhinterlegt

2.3 Die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

Kürzel

Buchschmuck rubri- Überschriften Initialen und Anfangsbuchstaben ziert

Paragraphenzeichen

V

1r° Anfangsbuchstaben in den Gedichten z. T. hervorgehben; Einfache einzeilige Initialen, oft im Randbereich zur Markierung der Gedichtanfänge  

R

x

1r° 25r° 27r° Farbige Initialen z. T. mit Randverzierung zu Beginn der Gedichte, im 2. Teil nicht ausgeführt. Anfangsbuchstaben bei Prosaabschnitten rot, z. T. mit Randverzierung

29r°





L

103

x

3r° 1r° 1v° 16r° Verzierte rote Initialen mit schwarzer Randverzierung auf f. 1r° (6 Linien im Textkorpus) und f. 16r° (4l); einfache rote Initialen im Tetkorpus (2l). Mit Sepia gefüllte Buchstaben zur Hervorhebung z. B. der auf farbige Lombarden folgenden Buchstaben oder im Textfluss zur Hervorhebung der Gedichtzitate Co

x

Aufwendige Initialen f. 8r° „V“ auf 11 Linein in fünf Farben mit rot Gold, Pflanzengeflecht und drei geflügelten Drachen und Sprcuhband (siehe Abb. S. 99) Anfangsbuchstaben f. 8r°–143v°: Versanfänge in Rot auf drei Linien hervorgehoben vor blaubem Hintergrund (entrelac); Strofenwechsel in Rot und Blau auf 2 Linien hervorgehoben, rothervorgehobene Anfangsbuchstaben der Terzinen in Sonetten

L3

x

f. 41r° in rot, sonst zentriert in normaler Tinte

1r° 1r! Einfache rote Initiale, sonst durch Größe hervorgehobene Anfangsbuchstaben, z. T. Paragraphenzeichen  

Abbildung 10: Tabellarische Übersicht zum Buchschmuck

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

104

2.4 Klassifizierungskritierien zur Beschreibung der Auftraggeber der Handschriften Die Anfertigung der Vita Nuova für Gemeinschafts- oder private Bibliotheken: Die Vita Nuova in Konventen und Klöstern Es lassen sich verschiedene Unterscheidungskriterien für die Klassifizierung der Leserschaft, Auftraggeber und Besitzer aufgrund der Ausstattung ableiten, andere erschließen sich aufgrund der co-textuellen Überlieferung und Besitzervermerke. Man könnte, auf der einen Seite, zwischen verzeichneten Auftragsarbeiten und Handschriften, die vermutlich Auftragsarbeiten waren, deren Auftraggeber jedoch nicht namentlich genannt werden, und zwischen Handschriften unterscheiden, die für den eigenen Gebrauch hergestellt wurden, auf der anderen Seite. Diese Unterscheidung, die die Handschriftenproduktion betrifft, soll jedoch einer rezeptionsgeschichtlichen Perspektive untergeordnet sein. Daher unterscheide ich Handschriften, die für eine Bibliothek bestimmt waren, die von einer Gemeinschaft genutzt wurde, oder für eine Privatbibliothek, wobei eine Privatbibliothek natürlich auch einen relativ großen Leserkreis umfassen kann, aber die Handschrift jedoch z. T. anderen Interpretationsvoraussetzungen und Nutzungsmöglichkeiten ausgesetzt ist. Als Gemeinschaftsbibliothek seien in erster Linie Konventbibliotheken genannt, da die erste «öffentliche» Bibliothek in Florenz erst im 15. Jahrhundert mit der Biblioteca Laurenziana entstanden ist, die auf Schenkungen von Niccolò Niccoli und die Realisierung des Bibliotheksprojektes durch die Medici, insbesondere Cosimo de’ Medici, im Jahr 1444 zurückgeht (cf. Ullman/ Stadter 1972; Garin 2000). Es darf jedoch nicht unterstellt werden, dass mittelalterliche Bibliotheken religiöser Einrichtungen (Konvent, Klöster, Orden) restriktiv waren oder einer besonderen Zensur ausgesetzt waren. Die Inquisitionsbestrebungen und Einschränkungen in Buchproduktion und Lektüre traten umfassend erst mit der Vorbereitung und Durchsetzung der Bücherindices und den Inquisitionstribunalen im 16. Jahrhundert auf.27 Wie sah die Situation jedoch im 14. Jahrhundert aus? Welche sammlungsbezogenen und nutzungstechnischen Unterschiede können zwischen Konvent- und Privatbibliotheken ausgemacht werden? Zunächst lässt sich sammlungsbezogen hervorheben, dass eine Bestandsanalyse von Konventbibliotheken durch früh angefertigte Inventare und eine relative Stabilität in der Überlieferung dieser Inventare eine Bestandsrekonstruktion erleichtern, andererseits werden hier nur die Handschriften aufgeführt, die dem Kriterium des Gemeinschaftsbesitzes entsprechen, was nicht für alle Orden galt. Zusätzliche Informationen über den Bestand können durch die Statuten und Curricula von Ausbildungs 

27 Cf. hierzu: Fragnito (1997; 2010); Longo (1982); Perini (1997); Picchio Simonelli (1979; 2000); Plaisance (1982); Rozzo (2001).

2.4 Klassifizierungskritierien zur Beschreibung der Auftraggeber

105

stätten, der Etablierung von studia theologiae oder studia generale abgeleitet werden, die ähnlich der universitären Ausbildung bestimmte Texte und Autoren behandelten. Private Bibliotheken hingegen müssen keine Texte für eine theologische Ausbildung überliefern und die Kriterien des Sammlungsschwerpunktes können sich individuell herausbilden.28 Kehren wir jedoch zu den Vita Nuova-Handschriften zurück. Zunächst sei hervorgehoben, dass keine einzige Vita Nuova-Handschrift des 14. Jahrhunderts einen Vermerk über den Entstehungskontext, Auftraggeber, Motivation, Schreiber oder Datierung bietet, abgesehen von den ersten beiden Überlieferungen von Vita Nuova-Gedichten in den Memoriali Bolognesi, deren Datierung aufgrund ihrer Einbindung bzw. Einordnung in datierte Rechtsakten vorgenommen werden kann und deren Schreiber dadurch identifiziert werden können. Allein dieser Umstand, die Abwesenheit von Vermerken von Auftraggebern, soll hervorgehoben werden, obwohl sie im Vergleich zu zeitgenössischen Literaturüberlieferungen keine Ausnahme bildet.29 Zwar werden die meisten Handschriften des 14. Jahrhunderts ohne Vermerke von Auftraggeber, Schreiber oder Motivation überliefert,30 aber dass von 23 Vita Nuova-Handschriften nur eine einzige Handschrift datiert ist und nur zwei Handschriften einen Schreibervermerk aufweisen, ist deutlich weniger, als zu erwarten wäre. To weist auf f. 269v° eine Bildunterschrift auf, die in griechischen Buchstaben auf Latein «Iohannes de Certaldo pinxit» schreibt, dadurch wird Boccaccio als Autor des Homer-Portraits ausgewiesen und ein geübter Leser wird die Hand mit dem Hauptschreiber der Handschrift identifizieren können. In B1 hingegen liest man auf f. 17v° «Explicit comentum factum per me nicolaum de Rubero legum doctorem secundum intellectum quem habui quando predictam cantionem rittimis conpilavi» und wird auch die Hand von Nicolò de’ Rossi in anderen Teilen der Handschrift wiederfinden, obgleich die Vita Nuova-Gedichte nicht ihm zugeschrieben werden können. Die einzigen drei Datierungen, die sich in den Handschriften befindet (To, f. 269r° «1372»; R, f. 33v° «McccLiiij» und L3

28 Dazu Gherardi (1965); Grendler (1985; 1989); Gehl (1993); Bullough (1964); Barański (2015); Diacciati/Faini (2017); Faini (2017); Black (2001, 220 u. 303) verweist auf Dante-Texte, die in Schultextsammlungen überliefert sind, so z. B. in ms. BML, Aquisti e Doni 345, in dem Auszüge aus Jacopo della Lanas Commedia-Kommentar enthalten sind. 29 Geistliche Handschriften führen häufiger einen Vermerk über den Auftraggeber, da die Handschriften z. T. auch als Schenkung an ein Kloster gedacht war und Bußversprechen damit eingelöst werden sollen. Cf. hierzu Bagci (1994); aber auch Cisam (1992). Detailstudien gibt es vor allem zu französischen Auftragsgebern volkssprachlicher Handschriften, cf. Morreale (2010); Buettner (1992); Roland (2008); Chiodo/Rao (2016); Pratt (2017). 30 Cf. dazu Condello/De Gregorio (1995) und die sechs Baende der Reihe ‚Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIeme siècle‘, Bénédictins du Bouveret (1965–1982) und Nucci/Signorini (1989).  



106

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

«4 di setembre 1435»), scheinen sich nicht auf die Abfassung zu beziehen, sondern datieren wohlmöglich die Einbindung der Lagen bzw. Einfügungen. Namentlich tritt ein Buchbinder (oder -händler?) in K (f. 121r° «Benedetto di Tuccio Manetti») zu Tage, allerdings scheint auch er nicht in die ursprüngliche Produktion der Handschrift involviert gewesen zu sein. Die Vita Nuova-Handschriften wurden auf den ersten Blick anonym verfasst und in Auftrag gegeben. Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass die ersten beiden Schreiber, die namentlich in den Vita Nuova-Handschriften des 14. Jahrhunderts verzeichnet sind und die ihre Abschriften unterzeichnet haben, zwei Dichter sind, ein Umstand, auf den wir später im Detail zu sprechen kommen werden (cf. dazu S. 123–136). Es gibt einen Besitzervermerk, der ins 14. Jahrhundert weist, so liest man in Vat auf f. 9r°: «Nuccio di Beninchasa alberghatore», ein Vermerk, der jedoch nicht mit Gewissheit ins 14. Jahrhundert datiert werden kann (cf. Handschriftenkatalog, Beschreibung von Vat). Während es also zumindest zwei Schreibervermerke, drei Datierungen und einen Vermerk einer «bottega» gibt, zeigen die Handschriften, abgesehen von ihrer Aufmachung und der Textzusammenstellung, keine Spuren ihrer frühen Auftraggeber: es gibt keinen Besitzervermerk, kein Vorwort, keine alte Signatur, die als Originalsignatur die Eingliederung der Handschrift in eine bestimmte Bibliothek des 14. Jahrhunderts belegt. Aufgrund der späteren Besitzervermerke und der Rekonstruktion der Besitzverhältnisse kann für zwei Handschriften vermutlich von geistlichen Auftraggebern ausgegangen werden, es handelt sich hierbei um zwei Fragmente, Ca und O, deren Präsenz im 16. Jahrhundert in Klosterbibliotheken belegt ist. Ca wurde als Einband von mystischen Texten von Maddalena de’Pazzi verwendet, während O einen Leihvermerk aufweist, der auf einen religiösen Kontext schließen lässt. Beide Fragmente können über den Verbleib einer Handschrift in einem Kloster im 16. Jahrhundert hinaus nicht viel über die Lektüre des Textes durch eine geistliche Leserschaft aussagen. Die Lesespuren in Ca konnten nicht untersucht werden, da die Handschrift noch immer in einem Karmel in der Nähe von Florenz aufbewahrt wird und schwierig einzusehen ist. O weist insgesamt nur acht Lesespuren auf, die sich jedoch auf kleinste Ausbesserungen und Korrekturen beschränken. Während die Vita Nuova von Ca im 16. Jahrhundert der Protektion des Textes der Quaranta Giorni von Maria Maddalena de’Pazzi weichen musste und in der Klausur der unbeschuhten Karmelitinnen eine andere Verwendung für das libello gefunden wurde, zeigt der Leihvermerk von O, dass die Vita Nuova gegen Geld an den Dominikanerpater Alexandro d’Ascoli vor Zeugen verliehen wurde. Allerdings fand auch dieses Fragment als Einbandblatt eine Wiederverwendung und wurde erst im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. Aus der Handschriftenbeschreibung und dem Katalogeintrag geht jedoch nicht hervor, wann die Handschrift als Einbandblatt verwendet wurde, ein Umstand, der die Bewertung des Leihvermerks äußerst schwierig macht. Zum

2.4 Klassifizierungskritierien zur Beschreibung der Auftraggeber

107

einen könnte sich der Vermerk auf den in O überlieferten Text, die Vita Nuova, beziehen, zum anderen könnte er jedoch auch auf den durch den Bogen eingebundenen Text verweisen. Im ersten Fall ist es verwunderlich, weshalb der Vermerk erst in Kapitel XIV zu lesen ist und nicht zu Beginn des verliehenen Textes, was sich vielleicht durch eine Wiederholung des Vermerkes oder einen Bindefehler erklären ließe. Doch gerade dieser Umstand, dass sich der Leihvermerk mitten im Text befindet, scheint die zweite Hypothese wahrscheinlich zu machen, dass nämlich auch diese Vita Nuova-Handschrift im 16. Jahrhundert in einem monastischen Kontext auseinander genommen wurde und zum Einbinden neuer Texte verwendet wurde. Über die religiöse Leserschaft im 16. Jahrhundert könnte Einiges zu sagen sein, so stellt sich ausgehend von den Handschriften des 14. Jahrhunderts die Frage, was O einband. Barbi schreibt hierzu nur «trovate fra vecchi libri e vecchie carte della libreria di Leo S. Olschki» (cf. Barbi 1932, XXXIII) und auch Passerini gibt keine Information darüber, ob O für die Einbindung von religiösen Texten im 16. Jahrhundert verwendet wurde. Die Nennung des Domikanerpaters als Leihempfänger der Handschrift, die vermutlich schon im 16. Jahrhundert als Einband diente, lässt annehmen, dass ein religiöser Text eingebunden wurde. An dieser Stelle soll das Desinteresse am Text und der verwertende Umgang mit der Handschrift in den beiden Orden festgehalten werden. Gibt es jedoch Hinweise für eine Auftraggeberschaft aus religiösen Kreisen im 14. Jahrhundert? In Florenz können die drei wichtigen Konvente der Franziskaner, Dominikaner und Augustinereremiten (und der Karmelitenkonvent) genannt werden, die bereits im 13. Jahrhundert als kulturelle Zentren fungierten.31 Der Konvent Santa Croce wurde 1287 zum studium generale der Franziskaner erhoben und weitete den Sammlungsschwerpunkt seiner Bibliothek auf philosophische Werke aus. Der erste erhaltene Katalog wird in der Handschrift Magliabechiano X 8 73 der Nationalbibliothek in Florenz in einer Abschrift des 15. Jahrhunderts (1430 ca.) überliefert und listet 785 Handschriften auf. Unter den 69 Handschriften des 14. Jahrhunderts, die Brunetti und Gentili in ihrer Untersuchung über die Bibliothek von Santa Croce auflisten, werden nur zwei grammatische Werke überliefert, aber kein einziger literarischer volkssprachlicher Text.32 Davis listet weitere sieben

31 Die Bibliothek von Santa Maria del Fiore, dem Dom von Florenz, geht zwar auch bis ins 14. Jahrhundert zurück, enthielt aber fast ausschließlich liturgische Handschriften. Cf. dazu Fabbri (1997, 33–56). 32 Brunetti/Gentili (2000); Davis (1963, 410): «The emphasis of the early books indicates the emphasis of the early school. The main business of the latter, and perhaps almost its only business, was to teach theology. Judging from the dearth of suitable texts, little attention was given to the subjects of the quadrivium. Probably instruction in the trivium was also very limited. Study of the auctores must have been practically non-existent; the almost total lack of classical literature

108

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

grammatische Standardwerke auf, die sich in der frühen Bibliothek von Santa Croce befanden.33 Rhetorische Texte seien nicht von großem Interesse für Santa Croce gewesen, hebt Davis hervor und identifiziert nur eine Handschrift mit Johannes Aegidius Liber Dictaminis (cf. Davis 1963, 410). Klassische Autoren sind nur sehr rar vertreten: Horaz, vermutlich auch Vergil und die Vergil-Kommentare von Servius, ein Brief von Ovid in italienischer Übersetzung (BML, ms. Plut. XI sin. 2, 1r°-v°), und geschichtliche Texte von Sueton, Solinus und Eutropius können der frühen Bibliothek von Santa Croce zugeschrieben werden. Es gibt keine volkssprachliche «neuere» Literatur in Versen, nur in der Handschrift BML, Plut. XXV sin. 5 werden lateinische Gedichte vor einem grammatikalischem Dialog überliefert,34 die allerdings noch nicht identifiziert sind und nicht auf zeitgenössische Autoren schließen lassen. Davis führt diesen Sammlungsschwerpunkt auf ein Klima der «Verdammung der Weltlichkeit» in Santa Croce zurück und begründet diesen Standpunkt mit der Skepsis des Ordensgründers gegenüber Büchern (cf. Davis 1963, 411–412, mit Verweis auf die Ordensstatuten von 1260). Gleichzeitig zeigt Davis jedoch auf, dass trotz des Armutsgelübdes persönlicher Besitz in gewisser Weise möglich war und Bücher zum Studium auf Lebenszeit von Ordensbrüdern gebraucht werden durften. Santa Croce scheint jedoch aufgrund des Fokus auf theologische und philosophische Handschriften kaum als Auftraggeber für eine Vita Nuova-Handschrift während des 14. Jahrhunderts in Frage zu kommen, obgleich der Text auch eine eschatologische Auslegung erlaubt. Santa Maria Novella war bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts als studium theologiae tätig, wie es die Constitutiones der Dominikaner von 1288 festgelegt haben. 1281 wurde der Dominkanerkonvent Santa Maria Novella zur Ordenshochschule der Provinz erklärt, allerdings kann eine Bibliothek nicht vor 1317 nachgewiesen werden,35 während die Einrichtung des Lesesaals um 1330 be-

among surviving manuscripts written in the thirtenth century or earlier is startling in a library of this size». Es handelt sich um die beiden Handschriften BML, Plut. XXV sin. 5, 26r° und BML, Plut. XIII dext. 6, 129r°: Anselm von Canterbury, Liber de Grammatico. 33 Davis (1963, 410): «Nor was there any great abundance of works on grammar or rhetoric, though the convent did possess a few standard dictionaries and grammatical texts, among them Priscian’s De Construtctione, Isidore’s Etymologies, Papias’ Vocabularium, Huguccio’s Liber de Derivationibus, Eberhard’s Graecismus and […] John of Garland’s Opus Synonymorum and Alexander of Villedieu’s Doctrinale». 34 BML, Plut. XXV sin. 5, 25r°: Sine facies scoria und 26r°: Dialogues of grammatical rules, Inc. Magister, que pars est?, cf. Davis (1963, 402). 35 Cf. Pomaro (1980; 1982). Cf. Brunetti/Gentili (2000, 29, fn. 23). Pomaro (1980, 326) hingegen datiert die Bibliothek auf 1338: «Di libreria si sente parlare a S. Maria Novella non prima del 1338, ma ‹la fonte principale sono le notizie che il Borghigiani prese dai Libri del Borsario, che egli più volte ha inserito nella sua Cronaca Annalistica›, fonte settecentesca, dunque, che testimonia le

2.4 Klassifizierungskritierien zur Beschreibung der Auftraggeber

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legt ist (cf. Orlandi 1952, 10). Der erste erhaltene Katalog wurde 1489 von maestro Tommaso di Matteo Sardi erstellt (ms. BNCF, Conv. Soppr. F.6.294) und verzeichnet 946 Handschriften, von denen einige Duzend vermutlich ins 14. Jahrhundert datiert werden können (cf. Brunetti/Gentili 2000, 29, Anm. 23). Der Katalog führt vorwiegend theologische und philosophische Werke auf, es können jedoch auch literarische Texte identifiziert werden. Klassische Autoren werden neben volkssprachlichen Autoren aufgeführt und allein Dante ist mit 8 Handschriften vertreten (Petrarca mit weiteren 4 und Boccaccio mit 2 Handschriften). Aus den Einträgen kann jedoch das überlieferte Werk nicht in jedem Fall abgeleitet werden, oft wird nur der Autor genannt. Eine Durchsicht kann die Vita Nuova unter diesen Handschriften nicht identifizieren. Der Umstand jedoch, dass acht Dante-Handschriften, die nicht nur die Commedia überliefern, – in einem Fall konnte eine Monarchia-Übersetzung identifiziert werden –, lässt auf ein größere Werkpräsenz unseres Autors schließen. Ob die Vita Nuova jedoch schon im 14. Jahrhundert unter den Handschriften überliefert wurde, scheint fraglich.36 Die Bibliothek der Karmeliten von Santa Maria degli Angeli ist dokumentarisch bis in das Jahr 1336 belegt, und ihr Bestand kann dank eines Katalogs von 1461, der sorgfältig 347 Handschriften verzeichnet, erschlossen werden. Auch die Ordensregeln der Karmeliter von 1226 sahen vor, dass Ordensmitglieder persönlich keine Bücher besitzen dürfen, ihnen aber ein Gebrauchsrecht auf Lebenszeit erteilt werden konnte, bevor die Handschrift in den Besitz und die Administration des Klosters überging (cf. Perini 1970, 463–465). In der Sektion der Novizenbibliothek finden sich literarische Handschriften mit Texten von Cicero und Vergil, Bo-

spese sostenute nell’anno suddetto, per banchi ed altro materiale di biblioteca, ma che non tocca la situazione preesistente: documenti sul possesso librario e sulla sua organizzazione manco per questo primo periodo». 36 Cf. Orlandi (1952, 23): Banco XII. Codici 13 (Storia, geografia, Boccaccio [hierbei handelt es sich um De viris illustribus (BN. G. 4. iiii, de claris mulieribus n| 432]); Banco, XIII, Codici 20 (Classici latini, Cicerone); Banco XIV. Codici 17 (Poeti: Virgilio, Ovidio, Dante, Seneca...) [darunter n° 456. Liber dantis almi poete florentini (BN. C. 3. 395)= Commedia]; Banco XV, Codici 15 (Terenzio, Ovidio, Falaride, Petrarca, [N° 480: Buccolicum, Canzoni, trionfi e sonetti del sec. xv]); ein Dante-Druck (Orlandi, 24). Orlandi (1952, 24): «Dante è rappresentato da 8 codice». Es handelt sich um n° 739: item unam partem dantis in papiro domini leonardi aretini (Marinanus de vernaccis prior); Magister laurentius de gherardinis: n° 769: Comediam dantis in papiro; n° 770 Commentus dantis in pergameno huit magister thomas matheis; N°880 Dante col commento, furno di fra Guido di Cristoforo; Petrus benedicti de rossis n 892 Dantem cum chomento in paprio; n° 931 dominicus riccius Dantem in paprio, cum comento in duobus voluminibus; und ein Druck (Orlandi, 24) Orlandi gibt auch eine Übersicht über die erhaltenen Handschriften, die heute in der Nationalbibliothek in Florenz zugänglich sind. Darunter befindet sich eine Monarchia-Übersetzung: B. 3. 396 (1467), La monarchia ital. v. M. Ficino.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

ethius und ein «libro di prose», darüber hinaus ist in der Konventbibliothek eine Handschrift mit Ovid-Kommentaren belegt.37 Volkssprachliche Literatur ist im Inventar nicht verzeichnet. Der Konvent der Augustinereremiten Santo Spirito gewinnt am Ende des 14. Jahrhunderts durch den Nachlass von Giovanni Boccaccio eine besondere Bedeutung in der Textüberlieferung, fraglich ist allerdings, ob auch die volkssprachlichen Handschriften in der Schenkung beinhaltet waren oder ob sich Boccaccios Testament nur auf die lateinischen Texte bezog (cf. hierzu unten S. 296 und ausführlich Gutierrez 1962). Der Katalog der «Parva libraria» von 1451 umfasst eine beachtliche Zahl von Texten klassischer Autoren38 und überliefert darüber hinaus auch zahlreiche Werke von Boccaccio und Petrarca.39 In diesem Inventar wird auch Dante genannt: «Epistole dantis et magistri Johannis de Vi’gil et diaffanus eius» (cf. Goldmann 1887, 142; Bellandi 1938; Mazza 1966). In der Debatte um den Nachlass der volkssprachlichen Handschriften von Boccaccio sticht hervor, dass im Katalog von 1451 keine volkssprachlichen Handschriften verzeichnet werden. Abgsehen von Santa Maria Novella führen auch die anderen Konventsbibliotheken keine volkssprachlichen Handschriften auf, daraus kann zweierlei geschlossen werden. Entweder wurden in den religiösen Bibliotheken keine volkssprachlichen Handschriften überliefert oder diese wurden nicht inventarisiert, wohlmöglich weil die Handschriften durch Schenkungen zu Lebzeiten der Besitzer nicht eigentlich der Konventsbibliothek zugeordnet wer-

37 Perini (1970, 491: n° 225): «Diversi sermones ad materias cum moralibus super Ovidium cum tabula earundum. Incipiunt in secunda carta post tabulam: immense potentie. Finit totus liber: libro alio fabula»; 494: n° 261: «Unum volumen in quo continetur diversa opera in pergameno. Incipit: Papa stupor mundi. Finit: licet non sit preceptum (Poetria nova von Gaufredus de Anglia)»; 553: «Uno paio di epistole di Tullio in forma. Furono di Maestro Lionardo di Matheo in papiro miniato. Un paio di epistole di Tulio fatte in forma meze covertate a foglio reale nuove. Uno Virgilio di simile forma et modo […], Uno Boetio di quatro foglio di carta banbagina di lettera tedescha […], Uno libro di prose notate di foglio reale in carta pecora». Das Inventar ist in Archivio di Stato Firenze, ms. Convento sorpresso 113.17, f. 62r°-96v° überliefert. Cf. auch Humphreys (1964). 38 Goldmann (1887). Valerius Maximus […]; Ovid, De arte et rimedio, Seneca, […] Vergil, Lukan, Salust, Cicero, Poetria novella, Terenz, Statius, Tacitus, Apuleius, Plautus, Horaz,Vergilkommentaren neben Geschichtswerken. 39 Goldmann (1887), führt folgende Autoren auf: «Dominus Johannes Boccacius de analogia deorum […]; De insulis et eorum proprietatibus; […], Boccolicum et gloga […], Francisci Petrace ligatus et copertus corio rubero cuius principiu est Adiuro te quicumque, […] Franciscus Petrarca de remediis utriusque fortune […], Bucculicorum carmen domini Francisci Petrache […], Epistolarum domini Francisci Petrarce […], De mulieribus claris domini Johannis Bocacii […], Bocolicorum domini Johannis Boccaci […], Johannes Bocacius de casibus virorum inlustrium […], De mulierbus claris domini Johannis bocaci […], Bubolicorum carmen domini Johannis Bocaci».

2.4 Klassifizierungskritierien zur Beschreibung der Auftraggeber

111

den konnten.40 Falls eine Vita Nuova-Handschrift im 14. Jahrhundert in einem monastischen Kontext entstanden oder aufbewahrt wurde, so scheint als Ort nur Santa Maria Novella infrage zu kommen. Im Bibliothekskatalog von Santa Maria Novella werden einerseits auch volkssprachliche Handschriften genannt, die in den anderen Katalogen nicht angegeben wurden, andererseits ist Dante mit acht Handschriften vertreten, was für eine starkes Interesse und eine Aufgeschlossenheit gegenüber volkssprachlicher Literatur spricht. Ob die Vita Nuova in diesem Kontext zu verorten ist, könnte ein Vergleich mit identifizierten Dante-Handschriften belegen und eine Untersuchung der literarischen und religiösen Textproduktion in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Santa Maria Novella hinsichtlich Vita Nuova-Reminiszenzen könnte die Präsenz der Handschrift untermauern. Aufgrund der Informationen der Bibliothekskataloge scheint eine Auftraggeberschaft der Vita Nuova im monastischen Kontext eher ausgeschlossen, betrachtet man hingegen die Zusammenstellung der Texte in den Vita NuovaHandschriften, so könnte in zwei Fällen die Vita Nuova im Rahmen von rhetorischen Sammelhandschriften verortet werden, die sowohl für eine Konventsbibliothek als auch für die Bibliothek einer Person, die wichtige öffentliche Ämter inne hat, spricht.41 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es zwei Handschriften gibt, die später in einen monastischen Kontext auftauchen und dort im 16. Jahrhundert zur Einbindung von religiösen Texten verwendet werden. Wann diese beiden Handschriften, Ca und O, in den Besitz des Konvents gelangt sind und ob sie gar von religiösen Auftraggebern konzepiert und hergestellt wurden, muss im Dunkeln bleiben. Zwei weitere Handschriften M und B1 könnten, aufgrund ihrer co-textuellen Zusammenstellung, eventuell in einen monastischen Kontext verortet werden, da die co-textuelle Überlieferung jedoch keine Texte überliefert, die ausschließlich oder vorwiegend im monastischen Kontext verwendet wurden, bleibt auch diese Verortung ungewiss. Betrachtet man den Bücherbestand der Florentiner Konvente, so sticht Santa Maria Novella als Zentrum der Dante-Rezeption ins Auge, doch auch hier kann erstens nicht belegt werden, ob sich unter den Handschriften auch die Vita Nuova befand, noch, was schwerwiegender ist, wann genau die Dante-Handschriften in den Bibliotheksbesitz gelangt sind. Die Besitzervermerke, co-textuelle Überlieferung und Rekonstruktion des Bibliotheksbestandes können die Frage nach einer religiösen Rezeption der Vita Nuova im 14. Jahrhundert nicht abschließend beantworten. Die Besitzervermerke, die sich

40 Es lassen sich folgende Dante-Handschriften des 14. Jahrhunderts in den florentiner Bibliotheken identifizieren, die Konventbibliotheken gehörten, wobei nicht eindeutig ist, wann die Handschriften in die Konventsbibliotheken integriert wurden: BML, ms. S. Croce 26 sin. 1. 41 Es handelt sich hierbei um die Handschriften M (M2) und B1, die jedoch eher als pro memoria für die Ausarbeitung von Reden gedacht zu sein scheint.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

in den Vita Nuova-Handschriften des 14. Jahrhunderts befinden, aber spätere Besitzer zugeordnet werden und die Rekonstruktion der Besitzverhältnisse nach 1400, bieten jedoch ein anderes Bild. Während keine religiöse Auftraggeberschaft der Vita Nuova im 14. Jahrhundert belegt werden kann, gehörte etwa ein Drittel der späteren Rezipienten dieser Handschriften dem geistlichen Stand an, während zwei Drittel dem weltlichen Stand angehörten. Über die Auftraggeberschaft lässt sich im einen und im anderen Fall keine Aussage aufgrund der Besitzverhältnisse machen, vielmehr scheint eine Analyse der co-textuellen Überlieferung der Vita Nuova hierfür geeigneter zu sein, weil eventuelle thematische Schwerpunkte Aufschluss über eine Leserschaft erlauben mögen.

2.5 Soziologische Aspekte der Analyse der Rezeption der Vita Nuova-Handschriften des 14. Jahrhunderts Obwohl eine religiöse Auftraggeberschaft in Bezug auf die Vita Nuova unklar und unwahrscheinlich ist, kann mit Sicherheit eine klerikale und monastische Leserschaft des libellos ausgemacht werden. Allein unter den Lesern und Besitzern der Vita Nuova-Handschriften des 14. Jahrhunderts tritt der Klerus massiv hervor, ganz zu schweigen von den Auftraggebern, Besitzern und Lesern der jüngeren Vita Nuova-Handschriften. 52 Besitzer und Leser konnten namentlich identifiziert werden und sieben Schreiber, weitere 57 nicht identifizierte Leser hinterließen in den Handschriften des 14. Jahrhunderts ihre Spuren. Von 57 namentlich bekannten Schreibern, Besitzern und Lesern der Handschriften vermerkten 25 ihren Namen.42 Die anderen Schreiber, Leser und Besitzer konnten aufgrund ihrer Spuren oder der Rekonstruktion der Handschriftenüberlieferung ausfindig gemacht werden. Von den fast sechzig namentlich bekannten Rezipienten gehören 23 dem geistlichen Stand an: darunter sind zwei Florentiner Kanoniker (Vincenzo Martelli und Guidantonio Adimari), eine nicht namentlich bekannte Nonne, sechs Patres (darunter je ein Zisterzienser, Dominikaner, Benediktiner und Augustiner), vier

42 Cf. im Einzelnen die Handschriftenbeschreibungen: E, Antonio Agustin, Lucas de Alaejos, Antonio de San José; M und M2, Paolo Cini, Francesco Nori, Vincenzo di Giovanni di Francesco Martelli; B1: Nicolò de’ Rossi; Ubaldini: Tommaso Strozzi, Federico Ubaldini; K: Coluccio Salutati, Antonio di Coluccio Salutati, Ludovico di Giovanfrancesco di Nicolaio di Piero da Meleto, Carlo di Tommaso Strozzi, Fabio Chigi; VnFt: Giovanni di Bartolomeo Davanzati; O: Alexandro d’Ascoli; S. Carlo di Tommaso Strozzi; To: Giovanni Boccaccio; K2: Piero di Francesco di Iacopo del Pugliesi; Iacopo Corbinelli, Federigo Ubaldini, Fabio Chigi; L: Guidantonio Adimari; Co: de basile libro de la mia comare; L3: Alamanno di Iacopo Salviati.

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

113

Bischöfe (Ludovico Beccadelli, Erzbischof von Ragusa, Antonio Agustin, Erzbischof von Terragona, Bernardo del Nero, Bischof von Bisignano und Francesco Nori, Bischof von San Miniato), zwei Kardinäle (Francesco Barberini und Francesco Saverio de Zelada) und ein Papst (Fabio Chigi: Alexander VII, Besitzer von K und K2).

Abbildung 11: Graphische Darstellung der Rezipienten hinsichtlich der Ständezugehörigkeit

Fast alle aufgelisteten Namen müssen jedoch späteren Jahrhunderten zugeordnet werden, so dass über die Rezeption der Vita Nuova des 14. Jahrhunderts keine zusätzliche Information gewonnen werden kann. Obwohl keine Auftragshandschrift im monastischen Kontext und auch nur ein Besitzer des 14. Jahrhunderts, der dem geistlichen Stand angehörte, identifiziert werden können, so kann die Rezeption der Vita Nuova im 14. Jahrhundert von einer religiösen Leserschaft dennoch nicht ausgeschlossen werden. Es lässt sich ein ambivalenter und erstaunlicher Befund konstatieren: einerseits kann keine religiöse Auftraggeber- und Leserschaft der Vita Nuova im 14. Jahrhundert belegt werden, gleichzeitig jedoch wurden die Handschriften des 14. Jahrhunderts später vermehr von Geistlichen rezipiert, die beinahe die Hälfte der namentlich bekannten Rezipienten ausmacht. Für die Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert könnte dieser Umstand bedeuten, dass eine spirituelle Interpretation des Textes nur bedingt stattgefunden hat, während gerade diese Dimension später in den Vordergrund

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

zu treten scheint. Andererseits kann die zunehmende Rezeption der Vita Nuova durch den Klerus auch aus kulturpolitischen Gründen erklärt werden. Die meisten der namentlich bekannten Geistlichen stammen aus dem 16. Jahrhundert, das durch die Inquisition und Zensur geprägt ist. Die in den Prozess der Zensur eingebundenen Personen waren häufig Geistliche und ihnen wurde auch leichter eine Lizenz für den Besitz von Büchern erteilt, die auf dem Index standen. Die Vita Nuova wurde nicht verurteilt, wohl aber die Monarchia und der Decameron Boccaccios, wohlmöglich können die Besitzervermerke von Geistlichen als carte blanche für die Verbreitung und Rezeption dieses Werkes gelesen werden. Das Verbot Liebesgeschichte zu drucken «storie d’innamoramento»,43 wie auch die Vita Nuova in Boccaccios Titelei benannt wird,44 lädt zu einer allegorische Interpretation kritischer Werke ein, und legt auch eine theologische Lesart der Vita Nuova nahe. Eine solche theologische Lesart wird etwa in der Edition der Vita Nuova von Bartolomeo Sermartelli vorgelegt, wo Dante als «poeta e teologo» stilisiert wird und in der tavola durch die Analogie alttestamentarischen Propheten gleichgesetzt wird.45 Im 14. Jahrhundert scheint die spirituelle Aufgeladenheit der Vita Nuova jedoch entweder keine Schwierigkeit darzustellen und benötigte keine explizite Kommentierung oder war, ganz im Gegenteil, derart deutlich wahrnehmbar, dass eine religiöse Rezeption des Werkes, das an Hybris grenzt, undenkbar war. Beide Schlussfolgerungen sind unbefriedigend, weil weder eine Verurteilung, Zensur oder Kritik in den Vita Nuova-Handschriften eine solche Interpretation belegt ist, gleichzeitig ist auch keine Kommentierung oder erklärende Illustration in den Handschriften überliefert, die eine besondere Sensibilität für die spirituelle Dimension des Textes belegten. Die Schreiber mögen über den frühen Rezeptionsraum der Vita Nuova Aufschluss bieten. Grundsätzlich lässt sich über die Produzenten und Rezipienten der

43 Mit dem Verbot von Fra Damiano Rubero da Cento, Kommissar des Maestro del Sacro Palazzo vom 21. März 1576, volkssprachliche Liebesgeschichten zu drucken, wird auch die Drucklegung der Vita Nuova im selben Jahr konfrontiert und wird eine z. T. weitreichende Zensur erfahren (ms. Biblioteca dell’Archiginasio di Bologna, B 1860, n° 22: «né lassi stampare storie commedie et altri libri volgari d’innamoramenti, che pur troppo si vitia il mondo da se stesso. Quivi in Roma vano distrugendo, ch’i librai hanno comandamento di non ne far venire più et i stampatori di non stamparne», cf. Cervigni (1995). 44 K2, f. 13r°: «Et comincia la sua uita nuoua. Nella quale esso in sonetti ballate e cançoni distese discriue come di beatrice s’innamorasse e del suo amore gli accidenti mentre ella visse et appresso quanta e quale fosse la sua amaritudine dopo la partita di beatrice della presente vita» (Hervorhebung entspricht der Rubrizierung in der Handschrift). 45 In der tavola zur Vita di Dante, presso Bartolomeo Sermartelli, Florenz 1576, 80 ist «Visioni di Nabucco, Visioni di Daniello, Visioni di Esaia, Visioni di Ezzechielle, Visioni di San Giovanni» zu lesen, während in der tavola der Vita Nuova, tavola XI «Visioni di Dante» steht.  

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

115

Vita Nuova-Handschriften festhalten, dass die prominentesten Vertreter unter den Schreibern vertreten sind, aber keine großen Auftraggeber oder Besitzer, abgesehen von Coluccio Salutati, bekannt sind. Es können keine Personen identifiziert werden, meist weil die Leserspuren einen derart geringen Umfang haben, dass ein Handschriftenvergleich unfruchtbar bleibt.

2.5.1 Die Schreiber der Vita Nuova Die Schreiber der Vita Nuova-Handschriften zeigen eine ähnliche Gewichtung wie die Auftraggeber und Besitzer: kein Geistlicher – Mönch, Pater, Abt – hat an der Produktion der Vita Nuova-Handschriften namentlich mitgewirkt.46

Abbildung 12: Graphische Darstellung zu den Kopisten als Rezipienten hinsichtlich der Ständezugehörigkeit

Abbildung 13: Graphische Darstellung zu den weltliche Schreibern

Es lassen sich drei Gruppen identifizieren, die ein interessantes Bild über die ersten Rezipienten und das gemeinsame Interesse an der Vita Nuova aufzeigen: Juristen, Dichter und Berufsschreiber.

46 Über Boccaccios möglichen geistlichen Stand der sogennanten «ordini minori» herrscht immer noch Ungewissheit; zudem war er zumindest während der ersten Abschrift noch kein Messner, da die Datierung des Eintritts in die «ordini minori» mit 1360 angesetzt wird.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Eine genauere Auflistung der Hände des 14. Jahrhunderts, die in den 23 Vita Nuova-Handschriften als Schreiber tätig wurden, relativiert den Eindruck, dass vornehmlich Dichter und Juristen an der Überlieferung und Verbreitung der Vita Nuova beteiligt waren, so stehen sie 34 unbekannten Händen gegenüber, die auch aufgrund ihrer paläographischen Besonderheiten nicht klassifiziert werden konnten.

Abbildung 14: Graphische Darstellung zur Zuordnung der Hände

Unter den identifizierbaren Händen jedoch befinden sich zwar wichtige Vertreter der intellektuellen und literarischen Elite des 14. Jahrhunderts, aber die Abwesenheit von einer geistlichen und universitären Beteiligung an der Verbreitung der Vita Nuova erstaunt dennoch. Zwar erhielt Boccaccio vermutlich um 1360 die niederen Weihen und auch Nicolò de’ Rossi lehrte am Studium in Treviso, jedoch gibt es keinen Beleg für ein Interesse an der Verbreitung der Vita Nuova von Personen, die ausschließlich universitäre oder religiöse Ämter inne hatte und die nicht gleichzeitig als Dichter tätig waren.

117

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

Handschrift

Schreiber

Jurist/ Notar

Mem82

Pietro d’Allegranza

x

Mm5

Isfacciato

x

E

unbekannt

x

Mc unbekannt (mit Cino da Pistoia als Auftraggeber?)

x

Dichter Berufsschreiber

B1

Nicolo de’ Rossi x x Francesco Barberino

x x

K

unbekannt

x

O

unbekannt

x

Gc

unbekannt

To

Giovanni Boccaccio

x

K2

Giovanni Boccaccio

x

R

Antonio Pucci

x

L3

copista di Lau

x

x

Abbildung 15: Tabellarische Übersicht zu Juristen, Dichter und Berufsschreibern

2.5.1.1 Die Vita Nuova der Berufsschreiber Es sind drei «Berufsschreiber» in der Überlieferungsgeschichte der Vita Nuova belegt, die als Schreiber anderer Handschriften, vornehmlich weiterer Dante-Handschriften, bekannt sind oder in den Umkreis eines Skriptoriums eingeordnet werden.47 Es handelt sich hierbei um die Schreiber von K, der in den Umkreis von

47 Cursi (2000), unterschied in seiner Untersuchung über die Verbreitung und Rezeption des Decameron zwischen «copisti per passione» und «copisti per prezzo», eine Unterscheidung, die auch in der Bezeichnung «Berufsschreiber» wieder auftauchen soll. Da allerdings die Position der Juristen im Fall der Vita Nuova unklar ist, man einerseits von «copisti per passione» sprechen könnte, andererseits jedoch Auftragshandschriften findet, die in einer Art Büro erstellt wurden, scheint mir die Bezeichnung die vorliegedne Situation nur unzureichend zu beschreiben. Der Begriff «copisti per passione» geht auf Branca (1961) zurück.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

ser Francesco di ser Nardo da Barberino eingeordnet wird, von O, einer der Schreiber der sogenannten «Danti del Cento», einer Commedia-Werkstatt, die laut Vincenzo Borghini hundert Commedia-Handschriften herstellte, und der Schreiber von L3, der sogenannte «copista di Lau» (zu ser Francesco di ser Nardo da Barberino cf. Bertelli 2003; 2006). Die Bezeichnungen haben sich im Laufe der DanteStudien verschoben, so dass man heute von mehreren «officine scrittorie» ausgeht, wo ehemals von den «Danti del Cento» gesprochen wurde (cf. Pomaro 1993). Täubner (1889) schrieb 47 Commedia-Handschriften der Werkstatt der «Danti del Cento» zu, deren Hauptschreiber und Leiter er in ser Francesco di ser Nardo identifizierte. Ser Francesco di ser Nardo da Barberino unterzeichnete einige Handschriften, ob er aber für die «Danti del Cento» arbeitete, sie leitete oder eine eigene Werkstatt betrieb, wurde nicht endgültig beantwortet. Neben ser Francesco wird heute auch der sogenannte «copista di Lau» aus der Gruppe der «Danti del Cento» losgelöst und als eigenständiger Schreiber gehandelt.48 Die drei Werkstätten, die in die Anfertigung der Vita Nuova-Handschriften verwickelt sind, können als getrennt betrachtet werden. Diese Trennung führt auf der einen Seite zu einer präziseren Beschreibung und Kenntnis der Florentiner Schreibkultur, andererseits herrscht durch die Trennung und Einführung von Unterkategorien und neuen Bezeichnungen ein Durcheinander und eine Verwirrung in den Forschungsbeiträgen. Der Schreiber von K wurde von Barbi49 in den Umkreis von ser Francesco de ser Nardo da Barberino eingeordnet, während Pomaro H1 von K nun mit dem Hauptschreiber der «Danti del Cento» identifiziert (cf. Pomaro 2007, 274). Doch seien die drei Werkstätten hier erst einmal vorgestellt. Ser Francesco di ser Nardo da Barberino unterzeichnete die Anfertigung von vier Handschriften – ms. Trivulziano 1080; ms. Laurenziano Gad. 90 sup. 125; BNCF, ms. Pal. 449; ms. BR. 1523 – und seine Tätigkeit als Schreiber kann in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert werden. Ob der Titel «ser» auf eine Ausübung der Juristerei hindeutet und er damit auch in die Klasse der schreibenden Juristen fällt, ist umstritten (cf. Bertelli 2003, 408, Fn. 1). Er ist vor allem für seine Abschriften der Commedia (Milano, BTriv, ms. 1080; Fragment Modena, Archivio di Stato, Letterati b. 17; Fragment London, Sotheby) bekannt, aber auch Überset-

48 Übersichtlich bei Pomaro (2007, 273–74). Jüngst konnte De Robertis (2010, 24) aufgrund der Charakteristica seiner Schrift ser Francesco da ser Nardo auch als Notar identifizieren: «non lascia dubbi sulla sua appartenenza al ceto notarile». 49 Barbi (1932, Introduzione xx): «La mano che esemplò il codice è quella del gruppo Strozziano nella cosiddetta famiglia Barberiniana dei mansocritti della Divina Commedia. Secondo le indagini di Giuseppe Vandelli la scrittura di questo gruppo non è propriamente di quel Francesco di ser Nardo, che scrisse nel 1337 il codice Trivulziano 1080 e dieci anni più tardi il Laurenziano XC sup. 125, ma di un copista toscano contemporaneo».

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

119

zungen von Boethius De consolatione philosophiae (Firenze, BML, ms. plut. 90 sup. 125 (Gaddiano) und Firenze, BR, ms 1523), der Vitae Patrum (Rom, BNC, ms. Vittorio Emanuele 1189) und von Werken von Albertus Magnus (Firenze, BNCF, ms. Pal. 449) wurden durch seine Hand verbreitet. Aus seiner Werkstatt stammen mindestens weitere elf Commedia-Handschriften,50 was Marchesini dazu verleitete, die Werkstatt mit den sogenannten «Danti del Cento» zu identifizieren. Was die Produktion der Werkstatt angeht, so soll festgehalten werden, dass ser Francesco ausschließlich volkssprachliche Handschriften anfertigte und sich zwar nicht ausschließlich, so doch größtenteils, der Verbreitung des Hauptwerks von Dante widmete. Die unterzeichneten Handschriften sind alle mit z. T. aufwendigen Miniaturen versehen und scheinen an ein gebildetes und literaturinteressiertes Publikum gerichtet zu sein, das vielleicht über unzureichende Lateinkenntnis verfügt, aber dazu bereit ist, für die gut lesbaren und aufwendig gestalteten Handschriften einen angemessenen Preis zu zahlen. Bertelli sieht in ser Francesco ein interessantes Beispiel eines Berufsschreibers, der auf die neuen Anforderungen des Buchmarktes durch Format, Seitengestaltung und Buchschmuck in der Produktion von ausschließlich volkssprachlichen Handschriften reagierte.51 Was die Werkstatt der «Danti del Cento»52 angeht, so soll noch einmal betont werden, dass es nicht klar ist, ob auch ser Francesco di ser Nardo da Barberino dieser Werkstatt angehörte oder er eine unabhängige eigene Schreibwerkstatt betrieb (cf. Bertelli 2006, 80). Die Werkstatt der «Danti del Cento» scheint jedoch nicht, wie ehemals von Täubner angenommen, von ser Francesco da ser Nardo, sondern von Bettino de’ Pilli geführt worden zu sein, der drei Commedia-Handschriften unterzeichnete (cf. Bertelli 2006, 80, Fn. 11; cf. auch Marchesini 1890a, 21). Es werden ins 

50 Marchesini (1890b, 26–27), nennt weitere sieben Handschrift mit unsicherer Zuschreibung. Cf. Marchesini (1890a, 19). 51 Bertelli (2006, 90:) «Francesco di ser Nardo si prestenta come un tipico copista di professione, i cui prodotti mostrano di essere destinati ad un mercato librario particolarmente ristretto, ad un pubblico esclusivo ed elitario. La sua straordinaria attività, che coinvolse numerosi copisti, artisti ed artigiani della Firenze primo trecentesca, testimonia non soltanto un livello di produzione manoscritta tra i più significativi di tutto il tardo Medioevo, ma anche il primo espempio di un’officina scrittoria abilmente organizzata e molto attenta alle sollecitazioni di una clientela all’avanguardia. Tuttavia, alla sua opera di promotore e divulgatore di cultura non sembra potersi ascrivere, almeno allo stato delle attuali ricerche, alcuna testimonianza per la storia della tradizione dei testi in lingua latina». 52 Die Bezeichnung geht auf eine Anekdote von Borghini zurück, der schrieb, dass «gli scrittori di que’ tempi furono per la maggior parte persone che ne teneano bottega aperta, et vivevano di scrivere i libri a prezzo, et si conta d’uno che con cento Danti ch’gli scrisse maritò non so quante sue figliuole, et di questo se ne trova ancora qualchuno, che si chiamano di que’ del cento, et sono ragionevoli ma non però ottimi», zitiert nach Bertelli (2006, 80, fn. 9): cf. jedoch auch Vincenzo Borghini, Lettera intorno a’ manoscritti antichi, (1995, 21).

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

gesamt zwanzig Dante-Handschriften gezählt, die aus dieser Werkstatt stammen, wobei nur eine davon nicht die Commedia überliefert (cf. Pomaro 2007, 274). Pomaro hat den Hauptschreiber der Werkstatt auch in Akten der Statuten des Capitano del Popolo identifizieren können, die in das zweite Viertel des 14. Jahrhunderts (genauer in die Jahre 1322–25) datiert werden.53 Der Hauptschreiber von K kann also zu Recht in den Umkreis von ser Francesco da ser Nardo eingeordnet werden, allerdings nicht in dieselbe Werkstatt. Vielmehr wurde die Handschrift vom Hauptschreiber der «Danti del Cento» geschrieben, der zum damaligen Stand der Untersuchungen noch nicht eigens identifiziert wurde. O hingegen wird dem Umkreis der «Danti del Cento» zugeschrieben, allerdings erlaubt erst ein genauer Schriftvergleich mit den verschiedenen Schreibern der Werkstatt und den mittlerweile als eigenständig angesehenen Werkstätten des copista di Lau, copista di Vat, copista di Parm und copista di Ash eine gesicherte Zuordnung.54 Der «copista di Lau» ist ebenfalls im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts tätig, wie die beiden bereits genannten Werkstätten, und produzierte mindestens fünf Commedia-Handschriften und eine weitere volkssprachliche Handschrift, nämlich eine Abschrift der Storia di Troia von Guido delle Colonne. Auch seine Handschriften sind mit Miniaturen ausgestattet und weisen auf ein ähnliches Publikum hin wie das der beiden anderen Werkstätten (cf. zum «copista di Lau» insbesondere Bertelli 2011; Tonello 2013). Alle drei Schreiber sind aufgrund ihrer zahlreichen Abschriften der Commedia bekannt, sie haben jedoch alle drei auch andere volkssprachliche Texte kopiert. Die Vita Nuova-Handschriften K, O und L3 scheinen in einem Umkreis entstanden zu sein, in dem literarische Bestseller gefertigt wurden, aber auch Studienwerke, wie die Handschrift Pal. 449 belegt. Die Ausfertigungen der anderen bekannten Handschriften, die von den drei Berufsschreibern verfasst wurden, unterscheiden sich von den Vita Nuova-Handschriften jedoch vor allem durch den reichen Buchschmuck, der die Kosten für die Anfertigung der jeweiligen Handschriften und den Kaufpreis in die Höhe trieb. Die Vita Nuova-Handschriften scheinen bewusst bei bekannten Schreibern in Auftrag gegeben worden zu sein, allerdings sollte ein billigeres Exemplar entstehen. Dies veranlasst zu zweierlei Spekulationen: entweder handelte es sich um dasselbe Publikum, das bereits eine

53 Pomaro (2007, 275:) «Questa mano principale del Cento è senza alcuna ombra di dubbio rintracciabile nella complessa unità archivistica ASF, Statuti del Comune di Firenze 5; unità che contiene, in raccolta frammentaria, gli Statui del Capitano del Popolo secondo la recensione del 1322, con vario e diverso rapporto, nelle diverse sezioni interne, con gli emendamenti successivi del 1324». 54 Da ich erst zu einem späteren Zeitpunkt meiner Forschungsarbeit mit dem Problem der Schreiberzuordnung konfrontiert wurde, konnte ich einen Schriftvergleich vor dem Original der Handschrift nicht vornehmen und ordne O grob dem Kreis der «Danti del Cento» zu.

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

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Commedia-Handschrift erworben hatte und nun seine Bibliothek um einen Canzoniere erweitern möchte (so im Fall von L3 und K) ohne gleich ein Prachtexemplar zu wünschen (O), oder es handelt sich um ein neues Publikum, das die bekannten Dante-Schreiber gewählt hat, gerade weil es an einem Dante-Text interessiert war, aber keine so kostspielige Handschrift in Auftrag geben wollte bzw. konnte. Von den drei Exemplaren, die in Schreibwerkstätten entstanden sind, überliefern zwei den vollständigen Text der Vita Nuova, während eine Handschrift, mit den Kanzonen der Vita Nuova beginnend, einen thematischen Schwerpunkt auf Liebesdichtung legt und neben Dante (14 Kanzonen), Petrarca (5 Kanzonen und 39 Sonette) und Boccaccio (eine Ballade), die in Versform ausgeführten Briefe «Heroides» von Ovid in italienischer Übersetzung präsentiert. Die beiden anderen Exemplare, in denen die Vita Nuova in ihrer dreigliedrigen Form überliefert wird, können kaum miteinander verglichen werden, weil O nur als Fragment überliefert ist und die Handschrift keine Nummerierung besitzt oder sonstige Hinweise auf die verlorenen Teile gibt. K hingegen ist ein umfangreicher Canzoniere, in dem die Vita Nuova der einzige Prosatext unter 540 Texten von 62 Autoren ist. Der DanteText fällt nicht nur durch die andere Seiteneinrichtung auf, sondern hebt sich auch durch den Umfang von rund 20 Blättern von den Gedichten der anderen Autoren ab. Es lässt sich keine Typologie der Vita Nuova-Überlieferung durch die Berufsschreiber charakterisieren, da jede Handschrift als Auftragshandschrift den Anforderungen des Klienten entsprach und ein Unikum darstellt.

2.5.1.2 Juristen: Schreiber und Kenner der Vita Nuova Sechs der Vita Nuova-Handschriften wurden von Juristen und Notaren geschrieben, wobei es sich jedoch um sehr unterschiedliche Zeugnisse handelt.55 Der Canzoniere von Nicolò de’ Rossi, in dem vielleicht auch Francesco da Barberino autograph vertreten ist, soll im Abschnitt über die Dichter als Schreiber verhandelt werden, während hier die Handschriften Mm2, Mm5, E, Mc und Gc im Vordergrund stehen. In allen Fällen handelt es sich um die Abschrift einzelner Gedichte der Vita Nuova, wobei Mm2, Mm5 und Gc jeweils nur ein Gedicht überliefern, während E und Mc acht bzw. 12 Gedichte der Vita Nuova überliefern. Vier dieser Handschriften bezeugen die sogenannte ‘extra-vagante’ Überlieferung der Vita NuovaGedichte vor ihrer Eingliederung in das libello, während Mc sowohl Gedichte der ersten als auch der zweiten Redaktion überliefert.56 Alle Schreiber kommen mit 55 Zur Bedeutung der Juristen als Schreiber siehe auch De Robertis (2010), die die Einflussnahme der notariellen Schreibkultur im Florenz der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts untersucht hat. 56 E überliefert die folgenden Gedichtblöcke: XIX, XIII; XVII; XVIII; X, VIII; XXIV; XII; Mc hingegen: XIX, XIII, IX, VIII, II; V; XIV, XV; XXV, XXVIII, XXVII; X.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Bologna in Berührung: Mm2, Mm5, Gc und Mc wurden in Bologna geschrieben (letztere von einem Juristen aus Pistoia), während die drei Schreiber von E Nummerierungssysteme benutzen, die ebenfalls in Bologneser Akten zu finden sind.57 Für wen nun schrieben diese Juristen die Vita Nuova-Gedichte? Während Mm2 und Mm5 die Gedichte nicht aus vorwiegend literarischen Gesichtspunkten, sondern vielmehr aus juristischen Gründen in Gerichtsakten kopierten, so handelt es sich bei den drei anderen Handschriften um umfangreiche Canzonieri, in denen die Vita Nuova-Gedichte eine bestimmte Rolle einnehmen. Die Gedichte werden nicht chronologisch, werkchronologisch oder in, einzelnen Autoren gewidmeten, Blöcken präsentiert, sondern scheinen durch intertextuelle Bezüge zu den beigeordneten Texten in die Gedichtanthologien eingeordnet worden zu sein. Die Gedichte von E wurden durch den Schreiber in einer zweiten Redaktionsphase neugeordnet, so dass nun ein Vita Nuova-Gedicht Amor e’l cor gentil den Gedichtzyklus eröffnet. In Gc ist die Vita Nuova nur mit Donne ch’avete vertreten, während weitere zehn Dante-Kanzonen folgen. Auch in Mc werden die Gedichte der Vita Nuova mit Gedichten von Cino da Pistoia thematisch als Exilliebeslyrikband präsentiert und Cinos Gedichte scheinen quasi auf die Vita Nuova-Gedichte zu antworten. Es lassen sich zwei Hypothesen als Antwort auf die oben gestellte Frage nach der Leserschaft der Juristenhandschriften formulieren: einerseits könnte man annehmen, dass die Juristen in ihrer Funktion als Schreiber für die Anfertigung von Auftragshandschriften herangezogen wurden und die Aufgaben von Kopisten von Vorlagehandschriften erfüllten. Dafür spricht die mögliche Einflussnahme von Cino da Pistoia im Fall von Mc (cf. Marrani 2009, 160–161) und Nicolò de’ Rossi im Fall von Gc, während die Schreiber von E keinen starken Auftraggeber hinter sich stehen zu haben scheinen (zu Gc cf. Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter). Die Neuordnung der Gedichte lässt vielmehr mehrere Redaktions- und Korrekturphasen aufleuchten und zeichnet E selbst als Arbeitshandschrift für die Anfertigung neuer Gedichtanthologien aus. Das führt zur zweiten Hypothese: man könnte, von E ausgehend, annehmen, dass die Schreiber der Juristenhandschriften über eine größere editorische und kuratorische Freiheit verfügten als beispielsweise die Schreiber von aufwendigen Auftragshandschriften einer Schreibwerkstatt. Die Überarbeitung der Handschrift E zeugt davon, dass die Handschrift für den Eigenbedarf angefertigt wurde

57 De Robertis (2009, 38): «Tutte e cinque le mani appartengono ad uno stesso ambiente professionale, quello notarile […]. Il confronto con la documentazione notarile di quella zona tutto sommato graficamente omogenea costituita dall’area padano-veneta e dall’alta Toscana con al centro, non casualmente, Bologna dimostra che in α e β è possibile riconoscere due notai che si sono formati e hanno definito il loro stile professionale più o meno nello stesso momento, direi non più tardi degli anni 70 e 80 del Duecento».

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

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und auch genutzt wurde. Mit den zwei Abschriften in den Memoriali Bolognesi haben diese drei Handschriften gemeinsam, dass die Schreiber aller dieser Handschriften Kenner der zeitgenössischen Literatur waren, die nicht bloß Gedichte namenhafter Autoren, chronologisch oder nach Textgattung geordnet, kopierten, sondern die intertextuellen Bezüge der überlieferten Gedichte bewusst in ihren Handschriften vorstellten, diese überarbeiteten, korrigierten und neu ordneten. Dabei scheinen die Canzonieri nicht an ein bestimmtes Publikum gerichtet zu sein, insbesondere E scheint für den Eigengebrauch hergestellt worden zu sein, wie die Neuordnung der Gedichte durch den Schreiber belegt. Grundsätzlich sei festgehalten, dass eine starre Trennung von Ständen und Berufen hinsichtlich der Rezeption der Vita Nuova aufgebrochen werden sollte, weil einerseits die Juristen Zeugen eines weiten literarischen Interesses sind und gleichzeitig Dichter belegt sind, die nicht nur die Überlieferung der Vita Nuova vorantrieben, sondern ihren Lebensunterhalt als Notare verdienten. Jüngst wurde die Schreibaktivität der Notare und Juristen durch die Herausstellung der sogenannten bureaux notarili beschrieben, die die Schreibaktivitäten der Juristen neu definieren und den Werkstätten der Berufsschreiber gleichstellt (cf. Ceccherini/De Robertis 2015). Für das Verständnis der mittelalterlichen Dichtung müsste die Rolle der Juristen in der Verbreitung und Interpretation von volkssprachlichen Texten stärker berücksichtigt werden, was durch die Erweiterung des semantischen Feldes neue Interpretationsmöglichkeiten eröffnet. Während die monastische Ausbildung und Mobilität für die philosophische Wissensverbreitung und -vernetzung berücksichtigt wurde, fehlen vergleichbare Untersuchungen aus literaturwissenschaftlicher Perspektive (hier sei auf Mastrominico 2017 verwiesen, der ein einleitendes Kapitel zur Beziehung von Dichtung und Recht vorstellt).

2.5.1.3 Dichter und Schreiber Die Namen Boccaccio, Petrarca, Cino da Pistoia, Nicolò de’ Rossi, Antonio Pucci und Francesco da Barberino werden mit der Produktion der Vita Nuova-Handschriften im 14. Jahrhundert verbunden. Francesco Petrarca wird zwar inzwischen nicht mehr als Schreiber von L2 angesehen, wie noch die sensationelle Zuschreibung von Palermo in der Mitte des 19. Jahrhunderts proklamierte, und Cino da Pistoia kann auch nur als Auftraggeber oder Kurator der Handschrift Mc vermutet werden (cf. Palermo 1858). Dennoch kann zumindest davon ausgegangen werden, dass sich sowohl Petrarca als auch Cino, letzterer direkter, mit der Vita Nuova auseinandergesetzt haben und vermutlich über eine Vita Nuova-Handschrift verfügten. Ob sie allerdings auch in die Verbreitung des Werkes involviert waren, lässt sich nicht abschließend feststellen, Petrarca jedenfalls scheint keine Dante-Handschrift verfasst zu haben.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Es bleiben weitere vier Handschriften und vier Dichter übrig, die an ihrer Produktion aktiv mitgewirkt haben. Boccaccio sticht mit seinen zwei Autographen (To und K2) und der Neuordnung des Textes der Vita Nuova und eine Kanonbildung hervor. Auch Nicolò de’ Rossi wird mit zwei Handschriften in Verbindung gebracht, B1 und Gc, allerdings handelt es sich in keinem der Fälle um vollständige Autographen, wie To und K2. In B1 ist Nicolò de’ Rossi einer von vier Schreibern, der auf insgesamt 11 von 104 Blättern, in drei Blöcken über die Handschrift verteilt, zur Feder greift. Seine Beteiligung an der Zusammenstellung von Gc scheint aufgrund der großen Übereinstimmung in Auswahl und Reihenfolge der Gedichte mit B1 einleuchtend. Doch kann Nicolò de’ Rossi nicht direkt für die Zusammenstellung der Gedichtanthologie von Gc verantwortlich gemacht werden, vielmehr mag der Schreiber auf eine Abschrift von B1 zurückgegriffen und dieser die Kanzone Gianotto io agio hinzugefügt haben. Wie auch Boccaccio in To und K2 als Autor der Dante-Vita, Kommentator der Commedia, mit den Argomenti, und Schreiber der gesamten Handschrift vertreten ist, so erscheint auch Nicolò de’ Rossi in B1 sowohl als Autor, Kommentator und als Schreiber, der einen lateinischen Selbstkommentar zu seiner Kanzone Color di Perla unterzeichnet und als Kurator der Handschrift für die Zusammenstellung eines umfangreichen Canzoniere mit miszellanen Einfügungen wie verschieden sprachige Briefbeispiele verantwortlich ist (ein altfranzösischer Brief von Isolde an Tristan, f. 13r°-v° und ein ps.-aristotelischer lateinischer Brief an Alexander, f. 41r°-45r°, letzterer von Nicolò de’ Rossi geschrieben). Der Anspruch der beiden Dichter in der Verbreitung der Vita Nuova ist jedoch sehr unterschiedlich, zumal Boccaccio mit seinen zwei Autographen die Vita Nuova in eine Reihe von Dante-Texten stellt, gleichzeitig aber auch mit K2 die Vita Nuova im Licht der Florentiner Lyrik beleuchtet. Der Text wird durch die eigens verfasste Dante-Vita eingeleitet und nimmt in den Boccaccio-Handschriften als erster Dante-Text eine herausragende Rolle ein. Die Herauslösung der Commedia in K2 belegt zudem einen veränderten Umgang Boccaccios mit dem lyrischen Material von Dante, das er in K2 mit Gedichten von Cavalcanti, Petrarca und seiner selbst präsentiert. In beiden Boccaccio-Autographen wird die Vita Nuova jedoch in ihrer vollständigen, neugestalteten und gegliederten Form überliefert. Nicolò de’ Rossi hingegen fügte in seinen Canzoniere zehn Vita Nuova-Gedichte in fünf Blöcken ein, die von zwei unterschiedlichen Schreibern ausgeführt wurden. Zwar eröffnet Donne ch’avete die Sequenz von Dante-Kanzonen in B1, aber die Kanzonen der Vita Nuova wurden nicht gemeinsam überliefert, so dass sich Gli occhi dolenti an 12. Stelle nach Le dolci rime befindet. Der Kanzonen-Teil wurde nicht eigens betitelt und setzt sich auch sonst nicht von dem restlichen Canzoniere ab. Im SonettTeil werden die Gedichte der Vita Nuova ebenfalls nicht gesondert gekennzeichnet und insgesamt nimmt Dante im Canzoniere eine untergeordnete Rolle ein, ver-

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2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

gleicht man die Zahl von 30 Dante-Gedichten mit dem letzten Teil, der Nicolò de’ Rossi gewidmet ist und 75 Gedichte von ihm überliefert. Während man bei To und K2 von einem regelrechten Editionsprojekt ausgehen kann, so scheint B1 als Canzoniere für Studienzwecke, gewissermaßen als ein Notizbuch eines Dichters, konzipiert worden zu sein. Die Beteiligung von Francesco da Barberino an der Herstellung von B1 ist nicht gesichert, und die Hypothese der Zusammenarbeit der beiden Dichter scheint zunächst einladend und einleuchtend.58 Streitpunkt ist die Zeichnung auf f. 63v°, die seit 1984 Francesco da Barberino zugeschrieben wird.59 Sie schließt ein kurzes Exzerpt aus dem Trionfo dell’Amore von da Barberino (f. 62v-63v°) ab, das im Anschluss an Cavalcantis kommentierter Kanzone Donna me prega und vor dem Sonett-Teil in den Canzoniere eingefügt wurde.

B1, 63v°, Detail © Biblioteca Apostolica Vaticana

58 Es ist nicht auszuschließen, dass ähnliche Dokumente eine Zusammenarbeit belegen, wie die Dokumente, Diplomatico, Normali, Firenze, (Santissima Annunziata, Santa Maria Novella etc.), des Florentiner Staatsarchivs, in denen Lapo Gianni und Francesco da Barberino, beide z. T. autograph vertreten, in den Jahren 1297 bis 1301 als Notar des Bischofs und als Notar der Stadt Florenz zusammenarbeiten. Cf. dazu Azzetta (2015, 64–65). 59 Boskovits (1984, 191, Fn. 13): «On the other hand, he (Francesco da Barberino), may have been the author of the drawings in a third Ms. of the Documenti d’Amore, also in the Vatican Library (Barb. Lat. 3953), which are of a really amateurish level».  

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

In der berühmten Kanzone Io non descrivo in altra guisa amore stilisiert sich Francesco da Barberino als Maler – dipintor – , der eine Amor-Figur zeichnet und mit bestimmten Attributen versieht. Im Gedicht kommentiert er die Wahl des Alters, die einzelnen Attribute von Pferd und Reiter und scheint gewissermaßen Dantes Appell aus Kapitel XVI der Vita Nuova, Allegorien auszulegen, umzusetzen. In B1 wurde dem Gedicht, hier von H2 geschrieben, eine Zeichnung, vielleicht von Francesco da Barberino selbst verfasst, beigefügt, die den Anweisungen des Gedichtes folgt. Interessanterweise scheint somit auch Francesco da Barberino als Autor und Kommentator in B1 aufzutreten, der dann, den Zeichnungsanweisungen seines Gedichtes getreu, die Handschrift mit einer einzigen Illustration versieht. In den Handschriften der Documenti d’Amore finden sich weit aufwendigere farbige Miniaturen, die vermutlich nicht wie früher angenommen aus der Hand von Francesco da Barberino stammen, sondern von einem Berufsminiator angefertigt wurden.60 Die beiden Handschriften der Documenti d’Amore öffnen beide mit einer Miniatur, die Amor, auf dem Pferd reitend, darstellt, sich jedoch in der Komposition und Ausführung von der Zeichnung stark unterscheiden.61 Lässt man Francesco da Barberino als Miniator der Documenti d’Amore gelten – Sapegno spricht von ihm als Erfinder der Miniaturen –,62 so ergibt sich folgendes Bild: entweder

60 Es wird angenommen, dass die Miniaturen in ms. Barb. lat. 4077 von einem Schüler des ‘Maestro del Codice di San Giorgio’ ausgeführt wurde. Zu den Miniaturen in diesen Handschriften BAV, ms. Barb. lat. 4076 und ms. Barb. lat. 4077 cf. Egidi (1902, 1–20; 78–95); Degenhart/Schmitt (1968); Petrucci (1989); Nardi (1993); Supino Martini (1996); Frojmovic (1994); MacLaren (2007); Schmid (2014; 2015) und die Editionen Francesco da Barberino (2008–2011; 2016). 61 Lega (1905, XXIII-XXIV): «la prima (parte) contiene unicamente canzoni e si chiude con la pagina 126 (63v°), nella quale è la rappresentazione allegorica, seconda la nota invenzione di Francesca da Barberino, del Trionfo d’Amore. Fn. 2: ‹Cotesta rappresentazione qui non è miniata, ma solamente disegnata a penna. Vi si osservano alcune differenze con la miniatura del codice Vat. barb. lat. 4076, autografo dei Documenti (c. 99a). In questo il cavallo a la fronto rivolta a destra, qui invece a sinistra; cosi pure è invertita la posizione di Amore. Inoltre nel nostro codice Amore lascia un solo dardo da sinistra a destra, tre invece nella miniatura in senso contrario. Differenze rilevanti si notano anche nelle vesti, negli atteggiamenti e nella distriubzione dei personaggi; essi sono nell’autografo tutti sullo stesso piano in basso, disposti invece su tre piani nel nostro disegno, forse per necessità di spazio: uno in alto, dal lato sinistro del cavallo, sei al piano secondo e sette al terzo; in ambedue le rappresentazioni però è la coppia degli amanti che si baciano. Il disegno à in più un contorno di fogliame che lo chiude; esso diramandosi da un ceppo posto in mezzo del lato inferiore, a’ piedi de’ due amanti, si ramifica anche fra i personaggi. Quanto ai versi detti dalle singole persone, essi sono trascritti prima, alla p. 125, nel nostro codice; stanno invece a pie’ della miniatura nell’autografo, racchiusi in tanti rettangoli contigui, meno quelli detti da Amore, che sono in alto al suo lato destro in un cartello bianco». 62 Sapegno (1938, 123): «Tutto il libro poi s’adorna di belle miniature, nelle quali, sui disegni dell’autore stesso, son rappresentate le principali personificazioni introdotte nel testo».

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

127

stammt die Zeichnung auf f. 63v° nicht von Francesco da Barberino, oder es handelt sich um eine Skizze, die vor der Redaktion und Anfertigung der Documenti d’Amore entstanden ist, wie es Zenatti vorschlägt.63

BAV, ms. Barb. lat. 4076, 1r°, Detail © Biblioteca Apostolica Vaticana

BAV, ms. Barb. lat. 4077, 1r°, Detail © Biblioteca Apostolica Vaticana

Nun stellt sich die Frage, ob und wenn ja, wann die beiden Dichter an der Handschrift arbeiten konnten. Francesco da Barberino hat, laut Federigo Ubaldini, 1308 an Fresken für den Bischofssitz in Treviso gearbeitet und Nicolò de’ Rossi hätte ihn dort in jungen Jahren kennenlernen können, auch wenn eine spätere Zusammenarbeit in den zwanziger Jahren in Venedig vielleicht wahrscheinlicher ist.64 Es ist auch fraglich, weshalb Francesco da Barberino in der Handschrift

63 Zanetti (1901, 59–60): «Il Barberino, che alle sue ‹immaginazioni› teneva moltissimo, dovette divulgarlo quanto più gli fu possibile; pure, benchè egli si compiaccia che molti abbiano voluto dipingerlo e averlo [il Trionfo d’Amore, MdME] la fortuna non fu grande, se si pensi che non ci è pervenuta alcun’altra riproduzione completa di esso […]. Vero è, che troviamo il Trionfo del Barberino anche nella raccolta di rime messe insieme nella prima metà del trecento dal poeta trivigiano Nicolò de Rossi, pur egli ad un tempo uomo di leggi e rimatore come il Nostro, che nella giovinezza aveva ben potuto conoscere nella sua Treviso e vederlo intento a decorare la sala del tribunale vescovile; ma nella riproduzione di Nicolò mancano le chiose, e il disegno è appena schizzato, con le figura in tre piani e altrimenti ordinate, onde è lecito sospettare che derivi, forse, anziché dalla copia definitiva dei Documenti, da un precedente abbozzo del Trionfo». 64 Zenatti (1901, 60). Federigo Ubaldini berichtet in seiner Vita in der Edition von 1640 der Documenti d’Amore von dem Treviso-Aufenthalt, ohne Seitennummerierung: «Anco i disegni restarono testimonj delle fatiche della sua penna, allora che di maggior’ ozio abbondava. di questi se ne rimirarono alcuni nell’originiale de’ Documenti d’amore fin al di d’oggi. quelli poi, che testifica d’hauer fatti in vn Digesto, in vn libro di Salmi e nel Regimento e costumi delle donne, sono stati

128

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

«nur» als Zeichner vertreten ist. Obwohl Francesco da Barberinos Autorschaft der Miniaturen der Documenti d’Amore angezweifelt wird, war er als Miniator und Kurator von Miniaturen bekannt, was seine Rolle in B1 erklären könnte. 2003 wurde zudem das sogenannte Officiolum mit zahlreichen Miniaturen von Francesco da Barberino wiederentdeckt, das in die Jahre 1304 und 1309 datiert wird und unter 54 Miniaturen auch die älteste Darstellung von Dantes Inferno enthält (cf. Sutton 2005). Nun schlug Zenatti vor, dass die Zeichnung in B1 aufgrund der Divergenzen in Komposition und Ausführung zu den Miniaturen, aber vor allem aufgrund der Abwesenheit der chiose und der ersten Redaktion des Gedichts Io non descrivo, auf eine die Miniaturen und Edition der Documenti d’Amore vorbereitende Skizze zurückgehe. Damit würde die Herstellung von B1 in die Jahre um 1308 bzw. 1320 vordatiert werden. Nicolò de’ Rossi könnte Francesco da Barberino gerade aufgrund seines Ruhms als Miniator gebeten haben, für seinen Canzoniere auch eine Zeichnung anzufertigen. Es scheint jedoch äußerst unwahrscheinlich, trotz aller Freundschaft, die zwischen Nicolò de’ Rossi und Francesco da Barberino geherrscht haben mag, dass die Zeichnung von Francesco da Barberino als Vorgeschmack auf seine Documenti d’Amore angefertigt wurde und er diese Zeichnung mitten im Codex, innerhalb einer Lage, ausgeführt hat. Vermutlich können die Unterschiede zu den Miniaturen der Handschriften Barb. lat. 4076 und 4077 dadurch erklärt werden, dass die Zeichnung aus dem Gedächtnis von einem Amateurzeichner angefertigt wurde. Es kann davon ausgegangen werden, dass Nicolò de’ Rossi mit dem Werk von Francesco da Barberino vertraut war und eventuell sogar eine der Miniaturen gesehen hat. Die Zeichnung kann jedoch auch aufgrund der Anweisungen des Gedichts unabhängig von jedweden Vorlagen angefertigt worden sein. Es bleibt zu klären, wer die Zeichnung angefertigt hat, wenn sie nicht aus der Hand von Francesco da Barberino stammt, was zwei Möglichkeiten eröffnet. Entweder handelt es sich um einen Schreiber, der in B1 schriftlich vertreten ist, oder um eine neue Hand. Letzteres scheint jedoch aufgrund der unprofessionellen Ausführung kaum einleuchtend, da eine solche Zeichnung sicherlich auch von einem der bereits an der Anfertigung der Handschrift beteiligten Schreiber ausgeführt werden konnte, weshalb sollte daher ein weiterer nichtprofessioneller Zeichner hinzugezogen werden? Schließt man Francesco da Barberino und einen Unbeteiligten aus, so bleiben nur H2, der Schreiber der Kanzone Io non descrivo oder Nicolo’ de Rossi selbst als Urheber der Zeichnung übrig. H2 könnte auf Anweisung von Nicolò de’ Rossi gehandelt haben oder der Kurator der

dall’età consumati. Ordinò altresì in Trevigi secondo il suo disegno la pittura della Giustizia, della Misericordia, e della Coscienza nella sala del Vescouado, perche quegli, che quiui giudicaua, hauesse alle dipinte cose particolar riguardo».

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

129

Handschrift selbst ist für die Zeichnung verantwortlich. Diese verweist dadurch als Beispiel für das Zusammenspiel von Text und Bild, aber auch als Beispiel von Allegorie und Allegorese, Text und Kommentar auf die Documenti d’Amore. Sie hebt die zwei lateinischen Kommentare zu volkssprachlicher Dichtung, nämlich Nicolòs Selbstkommentar zu Color di perla (f. 14r°-17v°), Dino del Garbos Kommentar zu Cavalcantis Kanzone Donna me prega (f. 53r°-62r°) und den Verweis auf Francesco da Barberinos Selbstkommentar Documenti d’Amore, die hier durch die Präsenz der Kanzone und Illustration (auf f. 62r°-63v°) vertreten, als geeigneten Umgang mit volkssprachlicher Dichtung hervor. Während die Dichter und Schreiber der Handschriften B1, K2 und To – Nicolò de’ Rossi, Francesco da Barberino (?) und Giovanni Boccaccio – selbstständig mit dem Material umgehen und es gestalten, treffen wir mit Antonio Pucci auf einen Dichter, der zwar auch eine Handschrift für eigene Studienzwecke anfertigt (wie Nicolò de’ Rossi), sich in der Abschrift der Vita Nuova jedoch explizit auf die Boccaccio-Edition bezieht und auch die Dante-Vita getreu von Boccaccio überliefert.65 Der erste Teil der Handschrift (f. 1r°-43r°) scheint der Textzusammenstellung von Boccaccio in K2 zu entsprechen, wo jedoch die Vita in der zweiten Redaktion, aber auch in Anschluss an die Vita Nuova Cavalcantis Donna me prega (dort mit Kommentar) überliefert wird. Die anderen Co-Texte des zweiten Teils der Handschrift R, scheinen z. T. auf der Boccaccio-Edition von K2 zu beruhen, weil auch hier ein Petrarca-Teil zu finden ist, der in K2 215 Gedichte umfasst, während in R nur 26 Gedichte überliefert werden. Es werden in R jedoch eine Reihe von Autoren überliefert, die in keinem der bisher genannten Canzonieri vertreten sind und Antonio Pucci als Kompilator der Handschrift hervortreten lassen: so finden sich Gedichte von Niccolò Soldanieri, Giannozzo und Franco Sacchetti, Paolo dall’Abaco und Angelo Torini. Auch Antonio Pucci selbst war in dem verschollenen Teil als Autor mit dem Gedicht Ben ch’i conosca vertreten. Der zweite Teil der Handschrift umfasst eine Sammlung von sehr unterschiedlichen Texten, die zum Teil Dante gewidmet sind, wie die Gedichte über die Commedia auf f. 86r°-111r°, eine Zusammenfassung des Paradiso, ein kurzer lateinischer Text über die Himmelssphären, eine Abhandlung über die Dauer von Dantes Vision und eine Abschrift von Dantes Brief n° VII, zum anderen Teil verschiedene lateinische und italienische Kurztexte überliefern. Dabei handelt es sich um Exzerpte klassischer Autoren (wie Vegetius, Sallust und Augustinus, Valerius Maximus und Trogo Pompeo), eine nota über Cecco d’Ascoli, aber auch ein Traktat über die Bedeutung der Edelsteine (ein ähnliches ist auch in M überliefert) und die Rede «Hora 

65 Siehe zu Puccis Aktivität als Stadtschreiber Crimi (2013), der die im Staatsarchiv überlieferten autographen Dokumente von Pucci übersichtlich aufführt.

