Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie: Ein Beitrag zur gegenwärtigen strafrechtlichen Grundlagendiskussion [1 ed.] 9783428530083, 9783428130085

Luís Greco wirft in der vorliegenden Publikation die Frage auf, ob die heutige strafrechtstheoretische Diskussion von Fe

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Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie: Ein Beitrag zur gegenwärtigen strafrechtlichen Grundlagendiskussion [1 ed.]
 9783428530083, 9783428130085

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 210

Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie Ein Beitrag zur gegenwärtigen strafrechtlichen Grundlagendiskussion

Von

Luís Greco

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

LUÍS GRECO

Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (y) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 210

Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie Ein Beitrag zur gegenwärtigen strafrechtlichen Grundlagendiskussion

Von

Luís Greco

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Claus Roxin, München Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-13008-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meinen Vater

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertation zur Erlangung eines Doktortitels an der Ludwig-Maximilians-Universität München vorgelegt. Nur einer unterzeichnet sie, nur einem werden die in ihr verkörperten Verdienste und Mängel zugerechnet. Diese Verdienste wären noch bescheidener, die Mängel umso gravierender, wenn nicht viele im Laufe der Jahre, die die Fertigstellung dieser Arbeit in Anspruch nahm, geholfen hätten. Im Rahmen dieses Vorwortes geht es darum, sich von allem Herzen bei ihnen zu bedanken. An erster Stelle gilt mein Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Claus Roxin für die Erstellung des Erstgutachtens, die Abnahme der mündlichen Prüfung sowie vor allem für eine über mehrere Jahre ununterbrochene Bereitschaft zum Gedankenaustausch. Bei Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Bernd Schünemann bedanke ich mich zunächst für die Anregung – oder im Fachjargon: Anstiftung –, eine Arbeit über Feuerbachs Straftheorie zu schreiben, für das Zweitgutachten und für die Gelegenheit, an seinem Lehrstuhl als Assistent zu arbeiten. Prof. Dr. Ulrich Schroth habe ich für meine mündliche Prüfung zu danken. Prof. Dr. Dr. h. c. Friedrich-Christian Schroeder und Prof. Dr. Andreas Hoyer schulde ich Dank für die Ehre, dass diese Arbeit in der Reihe der Strafrechtlichen Abhandlungen erscheinen darf. Prof. Dr. Dr. h. c. Jesus Maria Silva Sánchez war so höflich, mich für zwei Wochen in seinem Institut an der Universidad Pompeo Fabra, Barcelona, als Gast zu empfangen. Bei einer 500-seitigen Arbeit kann man darüber froh sein, wenn man überhaupt einen findet, der sie liest. Ich fand derer vier, von denen keiner sich damit begnügte, bloß zu lesen, sondern vielmehr alle bereit waren, über jedes Argument, sogar über einzelne Fußnoten zu diskutieren: Dr. José Peralta, Dr. Peter Kasiske, Yannick Schönwälder und Thiago Tannous. Ich hatte noch das seltene Glück, mich über viele der Gedanken dieser Arbeit mit Strafrechtsprofessoren und -gelehrten aus aller Welt unterhalten zu dürfen. Aus Deutschland möchte ich Prof. Dr. Knut Amelung, Prof. Dr. Manfred Heinrich, Prof. Dr. Hans-Georg Hermann, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hans-Joachim Hirsch, Prof. Dr. Christian Jäger, Prof. Dr. Hannes Ludyga, Prof. Dr. Wolfgang Naucke, Prof. Dr. Hermann Nehlsen, Prof. Dr. Lothar Philipps, Prof. Dr. Ingeborg Puppe und Prof. Dr. Jürgen Wolter benennen; aus Spanien Prof. Dr. Dr.

8

Vorwort

h. c. Luís Gracia Martin, Prof. Dr. Ricardo Robles Planas, Prof. Dr. Inigo Ortiz Urbina Gimeno, Prof. Dr. Miguel Polaino-Orts, Dr. Beatriz Espínola; aus Italien Prof. Dr. Sergio Moccia, Prof. Dr. Alessandro Bondi, Prof. Dr. Antonio Cavaliere, Prof. Dr. Francesco Vigano; aus Portugal Prof. Dr. Paulo de Sousa Mendes; aus Brasilien Prof. Dr. Juarez Tavares, Prof. Dr. Miguel Reale Jr., Prof. Dr. Juarez Cirino dos Santos, Dr. Fernando Gama de Miranda Netto, Dr. Marina Pinhão Coelho, Flavio Cardoso Pereira, João Paulo Martinelli, Mario Pimentel Albuquerque, Humberto Souza Santos und Fernanda Tórtima; aus Argentinien Prof. Dr. Daniel R. Pastor, Dr. Hernán Bouvier, Dr. Gabriel Pérez Barberá, Dr. Eduardo Riggi, Mateo Bermejo; aus Peru Raúl Pariona. Ich möchte mich auch bei der Konrad-Adenauer-Stiftung bedanken, die für die ersten Jahre meiner Promotion ein großzügiges Stipendium gewährte. Und zuletzt bedanke ich mich bei dem, der mich seit je immer unterstützt und anspornt, dessen Anwesenheit auch nach 7 Jahren Ferne unvermindert spürbar bleibt und dem dieses Buch auch gewidmet ist: meinem Vater, Prof. Dr. Leonardo Greco. Ich hoffe, Du bist glücklich. München, im Juni 2009

Luís Greco

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Leitfrage: Warum soll man das Richtige tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lebendiges und Totes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Biographisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Formalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 16 18 21 30 31 32

B. Rechtsgeschichtlicher Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Theorie im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsequenzen der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Gesetzlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verbrechen als Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Verbrechenslehre (Gründe der absoluten Strafbarkeit) . . . . . . . d) Die Strafzumessungslehre (Gründe der relativen Strafbarkeit) . . . . e) Der Strafvollzug und die besonderen Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs . . . . . . . . . . . . . . III. Die Psychologie der psychologischen Zwangstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 34 34 49 49 56 59 65 69 73 87

C. Rechtsphilosophischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Trennung von Recht und Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Mensch als Zweck an sich selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108 108 109 160

D. Strafrechtsphilosophischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Was soll die Straftheorie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sind Straftheorien überhaupt zeitgemäß? Die abolitionistische Herausforderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Aufbau der Straftheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der formelle Aufbau: Strafandrohung und Strafzufügung . . . . . . . b) Der materielle Aufbau: Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit, Deontologie und Konsequentialismus in der Straftheorie . . . . . . . . c) Exkurs: die Begründung der Strafgesetzlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit, noch einmal . . . . . . . . . . . . . . .

202 202 202 203 207 227 227 230 253 274

10

Inhaltsverzeichnis II.

Die Straftheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Pessimismus als methodisches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materieller Straftatbegriff bzw. Strafzwecke erster Ordnung: Verletzung von subjektiven Rechten oder von Rechtsgütern bzw. Schutz von subjektiven Rechten oder von Rechtsgütern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwecke zweiter Ordnung (I): der Zweck der Strafandrohung . . . . . . . a) Einleitendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Begriff der Abschreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Empirische Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Normative Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Positive Generalprävention als Strafandrohungszweck? . . . . . . . . . . g) Gesamtfazit zum Zweck der Strafandrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwecke zweiter Ordnung (II): Der Zweck der Strafzufügung . . . . . . . a) Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung als Strafzufügungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ein empirischer Einwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spezialprävention I: Besserung bzw. Resozialisierung? . . . . . . . . . d) Spezialprävention II: Unschädlichmachung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Positive Generalprävention? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Vergeltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsgrund der Strafandrohung: niemandes Rechte werden berührt . . a) Feuerbachs Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsgrund der Strafzufügung: Einwilligung des Verbrechers in die Strafe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Lebendige und das Tote: Gesamtwürdigung der Straftheorie Feuerbachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

274 274 287

303 354 354 356 362 363 377 396 419 420 420 421 435 449 453 458 478 478 478 484 509

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634

Abkürzungsverzeichnis AcP ADPCP AE AE-Ladendiebstahl AE-Wiedergutmachung ALR AöR ArchCrimR ARSP AT Aufl. BayStGB BGH BGHSt BpRW BritJCriminol BT BT-Drucks. BVerfGE BVerwG BVerwGE CanJPhil CardozoLRev ColumLRev ConnLRev ders. DickLRev dies. DJ DJZ DR DRWis DStR DVBl

Archiv für civilistische Praxis Anuário de derecho penal y ciencias penales (Madrid, Spanien) Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches (1966) Alternativ-Entwurf eines Gesetzes gegen Ladendiebstahl (1974) Alternativ-Entwurf Wiedergutmachung (1992) Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (1794) Archiv für öffentliches Recht Archiv des Criminalrechts Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Allgemeiner Teil Auflage Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern (1813) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bibliothek für die peinliche Rechtswissenschaft und Gesetzkunde British Journal of Criminology Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Canadian Journal of Philosophy Cardozo Law Review Columbia Law Review Connectitut Law Review derselbe Dickinson Law Review dieselbe Deutsche Justiz Deutsche Juristenzeitung Deutsches Recht. Zeitschrift des Bundes Nat.-Soz. Deutscher Juristen Deutsche Rechtswissenschaft Deutsches Strafrecht Deutsches Verwaltungsblatt

12 E 1962 EuGH EuS f./ff. GA GG grdl. GS h. M. HRRS i. d. R. i. Erg. insb. insg. i. S. i. Ü. JA JAfrPhil JahrbgesdjLit JAmInstCrimL& Criminology JBl JCrimL& Criminology JCrimLCriminology &PolSci JLSt JR Jura JuS JW JZ KJdRW KrimJ KritJ KritV Law&SocRev LK2

LK6

Abkürzungsverzeichnis Regierungsentwurf eines Strafgesetzbuches, BT-Drucks. IV/650 Europäischer Gerichtshof Ethik und Sozialwissenschaften folgende/fortfolgende Goltdammers Archiv für Strafrecht Grundgesetz grundlegend Der Gerichtssaal herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung Strafrecht in der Regel im Ergebnis insbesondere insgesamt im Sinne im Übrigen Juristische Arbeitsblätter The Journal of African Philosophy Jahrbücher der gesammten deutschen juristischen Literatur Journal of the American Institute of Criminal Law & Criminology Juristische Blätter The Journal of Criminal Law & Criminology The Journal of Criminal Law, Criminology and Police Science The Journal of Legal Studies Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kritische Jahrbücher für deutsche Rechtswissenschaft Kriminologisches Journal Kritische Justiz Kritische Vierteljahreszeitschrift für die Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Law and Society Review Ebermayer, Ludwig/Eichelbaum, Julius/Lobe, Adolf/Rosenberg, Werner, Das Reichs-Strafgesetzbuch, 2. Aufl., Berlin/Leipzig, 1920 Nagler (Hrsg.), Reichs-Strafgesetzbuch nach dem neuesten Stand der Gesetzgebung – Leipziger Kommentar, 6. Aufl., Berlin, 1944

Abkürzungsverzeichnis LK10 LK11 LK12 LR26 MichLRev. MDR MK

MPhGesRG MschrKrim MschrKrimBio MschrKrimPsych NarchCrimR Niederschriften I NJW NK2 Notre Dame J. L. Ethics & Pub. Pol’y NStZ NVwZ RBCC RDPC REDC RFDUC RGSt RIDPP RP RPCP RSCDPC S. SchwZStr Sp. StanLRev StGB StPO

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Jescheck/Ruß/Willms (Hrsg.), Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 10. Aufl., Berlin/New York, 1985 Jähnke/Laufhütte/Odersky (Hrsg.), Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 11. Aufl., Berlin/New York, 2003 Tiedemann u. a. (Hrsg.), Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 12. Aufl., Berlin, 2006 ff. Erb u. a. (Hrsg.), Löwe-Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 26. Aufl., Berlin, 2007 ff. Michigan Law Review Monatsschrift für deutsches Recht Heintschel-Heinegg/Sander/Hefendehl/Lagodny/Joecks/Schmitz (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, München, 6. Bände, 2003 ff. Magazin für die Philosophie und Geschichte des Rechts und der Gesetzgebung Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform Archiv des Criminalrechts (Neue Folge) Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. I, Grundsatzfragen, Bonn, 1956 Neue Juristische Wochenschrift Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl., Baden-Baden, 2005 Notre Dame Journal of Law Ethics and Public Policy Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Revista Brasileira de Ciências Criminais Revista de Derecho Penal y Criminología Revista Española de Derecho Constitucional Revista de la Facultad de Derecho de la Universidad Complutense (Madrid, Spanien) Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen Rivista Italiana di Diritto e Procedura Penale Revista Penal (Barcelona, Spanien) Revista Peruana de Ciencias Penales (Lima, Peru) Revue de Science Criminelle et de Droit Pénal Comparé Seite Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Spalte Stanford Law Review Strafgesetzbuch Strafprozessordnung

14 StV umstr. VandLRev VaLRev WisLRev ZfdKP ZgesRechtsw ZIS ZRP ZStW

Abkürzungsverzeichnis Strafverteidiger umstritten Vanderbilt Law Review Virginia Law Review Wisconsin Law Review Zeitschrift für deutsche Kulturphilosophie Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

„In der That, Strafgesetze können die Menschlichkeit nicht aufgeben, sie bleiben in eben dem Verhältnis unwirksam, in welchem sie unmenschlich sind“. (Theod. v. Hippel, Beytrag, S. 24 f.). „Welches Motiv kann die Gewalt, die nichts zu fürchten hat, bestimmen, den Weg des Rechts einzuschlagen und sich an das Gesetz zu binden? Dasselbe Motiv, das ausreicht, den Menschen zur Selbstbeherrschung zu bestimmen: das eigene Interesse. Die Selbstbeherrschung macht sich bezahlt.“ (Ihering, Zweck I, S. 366). „Die ganze Geschichte des Rechts kreist um den Gegensatz von Macht und Recht, von Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit“. (Eb. Schmidt, Geschichte, S. 7).

A. Einleitung Ich höre Dich, sagte der König. Der junge Philosoph zitterte. Endlich bekam er die Gelegenheit, mit dem König zu sprechen. Dieser müsse erfahren, dass es um die Sache der Menschlichkeit sehr schlecht stehe. Menschen würden zu Geständnissen gefoltert oder zum Tode verurteilt. Auch vor dem innersten Bereich individueller Privatsphäre mache die Strafwucht keinen Halt. Häufig übersteige das zugefügte Strafübel das Maß des Verdienten. Viele Strafen seien Ausprägungen größter Grausamkeit. Richter sprächen Strafen aus, wo sie gesetzlich nicht vorgesehen seien, und bestraften Handlungen, die nicht vor ihrer Begehung von einem Gesetz für strafbar erklärt wurden. Dass meine Zeit knapp ist, weißt Du bereits, also erzähle mir nur das, wovon ich nicht schon unterrichtet bin, fügte der König hinzu. Der Philosoph brach sein Schweigen. Ein guter König wolle das Wohl seiner Untertanen. Nicht zuletzt hänge sein eigenes Wohl davon ab. Nun werde das Wohl der Untertanen und des Königs durch die herrschenden Vorgehensweisen kaum gefördert. Folter biete keine Gewähr für die Wahrheit eines Geständnisses. Von einer öffentlichen Hinrichtung ließen sich nur die wenigsten beeindrucken. Verbote von Handlungen, die sich bloß im privaten Bereich ereignen, seien verschwenderisch und deshalb schädlich. Nur die Strafe, welche die Grenze des Verdienten einhält, werde von dem bestraften Untertan oder von der Allgemeinheit als eine verdiente empfunden. Grausame Strafen verdürben das Volk. Hätte man präzise, verständliche, bindende und erschöpfende Strafgesetze, würden die Untertanen sie zu Richtlinien ihres Verhaltens machen können und die Begehung von Straftaten fürchten lernen.

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A. Einleitung

Der Philosoph wunderte sich, dass er bis zum Ende sprechen durfte. Von seinem Erfolg erfuhr er aber erst, als er den Auftrag bekam, für das Land einen Gesetzesentwurf vorzubereiten. Dem Philosophen schien es, die Sache der Menschlichkeit würde endlich den Sieg davontragen, und so wurde der Entwurf zum Gesetz. Nach all diesen Jahren sprechen wir uns wieder, sagte der König, der nach dem inzwischen alt gewordenen Philosophen gerufen hatte. Dein Gesetz war und ist vortrefflich. Denn ein guter König will das Wohl seiner Untertanen, wovon auch sein eigenes Wohl abhängt, und unter Deinem Gesetz war man lange Zeit glücklich. Die Welt hat sich aber geändert. Es gibt Menschen, die nur unter der Folter zum Sprechen kommen. Hinrichtungen können in gewissen Fällen durchaus einen Eindruck hinterlassen. Es hat schon Sinn, Handlungen zu untersagen, die trotz ihrer Privatheit indirekt Schädigungen anderer hervorrufen können. Die Untertanen verlangen häufig nach der Höchststrafe, selbst dort, wo diese unverdient ist. Und manchmal ist Milde verderblicher als jede Grausamkeit. Wie einst zitterte der Philosoph. Nur ergriff er diesmal entschlossen das Wort. Wenn das zu bedeuten habe, dass er ein neues Gesetz vorbereiten müsse, das Folter und Todesstrafe, Bestrafungen privater Handlungen, schuldübersteigernde und grausame Strafen zu enthalten habe, könne er keinen Beitrag dazu leisten. Denn er sei als Philosoph immer noch von dem, was er in seiner Jugend gesagt habe, überzeugt. Wer hat hier von einem neuen Gesetz gesprochen?, erwiderte der König. Das Gesetz bleibt unberührt, die Untertanen müssen sich davor fürchten. Nur kann es notwendig sein, für ihr Wohl und mein Wohl, dass sie vor anderen Dingen Furcht haben, die nicht im Gesetz stehen und die vielleicht nicht im Gesetz stehen sollten.

I. Die Leitfrage: Warum soll man das Richtige tun? Das Recht liefert Maßstäbe des Richtigen. Sie zu beachten ist nicht immer leicht. Insbesondere in schwierigen Situationen wird die Frage nach dem Grund, weshalb man das Richtige tun sollte, brisant. Aber auch in ruhigeren Zeiten verliert die Frage nicht an Relevanz. Man kann deshalb sagen, dass die Geschichte der Strafrechtswissenschaft, vor allem die der letzten zweihundert Jahre, sich als Versuch deuten lässt, eine Antwort auf diese Frage zu formulieren. Die Frage lässt sich sowohl im Hinblick auf das Verhalten des Staates als auch bezüglich des Verhaltens der Bürger stellen. Konkret, und bezogen auf den Staat: Warum darf er nicht ohne Schuld bestrafen? Warum darf er weder foltern noch die Todesstrafe verhängen? Warum darf er Handlungen, die innerhalb der Privatsphäre des Bürgers stattfinden, nicht für strafbar erklären? Last but not

I. Die Leitfrage: Warum soll man das Richtige tun?

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least, um Feuerbachs Hauptfrage zu stellen: Warum darf er nicht ohne Gesetz bestrafen? Und bezogen auf den Bürger: Warum soll er nicht Menschen töten oder fremde bewegliche Sachen in Zueignungsabsicht wegnehmen? Man kann idealtypisch zwei Antworten auf diese Frage unterscheiden. Sie sind nicht die einzig möglichen, sondern nur die, die in der Geschichte der Strafrechtswissenschaft die vornehmste Rolle gespielt haben und die deshalb auch in dieser Arbeit im Vordergrund stehen werden. Eine erste Antwort, die man als die Kant’sche bezeichnen könnte, macht es sich einfach: Man soll das Richtige tun, weil es richtig ist. Der Hinweis auf seine Richtigkeit reicht als Grund dafür, das Richtige zu tun, aus. Die Frage nach einem Grund, das Richtige zu tun, erscheint dem Kantianer wenig sinnvoll, da es einen besseren Grund als eben die Richtigkeit nicht gibt. Die zweite Antwort, die man die Hobbes’sche nennen könnte, findet diese Antwort nicht erhellend. Für sie hat man durchaus einen Grund, das Richtige zu tun, und dieser Grund ist nicht die Richtigkeit des Richtigen, sondern die Tatsache, dass das Richtige vorteilhaft ist. Im Einzelnen hat man sich der beiden Begründungsmuster sehr unterschiedlich bedient, je nachdem, mit welcher konkreten Einzelfrage man zu tun hatte. Immerhin erscheint eine zusammenfassende Gesamteinschätzung nicht fehl am Platz. In Bezug auf das staatliche Verhalten herrscht eine erstaunliche Kontinuität seit der Zeit Feuerbachs: Man bedient sich hier überwiegend Hobbes’scher Antworten. Feuerbachs zentrales Argument, die Strafgesetzlichkeit darauf zu stützen, dass das Gesetz das beste Mittel der allgemeinen Abschreckung sei, weist eine derartige Hobbes’sche Struktur auf. Das Gesetz zahlt sich aus, es schreckt ab. Die meisten seiner weiteren Gedanken zur Straftheorie lassen sich direkt oder indirekt auf die Annahme zurückführen, das Richtige müsse vorteilhaft sein. Wenn auch Feuerbachs Gesetzlichkeitslehre heute nicht allzu viele Anhänger hat, ist die dieser Theorie zugrundeliegende Hobbes’sche Argumentationsstruktur die bei vielen zentralen Fragen bezüglich des Staatshandelns beliebteste: So rechtfertigt man die Strafen überwiegend durch ihre Notwendigkeit1 und die Bindung des Staates an die Schuld des Verbrechers durch einen Hinweis auf die präventiven, vor allem sozial-integrierenden Vorteile der schuldangemessenen Strafe. In Bezug auf das Bürgerverhalten ist überraschenderweise genau die umgekehrte Entwicklung zu verzeichnen: Feuerbach vertrat hier, wie für den Staat, eine Hobbes’sche Lösung. Der Grund, weshalb der Bürger die Gesetze achten soll, sei, dass die Missachtung der Gesetze strafbewehrt ist. Er dürfe sich nicht beschweren, wenn er dann bestraft wird, weil er durch die Begehung einer strafbewehrten Tat sogar in seine eigene Bestrafung einwillige. Heutzutage steht man dagegen insofern überwiegend auf Kant’schem Boden. Das wird vor allem an zwei Stellen deutlich, nämlich bei der positiven Generalprävention und beim 1

Man merke, Notwendiges ist nichts anderes als eine Grenzform des Vorteilhaften.

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A. Einleitung

herrschenden Schuldbegriff. Die Lehre von der positiven Generalprävention besagt nichts anderes, als dass der Grund, den eine Strafandrohung dem Bürger gibt, ein Verhalten nicht zu begehen, nicht darin liege, dass dem Bürger etwas Unangenehmes widerfahren könne, sondern darin, dass sein Verhalten falsch sei. Ferner verkörpert die herrschende Schuldlehre eine Kant’sche Antwort, wenn sie besagt, schon das Normge- oder -verbot gebe dem Bürger einen unter Strafe durchsetzbaren Grund, das Richtige zu tun. Schuld sei dementsprechend der Vorwurf, man habe sich nicht nach den Geboten und Verboten des Rechts gerichtet. Die Strafbarkeit der Tat brauche man nicht zu kennen, um Unrechtsbewusstsein zu haben. In der vorliegenden Untersuchung wird nun eine Ansicht vertreten, welche die der heute herrschenden Meinung gerade auf dem Kopf stellt. Zum einen soll die Berechtigung der Kant’schen Antwort in Bezug auf das Staatshandeln gegenüber Feuerbach und der herrschenden Meinung wieder aufgewertet werden. Warum muss man etwa sagen, eine Strafe dürfe deswegen nicht die Schuld überschreiten, weil dies desintegrierend, also nachteilig wirke? Warum reicht die Behauptung, die Schuld werde überschritten, nicht aus? Diese Arbeit hat wahrscheinlich die selbe Luft geatmet, welche die zweckmäßigkeitskritische Richtung belebt, die in der deutschen Strafrechtswissenschaft der letzten Zeit immer populärer wird. Nur glaubt sie nicht, dass es möglich oder angemessen ist, ohne Zweckmäßigkeitsargumente, also Argumente Hobbes’scher Struktur, auszukommen. Dass diese aber nicht ausreichen, soll im Einzelnen dargelegt werden. In Bezug auf das Handeln des Bürgers will diese Untersuchung aber zurück zu Feuerbach. Die Implikationen dessen werden erst im Verlauf der Arbeit sichtbar. Es dürfte aber schon deutlich geworden sein, dass die beiden soeben erwähnten Theorien, nämlich die der positiven Generalprävention und der herrschende Schuldbegriff, abgelehnt werden sollen und dass versucht werden wird, sie durch Alternativen im Geiste Feuerbachs zu ersetzen.

II. Lebendiges und Totes „Der Grundbegriff, von welchem das ganze Criminalrecht ausgeht und auf welches alles zurückläuft, ist der Begriff von bürgerlicher Strafe. Man kann es ohne Uebertreibung sagen, daß von der Bestimmtheit oder Unbestimmtheit dieses einzigen Begriffs die Wahrheit oder Falschheit, die Consequenz oder Inconsequenz der ganzen Theorie, und die Festigkeit oder das Schwanken der Praxis abhängig ist“.2 2 Feuerbach, Revision, I, S. XIX; über die grundlegende Bedeutung der Straftheorie vgl. auch ders., Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 4; ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs I, S. 51 f.