130

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

zione al re di napoli». Dieser Teil wurde im 15. Jahrhundert zu Antonio da Puccis Zibaldone gebunden, wahrscheinlich aufgrund des Dante-Schwerpunktes des ersten Teils. Antonio Pucci stellte 1362–63 einen zweiten Zibaldone zusammen, der in der Handschrift Laurenziano Tempi 2 überliefert ist, und u. a. Exzerpte von Brunetto Latini, Marco Polo, Guido da Pisa und Andrea Cappellanos De Amore beinhaltet (cf. Crimi 2013, 265). Dieser Zibaldone wurde von Vàrvaro 1957 veröffentlicht). Dieser zweite Zibaldone wurde an Giovanni Benci vererbt, der eventuell auch für die Zusammenfügung der zwei Teile von R verantwortlich ist (cf. Tanturli 1978, 203–205). Zwei weitere Handschriften, die von Antonio Pucci geschrieben wurden, wurden jüngst von Marco Cursi in den Handschriften BNCF, ms. Magl. VII 1052 (Tesoretto von Brunetto Latini) und Biblioteca dei Lincei e Corsiniano ms. 44 F 26 mit einer Commedia-Abschrift identifiziert (cf. Cursi 2010; 2014c; 2015). Die Erklärung, die Banella formuliert hat, dass Antonio Pucci auf K2 zurückgreife, weil auch hier die Commedia gesondert überliefert werde, und deshalb R keine Abschrift der Commedia beigefügt wurde, muss vor diesem Hintergrund neu betrachtet werden, und die Commedia-Abschrift auch in die Chronologie der PucciHandschriften eingeordnet werden. Vermutlich hatte Antonio Pucci Zugang zu einer kompletten Abschrift der Boccaccio-Edition K2, in der auch die Commedia überliefert wurde, oder war mit beiden Boccaccio-Editionen vertraut und konnte auf eine Abschrift von To und somit der ersten Redaktion der Vita di Dante zurückgreifen. Die Einfügung des Cavalcanti-Gedichtes und des Petrarca-Teils würde dann aus seiner Kenntnis der Edition K2 stammen. Grundsätzlich jedoch ist zu R festzuhalten, dass es sich um eine Handschrift handelt, die anders als der Zibaldone Laurenziano Tempi 2 keine reine Exzerptsammlung ist und nicht nur für Studienzwecke angefertigt wurde, sondern vermutlich in mehreren Phasen entstanden ist. Zunächst war eine Abschrift der Boccaccio-Edition geplant, die dann jedoch unterbrochen bzw. abgebrochen wurde, so dass in einer zweiten Phase die Handschrift zu einem Notizbuch umfunktioniert wurde, in dem Pucci einen Canzoniere und die Kurztexte festhielt. Die unterschiedlichen Ausführungen und Überlieferung der Vita Nuova durch die Schreiber des 14. Jahrhunderts können nicht nur aufgrund der Beweggründen passione und prezzo erklärt werden, die Branca für die Überlieferung der Boccaccio-Handschriften geprägt hat, sondern scheinen vielmehr auf einer gewollten Verbreitung der Handschrift zu basieren. So können durchaus Abschriften einzelner Gedichte oder des gesamten Werkes erstellt werden, die für den usum proprium fertiggestellt werden und gleichzeitig werden umfangreiche Canzonieri bei Schreibern in Auftrag gegeben, in denen die Vita Nuova-Gedichte nur eine beigeordnete Rolle spielen. Schreiber per passione, wie Boccaccio, können genauso wie Berufsschreiber an der Herausbildung einer graphischen Typologisierung und Standardisierung der Co-Texte interessiert sein und somit die nachfolgende  

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

131

Überlieferung des Werkes maßgeblich beeinflussen, wie die in den Schreibwerkstätten von ser Francesco da ser Nardo da Barberino oder den «Danti del Cento» entstandenen Commedia-Handschriften. Das Interesse von Dichtern an der Vita Nuova ist unumstritten, mit der Beteiligung von Boccaccio, Nicolò de’ Rossi und Antonio Pucci, der möglichen Herausgeberschaft von Cino da Pistoia und eventuellen Beteiligung von Francesco da Barberino, setzt sich die Gruppe von kopierenden Dichtern von den anderen ab, gerade weil sie den Text neugestalten und die Intertextualität zu eigenen Texten oder Genres hervorheben. Diese intertextuellen Bezüge werde ich im Detail im Abschnitt zu der Komposition der Handschriften als Interpretation der Vita Nuova untersuchen. Nimmt man die Zahl der Schreiber als Anhaltspunkt, so kann die Rezeption der Vita Nuova nicht ausschließlich auf Dichter beschränkt werden, wie sie Vallone in seiner Storia della critica dantesca veranschlagte, sondern man muss der Anzahl von Handschriften, die durch die Hand von Juristen tradiert wurden, Rechnung tragen (cf. Vallone 1981, 30). Studien zum Leseverhalten und zu den Beziehungen von Kaufmannswesen, Juristen und Dichtern könnten die Rolle der Juristen für die Überlieferung und Verbreitung der italienischen Literatur neu bewerten. Abschließend möchte ich auf die Hinweise zu Kopieranleitungen, die Dante an mehreren Stellen in der Vita Nuova, bot, zu sprechen kommen. Er gab im Proemio Hinweise zur Rubrizierung und Titelei des Textes, in den Gedichteinleitungen finden sich Hinweise zur Reihenfolge und Betitelung und Gattung der einzelnen Gedichte, eine lateinische Explicitformel gibt das Ende des Textes an. Das Problem der Unterteilung in Kapitel, das aufgrund der Gliederung des Textes in 42 Kapitel durch Barbi und einer Neugliederung von Gorni in 31 Kapitel, ausführlich von Gorni verhandelt wurde, werde ich nicht im Einzelnen behandeln (cf. Gorni 1995). Es sei hierzu bemerkt, dass die Handschriften der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts keine Gliederung aufweisen, etwa in zwei Hälften, wie sie seit der Boccaccio-Edition und Absetzung von Quomodo sedet verwendet werden. Auch die lateinischen Zitate können nicht als Paragraphenmarker identifiziert werden, obwohl ihnen diese Funktion semiotisch durchaus zukommt. Eine Übersicht soll den Umgang mit den Kopieranweisungen in den vollständigen Handschriften des 14. Jahrhunderts verdeutlichen. Es ist auch Boccaccio, der einen italienischen Titel in der Edition K2 einführt, bis zu dem Zeitpunkt war der lateinische Titel «Incipit Vita Nova» gemäß der Angabe im Proemio geläufiger. Explicitformeln sind häufiger in Latein verfasst, als die Titel und schließen oft direkt an Dantes ausleitenden lateinischen Worten an. Nach Boccaccios Edition K2 sind auch italienische Paratexte zu Beginn oder am Ende des Textes zu finden, in denen Aussagen zur Kopiervorlage gemacht werden (R und L). Die Reihenfolge und Unterscheidung der Gattungen in der Überlieferung und Abschrift der Gedichte sind in den Hand-

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

132

schriften weitestgehend sichtbar, es fällt allerdings auf, dass der doppelte Anfang von Era venuta (XXIV) den Schreibern Probleme bereitete und es zu Verlusten der ersten Strophe kam (in E, Ubaldini) oder zu einer Prosaüberlieferung der ersten Strophe direkt im Anschluss an den vorangehenden Abschnitt (K). Abbildung 16: Tabellarische Übersicht zu den Kopieranleitungen (Kursive Hervorhebung für unvollständige und fett für vollständige Überlieferungen). Kürzel Text-

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Amen

XXI,

geben

ragra-

31 Ka-

XXV,

für: XV, phenzei- pitel

XXX

XXI, XXV chen

7

M2

Mc

nach

incipit vita

-

Leerzeile

-

Dante

excplicit liber.

+

-

x

-

+

-

-

-

x

-

+ Tren- -

-

Arlinghieri da Firençe

8

B1

Seiten-

-

Dante

wechsel,

adhig-

nung

Initiale

herij;

nach

Dante

Kano-

Aligieri

nen

133

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

Kürzel Text-

Titel

Rubrik Explicitformel

beginn

9

Ca

-

-

Reihen- Ge-

Ge-

folge

dicht-

dicht-

titel

gattung

da flo-

und So-

renza

netten

-

-

+

x

+

divisioni Kapitel

im Text

Fleuronée-Initialen

10 Ubal- Seitendini

H4: später

-

-

+ (- XI,

-

+ (sie-

-

-

+

-

-

im Text

wechsel hinzugefügt:

XVI, XXI

he Sei-

und hal- Questo e i

und

tenein-

ber Leer- seguenti sono

XXIV,1–

rich-

seite

4)

tung)

di Dante Aldighieri; Questi e i sonetti seguenti sono di Dante Aldighieri

11

L3

erster

Chançonj di

Text

dante alleg-

-

-

x

-

hierj di firenzçe 12 K

im 19. Jahr-

dante

amen. es folgt XXIV, 1– fehlt

+ mit

wechsel hundert von

allag-

ein leeres Blatt 4 als

oder

Wieder-

do mit

und Ini- H7 hinzuge-

hieri

Prosa-

ver-

holung

Para-

text

kürzt: I, der

gra-

II, V, VI, Gat-

phen-

VII, VIII, tung für

zeichen

Seiten-

tiale

fügt «Vita nuova»

IX, X,

XXI,

XI, XII,

XXVI,

XIII,

XXVII;

XVII,

XXXI

Quomo-

XVIII, XX, XXV 13 VnFt

-

-

-

-

+ (es

+

+

im Text

Initia-

fehlt XV,

len bei

12–16)

Appresso

14 O

-

-

-

-

+

unvoll- + ohne im Text ständig ZeilenXIX, XXII

sprung

-

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

134

Kürzel Text-

Titel

Rubrik Explicitformel

beginn

15

S

Reihen- Ge-

Ge-

folge

dicht-

dicht-

titel

gattung

divisioni Kapitel

erster

Incipit il libro -

in secula

Text

della nuova

seculorum.

mit Pa-

te Ini-

uita di dante

amen. Explicit

ragra-

tiale

liber nove vita

phenzei- bei

dantis.

chen

es fehlt I +

+

im Text, minier-

Quomodo

16 L2

erster

-

-

?

x

?

?

-

-

-

x

-

+

-

-

Explicit liber

+

Text 17 Gc

neue

-

Seite 18 To

nach

Incipit uita

ohne

+ (ohne in den

Leer-

noua clarissi-

uite noue uiri

Ge-

Nen-

blatt,

mi uiri dantis

-

Initiale

Margina- und

clarissimi dan-

dichtti- nung

lien, di- Leerzei-

neue La- aligerij floren-

tis aligerii

tel: I, II, der

visione

le vor

ge

poete illustris

VI, X,

zu XXIII

Quomo-

feliciter

XIII un- tung

im TK,

do

tini

Gat-

voll-

bei XXI, im zwei-

stän-

Einfü-

ten Teil

dig:

gungn

vor den

VIII, IX, der

Gedich-

XI, XVI, Gat-

ten

XVIII,

tung

XIX,

bei

XXIII,

XXVII)

XXV, XXVII, XXX 19 K2

schließt Et comincia la -

Qui finiscie la

ohne

ohne

unmit-

uita nuoua di

Ge-

Zeilen- Margina- teilung

dante alighieri

dichtti- sprug,

lien, oh- vor

di firençe

tel: VI,

ne Dan- Quo-

sua uita

telbar an nuoua. Nella Tratta-

quale esso in

tello an, sonetti ballate

nicht

in den

XX, un- ange-

tes Schreib-

nur

e cançoni

voll-

geben

durch

distese di-

stän-

bei XIII, anwei-

Initiale

scriue come di

dig:

XXI,

abgeho- beatrice s’in-

XVI,

namorasse e

XIX,

del suo amore

XXV,

gli accidenti

XXVI

ben

mentre ella visse et

sung zu erfüllen

Unter-

modo

135

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

Kürzel Text-

Titel

Rubrik Explicitformel

beginn

Reihen- Ge-

Ge-

folge

dicht-

dicht-

titel

gattung

divisioni Kapitel

appresso quanta e quale fosse la sua amaritudine dopo la partita di beatrice della presente vita. 20 V

erster

-

-

Text

fine de la uita

+

ohne

fehlt

im Text,

nuoa (moderne

Ge-

XXI,

hervor-

Hand)

dichtti-

gehoben

tel: I, II, VI, VII, VIII, IX, X, XI, XIII, XXX 21 R

Seiten-

spätere Hand: -

H1: Explicit

fehlt: I, nicht

ohne Di- Hervor-

liber uita noue

V, VI,

gra-

visioni

dantis aligerij

VIII, X,

phisch

gen von

dante aldigie-

XII, XIII, hervor-

Appres-

rij

XVI,

geho-

so

XVIII,

ben

wechsel (H3) Vita nuoua di

+

hebun-

XIX, XX, XXII, XXIV, XXVI, XXVII, XXX unvollständig: XXI, XXV, 22 L

erster

Incipit uita

Text

noua clarissi-

uite noue uiri

V, VI,

mi uirui dntis

clarissimi Dan-

XII, XIII, XV, XXI, lien, nur Boccac-

Alleg° Floren

tis allighieri

XV, XX, XXVI,

zu XXIII

cio-Edi-

(tini)

poete illustris

XXVI,

im TK

tion

scripto per lo

unvoll-

modo che llo

stän-

scripse messe-

dig:

-

Explicit liber

+

fehlt: I, fehlt

in den

folgt

bei XIII, Margina- der

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

136

Kürzel Text-

Titel

Rubrik Explicitformel

beginn

Reihen- Ge-

Ge-

folge

dicht-

dicht-

titel

gattung

re giouanni

XVI,

Boccaccio da

XIX,

certaldo pero

XXI,

che dante le

XXII,

chiose che ci

XXVII

divisioni Kapitel

sono mise nel testo e messer giouannij nelle cauo e aconciolle come stanno la cagione assegnauj una chiosa di questo libretto che dice marauiglierannosi 23 Co

Seiten-

-

-

-

x

x

+

-

-

wechsel, Buchschmuck

2.5.2 Die Leser des 14. Jahrhunderts Nachdem die Schreiber der Vita Nuova untersucht und vorgestellt wurden, soll an dieser Stelle den ersten, in den Handschriften belegten Lesern die Aufmerksamkeit geschenkt werden. Untersuchungen zu den Lesern der Vita Nuova sind insgesamt sehr rar und basieren meist auf intertextuellen Bezügen in lyrischen Werken, aufgrund derer die Lektüre der Vita Nuova proklamiert wird. Allein Jelena Todorović hat diesem Thema einen eigenständigen Artikel gewidmet, der jedoch, anders als sein Titel erhoffen lässt, nicht über die Leser der Vita Nuova, sondern über die Handschriften der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts berichtet (cf. Todorović 2013). Laura Banella hat sich mit der Rezeption der Boccaccio-Edition befasst, die auch im Zentrum der Studien von Steinberg und Eisner stehen (jüngst Banella 2014a). Auch die Rezeption und Lektüre der anderen Werke von Dante wird erst seit Neuestem genauer untersucht, wie die wichtigen Forschungsbeiträge in corso zur Handschriften-Tradition der Commedia von Sandro Bertelli zeigen,

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

137

dessen erster Band 2011 erschienen ist und die frühesten 66 Commedia-Handschriften samt Schreiber, Besitzer und Leser untersucht. Das sechsbändige Projekt ist allerdings noch nicht über den zweiten Band hinaus (cf. Bertelli 2016) veröffentlicht worden.66 Studien zur handschriftlichen Verbreitung und frühen Rezeption von Boccaccio und Petrarca wurden in den letzten zehn Jahren vorangetrieben und bereichern das Bild der mittelalterlichen Leser und der Handschriftenzirkulation.67 Einzelne Beiträge zur Rezeption und zu den ersten Lesern der Commedia (cf. Miglio 2001; Gillermann 1988), des Convivio (cf. Azzetta 2001; 2009) und der Monarchia (cf. Cheneval 1995) behandeln punktuell die Überlieferungsgeschichte dieser Werke, meist ohne auf die Rezeption der anderen DanteHandschriften Bezug zu nehmen. Todorović untersucht in ihrem Artikel nur Handschriften, die die dreiteilige Vita Nuova überliefern, und bietet eine Beschreibung der fünf Handschriften K, M, S, und der beiden Fragmente Ca und VnFt. Sie gibt keine Auskunft über die Leser, sondern behandelt allenfalls die Frage nach den Auftraggebern der Handschriften.68 Sie schließt aus der Textzusammenstellung von S, dass der «codex opens with the Vita Nova […] and continues with poetry by various authors (mostly without attribution). This codex was intended, therefore, for a poetry enthusiast» (Todorović 2013, 108). Aus der Materialbeschaffenheit von VnfT leitet Todorović ohne weitere Erklärungen ab, dass diese Handschrift der Vita Nuova (?) für eine private Bibliothek in Auftrag gegeben wurden: «While it is usualy regarded as an important testimony to the Vita Nova’s circulation in central Italy, from the point of view of the present study it is also a useful indicator of the level of circulation of the libello: its provenance from a fair copy executed on parchment informs us of the high respect the person who commissioned the codex had for the Vita Nova, and therefore testifies to the importance the Vita Nova had in private book collections only several decades after its compilation» (Todorović 2013, 111).

Dass ein Kausalzusammenhang zwischen Pergament und Privatsammlungen besteht, ist wenig überzeugend, genauso wenig wie die wiederholte Bezeichnung der Auftraggeber und Rezipienten als «poetry enthusiats», die Handschriften aus

66 Bereits erschienen sind die beiden Bände Bertelli (2011; 2016); siehe aber auch Trovato (2007). 67 Hierzu Caratozzolo/Güntert (2006); Cursi (2013a; 2014b). Zu Boccaccio seien nur Cursi (2013b; 2007) sowie Picone (2002); Anselmi (2013) genannt. 68 Todorović (2013, 104), hebt hervor, dass ursprünglich ein Leerraum nach der Vita Nuova auf f. 27v° gedacht war, wo später Coluccio Salutati Cinos Gedicht niederschreibt. Todorović (2013, 107), geht in ihrer Beschreibung von M von einem Schreiber der Gedichte der Vita Nuova und des vollständigen Textes aus.

138

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Freude am Text in Auftrag gegeben haben.69 Diese Einschätzung ist sehr grob gefasst und wird weder dem Autor der Vita Nuova und der Gedichte noch den Handschriften gerecht, die keine einfachen Gedichtbändchen waren, sondern sehr wohl komponierte und zusammengestellte Werke. Sicherlich waren die Auftraggeber an Poesie interessiert, wir konnten sogar zeigen, dass die juristischen Schreiber der Vita Nuova ausgesprochene Kenner des Textes waren und intertextuelle Bezüge aufgestellt haben, die Frucht einer intensiven Auseinandersetzung mit den Gedichten waren, aber sie mussten keinen amateurhaften und romantisierenden Umgang mit Literatur pflegen, wie der Begriff «enthusiast» suggeriert. Die Lesespuren wurden in den fünf Handschriften bei der Bewertung der Leserschaft der Vita Nuova in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nicht berücksichtigt. Es sind jedoch gerade die Lesespuren, die Aufschluss über die Art der Lektüre und den Umgang mit dem Text erlauben. Dante lud in den Appellstrukturen der Vita Nuova die zukünftigen Leser ein, auf den Text analytisch, exegetisch und poetisch zu reagieren. In den Handschriften der Vita Nuova des 14. Jahrhunderts scheint dieses Projekt auf den ersten Blick gescheitert zu sein, eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass es sehr wohl eine «aktive» Auseinandersetzung mit dem Text gab, dass auf die Gedichte «geantwortet» wurde und dass Dantes Gliederungssystem in einem Teil der Handschriften eine Vorbildfunktion einnimmt. Die Abwesenheit von umfassenden Anmerkungen, Unterteilungen oder gar Kommentaren ist ebenso signifikant wie die fast gänzliche Unterlassung von Einfügungen von neuen Gedichten, die in Bezug zu den Vita Nuova-Gedichten stehen. Die Gedichte werden zwar nach ihrer Gattung durch Paragraphenzeichen und ein System von verschiedenen Initialen, hervorgehobenen Anfangsbuchstaben und Sepiahervorhebungen (gelb hinterlegte Buchstaben) gegliedert, gleichzeitig werden die einzelnen Verse je nach Position der Strophe auf einer Zeile (im Terzett) oder als Paar in den Quartetten geschrieben, es gibt jedoch keine gesonderte Hervorhebung der inhaltlichen Gliederung der Gedichte. Auch wird das Gliederungssystem, das Dante in der Vita Nuova für seine Gedichte anwendet, nicht auf die anderen Gedichte, die in derselben Handschrift überliefert werden, angewendet. Vor allem die Neuordnung des Textes durch Boccaccio und die Heraustrennung der divisioni aus dem Textfluss und ihre «Verbannung» in die Marginalien hat nicht dazu geführt, dass spätere Leser, ähnliche Gliederungen etwa

69 Todorović (2013, 112–113): «certainly attests to the presence of a circle of poetry enthusiasts who cared enough about the libello to have it copied for their library […]. While an analysis of MS Magliabechiano Cl VI 143 (S) leads to the same conclusion that the Vita Nova was read int he context of love poetry, […] the final reader of this copy (M) […] seems to have been an enthusiast of science as much as of poetry».

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

139

für die Gedichte von Petrarca (in K2) oder Boccaccio selbst, oder im Fall des ersten Rezeptionszeugnis der Vita Nuova-Edition von Boccaccio in R – auch in den Gedichten des umfangreichen Canzoniere-Teils vorgenommen haben. Die Spuren der Leser der Vita Nuova sind sehr verhalten: sie kollationieren den Text, korrigieren die Orthographie und dialektale Einfärbungen, sie heben Abschnitte durch Anstreichungen, maniculae und Unterstreichungen hervor bevor sie später (v. a. im 16 Jahrhundert) intertextuelle Bezüge, etwa zu Petrarca und Aischylos und linguistische Besonderheiten in der Vita Nuova am Rand herausschreiben. Insgesamt konnten 50 Hände des 14. Jahrhunderts in den 23 Handschriften unterschieden werden, wobei hier nur die Schreiberhände gezählt wurden und die Korrekturen, die im 14. Jahrhundert großflächig durchgeführt wurden. Kleinere Anmerkungen und Verbesserungen wurden den Lesern der Handschrift zugeschrieben. Hier lassen sich zusätzlich 17 Leser der 14. Jahrhunderts unterscheiden, die allerdings meist nicht namentlich bekannt sind. Die Handschrift Ubaldini trägt auf f. 12v° einen Vermerk eines Studenten, sonst scheint die Vita Nuova nicht in universitären Kreisen zirkuliert zu sein. Es lassen sich keine Wappen oder frühen Bibliothekssignaturen identifizieren, die Aufschluss über weltliche Besitzer und Leser der Vita Nuova böten. Weder Motti noch Maniculae konnten mit Gelehrten des 14. Jahrhunderts identifiziert werden und der Umfang der Anmerkungen und Leserspuren des 14. Jahrhunderts ist derart gering, dass nur von einem philologischen und textorientierten Lesen der Vita Nuova gesprochen werden kann. Es finden sich zwar nota bene-Zeichen, Anmerkungsstriche und Kreuze aller Art, aber ein Großteil der Lesespuren beschränkt sich auf Textkorrekturen. Für die Rezeption der Vita Nuova bedeutet dieser Umstand vor allem, dass der Text als solcher gelesen, bereinigt und kollationiert wurde. Dabei standen den Lesern dabei meist noch ein oder mehrere Exemplare der Vita Nuova zur Verfügung. Ein Vergleich mit anderen Texten, Verweise auf andere Autoren und ähnliche Formulierungen oder Erklärungen, Interpretationen und Kommentare finden sich in den Lesespuren des 14. Jahrhunderts nicht. Einzelne Leser sind namentlich bekannt, ein Teil konnte aufgrund paläographischer Besonderheiten in das 14. Jahrhundert datiert werden, während der Großteil an Leserspuren anonym und undatiert bleiben musste. Was den weltlichen Rezipientenkreis der Vita Nuova angeht, so können drei Gruppen ausfindig gemacht werden, die sich vornehmlich für den Text interessierten oder in die Überlieferung und Verbreitung der Vita Nuova involviert waren: Juristen, Dichter und Florentiner Adlige. Über das Mitwirken der Juristen und Dichter in der Überlieferung der Vita Nuova hatte ich bereits berichtet, hier sei auf den säkularen Gebrauch der Vita Nuova von Florentinern hingewiesen. Familien wie den Strozzi, Davanzati, del Pugliese, del Nero, Corbinelli, Salviati und eventuell auch den Medici gehörten Vita Nuova-Handschriften des 14. Jahrhunderts. Die Medici werden  

140

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

im 15. Jahrhundert mit der Raccolta Aragonese und weiteren Vita Nuova-Handschriften in Erscheinung treten, scheinen aber keinen Sammlungsschwerpunkt wie etwa Tommaso di Carlo Strozzi für alte Dante-Handschriften zu pflegen, der sich als Besitzer von allein vier Vita Nuova-Handschriften hervortut. Während M und K2 (23 und 22 Rezipienten) die am meisten rezipierten Handschriften waren, treten auch L und K durch eine große Anzahl an Lesern (8 und 9) hervor. Der Vita Nuova-Text des vierzehnten Jahrhunderts, der durch die Jahrhunderte hindurch am meisten gelesen wurde, ist hingegen die zweite Boccaccio Edition (K2) mit 13 Lesern. Im vierzehnten Jahrhundert jedoch wurden To und R am meisten gelesen, auch zwei Vertreter der Boccaccio-Edition. Bis 1350 scheinen die Gedichtanthologien nicht gleichwertig der vollständigen Textüberlieferung rezipiert worden zu sein, sondern zeigen aufgrund der Lesespuren eine weit größere Leserschaft. Die Lesespuren von Ca, L2 und Gc konnten nicht untersucht werden, da ich die Handschriften weder im Original noch in einer Reproduktion einsehen konnte. Erst in Fragmenten Ca (vor 1344) und VnFt (um 1350) finden sich Lesespuren des 14. Jahrhunderts, die jedoch aufgrund des geringen Umfangs nicht genauer datiert werden können. Es ist zudem zu bemerken, dass die Schreiber der vollständigen Vita Nuova eher Korrekturdurchgänge nach Abschrift des Textes vorgenommen haben, als die Schreiber von Gedichtanthologien. Grundsätzlich sind nur vier Leser des 14. Jahrhunderts namentlich bekannt, die Lesespuren in den Vita Nuova Handschriften hinterlassen haben.

Abbildung 17: Graphische Übersicht zu den Lesespuren des 14. Jahrhunderts in der Vita Nuova

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

141

Dabei handelt es sich um Nicolò de’ Rossi in B1, der die Gedichtabschrift von H2 und H4 korrigiert, Boccaccio in To, der einige wenige Textkorrekturen vornimmt, Antonio Pucci, der seine Abschrift korrigiert, und Coluccio Salutati, der als Leser von K2 durch die Anfügung eines Gedichtes von Cino da Pistoia belegt ist. Im Vergleich zu späteren Jahrhunderten, fallen die Lesespuren des 14. Jahrhunderts in den Handschriften des 14. Jahrhunderts etwas geringer aus.

Abbildung 18: Graphische Darstellung zur Lektüre der Vita Nuova vom 14.–16. Jahrhundert

Während auch ein Höhepunkt in der Produktion von Vita Nuova- Handschriften im 15. Jahrhundert ausgemacht werden kann, so scheint sich diese Produktion in den Lesespuren der früheren Handschriften, die als Vorlage zur Anfertigung neuer Handschriften diente, niederzuschlagen. Allein 15 vollständige Handschriften und 27 Gedichtüberlieferungen wurden von Barbi aufgelistet.70 Bestimmte Handschriften (B1, S und O) scheinen erst im 16. Jahrhundert wieder gelesen worden zu sein, andere hingegen zeigen eine kontinuierliche Leserschaft (E, M, L3, Ubaldini, K, VnFt, K2 und L). Es erstaunt, dass To im Gegensatz zu K2 im sechzehnten Jahrhundert nicht wiederentdeckt wurde

70 Es handelt sich hierbei um die Handschriften BNCF, ms. Palatino 561 und ms. Palatino 182; mss. Panciatichiano 9 und 24; mss. Magliabechiano VII, 1103, Magliabechiano VI 187 und Magliabechiano VII, 1076; mss. Conv. B, 2, 1276 und Conv. F, 5, 859; mss. II, iv, 102, (1467) und II, iv, 126; mss. Riccardiano 1054, 1127, (1417), 1040; 1093; 1094; 1108, 1117, 1144 und 1340; ms. Trivulziano 1058 (T), (1425); ms. Bibliothèque Nationale de Paris, Ital. 545, (1446); Bibliothèque universitaire et terrioriale de Strasbourg, ms. L ital. 7 (W); Fragment des Archivio di Stato fiorentino; ms. Marciano ital. X, 26 (Mc); ms. Vaticano Capponiano 262 (C); 15. Jh.; Bodleian Library Oxford, ms. Canonici Ital. 114, 50 und 99; ms. Laurenziano 40.31; Laurenziano 40.42; Laurenziano 40.44 und Laurenziano 40.49, Laurenziano Rediano 184 und Laurenziano medic. palat. 85; ms. Biblioteca Civica di Rovereto; ms. Bibliothèque Nationale de Paris, ital. 557 und 548, ms. Biblioteca Nazionale di Napoli, XIII, D. 64; ms. Bologna, Archiginnasio, sala 16, cod. C, II, 22.

142

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

und nur Lesespuren aus dem 14. und 15. zeigt. Auch die Pucci-Handschrift R wurde zwar im 15. Jahrhundert erweitert, aber scheint danach nicht mehr intensiv gelesen worden zu sein.

Abbildung 19: Graphische Übersicht zur Datierung der Lesespuren in den VN-Handschriften

Die Frage, ob die Vita Nuova gelesen wurde, kann nach einer quantitativen Hochrechnung positiv bewertet werden, es bleibt jedoch noch unbeantwortet, wie die Vita Nuova im 14. Jahrhundert gelesen wurde. Wie bereits angedeutet, finden sich keine Kommentare, Worterklärungen oder Interpretationen in den Vita NuovaÜberlieferungen. Auch ein für das ausgehende 15. und frühe 16. Jahrhundert festzustellendes linguistisches Interesse am Text,71 das sich durch das Herausschreiben einzelner Worte oder Ausdrücke in den Marginalien bemerkbar macht, ist für das 14. Jahrhundert nicht belegt. Die Leser korrigieren den Text72 und sie strei-

71 Es handelt sich hierbei vor allem um die Anmerkungen von Iacopo Corbinelli in K2 und von Guidantonio Adimari in L, siehe dazu cf. Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter, Handschriftenbeschreibung K2 und L. 72 E (2), B1 (4), L3 (2), Ubaldini (11), K (27), VnFt (10), O (7), S (26), To (11), K2 (23), V (9), R (7), L (84), Co (1).

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

143

chen bestimmte Gedichte oder Textstellen an (cf. in Mc, L3, To K2, V, L und Co). Der Fokus auf die Gedichte des ersten Teils der Vita Nuova ist durch die vermehrte Überlieferung eben dieser Gedichte in den Gedichtanthologien zu erklären, was einerseits der doppelten Redaktion der Vita Nuova und der vorzeitigen Zirkulierung dieser Gedichte geschuldet ist und andererseits aber ein inhaltliches Interesse an den Gedichten des dolce stil novo bezeugt. Abbildung 20: Systematische Übersicht zu den Lesespuren in den Gedichten der Vita Nuova I A ciascun alma

K: mit Anmerkung: «sonetto»

II O voi che per la via

K: mit Anmerkung: «Sonetto», V: leicht schräggestelltes «F»

V Cavalcando

K: mit Nummerierung «2»

VII Tutti li miei pensier

Ubaldini

VIII Con l’altre donne

S, K2

IX Cio che m’incontra

Mc

X Spesse fiate

Ubaldini, nota bene und Kreuzzeichen

XI Donne ch’avete

To, V, Co «dante»

XII Amor e’l cor

Ubaldini, K2, R

XIV Voi che portate

B1

XVI Donna pietosa

V

XXIV Era venuta

Ubaldini

XXVII L’amaro lagrimare

B1, Ubaldini

Die Anstreichungen in den vollständigen Vita Nuova-Handschriften offenbaren ein vermehrtes Interesse am ersten Kapitel der Vita Nuova, an der Narration um Donne ch’avete und Donna pietosa sowie dem metapoetischen Kapitel XVI. Abbildung 21: Tabellarische Übersicht zu den Lesepuren in den vollständigen Vita NuovaHandschriften Paragraph

Handschrift

Paragraph

Handschrift

Paragraph

Handschrift

1, 5

L

5,2

To

13,17

VnFt

1,12

R

5,6

L

14,6

To, V

1,13

R, L

5,16

L

14,15

V

1,15

L

5,23

K

14,3

K

1,16

L

7,7

To

16,3

R

144

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Paragraph

Handschrift

Paragraph

Handschrift

Paragraph

Handschrift

2, 2

K2

8,1

K

16,1

L

2,6

K2, L

9,4

L

17,15

K

2,7

R

10,5

V, K

19,5

L

2,9

L

10,7

L

29,1

K

4,2

L

10,14

K

Vor allem die Anstreichungen in L belegen die Rezeption der metapoetischen Abschnitte der Vita Nuova, so wird der Auftritt der spiriti markiert, aber auch der Appell zur Allegorese in Kapitel XVI mit einem mysteriösen «no» versehen (siehe dazu cf. Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter, Handschriftenbeschreibung L). Die um die Ballade und die ersten beiden Kanzonen angeordneten ragioni werden separat in fünf Handschriften betont und lassen auf ein Interesse an der Gedichtauslegung schließen. Doch die Lektüre der Vita Nuova ist maßgeblich durch ihre Begleittexte geprägt, gerade in L, wo die Vita Nuova der erste Text ist und neben den 15 canzoni distese keine weiteren Texte überliefert sind, kann man beobachten, dass die Leser den Text aufmerksam lesen und, nicht nur von einem philologischen Interesse getrieben, Anmerkungen und Zeichen im Text hinterlassen. In To und K2, aber auch in R lässt sich ein ähnliches Leseverhalten beobachten, in dem mehrere Hervorhebungen im ersten Text, dem Trattatello in laude di Dante, Boccaccios Dante-Vita zu finden sind und die Leser anscheinend dem zweiten Text weniger Aufmerksamkeit geschenkt haben. In E stellte der Schreiber des Canzoniere-Teils H7, der zugleich der Kurator der Handschrift zu sein scheint, durch die Neuordnung der Gedichte, Vede perfectamente an den Anfang seiner Gedichtanthologie und streicht die Intertextualität der Vita Nuova-Gedichte und der Gedichte von Cavalcanti, Guittone d’Arezzo und Cino da Pistoia heraus. Auch in Mc bestimmt die Intertextualität zu Cino da Pistoias Gedichte die Ordnung der Vita Nuova-Gedichte, eine Intertextualität, die auch Coluccio Salutati, der Leser und Besitzer von K mit der Abschrift von La dolce vista, hervorhebt. In M hat der Schreiber der Vita Nuova auf die Intertextualität der Vita Nuova-Gedichtanthologie M2 zu einer lateinischen Esposizione dei songni durch eine italienische Version des traumdeuterischen Textes und der Abschrift der vollständigen Vita Nuova reagiert. In M2 hingegen hat ein früher Leser (oder der Schreiber?) eine Nummerierung der Vita Nuova-Gedichte vorgenommen, die sie damit als ein Sinnabschnitt mit den nachgestellten Kanzonen von Dante, sechs Gedichten von Cavalcanti und einer Ballade von Caccia da Castello darstellen. Auch in B1 werden die Vita Nuova-Gedichte gemeinsam mit den Kanzonen von Dante überliefert. K und V sind die ersten Handschriften, die das Antwortgedicht von Cavalcanti in den Text einfügen.

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

145

Abbildung 22: Graphische Darstellungen zur Rezeption hinsichtlich der Anzahl von Lesespuren

Abschließend sei hervorgehoben, dass M und K2 die Handschriften sind, die durch die meisten Hände gegangen sind bzw. an denen die meisten Schreiber mitgewirkt haben, während die Handschriften L und K eine intensive Lektüre auch durch einzelne Leser aufweisen. Boccaccio hat sicherlich maßgeblich die Art beeinflusst, wie die Vita Nuova ab der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts gelesen wird, aber die Zusammenstellungen von B1 und Mc und die Neuordnung von E zeigen eine nicht mindere intensive Auseinandersetzung mit dem Text, in dem die intertextuellen Bezüge hervorgehoben werden. Diese intertextuellen Bezüge werden als Zeugnis einer ersten Vita Nuova-Interpretation im Vordergrund der folgenden Seiten stehen.

2.5.3 Die Besitzer der Vita Nuova im 14. Jahrhundert – Coluccio Salutati Die Vita Nuova-Handschriften des 14. Jahrhunderts hatten prominente Besitzer, wie bereits vorangehend betont wurde. Viele Florentiner Familien besaßen eine oder mehrere Vita Nuova-Handschriften, sie wurde von hochstehenden Klerikern gleichermaßen gelesen wie vom Florentiner Hochadel, es sind aber auch Besitzerspuren von einem Studenten und von Buchhändlern in den Handschriften zu finden. Eine umfassende Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova müsste auch die Besitzverhältnisse der jüngeren Handschriften, die im 15. und 16. Jahrhundert entstanden sind, für eine Bewertung berücksichtigen und versuchen, die Lesespuren in den Handschriften des 14. Jahrhunderts etwa den attestierten Besitzern

146

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

späterer Handschriften zuzuordnen. Für unser Vorhaben genügt es jedoch, die Besitzer des 14. Jahrhunderts zu untersuchen. Allen voran sei Coluccio Salutati, Besitzer von K genannt, der aufgrund der Einfügung des Sonetts La dolce vista von Cino da Pistoia und des Besitzervermerks seines Sohnes Antonio di Coluccio Salutati identifiziert werden kann. Von To, K2, B1 und R, den Dichterhandschriften, wird davon ausgegangen, dass sie für den Besitz und Eigengebrauch von den drei Dichtern, Boccaccio, Nicolò de’ Rossi und Antonio Pucci, angefertigt wurden. Über ihren Umgang mit dem Text und die Zusammenstellung der Texte werde ich im Kapitel über die co-textuelle Überlieferung und die Überlieferungsstränge berichten, daher sei es an dieser Stelle erlaubt, dass ich mich nur auf Coluccio Salutati fokussiere, da der Besitz von To und K2 durch Martino da Signa zwar zu vermuten ist, aber keine zusätzlichen Dokumente zu Untermauerung dieser These vorgelegt werden können. Um die Eingliederung und Aufbewahrung von To und K2 in der Konventbibliothek von Santo Spirito belegen zu können, müssten umfassende Studien zu einer literarischen Rezeption erfolgen etwa durch Gelehrte, die nachgewiesenermaßen Zugang zur Bibliothek von Santo Spirito hatten. Auch ein Vergleich der Handschriften, die von den Boccaccio-Editionen abhängig sind, mit den Schreibern anderer Handschriften, die in Santo Spirito belegt waren, anderen lateinischen Handschriften des Boccaccio-Nachlasses etwa, könnten Aufschluss über die Etablierung der «Standard»-Edition der Vita Nuova geben. Ein Handschriftenvergleich etwa mit der Hand von Niccolò Niccoli könnte belegen, dass die Vita Nuova-Handschriften von Boccaccio in Santo Spirito aufbewahrt wurden, und mit ihnen vermutlich auch andere volkssprachliche BoccaccioHandschriften einem Gelehrtenkreis zugänglich waren, der sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts um Santo Spirito herausbildete (cf. Tateo 1971, 39). Für die vorliegende Untersuchung wurden jedoch solche Studien nicht vorgenommen und keine derart detaillierten Handschriftenbeschreibungen verfasst. Der einzige namentlich bekannte Besitzer einer Vita Nuova-Handschrift des 14. Jahrhunderts, der nicht selbst auch Schreiber der Handschrift war, ist Coluccio Salutati, in dessen Besitz sich K befand. In der Dante-Forschung wird das Verhältnis von Coluccio Salutati zu Dante als zweischneidig dargestellt,73 dass sich von einer anfänglichen Distanz, Desinteresse oder gar Unkenntnis hin zu einem Enthusiasmus für Dante entwickelt habe (cf. Bellomo 2003, 149). Während der jüngste Artikel zu Salutati und Dante die Bezüge auf Dante in den Jahren 1375 bis 1395 im Werk Salutatis nachzeichnet und Abardo hier einen Beleg für Salutatis Dante-Kenntnis und einen indirekten Verweis auf die Vita Nuova anführt, den er als «accidentale glossa dantesca» über die Findung der donna dello schermo, die 73 Studien zu Salutati und Dante cf. Abardo (2010); Mazzoni (2005); Baldassarri (2003, 61–91). Vallone (1978); Witt (1977); Battaglia (1974, 9–58: 9–17); Aguzzi Barbagli (1964).

2.5 Soziologische Aspekte der Rezeption

147

in Kapitel II.6 der Vita Nuova beschrieben wird,74 benennt, wird Salutatis zunehmendes Interesse auf die Rolle des Dichters und Intellektuellen am Ende des 14. Jahrhunderts zurückgeführt (cf. Bellomo 2003, 149). Grundsätzlich wird Salutati als Impulsgeber des öffentlichen Dante-Kultes mit der Anfrage der Überführung der Gebeine der fünf viri illustres von 1396 und der Idealisierung und Biografisierung der Dichter als neue politische Vorbilder angeführt (cf. Irace 2003, 27– 28). Oft wird die Pflege eines öffentlichen Interesses an Dante in Florenz mit der ersten von der Signoria bezahlten cattedra für Dantestudien in das Jahr 1374/5, welche Boccaccio übertragen wurde, veranschlagt (cf. Gherardi 1881, 161). Vom Beginn eines eigentlichen «Dante-Kultes» kann man hingegen erst mit dem Versuch der Signoria von 1396 sprechen, die die Überführung der Gebeine der fünf viri illustres der Stadt Florenz – Dante Alighieri, Francesco Petrarca, Giovanni Boccaccio, Zanobi della Strada und Accursio – und die Errichtung eines Denkmales in Santa Maria del Fiore veranlassen wollte (cf. Irace 2003, 13–42). Dieser Kanon der uomini illustri geht auf Filippo Villanis Liber de origine civitatis Florentie et eiusdem famosis civibus, zurück, der in jenen Jahren öffentlicher Lektor der Divina Commedia war.75 Während Abardo sich in seinem Artikel auf Salutatis steigende Kenntnis und Wertschätzung von Dante konzentriert, zeigt Mazzoni in seinem Beitrag den Bezug zu Salutatis Bewertung des Lateinischen bzw. der Volkssprache im Verhältnis zu seiner Wertschätzung Dantes auf. Kurz vor seinem Tod schrieb Salutati einen Brief an Poggio Bracciolini, in dem er Dante sogar über den «divino ed eloquentissimo Petrarca» stellte, welcher als Endpunkt dieser Entwicklung angesehen werden kann.76 Die Vita Nuova wird von Mazzoni in seiner umfangreichen Untersuchung nicht behandelt. Dies erstaunt, weil er die theologische Rezeption und 74 Abardo (2010, 82) bezieht sich auf eine Beschreibung der rencontres, die seinerzeit in einer Kirche stattfinden mögen. Coluccio Salutati (1957, 46): «Assunt miris ornate vestibus mulieres pictas acu clamides, illitas fuco genus, populatas pilis frontes, afflatos sulfure crines circumfuse virorum multitudini demostrantes. Adest corona iuvenum quos urit videndo femina. Hic notat oculis paulisper inflexis in se suam amasiam convertisse. Alter aliis in locis vetita sibi petit in templo colloquia». Cf. Trovato (1985); Gualdo Rosa (1995). 75 Filippo Villani (1847): Vita von Zanobi della Strada, 14–15; Giovanni Boccaccio, 16–18; Accorso, 24; Cf. auch 66, n. 22. Diese Viten scheinen auch die Vorlage für die Fresken in der sogenannten Aula minor von Palazzo Vecchio in Florenz gewesen zu sein so Tanturli (2008a). 76 Coluccio Salutati (1891, I. IV. P. I., 161): «Crede mihi, preter Dantem et eum ipsum rythmis vulgaribus, non habuit inclyta nostra Fiorentia clariorem divino eloquentissimoque Petrarca, ut non debeas tu vel alius, qui Florentinus sit, fame nostri civis vel leviter derogare» in italienischer Übersetzung zitiert in Mazzoni (2005, 205, Brief vom 26. März 1406): «Credi a me, all’infuori di Dante e dei suoi versi in volgare, non vi fu nell’inclita nostra Firenze autore più illustre del divino ed eloquentissimo Petrarca, così che nè tu nè altri, che sia fiorentino, potete togliere qualcosa, anche poco, alla fama del nostro concittadino».

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Deutung der Commedia mit der Identifizierung von Beatrice als Trinität nennt und die Position Salutatis in die zeitgenössische Debatte über das Verhältnis von Dichtung und Theologie einordnet.77 Mazzoni betont jedoch den Einfluss Salutatis auf den Kommentar von Benvenuto da Imola und sein philologisches Interesse am Text.78 Jüngst hat die poetische Produktion von Salutati eine eigenständige Betrachtung erfahren, wobei die Intertextualität zu Petrarca herausgestellt wurde79 und Salutati als politischer und moralisierender Dichter vorgestellt wird (cf. Tanturli 2006). Coluccio Salutati wird als Empfänger von zahlreichen Gedichten von Alberto degli Albizi angebenen, an dessen statt er ein Sonett an ‹madonna Elena› schreibt (cf. Tanturli 2006, 334). Während die Intertextualität zu Petrarca vorherrscht, so findet Tanturli einige Bezüge zu Dante: zu Al poco giorno 31–32 im Gedicht Credi tu per dire (Tanturli 2006, 349), zu Tre donne 35 in Qualunque è posto 6 (cf. Tanturli 2006, 363). In der Bibliothek von Coluccio Salutati, von der 150 Bände identifiziert wurden, werden vorwiegend Werke klassischer Autoren (54) und der Kirchenväter (42) überliefert (cf. Manfredi 2008, 222). Cicero ist mit Seneca der am häufigsten vertretene Autor, was sich aus Salutatis spezifischen Interesse in Hinsicht auf die Vorbereitung einer «Edition» der ciceronianischen Werke begründet (cf. Manfredi 2008, 223; De Robertis 2008, 251–261). Auf die Lektüre Ciceros wird Salutati in seinem Brief an Angelo Corbinelli zur Verteidigung der Lektüre klassischer (nicht christlichen) Autoren und des poetischen Sprechens zurückgreifen (cf. Coluccio Salutati 1867). Ovid, Plautus, Horaz, Tibull, Lukan, Properz, Catull, Vergil (mit Kommentaren), Statius, Terenz, Apuleius, Tacitus, Plinius und Quintilian finden sich unter seinen Büchern. Petrarca ist mit De viri illustribus (BAV, ms. Ottob. lat. 1883, Katalog n° 91), und zwei Canzoniere-Handschriften (BML, ms. Plut. 41.10, Katalog n°96 und K), Giovanni Boccaccio mit De mulieribus claris (Oxford, BL, ms. Canon. Misc. 58-O, Katalog n° 93) und der Dante-Vita in K und Dante mit der Vita Nuova (K, Katalog n° 94) und einer Commedia-Handschrift (Oxford, BL, ms. Ital. e. 6, Katalog n° 95) in der Bibliothek von Salutati vertreten. Tanturli führt den Erfolg

77 Mazzoni (2005, 206), verweist auf Ep. III, 529: «consideraque parumper quanta sententiarum verborumque maiestate noster Dantes se per vite triplicis triplicisque regni seriem ab infima lacuna rerumque mortalium fece velit ad intuitum vere et altissime Trinitatis per Beatricem eiusque misertione et gratia tractum, ductum, evectum, in cuius persona scimus eum theologiam sine dubio figurasse». 78 Cf. Coluccio Salutati, (1891, Epistolario III, 371–72): «Est mihi cura, vir insignis, frater optime, amice karissime, quod possim habere correctum opus divinissimum Dantis nostri, quo, crede michi, nullum hactenus poema vel altius stilo vel elegantius inventione vel marioris ponderis, cum ad res aut ad verba veneris vel tractatum»; dazu Mazzoni (2005), 224. 79 Decaria (2008, 265): «Se in questo sonetto si avverte la lezione di Petrarca, la lettura che ne fa il cancelliere è abbastanza singolare».

2.6 Co-Texte als Zeugnis einer ersten Vita Nuova-Interpretation

149

von K in der Überlieferung der volkssprachlichen Lyrik als Vorlage der Raccolta Aragonese, der Raccolta Bartoliniana und der Handschrift Triv. 1058 aus und gibt die Neuordnung der Blätter in verschiedenen Lagen als Beweis dafür an. Salutati kann nicht als Auftraggeber der Handschrift gelten, sondern scheint sie zu einem ungewissen Zeitpunkt erworben zu haben (cf. Tanturli 2008b). Neben der Einfügung von Cinos Gedicht La dolce vista ist Salutatis Hand zwei weitere Male in der Handschrift belegt (f. 4v° und f. 56v°), wo er Korrekturen in Cavalcanti und Bernardo da Bologna vornimmt (cf. Tanturli 2008b, 301). Ein wichtigstes Zeugnis für eine aktive Auseinandersetzung mit der Vita Nuova findet sich bereits in der Handschrift selbst, in der Hinzufügung von Cino da Pistoias Gedicht La dolce vista, deren Intertextualität zur Vita Nuova im Kapitel zu Cino untersucht wird.

2.6 Co-Texte als Zeugnis einer ersten Vita Nuova-Interpretation Die co-textuelle Überlieferung und Einbettung der Vita Nuova verändert die Rezeptionsmöglichkeiten des Textes, weil sie durch die unmittelbare Intertextualität andere und gewollte Assoziationen und Reminiszenzen hervorrufen kann. Was passiert mit einem Text, wenn er in einer Prachthandschrift überliefert wird, wenn er zwischen Exzerpten steht oder in einer thematischen Textsammlung? Wie verändern Paratexte die Erwartungshaltung des Lesers? Wird ein anonym überliefertes Gedicht gleichwertig gelesen und bewertet wie ein Gedicht eines berühmten Autors? Diese Fragen bilden den Rahmen bei der Analyse der Co-Texte, die in den Vita Nuova-Handschriften des 14. Jahrhunderts originär oder später hinzugefügt wurden, wobei nur die Texte berücksichtigt werden, die bis zum Ende des 14. Jahrhunderts hinzugefügt wurden. Ich werde dabei nicht auf jeden einzelnen Text in der co-textuellen Überlieferung eingehen, noch eine literaturwissenschaftliche Interpretation der co-textuellen Überlieferung bieten, sondern an dieser Stelle verschiedene Überlieferungsstränge vorstellen, während die literarische Rezeption im nachfolgenden Kapitel, ausgehend von den handschriftlichen Rezeptionszeugnissen, im Zentrum der Aufmerksamkeit steht.

2.6.1 Umfang der co-textuellen Überlieferung Es gibt keine Handschrift des 14. Jahrhunderts, in der ausschließlich die Vita Nuova überliefert wird. Wir finden sie z. T. mit anderen Dante-Texten, inmitten zahlreicher Gedichte volkssprachlicher zeitgenössischer Dichtungstraditionen oder umgeben von Texten, die ein heutiger Leser nicht mit dem Text der Vita Nuova in Verbindung bringen würde. Allein dieser Umstand ist für die Rezeptionsgeschichte des Werkes  

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

von Interesse, weil es, vermutlich aufgrund seines Umfanges, mit anderen Texten in eine Verbindung tritt. Gleichzeitig haben die Vita Nuova-Handschriften des 14. Jahrhunderts ein sehr ähnliches Format: es findet sich beispielsweise keine Oktav-Handschrift. Ihr Umfang variiert jedoch stark: die Fragmente umfassen nur einige Blätter, andere Handschriften wurden mit ca. 50 Blättern konzipiert, welche jedoch nicht immer vollständig beschrieben (L) oder überliefert sind, andere Handschriften wiederum umfassen ca. 200 Blätter. Die umfangreichste Vita NuovaHandschrift findet sich in der vollständig Dante gewidmeten Handschrift To mit 267 Folia, während die vollständige Vita Nuova in S (26 f.) und L (23 beschriebene folia) in einer kleinen Handschrift überliefert wird. Der Umfang der Handschrift betrifft sowohl die Wahrnehmung der Vita Nuova als auch ihre Einbettung in andere Texte, da sie einmal als Haupttext erscheinen kann (wie in L) oder aber eher als Anhang einer Handschrift hinzugefügt zu sein scheint, wie in M, wo sie auf den letzten 15 Blättern zu lesen ist. Auch der Umfang der Gedichtanthologien variiert stark, weil sie z. T. nur fragmentarisch überliefert sind, wie E und Mc. Hier ist der umfangreichste Vertreter Co mit 178 Blättern, der jedoch nur die zwei Autoren Petrarca und Dante überliefert und einen anderen Charakter als etwa der Canzoniere B1 von Nicolò de’ Rossi oder der Canzonieri Ubaldini hat, in denen eine Vielzahl von Autoren überliefert werden. Von den 23 untersuchten Handschriften sind drei Handschriften Fragmente und weisen daher keine Co-Texte auf. Der Text der Vita Nuova dieser Handschriften wurde aber vermutlich auch mit anderen Texten überliefert. Unter den restlichen 20 Handschriften wurden weitere zwei Textzeugnisse ohne literarische Co-Texte in den Bologneser Akten überliefert.  



2.6.2 Mehrsprachigkeit Was die Sprache der co-textuellen Überlieferung angeht, so werden außer Texten im italienischen volgare auch altfranzösische und lateinische Texte gemeinsam mit der Vita Nuova abgeschrieben. Meistens handelt es sich jedoch um einsprachige Handschriften, in denen oft sogar nur toskanische oder Florentiner Dichter enthalten sind oder die Geschichte der volkssprachlichen Lyrik ausgehend von der Scuola Siciliana gruppiert aufgeführt wird. Die Paratexte hingegen werden bevorzugt auch in diesen Gedichtanthologien auf Latein angeführt (siehe z. B. Ubaldini). Allein in den Handschriften B1 und M werden dabei folgende lateinische Texte mit überliefert: Proverbia Salamonis (M), Nomina lapidum et virtutum (M), Somniale Danielis (M), Historia troiana (B1), Tanto prudentia porta /Tantum prudentia valet von Bindo Bonichi (B1), ps-aristotelischer Brief an Alexander Ad gloriosum Regimen (B1), ps.-aristotelisches Secretum Secretorum (B1), Gebet (Anhang von Gc). Später hinzugefügt wurden in E: Marsilio Ficinos De voluptate, Immanuel  

2.6 Co-Texte als Zeugnis einer ersten Vita Nuova-Interpretation

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Ben Iacob Bonfils Canones tabularum, ein Kommentar zum Planetarium von Iacob de Dondis und ein Auszug aus Hildebert Lavardiensis Ex vetere et novo testamento carmina und in R eine Nota quod sunt spere, Nota dies in quibus dantes, Epitaphe auf Hektor und Achilles, ein Antenoris-Epitaph, Auszüge aus Benvenuto da Imolas Romuleon, Vegetius, Valerius Maximus, Pompesius Trogus. Darüber hinaus sind die lateinischen Kommentare zu den Kanzonen Donna me prega (B1, K2) von Cavalcanti und Color di perla von Nicolò de’ Rossi (B1) überliefert, und in K2 ist Boccaccio durch das Gedicht Italie iam als einziger Dichter mit lateinischer Dichtung vertreten. Altfranzösisch werden folgende Texte überliefert: Brief von Isolde an Tristan (B1), Nus hom non val nen von Guilhelm de Montangahol (B1) sowie das Dante zugeschriebene Sonett Ai faux ris (B1, L2, Co).

Abbildung 23: Graphische Darstellung zur Mehrsprachigkeit im 14. Jahrhundert

Später wurden in E, L3 und R Texte hinzugefügt, die zumindest in den letzten beiden Fällen in einem direkten Bezug zur Vita Nuova stehen, weil sie einmal die Handschrift durch die Hinzufügungen von Texten von und über Dante zu einer DanteHandschrift (R) machen, das andere Mal wird in der Handschrift die Position der dichtenden Frauen durch die Hinzufügung von Ovids «Heroides» hervorgehoben (L3). In der Wahrnehmung der Mehrsprachigkeit verändert sich dadurch allerdings wenig.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Abbildung 24: Graphische Darstellung zur Mehrsprachigkeit in den Handschriften des 14. Jahrhunderts heute

Die Vita Nuova wird bevorzugt mit volkssprachlicher Literatur überliefert, nur in drei Handschriften kann während des 14. Jahrhunderts ein größerer lateinischer Teil ausgemacht werden (M, 86 %; B1: 37 %, K2, 8 %). Für die Leserschaft der Vita Nuova bedeutet dies, dass sie sich durch eine Bevorzugung von volkssprachlichen Texten auszuzeichnen scheint. Gleichzeitig werden jedoch lateinische Paratexte der volkssprachlichen Handschriften verwendet und auch die lateinischen Kommentare zu den Kanzonen wurden intensiv gelesen. Eine des Lateinischen unkundige Leserschaft wurde weder angestrebt noch werden die lateinischen Texte von der durch Lesespuren bezeugten Leserschaft ignoriert. In To und L, den zwei Handschriften, die ausschließlich Dante gewidmet waren, wurden ausschließlich lateinische Paratexte verwendet, während Boccaccio in seiner zweiten Edition K2 vorwiegend volkssprachliche Paratexte aufnimmt und nur den Canzoniere von Petrarca durch eine lateinische Titelei einleitet. Es fällt zudem auf, dass in den Gedichtanthologien, anders als vielleicht zu erwarten, ein Großteil der Gedichte einem Autor zugeordnet wurden und nur ein kleiner Teil anonym oder ohne paratextuelle Zuschreibung überliefert wird.

2.6 Co-Texte als Zeugnis einer ersten Vita Nuova-Interpretation

Abbildung 25: Graphische Darstellung zur Mehrsprachigkeit in den Paratexten des 14. Jh.s (in folia)

Abbildung 26: Graphische Darstellung zur Mehrsprachigkeit in den Paratexten des 14. Jh.s (in Prozent)

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

2.6.3 Paratexte Während Boccaccio beispielsweise nur einmal Petrarca als Autor der in K2 überlieferten Gedichte nennt, finden sich in den Gedichtanthologien Zuschreibungen für fast jedes Gedicht. Im Canzoniere Ubaldini werden die Gedichte durch lateinische Paratexte eingeleitet, in den anderen Canzonieri hingegen werden fast ausschließlich volkssprachliche Titel verwendet. In fast allen Handschriften wurde die Vita Nuova durch eine Titelei Dante zugeordnet, nicht jedoch in der Gedichtüberlieferung M2, die in unmittelbarem Anschluss an das lateinische Somniale Danielis folgt, im umfangreichen Canzoniere Ubaldini, wo die Zuschreibung erst von späterer Hand vorgenommen wurde und der einzige volkssprachliche Paratext der Handschrift ist, und in Co, wo auch hier eine spätere Hand Dante als Autor von Donne ch’avete, dem Eröffnungsgedicht des Dante-Teils identifizierte. In Co sind keine Titeleien verfasst worden, aber ein großes Inhaltsverzeichnis wurde den Gedichtsammlungen vorangestellt. Vermutlich sollte in Ubaldini jedoch eine Titelei schon nach Abschrift der Gedichte hinzugefügt werden, wie der Leerraum vor A ciascun alma suggeriert. Im 14. Jahrhundert jedoch waren diese Gedichte anonym überliefert, inmitten einer Vielzahl von Gedichten, die durch umfangreiche und detaillierte Paratexte eingeleitet wurden. Vita Nuova ohne Titel und paratextuelle Zuordnung

M, 25r° © Biblioteca Medicea Laurenziana

Ubaldini, 61r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

Co, 2v° © Fondation Martin Bodmer

In Co listet ein umfangreiches Inhaltsverzeichnis die alphabetisch geordneten Gedichttitel auf, deren Autorschaft von einer späteren Hand in den Marginalien hinzugefügt wurde. Die Gedichte der Vita Nuova wurden jedoch meist nur mit einem

2.6 Co-Texte als Zeugnis einer ersten Vita Nuova-Interpretation

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Fragezeichen versehen und Dante als Autor nur für sechs Gedichte identifiziert.80 Nur die Handschrift R führt noch ein ursprüngliches Inhaltsverzeichnis an, das auch Aufschluss über den verlorenen Teil der Handschrift bietet.

R, 1r° © Biblioteca Riccardiana

R,1v°

Den Handschriften B1, Ubaldini und K wurden später Inhaltsverzeichnisse oder Autorenverzeichnisse hinzugefügt: in Ubaldini wurde im 17. Jahrhundert von Federigo Ubaldini ein Autorenverzeichnis vorangestellt, das Dante jedoch nicht eigens aufführt. In B1 wurde ein alphabetisch geordneter «Index Contentorum in hoc volumine» nach der Neubindung vorangestellt, der Dante als Autor von 29 nummerierten Gedichten angibt, ohne den Titel aufzuführen; in K hingegen findet sich eine, der Reihenfolge nach geordnete, Übersicht über Sonetti e Canzoni di diversi poeti con l’interpretazione, das von Giovan Mario Crescimbene im 17. Jahrhundert verfasst wurde. Der Zusatz «con l’interpretazione» ist auf die Vita Nuova zu beziehen, weil sie der einzige kommentierende Text in der sonst reinen Gedichtsammlung ist. Es ist auch die einzige Bezeichnung der Vita Nuova als Kom80 Nicht identifiziert, aber mit einem Fragezeichen wurden Ballata i’vo, Donne ch’avete, Donna pietosa, De peregrini, von einer späteren Hand wurde sie als Dante-Gedichte identifiziert; Dante wurde für die Gedichte Amor e’l cor, Era venuta, Gli occhi dolenti, O voi che per la via, Oltre la spera, Quantunque volte und Spesse fiate als Autor angegeben.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

mentar. K2 führt ebenfalls ein nach der Reihenfolge geordnetes Inhaltsverzeichnis an, in denen die Urheberschaft der Vita Nuova besonders hervorgehoben wird, weil der Titel dem Titel des vorhergehenden Textes sehr ähnelt: «Vita di Dante, composta da Boccaccio / Vita nuova di Dante, da esso composta». In den Paratexten der Vita Nuova werden z. T. weitere Informationen über die Zusammenstellung der Handschrift sichtbar, was besonders deutlich in R und L, den zwei Kopien einer Boccaccio-Edition deutlich wird, auf die die Schreiber explizit Bezug nehmen. Boccaccio selbst hat durch seine Vorbemerkung Meraviglierannosi seine Interpretation der Vita Nuova vorangestellt, in den Paratexten von To und K2 und dem Sprachwechsel von Latein zur Volkssprache spiegelt sich jedoch auch das veränderte editorische Programm wider, das in To eine Werkausgabe promovierte, während Dante in K2 als einer der Florentiner Dichter stilisiert wird.81 In K2 wird der autobiographische Charakter der Vita Nuova hervorgehoben – «nella quale […] descriue come di beatrice s’inamorasse» – und gleichzeitig wird sie als Gedichtsammlung beschrieben «in sonetti, ballate e canzoni descrive». Während Boccaccio in To Dante als Florentiner betitelt, wird diese Zugehörigkeit in der Handschrift K2, die Florentiner Dichtern gewidmet ist, nur bei der Vita Nuova-Abschrift nicht angeführt. Das liegt daran, dass die Vita Nuova unmittelbar nach der Vita di Dante und der paratextuellen Ausleitung dieses Textes angeführt wurde und diese beiden Paratexte als Einheit wahrgenommen werden, K2, f. 13r°:  

«Qui finisce della origine uita e studij e costumi di dante alighieri poeta chiarissimo e dell opere composte da lui. Et comincia la sua uita nuoua. Nella quale esso in sonetti ballate e cançoni distese discriue come di beatrice s’innamorasse e del suo amore gli accidenti mentre ella visse et appresso quanta e quale fosse la sua amaritudine dopo la partita di beatrice della presente vita». (K2, 13r°).

In den anderen Handschriften wird die Ortszugehörigkeit häufig mit in den Paratexten betont, genauso wie bei den anderen Dichtern auch ein Ortszusatz zu finden ist (so in E, Mc, B1, L3; nicht jedoch in M, K, S und V). Es fällt auf, dass in den Dichterhandschriften die Paratexte zu autographen Texten mit Vorliebe auf Latein verfasst werden, auch wenn die anderen Paratexte in der Volkssprache verfasst wurden, es scheint darin eine Art Demutsbekundung zu liegen, die eine Dis-

81 In To: 29r: «Incipit uita noua clarissimi uiri dantis aligerij florentini»; 46v: «Explicit liber uite noue uiri clarissimi dantis aligerij poete illustris feliciter» und K2: 13r: «Et comincia la sua uita nuoua. Nella quale esso in sonetti ballate e cançoni distese discriue come di beatrice s innamorasse e del suo amore gli accidenti mentre ella visse et appresso quanta e quale fosse la sua amaritudine dopo la partita di beatrice della presente vita».

2.6 Co-Texte als Zeugnis einer ersten Vita Nuova-Interpretation

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tanz zwischen Autor und Schreiber suggeriert und gleichzeitig den autographen Text nobilitiert.82 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Vita Nuova bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts durch eine lateinische Titelangabe, die dem Titel, den Dante dem Werk im Proömium gibt, entspricht. Erst mit der zweiten Boccaccio-Edition wird der Text als «Vita Nuova» bezeichnet. In den Gedichtanthologien werden die Gedichte der Vita Nuova oft anonym überliefert und wurden nicht der Vita Nuova zugeordnet. Späteren Lesern fiel Dantes Autorschaft und die Zugehörigkeit zur Vita Nuova jedoch ins Auge und sie vermerkten sie in den Paratexten der Handschriften, indem beispielsweise neue Titeleien eingefügt wurden oder in bestehenden Inhaltsverzeichnissen Dantes Autorschaft hervorgehoben wurde. Nur in Antonio Puccis zweitem Zibaldone findet sich eine Abschrift einzelner Vita Nuova-Gedichte, die jedoch auf eine zweite, heute vermutlich verlorene Abschrift der Vita Nuova aus der Hand von Pucci folgten, so liest man auf f. 90r°: «Finito il libro della nuoua uita del magnanimo poeta dante alighieri fiorentino. – Sonetto che dante mando a ciascuno amante. A ciaschun alma presa» [die Hervorhebung entspricht der Rubrizierung in der Handschrift]. Die spätere Zuschreibung und Betonung der Autorschaft bedeutet einerseits, dass die Handschriften intensiv gelesen und nicht durchgeblättert wurden. In Vat etwa findet sich das Dante-Gedicht mitten in einer Lage auf f. 99r° und hätte leicht übersehen werden können. Gleichzeitig bedeutet es auch, dass die Leser Dante bereits kannten und die anonym überlieferten Gedichte daher dem Autor zuordnen können oder sogar als der Vita Nuova zugehörig erkennen, was etwa die Paratexte von Ubaldini belegen. Für den Umgang mit volkssprachlicher Dichtung lässt sich daraus zweierlei ableiten: einerseits ist die Autorschaft in den ersten Canzonieri kein Ausschlußkriterium, obwohl eine Tendenz einer autorabhängigen Überlieferung ausgemacht werden kann, wie etwa in K. Es gibt keinen Canzoniere, in dem nicht auch Gedichte anonym überliefert werden. Andererseits zeigt sich, dass diese anonyme Überlieferung späteren Lesern ins Auge fiel und die Autorschaft vornehmlich markiert wird, wodurch die Dichter zu Autoritäten werden. In einem Fall wird am Ende der Handschrift eine Vita hinzugefügt f. 180r°: «Messer francesco petrarcha nacque nel 1304 ad arecço// Mori nel 1374 in quello de padua e una uilla chiamata arquade. Vixe anni 70 meno uno di. A di 6 d aprile nel 1327 s enamoro de Madonna laura. [von späterer Hand hinzugefügt: vede el sonecto a carta 88 voglia mesprona] mori madonna laura nel 1348 adi 6 d aprile sull ora prima vede el sonecto a carta 126 torname a mente. Di punto a una (sic!) dramma visse anni 21 dalora che meser

82 In B1, aber auch in To, wo die Bildunterschrift von Boccaccio in griechischen Buchstaben auf Latein verfasst wurde.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

f. s ennamoro di ley. [von späterer Hand hinzugefügt: vede el sonecto a carta 136 tenneme amore anni 21 ardendo]». Was die Paratexte der Vita Nuova selbst angeht, so gibt es nur drei Fälle, die einen Aufschluss über die Lesart des Textes erlauben, welche sich in K2, Tempi 2 und K finden. Die Vita Nuova wird von Boccaccio einmal als Liebesgeschichte vorstellt, in Tempi 2 setzt Antonio Pucci in der Titelei von A ciascun alma presa die famosi trovatori mit amanti gleich und im Inhaltsverzeichnis von K wird von einer Gedichtinterpretation gesprochen, letztere Bezeichnung wurde allerdings erst im 17. Jahrhundert hinzugefügt. In den Handschriften der Boccaccio-Edition und den Handschriften, die der Boccaccio-Edition folgen (R und L) tritt der Schreiber als Herausgeber der Texte erstmals ins Licht und begründet die Seiteneinrichtung oder gibt die Quelle für die Wahl einer bestimmten Textpräsentation an. Das zeigt, dass sich das Selbstverständnis der Schreiber gewandelt hat, sie einerseits stärker in Erscheinung treten, aber die Eingriffe in den Text des Autors als solche markieren. Für die Lektüre der Vita Nuova kann man schließen, dass zwar die ersten Handschriften der singulären Gedichtüberlieferung Dante nicht als Autor betiteln, aber die Autorschaft und auch die Werkzugehörigkeit der Gedichte im Laufe des 14. Jahrhunderts in den Handschriften immer präsenter wird und dadurch eine zunehmende Kenntnis der Vita Nuova belegt.

2.6.4 Gattungen Auch die Gattungen, die mit der Vita Nuova überliefert werden, weisen bestimmte Überlieferungsvorlieben auf: es gibt den klassischen Canzoniere, in dem nur volkssprachliche Gedichte mit einzelnen Gedichten der Vita Nuova überliefert werden, wie E, Mc, L2 und Co, z. T. sind diese Canzonieri bestimmten Autoren gewidmet, so überliefert z. B. Co vor allem Petrarca und Dante. Neben Gedichten finden sich unter den Co-Texten aber auch Prosatexte wie Briefe, Reden, Traktate und Exzerpte, wobei diese Prosatexte zum größten Teil später hinzugefügt wurden. Nur in M, B1 und R (hier später hinzugefügt) finden sich miszellane Prosatexte, während in To, K2, L und R die Dante-Vita von Boccaccio als einziger Prosatext überliefert wird. Gleichzeitig sind auch die Kommentare zu Donna me prega und Color di perla Prosatexte, die als solche und in ihrer Funktion als Kommentar, um den Text herum geordnet, sichtbar sind.  



2.6 Co-Texte als Zeugnis einer ersten Vita Nuova-Interpretation

Abbildung 27: Graphische Darstellung zu den Gattungen in den Handschriften des 14. Jahrhunderts

Abbildung 28: Graphische Darstellung zu den Gattungen in den Handschriften des 14. Jahrhunderts (in Prozent)

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

In B1 werden die prosimetrischen Werke, die Kommentare zu Color di perla und Donna me prega, seitenfüllend geschrieben, und der Haupttext wird durch eine größere Schrift und die Verwendung einer farbigen Initiale hervorgehoben. Erst mit Francesco da Barberinos Trionfo dell’amore ändert sich die Seiteneinrichtung in B1, und die Zeichnung auf f. 63v° scheint die Prosatexte von einem Gedichtteil zu trennen.

f. 62r°

f. 62v°

f. 63r°

f. 63v°

f. 64r°

Die Vita Nuova selbst tritt in ihrer vollständigen Überlieferung nicht immer als prosimetrisches Werk in Erscheinung, weil die Gedichte z. T. ohne Zeilensprung oder zeilenfüllend geschrieben wurden (a mo’ di prosa) und somit als Prosatext erscheinen. Dies ist besonders in K deutlich, wo sonst nur Gedichte überliefert werden und die Vita Nuova auf f. 7 als einziger Prosatext beginnt. Während Boccaccio die Vita Nuova in K2 als Sammlung von «Sonetti, Canzone e ballate» bezeichnet, wird in vier Handschriften der narrative Charakter des Werkes durch die Bezeichnungen «libro» (S), «libretto» (L) und «liber» (S, R) aber auch «chapitolo» (Gc) für die Kanzonen hervorgehoben. Trotz der detaillierten Kopieranleitungen bereitete die Darstellung des hybriden Charakters der Vita Nuova den Schreibern Probleme und sie mussten sich zwischen verschiedenen Darstellungsformen entscheiden. In keiner der Vita Nuova-Handschriften wurde dem Darstellungsmodell der Kommentare von Donna me prega gefolgt und die Gedichte durch eine größere Schrift, Farbe oder sonstige Auszeichnung als Haupttext gekennzeichnet, um den der Prosatext in zwei Spalten läuft. Die Prosa der Vita Nuova wurde nicht als Paratext oder Kommentar der Gedichte wahrgenommen, sondern als gleichwertig angesehen.  

2.7 Das Verhältnis von Co-Texten und Vita Nuova

161

2.7 Das Verhältnis von Co-Texten und Vita Nuova 2.7.1 Die Vita Nuova und andere Dante-Texte Nach der Boccaccio-Edition To gibt es eine weitere Handschrift, die allein oder vorrangig Dante gewidmet ist; so enthält auch L nur die Vita Nuova und die Canzoni distese, vermutlich war ein zweiter Teil für die Dante-Vita vorgesehen, der heute immer noch über die Hälfte der Handschrift einnimmt f. (24r°–51v°). Weitere Dante-Texte sind nur in L2 und R mit der Commedia und einem Dante-Brief vertreten. Das Convivio oder De vulgari eloquentia sind in keiner Handschrift des 14. Jahrhunderts mit der Vita Nuova überliefert worden, so dass weder eine werkchronologische Textüberlieferung noch ein thematischer Schwerpunkt mit der Thematisierung der Volkssprache in den Vita Nuova-Handschriften angestrebt wurde. Vielmehr zeigt sich, dass die Vita Nuova häufig mit den Canzoni distese, die den Ausgangspunkt für das Convivio bilden, und anderen Rime von Dante überliefert wird.83 Die Canzoni distese bilden die größte co-textuelle Überlieferungsgruppe in den Handschriften der Vita Nuova des 14. Jahrhunderts und begleiten mehr als die Hälfte der Vita Nuova-Handschriften. Dabei werden sowohl der vollständige Text der Vita Nuova als auch einzelne Gedichte in Beziehung zu den canzoni distese gesetzt. Meist schließen die Kanzonen direkt an die Vita Nuova an oder die Kanzonen der Vita Nuova werden mit den 15 moralischen Kanzonen, den Canzoni distese überliefert, so dass die drei Vita Nuova-Kanzonen als Teil der moralischen Kanzonen erscheinen. Die Canzoni distese als Begleittext der Vita Nuova bzw. der Kanzonen der Vita Nuova als erste Vertreter der moralischen Kanzonen setzt sich in der späteren Handschriftentradition der Vita Nuova im 15. und 16. Jahrhundert immer mehr durch. So finden sich weitere 23 Handschriften, die beide Dante-Texte zusammen überliefern.84 Auch die erste Edition der singulären Überlieferung, d. h. einzelner Dante-Gedichte, im Anhang an eine Commedia-Edition von 1491 präsentiert die beiden ersten Kanzonen der Vita Nuova als Teil der 15 moralischen Kanzonen von Dante.85  

83 Folgenden vollständige Handschriften überliefern auch die Kanzonen: M, K, S, To, K2, V, R, L; sie werden auch in folgenden Gedichtanthologien überliefert: B1, L2, Gc, Co und L3. Mm2, Mm5 und VnFT, Ca und O überliefern keine Co-Texte. Mm2 und Mm5 sind als einzelne Dokumente zu lesen, in den Memoriali Bolognesi werden eine Reihe weiterer Texte und Autoren überliefert. 84 Es handelt sich dabei um die Handschriften: Riccardiano 1094, 1340, 1144, 1127, 1117, 1093, 1054; Laurenziano Strozzi 170, Ash. 843, Laur. XL, 49; XL, 44; XL,42; Oxford can. 112, Braidense, Pal. 85, Pan. 9, Pal 561, Pal. 182, Magl. 1103, Magl. 722, Magl. 1076, BNCF 126; ms. Trivulziano 1052. 85 Es handelt sich hierbei um die Commedia-Ausgabe mit dem Kommentar von Cristofero Landino, die 1491 von Pietro Cremonese besorgt wurde. Die Kanzonen werden im direkten Anschluss an

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Abbildung 29: Graphische Darstellung zur co-textuellen Überlieferung: Vita Nuova und andere Texte von Dante

Abbildung 30: Graphische Darstellung zur co-textuellen Überlieferung: Vita Nuova und Canzoni distese

Mit den Rime hingegen werden eher einzelne Vita Nuova-Gedichte überliefert als der vollständige Text. Nur K, S und V überliefern auch andere Dante-Gedichte, außer den 15 Kanzonen. Es handelt sich hierbei jedoch um einzelne Gedichte, während in den Gedichtanthologien, in denen auch andere Gedichte von Dante überliefert werden, meist eine größere Anzahl von Dante-Gedichten zu finden ist bzw. sich die Gedichte der Vita Nuova und andere Dante-Gedichte die Waagschale geben. Während die Gedichte in den vollständigen Vita Nuova-Handschriften oft räumlich von der Vita Nuova-Abschrift (durch andere Texte) getrennt sind, wie in S und V, so werden die Vita Nuova-Gedichte in den Gedichtanthologien meist gemeinsam mit anderen Gedichten überliefert, oft sogar mit diesen regelrecht ver-

das Paradiso überliefert und mit «Cancione dello excellentissimo poeta dante aldigeri fiorentino Comminciano qui felicite» überschrieben.

2.7 Das Verhältnis von Co-Texten und Vita Nuova

163

mischt (E, B1, Mc und L2), wodurch eine Zuordnung dieser Gedichte zum libello für den Leser äußerst schwierig ist. Die Vita Nuova wurde im 14. Jahrhundert nur in seltenen Fällen mit der Commedia überliefert: auch wenn Boccaccio in seiner ersten Edition von 1352–56 dies anstrebte, ist nur ein weiterer Fall in L2 belegt, in dem Vita Nuova-Gedichte mit einem Teil der Commedia überliefert werden. Das bedeutet für die Rezeption des Textes zunächst, dass die Vita Nuova nicht in einen Vergleich mit der Commedia getreten ist, sie aber auch nicht als propädeutisches Werk angesehen wurde, dass die Lektüre der Commedia vorbereitet. Auch Boccaccio ist von dem Projekt einer Werkanthologie, wie er sie in To angestrebt hat, zurückgetreten und versucht in K2 vielmehr, die Vita Nuova durch die Einbettung in zeitgenössische Dichtungstraditionen zu nobilitieren. Grundsätzlich sind Dante und die Vita Nuova in den Handschriften des 14. Jahrhunderts sehr heterogen vertreten, wobei es nur eine einzige Handschrift gibt, die ausschließlich DanteTexte überliefert, nämlich L, während alle anderen Handschriften Texte, Gedichte und Prosatexte, mindestens eines anderen Autors (z. B. Boccaccio) mit überliefern. Oftmals ist das Verhältnis derart ungleich, dass Dante in der Fülle der anderen Autoren und inmitten all der anderen Gedichte nicht nur als ein Dichter unter vielen gelesen wurde, sondern wohlmöglich bei einer schnellen Lektüre der Handschrift, ganz überblättert werden konnte. Nur in zwei Fällen nimmt Dante einen größeren Raum gegenüber den Co-Texten ein und dominiert die Handschrift: dabei handelt es sich einmal um die Werkedition To von Boccaccio und das andere Mal um die Vita Nuova-Handschrift V, in der neben der Vita Nuova und den Kanzonen nur noch einige wenige Gedichte anderer Autoren überliefert werden. In L hingegen werden nur Dante-Texte überliefert, trotzdem hat kein späterer Schreiber die Handschrift durch Einfügungen von zusätzlichen Dante-Gedichten, oder anderen Dante-Texten vervollständigt. Auf 28 Blättern ist die Handschrift bis heute vakant. Durch die Überlieferung mit anderen Gedichten werden die Vita Nuova-Gedichte in einen rein lyrischen Kontext gestellt, der, anders als bei den Kanzonen, auf keine spätere prosimetrische Ausarbeitung durch den Autor selbst in der Vita Nuova und im Convivio hinweist. Dadurch sind die Gedichte, losgelöst von ihrer nachträglichen Interpretation und redaktionellen Überarbeitung für die Einfügung in das libello, oft in der sogenannten extravaganten Tradition überliefert. Neben den Co-Texten scheint sich auch die Position der Vita Nuova innerhalb der Handschrift auf das Leseverhalten auszuwirken, so finden sich mehr Leserspuren und Anmerkungen in den Texten, die zu Beginn einer Handschrift überliefert werden. In To zum Beispiel wurden 16 Anmerkungen in den Glossen im Trattatello in laude di Dante, dem ersten Text der Boccaccio-Edition, angemerkt und in der Vita Nuova von To finden sich nur 3 Anmerkungen, während die Vita Nuova von L mehr Anmerkungen aufweist als die  

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Abbildung 31: Graphische Darstellung zur co-textuellen Überlieferung: Textumfang in Folia

Abbildung 32: Graphische Darstellung zur co-textuellen Überlieferung: Vita Nuova und die Rime

2.7 Das Verhältnis von Co-Texten und Vita Nuova

165

Dante-Kanzonen, die direkt im Anschluß geschrieben wurden. Nur in sechs Fällen eröffnen die Vita Nuova oder Vita Nuova-Gedichte die Handschrift oder kodikologische Einheit, in den anderen Handschriften wird das libello immer nach anderen Texten überliefert, z. T. auch durch spätere Bindungen.86  

2.7.2 Dantes Vita Nuova inmitten anderer Autoren Die Vita Nuova nimmt in den meisten Handschriften einen geringen Umfang ein, sie eröffnet nur in Ausnahmefällen die Handschrift und wird von vielen Texten und Autoren begleitet.87 In Vat ist Dante ausschließlich durch Donne ch’avete intelletto d’amore vertreten, in den anderen Fällen finden sich mehrere Gedichte und Texte von Dante. Ein Leser der vollständigen Vita Nuova des 14. Jahrhunderts hat den Text also immer mit anderen Dante-Texten, meist den Kanzonen (außer in M), vorliegen und zwischen anderen Autoren (außer in L).

Abbildung 33: Graphische Darstellung und quantitative Übersicht zur co-textuellen Überlieferung im 14. Jahrhundert

86 Es handelt sich hierbei um die sechs Handschriften: E, S. L2, V, L und L3. Die Vita Nuova wurde in M später hinzugefügt. 87 Auch hier sticht die Abwesenheit von geistlichen Texten ins Auge, nur in Gc ist ein Gebet und Osterkalender überliefert, der auf eine religiöse Leserschaft weisen könnte. Ansonsten wird die Vita Nuova nur von weltlichen Texten begleitet.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Die Prosatexte, die die vollständige Vita Nuova des 14. Jahrhunderts begleiten, sind ab 1352 die Dante-Vita von Boccaccio (in To, K2, R und L), wodurch sich Boccaccio mit seiner Dante-Vita als Kommentator der Vita Nuova etabliert. Vor 1350 sind nur drei vollständige Vita Nuova-Handschriften überliefert, M, K und S, von denen nur M anonyme Prosatexte überliefert. Die einzigen Zuschreibungen, die in M zu finden sind, sind im Gedichtteil auf f. 26r°-32r° zu lesen, nach den sechs Gedichten der Vita Nuova (M2) und nennen die Autoren «Dante Alighieri», «Guido Cavalcanti di firenze» und «Messer chaccia da castello». K bildet unter dem Gesichtspunkt der co-textuellen Überlieferung eine Ausnahme unter den vollständigen Vita Nuova-Handschriften und scheint vielmehr den Text des libellos in einen umfangreichen Canzoniere aufgenommen zu haben, der fast 60 Autoren überliefert, die z. T. nur mit einem Gedicht vertreten sind. V ist in der Zusammenstellung seines Canzoniere an K angelehnt und überliefert ebenfalls eine Vielzahl an unbekannteren venezianischen Autoren. Grundsätzlich fällt auf, dass Boccaccio erst in R durch die Paratexte als Autor der DanteVita in Erscheinung tritt und daher in den Vita Nuova-Handschriften einen geringeren Anteil zu nehmen scheint als Petrarca, der mit zwei umfangreichen Gedichtsammlungen in den vollständigen Handschriften K2 und R vertreten ist und namentlich genannt wird. Durch die Paratexte erscheint beispielsweise To als reine Dante-Handschrift, die anonyme Kommentare mit überliefert.  

Abbildung 34: Graphische Darstellung zu explizit genannte Autoren in den Vita NuovaHandschriften des 14. Jahrhunderts

2.7 Das Verhältnis von Co-Texten und Vita Nuova

167

In dieser Übersicht habe ich nur die Autoren, die mehr als 10 Seiten einnehmen, aufgeführt. Cino da Pistoia und Guido Guinizelli werden, neben vielen anderen Autoren, auch in diesen Handschriften überliefert.

Abbildung 35: Graphische Darstellung zu den expliziten Zuschreibungen in den vollständigen Vita Nuova-Handschriften

Nimmt man hingegen nicht die Zuschreibungen des 14. Jahrhunderts als Anhaltspunkt, sondern den Umfang, den Autoren in den Vita Nuova-Handschriften wirklich einnehmen, so tritt Boccaccio an Petrarcas Stelle, dessen Dante-Vita und Argomenti in To anonym überliefert werden. In der Rezeption der BoccaccioEdition wird Boccaccio allerdings als Autor der Dante-Vita und als Herausgeber der Vita Nuova identifiziert und nimmt seit der Dokumentation der Rezeption der Boccaccio-Edition in R die Rolle des untrennbaren Begleiters und Kommentators von Dante ein.

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Alphabetische Übersicht der Autoren der co-textuellen Überlieferung der Vita Nuova-Handschriften

Abate di Napoli Abate di Tivoli Albertino Cirologo Amico di Dante Amis Tristan chen tristece maves mis Angelo Torini Antonio Beccari da Ferrara Antonio Pucci Attaviano da Perugia Auliver Baldo Fiorentino Bandino Bartolomeo da Castel della Pieve Bartolomeo da Sant’Angelo Benuccio Salimbene Bernardo da Bologna Bindo Bonichi da Siena Bindo di Cione Binduccio da Firenze Bonagiunta Orbicciani Bondie Dietaiuti Borscia da Perugia Bosone da Gubbio Botrico da Reggio Buccio di Aldobrandino Butto da Firenze Bruzio Visconti Caccia da Castello Cacciamonte da Bologna Cecco Angiolieri Cecco d’Ascoli Cecco Nuccoli Ceccolo Cenne de la Chitarra Chiaro Davanzati Chiose Selmiane Cino da Pistoia

Cione Baglione Cionello Cola di Messer Alessandro Conti di antichi cavalieri Cucco Baglioni R Dante da Maiano Ubaldini, R, L3 De excidio et bello troiano R Dello da Signa Ubaldini Dino Compagni B1 Dino Frescobaldi K Dinuccio Ubaldini Domenico Scolari L3 Enzo Fabruzzo de’ B1 Lambertazzi da Perugia S Fazio degli Uberti K Federico II B1, S, R Federico dell’Ambra R Fino d’Arezzo Mc Fiori di Filosafi K Folgore da San K Gimignano Ubaldini Forese Donati Ubaldini Franceschino di Ricco E Albizzi Gc Francesco da B1 Barberino R, L3 Francesco Ismera M, K Beccnugi Mc Francesco Petrarca Franco Sacchetti E, B1, K, V Giacomo da Lentino Gc Giacomo Pugliese Ubaldini Gianni Alfani Ubaldini Giannozzo Sacchetti B1 Gidino da K Sommacampagna L3 E, Mc, B1, Ubaldini, K, Gillo Lelli Giraldello S, L2, Gc, V, R, Co B1 K B1 Gc B1

Ubaldini Ubaldini Ubaldini M Ubaldini K B1 K V K Gc Ubaldini K B1

Ubaldini, L2, R, L3 K E, K B1 M B1, K K, L2 L3 B1, K, Gc, R K K, L2, Gc, K2, R, Co, L3 R Mc, B1, K K K R, Co, L3 V Ubaldini Ubaldini

2.7 Das Verhältnis von Co-Texten und Vita Nuova

Neri Moscoli Nicola Muscia da Siena Niccola To, K2, R, L3 Niccolò de’ Rossi V Niccolò Quirini L3 Niccolò Soldanieri Noffo Bonaguide E Nomina lapidum et B1 virutum B1 Nuccio Piacente B1 Onesto da Bologna B1 Palaio da Lucca B1 E, M, B1, Ubaldini, K, S, Paolo dall’Abaco L2, Gc, K2, V, R, Co, L3 Paolo Giantoschi Paolo Lanfranchi K Guido delle Colonne Parlantino da Firenze B1, K, Gc, V, Co Guido Guinizelli Percivalle Doria E, B1 Guido Novello da Picciolo da Bologna Polenta Pietro Alighieri K Guido Orlandi Pietro da Bologna B1 Guilhelm de Pier della Vigna Montangahol Pietro dei Faitinelli E, B1, K Guittone d’Arezzo Pietro di Maestr Angelo B1 Iacomo Tolomei Pilizaro da Bologna R, L3 Iacopo Cecchi Polo Zoppo V Iacopo Garatori Pucciarello B1, L2 Iacopo Mostacci Proverbia Salamonis B1 Immanuel Romano ps-Aristoteles Lamberto di Francesco Ubaldini ps.-Boccaccio B1, K, L2, Gc Lapo Gianni Riccardo degli Albizzi K Lapo Farinata degli Ridolfo da Pedemonte Uberti Rinaldo d’Aquino K Lapo Saltarelli Rinuccino da Firenze K, V Lupo degli Uberti Rustico Filippi K Maestro Francesco Saladino Manfredino Perugino Ubalidni Sennuccio del Bene K Manno Ubalidni Manuello Ser Salvi Ubalidni Marfagnone Semprebene da Ubalidni Marino Ceccoli Bologna V Matteo Paterino Simone K Mazzeo di Ricco Simone da Pierile B1 Menegello Somniale Danielis E, K Meo dei Tolomei Stefano Protonotaro B1 Meo di Bugno Stoppa de Bostichi K Monaldo da Sofena Terino da K Monte Andrea Castelfiorentino Mula de’ Muli da Pistoia Mc Tiberto Galliziani

Girardo da Castelfiorentino Giovanni Boccaccio Giovanni dell’Orto Giovanni di Lambertuccio Frescobaldi Giovanni Ubaldini Giuntino Lanfredi Gualpertino da Coderta Guercio da Montesanto Guezolo da Taranto Guglielmo d’Otranto Guido Cavalcanti

E

Ubaldini B1, K Mc E, B1 B1 R K M E, K B1, K, Gc V R, L3 Ubaldini B1 B1 K Mc V, R, L3 K B1, K B1 Ubaldini B1 K Ubaldini M B1 R L3 Ubaldini B1, K B1, K K K R, L3 V K E Ubaldini M B1 Ubaldini, R K K

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

Tommaso da Faenza Tommaso de’ Bardi Trebaldino Manfredini Ubertino di Giovanni del Bianco d’Arezzo

K, Gc, V L3 Ubaldini K

Ugolino Buzzola Ugolino da Fano Ventura Monachi Verzellino Zoanne de Bonandrea

K Ubaldini L3 K B1, Gc

157 Autoren sind in den Co-Texten der Vita Nuova-Handschriften des 14. Jahrhunderts vertreten und acht anonyme Prosatexte. Die anonymen Gedichte wurden nicht hier nicht gesondert aufgeführt, man siehe dazu die Inhaltsangabe im Handschriftenkatalog. Obwohl Cavalcanti nummerisch betrachtet nicht der wichtigste Co-Autor in den Vita Nuova-Handschriften ist, wird durch die alphabetische Autorübersicht deutlich, dass er der Autor ist, der am häufigsten mit der Vita Nuova überliefert wird. So finden sich Cavalcanti-Gedichte in 13 von 18 Handschriften (die 3 Fragmente und 2 Memoriali-Zeugnisse nicht mitgezählt). Cino macht den zweitstärksten Co-Autor aus, der in 11 Handschriften vertreten ist. So wird die Vita Nuova zwar auch mit «Vorgängern», häufiger aber mit «Nachfolgern» überliefert, wobei ihre Intertextualität zur Vita Nuova bewusst durch die Kompilatoren herausgestellt wird.

2.7.2.1 Die Vita Nuova und Gedichtanthologien Es müssen zwei Arten von Dichter-Canzonieri unterschieden werden, zum einen wird die Vita Nuova von Dichtern zu Studienzwecken abgeschrieben bzw. aufgrund intertextueller Bezüge herausgegeben, zum anderen wird die Vita Nuova aus kulturpolitischen Gründen mit anderen Autoren überliefert. Nicht nur Boccaccio zeigt mit K2 den Kanon der großen Florentiner Dichter auf, zu denen er sich selbst durch die zweimalige Kopie von Italie iam zählt, sondern auch Nicolò de’ Rossi nimmt ausschließlich Dichter seiner Region in den Canzoniere auf und fügt ihnen die Dichter hinzu, die sich nachweislich im Veneto aufgehalten haben. In beiden Fällen wird ein sprachliches und geographisches Kriterium verwendet, um einen organischen Zusammenhalt in den Handschriften herzustellen. Während Nicolò de’ Rossi jedoch 14 Autoren in seinem Canzoniere aufnimmt und mit einem langen Teil eigener Gedichte abschließt, finden sich in K2 nur vier Autoren, von denen Petrarca der größte Platz eingeräumt wird. In K2 und B1 sind zwei Dichter-Schreiber belegt, die nicht vornehmlich für persönliche Studienzwecke die Handschriften herstellten, sondern vielmehr das eigene literarische Schaffen in einen größeren und prominenten Kontext stellten und damit nobilitierend auf das eigene Œuvre wirkten. Auch Mc und R können unter diesem Aspekt gelesen werden, obgleich sie weit weniger strukturiert und publikumsorientiert sind, als K2 und B1. Mc ist als Fragment überliefert und gibt daher nur einen kleinen Einblick

2.7 Das Verhältnis von Co-Texten und Vita Nuova

171

in die co-textuelle Überlieferung der Vita Nuova-Gedichte, die hier in einem Spannungsfeld zu Cino da Pistoia stehen, während Antonio Pucci in R nur durch ein einziges Gedicht vertreten ist und die Handschrift später durch einen zweiten Teil ergänzt wurde, der vorwiegend Dante gewidmet ist. Wie in K2 (f. 79r°) und B1 (f. 91v°-103v°) findet sich auch in R das autographe Gedicht im letzten Teil der Handschriften, in K2 und B1 wirklich an letzter Stelle, während das Gedicht Ben ch i conosca von Antonio Pucci im Inhaltsverzeichnis ohne Seitenangabe verzeichnet wurde, aber dort nicht die letzte Position einnimmt und somit wahrscheinlich auch nicht die Handschrift abschloß. In anderen Canzonieri hingegen werden die Gedichte der Vita Nuova nicht maßgeblich der Provenienz und Prominenz ihres Urhebers wegen eingefügt, sondern aufgrund thematischer Schwerpunkte, die die Kompilatoren der Handschriften meist zu eigenen Zwecken herausbildeten. So wurden einzelne Vita Nuova-Gedichte in Canzonieri aufgenommen, die zum Teil thematisch, zum Teil chronologisch sortiert sind und meist eine beachtliche Anzahl von Gedichten überliefern, so werden in Vat ca. 1000 Gedichte neben Donne ch’avete überliefert. Die Wahrnehmung des Gedichtes, das mitten in der 15. Lage auf f. 99v° von einer zweiten Hand nachgetragen wurde und später mit Nummer «ccvvi» versehen wurde, kann unter der Vielzahl anderer Gedichte und Autoren untergehen. Nach einer Leerzeile folgt auf derselben Seite die Kanzone Ben aggia des sogenannten «Amico di Dante». Der Kompilator der Handschrift setzt also Dante in einen unmittelbaren Bezug zu anderen Autoren und lässt ihn durch seine bekannteste Kanzone Donne ch’avete und eine Interpretation der Kanzone durch den Amico di Dante auftreten. In anderen Gedichtanthologien nimmt die Vita Nuova eine prominentere Position ein und ist durch mehrere Gedichte vertreten. In E wurde durch die Neuordnung der einzelnen Gedichte ein thematischer Leitfaden gefunden, dem die Vita Nuova-Gedichte zugeordnet werden. Auch in B1 und Mc werden die Vita NuovaGedichte entprechend der thematischen Ordnung gruppiert und bilden dadurch ein Beispiel unter anderem für die lyrische Ausarbeitung bestimmter komplexer Fragestellungen. Obwohl Mc und B1 von zwei Kennern der Vita Nuova herausgegeben wurden, nämlich Cino da Pistoia und Nicolò de’ Rossi, haben sie nicht etwa die thematischen Vorgaben der Vita Nuova-Gedichte als Ordnungskriterium verwendet, sondern eigene thematische Schwerpunkte untersucht und die Gedichte zu Studienzwecken aus dem vollständigen Werk isoliert. Das bedeutet, dass die intertextuellen Bezüge, die Dante selbst in seinen Gedichten eingewoben hat, etwa zum Werk von Guittone d’Arezzo, wahrgenommen wurden und Reminiszenzen betont und kreiert werden. Das Spiel von fiktiven Antworten und Tenzonen scheint in der Komposition der Dichter-Canzonieri weitergesponnen worden zu sein.

172

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

2.7.2.2 Die Vita Nuova in Miszellanae 2.7.2.2.1 Rhetorik Es gibt einige Handschriften, in denen die Vita Nuova mit rhetorischen Beispieltexten und Exzerpten überliefert wird: Reden, Briefe und Exzerpte aus klassischen Autoren. Dieses, auf den ersten Blick, seltsam erscheinende Sammelsurium an Texten und Kurztexten stellt die Vita Nuova in ein anderes Licht und erlaubt interessante Rückschlüsse auf ihre Lesart. Es scheinen diese Handschriften zu sein, die maßgeblich auf die metapoetischen Abschnitte der Vita Nuova gewirkt haben, so dass der Text losgelöst von seiner Dramatik als Beispiel und Anleitung zum guten Dichten mit anderen Beispielen und Exzerpten anderer Gattungen überliefert wird. Die Vita Nuova wird hier als Beispiel für Dichtkunst und als Anleitung zum Dichten neben anderen Exempla und rhetorischen Texten überliefert. Dabei spielt die Urheberschaft Dantes sicherlich genauso eine Rolle wie die Autoritäten, die in den Exzerpten zusammengetragen werden und für einen Leser geeignet sind, der die Texte als Schreib-, Argumentations- oder Informationsquelle «ausschlachtet».

Abbildung 36: Graphische Darstellung zu den cotextuellen Überlieferung

In M scheint dieses Zusammenspiel von Texten besonders deutlich, hier werden lateinische Texte, italienische Übersetzungen, Exzerpte und doxologische Listen mit Traumdeutungen und Edelsteinsymbolik neben narrativen Texten zu Philosophenviten und Helden gemeinsam überliefert

2.7.2.2.2 Heilige, Helden und Dichter Es ist nicht Boccaccio, der die Vita Nuova in den Zusammenhang zur Vitenliteratur setzt, vielmehr knüpft er an die Tradition an, die das libello erstmals vollständig überliefert und gleichzeitig auch die Tradition der Gedichtanthologie aufzeigt,

2.7 Das Verhältnis von Co-Texten und Vita Nuova

173

wie M und M2. Hier werden die Fiori dei filosafi und die Conti dei antichi cavalieri, die auch als Co-Text in der Überlieferung der Rime von Dante vertreten sind, erstmals mit der Vita Nuova zusammen überliefert (cf. Varnhagen 1893; Cappelli 1865). In den Fiori dei filosafi wird eine Philosophiegeschichte erzählt, beginnend mit Pythagoras und endend mit Origines, indem eine Kurzvita mit den wichtigsten Lehren und Zitaten des jeweiligen Philosophen verbunden wird. Besonders die Vita des «Secondo Filosofo» könnte dabei die Lektüre der Vita Nuova in M beeinflusst haben, weil hier ein Fragenkatalog präsentiert wird, der auch zu einer allegorischen Lektüre poetischer Texte einladen könnte. So schreibt der «Secondo Filosofo» auf die Fragen von Kaiser Hadrian antwortend: «Che è l’uomo?

E’ mente incarnata, fantasma del tempo, aguardatore de la vita, servente a la morte, romeo trapassante, oste forestiere di luogo, anima di fatica, abiturio di piccol tempo.

Che è parola?

Parola è manifestamento d’animo.

Che sono li occhi?

Li occhi sono guide del corpo, vaselli di lume, mostratori dell’anima.

Che è il celebro?

El celebro è guardia della memoria.

Che è il cuore?

Il cuore è rocca e fortezza de la vita.

Che è il fegato?

Il fegato è guardia del caldo». (D’Agostino 1979, 214–222).

Dieser intertextuelle Bezug mag dem Leser von M bei der Lektüre des ersten Kapitels noch in Erinnerung sein und das Verständnis gerade der physisch verorteten spiriti bereichern. Dantes Vita Nuova vertritt in M die Dichter, durch die autobiographische Erzählung von Lehre und Leben eines Dichters, es handelt sich gewissermaßen um eine moralisierende Einbettung der Vita Nuova, die als Zeugnis für Dantes Lehre und Taten angesehen werden kann. Auch in To und K2 spielen die autobiographischen Züge der Vita Nuova ebenfalls eine besondere Rolle, weil sie durch das Trattatello als Pendant historisierend interpretiert wird. Beatrice ist keine Allegorie mehr, sondern eine konkret verortete Person mit Vor- und Zunamen, auch das erste Treffen hat, Boccaccio folgend, nicht zufällig, sondern gemäß den Gepflogenheiten der Florentiner Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stattgefunden. Boccaccio bietet mit seinem Trattatello in laude di Dante erstmals eine eigenständige Interpretation der Vita Nuova und schafft damit eine Einleitung zur Vita Nuova, deren autobiographische und metapoetische Züge durch die Biographie und Theoretisierung der Poetik Dantes hervorgehoben werden. Es wird in der Überlieferungsgeschichte zum Standard, der Vita Nuova eine Dante-Biographie voranzustellen, so findet

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

sich bereits im 14. Jahrhundert mit R ein erstes Zeugnis dieses Überlieferungsmodells (siehe dazu weiter unten Kapitel 4.2).

2.7.2.2.3 Traumdeutung Auch wenn die beiden traumdeuterischen Texte in M sehr kurz sind, so ist allein der Umstand selbstredend, dass sich der Schreiber der zweiten kodikologischen Einheit, in der auch die vollständige Vita Nuova überliefert wird, sich die Mühe machte, die Esposizione dei songni zu übersetzen. Nicht nur die Gedichte der Vita Nuova, die im ersten Teil der Handschrift überliefert wurden, regten den Schreiber dazu an, das vollständige Werk der Handschrift hinzuzufügen, sondern auch der lateinische Kurztext zur Traumdeutung wird in einer zugänglicheren Sprache vor dem libello eingefügt. Die Beziehung, die bereits im ersten Teil offensichtlich gewollt war, weil die Gedichte der Vita Nuova als Teil der Traumdeutung erscheinen (f. 22r°-25v°), wird im zweiten Teil wiederholt (f. 32v°-34r°). Im ersten Teil von M (M2) werden die Gedichte II–VII in der korrekten Reihenfolge überliefert, so dass es scheint, dass der Schreiber eine vollständige Vita Nuova-Handschrift als Vorlage nutzte, erstaunlicherweise jedoch gerade das Gedicht, das den ersten Traum der Vita Nuova beschreibt A ciascun alma presa nicht abschrieb. Es handelt sich bei dem lateinischen Text um einen Auszug auf dem Somniale Danielis, einem Traumdeutungsbuch, das in zahlreichen Handschriften mit volkssprachlicher Literatur zusammen überliefert wird. Einzelne Lemmata werden alphabetisch geordnet mit einer Kurzinterpretation aufgeführt. Valerio Cappozzo hat in seiner Dissertation die unterschiedlichen Überlieferungsstränge des Somniale mit italienischer Literatur untersucht und unterstreicht dessen Bedeutung für die Interpretation und Produktion von volkssprachlicher italienischer Literatur.88 In den anderen Handschriften des 14. Jahrhunderts, ms. Laurenziano Tempi 2 und ms. Vaticano Rossiano 947, wird der Somniale zusammen mit Gedichten von Dante, Cecco D’Ascoli, Boccaccio aber auch Cavalcanti, Antonio Pucci, Antonio da Ferrara und Francesco Petrarca überliefert. Antonio Pucci fügt den kurzen Text in seinen Zibaldone Laurenziano Tempi 2 ein, neben Texten von Marco Polo, Andrea Cappellanos De Amore und Dantes Commedia, während er in ms. Vat. Rossiano 947 in einer Decameron-Handschrift überliefert wird. Vergleicht man nun die Traumvisionen der Vita Nuova mit den Interpretationsmöglichkeiten, die in M durch die beiden Versionen des Somniale Danielis geboten werden, so gibt es einige Einträge, die als Schlüssel für Metaphern in der Vita Nuova hinzugezogen werden können wie zum Beispiel: 88 Cappozzo (2012) untersuchte die Handschriften Martelli 12, Laurenziano Tempi 2 (1362), Vaticano Rossiano 947 von 1395 und Laurenziano Ashburnham 1724 von 1455.

2.7 Das Verhältnis von Co-Texten und Vita Nuova

Vita Nuova

Somniale Danielis in der M

§ 1,14: nebula di colore di fuoco

Cielo fochoso vedere alchuna cosa rea S[ignifica]

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§ 10,7: Io imaginava di guardare verso lo cielo, Al cielo volare danno. S[ignifica] e pareami vedere moltitudine d’angeli li quali tornassero in suso, ed avevano dinanzi da loro una nebuletta bianchissima § 23,3: disegnare figure d’angeli

Dipinture vedere inganno S[ignifica]

Donna pietosa: 49–53 Poi mi parve vedere a poco a poco turbar lo sole e apparir la stella, e pianger elli ed ella; cader li augelli volando per l’are, e la terra tremare;

Celos subdito in obscuritatem cum tempestate convertere magnam tribulationem significat Colunpna de domo cade mortem fortioris significat

§ 14,7: e fue sì forte la erronea fantasia, che mi mostrò questa donna morta:

Ossa vel corpora mortuorum videre (labores) significat

Obwohl die Intertextualität sicherlich bewusst gewählt wurde und auch in anderen volkssprachlichen Handschriften dieser traumdeuterische Text mit Dichtung überliefert wurde, so bleibt es bei einer einfachen Nebeneinanderstellung der Texte, die zwar im ersten Teil durch die Unterlassung einer deutlichen Trennung des Prosatextes von den Gedichten der Vita Nuova verstärkt wird, aber keine Glossen oder gar Kommentare provoziert hat, die auf eine gemeinsame Lektüre der Texte hindeuten. Zudem erstaunt der Umstand, dass im ersten Fall eine lateinische Version des Somniale Danielis (mit einem italienischen Titel) überliefert wird und mit den nachfolgenden Gedichten nicht nur ein Gattungswechsel, sondern auch ein Sprachwechsel stattfindet, gleich als ob die Gedichte durch das Somniale kommentiert würden, so wie es mit dem lateinischen Kommentar von Dino del Garbo zu Cavalcantis Kanzone Donna me prega oder Nicolò de’ Rossis Kommentar zu seiner Kanzone Color di perla geläufig war. Die graphische Anordnung und Seiteneinrichtung scheint allerdings gegen eine solche Interpretation zu sprechen, weil die Gedichte nicht zentriert als Haupttext zu identifizieren sind und auch ihre Urheberschaft nicht eigens angegeben wird (erst die Kanzonen auf f. 26r° werden Dante zugeschrieben). Dass die Gedichte hingegen als Anschauungsmaterial für die Traumdeutungen dienen sollten, scheint sehr unwahrscheinlich, weil in den angefügten Gedichten Träume nicht das Hauptthema sind und die lateinischen Traumdeutungen keineswegs volkssprachlicher Belege bedurften.

176

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

2.7.2.2.4 Dichtende und verstehende Frauen: Ovid und die Vita Nuova In L3 ist die Vita Nuova erstmals mit einem Text überliefert, der einem klassischen Autor zugeschrieben wird, den Heroides von Ovid. Die Zuschreibung ist inzwischen umstritten, im Mittelalter galt der Text jedoch als authentischer Text von Ovid und auch in der Handschrift wird Ovid als Autor angegeben. Es handelt sich um eine spätere Hinzufügung, die jedoch für die Rezeptionsgeschichte interessant ist, weil es sich einerseits um eine Ausnahme in der Überlieferungsgeschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert handelt, zum anderen weil sie die Vita Nuova in einen co-textuellen Zusammenhang stellt, in dem eine bestimmte Spechergruppe in den Vordergrund gerückt wird. Dante stilisierte die donne in der Vita Nuova als Adressaten und Geburtshelfer des stile della lode, sie sind es auch, denen er ein Antwortgedicht in den Mund legt, die neben Cavalcanti als Antwortende, als Dichtende in der Vita Nuova in Erscheinung treten. In L3 wird dieser Aspekt durch die Anfügung der Heroides, fiktive Liebesbriefe, die meist von Frauen verfasst wurden, verstärkt. Gewissermaßen werden die donne der Vita Nuova von verstehenden Frauen zu liebenden Frauen, die Rollen scheinen gespiegelt, so dass nicht mehr Dante-agens der Liebende und Dichtende ist, sondern die Frauen in den Heroides vornehmlich in dieser Rolle zu finden sind, auch ihr Gegenüber antwortet nur in wenigen Fällen, so wie Dante in der Vita Nuova nach der Grußverweigerung vergeblich um Beatrices Gehör bittet. Die italienische Übersetzung der Eroidi wurde um 1325 von Filippo Ceffi verfasst und erfuhr eine weite Überlieferung im 14. Jahrhundert in 13 Handschriften.89 Ein Autograph wird in BAV, ms. Pal. lat. 1644 überliefert (cf. Palma 1973). In einer Handschrift der Mitte des 15. Jahrhunderts wird der Text mit einer historisierenden Initiale eröffnet, in der eine schreibende Frau dargestellt wird. An den Leser gerichtet, wurde vor dem ersten Brief ein kurzer Lesehinweis gegeben: «Ad cio che tu lectore habbi apertamente il conscimento di questo libro Sappi che Ouidio fecie queste pistole per admaestrare li giouani huomini e lle giouani donne di sauiamente amare. Et pero introduce et racconta molti exempli d amore honesti et dishonesti li honesti per che si seghueno li dishonesti perche si schifino» (cf. Reproduktion in Zaggia/Ceriana 1996, ohne Seitenangabe, Fig. 10). Durch die historisierende Initiale wird eine Identifikati-

89 Zaggia/Ceriana (1996) führen 56 Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts an. Die Handschriften des 14. Jahrhunderts sind (chronologisch geordnet): BAV, ms. Vat. Pal. lat. 1644 (um 1325), Privatsammlung (1325–1350); BML, ms. Med. Pal, 122 (1350–1400); BNCF, ms. II.II. 64 (1350–1400); BR, ms. 1578 (1350–1400); München, Bayerische Staatsbibliothek, ms. It. 814 (1350–1400); BNCF, ms. II. ii. 61 von Amelio Bonaguisi (1392); Privatsammlung (già Magl. VII. 969), von Belloncio Gherardi (1393); BAV, ms. Vat. lat. 9920 (Ende des 14. Jh.s); BR, ms. 1580, von ‘Bandinus’ (Ende des 14. Jh.s); BR, ms. 1606, von ‘Iohanni Buono’ (Ende des. 14. Jh.s); BR, ms. 2730 (Ende des 14. Jh.s); München, BSB, ms. It 148, (Ende des 14. Jh.s).

2.7 Das Verhältnis von Co-Texten und Vita Nuova

177

on der fiktiven Autorin, der schreibenden Frauen der Eroidi, angeboten, was auch im begleitenden Paratext durch die explizite Erwähnung der «giovani donne» verstärkt wird. In der Überlieferung und Rezeption der Vita Nuova des 14. Jahrhunderts ist eine solche explizite Adressierung an eine weibliche Leserschaft nicht gegeben. Erst im 15. Jahrhundert gibt es eine Darstellung von Beatrice, doch auch diese wird in der Überlieferungsgeschichte des Textes eine Ausnahme bleiben. Die Syntonie, die Dante in seinen Lesern erzeugen wollte, scheint sich bei der Lektüre der Vita Nuova einzustellen. 1573 wurde eine Warnung ausgesprochen, dass dieser Text als Lektüre für Frauen ungeeignet sei, als «opera lasciva e disonesta»,90 weil sie zu starke Gefühle hervorrufe, «sono come esca aggiunta al foco […] a’ giovenetti molte fiate insegna l’amor lasciuo» und sich das «farei innamorar la gente» bewahrheite (cf. Gabriele Fiamma, Rime Sprituali, 1573, ohne Seitenangabe). In den Handschriften der Vita Nuvoa treten nur drei Leserinnen auf, die «comare» von Co, die Schwester von Francesco del Nori, die die Handschrift aus seinem Nachlass an Vincenzo Martelli verkaufte, und die Karmelitinnen von Santa Maria degli Angeli, wo heute noch immer ein Fragment der Vita Nuova aufbewahrt ist. Letzte bezeugen, dass der Rat, eine geistliche Literatur zu schaffen, die die «himmlische Liebe» besinge, befolgt wurde und die Vita Nuova im 16. Jahrhundert auseinandergenommen wurde, um die mystischen Texte einzubinden.

2.7.2.3 Erweiterungen der Handschriften Die Vita Nuova wird mit einer Vielzahl von anderen Autoren überliefert, wobei religiöse Texte und klassische Autoren, mit Ausnahme der späteren Hinzufügung einer Ovid-Übersetzung (L3), nur mit den Proverbia Salomonis (M), mit einem Gebet (Gc) und mit Exzerpten aus klassischen und theologischen Werken wie Augustinus (R) vertreten sind. Die meisten Autoren stammen aus dem 13. und

90 Sabba da Castiglione, Ricordi overo Ammaestramenti, Venetia, appresso Giouanni Griffio, 1575, p. 218: «Direte che uoi assai laudate nelle donne il saper leggere e scriuere, ma non già per leggere li sonetti e le canzoni del Petrarca, ò le cento nouelle, ò la Fiametta, ò il Filocolo del Boccaccio, ò la uita nouella di Dante, e altre simili opere lasciue, e non molto honeste: ma per leggere la Bibia, l’Officio della Madonna, le leggende de’ Santi, le Vite de’ S. Padri e altri libri cattolica, diuoti, spirituali, e religiosi, conuenienti ò donne ben nate, ben create, e buone Christiane, la cui principal professione deue essere la honestà, la pudicitia: e cosi ancora laudarete il saper scriuere, ma non rime lasciue, procaci, e lettere d’amore, et altre pazzie dishoneste: ma per scriuere le cose necessarie quando bisogna, e allhora con tutta quella honestà, e grauità che si conuiene ad una donna d’honore se dirà, essendo tale ella sarà dalle altre donne riputata e tenuta una sciocca, una semplice, e una uilla, a et voi li direte, che è molto meglio, ò manco male assai, hauere una donna goffa e uillana, ma honesta e pudica, e tutta sua, che hauerla galante, gentile, ma disonesta, e impudica, e commune con li altri».

178

2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

14. Jahrhundert, nur eine prominente Ausnahme ist in E mit der Hinzufügung von Finicos De voluptate zu finden, andere humanistische Autoren werden nicht in die Handschriften eingefügt. Die Hinzufügungen, die in den Vita Nuova-Handschriften des 14. Jahrhunderts belegt sind, können jedoch, intentionell verstanden, die Interpretation der ersten Leser und Besitzer widerspiegeln. Es wurden die Handschriften E, M und R zu unterschiedlichen Zeitpunkten erweitert. Die früheste Erweiterung ist in M zu finden und betrifft die Abschrift der ersten vollständigen Vita Nuova, welche im zweiten Teil um 1350 dem bereits bestehenden lateinischitalienischen Teil hinzugefügt wurde. Der Schreiber scheint dem miszellanen Charakter der Handschrift entgegenwirken zu wollen, indem er zwei Texte vollständig überliefert bzw. übersetzt, welche im ersten Teil nur teilweise überliefert wurden. Die Handschrift war vor ihrer Erweiterung sehr heterogen konzipiert und überlieferte weitverbreitete Standard- und populäre Texte, auf die im letzten Abschnitt die Dante-Gedichte folgen. Wurden die Dante-Gedichte auch als populäre Texte wahrgenommen? Die Handschrift wird durch die Erweiterung organischer, es bildet sich ein «roter Faden» in der Zusammenstellung der Texte heraus, die als Helden-, Philosophenund Dichterviten einen exemplarischen Charakter gewinnen. Spätere Bindungen des 15. Jahrhunderts zeigen einen weniger zielgerichteten Umgang mit den vorhandenen Texten. In R finden wir zwar eine Handschrift, die durch ihre Erweiterung zu einer regelrechten Dante-Handschrift umgewandelt wird, mit mehreren Kommentaren, Paraphrasen, erklärenden Texten und einem Dante-Brief, während die Erweiterung in E, welche nach 1457 u. a. Marsilio Ficinos De voluptate mit der Vita Nuova zusammenbindet, jedoch keine derart direkte Intertextualität offenbart, wie die Dante-Texte von R, die im 15. Jahrhundert zu Antonio Puccis Canzoniere hinzugefügt wurden. Eine Erweiterung der Handschriften während 14. Jahrhunderts ist nur in M belegt. Die Erweiterung hat maßgeblich zur Kenntnis, Verbreitung und Interpretation der Vita Nuova durch die doppelte Hinzufügung des vollständigen Textes und der italienischen Übersetzung des Somniale Danielis beigetragen.  

2.8 Schlussbemerkungen Eine strikte Trennung der handschriftlichen Überlieferung der Gedichte und der vollständigen Vita Nuova scheint im 14. Jahrhundert nicht stattgefunden zu haben. Zwar werden die Vita Nuova-Gedichte nicht explizit als solche gekennzeichnet, ihre co-textuelle Einfügung und die unmittelbaren Ergänzungen der Handschriften und die Mischung von extravaganten Gedichten mit Vita NuovaGedichten belegen jedoch, dass die Schreiber und Herausgeber der Handschriften

2.8 Schlussbemerkungen

179

um ihre prosimetrische Einordnung wussten. Das wird besonders in M2 und Mc deutlich: einmal werden sechs Vita Nuova-Gedichte in der Reihenfolge überliefert, in der sie auch in der vollständigen Vita Nuova zu finden sind und von einem auf den Prosateil der Vita Nuova bezugnehmenden Text begleitet, zum anderen nutzte der Schreiber von Mc unproblematisch mehrere Vita Nuova-Handschriften aus verschiedenen Redaktionsphasen als Vorlage für seine Abschriften. Gleichzeitig zeigt sich auch, dass aufgrund der co-textuellen Überlieferung von einer Erweiterung der klassischen rein lyrischen Canzonieri gesprochen werden kann, in denen eine Vielzahl von Autoren überliefert werden. Mit K und später V erhält hier erstmals ein prosimetrischer Text in die Canzonieri Einzug. Diese Veränderung der Form des Canzoniere ist durch die neue Form der Gedichtkommentierung und Gliederung bedingt, die dann, in anderen Handschriften wie etwa B1, das vorwiegende Genre bildet. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Untersuchung der Vita Nuova-Handschriften Folgendes ergeben hat: Die ersten Rezeptionszeugnisse sind wesentlich früher anzusetzen, als in den umfassenden Beiträgen zur Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova zu finden ist, da meist die erste vollständige Textüberlieferung mit M (1330–1350) als erstes Dokument gehandelt wird. Die Verbreitung der Vita Nuova ist bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts außerhalb der Toskana belegt, erst dann scheint der Text wieder in Florenz rezipiert zu werden, bzw. die uns überlieferten Rezeptionszeugnisse können erst in die Mitte des 14. Jahrhunderts datiert werden. Die Vita Nuova-Überlieferung beginnt bereits in den Neunziger Jahren des 13. Jahrhunderts außerhalb von Florenz und hat als besonderes Zentrum Bologna, wo sowohl die erste Gedichtabschrift (Mm2) als wahrscheinlich auch die erste vollständige Handschrift (H1*) verortet sind. Außerhalb Italiens, in Süditalien oder auch nur in Rom zirkulierten im 14. Jahrhundert vermutlich keine Handschriften der Vita Nuova. Neben den Dichtern wurde die Vita Nuova von juristischen Schreibern und Berufsschreibern vervielfältigt und kann damit in das Umfeld der CommediaÜberlieferung und der Überlieferung des Convivio gerückt werden. Die Zirkulierung der Vita Nuova ist somit in intellektuellen Kreisen aber auch im aufstrebenden Kaufmannstum und dem «ceto notarile» belegt. Die literarische Auseinandersetzung betrifft hierbei nicht nur die Nachdichtungen und Antwortgedichte, sondern vornehmlich auch die bewusste Textzusammenstellung in den Handschriften, die ein intensives Studium der Vita Nuova-Gedichte offenbaren. Es gibt drei Dichter, die an der Divulgation der Vita Nuova eigens mitgewirkt haben, Boccaccio, Nicolò de’ Rossi und Antonio Pucci, und zwei weitere Autoren, die eventuell als Auftraggeber – Cino da Pistoia – oder als Mitarbeiter – Francesco da Barberino –, an der Produktion von Vita Nuova-Handschriften beteiligt waren. In den Dichterhandschriften wird die Vita Nuova meist inmitten von z. T. umfangrei 

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2 Die Handschriften – Die Materialität des Schreibens und Lesens

chen Canzonieri überliefert, was jedoch nicht unbedingt ausschließlich auf einen persönlichen Gebrauch der Handschrift schließen lässt. Die Einfügung auch der vollständigen Vita Nuova in Canzonieri bildet sich schon mit K heraus und kann als eine Antwort auf die formale Neuheit des prosimetrischen Textes interpretiert werden. Die Vita Nuova wird nicht als einzelner Text überliefert, sondern immer mit anderen Autoren oder Dante-Texten in Beziehung gesetzt, bevorzugt mit Cavalcanti, der in 13 Handschriften mit überliefert wird, und mit Dantes Canzoni distese, die ebenfalls in 13 Handschriften überliefert werden. In den originalen Paratexten scheint jedoch Petrarca als wichtigster co-textueller Autor den größten Platz in den Vita Nuova-Handschriften einzunehmen. Die Leser der Vita Nuova scheinen diese co-textuelle Überlieferung durch die Inklusion des Cavalcanti-Gedichtes Vedeste al mio parere wahrnehmen zu können, das in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in K und V eingefügt wurde. Abgesehen von den Schreibern, die gleichzeitig auch Leser der Vita Nuova waren, ist nur Coluccio Salutati als Leser und Besitzer der Vita Nuova (K) namentlich bekannt, der die Intertextualität zu Cino da Pistoia hervorhob. Weitere umfangreiche Leserspuren, Kommentare – sieht man von der Dante-Vita von Boccaccio ab – und Anmerkungen werden in den Handschriften des 14. Jahrhunderts nicht überliefert. Die Lesespuren beschränken sich größtenteils auf Texteingriffe durch Kollationierung und Korrekturen der Orthographie, Nummerierungen oder Neuordnungen der Gedichte, Zuschreibungen und Anmerkungszeichen wie maniculae. Es sind weniger die Leser als die Schreiber und Kuratoren der Handschrift, die eine erste Interpretation und Lektüre der Vita Nuova offenbaren, welche sich in der co-textuellen Zusammenstellung der Handschriften verbergen. So wird die Vita Nuova in den Editionsprojekten von Boccaccio einmal in die Werkchronologie eingeordnet, ein anderes Mal wird die Vita Nuova eigenständig mit dem erfolgreichsten zeitgenössischen Dichter Petrarca zusammen überliefert. Der traumdeuterische und der autobiographische Charakter der Vita Nuova wird hervorgehoben, während ihr poetologisches Programm zwar von den Lesern nicht unkommentiert bleibt, aber von den Herausgebern, etwa durch die Wahl von anderen Poetologien oder theoretischen Texten, nicht berücksichtigt wird. Ebenso wird die Vita Nuova nur in einem Fall mit klassischer Literatur in Bezug gesetzt (L3, Ovid), während formale Vorbilder wie etwa Boethius De consolatione Philosophiae nur in Co durch ein Exzerpt auf dem Vorsatzblatt vertreten sind. Grundsätzlich wird die Vita Nuova eher in Bezug zu späteren Autoren gesetzt, denn zu «Vorgängern», so erscheint sie vielmehr als Beginn von etwas Neuem, was besonders durch die Boccaccio-Editionen verstärkt wird. In der späteren Handschriftentradition wird dieser Aspekt noch deutlicher, wenn sie etwa mit Gedichten von Lorenzo de’ Medici oder Angelo Poliziano überliefert wird.

3 Die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert – Anfänge und erste Überlieferung 3.1 Rezeptionstheoretischer Ansatz in der Vita Nuova-Forschung – Forschungsbericht Eine grundsätzliche und übersichtliche Monographie zur Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova, ob epochenübergreifend oder einen zeitlich begrenzten Rahmen betrachtend, leser- oder gattungsspezifisch, ist bis heute ein Forschungsdesiderat. In der Dante-Forschung gibt es unzählige ausführliche Analysen und Untersuchungen zur Rezeptionsgeschichte von Dante. Ein Großteil dieser Forschungen widmet sich der Commedia, wobei entweder die Kommentartradition besonders berücksichtigt oder aber der Versuch unternommen wird, die Rezeption einer bestimmten Zeitspanne, einer bestimmten Region oder eines Sprachraums nachzuzeichnen. Eine umfassende Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova ist noch immer ein Forschungsdesiderat. In der Forschungsliteratur sind drei Formen ausfindig zu machen, die die Rezeption der Vita Nuova behandeln: erstens gibt es einige wenige Artikel, die sich allgemein mit der Rezeption der Vita Nuova befassen, zweitens wird die Rezeption der Vita Nuova in umfassenden Rezeptionsgeschichten zu Dante nebensächlich behandelt, und drittens gibt es komparatistische Untersuchungen zur Rezeption der Lyrikproduktion der opere minori. Ich werde im Folgenden den Forschungsstand synthetisch vorstellen. Der Rezeption der Vita Nuova wurden nur einige Kapitel in umfassenden Rezeptionsgeschichten sowie einzelne kurze Artikel gewidmet, die entweder einen bestimmten Moment der Rezeptionsgeschichte – die unmittelbare Rezeption einzenler Vita Nuova-Gedichte zu Dantes Lebzeiten oder die erste Drucklegung – untersuchen oder aber einen oberflächlichen Überblick über die Dante-Rezeption und -imitation ganzer Jahrhunderte bieten wollen.1

1 In der Enciclopedia dantesca, wird z. B. die Rezeption der Vita Nuova in drei Sätzen wie folgt zusammengefasst, Pazzaglia (1970, 1094): «Nonostante i riecheggiamenti del Filocolo e dell’Ameto, l’influenza della Vita N. sulla poesia del Trecento è assai limitata; […]. Il Boccaccio è anche un benemerito trascrittore del libro, ma gli scarsi codici trecenteschi attestano una modesta diffusione di esso, limitata geograficamente alla Toscana e a zone limitrofe. Quelli quattrocenteschi sono assai più numerosi, ma tramandano in gran parte soltanto le liriche, rivelando il gusto di un pubblico poco disposto alla problematica ideologica e culturale. Ne tentò una rivalutazione e una più ampia diffusione Lorenzo il Magnifico, facendola trascrivere al primo posto nella Raccolta arago 

https://doi.org/10.1515/9783110620504-004

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

Es sollen die umfassenden Studien von Aldo Vallone genannt werden, die gesammelt 1981 in der Reihe Storia letteraria d’Italia zur Storia della critica dantesca dal XIV al XX secolo erschienen und detaillierte Auskunft über die einzelnen Strömungen in der Dante-Exegese der Kommentatoren und der Vorlesungen an der Accademia Fiorentina bis zur modernen Dante-Forschung bieten (cf. Vallone 1981, 1). Doch handelt es sich hierbei um eine Geschichte der akademisch-wissenschaftlichen Rezeption, und Vallone merkt in seiner Einleitung zur Storia della critica dantesca an, dass die Geschichte der Commedia erzählt werde, weil sie das alleinige Objekt der Textkritik gewesen sei: «Si commenta e discute allora la Commedia: s’ignora la Vita Nuova: si condanna la Monarchia» (cf. Vallone 1981, 30). Damit negiert er jedoch nicht grundsätzlich eine Rezeption der Vita Nuova, sondern stellt lediglich fest, dass es sich um ein anderes Publikum und eine andere Art der Rezeption handelt. Obwohl Vallone die «lottizzazione dell’ingegno dantesco» kritisiert, die sich darin zeige, dass die Monarchia für die politisch Interessierten, De vulgari eloquentia für die Grammatiker, die Commedia für die Lehrenden, das Convivio für die Gebildeten und die Vita Nuova hingegen für die lirici, die Dichter, von Bedeutung sei, arbeitet er mit diesen Kategorien, indem er z. B. den Begriff der critica dantesca nicht auf die Lyrikrezeption und -imitation ausweitet oder andere Formen der Auseinandersetzung in seiner Rezeptionsgeschichte berücksichtigt, etwa eine akademische Lyrikproduktion. Obwohl Vallone seine Geschichte der Dante-Studien mit den Selbstkommentaren von Dante beginnt, dem Brief an Cangrande della Scala und den Egloghen, spart er sowohl das Convivio als auch die Vita Nuova, die beide eindeutig zu den Selbstkommentaren gehören, aus seiner Untersuchung aus. Im darauffolgenden Kapitel «Il tema – Dante nel secolo XIV» gibt er auf sechs Seiten einen Überblick über die Dante-Rezeption, die außerhalb der Kommentierung zur Commedia gefunden werden könne. Er nennt in diesem kurzen Kapitel über 35 Autoren des Due- und Trecento, die entweder mit Dante in Korrespondenz standen, anlässlich seines Todes oder seine Gedichte imitierend, literarisch tätig waren, ohne bei seiner Aufzählung allerdings die Bezüge zu den Quellentexten, insbesondere der Vita Nuova herauszustellen. Trotz der Einschränkung auf die akademische Rezeption (der Commedia) verwundert Vallones «la Vita Nuova s’ignora» gerade vor dem Hintergrund dieses von ihm zusammengestellten Kataloges der Dante-Bezüge. Auch der jüngste Beitrag zur Rezeption der Vita Nuova in der Reihe Con Dante per Dante, 2016 erschienen, wiederholt die Klage  

nese, e qualche influsso di essa è riscontrabile in opere quali il Comento dello stesso Lorenzo e l’Arcadia del Sannazaro».

3.1 Rezeptionstheoretischer Ansatz in der Vita Nuova-Forschung

183

der «sfortuna» des Werkes, die an die späte Herausgabe der Erstedition und ihren «castigatissimo testo» ausgemacht wird.2 In den Beiträgen zur Rezeptionsgeschichte, die die Rezeption Dantes während eines bestimmten Zeitabschnittes oder einer bestimmten Region analysieren, wird die Vita Nuova nur teilweise berücksichtigt. Über die Rezeption der Vita Nuova im Trecento haben zu Beginn des 20. Jahrhunderts meist nur in Nebensätzen Volpi (1890), Cavallari (1921, ins. 357–386) und Rossi (1930, 293–332) geschrieben. Neuere Beiträge dazu liefern Paparelli (1975), Baránski (2001), Pisanti (1979, 61–88; 2005) und Marrani (2004; 2008). Del Balzo (1889–1909) bietet der Dante-Forschung mit der Zusammenstellung von Poesie di mille autori intorno a Dante raccolte e ordinate cronologicamente eine wertvolle Materialsammlung, um die lyrische Rezeption von Dante zu untersuchen. Während Jelena Todorović (2016) die Frage nach dem kulturellen und akademischen Kontext und deren Spuren in der Vita Nuova untersucht, verbinden die Arbeiten von Justin Steinberg (2007), Martin Eisner (2013) und Houston (2010) punktuell die Rolle der materiellen Textträger mit einer literaturwissenschaftlichen Auswertung für die Rezeption der Vita Nuova im 14. Jahrhundert und bieten viele Anhaltspunkte für meine Untersuchungen. Grundsätzlich lassen sich die spärlichen Beiträge zur Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova unter den drei großen Fragestellungen des Zeitpunktes, der involvierten Personen und der lokalen Verbreitung zusammenfassen. Erstens wird der Beginn oder Höhepunkt einer wie auch immer gearteten Vita Nuova-Rezeption festgelegt. Im zweiten Punkt geht es um den Beleg einer lokalen Kenntnis des Textes anhand seiner handschriftlichen Verbreitung und drittens wird versucht, einen Kanon von Autoren aufzustellen, in deren Werk Reminiszenzen und Anklänge an die Gedichte der Vita Nuova zu finden sind. Auf den Beginn der Vita Nuova-Rezeption werde ich unter Punkt 3.2.1 «Der Beginn der Vita Nuova-Rezeption und das Problem der doppelten Redaktion» (S. 187–194) eingehen. Der zweite Punkt wurde in Kapitel 2.3.1 «Verbreitung der Vita Nuova: Provenienz und Datie-

2 Auch hier wird die Zensur als oberflächlich beschrieben und von einer vollkommenen Tilgung eines religiös konnotierten Wortschatzes gesprochen, ohne jedoch zu berücksichtigen, dass des Gleichnis von Beatrice und der Trinität aber auch die Auslegung von Primavera / Giovanna nicht zensiert wurden. Mazzoni (2016, 3): «quando, imperante la controriforma, per volontà dell’Inquisitore generale dello stato di Fiorenza, Fra Francesco da Pisa Minor Conventuale, il pur castigatissimo testo venne sottoposto ad una revisione in senso fideistico (e ce n’era davvero bisogno!) sì che fosse purgato da alcuni passi che a mente della ferula censoria offendevano il comune sentimento religioso. Ogni accenno esplicito alla divinità, ogni parola d’uso sacro, ogni citazione scritturale furon così depurate, sostituite magari da puntolini, in un contesto che qualche secolo dopo avrebbe dato vigoroso avvìo a letture in chiave accesamente misticheggianti, imrpontando di sè un intiero filone della cultura e dell’arte ottocentesca».

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

rung der Handschriften» (S. 86–93) untersucht. Der letzte Punkt, in welchen Autoren sich Reminiszenzen der Vita Nuova befinden, wird in dieser Arbeit nicht behandelt, sondern nur kurz angerissen. Der Frage nach den die Vita Nuova zitierenden Autoren widmet sich beispielsweise Cavallari und führt für eine intensive Lektüre der Lyrik von Dante viele Autoren im Trecento an. Insbesondere nennt sie Cino Rinuccini als wichtigsten Leser und Imitator der Vita Nuova, bevor sie einzelne Stellen der Intertextualität zwischen Cino Rinuccini, Matteo Frescobaldi, Ventura Monaci, Franceschino degli Albizzi und Sennuccio del Bene, Nicolò dei Rossi und Giovanni Quirini und dem libello und anderen Gedichten von Dante aufzeigt (cf. Cavallari 1921, 359).3 Cavallari bietet jedoch keine umfassende Studie, sondern zeigt vielmehr die Nachklänge in einzelnen Versen der gesamten Lyrik ante Commedia von Dante auf, wobei sie gleichzeitig die Abhängigkeit der einzelnen Dichter von Petrarcas Canzoniere betont. Im Gegensatz zu Cavallari versucht Corrado Calenda in seinem Artikel «Dante e i poeti del Tre e Quattrocento» nicht die Intertextualität einzelner Autoren zum poema von Dante aufzuzeigen, das er gemeinsam mit den Petrose als Hauptlektüre und Vorlage für die Dichter des 14. und 15. Jahrhunderts identifiziert, sondern eine Geographie der Dante-Rezeption und -Imitation und den Erfolg des Florentinischen in Nord- und Süditalien zu belegen (cf. Calenda 2001, 415–444). Obwohl er eingesteht, dass «il Dante trecentesco si identifica sostanzialmente con il poema» (cf. Calenda 2001, 421), gibt Calenda, unter Berücksichtigung der wichtigen Beiträge zur Metrik des 14. Jahrhunderts von Gorni, die Petrose und insbesondere die Kanzone Cosi nel mio parlar voglio esser aspro als Modell an, das weit größeren Erfolg als die erste Kanzone der Vita Nuova, Donne ch’avete intelletto d’amore, erlebt habe (cf. Calenda 2001, 416). Vittorio Rossi trägt in seinem Beitrag zur Geschichte der Rezeption der Vita Nuova im Trecento weder zum Kanon von Autoren, die das Werk gelesen oder imitiert haben, bei noch gibt er eine konkrete Bewertung zum Zeitpunkt und zur Intensität der Lektüre ab. Er bezieht sich jedoch erstmals in der Forschung zur Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova auf die vielschichtige handschriftliche Überlieferung: «Più ricercata la Vita Nuova e più ancora le rime, sia che i buongustai se ne procurassero raccolte che la pretendevano a complete, o s’accontentassero di scelte, o le volessero numerose nelle antologie miscellanee di liriche vecchie e nuove» (cf. Rossi 1930, 318).

3 Diese Intertextualität dürfte einem aufmerksamen Leser der Vita nuova des Quattrocento nicht entgangen sein, werden die Gedichte Dantes doch gelegentlich mit Cino Rinuccinis Canzoniere überliefert, siehe ms. Pal 204 (P1) und ms. Ricc. 1118. Calenda (2001, 428) betont die «reminiscienze vitanovistiche» des Sonettes Io son tra gente barbare crudeli, das bereits Folena (1990, 327) untersucht hat.

3.1 Rezeptionstheoretischer Ansatz in der Vita Nuova-Forschung

185

Der Zusammenhang von Chansons des gestes und Vita Nuova wird bereits 1977 von Michelangelo Picone in seinem Artikel «La Vita Nuova e la tradizione poetica» hervorgehoben.4 Giuliana Angiolillo relativiert die Abhängigkeit der Vita Nuova von den Chansons des gestes zugunsten der Neuartigkeit der Vita Nuova und betont, dass der Misserfolg der Vita Nuova durch Dantes Verweis auf sein Jugendwerk im Convivio verschuldet sei. Dante habe durch die Zusammenstellung einer kommentierten Anthologie ein großes Publikum erreichen wollen, jedoch gerade durch die Form des Buches sei der unmittelbare Erfolg des Projektes behindert worden: «La Vita Nuova […] deve essere apparsa come opera oggettiva, come libro appunto, che proprio per questo, ambiva ad una circolazione ampia ed autonoma, rispetto a quella, quasi amicale, del trasferimento, da una mano all’altra, di un singolo componimento lirico. […] Osare di riferire quella storia d’amore […] nella forma di un romanzo e consegnarlo in un libro, significava, forse, rischiare di farla diventare una cosa seria.» (Angiolillo 1994, 154).

Im Gegensatz zu Cavallari und Sapegno hebt Paparelli die Wertschätzung von Dantes unmittelbarer Nachfolgegeneration unter Verweis auf den Dichterwettbewerb zu Ehren von Dantes Tod hervor. Die Vita Nuova erwähnt er in einem Nebensatz im Zusammenhang der Genese und philosophischen Ausrichtung von Dantes Œuvre, ohne jedoch auf ihre Rezeption einzugehen: «Tra lui [Dante] e Cecco sta di mezzo quella che io senza mezzi termini amo chiamare la «conversione» di Dante, cioè quella crisi spirituale che segna il distacco di lui da Giudo Cavalcanti e della poetica giovanile della Vita Nuova e insomma il passaggio dal formalismo estetizzante alla filosofia, dall’averroismo naturalistico all’etica ciceroniana e tomistica, da Brunetto Latini a Virgilio, in una parola dalla medicina alle humanae litterae» (Paparelli 1975, 49).

Zygmunt Barański hat der Dante-Rezeption im 14. Jahrhundert nach dem 2001 erschienenen Band Chiosar con altro testo. Leggere Dante nel Trecento zwei weitere Artikel gewidmet, in denen er auf die Rezeption einzelner Werke bzw. auf das Dante-Bild des 14. Jahrhunderts eingeht (cf. Barański 2007; 2010). Im Gegensatz zur geläufigen und weithin zitierten Annahme, dass die Vita Nuova für das Trecento eine untergeordnete Rolle gespielt habe, die bereits durch die von Cavallari aufgeführten Imitationen und Reminiszenzen widerlegt sein sollte, betont Baránski, dass Dantes Ruhm zu Beginn des 14. Jahrhunderts gerade auf der Vita Nuova beruht habe. Der Erfolg von Dantes Vita Nuova sei dann jedoch von der

4 Das Verhältnis von romanzo francese und Vita Nuova zuspitzend, definiert Picone (1977b, 137), die Vita Nuova als «summa dell’amore cortese».

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

Commedia abgelöst worden. Das ausgeprägte Interesse für die Commedia könne als Erklärung für die «limited circulation» der opere minori gelten, welche, so Barański, sich erst im 15. Jahrhundert größerer handschriftlicher Verbreitung erfreuten.5 Obgleich der Untertitel Leggere Dante nel Trecento eine umfassende Rezeptionsgeschichte der Werke Dantes im 14. Jahrhundert zu erwarten lässt, behandelt Barański ausschließlich die Commedia als Gegenstand der Kommentierung, ihre Kommentatoren vorstellend oder ihre Vorbildfunktion für andere prominente Texte des 14. Jahrhunderts betonend. Marrani (2004) hat mit seiner Untersuchung Con Dante dopo Dante zur Rezeption des lyrischen Werkes von Dante einen grundlegenden Beitrag über die intertextuelle Verwobenheit einzelner Antwortgedichte der Vita Nuova in einen größeren Kontext der Dante-Rezeption einzelner Autoren des 14. Jahrhunderts gestellt und bietet für die Analyse der Intertextualität wichtige Anhaltspunkte.

3.2 Die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert: Überlieferungsstränge und Fallbeispiel Die Geschichte der Vita Nuova, die ich vorstellen werde, ist unmittelbar mit der handschriftlichen Überlieferung des Textes verwoben. Eine Betrachtung von Reminiszenzen, Intertextualität und möglichen Bezugnahmen auf die Vita Nuova durch Autoren, Prediger und Gelehrte des ersten Jahrhunderts nach ihrer Abfassung wird in dieser Arbeit nicht angestrebt. Ich beschränke mich darauf, ausgehend von den Textträgern, einzelne Autoren zu untersuchen, die nachweislich mit der Vita Nuova im 14. Jahrhundert in Berührung gekommen sind und an ihrer Verbreitung mitgewirkt haben. Es handelt sich dabei um Schreiber, Auftraggeber und Besitzer der Vita Nuova, die im vorherigen Kapitel kontextualisiert wurden. Während ich im zweiten Teil der Arbeit ausgehend von der materiellen Überlieferung des Textes den historischen und sozio-kulturellen Rezeptionsraum aufzuzeigen versucht habe, steht hier die Herausgabe des Werkes mit seinen literaturwissenschaftlichen und kulturellen Implikationen im Vordergrund.

5 Barański (2007, 10): «In the following canto, by having Virgil speak of Beatrice, Dante drew his readers’ attention to the Vita nova, the work on which, as he began to compose the Commedia around 1306/07, his reputation still largely rested» und (2007, 12): «The Vita nova had firmly established his literary reputation, yet there is no doubt that Dante’s auctoritas was largely based on the Commedia. The history of the poet’s reception in the Trecento is primarily the history of his reception as the author of the sacred poem».

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

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3.2.1 Textgenese: zur doppelten Redaktion der Gedichte und den verschiedenen Redaktionsphasen des libellos Bevor ich mich der Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova zuwenden werde, ist eine letzte präliminare Frage zu klären, nämlich die Frage der Datierung des Werkes, die den Rezeptionsbeginn definiert. Zunächst sei noch einmal betont, dass es weder ein Autograph noch sonstige direkte handschriftliche Belege für unterschiedliche Redaktionsphasen der gesamten Vita Nuova gibt. Die Datierung der Vita Nuova beruht auf der internen Chronologie der Vita Nuova selbst, externe Bezüge, wie die erste attestierte Überlieferung der Gedichte oder Dantes Rückbezüge auf die Vita Nuova in anderen Werken, werden meist ausgelassen. In den Forschungsbeiträgen zur Vita Nuova wird die Frage der Datierung sehr kontrovers behandelt und häufig ein Datum genannt, ohne jedwede Erklärung für die Wahl der Datierung anzugeben.6 Ich werde in diesem Abschnitt die gängigen Datierungsvorschläge behandeln und aufgrund der internen Chronologie des Gesamtwerkes selbst einen weiteren Vorschlag hinzufügen. Ausgehend von den fünf internen Zeitangaben der Vita Nuova werde ich das Problem der Datierung der Vita Nuova, der Divergenz der Abfassung der Gedichte und der Prosateile und die verschiedenen Hypothesen zur doppelten Redaktion vorstellen, bevor ich anhand der drei Zeitangaben, die im Convivio bezüglich der Abfassung der Vita Nuova zu finden sind, für eine neue Datierung plädiere. Dante gibt in den drei zentralen Abschnitten der Vita Nuova, der ersten Begegnung mit Beatrice, ihrem Gruß und ihrem Tod, jeweils eine komplizierte Zeitangabe an, auf der auch die aktuelle Datierung der Vita Nuova basiert (cf. Inglese 2015, wo allerdings ein explizit der Vita Nuova gewidmetes Kapitel fehlt). Der Beginn der lyrischen Produktion mit A ciascun alma wird auf das Jahr 1283 datiert, also neun Jahre nach dem ersten Treffen mit Beatrice, bei dem Dante angibt, neun Jahre alt gewesen zu sein. Mit 18 Jahren habe Dante sein dichterisches Schreiben begonnen. Dass Dante schreibt, in der Vita Nuova eine Auswahl an Gedichten zu treffen (asemplare) und somit auch das «avesse già veduto per me medesimo l’arte del dire parole per rima» aus Kapitel I 19 andere Gedichte einbezieht, wird in einigen Forschungsbeiträgen unterschlagen, wie von Bertolucci Pizzorusso (2012, 2–4), siehe auch Santagata (2012, 72–73, der hierin eine Bestätigung für die Zirkulierung bzw. Veröffentlichung der Gedichte sieht). Dante gibt in Kapitel XIX 4 den

6 Cf. Bertolucci Pizzorusso (2010, 22): «Non è possibile né opportuno proporre precise datazioni, né pretendere che ognuna della sua opere sia stata realizzata compiutamente in tempi ben determinati e distiniti, seconda la successione cronologica vulgata».

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Todestag von Beatrice an, der mit dem 8. Juni 1290 entschlüsselt wird.7 Determinierend ist jedoch die Erwähnung des (ersten?) Jahrestages ihres Verscheidens, der das letzte datierte Ereignis der Erzählung ist und dadurch das Jahr 1291 zum terminus post quem macht.8 Es gibt jedoch zwei weitere Angaben, die der Datierung der Vita Nuova dienen und die die Dante-Forscher vor Probleme stellen: einerseits berichtet Dante in Kapitel XXIX von einer großen Schar von Rom-Pilgern «molta gente va per vedere quella imagine benedetta la quale Iesu Cristo lasciò a noi per essemplo de la sua bellissima figura» (Dante, VN XXIX 1) andererseits bietet der Rückverweis auf die Vita Nuova im zweiten Buch des Convivio eine Datierung für die in Kapitel XXIV der Vita Nuova erzählte Begegnung mit der Donna Gentile. Was den ersten Punkt betrifft, so gab es zum einen ein philologisches Problem bezüglich der Lektion von va | andava und zum anderen eine doppelte Interpretation des geschilderten Ereignisses, das einmal auf das Jubiläum von 1300 bezogen, ein anderes Mal als gewöhnlicher Pilgerfluss ohne besonderen Anlass gelesen wurde.9 Die philologische Frage wurde durch die kritische Edition von Barbi endgültig zu gunsten des «va» geklärt, was allerdings das Interpretationsproblem noch nicht löst.10 Wie Rajna in seinem Beitrag zu der Frage der Einmaligkeit der Reliquienschau gezeigt hat, war das Sudarium ab 1300 «jeden Freitag

7 Dante, VN XIX 4: «Io dico che, secondo l’usanza d’Arabia, l’anima sua nobilissima si partio ne la prima ora del nono giorno del mese; e secondo l’usanza di Siria, ella si partio nel nono mese de l’anno, però che lo primo mese è ivi Tisirin primo, lo quale a noi è Ottobre; e secondo l’usanza nostra, ella si partio in quello anno de la nostra indizione, cioè de li anni Domini, in cui lo perfetto numero nove volte era compiuto in quello centinaio nel quale in questo mondo ella fue posta, ed ella fue de li cristiani del terzodecimo centinaio». Dazu Barberi Squarotti (2002). 8 Dante, VN XX. Cf. Inglese (2015, 52), der zwar das Kapitel mit dem Verweis auf die letzen in die Erzählung der Vita Nuova aufgenommenen Ereignisse mit dem «Studi di Italianistica per Maria Teresa Acquaro Graziosi primo anniversario della morte di Beatrice» öffnet, dann aber zu einer Datierung der Abfassung des Werke «all’incerca nel 1293» kommt. 9 Cf. hierzu Rajna (1885), der den damaligen Forschungsstand zum Thema detailliert aufarbeitet. Die philologische Frage hat sich durch die kritische Edition von Barbi endgültig geklärt. Cf. De Robertis (1984, 9), der den Pilgerfluss auf Ostern 1292 datiert: «anche se il transito dei pellegrini del capitolo XL (XXX), (se il pretesto poetico esplicitamente denunciato, ivi, § 5, ha qualche aggancio con la realtà), fa della Pasqua del ’92 un probabile terminus post quem. Appunto al 1292–1293 è datata la Vita Nuova da chi, in prima linea il Barbi, si tiene agli indizi interni, e considera l’episodio della Vita Nuova e quello del Convivio come rispondenti alla diversa ispirazione delle due opere». 10 Barbi (1907, 98, Fn. 18): «Va. La lezione andava, pur tanto fortunata nelle stampe sino a quest’ultimi tempi, non potrebbe avere più scarso fondamento nei Mss. È data fra tutti i codici di b come variante merginale in Mc (donde passò nel testo del codice d’Oxford e nell’edizione Biscioni), e nel testo la recano del gruppo x soltanto A e del gruppo k solamente T: arbitrii dunque di tardi copisti, non lezioni che risalgano ai capostipiti. Quanto la lezione va sia opportuna a indicare un’usanza consueta di tutti gli anni ha mostrato dottamente P. Rajna […]».

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oder an Hochfesten» und vorher zumindest dreimal jährlich für einige Tage in Sankt Peter in Rom zu sehen (cf. Rajna 1885, 135, hier Fn. 5).11 Obgleich die Bulle von Papst Bonifaz VIII bezüglich des Sudariums für den Kult der Reliquie und der Verbreitung dieses Kultes von Bedeutung war,12 könne die Frage der Datierung der Vita Nuova zugunsten jedes beliebigen Jahres außer eben 1300 ausfallen, weil in zeitgleichen Quellen die Indulgenz immer explizit mit dem Jubiliäum in Verbindung gebracht werde und die Nennung in der Vita Nuova zu vage sei, um auf dieses wichtige Ereignis anspielen zu wollen.13

3.2.1.1 Zwei Redaktionsphasen des libellos Für die Datierung in das Jahr 1293 spricht zudem die Tatsache, dass einzelne Gedichte der Vita Nuova bereits im Jahr 1293 zirkulierten, wie die Memoriali Bolognesi bezeugen (dazu Kapitel 3.2.3). Dadurch ist jedoch nicht belegt, ob die Vita Nuo-

11 Cf. Giovanni Villani, Cronica (1991, 562–63): «Negli anni di Cristo MCCC, secondo la Nativitade di Cristo, con ciò fosse cosa che si dicesse per molti che per adietro ogni centesimo d’anni della Natività di Cristo il papa ch’era in que’ tempi facie grande indulgenza, papa Bonifazio VIII, che allora era appostolico, nel detto anno a reverenza della Natività di Cristo fece somma e grande indulgenza in questo modo: che qualunque Romano visitasse infra tutto il detto anno, continuando XXX dì, le chiese de’ beati appostoli santo Pietro e santo Paolo, e per XV dì l’altra universale gente che non fossono Romani, a tutti fece piena e intera perdonanza di tutti gli suoi peccati, essendo confesso o si confessasse di colpa e di pena. E per consolazione de’ Cristiani pellegrini ongi venerdì o dì solenne di festa si mostrava in Santo Piero la Veronica del sudario di Cristo. Per la qual cosa gran parte de’ Cristiani ch’allora viveano feciono il detto pellegrinaggio così femmine come uomini, di lontani e diversi paesi, e di lungi e d’apresso. E fue la più mirabile cosa che mai si vedesse, ch’al continuo in tutto l’anno durante avea in Roma oltre al popolo romano CCm pellegrini, sanza quegli ch’erano per gli cammini andando e tornando». Rajna bezieht sich in seinem Beitrag mehrmals kritisch auf Lubin, der die Vita Nuova sogar nach 1300 datieren will, (cf. Lubin 1862, 27: «Che il tempo, che molta gente andava a Roma per vedere la Veronica, sia l’anno del Giubileo, cioè il 1300, parmi anche fuori ogni dubbio. Essendo frequenti in quel secolo i pellegrinaggi a Roma, a Gerusalemme, a s. Giacomo di Compostella ed altrove, Dante, se non quel cenno avesse voluto indicarne uno di quei pellegrinaggi ordinarj, avrebbe certo assai mal provveduto con quella lunga parentesi al desiderio, che per essa ci mostra di aver pure avuto, di farne sapere l’epoca del pellegrinaggio, e quindi anche l’epoca in cui fece e il Sonetto diretto a quei pellegrini e quelle che lo segue, ch’è l’ultimo della V.N. Ma così non è; chè con quelle parole ‹molta gente›, ne fa appunto conoscere che quello fu un pellegrinaggio straordinario, unico per la grande concorrenza de’ fedeli, e che non può essere se non quello del 1300». […] 42: «Concluderemo adunque che Dante dopo la Pasqua del 1300 imprese a scrivere la Vita Nuova»). 12 Ranja (1885, 136) verweist hier auf Par. XXXI 103–108, wo Dante Rompilger anlässlich des Sudariums aus Kroatien beschreibt. 13 Ranja (1885, 155): «Così la conclusione viene ad essere che il passo nostro può riferirsi ad ogni anno, eccettuato per l’appunto quel 1300 che si credeva di vederci indicato».

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va 1293 bereits vollständig abgefasst war und verbreitet wurde. Möglicherweise zirkulierte nur eine Gedichtanthologie der Vita Nuova oder eine extravagante Gedichtüberlieferung der ersten Redaktion der Gedichte wie in E und Vat.14 Die Datierung der unterschiedlichen Teile der Vita Nuova ist ein zweites Problem in der Dante-Forschung. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass Gedichte und Prosa in zwei verschiedenen Zeitabschnitten entstanden seien (zum Verhältnis von Poesie und Prosa in der Vita Nuova cf. Terracini 1966; Illiano 2006; Baldelli 1976; Picone 2001). Bereits Boccaccio gibt eine zweigeteilte Redaktionsphase für die Vita Nuova an und unterscheidet die Abfassung der Gedichte von der Redaktion der Prosaabschnitte. «Er vereinte zunächst, da er noch um den Tod seiner Beatrice weinte, fast im sechsundzwanzigsten Lebensjahre, in einem Bändchen, das er «Vita Nuova» nannte, etliche Gedichtlein, Sonette und Canzonen, die von ihm zu verschiedenen Zeiten früher und in Reimen gedichtet worden waren; die sind wunderbar schön. […] Und wenn er auch, nachdem er dieses Büchlein verfasst, sich im reiferen Alter sehr des schämte, ist es nichtsdestoweniger, betrachtet man seine Jahre, recht schön und ergötzlich, besonders für Ungelehrte» (Giovanni Boccaccio, Das Leben Dantes, 1921, 56).15

14 Cf. Steinberg (2007, 14): «However, except for ‹Donne ch’avete›, Dante’s poetry is ignored by the compiler of the Vatican anthology [i.d. ms. Vat. 3793] and, in fact, undocumented in the thirteenth-century manuscript tradition.» Auch De Robertis (2002, XIV), der in diesem Band einen Großteil der Vita Nuova-Gedichte in ihrer der Vita Nuova vorangehenden Form vorstellt: «L’ipotesi di una circolazione di rime avanti il loro ingresso nel libro, che comportava l’esclusione di tali testimonianze dalla ricostruzione del testo di quello, risale comunque alla 1a edizione, del 1907 (nella, 2a, 1932, che conferma puntualmente i principii ai quali s’era fin d’allora attenuto, solo un cenno, alle pp.103–4, per una possibile variante, al futuro editore delle rime). Sicché, a parte la scoperta, tra l’una e l’altra edizione, del codice di rime dell’Escorial e i successivi riconoscimenti, la prima proposta di un doppio testo, di due diverse redazioni, certo indotta da quelle prime rivelazioni, si ha, ad opera di Guido Favati e a fianco dell’officina dei Poeti del Duecento di Contini, per un sonetto di Cavalcanti.» und XXXI: «La presentazione […] di un manipolo di queste, poi destinate alla Vita Nova, un terzo del totale e solo sonetti, secondo la veste anteriore al loro accoglimento nel libro, è al fino di proporre testi omogenei a quelli ai quali non toccò una successiva organica sistemazione». 15 Giovanni Boccaccio, Vita studi e costumi, Florenz, Bartolomeo Sermartelli, 1576, 61–62: «Egli primieramente duranti ancora le lagrime della sua morta Beatrice, quasi nel suo vigesimo sesto anno, compose un suo vilumetto, il quale egli titolò vita nuova, certe operette, si come sono sonetti, & canzoni, in diversi tempi, davanti in rima fatti da lui meravigliosament e belle. […] e come che egli d’havere questo libretto fatto, ne gli anni piu maturi si vergognasse molto, nondimeno considerata la sua età, è egli assai bello, et piacevole, et massimamente à vulgari». Der Hinweis, dass Dante die Vita Nuova im Alter von 26 Jahren verfasst habe (also 1291), wird von Boccaccio in der zweiten Redaktion seines Trattatellos getilgt.

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Diese zweigeteilte Redaktionsphase, d. h. die Vorzeitigkeit der Abfassung der Gedichte der Vita Nuova entspricht der internen und fiktiven Chronologie der Vita Nuova. Es erstaunt, dass in der Forschung einerseits eine Vorzeitigkeit des zeitlichen Rahmens der erzählten Handlung der Commedia wegen des (berechtigten) Problems der Prophetie abgelehnt wird, also notwendigerweise die erzählten Ereignisse der Abfassung der Commedia gegenüber vorzeitig sind, wodurch die von Dante konstruierte Datierung nicht aufrecht erhalten werden kann, andererseits aber der Erzählung der konstruierten poetischen Initiation in der Vita Nuova ohne Bedenken Glauben geschenkt wird (cf. Inglese 2015, 102–103, der 1308–09 als Jahr der vollständigen Ideation der Commedia angibt). Geläufigerweise fällt die Datierung der Gedichte der Vita Nuova nach der Werkchronologie in die Jahre 1283 bis 1291. Die Datierung der Gedichte ist jedoch nicht en bloc zu klären, wie Ciavorella in einem jüngeren Beitrag zu zeigen versucht hat und die betont, dass einzelne Gedichte eindeutig in die Zeit der Abfassung der Prosateile fielen.16  

3.2.1.2 Die doppelte Redaktion der Gedichte in den Handschriften: E und e In der handschriftlichen Überlieferung der Vita Nuova gibt es einige Belege für die doppelte Redaktion der Gedichte mit der extravaganten Überlieferung, die De Robertis (1967) eingehend behandelt hat. Er untersuchte hierzu 99 Handschriften und unterscheidet zwei Überlieferungsstränge, die mit E und e bezeichnet werden. E bezieht sich dabei auf die acht Gedichte, die in der Handschrift E überliefert werden und eine eigene Rezeption und Tradition begründet haben, wobei fünf dieser Gedichte in einer überarbeiteten Form im libello erscheinen (cf. De Robertis 1967, 10). ‹e› hingegen bezeichnet eine extravagante Überlieferung, die De

16 Cf. Ciavorella (2012, 20): «La poesia, infatti, è costituita da sonetti, canzoni e ballate (trentuno in tutto) composti tra il 1283 e il 1294, nell’arco, cioè, di undici anni circa (l’insieme può essere definito un’antologia poetica personale in onore di Beatrice); la prosa è stata composta, invece, a commento, spiegazione e collegamento narrativo delle liriche, appositamente per la Vita nova, in un unico e breve arco di tempo, poco dopo la ‹mirabile visione› che segue all’ultimo sonetto: ad essa è affidato il compito precipuo di dare unità e significato all’opera e di trasformare una semplice raccolta di liriche in narrazione autobiografica», und 61: «Riassumendo, noi crediamo che Dante, in un periodo non meglio precisabile della fine del 1293 o dei primi mesi del ’94, per influenza anche di amici poeti, che trovava rispondenza in una incipiente crisi spirituale, si distaccò dagli studi filosofici e, ritornato alla poesia ancora sotto l’influenza degli studi interrotti che lo avevano abituato alla meditazione, riflettendo sulla propria opera poetica si avvide che le rime scritte per Beatrice avevano un legame logico-biografico tale da poter essere raccolte insieme, con quelche emendamento e qualche diversa disposizione cronologica, in una unitaria, armonica e veriteria storia d’amore».

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Robertis als «tradizione nord» benennt, und die weitere Gedichte der Vita Nuova umfasst und in verschiedenen Handschriften tradiert wird. Die Rekonstruktion der extravaganten Überlieferung e stützt sich neben der Handschrift Marciana it. IX 191 des 16. Jahrhunderts und zwei späteren Handschriften auf folgenden Handschriften des 14. Jahrhunderts, B1, Mc (=Mc4 bei De Robertis) und Mm5 und BNCF, ms. Magl. VII. 1060 des ausgehenden 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts. Abgesehen von den acht Gedichten, die in E überliefert werden, und den vier Langgedichten, die einen eigenen Überlieferungsweg nahmen, sind 15 Gedichte der Vita Nuova in Handschriften der sogenannte extravaganten Überlieferung e attestiert (cf. De Robertis 1967, 13). In seiner Edition der Rime hat De Robertis gezeigt, dass eine Auswahl von Vita Nuova-Gedichten in einer ersten Version zirkulierten, wodurch deutlich wird, dass Dante die Gedichte bei Abfassung des libellos (geringfügig) überarbeitet hat.17

3.2.1.3 Gibt es mehrere Redaktionen der Prosateile? Neben der internen ‹doppelten Redaktion› einzelner Gedichte, ein Begriff, der fälschlich für die zeitlich verschobene Redaktion von Gedichten und Prosateilen verwendet wird, gibt es Hypothesen zu einer doppelten Redaktion des Schlusses der Vita Nuova. Es wurde von Pietrobono eine Neuschreibung der letzten Kapitel der Vita Nuova (XXVIII–XXXI) im Jahre 1312 vermutet, weil eine Inkongruenz in der Figur der Donna gentile der Vita Nuova und des Convivio festzustellen sei, die erst durch Verweis auf die Commedia aufgelöst werden könne, den Dante 1293 jedoch noch nicht hätte formulieren können.18 «Onde conviene di necessità ricorrere all’ipotesi che, quando Dante scriveva il Convivio, l’opera sua più giovanile non doveva essere quale oggi la possediamo, ed ammettere che la Vita Nuova sia andata soggetta a un assai considerevole rimaneggiamento» (Pietrobono 1915, 100).

Wie Teodolina Barolini gezeigt hat, geht diese These auf Luigi Pietrobonos Il poema sacro von 1915 zurück, sie schien 1965 von Mario Marti ad acta gelegt worden zu sein, wurde aber von Maria Corti in La felicità mentale wieder aufgegrif-

17 De Robertis (2002, XXXI–XXXII): «Una volta individuati e separati i testimoni della tradizione pre-Vita Nova, è solo su questi che può fondarsi il testo, inlcusivi tuttel le caratteristiche secondarie, anch’esse rappresentative del distinto stato di questo. A rigore, ai fini della sua costituzione, le lezioni della tradizione organica del libro è come se non esistessero; a rigore, un eventuale errore, riconosciuto come caratteristico della tradizione estravagante, andrebbe corretto come per congettura.» Cf. Barolini (2009). 18 Cf. Dante, Convivio II 2 1: «quella gentile donna, cui feci menzione ne la fine de la Vita Nuova».