II. Lebendiges und Totes

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In dieser Arbeit geht es um die Straftheorie P. J. A. Feuerbachs, also um die berühmte „psychologische Zwangstheorie“. Über sie ist zweifelsohne schon viel geschrieben worden. Trotzdem ist dieses Thema noch eine Untersuchung wert, vorausgesetzt, man versucht, einen neuen Weg einzuschlagen. Die bisherigen Arbeiten waren sich überwiegend darin einig, die Straftheorie Feuerbachs als ein wichtiges, aber doch in vergangenen Zeiten formuliertes Gebilde anzusehen, das man zwar sollte verstehen können und über das man reflektieren sollte. Es wird aber nicht ernsthaft erwogen, die Theorie für unsere Zeit nutzbar zu machen. Feuerbach sei ein Denker des entstehenden liberalen Rechtstaates und der späten Aufklärung, leide daher an all jenen Naivitäten, wie der Überschätzung der Vernunft und der Unterschätzung anderer Aspekte der Wirklichkeit, die für seine Zeit charakteristisch waren. Mehr noch: Schon Savigny beklagte 1817, dass das auf Feuerbachs Straftheorie beruhende bayerische StGB von 1813 nicht weniger als 111 Novellierungen erfahren habe,3 und Binding, der nicht gerade für seine diplomatische Ausdrucksweise bekannt ist, urteilte, Feuerbachs Theorie sei „überholt“ und habe mit dem von ihr inspirierten Bayerischen Strafgesetzbuch von 1813 „vollständigen Schiffbruch erlitten“.4 Der Gedanke, Feuerbach gehöre allein der Geschichte an, ist zum Teil eine Konkretisierung der verbreiteten Skepsis gegenüber jeder Theorie allgemeiner Abschreckung durch das Strafrecht. Die Abschreckungstheorie hat im heutigen Deutschland ganz allgemein einen schlechten Ruf. Seit der Nachkriegszeit widmet man ihr wenig mehr als pauschalisierte Verachtung.5 So schrieb schon H. Mayer: „Wer aber Generalprävention mit Abschreckung übersetzt, beweist, dass er die lateinische Sprache nicht gelernt und die Problematik nicht gründlich durchdacht hat“.6 Das Diktum Bockelmanns aus der unmittelbaren Nachkriegszeit ist nach wie vor weitgehend zutreffend: „Wissenschaftlich wird eine Straftheorie, die den Abschreckungszweck in den Vordergrund rückt, wohl kaum mehr vertreten“.7 Neun Jahre später urteilte er noch härter: „Über die Abschreckungstheorie ist kein Wort zu verlieren. Ihre Unrichtigkeit ist evident“.8

3 Savigny, ZgesRechtsw 3 (1817), S. 15; gleiches Urteil bei Mittermaier, Strafgesetzgebung I, S. 18 ff.; Köstlin, Geschichte, S. 246. Ausführlich zur Novellierung des Diebstahls Feuerbachs Gegner Gönner, NArchCrimR 1826, S. 1 ff. 4 Binding, Grundriss8, S. 208 (Zitate); ders., Handbuch, S. 21: Schon zur Zeit Schopenhauers sei die Theorie „längst überholt“ gewesen; ähnlich v. Hippel, Deutsches Strafrecht I, S. 458 f.; Lenckner, Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, S. 11. 5 Für wenige Ausnahmen siehe unten S. 354 ff. 6 H. Mayer, AT2, S. 22. 7 Bockelmann, JZ 1951, S. 495; ähnlich Art. Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 202: Unter den relativen Straftheorien lohne es sich nur, über die Spezialprävention zu diskutieren, „da die Generalprävention, die Abschreckung, heute wohl nirgends mehr als maßgeblicher Rechtfertigungsgrund der Strafe vertreten wird“. 8 Bockelmann, Heidelberger Jahrbücher 5 (1961), S. 33.

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A. Einleitung

Und heute sagt Stratenwerth, die Abschreckungstheorie habe „in der Wissenschaft allen Kredit verloren“.9 Anliegen der vorliegenden Untersuchung ist es, die Straftheorie Feuerbachs nochmals ins Auge zu fassen und zu fragen, was an ihr als lebendig und was an ihr als tot anzusehen ist. Die Arbeit wird dabei nur von einem begrenzten rechtsgeschichtlichen Interesse geleitet. Ohne eine genaue historische Darstellung der Theorie Feuerbachs wäre es indes nicht möglich voranzukommen. Der Leser wird merken, dass hier sogar Neuinterpretationen wesentlicher Punkte vorgeschlagen werden.10 Das Hauptanliegen bleibt jedoch ein strafrechtsphilosophisches. Deshalb stehen nicht nur die Auseinandersetzung zwischen Feuerbach und seinen Zeitgenossen im Mittelpunkt, sondern auch die von heutigen Autoren über (meistens aber gegen) ihn formulierten Bemerkungen. Und deshalb wird nicht nur Feuerbach, sondern werden die Straftheorien im Allgemeinen zu diskutieren sein. Es geht um die heutige Vertretbarkeit der Gedanken Feuerbachs, und diese Vertretbarkeit ist unter anderem von der Leistungsfähigkeit der Konkurrenz abhängig. Viele der radikalsten und auch interessantesten strafrechtlichen Positionen Feuerbachs erscheinen bei näherem Hinsehen als direkter Ausfluss bestimmter allgemeiner rechtsphilosophischer Ansichten. Man denke etwa an seine Ablehnung der Begriffe von Willensfreiheit und Schuld, die seiner Ansicht nach unmittelbar aus seiner strikten Trennung von Recht und Moral folge. Deshalb wäre die hier bezweckte Würdigung der Straftheorie Feuerbachs nur zur Hälfte erreicht, wenn man diese theoretisch primären rechtsphilosophischen Vorfragen ausklammern und sich bloß auf die in solchen Fällen sekundäre Straftheorie konzentrieren würde. Rechtsphilosophische Fragen, die für eine befriedigende Würdigung der Straftheorie Feuerbachs präjudiziell sind, müssen deshalb trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten geklärt werden. Insofern verfolgt die Arbeit auch ein rechtsphilosophisches Anliegen. Dies erweist sich nicht zuletzt schon deswegen als unverzichtbar, weil bei der Behandlung beliebiger konkreter Einzelfragen eine Stellungnahme zu grundlegenden rechtsphilosophischen Vorfragen, wie etwa zum Verhältnis von Recht und Moral, zwar meist nur unbewusst, aber implizit eben doch erfolgt. Daher erscheint es als ein Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit, diese Stellungnahme auch explizit und bewusst zu machen. Da die volle Reichweite der Theorie Feuerbachs erst in ihrer Entfaltung in der Verbrechens- und Strafzumessungslehre zu erkennen ist, wird man derartigen Fragen nicht ausweichen können. Die wichtigsten strafrechtsdogmatischen 9

Stratenwerth, Strafzwecke, S. 9. Vgl. unten B. III., gegen das überlieferte Verständnis, wonach Feuerbach vom Modell eines vernünftigen, Folgen erwägenden Täter ausgehe. 10

III. Methodik

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Folgerungen Feuerbachs werden daher in relativer Ausführlichkeit dargestellt. Die Folgerungen aber, die sich aus unseren Änderungen in Feuerbachs Theorie ergeben, können nur skizziert werden. Diese Asymmetrie lässt sich angesichts des Reichtums der modernen dogmatischen Diskussion nicht vermeiden. Wollte man tatsächlich den entschuldigenden Notstand, den Verbotsirrtum und die Strafzumessung nach Feuerbach’schem Geist neu konzipieren, käme man mit den vorliegenden 500 Seiten bei Weitem nicht aus. Aus diesem Grund müssen die einschlägigen Erwägungen hier weitgehend abstrakt und konkretisierungsbedürftig bleiben – indem sie das theoretische Problem der Strafe behandeln, viele damit verbundenen dogmatischen und kriminalpolitischen Einzelfragen aber unerörtert lassen. Ihr Nutzen liegt darin, einen Rahmen anzubieten, innerhalb dessen sich sämtliche Diskussion über einzelne konkretere Probleme zu entfalten hat. Die umfassende, abschließende Auswertung der hier zu gewinnenden Erkenntnisse wird aber erst in gesonderten Untersuchungen erfolgen können.

III. Methodik Die Straftheorie Feuerbachs ließe sich auf zweierlei Art und Weise kritisch untersuchen. Zum einen könnte man vor allem die Schriften Feuerbachs und die Sekundärliteratur berücksichtigen in dem Unterfangen, Feuerbachs Gedanken aus sich selbst heraus zu prüfen. Diese Vorgehensweise wäre hilfreich, wenn es bloß darum ginge, Feuerbachs Thesen besser zu verstehen und hinsichtlich ihrer inneren Konsistenz zu untersuchen. Zu einem Urteil über das Lebendige und das Tote käme sie aber nicht. Die vorliegende Arbeit trägt aber nun nicht den Titel „Konsistentes und Inkonsistentes in Feuerbachs Straftheorie“. Eine andere Vorgehensweise ist daher geboten. Man darf sich nicht mit Feuerbach und seinen Forschern zufrieden geben. Vielmehr muss man fragen, ob die Gedanken Feuerbachs auch für den heutigen Stand der Diskussion um die Straftheorien etwas hergeben. Diese Forderung bedeutet erstens, dass man den heutigen Diskussionstand mit einbeziehen muss, auch und gerade dann, wenn es um Ideen und Konzepte geht, die erst nach Feuerbach reif geworden sind: Das ist etwa der Fall bei der Strafrechtskritik durch den sog. Abolitionismus oder bei der positiven Generalprävention. Die Forderung bedeutet an zweiter Stelle, dass man wichtige Erfahrungen, die seit Feuerbach gemacht wurden, nicht ignorieren darf. In Deutschland wie auch international gab es in den letzten zweihundert Jahren Ereignisse, insbesondere politisch-totalitärer Art, an denen keine Straftheorie ohne Reflexion vorbei kommt. Am Wenigsten darf man übersehen, dass die psychologische Zwangstheorie auch ein Hindernis für die Humanisierung des Strafrechts war. Eine Würdigung der Straftheorie Feuerbachs, die diesen beiden Forderungen

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A. Einleitung

nicht genügte, wäre von sehr zweifelhaftem Ertrag. Sie würde verkümmern in einer Feuerbach-Exegese und wäre ausschließlich für den nächsten FeuerbachDoktoranden von Interesse. Die hier gewählte Vorgehensweise lässt sich vielleicht am Besten als eine historisch-analytische kennzeichnen. Einige Worte zur Bedeutung beider Begriffe sind insoweit angebracht. Historisch bedeutet hier vor allem die Ernstnahme der Geschichte der Strafrechtswissenschaft. Dass Feuerbach und viele seiner Zeitgenossen wenig von der Geschichte hielten, dass sie der Geschichte in ihrer Reflexion kaum Beachtung schenkten, ist kein Geheimnis, sondern gehört zum Programm. Bei Feuerbach erfährt die Geschichtsfeindlichkeit sogar die erkenntnistheoretische Untermauerung, dass aus dem geschichtlichen Sein kein normatives Sollen folgen könne.11 Diese Geschichtsfeindlichkeit wurde an ihm und seinen Mitstreitern von der nächsten Generation heftig kritisiert, die sich rühmte, geschichtliche Rechtswissenschaft zu betreiben.12 Ironischerweise verdient aber gerade diese Kritik den Vorwurf der Ungeschichtlichkeit. Denn die Frage nach dem Warum der fehlenden Einbeziehung der Überlegungen früherer Generationen in die eigene theo11 Feuerbach, Revision II, p. XXIX; die eingehendste Stellungnahme gegen die Möglichkeit, aus Tatsachen normative Theorien abzuleiten, befindet sich schon im seinem ersten Buch: Feuerbach, Beweisgründe, S. 9 ff.; vgl. auch ders., Anti-Hobbes, S. 10; ders., Lehrbuch14, § 8, wo die Möglichkeit, die Grundlagen der Wissenschaft aus der Geschichte, d.h. aus Tatsachen, abzuleiten, abgelehnt wird; und ders., Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 126 ff. in Auseinandersetzung mit Klein; ders., Historische Rechtsgelehrsamkeit, S. 218 f. („Was der Geschichte angehört, ist schon dem Leben abgestorben“, S. 219); ferner Hommel, Vorrede, S. 8 („Außer was Christian Thomasius, Montesquieu und unser Marquis getan, ist alles öde“; selbe Stelle bei dems., Philosophische Gedanken, S. 57); Almendingen, Imputation, S. 5; Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 14, 17 ff.; Bentham, Traité de Legislation I, S. 109. In einer politischen Flugschrift schrieb Feuerbach einige Zeilen, die häufig zitiert werden, ohne dass man bemerkt, wie sehr sie mit den Kant’schen Prämissen seines Denkens (insb. mit dem Verbot, aus dem Sein ein Sollen abzuleiten) im Widerspruch stehen und dass es sich eben nur um eine politische Flugschrift handelte: „Aus dem, was geworden und wie es geworden, erkennen wir das Werdende, und dieses sagt uns, was wir handelnd sollen und dürfen“ (Unterdrückung und Wiederbefreiung, p. 192). Diesen Fehler begehen E. Wolf, Feuerbach, S. 555; Haney, Feuerbach, S. 306; Fleischmann, Feuerbach als Philosoph, S. 42 ff., der soweit geht, den zitierten Beitrag zur Quelle einer vermeintlichen Feuerbach’schen Philosophie der Geschichte zu erheben. Dagegen erkennt Radbruch, Feuerbach, S. 103, wie wenig Kant diesem Zitat zugrundeliegt. Häufig wird die Geschichtsfeindlichkeit für ein allgemeines Kennzeichen der Aufklärung erklärt, z. B. Cassirer, Philosophie der Aufklärung, S. 313. Ob das allgemein stimmt, interessiert uns nicht (dagegen schon Dilthey, Achtzehntes Jahrhundert, S. 209, 222 ff.; heute etwa Kondylis, Aufklärung, S. 421: „romantische Legende“; Kreimendahl, Aufklärung, S. 19). Für die Gruppe um Feuerbach trifft dieses Kennzeichen auf jeden Fall zu. 12 Z. B. Mittermaier, Grundfehler, S. 8; Roßhirt, Lehrbuch, S. 10 ff.; ders., Entwickelung, S. 4; ders., Geschichte I, S. 332: „rationalistischer Takt ohne historische Erleuchtung“; ders., Geschichte II, S. 316. Weitere Nachw. bei Sina, Rechtsgut, S. 15 f.

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retische Reflexion wurde von den Kritikern erstaunlicherweise nicht gestellt. Es gab aber einen klaren Grund, weshalb Feuerbach und die liberalen Strafrechtler seiner Zeit wenig von der Tradition hielten. Der Grund war der, dass eine Tradition mit liberalem Vorzeichen noch nicht existierte. Es galt, für ein neues Gebäude, das gerade über den Trümmern oder besser: über der Asche der Vergangenheit aufgerichtet werden sollte, den Grundstein zu legen. Insoweit ist unser heutiger Ausgangspunkt wesentlich günstiger als derjenige Feuerbachs. Das Gebäude, das er und seine Zeitgenossen entworfen haben, war über zwei Jahrhunderte Gegenstand der Bemühungen einiger der fähigsten Köpfe ihrer jeweiligen Generationen. Es überlebte sowohl Angriffe von außen, welche die hochmutige Fahne totalitärer Ideologien trugen, als auch Zersetzungen von innen, die hinter dem Schein der Harmlosigkeit den liberalen Rahmen sprengenden Gedankenwelten verpflichtet blieben, und so wurde aus dem Gebäude eine Festung. Was genau die Säulen sind, die diese Festung tragen, ist nicht so klar. Was der Festung ihren liberalen Charakter verleiht, dagegen schon: die entschlossene Anerkennung gewisser Schranken des Staatshandelns, die man unter keinen Umständen bereit ist zu relativieren. In den zweihundert Jahren seit Feuerbach kann man beobachten, wie diese Schranken allmählich erfasst wurden und sich durchgesetzt haben. Dazu gehören etwa das Verbot unverhältnismäßiger Strafen; das Verbot, ohne Schuld und über diese hinaus zu strafen; das Verbot der Folter und der Todesstrafe; das Verbot, ohne Gesetz zu bestrafen. Diese Verbote sind die „rohen Tatsachen“, von denen aus die vorliegenden Überlegungen ihren Ausgang nehmen – nicht weil behauptet wird, es gebe so etwas wie rohe Tatsachen im Sinne eines naiven erkenntnistheoretischen Realismus, sondern weil die liberale Tradition seit Feuerbach versucht hat, jede Unverträglichkeit zwischen einer beliebigen Theorie und einer dieser rohen Tatsachen zu Lasten der einschlägigen Theorie zu lösen, so dass man keinen Grund hat, diese Schiene zu verlassen. Ernstnahme der Geschichte bedeutet hier deshalb zunächst Ernstnahme der liberalen Tradition als Aufreihung bestimmter ausnahmsloser Schranken staatlicher Machtausübung. Die liberale Tradition hatte es nicht einfach. Eine ihrer Hauptstärken aber war die Fähigkeit, aus den Angriffen ihrer Gegner zu lernen. Deshalb heißt hier Ernstnahme der Geschichte zugleich auch Ernstnahme der illiberalen Angriffe, was eine aufrichtige Selbstkritik voraussetzt in Bezug darauf, ob das Material, aus dem man die Festung errichtet, nicht eigentlich vom Gegner stammt. Man wird sich deshalb hier Argumente, aus denen illiberale Folgerungen gezogen wurden, immer klar vor Augen halten und nachfragen müssen, ob derartige Argumente überhaupt zum Bestandteil der Festung werden können, und wenn ja, unter welchen Bedingungen und Einschränkungen dies geschehen sollte. Von dem Gegner, der sich offen als solcher zu erkennen gibt, kann man viel lernen – vor allem über sich selbst, vor allem darüber, wie man sich zu verhalten hat, damit man nicht so wird wie er.

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Ernstnahme der Geschichte bedeutet hier drittens Ernstnahme der Perspektive derjenigen, die Geschichte machten, also Aufwertung des Selbstverständnisses der jeweiligen Autoren und Zurückdrängung vulgärer Einordnungen in Gesamtzusammenhänge aus der Vogelperspektive. Das bedeutet konkret zum einen, dass man radikal revisionistischen Interpretationen schon aus methodischen Gründen skeptisch gegenüber stehen sollte: Umkehrungen von Vorzeichen, wie sie heute modisch geworden sind, so dass z. B. ein Autor, der immer für liberal gehalten wurde, zum Sprecher einer subtileren Form der Herrschaftsausübung erklärt wird, sind prinzipiell ausgeschlossen, es sein denn, man liefert auch eine Begründung, die so gut ist, dass sie das Kontraintuitive an der damit verbundenen Annahme eines kollektiven Irrtums ausgleicht. Ferner bedeutet es, dass man beim Umgang mit fremden Gedanken prinzipiell vom sog. Wohlwollensprinzip (charity principle)13 geleitet sein sollte, also von einer grundsätzlichen Ehrfurcht davor, allzu schnell Widersprüche und Gedankenfehler im Werk der anderen aufzuspüren. Häufig liefert gerade der prima facie-Widerspruch den Schlüssel für eine tiefere Ebene der Gedanken des Autors, wo der Widerspruch sich eigentlich auflöst. Und das Selbstverständnis der Handelnden nimmt man nur ernst, wenn man, wie angedeutet, der Versuchung widersteht, alles in scheingeschichtliche Schubladen einzuorden. In dieser Arbeit soll so weit wie möglich versucht werden, eine bestimmte Ansicht eines Autors nicht dadurch zu erklären (und erst recht, sie nicht deswegen zu loben oder zu tadeln), dass man sie einer bestimmten geschichtlichen Epoche zuordnet. Nicht einmal die besten strafrechtsgeschichtlichen Untersuchungen kommen ohne Behauptungen aus wie die, eine bestimmte Meinung habe „dem politischen Zug der Zeit“ entsprochen.14 Was gegen derartige Einordnungen spricht, ist, dass sie eigentlich ein Dilemma implizieren. Wenn sie stimmen, dann sind sie nichtssagende Tautologien – denn der politische Zug der Zeit ist nicht etwas, was sich über den Köpfen der Akteure ereignet, sondern wird eben durch die Schriften, die man so zu deuten versucht, konstituiert. Ein ersichtlicher Erkenntnisgewinn liegt deshalb nicht vor. Wenn diese Einordungen dagegen etwas aussagen, wenn sie über die Eigenschaften hinaus gehen, die man im Werk des Autors und anderer Zeitgenossen unmittelbar sehen kann, dann sind sie häufig ungenau und verkörpern den Versuch, die ganze Vielfalt, die ein bestimmter Autor anbietet, in das Prokrustesbett einer vorgefassten Deutung hineinzupressen.15 Allgemeine Aussagen

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Dazu Davidson, Expressing Evaluations, S. 35 f. So z. B. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 238, zu Feuerbach. Ähnliche Zitate ließen sich beliebig weiter anreihen, viele davon etwa bei E. Wolf, Feuerbach, S. 543 ff. 15 Welche Folgen diese verkehrte methodische Vorgehensweise zeitigte, wird vor allem in unserem Kapitel zu Feuerbachs Psychologie deutlich werden. Jetzt nur so viel: Man schreibt Feuerbach einhellig die Meinung zu, er gehe vom Modell eines vernünftig-abwägenden Täters aus, worin er mit der rationalistischen Psychologie der Aufklärungszeit übereinstimme. 14

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über die Zeit lassen sich nur auf Grundlage vorsichtiger Induktionen formulieren. Die Ernstnahme der ersten Person impliziert letztlich, dass man vergessenen Stimmen ihr Recht zukommen lässt. Feuerbach, Binding, Welzel und Jakobs haben eines gemeinsam, das man nur sieht, wenn man an den letzten denkt: Sie standen alle im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion ihrer Zeit, ohne aber je „herrschende Meinung“ zu werden. Herrschende Meinung ist immer das gewesen, was in den Standardkommentaren und studentischen Lehrbüchern steht. Herrschende Meinung ist aber häufig uninteressant, sie besitzt weder den Glanz, noch den Mut des originellen Gedankens, und deshalb liest die nachfolgende Generation nicht mehr die frühere herrschende Meinung, sondern nur glänzende und mutige originelle Denker. So entsteht aus der Entfernung der dritten Person der Eindruck, diese großen Köpfe seien für ihre Zeit repräsentativ, obwohl sie in ihrer Zeit immer als Außenseiter, wenn auch äußerst interessante, betrachtet wurden. Oder fühlt sich der heutige Strafrechtler von Günther Jakobs repräsentiert? Erforderlich wäre es eigentlich, die Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, die traditionell eine Geschichte der großen Gestalten ist, unter stärkerer Einbeziehung des „Nur-Normalen“, der herrschenden Meinung, neu zu schreiben. Dies sowohl aus Gründen des Anspruchs geschichtlicher Wahrheit, denn solange man sich auf diese Autoren konzentriert, erniedrigt man wahrheitswidrig das Beste und Merkwürdigste aus einer Zeit zu dem Normalzustand dieser Zeit, als auch aus Gründen der Gerechtigkeit, denn erst dann, wenn man das Normale kennt, kann man begreifen, worin die Größe der Großen besteht. Die Arbeit, die mit dieser Neuschreibung der Geschichte der Strafrechtswissenschaft verbunden ist, wäre aber ein für eine Dissertation zu großes Unterfangen. Vorliegend wird immerhin versucht, die Zeit Feuerbachs nicht auf ein Gespräch zwischen Feuerbach und Grolman und vielleicht noch Klein zu verkürzen, sondern auch die weiteren, nicht so glänzenden Autoren intensiv mitzuberücksichtigen. Die nachfolgenden Epochen sind indes auf ihre Spitzenfiguren verkürzt worden, allerdings zumindest im Bewusstsein, dass dies eine unvollständige Sichtweise darstellt, die aber nur durch eine hier nicht leistbare umfassende Weiterentwicklung der Strafrechtsgeschichtsschreibung behoben werden kann. Ernstnahme der Geschichte bedeutet auch, dass man Geschichte als Geschichte, als Nacherzählung des Geschehenen, als Sammlung menschlicher Handlungen einer bestimmten Epoche ernst- und hinnimmt, und nicht etwa in Philosophie oder Politik verfälscht. Eine Untersuchung über einen Strafrechtler der Aufklärung, der sich mit seinen Schriften und denen seiner Zeitgenossen befasst, entdeckt viel mehr, als es die gängige, vor allem politikgesteuerte Karikatur der Aufklärung als dem goldenen Zeitalter der Vernunft, der Freiheit und Emanzipation, suggerieren kann. Viel von dem Gefundenen widerspricht diesen

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angeblichen Zügen der Zeit geradezu diametral. Das mag für den, der gerne Sündenfallerzählungen verbreitet, irritierend sein. Für den, der in der Geschichte ein menschliches Unternehmen sieht, ist das aber eine Selbstverständlichkeit, die uns davon abhält, philosophische oder politische Forderungen als bestimmte geschichtliche Tatsachen zu verkaufen. Und zuletzt ist noch zu sagen, dass die Geschichte des Strafrechts, um die es in dieser Arbeit geht, die Geschichte der Strafrechtswissenschaft ist. Strafrechtswissenschaft wird als Versuch gedeutet, durch Vernunft zu Erkenntnis zu gelangen. Das impliziert, dass sie weitgehend als geschlossenes Unternehmen betrachtet werden soll. Diese Arbeit verzichtet deshalb darauf zu soziologisieren, und erst recht darauf zu psychologisieren. Uns interessieren die Argumente, mit denen man eine bestimmte Ansicht vertreten hat, und nicht der Hinweis auf den Geist der Aufklärung oder der Restauration, der Adenauer-Zeit oder der 68’er, und erst recht nicht auf die Kindheitstraumata oder das hohe Alter des jeweiligen Autors. Wenn strafrechtswissenschaftliche Argumentationsketten unschlüssig sind, wird versucht, die fehlenden Glieder auf der Ebene der Strafrechtswissenschaft ausfindig zu machen, ohne in Soziologie oder Psychologie oder Politik auszuweichen. Die Fokussierung auf die Strafrechtswissenschaft impliziert auch den Verzicht darauf, Gesetzgebungsgeschichte intensiv mit einzubeziehen. In dieser Arbeit geht es nicht um einzelne Gesetze, sondern um die Diskussionen, die zu ihnen führten und die aus ihnen folgten.16 Die Früchte des umfassenden historischen Materials kann man aber erst wirklich ernten, wenn man gleichzeitig streng analytisch vorgeht. Analytische Vorgehensweise bedeutet zunächst, dass man sich von der Sorge leiten lässt, Argumente, die häufig nebeneinander in einem einzigen Atemzug genannt werden, auseinanderzuhalten und über ihre Begründetheit gesondert zu urteilen. Nicht selten gibt es von einer einzigen Theorie mehrere Schwestern, und der Standardeinwand, der an die ganze Familie gerichtet wird, trifft bei näherem Hinsehen nur die Hässlichste unter ihnen. Unser Augenmerk richtet sich in erster Linie auf die Einhaltung zweier Unterscheidungen, die häufig in den einzelnen Diskussionen verwischt werden: zunächst die Gegenüberstellung von Empirischem und Apriorischem, dann und vor allem die Gegenüberstellung von Konsequentialismus und Deontologie. Häufig fängt ein Argument auf der einen Seite dieser Dichotomie an, um unbemerkt seine Farbe zu wechseln und auf der anderen Seite zu enden. In derartigen Fällen handelt es sich eigentlich nicht nur um ein 16 Für einen Versuch, die Entwicklung der Strafrechtswissenschaft im 20. Jahrhundert auch vor politischen, soziologischen und gesetzgebungsgeschichtlichen Hintergründen zu beleuchten, vgl. Kubink, Strafen, passim; anders auch das Programm einer sog. juristischen Zeitgeschichte von Vormbaum, Einführung, S. 1. Dagegen dürfte Nauckes Plädoyer für eine „summierende“ statt nur einer „protokollierenden“ Strafrechtsgeschichte den hier abgesteckten Rahmen noch nicht überschreiten (Naucke, Strafrechtsgeschichte, S. 354 ff.).