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fen.19 Gegen die These einer doppelten Redaktion bringt Marti die Korrespondenzgedichte von Cecco Angiolieri und Dante ins Spiel, von denen sich Dante Alighieri, Cecco ‘l tu’ serv’e amico explizit auf Oltre la spera, das letzte Gedicht der Vita Nuova bezieht. Dadurch wird zwar das Problem der Datierung der Gedichte und der Prosaabschnitte angeschnitten, aber keineswegs eine eindeutige Antwort auf die Frage der Neuschreibung der letzten Kapitel der Vita Nuova geliefert. Zudem wird Ceccos Gedicht, aufgrund der Datierung von Oltre la spera, in die Jahre 1292/93 datiert und kann somit die Frage der Datierung der Vita Nuova kaum erhellen. Auch der «prophetische» Charakter des letzten Kapitels, nämlich das Versprechen «di dicer di lei quello che mai non fue detto d’alcuna», wollten die Kritiker nicht in die Jahre 1293/4, also fast zehn Jahre vor Beginn der Abfassung der Commedia, verorten.20 Giorgio Inglese geht in seiner kürzlich erschienenen Dante-Biographie nicht mehr von einer doppelten Redaktion des Schlusskapitels der Vita Nuova aus, allerdings zweifelt er, in diesem Versprechen einen Vorverweis auf die Commedia lesen zu können.21 Neben der doppelten Redaktion der Schlusskapitel gibt es eine zweite Hypothese, die allerdings als «fantafilologia» und «divertissiment erudito» vorgetragen wird. Gorni eröffnet seinen Beitrag zur doppelten Redaktion mit der Frage, welche Vita Nuova Guido Cavalcanti gelesen habe, der der erste und eigentliche Adressat des Werkes sei (cf. Gorni 2006, 7), und spekuliert, dass die Urversion der Vita Nuova nur die Kapitel 1–27 umfasste und die Episode der Donna gentile aussparte (cf. Gorni 2006, 10–11). Diese zweite Hypothese einer Überarbeitung der Vita Nuova, obgleich unter dem Begriff fantafilologia sogleich als reine Gedankenspielerei dahingestellt, nimmt ihren Ausgangspunkt ebenfalls im Vergleich der Vita Nuova mit dem Convivio und versucht, sich eine Version der Vita Nuova vorzustellen, die geringere strukturalistische und ideologische Probleme für den Literaturkritiker an den Tag legt. Aufgrund der Kapitelanfänge und der divisioni könne man sich eine ursprünglich gleichförmige Form von dreimal neun Kapitel

19 Barolini (2014, 39), wo die Fortuna dieser These in Fn1 aufgeführt wird und 43: «But if we do embrace it [this thesis of an original ending, MdME.], we should at least be clear as to what it is we are doing: we are not engaging in a philological controversy or solving a philological problem, but prosecuting a failed hermeneusis based on the principle that authors cannot contradict themselves». Cf. auch Pietrobono (1932); Nardi (1944) später auch Marti (1965, 660) und Corti (1983, 146–156). Diese Theorie erfreut sich auch weiterhin relativer Beliebtheit, cf. z. B. Pogue Harrison (1988, 144). 20 Es besteht Einigkeit über den Beginn der Abfassung der Commedia, dessen ersten sieben Gesänge des Infernos unmittelbar vor 1302, Jahr des Exils, datiert werden. Cf. Storey (2006, 68). 21 Inglese (2015, 52): «E ovvio che la Commedia abbia a che fare con una conclusione del genere; ma è solo vagamente plausibile che, chiudendo la Vita nova all’incirca nel 1293, Dante già concepisse un ‹poema paradiasiaco› su Beatrice»; cf. Sarteschi (2002).  

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vorstellen, und die Verwendung der Lemmata «cagione» bzw. «ragione» sowie die Abwesenheit der divisioni für die Donna gentile-Episode könnten Dantes Beschreibung des literarisch-philosophischen Entstehungshintergrundes in Convivio II XII 1–4 bestätigen (cf. Ricklin 1996b, II xii 1–4, 220–225).

3.2.1.4 Die Redaktionsphasen des libellos in den Handschriften In der handschriftlichen Überlieferung der Vita Nuova sind die verschiedenen Redaktionsphasen, die vorzeitige Abfassung der Gedichte, die Zusammenstellung einer Gedichtanthologie und die abschließende Kommentierung durch die Prosateile des libellos anschaulich belegt. Die Überarbeitung der sogenannten extravaganten Überlieferung der Gedichte für die Einfügung in das libello ist insbesondere in der Handschrift Mc deutlich. Hier werden einige Gedichte in der ersten Version überliefert, andere sind in der überarbeiteten Form, die später im libello integriert wird, zu lesen (siehe Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter, Handschriftenbeschreibung zu Mc). Das bedeutet, das der Schreiber von Mc auf zwei Vorlagen zurückgreifen konnte, von denen eine die Gedichte in der extravaganten Überlieferung und ersten Version tradierte, während die zweite Vorlage entweder die Vita Nuova-Gedichte als Gedichtanthologie, in ihrer späteren Reihenfolge und überarbeiteten Version, präsentierte oder es sich gar um eine vollständige Vita Nuova handelte. In der Handschrift M hingegen gibt es einen Zeugen, der sowohl eine Gedichtanthologie (M2) als auch die Vita Nuova in ihrer vollständigen Form überliefert. Anders als in Mc, wo eine Gedichtauswahl präsentiert wird, bietet M ein Fragment einer Gedichtanthologie, so dass man vermuten mag, dass die beiden Handschriften, M und Mc, auf eine Vorlage zurückgriffen, in der die Vita Nuova-Gedichte ohne Prosatext, aber in der Reihenfolge, in der sie im libello zu finden sind, aufgeführt wurden. Im ersten Teil der Handschrift M wird eine kurze Gedichtsequenz von sechs Vita Nuova-Gedichten auf f. 25r°-v° überliefert, die in unmittelbarem Anschluss an ein lateinisches Traumdeutungsbuch, den Somniale Danielis, angehängt wurde. Die Reihenfolge und die Version der sechs Gedichte entsprechen der Überlieferung des libellos. Es handelt sich um die Gedichte des ersten Teils der Vita Nuova II bis VII, wobei erstaunt, dass nicht das erste Gedicht der Vita Nuova, A ciascun alma presa, die Gedichtsequenz eröffnet. Die Gedichte sind vielmehr als Anhang an das Traumdeutungsbuch zu lesen. Die These, dass M2 eine Gedichtanthologie der Vita Nuova-Gedichte nutzte, scheint einleuchtend, betrachtet man nur die Gedichtüberlieferung. Es ist jedoch fraglich, wieso diese Gedichte ohne graphische Hervorhebung direkt im Anschluss an den traumdeuterischen lateinischen Text überliefert wurden, zudem der Schreiber (H2) in M2 bisher nur durch philosophische Prosatexte vertreten ist. Nimmt man an, dass die Überlieferung

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und Darstellung von H2 intendiert wurde, so scheint es naheliegend, dass H2 eine vollständige Vita Nuova-Handschrift als Vorlage nutzte und auf das «e pregandoli che giudicassero la mia visione, scrissi a lloro ciò che io avea nel mio sonno veduto» aus Kapitel I 20 reagierte und der Abschrift der Gedichte einen Text zur Traumdeutung voranstellte. Durch die Hinzufügung im zweiten Teil von M wird diese These bekräftigt, da hier der traumdeuterische Text in einer italienischen Übersetzung vor der Abschrift der vollständigen Vita Nuova steht. M2 und M vereinen die Überlieferung eines Fragments einer Gedichtanthologie und die vollständige Überlieferung, die jeweils mit dem gleichen (übersetzten) Text in Beziehung gesetzt werden. Für einen Leser der Handschrift der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts kann dieser Bezug am Ende der Lektüre der Handschrift deutlich werden und er könnte M2 als Beispiel für die vorzeitige Gedichtzirkulation, weil sie in der Handschrift an früherer Stelle überliefert wurde, einordnen. Die Überlieferung der Vita Nuova als Gedichtanthologie spielt in der Überlieferungsgeschichte der Vita Nuova eine wichtige Rolle. Obgleich die frühen Zeugnisse keine Zuschreibung vornehmen und es auch keine Handschrift des 14. Jahrhunderts gibt, die die Vita Nuova-Gedichte vollständig ohne Prosa überliefert, kann davon ausgegangen werden, dass die Phase des «asemplare» (wie Dante im Proömium schreibt) sich handschriftlich niedergeschlagen hat. In Ubaldini findet sich ein Beleg für die Rezeption der Gedichtanthologie mit der Abschrift von 25 Sonetten der Vita Nuova (die Langgedichte wurden nicht überliefert, und Gedicht XXVIII, Gentil pensero wurde übergangen). Von späterer Hand wurde die Autorschaft mit «Questo e i seguenti sono di Dante Aldighieri» nachgetragen. In der Überlieferungsgeschichte der Vita Nuova ist diese Form der Vita Nuova-Gedichtanthologie in folgenden Handschriften belegt: Paris, BNF, ms. ital. 545 («Liber Sonectorum et cantilenarum Danis Alighieri»), BNF, ms. ital. 548 («sonecti et le canzoni della vita nuova»), Florenz, BNCF, ms. Magl. 1076 («Sonetti e cançone della vita nuova»), Riccardiano ms. 1144 («Incipiunt sonitus et cantilene carissimi dantis ex sua vita nova eclectte»), Rom, Biblioteca Casanatense, ms. d. V. 5 («sonetti de la vita nova») und Venedig, Biblioteca Marciana, ms. ital. IX, 333 («Qui chomincia la vita nuova di danthe»). Die Gedichte der Vita Nuova zirkulierten also in ihrer ersten Version und auch in ihrer überarbeiteten Version vor der Einfügung in das libello. In der überarbeiteten Version wurden sie vermutlich bereits in der Ordnung präsentiert, in der sie später in das libello eingefügt wurden. In der Handschrift M wird ein frühes Fragment einer Gedichtanthologie überliefert, das die ersten Gedichte in ihrer späteren Reihenfolge ordnet, während in Ubaldini die Ordnung der Vita Nuova dem Gattungskriterium untergeordnet wurde und keine Kanzonen im Sonett-Teil überliefert werden. Dadurch verweist diese Handschrift gewissermaßen auf eine frühere Redaktionsphase, die Phase der Gedichtordnung, des «assemplare».

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3.2.2 Datierungsprobleme: Drei Datierungen der Vita Nuova im Convivio Abschließend möchte ich die drei Rückbezüge auf die Vita Nuova des Convivio betrachten, die zusätzliche Informationen über Dantes Bewertung und Einbettung der Vita Nuova in sein Œuvre bieten.22 «Und wenn im vorliegenden Werk, das Gastmahl heißt – und ich will, dass es so genannt wird –, mannhafter vorgegangen wird als im Neuen Leben, so ist es dennoch nicht meine Absicht, jenes in irgendeinem Teil aufzugeben, sondern vielmehr durch dieses jenem zu helfen; es erscheint jenes also vernünftigerweise als feurig und leidenschaftlich, diesem [hingegen] kommt es zu, ausgeglichen und kraftvoll zu sein. […] Und in jenem habe ich früher, auf der Schwelle zu meiner Jugend, gesprochen und in diesem später, [nachdem diese] bereits überschritten war (Dante, Convivio, I i 16–17, Ricklin 1996a, 7–8)».23

Diese erste Erwähnung der Vita Nuova birgt drei wichtige Informationen zur Einordnung der Vita Nuova in die Werkchronologie Dantes. Zunächst werden die Vita Nuova und der Convivio als Werke verdeutlicht, die ein und demselben Anspruch und Ansatz entsprechen, wobei Dante die Verben ‹derogare› und ‹giovare› in der Beschreibung des Verhältnisses der beiden Werke mit ihren juristischen Implikationen verwendet (cf. Gorni 2006, 16). Im folgenden Abschnitt spezifiziert Dante, worin der Ansatz des Convivio bestehe, der durch die vorausgehende Erwähnung und Definition als Weiterführung und Vervollkommnung der Vita Nuova zu gelten habe. «Und da meine wahre Absicht eine andere war, als die eingangs genannte Kanzonen von aussen zeigen, beabsichtige ich, diese durch allegorische Auslegung im Anschluss an die buchstäblich dargelegte Geschichte aufzuzeigen; so wird sowohl der eine wie der andere Ge-

22 De Robertis (1984, 9–10), kritisiert diese Einbeziehung der Zeitangaben des Convivio, in denen Dante keine Datierung der Vita Nuova im Sinn gehabt habe, sondern eine neue Interpretation des Werkes vorstellen wollte: «Dante insomma, nel Convivio, ha in vista la nuova interpretazione, e a questa intende ‹giovare› (e alla prima, distinguendosene, attraverso questa): non la datazione dell’operetta; per cui sugli argomenti ricavabili dal convivio a tal diverso riguardo non può cadere sospetto». Wie er jedoch den Sprung von 1292 zu 1293/1294 erklärt, bleibt er seinen Lesern schuldig, da die Erkärung für «alquanto tempo», das eine Zeitspanne von 24 Monaten bezeichne, keineswegs einleuchtend ist. Hierzu auch Casadei (2015). 23 Dante, Convivio, ed. Ricklin, I i 16–17: «E se ne la presente opera, la quale è Convivio nominata e vo’ che sia, più virilmente si trattasse che ne la Vita Nuova, non intendo però a quella in parte alcuna derogare, ma maggiormente giovare per questa quella; veggendo sì come ragionevolmente quella fervida e passionata, questa temperata e virile essere conviene. […] E io in quella dinanzi, a l’entrata de la mia gioventute parlai, e in questa di poi, quella già trapassata». Die Übersetzung «kraftvoll» für «virile» scheint mir die Gegenüberstellung der Eigenschaften der jeweiligen Werke nur bedingt zu verdeutlichen.

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halt den Eingeladenen das Essen schmackhafter machen» (Dante, Convivio, I i 18, Ricklin 1996a, 8).24

Neben dieser formalen und intendierten Übereinstimmung der Vita Nuova mit dem Convivio, es sei an den Appell der Allegorese in Kapitel XVI der Vita Nuova und die Polyvalenz des Begriffs «ragione» gedacht, der in der Vita Nuova die erzählenden Prosaabschnitte, im Convivio jedoch den Literalsinn bezeichnen (cf. Ricklin 1996a, 106–114), gibt Dante eine Charakterisierung der Gegensätze der beiden Werke aufgrund des Alters ihres Autors an. Die Vita Nuova wird als «fervida» und «passionata» bezeichnet, während der Convivio «temperato» und «virile» sei, wobei «fervido» «temperato» gegenübersteht und «passionato» «virile» konstrastiert. In Convivio IV xxiv gibt Dante eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Lebensabschnitte, die Boccaccio verleitet haben mag, Dantes Alter bei der Abfassung der Vita Nuova mit 26 Jahren anzugeben, da Dante im vierten Buch des Convivio schreibt, dass die «gioventute» mit 25 Jahren beginne. Im dritten Punkt nimmt Dante die Unterscheidung der gioventute und senectute für die Datierung der Vita Nuova auf, die «zu Beginn – a l’entrate» der Jugend geschrieben worden sei, also nach eigener Angabe zwischen 1290 und 1295, während der Convivio nach 1300 bzw. 1305 verfasst worden sei, liest man das «trappassata» in Bezug zur «entrata», wie Cheneval in seinem Kommentar zu dieser Stelle hervorhebt (cf. Dante, Convivio I i 17, Ricklin 1996a, 91). Die zweite Erwähnung der Vita Nuova findet sich in Convivio I ii 1, wo Dante die bereits erwähnte Zeitangabe der Begegnung mit der Donna gentile durch die Nennung von zwei Venusjahren spezifiziert und somit indirekt einen Hinweis zur Datierung der Vita Nuova liefert. «Ich beginne also und sage, dass der Stern der Venus seit dem Ableben jener glückseligen Beatrice, die im Himmel mit den Engeln lebt und auf Erden mit meiner Seele, zwei Mal jenen Kreis durchwandert hat, der sie je nach Zeit abendlich und morgendlich erscheinen lässt, als jene edle Frau, die ich am Ende des Neuen Lebens erwähnt habe, von Amor begleitet zum ersten Mal in meinen Blick trat und in meinem Geist einen Platz eroberte. Wie ich es im angeführten Büchlein dargelegt habe, war es eher ihre edle Gesinnung als meine Wahl, die mich zustimmen ließen, ihr zu gehören; denn sie zeigte sich angesichts meines verwitweten Lebens von soviel Barmherzigkeit ergriffen, dass die Geister meiner Augen in höchstem Maße zu ihren Freunden wurden» (Dante, Convivio II ii 1–2, Ricklin 1996b, 13–15).25

24 Dante, Convivio, ed. Ricklin, I i 18: «E con ciò sia cosa che la vera intenzione mia fosse altra che quella che di fuori mostrano le canzoni predette, per allegorica esposizione quelle intendo mostrare, appreso la litterale istoria ragionata; sì che l’una ragione e l’altra darà sapore a coloro che a questa cena sono convitati». 25 Dante, Convivio, ed. Ricklin, II ii 1–2: «Cominciando adunque, dico che la stella di Venere due fiate rivolta era in quello suo cerchio che la fa parere serotina e matutina, secondo diversi tempi, appresso lo trapassamento di quella Beatrice beata che vive in cielo con li angeli e in terra con la

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In den anschließenden Absätzen präsentiert Dante eine Liebestheorie, die an die Wahrnehmungs- und Spiritustheorie der Vita Nuova anknüpft und nicht nur als Erklärung der Versuchung durch die Donna gentile gelten kann, sondern auch als erneute Bestätigung und Kommentierung des Leitmotivs der Buch-GedächtnisMetapher des Proömiums der Vita Nuova gelesen werden darf. So werden die spiriti angeführt, die initiativ in das erneute Verlieben von Dante eingreifen und das Bild der Donna gentile formen: «Und in diesem Zustand bewirkten sie in (mir), dass mein Wollen glücklich war, sich dem Bild [der edlen Frau] hinzugeben».26 Während das Bild der Donna gentile durch die Beständigkeit des Anblicks aufrecht erhalten wird, droht das Bild von Beatrice in der memoria hingegen zu verblassen. Es ist aus der memoria, aus der Dante seine «Stimme jener Seite zuwendet, von wo der Sieg des neuen Gedankens ausging»27 und eine imaginazione gegen die Donna gentile als Erinnerung an Beatrice errichtet wird (cf. Dante, VN XXVIII 1). Diese zweite Zeitangabe hat zur Errechnnung des Entstehungszeitraums der Vita Nuova geführt. Der Zeitraum 1293/94 jedoch wird oft ohne weitere Erklärung als Entstehungsjahr der Vita Nuova angegeben.28 Das Datum lässt sich aus einem Verweis in Convivio II ii 1 auf die Vita Nuova errechnen. Wenn Dante schildert, die «Donna gentile, die [er] am Ende des Neuen Lebens erwähnt hat», getroffen zu haben, nachdem «der Stern der Venus seit dem Ableben jener glückseligen Beatrice […] zwei Mal jenen Kreis durchwandert hat, der sie je nach Zeit abendlich und morgendlich erscheinen lässt»,29 bezeichnet das einen Zeitraum von drei Jahren,

mia anima, quando quella gentile donna, cui feci menzione ne la fine de la Vita Nuova, parve primamente, accompagnata d’Amore, a li occhi miei prese luogo alcuno ne la mia mente. E sì come è ragionato per me ne lo allegato libello, più da sua gentilezza che da mia elezione venne ch’io ad essere suo consentisse; chè passionata di tanta misericordia si dimostrava sopra la mia vedovata vita, che li spiriti de li occhi miei a lei si fero massimamente amici». 26 Dante, Convivio, ed. Ricklin, II ii 2: «che li spiriti de li occhi mei a lei si fero massimamente amici. E così fatti, dentro [me] lei poi fero tale, che lo mio beneplacito fu contento a disposarsi a quella immagine». 27 Dante, Convivio, ed. Ricklin, II ii 5: «E quasi esclamando, e per iscusare me de la varietade, ne la quale parea me avere manco di fortezza, dirizzai la voce mia in quella parte onde procedeva la vittoria del nuovo pensiero». 28 Cf. De Robertis (1984, 9) gibt Ostern 1292 als terminus post quem an, hält aber 1293–1294 als Abfassungsdatum für wahrscheinlicher (11), dazu Petrocchi (1997, 20, n. 29): «Il 1294 sembra oggi, dal Cosmo al De Robertis, la data più probabile di redazione del libello, dinanzi al ’92-’93 di Zingarelli, Barbi ect», während Santagata (2012, 74) eine Fertigstellung des Werkes im Jahr 1295 vorschlägt: «Da tutto ciò deduciamo che il Dante che nel 1295 porta a compitmento la Vita Nova è un lirico affermato, sia fuori Firenze sia presso il pubblico dei non addetti ai lavori». 29 Dante, Convivio, ed. Ricklin, II ii 1: «Cominciando adunque, dico che la stella di Venere due fiate rivolta era in quello suo cerchio che la fa parere serotina e matutina, secondo diversi tempi,

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zwei Monaten und dreizehn Tagen. Dante sagt also, dass er die Donna gentile erst nach dem 21. August 1293 gesehen habe, und datiert damit ein Ereignis, das in der Vita Nuova beschrieben wird (cf. Gorni 2006, 18; Casadei 2015, 30). Es handelt sich hierbei um einen im Convivio befindlichen Abschnitt, der rückwirkend geschrieben wurde und als fiktionaler terminus post quem gelten kann.30 Während die erste Nennung das Verhältnis von Stil, Abfassung und exegetischer Methode zwischen Vita Nuova und Convivio bestimmt, ist der zweite Hinweis inhaltlicher Art und bietet eine harmonisierende Erkärung für die mögliche Divergenz der beiden Werke, die auf der Interpretation der Donna gentile gründet. In der dritten Nennung bettet Dante schließlich die Vita Nuova literatur- und philosophiegeschichtlich zwischen De consolatio philosophiae von Boethius und Ciceros Laelius de amicitia ein. «Nach einiger Zeit [nach dem Tod von Beatrice] allerdings besann sich mein Verstand, der mit sich zu Rate ging, um zu genesen, zumal weder mein eigener noch der Trost anderer etwas nützte, auf die Art, durch die ein anderer Trostloser versucht hatte, sich zu trösten; und ich machte mich daran, jenes wenig bekannte Buch des Boethius zu lesen, worin er, eingekerkert und verjagt, sich selbst getröstet hatte. Und da ich zudem hörte, dass Cicero ebenfalls ein Buch geschrieben hatte, in welchem er, von der Freundschaft handelnd, die Trostworte des hervorragendsten Laelius zum Tod seines Freundes Scipio gestreift hatte, machte ich mich daran, jenes zu lesen. Und obwohl mir der erste Zugang zu ihren Aussagen beschwerlich war, vertiefte ich mich schließlich so sehr darin, wie es meine Lateinkenntnisse und das Wenige meines Talents erlaubten; dank dieses Talents sah ich, gleichsam wie träumend, bereits viele Dinge, wie aus dem Neuen Leben ersichtlich ist. Und wie es vorzukommen pflegt, dass ein Mensch Silber suchen geht und ohne Absicht Gold findet, das durch eine verborgene Ursache dargebracht wird, vielleicht mich zu trösten, nicht nur ein Mittel gegen meine Tränen, sondern Worte von Autoren, von Wissenschaften und von Büchern: diese bedenkend urteilte ich richtig, dass die Philosophie, die die Herrin dieser Autoren, Wissenschaften und Bücher war, ein allerhöchstes Ding sei. Und ich stellte sie mir vor, be-

appresso lo trapassamento di quella Beatrice beata che vive in cielo con li angeli e in terra con la mia anima, quando quella gentile donna, cui feci menzione ne la fine de la Vita Nuova, parve primamente, accompagnata d’Amore, a li occhi miei e prese luogo alcuno ne la mia mente», cf. Kommentar zu dieser Stelle, Ricklin (1996b, 119–120). 30 Hierzu Bertolucci Pizzorusso (2010, 4) und insb. Inglese (2016, 53–54:) «L’incontro fra Dante e la Filosofia è datato nel Convivio, come s’è detto, prendendo come punto di riferimento la morte di Beatrice, 8 giugno 1290 […]. Secondo i calcoli degli astronomi antichi, per ritornare nel medesio punto del cielo Venere impiega 365+219 = 584 giorni. Due rivoluzione di Venere equivalgono a 584+584= 1.168 giorni. Se, dall’8 giungo 1290, contiamo 1.168 giorni, ossia 3 anni e 72 giorni, arriviamo al 21 agosto del 1293. Non bisogna attribuira a Dante un’intenzione di assoluta esattezza ad diem, poiché il ricorso a Venere è evidentemente provocato dal motivo amoroso. […] è in questo tempo di ‹battaglia› dunque, post agosto 1293 – che bisogna comunque situare la composizione della Vita nuova.» Als «sicheren» terminus ante quem für die Abfassung des Werkes sind die Verweise im Convivio zu nennen, der in die Jahre 1304–1307 datiert wird.

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schaffen wie eine höfliche Frau, und konnte sie mir bei keiner Handlung vorstellen, außer bei einer barmherzigen; deshalb bewunderte ich sie wahrlich so gern, dass ich mich kaum von ihr wenden konnte. Und von dieser Vorstellung an begann ich dorthin zu gehen, wo sie sich wirklich zeigte, d. h. in die Schulen der Orden und an die Disputationen der Philosophierenden; so dass ich nach einer kurzen Zeitspann von kaum mehr als dreißig Monaten soviel von ihrer Süße zu spüren begann, daß diese Liebe jeden anderen Gedanken verjagte und vernichtete» (Dante, Convivio, II xii 2–7, Ricklin 1996b, 65–67).31  

Die Zeitangabe der dreißig Monate steht in einem schwierigen Verhältnis zur Nennung der Vita Nuova: erstens wird durch den zweifachen Verweis auf Dantes «ingegno» eine Kontinuität zwischen der Lektüre philosophischer Texte und der Vita Nuova hergestellt, zweitens wird durch das «quasi come sognando» ein nicht akademischer Zugang zur Philosophie beschrieben, und drittens birgt das «già» die Angabe einer Vorzeitigkeit, deren Bezug uneindeutig ist. Ricklin bezieht sie auf Kapitel XXXI 2 der Vita Nuova, in der Dante von einer «mirabile visione» spricht, die zu beschreiben er größere Studien unternehmen müsse. «Es erschien mir eine wunderbare Vision, in der ich Dinge sah, die mich zum Schluss kommen ließen, nichts mehr von dieser Gebenedeiten zu sagen, bis ich nicht von ihr würdiger sprechen könnte. Und um das zu erreichen, studiere ich, soviel ich kann». (Dante, VN XXXI 2).32

31 Dante, Convivio, II xii 2–7, ed. Ricklin (64–66): «Tuttavia, dopo alquanto tempo, la mia mente, che si argomentava di sanare, provide, poi che né ‘l mio né l’altrui consolare valea, ritornare al odo che alcuno sconsolato avea tenuto a consolarsi; e misimi a leggere quello non conosciuto da molti libro di Boezio, nel quale, cattivo e discacciato, consolato s’avea. E udendo ancora che Tulio scritto avea un altro libro, nel quale, trattando dell’Amistade, avea toccate parole della consolazione di Lelio, uomo eccellentissimo, nella morte di Scipione amico suo, misimi a leggere quello. E avegna che duro mi fosse nella prima entrare nella loro sentenza, finalmente v’entrai tanto entro, quanto l’arte di gramatica ch’io avea e un poco di mio ingegno potea fare; per lo quale ingegno molte cose, quasi come sognando, già vedea, sì come nella Vita Nova si può vedere. E sì come essere suole che l’uomo va cercando argento e fuori de la ‘ntenzione truova oro, lo quale occulta cagione presenta, non forse sanza divino imperio; io, che cercava di consolarme, trovai non solamente a le mie lagrime rimedio, ma vocabuli d’autori e scienze e di libri: li quali considerando, giudicava bene che la filosofia, che era donna di questi autori, di queste scienze e di questi libri, fosse somma cosa. E imaginava lei fatta come una Donna Gentile, e non la poteva immaginare in atto alcuno, se non misericordioso; per che sì volontieri lo senso di vero la mirava, che appena lo potea volgere da quella. E da questo imaginare cominciai ad andare là dov’ella si dimostrava veracemente, cioè ne le scuole de li religiosi e a le disputazioni de li filosofanti; sì che in picciol tempo, forse di trenta mesi, cominciai tanto a sentire de la sua dolcezza, che lo suo amore cacciava e distruggeva ogni altro pensiero». 32 Dante, VN XXXI 2: «apparve a me una mirabile visione, ne la quale io vidi cose che mi fecero proporre di non dire più di questa benedetta infino a tanto che io potesse più degnamente trattare di lei. E di venire a ciò io studio quanto posso».

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Wenn das «beinahe Träumen», das «quasi come sognando», auf die «mirabile visione» zu beziehen ist, bleibt die Frage der zeitlichen Bezüge bestehen. Beatrice erscheint Dante in einer Vision in Kapitel XXVIII und bewegt Dante dazu, von der Donna gentile abzulassen und sich ihrer selbst zu erinnern.33 Pirovano liest das ‹studio› nicht im akademischen Sinne einer philosophischen Ausbildung und sieht in der ‹mirabile visione› einen Verweis auf ein nie realisiertes Projekt.34 Da Dante in der Vita Nuova von einer abgeschlossenen Donna gentile-Episode berichtet und im Convivio eine Zeitangabe für die Bestimmung der Länge dieser Episode bietet, möchte ich das «già vedea» als zeitgleich zu Dantes philosophischen Lektüren lesen und vorzeitig zu den philosophischen Auslegungen des Convivio. Das bedeutet, dass auch die Zeitangabe der dreißig Monate bei der Datierung der Vita Nuova berücksichtigt werden muss. Wie Ricklin in seinem Kommentar zu diesem Absatz unterstrichen hat, ruft Dante in der dritten Beschreibung der Überwindung der Trauer über Beatrices Verlust die Donna gentile-Begegnung der Vita Nuova wieder wach, die er dort in Kapitel XXIV als «pietosa» und voller Mitleid beschrieben hatte35 und die Dante immer wieder aufgesucht hatte (so in Dante, VN XXV 2), so wie er im Convivio begann «ad andare là dov’ella si dimostrava veracemente». Ricklin liest jedoch die für die Datierung der Vita Nuova relevante Zeitangabe der dreißig Monate als christologische Anspielung und nicht als konkrete Zeitspanne,36 in der sich Dante

33 Dante, VN XXVIII, 2: «lo mio cuore cominciò dolorosamente a pentere de lo desiderio a cui sì vilmente s’avea lasciato possedere alquanti die contra la costanzia de la ragione: e discacciato questo cotale malvagio desiderio, sì si rivolsero tutti li miei pensamenti a la loro gentilissima Beatrice». 34 Pirovano (2015, 288): «I dati desumibili dalle parole del paragrafo fine della Vita nuova fanno pensare a un’opera incentrata su Beatrice […]. Dante dichiara di stare già lavorando con tutte le sue forze e le sue possibilità a questo nuovo progetto, ‹io studio quanto posso›. […] L’autore è passato mai dalla fase ideativa a quella realizzativa? questo libro ha lasciato tracce concrete di sè poi abbandonate o distrutte? Non lo sapremo mai. La storia ha cancellato questo progetto, ma esso è rimasto ben vivo nella mente di Dante». 35 Ricklin (1996b, 220–233). Dante, VN XXIV 2–3: «mi riguardava sì pietosamente, quanto a la vista, che tutta la pietà parea in lei accolta»; «con ciò sia cosa che quando li miseri veggioni di loro compassione altrui, più tosto si muovo a lagrimare, quasi come di se stessi avendo pietade»; «pietosa donna». 36 Ricklin (1996b, 233): «Diese These [einer geringen Distanz zwischen sich und dem Laienpublikum] wird auch durch die Präzesierung der Zeitspanne als ‹forse di 30 mesi› gestützt, denn die Zahl 30 ist nicht nur das symbolträchtige Vielfache der Dantes Werk und Leben immer wieder strukturierenden Zahl 3, sondern die Zahl 30 steht vor allem auch für das Alter, in dem Jesus getauft worden ist. Hinter 30 Monaten könnte sich somit durchaus ein Hinweis auf den elementaren Einschnitt verbergen, den die Beschäftigung mit dem höheren Bildungsgut in Dantes Biographie hinterlassen hat».

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der Donna gentile hingegeben habe, bevor er sich laut Vita Nuova XXVIII Beatricens wieder erinnerte. Über die Donna gentile-Episode und die Studienzeit von Dante wurde ausführlich von Petrochi37 und jüngst von Inglese verhandelt (cf. 2016, 55). Dürfte man die vorgestellte Zeitangabe wie die Datierung der ersten Begegnung mit der Donna gentile durch die zwei Venusjahre, die immerhin auch als konstitutives Element in der Datierung der Vita Nuova verwendet wird, indem, ausgehend von Beatrices Todestag der 21. August 1293 als Datum der ersten Begegnung mit der Donna gentile veranschlagt wird, verwenden, um die Vita Nuova zu datieren? Es ist durchaus nicht einleuchtend, einer oder zwei Datierungen des Convivio zu folgen und die dritte als allegorisch abzutun. Sicherlich handelt es sich in diesem Fall ausnahmsweise nicht um eine astronomisch verschlungene Datierung, wie sie für das Todesdatum von Beatrice und für die Begegnung mit der Donna gentile zutrifft, doch alle drei Nennungen der Vita Nuova im Convivio zielen auf die Identifizierung der Donna gentile mit der Philosophie ab, welche Dante angibt, in den Ordensschulen und philosophischen Disputationen über 30 Monate hinweg studiert zu haben. Liest man diese dritte Angabe als Zeitangabe, könnte das Jahr 1296 oder der Frühling 1296 als Abfassungszeitraum der Vita Nuova vorgeschlagen werden. Diese neue Datierung bringt mehrere Probleme mit sich, insbesondere geraten eine Reihe von auf der Vita Nuova basierenden Datierungen, insbesondere der Korrespondenzgedichte, ins Wanken. Sie könnte jedoch die extravagante Überlieferung von 13 Gedichten, die in einer ersten Version zirkulierten, erklären. Auch Casadei kommt in einem kürzlich erschienenen Artikel zu diesem Schluss, allerdings führt er einige Punkte aus, die gegen diese Datierung sprechen, insbesondere die Nennung von Voi che ‘ntendendo il terzo ciel in Paradiso VIII (cf. Casadei 2015, 32). Casadei untersucht daher, wie ein Venusjahr Ende des 13. Jahrhunderts berechnet wurde, und erklärt, dass in zwei möglichen Quellentexten von Dante ein Venusjahr zwischen 3 Monate und 9 Tage und vier Jahre und 6 Monate umfassen kann (cf. Casadei 2015, 32, auf Brunetto Latino und Bono Giamboni verweisend). Jacopo Alighieri hingegen berechnet ein Venusjahr in seinem Doktrinale mit sieben Monaten und neun Tagen, was Casadei dazu ver-

37 Petrocchi (1997, 20): «Tradotto con l’indispensabile cautela, il noto passo del Convivio consente di dedurre tre fasi nella formazione intellettuale di Dante: quella retorico-grammaticale (1275– 1286 circa, dagli studi dell’adolescenza all’insegnamento di Brunetto e al Fiore), quella filosofica-letteraria (1287–1290 circa: amicizia col Cavalcanti, soggiorno bolognese, attività poetica sino ai disegni letterari susseguenti alla morte di Beatrice), quella filosofica-teologica (1291–1294 o’95 circa: presso le scuole de li religiosi, il culto sempre più personale della Donna Gentile e della lode di Beatrice, cioè filosofia e teologia, sino alla conclusione della Vita Nuova, per l’appunto 1294 o 1295».

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leitet, die angenommene Zeitangabe des Treffens mit der Donna gentile vorzudatieren, und er hierfür den August oder September 1291 angibt, kurz nach dem ersten Jahrestag von Beatrices Tod. Die Episode der Rom-Pilger beziehe sich dann auf die Fastenzeit 1292 (cf. Casadei 2015, 33). Rechnet man das dreißig Monate umfassende Studium der Philosophie hinzu, so könne die Abfassung der Vita Nuova in den Frühjahr 1294 angenommen werden (cf. Casadei 2015, 34). Allerdings räumt Casadei ein, dass seine Ausführungen auf eine kritische Edition der astronomischen Werke von Al-farangi wartet, auf den sich Dante in seinen Ausführungen stütze.38 Bis die Frage der Länge eines Venusjahres nicht eindeutig feststeht, kannt die Abfassung der Vita Nuova in die Zeit zwischen Frühjahr 1294 und Frühjahr 1296 angenommen werden. Unabhängig von der Frage, ob Dante die Vita Nuova 1294 oder 1296 geschrieben hat, steht fest, dass Dante dem Leser des Convivio in den drei Vita Nuova-Abschnitten gerade aufgrund der dreimaligen zeitliche Bestimmung eine Datierung des libellos vorschlägt. Fassen wir noch einmal die Datierungsfragen zusammen: die verschiedenen Teile der Vita Nuova, Prosa und Gedichte, sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden. Der Begriff «doppelte Redaktion» wird in den Forschungsbeiträgen uneindeutig verwendet. Grundsätzlich kann von einer doppelten Redaktion einzelner Gedichte gesprochen werden, während verschiedene Redaktionsphasen in der Entstehung der Vita Nuova unterschieden werden können. Die Redaktionsphasen beziehen sich auf die Textgenese der gesamten Vita Nuova und fallen wie folgt aus: zunächst wurden die Gedichte geschrieben, deren terminus post quem, aufgrund der Angabe des Beginns des poetischen Schreibens im Alter von 18 Jahren, mit dem Jahr 1283 angegeben wird. Es ist allerdings umstritten, ob alle Vita Nuova-Gedichte vor den narrativen Teilen des libellos entstanden sind. Für dreizehn Gedichte kann eine extravagante Überlieferung in einer ersten Version belegt werden, die für die Einfügung in das libello überarbeitet wurden. In einem zweiten Schritt wurden die narrative Prosa und die Unterteilungen um die Gedichte gefügt. Im Laufe der Dante-Forschung wurden mehrere Hypothesen zur Genese der Vita Nuova avanciert: einmal wurde eine Neuschreibung des Schlusskapitels der Vita Nuova aufgeworfen, ein anderes Mal wurde die spätere Einfügung der Donna gentile-Episode vorgeschlagen. Beide Thesen basieren auf der Spannung, in der die Vita Nuova mit anderen Werken, der Commedia oder dem Convivio gelesen wird. Da es jedoch keine handschriftlichen Belege für derartige Überarbeitungen gibt, die Gedichte in ihrer ersten Version jedoch handschriftlich belegt sind

38 Casadei (2015, 32), verweist auf al-Fraghani (1910).

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und Dante auch in seiner (fiktionalen) Werkchronologie von einer vorzeitigen Zirkulierung einzelner Vita Nuova-Gedichte spricht, scheinen beide Hypothesen nicht haltbar zu sein. Für die Datierung der Abfassung der Vita Nuova als libello gibt es keine extrinische Datierungshilfe. Daher basiert die Datierung der Vita Nuova auf der fiktionalen Werkchronologie, die Dante in seinen Texten konstruiert hat. Aufgrund der Angaben in der Vita Nuova kann eine Datierung des libellos nur mit einem Terminus post quem mit 1291 angegeben werden, was dem Jahrestag von Beatrices Tod entspricht. Im Convivio gibt es drei Verweise auf die Vita Nuova, die jeweils eine Zeitangabe mitführen. In der ersten Angabe wird die Vita Nuova als Jugendwerk bezeichnet, wobei die Jugend, in der Unterteilung in vier Lebensalter des Convivio, nach dem vollendeten 25. Lebensjahr beginnt. So gibt auch Boccaccio für die Datierung der Vita Nuova an, dass Dante das libello im Alter von 26 Jahren verfasst habe, also 1291. In den beiden anderen Verweisen auf die Vita Nuova, die sich im Convivio befinden, wird die Begegnung mit der Donna gentile geschildert, wobei einmal die Begegnung datiert wird, zwei Venusjahre nach Beatrices Tod, und das andere Mal die Länge des Umgangs mit der Donna gentile mit 30 Monaten angegeben wird. Während die zweite Angabe mit dem Verweis auf die zwei Venusjahre für die Datierung der Vita Nuova berücksichtigt wird, wurde die dritte Angabe der 30 Monate ignoriert, aber keine überzeugende Erklärung für diese Unterlassung angeführt. Durch die Zeitangabe in der Vita Nuova wird das Jahr 1291 als terminus post quem für die Abfassung des libellos angegeben, während die Zeitangaben des Convivio die Begegnung mit der Donna gentile im Jahr 1291 (Casadei) oder 1293 (Inglese) festhält, und die Abfassung der Vita Nuova fiele demnach, nach einer Frequentierung der Donna gentile in den Schulen der Philosophierenden für «ungefähr» 30 Monate, in den Frühling 1294 oder 1296.

3.2.3 Die erste Zirkulierung der Vita Nuova zwischen Prachthandschriften und Gerichtsakten: H1* und Memoriali Bolognesi Die fundamentale Frage des Rezeptionsbeginns der Vita Nuova ist ebenfalls ein Streitpunkt, obwohl, im Gegensatz zur Frage der Datierung der Vita Nuova, historische Dokumente vorhanden sind. Es gibt weder einen eigenständigen Forschungsbeitrag noch eine einstimmige Antwort der Dante-Forscher zur Klärung des Beginns der Vita Nuova-Rezeption. Der Einfluss der Vita Nuova auf das Trecento wird noch in den Untersuchungen des beginnenden 20. Jahrhunderts in Frage gestellt oder als erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts beginnend bestimmt, während bereits Detailstudien des neunzehnten Jahrhunderts die Bedeutung der Vita Nuova für die

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Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolger Dantes belegen.39 Natalino Sapegno lässt in seiner Literaturgeschichte des Trecento die erste eigentliche Rezeption der Vita Nuova im «Trecento avanzato» beginnen.40 Auch Todorović ignoriert in ihrem Artikel über die Leser der Vita Nuova der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die namentlich bezeugten Bologneser Leser (cf. Todorović 2013). Storey gibt als Beginn der Zirkulation der Vita Nuova das Jahr 1308 an, ohne allerdings zu präzisieren, worauf der Beginn gründet.41 Todorović datiert den Beginn der Vita Nuova-Rezeption ebenfalls ohne jegliche Begründung in das Jahr 1308.42 Vermutlich wollten Storey und Todorović auf den pikanten Fall des Buchraubes, der am 15. Juni 1306 in Bologna vor Gericht verhandelt wurde, anspielen (cf. Zaccagnini 1918; Livi 1921, 107). Dieses Datum wurde erstmals 1918 von Guido Zaccagnini aufgeworfen, der das besagte Dokument über den Buchraub in den Bologneser Archiven fand, das 1921 in Livis Abhandlung über den Dante-Kult in Bologna abgedruckt wurde und seitdem allgemein bekannt ist, in der Rezeptionsgeschichte der Vita Nuova jedoch kaum Berücksichtigung fand. Der Raub einer Vita NuovaHandschrift und die Tatsache, dass dieser Fall vor Gericht getragen wurde, bieten nicht nur die ersten Belege für die Rezeption der Vita Nuova schlechthin, sondern lassen aufgrund der Ortsangabe des Raubes, in der Kapelle des hl. Andreas in Bologna, die Vermutung zu, dass das Büchlein außerhalb seines Verfassungsortes Florenz bereits zehn oder fünfzehn Jahre nach seiner Abfassung zirkulierte. Die Akten der Anklage bieten darüber hinaus die erste Beschreibung einer Vita Nuova-Handschrift:

39 Cf. Angiolillo (1994). Für Calenda (2001, 421) hingegen spielt die Vita Nuova scheinbar in der Rezeptionsgeschichte Dantes keine Rolle: «Il prestigio di un precedente autorevolissimo (il Dante trecentesco si identifica sostanzialmente con il poema, tutt’al più, come si è visto, integrato con il ricorso alle ‘petrose’) legittima, per così dire, coonestandole culturalmente, operazioni plurime favorite da un clima storico in movimento». 40 Sapegno (1938, 55): «Nel complesso, tuttavia, l’invenzione di Dante ha un forte rilievo di novità, che non sembra sia stato subito dai contemporanei e troverà un seguito solo nel Trecento avanzato». 41 Storey (2005, 123): «there is little external evidence that the Vita Nova even circulated until 1308, perhaps fifteenth years after its composition and six years after Dante’s exile from Florence, when we have a mere report that a reader had seen a copy of the libello, a little codex (codicetto) that has not survived.» Die erste belegte Rezeption der Commedia wird in das Jahr 1317 datiert, in dem der Notar Tieri degli Useppi da San Gemignano drei Verse des dritten Gesangs der Commedia auf die Rückseite des Vorsatzblattes eines Registers der Bologneser Curia del Podestà schreibt, wie Petrocchi (1967, 324) schreibt und Pisanti (1979, 64) wiederholt. 42 Todorović (2016, 3): «Furthermore, the fact that we have no proof that the Vita Nova even circulated before 1308 supports a thesis that its intended audience can be identified as this small circle of poets, with the ‹fedeli d’amore› who understand Dante’s poetry, the ‹cor’ gentili› and ‹alm(e) pres(e)›».

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

«Jacobus […] accusat Petrum […] quem dicit tractate, apensate, maliciose, furtive et malo modo accepisse unum librum qui vocatur Vita Nova, scriptum in cartis pecudinis, et quasdam alias rationes diversas ligatas cum ipso in duabus assidibus de ligno, valoris et extimationis in summa, liber predictus et rationes, quindicem librarum bonoinorum» (Livi 1921, 107).

Der erste Beleg der Verbreitung einer Vita Nuova-Handschrift sei hiermit historisch verortet. Zaccagnini vermutet, dass der Ausdruck alias rationes diversas die poetischen Co-Texte der Handschrift bezeichne und dass es sich hierbei vermutlich um Texte der Troubadourlyrik handelte, die in der Struktur der Vita Nuova entsprächen.43 Es ist jedoch keineswegs eindeutig festzumachen, ob es sich bei der Handschrift um eine vollständige Abschrift der Vita Nuova, in der neben den Gedichten die divisioni und ragioni überliefert werden, oder ob es sich um eine Gedichtsammlung handelt – die Bezeichnung ‹Vita Nuova› wird nämlich in einigen Fällen auch für Vita Nuova-Gedichtanthologien verwendet.44 Wie bereits oben ausgeführt, präsentieren die Gedichtanthologien des 14. Jahrhunderts keine Paratexte mit Autorangabe, Titelei oder sonstigen Zuschreibungen. Daher scheint sich die Titelangabe ‹Vita Nova› auf einen vollständigen, als Prosimetrum überlieferten Text zu beziehen.45 Die geraubte Handschrift (H1*) überlieferte vermutlich den vollständigen Text, begleitet von «rationes diversas», welche nicht unbedingt auf in der handschriftlichen Tradition der Vita Nuova nicht belegte, durch razos eingeleitete Troubadourgedichte verweisen, sondern vermutlich auf grammatikalische Werke, wie sie in späteren Vita Nuova-Handschriften attestiert sind.46 Dieses Dokument bezeugt zudem, dass ein Werk unter dem Titel «Vita Nova» bereits vor 1306 in Bologna zirkulierte, weil die alleinige Nennung des Titels das Werk ausreichend bezeichnete.

43 Zaccagnini (1918, 3): «E poichè il documento dice ‹et quasdam alias rationes diversas›, si trova in ciò buon motivo […] di pensare che il proprietario o custode del libro […] avesse poi fatto rilegare insieme con le pagine dantesche qualche cosa di simile, per es. le razos premesse alle poesie di Bertram de Born e di altri rimatori». 44 Es handelt sich allerdings um einige wenige Zeugnisse wie BNCF, ms. Magl. 1076; BR, ms. 1144 ; BCas, ms. d. V, 5; BM, ms. ital. IX, 333, darunter befindet jedoch keine Handschrift des 14. Jahrhunderts. 45 K2; BNCF, ms. Pal. 561; BNCF, ms. Panc. 10; BAV, ms. Capp. 262; BML ms. Plut. XL 42; BNCF, ms. Conv. B 2 1267; Co; M; S; BNCF,ms. Magl. VI 30; ms. BNCF, Pal. 204; L; L2; BNCF, ms. Magl. 1076; BNCF, während ms. Magl. VI 187 und BML, ms. Ash 843 die Bezeichnung… 46 In diesen Vita Nuova-Handschriften BNCF, ms. II.ii.40; ms. Laur, Pl. 40.49 und BNCF, ms. II. iv.102 werden folgende Texte mitüberliefert: ein Rhetoriktraktat: «Incomincia un picciol tratato d’alquanti colori rettorici», «5 Instrumente des Sprechens und 4 Stiele des poetischen Sprechens», sowie Albertano da Brescias «Del modo di parlare ex eius latino tractatu».

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

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Bologna, Archivio di Stato, Curia del Podestà, Guidici «ad maleficia», Carte di corredo, b. 35, Blatt von 1306; © Archivio di Stato di Bologna

Erstaunlicherweise scheint auch die erste datierte Abschrift der berühmten ersten Kanzone der Vita Nuova nicht in der Sekundärliteratur zur Rezeptionsgeschichte des libellos berücksichtigt worden zu sein. So konzentriert sich auch Steinberg (2007, 17–60) auf die Überlieferung von D’un’amorosa volta und Omo ch’è saggio. Pietro di Allegranza hat bereits 1292 Verse der Kanzone Donne ch’avete intelletto d’amore in Bologna abgeschrieben.47 In den älteren Forschungsbeiträgen wird die Abschrift in das Jahr 1293 datiert, also nach der hypothesierten Fertigstellung der Vita Nuova, während jüngere Beiträge bestätigen, dass das Gedicht zwischen dem 28. September und 2. Oktober 1292 in die juristischen Akten eingetragen wurde.48

47 Steinberg (2007, 18): «The entries of Dante’s poetry in the Memoriali bolognesi are even more important when we consider that, with the sole exception of ‹Donne ch’avete› in Vat. 3793, the great Tuscun lyric anthologies ignore or even exclude Dante from their compilations». Es handelt sich um Memoriale 82. Abbildung aus Livi (1921, 8). 48 In der Sekundärliteratur zu Dante wird das Datum der Abschrift nicht homogen wiedergegeben, da sich die Register der Memoriali über ein akademisches Jahr erstrecken, wir also hier die Angabe 1292/1293 finden, geben einige als Abfassungsdatum 1292 andere 1293 an. Der kritischen Edition der Memoriali Bolognesi jedoch kann nicht eindeutig entnommen werden, wann Pietro di Allegranza Donne ch’avete abschrieb. Ciociola (2001, 149), datiert die Abschrift in das zweite Semester 1292. Auch Antonelli (2010, 84; 87) datiert die Abschrift in das Jahr konkret zwischen den 28. September und den 2. Oktober 1292. Dazu Orlando (2005, 79–82).

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

Bologna, Archivio di Stato, Archivio dell’Ufficio dei Memoriali 82, c. 129v° © Archivio di Stato di Bologna

115 Gedichte befinden sich in den 144 Akten der Memoriali Bolognesi von 1279 bis 1333, in denen Verträge und Testamente abgeheftet wurden, die eine Summe von mehr als 20 Lire betrafen, während sich 240 volkssprachliche Spuren in den 6600 Gerichtsakten von 1280 bis 1451 befinden (cf. Antonelli 2011 und 2017). Die Gedichte der Memoriali Bolognesi wurden 2005 von Sandro Orlando (2005) kritisch ediert. Unter den Autoren der Gedichte befinden sich sizilianische und provenzalische Dichter, toskanische (Guido Guinizelli, Dante, Cavalcanti und Cino da Pistoia) und eine Reihe von Dichtern, deren Werk nur dank der Einträge in die Memoriali Bolgonesi tradiert wurde. Dante ist mit 29 Abschriften in den Registern bis 1419 vertreten, wobei der größte Teil Exzerpte aus dem Inferno stammt (17), während nur vier weitere Gedichte von Dante überliefert wurden: No me priano zamay far emenda (1287), Donne, io non so de chi vi preghi amare (1310), Tre donne intorno al cor (1310) und Cosi nel mio parlar voglio essere aspro (1315) (cf. Antonelli 2015, 22–23). Die Vita Nuova ist mit zwei Abschriften (Mm2 und Mm5) vertreten. Meist betrifft die Bewertung der Gedichtabschriften den Aspekt der attestierten Zirkulierung des Gedichtes oder die Qualität der Textüberlieferung (cf. Debenedetti 1948, 28–29). Wie eine Textuntersuchung gezeigt hat, hat Pietro di Allegranza entweder eine unvollständige Abschrift des Gedichtes Donne ch’avete als Vorlage verwendet, das Gedicht flüchtig abgeschrieben oder selbst in den Text zensierend eingegriffen.49 De Robertis hat die Auslassungen in Pietro di Allegranzas Abschrift von Donne ch’avete mit einer Abschrift aus dem Gedächtnis begründet.50 So fehlen in

49 Ciociola (2001, 139): «Minimi, per quanto significativi, sono del resto i segnali di trascrizione dei testi danteschi pirma del 1321: riducendosi alla registrazione, verosimilmente a memoria, di alcuni versi delle Rime e della Commedia nei ‹Memoriali bolognesi›». 50 De Robertis (1967a, 68): «Il testo di Mm2 è dunque il testo che circolava prima della sistemazione del libro. Solo che, essendo appunto scritto a memoria, presenta gli incidenti tipici di simili operazioni: salto di versi e di gruppi di versi (23, 26–28, 37–40, con progressione parallela al cres-

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

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der Abschrift der ersten drei Strophen (insgesamt bis Vers 42) die Verse 23, 26–28 und 35–40. Während die ersten beiden Auslassungen noch auf eine Zensur religiös konnotierter Inhalte hindeuten, so scheint die Hypothese einer bewussten Tilgung der Verweise auf Gott und die Hölle nicht durch die dritte Auslassung belegt werden zu können. Doch greift die Erklärung der Zitierung aus dem Gedächtnis für die Auslassungen und Varianten zu kurz (cf. Giansante 2017, 77). Wie unwahrscheinlich es ist, dass Pietro di Allegranza den Text aus dem Gedächtnis zitierte, hat Santorre Debenedetti in seinem Hinweis auf den kohärenten Gebrauch von Paragraphenzeichen gezeigt, der trotz der Auslassungen den Strophenwechsel anzeigt (cf. Debenedetti 1948, 29). Die Abschrift von Donne ch’avete der Memoriali Bolognesi dokumentiert vielmehr eine bestimmte Rezeption des Textes, die durch die Auslassung der zweiten Strophe, in der die philosophische Deutung und transzendentale Überhöhung von Beatrice angestrebt wird, bestimmt ist. Über Pietro di Allegranza berichtet Livi, dass er aus einer florentinischen Familie stamme, aber seit 1285 in Bologna lebe, weshalb er mit dem Gedicht in Bologna in Berührung gekommen sein muss (cf. Livi 1921, 252). In seiner Untersuchung über den Dante-Kult und die Verbreitung von Dante-Handschriften in Bologna vermutet Livi eine ähnlich frühe Präsenz der gesamten Vita Nuova in Bologna durch (Exil-)Florentiner: «Ma duplice, non unico, è per me il buon sospetto a riguardo di questi due fiorentini [gemeint sind Lapo Gianni und Lambertuccio Frescobaldi, M.dME]: cioè che a un d’essi non soltanto si debba se la canzone Donne ch’avete comparve sì presto in quel ser Pietro d’Allegranza che fu nativo o oriundo fiorentino; ma anche se l’intiera Vita Nuova fu, forse con quasi pari prestezza, conosciuta in Bologna» (Livi 1921, 65).

Es findet sich in den Rime der Memoriali Bolognesi noch ein weiteres Gedicht der Vita Nuova, ein Fragment des Sonetts Negli occhi porta, das 1300 von Isfacciato Antonio de Montecatini kopiert wurde (siehe Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter, Handschriftenbeschreibung zu Mm5). Livi hat in seiner Monographie einige Details über die Ausbildung und DanteKenntnis von Isfacciato zusammengetragen und hebt hervor, dass er neben diesem Sonett der Vita Nuova Gedichte von Cino da Pistoia und eine Kanzone von Cavalcanti abschrieb und Dante aus dem Umfeld Cinos rezipiert habe.51 Er stellt darüber hinaus eine weitere interessante Alternative vor, die Cino da Pistoia als

cere dello sforzo, e di questi i vv. 26–28, indispensabili al completamento del senso, ma forse cancellati all’orecchio dalla cadenza a rima baciata dei 2 vv. precedenti, che simulava quella di fin di strofa)». 51 Livi (1921, 24): «Questo notaro, dico, non poteva allora, essere un novizio: perchè su quel registro stesso scrisse anche parecchie rime di Cino, e, per giunta, una canzone del Cavalcanti».

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

Dante-Promotor in den Vordergrund stellt: so könne angenommen werden, dass Isfacciato entweder bereits während seiner vermutlich in Pistoia stattfindenden Ausbildung (durch Cino) mit Dantes Gedichten im Kontakt kam oder aber Cino Dante in Bologna bekannt gemacht habe.52 Es ist belegt, dass sich Cino da Pistoia um 1292 und zwischen 1297 bis 1300 und dann erst ab 1302 in Bologna aufhielt (cf. Monti 1931; Hollander 1992, 202; Chiappelli 1881, 27). Da Isfacciato jedoch mit seiner notariellen Tätigkeit in Bologna um 1300 belegt ist, scheint es wahrscheinlich, dass Cinos Einflussnahme nicht in die angenommene Ausbildungszeit von Isfacciato in Pistoia fällt, sondern nach Bologna zu verorten ist. Die Untersuchungen zu den Memoriali Bolognesi geben erste Hinweise über die Quantität und Qualität der Rezeption einzelner Vita Nuova-Gedichte. Diese Bologneser Dokumente benennen den Beginn der Vita Nuova-Rezeption in prosimetrischer (H1*) und singulärer Form (Mm2 und Mm5). Die Datierung des Beginns der Vita Nuova-Rezeption hat eine geringe Berücksichtigung in den umfassenden Rezeptionsgeschichten zu Dante im Trecento und in den Detailstudien zur Vita Nuova gefunden. So betont Cavallari vage, daß das «Trecento […] apprezzò meno il soave rimatore della Vita nuova», und legt nahe, dass auch ihr Einfluss auf die Lyrikproduktion des 14. Jahrhunderts nicht herausragend sei, weil sie sich zunächst in einer Art «Manierismus» verwandelt habe und dann durch das neue Modell von Petrarca geleitet wurde.53 Obgleich Saverio Bellomo in seinem kürzlich erschienenen Beitrag zur Dante-Rezeption im Treund Quattrocento hervorhebt, dass Dantes Zeitgenossen die opere minori durch «la troppa luce emanata dalla Commedia» verstellt wahrgenommen hätten, betont er den vorzeitigen Ruhm, den Dantes frühe Lyrikproduktion genossen habe.54 Bellomo relativiert die Bedeutung der Vita Nuova für das Trecento jedoch umgehend und spricht von einem «silenzio», das der Vita Nuova zu Dantes Lebzeiten entgegengebracht worden sei. «Per quanto attorno alla Vita nuova, vivente Dante, vi sia silenzio, anche da parte della tradizione manoscritta, che è piuttosto tarda (il testimone piú antico risale alla metà del Tre-

52 Livi (1921, 24): «perchè presumibilmente in Pistoia era stato educato, stante la vicinanza del suo natio loco; e perchè faceva parte del seguito d’un cospicuo cittadino pistoiese. Negare, insomma, che questa dantesca onoranza si dovesse – almeno in parte – alla propaganda di Cino nel ceto dei maggiorenti e dei dotti pistoiesi, non mi parrebbe ragionevole. Se non che, per Cino stesso, è da tener conto della sua non breve dimora in Bologna». 53 Cavallari (1921, 12; 357): «un esame della lirica trecentesca mostrerebbe, che l’influenza dell’Alighieri fu molto meno potente, che in altre forme artistiche». 54 Bellomo (2003, 132): «Tuttavia si distingue con chiarezza che la poesia dantesca godette di fama precoce (si pensi ai componimenti depositati nei Memoriali Bolognesi o alle risposte che poeti affermati si degnarono di dare al sonetto A ciascun’alma presa di un Dante appena diciottenne.)».

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

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cento), quest’opera, assieme alla produzione lirica estravagante, accreditò Dante come filosofo e poeta esperto in materia amorosa» (Bellomo 2003, 132).

Erst die kritische Edition von Sandro Orlando hat die wissenschaftliche Berücksichtigung der Memoriali Bolognesi eingeleitet. Seitdem sind verschiedene Studien zur Rolle der Notare in der Literaturverbreitung und -produktion des 14. Jahrhunderts entstanden. Steinberg hat die Schreiber der Memoriali Bolognesi als Herausgeber von Dante vorgestellt und hat die materielle Überlieferung und Darstellung der Gedichte als Dokumente gewürdigt: «That many of the rime also served a legal and practical purpose only increases the significance of their transcription and their value as literary-historical artifacts. Rather than simply representing a primitive stage in the transmission of vernacular literature, this documentary style of transcription demonstrates that authority over the preservation of Dante’s poetry, and that of his contemporaries, was still fluid and contested among different categories of writers with their different conceptions of writing» (Steinberg 2007, 23).

Die Abschrift von Donne ch’avete und von Negli occhi porta in den Memoriali Bolognesi sind in das besondere Phänomen der Abschrift von zeitgenössischer Literatur in notariellen Dokumenten einzuordnen und markieren den Beginn der singulären Gedichtrezeption in einem besonderen Kontext. Diese Einfügungen von poetischen Texten wurden oft als ungewöhnlich oder gar parasitär genannt, wie Giansante in seiner Darlegung des Forschungsstandes zu den Memoriali Bolognesi ausgeführt hat.55 Er hat gezeigt, dass die Position der Gedichte in den Akten gegen eine Interpretation der Einfügungen als «Seitenfüller» spreche, gleichzeitig auch nicht als Ausdruck einer unterdrückten poetischen Ader der Juristen gedeutet werden könne.56

55 Giansante (2017, 69): «Gran parte delle testimonianze che ci tramandano le liriche della scuola siciliana, dei poeti toscani, emiliani, veneti, dunque della più antica poesia italiana, non proviene da codici di contenuto letterario, da canzonieri allestiti specificamente per tramandare rime; si tratta invece di presenze variamente definite (allotrie, clandestine, avventizie, occasionali, estravaganti, persino parassitarie), ma comunque considerate estranee rispetto ai manoscritti che le accolgono e che erano stati prodotti per altre finialità: amministrative, giudiziarie, contrattuali, in sintesi per finalità giuridiche». 84: «In entrambe le forme grafiche, quella in poesia e quella in prosa, i notai dimostrano di muoversi agevolmente fra strutture metriche a volte estremamente complesse: riprese, piedi e volte delle ballate, quartine e terzine dei sonetti, sono unità sempre ben distinte; la durata dei versi, endecasillabi e settenari, ma talvolta anche alessandrini, ottonari e novenari, è quasi sempre rispettata, con rare ipermetrie. […] Soprattutto le aree vestibolari si prestano ad accogliere piccoli canzonieri». 56 Giansante (2017, 76) stellt die verschiedenen Thesen, die zu den literarischen Einfügungen in die Rechtsakten aufgestellt wurden vor: Carducci führe die Einfügungen auf die Ausbildung der Notare in der Artistenfakultät zurück, während Livi den funktionellen Charakter als Seitenfüller

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

Vielmehr zeigten die graphische Ausführung und die Position der Gedichte, dass die Schreiber die Gedichte sehr bewusst und gewollt wie juristische Dokumente abgeschrieben haben und damit nobilitierend auf die Überlieferung der zeitgenössischen Dichtung wirkten. «Dobbiamo dedurne […] che se le rime si trovano in quelle pagine, ciò avviene in conseguenza di un atto intenzionale e consapevole del notaio, che, con l’altissima coscienza di sè che caratterizza i notai di quest’epoca e di questa città, decide di tramandare quelle testimonianze scritte, garantendo così la loro ‹pubblicazione›, non diversamente da quanto avveniva per le altre scritture» (Giansante 2017, 87).

Die Gedichtüberlieferung könne als Ausdruck des Selbstverständnisses der Bologneser Juristen gelesen werden, die sich ihrer Rolle in der Entwicklung der städtischen Identität bewusst gewesen seien. So wie Chroniken von ihnen authentizitiert wurden, so könne auch die Abschrift der Gedichte in den Memoriali als Formung eines städtischen poetischen Gedächtnisses gewertet werden.57 Die Abschriften der beiden Gedichte, die später in die Vita Nuova eingefügt wurden, belegen einerseits den Ruhm, den Dante bereits in den neunziger Jahren in Bologna genoss, andererseits zeigen sie auch eine spezielle Lesart von Donne ch’avete durch die Auslassung der zweiten Strophe, welche Dante später im libello eingehend unterteilen und am ausführlichsten aller Strophen erklären wird.

3.2.4 Der Beginn der Vita Nuova-Verbreitung: Vita Nuova-Gedichte in Canzonieri Der Beginn der Vita Nuova-Überlieferung verlief unter dem Gesichtspunkt der Verbreitung des Werkes im Sand. Die früheste Handschrift der Vita Nuova wurde entwendet und über ihren Verbleib ist nichts mehr in Erfahrung zu bringen, während die Abschriften einzelner Vita Nuova-Gedichte (in ihrer ersten Version) nicht

hervorhebe. Aufgrund von Giansantes Untersuchung der Positionierung der Gedichtüberlieferung in den Rechtsakten, kann die These, die Gedichte dienten als Seitenfüller endgültig als unzutreffend bewertet werden, da sich Gedichte sowohl auf den ersten Seiten der Akten, zu Seitenbeginn oder mitten auf einer Seite befinden. Nur ein Fünftel der Gedichtabschriften könne als funktional beschrieben werden, Giansante (2017, 81): «Dovremmo concludere che neppure un 20 % delle trascrizioni ha in realtà quello scopo strumentale, quella finalità invero piuttosto mortificante che la tradizione erudita attribuiva loro». 57 Giansante (2004, 302): «Le poesie dei Memoriali bolgnesi ci suggeriscono ora di estendere questo ruolo, almeno nell’intenzione e nella coscienza di un certo numero di notai, all’autenticazione e alla conservazione della memoria poetica della città. Una memoria alla cui elaborazione i notai talvolta partecipavano direttamente come autori, e che comunque era coerente al loro modello culturale».  

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

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für eine der Öffentlichkeit zugängliche Lektüre und regelmäßige Konsultation bestimmt waren, sondern «archiviert» wurden und das kulturelle Gedächtnis der Stadt bezeugen sollten. Eine Verbreitung der Vita Nuova-Gedichte ist erst durch ihre Einfügung in Canzonieri belegt. Giansante definiert die Canzonieri als Ausnahme der Gedichtüberlieferung des 13. Jahrhunderts, die für einige Autoren vornehmlich durch nichtliterarischen Handschriften stattfand.58 Gleichzeitig sind die Canzonieri jedoch als offene Publikationen, zum Teil wie Vat zur Weiterschreibung durch spätere Leser konzipiert worden, die für ein Publikum bestimmt waren. Dante schreibt in Kapitel XI, dass die Kanzone Donne ch’avete, «unter den Leuten verbreitet wurde – fu alquanto divulgata tra le genti». Diese Verbreitung bzw. Publikation der Kanzone habe einen Freund, der die Kanzone gehört hatte, dazu veranlasst, Dante zu bitten, er möge ihm Amor erklären.59 Neben Vat wurde Donne ch’avete auch in Gc als einziges Vita Nuova-Gedicht überliefert. In B1 wird Donne ch’avete mit Gli occhi dolenti, der dritten Kanzone der Vita Nuova, überliefert und in L2 (f. 1r°), L3 (f. 1r°) und Co (f. 144r°) ist sie gemeinsam mit den anderen beiden Kanzonen der Vita Nuova zu lesen. In L2 und Co eröffnet sie eine Dante gewidmete Sektion in der Handschrift, während sie in Tempi 2, wie in Gc, als Teil der canzoni distese zu lesen sind. Stellvertretend soll an dieser Stelle das Rezeptionszeugnis von Donne ch’avete in Vat vorgestellt werden.

3.2.4.1 Vat – Donne ch’avete und der Amico di Dante Der Beginn der Rezeptionsgeschichte von Donne che avete intelletto d’amore ist historisch mit dem Exzerpt in den Memoriali Bolognesi von Pietro Allegranza im Jahr 1292 und in der Handschrift Vat. lat. 3793 (Vat) gegeben (cf. Steinberg 2007, 14; 18). Storey hat in seiner Untersuchung zur Überlieferung und zu Dantes Kopieranleitung der Vita Nuova vermutet, dass die Kanzone mit einem kurzen Begleitschreiben versendet worden sei (cf. Storey 2005, hier bereits auf Anm. 44, S. 44 erwähnt). Ob es sich hierbei um einen ähnlichen Text wie die in der Vita Nuova eingefügte ragione handelte, ist ungewiss. Dante sieht diese Kanzone als seine «Visitenkarte» an, wie die Identifikation von Bonagiunta da Lucca in Purga58 Giansante (2017, 70): «Per alcuni autori, per tutti i poeti italiani pre-danteschi, si può dire anzi che le testimonianze ‹eccentriche› che ce li tramandano siano decisamente maggioritarie rispetto a quelle che diremmo normali.[…] D’altra parte, fra i manoscritti superstiti, quelli nati con una specifica vocazione letteraria sono, fra Due e Trecento, davvero rarissimi; tre in tutto quelli noti fino ad oggi. […] la pratica che continuiamo a chiamare eccentrica era frequentissima e ne abbiamo numerose testimonianze». 59 Dante, VN XV 1: «Appresso che questa canzone fue alquanto divolgata tra le genti, con ciò fosse che alcuno amico l’udisse, volontà lo mosse a pregarmi ched io li dovessi dire che è Amore, avendo forse per le udite parole speranza di me oltre che degna».

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

torio XXIV zeigt, der Dante mittels des ersten Verses der Kanzone dazu einlädt, sich zu ihrer Autorschaft zu bekennen.60 «Ma di s’i’ veggio qui colui che fore trasse le nove rime, cominciando ‹Donne ch’avete intelletto d’amore›»

«Aber sag mir: Sehe ich hier den Mann, der neuartige Reime schuf und so begann: Donne ch’avete intelletto d’amore. Frauen, die ihr das Wesen der Liebe kennt?»

Michelangelo Zaccarello hebt den intertextuellen Bezug zur Donne ch’avete begleitenden Prosa hervor und verweist auf den Heilungsbericht des Taubstummen in Marc. 7, 32–37, dessen Lösung des vinculum linguae er mit dem nodo von Bonagiunta gleichsetzt (cf. Zaccarello 2014, 719); während Mehltretter den Bezug zu «soave» aus VN V 15 und Amors Diktat als distiktives Merkmal des dolce stil novo hervorhebt (cf. Mehltretter 2014, 115). Ob dieser biblische Hintergrund für Purg. 49–51 wirklich intentioniert ist, bleibe dahingestellt, feststeht, dass Dante in der Konstruktion seiner Identifikation durch Bonagiunta vorgibt, dieser würde den poetologischen Kontext von Vita Nuova X 8–14 kennen. Der Bezug von «nuove rime» zur «nuova materia» (X 2) und zum «novissimo fine» (X 5) eröffnet sich dem Leser in der Konversation von Bonagiunta und Dante und der Ausführung zum Amor-Diktat als Ursprung des neuen Stils: «I’ mi son un che, quando/ Amor mi spira, noto, e a quel modo / ch’e’ ditta dentro vo significando» (cf. Dante, Purg. XXIV 52–54). Es ist ebenso fraglich, ob Bonagiunta da Luca die Vita Nuova als libello und ob er Donne ch’avete kannte, dessen Zirkulierung erst für das Jahr 1292 belegt ist. Dante stellt uns Bonagiunta jedoch als Kenner der Kanzone vor und scheint in seinen Antworten auf die poetologischen Ausführungen zur Stilbildung des stile della lode in Kapitel X des libellos zu verweisen und damit Bonagiunta zum ersten Leser, neben Guido Cavalcanti, des libellos zu stilisieren.61 An den Commedia-Kommentaren des 14. Jahrhunderts zu dieser Stelle lässt sich beobachten, dass der Titel eines Gedichtes offenbar nicht auf eine bestimmte Länge festgelegt war und die titelgebenden Eröffnungsworte bis zu drei Versen umfassen konnten. In der Vita Nuova selbst gibt Dante mit «una canzone che co60 Dante, Commedia, Purg. XXIV 49–51, ed. Flasch (2011, 238). Cf. Lipari (1944); Cipollone (1998); Barolinis (1984, 40–57) ausführliche Interpretation; Brugnolo (2009). 61 Simonelli (1968, 69) zweifelt Bonagiuntas Kenntnis der Vita Nuova an: «Dai dati storici che possediamo, allo stato attuale delle ricerche, possiamo aggiungere che non solo un’amicizia fra Dante e Bonagiunta è piuttosto inverosimile, ma che non è certa neppure la possibilità di conoscenza da parte di Bonagiunta della canzone Donne ch’avete intelletto d’amore, da cui prende le mosse la famosa domanda di Bonagiunta-personaggio del Purgatorio e l’ancora più famosa risposta di Dante. Non sappiamo cioè se la vita di Bonagiunta si sia prolungata fino a quel 1290– 1292, presumibile data di composizione della canzone-manifesto del dolce stil nuovo dantesco».

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

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mincia Donne che avete» (so die kritischen Editionen von Barbi und Pirovano) einen Kurztitel an, der nur die ersten drei Worte umfasst. Dieser Kurztitel ist in der handschriftlichen Tradition jedoch nur bedingt belegt, und nach Boccaccios editorialem Eingriff in die typographische und inhaltliche Gliederung des Textes fehlt diese Betitelung im β-Stamm der Handschriften vollständig.62 Chronologisch betrachtet, zeigt sich in den Commedia-Kommentaren eine zunehmende Notwendigkeit einer genaueren Kommentierung63 und längeren Titelangabe dieser Kanzone. Dieser Umstand könnte einerseits eine zunehmende Kenntnis der Canzone belegen oder aber andererseits, nimmt man die Länge des Kommentars als Indiz für ein mangelndes Verständnis der Zeitgenossen, ein schwindendes Verständnis des intertextuellen Verweises von Purgatorio XXIV andeuten. Jacopo della Lana löst den logischen Schluss der rätselhaften Personenbestimmung durch die Identifizierung des Autors von Donne ch’avete intelletto mit Dante auf und schreibt: «Or disse Bonagiunta: dimmi se qui è quello che disse in canzone Donne ch’avete intelletto etc., cioè: dimmi sei tu Dante? imperò che Dante disse quella canzone». Während Jacopo della Lana zwar den Schlüssel in der Autorschaft Dantes sieht, – «Dante disse quella canzone» –, stellt der Ottimo Commento einige Jahre später diese Verwischung von identità personale und identità poetica explizit in den Vordergrund (cf. Zaccarello 2014, 721). «Dies war eine Kanzone, die Dante gemacht hat, und hier verwendet Bonagiunta ein rhetorisches Stilmittel, indem er nicht sagt: sag mir, ob ich Dante Alighieri sehe, sondern, sag mir, ob ich jenen sehe, der den neuen Stil zu dichten hervorbrachte, und hier lobt er den Autor sehr».64

62 Die älteste Handschrift ms. Martelli 12, 41r°: «la chanzone comincia donne ch’avete / donne ch’avete intellecto d’amore», ist die einzige Handschrift des 14. Jahrhunderts, die den Kurztitel angibt. Während in allen anderen Handschrift der Titel ausgelassen wird. Um eine eventuellen Lektüre oder Gebrauch einer bestimmten Vita Nuova-Handschrift schließen zu können, möchte ich die typographische Gliederung der Handschriften und die Schreibweise des Gedichtes a modo di prosa beibehalten. In den Boccaccioautografen K2, 14v°: «la chançone chomincia chosi / donne chauete intellecto damore io vo convoi dela mia donna dire non». To, 36r°: «con questo cominciamento ordianata nel modo che si vedra appresso; / Donne ch’avete intellecto damore»; S, 9r° ist ohne Zeilensprung geschrieben. V, 7r°: «la cançone comincia. / Donne cavete intellecto damore io vo con voi dela mia donna dire, non perchio creda»; R, 32r°: «cominciai una canzone col detto cominciamento come segue. / Donne chavete intelletto damore / I vo con voi della mia donna dire»; L, 6v°: «cominciaj una cançone con questo cominciaimento ordinanta nel modo che si vedra appresso/ Donne chavate intellecto damore». 63 Ausgenommen werden können die Chiose cassinese, in denen hierzu nur angemerkt wird «quae fuit rima auctoris» und die Chiose ambrosiane, wo Donne ch’avete als «canciona dantis» abgetan wird. 64 Ottimo commento (1333): «Questa fu una canzone, che Dante fece; e qui usa uno colore rettorico Bonagiunta, che non dice: dimi, se io veggio Dante Allighieri; ma dimmi se io veggio colui, che trasse fuori lo stile nuovo di dire in rima? e qui molto commenda l’Autore».

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

Hervorzuheben ist, dass Benvenuto da Imola in seinem Kommentar nicht nur den ersten, sondern auch den zweiten Vers der Kanzone zitiert und hervorhebt, dass diese Kanzone öffentlich gemacht wurde: «unde dicit: che fuore trasse, idest, in publicum, le nuove rime cominciando, unam cantionem, quae incipit: Donne ch’avete intelletto d’amore io vo’ con voi della mia Donna dire» (cf. Benevenuto da Imola, 1856, 477). Im gegen Ende des 14. Jahrhunderts verfassten Kommentar von Francesco da Buti wird sogar noch der dritte Vers der Kanzone zitiert und erstmals eine Beschreibung des Gedichtes vorgenommen. «Aber sag du mir Dante, ob ich, also ich Bonagiunta, hier, d. h. an diesem Ort, den sehe, der die neuen Reime, d. h. bestimmte moralische Kanzonen, die Dante gemacht hatte und dessen Erfinder er war, herausbrachte, d. h. publizierte. Aber Bonagiunta dachte, dass es andere waren, die diese Kanzonen begonnen hatten, also Donne c’avete intellecto d’amore, io vo’ con voi de la mia donna dire, non per ch’io creda sua lode finire et ceterea. Diese Kanzone hatte Dante schon mit vielen anderen, lange bevor er sich in Lucca in die oben genannte Frau verliebte, gemacht. Und wie dem, der diese Kanzonen mit Verstand liest, offensichtlich ist, zeigen sie alle die Liebe, die Dante für die heilige Theologie hegte, welche er Beatrice nennt, in die er sich am Ende seiner Kindheit verliebte, wie weiter unten im weiteren Verlauf klar wird, und ebenso [verliebte er sich] in die Kardinal- und theologischen Tugenden, so dass diesen [Kanzonen] richtigerweise der Name moralische Kanzonen zukommt. Und es gibt niemanden, der seine Luccheser Liebe erwähnt, aber an diesem Ort wird sie erwähnt, um allen, die sein Buch lesen werden, klarzustellen, dass seine Liebe aufrichtig war, wenn berücksichtigt wird, dass diese Kanzonen vor seiner Verliebtheit in jene aus Lucca gemacht wurden (Francesco da Buti, Commento sopra la Commedia)».65  





Diese Erläuterungen Francesco da Butis sind für unser Anliegen von besonderer Bedeutung, weil in der Kommentartradition zu Purgatorio XXIV hier erstmals indirekt auf die Vita Nuova, «il suo libro», verwiesen wird und eine regelrechte In-

65 Ich danke Claudia Tardelli Terry für ihre freundliche Bereitstellung ihrer kritischen Edition des Kommentars von Francesco da Buti, Tardelli Terry (2015): «Ma di’, tu Dante, s’io, cioè se io Bonaiuncta, veggio qui, cioè in questo luogo, colui che fore, cioè fuori in pubblico, trasse le rime nove, cioè di certe cansoni morali, le quali Dante avea facto et era stato trovatore di sì facta rima, ma Bonaiuncta credea che fusse stato altri, cominciando, cioè quelle cansoni: Donne c’avete intellecto d’amore, io vo’ con voi de la mia donna dire, non per ch’io creda sua lode finire et cetera. Questa è una cansone che già Dante con molte altre avea facto inanti che s’inamorasse ad Lucca de la donna dicta di sopra. Et come appare ad chi legge quelle cansoni con intellecto, tucte dimostrano l’amore che Dante ebbe a la sancta Theologia, la quale elli chiama Beatrice, de la quale s’inamorò infine ne la sua pueritia, come apparrà di socto nel processo, et similmente de le virtù cardinali et theologiche, sì che ben si conviene loro lo nome di cansoni morali. Et non è nessuna che faccia mentione de lo suo inamoramento di quella da Lucca, ma in questo luogo n’à facta mentione per fare chiaro ognuno che leggerà lo suo libro che ’l suo amore fu honesto, considerando che quelle cansoni funno facte inanti che s’innamorasse di quella da Lucca».

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

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terpretation des Werkes vorgenommen wird.66 Ohne den Titel zu nennen, benutzt Francesco da Buti die Entstehungsgeschichte der Vita Nuova, um ihre Interpretationsstruktur zu beleuchten. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist diese Interpretation der Vita Nuova als Antwort auf Boccaccios Historisierung und Entmythisierung von Beatrice im Trattatello in laude di Dante einzuordnen (Giovanni Boccaccio, Trattatello in laude di Dante, § V 7). Die Abhängigkeit von Francesco da Butis Kommentar von Boccaccios Esposizione wurde bereits in der älteren Dante-Forschung betont (cf. Guerri 1926, 44–49, 65–77; Vandelli 1927; Hegel 1878, 52–53), in diesem Punkt scheint Francesco da Buti jedoch eine Boccaccio entgegengesetzte Interpretation der Vita Nuova vorzunehmen, indem er Beatrice als Allegorie der Theologie liest und das Werk damit aus der Sphäre der Liebesdichtung hebt und gewissermaßen als Vorbereiter der Commedia darstellt: «tutte dimostrano l’amore che Dante ebbe alla santa Teologia, la quale elli chiama Beatrice».67 Durch Boccaccios Historisierung ist eine klare Zäsur zwischen Vita Nuova und der Commedia festgesetzt, wodurch die gesamte Vita Nuova in den Reigen der Liebesdichtung und des Dolce Stil Novo gezogen wird und nicht nur eine ers-

66 Cf. auch Kommentar zu Par. III 2: Tardelli Terry (2015): «[1–18] Quel sol che pria d’amor mi scaldò ’l pecto et cetera. In questi sei ternarii lo nostro autore finge come, volendo rispondere ad Beatrice confessando quello c’avea dicto essere vero, vidde molti spiriti nel corpo lunare pronti | 147ra| et aparechiati ad voler parlare con lui, et a proposito arreca ad proposito una bella similitudine dicendo così: Quel sol, cioè quello splendore et illuminatore de la mia mente, cioè Beatrice, che come è stato dicto significa la gratia di Dio illuminante, cooperante et consumante et la Sancta Scriptura, che, cioè la quale, pria, cioè prima, mi scaldò ’l pecto, cioè scaldò lo pecto di me Dante del suo amore, imperò che secondo la lictera Beatrice si pone per una donna della quale l’autore finge che fusse inamorato infin da la sua abdolescentia, come monstrò in sue cansoni morali et ne le parti precedenti del suo poema. Et così in questa fingerà che tra ’ beati ritornasse nel cielo empireo nella sua sedia per observare quello che dice Oratio ne la sua Poetria, sì come appare quando dice: ‹Siquid inexpertum scene conmictis et audes personam formare novam, servetur ad imum qualis ab incepto processerit et sibi constet›. Ma secondo l’allegoria et moralità intese per questa la gratia di Dio cooperante et consummante et la Sancta Scriptura, la quale non si può avere né bene intendere sensa la dicta gratia. Et per dare ad intendere questo la nomina Beatrice, cioè beatificante, imperò che tal gratia ae ad beatificare l’homo, come è stato anco decto ne le parti di sopra. Et però dice qui secondo l’allegoria et moralità che quello lume della Sancta Scriptura, del quale s’era innamorato, m’aveva, cioè avea ad me Dante, iscoperto il dolce aspecto di bella verità, cioè m’avea iscoperto il dolce vedere d’una bella verità, cioè che cosa fusse cagione del turbo della luna. Et ben dice di bella verità imperò che niuna cosa è più bella che la verità ad vedere. Provando, lo vero s’intende per ragione demonstrativa, et riprovando, cioè la falsa opinione del denso et raro, come appare nel precedente canto». 67 Die Identifikation von Beatrice mit der Theologie findet sich bereits in den Kommentaren von Pietro Alighieri (sowohl in der ersten Redaktion von 1340 als auch im ausführlicheren Kommentar von 1359), hier wird sie jedoch eindeutig auf die Vita Nuova bezogen.

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

te Schaffensphase als «dolce stil novo» beschrieben wird.68 Sie kann eigenständig ohne Vergleich zur Commedia wahrgenommen werden. Wie diese gegensätzlichen Interpretationen von Beatrice zum Erfolg oder Misserfolg der Vita Nuova im 15. Jahrhundert beigetragen haben, bleibt zu untersuchten. Obgleich Dante die literarische Innovation der Kanzone Donne ch’avete als Hauptidentifikationsmerkmal in Purgatorio XXIV anbietet, macht nur Benvenuto da Imola Gebrauch von diesem Interpretationsangebot, indem er auf die in Kapitel XVI der Vita Nuova erzählte Geschichte der volkssprachlichen Literatur verweist (cf. Pinto 2002, der die Definition der Dichtung als Amordiktat von Purgatorio XXIV untersucht). «Und hier merke, dass es einst nur das literarische (lateinische) Gedicht sowohl in Prosa als auch im Metrum gab; danach, etwa zweihundert Jahren später, wurde das volkssprachliche Gedicht erfunden, und von Beginn an war es für Liebesdinge erfunden, aber dieser Dichter zog die volkssprachliche Dichtung auf wunderbare Weise zur ehrbarsten Materie, die sein poema ausmacht» (Benvenuto da Imola, Commento, Purg. XXIV 52–54).69

Die Nennung in der Commedia und die Erwähnung der Verschickung der Kanzone werden durch zwei weitere Nennungen im Werk Dantes ergänzt, die jedoch keine Rückschlüsse auf Appellstrukturen und die Rezeption des Gedichtes zulassen. In De vulgari eloquentia verweist Dante zweimal auf diese Kanzone und unterstreicht ihren tragischen Stil und den Gebrauch des Metrums.70 Wie auch zu A ciascun alma presa gibt Dante im libello an, dass die Kanzone verbreitet wurde und von vielen rezipiert wurde. Ob es sich bei dem (nicht in die

68 Dante inszeniert in der Vita Nuova die Entwicklung seines poetischen Stils mit der zweimaligen Nennung einer «nuova materia» in X 1 und XIX 8, ob dadurch ein Bruch in der frühen Lyrik dargestellt werden soll, auf den Dante in Purg. XXIV verweist und dort die «matera nuova» des stile della lode gegen den dolce stil novo absetzen will, ist eine mögliche Interpretation unter anderen, cf. hierzu Scott (1965). 69 Benvenuto da Imola, Commento, Purg. XXIV 52–54: «Et hic nota, quod olim fuit solummodo dictamen literale tam in prosa quam in metro: postea forte a ducentis annis citra inventum est dictamen vulgare, et fuit a principio inventum pro materia amoris; sed hic poeta ipsum mirabiliter traxit ad materiam honestissimam, qualis est in suo poemate». 70 Dante, Dve II 8: «Dicimus ergo quod cantio, in quantum per superexcellentiam dicitur, ut et nos querimus, est equalium stantiarum sine responsorio ad unam sententiam tragica coniugatio, ut nos ostendimus cum dicimus, Donne, che avete intellecto d’amore. Quod autem dicimus ‹tragica coniugatio›, est quia cum comice fiat hec coniugatio cantilenam vocamus per diminutionem: de qua in .iiij. huius tractare intendimus» und II 12, 3: «Horum prorsus, cum tragice poetari conamur, endecasillabum propter quandam excellentiam in contextu vincendi privilegium promeretur. Nam quedam stantia est que solis endecasillabis gaudet esse contexta, ut illa Guidonis de Florentia, Donna me prega, perch’io voglio dire, et etiam nos dicimus, Donne ch’avete intellecto d’amore».

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Vita Nuova aufgenommenen) Antwortgedicht Ben aggia l’amoroso e dolce core,71 dessen Autor gemeinhin mit dem Amico di Dante oder mit Lippo de’ Pasci de’ Bardi identifiziert wird,72 um eine bewusst provokative Antwort auf das Gedicht allein handelt oder auch auf die ragione angespielt wird, ist in der Dante-Forschung umstritten (cf. Steinberg 2007, 61–94). Gorni sieht in der wiederholten Nennung des Ausdrucks «cominzare» («coninzato» in v. 18 und «cominzata» in v. 32) keinen zwingenden Beleg dafür, dass Donne ch’avete vor ihrer Einfügung in das libello gemeinsam mit der erklärenden Prosa überliefert wurde. Dennoch sticht ihm die semantische Übereinstimmung mit dem in der begleitenden ragione fünfmal genannten «cominciamento» ins Auge (cf. Gorni 1981, 156). Steinberg schlägt eine andere Lesart des Verhältnisses dieser beiden Gedichte vor und sieht gerade in der ausführlichen divisione einen Beleg für Dantes Reaktion auf die Fehlinterpretation seiner canzone, wie sie etwa in Ben aggia belegt ist.73 «By incorporating the apostrophized ladies of ‹Donne ch’avete› into the narrative structure of the Vita Nova, Dante stages a reception of his poetry that effectively replaces the real public of the Amico di Dante and the Amico’s own response in the female voice» (Steinberg 2007, 85).

Auf f. 99v° kopierte eine zweite, spätere Hand Dantes berühmte Kanzone und fügte das Gedicht Ben aggia unmittelbar darunter an, das dem Amico di Dante zugeschrieben wird.74 In den Untersuchungen zu dieser zweiten Schreiberhand in Vat, die auch im letzten Teil der Handschrift mit einer Abschrift von 61 Sonetten vertreten ist, wurde die Abschrift dieser Gedichte als autographe Abschrift aus der Hand des «Amico di Dante», der nun mit Lippo Pasci de’ Bardi identifiziert wurde, vorgeschlagen (siehe dazu Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter, Handschriftenbeschreibung Vat).

71 Ms. Vat. lat. 3793, 99v°-100r°, Transkription in Egidi (1908, 291–292) und als Faksimile in Leonardi (2007). 72 Cf. Marrani (2009); Gorni (1981, 156) und Maffia Scariati (2002, inbs. XXXVI); Marrani (2010, 59). Die Identitätsfrage sollte mit Maffia Scariati (2001b) endgültig zugunsten des anonymen «Amico di Dante» ausgefallen sein. 73 Steinberg (2007, 82): «the verbal evidence suggesting that the Amico di Dante was aware of Dante’s reframing of ‹Donne ch’avete› in the Vita nova is thin, and nothing in the text of ‹Ben aggia› requires, relies on, or is enhanced by a prioir knowledge of Dante’s libello. At the most, one could posit that the very absence in ‘Ben aggia’ of echoes of Dante’s prose gloss functions as part o a polemical responde. On the other hand, when the interpretive apparatus surrounding ‹Donne ch’avete› in the Vita Nova is examined as a repsonse to ‹Ben aggia›, the results are at once more fertile and economic». 74 Das vollständige Gedicht ist nachzulesen im Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter.

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Dem sogenannten Amico di Dante – die Bezeichnung geht auf Contini (1960, II, 696) zurück –, widmete Irene Maffia Scariati 2001 einen ausführlichen Artikel, in dem sie das Verhältnis von Guido Cavalcanti und dem anonymen Dichter, der häufig mit Lippo Pasci dei Bardi identifiziert wurde, untersucht (cf. Maffia Scariati 2001a, 2001b und ihre kritische Edition von 2002; Gorni 1976; De Robertis 1978). Während Gorni annimmt, dass Ben aggia zumindest auf eine prosimetrische Zirkulation von Donne ch’avete reagiert, bestreitet Marrani diese These, da seiner Meinung nach der Mangel an expliziten Bezügen zur Prosa eine solche Schlussfolgerung nicht erlaube (cf. Marrani 2004, 31, n. 46; 2003). Giorgio Inglese hat ebenfalls die intertextuellen Bezüge zur Prosa der Vita Nuova untersucht und sieht in drei Punkten eine Bestätigung für den Bezug zum Kontext der Kanzone im libello, erstens beziehe sich das «seguire» aus Vers 7 auf die Begleiterinnen Beatrices (X 4 «vidi bene che la mia gentilissima donna non era con esse»), zweitens werde eine Bitte formuliert (v. 11–14) wie in Absatz 5–11 und drittens beziehe sich die «laude» auf die «parole che lodano» (X 10) (cf. Inglese 2010, 176). Carrai fragt in seinem Artikel, weshalb der Amico di Dante, falls er die Vita Nuova als libello gekannt habe, nicht auch auf andere Gedichte anspiele,75 was Maffia Scariati mit einem Katalog von zusätzliche Parallelen zu Donna pietosa 4 «veggendo li occhi miei pien di pietate» und Li occhi dolenti 68 «veggendo la mia labbia tramortita» untersucht hat, während Gorni als Modell für das Reimschema Voi che portate und Se’ tu colui identifiziert hat (cf. Gorni 1976). Carrai führt aufgrund einer philologischen Untersuchung aus, dass es sich bei der Abschrift um eine extravagante Überlieferung handele (weil die Variante nicht in der handschriftlichen Überlieferung des libellos identifiziert werden konnte) und Dante zudem eine Korrektur des Verses 67 von Vat «con donne e con uomo» in «solo con donna o con uomo cortese» im libello vorgenommen habe.76 Ben aggia ist als direktes Antwortgedicht auf Donne

75 Carrai (2012, 50): «E mio avviso tuttavia indizi come questi possono far supporre una conoscenza della cornice ideologica e magari di quella romanzesca di Donne ch’avete, non necessariamente che chi la trascrisse nel Vaticano ne desumesse il testo dal libro della Vita nuova. Possibile infatti – mi domando – che uno che aveva letto e aveva a disposizione la Vita Nuova per intero si limitasse a cavarne soltanto un testo poetico e non almeno tre o quattro? Possibile che trascrisse canzoni come Donna pietosa o Li occhi dolenti, sonetti – per non dire di altri – come Tanto gentile o Amore e cor gentil? Possibile naturalmente questo è, ma probabile non sembra». 76 Carrai (2012, 52): «Il fatto che al v. 67 la lezione del Vaticano 3793 – presente anche in altri manoscritti della tradizione estravagante, ma non condivisa da nessun testimone del libello – abbia tutta l’aria di essere autentica e non solo sconsiglia, insomma, l’ipotesi di una trascrizione della canzone nel vetusto Vaticano per estratto della Vita nuova, ma anche implica il restauro di con donna e con uomo cortese nel testo della canzone interno al prosimetro in luogo di una lezione concorrente di assai dubbia plausibilità.»

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Vat 99v°-100r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

Vat 100v°-101r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

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Vat 178v°-179r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

ch’avete intelletto d’amore geschrieben. Es umfasst dieselbe Anzahl an Versen und hat nicht nur das Reimschema von Dantes Kanzone, sondern führte es weiter, so dass sich auch die gesamte Kanzone auf Donne ch’avete reimt. Der Amico di Dante respektiert meist die Wortlänge des Reimes und die Wortform und wählt nur in Ausnahmefällen ein längeres oder kürzeres Wort.77 Die Intertextualität zu Donne ch’avete wurde von Maffia Scariati ausführlich untersucht, hier soll nur eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte gegeben werden: Das Spiel der Antwort der donne wird als Spiegelung der einzelnen Strofen und Verse, oft sogar einzelner Worten oder Satzteile, im Vers inszeniert. Wenn Dante in Vers 14–15 schreibt: «Angelo clama in divino intelletto e dice: Sire, nel mondo si vede», antworten die donne «Ai Deo, com’ave avanzato ‘l su’ detto / partendolo da noi in alta sede!». Die donne antworten in der zweiten Strophe auf Dantes «farei parlando innamorar la gente» mit «sì ch’acciende li cori d’amor tutti, sicchè di noi nes-

77 So z. B. in den Versen 32: via – cortesia; 34: pere – cherere; 41: stato – innamorato; 42: parlato – lato; 52: infiammati – stati; 53: guati – innamorati; 70: dei – raccomandarei.  

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suna donna tace».78 Die Abschrift von Donne ch’avete auf f. 99v° und ihr Antwortgedicht wurden als eigene Sequenz mit den anderen Kanzonen des Amico di Dante konzipiert, die auf den folgenden Seiten kopiert wurden. Im letzten Teil der Handschrift hat der Schreiber 61 Sonette des Amico di Dante hinzugefügt und wurde als Autor dieser Gedichte vorgeschlagen. Berücksichtigt man die Art, wie der Amico di Dante auf Donne ch’avete geantwortet hat, kann man in den Sonetten auch einige Anklänge auf verschiedene andere Gedichte der Vita Nuova ausmachen. Das Reimschema von Ahi buona fede a mme forte nemica entspricht zwar nicht Dantes Gedicht Morte villana e di pietà nemica, aber die Reime nemica, antia und notrica werden in beiden Gedichten verwendet, um die zu Beginn des Gedichtes angerufene Personifizierung, fede und morte, zu beschreiben (so in Morte villana in Vers 1, 2 und 12 und in Ahi buona fede in Vers 1, 4, 8). Es gibt jedoch auch einige Reminiszenzen zur Prosa des libellos, wie etwa «I’ sono alcuna volta domandato: risponder mi convene che è Amore» und V 5: «E chi allora m’avesse domandato di cosa alcuna, la mia risponsione sarebbe stata solamente ‹Amore›, con viso vestito d’umiltà». Sicherlich beweisen auch die Bezüge zu einer Reihe von Vita Nuova-Gedichten, dass der Amico di Dante zumindest die Vita Nuova als Gedichtanthologie ansah. Dennoch kann, meiner Meinung nach, der Bezug zu fünf Vita Nuova-Gedichten einerseits und die Insistenz auf dem «cominciamento», semantisch aus dem Prosateil zu Donne ch’avete gezogen, andererseits als Indiz für eine Kenntnis der vollständigen Vita Nuova oder der Vita Nuova als Prosimetrum (ohne divisioni) ausreichend sein.79

78 Auch Steinberg (2007, 79) hat die Inszenierung der weiblichen Sprecherinnen in dem Gedicht untersucht und schreibt hierzu kommentierend: «By playfully responding to Dante’s apostrophes to the ladies and to his canzone in this overtly literal fashion, the Amico di Dante erodes the authentic lyric voice in ‘Donne ch’avete’ in favor of a literary game where a ritualized exchange (influenced by the culture of the tenzone) takes precedence over the sincerity of the poetic message». 79 Obgleich hier nicht umfassend beantwortet werden kann, welchen Einfluss die Kanzone auf die Lyrikproduktion der zwei Jahrhunderte bis zu ihrer ersten Drucklegung 1491 hatte, so ist doch allein der Umstand, dass sie 75 Jahre vor der editio princeps der Vita Nuova im Anhang der edlen Edition von Pietro Cremonese verbreitet wird, bedeutend. Diese Inkunabel und die sogenannte Giuntina von 1527, in der ein Zweitdruck von Donne ch’avete zu finden ist, können möglicherweise als Grund dafür angesehen werden, dass in den Kommentaren von Alessandro Vellutello (1544) und Bernardino Daniello (1547–68) die Kanzone nicht mehr als canzone morale bezeichnet, sondern in Verhältnis zu anderen canzoni amorosi gesehen wird.

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3.2.4.2 Die Rolle von Cino da Pistoia in der Promotion der Vita Nuova: Mc und K Ich möchte an dieser Stelle zwei Handschriften vorstellen, in denen die Vita Nuova-Gedichte bzw. der vollständige Text der Vita Nuova in eine Beziehung zu Cino da Pistoia gesetzt wurden, der bereits für Isfacciatos Abschrift von Negli occhi in Mm5 eine vermittelnde Rolle spielte. In den beiden Handschriften Mc und K wurde eine räumliche Nähe in der Anordnung der Gedichtüberlieferung gewählt, in der Cino da Pistoia entweder unmittelbar vor den Vita Nuova-Gedichten zu lesen ist oder direkt im Anschluss an das libello folgt. Während Cino da Pistoia in der einen Handschrift (K) zum einen vom Kurator als Haupt-Co-Text der Vita Nuova gewählt wurde und zum anderen in einer Abschrift von Coluccio Salutati direkt im «Anhang» an die Vita Nuova präsentiert wird, kann die Zusammenstellung der anderen Handschrift (Mc) und die Eröffnung mit Gedichten von Cino da Pistoia als Akt einer autorreferentiellen Interpretation gelesen werden, die in Cino da Pistoia den Kurator oder Auftraggeber von Mc ausfindig macht. Cino da Pistoia ist eine der wichtigsten Figuren in der Vermittlung und Werbung für Dante in unterschiedlichen kulturellen Räumen außerhalb von Florenz. Ihm wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts eine herausragende Rolle im Bologneser Dante-Kult zugeschrieben und seine Vorbildfunktion in der Nachahmung und Inspiration von Dante-Gedichten im Veneto in jüngeren Beiträgen betont (cf. Marrani 2004, 13–34). Er fungiert in der querelle mit Onesto da Bologna um 1290 als Verteidiger von Dante, welcher in Onestos Gedicht Bernardo, quel dell’arco del Diamasco als «quel che sogna e fa spirti dolenti» genannt wurde, worauf Cino empört reagierte.80 Pasquini sieht darin eindeutig einen Indiz für einen frühen Beginn der Freundschaft von Cino und Dante, der geläufig erst um 1290 datiert wird, und für Cinos frühe Kenntnis von Dantes Werken (cf. Pasquini 2010, 13). Marrani und Brugnolo untersuchen die Rezeption der Vita Nuova innerhalb der Rezeption der Lyrik von Dante ante commedia, und bringen sie in unmittelbare Abhängigkeit zur Rezeption von Cino da Pistoia, der durch seine Imitation und Korrespondenz mit Dante zum Erfolg und Nachleben der Vita Nuova beigetragen habe.81 Während De Robertis Cinos Gebrauch des lyrischen Materials von Dante als «degradato, decaduto a mero repertorio a materiale formale, a pretesto» beschreibt82 und auch Marrani (cf. Marrani 2010, 61) hervorhebt, dass die Vita Nuova für Cino

80 Onesto da Bologna, Bernardo, quel dell’arco del Diamasco, 3 auf das Cino mit Bernardo, quel gentil che porta l’Arco und mit Amor che viene per le più dolci porte antwortet. 81 Zu Cino da Pistoia als Imitatore von Dante cf. Marrani (2009) und unten Kapitel 3.2.4.3 Nicolò de’ Rossi und B1. 82 De Robertis (1951, 105), der in diesem Beitrag die Ausarbeitungen von Cino und Dante zu den Themen laude und morte vergleicht, wobei die Intertextualität exemplarisch an einzelnen Gedichten hervorgehoben wird.

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ein «repertorio di occasioni amorose da iterare, variare e finanche da integrare secondo le previste ritualità» sei, sieht Borsa in Cino den «più acuto e solidale interprete della svolta poetica dantesca tra Vita nova e rime allegoriche» (cf. Borsa 2014, 308). Auch das Gedicht auf den Tod von Dante Su per la costa, Amor, de l’alto monte scheint Cinos Fokussierung auf Dante cantor amoris und die Bevorzugung des Autors der Vita Nuova und nicht der Commedia zu bestätigen, wie Marrani in Fortuna di Dante e Fortuna di Cino hervorgehoben83 und Brugnolo in seiner Analyse zur Intertextualität des Gedichtes mit der Definition des dolce stil novo im Purg. XXIV 55–66 gezeigt haben (cf. Brugnolo 2003, 167–168). Dante wird für Cino als die dichterische Autorität wahrgenommen, als die er sich in Vita Nuova XVI konstruiert, wodurch auch die Anklänge in Cinos Gedichten an die Semantik und Symbolik der Vita Nuova nicht als bloße «reminiscenza impallidita» zu bewerten sind, sondern den Kriterien für klassische Quellen entsprechen.84 Nun gilt jedoch zunächst zu beantworten, wie gut Cino da Pistoia die Vita Nuova kannte, ob durch einzelne Gedichte, in einer Gedichtanthologie oder in ihrer dreigliedrigen Form. In einem zweiten Schritt sind die Bezüge zwischen der lyrischen Produktion Cinos und den Gedichten bzw. Prosa-Episoden zu untersuchen, um Rückschlüsse auf die Kenntnis der vollständigen Vita Nuova ziehen zu können. Abschließend werde ich die Bewertungen zu Cinos Gebrauch der Vita Nuova beleuchten und seine Rolle in der Verbreitung der Vita Nuova hervorheben. Cinos Kenntnis der vollständigen Vita Nuova, also auch aller Prosateile, wurde erstmals von Gorni diskutiert und positiv beantwortet, allerdings scheint die Frage nicht abschließend geklärt, so hinterfragt Marrani mit «se mai egli ne conobbe la stesura prosimetrica» diesen Umstand wieder (cf. Gorni 1981, 156; Marrani 2010, 61). Wie oben angedeutet, ist auch die Datierung des ersten Kontaktes zwischen Dante und Cino noch ein Streitpunkt, was zu Zuschreibungsproblemen der frühen Antwortgedichte führt und uns Cino als spontanen Verteidiger Dantes präsentiert. Die Datierung des Trostgedichtes Avegna ched el m’aggia steht ebenfalls noch offen und kann nicht eindeutig als Reaktion auf die vollständige Vita Nuova ausgemacht werden. Doch betrachten wir die Dinge der Reihe nach. Die Bezüge des lyrischen Corpus von Cino zu Dantes Vita Nuova sind vielfältig und lassen sich nicht auf einzelne Antwortgedichte beschränken. Zu den Korrespondenzgedichten von Cino und Dante (1302–1306) werden folgende Gedichte gezählt: Dante quando per caso s’abandona (mit der Antwort Io sono stato con

83 Marrani (2004, 23): «Tornando a Cino e al suo epicedio dantesco, importava in conclusione mettere a fuoco l’immagine di Dante cantor amoris che quel testo, mi pare, fondamentalmente rende, o per lo meno suggerisce con una certa insistenza pur a Commedia ormai terminata se non certo già in gran parte nota e diffusa». 84 De Robertis (1951, 111): «Dante insegna che cosa s’ha da dire, e in che ordine.»

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Amor insieme), Cercando di trovar minera in oro (eigentlich an Morello Malaspina gerichtet, auf das Dante mit Degno fa voi trovare ogni tesoro antwortet) und Poi ch’i’fu’ Dante, dal mio natal sito, das auf Dantes Gedicht Io mi credea del tutto esser partito antwortet, Novellamente Amor mi giura e dice mit Dantes Antwort I’ ho veduto già senza radice, Dantes Gedicht Perch’io non truovo chi meco ragioni und Cinos Antwort I’ non odo in quale albergo soni, sowie die drei unbeantworteten Gedichte von Cino da Pistoia an Dante Dante, I’ ho preso l’abito di doglia, Novelle non di veritade ignude und Amico, s’igualmente mi ricange.85 Die Erwähnung dieser Korrespondenzgedichte, welche zwar das gegenseitige Interesse bezeugen, aber noch keinen Anhaltspunkt für die Lektüre der Vita Nuova bieten, sei vor dem Hintergrund von Vita Nuova I 19 und II 1 gestattet, wo Dante berichtet, das erste in die Vita Nuova aufgenommene Gedicht A ciascun alma presa an viele wichtige volkssprachliche Dichter geschickt zu haben und von ihnen Antwortgedichte erhalten zu haben.86 Einer unter ihnen wurde mit Cino da Pistoia und dem Sonett Naturalmente chere ogn’Amadore identifiziert (siehe Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter, Vita Nuova mit rezeptionsgeschichtlichen Annotationen). Diese Zuschreibung scheint allerdings (immer vor der fiktionalen Chronologie der Vita Nuova) unwahrscheinlich, weil Cino 1283 als Dante seinen Angaben nach A ciascun alma geschrieben habe, noch keine fünfzehn Jahre alt war, weshalb Terino da Castelfiorentino als Autor dieses Sonettes vorgeschlagen wird.87 Dass Cino da Pistoia jedoch auch ein Imitiationsgedicht auf A ciascun alma geschrieben hat, wird von den meisten Forschungsbeiträgen un-

85 Cf. Pasquini (2010); Livraghi (2012). Auf Cinos Präsenz in Dantes Werk und die Diskussion um die drei ihm zugeschriebenen Sonette In fra gli altri difetti del libello, In verità questo libel di Dante und Messer Boson, lo vostro Manuello werde ich nicht eingehen, da sie für unser Vorhaben nicht von unmittelbarer Bedeutung sind. Ich verweise an dieser Stelle auf den Beitrag von Marrani (2004, 23), der die drei Sonette als Bestätigung für die Figuration von Dante als «cantor amoris» sieht. 86 Dante, VN I 19: «propuosi di farlo sentire a molti li quali erano famosi trovatori in quel tempo […]». II 1: «A questo sonetto fu risposto da molti, e di diverse sententie». 87 Cf. Pasquini (2010, 13). Dazu auch Borsa (2014, 302), der das zeitliche Verhältnis des Trostgedichtes und der Redaktion der Vita Nuova wie folgt zusammenfasst: «Il profilo di Cino appare diverso a seconda del tempo in cui si collochino la composizione e l’invio della canzone all’amico. Avegna ched el m’aggia è in genere considerata posteriore alla Vita nova. Secondo Picone, invece, la consolatoria precederebbe la pubblicazione del prosimetro: essa avrebbe ispirato la svolta delle rime successive a quelle scritte in morte di Beatrice, suggerendo a Dante la possibilità di una lettura metastorica della propria personale vicenda d’amore. In queste pagine si proverà a saggiare l’ipotesi che Avegna ched el m’aggia sia successiva tanto alle rime della Vita nova (ma non necessariamente alla pubblicazione della Vita nova) quanto alle due canzoni Voi che ‘ntendendo e Amor che nella mente, interpretate come il naturale sviluppo e l’adempimento delle premesse contenute nelle rime confluite nel prosimetro».

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terschlagen.88 Gerade dieses Imitationsgedicht Vinta e lassa era l’anima mia gibt einen zusätzlichen Anhaltspunkt dafür, dass Cino die Vita Nuova auch in ihrer dreigliedrigen Form kannte und sich durch die Imitation des ersten Gedichtes gleichsam in die Tradition des Autors einreiht und die im Proömium angezeigte Aufweichung der Grenze zwischen Autor und Leser durch seine Neuschreibung der Vision erfüllt. Gleichzeitig schreibt er gewöhnlich aus der Situation des Freundes, nimmt hier aber fast die Rolle des Dante-agens ein, dem dann, wie Dante von den famosi trovatori, auch Antwortgedichte wie A tal vision risponder non savria zugeschickt wurden. Es gibt also mehrere Gedichte mit explizitem Bezug zur Vita Nuova wie die Kanzone Avegna ched el m’aggia, die als Trost um den Verlust von Beatrice verfasst wurde und seinen Ausgangspunkt von Vita Nuova XIX 2 nimmt, wo Dante indirekt seine Dichterkollegen auffordert, den Tod von Beatrice würdig dichterisch zu besingen.89 Avegna ched el m’aggia, in dem verschiedene Anspielungen an vier Gedichte des zweiten Teils der Vita Nuova90 und den Kapiteln, die auf den Tod von Beatrice folgen, zusammengefügt werden, bezeugt zum einen Cinos Kenntnis dieses organischen Teiles des libellos. Zum anderen wird hier sein subtiler Gebrauch der Vita Nuova deutlich, da Cino auf eine explizite Einladung von Dante, den Tod von Beatrice zu besingen, reagiert, dann aber nicht stur aus dem Kapitel und vor allem dem Exkurs, der den Platz eines den Tod von Beatrice beschreibenden Gedichtes in der Vita Nuova einnimmt, zitiert, sondern sich des semantischen und metaphorischen Materials von Li occhi dolenti bis Oltre la spera bedient.91 Borsa hebt in seinem Beitrag hervor, dass die Datierung dieses Trostgedichtes keineswegs eindeutig geklärt sei, und plädiert dafür, Avegna ched el m’ag-

88 Cf. Marrani (2008, 37). Es handelt sich um Vinta e lassa era l’anima mia auf das seinerseits Mula de’ Muli mit dem Gedicht A tal vision risponder non savria (ms. Marc., ital. IX. 529) antwortet. 89 Dante, VN XIX 2: «E avvegna che forse piacerebbe a presente trattare alquanto de la sua partita da noi, non è lo mio intendimento di trattarne qui per tre ragioni: a prima è che ciò non è del presente proposito, se volemo guardare nel proemio che precede questo libello; la seconda si è che, posto che fosse del presente proposito, ancora non sarebbe sufficiente la mia lingua a trattare come se converrebbe di ciò; la terza sì è che, posto che fosse l’uno e l’altro, non è convenevole a me trattare di ciò, per quello che, trattando, converrebbe essere me laudatore di me medesimo, la quale cosa è al postutto biasimevole a chi lo fae; e però lascio cotale trattato ad altro chiosatore». 90 Livraghi (2012, 59), hebt zudem die Reminiszenzen von Donne ch’avete in Avegna ched el m’aggia hervor. 91 Cf. Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter, Vita Nuova mit rezeptionsgeschichtlichen Annotationen. De Robertis (1951, 167–168, Fn1) hebt zudem hervor, dass die Bezüge zu Olte la spera eindeutig bestätigen, dass Cinos Canzone nach der vollständigen Redaktion der Vita Nuova anzusetzten sei, weil Oltre la spera «è da riternersi del tempo dell’operetta in prosa, composto per concluderla nello spirito e nell’aria del suo seriore concepimento. […] Questo sonetto è la Vita Nuova, nasce dalla ragione stessa del libro; se le altre rime rimandano alla loro ‘razo’, tutto il libro è la ‘razo’ del sonetto».

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gia als nachzeitig gegenüber den Gedichten der Vita Nuova anzusetzen, wodurch jedoch nicht unbedingt eine Nachzeitigkeit gegenüber der Niederschrift des libellos der Vita Nuova unterstellt werden könne (cf. Borsa 2014, 302). Es scheint jedoch, dass Cino sich gerade auf die Einladung, den Tod von Beatrice zu besingen, auf Kapitel XIX stützt. Der Bezug zu Kapitel XIX könnte auch das «non è ancora sì trapassato il tempo» erklären, weil Cino nicht unmittelbar auf den Tod von Beatrice Dante das Gedicht schickte, sondern erst nach ‘Veröffentlichung’ der Vita Nuova, also Jahre später (cf. Marrani 2004, 30). Neben Avegna ched el m’aggia, das Dante in De vulgari Eloquentia II vi 5–6 zitiert,92 sind sich thematisch an die Narration der Vita Nuova anlehnende Gedichte von Cino wie I’ son chiamata nova ballatella, welche auf Ballata i’ vo’ che tu ritrovi Amore antwortet, zu nennen (cf. Dante Rime 2002, 1050–1052). Marrani hebt des Weiteren hervor, dass der Zyklus der fünfzehn Sonette, in denen Cino das Dilemma einer zweiten Liebe behandelt und der in ms. Marciano ital. IX 529 (Mc) überliefert wird, auch im Licht der Donna gentile-Episode der Vita Nuova geschrieben worden sei.93 Auch De Robertis untersucht den Bezug von Cino zu den Donna gentile-Gedichten Videro gli occhi, Color d’amore, L’amaro lagrimar, Gentil pensiero und Lasso! per forza und schlussfolgert, aufgrund einer hypothesierten Nachzeitigkeit von Lasso! per forza, dass Cino diesen Zyklus in seiner vollständigen und endgültigen Fassung kannte, die erst in die Phase der Niederschrift des libellos falle.94 Neben diesen szenischen und semantischen Bezugnahmen95 auf die Vita Nuova darf jedoch nicht Dante, quando per caso s’abbandona (1303–1306) ausgelassen werden, in dem Pasquini ein Wiederaufleben der dreigliedrigen Form

92 Cf. Borsa (2014, 302): «In particolare, la presenza in Avegna ched el m’aggia sia di rimandi testuali alle rime della Vita nova sia di tessere che possono essere messe in rapporto con Voi che ‘ntendendo e Amor che nella mente spinge a interrogarsi circa il modo e il momento in cui, attraverso la consolatoria, Cino si risolve a interagire con la produzione di Dante successiva alla morte di Beatrice, con la sua storia e con la sua poetica». 93 Marrani (2010, 61): «Piuttosto colpisce che il dissidio fra il vecchio e il nuovo amore sia rappresentato da Cino con fitto e ben riconoscibile ricorso a testi danteschi che vanno da No me poriano zamai far emenda, il più antico testo noto di Dante […], alla novità dei capitoli della Donna Gentile della Vita nova, con spigliato riutilizzo e riconduzione di quello straziante dissidio post mortem alle prevedibili schermaglie cortesi». Cf. auch Marrani (2009, 171–173). 94 De Robertis (1951, 123, Fn1): «Siamo insomma in una fase imitativa più matura. E lo confermerebbero considerazioni di cronologia relativa. Il modello appartiene a una fase, anche psicologicamente, più evoluta della poesia dantesca; e Cino ebbe presente la sistemazione della Vita Nuova». 95 Marrani (2016, 179) spricht von einem «libero riuso delle vicende narrate»: «A Cino fortemente si associa, sebbene non si possa dire che solo a lui propriamente risalga, anche la tendenza a rendere dinamico, talora quasi narrativo, il dettato lirico, con predilezione per piccole scene che coinvolgano personaggi terzi oltre agli amanti, siano essi intermediari in amore, un’altra donna amata, altri personaggi femminili, o altri poeti interlocutori: una resurrezione insomma di dina-

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der Vita Nuova sieht (cf. Pasquini 2010, 5). Es handelt sich hierbei um ein an Dante gesendetes Sonett, in dem Cino um Klärung eines Liebesdilemmas bittet und auf das Dante mit dem Sonett Io sono stato con Amore insieme und einem lateinischen erkärenden Brief antwortet (cf. Dante Epistola III). Eine weitere formale Nachahmung findet sich in der Gedichtsequenz Omo smarruto und Signori, s’i son colui, die auf Vita Nuova XIII und die Gedichte Voi che portate und Se’ tu colui gestützt ist, wobei, im Unterschied zur Vita Nuova, der Dialog hier nicht als fiktiv dargestellt wird (cf. Marrani 2004, 26). Während in dem Sonett-Paar die Anrede an die donne vernachlässigt wurde und der Schmerz des Liebenden im Vordergrund steht, betont Cino mit Come non è con voi und Or dov’è, donne, die auf Vita Nuova VII basieren, gerade die Anrede an die donne. Aufgrund einer systematischen Analyse des lyrischen Corpus von Cino in Bezug auf eine mögliche Intertextualität mit der Vita Nuova kann ich zahlreiche Anhaltspunkte für die Kenntnis der vollständigen Vita Nuova erbringen, wie im Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter (rezeptionsgeschichtliche Annotationen zur Vita Nuova) ersichtlich ist. Ich möchte an dieser Stelle einige zentrale Punkte hervorheben, die beweisen, wie Cino mit der dreigliedrigen Fassung der Vita Nuova umging und weshalb es ungenügend ist, von einer bloßen Kenntnis der Vita Nuova-Gedichte auszugehen. Obgleich sich die Bezüge zur Vita Nuova in den narratorisch zentralen Szenen (erste Begegnung, der Gruß und der Tod von Beatrice) verdichten, können sie durchgehend zu jedem Kapitel und Gedicht ausgemacht werden. Was die Schilderung der ersten Begegnung mit Beatrice angeht, so spielt Cino neben zahlreichen einzelnen Reminiszenzen nicht nur an die Buchmetapher des Pröomiums an,96 verwendet die Traumvision,97 sondern imitiert auch das erste Gedicht der Vita Nuova mit dem Sonett Vinta e lassa era l’anima mia, auf das er selbst wiederum Antwortgedichte erhält. Die Beschreibung des Grußes von Beatrice aus Kapitel V ist zu einem zentralen Referenzpunkt in Cinos Gedichten geworden und wurde in sechs Gedichten aufgegriffen (cf. Cino da Pistoia Rime 2; 6; 34; 81; 99; 154), und die Beschreibung von Beatrices Tod, in seiner Vorahnung von Kapitel XIV, Donna pieto-

miche amorose e poetiche ‹primitive› che mantengono vitalità grazie al libero riuso delle vicende narrate nella Vita nova». 96 Cino da Pistoia, Rime, 67,9–14: «Dinanzi agli occhi mei un libro mostra, / nel qual io leggo tutti que’martiri/ che posson far vedere altrui la morte./ Poscia mi dice: - Misera, tu miri,/ là dove è scritta la sentanza nostra/ dittrar del piacer di costei forte -.» 97 Cino da Pistoia, Rime, 158,8–13: «ch’Amor visibil veder mi paria,/ che mi prendeva e mi menava in loco/ che v’era la gentil mia donna sola; / e innanzi a me parea che gisse un foco,/ del quale parea ch’uscisse una parola/ che mi dicea : «Mercé, mercé un poco.»

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sa, Kapitel XIX und Gli occhi dolenti ist nicht nur direkt in Avegna ched’ el m’aggia gespiegelt, sondern wird auch in 34 Gedichten verwendet.98 Als metaphorische Lemmata, die auf der Vita Nuova gründen und in Cinos Werk vermehrt verwendet werden, können die Identifizierung von Pietà / Mercede / Misericordia mit Morte und die direkte Anrufung derselben99 sowie der Ein-

98 Cino da Pistoia, Rime, 4,5–6: «Ella per certo l’umana natura/ e tutte voi adorna similmente»; 7,4: «sì ch’ogni spirito smarrisce in quella»; 13,5: «né non aggiate a sdegno»; 15,4: «che diverrò beato lei guardando»; 18,1–3: «Se Mercé non m’aiuta, il cor si more,/ e l’anima trarrà gua dolorosi,/ e li sospiri usciran for dogliosi»; 22,10–11: «onde madonna sdegna/ e sdegnando»; 25,10–11: «a lo splendor di sua nova beltate,/ forse che m’aiterà levar Pietate;/ chè ‘n segno di merzede e d’umilitate»; 31,9: «Onde non chiamo già donna, ma morte»; 31,12: «a poco a poco la vita gli toglie»; 35,9–14: «Formasi dento in forma ed in sembianza/ di quella donna per la qual ei pone/ lo spirito d’amore in soverchianza/ quella ch’i’ chiamo basso ne’ sospiri,/ perch’udito non sia da cor villano d’Amor nemico e de li soi disiri»; 37,13: «ch’io non èi poi se non dolore e pianto»; 46,22: «se non chi sta nel ciel, ch’è di lassuso […]», 31–32: «Tant’è la sua vertute e la valenza/ ched ella fa meravigliar lo sole»; 49,38: «ch’a tutto ‘l mondo siete santa e bona»; 69,13: «Ben veggio mi convien morir di pianto»; 73,14–15: «Lo imaginar dolente che m’ancide,/ davanti mi dipinge ogni martiro […]», 33: «per simiglianza, in figura d’uom morto […]», 53–59: «Canzone, i’ t’ho di lagrime assemprata,/ e scritta ne la trist’anima mia,/ che seco ne la morte te n’andrai;/ e qui starai da gente scompagnata,/ e fuggirai dove sollazza sia,/ secondo le parole che tu hai […]», 60–66: «Se gentil cor ti legge, il pregherai/ ch’a quella donna, per lo cui valore/ m’ha si disfatto Amore,/ ti meni con fidanza che t’intenda/ e che ‘l dir non l’offenda./ Tu vedrai, solo al nome ch’a lei spiace,/ quel ched e l’altra mia persona face»; 74,13: «sento ‘l su’ nome chiamar ne la mente»; 80,1–2: «Io vi dirò la casion che mi face,/ donne, fuggir»; 83,5: «e que’ pensier’ che dicon: ‹Tu morrai›»; 88,7: «fuor de la terra la mia donna è gita»; 89,5: «d’amor fa nascer lagrime pietose»; 91,1: «Quando pur veggio che si volta il sole […]», 7: «tanto forte si attrista - e si travaglia»; 92,11: «com’ sète voi? Maravigliar mi fate!»; 103,7: «però chieggio la morte»; 106,5: «per la morte ch’eo cheggia»; 111,36: «non morrete di doglia?»; 113,4–5: «la qual velata in un manto negro/ vien ne la mente e lagrimando tange […]», 10: «chiamar Pietate, chè la sua mercede […]», 13–14: «che vede/ la donna sua che non par che le caglia/ se non di morte»; 114,9–11: «Piango, sospiro e doglio in ciascun membro,/ del suo dolor, che sì mi punge amaro,/ che spesso ne lo cor morto rassembro»; 115,2: «sì mi strugge lo cor doglia e pietanza […],» 6: «in pianto forte ed in sospiri arrotto […]», 9–10: «perché la vita sua, ne lo cor frale, per l’anima sottil che la sostene»; 116,6: «perch’altri non mi dica: ‹Tu che hai?›»; 118,21–23: «però con più dolor Morte mi spegna/(chì fino, e voi credete a tal parola!),/ che sie co’ me una sola […]», 56–58: «se da me parte, chiamando Selvaggia,/ l’anima mia ch’a voi servente vène: voi siete ‘l su’ disio e lo su’ bene […]», 66: «Guardami, come déi, da cor malvagio.»; 123,32–34: «condutta fosti suso gli aspri monti,/ dove t’ha chiusa, oimè, fra duri sassi/ la Morte»; 125,6–8: «piangendo star con l’anima smarrita,/ fra sé dicendo: Già sète in ciel gita/ Beata gioia, com chiamava il nome! […]», 29: «Di che vi stringe ‘l cor pianto ed angoscia […]», 41–42: «perchè Dio l’aggia locata fra i suoi, / ella tutt’ora dimora con voi»; 134,5: «quando udirai gridare: ‹Uccidi, uccidi›»; 155,10: «né con tormento di doglia e di pianto»; 158,1–6: «Vinta e lassa era l’anima mia/ e il core in sospirare e tragger guai,/ tanto che nel dolor m’addormentai,/ e nel dormir piangendo tuttavia./ Per lo fiso membrar che fatto avia,/ poich’ebber pianto li miei occhi assai». 99 Cino da Pistoia, Rime 13, 6, 9–11: «vostra mercé domando; Fere così Amore / e giammai poscia non soccorre altrui, anzi cresce il dolore»; 31,9: «Onde non chiamo già donna, ma morte»; 75, 12:

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fluss der Sicht (Augen) auf das Herz und den Körper,100 den Dante in V 6 benennt, sowie die Metapher des Martyriums der Augen101 genannt werden. Cino bildet zudem ausgehend von intratextuellen Bezügen der Vita Nuova neue Metaphern, wie die «Entrückung» seiner donna «suso tra i sassi», wobei er die Gedichte Cio che m’incontra und die Beschreibung von Beatrices «Himmelfahrt», Kapitel XIV 7 verknüpft.102 Neben diesen zentralen Abschnitten der Vita Nuova gibt es weitere sechs Gedichte von Cino, die direkt auf ein Vita Nuova-Gedicht reagieren, wie O voi, che siete voce nel deserto, das auf O voi che per la via d’Amor passate basiert, I’ son chiamata nova ballatella mit der Vorlage Ballata, i’ vo che tu ritrovi Amore, S’io mi riputò di niente alquanto, das seinen Ausgangspunkt in X 8 nimmt, die Imitation von Voi donne und Se’ tu colui in Omo smarruto und Signori, i’ son colui, die berühmte Kanzone Avegna ched’ el m’aggia, die Cino auf den Tod Beatrice schreibt. Dass Cino die Vita Nuova in ihrer vollständigen Form kannte und das Material auf vielfältige Weise nutzte, als szenische Inspiration (so in Omo smarruto und Signori i’ son colui), Zitat, formale Vorlage103 oder als narratorischen Hintergrund104

«Aiutami, Pietà, che n’hai valore; misericordia nova!/ Avrà forse mercede allor di lei ‘l Signor che questo vede»; 103,7: «però chieggio la morte», 106,5: «per la morte ch’eo cheggia»; 113,10: «chiamar Pietate, ché la sua mercede». 100 Cino da Pistoia, Rime, 34 7–9; 13–18: «Ogni parola sua sì dolce pare, / che là ‘ve posa torna/ lo spirito, che meco non soggiorna […] Io non m’accorsi, quand’io la mirai, / che mi fece Amore / l’asalto agli occhi, e al corpo e al core, / sì forte, che ‘n quel punto tratta fòre/dell’anima trovai/ la mia vertù, che per forza lassai»; 88,3: «che l’anima nel corpo è tramortita»; 99, 11: «ch’ogni membro convien seguir lo core». 101 Cf. Dante Gentil pensiero, 14; 28, § 4; Lasso per forza, 8. Cino da Pistoia, Rime, 19,14: «che fa a lo mio cor provar martiri»; Cino da Pistoia, Rime, 32, 10: «ch’esce per forza di molti martiri»; Cino da Pistoia, Rime, 60,10: «si faccia poscia de li miei martiri» (und Reim martiri : miri: disiri: sospiri. und core: valore: amore: dolore, wie Lasso per forza); Cino da Pistoia, Rime, 73,14–15: «Lo imaginar dolente che m’ancide, / davanti mi dipinge ogni martiro»; 73,43–45: «svegliasi Amor co la voce che grida:/ ‹Fuggite, spiritelli, ecco colei/ per cui martiri le vostre membra hanno›»; 88: sospiri: desiri: tiri: martiri; 102,9: «or liberato son d’ogni martiro»; 107,10: «e di me fatt’hai fonte di martiri»; 118,31–32: «se voi doveste sovra ‘l meo martiro/ far lo pietoso giro/ de be’ vostr’ occhi». 102 Cino da Pistoia, Rime, 123,27–28: «condutta fosti suso gli aspri monti,/ dove t’ha chiusa, oimè fra duri sassi la Morte». Cfr. Ciò che m’incontra, 8: «le pietre par che gridin: Moia, moia»; Cf. VN XIV 7: «Io imaginava di guardare verso lo cielo, e pareami vedere moltitudine d’angeli li quali tornassero in suso»; Donna pietosa, 59: «li angeli che tornavan suso in cielo». 103 Cf. Reimschema von Donna pietosa und Avegna ched el m’aggia; Lasso per forza und Deh, non mi domandar perché sospiri und Donna, i’ vi potrei dicer parole. 104 Cf. z. B. Dante, VN I 14: «E pensando di lei, mi sopragiunse uno soave sonno, nel quale m’apparve una maravigliosa visione. Che mi parea vedere nella mia camera una nebula di colore di fuoco, dentro alla quale io discernea una figura d’uno signore, di pauroso aspecto a chi la guardasse; e pareami con tanta letitia quanto a ssé, che mirabile cosa era; e nelle sue parole dicea mol 

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und semantischen Unterbau,105 zeigt, dass er das Werk bestens kannte und womöglich sogar besaß. Die Art der Zitierung, die zum Teil textnah,106 zum Teil rein allusiv,107 oft aber strukturalistisch ist, berücksichtigt die Geometrie der im Vorlagegedicht angeordneten Worte, auch über die bloßen Parallelen des Reimschemas hinaus, und verarbeitet sie direkt am Text.108 So scheint es, dass Cino den Text der Vita Nuova konkret vor sich sieht und dadurch neue (Wort-)Verbindungen aus den parole der Vita Nuova extrahieren kann.109 Was die Vita Nuova-Handschrift von Cino angeht, so möchte ich aufgrund des dichterischen Zeugnisses seiner Lektüre zwei wertvolle Daten für eine nähere Bestimmung dieser Handschrift zitieren, gleichwohl ich mir der möglichen Komplikationen eines solchen Unterfangens bewusst bin. Gedichte werden selten aufgrund des unbestimmten Anteils an Fiktionalität als historisch einwandfreie Dokumente gelesen, eine sicherlich berechtigte Skepsis angesichts (der Überhöhung) des dichterischen Ingeniums, und ich würde auch Zweifel etwa an einer paläographischen Rückführung des libro della mia memoria auf ein Florilegium oder Dantes Notizbuch hegen. Doch hat die Analyse von Cinos Verwendung des Vita Nuova-Materials gezeigt, dass Cino meist textnah einzelne Ausdrücke zitiert und gegebenenfalls mit Synonymen erweitert, die Anspielung grundsätzlich jedoch offensichtlich ist. Aufgrund der Anspielung an den lateinischen Ausspruch des Spirito animale «Appariut iam beatitudo vestra!» in Una gentil piacevol giovanella – «Vedi com’è soave il su’ valore!/ ch’agli occhi nostri apertamente mostra/ come tu dèi aver gran gioi da lei» (Cino da Pistoia, Rime, 3, 12–14) kann aus-

te cose, le quali io non intendea se non poche, tra le quali io intendea queste: ‹Ego Dominus tuus›.» und Cino da Pistoia, Rime, 158,8–13: «ch’Amor visibil veder mi paria,/ che mi prendeva e mi menava in loco/ che v’era la gentil mia donna sola; / e innanzi a me parea che gisse un foco,/ del quale parea ch’uscisse una parola/ che mi dicea : ‹Mercé, mercé un poco›.». Dante, VN I 16: «E nell’una delle mani mi parea che questi tenesse una cosa la quale ardesse tutta; e pareami che mi dicesse queste parole: ‹Vide cor tuum!›.» und Cino di Pistoia, Rime, 15,10: «di quella donna che tene ‘l cor mio». 105 Cf. Dante, A ciascun alma, 6: «del temop ch’ogni stella n’è lucente» und Cino da Pistoia, Rime, 23,12: «con Pietà veggia tua stella lucente». 106 Cf. Dante, Morte villana, 4: «poi, che hai dato matera al cor doglioso» und Cino da Pistoia, Rime, 86,4: «nell’anima che sta nel cor doglioso». 107 Cf. Dante, VN I 13: «L’ora che lo suo dolcissimo salutare mi giunse» - Cino da Pistoia, Rime, 2,1: «Tutto mi salva il dolce salutare»; Cf. Dante, VN II 7: «Vedi come cotale donna distrugge la persona di costui»; Cino da Pistoia, Rime, 26,7–8: «sì, che direbber: ‹Questi ha l’alma tinata /del piacer di costei›, li mal parlanti». 108 Cf. Dante, Cavalcando l’altrier per un cammino, 1 und Gli occhi dolenti per pieta del core, 1 und Cino da Pistoia, Rime, 121,3: «cogli occhi si dolenti per cammino». 109 De Robertis (1951, 156): «i rapporti interessano l’impianto, il tono, la qualità del linguaggio, assai più che l’argomento, le occasioni, i motivi».

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gemacht werden, dass Cino wohl eine Vita Nuova-Handschrift las, die den Ausspruch in der lectio facilior als «beatitudo nostra» überliefert (wie sie in To, R, L, Mc, Mailand, Biblioteca Braidense, ms. AG XI 5, BM, ms. ital. IX 191 und BM, ms. ital. IX 491 tradiert wird). Ein weiterer Hinweis zur Eingrenzung könnte in der Anspielung an «nobili e laudabili portamenti» gelesen werden, das in neun Vita Nuova-Handschriften als «nuovi» überliefert wird, wie wir es in Cinos Allusion in Sì m'ha conquiso la selvaggia gente (Cino da Pistoia, Rime, 103,2) – «con li su’ atti nuovi» – lesen können (es handelt sich um die Handschriften M, K2, To, R, L, Mc, BNCF, ms. Conv. B 2 1267, ms. Braidense AG XI 5 und BM, ms. ital. IX 491). Nun ergibt sich aus diesen zwei Hinweisen eine Eingrenzung auf die stemmatische Gruppe α.b (To), so dass wir in das literarische Stemma ein weiteres Element einfügen könnten, weil angenommen werden kann, dass bereits Cino ungefähr 40 Jahre vor Boccaccios Abschrift in To eine Handschrift zur Verfügung stand, die diese beiden Lesarten aufwies. In Mc begegnet uns eine Handschrift, in deren Zusammenstellung Cino da Pistoia vermutlich involviert war, ob als Auftraggeber oder Herausgeber kann nicht geklärt werden. Hier inszeniert er sich in direkter Nähe und Spannung zu 12 Vita Nuova-Gedichten und gibt dadurch das eindringlichste Zeugnis seiner Vita Nuova-Interpretation. Mc ist als Fragment eines vermutlich geringfügig umfangreicheren Canzoniere überliefert, der von einem Juristen oder Notar aus Pistoia in Bologna zwischen 1300 und 1325 für oder im Auftrag von Cino da Pistoia geschrieben wurde (cf. Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter, Handschriftenbeschreibung Mc). Die Handschrift nimmt keine chronologische oder gattungsbestimmte Gliederung vor, sondern ordnet die Gedichte thematisch. Zu Beginn der Handschrift werden verschiedene Autoren in Beziehung zueinander gesetzt, während die Vita Nuova-Gedichte auf f. 3r° bis 6v° mit anderen Dante-Gedichten en bloc überliefert werden. Cino da Pistoia eröffnet die Handschrift, die allerdings nur mit «c» betitelt ist, mit den Gedichten Unde vieni, Amor chosi soave, Prego il vostro saver che tanto monta, Gentil donne, donçelle amorose, Non e bonta ne vertu ne valore und wird von Gedichten von Cacciamonte da Bologna, Binduccio da Firenze, Nicola, Picciolo da Bologna, Mula de’ Muli da Pistoia und vier anonymen Gedichten begleitet. Dann folgt auf f. 3r°-6v° ein Teil, der ausschließlich Dante und Cino da Pistoia gewidmet ist, wobei sich die Gedichte von Cino da Pistoia zwischen L’amaro lagrimar (n° 38, f. 4v°) und Spesse fiate (n° 56, f. 6v°) mit zehn Gedichten (n° 39–48 und 58) befinden.110 Trotz der Präsenz der anderen Autoren ist die Handschrift von einer Intertextualität mit den Vita Nuova-Gedichten und Cino da Pistoia bestimmt. Marrani beschreibt die Handschrift als «breviario amoroso per espatriati» und hat die Zusammenstellung und Ordnung der Gedichte von Cino da Pistoia in Beziehung zur Neuordnung von E

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

hervorgehoben (cf. Carrai/Marrani 2009, 169). Es konnten dabei mehrere inhaltliche Schwerpunkte in der Zusammenstellung des Gedichtzyklus ausgemacht werden, wie das Thema der «lontananza», das die ersten 4 Gedichte verbindet, die «fermezza in amore» und das Problem, konkurrierende Zuneigungen zu bewerten (cf. Carrai/Marrani 2009, 166–167). Daraus erkläre sich die Zusammenstellung der anderen Gedichte z. B. die «Reisegedichte» der Vita Nuova (hier n° 28–31) Cavalcando l’altrier und O voi che per la via. In den Gedichten selbst wird zwar die Ferne der geliebten donna beklagt, aber, wie Marrani betont, wird nur in den narrativen Teilen der Vita Nuova die eigentliche Trennung erklärt, woraus er schließt, dass der Kurator der Handschrift die vollständige Vita Nuova gekannt haben müsse.111 Vielleicht darf man die Zusammenstellung der Gedichte in Mc als Versuch lesen, das Programm der Vita Nuova auszuweiten, Antwortgedichte um thematisch geordnete Gedichte zu fügen und ein organisches Ganzes zu schaffen, in dem ein fiktiver Dialog zwischen Dante und Cino, die ja, wie oben gesagt, einen wirklichen Gedichtaustausch, eine Tenzone, gepflegt haben, vorgestellt wird. Der Reihenfolge der Gedichte in der Handschrift folgend, wäre Cino der Antwortende, der auf die Dante-Gedichte reagiert, während Dante in der Tenzone drei Cino-Gedichte unbeantwortet gelassen hat. In der Tat wurde zwar keine abwechselnde Überlieferung der Gedichte als Tenzone vorgenommen, und es scheint keine direkte Symmetrie vorzuliegen, aber eine Entsprechung der einzelnen Gedichte kann ausgemacht werden.  

110 Es sind hier drei anonyme Gedichte (n° 49–51), zwei Gedichte von Giacomo da Lentini (n° 52–53) und zwei unleserliche Gedichte (n° 54–55) nach dem großen Dante-Cino-Block überliefert, bevor Cino und Mula de’ Muli da Pistoia durch eine Tenzone die Handschrift beschließen. 111 Carrai/Marrani (2009, 169): «Solo la prosa innesta il tema della lontananza nel complicato gioco di infingimenti e schermi amorosi e apre la scena all’opposizione fra due devozioni di segno opposto, l’una da dimostrare sia pur con onesta moderazione in palese, l’altra da portare nel segreto del cuore. Non osta, a mio avviso, all’ipotesi di una viva presenza del libello nelle immediate vicinanze di M [= Mc, MdME] il presentarsi di O voi che per la via d’Amore passate in prima redazione, circostanza che anzi potrebbe deporre a favore della eterogeneità del materiale a disposizione dell’allestitore del manoscritto, e dell’indifferenza dei lettori di un tempo al crinale che oggi si è accertato separare i due diversi versanti di trasmissione delle prime rime dantesche, la presenza della Vita nova imponendosi a dar nuovo contesto e senso anche a quanto in precedenza sparsamente delibato e canonizzato».

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

235



Dante

Cino



24

Vede perfettamente

Veduto an gl occhi miei

39

25

Ne li occhi porta la mia donna

Sta nel piacer de la mia donna

40

26

Cio che m incontra ne la mente more

Guardando voi in parlar e n sembianti

41

27

Con l altre donne mia vista gabbate

Tucto mi salva il dolce salutare

42

28

O voi che per la via d’amore passate

Io vegio star sul canto de la nave

43

30

Cavalcando l altrier

Una riccha roccha et forte amanto

44

32

Voi c avete la sembianza

Donne, vedete bella creatura

45

33

Se tu quei c a tractato

Come non e con voi per questa festa

46

36

Videro li occhi miei

Or dove e donne quella in cui s a vista

47

37

Gentil pensero che

Con gravosi sospir trahendo guai

48

38

L amaro lagrimar

Nehmen wir beispielsweise das erste Gedicht von Cino der zweiten Gedichtsequenz, Veduto han gli occhi miei, so zeigt sich in den Reimen ein Ineinanderfügen der Reime von Amor e l cor gentil (Verse 1, 3, 5, 7: cosa - osa - amorosa – riposa), Se tu colui (Verse 10, 12, 14: conforta – scorta – morta) und Gli occhi dolenti (Verse 48–49: viso – fiso), das in Mc nicht überliefert ist. Veduto an gl occhi miei si bella cosa, che dentro dal mio cor dipinta l’hanno, e se per veder lei tuttor no stanno, infin che non la trovan non han posa, e fatt’han l’alma mia si amorosa, che tutto corro in amoroso affanno, e quando col suo sguardo scontro fanno, toccan lo cor che sovra ‘l ciel gir osa. Fanno li occhi a lo mio core scorta, fermandol ne la fe d amor piu forte quando risguardan lo su novo viso e tanto passa in su desiar fiso che l dolce imaginar li daria morte sed e non fosse Amor che lo conforta.

Amor e l cor gentil, 1, 3, 5, 7: cosa - osa - amorosa - riposa.

Oltre la spera, 2–4: passa lo sospiro ... che pur su lo tira Se tu colui, 10, 12, 14: conforta - scorta - morta.

Gli occhi dolenti, 48–49: viso - fiso. Donna pietosa, 65: Lo immaginar fallace/ mi condusse a vedere madonna morta

Das Thema der Ferne, der Trennung und der Klage scheinen Cinos Lektüre der Vita Nuova zu bestimmen, ein topos, der auch in K durch die Fortschreibung der Vita Nuova mit Cinos La dolce vista auftaucht. In K wurde die Intertextualität von Cino da Pistoia zur Vita Nuova in zweifacher Weise betont, einmal vom Kurator der Handschrift, der für die Überlieferung

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

der Vita Nuova an zweiter Stelle, nach Guido Guinizelli, und vor Cavalcanti und Cino da Pistoia verantwortlich war, und das andere Mal durch die Einfügung des Gedichtes La dolce vista auf der letzten Seite der Vita Nuova-Abschrift durch Coluccio Salutati. Die Vita Nuova-Abschrift in K ist ein ungewöhnliches Beispiel einer vollständigen Vita Nuova-Überlieferung in einem Canzoniere, was zahlreiche Spekulationen über die Zusammenstellung der Handschrift hervorgerufen hat (siehe Literaturangaben im Handschriftenkatalog, Handschriftenbeschreibung K) Cino da Pistoia wird in der Handschrift in drei Blöcken überliefert, der erste folgt in der Konzeption der Handschrift auf Dantes Kanzonen (f. 29v°-38r°), die sich der Abschrift der Vita Nuova (f. 7r°-27v°) anschließen, und ist auf f. 39v°-45r° zu lesen. Ein zweiter großer Block findet sich in den Lagen 10 bis 13 auf f. 70r°-91v° mit 145 Gedichten, und zwei kleine Einschübe sind auf f. 63r°-v° und auf f. 117r°118r° zu lesen. Der erste der kleineren Einschübe öffnet auf f. 59v° mit Infin che li occhi mei non chiudon morte, auf das Dante mit zehn Sonetten folgt und nach weiteren zwölf Gedichten mit der Tenzone von Dante und Forese und sechs Sonetten von Cino endet. Auf den ersten Blick erscheint diese Zusammenstellung ohne jegliches Ordnungskriterium und über die Gattungsgrenzen hinaus die Gedichte zu überliefern. Borriero hat jedoch in seiner Untersuchung über die Zusammenstellung der Handschrift eine interessante These vorgeschlagen, die ein Kriterium für die Komposition der Handschrift in Dantes «Literaturgeschichte» identifiziert. So werde die Handschrift mit Guinizelli eröffnet, den Dante in Purgatorio XXVI, 97 als «padre mio» bezeichnet, es folgt Cavalcanti, der «primo amico» aus Vita Nuova II 1, Dante selbst mit der Vita Nuova und Cino da Pistoia, als dessen Freund sich Dante in De vulgari eloquentia vorstellt (cf. Barolini 2015, 57–60). Cino da Pistoia könne als Bindeglied zwischen den einzelnen Sektionen – Borriero unterschied drei große Blöcke, die jeweils einmal Sonette und dann Kanzonen und Balladen überliefern – interpretiert werden.112 Die Rolle von Cino da Pistoia ist in der ersten Sektion, die um Dante konstruiert wurde, die des Freundes, des «Nachfolgers», und in den anderen Sektionen fungiert er als Bindeglied. Die Vita Nuova-Abschrift in K wurde vom Schreiber von den Kanzonen durch ein leeres Blatt abgesetzt (f. 28r-v°), das auch von späteren Schreibern und Lesern frei gelassen wurde. Coluccio Salutati nutzte jedoch den Freiraum unter dem Explizit der Vita Nuova (f. 27v°), um das Sonett Con dolce vista von Cino da Pistoia anzufügen.

112 Borriero, (1999, 208): «La prima sezione di canzoni + ballate è costruita su Dante: la periferia del canone è concepita come introduzione e parabola dello stilnovo. La successione degli autori sembra quella di un’antologia modernamente allestita il cui paradigma storico-culturale è una riproposizione dei dettami danteschi: inaugura il canzoniere Guinizelli («padre»), seguono Cavalcanti («primo amico»), Dante (Vita nuova e rime), Cino da Pistoia, «minori» […].»

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

K, 27v°-28r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

K, 28v°-29r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

La dolce vista ist als Gedicht auf den Abschied und die Trennung von der donna selvaggia geschrieben worden, das der Situation von O voi che per la via d’amor in seiner Rahmenhandlung, d. h. der Klage um eine räumliche Trennung von der donna, ähnelt. Darüber hinaus gibt es intertextuelle Bezüge zu einer Vielzahl von Vita Nuova-Gedichten.113 Doch in K wird das Gedicht als Anhang zur Vita Nuova unmittelbar nach dem letzten Gedicht Oltre la spera und der Nennung der «mirabile visione» überliefert, wodurch es wie eine Weiterschreibung der Vita Nuova wirkt und der Todeswunsch, der in Cinos Gedicht in der Klage über die Ferne der donna wiederholt formuliert wird,114 in Dantes Wunsch «E poi piaccia a colui che è sire de la cortesia, la mia anima se ne possa gire a vedere la gloria de la sua donna» Entsprechung findet (cf. Dante, VN XXXI 3).  

3.2.4.3 B1 und Nicolò de’Rossi Nicolò de’ Rossi, Schreiber und Herausgeber von B1, ist einer der wichtigsten Vertreter der venezianischen Lyrik der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Nach einem Studium der Rechte in Bologna, kehrte er 1318 in seine Geburtsstadt Treviso zurück und lehrte dort am Studium und übernahm diplomatische Missionen, bis Treviso 1329 von Cangrande della Scala eingenommen wurde. In dieser Zeit ist sein dichterisches Werk von über 400 Gedichten entstanden. Nach 1329 ist er am

113 Z. B. Cino da Pistoia, La dolce vista, 19–23: «Io t’ho veduto in que’ begli occhi, Amore,/ talchè la rimembranza me n’uccide,/ e fa sí grande schiera di dolore/ dentro a la mente, che l’anima stride» und VN XXIII 1–5: «Quantunque volte, lasso!, mi rimembra/ ch’io non debbo gia mai/ veder la donna ond’io vo si dolente/ tanto dolore intorno ‘l cor m’assembra/ la dolorosa mente»; La dolce vista, 4: «la vita mia, ch’i’ vo traendo guai» und Li occhi dolenti, 6: «convenemi parlar traendo guai»; La dolce vista, 7–8: «porto disir nel core / che son nati di morte» und Quantunque volte, 16–17:» che va chiamando Morte tuttavia: / a lei si volser tutti i miei disiri»; La dolce vista, 9–10: «Omè, Amor, perchè nel primo passo / non m’assalisti sì ch’io fossi morto?» und Spesse fiate, 6–7: «ch’Amore m’assale subitamente/ si che la vita quasi m’abbandona»; La dolce vista, 18–22: «Io t’ho veduto in que’ begli occhi, Amore, / talché la rimembranza me n’uccide, / e fa sì grande schiera di dolore/ dentro a la mente, che l’anima stride/ sol perché morte mia non la divide» und Quantunque volte lasso, 1–6: «Quantunque volte, lasso, mi rimembra/ ch’io non debbo gia mai veder la donna ond’io vo si dolente/ tanto dolore intorno ‘l cor m’assembra/ la dolorosa mente/ ch’io dico: Anima mia ch, non ten vai?». 114 Semantik des Todes in folgenden Versen: Cino da Pistoia, La dolce vista, 8: «che son nati di morte»; 10: «non m’assalisti sì ch’io fossi morto?»; 19: «talché la rimembranza me n’uccide»; 22: «sol perchè morte mia non la divide da me»; 33–34: «o dolenti occhi miei, non morrete di doglia?»; 40–41: «e quando vita per morte s’aquista, gioioso è ‘l morire; V. 45: Amor ad esser micidial piatoso»; 48: «dammi di morte gioia».

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päpstlichen Hof in Avignon bezeugt, bevor er Ende der dreißiger Jahre nach Venedig zurückkehrt, wo sich seine Spuren verlieren (zur Biographie von Nicolò de’ Rossi cf. Brugnolo 1974; 1977; 1980). Furio Brugnolo hat mit seiner kritischen Edition des Canzoniere von Nicolò de’ Rossi den Einfluss, den Cino da Pistoia auf die lyrische Rezeption, und damit auch auf Nicolò de’ Rossis Vita Nuova-Lektüre ausgeübt hat und auf die Produktion von Nicolò gezeigt. Nicolò de’ Rossi ist vermutlich in Bologna durch Cino da Pistoia mit Dantes Werken vertraut gemacht worden und begann nach seiner Rückkehr als Notar sein dichterisches Werk. Sein Werk ist durch zwei autographe Handschriften in ms. Siviglia, Biblioteca Capitular y Colombina 7.1.32 (Colombino) und in BAV, ms. Barb. lat. 3953 (B1) überliefert und umfasst knapp 440 Gedichte, 433 Sonette und 4 Kanzonen (darüber hinaus ist er auch mit acht Gedichten in E vertreten, die Capelli 2007 editiert hat). Im Canzoniere Colombino werden 424 Gedichte als «canzoniere d’autore» überliefert, von denen ein Teil von Nicolò de’ Rossi um 1325 in B1 integriert wurden (cf. Brugnolo 1977, 9–16; 2010, 422–459). Obwohl im Canzoniere Colombino der co-textuelle Bezug durch die Überlieferung von Dante-Gedichten nicht gegeben ist, tritt die Intertextualität zu Dante-Gedichten stärker hervor, wobei Nicolò de’ Rossi einzelne Worte oder Ausdrücke als Ausgangspunkt für eigene Gedichte genommen habe, aber eine andere Atmosphäre und «pesante veste vernacola» erzeuge.115 Scudieri Ruggieri hat die Dante-Reminiszenzen im Werk von Nicolò de’ Rossi untersucht, das in den zwei Handschriften B1 und ms. Colombino überliefert ist, aber nur in der ersten Handschrift 30 Dante-Gedichte, davon 8 Gedichte der Vita Nuova, mitüberliefert. Ruggieri hebt hervor, dass Nicolò de’ Rossi zwar in einem Sonett Dante direkt anrede (es handelt sich hierbei um das Sonett Se’ tu, Dante oy anema beata), aber nicht in den Sonetten von Dante abhängig sei, sondern Dante eher in den Kanzonen imitiere.116 Allerdings handele es sich nicht um einen tie-

115 Scudieri Ruggieri (1966, 459): «La prima osservazione che si impone è che il panorama e il registro dei componenti di tema amoroso è profondamente diverso da quello delle canzoni: infatti, anche se di frequente il pensiero del de Rossi è tornato al mondo dantesco, o genericamente stilnovistico, per trarne l‘avvio di un sonetto, o un semplice nesso, o anche solo un vocabolo, questi elementi sono stati subito avvolti da un‘atmosfera a quello estranea, che ha anche imposto loro una pesante veste vernacola». 116 Scudieri Ruggieri (1966, 499): «E ciò soprattutto per le canzoni, sebbene si debba precisare che i limiti dell’imitazione si rivelano qui in diretto rapporto con le modeste possibilità del rimatore: e pertanto non superano l’ampiezza di uno spunto isolato, di un motivo frammentario, di una parole – più ancora che di uno stilema – apparsa più suggestiva ed efficace. Ci sembra, anzi, che spesso, non tanto egli abbia colto nell’opera di Dante la felice espressione di un pensiero da lui appena intravisto o formulato in modo insoddisfacente, quanto abbia adeguato lo svolgimento di un motivo ad una parole che in quella egli avesse isolata».

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

fen, über die Semantik hinaus weisenden Umgang mit den Dante-Texten, vielmehr könne ein «volubile affiorare di un ricordo, di una rima, di una semplice parola» ausgemacht werden.117 Ruggieri zeigt in seiner Untersuchung der Kanzone Color di perla die Anspielungen und Imitation von Dantes Donne ch‘avete und Cavalcantis Donna me prega (sf. Scudieri Ruggieri 1966, 449–450), während Marrani überzeugend die Intertextualität von Dante zum Corpus derossiano untersucht hat (cf. Marrani 2004, insbesondere 35–66). Marrani untersucht die Lyrikrezeption von Dante anhand des Quellentextes und gibt viele intertextuelle Bezüge an, die ausgehend vom Quellentext in anderen Werken anklingen. Brugnolo hingegen gibt in seinem Glossar zur kritischen Edition des Canzonieri von Nicolò de’ Rossi (1974) die Bezüge ausgehend von der Verwendung einzelner Ausdrücke in den Gedichten von de’ Rossi an. Während es im ersten Fall die Kontextualisierung der Reminiszenz im Zielautor eine untergeordnete Rolle spielt, so wird im zweiten Fall die Quelle dem neuen Gebrauch untergeordnet. Ausgehend von Se’ tu Dante, beschreibt Marrani, dass Nicolò de’ Rossi die Vita Nuova als szenisches Modell verwende, um «liberamente astrarre dalle esatte vicende narrate nel libello, e riprodurre più genericamente una situazione di tipo vitanoviano» (cf. Marrani 2004, 15). Folgt man den Verweisen von Marrani so finden sich in 23 der 75 Gedichte von B1 55 Reminiszenzen an die Vita Nuova, die in einigen Gedichten, insbesondere La somma vertù d’amore (n° 238) und Color di perla (n° 239), sehr präsent sind.118 Auf das Gesamtwerk von Nicolò de’ Rossi bezogen, führt Marrani für 72 Gedichte und drei Abschnitte des Kommentars zu Color di perla 113 Vita Nuova-Verweise an. In B1 werden die Gedichte der Vita Nuova getrennt überliefert: Donne ch’avete eröffnet die Dante gewidmete Kanzonen-Sektion, allerdings werden nur die erste und die letzte Kanzone der Vita Nuova überliefert, für welche Marrani jeweils acht Reminiszenzen identifiziert hat. Die zweite Kanzone der Vita Nuova, Donna pietosa, ist in B1 jedoch nicht überliefert, obwohl sie im Werk von Nicolò de’ Rossi eine weit größere Rolle spielt als die anderen beiden Kanzonen – Marrani gab 18 Reminiszenzen an (cf. Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter, Vita Nuova mit rezeptionsgeschichtlichen Annotationen).

117 Scudieri Ruggieri (1966, 455): «Ci sembra che nelle altre canzoni le reminiscenze dantesche siano più varie e più rapide, in quanto l‘assenza di una precisa intenzione poetica (o dottrinale) può aver consentito al rimatore di afferarsi solo per breve istante a motivi di provenienza varia, secondo il volubile affiorare di un ricordo, di una rima, di una semplice parola». 118 Es handelt sich um die Gedichte: 219, 236, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 250, 252, 255, 260, 267, 269, 272, 271, 274, 275, 276, 278, 286, 288, 291.

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Bezieht man die von Marrani angegebenen Verweise auf die Sonette der Vita Nuova, die in B1 überliefert werden, so fällt die Intertextualität mit den in B1 überlieferten Gedichten von Nicolò de’ Rossi recht spärlich aus. L’amaro lagrimar klingt an mit der «lunga stagione» einmal im Gedicht Lassome ig spiriti miei ch’eran fuçiti,119 während Vers 14 in zwei Gedichten imitiert wird:120 L’amaro lagrimar, 14:

Cosi dice ‘l meo core, e poi sospira

Se tu pensi che Deo ti à dato exentia, 14:

Cusì me dice l’alma, e poi sospira

Ricordati che tornerai en cenere,13:

Cusì me diçe dig pensieri eletti

Die spiriti paurosi aus Con l’altre donne weinen und heulen in den zwei Gedichten von Nicolò Poi ch’el cor mi remase sença fanno und Vengono tra li spirti mei plu volte.121 Auch das «scacciati» aus Vers 14 findet sein Echo in «cum l’orgogliosoa scaçata» in Poi ch’el cor mi remase sença fanno.122 Der «peregrino» aus Cavalcando l’altrier, 4 tritt im Gedicht Sconossuto a modo di pelegrino mit langem Bart und geneigtem Kopf («capo chino») und in L’anema e la mente e’ g spiriti mei nur mit «geneigtem Kopf» auf.123 Der Versbeginn «Ditelmi donne» aus Voi che portate wird von Nicolò de’ Rossi in Lassome ig spiriti miei ch’eran fuçiti mit «ditelmi voi» aufgenommen.124

119 Dante, L’amaro lagrimar, 2: «oi occhi miei, cosi lunga stagione»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 219,2: «lunga stasone quasi sença vita»; Marrani (2004, 203). 120 Marrani (2004, 203); aber auch: Dante, L’amaro lagrimar, 14: «Cosi dice ‘l meo core, e poi sospira»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 151,14: «ço diçe l’aima, e poi se disparte» und 311,2: «cusì l’anima mia dice». 121 Dante, Con l’altre donne, 9: «che fere tra’ miei spirti paurosi»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 250,7: «qual (spirto) plançe ‘l tempo, qual doglie/ qual penne e qual, feruti, ancor fasati vanno»; und 272,2–3: «tutti gli (spiriti) squasa,/ qual per disio, qual per fortuna bassa». Marrani (2004, 194). 122 Dante, Con l’altre donne, 14: «li guai de li scacciati tormentosi»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 250,6: «cum l’orgogliosa scaçata»; (und auch in 165,13: «e fuçette che parvi discaçata»); Marrani (2004, 194). 123 Dante, Cavalcando l’altrier, 4: «in abito leggier di peregrino»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 243,1– 4: «Sconossuto a modo di pelegrino/ un dig mei spirti, cum la barba lunga […] atorno il cor mi venne a capo clino»; Marrani (2004, 193). 124 Dante, Voi che portate, 7: «Ditelmi, donne, che ‘l mi dice il core;» Nicolò de’ Rossi, Rime, 219,8: «Ditelmi vui»; Marrani (2004, 196). Cf. darüber hinaus Dante, Voi che portate, 5: «Vedeste voi nostra donna gentile»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 147,1: «Non vedisti-vu, madonna, l’altieri […]»?, und Dante, Voi che portate, 14: «che ‘l cor ne triema di vederne tanto»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 39,5: «Lo core mi crema e trema»; Marrani (2004, 196).

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

Für Oltre la spera125 und I’ mi senti sveglia126 hat Marrani keine Bezüge zu den Gedichten von Nicolò de’ Rossi, die in B1 überliefert werden, identifiziert, und zu Amor e’l cor und Tutti li miei pensier hat er keine Anklänge im Werk von Nicolò de’ Rossi gefunden. Die Gedichte von B1 von Nicolò de’ Rossi und der Vita Nuova bieten jedoch noch weitere Bezüge, die von Nachklängen einzelner Ausdrücke127 und Ausführungen einzelner Bilder128 geprägt sind. Im Gedicht La soma vertù führt Nicolò de’ Rossi Dantes Vision von Donna Pietosa fort und imaginiert einen Raptus, der ihn in die «nubeletta» entführt: «Che fai? Viene ormai en questa nubeletta / veder madonna en gloria preeletta. / Parvime ch’eo fosse rapto in loco, / cum tanta dolçeça / istar felice, che non lice altrui / parlare el che e’l comme».129 Imitationen des Reimschemas konnten hingegen nicht ausgemacht werden, es konnte vielmehr eine Vorliebe für ein gleichbleibendes Schema in de’ Rossis Sonetten ausgemacht werden (ABBA ABBA CDCDEE), das in den acht Vita Nuo-

125 Intertextulität von Dante, Oltre la spera, 8: «lo peregrino spirito la mira» zu anderen Gedichten von Nicolò de’ Rossi: Nicolò de’ Rossi, Rime, 371,1–4: «Spesso lo spirito meo si va a porre/ presso la donna che sempre m’acende;/ e, da che’el torna, quando ch’el comprende/ rediçe a l’alma»; Dante, Oltre la spera, 14: «si ch’io lo ‘ntendo ben, donne mie care»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 377,6–10: «perché da madonna troppo m’alungo/ se non ch’uno spiritio da me disçungo/ che spesse volte prova quel viaço./ Quando se vae denanti al viso claro/ e, da ch’el parte, possa mi conta»; Marrani (2004, 204). 126 Dante, Io mi senti, 2: «Un spirito amoroso che dormia»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 191,2: «che mi sveghiò lo spir(i)to che vede»; Dante, Io mi senti, 6: «e’ n ciascun parola sua ridia»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 148,5–7: «E lo meo cor(e) sendo lì per mirare/ vete da parte Amor che vinia / e sego Pietate e Cortesia»; und 336,1–4: «D’intorno me veço venir plu volte/ la notte spir(i)ti […] dicendo»; Marrani (2004, 199). 127 Z. B. Dante, Quantunque volte lasso, 16: «che va chiamando Morte tuttavia»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 212, 6–7: «a la Morte ch’l tristo core agrappa, lo qual clamò quella che da lui sclappa»; VN II 1: «Lo verace iuditio del detto sogno»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 238, 43: «al veraçe iudicio che reççe»; Dante, Donna ch’avete, 18: «da un’anima, che fin quassù risplende»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 239, 6: «per che risplende di nobel effecto». 128 Dante, Quantunque volte lasso, 23: «che per lo cielo spande»; Nicolò de’ Rossi, Rime, 239, 43– 45: «Mont’a la beatitudine en çelo / a salto a salto ne l’alto profondo, mero e tondo, per linea ascente. Piando come stelato celo». 129 Marrani hob hervor, dass Nicolò de’ Rossi in dem Gedicht, in dem er Dante direkt anredet, Dante se’ tu, quasi als Figur des libellos spreche, eine ähnliche Situation kann auch hier ausgemacht werden, wo Nicolò de’ Rossi die Traumvision von Dante weiterschreibt. Marrani (2004, 15): «A Dante insomma non ci si rivolge, qual si sia in definita l’ ‘occasione’, il senso generale del sonetto, se non nei modi che lui stesso ha stabilito per sè e per i propri interlocutori, quasi Nicolò si figuasse quale personaggio del libello, dato che della dinamica figurativa e anche colloquiale della Commedia non figura qui traccia alcuna.» und 16.