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einziges Argument, sondern um zwei Argumente, die sorgfältig voneinander unterschieden und deren Richtigkeitsansprüche unabhängig voneinander eingelöst werden müssen. Nur eine vorsichtige analytische Vorgehensweise kann für derartige Subtilitäten empfänglich sein. Analytisch bedeutet hier ferner, dass man sich um möglichst kurze Ableitungsketten bemüht. In Deutschland ist zwar die Einstellung allzu verbreitet, man dürfe bei der Begründung der eigenen Behauptungen eine Stütze bei anderen Theorien – wie etwa der Systemtheorie, der Rechtslehre Kants oder Hegels, der Psychoanalyse oder der Theorie Habermas’ usw. – erwarten. Selbst Feuerbach suchte den Anschluss sowohl an Kant als auch die damalige Assoziationspsychologie. Demgegenüber sieht die vorliegende Arbeit die Sätze, die für die gerade beschriebene „liberale Tradition“ konstitutiv sind, als Anfang allen Theoretisierens, so dass die Gültigkeit dieser Sätze nicht von der Genehmigung eines großen Nicht-Juristen abhängig ist. Nur die weiteren Sätze, ohne die man bei Begründung und Erläuterung der ersten Sätze überhaupt nicht weiter kommt, sollen hier Gegenstand der Überlegungen sein. Die gängige Übernahme fremder theoretischer Modelle in die Rechtswissenschaft ist häufig nicht einmal in der Lage, jene mühsam ausgearbeiteten Schranken, in denen wir die liberale Tradition identifizierten, wiederzuspiegeln. Vor allem aber kranken diese Modelle nicht selten an ihren eigenen internen Unzulänglichkeiten, die alle auch an denjenigen vererbt werden, der seine Theorie von einem solchen Modell ableitet. Wenn es um die Begründung der hier entwickelten Gedanken geht, wird auch versucht, den Pool der überkommenen argumentativen Strategien zu erweitern. Wir bedienen uns nämlich nicht nur des traditionellen deduktiven Argumentationsschemas, das einem gestuften Modell erkenntnistheoretischer Rechtfertigungen folgt. Insbesondere drei weitere Argumentationsweisen spielen in dieser Arbeit eine prominente Rolle: Erstens abduktive Argumente, also Schlüsse auf die beste Erklärung, die an mehreren zentralen Stellen herangezogen werden, insb. dort, wo sich viele einer Fundamentalskepsis hingeben. Zweitens bedient man sich häufig eines ähnlich gelagerten Kohärenzarguments, das insbesondere die indirekten Implikationen eines jeden vertretenen Satzes mitzuberücksichtigen sucht. Viele der zentralen Argumente dieser Arbeit werden aber in Form einer geschichtlich belegten reductio ad absurdum vorgetragen: Es wird durch Belege von großen Strafrechtsdenkern gezeigt, wie bestimmte Prämissen zu Folgerungen kommen können, die mit der hier sog. liberalen Tradition nicht mehr verträglich sind, was häufig zum Anlass genommen wird, diese Prämissen als revionsbedürftig zu beurteilen. Analytisch heißt hier auch, dass man eine anti-reduktionistische Einstellung einnimmt. Unter Reduktionismus wird hier die Vorgehensweise verstanden, die die Sätze, die wir für wahr halten, zunächst einmal für bloßen Schein erklärt, es

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sei denn, diese Sätze lassen sich auf eine tiefere Schicht, wo die Wahrheit eigentlich platziert sein soll, zurückführen. Hier wird dagegen angenommen, dass man nicht alles in Frage stellen muss, und dass Sätze, die wahr erscheinen, prima facie auch wahr sind, es sei denn, man findet eine Erklärung, die nicht nur das Wahre, sondern auch den verbreiteten Irrtum nachvollziehbar macht. Vor allem sind Reduktionen zu vermeiden, die vom Reduzierten nichts mehr übrig lassen. Auf einen solchen Reduktionismus trifft man etwa beim Marxismus, bei der Psychoanalyse oder auch der Systemtheorie. Diese sind reduktionistisch, weil sie – vereinfacht gesagt – etwa den Satz „A darf nicht sein“ nur insoweit verarbeiten können, wie sich ein solcher Satz auf die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse oder auf die Austragung von Triebkonflikten oder auf die Stabilisierung von sozialen Systemen zurückführen lässt. Der hiesigen Vorgehensweise würde es eher entsprechen, die Begründungsmöglichkeiten des Satzes „A darf nicht sein“ in der gerade beschriebenen Weise auszuschöpfen, also ohne dass man die interne Perspektive derjenigen, die den Satz „A darf nicht sein“ vertreten, hinter sich lässt. Erst beim Scheitern dieser Strategien wäre ein Umsteigen auf andere Diskussionsebenen angebracht. Eine besondere Form des Reduktionismus, die eine der Hauptzielscheiben dieser Arbeit bildet, ist die – wie schon gesagt – sehr verbreitete Rückführung Kant’scher Argumente auf Hobbes’sche. Der analytische Einfluss spiegelt sich auch in der Patchwork-Struktur der Arbeit wieder. Trotz konstanter Leitmotive (wie der oben geschilderten Leitfrage) und trotz der inneren Angewiesenheit einiger Gedanken auf andere, ist jeder Abschnitt weitgehend selbständig lesbar und verständlich. Da die Arbeit Feuerbachs Straftheorie als Ganze zum Gegenstand hat, und nicht bloß einen Teilaspekt davon, und da sich die wissenschaftliche Diskussion seit Feuerbachs Zeiten über alle Maßen vertieft und ausdifferenziert hat, ist es weder möglich, bestimmte Einzelfragen und -einwände zu umgehen, noch sie en passant zu „lösen“. Der Verfasser hofft, dass der hier bevorzugte Weg, sich jeder behandelten Einzelfrage auch mit Liebe zum Detail zu widmen, ohne dabei das Ganze zu vergessen, beim Leser ein analoges Erlebnis zum Hören polyphonischer Musik erwecken kann. Und zuletzt heißt analytisch, dass man sich bemüht, in den Grenzen sowohl des Möglichen, als auch der fachlichen Kompetenz des Verfassers den Stand der Forschung in der analytischen Philosophie mitzuberücksichtigen. Dass man den Dialog überwiegend mit dieser philosophischen Strömung sucht, statt mit anderen, hängt vor allem damit zusammen, dass sie sich in besonderem Maße den Standards der Klarheit und der argumentativen Lauterkeit verpflichtet fühlt. Mit Philosophie, die statt schlüssiger Argumente lieber Metaphern, Deklamationen, Psychologismen bzw. Soziologismen oder schlichtweg Beleidigungen benutzt,17 kann der Verfasser wenig anfangen, und das spiegelt sich in der Wahl der nicht-juristischen Texte und Autoren wieder, deren sich die Arbeit bedient.

III. Methodik

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Eigentlich ist die analytische Arbeitsweise, wie sie insbesondere im angelsächsischen Sprachkreis gepflegt wird, nicht sehr offen für Befruchtung durch die Geschichte. Das ist aber ein Fehler, denn blinde Analytik, also Analytik, die nicht die in der Geschichte zustande gekommenen Gedanken und Argumente als Ausgangspunkt für die eigenen Reflexionen nimmt, kann gelegentlich zwar Scharfsinniges sagen – das aber oftmals keinen Diskussionsbeteiligten wirklich interessiert. Häufig wird schlicht der Streitgegenstand verfehlt und nur mit sich selbst diskutiert.18 Die vorliegende Arbeit fußt auf der Überzeugung, dass Analytik auf Geschichte angewiesen ist, wie umgekehrt Geschichte auf Analytik. Man könnte hier einen berühmten Satz eines noch berühmteren Philosophen paraphrasieren und sagen, dass Analytik ohne Geschichte leer, Geschichte ohne Analytik blind ist. Nicht zuletzt deshalb sind Analytik und Geschichte aufeinander angewiesen, weil sie in entgegengesetzte Richtungen ziehen. Wo die Analytik einen Bruch sieht, erkennt die Geschichte häufig ein Kontinuum. Analytik neigt zu Unterscheidungen und Trennungen, während Geschichte Verbindungen und Übergänge aufdeckt. Analytik kann von Geschichte lernen, was eine logisch und semantisch angebrachte Unterscheidung wert ist, während die Geschichte von der Analytik lernen kann, aus welchen heterogenen Elementen die angenommene Kontinuität konstituiert wird. Die Berücksichtigung der Strafrechtsgeschichte erfordert die Durchsicht eines unüberschaubaren Literaturmaterials. Die Weite des abgesteckten Rahmens macht aber jeden Anspruch auf vollständige Erfassung des publizierten Materials unerfüllbar. Die berücksichtigte Literatur beschränkt sich dabei keineswegs auf in deutscher Sprache erschienene Publikationen. Seit geraumer Zeit sollten die Leistungen der lateinsprachigen Welt von der deutschen Strafrechtswissenschaft nicht mehr so souverän ignoriert werden, wie dies bis heute immer noch der Fall ist.19 Aber auch die englischsprachigen Überlegungen, die durchaus vereinzelte Aufmerksamkeit erregen konnten,20 werden in den hier vorzunehmenden Reflexionen mitberücksichtigt. Eine Arbeit, deren Anliegen gerade 17 Siehe auch die Unterscheidung zwischen einer argumentierenden und einer deklamativen Philosophie als Ertrag von Röds geschichtlichem Überblick über die Philosophie (Weg der Philosophie II, S. 548). 18 Nur ein Beispiel: In der Frühphase der straftheoretischen Diskussion durch analytische Philosophen versuchte Quinton, Analysis 14 (1953–1954), S. 134, den Streit zwischen relativer und absoluter Straftheorie „aufzulösen“, indem er die absolute Straftheorie zu einer These über den Strafbegriff, die relative dagegen zu einer solchen über die Rechtfertigung der Strafe erklärte. Das kann nur jemand behaupten, der mit dem historischen Material sehr unzureichend vertraut ist. 19 So auch bahnbrechend Roxin, AT I4, S. VII; bereits gefordert in ders., Strafrechtswissenschaft, S. 381. 20 Z. B. H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, S. 134 ff.; Kalous, Positive Generalprävention, S. 172 ff.; J.-C. Wolf, Verhütung oder Vergeltung, S. 17 ff.

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A. Einleitung

darin besteht, aus anderen Epochen zu lernen, muss in gleicher Weise bereit sein, die traditionellen Grenzen des eigenen Sprachraumes so weit wie möglich hinter sich zu lassen. Deshalb versteht sich die Arbeit nicht als Beitrag zur Rechtsvergleichung, die in aller Regel der berüchtigten Devise „separate but equal“ folgt, sondern als Beitrag zu einer universellen Strafrechtswissenschaft, die den Wert eines jeden Gedankens ohne Rücksicht auf seine Herkunft als Arbeit an einer gemeinsamen Sache beurteilen will.

IV. Der Gang der Arbeit Zuerst ist natürlich die Straftheorie Feuerbachs darzustellen (unten B.). Es wird versucht, innerhalb der Grenzen des Möglichen die Darstellung rein beschreibend und wertungsfrei vorzunehmen. Dabei soll zunächst die Theorie in ihren allgemeinen Zügen vorgestellt werden (B. I. 1.), um danach auf konkrete aus ihr gezogene Folgerungen zu sprechen zu kommen (B. I. 2.). Die Theorie ohne die Folgerungen verstehen zu wollen, hieße, sie nicht in Gänze verstehen zu können, denn einige der Folgerungen sind für Feuerbach vielleicht sogar wichtiger als die Theorie selbst. Danach werden zwei Fragen Gegenstand unseres besonderen Interesses sein: erstens die nach dem Verhältnis zwischen Feuerbachs Straftheorie und der Philosophie Kants (B. II.), zweitens die nach der Psychologie der psychologischen Zwangstheorie (B. III.). Hauptsächlich bezüglich dieser zweiten Frage herrscht ein nahezu einhelliges Missverständnis, das schon längst der Klärung bedurft hätte. An zweiter Stelle werden verschiedene rechtsphilosophische Aspekte der Straftheorie Feuerbachs einer rechtsphilosophischen Überprüfung unterworfen. Hier soll zunächst eine Frage angesprochen werden, die einen Grundpfeiler der Theorie Feuerbachs bildet: das Verhältnis von Recht und Moral (C. II.), das von Feuerbach als das einer strikten Trennung konzipiert wird. Uns wird es also darum gehen zu untersuchen, inwieweit diese Trennung auch heute noch vertretbar ist. Anschließend wird der topos des „Menschen als Selbstzweck“, der seit Kant im Zusammenhang mit der Kritik an relativen Straftheorien auftaucht, auf seinen genauen Aussagegehalt hin überprüft (C. III.). Danach wird man sich dem spezifischen strafrechtsphilosophischen und kriminalpolitischen Gehalt der Theorie widmen. Hier liegt, könnte man sagen, der Kern der Untersuchung, denn hier wird versucht, sowohl zum Aufbau der Straftheorie (D. I. 4.) als auch zu deren konkreter Ausgestaltung (D. II.) etwas zu sagen, unter Einbeziehung solcher Fragen wie der Rechtsverletzungslehre (D. II. 2.) und dem Schuldbegriff (D. II. 6.).

V. Biographisches

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V. Biographisches Obwohl die Arbeit primär kein allgemein geschichtliches oder biographisches Interesse verfolgt, ist es nicht schädlich, sich in der gebotenen Kürze Feuerbachs Leben vor Augen zu rufen. Wem hier an Vertiefung gelegen ist, dem sei die einschlägige Literatur anempfohlen.21 Paul Johann Anselm v. Feuerbach, Philosoph, Professor, Richter und Gesetzgeber, wurde 1775 in Hainichen bei Jena geboren und ist 1833 in Frankfurt gestorben. Nach dem Studium der Philosophie sah er sich schon sehr früh mit Frau und Kind konfrontiert, was ihn wider Willen dazu führte, Rechtswissenschaft zu studieren. Jahrzehnte später schreibt er dazu in einem Brief: „Die Jurisprudenz war mir von meiner frühesten Jugend an in der Seele zuwider, auch noch jetzt bin ich von ihr als Wissenschaft nicht angezogen“.22 Das Unglück Feuerbachs war aber für die Rechtswissenschaft ein höchstes Glück, denn es dauerte nicht lange, bis sein Genie zu glänzen anfing. Wenig mehr als zwanzig Jahre alt hatte er schon die zwei Bände seiner monumentalen „Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts“ (1799 und 1800) veröffentlicht, in welcher sein straftheoretisches System bis in die Einzelheiten ausgearbeitet war und die Meinungen von Gegnern leidenschaftlich angegriffen wurden. Das Werk ist schon unmittelbar nach seiner Veröffentlichung als epochemachend erkannt worden.23 Auch auf sein klassisches Lehrbuch des Strafrechts, das dann vierzehnmal, über mehr als vier Jahrzehnte hinweg, herausgegeben und zum Ausbildungswerkzeug mehrerer Juristengenerationen geworden ist, musste nicht lange gewartet werden (1. Auflage 1801). Die Universitätstätigkeit konnte Feuerbach nicht für lange begeistern. Nur die knappen vier Jahre von 1801 bis 1805 hielt er Vorlesungen an den Universitäten

21 Über das Leben Feuerbachs vgl. vor allem die schöne Biographie von Radbruch, Feuerbach, sowie Fleischmann, Feuerbach als Philosoph, S. 1 ff.; Landsberg, Geschichte, S. 112 ff.; Vocke, ZStW 47 (1927), S. 1 ff.; Arthur Baumgarten, Feuerbach, S. 12 ff.; Blau, Feuerbach, S. 8 ff.; E. Wolf, Feuerbach, S. 545 ff.; Spendel, NJW 1958, S. 815 ff.; Eb. Schmidt, Geschichte, § 223; Kipper, Feuerbach, S. 18 ff.; Lüderssen, Feuerbach, S. 1117 ff.; Naucke, Funktionstüchtigkeit, S. 102 ff.; Spendel, Kriminalistenporträts, S. 13 ff. 22 Die Stelle, die einem Brief an einen seiner Söhne, Anselm, entnommen wurde, fährt folgendermaßen fort: „Auf Geschichte und besonders Philosophie war ausschließlich meine Liebe gerichtet (. . .). Aber, siehe! Da wurde ich mit Deiner Mutter bekannt; ich kam in den Fall, mich ihr verpflichtet zu erkennen; es galt, ein Fach zu ergreifen, das schneller als die Philosophie Amt und Einnahme bringe – um Deine Mutter und Dich ernähren zu können. Da wandte ich mich mit raschem, aber festem Entschluß von meiner geliebten Philosophie zur abstossenden Jurisprudenz (. . .)“ (Biographischer Nachlaß II, S. 137 ff.); dazu ausführlicher Radbruch, Feuerbach, S. 34 ff. 23 Almendingen, BpRW Bd. II St. II (1804), S. 298.

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A. Einleitung

Kiel und Landshut.24 Das Leben in der Praxis scheint ihm am meisten angezogen zu haben, und den größten Teil seines Lebens hat er als Richter verbracht. Im Jahr 1804, also 28 Jahre alt, wurde er von Bayern mit der Erstellung des Entwurfs eines Strafgesetzbuches beauftragt, der später mit wenigen Änderungen als Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813 in Kraft trat.25 Nicht fern der Übertreibung, aber auch nicht ohne jede Berechtigung wird er häufig als der Begründer der modernen Strafrechtswissenschaft angesehen.26 Im späteren Leben hat sich seine wissenschaftliche Tätigkeit progressiv vom materiellen ins prozessuale Recht und in die Rechtsvergleichung verlagert.27 Feuerbach zeigte auch großes Interesse für Fragen der Zeit, wie sein leidenschaftliches Engagement für Kaspar Hauser in der berühmten Kontroverse zu belegen scheint.28

VI. Formalia Die Reihenfolge der Zitate in den Fußnoten richtet sich im rechtsgeschichtlichen Teil nach dem Publikationsjahr, in den weiteren Teilen wird alphabetisch oder, wo es darum geht, die Überlieferungsgeschichte des Arguments nachzuzeichnen, nach Generationen von Autoren und innerhalb dieser Generationen alphabetisch sortiert. Die Zitierweise der Bücher soll die Überprüfung der Zitate ermöglichen und erleichtern. Bei Büchern, vor allem Klassikern, die in mehreren Ausgaben unterschiedlicher Verlage publiziert wurden, wird vornehmlich nicht nach der Seite zitiert, sondern nach dem Kapitel, dem Paragraphen (§) oder einer anderen konstant bleibenden Markierung. Im Literaturverzeichnis finden sich diese Bücher gelegentlich auch mit weiteren Daten als nur der Erscheinungsstadt und dem Erscheinungsjahr registriert.

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Vgl. Radbruch, Feuerbach, S. 212. Feuerbach, Entwurf des Gesetzbuchs, passim. Einzelheiten zu Feuerbachs Entwurf bei Geisel, Entwurf, passim. 26 Vgl. z. B. Dannecker, Nullum crimen, S. 28; Art. Kaufmann, Feuerbach, S. 255; Lange, Rechtsstaat, S. 62; Lenckner, Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, S. 11 Fn. 24; Lüderssen, Feuerbach, S. 1119; Mir Puig, Introducción2, S. 53; Mohnhaupt, Feuerbach, S. 201; Roxin, Einführung, S. 8. Gelegentlich wird Carpzov dieser Titel zuerkannt, vgl. etwa Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 11. Vormbaum, Einführung, S. 43 nennt Feuerbach den „bedeutendsten deutschen Strafrechtler“. 27 Vgl. die späteren Werke: Betrachtungen über das Geschwornen-Gericht (1813); Betrachtungen über die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege (Bd. I 1821; Bd. II 1825). Zu Feuerbachs Projekt einer „Universalgeschichte der Rechtswissenschaft“ vgl. Radbruch, Feuerbach, S. 190 ff.; Mohnhaupt, Universalgeschichte, S. 97 ff. 28 Dazu Radbruch, Feuerbach, S. 195 ff. 25

VI. Formalia

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Bei Büchern, die mehrere Auflagen erlebten, wurde in der Regel die letzte benutzt. Im rechtsgeschichtlichen Teil ging es darum, Feuerbachs Gedanken dem damaligen Diskussionsstand gegenüber zu stellen, so dass die Auflagen, die Feuerbachs Veröffentlichungen unmittelbar vorangingen, bevorzugt wurden. Gelegentlich wurde auch zu Vorauflagen gegriffen, weil die letzte Auflage entweder nicht auffindbar oder nicht als die maßgebliche einzuschätzen war. Wörtliche Zitate fremdsprachiger Texte sind wenn nicht anders angegeben von mir übersetzt worden. Die Prädizierung einer bestimmten Ansicht oder Theorie mit einem Autorennamen (platonische, Kant’sche, Feuerbach’sche usw.) bedeutet in dieser Arbeit nur, dass die mit diesem Prädikat versehene Ansicht bzw. Theorie einen Bezug zu einer möglichen Interpretation des einschlägigen Autors hat. Soweit der Anspruch erhoben wird, die Ansicht des Autors selbst wiederzugeben, soll hingegen bspw. von der Theorie Platons bzw. Kants oder Feuerbachs gesprochen werden. Autorennamen werden in Fußnoten immer kursiv geschrieben, im Text dagegen prinzipiell nur, wenn sie wörtlich zitiert werden.

B. Rechtsgeschichtlicher Teil I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs 1. Die Theorie im Allgemeinen a) Bevor wir zur Schilderung der Theorie Feuerbachs schreiten, sind einige Vorbemerkungen angebracht. In der vorliegenden Untersuchung geht es um Feuerbachs Gedanken zur Strafe. Andere Aspekte rechtsphilosophischer Natur (wie seine Theorie des juristischen Vermögens der praktischen Vernunft1 oder seine Lehre vom Sozialvertrag2) werden hier also bewusst in den Hintergrund geschoben, und es wird auch grundsätzlich auf eine Einordnung der Gedanken Feuerbachs in den geistig-historischen Zusammenhang verzichtet.3 An dieser Stelle gilt es vor allem, die Gedanken Feuerbachs so getreu wie möglich darzustellen. Ein genaues Verständnis seiner Straftheorie ist nicht zuletzt aus dem Grund wichtig, weil viele der Einwände, die man bis auf den heutigen Tag gegen sie erhebt, offensichtlich auf einer zu voreiligen und nicht immer präzisen Interpretation der Theorie beruhen. Selbst in diesem „rechtsgeschichtlichen Teil“ bleibt jedoch unser rechtsgeschichtliches Anliegen begrenzt: Nur Fragen, die für die richtige Bewertung der Straftheorie Feuerbachs relevant sind, sollen Gegenstand unserer Aufmerksamkeit sein. Deshalb widmen wir uns nach der Schilderung der Theorie und ihrer wichtigsten Folgen nur zwei rechtsgeschichtlichen Fragen, nämlich der Beziehung zwischen den Gedanken Feuerbachs und Kants und danach der von Feuerbach vorausgesetzten Psychologie. Diese Fragen sind beide von rechtshistori1 Feuerbach, Kritik des natürlichen Rechts, S. 238 ff., 244; dazu v. a. Cattaneo, Feuerbach, S. 64 ff.; Gallas, Feuerbach, S. 18 ff.; ferner Fleischmann, Feuerbach als Philosoph, S. 67 ff.; Wolf, Feuerbach, S. 549 ff.; Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, 59 ff.; ders., Kant, S. 184 ff.; Bloch, Naturrecht, S. 107 ff. Da sich die Frage nach der Beziehung von Recht und Moral aber zentral auf die Straftheorie auswirken wird, wird es unvermeidlich sein, auf sie später vertieft einzugehen (vgl. unten C. II., S. 109 ff.). Trotzdem bleibt es dabei, dass die zur Begründung dieser Auffassung herangezogenen Annahmen zum Aufbau der menschlichen Vernunft ausgeklammert werden können. 2 Dazu insb. Fleischmann, Feuerbach als Philosoph, S. 57 ff. 3 Vgl. dazu insb. E. Wolf, Feuerbach, S. 543 ff. (mit allzu vielen unscharfen Schlagwörtern); Grünhut, Feuerbach, S. 1 ff.; ich schreibe „grundsätzlich“, weil eine begrenzte Kontextualisierung doch bei der Aufhellung der Psychologie Feuerbachs hilfreich sein wird, siehe unten III., S. 87 ff. Die Gründe für die diesbezügliche Zurückhaltung sind bereits oben A., S. 22 ff. geschildert worden.

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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schem Interesse; hier werden sie aber deswegen behandelt, weil aus ihrer Beantwortung einiges für eine genaue Bewertung der Theorie zu gewinnen ist. b) aa) In Feuerbachs jungen Jahren beherrschte die Philosophie Kants ganz Deutschland. Über diese Zeit schrieb später Goethe, „daß kein Gelehrter ungestraft jene große philosophische Bewegung, die durch Kant begonnen, von sich abgewiesen, sich ihr widersetzt, sie verachtet habe“.4 Kants Kritizismus hatte die Philosophie von Leibniz und Wolff weitgehend zurückgedrängt und schritt immer mehr zur Schulphilosophie fort.5 In einem Brief von 1799 an seinen Vater kennzeichnet sich Feuerbach als einen, „den der kantische Geist genährt“ habe.6 Daher überrascht es nicht, wenn er ähnlich wie Kant dem Staat den Zweck der Sicherung der äußeren Bedingungen der Freiheit zuschreibt.7, 8 Der Zweck des Staates sei „die wechselseitige Freiheit aller Bürger, oder, mit anderen Worten, der Zustand, in welchem jeder seine Rechte völlig ausüben kann, und vor Beleydigungen sicher ist“,9 die „Errichtung des rechtlichen Zustands, d.h., des Zusammenbestehens der Menschen nach dem Gesetze des Rechts“.10 Oder ganz kurz: Der Staat sei „eine Gesellschaft zum Schutz der Rechte“.11 bb) Wie in der Naturrechtslehre zumindest seit Hobbes, Locke und Rousseau üblich,12 steht auch bei Feuerbach der Naturzustand am Anfang seiner Staats4

Goethe, Winckelmann, S. 30. Vgl. z. B. Hirschberger, Philosophie II, S. 267 f.; zur Kant-Rezeption in der späten Aufklärung vgl. die Aufsätze bei Hinske (Hrsg.), Kant, passim; Henrich, Grundlegung aus dem Ich, Bde. I u. II, passim; zur geistigen Situation der deutschen Aufklärung vor Kant Valjavec, Aufklärung, S. 137 ff.; Kondylis, Aufklärung, S. 537 ff.; umfassend Wundt, Deutsche Schulphilosophie, S. 19 ff. 6 Zitiert nach Döring, Feuerbachs Straftheorie, S. 3. 7 Vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, A 33/B 33, wo die berühmte Bestimmung des Rechtsbegriffs als „Inbegriff der Bedingungen, unter dene die Freiheit des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“, aufgestellt wird; der Zweck des Staats ergibt sich aus der Verbindung dieser Stelle mit A 164/B 194, wo er diesen als „die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“ definiert. Zum Staatsbegriff bei Kant Dünnhaupt, Sittlichkeit, S. 64 ff.; Unruth, Die Herrschaft der Vernunft, S. 85 ff.; Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 28 ff.; Herb/Ludwig, Jahrbuch Recht und Ethik 2 (1994), S. 431 ff. 8 Zur Staatstheorie Feuerbachs vgl. z. B. Fleischmann, Feuerbach als Philosoph, S. 57 ff.; Döring, Feuerbachs Straftheorie, S. 20 ff.; Hartmann, Feuerbach, S. 29 ff.; Eb. Schmidt, Geschichte, § 225; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 103; Müller, Generalprävention, S. 67 ff. 9 Feuerbach, Revision I, S. 39. 10 Feuerbach, Lehrbuch14, § 8; ähnlich ders., Beweisgründe, S. 45; ders., Anti-Hobbes, S. 35; ders., Revision I, S. 26. 11 Feuerbach, Revision I, S. 31. 12 Hobbes, Leviathan, Chap. XVII (S. 120); Rousseau, Du contrat social, S. 57 (chap. VI); Locke, Second Treatise, § 95 ff.; Beccaria, Deliti, § 1; Lardizábal, Discurso, Cap. I 5, trotz Verbindung mit theologischen Gedanken (7 ff.); gegen diese Annahme aber Hume, Treatise, S. 492 ff. (Book III, Part II, Section II); Bentham, 5

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B. Rechtsgeschichtlicher Teil

lehre.13 Freilich ist es so, dass seine Gedanken direkt an Kant anknüpfen, insofern sie die Einrichtung des rechtlichen Zustandes nicht als bloße Klugheitsforderung mit dem Zweck, Nutzen zu maximieren und Schäden zu vermeiden ansehen, sondern als kategorische moralische Pflicht.14 Im Naturzustand gebe es keine Grenzen gegen die Willkür eines jeden Individuums.15 Seien aber die Einzelnen nicht von äußerem, willkürlichem Zwang frei, werde es ihnen unmöglich, sich um die eigene sittliche Verbesserung zu kümmern: Wer gezwungen sei, sei unfrei, und Freiheit sei die Bedingung der Sittlichkeit. Daher seien die Menschen verpflichtet, durch einen Vertrag16 den Naturzustand zu verlassen und Traité de Legislation I, S. 116 ff. Zur Sozialvertragslehre in der Aufklärungszeit vgl. ferner Hazard, Pensée européenne, Bd. I, S. 236 ff.; Cassirer, Philosophie der Aufklärung, S. 339 ff.; ders., Vom Mythus des Staates, S. 213 ff.; aus strafrechtlicher Sicht Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 19 f.; ausdifferenziert Seelmann, Vertragsmetaphern, S. 443 ff. 13 Beide Figuren, der Naturzustand und der diesem folgende Sozialvertrag, erscheinen fast als selbstverständlich vorausgesetzte allgemeine Hintergrundannahmen damaliger strafrechtlichen Theorien: Den Naturzustand findet man bei Wieland, Geist I, § 294; Globig/Huster, Abhandlung, S. 37 (die von einem „so unentbehrlichen als fabelhaften Grundsatz des Staatsrechts“ sprechen); Grolman, Begründung, S. 94 ff.; Kleinschrod, Grundbegriffe I2, S. 14; ders., Grundbegriffe II2, S. 3 auf; vom Sozialvertrag sprechen Hommel, Anmerkungen, S. 35 (der den Sozialvertrag für „zwar nur erdichtet“ hält, ihn aber „dennoch von unvergleichlichem Nutzen“ nennt); Soden, Geist, S. 8, 15; Kleinschrod, Grundbegriffe II2, S. 22 ff.; Grolman, Begründung, S. 102; Tittmann, Versuch, S. 49; Almendingen, Imputation, S. 44 ff.; Gros, Naturrecht2, § 308 ff. Stübel, System I, S. 1 ff. ist eklektischer, und verbindet Elemente eines liberalen vertragstheoretischen Staatsverständnisses mit dem aufgeklärt-absolutistischen Perfektionismus Christian Wolffs, wonach der Staat die „Vervollkommung des Menschengeschlechts“ beabsichtige [S. 2]). Es gab freilich Ansätze, die Sozialvertragslehre weiter zu entwickeln und fast auf die Anthropologie zurückzuführen, wie etwa bei Filangieri, Scienza, S. 11 f. (Libro I, Capo I; dazu auch Moccia, GA 1979, S. 208, der die Verbindung zu Vico hervorhebt). Sobald romantische-organizistische Lehren in die Strafrechtrechtswissenschaft Eingang fanden, wurden Naturzustand und Sozialvertrag zunehmend in Frage gestellt, spätestens schon 1808, bei v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 80 ff., und 1811, bei Henke, Strafrechtstheorien, S. 87 ff. und Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 181 f. – also nicht erst bei Hegel, wie man zu meinen pflegt, so wohl Helga Müller, Generalprävention, S. 138 ff. Im Jahre 1830 noch im Sinne der Sozialvertragslehre Bauer, Warnungstheorie, S. 5 f., der die Organismustheorie schon in einer Fußnote kritisch zur Kenntnis nimmt, S. 8. 1843 kann Hepp, Darstellung II/12, S. 25 über die Sozialvertragslehren schreiben: „Es gab eine Zeit in Deutschland, wo man ihnen einen hohen Werth beilegte“ – nun seien sie „bei uns längst widerlegt“. Ausführlich zur Überwindung kontraktualistischer Modelle im frühen 19. Jahrhundert Seelmann, Kontraktualistische Straftheorien, S. 296 ff. (trotz einiger historischer Ungenauigkeiten, wie S. 294, wo gesagt wird, Grolmans Präventionstheorie sei vom Sozialvertrag losgelöst). 14 Diese Eigentümlichkeit der Lehre Kants vom Sozialvertrag betonen zu Recht Kersting, Einleitung, S. 25; s. ferner Matthias Kaufmann, Aufgeklärte Anarchie, S. 46; Ramb, Strafbegründung, S. 115; Schnädelbach, Kant, S. 99. 15 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 423, A 155 f., B 155 f., bezüglich des Privatrechts. 16 Im Grunde hat Feuerbach in Anschluss an Hufeland, Lehrsätze des Naturrechts2, S. 234 f. (dem folgend auch Gros, Naturrecht2, § 314), drei verschiedene Verträge un-

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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den rechtlichen Zustand zu errichten,17 einen Zustand, in dem die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen bestehen könne.18 Nur in diesem rechtlichen Zustand sei das Zusammenleben und die sittliche Entwicklung freier und vernünftiger Wesen möglich – obwohl Recht und Moral getrennt werden, bleibe es Zweck des Rechts, die Moral zu ermöglichen.19 Mit den zusammenfassenden Worten Nauckes: „Der Staat ist die Bedingung sine qua non des Rechts und das Recht die Bedingung sine qua non der Sittlichkeit; sind wir unbedingt verpflichtet, sittlich zu handeln, so sind wir auch unbedingt verpflichtet, die Voraussetzungen dafür, d.h. den Staat, zu schaffen“.20 c) Bis zu diesem Punkt bleibt Feuerbach Kant ziemlich treu – einige terminologische Verschiedenheiten ausgenommen.21 Aber sobald er zur Strafrechtsphilosophie fortschreitet, verlässt der junge Jurist den Schatten des „königsbergischen Weisen“, um sich einen eigenen Weg zu bahnen.22 Seine Theorie der terschieden: den bürgerlichen Vertrag (pactum unionis civilis), der die bürgerliche Gesellschaft, die Vereinigung aller für den Schutz der Rechte eines jeden, begründet (Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 22); den Unterwerfungsvertrag (pactum subjectionis), wodurch die Bürger einen Regenten in die Machtposition einsetzen (Anti-Hobbes, S. 28); und den Verfassungsvertrag (pactum ordinationis civilis), wodurch das Volk und der Regent über die Verfassung der Gesellschaft (Anti-Hobbes, S. 34) entscheiden. Diese Differenzierung wird zwecks einer besseren Erfassung des Widerstandsrechts der Untertanen gegen einen tyrannischen Regenten aufgestellt und später auch zur Bestimmung des Hochverrats benutzt (Hochverrath, S. 24 ff., S. 43 ff.), so dass sie im Rahmen dieser Arbeit übergangen werden darf. Dazu knapp Blau, Feuerbach, S. 33 ff. 17 Kant, Metaphysik der Sitten, AB 156 ff., A 163/B 193; Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 16 ff. 18 Vgl. Kant oben Teil B., Fn. 7; die Begründung der Freiheitsbegrenzungen befindet sich in Feuerbach, Beweisgründe, S. 88 ff. 19 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 431, A 164/B 194; Feuerbach, Beweisgründe, S. 57, S. 88, S. 95, S. 113; ders., Kritik des natürlichen Rechts, S. 258, S. 276, S. 283; ders., Anti-Hobbes, S. 14; dazu auch Cattaneo, Feuerbach, S. 16. Kritisch zu dieser Kant-Interpretation Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, 47 ff.; ihm zust. Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, S. 85 ff. Obwohl Kersting mit interessanten Argumenten die auch hier akzeptierte, von ihm sog. „moralteleologische“ Begründung des Rechts, wonach das Recht nach Kant ein Mittel zur Ermöglichung der Moral sei, bestreitet, ist diese Frage für uns von eher marginaler Bedeutung, so dass ich mich ohne größeren Begründungsaufwand der herrschenden und auch zutreffend erscheinenden Meinung anschließe. 20 Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 29, Fn. 130. 21 Eine detaillierte und fast makellose Analyse befindet sich in Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 64 ff. Beanstanden könnte man allein zweierlei, erstens die Unterstellung Nauckes, Feuerbach benütze die Begriffe der Freiheit und der Willkür immer mit gleicher Bedeutung, zweitens dass seine Analyse des Staatbegriffs bei Kant und Feuerbach (S. 73 f.) die Unterschiede m. E. zu stark akzentuiert. 22 Von Kant sagte Feuerbach: „Niemand kann den Königsbergischen Weisen inniger verehren, niemand mit tieferer Dankbarkeit die Verdienste erkennen, die sich dieser große Denker um Philosophie und Menschheit, um Welt und Nachwelt erworben hat, als ich. Aber so groß auch die Hochachtung gegen diesen Philosophen ist, so ver-

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B. Rechtsgeschichtlicher Teil

Strafe ist unter dem Namen „psychologische Zwangstheorie“ berühmt geworden.23 c) aa) Feuerbachs erste Erwägungen gelten dem Begriff der Strafe. Auf welche Quelle soll man sich berufen, um das Wesen der Strafe aufzudecken?, fragt er sich; und als Antwort verweist er auf nichts anderes als auf den allgemeinen Sprachgebrauch.24 Dieses Zurückgreifen auf die Alltagssprache bei der Bestimmung juristischer Begriffe, so befremdlich es uns heute erscheinen mag,25 war ein übliches Verfahren bei damaligen Autoren und ist auch – in anderen Kontexten – bei Grolman und Klein zu finden.26 Für Feuerbach bildet also der alltagssprachliche Sinn des Wortes „Strafe“ den Ausgangspunkt für jede weitere Erforschung dieses Gegenstands. Die Alltagssprache verstehe aber unter Strafe „ein Übel . . ., welches um begangener gesetzwidriger Handlungen, und zwar bloß um dieser willen, einem Subjecte zugefügt wird: malum passionis ob malum actionis, wie die ältern Rechtslehrer sagen“.27 Die so definierte Strafe sei noch nicht die rechtliche, die bürgerliche Strafe: Diese sei nur „diejenige, welche von der bürgerlichen Gesellschaft (der höchsten Gewalt) den Bürgern zugefügt wird“.28 Es gebe auch andere Arten von Strafen, mit denen der Kriminalrechtler nichts zu tun habe, wie z. B. die moralische Strafe.29 mochte sie doch niemalen so viel über mich, nur mit seinen Augen zu sehen, mich an der Krücke einer fremden Vernunft ängstlich hin und her zu bewegen und durch den Schwur auf des Meisters Worte auf alle Selbständigkeit Verzicht zu tun“ (Feuerbach, Kritik des natürlichen Rechts, S. XXV ff.). Über auf Autorität gestützte Argumente schreibt er, dass „eine Wahrheit, die auf Autorität angenommen wird, fast so schlimm ist, wie der Irrthum selbst“ (Feuerbach, Revision I, S. 5; vgl. auch ders., Strafe als Sicherungsmittel, S. 2 ff.). Ob er auch die Kant’sche Philosophie verlässt, ist eine Frage, die uns gleich näher beschäftigten wird (unten II.). 23 Zur Straftheorie Feuerbachs vgl. noch Hepp, Kritische Darstellung, S. 82 ff.; Fleischmann, Feuerbach als Philosoph, S. 72 ff.; Döring, Feuerbachs Straftheorie, S. 24 ff.; Nagler, Die Strafe, S. 382 ff.; Grünhut, Feuerbach, S. 20 ff.; Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 40 ff.; Eb. Schmidt, Geschichte, § 229 ff.; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 104 f.; Müller, Generalprävention, S. 74 ff.; Roxin, AT I4, § 3/22 f. 24 Feuerbach, Revision I, S. 3; ders., BpRW Teil I St. II (1798), S. 11. 25 Vgl. trotzdem jüngst Lampe, Strafphilosophie, S. 1, und Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 15, Fn. 17, die beide eine Bindung des Juristen an den alltagssprachlichen Begriff der Strafe behaupten. 26 Grolman, Begründung, S. 39 ff.; Klein, ArchCrimR Bd. I St. IV (1798), S. 148, in Bezug auf das Wort „drohen“. Die Argumentation Feuerbachs macht sogar Schule, ihr schließen sich sowohl Hepp, Kritische Darstellung1, S. 70 ff., S. 132, als auch Bauer, Warnungstheorie, S. 58 ff., S. 339, völlig an, ohne freilich die Quelle immer hinreichend klar zu benennen. 27 Feuerbach, Revision I, S. 5; ähnlich ders., BpRW Teil I St. II (1798), S. 12; leicht unterschiedlich ders., Anti-Hobbes, S. 203. Er beruft sich auf die Autorität Grotius. Dieser definierte nämlich die Strafe als „malum passionis, quod infligitur ob malum actionis“ (De jure belli ac pacis, liber II, caput XX, I). Nach Nagler, Die Strafe, S. 171, ist diese Definition eigentlich Augustinus und nicht erst Grotius zu verdanken.

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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bb) Auf Grundlage dieses Strafbegriffs sagt Feuerbach auch, was nicht in ihm enthalten ist. Er benützt ihn also in kritisch-polemischer Absicht, indem er den Lehren seiner Gegner entgegenhält, sie seien keine Straftheorien. Die Strafe unterscheide sich z. B. von der Züchtigung, die er als „Uebel, das einem Subject zu dem Zwecke zugefügt wird, dass dieses nicht bloß von gesetzwidrigen Handlungen abgehalten, sondern auch zu gesetzmäßigen bestimmt werde“,30 definiert. Wer eine solche Züchtigungstheorie vertritt, vertritt nach Feuerbach keine Straftheorie.31 Entgegen Grolman, Stübel und Almendingen32 kann für Feuerbach die von ihm sog. „Sicherung oder Vertheidigung“, d.h. die physische oder psychische Verhinderung weiterer Straftaten eines überführten Täters, ebenso wenig eine Strafe sein; denn sie sei nichts anderes als „eine Beschränkung der Freiheit des andern, um eine Beschränkung der Freiheit (Rechtsverletzung) von uns abzuhalten“.33 Strafe werde nicht der Zukunft, sondern der Vergangenheit wegen zugefügt.

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Feuerbach, Revision I, S. 23. Feuerbach, Revision I, S. 24 ff. 30 Feuerbach, Revision I, S. 14; vgl. auch ders., Lehrbuch14, § 18. 31 Feuerbach erwähnt Klein als Vertreter einer Züchtigungslehre (Revision I, S. 15 f.), was wohl ein Fehler zu sein scheint (im diesen Sinne auch Klein, ArchCrimR Bd. II St. I (1799), S. 118, Fn. a); die Argumentation Feuerbachs wird aufgenommen von J. S. Beck, Grundsätze, S. 713. 32 Vgl. Grolman, Begründung, S. 28 ff. (zu Grolmans Straftheorie Cattaneo, Dottrina di Grolman, S. 208 ff.; ders., Grolmans Humanismus, S. 11 ff.; ders., Illuminismo tedesco, S. 410 ff.; Molina, Antijuridicidad penal, S. 120 ff.); Stübel, System I, S. 49; Almendingen, BpRW Teil I St. III (1799), S. 16, 54, der sich aber rasch den Feuerbach’schen Gedanken anschloss; ein wichtiger Vorgänger war Wieland, Geist I, § 233, 294, 297 trotz seiner Ausführungen in § 15, die von Besserung und allgemeiner Abschreckung sprechen). Diese Autoren vertraten eine von ihnen so genannte „Präventionstheorie“, wonach die Strafe sich durch die Notwendigkeit, die künftige Begehung von Verbrechen durch den Kriminellen zu verhüten, rechtfertige. Diese Lehre ging davon aus, dass die Begehung einer Straftat den Täter als Gefahrenquelle zu erkennen gebe, in die man sofort eingreifen müsse, um weiteren Schäden vorzubeugen. 33 Feuerbach, Revision I, S. 19; vgl. noch ders., Lehrbuch14, § 18; ders., BpRW Teil I St. II (1798), S. 16 ff.; zust. J. S. Beck, Grundsätze, S. 714; Oersted, Grundregeln, S. 47 f. Die ausführlichste Kritik dieser von Grolman verteidigten Theorie befindet sich in Feuerbach, Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 12 ff. Auf S. 34 ff. wirft Feuerbach der Theorie Grolmans vor, sie sei mit dem Strafbegriff nicht zu vereinbaren. Es ist dennoch berührend zu erfahren, dass trotz der Heftigkeit der Diskussion und der Schneidigkeit der getauschten Worte beide Autoren miteinander immer gute freundschaftliche Beziehungen pflegten, als deren Nachweis die Widmung des Buches „Über Öffentlichkeit und Mündlichkeit in der Gerechtigkeitspflege“ an Grolman dienen kann. Der edle Geist, der beide in diesem Streit inspirierte, war schon ganz früh von Feuerbach so gekennzeichnet: „Männer, welche die Wahrheit suchen sich endlich auch gewiß auf Einem Wege zur Wahrheit finden, und daß die Einigkeit in ihren Gesinnungen zuletzt auch ihre Geister vereinigen wird“ (Feuerbach, Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 11; über diesen schönen Streit vgl. auch Radbruch, Feuerbach, S. 44 ff.; Cattaneo, Dottrina di Grolman, S. 230 ff.; ders., Grolmans Humanismus, S. 71 ff.; ders., ARSP-Beiheft 87 [2003], S. 16). 29

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B. Rechtsgeschichtlicher Teil

d) Nachdem über den zu untersuchenden Gegenstand Klarheit herrscht, geht Feuerbach zu den Fragen nach dem „Zweck“ und nach dem „Rechtsgrund“ dieses Gegenstands über. Seine Gedanken entwickeln sich aber auf Grundlage einer doppelten Trennung, die für ein richtiges Verständnis seiner Theorie wesentlich ist: Er unterscheidet die Androhung der Strafe durch den Gesetzgeber von ihrer Zufügung durch den Richter;34 diese beiden Momente betrachtet er zudem getrennt, was ihre Zwecke und Rechtsgründe angeht.35 Die Unterscheidung zwischen Androhung und Zufügung der Strafe zielt darauf, wie wir gleich sehen werden, den Schwerpunkt auf die erste zu legen, um etwas zu unterstützen, das sich als eine der zentralen Ideen des Werks von Feuerbach erweisen wird: die Strafgesetzlichkeit. aa) Zunächst zum Zweck der Androhung: Wir haben gerade gesehen, dass für Feuerbach der rechtliche Zustand die Sicherung der Freiheit der Bürger bezweckt. Damit der rechtliche Zustand besteht, sei es notwendig, dass diese Freiheiten oder Rechte wirklich beachtet werden. Der Staat müsse also dafür sorgen, dass überhaupt keine Verletzungen (oder in den Worten Feuerbachs „Beleidigungen“) der Rechte geschehen.36 Um dieses Ziel der Vermeidung von Rechtsverletzungen zu erreichen, dürfe der Staat Zwang anwenden, und dieser könne sowohl physisch als auch psychisch sein.37 Der physische Zwang bestehe darin, dass man durch Mauern, Überwachung usw. potentiellen Verbrechern die Begehung von Delikten schon körperlich unmöglich macht. Er sei wirksam, aber alles in allem erweise er sich nicht nur als unpraktikabel, sondern auch als unangebracht:38 Er „geht über die Rechte und – die Kräfte des Staats“.39 Der Staat müsse sich deswegen einer anderen Form des Zwangs bedienen – also des psychischen Zwangs – da dieser auf die Urquelle allen verbrecherischen Handelns wirke, um es schlicht unmöglich zu machen.40 34 Z. B. Feuerbach, Revision I, S. 56; dieser Unterscheidung folgend z. B. Werner, ArchCrimR Bd. V St. I (1802), S. 106; Almendingen, Imputation, S. 52; Bauer, Warnungstheorie, S. 58, 64; dagegen Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 159, Fn.; v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 51. 35 Zum Begriff des Rechtsgrunds Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 151 ff.; Helga Müller, Generalprävention, S. 34. 36 Feuerbach, Revision I, S. 39; ders., Anti-Hobbes, S. 211; ders., BpRW Teil I St. II (1798), S. 22; ders., Lehrbuch14, § 9. „Beleidigung“ war deutsch für „iniuria“, also für Unrecht, Rechtsverletzung. Dies entsprach auch dem verbreiteten Sprachgebrauch, z. B. Gros, Naturrecht2, § 96: „Die Verletzung eines Rechts heißt Beleidigung der Person, welcher dasselbe zusteht“. 37 Feuerbach, Revision I, S. 40; ders., Lehrbuch14, § 10. 38 Feuerbach, Revision I, S. 40; ders., Revision II, S. 139 ff.; ders., Lehrbuch14, § 11. 39 Feuerbach, Revision I, S. 40. Man betone, Feuerbach sagt nicht, dass der physische Zwang bloß empirisch ungenügend sei (so aber Naucke, Funktionstüchtigkeit, S. 106). 40 Feuerbach, Revision I, S. 40 ff.; ders., Lehrbuch14, § 12. Feuerbach benützt dabei immer Wendungen, die den Eindruck erwecken können, dass für ihn der psycho-