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

243

va-Sonetten nicht vertreten ist (cf. Brugnolo 1974, 95, sieht die petrose als Vorbild für 220 und 221). Auch die Wortänderungen in der Abschrift der Vita Nuova-Gedichte geben keinen Hinweis auf eine intendierte oder unbewusste Reminiszenz zu Gedichten von Nicolò de’ Rossi. Vielmehr wird deutlich, dass die beschriebene Situation und die Inszenierung der Sprecher eine andere ist als in der Vita Nuova, obwohl die gleichen Personen auftreten (zum theatralischen Sprechen in Nicolò de’ Rossis Werk hat Boselli 2011 gearbeitet). Die spiriti von Nicolò de’ Rossi stehen Amor, der Seele und den Augen als direkte Gesprächsparter gegenüber, während sie in der Vita Nuova in ihrer doppelten Funktion auf den physiologischen und metaphorischen Konnotationen gründet. In B1 scheinen die Gedichte der Vita Nuova in den Teil, der autograph von Nicolò de’ Rossi mit Color di perla eingeleitet wird und von seinem Sonett-Canzoniere ausgeleitet wird, gerahmt zu werden. Die Abschrift von Color di perla und des Kommentars sind seitenfüllend ausgeführt wie der gesamte erste Teil dieser kodikologischen Einheit. Allerdings führt Color di perla zwar einen Titel an, ist aber nur mit einer einfachen Initiale ausgestattet, während Donne ch’avete auf f. 25r° mit einer zweifarbigen und vierzeiligen Initiale ausgestattet ist.

B1, 14r°, H3 © Biblioteca Apostolica Vaticana

B1, 25r°, H2 © Biblioteca Apostolica Vaticana

244

3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

Es waren mehrere Schreiber am Werk, wobei Nicolò de’ Rossi nicht nur für die Abschrift der eigenen Texte verantwortlich ist, ihm wird auch die Zusammenstellung der Handschrift zugeschrieben. Es scheint daher wahrscheinlich, dass die DanteKanzonen, die eine neue Lage eröffnen, ursprünglich in einem anderen Kontext entstanden sind, wobei dann die zweite Lage vervollständigt wurde und durch Paratexte für die Integration in die Handschrift aufbereitet wurde. Die Sonette hingegen waren schon ursprünglich in einem Canzoniere enthalten und wurden damit direkt zum nachfolgenden und die Handschrift abschließenden autographen Sonett-Teil der 75 Gedichte von Nicolò de’ Rossi in Verbindung gebracht (cf. Brugnolo 2010, 429). In der Tat ist hier ein kleiner Asteriskus neben Voi che portate zu lesen, das von den hier überlieferten Vita Nuova-Gedichten am häufigsten von Nicolò de’ Rossi rezipiert wurde.

B1, 85v°, H4 © Biblioteca Apostolica Vaticana

Zusammenfassend kann man festhalten, dass Nicolò de’ Rossi in B1 einen anderen Umgang mit der Vita Nuova zeigt, als wir bei Cino da Pistoias Herausgeberschaft von Mc konstatieren konnten. Wie Cino in Mc so beginnt auch Nicolò de’ Rossi die Handschrift mit eigenen Gedichten und schließt die Handschrift mit der Abschrift seiner Sonette. Er strukturiert die Anordnung der Gedichte gemäß der Unterteilung nach Gattungen, obwohl er in der Handschrift auch Prosatexte (aus seiner Hand) einfügt. Während Mc eine thematische Ordnung und starke Intertextualität zu den Vita Nuova-Gedichten aufweist, so scheint in B1 ein Konvolut aus den Autor interessierenden Texten zusammengebunden worden zu sein (man denke an die ps. aristotelischen lateinischen Texte, die vor Cavalcantis Donna me prega überliefert werden) und durch die eigenen Texte gerahmt worden zu sein. Dabei nimmt die Form des Prosimetrum als Ordnungskriterium eine wichtige Rolle ein, und die verschiedenen Darstellungsformen dieses Zusammenspiels von Poesie und Prosa werden vorgestellt.

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

245

B1, 1r°-1v° © Biblioteca Apostolica Vaticana

Der zweite Teil der Handschrift wird von Nicolò de’ Rossis kommentierter Kanzone eröffnet, die zeilenfüllend geschrieben wurde und deren Kommentar ohne graphische Hervorhebung an die Kanzone anschließt. Bindo Bonichis Kanzone Tanto prudentia ist der zweite Text dieses Teils der Handschrift und weist interlineare Kommentare bzw. Übersetzungen auf, während die Dante-Kanzonen mit der Abschrift von Virtù che 'l ciel movesti a sì bel punto (deren Autorschaft unsicher ist) ab der dritten Strophe mit der Nennung der Tugend, der die darauf folgende Strophe gewidmet ist, wie ein Kommentar oder Anhang zu den moralischen Kanzonen wirkt. Nicolò de’ Rossi hatte Zugang oder besaß eine weitere Vita Nuova-Handschrift, die den Text vermutlich vollständig überlieferte, wie die dichte Intertextualität von La soma virtù zur Kanzone Donna pietosa belegt, die in B1 nicht enthalten ist (cf. Brugnolo 1977, 109). Obgleich in B1 die Vita Nuova nicht als Prosimetrum überliefert wird, scheint sich hier Nicolò de’ Rossis Interesse für kommentierte Gedichte und kommentierende Texte widerzuspiegeln.

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3 Textgenese und die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert

B1, 17v°: Bindo Bonichi © Biblioteca Apostolica Vaticana

B1, 53v°: Guido Cavalcanti © Biblioteca Apostolica Vaticana

B1, 35v° © Biblioteca Apostolica Vaticana

B1, 36r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

3.2 Rime, Gedichtanthologie und doppelte Redaktionsphase

247

Zusammenfassend sollen an dieser Stelle zwei methodologische Punkte besonders betont werden: wie ich gezeigt habe, kann die Rezeptionsgeschichte erstens nicht unabhängig von der Textgenese und den Datierungsfragen behandelt werden, weil gerade anhand der frühen Verbreitung einzelner Gedichte die «Offenheit» des Textes besonders deutlich wird. Die Hypothesen zu Ben aggia des Amico di Dante etwa verdeutlichen die intensive Lektüre und Auseinandersetzung mit Dantes Kanzone Donne ch’avete, während sich die Frage stellt, ob Dante in der begleitenden ragione auf die Fehlinterpretation (oder auf Auslassungen, wie sie in den Memoriali Bolognesi bezeugt sind) reagierte, oder ob der Amico di Dante doch schon eine prosimetrische Vita Nuova las und die Intertextualität auf seine Reaktion auf Dantes Text zurückzuführen ist. Darüberhinaus sticht durch diese Intertextualität hervor, dass zweitens die Rezeptionsgeschichte der Gedichte nicht unabhängig von der vollständigen Textüberlieferung gelesen werden kann. Bereits die ersten Überlieferungszeugnisse offenbaren eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Text, deren interpretatorischer Ansatz in der graphischen Präsentation, in Textauslassungen und in der co-textuellen Einbettung deutlich wird. Es lässt sich neben einem vielschichtigen Geflecht aus intertextuellen Bezügen auch ein schöpferischer Umgang mit dem Textmaterial beobachten, wenn Cino zum Beispiel ausgehend von den intratextuellen Bezügen der Vita Nuova neue Metaphern schafft. Wie in Vat treten auch in Mc durch die räumliche Nähe die Gedichte eines Schreibers (in Vat der Amico di Dante) oder Kurators (als welcher Cino da Pistoia für Mc angenommen wird) mit den Gedichten der Vita Nuova in einen Dialog, der den Anspruch der Vita Nuova ausweitet und aus dem Gefüge von Gedicht und Antwortgedicht, «Vorlage» und «Ausarbeitung», neue thematische Schwerpunkte findend, ein organisches Ganzes schafft. Nicolò de’Rossis Umgang mit der Vita Nuova hingegen legt ein distanzierteres Verhältnis offen, das in einem vordergründig semantischen Bezug zu den Vita Nuova-Gedichten besteht. Im Gegensatz zu den vollständigen Überlieferungen der Vita Nuova zeigt die frühe Verbreitung ein Ineinandergreifen verschiedener Texte und Autoren, wie in Mc, E oder K, das durch eine Fortschreibung geprägt ist, die z. T. bewusst angelegt und genutzt wurde (Vat), z. T. nachträglich durch Hinzufügungen (K) deutlich wird.  



4 Sotto una rubrica Die Vita Nuova als libello. Die Vita NuovaÜberlieferung in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Während wir in den drei bisher untersuchten Beispielen die Rezeption der Vita Nuova in einer singulären Gedichtüberlieferung oder der Zusammenstellung von Vita Nuova-Gedichten vorgestellt haben, soll in den zwei weiteren Beispielen die Rezeption des libellos im Vordergrund stehen. Ich werde jedoch nicht die Entwicklung der Inkorporierung der Gedichte anhand der Rezeptionszeugnisse des 14. Jahrhunderts vorstellen, bei M beginnend und die einzelnen überlieferten Textzeugen behandelnd. Diese Handschriften werden im Handschriftenkatalog einzeln untersucht und vorgestellt. In der vorliegenden Untersuchung steht die Mitwirkung der Dichter-Schreiber an der Gestaltung und Kontextualisierung der Vita Nuova im Vordergrund. Giovanni Boccaccio und Antonio Pucci sind jeweils mit zwei Abschriften in die Vita Nuova-Überlieferung involviert und zeigen die unterschiedlichen Facetten der Interpretation der vollständigen Vita Nuova im 14. Jahrhundert.

4.1 Von Glossen und Leerzeilen – die Vita Nuova-Editionen To und K2 von Boccaccio In jüngsten Forschungsbeiträgen wurde Boccaccios Beschäftigung mit der Vita Nuova in Verbindung mit Bonaventuras Unterscheidung der vier in die Textproduktion involvierten Personen gebracht, wobei der Schreiber vom Kompilator unterschieden wird und der Kommentator vom Autor (so bei Houston 2008, 90; 2010, 16–17; Todorović 2016, 8–9. Der Text ist im ersten Teil auf S. 41 zu lesen). Sicherlich ist dieser Verweis für das Verständnis von Boccaccios innovativem Eingriff und der Neuinterpretation der einzelnen Figuren von Bedeutung, allerdings werde ich in der Untersuchung von Boccaccios Beschäftigung mit der Vita Nuova nicht strikt dieser Unterteilung folgen und die einzelnen Schritte oder Texte und Neuerungen unter diesen Gesichtspunkten betrachten, sondern vielmehr von der Materialität der Handschriften ausgehen. Die co-textuellen Bezüge, auf die ich weiter unten eingehen werde, beziehen sich daher nur auf die Texte, die in den Boccaccio-Handschriften überliefert werden und nicht auf die weiteren Dante gewidmeten Texte von Boccaccio, wie Houston in seiner umfassenden Monographie Building a Monument to Dante vornimmt. https://doi.org/10.1515/9783110620504-005

250

4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

4.1.1 Eine Vorlagehandschrift, eine Kollationierungshandschrift und vier Abschriften Der Beginn von Boccaccios Beschäftigung mit der Vita Nuova kann in die ausgehenden vierziger Jahre bzw. beginnenden fünfziger Jahre des 14. Jahrhunderts datiert werden (cf. Cursi 2013c; 2014, 88 und 93–94). Es steht fest, dass Boccaccio nicht nur Besitzer mehrerer Vita Nuova-Handschriften war, sondern diese auch eifrig und gewissenhaft kopierte. Allerdings ist umstritten, wie viele eigene Abschriften Boccaccio angefertigt hat und wie viele Handschriften der Vita Nuova er besaß, die nicht von ihm persönlich abgeschrieben wurden. Mit Sicherheit können die beiden Handschriften To und K2 der Hand und dem Projekt Boccaccios zugeordnet werden. Vermutlich handelt es sich bei To um die erste (vollständig) Dante gewidmete Handschrift, die Boccaccio in den frühen fünfziger Jahren anfertigte. Er hatte bereits Petrarca eine Dante-Handschrift (nicht aus seiner Hand) nach 1351 zukommen lassen, in der die Commedia enthalten war und die heute mit der Handschrift BAV lat. 3199 identifiziert wird (cf. Breschi 2014). Boccaccio fertigte in eigener Hand eine zweite Dante gewidmete Handschrift (ms. Ricc. 1035) in den frühen sechziger Jahren an, in welcher die Vita Nuova jedoch nicht (mehr?) überliefert ist. Neben To liegt eine weitere Boccaccio-Handschrift in der um die Mitte der sechziger Jahre verfassten Handschrift Chigi L.VI.176 (K2) vor. Aufgrund der Konformität der editorischen Eingriffe scheint es einleuchtend, von einer weiteren (vierten) Abschrift der Vita Nuova auszugehen, die Boccaccio gewissermaßen als Arbeitskopie oder «copia brutta» diente. Kein Konsens besteht ebenfalls darüber, wie die Vorlage, die Boccaccio für seine Abschriften verwendete, stemmatisch einzuordnen sei und ob Boccaccio für seine verschiedenen Abschriften jeweils auf ein und dieselbe Handschrift zurückgriff. So setzte Barbi die Handschrift To als Stammvater einer eigenen Gruppe von Handschriften, der Gruppe b, gleich und schreibt somit Boccaccio alle Neuerungen in dieser Handschrift zu, die nicht auf α zurückgehen. Barbi gibt 27 Punkte zur Unterscheidung von α und β an, wobei b und k zu α zusammengefasst werden (cf. Barbi 1932, CCLXIV-CCLXVI). Es handelt sich um folgende Varianten (in kursiv wird die Lesart der kritischen Edition von Barbi hervorgehoben): § 1, 3: α Ella era in questa vita gia stata ⎤ β Ella era gia in questa vita stata; § 1, 9: α onde io nella mia pueritia molte volte l’andai cercando ⎤ β molte fiate; § 1, 13: α ricorso al soligno luogo duna mia camera e puosimi ⎤ β a lo soligno luogo duna mia camera puosimi; § 2, 6: α maravigliandosi del mio sguardare ⎤ β guardare; § 4, 1: α avegna che non tanto fosse lontano lo termine ⎤ β non tanto lontano fosse; § 5, 10: α e riguardandolo parvemi che piangesse ⎤ β pareami; § 5, 13: α non degno salutare la tua persona ⎤ βdegno di salutare;

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

251

Ballata, i’vo, 7: α dovresti avere in tutte parti ardire ⎤ β in tutte parti avere; Ballata, i’vo’, 30: α di che domandi Amor, sed egli e vero ⎤ β che sa lo vero; § 5, 24: α allora inteda qui chi piu dubita ⎤ β chi qui dubita; § 10, 4: α si che quand’io fui giunto dinanzi da loro ⎤ β a loro; § 10, 8: α anche mi disse questa donna che m’avea prima parlato ⎤ β mi disse anche; § 10, 8: α Noi ti preghiamo che tu ne dichi dove e questa tua beatitudine ⎤ β ove sta ; § 10, 31: α lo quale era de le operazioni de la bocca sua fue fine de li miei desideri ⎤ β de la sua bocca; § 12, 5: α ne la prima dico si come questa donna riduce questa potentia in acto ⎤ β in acto questa potentia; § 12, 8: α: Ogne dolcezza, dico quello medesimo ⎤ β dico di quel medesimo; § 14, 3: α e veggendo come leggiero era lo suo durare, ancora che sano fosse⎤ β sana; § 14, 13: b che queste donne non mi pottero intendere, secondo che io credo ⎤ β intendere […], e avvegna § 14, 15: α allora cominciai dal principio infino a la fine e dissi ⎤ β Allora, cominciandomi […], dissi; § 15, 5: α quella Beatrice chiamerebbe Amore, per molta simiglianza ⎤ β per molte simiglianze; § 17, 4: α sappiano di lei quello che per le parole ne posso fare intendere ⎤ β quello che le parole ne possono; § 19, 2: α non è lo mio intendimento di tractarne qui per tre ragioni ⎤ β tractare qui; § 19, 4: α in cui lo perfetto numero era compiuto nove volte ⎤ β nove volte era compiuto; § 19, 7: α ma questa è quella ch’io ne ueggio e che più mi piace ⎤ β che piu mi piace e che io ne ueggio; § 21, 2: α la quale morta era certamente ⎤ β cortamente; Videro li occhi, 2: α era apparita in la vosta figura ⎤ β venuta; Color d’amore, 10: α che non reguardin voi spesse fiate ⎤ β molte fiate; § 27, 3: α Poi si rilevava un altro pensero e diceame ⎤ β dicea a me; § 28, 4: α per lo lungo continuare del pianto, dintorno alloro si facea uno coloro purpureo ⎤ β dintorno loro.

Die Vorlagehandschrift b muss also alle diese Lesarten auch aufführen und kann zudem neue Varianten und Textveränderungen überliefern, die jedoch in dieser Lesart auf Boccaccio zurückzuführen sind.

Abbildung 37: Stemma nach Barbi

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

Es gibt jedoch neben einer Variante zwischen α und To zusätzliche Hinweise, die die Identifizierung von To als Stammvater von b nicht mehr rechtfertigen und eine Zwischenstufe zwischen α und To fordern (cf. hierzu Parodi 1907; Gorni 1994; Carrai 2005). Es handelt sich hier um den ersten der oben aufgeführten Punkte, wo in To eine Auslassung zu lesen ist, die durch die veränderte Position von ‹gia› in den anderen Handschriften von b nicht erklärt werden kann: § 1, 3: α Ella era in questa vita gia stata

To 29r: ella era [gia] in questa vita stata tanto

Darüber hinaus ist die Auslassung des 12. Verses von Ballata i’ vo’, welche Barbi als charakteristische Variante von b angibt, in To deutlich als Auslassung gekennzeichnet und scheint somit aus der Vorlage von To zu stammen, wo der Vers entweder unleserlich oder ebenfalls nicht überliefert wurde und die Auslassung, dank Boccaccios aufmerksamer Lektüre und Abschrift, nicht ohne Vorbehalte übernommen wurde. In der Tat wurde diese stemmatische Einordnung bereits von Gorni und De Robertis und jüngst von Banella kritisiert, die eine Trennung von To und b forderten (cf. Gorni 1995; Banella 2014b).

Abbildung 38: Stemma nach Gorni – De Robertis

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

253

Zudem ist das Verhältnis von b und β, die zahlreiche Parallelen aufweisen, die entweder als Auslassungen oder als Hinzufügungen von k interpretiert werden müssen, nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick erscheint (cf. Rea 2011, 236–262). So verwarf Gorni die vierzehn lectiones singulares von k, die vor allem die in b und β nicht überlieferten Formulierungen vor den Gedichtanfängen betreffen (cf. Tabelle 3 in Rea 2011, 249–251). Rea identifiziert weitere 20 Texterweiterungen in k, bei denen nicht eindeutig ist, ob sie auf den Schreiber von k zurückgehen, dem Gorni den «trionfo della ridondanza formulare, del pleonasmo e della zeppa» vorgeworfen hatte (cf. Gorni 1994, 101; Rea 2011, Tabelle 4 und 5, 253–256). Sie könnten auch von Dante selbst in einer Korrekturphase der Vita Nuova vorgenommen worden sein und somit könne nicht mit Bestimmtheit Boccaccio als Verantwortlicher für ihre Tilgung im Stamm b ausgemacht werden (cf. Rea 2011, 259) ‒ Boccaccio, dem Rea eine starke Tendenz zur Synthetisierung und Tilgung nicht nur einzelner Formulierungen und Konjunktionen, sondern auch ganzer Sätze attestiert (cf. Rea 2011, 244–247). Die Vorlage, die Boccaccio für die Abschrift von To verwendete, kann also mit b identifiziert werden, allerdings ist es möglich, dass Boccaccio auch Einsicht in die handschriftliche Tradition β durch den Kodex Martelli 12 (M) hatte, der womöglich schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nach Florenz gebracht wurde.1 Es besteht zudem kein Konsens darüber, wie Boccaccio die anderen Abschriften anfertigte, ob sie als Kopien von To anzusehen sind oder wieder von b kopiert wurden. So steht die These, dass K2 ein descriptus von To sei (cf. Barbi 1932, CXCIII; CXCV-CXCIX), gegen die These der Kollateralität der beiden Handschriften (cf. De Robertis 1970b; 1974, 39–40; Gorni 2001, 149–176). Die Einführung von b* nach To ist durch die Überlieferung des Trattatello in laude di Dante in seiner verkürzten zweiten Redaktion zu sehen, welche in den verschiedenen b-Stämmen zu finden ist, und scheint auf eine weitere Boccaccio-Handschrift hinzuweisen. Es darf festgehalten werden, dass Boccaccio Besitzer mehrerer Vita NuovaHandschriften war und womöglich Handschriften benutzte, die zu α und zu β ge-

1 Castellani (1998); Rea (2011, 239): «Le conclusioni di Gorni riguardo le quattordici lectiones singulares di k sono state condivise, nonostante le decise obiezioni mosse nei confronti di altre soluzioni dell’edizione einaudiana da Paolo Trovato, al quale è pure sembrato ‹ragionevole rinunciare a diverse eccedenze sostanziali del Chigiano, seducenti ma non irresistibili e, sopratutto, non conciliabili con l’accordo tra Beta e la tradizione Boccaccio›. Tuttavia lo studioso non ha escluso del tutto l’ipotesi alternativa di Parodi di una contaminazione le due tradizioni, richiamando l’attenzione su una proposta di Castellani che, sulla base di scritture di tipo fiorentino ravvisate nel codice, ipotizza che M fosse ‹stato portata da Gubbio a Firenze […] prima della metà del Trecento› e quindi potesse esser stato utilizzato da Boccaccio».

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

hörten, oder dass er zumindest Einsicht in eine β-Handschrift (M?) hatte. Was mit seiner Vorlagehandschrift, einer von dieser unterschiedenen Arbeitskopie, in der die editorischen Neuerungen notiert wurden (b°) und einer weiteren Handschrift, in der sowohl die editorischen Neuerungen als auch die verkürzte Form des Trattatellos zu finden sind, geschah und ob vor allem die beiden letzten Handschriften überhaupt in Reinschrift existierten, kann nicht gesagt werden. Feststeht, dass die beiden Vita Nuova-Handschriften von Boccaccio To und K2 eine Reinschrift sind und als Edition für die Verbreitung und Standardisierung der DanteTexte ausgelegt waren.

4.1.2 Die Boccaccio-Handschriften: Gliederung und Buchschmuck Die beiden uns überlieferten Handschriften haben ein ähnlich großes Format mit 275–289 x 170–190 mm (To) und 270 x 183 mm (K2) und sind auf Pergament geschrieben, wobei der Standard zur Herstellung von Handschriften (wie z. B. die Lageneinrichtung nach Fleisch- und Härchenseite des Pergaments) berücksichtigt werden. Die farbliche Gestaltung der beiden Handschriften war in ihrer ursprünglichen Form (vor Hinzufügung des seitlichen florealen Frieses und Wappens in K2) ähnlich, so werden rot-blaue große Initialen, die halb im Textkörper, halb im Randbereich positioniert sind, kleinere Initialen, die im Textkörper integriert sind, rote und blaue Initialen im Textfluss und gelbhinterlegte Majuskeln verwendet. In der funktionalen Verwendung der Initialen gibt es jedoch einige Unterschiede zwischen To und K2: In To werden die großen Initialen in gleicher Position durch den ganzen Kodex hindurch verwendet. So finden sie sich im chronologisch ersten Teil der Handschrift (der Commedia) zu Beginn der einzelnen Canti, wobei diese Initialen zur Hälfte im Textkörper positioniert sind und sich über zwei Linien erstrecken. Die Initialen der Textanfänge sind in ein Rechteck und eine lange Randverzierung integriert und zur Hälfte im Textkörper integriert, wo sie zwischen drei Linien (Argomenta) und 5 Linien (Inferno, Purgatorio, Paradiso) umfassen.  

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

255

To 59v° Initiale Canto V

To 52r° Initiale Inferno

To 48r° Initiale Argumentum

To 259v° Initiale Kanzone IV

To 258r° Initiale Kanzonen © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

Der in der zweiten Schreibphase entstandene Text, die 15 Kanzonen, folgt dem Schema der Commedia und lässt sich dadurch besser in der Chronologie der Schreibphasen verorten. Die Initiale der ersten Kanzone wird wie der Beginn der Argomenta behandelt: sie erstreckt sich über drei Linien und ist in ein Rechteck eingeschrieben, während die weiteren Kanzonen-Anfänge wie der Beginn eines Cantos mit einer sich über zwei Linien erstreckenden Initiale gestaltet sind. Die Initialen der Vita Nuova und des Trattatellos, die in die dritte Schreibphase datiert werden, sind durch die herausragende Größe als Eingangsinitiale hervorgehoben, welche auf 8 Linien im Textkörper integriert sind. Dass das Trattatello nach der Vita Nuova entstanden ist bzw. als Eingangstext der Handschrift vorangestellt wurde, kann durch den exklusiven Gebrauch von zwei Farben in der Initiale bekräftigt werden.

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

To 29r° To 1r° Initiale Vita Nuova Initiale Trattatello © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

Es ist bemerkenswert, dass in dieser dritten Schreibphase auch die Verwendung und Positionierung der einfachen Initialen noch immer dem Schema, das für die Commedia und die Kanzonen galt, entspricht. Es kann festgestellt werden, dass in der Vita Nuova die einfachen Initialen sowohl für die Gedichtanfänge als auch für neue Sinnabschnitte verwendet werden. Farbige Majuskeln im Textfluss hingegen markieren die Strophenwechsel in den Gedichten. Die einfachen Initialen sind abwechselnd in Blau und Rot gehalten und erstrecken sich über zwei Linien. Sie imitieren die rechteckige Ausführung und sind fast gänzlich im Textkorpus integriert. Da die Sonette ohne Zeilensprung geschrieben wurden, finden sich die farbigen Majuskeln hier im Textfluss, während sie in der Ballade und den Kanzonen (auch Quantunque volte) im Randbereich positioniert sind. Eine Ausnahme bildet die Initiale von Quomodo sedet, die sich über drei Zeilen erstreckt und den Text sichtbar nach einer Leerzeile gliedert, und die Initiale der Vorbemerkung, die sich ebenfalls über drei Zeilen erstreckt und als einzige Glosse eine Initiale trägt.

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

To 42r° Initiale Quomodo sedet

To 29r° Initiale Vita Nuova

To 29r° Marginalien Initiale Maraviglierannosi

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To 34v° Strophenbeginn To 33r° Initiale Ballata Kanzone

To 30r° Initiale Gliederung

To 31r° Strophenwechsel Sonett

To 31r° Divisioni © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

Gegenüber der Einrichtung der Commedia und der 15 Kanzonen können also folgende Punkte hervorgehoben werden: erstens wird der Textfluss nur bei den Langgedichten (den Kanzonen und der Ballade) durch randständige Initialen unterbrochen, und diese Gedichte werden somit sichtbar hervorgehoben; zweitens wird der Text deutlich durch die Verwendung einer Leerzeile und einer größeren Initiale gegliedert, ohne jedoch einen Seitenwechsel wie in der Commedia vorzunehmen, und drittens werden die Prosateile und die Gedichte im Text gleichwertig durch die Verwendung desselben Initialentypes behandelt. Die kommentierende Anmerkung zu Beginn des Textes erhält zudem durch die Verwendung der nur im Haupttext anzutreffenden Initialen eine auktoriale Rolle. Die Initialen des Trattatellos beschränken sich auf zwei Typen: die doppelfarbige Eingangsinitiale und der sich über zwei Linien erstreckende einfache Typ, der hier jeweils nach einem Absatz verwendet wird. Daneben sind einfache farbige Majuskeln im Textfluss zu finden und gelbhinterlegte Majuskeln außerhalb des Textkorpus im Epitaph, welches zudem durch eine Leerzeile vor und nach dem Gedicht vom Text abgehoben ist. Über den Gebrauch der Leerzeile schreibe ich mehr unter dem Stichpunkt «Vedovanza» (S. 280–283).

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

dreizeilige Initialen nicht vorhanden To 4r° Gliederung

To 3r° Initiale Florentia To 12r° Epitaph

To 1r° Initiale Trattatello © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

Betrachten wir vergleichend hierzu die Verwendung und Positionierung der Initialen in der Handschrift K2, die auch in drei Redaktionsphasen entstanden ist. Die Initialen können wie folgt gegliedert werden: Im Trattatello von K2 finden sich vier Typen von Initialen: eine große rechteckige fünfzeilige Initiale, im Textkorpus integriert, auf f. 1r°; zwei kleinere zweizeilige Initialen, auf f. 1v° («Florenca intra») und auf 6r°, zur Kennzeichnung des Epitaphs; farbige Majuskeln im Textkorpus und gelbhinterlegte Majuskeln. Die erste Initiale wurde später überschrieben, es ist jedoch noch deutlich, dass sie dem Schema der anderen Initialen entsprach und in Rot ausgeführt war. Eine zusätzliche Gliederung durch die Verwendung von Paragraphenzeichen liegt nicht vor. Die einzige Initiale, die nicht im Textkorpus integriert ist, kennzeichnet das Epitaph auf den Tod von Dante auf f. 6r°, wodurch das Gedicht graphisch von der Prosa abgehoben wird. dreizeilige Initialen nicht vorhanden

K2 1v° Initiale Florença

K2 3r° Gliederung

K2 1r° Initiale Trattatello

K2 6r° Initiale Epitaph © Biblioteca Apostolica Vaticana

K2 6r° Epitaph

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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Im Vita Nuova-Teil von K2 sind ebenfalls vier Typen zu unterscheiden. Der Textbeginn, der hier unmittelbar ohne Leerzeile und Seitenwechsel an das Trattatello anschließt, wird mit einer großen fünfzeiligen Initiale gekennzeichnet, die jedoch halb im Textkorpus, halb im Randbereich positioniert wurde. Die Gedichtanfänge und Sinnabschnitte werden mit kleineren, zweizeiligen Initialen markiert, die abwechselnd in Rot und Blau ausgeführt sind. Sie sind nicht, wie in To, im Textkorpus integriert. Zwar wurde die Initiale von Quomodo sedet auch dreizeilig ausgeführt, allerdings wurde die Gliederung des Textes nicht so stark wie in To hervorgehoben. Wo in To eine Leerzeile vor dem neuen Abschnitt eingefügt wurde, findet sich hier nur ein Absatz. Zudem zeigt sich eine häufigere Verwendung von Paragraphenzeichen auch im Text und nicht nur zur Markierung der in den Randbereich verbannten Unterteilungen.

K2 16v° Initiale Ballata K2 24r° K2 13r° Initiale Vita Nuova Buch- Initiale Quomodo stabenkörper mit Kopf- sedet stempel, Perlenbesatz und Silhouettenmotive im Besatz

K2 17r° Strophenbeginn Ballade

K2 19v° K2 15r° Strophenwechsel Kanzone Initiale Gliederung

K2 13r° Initiale Maraviglierannosi

K2 15r° Strophenwechsel Sonett

K2 14r° Divisioni © Biblioteca Apostolica Vaticana

Grundsätzlich scheint die Positionierung der Initialen dem Verfahren in To entgegenzustehen, so sind in K2 die Gedichte und Sinnabschnitte durch Initialen im Randbereich hervorgehoben, während die Strophenwechsel der Kanzonen, die auch hier als einzige Gedichte mit Zeilensprung geschrieben wurden, im Textkor-

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

pus integriert sind. In To hingegen waren Gedichte und Sinnabschnitte mit im Textkorpus integrierten Initialen markiert und die Strophenwechsel mit außerhalb des Textkörpers stehenden Majuskeln. Bei der Ausführung der Initialen sind dem Illuminator einige Fehler unterlaufen, so hat er anstelle auf f. 14r° des «A»s von Ad ciascun alma ein «I», auf f. 20v°: «Ippresso» anstelle von «Appresso» gemalt.2 In der ersten Redaktionsphase als Dante-Edition konzipiert, finden sich diese vier Initialtypen auch in der Commedia und den Argomenta sowie den Canzoni distese und dem Boccaccio-Gedicht Ytalie iam certus honos.3 Interessanterweise wird auch hier die Kanzonensequenz nicht als eigenständiger Text behandelt und beginnt nicht mit einer fünfzeiligen Initiale, sondern nur mit einer dreizeiligen, die normalerweise für besondere Textgliederungen verwendet wird.

K2 16v° Initiale Kanzone II

K2 34v° Strophenbeginn

K2 34v° Initiale Kanzonenteil

K2 34r° Initiale BoccaccioGedicht © Biblioteca Apostolica Vaticana

Einer zweiten Redaktionsphase kann die Einfügung der 215 Petrarca-Gedichte und die Herauslösung der Commedia-Abschrift aus der Handschrift zugeschrie2 Weitere Fehler sind in der ganzen Handschrift zu finden: z. B. auf f. 38r° «Et io che son», wo das «E» als zweizeilige Initiale und nicht als farbige Majuskel ausgeführt wurde. Einige dieser Fehler gehen jedoch auch auf Boccaccio zurück, der z. B. auf 51r° die Sonettanfänge Da poi chel dolce riso und Il figluol di latona mit einem kleinen Einzug und nicht linksbündig am Zeilenbeginn geschrieben hat, so dass der Illuminator hier kleine farbige Majuskeln ausgeführt hat und nicht die üblichen zweizeiligen größeren Initialen mit Randverzierung. 3 Aufgrund des mangelnden Zugangs zur Originalhandschrift von BAV, ms. Chig. L VI 213 oder einer Reproduktion derselben, konnte ich nur die Initialen des Kanzonenteils und des Boccacciogedichtes überprüfen.  



4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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ben werden. In dieser Redaktionsphase wird dasselbe Schema wie bei den 15 Kanzonen verwendet, wobei die kleineren Initialen nicht im Textkörper integriert sind, sondern außerhalb im Randbereich positioniert sind. Der Strophenbeginn der Sonette wird nicht durch einen Absatz und einer am Zeilenbeginn positionierten, farbigen Majuskel gekennzeichnet, sondern wird durch ein farbiges Paragraphenzeichen im Textfluss hervorgehoben. Die Kanzonen des Petrarca-Teils werden anders behandelt: vor der neuen Strophe steht ein Absatz, und eine farbige Majuskel markiert die neue Strophe, es wird also das Schema der 15 Dante-Kanzonen befolgt. Auch für Balladen bzw. Sestinen wird eine eigene Markierung gewählt, wobei in diesem Fall die Strophenwechsel mit Absatz, aber ohne farbige Majuskel, sondern mit farbigem Paragraphenzeichen eine Mischform der klar unterschiedenen Schreibweisen von Sonetten und Kanzonen bilden. Diese graphische Unterscheidung kann bereits in der Vita Nuova identifiziert werden, wo sie jedoch im Rahmen der Prosa nicht so deutlich zu Tage tritt wie bei den einzeln durch Leerzeilen voneinander abgesetzten Gedichten des Petrarca-Teils. Zudem kennzeichnet die graphische Markierung der Ballade in der Vita Nuova sie nicht eindeutig als andere Gedichtform, sondern entspricht der Kanzonenform, weil keine Paragraphenzeichen verwendet werden. Das Gliederungssystem wurde im Petrarca-Teil nicht durchgängig durchgehalten, wie zum Beispiel die Paragraphierung der Kanzone Verdi panni auf f. 48v° zeigt. Auch die Ballade Perche quel che mi trasse ad amar prima auf f. 53v° durchbricht das beschriebene Schema, indem anstelle von Paragraphenzeichen farbige Majuskeln zum Strophenbeginn verwendet werden. keine fünf- oder mehrzeilige Initiale vorhanden K2 43v° Strophenbeginn Sonett K2 43v° Initiale Sonett II K2 43v° Initiale Petrarcateil

© Biblioteca Apostolica Vaticana

K2 46r° Initiale Kanzone

K2 46r° Strophenwechsel Kanzone

K2 45v° Initiale Sestina

K2 45v° Strophenwechsel Sestina

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

Der letzte in die Handschrift K2 eingefügte Teil ist die Kanzone von Cavalcanti Donna me prega und der dazugehörige lateinische Kommentar von Dino del Garbo. Dieser Teil wurde nicht nur wegen seiner räumlichen Nähe mit dem Vita Nuova-Teil in Verbindung gebracht, sondern auch wegen der Seiteneinrichtung, welche jedoch nur bedingt mit der Seiteneinrichtung des libellos übereinstimmt. Die Initialen zeigen folgende Ähnlichkeiten: Die Eingangsinitiale des Cavalcanti-Gedichtes umfasst 7 Zeilen und ist im Textkörper integriert, und die Unterteilungen werden durch ein farbiges Paragraphenzeichen hervorgehoben. keine dreizeilige Initiale vorhanden

K2 29r° Initiale Kommentar

K2 29r° Initiale Donna mi prega

K2 29v° Initiale Strophenbeginn

K2 29r° Unterteilung

K2 29v° Initiale Kommentar Strophenbeginn

© Biblioteca Apostolica Vaticana

Es sollen an dieser Stelle noch einmal die Unterschiede in der Verwendung der Initialen in der Vita Nuova von To und K2 festgehalten werden, wobei grundsätzlich hervorzuheben ist, dass diese beiden Boccaccio-Handschriften durch ein fein gegliedertes Markierungs- und Hervorhebungssystem hervorstechen. Einfache Initialen werden in beiden Handschriften für die Markierung der Gedichtanfänge und Sinnabschnitte im Prosateil verwendet, wobei sie in To zur Hälfte im Textkorpus integriert sind, während sie in K2 im Randbereich positioniert wurden. In To wurden die Strophenwechsel sowohl der Sonette als auch der Kanzonen durch farbige Majuskeln markiert, wobei diese sich entweder im Textfluss (bei den Sonetten) oder im Randbereich außerhalb des Textkörpers (bei Kanzonen und Balladen) befinden. In K2 hingegen finden wir ein differenziertes System, das zwischen Sonetten und Kanzonen (später auch Balladen und Sestinen) unterscheidet und sowohl mit farbigen Majuskeln (im Textkorpus) bei Strophenbeginn der Kanzonen als auch mit farbigen Paragraphenzeichen bei Strophenwechsel in den Sonetten arbeitet. Die Markierung der Textgliederung und der Unterteilungen ist jedoch in To deutlicher als in K2, wo die Unterteilungen mit den farbigen Paragraphenzeichen graphisch mit der Markierung der Strophenwechsel

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

263

in den Sonetten übereinstimmt. In To werden die Paragraphenzeichen ausschließlich für die Unterteilungen verwendet, welche dadurch als Paratexte gekennzeichnet werden und auch durch eine kohärentere Positionierung, der Beschreibung Dantes im Randbereich nach bzw. vor den Gedichten entsprechend, bestimmt sind. Die Zäsur bei Quomodo sedet ist in To ebenfalls durch eine größere Initiale und eine Leerzeile vor dem lateinischen Zitat verdeutlicht, während sie in K2 nur durch einen Absatz und eine größere Initiale vom vorherigen Text verdeutlicht wird. Während in beiden Handschriften die Vorbemerkung Maraviglierannosi als einzige Glosse mit einer farbigen Initiale beginnt, unterscheidet sich die Größe dieser Initiale in den beiden Handschriften. In To entspricht sie mit drei Zeilen den Initialen der «Vorbemerkungen» zur Commedia und wird somit in ihrer paratextuellen und propädeutischen Funktion hervorgehoben, gleichzeitig gewinnt die Vorbemerkung Maraviglierannosi durch die große Initiale an Bedeutung und erscheint in der Seiteneinrichtung zwar als nebengeordneter, aber nicht unbedingt als untergeordneter Text. In K2 hingegen wurde die Initiale von Maraviglierannosi zweizeilig wie die Initialen der Vita Nuova ausgeführt, die die Prosa gliedern und die Gedichtanfänge markieren. Eine dreizeilige Initiale wurde in K2 ausschließlich für die Textgliederung bei Quomodo sedet verwendet. Betrachten wir diese Vorbemerkung und ihre Implikationen nun im Einzelnen.

4.1.3 Die graphische Neuordnung des Textes Als Hauptmerkmal der graphischen und interpretatorischen Neuerung Boccaccios ist die einleitende Anmerkung Maraviglierannosi molti mit ihrer Erklärung für die Neuordnung des Textes durch die paratextuelle Charakterisierung der divisioni hervorzuheben. Boccaccios Anmerkung ist jedoch nicht nur als erster eigentlicher Kommentar dieses wichtigen Teiles der Vita Nuova, und somit als Zeugnis einer bestimmten Lesart und Interpretation, zu verstehen, sondern gleichzeitig ist sie eine Anleitung und Aufforderung an den Leser und zukünftigen Schreiber, dieser editorischen Anmerkung Folge zu leisten. Die Vorbemerkung von Boccaccio wurde in zahlreichen Artikeln und Beiträgen kommentiert, wobei zum einen die Selbständigkeit Boccaccios als Herausgeber und Interpret von Dante in den Vordergrund gerückt wird (cf. Carrai 2007b, 62; Noakes 1988; Houston 2010, 12), zum anderen die Implikationen, die diese Bemerkung für die handschriftliche Überlieferung der Vita Nuova hat, betont wurden.4 Carrai 4 Cf. Storey (2005; 1993, 28). Storey sieht in der Neuordnung Boccaccios weniger einen Vorläufer eines «humanistischen» Verlegers, denn eine Verpflichtung an «retrogressive form» und Schreibpraxis.

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

K2 13r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

sieht z. B. in dieser Vorgehensweise den Versuch, die Vita Nuova dem Modell spätantiker Beispiele eines Prosimetrums anzugleichen, in denen diese «akademische» Gliederung des poetischen Textes fehlen.5 Auch Susan Noakes scheint dieser Interpretation zu folgen, wenn sie davon spricht, dass Boccaccio die Vorbemerkung mit «humanistischen Ansprüchen an einen ‹Text›» geschrieben habe, der unabhängig von Lesern und Lesarten stehen solle.6 Gerade diese letzte Interpretation scheint mir kommentierungswürdig, da Boccaccio sich selbst durch seine Anmerkung und die Neuordnung als dem Autor gleichwertig präsentiert. Seine Anmerkung ist graphisch nur durch den Gebrauch der größeren Initiale von den «Anmerkungen» Dantes zu unterscheiden, was einem aufmerksamen Leser bei intensiver Lektüre auffallen mag: sie eröffnet den Reigen der in die Glossen gestellten Textteile. Gleichzeitig wird Boccaccios Vorbemerkung durch die Verwendung der größeren Initiale auch als auktorialer Text nobilitiert, weil diese Art von Initialen nur im Haupttext der Vita Nuova zu finden sind. Sie wurde dem Text nicht vorangestellt oder farblich gesondert behandelt und ist erst bei genauer  

5 Carrai (2007b, 62): «Dal punto di vista del Boccaccio filologo, che valutava le divisioni come escrescenze autoesegetiche, il relegarle a margine equivaleva ad una sorta di ortopedizzazione del testo, sì da farne qualcosa di meno eclettico e composito. Così facendo, egli lo rendeva altresì meno accademico e più omologo alla tradizione tardoantica e mediolatina del prosimetro, che da Marziano Capella e Boezio andava fino a Bernardo Silvestre e Alano da Lilla». 6 Noakes (1988, 85): «Boccaccio’s new typology, designating ‹text› in the singular form (‹texto›) and ‹gloss› in the plural (‹chiose›) idealizes ‹text› as something independent of readers and readings, in conformity with humanist aspirations».

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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Lektüre als nicht originärer Teil der Vita Nuova zu erkennen, obwohl bereits im ersten Satz zu erkennen ist, dass die erste Person, die hier schreibt, nicht der Autor ist, sondern eine andere Person: der Herausgeber. Die Figur eines bestimmten Lesers, eines Lesers, der gleichzeitig Schreiber, Kopist und kritischer Herausgeber ist, wird dadurch von Boccaccio betont.7 Ein Leser, der die Intention des Autors weiterführt, der intendimento und intenzione besitzt und der gleich Dante einen Text liest und in Glossen kommentiert. Diese Operation scheint weniger eine Reinigung des Textes zu sein als eine Möglichkeit der Fortsetzung und Dialogizität zwischen Text und Leser. Auch Eisner hat diesen Ansatz in seinem Beitrag zu Boccaccios editorischem Eingriff in die Form der Vita Nuova hervorgehoben und zieht das von Dante in der Vita Nuova vorgestellte Leser-Autor-Modell heran, um Boccaccios Marginalisierung der Unterteilungen einzuordnen. Boccaccio scheine gerade durch ein besonders subtiles Verständnis der Vita Nuova ausgezeichnet zu sein und nicht vom Willen getrieben zu werden, das Werk an ein neues Modell anzugleichen: «Just as Dante presents himself as a scribal editor, who reads from one work, in the ‹libro della memoria› (book of memory), transcribing only those events written in his exemplar ‹sotto maggiori paragrafi› (under greater paragraphs), and selectively rewriting it to reveal its hidden meanings, Boccaccio revises Dante’s own revision by situating certain parts of Dante’s text in the margins. […] Whereas Dante uses the bibliographical frame of his work to give the poems new meanings, Boccaccio gives Dante’s work a new meaning by relocating Dante’s divisioni into the margins» (Eisner 2013, 70–71).

Polesana spricht hingegen von Boccaccios Unverständnis der originären Leistung Dantes, die sich gerade in der Inklusion der Unterteilungen in den Haupttext offenbare. Dieses Unverständnis gründe jedoch nicht auf einem kulturellen Programm, sondern könne als wohlwollend gemeintes Ergebnis der Fehlinterpretation von Boccaccio angesehen werden. Mit dieser Einschätzung wird Polesana der intellektuellen Leistung Boccaccios und seinem kulturellen Anspruch nicht gerecht, der sehr wohl ein kulturelles und editorisches Programm in der Neuordnung des Textes verfolgte (cf. Polesana 2012/2013, 141–142). Will man hingegen, wie Noakes, von einer Reinigung des Textes sprechen, so ist offen, auf welches Modell Boccaccio die Vita Nuova zurückführen wollte. Auch Houston sieht in der Neuordnung des Textes eine Reinigung und Rekonstruktion des Textes, wobei Boccaccio eine bis dahin lateinischen Texten vorbehaltene Me-

7 Houston betont in seinen Beiträgen immer wieder die auf Bonaventura zurückgehende Unterscheidung zwischen auctor, scriptor, compilator und commentator, die auch für unsere Ausführungen von Bedeutung ist und auf S. 41 zitiert wurde. Cf. Picone (2005).

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

thode nun auch auf volkssprachliche Autoren anwendete.8 Jelena Todorović hebt in ihrem kurzen Beitrag zur Boccaccio-Edition der Vita Nuova hervor, dass Boccaccio das Modell der altokzitanischen Troubadourgedichte in der Konzeption seiner Edition vor Augen gehabt habe, wobei sie sich auf die Voranstellung und kodikologischer Einheit des Trattatellos (welche in K2 auf f. 13r° unmittelbar aneinander anschließen) mit der Vita Nuova stützt. Sie bietet keine Beispiele handschriftlicher Vorbilder oder inhaltliche Argumente für die Neuordnung des Textes selbst (cf. Todorović 2012b). Ist es die Form des Prosimetrums, die in ihrer «ursprünglichen» Kombination von Prosa (Narration) und Poesie hervorgehoben werden soll, oder steht nicht vielmehr die Betonung des Unterschiedes von dichiarazione und dimostrazione, von erläuternder Unterteilung und ausführender Darlegung, im Vordergrund, die den Text an das Vorbild von lateinischen, juristischen und exegetischen Texten angleicht?9

4.1.4 Die Vorbemerkung «Maraviglierannosi molti» Betrachten wir die Vorbemerkung im Einzelnen. Wie Houston bereits betont hat, tritt Boccaccio im ersten Satz in Widerspruch zum Autor auf, da er die divisioni, die Unterteilungen, nicht in den Text gesetzt hat, wie der Autor, während er im letzten Satz den Willen (Appetit) des Autors zu stillen angibt: «in questo che scritto ho, n’ho voluto sodisfare l’appetito de l’autore». Die Gründe, die Boccaccio für die Neuordnung und Abtrennung der Unterteilungen angibt, werden in beiden Fällen von unbekannten (und im ersten Fall imaginären) Personen vorgetragen

8 Houston (2010, 26): «Although clearly influential in the long history of filologia dantesca, Boccaccio’s seminal intervention in the manuscript history of the Commedia and Vita Nova as a corrector of variants accounts only for the most mundane portion of Boccaccio’s agenda. His attempt to correct the versions of Dante’s texts available to him illustrates the common practices of the medieval scribe. […] Like his friend Petrarca, Boccaccio aimed to restore venerated texts to a purified form and thereby make them more accessible to his contemporaries. Boccaccio was successful in recovering and transmitting various texts from the classical tradition, working as a grammarian as much as a scribe. Petrarca worked strictly within the world of classical literature, but Boccaccio employed this same method of textual reconstruction with a venerated author in the vernacular. His textual editing of Dante is innovative in that he applied the same process to Dante’s vernacular texts that he and his contemporaries applied to Latin texts». 9 Houston (2008, 92): «In his editio of the Vita Nova Boccaccio created a text that more closely resembled the traditional manuscript format of centralized text and marginalized commentary. Boccaccio had direct experience reading or copying out many different types of gloss. His early education in Naples focused on the study of canon law and its attendant sets of glosses».

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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und an eine erstaunte Menge gerichtet. So führt Boccaccio sein erstes Argument gegen einen Einwand von «alcuno ⟨che⟩ qui forse dicesse» aus, um das zweite Argument auf das Hörensagen von «persone degne di fede» zurückzuführen. Es ist die Unterscheidung zwischen dichiarazioni per dichiarare, also den divisioni, und den dimostrazioni delle cagioni, den ragioni, die zur Inklusion oder Exklusion eines Prosateiles in den bzw. aus dem Text führen soll. «Es werden sich viele wundern über das, was ich kundtue, weil ich die Unterteilungen der Sonette nicht in den Text gesetzt habe, wie sie der Autor des vorliegenden Büchleins gesetzt hat. Aber darauf antworte ich, dass es zwei Ursachen gab. Die erste [ist], dass die Unterteilungen der Sonette offensichtlich Erklärungen von diesen sind, deshalb scheinen sie eher in der Glosse als im Text stehen zu sollen. Und so habe ich sie als Glosse (chiosa) gesetzt, nicht als Text (testo), weil das eine mit dem anderen nicht gut vermischt steht. Wenn hier vielleicht jemand sagen würde: und die von ihm geschriebenen Themen (teme) der Sonette und Kanzonen könnten gleicherweise Glosse genannt werden, weil sie von nicht minderer Erklärung von diesen (Gedichten) sind als die Unterteilungen, so sage ich: wenn sie auch Erklärungen sind, so sind sie keine Erklärungen, um zu erklären, sondern Bekundungen (Beweise) der Ursachen, die ihn dazu bewegten, die Sonette und Kanzonen zu machen. Und diese Bekundungen (Beweise) scheinen gerade von diesem Hauptzweck zu sein, weil sie verdienterweise im Text und nicht in den Glossen sind. Der zweite Grund ist, wie ich schon mehrmals von glaubwürdigen Personen über Dante habe sprechen hören, dass Dante, der dieses Büchlein in seiner Jugend verfasst hat und dann mit der Zeit in der Wissenschaft und den Taten gewachsen ist, sich schämte, es verfasst zu haben, was ihm ein zu kindisches Werk erschien. Und unter den Dingen, die er bedauerte gemacht zu haben, betrübte er sich, dass er die Unterteilungen in den Text eingefügt hatte, vielleicht aus demselben Grund, der mich bewegt, dort wo ich, da ich die anderen [Handschriften] nicht emendieren kann, in dieser, die ich geschrieben habe, den Willen des Autors zufriedenstellen wollte».10

10 Boccaccio, in Dante Vita Nuova (1932, xvi-xvii): «Maraviglierannosi molti, per quello ch’io advisi, perché io le divisioni de’ sonetti non ho nel testo poste, come l’autore del presente libretto le puose; ma a ciò rispondo due essere state le cagioni. La prima, per ciò che le divisioni de’ sonetti manifestamente sono dichiarazioni di quegli: per che più tosto chiosa appaiono dovere essere che testo; e però chiosa l’ho poste, non testo, non stando l’uno con l’altro bene mescolato. Se qui forse dicesse alcuno: e le teme de’ soneti e canzoni scritte da lui similmente si potrebbero dire chiosa, con ciò sia cosa che esse sieno non minore dichiarazione di quegli che le divisioni –, dico che, quantunque sieno dichiarazioni, non sono dichiarazioni per dichiarare, ma dimostrazioni delle cagioni che a fare lo ’ndussero i sonetti e le canzoni. E appare ancora queste dimostrazioni essere dello intento principale, per che meritamente testo sono e non chiose. La seconda ragione è che, secondo che io ho già più volte udito ragionare a persone degne di fede, avendo Dante nella sua giovinezza composto questo libello, e poi essendo col tempo nella scienza e nelle operazioni cresciuto, si vergognava avere fatto questo, parendogli opera troppo puerile; e tra l’altre cose di che si dolea d’averlo fatto, si rammaricava d’avere inchiuse le divisioni nel testo, forse per quella medesima ragione che muove me, laonde io, non potendolo negli altri emendare, in questo che scritto ho, n’ho voluto sodisfare l’appetito».

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

Houston zeigt die Bezüge zu Boccaccios Dichtungstheorie, z. B. zu De Genealogia Deorum XIV-XV, auf und bewertet Boccaccios Vorgehen aufgrund seiner intellektuellen Selbständigkeit als positiv, während er den eigentlichen Punkt, nämlich die Beschreibung der ragione als Beweisführung der Kausalursachen der Gedichte und als teme, ein in der Vita Nuova nicht verwendeter Ausdruck, völlig unkommentiert lässt.11 Um die Definition der ragioni als dimostrazioni zu beleuchten, sei hier auf die gängigen Definitionen von Cicero verwiesen.12 Boccaccio scheint sich eines Vokabulars zu bedienen, dass sowohl in juristischen Texten als auch in Abhandlungen zur Logik anzutreffen ist. Die «teme» könnten als «argumentum» und die «dichiarazioni» als «distinctio» oder «declaratio» dem Vokabular des Apparatus glossarum juristischer Texte zugeordnet werden.13 Die Unterscheidung zwischen «testo» und «chiosa» stimmt jedoch mit dieser Zuordnung nicht überein, weil Boccaccio betont, dass die ragioni zum «intento principiale» des Werkes gehörten und somit ihren Platz eindeutig im Haupttext und nicht in den Glossen haben sollten. In der Gleichsetzung der ragioni mit dem «argumentum» handelt es sich hingegen um eine Erklärung in den Glossen.14 Für die Unterscheidung in volkssprachlichen Texten von ‹Text› und ‹Glosse› möge hier, in bloßer Analogie, auf einen um 1338 entstandenen mittelhochdeutschen Text verwiesen werden, der in einer Hiobdichtung den Wortlaut der Bibel als Text und alle kommentierenden Hinzufügungen als Glosse bezeichnet. Schumacher bezeugt eine Erweiterung des Gebrauchs des Begriffes auf nichtbiblische Texte, die zu einer «schriftlichen Autorität» und in den Glossen kommentiert werden (cf. Schumacher 2006, 214). Neben einer eher negativen Bewertung der Glossen als nicht authentisches Material findet sich in den Reimpaarreden von Heinrich dem Teichner eine positive  

11 Houston (2008, 98–99) schreibt: «the teme are not glosses since they do not explain the text; rather they are dimostrazioni that situate the poetry in Dante’s autobiographical narrative and so are integral to the work». 12 Cf. Ps-.Cicero, Rhetorica ad Herennium, III 13, 23: «Demonstratio est oratio, quae docet rimassa voce, quomodo quid fieri potuerit aut non potuerit» und, IV,55, 68: «Demostratio est, cum ita verbis res exprimitur, ut geri negotium et res ante oculos esse videatur». 13 Cf. García y García (1992, 394–398): «Whereas the terms just explained refer to a work as a whole, introductiones or declarationes titulorum relate to each one of the titles into which legal texts were divided, and attempt to explain the significance of the text, its relations with other titles (continuationes titulorum), and the divisions or partitions of the subject within each title. […] Dictionctiones or divisiones, a genre derived from logic, are basically definitions of all the meanings contained in the idea, fact, words, or concepts used by the legal text». 14 Zur Geschichte des Textbegriffes cf. Kuchenbuch/ Kleine (2006); Scherner (1996). Der Gegensatz von Text und Glosse ist auch im deutschen Mittelalter belegt, cf. Schumacher (2006, 208).

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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Bewertung, die nötig ist, um einen Text verstehen zu können.15 Im italienischen Volgare wird chiosa für die Bibelauslegung und Standardauslegungen von juristischen Texten verwendet und stößt nicht wie im Deutschensprachraum auf eine positive oder negative Bewertung.16 Diese positive und exegetische Bedeutung von ‹Text› und ‹chiosa› findet sich bereits in Dantes Convivio, wobei ‹testo› sich hier auf den Wortlaut der Kanzone bezieht17 und ‹chiosa› oder ‹divisione› auf die Auslegung zu beziehen ist, welche sowohl Worterklärungen18 als auch Unterteilungen19 und Ergänzungen20 meint.

15 Schumacher (2006, 216): «Ir höret wol, die hailig schrift/ sey ain vellung und ain gift,/ so mans nach dem text verstat und die glos dar zu nicht hat», die Schumacher auf 2 Kor. 3,6 «littera enim occidit, Spiritus autem vivificat» bezieht. 16 Cf. hierzu TLIO (Tesoro della Lingua Italiana delle Origini, online konsultierbar: http://tlio. ovi.cnr.it/TLIO/) führt Guittone d’Arezzo (1990, 36, 411.23) als erste Verwendung im Jahr 1294 an: «Ove Agustino dice: ‹e l’amore del mondo abita in te, non à dove entri già l’amore de Dio›. (E dice chioza in la pistula a Romanos che, come l’amore de Dio) è fonte d’onni vertù, sì l’amore del mondo è d’onni visio» Vor Boccaccio auch belegt in Novellino XIII (1572, 35, 209,2): «‹Iscrivete› disse il maestro ‹che provato è; e facciasene nuova chiosa›». Giordano da Pisa, 1309, (1999, 29,13): «Et intra li altri capituli del libbro di Moyse, questi tre sono li più malagevili et ànno maggiore commento, cioè maggiori chiose che li altri, per sancto Augustino». Auf die eigene Textauslegung bezogen bei: Bosone da Gubbio, 1333 (1833, Proemio, osservazioni, 80, 22): «come dichiarato è di sopra per questa chiosa». Ottimo Commento (1827, Inf. proemio, 35.1): «Chiosa generale sopra il IIII canto della prima cantica» und vier weitere Male in Inf. III und IV und Par. IV und X. 17 Dante, Convivio II xiii 12 auf die logischen Schriften bezogen. Meist wird mit ‹testo› der Wortlaut der Kanzone evoziert: III x 6 u. 10; xi 1 u. 3; xii 1; xii 10; xiii 3 u. 6; xiv 1 u. 9; xv 2; IV i 9 (hier wird der Kommentar ‹esposizione› genannt) xvii 1 (der Text ist «da esponere»); xx 1; xxiii 1; xxv 3 u. 11; xxvi 9 u. 11 xxvi 15 («lo testo […] è ragionato»); xxvii 1: («ragionato è assai sofficientemente sopra quella particola che ‘l testo pone»); xxvii 20; xxviii 1; xxix 1. 18 Dante, Convivio I ix 10: «Ancora, darà lo volgare dono non dimandato, che non l’avrebbe dato lo latino: però che darà se medesimo per commento, che mai non fu domandato da persona; e questo non si può dire de lo latino, che per comento e per chiose a molte scritture è già stato domandato, sì come ne’ loro principii si può vedere apertamente in molte». 19 Dante, Convivio IV iii 3: «Però nullo si maravigli se per molte divisioni si procede, con ciò sia cosa che grande e alta opera sia per le mani al presente e da li autori poco cercata, e che lungo convegna essere lo trattato e sottile, nel quale per me ora s’entra, a distrigare lo testo perfettamente secondo la sentenza che esso porta.» Ricklin (2004, 25):: «Deshalb wundere sich niemand, wenn mit Hilfe vieler Unterteilungen vorgegangen wird, denn ein großes und erhabenes Werk haben wir gegenwärtig in den Händen und einen von den Autoren wenig beachteten [Gegenstand], und lang hat die Abhandlung zu sein und vorsichtig, in die man nun durch mich einsteigt, um den Text vollständig zu entschlüsseln, entprechend der Aussage, die er enthält». 20 Dante, Convivio IV xiv 6: «E se l’avversario pertinacemente si difendesse, dicendo che bene vogliono questa trasmutazione potersi fare quando lo basso stato de li antecessori corre in oblivione, avvegna che ‘l testo ciò non curi, degno è che la chiosa a ciò risponda.» Ricklin (2004, 107),: «Und wenn sich der Gegner hartnäckig verteidigen würde, indem er sagte, sie gestehen zu,

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

In der Vita Nuova selbst erklärt Dante, dass er nicht direkt von Beatrices Tod berichten werde, «weil, darüber zu sprechen mich nötigte, zu einem Lobredner meiner selbst zu werden, was äußerst tadelnswert ist, wenn es jemand tut, und deshalb überlasse ich diese Abhandlung einem anderen Kommentator».21 Die Verwendung des Ausdrucks «altro chiosatore» legt zweierlei nahe: einerseits definiert sich Dante durch die Spezifizierung «altro» selbst als chiosatore und andererseits würde eine Erzählung des Todes von Beatrice als «trattato», als «Kommentar», angesehen werden. Die Unterscheidung Boccaccios der ragioni und divisioni kann durch diesen Verweis erklärt werden: Dante definiert die die Gedichte erklärenden Teile, die ragioni, als kommentierungswürdig und erhebt sie dadurch in den Status eines «Textes». Gleichzeitig ist die Verwendung der Begriffe «chiosa» und «chiosatore» etwas verwirrend, da Dante sich durch die Spezifizierung «ein anderer» selbst auch als chiosatore bezeichnet, ohne den chiose eine nebengeordnete Rolle zuzuschreiben, während Boccaccio der chiosa rein paratextuelle Funktion zuschreibt. Dante bezieht den Begriff auf texterklärende Elemente, sowohl die Gedichte als auch die Narration betreffend. Die Gleichsetzung von chiosa und dichiarazione findet sich in Boccaccios Auslegung der Commedia22 und auch in den späteren Commedia-Kommentaren von Benvenuto da Imola23 und des Anonimo Fiorentino.24 Gorni bezeichnet diese Unterscheidung als «mos-

daß die Veränderung eintreten könne, wenn der niedrige Stand der Vorfahren in Vergessenheit gerät, so ist es, da der Text sich nicht darum kümmert, angebracht, daß der Kommentar darauf antwortet.». 21 Dante, VN XIX 6: «per quello che, trattando, converrebbe essere me laudatore di me medesimo la quale cosa è del postutto biasimevole a chi lo fae; e però lasco cotale trattato ad altro chiosatore». 22 Kommentar zu Inf. XV 88–90: «Ciò che narrate di mio corso scrivo/ e servolo a chiosar con altro testo / a donna che saprà». Boccaccio, Esposizione litterale, Inf. XV 88–90: «E serbolo a chiosar con altro testo, cioè a dichiarare con quelle cose insieme, le quali gli avea predetta Ciacco a messer Farinata, A donna, cioè a Beatrice, che saprà, s’a lei arrivo, chiosare e dichiarare e l’altre cose e quelle che dette m’avete». Dante verwendet chiosa auch in Purg. XX 99: «Ciò ch’io dicea di quell’unica sposa / de lo Spirito Santo e che ti fece / verso me volger per alcuna chiosa, / tanto è risposto a tutte nostre prece quanto ‘l di dura»; und Par. XVII 94: «Figlio, questo son le chiose / di quel che ti fu detto». 23 Benventuo da Imola, Inf. XV 88–90: «Ideo dicit: a chiosar, idest ad declarandum, con donna, scilicet Beatrice, che saprà, super glosare, s’a lei arrivo.» Par. XVII 94–96: «O figlio, queste son le chiose, idest expositiones et declarationes, di quel che ti fu detto, a multis in inferno et purgatorio, quasi dicat: illud quod fuit tibi praenuntiatum in generali et in obscuro, nunc est particulariter declaratum; unde auctor hic adimplet illud quod promisit se facturum in inferno, ubi dixit: e serbolo a chiosare». 24 Anonimo Fiorentino, Inf. XV 88–90: «Ciò che voi mi narrate, dice l’Auttore, io lo scrivo, et con altro testo il serbo a Beatrice che ‘l chiosi, che mel faccia intendere, et dichiari con altro testo, cioè

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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sa spegiudicata», durch die Boccaccio den Text von seiner Mittelalterlichkeit und unattraktiven Form befreite.25 Vielmehr könnte man sagen, dass Boccaccio den Text der Vita Nuova durch seine Neuordnung auf einen akademischen Standard hebt und intendiert, ihn dadurch einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Von den zahlreichen Lesern (molti), an die Boccaccio sich mit seiner Vorbemerkung wendet, könnte jemand (alcuno) Kritik an seinem Vorgehen üben, das sich jedoch durch die Mediation von vertrauenswürdigen Personen (degne di fede) als Erfüllung der Autorintention darstellt. Boccaccio gewinnt durch diese Erfüllung selbst an Autorität und Auktorialität in Bezug auf die Vita Nuova.26 Seine Neuordnung der Textteile wird in die Geschichte der handschriftlichen Überlieferung der Vita Nuova auch weit über ihre erste Edition hinaus wirken. Der erste Druck wurde 1576 von Bartolomeo Sermartelli in Florenz besorgt und stützte sich auf eine Handschrift der Boccaccio-Gruppe, die die Unterteilungen nicht mehr überlieferte. Doch hier greifen wir einen Schritt zu weit voraus. Zunächst fällt auf, dass Boccaccio in seiner Vorbemerkung nur von den Unterteilungen der Sonette spricht, wohl aber von den Erklärungen (teme, in der VN ragioni) von Sonetten und Kanzonen. Seine editorische Leistung der Neuordnung des Textes erstreckt sich aber auf alle Gedichte und nicht ausschließlich auf die Sonette der Vita Nuova. Besonders ab Kapitel XIX wird die Herauslösung der divisioni aus dem Haupttext und ihre Voranstellung vor den Gedichten schwierig und führt zu einigen

con quello che gli fu detto alcuno arduo di sua vita, et sì per messer Farinata delli Uberti, et sì per Ciacco da Firenze». 25 Gorni (2009, 14): «Evidentemente, queste chiose sembravano al Boccacio una parte troppo medievale e poco attraente del libello, e con mossa spregiudicata, riferendosi a testimonianze di terze persone non meglio identificate, dice che lo stesso Dante aveva manifestato delle perplessità a proposito della collocazione a testo delle ‹divisioni› […] Dante se ne vergognava, e il Boccaccio fa così passare per ‹pietas› risarcitoria nei confronti dell’autore una sua arbitraria innovazione di editore». 26 Zum Terminus «persone degne di fede» cf. Dante, Convivio IV vi 4–5: «E in quanto ‹autore› viene e discende da questo verbo, si prende solo per li poeti, che con l’arte musaica le loro parole hanno legate: e di questa significazione al presente non s’intende. L’altro principio, onde ‹autore› discende, sì come testimonia Uguiccione nel principio de le sue Derivazioni, è uno vocabulo greco che dice ‘autentin’, che tanto vale in latino quanto ‹degno di fede e d’obedienza›. E così, ‹autore›, quinci derivato, si prende per ogni persona degna d’esssere creduta e obedita.» (Üb. Ricklin: «Und insofern ‹Autor› von diesem Verb abstammt und herkommt, wird es nur für die Dichter verwendet, die ihre Worte mit der Kunst der Musik verbunden haben. Und diese Bedeutung ist gegenwärtig nicht gemeint. Der andere Ursprung, von dem ‹Autor› herstammt, ist, wie Hugucccio zu Beginn seiner Derivationes bezeugt, ein griechisches Wort, das ‹autentin› lautet, was auf lateinisch soviel bedeutet wie ‹des Vertrauens und des Gehorsams würdig›. Und so wird dieses ‹Autor›, das davon abstammt, für jede Person verwendet, die würdig ist, daß man ihr glaubt und gehorcht».) und cf. Houston (2008, 100–101).

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

Problemen wie zum Beispiel bei der Quantunque volte vorangehenden Unterteilung,27 aber auch bei den Bezügen zwischen divisione und ragione in der gesamten Vita Nuova.28 In der Erläuterung in Kapitel XX 2 betonte Dante die Inklusion der Unterteilungen in den Text der Vita Nuova und die bedeutungsreiche Positionierung vor oder nach den Gedichten: «Und damit es deutlicher wird, dass diese Kanzone nach ihrem Ende verwitwet, so werde ich sie zuerst unterteilen, bevor ich sie schreibe, und diese Art werde ich von nun an beibehalten», wie wir bereits oben gesehen haben (cf. Dante, VN XX 2. Siehe Fn. 104 auf Seite 54). Dante stellt einen inhaltlichen Bezug zur Neuordnung der einzelnen Textteile her und erklärt, dass die divisioni nach dieser Erklärung dem jeweiligen Gedicht vorausgehen sollen. Boccaccio hat bei der Verortung der Unterteilungen in die Glossen in To diese Voranstellung der divisioni des zweiten Teils zwar nicht durchgehend, jedoch größtenteils befolgt. Boccaccio lässt die Unterteilungen des zweiten Teils in den Marginalien oberhalb der Gedichtanfänge beginnen und sie vor oder in der Zeile des Gedichtanfangs abschließen. In K2 wurde dieser Aspekt nicht mehr berücksichtigt, obwohl diese Intention des Autors hätte durchaus widergespiegelt werden können. Die Unterteilungen hätten nach Dantes Erklärung in Kapitel XX nicht mehr unterhalb der Gedichte im unteren Randbereich der Seite platziert werden müssen, sondern nur im rechten und linken Randbereich. Wie die Seiteneinrichtung von f. 25r° zeigt, wählte Boccaccio jedoch auch im Fall der Unterteilung von Gli occhi dolenti, des ersten Gedichts, auf das die Umstellung der divisioni zutrifft, eine Platzierung im unteren Randbereich der Seite. Boccaccios Eingriff und Neuordnung des Textes kann als besondere interpretatorische Leistung der Vita Nuova gewürdigt werden und zeugt gleichzeitig vom Bestreben, den Text möglichst lesbar und einem an bestimmte graphische und literarische Standards gewöhnten Publikum zugänglich zu machen, gleichzeitig zeigt sich jedoch eine Inkohärenz in der graphischen Lösung des Problems, das einer Leitmetapher des Textes, der Verwitwung, nicht mehr gerecht wird.

27 K2, 25v°: «la cançon comincia Quantunque uolte [e ha due parti nel’una cioè] nella prima stança». 28 K2, 20v°: «La seconda comincia quivi: E se venite [Qui appresso è l’altro sonetto, sì come dinanzi avemo narrato]»; 21v°: «e pero ne dissi questa cançone Donna pietosa [e di novella etade, ordinata sì come manifesta la infrascritta divisione]»; 24r°: «e dissi allora questo sonetto, [che comincia:] Vede perfettamente [onne salute, lo quale narra di lei come la sua vertude adoperava ne l’altre, sì come appare ne la sua divisione]»; 26v°: «di dire anche parole allei e dissi Color d’amore […] questo sonetto e chiaro percio non si diuide⎤ [questo sonetto, lo quale comincia: Color d’amor; ed è piano sanza dividerlo, per la sua precedente ragione]».

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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K2, 25r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

4.1.5 Die Seiteneinrichtung und die Marginalisierung der divisioni Um bewerten zu können, ob die Neuordnung des Textes der Vita Nuova auf ein Modell oder ein bestimmtes Textverständnis zurückzuführen ist, möchte ich die Seiteneinrichtung der Vita Nuova in den zwei Boccaccio-Handschriften in ihrem co-textuellen Kontext untersuchen. In der ersten Abschrift der Vita Nuova von 1352–1356 zeigen sich folgende Besonderheiten. Die Seiteneinrichtung von To ist sehr regelmäßig und zeugt von einem gewissenhaften Umgang mit marginalen Initialen, die zur Hälfte im Textkorpus integriert sind und dadurch ihrer Funktion der Hervorhebung nachkommen, jedoch keine Unruhe und übermäßige Fülle von paratextuellen Elementen erzeugen. Auch die Gliederung der Handschrift in verschiedene Sinnabschnitte, deutlich durch Leerseiten (f. 28v°, f. 48r°-v°) gekennzeichnet, ergibt einen sehr übersichtlichen Gesamteindruck. Die Vita Nuova ist durch die Wahl desselben Formates des Textblocks graphisch an das Trattatello gebunden, wobei auch die Verwendung der Prosaschreibweise für die Gedichte diesen Eindruck verstärkt. So werden die Sonette ohne Zeilensprung und Linksbündigkeit bei Strophenbeginn geschrieben, und die Langgedichte (Ballade und Kanzonen) verzichten weitestgehend auf einen Zeilensprung bei Versende.

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

To, 29v°-30r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

Die divisioni im Randbereich bilden eine Ausnahme für die gesamte Handschrift, in den Marginalien sind sonst nur spätere Notabilia und Maniculae zu sehen, z. T. auch aus der Hand von Boccaccio. Graphisch besticht diese erste Edition der Vita Nuova durch die klare Gliederung auf f. 42° und die erstmalige Zweiteilung des Textes nach dem Tod von Beatrice, eine Zweiteilung, die auch in die heutige Dante-Forschung Eingang gefunden hat und auf diese Edition von Boccaccio zurückgeht. Im ersten Teil der Vita Nuova (bis § XIX) werden die Unterteilungen im Randbereich auf der Höhe des Gedichtanfangs positioniert, während im zweiten Teil, entsprechend der Anweisung von Dante, die Unterteilungen vor den Gedichten positioniert zu lesen sind, sie also vor Gedichtanfang beginnen und möglichst mit dem ersten Vers des Gedichtes enden. Diese Anordnung ist nicht ganz strikt durchgeführt, so beginnt z. B. die Unterteilung von Gli occhi gentili neben dem Gedichtanfang, während bereits eine Unterteilung des ersten Teils von Ballata io vo’ vor Gedichtbeginn endet und die Unterteilung von Oltre la spera im unteren Randbereich positioniert wurde und damit aus diesem Schema fällt.  



4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

To, 41v°-42r° Vita Nuova © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

To, 40r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

To, 44v° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

Der zweite Teil der Handschrift, chronologisch vor der Vita Nuova entstanden, zeichnet sich durch eine gleichmäßige Seiteneinrichtung aus, die dem Metrum entsprechend die Gedichte mit Zeilensprung am Versende und gelbhinterlegter Majuskel zum Terzinenbeginn gestaltet. Die Initialen gliedern den Text deutlich, und ihre Größe zeigt ihre paratextuelle Funktion an.

To 52r° To 49r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

To 258r°

In K2 legt Boccaccio etwa zehn Jahre später (1359–1366) mehrere Beispiele für die Seitengestaltung von volkssprachlichen Texten vor: der Eröffnungstext zeigt eine wohlproportionierte Seite mit einem Textkörper von 43 Zeilen, dessen Format auch für die Vita Nuova beibehalten wird.

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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K2, 12v°-13r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

Die Gedichte sind nicht durch Zeilensprünge am Versende vom Prosatext abgesetzt und diesem gleichwertig durch den Gebrauch von ähnlichen Initialen dargestellt. Eine neue Seitengestaltung ist erst auf f. 29r° mit dem Beginn von Donna mi prega und dem um die Kanzone in zwei Spalten angeordneten lateinischen Kommentar zu sehen, der die gesamte Seite fast ohne Ränder ausfüllt. Haupttext und Kommentar sind zwar durch die Zentrierung des ersten und die Absonderung des zweiten und dessen kleinere Type und geringerer Zeilenzwischenraum deutlich gekennzeichnet, gleichzeitig ist der Kommentar jedoch durch seine Anordnung dem Haupttext gegenüber gleichwertig gestellt. Es ist der Kommentar, der die Seiteneinrichtung und die Größe des Textkörpers bestimmt, während der Textrahmen des Haupttextes je nach Umfang des Kommentars variiert. Dies ist für das Verhältnis von Kommentar und Text nicht ungewöhnlich und stellt keine grundlegende Neuerung dar. Bemerkenswert ist jedoch, dass Boccaccio für die Vita Nuova eine andere Darstellung gewählt hat. Die Unterteilungen sind hier dem Haupttext untergeordnet, sie beginnen nicht am linken oberen Seitenrand, um eventuellen weiteren Glossierungen Platz zu lassen, sondern sind weitestgehend den Gedichtanfängen zugeordnet. Auch die Angleichung an das Modell des Prosimetrums scheint nur bedingt die Seiteneinrichtung der Vita Nuova geprägt zu haben. So findet sich keine graphische Absetzung der Gedichte etwa durch die Erweiterung des Zeilenzwischenraumes oder Zentrierung der Ge-

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

dichte, wie sie in der Seiteneinrichtung von Donna mi prega und dem Kommentar von Dino del Garbo im direkten Anschluss an die Vita Nuova auf f. 29r° zu finden ist. Houston (2008, 93–94) betont die Ähnlichkeit der Seiteneinrichtung der Vita Nuova und des Cavalcanti-Teils, obgleich er in der Nebeneinanderstellung der beiden Texte eine bewusste Kontrastierung formaler und inhaltlicher Art sieht.

K2, 29r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

K2, 28v°-29r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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Auf f. 34r° findet sich einmalig in dieser Handschrift die Abschrift eines Gedichtes mit Zeilensprung und Linkbündigkeit, welche durch die gelbe Hervorhebung des ersten Buchstabens eines jeden Verses noch verstärkt wird. Es handelt sich hierbei um Boccaccios lateinisches Gedicht Ytalie iam certus honos, das gleichsam als Brücke zwischen dem Dante- und dem Petrarca-Teil der Handschrift fungiert und das in die zweite Redaktionsphase der Handschrift, also nach der Abtrennung des Commedia-Teils und vor der Einfügung von Donna mi prega, datiert wird.

K2, 34r° © Biblioteca Apostolica Vaticana

Im Canzoniere von Petrarca hingegen werden die Gedichte wieder à modo di prosa ohne Zeilensprung am Versende geschrieben. Die Seiteneinrichtung der Vita Nuova fügt das libello direkt an die Vita di Dante von Boccaccio, während die Absonderung der Unterteilungen als Kritik und Interpretation des Textes gelesen werden kann, der durch diese Absonderung jedoch nobilitiert werden soll. Houston zeigt zwei Vergleichsbeispiele für die Seiteneinrichtung und Art der Glossierung der Vita Nuova durch die Hand von Boccaccio: zum einen verweist er auf die Teseida, die auf das Modell des Selbstkommentars der Vita Nuova zurückzuführen sei und deren Glossierung in der dritten Person auf Boccaccios Edition der Vita Nuova zurückgewirkt habe (es handelt sich um das Autograph BML, ms. Acquisti e doni 325). Dort habe er nicht nur eine sichtbare Trennung zwischen Autor und Leser durch die Marginalisierung der Unterteilungen vorgenommen, sondern diese Trennung durch die Veränderung der Verbformen in den Unterteilungen von der ersten Person in die dritte Person bestärkt.29 Zum anderen vergleicht

29 Houston (2008, 92–93): «In a noteworthy departure from Dante’s self-commentary in the Vita Nova and the Convivio, Boccaccio glosses his own epic in the third person. He explicates difficult

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

er die Seiteneinrichtung der Vita Nuova mit der Abschrift von Donna mi prega in dieser Handschrift, welche er als Fortführung der in der Vita Nuova angelegten Unterteilung von Kommentar und Text sieht. Beide Beispiele zielen jedoch genau in den Nukleus des Problems: nämlich das Verhältnisses von Kommentar und Text oder besser die Umwandlung des Selbstkommentars der Unterteilungen in einen paratextuellen Kommentar und die Differenzierung der eigentlichen Autorintention und ihr untergeordneter Textteile.