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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Die auf Kant zurückgehende dualistische Konzeption des Menschen bildet auch bei Feuerbach eine Prämisse. An dieser Stelle müssen wir uns mit einer vereinfachenden und zusammenfassenden Version der Lehre Kants begnügen, die wohl für sich beanspruchen kann, die historisch wirksamste Interpretation dieser Lehre zu sein.41 Demnach besitzt der Mensch ein doppeltes Wesen.42 Er gehört zunächst der Sinneswelt an, der Welt der Phänomene, ist den Anschauungsformen von Raum und Zeit43 und der unabweisbaren Herrschaft der Kategorie der Kausalität unterworfen.44 In der Welt der Phänomene hat alles, was geschieht, eine Ursache, nichts passiert aus Zufall oder auf Grund eines Wunders; da somit alles strikt determiniert ist, gibt es keinen Platz für die Freiheit.45 Jede einzelne menschliche Handlung kann also durch den Verweis auf Motive („Triebfedern“) und Begierden kausal erklärt werden, die als solche wiederum durch andere Phänomene zu erklären sind und so fort, ohne dass man in der sinnlichen Welt auf einen Bruch der Kausalkette stoßen könnte.46 Daher gibt es auf der empirischen Welt keine Stelle, an der sich Freiheit auffinden lässt. Der Mensch als Teil der Sinneswelt heißt homo phaenomenon. Aber jenseits dieser Welt der Phänomene, also der Dinge, die der Mensch durch seine Sinnlichkeit erfasst, welche die einzige Welt ist, auf die sich die

logische Zwang alle Straftaten ausnahmlos verhindern werde, wie etwa: „Jede Beleidigung widerspricht daher der Natur und dem Zweck des bürgerlichen Vereins, und um dieses Zwecks willen ist es nothwendig, daß überhaupt keine Beleidigungen im Staate geschehen“ (ders., Revision I, S. 39). Zur richtigen Interpretation dieser Stellen unten S. 372 ff. 41 Unter Kant-Gelehrten verbreitete sich spätestens seit Lewis White Beck, Commentary, S. 29 ff., 192 ff. der Versuch, Kants oben gleich zu schildernde „Zwei-Welten Lehre“ ihrer metaphysischen Dimension zu entkleiden und aus ihr eine „ZweiAspekte-Lehre“ zu machen (vgl. ferner Beck, Five Concepts, S. 44; Allison, Freedom, ff. 3–4; ders., Idealism, S. 3 ff.; Prauss, Ding an sich, S. 86 ff.; O’Neill, Kantische Gerechtigkeit, S. 68; zurückhaltend Wimmer, Universalisierung, S. 142; kritischer Überblick bei Ameriks, Recent Work, S. 73 ff.). Nach dieser neueren Interpretation hätte die Unterscheidung von phaenomena und noumena keine ontologische, sondern eine bloß methodologische Bedeutung, d.h. phaenomena und noumena wären demnach keine unterschiedlichen Gegenstände, sondern nur unterschiedliche Perspektiven der Betrachtung eines einzigen Gegenstands. 42 Relevant ist hierbei vor allem die Erörterung und Auflösung der berühmten 3. Antinomie, wonach die Behauptung, der Mensch sowie die ganze Natur seien kausal determiniert, mit der entgegengesetzten Behauptung, es gebe die menschliche Freiheit, streitet: vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 472 ff./A 444 ff., und B 566/A 538. Dazu im einzelnen Beck, Commentary, S. 24 ff.; Allison, Freedom, S. 11 ff. 43 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 37 ff./A 22 ff. (zum Raum), und B 46 ff./A 30 ff. (zur Zeit). 44 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 232 ff./A 190 ff.; B 560/A 532; B 566 ff./A 538 ff. 45 Vgl. vorige Fn. 46 Dies sei der sog. „empirische Charakter“ eines Phänomens: Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 567/A 539.

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B. Rechtsgeschichtlicher Teil

Begriffe unseres Verstands beziehen können,47 gibt es eine Welt der noumena, der Ideen, desjenigen, was unsere Sinne nicht erfassen können, und wovon sich unser Verstand keinen Begriff bilden kann, der nicht leer ist;48 eine Welt, die sich jenseits unserer Sinnlichkeit befindet und die deswegen auch nicht den Formen derselben unterworfen ist, in der deshalb die Zeit, als Form der inneren Sinnlichkeit, gar keine Bedeutung hat. Und weil diese Welt jenseits der Zeit ist, befindet sie sich auch jenseits der Kausalität und jeder Art von Determination. Denn Kausalität und Determination gibt es nur im Vergleich eines Früheren zu einem Späteren, beide setzen also die Zeit voraus. In der Welt der Ideen gibt es mithin keine Zeit, keine Kausalität: In dieser Welt existiert deswegen die Freiheit.49 Freiheit, die von der theoretischen Vernunft zunächst nur negativ verstanden wird – als Abwesenheit irgendwelcher Determinierungen50 – aber die von der praktischen Vernunft, von der Ethik, einen positiven Inhalt empfängt:51 Freiheit als Autonomie,52 als Selbstgesetzgebung,53 als Handeln aus Achtung für das Gesetz.54 Es lässt sich zusammengefasst behaupten, dass für Kant der Mensch mit jedem seiner beiden Füße in einer anderen Welt steht: Als homo phaenomenon, als Teil der Sinnenwelt, ist er determiniert; und als homo noumenon, als Teil der Ideenwelt, ist er frei.55 Nach dieser gängigen, auch von Feuerbach geteilten Interpretation Kants gehört also die Freiheit als Autonomie ausschließlich dem Bereich der praktischen Vernunft an; die Freiheit, von der die theoretische Vernunft sprechen kann, ist nicht mehr als ein negativer Begriff, etwas, wovon man nur weiß, was es nicht ist (keine Determination), und nicht, was es positiv ist.56 Deswegen – führt Feuer47 Das dürfe wohl das wesentliche Ergebnis der Kritik der reinen Vernunft sein, vgl. ders., Kritik der reinen Vernunft, etwa B 291; B 303/A 246; B 314/A 257; B 335/ A 279. 48 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 293 ff./A 236 ff. 49 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 565/A 537. 50 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 561/A 533: „Dagegen verstehe ich unter Freiheit, im kosmologischen Verstande, das Vermögen, einen Zustand von selbst anzufangen, deren Kausalität also nicht nach dem Naturgesetze wiederum unter einer anderen Ursache steht, welche sie der Zeit nach bestimme.“ 51 Z. B. Kant, Grundlegung, BA 96 f.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, A 59; ders., Metaphysik der Sitten, AB 7; noch unklar ders., Kritik der reinen Vernunft, B 561/A 532. 52 Kant, Grundlegung, BA 79, BA 87 ff.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, A 59. 53 Kant, Grundlegung, BA 79. 54 Kant, Kritik der praktischen Vernunft, A 132. 55 Zur Unterscheidung von homo noumenon und phaenomenon bei Kant ferner Ricken, Homo noumenon, S. 234 ff.; Hruschka, ARSP 88 (2002), S. 463 ff. 56 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 585/A 557, wo gesagt wird, die Freiheit habe keine Wirklichkeit für die theoretische Vernunft; ders., Metaphysik der Sitten, AB 18; und Feuerbach, Revision I, S. 321; ders., Revision I, S. IX, S. XXI. Zu diesem von vielen sog. Begriff der transzendentalen Freiheit vgl. Carnois, Coherénce, S. 39 ff.

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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bach weiter aus, und jetzt gegen Kant57 – sei das Recht eine Institution ausschließlich irdischer Zwecke, welches nichts mit Begriffen wie der moralischen Freiheit zu tun habe: „Die Realität der Rechtsgesetze hängt nicht von der Realität einer (inneren) Freiheit, sondern von der Möglichkeit des Zwangs zur Erhaltung der rechtlichen Freiheit ab“.58 Nur die Moral dürfe sich mit Begriffen wie dem der Freiheit beschäftigen; die Welt des Rechts sei nicht die Welt der Ideen, sondern die Welt der Phänomene, der Mensch des Rechts sei daher nicht der homo noumenon, sondern der homo phaenomenon.59 Daraus folge, dass, während im Bereich der Moral der Indeterminismus richtig sei,60 es im Bereich des Rechts keine Alternative zum Determinismus gebe. So meint Feuerbach ganz prägnant: „Warum ich Deterministen zitiere? – Nicht darum, weil die Theorie, von der ich ausgehe, der Determinismus wäre, sondern weil diese Theorie – die wahre Theorie der Freiheit – diese Freiheit in die intelligible Welt verweist, uns also in dem Gebiete der Rechtslehre nöthigt, Deterministen zu werden“.61 Obwohl zu seiner Zeit fast alle Autoren die Zurechnung auf die Freiheit stützten,62 eine Lehre, die seit Pufendorf immer mehr Anhänger fand,63 war Feuerbach 57 Vgl. z. B. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 335, AB 30, wo die Freiheit ausdrücklich zum Maßstab rechtlicher Zurechnung zum Verdienst oder zur Schuld, sowohl in der Moral als auch im Recht, gemacht wird. 58 Feuerbach, Revision II, S. 110 f. 59 Feuerbach, Revision I, S. 320; die ausführlichste Untersuchung des Freiheitsbegriffes und seines ausschließlich moralischen Charakters findet sich in Feuerbach, Revision II, S. 91 ff. 60 Feuerbach, Revision I, S. 320, Fn., wo Feuerbach die Kennzeichnung als Determinist ablehnt. 61 Feuerbach, Revision II, S. 134, Fn. Interessanterweise hat v. Liszt 100 Jahre später mit fast identischen Argumenten seinen Determinismus verteidigt, s. Deterministische Gegner, S. 38 f. 62 Etwa Christian Wolff, Philosophia practica universalis, § 527 ff. (S. 394 ff.); Wieland, Geist I, § 262; Koch, Anfangsgründe, S. 40, 50, 54; Gmelin, Gesetzgebung, § 8; Stelzer, Lehrbuch, S. 49, 50; Quistorp, Grundsätze, §§ 32, 53; Kant, Metaphysik der Sitten, S. 335, AB 30; ders., Religion, S. 667, B A 6; Soden, Geist, S. 15 f., 31, 36 ff.; Klein, Grundsätze, §§ 97, 124; ders., ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 60 ff. (der das System Feuerbachs, das er das „terroristische“ oder das „der thierischen Züchtigung“ nennt, seinem „Freiheitssystem“ gegenüberstellt); ders., ArchCrimR Bd. IV St. IV (1802), S. 65; ders., ArchCrimR Bd. V St. III (1803), S. 119 ff.; Theod. v. Hippel, Beytrag, S. 95; Kleinschrod, Grundbegriffe I2, S. 102; ders., ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 20 (in Auseinandersetzung mit Feuerbach); Stübel, System II, §§ 241 ff., 307 ff.; Grolman, Grundsätze1, S. 13 ff.; Schneider, Prinzip des Strafrechts, S. 42; Zachariä, Anfangsgründe, § 31; v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 117; Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 49, 203, 246 ff. Vgl. auch die ALR II. Teil 20. Titel § 18, 23. Indes will Weber, ArchCrimR Bd. VII St. II (1808), S. 230 f. sowohl Feuerbach als auch der herrschenden Ansicht zustimmen! Einen Vergleich zwischen Feuerbachs und Kleins Zurechnungsmodellen liefert Mumme, Klein’s Auffassung, S. 20 ff. 63 Pufendorf, Pflicht des Menschen, S. 28 ff., § 10; ders., De iure natura et gentium, Liber VIII, Caput III, § 21; zu Pufendorfs Lehre der imputativitas vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, § 157; Welzel, Pufendorf, S. 84 ff.; Sousa Mendes, Torto, S. 35 ff.; allgemein zum Einfluss der naturrechtlichen Imputationslehre auf die Syste-

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aber nicht der Erste in Deutschland, der sich für ein auf dem Determinismus aufbauendes Strafrecht einsetzte; als wichtigen Vorgänger könnte man insbesondere Hommel nennen.64 Da dieser aber seinen Determinismus besonders auf religiöse Gründe stützte (hauptsächlich auf die Unvereinbarkeit der Freiheit mit der Vorhersehung Gottes),65 ist Feuerbachs sich auf die Kant’sche Philosophie stützende Auffassung in der Tat etwas Neues.66, 67 Nach Feuerbach interessiert sich das Recht also nur für den homo phaenomenon, für den Menschen, der nicht aus Achtung für das moralische Gesetz, sondern ausschließlich aus seiner Sinnlichkeit heraus handelt. „Alle Übertretungen haben ihren psychologischen Entstehungsgrund in der Sinnlichkeit“.68 Diese funktioniere nach den Gesetzen der Kausalität und der Ideenassoziation: Eine Triebfeder führe den Menschen dazu, dass er einen beliebigen Gegenstand begehrt; dadurch werde die Abwesenheit des begehrten Gegenstands zur Ursache eines Unlustgefühls. Der Mensch werde deswegen handeln, um diese Unlust dadurch zu überwinden, dass er seine Begierde befriedigt und den begehrten Gegenstand erreicht.69 Für Feuerbach muss sich die Strafandrohung in diesen komplexen Mechanismus einfügen und die verbrecherische Begierde neutralisieren. Weiß der Mensch, dass die Erlangung des begehrten Gegenstands gegen ein strafbewehrtes Verbot verstößt, und weiß er auch, dass die durch Befriedigung der Begierden erwachsenden Lustgefühle notwendig mit einem noch größeren Unlustgefühl namens Strafe verbunden sind, dann werde es ihm unmöglich, das Verbotene zu begehren.70 Die Vorstellung des Verbrechens führe zur Vorstellung der Strafe; da der potenzielle Täter nicht die Strafe wollen könne, sei es ihm eben so wenig möglich, das Verbrechen zu wollen.71 Die Strafe wirke also als ein Gegenmotiv, sie paralysiere die verbrecherische Begierde: „Es bleibt daher matisierung des Allgemeinen Teils Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 37 ff.; zu gemeinrechtlichen Autoren, die vor Pufendorf die actio voluntaria bzw. spontanea als Zurechnungsgrundlage verlangten, siehe ebda., S. 95, insb. Fn. 2. 64 Hommel, Belohnung, S. 25 ff. 65 Hommel, Belohnung, S. 56, S. 121, S. 132, S. 133, S. 138, S. 142 (die Freiheitslehre sei „der gerade Weg zur Hölle“), S. 167. 66 Wobei die Frage, ob der Hinweis auf die Kant’sche Philosophie wirklich diese Ergebnisse trägt, erst unten II. erörtert werden kann. 67 Sehr ähnliche Argumente, ohne aber Feuerbach zu zitieren, bei Schilling, ArchCrimR Bd. VI St. II (1805), S. 108: Strafen brauchen nicht im Verhältnis zur Schuld zu stehen, denn die Verwirklichung von Gerechtigkeit sei dem Menschen weder möglich noch angemessen; Feuerbach hier ausdrücklich zust. J. S. Beck, Grundsätze, S. 723. 68 Feuerbach, Lehrbuch14, § 13. 69 Feuerbach, Revision I, S. 43; ders., Revision II, S. 150 ff.; ders., Anti-Hobbes, S. 214 f. 70 Feuerbach, Revision I, S. 45. 71 Die vertiefte Erklärung des psychologischen Mechanismus befindet sich in Feuerbach, Revision II, S. 162 ff. Eingehender unten III.

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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dem Staate kein anderes Mittel übrig, als durch die Sinnlichkeit selbst auf die Sinnlichkeit zu wirken, und die Neigung durch entgegengesetzte Neigung, die sinnliche Triebfeder zur That durch eine andere sinnliche Triebfeder aufzuheben“.72 Der Zweck der Strafandrohung sei es also, durch allgemeine Abschreckung das Verbrechen unmöglich zu machen.73 bb) Nachdem der Staat für ein bestimmtes Verhalten eine Strafe androht, entsteht die Frage nach dem Zweck der Zufügung dieser Strafe gegen denjenigen, der sich in jener Weise verhalten hat. Feuerbach richtet scharfe Kritik gegen die damals herkömmliche Ansicht,74 die zu seiner Zeit noch von namhaften Autoren vertreten wurde,75 wonach die Strafe zwecks allgemeiner Abschreckung zugefügt werde (von ihm sog. „Abschreckungstheorie“).76 Das hieße, sagt Feuerbach, indem er auf Kant verweist, den Verbrecher zu einem bloßen Mittel herabzusetzen, ihn unter die Gegenstände des Sachenrechts zu mengen, ohne

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Feuerbach, Revision I, S. 44–45. Feuerbach, BpRW Teil I St. II (1798), S. 30; ders., Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 96; ders., Lehrbuch14, § 16. 74 Carpzov, Practica Nova, Quaestio VII, Nr. 35; Quaestio XXIV, Nr. 65; Quaestio CI, Nr. 16 ff. (am ausführlichsten); Quaestio CXXXI, Nr. 12 (zur Abschreckungstheorie Carpzovs siehe Oehler, Carpzovs Practica Nova, S. 197); Clasen, Commentarius, S. 2; Böhmer, Elementa iurisprudentia criminalis, Sectio II, § II; vgl. auch die eindrucksvolle Schilderung einer Hinrichtung bei Foucault, Überwachen, S. 9 ff. Das Hinrichtungsritual wird eingehend von Evans, Rituals of Retribution, S. 65 ff. geschildert. Für die grausame und öffentliche Vollstreckung der Todesstrafe hat übrigens Christian Wolff, Politik, § 349 ff. eine eingehende rechtsphilosophische Begründung geliefert. 75 Auf die Abschreckung durch Zufügung allein oder neben anderen Strafzwecken abstellend Grotius, De iure, Liber II, Caput XX, VI, 1; Pufendorf, De iure natura et gentium, Liber VIII, Caput III, § 9, 12; Christian Wolff, Politik, § 346: „zum Exempel anderer“; Beccaria, Delitti, §§ I, XII (a. A. Cattaneo, Beccaria e Kant, S. 54, der Beccaria als einen Vertreter der Androhungsabschreckung versteht; wie hier aber Würtenberger, Beccaria, S. 208 ff., und v. Bar, Geschichte, S. 233); Filangieri, Scienza, S. 190 (Libro III, Capo XXVII); Hommel, Anmerkung, S. 37 (neben der Besserung – die abw. Interpretation von Maier-Weigt, Materialer Verbrechensbegriff, S. 40 f. versucht mit äußerst dürftigen Belegen die Ansicht Nauckes in Hommel hineinzulesen); Lardizábal, Discurso, Cap. II 19, Cap III 3, 6 (neben Besserung und Wiedergutmachung; zu seiner Strafrechtslehre Silva Sánchez/Baldó Lavilla, Lardizábal, S. 358 ff); Soden, Geist, S. 60 ff.; Stelzer, Lehrbuch, S. 76 (neben Besserung); Klein, Grundsätze, § 69 ff.; ders., ArchCrimR Bd. I St. II (1798), S. 37; ders., ArchCrimR Bd. I St. II (1798), S. 39 ff.; (anders, Feuerbach sehr ähnlich, aber anscheinend ohne es zu bemerken ders., ArchCrimR Bd. I St. II [1798], S. 42); ders., ArchCrimR Bd. I St. III (1798), S. 35 ff.; Gmelin, Gesetzgebung, § 14; Quistorp, Grundsätze, § 71; Kleinschrod, Grundbegriffe II2, z. B. S. 68 (anders aber ders., ArchCrimR Bd. I St. III [1798], S. 10); J. S. Beck, Grundsätze, S. 712 f.; ferner Globig/Huster, Abhandlung, S. 50 ff. (neben Schadensersatz und Besserung); Bentham, Rationale of Punishment, S. 20 f. 76 Feuerbach, Revision I, S. 89 ff.; ders., BpRW Bd. II (1800), S. 251; auch kritisch und mit ähnlichen Argumenten Grolman, Begründung, S. 115 ff.; Bauer, Warnungstheorie, S. 338 ff.; Hepp, Kritische Darstellung, S. 57 ff. 73

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seine Würde und sein Recht, immer zugleich als Zweck an sich selbst behandelt zu werden, anzuerkennen.77 Für Feuerbach ist der Zweck der Strafzufügung also nicht die Abschreckung der Allgemeinheit, sondern die Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung: „Damit nun also die Drohung des Gesetzes eine wirkliche Drohung sey, so muß sie, wenn der bedingte Fall eintritt, wirklich ausgeführt, das Uebel wirklich vollzogen werden“.78 Würde es dem Täter erlaubt, unbestraft zu delinquieren, verlöre die Strafandrohung jegliche Überzeugungskraft, würde zu einem unerfüllten Versprechen, zu einem „leeren Schall“.79 Nachdem man eingewandt hatte, der Sache nach habe sich Feuerbach von der Abschreckungstheorie nicht so weit entfernt,80 verdeutlichte er in seinem Lehrbuch, dass auch nach seiner Theorie der mittelbare, indirekte Zweck der Strafzufügung die Abschreckung sei.81 e) Als erklärter Anhänger Kants konnte Feuerbach nicht übersehen, dass mit der Antwort auf die Zweckfrage noch lange nicht alles gelöst ist. Denn nicht alles Notwendige ist erlaubt, und nicht alles Nützliche legitim. Sich dessen bewusst,82 fragte Feuerbach daher, ob es irgendeinen Grund gebe, der sowohl die Androhung als auch die Zufügung der Strafe rechtfertige: Wie gesehen, unterscheidet er die Frage des Zwecks von der Frage nach dem Rechtsgrund. aa) Der Rechtsgrund der Strafandrohung wird von Feuerbach als völlig unproblematisch angesehen: denn durch Androhung einer Strafe verletze der Staat niemandes Rechte.83 bb) Die Zufügung der Strafe zu rechtfertigen bereitet Feuerbach größere Schwierigkeiten. Anfänglich löste er das Problem durch einen Hinweis auf die Einwilligung des Verbrechers: Wenn die deliktische Handlung untrennbar mit der Strafe verbunden und das Verbrechen nur zusammen mit der Strafe vorstellbar ist, dann impliziere das Wollen des Verbrechens zugleich das Wollen der Strafe; derjenige, der in das Begehen einer Straftat einwilligt, willige auch in

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Feuerbach, Revision I, S. 90 f. Feuerbach, Revision I, S. 50; vgl. auch Anti-Hobbes, S. 226; ders., Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 96; ders., Lehrbuch14, § 16. 79 Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 226. 80 Am deutlichsten Klein, ArchCrimR Bd. I St. III (1798), S. 35. 81 Feuerbach, Lehrbuch14, § 16 (seit der ersten Aufl. 1801, § 20). 82 Z. B. Feuerbach, Revision I, S. 90 f., wo er behauptet, das Nützliche sei nicht zum Kriterium des Rechtlichen zu erheben; ders., Anti-Hobbes, S. 220. Inwiefern diese Beteuerungen von ihm tatsächlich ernst genommen werden, wird uns unten S. 139 ff., 478 ff., 484 ff. beschäftigen. 83 Feuerbach, Revision I, S. 49; ders., Anti-Hobbes, S. 221; ders., Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 95; nur etwas unterschiedlich Lehrbuch14, § 17, wo ein zweiter Rechtsgrund benannt wird, „die Notwendigkeit, die Rechte aller zu sichern“. Sich Feuerbach anschließend Bauer, Warnungstheorie, S. 27. Ähnlich wie Feuerbachs obige Auffassungen Klein, ArchCrimR Bd. I St. II (1798), S. 94. 78

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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die Bestrafung ein.84 Der Staat dürfe die Strafe vollziehen, „aus eben dem Grunde . . ., aus welchem ich das Recht habe, die Erfüllung eines eingegangenen gültigen Vertrag zu fordern“.85 Diese Einwilligungslehre ist keineswegs eine Erfindung Feuerbachs, sondern hat prominente Vertreter unter Philosophen und Juristen mindestens seit Grotius.86 Unter dem Druck der Einwände von Klein87 und Grolman88 sah er sich dann aber genötigt, diesen Gesichtspunkt weiter und weiter zu relativieren bis zu seiner völligen Preisgabe. Dabei setzte er zunächst an die Stelle des ursprünglich überwiegend psychologischen Begriffs der Einwilligung einen normativen, juristischen Einwilligungsbegriff: Derjenige, der ein Verbrechen trotz Kenntnis des Verbrechens und Kenntnis der Strafe begehe, der willige in rechtlich notwendiger Weise in die Zufügung der Strafe ein.89 In seinem Lehrbuch ließ Feuerbach dagegen dann die Einwilligungstheorie insgesamt fallen und vertrat nunmehr die Auffassung, dass sich der Rechtsgrund der Strafzufügung in der Tatsache ihrer vorherigen Androhung durch das Gesetz erschöpfe.90 cc) Trotz seiner Verteidigung einer Theorie, deren Schwerpunkt auf dem psychologischen Zwang durch die Strafandrohung liegt, versucht Feuerbach, auch Aspekte anderer Theorien als „zufällige Absichten“ der Strafe in sein System 84

Feuerbach, Revision I, S. 53 ff.; ders., Hochverrath, S. 33. Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 293. 86 Grotius, De iure, Liber II, Caput XX, § II 2, wo auch der Vergleich mit einem Vertrag zu finden ist; siehe ferner Klein, Grundsätze, § 13; siehe ferner Stelzer, Lehrbuch, S. 68, der von einem „stillschweigend eingegangenen Contract . . . zwischen Hoheit und Unthertan“ spricht, wobei es nicht deutlich wird, ob er hier das Verbrechen als eine Art rechtsgeschäftliche Willenserklärung begreift oder ob er sich eher auf eine Klausel im ursprünglichen Gesellschaftsvertrag bezieht. Ein Kuriosum ist Bergk, ArchCrimR Bd. II St. III (1800), S. 146, 149, der den Einwilligungsgedanken in einem noch strengeren Sinne, nämlich als Geständnis des Verbrechers, versteht, ohne das man keine Verurteilung aussprechen dürfte. Dass die Einwilligungslehre der Lehre vom Sozialvertrag nahe steht, betonen richtig Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 16; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 151. Zur Straftheorie von Grotius s. neuerlich Simson, Grotius, S. 651 ff., der freilich nicht nur die Einwilligungslehre übersieht, sondern auch Grotius dafür tadelt, „das aus der Antike stammende Rechtsprinzip nulla poena sine lege“ zu verkennen (S. 661)! 87 Erstmals und am ausführlichsten Klein, Anti-Hobbes, S. 168 ff.; dann ders., ArchCrimR Bd. I St. II (1798), S. 105; ders., ArchCrimR Bd. II St. I (1799), S. 122. Dazu auch Mumme, Klein’s Auffassung, S. 41. 88 Grolman, Begründung, S. 13 ff.; ders., BpRW Teil I St. III (1799), S. 215 ff.; dazu Cattaneo, Grolmans Humanismus, S. 74 ff. 89 Feuerbach, Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 95, S. 97 ff.: „rechtlich nothwendige Einwilligung“ (S. 95). Eigentlich taucht diese eher normativierende Formulierung schon 1797, also vor der Revision, zum ersten Mal auf (ders., BpRW Teil I St. II [1798], S. 23), trotzdem wird die Entpsychologisierung der Einwilligung erst in der zuerst zitierten Stelle in der Polemik gegen Grolman klar. Das erinnert wohl an das „Billigen im Rechtssinne“ des BGH im Lederriemen-Fall (BGHSt 7, 363). 90 Feuerbach, Lehrbuch14, § 17 (schon die erste Aufl. 1801, § 21); dazu Döring, Feuerbachs Straftheorie, S. 26 ff. 85

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zu integrieren.91 Darunter sind u. a. die Besserung des Verbrechers, die Sicherung der Gesellschaft und die allgemeine Abschreckung zu nennen. f) Man kann sagen, dass Feuerbachs Straftheorie einen schlagartigen Erfolg in der Wissenschaft zeitigte. Nicht nur haben sich viele der neueren Autoren seiner Zeit ausdrücklich zu ihr bekannt92 oder Theorien vertreten, die sich nicht viel von der psychologischen Zwangstheorie unterschieden, wie etwa Bauer und seine Warnungstheorie,93 auch Andersdenkende wie Almendingen und Stübel haben sich ihm ohne viel Zögern angeschlossen;94 alte Gegner, wie Grolman, hörten sich nach einiger Zeit sehr viel milder an95 und nahmen wesentliche Elemente Feuerbach’schen Ursprungs in ihre Straftheorie auf.96 Selbst Autoren, die völlig andersartige Straftheorien vertraten, wie etwa die Vergeltungstheoretiker v. Bothmer und Stürzer, fanden in ihren Systemen Platz für Feuerbach’sche Erwägungen.97, 98 Und noch eines ist besonders deutlich: Gleichgültig, welcher Meinung man über die Straftheorien war, Feuerbachs Auffassung stand im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung.99 Kein anderer hat in seiner Zeit so fasziniert, provoziert, zur Reflexion angeregt und zur Kritik herausgefordert wie der kaum 25-jährige Paul Johann Anselm.

91 Feuerbach, Revision I, S. 61 ff.; ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs I, S. 68; ders., Lehrbuch14, § 133. 92 Oersted, Grundregeln, S. V f., 20 f., 38 ff., insb. 46 ff., vor allem mit dem Unterschied, dass er den Determinismus nicht teilt, S. 132 ff.; Stürzer, Rüksichten, S. 12 f.; Gros, Naturrecht2, § 361–364; nahestend auch Thibaut, Beyträge, S. 24, 88 f., trotz erheblicher Unterschiede im einzelnen. 93 Bauer, Warnungstheorie, S. 32 ff., 155 ff.; ders., Strafrechtstheorien, S. 69 ff. Von den Zeitgenossen wurde die Warnungstheorie weitgehend als eine Neuauflage derjenigen Feuerbachs angesehen, nur mit einem anderen Namen, s. etwa Hepp, Kritische Darstellung, S. 102. Dagegen zu Recht Bauer, Warnungstheorie, S. 158 ff., S. 225 ff.; ders., Straftheorien, S. 96 f., 110 ff. Über diese Unterschiede näher unten S. 417 ff. bei unseren Erwägungen zur positiven Generalprävention. 94 Almendingen, Imputation, S. 22, 43 ff., 52; Stübel, Thatbestand, S. 13 ff. In seiner von seinem Urenkel veröffentlichen Korrespondez mit Feuerbach spricht Stübel von „unserer Straftheorie“, vgl. Moritz Stübel, ZStW 55 (1936), S. 844. Zur Entwicklung der Straftheorie Stübels siehe noch Ahrendts, Stübels Straftheorie, S. 58 ff. 95 Aufschlussreich schon die Überschrift seines 1800 veröffentlichten Aufsatzes: „Sollte es denn wirklich kein Zwangsrecht zur Prävention geben?“ (MPhGesRG Bd. I [1800], S. 241 ff.; ders., Grundsätze2, S. XIII ff. Über den Versuch Grolmans, Feuerbach’schen Gedanken in sein System Eingang zu verschaffen, Bauer, Warnungstheorie, S. 352 f., und Schreiber, Gesetz und Richter, S. 114. 96 Vor allem Grolman, Begründung, S. 109 ff. 97 v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 12, 48 ff.; Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 21, 33, 53 f., 55, 97 ff., 118, 127 ff. 98 Zum Gesamtbild der deutschen Strafrechtswissenschaft nach Feuerbach besonders informativ Helga Müller, Generalprävention, S. 84 ff. (Stübel), 88 ff. (Stürzer), 91 ff. (Thibaut), S. 102 ff. (Zachariä), 104 ff. (Grolman), 107 ff. (Orsted). 99 So auch Helga Müller, Generalprävention, S. 127.

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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g) Abschließend lässt sich die Straftheorie Feuerbachs in folgende fünf Aussagen zusammenfassen:100 (1) Der Strafbegriff wird definiert als „ein Übel . . ., welches um begangener gesetzwidriger Handlungen, und zwar bloß um dieser willen einem Subjecte zugefügt wird“. (2) Der Zweck der Strafandrohung ist die Vorbeugung von Delikten durch psychologischen Zwang. (3) Der Zweck der Strafzufügung ist die Bestätigung der Wirklichkeit der Strafandrohung. (4) Der Rechtsgrund der Strafandrohung liegt darin, dass man dadurch keine Rechte verletzt. (5) Der Rechtsgrund der Strafzufügung lag zunächst in der Einwilligung des Täters, später bloß in der vorherigen Androhung durch das Gesetz. 2. Konsequenzen der Theorie Die Straftheorie Feuerbachs ist viel mehr als nur eine Theorie über Zweck und Rechtsgrund der Strafe. Feuerbach leitet aus ihr zahlreiche Folgerungen ab, die zumindest genannt werden müssen, um die Reichweite seiner Konzeption richtig verstehen zu können. Davon sind besonders folgende hervorzuheben: a) Das Gesetzlichkeitsprinzip aa) „Nulla poena sine lege; nulla poena sine crimine; nullum crimen sine poena legali“.101 Feuerbach ist nicht nur für seine Straftheorie berühmt, sondern insbesondere auch dafür, der Idee der Strafgesetzlichkeit ihren endgültigen Ausdruck gegeben zu haben.102 Diese uns heute als selbstverständlich erscheinenden Sätze können nur richtig begriffen werden, wenn man sich vor Augen hält, dass führende Strafrechtler von damals noch sehr weit davon entfernt waren, die Gesetzlichkeit von Verbrechen und Strafen anzuerkennen. Allgemein war die dem gemeinen Recht entstammende Überzeugung herrschend, dass es sog. Verbrechen von Natur aus gebe, die keinerlei gesetzlichen Niederschlags bedürf-

100 Feuerbach selbst liefert eine Zusammenfassung in Revision I, S. 74 f., und BpRW Teil I St. II (1798), S. 17, Fn.; andere sehr gute und knappe Darstellungen sind z. B. bei v. Bar, Geschichte, S. 249; R. v. Hippel, Deutsches Strafrecht I, S. 293 und jetzt Vormbaum, Einführung, S. 45 f., zu finden. 101 Feuerbach, Lehrbuch14, § 20. In der Literatur z. B. A. Baumgarten, Feuerbach, S. 16; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 18 ff. 102 Siehe auch Schreiber, Gesetz und Richter, S. 17.

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ten,103 und dies blieb trotz Feuerbach noch lange so.104 Kleinschrod z. B. erkannte die ausnahmsweise bestehende Möglichkeit von „stillschweigenden Strafgesetzen“ an und meinte, dass, „wenn eine Handlung schon nach dem allgemeinen Rechte und Begriffe ein Verbrechen ist, und doch von neuern Gesetzen nur verboten wird: dann halte ich dafür, daß alsdann auch eine Strafe statt finden könne, wenn schon das Gesetz nichts davon meldet.“105 Stübel rechnete nicht nur das positive Gesetz, sondern auch das natürliche Gesetz106 und das Gewohnheitsrecht107 zu den Quellen des Strafrechts. Nicht einmal mit strafbegründenden geheimen Instruktionen des Churfürsten an den Richter scheint er Probleme gehabt zu haben, da er sie völlig unkritisch erwähnt.108 Klein war der Ansicht, der Verbrecher willige mit der Begehung des Verbrechens in jede mögliche Strafe und nicht nur in die angekündigte ein.109 Von Koch könnte man zunächst denken, er habe die Ansicht Feuerbachs teilweise doch vorweggenommen, indem er das Verbrechen als „freie Uebertretung eines Strafgesetzes“ definierte;110 aber gleichzeitig erkennt er neben geschriebenen auch ungeschriebene 103 Zu Geschichte und Begründung dieser Lehre von den „delicta extraordinaria“ vgl. v. Hippel, Deutsches Strafrecht I, S. 236 ff.; Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 39 ff.; v. Weber, ZStW 56 (1937), S. 658 ff.; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 22 ff., 29, 97 ff.; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 40 mit dem Beispiel des gewohnheitsrechtlich entwickelten Hexereidelikts. 104 Zusätzlich zu den im weiteren Text genannten Autoren noch Klein, ArchCrimR Bd. VI St. IV (1806), S. 14; Schneider, Prinzip des Strafrechts, S. 73 ff.; Tittmann, Handbuch I, S. 63; vgl. weitere Nachw. bei Schreiber, Gesetz und Richter, S. 121 ff. (wobei sein Hinweis auf Hepp auf S. 121 Fn. 29 nicht stimmig ist). Sogar Bauer, Warnungstheorie, der sich Feuerbach vielfach anschließt und auch natürliche Verbrechen ablehnt (S. 91 ff.), meint, Gesetz i. S. des Gesetzlichkeitsprinzips sei auch das ungeschriebene Recht bzw. das Gewohnheitsrecht (S. 52, S. 148 f.), und erkennt die Möglichkeit der Analogie an (S. 215). Also ist der bedauernswerte Zustand, in dem sich die Lehre der Strafgesetzlichkeit in den Lehrbüchern der nachfolgenden, geschichtlich-orientierten Generation befand – man lese nur Roßhirt, Entwickelung, § 1 ff. (S. 12 ff.) – nicht als Bruch mit der Aufklärung, sondern als Weiterführung der trotz Feuerbach immer herrschenden Ansicht zu deuten. 105 Kleinschrod, Grundbegriffe I1, S. 19; ders., Grundbegriffe I2, S. 35 f.; ähnlich auch Stübel, System II, § 277. 106 Stübel, System I, S. 33. 107 Stübel, System I, S. 56, S. 59. 108 Stübel, System I, S. 41. 109 Klein, Grundsätze, § 13. Später präzisierte er seine Ansicht, indem er zwei Arten von Strafen je nach ihrem Zweck unterschied, nämlich Genugtuungs- und Exekutionsstrafen, und nur bei letzteren verlangte er vorherige Androhung durch ein Gesetz (ders., ArchCrimR Bd. I St. II [1798], S. 82, 99, 109; ders., ArchCrimR Bd. II St. I (1799), S. 122 ff.; ders., ArchCrimR Bd. II St. III [1800], S. 85; ders., ArchCrimR Bd. IV St. III [1802], S. 9 f.; ders., ArchCrimR Bd. VI St. IV [1806], S. 6). Kleins Lehre der Genugtuungsstrafe besonders nahe stand Schneiders „Erstattungstheorie“, vgl. sein Prinzip des Strafrechts, S. 33, 84. Vgl. dazu auch Mumme, Klein’s Auffassung, S. 13 ff.; Nagel, Strafzweck bei Klein, S. 28 ff. 110 Koch, Anfangsgründe, S. 26 (Zitat), ferner S. 29: „Ohne Strafgesetz kann also kein Verbrechen gedacht werden“. Sehr ähnlich auch Stelzer, Lehrbuch, S. 39, für den

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Strafgesetze an,111 gewährt dem Richter das Recht, selbst ohne Gesetz „außerordentliche Verbrechen“ zu schaffen, wo das erforderlich erscheint,112 und spricht von sog. „ausgenommenen Verbrechen“, unter denen er diejenigen versteht, bei deren Untersuchung und Bestrafung der Richter gar nicht an das Strafgesetz gebunden sei!113 (1) Es wäre trotzdem irrig zu behaupten, das Gesetzlichkeitsprinzip sei allein Feuerbachs Genie zu verdanken. Wichtige Anerkennung hatte es etwa schon in Art. 7, 8 und 14 der Erklärung der Menschenrechte von 1789114 und in den Artikeln 2 u. 3 des Code des Délits et de Peines des revolutionären Frankreichs von 1795115 gefunden.116 Auch in der politischen Philosophie hatte der Grundsatz wichtige Vorgänger, auf die wir hier freilich nicht einzugehen brauchen.117 Feuerbachs Innovation ist aber die harmonische Einfügung des Prinzips in seine Straftheorie.118 (2) Für Feuerbach sind Straftheorie und Strafgesetzlichkeit eng miteinander verbunden: Er geht davon aus, dass der Zweck (die allgemeine Abschreckung, der psychologische Zwang) nur durch eine vorherige, gesetzliche Strafandrohung verwirklicht werden kann. Deshalb erklärt er unmittelbar nach der Schilderung seiner Erwägungen zum Zweck der Strafandrohung: „Hieraus folgt, daß die Verknüpfung des Uebels mit dem Verbrechen durch ein Gesetz angedroht seyn müßte“.119 Nur durch ein allgemeines und notwendiges,120 bestimmtes, klares und einfaches121 Gesetz könnten diese zwei Ideen, die nicht getrennt

die weiteren Erwägungen zu Koch mit kleinen Änderungen zutreffen: Er akzeptiert sowohl die Analogie (S. 21), als auch vom Gesetz nicht bestimmte delicta extraordinaria (S. 46 f.). 111 Koch, Anfangsgründe, S. 20. 112 Koch, Anfangsgründe, S. 35 f. 113 Koch, Anfangsgründe, S. 39. Sehr ähnlich auch Quistorp, Grundsätze, §§ 10, 31. Zu Quistorp vgl. die interessanten Bemerkungen Schaffsteins, Allgemeine Lehren, S. 41, der hier einen Einfluss der Aufklärung zu erkennen glaubt. 114 . . . die auch in Deutschland Aufmerksamkeit auf sich zog, vgl. die Notiz von Klein, ArchCrimR Bd. I St. III (1798), S. 76. Zur Erklärung der Menschenrechte und Anerkennung des Gesetzlichkeitsprinzips Schreiber, Gesetz und Richter, S. 67 ff. mit dem Text der erwähnten Vorschriften. 115 Veröffentlicht auch in deutscher Übersetzung von Klein, ArchCrimR Bd. I St. III (1798), S. 80. 116 Weitere gesetzliche Vorläufer bei Schreiber, Gesetz und Richter, S. 62 ff.; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 12 ff. 117 Nachw. und Diskussion bei Schreiber, Gesetz und Richter, S. 39 ff. 118 Immerhin war Wieland, Geist I, § 2 ein wichtiger Vorgänger. 119 Feuerbach, Revision I, S. 49; vgl. auch ders., Revision I, S. 63 ff. Dem folgend auch Bauer, Warnungstheorie, S. 143 ff. 120 Feuerbach, Revision I, S. 49. 121 Feuerbach, Revision I, S. 137; ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs I, S. 20.

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voneinander gedacht werden könnten, das Verbrechen und die Strafe, der Gegenstand des Lustgefühls und dasjenige, was noch größere Unlustgefühle herbeiführt, in der Phantasie der Bürger miteinander verschmolzen werden.122 In Feuerbachs System ist das Gesetz aber nicht nur wegen der Abschreckungswirkung notwendig, sondern auch, weil es den Bezugspunkt der Einwilligung des Verbrechers in die Bestrafung bildet: Man könne nur in eine Bestrafung einwilligen, die schon vorher gesetzlich angekündigt worden sei.123 bb) (1) Das Gesetzlichkeitsprinzip dient ihm als Maßstab zur kritischen Überprüfung zeitgenössischer Theorien und Praxen. Feuerbachs Haupteinwand gegen die Präventionslehre Grolmans ist deren Unverträglichkeit mit dem Erfordernis eines Strafgesetzes.124 Die Gefährlichkeit des einzelnen Verbrechers, die sich nur in concreto feststellen lässt, könne unmöglich als Maßstab einer allgemeinen Gesetzgebung taugen.125 Nur seine Straftheorie, die ihren Schwerpunkt auf die Strafandrohung und nicht auf die -zufügung lege, könne nach Feuerbach dem Gesetzlichkeitsprinzip eine Begründung liefern, und gerade dies erscheint ihm als Nachweis für die Richtigkeit seiner Theorie und die Verfehltheit ihrer Rivalen. Die Strafgesetzlichkeit gilt ihm also als Kriterium für die Richtigkeit der Straftheorie: „Dieses Strafgesetz ist der Punkt, welchen man nie aus dem Auge verlieren kann, von welchem alles ausgeht und auf welchen alles zurückläuft“.126 (2) Die Richter seien dem Gesetz unterworfen. Ihre Tätigkeit müsse sich in der Anwendung der Gesetze erschöpfen;127 aber im Gegensatz zu einer damals vertretenen Meinung128 ist für Feuerbach die Gesetzesinterpretation ohne weiteres zulässig, sogar unter Zuhilfenahme des von Beccaria129 als das gefährlichste

Feuerbach, Lehrbuch14, § 14. Am klarsten hervorgehoben von Schreiber, Gesetz und Richter, S. 102, 108; s. ferner bereits Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 16. 124 Feuerbach, Revision I, S. 78 ff.; ders., BpRW Teil I St. II (1798), S. 22 ff., 30 ff.; ders., Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 47 ff. Zustimmend Kleinschrod, ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 29; Hepp, Kritische Darstellung, S. 73. 125 Feuerbach, BpRW Teil I St. II (1798), S. 36; so auch Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 97 f. 126 Feuerbach, Revision I, S. 88, Fn. Zustimmend Bauer, Warnungstheorie, S. 50, der meint, der Begriff des Strafgesetzes nehme unter den Grundbegriffen des Strafrechts „die erste Stelle“ ein. 127 Feuerbach, Revision I, S. XXV; ders., Über Philosophie und Empirie, S. 73, wo er den Richter, der das Gesetz nur scheinbar anwendet, aber in Wirklichkeit umgeht, einen „falsarius“ nennt; ders., Würde des Richteramts, S. 229. 128 Wie z. B. Beccaria, Delitti, § IV; die Darstellung und Kritik dieser radikalen Position befindet sich in Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 19 ff. 129 Beccaria, Delitti, § IV: „Non v’é cosa più periculosa di quell’assioma comune che bisogna consultare lo spirito della lege“. Zu Beccarias Bild des Richters Küper, Richteridee, S. 50 ff. 122 123

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aller Interpretationsmittel angesehenenen Geistes des Gesetzes: „Das Gesetz ist der Wille des Gesetzgebers, niedergelegt in Worte“.130 Er kritisiert den sich bloß auf die Buchstaben des Gesetzes stützenden Richter mit von ihm gewohnten schneidigen Worten: „. . . da niemand inniger überzeugt seyn kann, als ich, daß ein Richter, der blos an Worten glaubt, der nicht in den Geist des Gesetzes eindringt, der nicht auch zur Absicht des Gesetzgebers aus Gründen der Geschichte oder der Philosophie sich zu erheben vermag, daß dieser nichts, als eine äsopische Maske, ohne Gehirn und Seele ist“.131 Feuerbach untersagt dem Richter aber die Analogie,132 was für den damaligen Diskussionstand überhaupt keine Selbstverständlichkeit war, da es viele Autoren gab, wie Stübel oder Grolman,133 die keinerlei Probleme in dieser methodischen Figur sahen. Trotzdem plädiert er in den Fällen einer unvollständigen Verwirklichung der verbotenen Tat – sog. Mangel am Tatbestand – nicht für Straflosigkeit, sondern für eine bloße Strafmilderung.134 Feuerbach macht sich auch zum Gegner der extensiven, restriktiven oder kritischen Interpretation.135 Freilich ist seine Gesetzes-

130 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 21. Ähnlich auch Grolman, Grundsätze1, § 261; Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 53 f. Diesen Unterschied zu Beccaria stellt zutreffend Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 177 fest; unrichtig deshalb Bacigalupo, ADPCP 38 (1985), S. 852; ders., Vinculación a la ley, S. 34, der Feuerbach die Meinung Beccarias zuschreibt. 131 Feuerbach, Revision II, S. XLII. 132 Feuerbach, Revision I, S. 193 ff.; ders., Revision II, S. 16 ff., wo sich eine genauere Analyse, mit dem klaren Ergebnis auf S. 32–33 befindet; ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 26 ff. In diesem Sinne auch Schreiber, Gesetz und Richter, S. 110. 133 Stübel, System I, S. 57: „Man kann daher nicht sagen, dass es bei der Entscheidung eines Rechtsfalles an einem Gesezze mangele, so lange noch der Weg zur Analogie offen stehet. Alles dieses gilt auch von der Analogie der peinlichen Gesezze“; Grolman, Grundsätze1, § 143; ferner Stelzer, Lehrbuch, S. 21, 134 Feuerbach, Revision II, S. 10; ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 302; ders., Lehrbuch14, § 97 ff. Aus der zeitgenössischen Literatur vgl. noch insb. Schilling, ArchCrimR Bd. VI St. II (1805), S. 110; Stelzer, Lehrbuch, S. 109, liefert die mustergültige, aber eben fehlschlüssige Begründung: „Mangel in der Ausmittelung des Corpus des Delicts muß die Strafe mildern; denn, wo nicht Gewissheit des Verbrechens ist, lässt sich auch nicht Gewissheit der Strafe denken“; kritisch Kleinschrod, Grundbegriffe II2, S. 151; Oersted, Grundregeln, S. 120 ff.: „Dieses Raisonnement ist so schwach, daß man es nicht von einem Manne von solcher Denkkraft, wie Feuerbach, erwartet hätte“ (S. 120). Aus der Sekundärliteratur vgl. Landsberg, Geschichte, S. 119; Grünhut, Feuerbach, S. 196; Hartmann, Feuerbach, S. 161, der zutreffend in diesem Institut ein Überbleibsel der Verdachtsstrafe wiedererkennt; eingehend W. Schmid, Feuerbachs Mangel am Tatbestand S. 19 ff. Zur Verdachtsstrafe vgl. Schaffstein, ZStW 101 (1989), S. 493 ff. 135 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 24 über die kritische Auslegung (diejenige, welche die Redaktion des Gesetzgebers berichtet), S. 26 ff. über die extensive und restriktive Auslegung. Nachw. zum Diskussionsstand der damaligen Methodenlehre bzgl. der extensiven Auslegung bei Jordan, Auslegung der Strafgeseze, S. 80 f.