4.1.6 Die Textgliederung im co-textuellen Zusammenhang: «acciò che questa canzone paia rimanere più vedova dopo lo suo fine, la dividerò prima» Wissenschaftler haben betont, dass Boccaccio erstmals den Text der Vita Nuova in zwei Teile gliedert und den Beginn des zweiten Teils Quomodo sedet sola civitas besonders hervorhebt (cf. Gorni 1995; Antonelli 1994, 48; Allegretti 2012). Die Verwendung von Leerzeilen in To ist exklusiv im Zusammenhang mit dem einschneidenden Ereignis des Todes zu finden: im Trattatello wird hierdurch das Epitaph Theologus Dantes von Giovanni del Virgilio aus dem Textfluss hervorgehoben, und in der Vita Nuova wird das nicht direkt beschriebene Ereignis von Beatrices Tod markiert. Die Analogie dieser beiden Ereignisse wird zudem durch die inhaltliche Ähnlichkeit in der Angabe des Todestages verstärkt: «Mille trecentis per semptem Numinis anni, ad sua septembris ydibus astra redit» (cf. Giovanni del Virgilio, Theologus Dantes, 13–14) und «de li anni Domini, in cui lo perfetto numero nove volte era compiuto in quello centinaio nel quale in questo mondo ella fue posta ed ella fue de li cristiani del terzodecimo centinaio» (Dante, VN XIX 4). Auch wenn Boccaccio schreibt, dass die Verse des Epitaphs nicht in Marmor gemeißelt wurden,

passages while imposing both a spatial and a personal separation, as Bonaventure seems to encourage, between interpreter (glossator) and author, even though he is the same person. […] Despite these differences, the autograph manuscript of his Teseida suggests a better model for comparison with Dante’s Vita Nova, and Boccaccio’s editio of the Vita Nova partially reinforces the division between author and interpreter or reader. While Boccaccio takes the Vita Nova as a model for his own Teseida in including a self-commentary, he also alters the Vita Nova so that it follows the format he applied to the Teseida.» So finden sich in den Unterteilungen folgende Änderungen 15r°: Questo i° sonetto a iij parti ⎥ si diuide in; 23v°: Questo sonetto non si diuide percio che per se medesimo e assai chiaro ⎥ sì piano ad intendere, per quello che narrato è dinanzi, che non abbisogna d’alcuna divisione; 26v°: questo sonetto e chiaro percio non si diuide ⎥ e per questa ragione è assai manifesto, sì nollo dividerò; 28r°: Questo sonetto non si diuide percio che assai il manifesta la ⎥ divido; 28v: Questo sonetto no si divide per che assai il manifesta la ⎥ divido.

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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so präsentiert seine graphische Gestaltung sie jedoch beinahe wie ein Grabmal für Dante, das, mehr als seinen Körper, sein Gedächtnis dauerhaft bewahren soll.

To, 12r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo «Li quali versi stati a me mostrati poi più tempo appresso, e veggendo loro [non] avere avuto luogo per lo caso già dimostrato, pensando le presenti cose per me scritte, come che sepoltura non sieno corporale, ma sieno, sì come quella sarebbe stata, perpetue conservatrici della colui memoria, imaginai non essere sconvenevole quegli aggiugnere a queste cose. Ma, perciò che più che quegli che l’uno di coloro avesse fatti (che furo più) non si sarebbero ne’ marmi intagliati, così solamente quegli d’uno qui estimai che fosser da scrivere» (Giovanni Boccaccio, Trattatello in laude di Dante § VXI [90–91], ed. Berté, 63.

In Kapitel XX schreibt Dante von der Verwitwung seiner Gedichte, die durch die Neuordnung des Textes mit Voranstellung der Unterteilung vor den Gedichten in dem Teil der Vita Nuova sichtbar wird, in dem die Ereignisse und Gedichte nach Beatrices Tod geschildert werden. Dieser Teil wird durch das lateinische Zitat «Quomodo sede sola civitas plena populo. facta est quasi vidua domina gentium» der Klagelieder von Jeremias eröffnet, in denen die Witwenmetapher ihren Ursprung findet: «Wie liegt die Stadt so verlassen, die voll Volks war! Sie ist wie eine Witwe, die Fürstin unter den Völkern».

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

To 42r° © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

Wie bereits hervorgehoben, waren die Lamentationes Teil der Karliturgie und wurden in den Tenebrae rezitiert. Damit kommen wir auch dem Problem der Leerzeile und der verwitweten Gedichte näher. Es mögen an dieser Stelle einige Beispiele genügen, um einen Zusammenhang zwischen der graphischen Darstellung in den Handschriften und der Metapher der Verwitwung herzustellen, die übrigens im Italienischen bis heute mit der «linea vedova» in der typographischen Fachsprache weiterlebt. Ein Beispiel für die Verwendung von Leerzeilen im Johannes-Evangelium der Passion, das sowohl am Palmsonntag als auch am Karfreitag gelesen wurde, mag als Referenzpunkt für die paratextuelle und performative Funktion von Leerzeilen dienen. So wird der Text zwar graphisch unterteilt, was auch auf eine inhaltliche Gliederung in zwei (separate) Teile hinweisen kann, jedoch scheint die performative Funktion der Leerzeile als Lesepause im Vordergrund zu stehen. Als Beispiel möchte ich hier das Evangelistar ms. BAV, Arch. Cap. S. Pietro F 10 anführen, in dem in den beiden Lesungen des Palmsonntags und von Karfreitag Leerzeilen um die letzten Worte von Christus verwendet werden. Ein weiteres Beispiel mag ms. BAV, Barb. lat. 711 des Johannes-Evangeliums bieten, in dem ein Absatz nach «et haec dicens exspiravit» eingefügt wurde. Die Verwendung der Leerzeilen in To könnte somit inhaltlich und graphisch an das Ereignis des Todes gebunden sein und nobilitierend an die Passion Christi anspielen. Welchen terminus technicus diesem Usus zukommt, konnte ich nicht rekonstruieren, doch scheint mit der Freilassung einer oder mehrerer Zeilen nicht ausschließlich eine Textgliederung intendiert zu sein, sondern vielmehr eine Dramatisierung wie in ms. Arch. Cap. S. Pietro F. 10 deutlich wird, wo eine Leerzeile vor, zwischen und nach den letzten Worten Christi zu finden ist. In welchem Verhältnis kann man die Erklärung der Textneuordnung von Kapitel XX – der Erklärung der Neupositionierung der divisioni vor Gedichtbeginn, wodurch die Gedichte gleichsam zu Witwen gemacht würden –, dem Jeremias-Zitat von der Verwitwung der Stadt Jerusalem, dem inhaltlich (nicht) beschriebenen Ereignis von Beatrices Tod und der Materialität der Handschrift lesen? Nachdem

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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ich Beispiele für die performative Verwendung von Leerzeilen im Zusammenhang mit der Passion Christi gezeigt habe, bleibt offen, ob auch die Verwendung der Witwenmetapher in der Vita Nuova eine graphische Komponente zusätzlich zum Positionswechsel impliziert. Könnte etwa eine Leerzeile nach dem Gedichtende gemeint sein, die die Verwitwung des Gedichtes aufgrund der Neupositionierung der Unterteilung anzeigt? Zugleich gewinnt die Metapher der verwitweten Gedichte im Kontext der Passion Christi ein zusätzliches christologisches Element in der Konnotierung von Beatrice als alter Christus, die bereits in Kapitel XV 3–4 vorbereitet wurde. So wie der Tod von Beatrice die Gedichte als Witwen zurücklässt, so lässt Christus die Kirche in der Brautsymbolik «verwitwet» zurück. Der Tod des Verbum Dei wird durch die Unterbrechung des Wortflusses, durch die Leerzeilen, markiert, so wie die «parole» von Dante durch den Tod von Beatrice und der Neuordnung der divisioni verwitwen.

4.1.6.1 Die Co-Texte und das editorische Programm: To und die Dichterkrönung Die Boccaccio-Handschriften der Vita Nuova wurden oft separat betrachtet, aufgrund ihrer Textüberlieferung in stemmatischen Zusammenhängen gesehen, die für uns hier nicht maßgeblich sind, oder als Zeugnis eines editorischen Projektes beurteilt. Ich möchte hier zweierlei betonen: einerseits stehen die beiden Handschriften To und K2 sicherlich in einem evolutiven Abhängigkeitsverhältnis, wobei jedoch K2 nicht als bloße Weiterführung und Vervollkommnung eines editorischen Ansatzes, der bereits in To zu sehen ist, definiert werden kann, noch To als ursprüngliche und daher reinere Edition bewertet werden kann. Vielmehr stellen die beiden Handschriften zwei gesonderte Schritte mit einem jeweils ausdifferenzierten kulturellen Programm dar. Bei der ersten Handschrift handelt es sich um eine vollständig Dante gewidmete Handschrift, in der verschiedene volkssprachliche Texte dieses Autors gemeinsam überliefert werden, die bis zu diesem Zeitpunkt getrennt überliefert wurden. Es ist die erste Handschrift, in der die Vita Nuova mit der Commedia überliefert wird. Die Handschrift schließt mit den fünfzehn Canzoni distese ab und fügt dieser Dante-Anthologie zwei wichtige Co-Texte hinzu: Die Dante-Vita und die Argomenta der Commedia, die den jeweiligen Cantica vorangestellt sind. Das intertextuelle Verhältnis des Trattatello in laude di Dante und der Vita Nuova und die Interpretation, die Boccaccio im Trattatello der Vita Nuova bietet, wurde eingehend von Gorni und Carrai untersucht.30 Hier seien die Co-Texte in ihrer materiellen Intertextualität in

30 Gorni (2009, 19) bewertet in seinem Beitrag die drei Absätzen des Trattatellos, in denen Boccaccio explizit die Vita Nuova erwähnt, und kommentiert die Würdigung von Dantes Erstlingwer-

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

Bezug auf das editorische Programm von To hervorgehoben. Die Handschrift wird mit der lateinischen Rubrik in roter Tinte «De origine, vita studiis et moribus viri clarissimi dantis aligerii florentini poete illustris et de operibus compositis ab eodem, incipit felicter» eröffnet. Durch diesen Titel wird das Werk, die Dante-Vita, aber auch die gesamte Handschrift einem breit gefächerten Publikum schmackhaft gemacht. Es werden neben dem Namen des zu behandelnden Autors sieben weitere Punkte genannt, die den Leser interessieren können: die Herkunft, das Leben, die Ausbildung, Sitten und Werke von Dante Alighieri, der als «herausragender Dichter» und durch seine florentinische Herkunft näher beschrieben wird. Den Leser erwartet nicht nur eine reine Lebensbeschreibung, sondern auch eine Beschreibung der Werke, die Dante verfasst hat. Gerade dieser Punkt ist für die Zusammenstellung der ersten Dante-Edition von Bedeutung, die nicht einen einzelnen Dante-Text mit verschiedenen Begleitmaterialien und Kommentaren ausstattet, sondern versucht, die volkssprachlichen Texte gemeinsam zu überliefern. Was Boccaccios Kenntnis des Convivio angeht, so zeigt seine Beschreibung im Trattatello, dass er den Text kannte, umstritten ist jedoch, weshalb dieser Text nicht in die Edition der volkssprachlichen Texte von Dante in To aufgenommen wurde (cf. Ferreri 1990; Arduini 2012; Gorni 1997). Boccaccio schreibt in der Vorrede des Trattellos, dass er nach der Erzählung dessen, was Dante über seine Herkunft, sein Leben, seine Studienzeit und seine Gewohnheiten verschwiegen habe, zusammen die von ihm verfassten Werke sammeln werde.

kes durch Boccaccio. So hebe Boccaccio die Vita Nuova wegen ihres elegischen Charakters hervor, die im ersten Teil ihren Ausdruck «pensieri», «sospiri», «lagrime e l’altre passione gravissime», im zweiten Teil durch «dolore», «afflizione» und «lagrime» fänden. Gorni unterstreicht die kommentierenden Ergänzungen des Trattatellos hinsichtlich der Erzählung der Vita Nuova: die ausgeschmückte Erzählung über das Treffen von Dante und Beatrice bei einem Maifest, das jedoch nicht das erste Treffen zu sein scheint («non credo primamente»), die biographischen Informationen über Beatrice, die hier erstmals Portinari genannt wird, die Beschreibung der Überwindung des Todes von Beatrice unter Ausspaarung der gesamten donna gentile-Episode (28–35). Carrai (2014, 109), sieht in der Invention des Maifestes eine Art Rekonstruktion einer plausiblieren und kohärenteren Psychologie des Innamoramentos von Dante als dieser sie in der Vita Nuova zwischen Kosmologie und Spiritustheorie situierte. In der Beschreibung des Todes von Beatrice lasse sich Boccaccio jedoch nicht von den Vorverweisen der Vita Nuova inspirieren, in denen Dante Möglichkeiten für eine ausführlichere Erzählung bietet, um eher den Schmerz Dantes darzustellen als sich auf eine Erzählung des Todesereignisses einzulassen. Carrai schließt seinen Aufsatz über die Präsenz der Vita Nuova im Trattatello mit einem Kurzkommentar zu den drei Erwähnung des Werkes in Boccaccios Biographie und einer Gegenüberstellung der zeitgenössischen und späteren Informationen über die Vita Nuova in den Commediakommentaren, insbesondere erwähnt er den Ottimo Commento, wo die Vita Nuova erstmals genannt wird.

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

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«E scriverò in istilo assai umile e leggiero, però che piú alto nol mi presta lo ’ngegno, e nel nostro fiorentino idioma, acciò che da quello che egli usò nella maggior parte delle sue opere non discordi, quelle cose le quali esso di sé onestamente tacette: cioè la nobiltà della sua origine, la vita, gli studii, i costumi, raccogliendo appresso in uno l’opere da lui fatte, nelle quali esso sé sí chiaro ha renduto a’ futuri, che forse non meno tenebre che splendore gli daranno le lettere mie» (Boccaccio, Trattatello § 1 [9], ed. Berté, 31–32).

Die Frage nach dem Publikum, an das sich Boccaccio mit seiner Edition richtet, gewinnt an zusätzlicher Schärfe, erinnert man sich an das Kapitel über die Frauen, das Boccaccio nach der Beschreibung der ersten Begegnung, der Wirkung und dem Tod von Beatrice, die als Hintergrund der Abfassung der Vita Nuova genannt werden, einfügt. Entgegen der Meinung, die Frauen seien Adressaten einzelner Gedichte der Vita Nuova und auch des gesamten libellos, wie indirekt aus Kapitel XVI abgeleitet werden mag, scheint sich Boccaccio in seinem Trattatello nicht an Frauen zu richten und sie vielmehr als Addressaten auszusparen. Die Frauen schmähend, spricht er nur in der dritten Person von ihnen, während er sich an ein männliches Gegenüber wendet.31 Aus der ersten Redaktion des Trattatellos, wie sie in To überliefert wird, geht bereits hervor, dass sich Boccaccio ausdrücklich an ein florentinisches Publikum richtet. Florenz wird durch die Mythologisierung des Ursprungs von Florenz als Bewahrerin des antiken Erbes von Rom32 und Troia33 und durch die wiederholte Kritik der Republik, die sich nicht an das solonische Gesetz der Erinnerungskultur gehalten habe,34 sowie dem inklusiven Ge-

31 Boccaccio, Trattatello § 4 [53, 56, 59], ed. Berté, 48–50: «Chi dubita che della sua donna, che ella sia bella o non bella, non caggia il giudicio nel vulgo? […] [56] Chi non sa che tutte l’altre cose si pruovano, prima che colui, di cui debbono essere, comperate, le prenda, se non la moglie, acciò che prima non dispiaccia che sia menata? […] [59] Nè creda alcuno che io per le su dette cose voglia conchiudere gli uomini non dover tôrre moglie; anzi il lodo molto, ma non a ciascuno. Lascino i filosofanti lo sposarsi a’ ricchi stolti, a’ signori e a’ lavoratori, e essi con la filosofia si dilettino, molto migliore sposa che alcuna altra.» Auch Gorni hegt aufgrund der technischen Vorbemerkung Maraviglierannosi molti Zweifel an einem weiblichen Addresatenkreis der Boccaccio-Edition. Cf. auch Gorni (2009, 15–17): «Ma nella motivazione ai tagli al testo della Vita nova, espresso nella glossa Maraviglierannosi, sempre delle non specificate ‹persone degne di fede› sono quelle che colloquiando con Dante (e, una generazione dopo, con il Boccaccio) avrebbero appreso il rammarico di Dante per non aver tolto le ‹divisioni› dal testo del prosimetro. Ebbene, anche se Dante, e proprio il Dante dello stile della ‹lode›, è il modello del Boccaccio per un continuo rivolgersi a donne, in proemi e addirittura in dichiarazioni di poetica, dalla Fiametta al Decameron, è oltremodo improbabile che davanti a un uditorio di tal fatta Dante recriminassse, proprio nel senso voluto del suo editore, su una questione molto tecnica quele l’impianto impaginatorio del libro. […] Non si potrebbe ipotizzare anche per la glossa Maraviglierannosi il rimando a un uditorio femminile, ma il sintagma persone ‹degne di fede›, che permane da una ad altra rivelazione riservata raccolta dallo scrupoloso biografo, testimonia una vischiosità lessicale specifica della riflessione del Boccaccio sul mondo della Vita nova».

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

brauch der ersten Person, zum Identifikationsraum35 der fiktiven Leserschaft stilisiert. Boccaccio richtet sich an eine florentinische kulturelle Elite, die die zahlreichen intertextuellen Anspielungen seiner Dante-Vita würdigen kann36 und, Boccaccios Beispiel folgend, Dante ein würdiges Grabmahl durch ihre Worte und Schriften bereitet. Dieser Punkt wird für die zweite Edition in K2 noch deutlicher hervortreten. Einen weiteren Hinweis für die intendierte Leserschaft und damit

32 Boccaccio, Trattatello § 2 [11], ed. Berté, 32: «Fiorenza, intra l’altre città italiane piú nobile, secondo che l’antiche istorie e la comune oppinione de’ presenti pare che vogliano, ebbe inizio da’ Romani». 33 Boccaccio, Trattatello § 8 [104], ed. Berté, 70: «Tu [Firenze] vuogli che ’l mondo creda te essere nepote della famosa Troia e figliuola di Roma: certo, i figliuoli deono essere a’ padri e agli avoli simiglianti». 34 Boccaccio, Trattatello § 6 [68], ed. Berté, 54: «Colui, [Dante] nel quale poco avanti pareva ogni publica speranza essere posta, ogni affezione cittadina, ogni rifugio populare; subitamente, senza cagione legittima, senza offesa, senza peccato, da quel romore, il quale per addietro s’era molte volte udito le sue laude portare infino alle stelle, è furiosamente mandato in inrevocabile esilio. [69] Questa fu la marmorea statua fattagli ad etterna memoria della sua virtù! con queste lettere fu il suo nome tra quegli de’ padri della patria scritto in tavole d’oro! con cosí favorevole romore gli furono rendute grazie de’ suo benefici! Chi sarà dunque colui che, a queste cose guardando, dica la nostra republica da questo piè non andare sciancata?». 35 Cf. Boccaccio, Trattatello § 3 [20], ed. Berté, 38: «Nacque questo singulare splendore italico nella nostra citta»; § 4 [30], ed. Berté, 42: «era usanza della nostra città»; § 6 [69], ed. Berté, 54: «Chi sarà dunque colui che, a queste cose guardando, dica la nostra republica da questo piè non andare sciancata?»; § 8 [97], ed. Berté, 67: «E Mantova, nostra vicina»; § 11 [169], ed. Berté, 92: «e intra l’altre la nostra città, quasi capo». 36 Cf. zu den intertextuellen Bezügen des Trattatellos Vallone, der den Einfluss der Vita Nuova für Boccaccio nur beiläufig erwähnt, weiterhin auf der nahezu ausschließlichen Beschäftigung mit der Commedia im 14. Jahrhundert beharrend, und unterstreicht die biographische Auswertung der Vita Nuova im Trattatello in laude di Dante. Vallone (1979, 92): «Ed è induccio che un accertamente delle intenzioni e dei mezzi, della mentalità e dei risultati dei prischi lettori di Dante (e qui si vorrò dire più limitatamente della Commedia, perché le opere minori solo sporadicamente venivano se non lette, certo utilizzate) giova non solo a dare misura obiettiva a quelle opere di esegesi» und 99: «Tutta la Vita nuova, ad esempio, viene assunta come puro e schietto squarcio biografico». Bellomo (2000) hebt vor allem die Vorlagen der vidaz für Boccaccios Dante-Vita hervor, welche zwischen anektodischer und hagiographischer Erzählung, Biographie und sachorientierter Abhandlung anzuordnen sei, ohne jedoch auf die Intertextualität zwischen Trattatello und Vita Nuova einzugehen. Blomme (1975, 761–762) hingegen schlägt zwei Hypothesen für die realistische Lesart und Auswertung der Vita Nuova im Trattatello vor, welches er im Gegensatz zur Interpretation von Beatrice in den Exposizioni sopra la Comedia liest: so versuche Boccaccio zum Einen das libello vor dem Vorwurf der Häresie zu bewahren und gleichzeitig dem ungebildeten Leser eine erschöpfende Lektüremöglichkeit des Werkes zu bieten. In Bezug auf Boccaccios Verarbeitung der Vita Nuova im Trattatello sei auch der komparatistische Beitrag von Trabalza (1906) genannt, der die Beschreibung des innamoramentos von Dante in der Vita Nuova und im Trattatello vergleicht unter ideengeschichtlichem Gesichtspunkt.

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auf das editorische Programm, das Boccaccio verfolgt, kann eine Klausel aus seinem Testament geben, wo Boccaccio seinen Erben Martino da Signa seine Handschriften mit dem Auftrag vermacht, diese allzeit zum Studium und zur Transkription zugänglich zu machen.37 In welchen Rahmen nun wird die Vita Nuova in To präsentiert? Auf der ersten Seite der Handschrift wird das Programm der Nobilitierung Dantes vorgestellt, das die Metaphorik und Symbolik der gesamten Edition durchzieht. Ausgehend von der solonischen Gesetzgebung (f. 1r°) präsentiert Boccaccio Dante auf der letzten Seite der Handschrift als zweiten Homer, ein Homer-Portrait einfügend, in dem Homer als junger mit Lorbeeren gekrönter Dichter dargestellt wird. Das Ziel ist es, Dante endlich seinen verdienten Ruhm zu zollen, was graphisch und allegorisch durch die Dichterkrönung, die würdevolle Grablegung und «Monumentalisierung» in dieser Handschrift vollzogen wird (cf. Houston 2010, 20–47; 52–92). Boccaccio zielt mit diesem Vorgehen, gerade in den Begleitschreiben seiner Edition, darauf, die Erinnerung an Dante beständig aufrecht zu erhalten und gleichzeitig eine Standardform der Überlieferung zu begründen. Mit Worten wird Dante hier ein würdiges Monument errichtet: «pensando le presenti cose per me scritte, come che sepoltura non sieno corporale, ma sieno, sì come quella sarebbe stata, perpetue conservatrici della colui memoria» (cf. Boccaccio, Trattatello § 16). Das Trattallo beginnt mit den Worten «Solone in cui petto» und führt Solon indirekt als Vorbild für den Stammvater der Alighieri an, der in Florenz als neuer Gesetzgeber Ruhm erlangte. Solon wird für seine heiligsten Gesetze («sacratissime leggi») in Erinnerung gerufen, während Eliseo de’ Frangipani, Stammvater der Alighieri, im Ruf stand, dem «neuen Volk geeignete Gesetze gegeben» zu haben.38 Solon ist es, der das Gesetz von gloria und fama eingeführt habe, das zur Monumentalisierung und Erinnerungskultur der herausragenden Taten und der Männer führte.

37 Branca (1991, 182): «Item reliquit venerabili frarti Martino de Signa, […] omnes suos libros, […] cum ista condicione, quod dictus magister Martinus possit uti dictis libris et de eis exhibere copiam cui voluerit donec vixerit, ad hoc ut ipse teneatur rogare Deum pro anima dicti testatoris, et tempore sue mortis debeat consignare dictos libros conventui fratrum Sancti Spiritus, sine aliqua diminutione, et debeant mitti in quodam armario dicti loci, et ibidem debeant perpetuo remanere ad hoc ut quilibet de dicto conventu possit legere et studere super dictis libris, et ibi scribere facere modum et formam presentis testamenti et facere inventarium de dictis libris». 38 Boccaccio, Trattatello § 2 [13], ed. Berté, 34: «Ma intra gli altri novelli abitatori, forse ordinatore della reedificazione, partitore delle abitazioni e delle strade, e datore al nuovo popolo delle leggi opportune, secondo che testimonia la fama, vi venne da Roma uno nobilissimo giovane per ischiatta de’ Frangiapiani, e nominato da tutti Eliseo».

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«Mossi adunque piú cosí egregii come antichi popoli da questa laudevole sentenzia e apertissimamente vera, alcuna volta di deità, altra di marmorea statua, e sovente di celebre sepultura, e tal fiata di triunfale arco, e quando di laurea corona secondo i meriti precedenti onoravano i valorosi» (Boccaccio, Trattatello § 2, ed. Berté, 29).

Während Boccaccio die Vergötterung und Würdigung durch Marmorstatuen, berühmte Grabmäler, Triumphbögen oder die Lorbeerkrone zur Ehre der guten Werke der Weisheit Solons zuschreibt, so schließt die Handschrift mit dem graphischen Beispiel, Vorbild und der Identifizierungsperson des gekrönten Homers ab. Schon im Traum der Mutter wird Dante mit Lorbeeren gekrönt und in einen Pfau verwandelt zu einem zweiten Homer (cf. Berté/Fiorilla 2014, 59 verweisen auf den Traum von Ennio in den Annalen, Annal. fragm. I 15, wo Homer als Pfau erscheint). Das Homer-Portrait auf der letzten Seite der Handschrift ist mit dem Commedia-Zitat «Homero poeta sovrano» überschrieben, dem aufmerksamen Leser wird jedoch auch die erste Beschreibung von Beatrice in der Vita Nuova noch in Erinnerung geblieben sein, wo Dante schreibt «che certo di lei si potea dire quella parole del poeta Homero: ‹Ella non parea figliuola d’uomo mortale, ma di Dio›» (cf. Dante, VN I 9). Im Trattatello wird diese Identifizierung explizit im Lob des Gebrauchs der Volkssprache39 und in der Schmähschrift auf Florenz wiederholt, wo Dante jeweils direkt in eine Reihe mit Homer und Vergil gestellt wird.40 Dieses Portrait mag als deutlichstes Beispiel einer graphischen Umsetzung des editorischen Projektes gelten, in dem zwar Homer nicht die physionomischen Züge Dantes gegeben werden, die Identifizierungseinladung mit Dante jedoch eindeutig ist. Verstärkt wird diese Symmetrie der ersten und letzten Seite der Handschrift durch den lateinischen Paratext. Interessanterweise nennt sich Boccaccio

39 Boccaccio, Trattatello § 7 [84], ed. Berté, 61: «e quivi con le sue dimostrazioni fece piú scolari in poesia e massimanete nella volgare; la quale secondo il mio giudicio, egli [Dante] primo non altramentri fra noi Italici esaltò e recò in pregio, che la sua Omero tra’ Greci o Virgilio tra’ Latini». 40 Boccaccio, Trattatello § 8 [95], ed. Berté, 66–67: «Ahi! misera madre [Firenze], apri gli occhi e guarda con alcuno rimordimento quello che tu facesti; e vergògnati almeno, essendo reputata savia come tu sè, d’avere avuta ne’ falli tuoi falsa elezione! Deh! se tu da te non avevi tanto consiglio, perché non imitavi tu gli atti di quelle città, le quali ancora per le loro laudevoli opere son famose? [96] Atene, la quale fu l’uno degli occhi di Grecia, allora che in quella era la monarcia del mondo, per iscienzia, per eloquenzia e per milizia splendida parimente; Argos, ancora pomposa per li titoli de’ suoi re; Smirna, a noi reverenda in perpetuo per Niccolaio suo pastore; Pilos, notissima per lo vecchio Nestore; Chimi, Chios e Colofon, città splendidissime per addietro, tutte insieme, qualora piú gloriose furono, non si vergognarono né dubitarono d’avere agra quistione della origine del divino poeta Omero, affermando ciascuna lui di sé averla tratta; e sí ciascuna fece con argomenti forte la sua intenzione, che ancora la quistion vive; né è certo donde si fosse, perché parimente di cotal cittadino cosí l’una come l’altra ancor si gloria. [97] E Mantova, nostra vicina, di quele altra cosa l’è piú alcuna fama rimasa, che l’essere stato Virgilio mantovano?».

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nicht namentlich als Autor der Dante-Vita, aber als Zeichner des Homer-Portraits, «Iohannes de Certaldo pinxit», wodurch bildlich auch die gesamte Handschrift seiner Feder zugeschrieben wird. Weshalb die Handschrift mit Solon beginnt und mit Homer abschließt, lässt sich aus einem Abschnitt des Trattatellos erschließen, in dem Boccaccio noch einmal die Herkunft der Dichterkrönung auf Solon zurückführt. «Ma intra l’altre […] fu la santissima sentenzia di Solone nel principio posta di questa operetta; e acciò che la loro republica […] diritta e andasse e stesse sopra due piedi, e le pene a’ nocenti e i meriti a’ valorosi magnificamente ordinarono e osservarono. Ma intra gli altri meriti stabiliti da loro a chi bene adoperasse, fu questo il precipuo: di coronare in publico, e con publico consentimento, di frondi d’alloro li poeti dopo la vittoria delle loro fatiche, e gl’imperadori, li quali vittoriosamente avessero la republica aumentata; giudicando che igual gloria si convenisse a colui per la cui virtú le cose umane erano e servate e aumentate, che a colui da cui le divine eran trattate» (Boccaccio, Trattatello § 10 [157], ed. Berté, 87).

Auch die Grablegung wird von Boccaccio in der Handschrift graphisch durch die Absetzung vom Rest des Textes umgesetzt, so dass das Epitaph quasi zur Grabinschrift wird. Neben diesen graphischen, materiellen Umsetzungen der Würdigung Dantes in der auf Solon zurückgeführten Monumentalisierung finden sich im Trattatello eine Reihe von weiteren Entsprechungen inhaltlicher Art. So schreibt Boccaccio: «ma se licito fosse a dire, io direi che egli fosse in terra divenuto uno iddio» (cf. Boccaccio, Trattatello § 7 [83], ed. Berté, 61). Diesem vorsichtigen Versuch der Vergötterung Dantes entspricht wiederum die graphische Ausarbeitung des Epitaphs von Giovanni del Virgilio auf den Tod Dantes und die identisch ausgeführte graphische Absetzung in der Vita Nuova zur Markierung des Todes von Beatrice, die durch das Homer-Zitat als Göttertochter stilisiert wurde («ella non parea figliuola d’uomo mortale, ma di Dio»). Houston spricht diesem Projekt die Intention der Herausbildung einer Dante-Ikone zu, durch die Boccaccio einen regelrechten Dante-Kult lancieren möchte.41

4.1.6.2 K2 und der Kanon der Florentiner Dichter Während To eine Fokussierung auf die Figur und die volkssprachlichen Werke Dantes mit dem Projekt einer Nobilitierung und florentinischen Ehrerbietung verbindet, zeichnet sich K2 durch eine Fortführung und Abwandlung dieses editori-

41 Houston (2008, 20): «These four manuscripts bar witness to Boccaccio’s formulation of a vernacular humanism project; in promoting, as one critic would have it, the ‹cult of Dante›, Boccaccio elevates Dante to the status of an icon».

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schen Programms aus. Als erste Neuerung fällt ins Auge, dass Dante nicht als einziger Dichter vorgestellt wird, sondern in einen Kanon von Florentiner Autoren eingebettet wird. So werden die Vita Nuova neben Donna me prega von Cavalcanti und die Canzoni distese neben dem Canzoniere von Petrarca gestellt. Zudem tritt auch Boccaccio mit Ytalie iam certus als Florentiner Dichter und nicht nur als Autor des Trattatellos auf. Houston sieht in K2 das Zeugnis der eigentlichen editorischen Arbeit Boccaccios, welche in To nur vorbereitet worden sei.42 Sicherlich stellt die Hinzufügung anderer Autoren eine der herausragendsten Neuerungen in Boccaccios zweitem editorischem Projekt dar, es soll hier jedoch auch beleuchtet werden, dass es sich um ein grundlegend anderes Vorhaben oder besser einen weitaus tiefgehenderen Eingriff in die konzeptuelle Neuerung von To handelt. Auffällig ist zudem, dass die lateinischen Paratexte entfallen und Boccaccio für die Titelei die italienische Version gewählt hat.43 So eröffnet hier das Trattatel42 Houston (2008, 21): «The manuscript that exhibits Boccaccio’s most profound editorial engagement with Dante is known as the Chigiano […]. Where the Toledano marks the first material record of Boccaccio dantista, the Chigiano evinces his material formulation of a canon of trecento vernacular literature that persists to this day». 43 Die Paratexte in To sind alle lateinisch: 1r°: «De origine uita studij et moribus uiri clarissimi Dantis aligerij florentini poete illustrij et de operibus compositis ab eodem. Incipit feliciter»; 28v°: «De origine uita studiij e moribus clarissimi uiri dantis aligerij florentini poete illustris e de operibus compositis ab eodem, Explicit»; 29r°: «Incipit uita noua clarissimi uiri dantis aligerij florentini»; 46v°: «Explicit liber uite noue uiri clarissimi dantis aligerii poete illustris feliciter; 8r°: «Argumentum super tota prima parte comedie dantis alighierij Florentini cui titulus est Infernus»; 51v°: «Explicit argumentum Inferni»; 2r°: «Incipit prima cantica comedie poete excellentissimi dantis alagherij distincta in cantus xxxiiijor quorum primus incipit in quo prohemiçatur ad totum opus feliciter»; 16v°: «Explicit prima pars seu cantica comedie dantis que dicitur Infernus»; 117r°: «Argumentum super tota secunda parte comedie Dantis alighierij Florentini cui titulus est Purgatorium»; 120r°: «Explicit argumentum purgatorij»; 121r°: «Incipit secunda cantica comedie dantis alagherij continens cantus xxxiij. Incipit primus cantus»; 187v°: «Explicit secunda cantica cui titulus est purgatorium uiri clarissimi dantis aligerij poete»; 188r°: «Argumentum super tota tertia parte comedie Dantis aligherij Florentini cui titulus est Paradisus»; 190v°: «Expliçit argumentum paradisis»; 191r°: «Incipit Tertia cantica comedie dantis aligherij continens cantus xxxiij. Incipit primus cantus»; 257r°: «Incipiunt cantilene dantis aligerii et primo de asperitate domine»; 258r°: «de apseritate domine»; 258v°: «Idem dantis inteligentij loquitur de amore suo»; 259r°: «Idem dantes de uirtutibus et pulcritudine domine sue»; 259v°: «Item dantes de uera nobilitate loquitur egregie»; 260v°: «Item dantes ad amorem de domina sua loquitur»; 261v°: «Item dantes quantum sit amore captus ostendit»; 262r: «Item dantes ostendit se propter hyemen non minus amare»; 262v°: «Item dantes amorem rogat ut molliat crudelitatem domine sue»; 263r°: «Item dantes ob temporis qualitates amorem suum non mutari ostendit»; 263v°: «Item dantes dominabus conqueritur de domina sua»; 264r°: «Item dantes de ___uera eregie loquitur»; 265r°: «Item dantes pro pietate preces domine sue porrigens»; 265v°: «Item dantes de uirtutibus loquitur»; 266v°: «Item dantes contra uitiosos loquitur et potissime contra auaros»; 267r°: «Item dantes conqueritur de crudelitate cuiusdam impie domine».

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lo in der gekürzten Fassung, die in der Forschung als Compendio bekannt ist, die Handschrift mit der Überschrift: «Comincia della origine uita costumi e studij del chiarissimo poeta dante alighieri di firençe e delle opere composte da llui». Das Compendio wird in K2 stärker als in To an die Vita Nuova gebunden: dort kann das Trattatello als Einleitung der gesamten Handschrift angesehen werden, während hier die räumliche Nähe durch die Unterlassung einer Abgrenzung der Paratexte auf f. 13r° noch verstärkt wird. Das Incipit der Vita Nuova folgt unmittelbar und ohne sichtbare und beinahe ohne syntaktische Trennung auf das Explicit des Compendios: «Qui finiscie della origine uita e studij e costumi di dante alighieri poeta chiarissimo e dellopere composte da lui. Et comincia la sua uita nuova. Nella quale esso in sonetti ballate e cançoni distese discriue come di beatrice sinnamorasse e del suo amore gli accidenti mentre ella uisse Et appresso quanta e quale fosse la sua amaritudine dopo la partita di beatrice della presente uita» (K2, 13r°, cf. auch Abbildung im Handschriftenkatalog, Online-Zusatzmaterial auf der Webseite des Verlages De Gruyter). Die Beschreibung, die Boccaccio hier dem Titel der Vita Nuova anfügt, stimmt mit der Interpretation des Werkes im Compendio überein. Boccaccio kürzte in der zweiten Redaktion seiner Dante-Vita die Beschreibung des Treffens von Dante und Beatrice bei einem Maifest, die in To sehr ausführlich und ausschmückend die Qualitäten von Beatrice Portinari hervorhob, erweiterte jedoch die Beschreibung der Vita Nuova in ihrer ersten Nennung. Im Anschluss findet sich in den beiden Versionen der Dante-Vita die erste Nennung der Vita Nuova, die hier kurz gegenübergestellt werden sollen.

In K2 hingegen sind die Paratexte weitestgehend italienisch, nur der Petrarca-Teil ist lateinisch überschrieben und die Didaskalien der Kanzonen fehlen völlig: 1r°: «Comincia della origine uita costumi et studi del chiarissimo poeta dante alighieri di firençe e dell’opere composte dallui»; 13r°: «Qui finisce della origine uita e studij e costumi di dante alighieri poeta chiarissimo e dell’opere composte da lui»; 13r°: «Et comincia la sua uita nuoua. Nella quale esso in sonetti ballate e cançoni distese discriue come di beatrice s’innamorasse e del suo amore gli accidenti mentre ella visse et appresso quanta e quale fosse la sua amaritudine dopo la partita di beatrice della presente vita»; 28v°: «Qui finiscie la uita nuoua di dante alighieri di firençe»; 29r°: «Chomicia la cançone di guido di caualcante de caualcanti di firençe»; 32v°: «Explicit»; 34v°: «Qui cominciano le canconi del chiaro poeta dante alighieri di firençe»; 43v°: «finiscono le cançoni distese di dante»; 43v°: «Viri illustris atque poete celeberrimi Francisci Petrarce de Florentia Rome nuper laureati. Fragmentorum liber incipit feliciter».

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

To, 5v°: Quanti e quali fossero li pensieri, li sospiri, le lagrime e l’altre passioni gravissime poi in più provecta eta da llui sostenute per questo amore, egli medesimo in parte il dimostra nella sua uita nova, e pero piu distesamente non curo di raccontarle.

K2, 7r°: E lasciando stare de puerili accidenti il ragionare, non solamente continuandosi, ma crescendo di giorno in giorno l’amore, non avendo niuno altro desiderio maggiore, ne consolazione, se non di vedere costei, gli fu in piu provetta eta e di dolentissimi sospiri e d’amare lagrime assai spesso dolorosa cagione, si come egli in parte della sua vita nuova dimostra. Ma quello che rade volte suole negli altri così fatti amori intervenire, in questo essendo avvenuto, non è senza dirlo da trapassare.

Boccaccio, Das Leben Dantes, ed. Taube (1921, 14): Wieviel und welcherart die Gedanken, die Seufzer, die Tränen gewesen und die anderen schweren Leiden, so hernach bei fortgeschrittenerem Alter von ihm dieser Liebe wegen erdultet worden, das tut er selbst zu einem Teile in seinem ‹Neuen Leben› dar, und deshalb mühe ich mich nicht, sie weitläufiger zu erzählen

Im Gegensatz zu To wird in K2 die Vita Nuova in ihrem Handlungsverlauf angedeutet, wobei das erste Treffen als jugendlicher Zufall definiert wird, das SichVerlieben mit dem Wunsch und dem einzigen Trost der Betrachtung der Geliebten als zweiter Handlungspunkt erwähnt wird, bevor Boccaccio einen dritten Handlungsstrang in «Seufzern und Tränen» ausmacht. Auch der oben genannte Titel führt diese Dreigliederung auf, wenn Boccaccio von dem Ursprung der Verliebtheit, der Wirkung während Beatrice lebte, und der Trauer nach ihrem Tod spricht. Im Compendio stimmt die zweite Nennung der Vita Nuova stärker mit dem oben genannten Titel überein. To, 20v°: Egli primieramente, duranti ancora le lagrime della morte della sua Beatrice, quasi nel suo xxvj° anno compose in un volumetto, il quale egli intitolo Vita nova, certe operette, siccome sonetti e canzoni in diversi tempi davanti in rima fatte da lui, maravigliosamente belle; di sopra da ciascuna partitamente e ordinatamente scrivendo le cagioni che a quelle fare l’avevano mosso, e di dietro ponendo le divisioni delle precedenti opere.

K2, 9v°: Compose questo glorioso Poeta piu opere ne suoi giorni; tra le quali si crede la prima un libretto volgare, che egli intitola Vita nuova. Nel quale egli et in prose et in sonetti et in canzoni gli accidenti dimostra dell’amore, il quale porto ad Beatrice.

Boccaccio, Das Leben Dantes, ed. Taube (1921, 59): «Er vereinte zunächst, da er noch um den Tod seiner Beatrice weinte, fast im sechsundzwanzigsten Lebensjahre, in einem Bändchen, das er Das Neue Leben nannte, etliche Gedichtlein, Sonette und Canzonen, die von ihm zu verschiedenen Zeiten früher und in Reimen gedichtet worden waren; die sind wunderbar schön. Vor ein jedes davon schrieb er besonders und in gehöriger Reihenfolge die Gründe, die ihn veranlaßt hatten,

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

Et come che egli d’avere questo libretto fatto, negli anni piu maturi si vergognasse molto, nondimeno, considerata la sua eta è egli assai bello e piacevole, e maximamente a volgari.

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das betreffende zu dichten, dahinter die Übersicht der Teile der vorangehende Dichtung. Und wenn er auch, nachdem er dieses Büchlein verfaßt, sich im reiferen Alter sehr des schämte, ist es nichtsdestoweniger, betrachtet man seine Jahre, recht schön und ergötzlich, und besonders für Ungelehrte».

Auch dieser Abschnitt zeigt deutlich die unterschiedliche Gewichtung der Editionen To und K2, so gibt Boccaccio im Trattatello weitaus mehr Informationen über die Vita Nuova als in der Erwähnung im Compendio. Es wird der Entstehungszeitpunkt genannt, aber auch darauf hingewiesen, dass die Gedichte vor den Prosaabschnitten entstanden sind. Über letztere führt Boccaccio zudem aus, dass zwei Arten von Prosa unterschieden werden können, welche jeweils eine bestimmte Position hinsichtlich der Gedichte einnehmen. Auch der abschließende Satz mit der Würdigung «assai bello e piacevole» und Dantes Selbstkritik verstärken den Eindruck, dass diese Beschreibung der Vita Nuova unmittelbar auf die erste Edition, ihrer sehr bewussten Neuordnung in To und der Redaktion der Vorbemerkung Maraviglierannosi Bezug nimmt. In K2 sind die editorischen Neuerungen in der Vita Nuova-Edition nicht mehr so deutlich, so fehlt eine kontinuierliche Umsetzung der Positionierung der divisioni vor den Gedichten im zweiten Teil und die bewusste Markierung der Todesereignisse durch Leerzeilen sowohl im Compedio als auch vor Quomodo sedet, dem Beginn des zweiten Teiles der Vita Nuova. Vielmehr zeichnet sich die Vita Nuova-Edition von K2 durch ein komplexeres System der Gedichtmarkierung durch Initialen und Paragraphenzeichen aus, dank welchem die Sonette von Kanzonen und Balladen graphisch unterschieden werden können. In der Tat werden die verschiedenen Gedichtformen nur im Compendio in der Titelei der Vita Nuova aufgeführt. Die letzte der drei Nennungen der Vita Nuova ist in To und K2 nahezu identisch. Während in To jedoch die Canzoni distese in Boccaccios Rekonstruktion der Werkchronologie durch die Nennung von De vulgari eloquentia und den Briefen vom Convivio und der Vita Nuova getrennt werden, so zeigt Boccaccio in seiner Überarbeitung in K2 eine Chronologie der lyrischen Produktion von Dante auf, bevor er mit der Beschreibung von De vulgari eloquentia abschließt (die Briefe bleiben hier unerwähnt).

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To, 24r°: Compuose ancora un comento in prosa in fiorentino uolgare sopra tre delle sue cançoni distese come che egli appaia lui auere auuto intendimento quando il comincio di comentarle tutte bene che poi o per mutamento di proposito o per mancamento di tempo che aduenisse piu comentate non se ne trouano da lui et questo intitolo Convivio, assai bella et laudeuole operetta. Appresso gia uicino alla sua morte compuose uno libretto in prosa latina il quale egli intitolo De vulgari eloquentia, dove intendea di dare doctrina ad chi imprendere la volesse del dire in rima. et come che per lo decto libretto apparischa lui auere in animo di dovere in cio comporre iiij libri o che piu non ne facesse dalla morte soprapreso, o che perduti sieno gli altri piu non appariscono che due solamente. Fece ancora questo ualoroso poeta molte pistole prosayce in latino delle quali ancora appariscono assai. Compuose molte cançoni distese, sonetti et ballate assai et d’amore et morali oltre ad quelle che nella sua uita nova appariscono, delle quali cose non curo di fare spetiale mentione al presente.

K2, 11v°: Compose ancora molte cançoni distese et sonetti et ballate oltre ad quelle che nella sua uita nuova si leggono. Et sopra tre delle dette cançoni come che intendimento auesse sopra tutte di farlo compose uno scripto in fiorentino uolgare il quale nomino convivio, assai bella e laudevole operetta. Appresso gia uicino alla sua morte compose un libretto in prosa latina il quale egli intitolo de uulgari eloquentia et come che per lo detto libretto apparisca lui avere in animo di distinguerlo et terminarlo in quattro libri, o che piu non ne facesse dalla morte soprappreso o che perduti sien gli altri piu non appariscono che i due primi.

Boccaccio, Das Leben Dantes, ed. Taube (1921, 68): Er verfaßte noch in ungebundener Rede auf Fiorentiner gemeine Sprache einen Kommentar zu dreien seiner großen Kanzonen, wie es übrigens scheint, daß er zu Beginn dieses Werkes die Absicht gehabt, sie alle zu kommentieren; doch es läßt sich nicht finden, daß er hernach ihrer mehr kommentiert habe, sei es , weil er den Vorsatz gewechselt, sei es etwa aus Zeitmangel. Und dieses nannte er Das Gastmahl, ein gar schönes und löbliches Werklein. Hernach, nicht lange vor seinem Tode, schrieb er ein Büchlein auf Latein in ungebundener Rede, das er, «de volgari eloquentia» nannte, darin er einem jeden Lehre geben wollte, der das Reimen zu lernen begehrte; und obwohl es sich aus diesem Büchlein erweist, daß er im Sinne gehabt, zu dem Ende vier Bücher zu schreiben, sind davon doch nur zwei vorhanden, sei es, daß er vom Tod überrascht, keine weiteren geschrieben habe, sei es, daß die anderen verloren gegangen. Außerdem schrieb dieser tüchtige Poet viele Episteln in ungebundener Rede auf Latein, davon noch zahlreiche zu sehen sind. Er dichtete viele große Kanzonen, viele Sonette und Balladen über die Liebe und die Moral, – von denen abgesehen, die in seinem «Neuen Leben» stehen, – welche einzeln Erwähnung zu tun ich mir jetzt nicht die Mühe gebe.

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

295

Die Vita Nuova wird in K2 in unmittelbarem Anschluss an, ja beinahe als Erweiterung von Boccaccios Dante-Vita präsentiert. Sie befindet sich jedoch auch face à face mit dem Beginn des zuletzt in die Handschrift inkorporierten Textes, der Kanzone Donna me prega von Guido Cavalcanti und dem lateinischen Kommentar von Dino del Garbo. Diese Gegenüberstellung zweier Beispiele der Dichtungskommentierung lässt das Werk der Vita Nuova in einem neuen Licht erscheinen. Houston hebt die wohlproportionierte Seitengestaltung der Vita Nuova gegenüber der stark überladenen Seite von Donna me prega hervor, durch welche die Unterschiede des poetischen Stils von Dante und Cavalcanti graphisch sichtbar gemacht würden.44 Dennoch wirkt die Kommentierung der Vita Nuova-Gedichte gegenüber Donna me prega sehr knapp, was entweder positiv als Zeichen und Einladung zur leichten Lektüre verstanden werden kann, andererseits aber auch die Frage erlaubt, wie intensiv der Text der Vita Nuova zu lesen und kommentieren sei. Neben der Quantität der Kommentare bzw. divisioni ist auch ihre Sprache unterschiedlich. Während Dino del Garbo seinen Kommentar in Latein abfasst, sind die Unterteilungen auf Italienisch geschrieben, wodurch die Vita Nuova in ihrer Gänze auch einem einsprachigen, des Lateins unkundigen Publikum zugänglich ist. Dante, als Autor der Vita Nuova, erscheint damit als Dichter, der eine Liebesgeschichte («come di Beatrice s’innamorasse») auf angenehme und leicht verständliche Weise erzählt. Darüber hinaus wurde auch der Abschnitt des Trattatellos, in dem Boccaccio von Dantes späterer Scham über die Vita Nuova berichtet, im Compendio getilgt, so dass die Vita Nuova in ihrem unmittelbaren co-textuellen Zusammenhang positiv hervorsticht und als äußerst lesenswerter Text erscheint, während in der Vorbemerkung von K2 die Scham Dantes weiterhin als Argument für die Neuordnung der divisioni verwendet wird. Obwohl sich der Text der Vita Nuova in K2 scheinbar als leichte Lektüre für ein an Liebesgeschichten interessiertes Publikum zu richten scheint, darf nicht vergessen werden, dass sich die Gedichte mit einem komplexen Markierungssystem von Initialen und Paragraphenzeichen einem in metrischen Dingen bewanderten Publikum präsentieren. Dante ist in der Phase von K2, in der die gesamte Commedia anstelle der kommentierten Kanzone Donna me prega als Teil der Handschrift fungierte, der quantitativ am stärksten vertretene Florentiner Dichter. In dieser Phase war Boccaccios Gedicht Ytalie iam certus auf Petrarca der einzige lateinische Text der Handschrift und nahm somit eine Sonderstellung ein. Die Heraustrennung der Commedia und die Einfügung von Cavalcantis Kanzone scheint zum einen das Ziel eines homoge44 Houston (2008, 33): «This physical juxtaposition in the Chigiano manuscript contrasts the elegant poetry of the Vita Nova with the intellectually challenging Donna me prega through their markedly different aesthetic value on the manuscript folio. […] Boccaccio brings out the difference in poetic styles between Dante and Cavalcanti on the physical space of the manuscript folio».

296

4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

neren Textkonvoluts mit auf zweierlei Weise kommentierten Sonetten, Balladen und Kanzonen zu verfolgen und zum anderen die Gegenüberstellung der volkssprachlichen Lyrikproduktion von Dante und von Petrarca aufzugeben, zugunsten der Etablierung eines weitgreiferenden Kanons von florentinischen Dichtern, vor deren Hintergrund Dantes Gedichte zu lesen seien. Dass Boccaccio in K2 anstrebt, einen Kanon florentinischer Dichter zu etablieren, zeigt sich u. a. darin, dass die Schmähschrift auf die Stadt Florenz, Kapitel 7 des Trattatellos in der Edition von Solerti, im Compendio auf drei Sätze gekürzt wurde. Boccaccio tritt durch die Inklusion weiterer Florentiner Dichter selbst als Florentiner Autor zu Tage, wobei die Position seines Gedichtes durchaus erstaunlich ist. So ist es nicht vor dem Petrarca-Teil zu lesen, sondern unmittelbar vor den Canzoni distese von Dante, eröffnet diesen quasi mit seinem lateinischen Loblied auf Petrarca. Boccaccio gelingt es dadurch, Petrarca, Dante und sich selbst auf nur einer Handschriftenseite zu nennen und diesmal als Autor und nicht als Kommentator oder Biograph in Erscheinung zu treten: «Johannes boccaccius de certaldo fiorentinus».  

K2, 34r°

K2, 34v° © Biblioteca Apostolica Vaticana

Zusammenfassend lassen sich Boccaccios Editionsprojekte als eigenständige und großangelegte Interpretationen der Vita Nuova (und der anderen Dante-Texte) würdigen: Boccaccio fügt erstmals einen kommentierenden, erklärenden und auf die Dante-Lektüre vorbereitenden Text in die Vita Nuova-Handschriften ein, das

4.1 Von Glossen und Leerzeilen: die Boccaccio‑Handschriften

297

Trattatello oder Compendio. Dieser Text ist nicht nur eine Dante-Vita, sondern eine regelrechte Einleitung in die in den Handschriften präsentierte Werkzusammenstellung. Die Unterschiede der beiden Redaktionen lassen sich in der unterschiedlichen Zusammenstellung der Handschriften und einem überarbeiteten Editionsprojekt ausmachen. Während Dante in To eine «Monumentalisierung» von Dante anstrebt, weicht diese Fokussierung in K2 zugunsten einer Einordnung in den Kanon der Florentiner Dichter, dem sich Boccaccio durch die zweimalige Abschrift seines lateinischen Gedichtes Ytalie iam selbst zuschreibt. Die Vita Nuova wird dabei von Boccaccio genutzt, um als Herausgeber im bzw. am Text mit überliefert zu werden und dem Werk eine Form zu geben, die es kommentierungswürdig macht. Die einleitende Anmerkung steht dabei in Analogie zu den paratextuellen Argomenti der Commedia. In K2 ist Boccaccio in allen Graden der Unterscheidung von Leser und Autor von Bonaventura präsent. Er emendiert die Handschrift (emendare), er kommentiert die Vita Nuova durch das Compendio und tritt zwei Mal als lateinischer Autor zu Tage. Gleichzeitig entsprechen diese Schritte auch der Unterscheidung von Autor, Leser, Schreiber und Exeget des Vita Nuova-Proömiums, weil Boccaccio auch das «assemblare» durch die Neuordnung ausführt. Es geht um einen korrekten Text («laonde io, non potendolo negli altri emendare, in questo che scritto ho» Boccaccio, Maraviglierannosi molti, Fn. 10, Seite 267), um die Auslegung und Einbettung der Dante-Texte und um die Unterbeweisstellung der eigenen schreiberischen, herausgeberischen, kommentatorischen und dichterischen Fähigkeiten, die ihm erlauben, sich in den Kanon der großen Florentiner Dichter einzuschreiben. Boccaccio führt damit vor, wie die Buchmetapher der Vita Nuova konkret auf die Zusammenstellung (assemblare) einer neuen Handschrift angewendet werden kann, in der auch er die ausgewählten Texte (parole) von Dante mit einer dichiarazione einleitet, jedoch von einer divisione absieht, da sie als chiosa eine paratextuelle Funktion einnimmt und Boccaccio damit auf den Seitenrand verbannen würde. In To legt Boccaccio eine größere Sorge über die Seiteneinrichtung der Vita Nuova an den Tag, besonders durch die hervorgehobene Zäsur vor Quomodo sedet, deren Performativität ich in Bezug zur Passio Christi gezeigt habe. In K2 hingegen wird Dante bereits durch die Vita Nuova und die Canzoni distese kanonisiert, was die Loslösung und separate Überlieferung der Commedia zeigt. Gleichzeitig wird die Vita Nuova dadurch nicht in den Schatten des opus magnum von Dante gestellt, sondern ist ein Beispiel neben anderen für Liebesdichtung. Boccaccio zeigt mit seinen Editionen auch, wie der poetologische Aspekt von Lesern wahrgenommen wurde und bietet mit seiner Verteidigung der Dichtung quasi eine Antwort auf das metapoetische Kapitel der Vita Nuova. Während Dante dort eine Geschichte der volkssprachlichen Dichtung schreibt und die Frage des korrekten Gebrauchs der Allegorie und der Allegorese problematisiert, um eine

298

4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

Kontinuität zu den lateinischen Dichtern herzustellen, führt Boccaccio das allegorische Sprechen auf den Ursprung der Dichtung als Theologie zurück und gibt ihm dadurch eine unbestreitbare Legitimität. Auch die Neuordnung des Textes des libellos gewinnt aus dieser Perspektive eine neue Schärfe. Ich habe zu zeigen versucht, dass Boccaccio ein bestimmtes Interesse am Text und an seiner Verbreitung in den Handschriften an den Tag legt und von Nobilitierungsansprüchen und einer Verteidigung Dantes getrieben worden sein mag. To entsteht unmittelbar nach Boccaccios Treffen mit Petrarca, dem er sogleich eine Dante-Handschrift hat zukommen lassen. Vermutlich ist To deshalb als eine reine Dante-Handschrift konzipiert worden, um das Werk Dantes organisch vorzustellen, was in K2 nicht mehr notwendig war. Wenn Boccaccio in seiner Vorbemerkung «Maraviglierannosi molti» die Unterscheidung von «chiosa» und «testo» zur Erklärung für seine Textneuordnung anführt, so scheint er den Begriff «chiosa» trotz der Unterscheidung «dichiarare per dichiarare» und «dichiarare per dimostrare» in seiner ursprünglichen Wortbedeutung zur Auslegung biblischer und juristischer Texte zu verwenden. Boccaccio schreibt in seinem Trattatello vom Ursprung der Poesie in der Theologie und von der Theologie als Poesie Gottes. Die Poesie verberge unter der Hülle von Fabeln die glatte Wahrheit, und gerade ihre Verborgenheit lasse ihre Süße, wenn sie erst einmal durch die vielen Dinge, die sie verbergen, erkannt worden ist, besonders hervortreten: «und darum zogen sie [die Dichter] anderen Hüllen Fabeln vor, damit ihre Schönheit die anzöge, die sich weder von philosophischen Darlegungen noch Beweisen hätten anziehen lassen» (Boccaccio, Das Leben Dantes, ed. Taube 1921, 51).45 Boccaccio setzt diesen Vergleich der Poesie und Theologie graphisch in seiner Handschrift To fort, indem der Text zentrale Moment performativ gestaltet wie in der Passio Christi, wie ich im dritten Kapitel gezeigt habe. Als zweites graphisches Vorbild können die juristischen Kommentare angeführt werden. So wies Boccaccio in der Esposizione sopra la Commedia zu «messer Accorso chiosò tutto ‘l Corpo di ragion civile», die «Glossen» von Accursio Fiorentino erklärend, auf die Kommentierung juristischer Texte hin, «e furon le sue chiose tanto accette che elle si posero e sono e ancora s’usano per chiose ordinarie nel Codice e negli altri libri legali», die das zweite graphische Vorbild für die Seiteneinrichtung seiner Vita Nuova-Abschriften bildet (cf. Boccaccio, Esposizione, ed. Padoan, 1965, 680). 45 Boccaccio, Trattatello § 10 [152], ed. Berté, 85–86: «Manifesta cosa è che ogni cosa, che con fatica s’aquista, avere alquanto piú di dolcezza che quella che vien senza affanno. La verità piana, perciò ch’è tosto compresa con piccole forze, diletta e passa nella memoria. Adunque, acciò che con fatica acquistata fosse piú grata, e perciò meglio si conservasse, li poeti sotto cose molto ed essa contrarie apparenti, la nascosero; e perciò favole fecero, piú che altra coperta, perché la bellezza di quelle attraesse coloro, li quali né le dimostrazioni filosofiche, né le persuisioni avevano potuto a sé tirare».

4.2 Der Erfolg der Boccaccio-Edition

Accursio, Apparatus ad digestum vetus, Italien 1250–1300, Basel, UB, C I 1, 91r° © Universitätsbibliothek Basel

299

Boccaccio, Teseida (Neapel (?), Boccaccio, Vita Nuova K2, 19v° © Biblioteca 1340–1341) Apostolica Vaticana BML, Acquisti e Doni 325, 3r° © Biblioteca Medicea Laurenziana

Das Zusammenspiel von Prosa und Poesie, von Kommentar und Gedicht hatte auch die Zusammenstellung von Nicolò de’ Rossis Handschrift geleitet, der den ersten Teil der Handschrift mit einer Prosaüberlieferung seiner eigenen, kommentierten Kanzone eröffnete und mit der ein Gedicht von Francesco da Barberino illustrierenden Zeichnung abschließt. Dadurch wird die Frage nach der kommentierenden Funktion von Dichtung und illustierenden Funktion bildlicher Darstellungen aufgeworfen, die durch die Boccaccio-Handschriften um den Aspekt der Performativität in der Gestaltung von Handschriften erweitert wird.

4.2 Der Erfolg der Boccaccio-Edition und die verschiedenen Lösungen des Problems der Marginalisierung der divisioni: R, L und andere Entgegen des Nobilitierungsversuches der Vita Nuova durch die Betonung seiner Kommentierungswürdigkeit in den chiose finden wir in den Handschriften, die Boccaccios Neuordnung folgen, zwei Interpretationen, die zu ganz unterschiedlichen Lösungen führen und in beiden Fällen eine einleuchtende Konsequenz der Boccaccio-Edition sind.

300

4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

To, 29r° (1352–1356) © Archivio y Biblioteca Capitulares Catedral Primada de Toledo

K2, 13r° L, 1r° (1375–1400) (1359–1366) © Biblioteca Medicea © Biblioteca Apostolica Laurenziana Vaticana

Codice Altemps, BNCF, Panc. 9, 37r° heute verschollen (15. Jh.) © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze

BNCF, Pal. 659, 65v° (15. Jh. ex/ 16. Jh. in.) © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze

BNCF, Magl. VII, 1103, 45r° (15. Jh.) © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze

BNCF, Pal. 204, 27v° (16. Jh.) © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze

Zunächst gibt es in der handschriftlichen Überlieferung der Vita Nuova eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Handschriften, die zwar weitere Änderungen oder Kontaminierungen aufführen können, jedoch grundsätzlich der Boccaccio-Edition entsprechen. Neben den beiden Boccaccio-Handschriften K2 und To gibt es sechs weitere Handschriften, die Boccaccios Vorbemerkung «Maraviglierannosi» und die Marginalisierung der Unterteilungen aufweisen.46 Drei dieser insgesamt

46 Es handelt sich hierbei um die drei folgenden Handschriften: ms. BML, XC sup. 136 (L, siehe S. 302–303) des 14. Jahrhunderts, ms. BNCF, Magl. VII 1103 und BNCF, Panc. 9, beide des 15. Jahr-

4.2 Der Erfolg der Boccaccio-Edition

301

acht Handschriften können in das 14. Jahrhundert datiert werden, drei bzw. vier ins 15. Jahrhundert und eine bzw. zwei zu Beginn des 16. Jahrhunderts.

4.2.1 Der Wegfall der divisioni: R1 und Antonio Pucci Eine zweite Lösung der in die Marginalien gedrängten Unterteilungen spiegelt eine radikalere Interpretation der Rolle der Unterteilungen wider. Während die Schreiber der vier oben genannten Handschriften die Unterteilungen wieder als Text in den Textkorpus aufnehmen und somit Boccaccios Unterscheidung zwischen chiosa und testo missachten, finden wir in den aufgeführten Handschriften die Folge eben dieser Unterscheidung von chiosa und testo mit der Folge der Auslassung der divisioni. Diese Tradition ist mit 15 Handschriften weit verbreitet und erstreckt sich über alle drei Jahrhunderte, wobei nur eine Handschrift des 14. Jahrhunderts in dieser Form überliefert ist, während sechs in das 15. Jahrhundert und acht in das 16. Jahrhundert datiert werden. Barbi zählt R, den ältesten Zeugen des Wegfalls der Unterteilungen, und ms. Magl. VI 187 als einzige Zeugen zur Gruppe b1 und hebt hervor, dass diese sich von b3, zu der die restlichen Handschriften gehören (die Positionierung von ms Ricc. 1054 ist unklar), in vierzig Punkten unterscheiden (cf. Barbi 1932, CXLVII–CXLIX, tav. 2). Der Wegfall der Unterteilungen könnte auch als Erweiterung des Autor-Editor-Verständnisses begriffen werden, wie es Boccaccio in seiner Vorbemerkung festgelegt hat. So wie Boccaccio in den Text von Dante eingreift und die nicht textuellen Teile als solche kenntlich macht, so geht der Schreiber vor, der die paratextuellen Unterteilungen nun gänzlich weglässt und gewissermaßen der Intention von Boccaccio folgt.47

hunderts (die ich untersucht und beschrieben habe, deren Beschreibung jedoch nicht in den Handschriftenkatalog aufgenommen wurde). Die Handschrift BNCF, Pal. 204 (Beginn des 16. Jh.s) überliefert die Vorbemerkung nicht und beim Codice Altemps (Ende des 15. Jh.s) ist die Vorbemerkung wegen der fragmentarischen Überlieferung (Incipit: §, 12: «apparve a me vestita di colore») nicht enthalten. Diese Handschrift konnte zum letzten Mal von Barbi untersucht, der eine Beschreibung der Handschrift (Barbi 1932, LXIII–LXIV) liefert. Die Handschrift wurde in den 30iger Jahren des 20. Jahrhunderts nach Amerika verkauft, wo sich ihre Spuren verlieren. Cf. auch Pirovano (2012, 290). Die Handschrift BNCF, Pal. 659 (Ende des 15. Jh.s/ Anfang des 16. Jh.s) hingegen überliefert nur die Vorbemerkungen auf f. 65v°. Diese Handschrift wurde nicht von Barbi berücksichtigt. 47 Carrai (2007b, 64) hebt hervor wie Boccaccio mit der Übersetzung der Consolatio Philosophiae von Boethius umgeht, um die Erzählstruktur nicht durch paratextuelle Einschübe zu unterbrechen und welchen Einfluss dieses Werk auf seine eigene Produktion insbesondere auf Comedia delle ninfe hatte.

302

4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

R (1375–1400), 25r° © Biblioteca Riccardiana

Pal. 561 (1400–1425), 22v° © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze

BML, ms. XL 42 (15. Jh.), BNCF, Conv. B, 2, 1267 (15. Jh.), 1r° 1r° © Biblioteca © Biblioteca Nazionale Medicea Laurenziana Centrale di Firenze

BNCF, Magl. VI 187, 4r° BML, ms. XL 31 ©Biblioteca Nazionale (15. Jh.), 54r° ©Biblioteca Centrale di Firenze Medicea Laurenziana

BB, ms. AG, XI, 5 (1500–1525), 1r° © Biblioteca Nazionale Braidense

BTriv; ms. 1050 BIth, ms. D 51 (1513), BM, ms. ital. IX 491 1r° © Cornell University (1500–1550), 1r° (16. Jh.), 1r° © Biblioteca Trivulziana © Biblioteca Marciana Library

BM, ms. ital. IX 191 (1509), 34r° © Biblioteca Marciana

BNN, ms. XIII, C, 9 (16. Jh.), 1r° © Biblioteca Nazionale di Napoli

4.2 Der Erfolg der Boccaccio-Edition

303

Der Schreiber von L hat auf Boccaccios Intention am Ende seiner Abschrift der Vita Nuova deutlich hingewiesen und Boccaccio als Urheber der Neuordnung identifiziert, die Dante im Text eingefügt hatte. Damit wird erstmals die Rolle von Boccaccio als Herausgeber der Vita Nuova gewürdigt.

Explicit liber uite noue uiri clarissimis Dantis allighieri poete illustris scripto per lo modo che llo scripse messere giouanni Boccaccio da certaldo pero che dante le chiose che ci sono mise nel testo e messer giouannij nelle cauo e aconciolle come stanno la cagione assegnauj una chiosa di questo libretto che dice marauiglerannosi. L, 15rb° © Biblioteca Medicea Laurenziana

Banella hat die unmittelbare Rezeption der Boccaccio-Edition untersucht und Antonio Puccis Vita Nuova-Handschrift als erstes Rezeptionszeugnis für die Zirkulierung der Boccaccio-Edition gewertet.48 Sie hebt zudem hervor, dass Pucci, so wie Boccaccio in To, die verschiedenen Dante-Texte lagenfüllend konzipiert hat und wahrscheinlich zu unterschiedlichen Zeiten geschrieben habe, bevor sie in derselben Reihenfolge wie in der Boccaccio-Edition gebunden wurden. Auch die Präsenz von Cavalcantis Donna me prega und eine Kurzversion des Petrarca-Teils von K2 scheint die Modellrolle der Boccaccio-Edition mit seinen Co-Texten zu belegen. Aufgrund der Abwesenheit der Commedia in R schließt Banella, dass Pucci sich auf K2 stützt, in dem der Commedia-Teil separat überliefert wurde. R könne als erste Reaktion auf Boccaccios Vorbemerkung und Neuordnung des Textes angesehen werden, da Pucci auf die Überlieferung der divisioni verzichtet, die dazugehörige Erklärung von Maraviglierannosi kopiert er allerdings auch nicht. Banella hebt hervor, dass die Texteinrichtung grundsätzlich der Boccaccio-Edition entspreche, mit Prosa in Blocksatz und Zeilensprung nach zwei Versen. Boccaccios komplexes System von Hervorhebungen und Gliederungen durch den Gebrauch 48 Banella (2015, 240): «Pucci’s codex provides rich evidence for understanding the early reception and circulation of Boccaccio’s Vita nuova. It […] is the oldest extant copy reproducing Boccaccio’s edition of the Vita nuova». Cf. auch Ciociola (2001, 151–152). Bettarini Bruni (1978) bezweifelt, dass R direkt auf die Boccaccio-Edition zurückgeht.

304

4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

von verschiedenen Initialen und Paragraphenzeichen könne jedoch nur z. T. in Puccis Ausführung wiedergefunden werden.  

R, 42v°-43r° © Biblioteca Riccardiana

Auf f. 42v° und f. 43r° wird die Gegenüberstellung der Vita Nuova mit den Cavalcanti-Gedichten durch die Rubrizierung der letzten zwei Vita Nuova-Gedichte deutlich. So wurde im Text eine Rubrik vor Deh peregrini und Oltre la spera eingefügt, welche Dante als Autor angibt, ebenso wird auf der nachfolgenden Seite Cavalcanti als Autor angegeben. Dadurch wird die Vita Nuova graphisch nicht eindeutig vom Gedichtteil der Handschrift abgesetzt, sondern scheint in diesen überzugehen, obgleich im Gedichtteil keine erklärenden Prosaabschnitte vorliegen. Die Textauswahl der Handschrift mit der unmittelbaren Nähe der Vita Nuova und der Cavalcanti-Gedichte scheint in der Tat an K2 angelehnt zu sein, wo die Kanzone Donna me prega von Cavalcanti direkt auf die Vita Nuova folgte. Diese Abhängigkeit kann auch durch den Petrarca-Teil bestätigt werden. Allerdings wurde der Gedichtteil in R zu einem regelrechten Canzoniere erweitert, der neben den großen Florentinern auch einzelne Gedichte weniger bekannter Dichter überliefert. In der Abschrift der Vita Nuova folgt Antonio Pucci der Boccaccio-Edition, obwohl die Auslassung oder Kürzung der Gedichttitel nicht auf ein räumliches Kriterium wie bei Boccaccio zurückzuführen ist. Zwei Mal fügt er kleine Überleitungen in den Text ein: mit «come segue» anstelle der Einleitungsfloskel von Donne

4.2 Der Erfolg der Boccaccio-Edition

305

ch’avete intelletto d’amore und ein- und ausleitende Hinzufügungen im Rahmen der zwei Gedichtanfänge von Era venuta nella mente mia. Es scheint, dass diese Floskeln eine von Prosa zu Poesie überleitende Funktion innehaben und Puccis Eingriff somit dem Charakter der Vita Nuova mit ihren verschieden konnotierten und funktionalen Textabschnitten entspricht.49 Entgegen der klaren Gliederung der Boccaccio-Edition in zwei Teile durch die Leerzeile (in To) und dem Absatz (in K2) sind in R keine graphischen Anhaltspunkte für eine Zweiteilung des Textes vor Quomodo sedet sola zu finden. Der Prosatext folgt unmittelbar ohne Absatz auf das Gedicht Si lungamente, und danach folgt ein Seitenwechsel, der jedoch keine künstliche Trennung erzeugt. Was die Vorbildfunktion der Boccaccio-Edition angeht, so kann zwar eine textuelle Abhängigkeit der Handschrift hervorgehoben werden, jedoch wird die editorische Leistung Boccaccios nur bedingt berücksichtigt. Eine bewusste Aneignung oder gar Erweiterung des kulturellen Programms der Boccaccio-Edition wird mit R nicht erfüllt. Antonio Pucci tritt an zwei Stellen in der Vita Nuova als Leser hervor, indem er durch zwei maniculae dem Gedicht Amore ‘l cor gentil und Kapitel XVI besondere Achtung verleiht. Banella liest diese Anmerkungen vor dem Hintergrund des Dante-Lobes aus Kapitel 55 des Centiloquio als Bestätigung einer integrativen Interpretation des Œuvres von Dante, in dem sich die Vita Nuova bereits durch ihre Theoretisierung und Gelehrtheit auszeichne.50 Maniculae von Antonio Pucci

R 12v° 17v° © Biblioteca Riccardiana

19v°

32v°

36r°

49 R: § 10, 14: 32r°: cominciai una canzone col detto cominciamento >come segueprima dicee fine< Era uenuta nella mente mia. 50 Banella (2015, 242): «This example makes clear that Pucci’s representation of Dante gives a consistent framework for the maniculae commenting the Vita nuova in his copy: they seem intended to underline that Dante showed his wisdom and eruditio not only in the ‘solenne Commedia’ but also in the Vita nuova».

306

4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

Es sind jedoch drei weitere maniculae im Trattatello der Hand von Antonio Pucci zuzuschreiben, wodurch ein organischeres Bild der Dante-Interpretation Puccis ermöglicht wird. Liest man die fünf Anstreichungen zusammen, so fällt die Hervorhebung der Luxuria in Kapitel 25 des Trattatellos aus dem sich thematisch abzeichnenden Reigen heraus (cf. Banella 2015, 242). «Tra cotanta virtù, tra cotanta scienzia, quanta dimostrato è di sopra essere stata in questo mirifico poeta, trovò amplissimo luogo la lussuria, e non solamente ne’ giovani anni, ma ancora ne’ maturi. Il quale vizio, come che naturale e comune e quasi necessario sia, nel vero non che commendare, ma scusare non si può degnamente» (R. 17v, Boccaccio, Trattatello § 11 [172], ed. Berté, 93).

Es sticht vielmehr ein Interesse an Dantes poetologischem Diskurs mit den Hervorhebungen in der Vita Nuova hervor. Auch in zwei Kapiteln des Trattatellos scheint das Thema des Dichtens hervorgehoben worden zu sein, wenn auch unter einem anderen Gesichtspunkt. Weniger die Geschichte der volkssprachlichen Dichtung und ihre thematische Verankerung stehen im Vordergrund, denn ihre Wirkkraft und Zirkulierung. «Vaghissimo fu e d’onore e di pompa per avventura piú che alla sua inclita virtú non si sarebbe richiesto. Ma che? qual vita è tanto umile, che dalla dolcezza della gloria non sia tocca? E per questa vaghezza credo che oltre ad ogni altro studio amasse la poesia, veggendo, come che la filosofia ogni altra trapassi di nobiltà, la eccellenzia di quella con pochi potersi comunicare, e esserne per lo mondo molti famosi; e la poesia piú essere apparente e dilettevole a ciascuno, e li poeti rarissimi» (R 12v°; hier zitiert aus Boccaccio, Trattatello § 9 [125], ed. Berté, 76–77).

In Kapitel 20 des Trattatellos wird der Rezeptionshorizont von Poesie im Gegensatz zur Philosophie betont, während Boccaccio in Kapitel 26 die frühe Zirkulierung der Commedia beschreibt. «Egli era suo costume, quale ora sei o otto o più o meno canti fatti n’avea, quegli, prima che alcuna altro gli vedesse, donde che egli fosse, mandare a messer Cane della Scala, il quale egli oltre a ogni altro uomo avea in reverenza; e, poi che da lui eran veduti, ne facea copia a chi la ne volea» (R 19v°, Boccaccio, Trattatello § 14 [183], ed. Berté, 101).

Der Bogen schließt sich hier durch die Anstreichung von Amor e ‘l cor gentil, das als erstes Sonett nach der Einführung in den stile della lode durch Donne ch’avete intelletto d’amore explizit Aristoteles zitiert und als philosophisches Gedicht definiert werden mag. Es zeigt sich also, dass Pucci, der auch die Dante-Kanzonen in einem zweiten Lesegang korrigierte, ein thematisch konnotiertes Interesse an der Handschrift aufweist und die Texte nicht nur zu bibliophilen Zwecken aufbewahrte.

4.2 Der Erfolg der Boccaccio-Edition

307

Antonio Pucci ist nicht nur der Schreiber und Besitzer von R, sondern auch der Handschrift Laurenziana Tempi 2, die von Varvaro unter dem Titel Il libro di varie storie ediert wurde. Hier finden sich Exzerpte aus der Commedia und vielen anderen Texten. Auf f. 90r°-v° schrieb Antonio Pucci die ersten drei Sonette der Vita Nuova ab, welche unter dem Paratext «Finito il libro della nuoua uita del manianimo poeta dante alighieri fiorentino» mit «Sonetto che dante mando a ciascuno amante: A ciascun alma presa» beginnen. Einige Blätter weiter kann man unter dem Titel «Incipiunt cantilene dantis alighieri de florenzia» 21 Kanzonen von Dante lesen, die jedoch in der Handschrift auf verschiedenen freien Seiten nachgetragen wurden: f. 105v°-111v°: Kanzone 1–14, f. 159r°-161r°: Kanzone 14–18 und f. 88r°-v°: Gedichte 19–21.51 Auf f. 161r° liest man «Expliciunt cantilene dantis alleghierij deflorenzia. Chonpiei di Rassenprarle Io lorenzo di Giouani di taddeo bencj debaroni da signa […] Adi xiiij di luglio 1399». Dieser Zibaldone ist, wie viele andere Pucci-Handschriften, in den Besitz der Benci-Brüder gelangt, die Ende des 14. Jahrhunderts und zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine umfangreiche Bibliothek volkssprachlicher Literatur und lateinischer Werke zusammenstellten. So konnte der Bruder von Lorenzo, Filippo Benci, als Besitzer der Vita Nuova-Handschrift Oxford, Bodleian Library, ms. Canon. Ital. 114 durch zwei Anmerkungen identifiziert werden, in denen er die Gedichte als der Vita Nuova zugehörig bezeichnet (cf. Tanturli 1978, 203–204 und 298). In Tempi 2 werden die Kanzonen der Vita Nuova, wie bereits in Gc, als Teil der 15 canzoni distese in einer Abschrift von Lorenzo Benci überliefert, die Vita Nuova wird im Paratext zu der Abschrift der Vita Nuova-Sonetten von Antonio Pucci erwähnt, die vermutlich auf eine vollständige Abschrift des libellos in der Handschrift folgte.52 Ob sich der Verweis auf eine für die Handschrift vorgenommene Abschrift bezieht, bleibt offen, feststeht jedoch, dass die Abschrift der Gedichte auf ein Explicit einer Vita Nuova-Abschrift folgen und damit entweder aus dem Prosatext herausgelöst wurden, oder dass die Gedichte zweimal überliefert wurden. Tempi 2 ist als Zibaldone konzipiert, als Studienhandschrift eines Autors, der bereits eine vollständige Abschrift der Vita Nuova angefertigt hat. Während in R die Vita Nuova ihre divisioni verliert, vollzieht sich hier eine Auflösung der Bindung von Poesie und Prosa.

51 In den Paratexten der jeweiligen Abschnitte wird auf die Weiterführung verwiesen: f. 111v°: «Finita la xiii chanzona di dante chomincia la xiiii Inanzi in questo a c 158», f. 159r°: «Indietro a c 110 e scritto sino alla 1/13 chanzona di dante qui a pie chominciero la 1/14 Nel nome di dio. XIIII»; f. 161r°: «Sono il resto di detto canzone che ne scritto sino a 18 elle sono 21 siche il resto e inquesto 87 indietro», f. 88r°: «canzone di dante che mancano chel resto chominci in questo 104 158». 52 Da ich die Handschrift nicht vor Ort untersuchen konnten, sind meine Angaben hierzu nicht durch eine paläographische Untersuchung belegt.

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

Wie auch die anderen Dichter-Abschriften der Vita Nuova so wurde auch R mit einem eigenen Gedicht abgeschlossen, das jedoch aufgrund der Loslösung von mehreren Blättern am Ende des ersten Teils der Handschrift (vor seiner späteren Erweiterung) verloren ist. Im Inhaltsverzeichnis hat Antonio Pucci als letztes Gedicht «Ben ch i conoscha e veggia che l tacere» aufgelistet, ohne sich selbst als Autor zu nennen. Abschließend kann hervorgehoben werden, dass Antonio Pucci die Vita Nuova in zwei von ihm eigens angefertigten Handschriften besaß, wobei die erste Handschrift in ihrer Zusammenstellung an Boccaccios zweite Edition angelehnt ist und auch wie diese durch die Abschrift eines eigenen Gedichtes abgeschlossen wird. In Tempi 2 hingegen wird die Vita Nuova als Gedichtanthologie als Teil der moralischen Kanzonen überliefert und nach dem Explizit der vollständigen Vita Nuova-Abschrift. Antonio Puccis Verbreitung der Vita Nuova ist sowohl mit R als auch mit Tempi 2 von Erfolg gekennzeichnet, was die Weiterführung der Überlieferung durch einen späteren Besitzer, Lorenzo Benci, durch die Einfügung der Dante-Kanzonen und das Interesse der Benci-Brüder für den Text der Vita Nuova belegt ist.

4.2.2 Ausblick: Boccaccios Autoritätsverlust Als zweite «Lösung» in der Rezeption der Boccaccio-Edition (zur Gruppe b gehörend) finden wir darüber hinaus vier Handschriften,53 die die Unterteilungen zurück aus den Glossen in den Haupttext integrieren, aber die Änderungen von Boccaccio in den Formulierungen beibehalten. Diese Lösung ist erstmals in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in einer venezianischen Handschrift bezeugt.

53 Es handelt sich um folgende Handschriften: BM, ms. ital. X, 26 (15. Jh.) und seinem Derivat BL, ms. Can. ital. 114 (15. Jh.); BML, ms. XC sup. 137 (16. Jh.) und BNCF, ms. Panc. 10 (2. Hälfte des 16. Jh.s). Zum Verhältnis von BM, ms. ital. X, 26 (ms) und BL, ms. Can. ital. 114 (Ox) cf. Barbi (1932, CLXXVI-CLXXXII).