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treue keineswegs die eines Anhängers der französischen exegetischen Schule:136 Denn für ihn ist nicht nur dasjenige verbindlich, was der Gesetzgeber ausdrücklich entschieden hat, sondern auch das, was stillschweigend aus seinen Vorschriften gefolgert wird.137 Diese stillschweigenden Prinzipien sind – wohl rein zufällig – nur diejenigen, die sich auf den Begriff und Zweck der Strafe und des Strafgesetzes beziehen.138 Praktisch also bekleidet Feuerbach seine Theorie mit der Autorität einer gesetzgeberischen Entscheidung.139 (3) Als Hauptziel der Kritik Feuerbachs darf wohl die richterliche Strafverschärfungs- oder -milderungsbefugnis in den Fällen gesetzlich fest bestimmter Strafen gelten.140, 141 Um die Barbarei der in den damaligen Gesetzen vorgesehenen Strafen zu lindern – z. B. schrieb das in Bayern damals gültige Strafgesetz, der Codex Iuris Bavarici Criminalis, für nicht-bayerische Vagabunden, Bettler usw. die Strafe der Austreibung mit Aufbrennung des Buchstabens B vor; falls sie dennoch zurückkommen würden, war die vorgesehene Strafe der Tod durch den Strang für die Männer, durch das Schwert für die Frauen142 – relativierte die zeitgenössische Lehre und Rechtsprechung zumindest seit Carpzov und Böhmer143 die Verbindlichkeit gesetzlicher Strafandrohungen, indem man dem Richter ermöglichte, beim Vorliegen außerordentlicher Umstände von

136 Zu dieser Schule vgl. Cattaneo, Illumismo e legislazione, 1966, S. 143 ff.; knapper ders., Illumismo tedesco, S. 346; Mir Puig, Dogmática creadora, S. 17. 137 Feuerbach, Revision I, S. 185. 138 Feuerbach, Revision I, S. 187; ähnlich ders., Lehrbuch14, § 95. 139 Auch Abegg, Strafrechtstheorieen, S. 3, Fn. 4; Landsberg, Geschichte, S. 119; Nagler, Die Strafe, S. 382, Fn. 2; Grünhut, Feuerbach, S. 27 ff., der diese Folgerung Feuerbachs, wonach das positive Recht seine Lehre anerkannte, eine „Fiktion“ nennt (S. 29). 140 Feuerbach, Revision I, S. 227; ders., Lehrbuch14, § 76. Zu den wenigen, bei denen Feuerbachs Kritik Gefolgschaft fand, gehörten Almendingen, BpRW Bd. II St. II (1804), S. 308; Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 127 f.; Schilling, ArchCrimR Bd. VI St. II (1805), S. 109. 141 Man bemerke, die Polemik richtet sich hauptsächlich gegen das Recht, die Strafe zu mildern, und nicht gegen das Recht, sie zu verschärfen. In der „Revision“ wird letzteres nur am Ende und extrem knapp behandelt: Feuerbach, Revision I, S. 332–342. Vgl. die Kritik an dieser straffreudigen Haltung Feuerbachs bei Knauth, GA 1985, S.176 ff.; Naucke, ZStW 87 (1975), S. 882; ders., Funktionstüchtigkeit, S. 109. Wir werden später Feuerbach gegen diese Kritik teilweise in Schutz nehmen, vgl. unten S. 273. 142 Vgl. Grünhut, Feuerbach, S. 125 f.; eingehender über die in Bayern damals geltende Strafgesetzgebung, ebda., S. 121 ff. Feuerbachs Stellungnahme zur Carolina befindet sich insb. in Feuerbach, Revision I, S. 204 ff. Nach E. Baumgarten, GS 81 (1913), S. 110 sei der damals geltende Codex Iuris Bavarici Criminalis trotz seines verhältnismäßig jungen Datums (1751) weitaus menschenverachtender als die Carolina. 143 Carpzov, Practica nova, Quaestio 129, Nr. 17; Böhmer, Observationes Selectae, Quaestio 133, Observatio 1.

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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ihnen abzuweichen.144 In der Regel wurde behauptet, „man müsse annehmen, dass die Gesetzgeber bey Bestimmung der Strafgesetze die gewöhnlichen Fälle vor Augen gehabt hätten“,145 so dass der Richter bei ungewöhnlichen Fällen, die nicht den vollen vom Gesetzgeber bei der Strafandrohung vorausgesetzten Schuldgehalt verwirklichen, von der gesetzlichen Strafe abweichen solle und müsse. So meinte Hommel, dass „ein Richter mit gutem Gewissen abgeschmackte Gesetze zu umschiffen bemüht sein kann“, und Klein erklärte den Richter in diesen Fällen ausdrücklich für den Gesetzgeber.146 Für Feuerbach war dies aber keine Lösung: „Das Gesetz wäre also nichts weiter als eine beiläufige Instruction für den Richter, die nur seiner Willkür oder (um nicht dieses schreckliche Wort zu gebrauchen) seinem Urtheile zum Maastab dienen, welche dieses nicht bestimmen, sondern nur leiten soll, und welche blos die einzige Absicht hat, daß das richterliche Gutdünken, auf das bei Bestrafung der Verbrechen alles ankommt, wenigstens nicht ganz ohne alle Führung hin und wieder schwanke“.147 Die Gerechtigkeit und Menschlichkeit des Strafens seien nicht auf Kosten der Gesetzlichkeit zu erreichen.148 Das Strafgesetz sei ein Imperativ,149 ein kategorischer Imperativ:150 d.h., immer, wenn seine tatsächlichen

144 Erörterung des richterlichen Milderungsrechts z. B. bei Soden, Geist, S. 65 ff.; Stelzer, Lehrbuch, S. 102 ff.; Klein, Grundsätze, §§ 79 ff., 168 ff.; ders., ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 68, S. 100 (wo das Milderungsrecht für ein geltendes Gesetz erklärt wird, das nur durch Gesetz aufgehoben werden könne); ders., ArchCrimR Bd. IV St. III (1802), S. 21; Quistorp, Grundsätze, §§ 99 ff.; Grolman, Grundsätze1, § 134 ff., 150 ff.; Kleinschrod, Grundbegriffe I2, S. 156 ff. (der auf S. 160 behauptet: „bey jeder vorkommenden Handlung muß der Richter erst ermessen, ob dieselbe so schuldvoll sey, als das Gesetz voraussetzt“); ders., ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 18 ff. (in Auseinandersetzung mit Feuerbach); Zachariä, Anfangsgründe, § 46 (S. 37); v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 68 ff.; Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 4 („vernünftige, nothwendige und achtungswerthe Praxis“). Vgl. dazu noch v. Bar, Geschichte, S. 145 ff.; Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 42 f.; v. Weber, ZStW 56 (1937), S. 656 ff.; Eb. Schmidt, Geschichte, § 155 ff., S. 166 ff.; Küper, Richteridee, S. 37 ff.; L. Schulz, Normiertes Misstrauen, S. 185 ff. und für eine knappe Einrahmung im allgemeineren europäischen Kontext Gay, Science of Freedom, S. 424 f. 145 Klein, ArchCrimR Bd. II St. I (1799), S. 127. 146 Hommel, Anmerkung, S. 41, wo es weiter heißt: „. . . und die Hexen nicht verbrennen soll, wenngleich das Gesetz, das es anbefiehlt, bis zu dieser Stunde nicht abgeschafft ist“; ferner S. 113 (vgl. dazu noch Cattaneo, Hommel, S. 146 ff.); Klein, ArchCrimR Bd. IV St. III (1802), S. 30. 147 Feuerbach, Revision I, S. 114. 148 Feuerbach, Revision I, S. 140 (wo er der h. M. vorwirft, sie mache aus dem Gesetz etwas, was nicht mehr Gesetz sei), S. 241 ff. 149 Feuerbach, Revision I, S. 141 ff. 150 Feuerbach, Revision I, S. 146; ähnlich ders., BpRW Teil I St. II (1798), S. 22, S. 41 f. Man beachte, in welchem Kontext diese Wendung auftaucht: bei der Kritik des Milderungsrechts, also einer Ansicht, welche die so zu sagen „kategorische“ Notwendigkeit der Anwendung der gesetzlich angedrohten Strafe zu etwas bloß „Hypothetischen“ macht (hierzu noch u. S. 76).

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Voraussetzungen erfüllt sind, sei der Richter verpflichtet, die Rechtsfolge anzuordnen. Die Richter müssten das Gesetz anwenden,151 und sei das Gesetz schlecht, dann verbleibe die Möglichkeit des Gnadenrechts152 und natürlich auch der Gesetzesreform – die Feuerbach vielleicht bei der Formulierung dieser heftigen Kritik die ganze Zeit vorschwebte. b) Das Verbrechen als Rechtsverletzung aa) „Der Staat kann nur Rechtsverletzungen, und zwar als solche bestrafen“.153 Das Verbrechen, „im weitesten Sinne, ist eine unter dem Strafgesetze enthaltene Beleidigung oder eine durch ein Strafgesetz bedrohte, dem Rechte eines Anderen widersprechende Handlung“.154 Feuerbach stellt sich entschieden gegen die Bestrafung bloßer Gedanken, Gesinnungen oder Vorstellungen, unmoralischer und sündhafter Handlungen oder Lebensweisen. Also sei die Ketzerei kein Verbrechen;155 ebenso wenig sollen die Fleischesverbrechen, wie der einmalige außereheliche Beischlaf (sog. Schwächung), die Begründung von dem, was wir heute ganz neutral eine Lebensgemeinschaft nennen (sog. Concubinat), der Inzest, der gleichgeschlechtliche oder mit Tieren ausgeübte Geschlechtsverkehr (sog. Sodomie) Gegenstand strafrechtlicher Verbote bilden.156 Sie blieben aber alle dennoch Vergehen gegen die Sittenpolizei.157 Ferner könne man die Gottheit gar nicht belästigen.158 Nur Taten, die in die Rechtssphäre Dritter eindringen, dürften Gegenstand strafrechtlicher Verbote sein. Obwohl die Idee des 151 Feuerbach, Lehrbuch14, § 75: „Ein Urtheil kann nur dann lossprechen, wenn das Gesetz losspricht, nur dann verdammen, wenn das Gesetz verdammt“. Feuerbach fand in seiner Ablehnung des richterlichen Strafänderungsrechts wenig Gefolgschaft: Almendingen stimmte zwar zu (BpRW Bd. II St. II [1804], S. 362), um später nur die Diagnose Feuerbachs (Almendingen, Imputation, S. 7: die damalige Praxis sei „eine gelungene Verschwörung gegen das Gesetz“), nicht dessen Folgerungen zu akzeptieren, denn er ist der Meinung, die Umgehung eines grausamen Gesetzes sei ein kleineres Übel als dessen Anwendung (S. 25: „Humanität ist heiliger als Konsequenz“). Im Sinne Feuerbachs soweit ersichtlich nur J. S. Beck, Grundsätze, S. 725 f. und der viel später schreibende Bauer, Warnungstheorie, S. 217, der die Pflicht des Richters zur Anwendung ungerechter Strafgesetze bejaht. 152 Die Anwendung des Begnadigungsrechts für diese Fälle bevorzugend, Feuerbach, Revision I, S. XXVII ff.; eingehend zur Gnade, ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 244 ff. 153 Feuerbach, Revision I, S. 65; ders., Revision II, S. 12 ff. 154 Feuerbach, Lehrbuch14, § 21. 155 Feuerbach, BpRW Bd. II (1800), S. 191. 156 Feuerbach, Lehrbuch14, §§ 452 ff. (Schwächung), 457 ff. (Concubinat), 461 ff. (Inzest), 467 ff. (Sodomie). 157 Vgl. außer Feuerbach, Lehrbuch14, § 450. 158 Feuerbach, Lehrbuch14, § 303: „Das die Gottheit injuriirt werde, ist unmöglich; dass sie wegen Ehrenbeleidigungen sich an Menschen räche, undenkbar; dass sie durch Strafe ihrer Beleidiger versöhnt werden müsse, Thorheit“; davor schon Hommel, Vorrede, S. 59.

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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Verbrechens als Rechtsverletzung auch schon bei anderen Autoren vor Feuerbach auftaucht,159 ziehen sie – mit Ausnahme vor allem Hommels, Cellas und Stürzers160 – daraus nicht die von Feuerbach gezogenen Folgerungen: So meinte etwa Klein einerseits, „unerlaubte Handlungen“ seien nur solche, „wodurch ein Recht eines Andern verletzt wird“, während er gleichzeitig selbst bei Fleischesverbrechen, die nur dem Verbrecher selbst nachteilig sind, eine Bestrafung mit dem Hinweis auf den schädlichen mittelbaren Einfluß auf die Gesellschaft rechtfertigt;161 und Kleinschrod definiert das Verbrechen „als Angriff gegen die dem Menschen angebohrnen Rechte und deren wirkliches Eigenthum, welchen die positiven Gesetze unter Strafe verbothen haben“, macht aber zwei Seiten weiter klar: „Ich stelle die Idee des Verbrechens als Regel auf, die freylich nicht ohne Ausnahme ist“.162, 163 bb) Grundlage für die Anerkennung dieses materiellen Verbrechensbegriffs ist wieder die Straftheorie: Die bürgerliche Strafe sei nicht mit der moralischen Strafe zu verwechseln,164 genauso wenig wie man das Recht mit der Moral verwechseln könne. Daher dürfe man auch nicht bloße Unmoral zur Voraussetzung 159 Nachw. bei Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 16. Der Rechtsverletzungslehre steht auch Filangieri, Scienza, S. 188 (Libro III, Capo XXV) und seine Lehre vom Verbrechen als Bruch eines Paktes nahe; und Soden, Geist, S. 8 f., der vom Schutz des „friedlichen Besitzes des Eigenthums, im allgemeineren Sinne dieses Worts“ spricht. 160 Hommel, Vorrede, S. 2: „Man muß Sünde, Verbrechen und verächtliche Handlungen nicht unter einander werfen. (. . .) Denn Verbrechen oder Unrecht heißt nur dasjenige, wodurch ich jemanden beleidige. (. . .) Mensch, Bürger und Christ sind drei unterschiedene Begriffe“; ferner S. 15, wo es heißt, die Strafbarkeit steige „je trauriger der Erfolg“; S. 49, S. 54: „Verbrechen ist nur dasjenige, wodurch ich dem Nächsten etwas entziehe“; S. 136 (gegen die Strafbarkeit der „Selbsbefleckung“ und der „Sodomiterei“); gleiche Stellen bei dems. Philosophische Gedanken, S. 39 f., 138, ferner S. 42 f., 106 f., 121 ff., 162 ff.; Cella, Unzuchtsfälle, § 9, 17, 18, 19; Bergk, Philosophie des peinlichen Rechts, S. 32 (Zitat), S. 60 f., 66 ff., 266 ff.; Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 21, 33, 118; W. v. Humboldt, Wirksamkeit des Staates, Kap. XIII (S. 153 f.). Vgl. auch Rössig, Vorerinnerung, S. IX. 161 Klein, Grundsätze, §§ 2, 366. Im Sinne der Rechtsverletzungslehre auch ders., ArchCrimR Bd. I St. III (1798), S. 40. 162 Kleinschrod, Grundbegriffe I2 , S. 17, 19. 163 Weitere Anhänger der Rechtsverletzungslehre, welche die Sittlichkeits- und Religionsdelikte anerkennen, sind Wieland, Geist I, § 228 ff., wo zwar Sünde und Verbrechen differenziert werden, einige Sünden wie das „Verführen zu falschen Begriffen von dem höchsten Wesen“ für strafbar erklärt werden, ferner § 236, 239 ff., 398 ff., 502 ff.; Tittmann, Versuch, S. 136 ff. („Rechte“ und „politische Einrichtungen des Staates“ als Schutzgegenstände), 164; Grolman, Grundsätze1, §§ 4, 100, 531, 556 ff.; Stübel, System II, S. 6, 11; ders., Thatbestand, S. 14, 17 f.; J. S. Beck, Grundsätze, S. 661, 687 f. Sinas, Rechtsgut, S. 11, Einschätzung, wonach die Rechtsverletzungslehre „allgemein übernommen“ wurde, verbleibt im Allgemeinen und hält nicht nach den einzelnen problematischen Tatbeständen Ausschau. I.S. der Rechtsverletzungslehre auch Almendingen, BpRW Bd. II St. I (1800), S. 19; Gros, Naturrecht2, § 361; Zachariä, Anfangsgründe, §§ 55 ff.; freilich ohne Stellungnahme zu Sittlichkeits- und Religionsdelikten. 164 Feuerbach, Revision I, S. 27 ff.

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B. Rechtsgeschichtlicher Teil

einer rechtlichen Strafe erheben.165 Von Feuerbach wird aber nicht ausgeschlossen, dass sittenwidrige Handlungen von außerstrafrechtlichen, insbesondere polizeirechtlichen Vorschriften verboten werden.166 Feuerbach ist soweit gegangen, den untauglichen Versuch für straflos zu erklären,167 eine Einsicht, die sehr schnell von der deutschen Wissenschaft und Rechtsprechung vergessen wurde.168 cc) Es wäre aber irrig zu denken, Feuerbach habe die gesetzlichen Normen, die mit seinem Prinzip des Verbrechens als Rechtsverletzung nicht zu vereinbaren sind, für ungültig erklärt.169 Er achtet die Gesetzlichkeit zu sehr, um sie einer simplen Theorie aufzuopfern: „Da, wo der Gesetzgeber spricht, haben alle Einwendungen der Philosophie ein Ende“.170 Dies hatte oft schwere Folgen: Die 165 Es wäre interessant, hier der Frage Nauckes nachzugehen, wo genau das theoretische Gebäude Feuerbachs anfängt (Naucke, Feuerbachs Straftatbegriff, S. 192). Denn es ist zuzugeben, dass man sowohl – wie im Text – die Straftheorie, insb. die Unterscheidung zwischen moralischer und rechtlicher Strafe, als Ausgangspunkt nehmen kann, um daraus die Lehre vom Verbrechen als Rechtsverletzung abzuleiten, wie man umgekehrt mit dieser Lehre anfangen kann, um danach zu der eben erwähnten Unterscheidung zu kommen. Was die historisch richtige Antwort sein dürfte, kann in dieser sich auf die heutige Gültigkeit der Straftheorie Feuerbachs konzentrierenden Arbeit wohl offen gelassen werden. Strafrechtsphilosophisch richtig ist aber die im Text vorgetragene Reihenfolge, und zwar aus Gründen, die erst später angegeben werden können (unten D. II. 1.). 166 Feuerbach, Revision II, S. 227, über die Sodomie; kritisch Köstlin, Neue Revision, S. 29; vgl. auch die Erwägungen Sinas, Rechtsgut, S. 10 Fn. 32 und Amelungs, Rechtsgüterschutz, S. 35 ff.; ferner Schünemann, Rechtsgüterschutz, S. 139; Ehret, Gesetzlichkeitsprinzip, S. 55 f.; Vormbaum, Einführung, S. 54 f. Blau, Feuerbach, S. 42, bemerkt zutreffend, dass die Verweisung auf die Polizei keine Entzügelung der Macht bedeute, denn auch diese unterliege den Schranken legitimer Gewaltausübung. Ein in der Sekundärliteratur häufig übersehener Punkt ist, dass Polizeistrafen gelegentlich nicht einmal als wahre Strafen wahrgenommen wurden (so vor allem Hommel, Philosophische Gedanken, S. 148, 155). 167 Feuerbach, Lehrbuch14, § 42, Fn. 3. 168 Spätestens schon bei Bauer, Warnungstheorie, S. 57, der in dieser Folgerung einen Vorzug seiner Modifikation der Straftheorie Feuerbachs erblickt. Erst vor Kurzem hat man wieder angefangen, diese deutsche Eigentümlichkeit kritischer zu überdenken, vgl. Bottke, Untauglicher Versuch, SS. 139, 151, 153, 158; Köhler, AT, S. 456 ff.; Hirsch, Untauglicher Versuch, S. 720 ff.; ders., Tatstrafrecht, S. 255 ff. 169 Feuerbach, Revision II, S. 14. 170 Feuerbach, Revision I, S. 249. Vgl. auch S. 343 f.: „Denn gegen die ausdrücklichen Gesetze gilt keine Philosophie, sie mag auch sagen was sie nur wolle“; ders., Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 87; ders., Über Philosophie und Empirie, S. 93; so auch Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 55; Anonym, ArchCrimR Bd. III St. I (1801), S. 1 ff. In Feuerbach, Über Philosophie und Empirie, S. 86, wird aber behauptet, dass die Grund- oder Elementar-Begriffe des positiven Rechts, wie Strafe, Strafrecht, Strafzweck und Strafgesetz, Richtlinien auch für den Gesetzgeber seien, die „selbst über dem Gesetzgeber und unabhängig von seiner Willkür“ stehen. Es ist interessant zu bemerken, dass die Literatur sehr selten die zuletzt zitierte Stelle mit dem, was anderswo in den Werken Feuerbachs steht, verglichen hat, um den Grund dieser Diskrepanz zu erklären. Eine Ausnahme ist aber Eb. Schmidt, Geschichte, §§ 226 f.,

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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Carolina drohte für das damalige Verbrechen der Sodomie (Geschlechtsverkehr mit einer Person des gleichen Geschlechts oder mit einem Tier) die Strafe des Feuers an (Art. 116), und dazu bemerkt Feuerbach in einer Fußnote seines Lehrbuches: „So grausam auch hier das Missverhältnis zwischen Strafe und Verbrechen ist, so spricht doch hier ein Gesetz, und es ist sehr sonderbar, geradezu die Gültigkeit dieses Gesetzes zu läugnen, weil es auf einer anerkannt unrichtigen Vorstellung der Sache beruhe“.171 Seine Erwägungen sollen vielmehr als Leitlinien für den Gesetzgeber verstanden werden, die Feuerbach selbst in seinem Bayerischen Strafgesetzbuch von 1813 nicht ungehört ließ: So gibt es weder in seinem Entwurf, noch im Gesetz z. B. Verbrechen gegen die Sittlichkeit oder gegen die Religion.172 Es sei dennoch bemerkt, dass Feuerbach (und auch andere Autoren173) manchmal schon de lege lata Auswege gefunden haben, um die Anwendung von Normen, die keine Rechtsverletzungen bestraften, zu umgehen: z. B. könne die Norm, welche die Zauberei bestraft, aus beweisrechtlichen Gründen, nämlich der Unmöglichkeit der Ermittlung des corpus delicti, niemals angewandt werden.174 c) Die Verbrechenslehre (Gründe der absoluten Strafbarkeit) aa) In einer für den heutigen Betrachter spektakulär erscheinenden Vorwegnahme einer Entwicklung, die erst fast zwei Jahrhundente später eintreten sollte,175 strukturiert Feuerbach dasjenige, was wir heute Verbrechenslehre nennen, in Bezug auf die Lehre von den Straf- und Strafrechtszwecken. Zuerst behandelt er die damals so genannten Gründe der absoluten Strafbarkeit.176 Darunter verstand man die Gründe, die über den strafbaren Charakter eines bestimmten Verhaltens entscheiden, so dass sie wohl dem entsprechen dürften, was wir heute Verbrechenslehre nennen. An zweiter Stelle untersucht er die

der trotzdem zu keinem überzeugenden Ergebnis gelangt, da er Feuerbach eine Theorie der Geschichte zuschreibt, welche dieser nicht vertritt. Vgl. auch oben Teil A., Fn. 11. 171 Feuerbach, Lehrbuch14, § 469, Fn. 1. 172 Feuerbach, Entwurf des Gesetzbuchs, S. III f.; vgl. ferner Grünhut, Feuerbach, S. 187; Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 35. 173 Grolman, Grundsätze1, § 530, wo die Existenz von Magie und Hexerei in Frage gestellt wird, da dasjenige, was man darunter versteht, eigentlich nur aus drei Gründen entstehe: Einfalt, Krankheit oder betrügerischer Absicht. „Die Dummen unterrichtet man. Die Kranken heilt man. Die Betrüger straft man als Betrüger.“ 174 Feuerbach, Revision II, S. 15, Fn. Ein wichtiger Vorgänger war hier die prozessuale Lösung des Problems durch Thomasius, Über die Hexenprozesse, § 56 (S. 105 f.), wonach der Fürst keinen derartigen Prozess stattfinden lassen solle; dazu noch Cattaneo, Illuminismo tedesco, S. 354 u. 408. 175 Grundlegend Roxin, Kriminalpolitik, S. 10. 176 Für ihren Begriff, vgl. Feuerbach, Lehrbuch14, § 79.