4.2 Der Erfolg der Boccaccio-Edition

BM, ms. m ital. X. 26, f. 1r° © Biblioteca Marciana

BL, ms. Can. Ital. 114, 1r° (1450–1500) © Bodleian Library

BML, XC sup. 137, 4r° (16. Jh.) © Biblioteca Medicea Laurenziana

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BNCF, Panc. 10, 1r° (16. Jh.) © Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze

Die Handschrift Laur. XC sup. 137 des 16. Jahrhunderts weist zudem die Vorbemerkung von Boccaccio auf und kann dadurch entweder auf eine ältere Handschrift dieser Form zurückgeführt werden, als Zeugnis einer späteren Rezeption der Boccaccio-Edition gelten oder aber als Beispiel einer Kontaminierung durch die Boccaccio-Edition und den hier vorgestellten Überlieferungsstrang. Gemeinsam ist allen Handschriften, dass sie die Unterteilungen wieder in den Haupttext integrieren und immer den Gedichten nachgeordnet präsentieren, jedoch mit den Veränderungen Boccaccios überliefern. Das Beispiel der Unterteilung von Gli occhi dolenti zeigt diese dem Text widersprechende Integration besonders deutlich, weil Dante in der Unterteilung selbst betont, dass sie von nun an den Gedichten vorangehen soll.

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

BL, ms. Can. Ital. 114, 26r° (1450–1500) © Bodleian Library

BML, XC sup. 137, 47v° (16. Jh.) © Biblioteca Medicea Laurenziana

Die Schreiber dieser Handschriften haben die Unterteilungen aus den Glossen wieder in den Haupttext integriert und dadurch der Unterscheidung von Boccaccio zwischen testo und chiosa widersprochen. Besonders auffällig ist dies im Fall von BML, ms. XC sup. 137 (L4), einer Handschrift, die zusätzlich zu dieser Reintegrierung der Unterteilungen auch die Vorbemerkung von Boccaccio überliefert, in welcher eine Begründung für seine Neuordnung und die Marginalisierung der Unterteilungen gegeben ist. Neben einer eventuellen inhaltlichen Entscheidung scheint das relativ kleine Format von 205 x 143 mm mit einem Textkorpus von 145 x 87 mm für die Reintegration der Unterteilungen in den Haupttext zu sprechen. Doch der Schreiber gibt uns seine Gründe für die Reintegration selbst zu Textbeginn an:

4.2 Der Erfolg der Boccaccio-Edition

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Perche in questa operetta che fece Dante: non douette esso distinguere le diuisioni da e sonetti & canzone & altro testo: cioe’, quello che indocto lhaueua affare detti sonetti & canzone: Vno don de io ho questo copiato ne fa mentione & perche: Et Io quella chosi apunto replichero: p(er)che ognal tra chosa ho appunto copiata, come lui ha accon cio: Et formalmente chosi dice:MARAVIGLIERANNOsi […] BML, ms. XC sup. 137, 4r°: © Biblioteca Medicea Laurenziana «Weil in diesem Werklein, das Dante gemacht hat, jener [Boccaccio, MdME] die Unterteilungen der Sonette und Kanzonen nicht von dem anderen Text, also [von dem], was ihn [Dante] bewegt hatte, diese Sonette und Kanzonen zu machen, hätte unterscheiden sollen und er, von dem ich dies kopiert habe, darüber schreibt, deshalb werde ich diese [Vorbemerkung] so wiedergeben, weil ich jede andere Sache abgeschrieben habe, wie er es gemacht hat und so sagt er wörtlich: ‹Es werden sich viele wundern…›».

Der Schreiber hatte also eine Vorlage der Boccaccio-Edition, die er kritisch las und deren Neuordnung er bewusst zurückgenommen hat. Barbi ordnet L4 zur Untergruppe b3. Er zeigt eine Nähe zu BNCF, Conv, B, 2, 1267 (Conv) auf, welche jedoch nicht eindeutig geklärt werden kann, weil ms. Conv. weder die Unterteilungen überliefert noch in den charakteristischen Lesarten übereinstimmt.54 Trotz der Vorbemerkung des Schreibers, in der eine Kritik an Boccaccios Vorgehen ausgedrückt wird, wurden die Unterteilungen farblich vom Haupttext abgesetzt und dadurch wie die Vorbemerkung des Schreibers in ihrer paratextuellen Funktion hervorgehoben. Die hier vorgelegte Lösung ist ambivalent und lässt einerseits auf einen kritischen Schreiber schließen, der sein Vorhaben jedoch nicht kohärent ausführt, gleichzeitig zeigt sich Boccaccios Autoritätsverlust, indem einerseits die Edition abgeschrieben wird, aber nicht die Seiteneinrichtung übernommen wird.

54 Barbi (1932, CLXXXIV–CLXXXVI). Die von Barbi festgestellten gemeinsamen Lesarten umfasst 17 Punkte. Jeweils 38 charakteristische Lesarten notiert er hingegen für L2 und Conv, cf. Barbi (1932, CLXXXV): «Laur. XC sup. 137 non può esser derivato da Conv., perchè questo non ha le divisioni nè tutte le rime, e il primo sì. Ma che neppure Conv. dipende da Laur. n’è, se non certo, probabile indizio il fatto stesso della mancanza in quello delle divisioni, perchè essendo in Laur. rimesse nel testo, non vi era l’occacione di tralasciarle, come trascrivendo dai codici che le avessero nei margini a guisa di commento».

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

4.3 Schlussbemerkungen und Lakunen Die Geschichte der Vita Nuova im 14. Jahrhundert, die in diesem Kapitel vorgestellt wurde, hat einen Fokus auf die Rezeption der Vita Nuova durch die Dichter gelegt, um einerseits die These zu überprüfen, dass die Vita Nuova sich an die Dichter richte, und um andererseits die Möglichkeit zu haben, den Umgang mit dem Text in der literarischen Produktion der Dichter nachvollziehen zu können. Dadurch wurden jedoch notgedrungen viele Handschriften aus einer detaillierten Betrachtung ausgespart, die für die Rezeption der Vita Nuova von großer Bedeutung sind. Die erste vollständige Überlieferung des libello in M, die gleichzeitig die Handschrift war, die die größte Anzahl an Leserspuren aufweist, wurde hier beispielsweise nur im Zusammenhang der verschiedenen Redaktionsphasen vorgestellt. Cavalcanti als Adressat der Vita Nuova und einziger volkssprachlicher Autor, der von Dante in der Vita Nuova explizit als «primo amico» mit den Anfangsversen seines Antwortsonettes auf A ciascun alma presa zitiert wird, das in der Handschrift V erstmals vollständig in den Text der Vita Nuova integriert wurde, wurde in dieser Geschichte der Vita Nuova nicht berücksichtigt. So konzentrierte sich die Untersuchung weniger auf die Identifizierung einzelner Belege einer Rezeption und «Verarbeitung» des «literarischen Materials» der Vita Nuova, als auf den Aspekt der Vervielfältigung des Textes und auf die Frage nach dem Status einer Kopie, die sich durch die Kontextualisierung, die neuen Co-Texte und die paratextuellen Anmerkungen vielmehr als eigenständiges Artefakt zeigt. Im Abschnitt über die verschiedenen Redaktionsphasen und die doppelte Redaktion der Gedichte kristallisierte sich Bologna als Zentrum der Vita Nuova-Verbreitung heraus. Hier wurden erstmals einzelne Gedichte abgeschrieben und in den Memoriali Bolognesi «archiviert», hier ist mit dem Handschriftenraub eine erste Vita Nuova-Handschrift belegt. Es ist vermutlich Cino da Pistoia, der Isfacciato da Montecatini mit den Vita Nuova-Gedichten in Bologna bekannt machte, auch ist es vermutlich Cino, der einen anderen Notar die Abschrift der Vita Nuova-Gedichte in der Zusammenstellung mit eigenen Gedichten in der Handschrift Mc veranlasste. Wiederum scheint es Cino zu sein, der Boccaccio mit der Vita Nuova in Neapel bekannt machte, wo er als Professor der Rechte am Studium zwischen 1330 und 1332 lehrte.55 In der Tat sind in Boccaccios Werk die ersten Nach-

55 Mazzetti (2016, 209): «Sappiamo che negli anni accademici tra il 1330 e il 1332 Cino fu chiamato a ‹leggere› diritto civile allo Studio di Napoli da re Roberto e che Boccaccio, negli stessi anni, frequentava il medesimo Studio applicandosi al diritto canonico: trattasi d’ipotesi, ma non appare affatto improbabile che Giovanni fosse stato anche suo discepolo, in un’età in cui i professori formavano un organismo unico, senza suddivisioni di facoltà distinte»; und 218: «I testi danteschi, ad esempio, saranno arrivati nelle mani di Boccaccio pel tramite di Cino stesso o forse di Se-

4.3 Schlussbemerkungen und Lakunen

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klänge einer Vita Nuova-Lektüre in Caccia di Diana zu finden,56 das in Boccaccios Studienzeit in Neapel datiert wird. Cino ist es auch, der Nicolò de’ Rossis Lektüre der Vita Nuova bestimmte und durch welchen dieser, vermutlich wieder in Bologna,57 mit der Vita Nuova erstmals in Berührung gekommen ist. Dadurch zeigt sich, dass die Vita Nuova, die Lektüre, Interpretation und Abschrift des Werkes bis zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts durch die Person von Cino da Pistoia veranlasst wurde, bevor die Boccaccio-Editionen die Rezeption des Textes bestimmen. Ein Hauptunterschied in der Divulgation der Vita Nuova durch Cino da Pistoia und durch Boccaccio ist, dass aus Cinos Verbreitung Gedichtabschriften hervorgehen, während Boccaccio die Verbreitung des libellos vorantreibt. Gleichzeitig entstehen dank Cinos Promotion der Vita Nuova bereits in den dreißiger Jahren Werke, die auf der Rezeption der vollständigen Vita Nuova beruhen, wie das Loblied auf 30 Frauen in Boccaccios Caccia a Diana und Nicolò de’ Rossis Kanzone und Selbstkommentar von Color d’amore. Die Dichter-Handschriften der Vita Nuova geben also Aufschluss über eine Rezeption der Vita Nuova, die gleichzeitig eine «Edition des Textes» hervorgebracht hat, weil neue Handschriften angefertigt wurden, die meist nicht nur zum privaten Studium der Texte gedacht waren, sondern einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden sollten. Auch in den Fällen, in denen die Handschrift als Arbeitsmaterial konzipiert wurde, erfuhr die Vita Nuova eine besondere Aufmerksamkeit, wie in Tempi 2 durch die Fortschreibung von Lorenzo Benci. Die Untersuchung dieser Vita Nuova-Handschriften hat ergeben, dass der Umgang mit den Gedichten der Vita Nuova sehr unterschiedlich ausgefallen ist, jedoch immer auf eine Neuordnung des Materials und auf eine neue Kontextualisierung nuccio del Bene – e non si tratta solamente delle epistole dantesche, ma anche del frammento della lettera di frate Illaro, e probabilmente del Del vulgari che la critica più recente vuole sempre più diffusosi già a Napoli». Cf. zur Rolle von Senuccio del Bene in der Dante-Verbreitung: Piccini (2010, 22–23). 56 Alfano geht der Frage der fiktiven Leserschaft von Giovanni Boccaccios Caccia a Diana nach, die um 1330 entstanden ist. Dieses Gedicht richte sich an die neapolitanischen Aristokratie und könne deshalb nicht die Vita Nuova und den im Kapitel II, 11 Lobgesang auf die sechzig schönsten Florentinnerinnen als Allusionsmodell im Hintergrund haben. Er zeigt im Zusammenhang von Boccaccios Versuch, sich als auctoritas zu präsentieren, die Intertextualität von Filostrato und Filoloco und den Kanzonen und der Vita Nuova auf. Alfano (2012, 18): «Già appare francamente incredibile che i lettori napoletani fossero a conoscenza del sirventese dantesco (ammesso sia mai esistito), […]. Un rapporto di prima mano con la Vita nova, e soprattutto un rapporto cosi intenso da porter funzionare per allusione, appare improbabile nell’ambiente franco-napoletano»; und 25–26. 57 Nicolò hat sein Rechtsstudium in Bologna 1317 abgeschlossen, bevor er 1318 als Professor für Recht an das Studium nach Trevisio zurückkehrte und Cino da Pistoia als Gegenkandidaten ausstach. Cf. Brugnolo (1977, 3).

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4 Sotto una rubrica. Die Vita Nuova als libello

ausgerichtet war. Es ist nicht nur Boccaccio, der das libello neu ordnet und die Rezeption des Werkes bestimmt, vor ihm haben bereits Cino da Pistoia und Nicolò de’ Rossi die Gedichte der Vita Nuova in «Editionen» einfügen lassen. Auch die ersten Abschriften von Vita Nuova-Gedichten in den Memoriali Bolognesi wurden von Giansante als Publikation angesehen, obwohl eher von einer Archivieriung gesprochen werden kann. Dabei treten die Schreiber als Herausgeber immer deutlicher auf, die ihre Editionen vorstellen und das Vorgehen begründen oder aber auf die Textherkunft (Antonio Pucci) und Überlieferungsprobleme (Schreiber von L) hinweisen. In den Dichter-Handschriften lässt sich ein Bezug auf den Text der Vita Nuova beobachten, der von einzelnen Reminiszenzen, Imitationen des Reimschemas oder der Narration bis zu Antwortgedichten reicht. In der Gestaltung und Zusammenstellung scheinen die Handschriften als Weiterführung des «assemplare» von «parole scripte» gelten zu können, in denen die Dichter, so wie Dante im libello, Texte auswählen, neu ordnen und durch eigene Hinzufügungen zum Teil in Poesie (Cino da Pistoia und Nicolò de’ Rossi), zum Teil in Prosa (Nicolò de’ Rossi und Boccaccio) kommentieren.

5 Explicit und abschließende Bemerkungen Ita illas imagines in memoriae penetralibus rerum ante sensarum quadam documenta gestamus, quae animo contemplantes bona conscientia non mentimus, cum loquimur […] Augustinus, De Magistro xii, 39. Die Untersuchung der Rezeption der Vita Nuova anhand ihrer Textträger ist in dieser Form ein Novum für die Dante-Forschung, weil eine literaturwissenschaftliche Textanalyse als Ausgangspunkt für eine paläographische Untersuchung und kulturgeschichtliche Bewertung genommen wurde. Die Erforschung und Erschließung der Dante-Handschriften und auch der Aspekt der Materialität der Textüberlieferung im Sinne der material philology hat in den vergangenen Jahren wichtige Ergebnisse erzielt, neue kritische Ausgaben herausgebracht und diplomatische Ausgaben einzelner Handschriften zugänglich gemacht. Die Performativität von Handschriften rückte in den vergangenen Jahren stärker in den Fokus der Forschung, gerade in der germanistischen Mediävistik, ist aber in vielen Disziplinen noch weitestgehend unberücksichtigt (cf. Herberichs/Kiening 2008; Lutz/Backes 2010; Kempf 2017). Die Gestaltung einer Handschrift trägt jedoch unmittelbar zum Textverständnis, zur Lektüre und zur Rezeption des Textes bei. Die co-textuelle Überlieferung erschließt neue Sinnzusammenhänge, die durch die isolierte Betrachtung einzelner Texte oder kodikologischer Einheiten verloren gehen. Die Editionsprojekte des ausgehenden 15. Jahrhunderts und die ersten kritischen Editionen des 16. Jahrhunderts (etwa die Commedia-Edition der Accademia della Crusca von 1595) wurden maßgeblich von der Gestaltung der Handschriften beeinflusst. Die Vita Nuova selbst ist in ihrer sogenannten Editio princeps von 1576 in prosimetrischer Form und ohne divisioni publiziert worden und hat die Lektüre der Vita Nuova durch Boccaccios Interpretation im Trattatello, das auch in der Edition von 1576 mit überliefert, bestimmt. Weitere methodologische Beiträge, die diese Untersuchung für die Dante-Forschung bieten kann, liegen in der Wahl des Zeitkriteriums bei der Materialzusammenstellung, die nicht von bereits bekannten Überlieferungssträngen ausgeht, sondern, unabhängig von der Qualität und Quantität, die Textüberlieferung in einem bestimmten Zeitrahmen untersucht. Die Handschriftenbeschreibung und -auswertung kann als Vergleichsstudie für andere rezeptionsgeschichtliche Untersuchungen herangezogen werden, die Klassifizierung der Lesespuren, die in der Forschung weitestgehend unberücksichtigt sind, könnte als Ausgangspunkt für Studien zur italienischen Lesekultur dienen, und gleichzeitig kann die Untersuchung als Grundlage für die Beschäftigung mit der späteren Rezeption der Vita Nuova genutzt werden. https://doi.org/10.1515/9783110620504-006

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5 Explicit und abschließende Bemerkungen

Als wichtigste Ergebnisse der Untersuchung können folgende Punkte hervorgehoben werden: Die Analyse der Appelstrukturen der Vita Nuova hat die Bedeutung der im Proemio eingeführten Buchmetapher vor dem Hintergrund des Textverständnisses und des Textträgers deutlich werden lassen. Für die Analyse von Metaphern kann daraus folgen, dass die Kontextualisierung der Konnotationen ein Bedeutungsgeflecht im Text hervortreten lassen, das als Zeitdokument interpretiert werden kann. Die Fragen der Datierung und des Rezeptionsbeginns der Vita Nuova wurden, ausgehend von einer Textanalyse und von den ersten Rezeptionszeugnissen, beantwortet und haben die Probleme der fiktionalen Chronologie aufgezeigt. Dadurch kann die erste Überlieferung der Kanzone Donne ch’avete endgültig als der Abfassung des libellos gegenüber (um Jahre) vorzeitig angesehen werden. Die Auswertung der Handschriftenanalyse hat ergeben, dass die Vita Nuova gelesen wurde. Sie wurde kopiert, verbreitet und in neue Sinnzusammenhänge gefügt. Gut 50 Hände des 14. Jahrhunderts konnten in den 23 Vita NuovaHandschriften unterschieden werden. Ausgehend von notabilia, maniculae und kleinsten Anmerkungszeichen und Verbesserungen, habe ich zu zeigen versucht, wie man auch solche kleinen und unscheinbaren Rezeptionszeugnisse für die Bewertung und Kontextualisierung eines Werkes interpretieren kann. Während die Vita Nuova auf den ersten Blick auf geringes Interesse gestoßen zu sein scheint, kann die Analyse der Lesespuren und die Untersuchung der «Handschrifteneditionen» die These, die Vita Nuova sei ignoriert worden, endgültig widerlegen. Hier wird deutlich, dass nicht nur Boccaccio die Vita Nuova-Lektüre maßgeblich durch die Textneuordnung beeinflusst hat, sondern dass vor ihm bereits Cino da Pistoia die Verbreitung und Lektüre des Werkes maßgeblich vorangetrieben hat. Die Rolle Cinos wurde punktuell in der Forschung angesprochen, die Untersuchung und Gegenüberstellung der Dichter-Handschriften der Vita Nuova hat jedoch seine Rolle für die Vita Nuova-Rezeption der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts hervortreten lassen. Er fungiert dabei als Bindeglied zwischen der Rezeption der Vita Nuova-Gedichte und des vollständigen libellos, oder mehr noch, er verdeutlicht, dass man die Überlieferungsstränge nicht separat betrachten sollte. Durch ihn werden die drei Abschriften einzelner Gedichte oder eine Gedichtauswahl vorangetrieben, doch war er es auch, der die Vita Nuova außerhalb der Toskana bekannt machte und vermutlich in Neapel Boccaccio mit dem vollständigen Werk vertraut gemacht hat. Was ist die Poesie im 14. Jahrhundert und welcher Stellenwert wird ihr beigemessen? Die Studien zur Rezeption der Vita Nuova tragen zur Erforschung des Poesieverständnisses in einer Epoche bei, die von einem Umbruch gekennzeichnet ist. Die Monopolisierung und Verwaltung des Wissens wird durch Übersetzungen, Kommentierungen und «Verdichtungen» aus dem engen universitären und

5 Explicit und abschließende Bemerkungen

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monastischen Raum in den städtischen Raum getragen, wo sich neue Schreibwerkstätten etablieren, die auf die Abschrift volkssprachlicher Texte spezialisiert sind (ser Francesco Nardo), wo Notare sich ihr Zubrot mit einer Abschrift der Vita Nuova verdienen können, wo Gedichte zwei oder drei Tage nach ihrer Abfassung durch die Eintragung in die Memoriali Bolognesi dem kulturellen Gedächtnis der Stadt übergeben werden (cf. Giansante 2017, 82–83). Poesie wird dabei nicht für einen elitären Zirkel geschrieben und auch nicht von einer exklusiven Leserschaft rezipiert (man denke an die Schuster, die die Commedia rezitieren), sondern kann als Form der Wissensvermittlung «in schöner Hülle» verstanden werden, die sich an diejenigen richtet, die von der Form der «dimostrazioni filosofiche e persuasioni» (Trattatello), d. h. von scholastischen Disputen und politischen Reden (Trattatello) oder religiösen Predigten (Decameron I, 1) verschreckt werden. Die Form und den Raum, den Dichtung in den Handschriften einnimmt, kann dieses Eindringen in fremde (Schrift-)Räume verbildlichen, so übertragen die Juristen-Schreiber Formeln und Formen der notariellen Schriftlichkeit in ihre Gedichtabschriften, bis hin zu Formeln der Authenzitierung, und behandeln Gedichte wie juristische Schriftstücke, gleichzeitig beeinflussen sie die Schriftentwicklung der volkssprachlichen Literaturüberlieferung. Während die JuristenSchreiber Kategorien der Gestaltung und des Wahrheitsanspruches aus dem Bereich der Rechtskunde und Administration (cancelleria) auf die volkssprachliche Literatur übertragen, lässt sich ein zweites Phänomen beobachten, das eine gegenläufige Bewegung beschreibt. Es scheinen die Dichter zu sein, die eine Nobilitierung und Legitimation der Dichtung durch die Theologie anstrebten und in der Gestaltung und Formgebung der volkssprachlichen Dichtung ebenjene Formsprache und Gestaltung wählten, die für biblische Texte vorbehalten war. Die Kommentierungswürdigkeit und Kommentierungsnotwendigkeit (Dante, VN XVI 10) und das Studium der Dichtung bzw. für die Dichtung (Dante, VN XXXI 2) zeichnen ein Poesieverständnis, das auf einen Erkenntnisgewinn ausgerichtet ist. Wenn Dante von einem «libro della mia memoria» spricht und Boccaccio schreibt, dass die Dichter die Wahrheit unter einer Fülle an Hüllen verbergen, «acciò che con fatica acquistata fosse più grata, e perciò meglio si conservasse, (li poeti sotto cose molto ed essa contrarie apparenti, la [la verità] nascorsero)» (Trattatello § 10), dann wird Dichtung als Mnemotechnik vorgestellt. Daraus ergeben sich neue Lektüremöglichkeiten und Interpretationsschlüssel für das Komische und Tragische, die sich gemäß dem ps.-ciceronianischen Ad Herennium1 leichter anprägen. Für  

1 Ps.-Cicero, Ad Herennium III 35: «Nam si quas res in vita videmus parva, usitatas, cotidianas, meminisse non solemus, propterea quod nulla nova nec admirabili re commovetur animus; at si quid videmus aut audimus egregie turpe, inhonestum, inusitatum, magnum, incredibile, ridiculum, id diu meminisse consuevimus».

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5 Explicit und abschließende Bemerkungen

die Erforschung der volkssprachlichen Literatur am Übergang von Mittelalter zur Frühen Neuzeit sollten diese Implikationen mit berücksichtigt werden, und unsere Kenntnis und unser Verständnis der trecentesken Literatur maßgeblich verändern können. Die Schönheit der Hüllen ist eine Einladung und gleichzeitige Verschleierung. Eine dieser Einladungen ist in der materiellen Überlieferung und haptisch visuellen Erfahrbarkeit eines Textes gegeben, gleichzeitig «verhüllt» und erschwert die handschriftliche Überlieferung eines Textes eine heutige Auseinandersetzung mit den Zeugnissen früher volkssprachlicher Literalität. Dass die materielle Hülle als konstitutioneller Teil des Textes angesehen wurde, hat Dante poetisch im Bild der Buchmetapher eingefangen und in der Vita Nuova durch kontinuierliche Kopieranleitungen immer wieder thematisiert. Der Bezug zu Par. XXXIII 85 «Nel suo profondo vidi che s’interna, legato con amore in un volume, ciò che per l’universo si squaderno» stellt die Frage nach der Bedeutung von Schriftlichkeit auch für die Commedia, wo Anspielungen an patristische Auslegungen der Buch-Universum-Metapher mit einer Autorreferentialität verbunden wird (cf. Ahern 1982; Sollers 1965). Für das Verständnis der poesia delle Origini und des gesamten Trecento sollte jedoch eine Perspektive eingenommen werden, die diesem Aspekt des Textes gerecht wird. Dabei geht es nicht nur um die Überlieferungsgeschichte von Texten und paläographische Handschriftenforschung, sondern maßgeblich um ein erweitertes Textverständnis, mit dem man den Zeugnissen jener Zeit begegnen sollte. Einerseits kann ein Gedicht oder eine Gedichtsequenz auf einem Blatt zirkulieren, sobald es jedoch gebunden wird, verändert sich seine Kontextualisierung und wird singulär. Die co-textuelle Überlieferung von volkssprachlichen Texten, auch die Zusammenstellung von Miszellanae ist meist intendiert oder zumindest von Kausalität bestimmt, die herauszufinden zur Erforschung nicht nur der Textüberlieferung und Rezeptionsgeschichte, sondern zum Dichtungsverständnis und zur Geistesgeschichte des Spätmittelalters beiträgt.

6 Literaturverzeichnis 6.1 Handschriften Bologna, Archivio di Stato Archivio dell’Ufficcio dei Memoriali, registro 82 Podestà e Capitani, C 375 Bologna, Biblioteca dell'Archiginasio di Bologna B 1860 n° 22 ms. C. II 22 Cologny, Bibliothèque Fondation Martin Bodmer ms. 131 Florenz, Archivio di Stato di Firenze Convento soppresso 113.17 M.A.P, filza 88,14 Florenz, Biblioteca Laurenziana Medicea ms. Acquisti e Doni 224 ms. Acquisti e Doni 325 ms. Aquisti e Doni 345 ms. Antinori 21 (A, I, 11) ms. Ashburnhamiano 470 ms. Ashburnhamiano 679 ms. Ashburnhambiano 842 ms. Ashburnhamiano 843 ms. Banco rari 69 ms. plut. 90 sup 125 (Gaddiano) ms. Martelli 7 ms. Martelli 11 ms. Martelli 12 ms. Medici Palatini 85 ms. Medici Palatini 122 ms. Pluteo XI. sin. 2 ms. Pluteo XXIX. 8 ms. Pluteo XXVI. sin. 7 ms. Pluteo XXIX. 8 ms. Pluteo XXXIX. 17 ms. Pluteo XXXIX. 46 ms. Pluteo XL. 7 ms. Pluteo XL. 12 ms. Pluteo XL. 14 ms. Pluteo XL. 16 ms. Pluteo XL. 31 ms. Pluteo XL. 42 ms. Pluteo XL. 44 ms. Pluteo XL. 46 ms. Pluteo XL. 49 https://doi.org/10.1515/9783110620504-007

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6 Literaturverzeichnis

ms. Pluteo XLI. 10 ms. Pluteo LIV. sup. 32 ms. Pluteo XC. sup. 18 ms. Pluteo XC. sup. 134 ms. Pluteo XC. sup. 136 ms. Pluteo XC. sup. 137 ms. Pluteo XCI. sup. 24 ms. Pluteo Rediano 184 ms. S. Croce 26 sin. 1 ms. Strozzi 170 ms. Tempi 2 Florenz, Biblioteca Moreniana ms. Moreni 214 Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze ms. Fondo Tordi 339 ms. Magliabechiano II. II. 154 ms. Magliabechiano VI. 30 ms. Magliabechiano VI. 143 ms. Magliabechiano VI. 187 ms. Magliabechiano VII. 722 ms. Magliabechiano VII 1052 ms. Magliabechiano VII. 1060 ms. Magliabechiano VII. 1076 ms. Magliabechiano VII. 1103 ms. Palatino, 40 ms. Palatino 41 ms. Palatino 53 ms. Palatino 55 ms. Palatino 68 ms. Palatino 73 ms. Palatino 79 ms. Palatino 84 ms. Palatino 95 ms. Palatino 98 ms. Palatino 126 ms. Palatino 129 ms. Palatino 182 ms. Palatino 204 ms. Palatino 313 ms. Paltino 315 ms. Palatino 316 ms. Palatino 318 ms. Palatino 319 ms. Palatino 321 ms. Palatino 449 ms. Palatino 458 ms. Palatino 459

6.1 Handschriften

ms. Palatino 483 ms. Palatino 542 ms. Palatino 561 ms. Palatino 564 ms. Palatino 569 ms. Palatino 570 ms. Palatino 574 ms. Palatino 576 ms. Palatino 580 ms. Palatino 581 ms. Palatino 600 ms. Palatino 659 ms. Palatino 680 ms. Panciatichiano 9 ms. Panciatichiano 10 ms. Panciatichiano 24 ms. Conventi soppressi B. 1. 2578 ms. Conventi soppressi B. 2. 1267 ms. Conventi soppressi F. 5. 859 ms. Conventi soppressi F. 6. 294 ms. II. ii. 40 ms. II. ii. 61 ms. II. ii. 64 ms. II. iii. 47 ms. II. iv. 102. 1 ms. II. iv. 126 ms. Banco rari, 69 ms. Banco rari 217 (ehem. Pal. 418) Florenz, Biblioteca Riccardiana ms. 699 ms. 1035 ms. 1040 ms. 1048 ms. 1050 ms. 1054 ms. 1093 ms. 1094 ms. 1100 ms. 1108 ms. 1117 ms. 1118 ms. 1127 ms. 1144 ms. 1340 ms. 1523 ms. 1578 ms. 1580

321

322

6 Literaturverzeichnis

ms. 1606 ms. 2730 ms. 2846 ms. 2981 Florenz, Biblioteca della Società Dantesca ms. 4 (Ginori) Madrid, Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial ms. III. E. 23 Mailand, Biblioteca Ambrosiana ms. R 95 sup. Mailand, Biblioteca Trivulziana ms. Triv. 1050 ms. Triv. 1052 ms. Triv. 1058 ms. Triv. 1080 Mailand, Biblioteca Nazionale Braidense ms. AG. XI. 5 Modena, Archivio di Stato ms. Letterati b. 17 München, Bayerische Staatsbibliothek ms. It 148 Neapel, Biblioteca Nazionale di Napoli ms. XIII. C. 9 ms. XIII. D. 64 New York, Cornell University Library ms. D. 53 Oxford, Bodleian Library ms. Canonici Ital. 95 ms. Canonici Ital. 96 ms. Canonici Ital. 99 ms. Canonici Ital.114 ms. Canonici Ital. 228 ms. Canonici Misc. 58 ms. Ital. e 6 Paris, Bibliothèque Nationale de Paris ms. Ital. 536 ms. Ital. 545 ms. Ital. 548 ms. Ital. 557 Sevilla, Biblioteca Capitolar y Colombina ms. 7.1.32 Strasburg, Bibliothèque universitaire et territoriale ms. L Ital. 7 Rom, Biblioteca Casanatense ms. d. V. 5 ms. 433

6.2 Quellentexte

323

Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana ms. Arch. Cap. S. Pietro F 10 ms. Barb. lat. 711 ms. Barb. lat. 3953 ms. Barb. lat. 4036 ms. Barb. lat. 4076 ms. Barb. lat. 4077 ms. Barb. lat. 4086 ms. Barb. lat. 4092 ms. Capponiano 262 ms. Chigiano L. VIII. 305 ms. Chigiano L. V. 176 ms. Chigiano L. VI. 213 ms. Chigiano T. III. 19 ms. Ott. lat. 1883 ms. Ross. 947 ms. Pal. lat. 1644 ms. Vat. lat. 3198 ms. Vat. lat. 3793 ms. Vat. lat. 9920 Rom, Biblioteca dell'Accademia dei Lincei e Corsiniana ms. 44 F 26 Rom, Biblioteca Nazionale Centrale ms. Vittorio Emanuele 1189 Trespaniano, Bibliothek des Karmelkonvents Santa Maria degli Angeli Fragment Ca Toledo, Biblioteca Capitolare ms. 104.6 ms. 104.8 Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana ms. Ital. IX. 191 ms. Ital. IX. 333 ms. Ital. IX. 352 ms. Ital. IX. 491 ms. Ital. IX. 529 ms. Ital. X. 26 ms. Zan. 51 Verona, Biblioteca Capitolar di Verona ms. 445, 1350-1400 ms. 820

6.2 Quellentexte Amico di Dante, La corona di casistica amorosa e le canzoni del cosiddetto «Amico di Dante», ed. Maffia Scariati, Irene, Padova, Antenore, 2002. Andrea Cappellanus, De Amore, XVI, ed. Knapp, Fritz-Peter, Berlin, De Gruyter, 2006.

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Personenindex Abardo, Rudy 146; 147 Abate di Napoli 168 Abate di Tivoli 168 Abelard 20 Abramé-Battesti, Isabelle 15 Accursio Fiorentino 147; 298 Aguzzi Barbagli, Danilo 146 Adimari, Guidantonio → Guidantonio Adimari Ahern, John 11; 12; 13; 22; 318 Aiolos 65 Aischylos 139 Al-farangi 203 Alamanno di Iacopo Salviati 112; 139 Alanus ab Insulis 264 Albertano da Brescia 206 Albertino Cirologo 168 Alberto degli Albizi 148 Albertus Magnus 18; 19; 20; 43; 118 Alessandro Vellutello 223 Alexander de Villadei 108 Alexandro d’Ascoli 106; 112 Alfano, Giancarlo 313 Alighieri Dante → Dante Alighieri Iacopo → Iacopo Alighieri Pietro → Pietro Alighieri Allegretti, Paola 52; 280 Amelio Bonaguisi 34; 176 Amico di Dante 5; 168; 171; 219; 220–223; 246 Andrea Capellano 34; 42; 130; 174 Angelo Corbinelli 148 Angelo Torini 129; 168 Angelo Poliziano 180 Angiolillo, Giuliana 185; 205 Anonimo Fiorentino 270 Anselm von Canterbury 108 Anselmi, Gian Mario 137 Antonelli, Armando 207; 208 Antonelli, Roberto 280 Antonio Agustin 112; 113 Antonio Beccari da Ferrara 168; 174 Antonio da Tempo 38 https://doi.org/10.1515/9783110620504-008

Antonio de San José 112 Antonio di Coluccio Salutati 112; 146 Antonio Pucci 5; 34; 117; 123; 129; 130; 131; 141; 146; 157; 158; 168; 170; 174; 178; 179; 249; 301–308; 314 Apelles 70 Apollodoro 70 Apuleius 110; 148 Arduini, Beatrice 99; 284 Aristoteles 18; 19; 20; 43; 44; 46; 64; 77 ps. Aristoteles 124; 150; 168; 244 Arlinghaus, Franz-Josef 94 Arnaldo Daniello 63 Ascoli Russell, Albert 40; 70 Attaviano da Perugia 168 Augustinus 1; 43; 129; 177; 269 Averroes 185 Azzetta, Lucca 125; 137 Azzolina, Liborio 43 Backes, Martina 315 Bagci, S. 105 Baldassarri, Stefano 146 Baldelli, Ignazio 51; 190 Baldo Fiorentino 168 Bandino 168 Banella, Laura 130; 136; 252; 303; 305; 306 Baraldi, Francesca 67 Barański, Zygmunt 62; 64; 65; 105; 183; 185; 186 Barberi Squarotti, Giovanni 188 Barbi, Michele 1; 76; 81; 82; 86; 107; 118; 131; 188; 198; 215; 250; 251; 252; 253; 301; 308; 311 Barolini, Teodolina 192; 193; 214; 236 Bartoli, Cosimo 2 Bartolomeo da Castel della Pieve 168 Bartolomeo da Sant’Angelo 168 Bartolomeo Sermartelli 94; 114; 190; 271 Battaglia, Salvatore 146 Bellandi, Stanislao 110 Bellomo, Saverio 146; 147; 210; 211; 286 Belloncio Gherardi 176

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Personenindex

Benci 130; 307; 308; 313 Filippo Benci 307 Giovanni Benci 130 Lorenzo Benci 307; 308; 313 Benedetto di Tuccio Manetti 106 Benvenuto da Imola 147; 151; 216; 218; 270 Bernardino Daniello 223 Bernardo da Bologna 149; 168 Bernardo del Nero 113; 139 Bernardo Sivestre 264 Berté, Monica 281; 285; 286; 287; 288; 298; 306 Bertelli, Sandro 83; 84; 118; 119; 120; 136; 137 Bertolucci Pizzorusso, Valeria 197; 199 Bertram de Born 206 Bettarini Bruni, Anna 303 Bettino de’ Pilli 119 Bibel Daniel 114 Habakuk II 9 62 Hesekiel 114 Jeremias 1, 12 25; 53; 54 Jesaja 114 Jesaja 40, 10 46 Johannes de Evangelist 114 Johannes der Täufer 46 2 Korither 3, 6 269 Lukas 1, 11 46 Lukas 3, 16 46 Markus 1, 3-4 46 Markus 7, 32-37 214 Mathäus 3, 11 46 Nabukadnezar 114 Bigi, Emilio 1 Bindo Bonichi 150; 168; 245; 246 Bindo di Cione 168 Biondolillo 2 Binduccio da Firenze 168; 233 Biscioni, Antonio Maria 76; 188 Black, Robert 105 Blomme, Raoul 286 Boccaccio → Giovanni Boccaccio Boethius 20; 30; 65; 110; 119; 180; 199; 200; 301 Boitani, Piero 67 Bonagiunta da Lucca 58; 168; 213; 215; 216

Bonaventura 40; 249; 265; 297 Bondie Dietaiuti 168 Bono Giambono 202 Booth, Wayne 13 Borriero, Giovanni 3; 84; 236 Borsa, Paolo 225; 226; 227; 228 Borscia da Perugia 168 Boselli, Stefano 243 Boskovits, Miklós 125 Bosone da Gubbio 269 Bosone da Perugia 168 Bosticca 2 Botrico da Reggio 168 Botterill, Steven 35; 49 Branca, Vittorio 117; 287 Bray, Nadia 48 Breschi, Giancarlo 250 Brugnoli, Giorgio 10 Brugnolo, Furio 214; 224; 225; 239; 240; 243; 244; 245; 313 Brunetto Latini 12; 130; 185; 202 Brunetti, Giuseppina 83; 85; 107; 108; 109 Buccio di Aldobrandino 168 Buettner, Brigitte 105 Bullogh, Donald 105 Butto da Firenze 168 Caccia da Castello 144; 166; 168 Cacciamonte da Bologna 168; 233 Calenda, Corrado 184; 205 Candido, Igor 10 Cangrande della Scala 19; 20; 61; 182; 238 Capelli, Roberta 239 Capitani, Ovidio 54 Cappelli, Antonio 172 Cappozzo, Valerio 85; 174 Caratozzolo, Vittorio 137 Carducci,Giosue 2; 43; 211 Carlo Strozzi 91; 113 Carrai, Stefano 81; 220; 234; 252; 263; 264; 284; 301 Carrega, Annamaria 67 Casadei,Alberto 196; 199; 202; 203; 204 Casini, Tommaso 43 Castellani, Arrigo 253 Catull 69; 148 Cavalcanti, Guido → Guido Cavalcanti

Personenindex

Cavallari, Elisabetta 183; 184; 185; 210 Ceccherini, Irene 99; 123 Cecco Angiolieri 168; 193 Cecco d’Ascoli 21; 68; 129; 168; 174; 185 Cecco Nuccoli 168 Ceccolo 169 Cenne de la Chitarra 169 Ceriana, Matteo 176 Cervigni, dino 114 Cesareo, Giovanni Alfredo 2 Chartier, Roger 86 Chaucer 64 Cheneval, Francis 137; 197 Chenu, Marie-Dominique 40 Chiappelli, Luigi 210 Chiaro Davanzati 169 Chigi, Fabio → Fabio Chigi Chiodo, Sonia 105 Chiose ambrosiane 215 Chiose cassinense 215 Chistoni, Paride 43; 44 Christofero Landino 68; 161 Ciacco da Firenze 271 Ciavorella, Giuseppe 191 Ciccuto Marcello 19; 33 Cicero 30; 77; 109; 110; 148; 185; 199; 200 ps. Cicero 268; 317 Cino da Pistoia 5; 20; 23; 32; 38; 46; 63; 69; 70; 87; 88; 117; 122; 123; 131; 132; 137; 141; 144; 146; 149; 167; 169; 170; 171; 179; 208; 209; 210; 224–238; 239; 244; 246; 312; 312; 313; 314; 316 Cino Rinuccini 184 Ciociola, Claudio 207; 208; 303 Cione Baglione 169 Cipollone, Annalisa 214 Cisam (ed) 105 Claudian 69 Cola di Messer Alessandro 169 Coluccio Salutati 4; 112; 115; 137; 141; 144; 145–149; 224; 236 Condello, Emma 105 Contini, Gianfranco 19; 34; 40; 190; 220 copista di Ash 120 copista di Lau 117; 118;120 copista di Parm 120 copista di Vat 120

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Cosimo de’ Medici 104 Cosmo, Umberto 198 Corbinelli, Angelo → Angelo Corbinelli Corbinelli, Iacopo → Iacopo Corbinelli Corti, Maria 1; 10; 42; 192; 193 Crimi. Giuseppe 129; 130 Croce, Benedetto 2 Cucco Baglioni 169 Cuntz, Michael 19 Cursi, Marco 83; 84; 117; 130; 137; 150 D’Agostino, Alfonso 173 D’Ancona, Alessandro 2; 34; 43 D’Andrea, Antonio 49 Damiano Rubero da Cento, fra 114 Dante Alighieri Commedia 2; 58; 61; 62; 64; 66; 67; 68; 78; 79; 81; 83; 94; 95; 97; 99; 105; 109; 117; 118; 119; 120; 124; 129; 130; 131; 136; 137; 147; 148; 161; 163; 174; 179; 182; 184; 186; 191; 192; 193; 203; 205; 208; 210; 214; 215; 216; 217; 218; 224; 225; 242; 250; 254; 255; 256; 257; 260; 263; 266; 270; 279; 283; 284; 286; 288; 295; 297; 298; 303; 305; 306; 307; 315; 317; 318 Inferno 1; 66; 67; 68; 69; 79; 128; 193; 208; 254; 255; 269; 270 Purgatorio 1; 58; 61; 62; 214; 215; 216; 218; 225; 236; 254; 270 Paradiso 1; 73; 129; 162; 189; 202; 217; 254; 269; 270; 318 Convivio 1; 20; 30; 39; 48; 55; 61; 77; 78; 94; 99; 137; 161; 163; 179; 182; 185; 187; 188; 192; 193; 194; 196; 197; 198; 199; 200; 201; 202; 203; 204; 269; 271; 279; 284; 293; 294 De vulgari eloquentia 1; 20; 59; 62; 63; 64; 65; 67; 68; 69; 77; 80; 161; 182; 218; 228; 236; 254; 260; 293; 294 Brief an Cangrande della Scala 19; 20; 61; 162 Monarchia 109; 114; 137; 182 Rime 34; 83; 161; 162; 164; 172; 184; 190; 191; 192; 208; 225; 228; 236 Dante da Maiano 23; 32; 33; 169

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Personenindex

Danti del Cento 118; 119; 120; 131 Davis, Charles 107; 108 De Basile 112 De Bonfils Templer, Magherita 44 De Bruyne, Edgar 21 De Gregorio,Giuseppe 105 De Meo-Ehlert, Myrtha 1; 43 De Robertis, Domenico 1; 10; 43; 76; 83; 84; 188; 190; 191; 192; 192; 196; 198; 208; 220; 224; 227; 228; 232; 252; 253 De Robertis, Teresa 118; 121; 122; 123; 148 Debenedetti, Santorre 208; 209 Decaria, Alessio 148 Degenhart, Bernhard 126 Del Balzo, Carlo 32; 183 Del Lungo, Isidoro 2 Dello da Signa 169 Diacciati, Silvia 105 Dino Compagni 169 Dino del Garbo 129; 175; 262; 278; 295 Dino Frescobaldi 169 Diuccio 169 Domenico Ricci 109 Domenico Scolari 169 Durling, Robert 35 Eberhard von Béthune 108 Egidi, Francesco 126; 219 Eisner, Martin 136; 183; 265 Eliseo de’ Frangipani 287 Ellero, Maria Pia 47 Enzo, re 168 Eumaros 70 Euphranor 70 Eupomos 70 Fabbri,Lorenzo 107 Fabio Chigi 112 Fabruzzo de’ Lambertazzi da Perugia 168 Faini, Enrico 105 Farinata degli Uberti 271 Farnetti, Monica 10 Favati, Guido 190 Fazio degli Uberti 168 Federico II 168 Federico dell’Ambra d’Arezzo 168 Federico Ubaldini 112; 127; 155

Federzoni, Giovanni 43 Ferreri, Rosario 284 Ferri, Ferruccio 34 Ficino, Marsilio → Marsilio Ficino Filippino Lippi 84 Filippo Benci 307 Filippo Ceffi 176 Filippo Villani 147 Fiorilla, Maurizio 85; 288 Flamini, Francesco 2; 43 Flechter, Jefferson 32 Folena, Gianfranco 184 Folgore da San Gimignano 168 Forese Donati 62; 168; 235 Franceschino di Ricco Albizzi 168; 184 Francesco da Barberino 80; 95; 96; 117; 121; 123; 125; 126; 127; 128; 129; 131; 160; 168; 179; 299 Francesco da Buti 68; 216; 217 Francesco da Pisa, fra 183 Francesco di ser Nardo da Barberino 118; 119; 120; 131; 317 Francesco Ismera Beccanugi 168 Francesco Petrarca 5; 43; 69; 70; 84; 95; 98; 109; 110; 121; 123; 124; 137; 139; 147; 148; 150; 154; 157; 158; 166; 167; 168; 170; 174; 180; 250; 261; 266; 279; 290; 291; 296; 298; 303; 304 Francesco Barberini 113 Francesco Manfredino Perugino 169 Francesco Nori 112; 113; 177 Francesco Saverio de Zelada 113 Franco Sacchetti 34; 69; 129; 168 Fragnito,Gigliola 104 Frojmovic, Eva 126 Frontius 67 Frugoni, Arsenio 54 Gabriele Fiamma 177 García y García, Antonio 268 Garin, Eugenio 104 Gaufredus de Anglia 110 Gehl, Paul 105 Gelli, Giovan Battista → Giovan Battista Gelli Genette, Gérard 8; 9 Gentili, Sonio 107; 108; 109 Gherardi, Alessandro 105; 147

Personenindex

Giacomo da Lentino 168 Giacomo Pugliese 168 Gianni Alfani 168 Giannozzo Sacchetti 129; 168 Giansante, Massimo 209; 211; 212; 314; 317 Gidino da Sommacampagna 168 Gillermann, Dorothy 137 Gillo Lelli 168 Giraldello 168 Girardo da Castelfiorentino 168 Gilson, Simon 47 Ginsburg, Michael 32 Ginzburg, Carlo 8 Giordano da Pisa 269 Giovan Battista Gelli 43; 44; 47; 68; 69 Giovan Mario Crescimbene 155 Giovanna (Primavera) 59; 183 Giovanni Benci 130 Giovanni Boccaccio 5; 9; 34; 55; 67; 68; 69; 73; 80; 81; 83; 84; 91; 95; 97; 105; 109; 110; 112; 114; 115; 116; 117; 121; 123; 124; 129; 130; 131; 136; 137; 138; 140; 144; 145; 146; 147; 148; 151; 152; 154; 156; 157; 158; 160; 161;163; 166; 167; 168; 170; 172; 173; 179; 180; 181; 190; 197; 204; 215; 217; 249–299; 300; 301; 303; 304; 305; 306; 308; 309; 310; 311; 312; 313; 314; 315; 316; 317 Caccia a Diana 34; 312; 313 Comedia delle ninfe fiorentine (Ninfale d’Ameto) 181; 301 Compendio 291; 292; 293; 295; 296; 297 Decameron 83; 84; 144; 117; 174; 177; 285; 317 Elegia di Madonna Fiametta 177; 285 Il Filostrato 313 Il Filocolo 177; 181 Teseida 279; 280; 299 Trattatello in laude di Dante 190; 217; 253; 254; 255; 256; 257; 258; 259; 266; 273; 280; 281; 283; 284; 285; 286; 287; 288; 289; 290; 291; 293; 295; 296; 297; 298; 306; 315; 317 Giovanni del Virgilio 68; 110; 280; 289 Giovanni dell’Orto 168 Giovanni di Bartolomeo Davanzati 112

349

Giovanni di Lambertuccio Frescobaldi 168 Giovanni Girolamo Nadal 38 Giovanni Quirini 5; 184 Giovanni Villani 189 Giunta, Claudio 12; 22; 26 Giuntino Lanfredi 168 Gmelin, Hermann 58; 61; 66 Goldmann, Arthur 110 Gorni, Guglielmo 1; 14; 43; 45; 51; 75; 81; 82; 131; 184; 193; 196; 199; 219; 220; 225; 252; 253; 270; 271; 280; 283; 284; 285 Goy, Rudolf 43 Grasso, Vittorio 2 Grendler, Paul 105 Grimm, Günter 8; 9; 23 Gualdo Rosa, Lucia 147 Gualpertino da Coderta 168 Guercio da Montesanto 168 Guerri, Domenico 42; 217 Güntert, Georges 137 Guezolo da Taranto 168 Guglielmo d’Otranto 169 Guidantonio Adimari 112; 142 Guido Cavalcanti 5; 20; 22; 23; 26; 27; 28; 32; 33; 37; 42; 61; 62; 63; 69; 75; 124; 125; 129; 132; 144; 149; 151; 166; 167; 169; 170; 174; 175; 185; 190; 193; 202; 208; 209; 214; 218; 220; 236; 240; 244; 246; 262; 278; 290; 295; 303; 304; 312 Guido da Pisa 67; 130 Guido delle Colonne 120; 169 Guido di Cristofero 109 Guido Guinizelli 62; 63; 69; 169; 208; 236 Guido Novello da Polenta 169 Guido Orlandi 169 Guilhelm de Montangahol 151; 169 Gutierrez, David 110 Guittone d’Arezzo 58; 69; 144; 169; 171; 269 Hadrian 172 Harris, Marvin 8 Hegel, Carl 217 Heinrich der Teicher 268 Herberichs, Cornelia 315 Hildebert Lavardiensis 151 Hollander, Robert 64; 210

350

Personenindex

Homer 64; 65; 66; 68; 69; 84; 95; 97; 105; 288; 289 Homes, Olivia 52 Horaz 62; 64; 65; 66; 108; 110; 148 Horváth, Kornélia 1 Houston, Jason 40; 183; 249; 263; 265; 266; 268; 271; 278; 279; 287; 289; 290; 295 Hugo von St. Viktor (ps) 43 Huizinga, Johan 61 Humphreys, Kenneth 110 Iacob de Dondis 150 Iacomo Tolomei 169 Iacopo Alighieri 202 Iacopo Antonio Benaglio 92 Iacopo Cecchi 169 Iacopo Corbinelli 68; 69; 112; 139; 142 Iacopo da Lentini 62 Iacopo della Lana 105; 215 Iacopo Garatori 169 Iacopo Mostacci 169 Iacopo Sannazaro 182 Iannucci, Amilcare 65 Illiano, Antonio 190 Imbach, Ruedi 48 Immanuel Ben Iacob Bonflis 150 Immanuel Romano 169 Inglese, Giorgio 187; 188; 191; 193; 199; 202; 204; 220 Irace, Erminia 147 Isaac de Stella 43 Iser, Wolfgang 9 Isfacciato Antonio de Montecatini 88; 117; 209, 210; 224; 312 Isidor von Sevilla 108 Jauss, Hans Robert 8; 9 Johannes Aegidius 108 Johannes de Garlandia 108 John Gower 34 Juno 65 Juvenal 69 Kardinal 54 Orsini 54 Stefanaschi 54

Barberini 113 de Zelada 113 Karnein, Alfred 34 Kempf, Elisabeth 82; 315 Kiening, Christian 315 Kleine, Uta 268 Kraus, Franz Xaver 2 Kuchenbuch, Ludolf 268 Lamberto di Francesco 169 Lambertuccio Frescobaldi 209 Lapo Gianni 125; 169; 209 Lapo Farinata degli Uberti 169 Lapo Saltarelli 169 Laurenzo de Gherardini 109 Lecco, Magherita 34 Lega, Gino 126 Leonardi, Lino 219 Leonardo Aretino 109 Leonardo di Matheo 110 Link, Hannelore 8; 9 Lipari, Angelo 214 Lippi, Filippino → Filippino Lippi Lippo de’ Pasci de’ Bardi 219; 220 Livi, Giovanni 87; 88; 205; 206; 207; 209; 210; 211 Livraghi, Leila 226; 227 Longo, Nicola 104 Lora, Francesco 2 Lorenzo de’ Medici 180; 181 Lorenzo di Giovanni di Taddeo Benci 307; 308; 313 Lubin, Antonio 189 Lucas de Alaejos 112 Ludovico Beccadelli 113 Ludovico da Meleto 112 Lukan 64; 66; 67; 110; 148 Lupo degli Uberti 169 Lutz, Eckhart 315 MacGregor, Alistair 52 MacLaren, Shelley 126 Maddalena de’ Pazzi 106 maestro del Codice di San Giorgio 126 Maffia Scariati, Irene 219; 220; 222 Mandonnet, Pierre 2 Manfredi, Antonio 148

Personenindex

Manno 169 Manuello 169 Marchesini, Umberto 119 Marco Polo 130; 174 Marfagnone 169 Marinano de Vernacci 109 Marino Ceccoli 169 Marrani, Giuseppe 122; 183; 186; 219; 220; 223; 224; 225; 226; 227; 228; 229; 234; 240; 241; 242 Marsilio Ficino 109; 150; 177; 178 Marti, Mario 192; 193 Martianus Capella 264 Martinelli Tempesta, Stefano 84 Martinez, Ronals 35; 51; 52 Martino da Signa 146; 287 Mastrominico, Giusepp 123 Matteo Frescobaldi 184 Matteo Paterino 169 Mazza, Antonia 110 Mazzeo di Ricco 169 Mazzetti, Martina 312 Mazzoni, Francesco 146; 147; 148 McGuire Jennings, Lauren 34 McKenzie, Donald 43; 82 Medin, Antonio 34 Medici 104; 139; 180; 181 Cosimo de’ Medici 104 Lorenzo de’ Medici 180; 181 Mehltretter, Florian 214 Mehtonen, Päivi 47 Melodia, Giovanni 43 Menegello 168 Meo dei Tolomei 168 Meo di Bugno 168 Miglio, Luisa 137 Millet, Bella 82 Minnis, Alistair 40 Momigliano, Attilio 2 Monaldo da Sofena 168 Monte Andrea 168 Monti, Gennario Maria 210 Morreale, Laura 105 Mugnai, Paolo 18 Mula de’ Muli da Pistoia 168; 227; 233 Münchberg, Katherina 47

351

Nardi, Bruno 126; 193 Natoli, Gioacchino 2 Neri Moscoli 168 Nichols, Stephen 82 Niccolò Niccoli 104; 146 Niccolò Quirini 168 Niccolò Soldanieri 129; 166; 167; 168 Nicola Muscia da Siena 168 Nicolò de’ Rossi 5; 20; 105; 112; 116; 117; 121; 122; 123; 124; 125;127; 128; 129; 131; 141; 146; 150; 151; 168; 170; 171; 175; 179; 184; 238–246; 299; 313; 314 Noakes, Susan 263; 264; 265 Noffo Bonaguide 168 Novellino 269 Nucci, Anna Rita 105 Nuccio di Beninchasa 106 Nuccio Piacente 168 Ockham 20 Olschi, Leo 107 Onesto da Bologna 20; 168; 224 Origines 172 Orlandi, Stefano 109 Orlando, Sandro 207; 208; 211 Ottimo commento 215; 269; 284 Ovid 62; 64; 65; 66; 67; 69; 108; 109; 110; 121; 148; 151; 175–177, 180 Paganini, Carlo Pagano 43 Palaio da Lucca 168 Palermo, Francesco 123 Palma, Marco 176 Paolazzi, Carlo 47 Paolo Cini 112 Paolo dell’Abaco 129; 168 Paolo Giantoschi 168 Paolo Lanfranchi 168 Paparelli, Gioacchino 183; 185 Papias 108 Päpste 54; 92; 112; 113; 189 Alessandro VII 112; 113 Bonifacio VIII 189 Leo X 92 Nikolaus IV 54 Parlantino da Firenze 168

352

Personenindex

Parodi, Ernesto 252 Parrhasios 69 Pascoli, Giovanni 2 Pasquini, Emilio 224; 226; 228; 229 Passerini, Giuseppe Lando 107 Pastore Stocchi, Manlio 53 Pasut, Francesco 84 Paulus Ororius 67 Pazzagaglia, Mario 181 Percivalle Doria 168 Perez,Francesco 2 Perini, Leandro 104; 109; 110 Persius 69 Petoletti, Marco 84; 85 Petrarca, Francesco → Francesco Petrarca Petro Benedetto de Rossi 109 Petrocchi, Giorgio 15; 19; 198; 202; 205 Petrucci, Armando 83; 126 Petrus Lombardus 40 Phalaris 109 Picchio Simonelli, Maria 104 Piccini,Daniele 313 Picciolo da Bologna 168; 233 Picone, Michelangelo 9; 51; 64; 137; 185; 190; 226; 265 Pier della Vigna 168 Piero del Pugliese 112; 139 Pietro Alighieri 168; 217 Pietro Cremonese 161; 223 Pietro d’Allegranza 117; 207; 208; 209; 213 Pietro da Bologna 168 Pietro dei Faitinelli 168 Pietro di Maestr’Angelo 168 Pietrobono, Luigi 192; 193 Plizaro da Bologna 168 Pike, Kenneth 8 Pini, Carlo 34 Pinto, Raffaele 58; 218 Pipa, Arshi 54 Pirovano, Donato 19; 76; 81; 82; 201; 215; 301 Pisanti, Tommaso 183; 205 Plaisance, Michel 104 Plautus 69; 110; 148 Plinius 67; 148 Poggio Bracciolini 147

Pogue Harrison, Robert 193 Polesana, Marta 265 Polo Zoppo 168 Polygnotos 69 Polvara, Attilio 43 Pomaro, Gabriell 108; 118; 119; 120 Pompesius Trogus 129; 151 Ponchia, Chiara 95 Porphyrius 20 Pratt, Karen 105 Priscian 108 Properz 69; 70; 148 Pucciarello 168 Puccini, Davide 34 Pythagoras 172 Quain, Edwin 47; 66 Quintilian 148 Quintus Ennius 288 Quirini, Giovanni → Giovanni Quirini Quirini, Niccolò → Niccolò Quirini Racciti, Gaetano 43 Raimundus Lullus 20 Ranja, Pio 188; 189 Rao, Ida 105 Rea, Roberta 253 Reese, Walter 8; 9 Renier, Rudolfo 2 Renucci, Paul 40 Riccardo degli Albizzi 168 Richart de Fournival 34 Ridolfo da Pedemonte 168 Ricklin, Thomas 19; 43; 61; 194; 196; 197; 198; 199; 200; 201; 269; 271 Rinaldo d’Aquino 169 Rinuccio da Firenze 169 Roland, Martin 105 Rossetti, Dante Gabriel 2 Rossi, Vittorio 183; 184 Rossini, Antonio 64; 68 Rozzo, Ugo 104 Rustico Filippi 169 Sabba da Castiglione 177 Saladino 169 Salust 110

Personenindex

Salutati, Coluccio → Coluccio Salutati Salutati, Antonio di Coluccio → Antonio Salutati Salvadori, Giulio 2 Salvatore, Tommaso 84 Santagata, Marco 187; 198 Sannazaro, Iacopo → Iacopo Sannazaro Sapegno, Natalino 2; 126; 185; 205 Sarteschi, Salene 34; 193 Sasso, Gennaro 54 Scherillo, Michele 2; 43 Scherner, Maximilian 268 Schmid, Petra 126 Schmitt, Stefanie 126 Schumacher, Meinolf 268; 269 Scott, John 35; 218 Scudieri Ruggieri, Jole 239; 240 Semprebene da Bologna 169 Seneca 109; 110; 148 Sennuccio del Bene 69; 169; 184; 312 Ser Salvi 169 Seriacopi, Massimo 67 Servius 108 Sicardi, Enrico 2 Signorini, Maddalena 105 Simone 169 Simone da Pierile 169 Simonelli, Maria 214 Singleton, Charles 10 Söffner, Jan 19 Solon 287; 289 Sollers, Philippe 318 Somniale Danielis 85; 150; 154; 158; 174; 175; 178; 194 Spitzer, Leo 44 Stabile, Giorgio 10 Stadter, Philip 104 Statius 66; 67; 69; 110; 148 Stefano Protonotaro 169 Steinberg, Justin 30; 31; 73; 83; 136; 183; 190; 207; 211; 213; 219; 223 Stoppa de Bostichi 169 Storey, Wayne 32; 70; 71; 72; 193; 205; 213; 263 Strozzi, Carlo 91; 112; 139 Strozzi, Tommaso 112; 140 Sturlese, Loris 48

353

Supino Martini, Paola 126 Sutton, Kay 128 Tacitus 110; 148 Tanturli, Giuliano 130; 147; 148; 149; 307 Tardelli Terry, Claudia 216; 217 Tateo, Francesco 146 Taube, Otto 292; 294; 298 Täubner, Carl 118 Terenz 69; 109; 110; 148 Terino da Castelfiorentino 169; 226 Terracini, Benvenuto 13; 190 Themistius 44 Tiberto Galliziani 169 Tibull 69; 148 Tieri degli Useppi da San Gemignano 205 Titus Livius 67 Thomas von Aquin 19; 20; 43; 185 Todorovic, Jelena 14; 15; 20; 23; 40; 47; 48; 49; 55; 65; 66; 71; 72; 83; 84; 136; 137; 138; 183; 205; 249; 266 Tommaso da Fenza 169 Tommaso de’ Bardi 169 Tommaso di Matteo Sardi 108 Tommaso di Carlo Strozzi 112; 140 Tommaso Mattei 109 Tonello, Elisabetta 120 Torri, Alessandro 76 Trebaldino Manfredini 169 Trabalza, Ciro 286 Trovato, Paolo 84; 137; 253 Ubertino di Fiovanni del Bianco d’Arezzo 169 Uguccione da Pisa 108; 271 Ugolino Buzzola 169 Ugolino da Fano 169 Ullman, Berthold 104 Valerius Flaccus 69 Valerius Maximus 110; 129; 151 Valli, Luigi 2; 14; 22 Vallone, Aldo 2; 5; 76; 131; 146; 182; 286 Vandelli, Giuseppe 118; 217 Varnhagen, Hermann 172 Vàvaro, Alberto 130; 307 Vazzana, Steno 66 Vegetius 129; 151

354

Personenindex

Ventura Monachi 169; 184 Vergil 64; 65; 66; 67; 69; 108; 109; 110; 148; 185; 186; 288 Verzellino 169 Vickers, Nancy 52 Vincent von Beauvais 18 Vincenzo Borghini 118; 119 Vincenzo Martelli 112; 177 Volpi, Guglielmo 183 Walz, Christian 46 Wehle, Winfried 56; 60 Weinmann, Peter 49 Wieruscowski, Helene 65; 66 Wilhelm von Moerbeke 46

Witt, Ronald 146 Witte, Carl 9 Zaccagnini, Guido 205; 206 Zaccarello, Michelangelo 214; 215 Zaggia, Massimo 176 Zambrini, Antonio 34 Zanobi della Strada 147 Zappia, Vincenzo 2 Zenatti, Albino 127; 128 Zeuxis 69 Zingarelli, Nicola 10; 198 Zoanne de Bonandrea 169 Zumthor, Paul 82

Sachindex Accessus ad auctores 40; 47; 48 Allegorie 2; 17; 19; 21; 41; 59; 60–64; 66; 77; 80; 114; 126; 129; 172; 173; 196; 197; 202; 217; 287; 297; 298 antologia 3, 184; 191; 236 Appellstruktur 8; 9; 35; 37; 73; 74; 75; 76; 79; 138; 218 Auftraggeber 4; 47; 59; 80; 84; 99; 104–112; 113; 115; 122; 123; 137; 138; 149; 179; 186; 224; 233 Ausstattung 4; 93; 94; 99; 100–104; 254– 263 Autograph 5; 75; 85; 89; 91; 121; 124; 125; 129; 156; 157; 170; 176; 187; 219; 239; 243; 244; 279; 280 Beatrice 10, 15; 17; 21; 26; 29; 30; 31; 33; 35; 36; 37; 38; 41; 42; 43; 45; 46; 49; 50; 51; 52; 53; 54; 55; 56; 57; 59; 70; 72; 80; 81; 92; 114; 134; 135; 148; 156; 173; 176; 183; 186; 187; 188; 190; 191; 193; 197; 198; 199; 201; 202; 203; 204; 209; 216; 217; 218; 220; 226; 227; 228; 229; 231; 251; 270; 274; 280; 281; 282; 283; 284; 285; 286; 288; 289; 291; 292; 295 bella scola 21; 64–70; 79 Berufsschreiber 4; 72; 115; 117–121; 123; 130; 179 Besitzervermerk 3; 104; 106; 111; 114; 146 Bibliothekssignatur 3; 139 Buchbinder 82; 106 Buchmetapher 2; 3; 31; 48; 70–74; 76; 198; 229; 297; 316; 318 Buchschmuck 93, 94, 99,100–104, 119; 120; 136; 254–263 Canzoniere Escorialense →Madrid, Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial, ms. III. E. 23 (E) Canzoniere Colombino →Sevilla, Biblioteca Capitular y Colombina, ms. 7.1.32 Canzoniere Ubaldini →Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. lat. 4036 (Ubaldini)

https://doi.org/10.1515/9783110620504-009

Canzoniere Vaticano →Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Vat. lat. 3973 (Vat) Chansons des gestes 185 chiosa (Glosse) 38; 52; 55; 62; 136; 227; 267– 270; 297; 298; 301; 303; 310 Codice Altemps 300, 301 compilatio 55; 137 divisio textus 40; 48; 49; 55 Donna dello schermo 10; 33; 53; 57; 146 Donna gentile 10; 15; 29; 30; 188; 192; 194; 197; 198–204; 228; 241; 284 Dolce Stil Novo 1; 42; 58; 62; 78; 143; 214; 217; 218; 225 Erkenntnistheorie 41; 43; 47 Exeget 8; 13; 14; 38; 48; 55; 59; 70; 73; 138; 182; 199; 266; 269; 297 Fedeli d’Amore 10; 12; 13; 14; 15; 16; 17; 19; 22–28; 30; 31; 72; 73; 205 Handschrift Basel, Universitätsbibliothek ms. C I 1 299 Bologna, Archivio di Stato Archivio dell’Ufficcio dei Memoriali, registro 82 (Mm2) 89; 90; 100; 117; 121; 122; 142; 145; 153; 161; 179; 207–209 Podestà e Capitani, C 375 (Mm5) 87; 88; 90; 91; 92; 93; 100; 117; 121; 122; 132; 142; 145; 161; 191; 208; 209– 211 Bologna, Biblioteca dell’Archiginansio di Bologna ms.B 1860 n° 22 114 ms. C II 22 141 Cologny, Bibliothèque de la Fondation Martin Bodmer ms. 131 (Co) 80; 90; 93; 94; 95; 98; 99; 103; 136; 140; 142; 143; 145; 150; 151; 152; 153; 154; 158; 159; 161; 164; 177; 180; 206; 213

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Sachindex

Florenz, Archivio di Stato di Firenze Convento soppresso 113.17 110 ms. Statuti del Comune di Firenze 5 120 Diplomatico, Normali, Firenze 125 Florenz, Biblioteca Laurenziana Medicea ms. Acquisti e Doni 224 (O) 89; 91; 94; 95; 101; 106; 107; 111; 112; 117; 118; 120; 121; 132; 133; 140; 141; 142; 145; 161 ms. Acquisti e Doni 325 279; 299 ms. Acquisti e Doni 345 105 ms. Ashburnhamiano 842 99 ms. Ashburnhamiano 843 161; 206 ms. Ashburnham 1724 174 ms. Banco rari 69 (L2) 80; 89; 93; 94; 95; 97; 101; 123; 134; 140; 142; 145; 151; 152; 153; 158; 159; 161; 163; 164; 165; 206; 213 ms. Martelli 12 (M / M2) 85; 88; 89; 91; 92; 93; 94; 95; 99; 100; 111; 112; 117; 129; 132; 133; 137; 138; 140; 141; 142; 144; 145; 150; 151; 152; 153; 154; 156; 158; 159; 161; 164; 165; 166; 167; 172; 173; 174; 177; 178; 194; 206; 215; 233; 249; 253; 254; 312 ms. Medici Palatini 85 141 ms. Medici Palatini 122 176 ms. Pluteo XI. sin. 2 108 ms. Pluteo XIII. dext. 6 108 ms. Pluteo XXV. sin. 5 108 ms. Pluteo XXIX. 8 54 ms. Pluteo XL. 7 67 ms. Pluteo XL. 31 141; 302 ms. Pluteo XL. 42 141; 161; 206; 302 ms. Pluteo XL. 44 141; 161 ms. Pluteo XL. 46 (L3) 80; 84; 92; 93; 103; 105; 117; 120; 121; 140; 141; 143; 145; 151; 152; 153; 156; 159; 161; 164; 165; 175–177; 180; 213; 233 ms. Pluteo XL. 49 141; 161; 206 ms. Pluteo XLI. 10 148 ms. Pluteo XC. sup. 125 (Gaddiano) 118 ms. Pluteo XC. sup. 134 99 ms. Pluteo XC. sup. 136 (L) 84; 91; 92; 93; 94; 95; 99; 103; 131; 135; 140; 141; 142; 143; 144; 145; 150; 151; 152; 153; 158; 159; 160; 161; 163; 164;

165; 166; 206; 215; 299, 300, 303; 314 ms. Pluteo XC sup. 137 308; 309–311 ms. Rediano 184 141 ms. S. S. Croce 26 sin. 1 311 ms. Strozzi 170 161 ms. Tempi 2 130; 158; 174; 213; 307–308; 313 Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze ms. Fondo Tordi 339 (VnFt) 85; 89; 92; 93; 95; 101; 137; 140; 142; 143; 145; 161 ms. Magliabechiano VI. 30 206 ms. Magliabechiano VI. 143 (S) 85; 89; 91; 92; 93; 94; 95; 101; 112; 134; 137; 138; 140; 141; 142; 143; 145; 150; 151; 152; 153; 156; 159; 160; 161; 162; 164; 165; 166; 167; 206; 215 ms. Magliabechiano VI. 187 141; 206; 301; 302 ms. Magliabechiano VII. 722 161 ms. Magliabechiano VII. 969 176 ms. Magliabechiano VII. 1052 130 ms. Magliabechiano VII. 1060 192 ms. Magliabechiano VII 1076 141; 161; 195; 206 ms. Magliabechiano VII. 1103 141; 161; 300 ms. Palatino 182 141; 161 ms. Palatino 204 184; 206; 300; 301 ms. Palatino 313 99 ms. Palatino 449 119; 120 ms. Palatino 313 99 ms. Palatino 561 141; 161; 206; 302 ms. Palatino 659 300; 301 ms. Panciatichiano 9 141; 161; 300 ms. Panciatichiano 10 206; 308; 309 ms. Panciatichiano 24 141 ms. Conventi soppressi B. 2. 1267 206; 311 ms. Conventi soppressi F. 6. 294 109; 302 ms. II ii 40 206 ms. II ii 61 176 ms. II ii 64 176 ms. II iii 47 99

Sachindex

ms. II iv 102 206 ms. II iv 126 161 ms. B 3 396 109 ms. C 3 395 109 ms. G 4 iiii 109 Florenz, Biblioteca Riccardiana ms. 1035 250 ms. 1040 99; 141 ms. 1050 (R) 80; 91; 92; 94; 95; 103; 105; 117; 129; 130; 131; 135; 139; 140; 142; 143; 144; 145; 146; 150; 151; 152; 153; 155; 158; 159; 160; 161; 164; 165; 166; 167; 170; 173; 177; 178; 233; 299, 301–308 ms. 1054 141; 161; 301 ms. 1093 141; 161 ms. 1094 141; 161 ms. 1108 141 ms. 1117 141; 161 ms. 1118 184 ms. 1127 141; 161 ms. 1144 141; 161; 195; 206 ms. 1340 141; 161 ms. 1525 118 ms. 1578 176 ms. 2730 176 Florenz, Biblioteca della Società Dantesca ms. 4 (Gc) 80; 85; 90; 92; 93; 94; 95; 101; 117; 121; 122; 124; 134; 140; 142; 145; 151; 152; 153; 159; 160; 161; 164; 165; 170; 177; 213; 307 Madrid, Real Biblioteca de san Lorenco el Escorial ms. III. E. 23 (E) 84; 88; 89; 91; 92; 93; 94; 95; 96; 100; 112; 117; 121; 122; 132; 141; 142; 144; 145; 150; 151; 152; 153; 156; 158; 159; 163; 164; 165; 171; 177; 178; 190; 191–192; 239; 246 Mailand, Biblioteca Ambrosiana ms. R 95 sup 81 Mailand, BilbiotecaTrivulziana ms. Triv. 1050 302 ms. Triv. 1052 161 ms. Triv. 1058 141; 149; 188 ms. Triv. 1080 118 Mailand,Biblioteca Nazionale Braidense ms. AG. XI. 5 161; 233; 302

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Modena, Archivio di Stato ms. Letterati b 17 118 München, Bayerische Staatsbibliothek ms. it. 148 176 Neapel, Biblioteca Nazionale di Napoli ms. XIII D 64 141 ms. XIII C 9 302 New York, Cornell University Library ms. D 51 302 Oxford, Bodleian Library ms. Can. ital. 50 141 ms. Can. ital. 99 141 ms. Can. ital. 112 161 ms. Can. ital. 114 141; 188; 307; 308; 309; 310 ms. Can. Misc. 58–8 148 ms. Ital. e. 6 148 Paris, Bibliothèque Nationale de Paris ms. Ital. 545 141; 195 ms. Ital 548 195 ms. Ital. 557 141 Sevilla, Biblioteca Capitolar y Colombina ms. 7.1.12 (Codice Colombino) 239 Strasburg, Bibliothèque universitaire territoriale de Strasbourg ms. L ital 7 141 Rom, Biblioteca Casanatense ms. d. V. 5 195; 206 Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana ms. Arch. Cap. S. Pietro F 10 282 ms. Barb. lat. 711 282 ms. Barb. lat. 3953 (B1) 80; 85; 88; 89; 92; 93; 94; 95; 96; 99; 100; 105; 111; 112; 124; 125; 128; 129; 132; 140; 141; 142; 143; 144; 145; 146; 150; 151; 152; 153; 155; 156; 157; 158; 159; 160; 161; 163; 164; 170; 171; 191; 213; 238–246 ms. Barb. lat. 4036 (Ubaldini) 85; 89; 91; 92; 93; 94; 95; 101; 112; 132; 133; 139; 140; 141; 142; 143; 145; 150; 151; 152; 153; 154; 155; 157; 159; 164; 195 ms. Barb. lat. 4076 126; 127; 128 ms. Barb. lat. 4077 126, 127; 128 ms. Barb. lat. 4086 99 ms. Capponiano 262 141; 206

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Sachindex

ms. Chigiano L. V. 176 (K2) 85; 91; 92; 93; 94; 95; 99; 102; 114; 117; 118; 124; 129; 130; 131; 134; 139; 140; 141; 142; 143; 144; 145; 146; 151; 152; 153; 154; 156; 158; 159; 160; 161; 163; 164; 165; 166; 167; 170; 173; 206; 215; 233; 249–266; 272; 273; 276–280; 283; 286; 289–299; 300; 303; 304; 305 ms. Chigiano L. VI. 213 260 ms. Chigiano L. VIII. 305 (K) 80; 81; 84; 85; 89; 91; 92; 93; 94; 95; 99; 101; 112; 113; 117; 120; 121; 132; 133; 137; 140; 141; 142; 143; 144; 145; 146; 148; 149; 151; 152; 153; 155; 156; 157; 158; 159; 160; 161; 162; 164; 165; 166; 167; 179; 180; 224; 235–238; 246 ms. Ottob. lat. 1883 148 ms. Pal. lat. 1644 176 ms. Rossiano 947 174 ms. Vat. lat. 3199 250 ms. Vat. lat. 3973 (Vat) 84; 85; 88; 89; 90; 91; 92; 93; 94; 100; 106; 112; 132; 133; 145; 151; 152; 157; 149; 164; 165; 190; 213–223; 246 ms. Vat. lat. 9920 176 Rom, Biblioteca dei Lincei e Corsiniana ms. 44 F 26 130 Rom, Biblioteca Nazionale Centrale ms Vittorio Emanuele 1189 119 Trespaniano, Bibliothek des Karmelkonvents Santa Maria degli Angeli (Ca) 84, 85; 89; 91; 92; 93; 94; 95; 100; 106; 111; 133, 137; 140; 142; 145; 161 Toledo,Biblioteca Capitolare ms. 104.6 (To) 85; 91; 92; 94; 95; 97; 99; 102; 105; 112; 117; 124; 129; 130; 134; 140; 142; 143; 144; 145; 146; 150; 151; 152; 153; 156; 157; 158; 159; 161; 163; 164; 165; 166; 167; 173; 215; 233; 249–266; 272; 273–276; 280– 289; 290–294; 297; 298; 300; 305 Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana ms. Ital. IX 191 192; 233; 302 ms. Ital. IX 333 195; 206 ms. Ital. IX 491 233; 302

ms. Ital. IX 529 (Mc) 84; 89; 91; 92; 95; 100; 122; 123; 132; 140; 142; 143; 145; 150; 151; 152; 156; 158; 159; 163; 164; 170; 171; 178; 188; 191; 194; 227, 228, 224–235; 244; 246; 312 ms. Ital. X 26 141; 308; 309 Verona, Biblioteca Capitolare ms. 445 (V) 85; 91; 92; 93; 94; 95; 103; 135; 142; 143; 144; 145; 151; 152; 153; 156; 159; 161; 162; 163; 164; 165; 166; 167; 179; 180; 215; 312 Herausgeber 5; 55; 131; 158; 167; 178; 180; 211; 233; 238; 244; 264; 265; 297; 303; 314 Historische Bibliothek Florenz Santa Croce 107; 108 Santa Maria degli Angeli 109; 177 Santa Maria del Fiore 107; 147 Santa Maria Novella 108; 109; 110; 111 Santo Spirito 110; 146 Illuminator 82; 260 intendimento 8; 11; 14; 21; 24; 26; 33; 35; 37; 39; 49; 50; 52; 53; 55; 73; 227; 251; 265; 294 Intertextualität 4; 5; 32; 38; 47; 51; 53; 54; 64; 78; 86; 122; 123; 131; 136; 138; 139; 144; 145; 148; 149; 170; 171; 173; 175; 178; 180; 184; 186; 214; 215; 220; 222; 224; 225; 229; 230; 235; 238; 239; 240; 241; 244; 245; 247; 283; 286; 313 Kommentator 3; 23; 40; 48; 62; 65; 67; 78; 124; 126; 166; 167; 182; 186; 249; 270; 296; 297 Komposition 3; 71; 126; 128; 131; 171; 236 Kopieranleitung 3; 70 -74; 76; 79; 85; 131; 132; 160; 213; 318 Leihvermerk 3; 106; 107 Lesespuren 4; 5; 8; 9; 75; 78; 80; 86; 106; 138; 139; 140; 141; 142; 143; 145; 152; 180; 315; 316 libello 4; 10; 11; 14; 16; 20; 29; 32; 48; 65; 71; 72; 77; 79; 86; 89; 106; 112; 121; 137; 138; 163; 165; 166; 172; 174; 184; 187; 189;

Sachindex

191; 192; 194; 195; 198; 203; 204; 205; 207; 212; 214; 218; 219; 220; 223; 224; 226; 227; 228; 234; 240; 242; 262; 267; 271; 279; 285; 286; 298; 307; 312; 313; 314 lingue d’oc 60 Material philology 70; 82; 316 Memoriali Bolognesi 87; 88; 105; 123; 150; 161; 170; 189; 204–212; 213; 247; 312; 314; 317 Metapher 4; 8; 17; 34; 41; 61; 62; 67; 73; 174; 231; 247; 272 Miniaturen 95; 99; 119; 120; 126; 128 Mnemotechnik 41; 47; 317 Papier 11; 80; 94; 95 Pergament 11; 80; 94; 95; 137; 254 Personifizierung 15; 16; 17; 18; 20; 21; 22; 27; 41; 43; 54; 59; 60; 223 Poetologie 1; 15; 17; 40; 48; 65; 66; 68; 76; 78; 79; 80; 180; 214; 297; 306 Proömium 8; 11; 13; 14; 15; 31; 37; 38; 52; 71; 73; 157; 195; 198; 227; 229; 297 Prosimetrum 1; 9; 76; 79; 88; 89; 94; 160; 163; 178; 179; 206; 210; 220; 223; 225; 226; 244; 245; 247; 264; 266; 277; 285

359

Raccolta Aragonese 140; 149; 181 Raccolta Bartoliniana 149 Rezeptionsappell 3; 9; 33; 37 Rezeptionsspur 3; 4; 5; 9; 75; 78; 80; 86; 106; 138; 139; 140; 141; 142; 143; 145; 152; 180; 315; 316 Rubrik 14; 38; 70; 73; 82; 84; 114; 131; 132; 133; 134; 135; 136; 157; 284; 304 Scuola Siciliana 1; 150; 211 Schreibanweisung 41; 56; 58; 134 Schreibervermerk 4; 105; 106 Serventese 34; 53; 313 Spiriti 16; 17; 27; 41–47; 55; 60; 70, 144; 173; 198; 217; 241; 242; 243 stile della lode 10; 12; 26; 29; 57; 176; 214; 218; 306 Tenzone 11; 12; 67; 171; 223; 233; 235; 236 Troubadours 1; 23; 29; 63; 206; 266 visibile parlare 43; 69; 70 Visual Poetics 3; 70; 83 Witwenmetapher 41; 52; 54; 55; 56; 70; 72; 281; 283