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Gründe der relativen Strafbarkeit,177 also die, welche das Maß der Bestrafung bestimmen, deren Inbegriff wir heute als Strafzumessungsrecht bezeichnen. In diesem Abschnitt behandeln wir zunächst die Gründe der absoluten Strafbarkeit, d.h. die Verbrechenslehre, im nächsten dann die Theorie der Gründe relativer Strafbarkeit. Obwohl wir andere Gegenstände en passant berühren werden, richtet sich unsere Aufmerksamkeit an dieser Stelle auf den Gedanken Feuerbachs hinsichtlich der Begriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit, da diese einen direkten Bezug zur Straftheorie aufweisen178 und daher besonders geeignet sind, deren dogmatische Folgen zu verdeutlichen. bb) Ist der Strafzweck die Ausübung von psychologischem Zwang auf potentielle Straftäter, dann kann die Strafe nur zugefügt werden, wenn das Gesetz von Personen verletzt wird, die psychologisch gezwungen werden können.179 Daraus leitet Feuerbach ab, dass die Kenntnis des Strafgesetzes, die richtige Subsumtion des Verhaltens unter das Strafgesetz und der Ursprung der Handlung in seinem Begehrungsvermögen, und nicht z. B. in vis absoluta oder in anderen Faktoren, die wir heute als handlungsausschließend anerkennen,180 die drei Voraussetzungen einer jeglichen subjektiven Zurechnung – d.h. sowohl von Vorsatz, als auch von Fahrlässigkeit181 – seien. (1) Betrachten wir jetzt die beiden Zurechnungsformen Vorsatz und Fahrlässigkeit etwas näher. Für den Vorsatz sei zweierlei unerlässlich: der Wille zur Tat und die Kenntnis der Strafbarkeit. Vorsatz sei „eine Bestimmung des Willens (Begehrungsvermögen) zu einer Rechtsverletzung als Zweck, mit dem Bewusstsein der Gesetzwidrigkeit des Begehrens“.182

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Feuerbach, Revision II, S. 199 ff. So auch Löffler, Schuldformen, S. 212. 179 Feuerbach, Revision II, S. 39, S. 159; ders., Lehrbuch14, § 90. Im Banne der damaligen Wissenschaft (vgl. Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 98) unterschied Feuerbach noch nicht das, was wir heute Schuld- oder Zurechnungsfähigkeit nennen, von den Begriffen Vorsatz und Fahrlässigkeit, scharf von einander: vgl. insb. ders., Revision II, S. 58, wo er sagt, Kinder und Geisteskranke seien des Vorsatzes wie der Fahrlässigkeit unfähig, und ders., Lehrbuch14, § 84. 180 Feuerbach, Revision II, S. 43–45. 181 Feuerbach, Revision II, S. 48; in ders., Lehrbuch14, § 85, Fn. 1, scheint Feuerbach bei den Fällen der sog. mittelbaren Fahrlässigkeit (derjenigen, wo die Person sich „in einen Zustand versetzt oder in einem Zustande erhalten hat, in welchem sie auch ohne rechtswidrigen Vorsatz und ohne unmittelbare Fahrlässigkeit das Verbrechen begehen konnte“ – Lehrbuch14, § 56) das Bewusstsein der Strafbarkeit nicht zu verlangen. Eine nähere Betrachtung zeigt aber, daß er hier nicht mehr tut, als die Grundsätze der actio libera in causa anzuwenden. Eingehend über die actio libera in causa ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 80 ff. (auf S. 84 sehen wir, dass Feuerbach das heute sog. Tatbestandsmodell vertritt). 182 Feuerbach, Lehrbuch14, § 54; fast wortgleich ders., Revision II, S. 61; ders., BpRW Bd. II (1800), S. 199; ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 40; ferner Bayerisches Strafgesetzbuch, Art. 39. 178

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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(a) Was das erste Erfordernis angeht, kann man sagen, dass Feuerbach eine konsequente Willenstheorie des Vorsatzes vertritt.183 Für ihn ist eigentlich nur dasjenige, was wir heute Absicht nennen, Bestandteil des Vorsatzes, mit der einzigen Abschwächung, dass er auch unseren dolus alternativus (den er dolus indeterminatus nannte) im Falle der miteinander konkurrierenden Absichten, rechtswidrige Folgen herbeizuführen, als Vorsatz anerkennt.184 Handelt der Täter im Bewusstsein der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, dass seine Handlung einen Verletzungserfolg herbeiführen könne, ohne diesen auch zu bezwecken, dann liegt nach Feuerbach nur culpa, also Fahrlässigkeit vor.185 Überdies lehnt er auch die überlieferte Lehre vom dolus indirectus entschieden ab. Diese Lehre, wonach auch nicht vorhergesehene und/oder nicht gewollte,186 aber vorhersehbare Folgen als vorsätzlich zugerechnet werden dürften, stand zwar schon seit einiger Zeit im Feuer der Kritik, hatte aber trotzdem noch eine verbreitete 183 Am klarsten Feuerbach, BpRW Bd. II (1800), S. 198. So auch Löffler, Schuldformen, S. 214; Lesch, JA 97, S. 804; NK-Puppe, § 15/23. 184 Feuerbach, BpRW Bd. II (1800), S. 231 ff. Den Vorsatzbegriff ebenfalls auf unsere „Absicht“ einschränkend Grolman, BpRW Teil I St. I (1797), S. 26 ff.; die substantielle Übereinstimmung zwischen den Ansichten beider Autoren wird betont bei Grolman, BpRW Teil I St. III (1799), S. 81, und Feuerbach, BpRW Bd. II (1800), S. 200. 185 Feuerbach, BpRW Bd. II (1800), S. 223. Diese Fallkonstellation wird von ihm „culpa aus Fahrlässigkeit genannt“. Wird diese Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit nicht einmal gesehen, dann handle es sich um „culpa aus Unbedachtsamkeit“. Dafür, dass Kenntnis der Möglichkeit für Vorsatz ausreiche, Klein, ArchCrimR Bd. I St. II (1798), S. 62 ff.; ders., ArchCrimR Bd. III St. I (1800), S. 127 ff. (über unseren sog. dolus directus 2. Grades); Almendingen, BpRW Bd. II St. II (1804), S. 46. Klee, Dolus indirectus, S. 20, rechnet es Almendingen zu, den dolus indirectus in den dolus eventualis verwandelt zu haben, indem er für den Vorsatz nur die Kenntnis der Möglichkeit des Erfolges verlangte. Angesichts der eben zitierten Stellungnahmen Kleins (1798, 1800), die derjenigen Almendingens (1804) um einige Jahre vorausgegangen sind, ist diese Einschätzung nicht völlig zutreffend. Doch ist Klee zuzugeben, dass Almendingen klarer und besser begründet argumentiert als Klein. 186 Je nach Autor: Carpzov, Practica Nova, Quaestio I, Nr. 28 ff., 52, 53; Quaestio III, Nr. 3; Quaestio 27, Nr. 6; war der Ansicht, Vorhersehbarkeit reiche aus (siehe insb. Quaestio XV, Nr. 28, wo das „scire debere“ dem „scire“ gleichgestellt wird; siehe auch Klee, Dolus indirectus, S. 14; Leuschner, Dolus indirectus, S. 11; Oehler, Carpzovs Practica Nova, S. 111), Böhmer, Observationes selectae, Quaestio 1 Observatio 2 reservierte den Begriff des dolus indirectus für nicht gewollte, aber vorhergesehene Erfolge. Für zeitgenössische Autoren wie Klein bezog sich der dolus indirectus eher auf nicht direkt beabsichtigte, aber doch gekannte und deshalb „eingewilligte“ Folgen der Handlung (Klein, Grundsätze, § 123; etwas anders ders., ArchCrimR Bd. I St. II [1798], S. 64); andere begnügten sich mit der Kenntnis, dass die Handlung, durch die man den schweren Erfolg nicht herbeizuführen beabsichtigte, besonders gefährlich sei (Koch, Anfangsgründe, S. 305; wohl auch Quistorp, Grundsätze, § 35). Soden erklärt den dolus indirectus für eine eigenständige Schuldform neben Vorsatz und Fahrlässigkeit (Geist, S. 17 f.), nennt ihn deshalb besser „einwilligende Schuld“, und entgegen vieler Interpreten begnügt er sich ziemlich deutlich mit der bloßen Vorhersehbarkeit des Erfolgs („Leichtigkeit der Uebersicht des Zusammenhangs der Handlung und des Resultats“ [S. 229]). Die Bezeichnung einwilligende Schuld geht auf den gemeinrechtlichen Autor Leyser zurück (vgl. Klee, Dolus indirectus, S. 18).

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B. Rechtsgeschichtlicher Teil

Anhängerschaft.187 Da jedoch beim dolus indirectus die schwerere Folge gerade nicht vom Täter bezweckt wird, ist der Begriff des Vorsatzes nach Feuerbach auf eine derartige Konstellation nicht anzuwenden.188 „Indirecter Dolus ist nicht denkbar“.189 Obwohl man heute allgemein Feuerbach das Verdienst zuschreibt, den Willenscharakter des Vorsatzes geklärt zu haben, tauchen sehr ähnliche voluntative Vorsatzbegriffe schon bei anderen Zeitgenossen, die vor ihm schrieben, auf, wie z. B. bei Grolman und Klein.190 Es ist aber wahrscheinlich, dass erst seine Autorität sich entscheidend für die Durchsetzung der Willenstheorie und die Überwindung des dolus indirectus auswirkte.191 (b) Was die Kenntnis der Strafbarkeit als Voraussetzung des Vorsatzes angeht, können wir heute behaupten, dass Feuerbach eine Vorsatztheorie vertritt, die noch strenger ist als die heute sog. strenge Vorsatztheorie,192 da sie die Kenntnis des Strafgesetzes als Gegenstand des Unrechtsbewusstseins193 und damit als Voraussetzung des Vorsatzes verlangt.194 Es sei nebenbei bemerkt, dass ähnliche Vorsatzbegriffe, die auf die Kenntnis der Übertretung eines Strafgesetzes abstel187 Den dolus indirectus ebenfalls ablehnend Hommel, Philosophische Gedanken, S. 102; Stelzer, Lehrbuch, S. 41 („Ideen, die aller gesunden Philosophie widersprechen“); diff. Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 110. Zur Kritik Feuerbachs Löffler, Schuldformen, S. 215 ff. (der aber übertreibend meint, Feuerbachs Ablehnung gelte eher dem Namen, denn die Gedanken des dolus indirectus lebten bei ihm unter dem Begriff des dolus indeterminatus weiter: „Feuerbach hat dem Kind einen neuen Namen gegeben und beschuldigt nun diejenigen, welche den alten Namen gebrauchen, der Unterschiebung“ [ebda., S. 217, Fn. 42]; zustimmend Klee, Dolus indirectus, S. 21); knapper Leuschner, Dolus indirectus, S. 14 ff.; ferner NK-Puppe, § 15/20 ff.; Lesch, JA 1997, S. 804 f.; Ragués i Valles, El dolo, S. 54 ff. 188 Feuerbach, BpRW Bd. II (1800), S. 235; ders., Lehrbuch14, § 60; die Lehre vom dolus indirectus ebenfalls ablehnend Stübel, System II, §§ 290 ff.; Grolman, Grundsätze1, § 50; und Kleinschrod, Grundbegriffe I2, S. 58 (letzterer freilich mit sehr unsicheren Argumenten, so dass es nicht überrascht, wenn Leuschner, Dolus indirectus, S. 13, in ihm einen Vertreter dieser Lehre sieht; seine eigene Position klarstellend Kleinschrod, ArchCrimR Bd. V St. I [1802], S. 9). 189 Feuerbach, Lehrbuch14, § 60; ähnlich ders., BpRW Bd. II (1800), S. 236. 190 Grolman, Grundsätze1, § 47: „Böser Vorsatz ist also der Entschluss zur Realisierung eines Zwecks durch vorgesehene Gesetzwidrigkeit“; ferner ders., BpRW Teil I St. I (1797), S. 28; ders., BpRW Teil I St. III (1799), S. 78; Klein, Grundsätze, § 119 ff.; ders., ArchCrimR Bd. I St. II (1798), S. 61, der den Vorsatz als „negativbösen Willen“ bestimmte. Zur Tradition der Willenstheorien im gemeinen Recht siehe Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 97. 191 So auch Löffler, Schuldformen, S. 218, mit vielen Nachw. in Fn. 45; Lesch, JA 1997, S. 805. 192 Nach der Vorsatztheorie handelt vorsätzlich nur derjenige, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit hat; jeder Vorsatz ist böser Vorsatz. Über diese Theorien heute, vgl. Roxin, AT I, § 21/6; für die Vorsatztheorie, sogar gegen die ausdrückliche Bestimmung des Gesetzes (§ 17 StGB), Schmidhäuser, JZ 1979, S. 367. 193 Um wieder einen Begriff der heutigen Lehre vom Unrechtsbewusstsein zu gebrauchen (vgl. Roxin, AT I, § 21/12 ff.), den es damals natürlich mit dieser Bedeutung noch nicht gab. 194 Am klarsten Feuerbach, BpRW Bd. II (1800), S. 199.

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len, damals sehr verbreitet waren, z. B. bei Wieland, Soden, Klein, Kleinschrod, Stübel und Grolman sowie auch in der ALR einen Niederschlag fanden;195 Feuerbach scheint deshalb eher eine schlüssige Begründung, als eine neue Konzeption vorzuschlagen. Es gab freilich auch Autoren, die, wie Tittmann, mit pragmatischen Argumenten auf jedes Unrechtsbewusstsein für die Zurechnung verzichteten,196 oder die, wie Koch, Tatsachen- und Rechtsirrtum voneinander unterschieden, um nur ersterem irgendeine Relevanz zuzuerkennen.197 Allerdings haben diese beiden Ansichten Feuerbach, wie zu erwarten, in praktische Schwierigkeiten gebracht, die er zu lösen versuchte, indem er sowohl den Willen, den Erfolg zu verursachen, als auch die Kenntnis des Strafgesetzes, vermutete.198 Derartige Vorsatzvermutungen waren zumindest seit Carpzov199 weit verbreitet und unter Zeitgenossen Feuerbachs nahezu unbestritten.200 Als Standardbegründung führte man an, es sei vom Normalfall auszugehen, nur dieser werde vermutet, und dieser sei natürlich das Wollen des Erfolgs und die Kenntnis der Strafgesetze.201 Diese Vermutung, auf deren Boden auch die ALR 195 Wieland, Geist I, § 210 ff.; Soden, Geist, S. 16, 31; Klein, Grundsätze, § 119; Kleinschrod, Grundbegriffe I2, S. 37: „Dolus ist der Entschluss zu einer Handlung, deren Gesetzwidrigkeit man vollkommen und deutlich einsieht“. Der vorsätzliche Täter müsse „vollkommen und deutlich eingesehen haben, daß seine Handlung gesetzwidrig und strafbar sey. Diese Einsicht macht das Hauptzeichen des Dolus aus“ (ebda.). Trotzdem meint er viele Seiten später: „Ist eine Handlung natürlich unerlaubt, ist das Strafverbot dem Menschen ins Herz geschrieben; so kann sich Niemand, zu welchem Geschlecht er auch gehöre, mit Unwissenheit des Rechts schützen“ (S. 182 f.); Stübel, System II, §§ 246, 251 ff., der trotzdem einige Paragraphen später das genaue Gegenteil zu behaupten scheint (§ 254); zu Grolman vgl. die oben bei Fn. 189 zitierten Stellen; ALR II. Teil 20. Titel § 26. Stelzer, Lehrbuch, S. 62, spricht von der Kenntnis des Strafgesetzes nicht mehr als Voraussetzung des Vorsatzes, sondern der Zurechnung überhaupt, so dass diese beim „nothwendigen Irrthum und erlaubter Unwissenheit“ ausgeschlossen werde. 196 Tittmann, Versuch, S. 53, Fn. 14; im Ergebnis auch Gmelin, Gesetzgebung, § 49, IV. 197 Koch, Anfangsgründe, S. 102. 198 Feuerbach, Lehrbuch14, § 86; eingehend, über die ganze Entwicklung der Meinungen Feuerbachs zu diesem Problem, Grünhut, Feuerbach, S. 203 ff. Über die besondere Problematik der Vermutung des Vorsatzes bei Verursachung des Erfolgs, vgl. Grobe, ZStW 78 (1966), S. 59 ff. 199 Carpzov, Practica Nova, Quaestio III, Nr. 4 ff.; Quaestio XV, Nr. 51 (bei heimlichen Verbrechen). 200 Diese Tatsache gibt der Vorsatzvermutung weniger den Status einer zwingende Folgerung aus der Straftheorie Feuerbachs (so aber Naucke, Funktionstüchtigkeit, S. 110, der die zeitgenössische Lehre aber unberücksichtigt läßt) als die Übernahme einer unstreitigen herrschenden Meinung. 201 Etwa Globig/Huster, Abhandlung, S. 116; Quistorp, Grundsätze, § 34; Fichte, Naturrecht, S. 259 (für den Fall, dass die Handlung nur als Mittel für den Zweck einer Verletzung erscheint); Grolman, Grundsätze1, § 55; ders., BpRW Teil I St. II (1798), S. 101; Anonym (m. E. wahrscheinlich Almendingen), BpRW Teil I St. II (1798), S. 75; Klein, ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 82; ders., ArchCrimR Bd. III St. I (1800), S. 125; ders., ArchCrimR Bd. IV St. IV (1802), S. 75; ders., ArchCrimR Bd. V St. III

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(II. Teil, 20. Titel, § 27) stand, fand in das von Feuerbach entworfene Bayerische Strafgesetzbuch Eingang, nämlich in den Artikeln 43 und 71.202 Art. 43 bestimmte: „Bei einer wider eine Person erwiesenen gesetzwidrigen That, wird gesetzlich angenommen, dass dieselbe aus rechtswidrigem Vorsaz gehandelt habe, soferne sich nicht aus den besonderen Umständen die Gewissheit oder Wahrscheinlichkeit des Gegenteils ergibt“.203 Und Art. 71 legte fest: „Wer bei einer in diesem Gesezbuche als strafbar erklärten Handlung seine Unwissenheit über das Daseyn eines Strafgesezes vorschüzt, wird mit diesem Vorgeben nicht gehört, wenn nicht Blödsinn, große Dummheit und andere dergleichen Gemüthsfehler dieses Vorgeben unterstützen“.204 Ab der neunten Auflage seines Lehrbuchs sagte Feuerbach, er vertrete die praesumptio doli nicht mehr,205 was aber zweifelhaft erscheint, wenn man bedenkt, dass er noch offen von einer „rechtlichen Vermuthung der Zurechnungsfähigkeit“206 spricht und dass er zwei Arten von Delikten unterscheidet, die iuris gentium und die iuris civilis, um die Möglichkeit der Unkenntnis der Strafbarkeit bei der ersten Gruppe abzulehnen.207 (2) Noch ernsthaftere Probleme mussten bei der Erfassung des Fahrlässigkeitsdelikts entstehen.208 Feuerbach definiert die Fahrlässigkeit als „eine gesetzwidrige Bestimmung des Willens zu einer Handlung oder Unterlassung, woraus nach den Gesetzen der Natur, ohne die Absicht der Person, die Rechtsverletzung entsteht“.209 Feuerbach vertritt also, dass jede Fahrlässigkeit zunächst eine (1803), S. 135; Almendingen, BpRW Bd. II St. II (1804), S. 239 ff.; Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 134; Schneider, Prinzip des Strafrechts, S. 58. Die einzige ablehnende Stellungnahme, die ich in der damaligen Literatur gefunden habe, diejenige Tafingers, Criminalgesetzgebung, S. 53 ff., steht am Anfang einer neuen Epoche (1811); sie bleibt trotzdem nicht konsequent und kehrt zweihundert Seiten später (S. 258 ff.) zu einer verblüffend ähnlichen Ansicht zurück. Erste Angriffe bei Mening, NArchCrimR 1818, S. 194 ff.; Borst, NArchCrimR 1818, S. 434 ff.; Roßhirt, Lehrbuch, S. 40 f.; Mittermaier, Grundfehler, S. 14, 41. 202 Vgl. auch Grünhut, Feuerbach, S. 204. 203 Noch strenger der Entwurf von 1810, s. Feuerbach, Entwurf des Gesetzbuchs, Art. 45, der sich nicht allein auf Straftaten gegen die Person beschränkte. 204 Ähnlich Feuerbach, Entwurf des Gesetzbuchs, Art. 73. 205 Feuerbach, Lehrbuch14, § 87 Fn. 1. Vgl. noch die 8. Aufl., 1823, §§ 60 und 90, wo auch die oben geschilderte Standardbegründung, wonach man das Normale vermute, und die Absicht eben das Normale sei, wiederholt wird. 206 Feuerbach, Lehrbuch14, § 87. 207 Feuerbach, Lehrbuch14, § 86, Fn. 1. Dagegen schon Kleinschrod, Grundbegriffe 2 I , S. 41 Fn., in Bezug auf eine entsprechende Äußerung Wielands; siehe trotzdem die oben Teil B., Fn. 195 zitierte Passage Kleinschrods. 208 Feuerbach übersieht sie nicht und widmet ihnen deswegen besondere Aufmerksamkeit: Revision II, S. 50 ff.; ders., BpRW Bd. II (1800), S. 210 ff.; schon in der zeitgenössischen Literatur wurde das Problem der psychologischen Zwangstheorie mit dem Fahrlässigkeitsdelikt vor allem von Almendingen, BpRW Bd. II St. II (1804), S. 83 ff. klar gesehen; dazu Grünhut, Feuerbach, S. 102 ff., S. 202 ff.; Holl, Fahrlässigkeitsdogmatik, S. 7 ff.; Lesch, Verbrechensbegriff, S. 65 ff.

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vorsätzliche Handlung voraussetze – d.h., eine willentliche und mit Bewusstsein der Strafbarkeit unternommene Handlung – die den Täter in eine Lage versetzt, in der er den Erfolg durch mangelnde Sorgfalt herbeiführt.210 Es ist interessant zu bemerken, dass dieses Konzept Feuerbachs der finalistischen Fahrlässigkeitslehre, wonach auch fahrlässige Handlungen finale Handlungen seien, die aber aus mangelnder Sorgfalt unerwünschte Erfolge herbeiführen,211 oder auch der Fahrlässigkeitslehre Hruschkas212 und Kindhäusers,213 welche diese Deliktsform als einen Fall der actio libera in causa bestimmen, sehr ähnlich ist. d) Die Strafzumessungslehre (Gründe der relativen Strafbarkeit) aa) Nachdem durch die Gründe absoluter Strafbarkeit das Ob der Strafe festgelegt ist, entsteht die Frage nach deren Wieviel. Da es ein richterliches Milderungs- oder Schärfungsrecht contra legem, wie gesehen, nicht gibt, entsteht die Strafzumessungsfrage nur bei sog. unbestimmten Strafgesetzen, d.h. bei denjenigen, die keine festen Strafen vorschreiben.214 Auch hier führt Feuerbach einen Kreuzzug gegen die damals herrschende Lehre. Diese wollte nämlich die Strafe nach dem Grade der Freiheit bemessen. Ihr Prinzip lautete: je größer die Freiheit, desto größer die Strafbarkeit.215 Diese Lehre, in der man nicht nur die Feuerbach, Lehrbuch14, § 54; fast wortgleich in ders., Revision II, S. 64 f.; ders., BpRW Bd. II (1800), S. 207; vgl. ferner Bayerisches Strafgesetzbuch, Art. 64: „Jeder Unterthan ist schuldig, gefährliche Handlungen zu unterlassen, und in jedem Unternehmen mit gehöriger Aufmerksamkeit und Bedachtsamkeit zu verfahren, damit er auch nicht unabsichtlich Andere an ihren Rechten verleze, oder Geseze des Staates übertrete. Wer dieser Verbindlichkeit zuwider etwas gethan oder unterlassen hat, woraus ohne seine Absicht eine in diesem Gesezbuche enthaltene Uebertretung entstanden ist, wird deshalb wegen Vergehen aus Fahrlässigkeit verantwortlich“. 210 Feuerbach, Revision II, S. 53 ff., S. 57: „rechtswidriger Vorsatz ist also ebenfalls die Bedingung der Strafbarkeit der Culpa“; ders., BpRW Bd. II (1800), S. 228 f.; ders., Lehrbuch14, § 58. 211 Z. B. Welzel, Strafrecht, S. 131–132; ders., Fahrlässigkeit, S. 322 ff.; Hirsch, Fahrlässiges Delikt, S. 516; anders noch Welzel, JZ 1956, S. 317. 212 Hruschka, Strukturen der Zurechnung, S. 45 ff., der auf die Tradition Christian Wolffs und Daries’ zurückgreift; ders., Rechtstheorie 22 (1991), S. 455 ff.; ähnlich Rezinkowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 226 ff. 213 Kindhäuser, Gefährdung, S. 62 ff.; ders., GA 1994, 207 ff.; ihm folgend Toepel, Kausalität, S. 29 ff. 214 Feuerbach, Revision II, S. 200; ders., Lehrbuch14, § 77, § 92, § 102b; ferner Bayerisches Strafgesetzbuch, Art. 90: „Soweit das Gesez den Grad der Strafe unbestimmt gelassen hat, ist der Richter befugt und verpflichtet, dem Verbrecher, nach den eigenthümlichen, die Strafbarkeit mehrenden oder mindernden Umständen des besonderen Falles, das Maß der Strafe in anpassenden Grad zuzumessen, zu diesem Zwecke soll der Richter theils auf die Beschaffenheit der zu bestrafenden Handlung an und für sich, theils auf die Größe der Gesezwidrigkeit des Willens Rücksicht nehmen“ (Hervorhebung von mir). Ihm im Wesentlichen folgend Gros, Naturrecht2, § 368, 384. 215 Vgl. neben den Nachweisen in Teil B., Fn. 62, die Schilderung dieser Meinung bei Feuerbach, Revision II, S. 75 ff. 209

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rohe Weisheit des Alltagssinnes, sondern auch eine Formulierung dessen, was wir heute Schuldprinzip nennen, wiedererkennen kann, ist Gegenstand leidenschaftlichster Angriffe durch Feuerbach. Wie gesehen, ist die Freiheit für ihn ein metaphysischer, der Moral zugehöriger Begriff. Das Recht dürfe sich nicht erlauben, einen derartigen Begriff zu verwenden, ohne sich der Verwechselung zweier heterogener Sphären, derjenigen der Moral und derjenigen des Rechts, schuldig zu machen. Wenn für die Moral die Strafbarkeit mit der Freiheit zunehme, geschehe es im Recht genau umgekehrt: Die Strafbarkeit sei „um so größer . . ., mit je weniger Freiheit er (der Täter) gehandelt hat“.216 Eine rechtliche Theorie der Gründe relativer Strafbarkeit dürfe ausschließlich rechtliche Begriffe verwenden, konkret: die Lehre von den Strafzwecken und vom Wesen des Strafgesetzes. Daraus sollten die Grundsätze, die das quantum der Strafe bestimmen, abgeleitet werden. Das allgemeine Prinzip sei „nicht die Größe der Pflichtwidrigkeit, nicht der Grad der Immoralität der Handlung, sondern allein der Grad der Gefährlichkeit . . .“.217 Mit anderen Worten: „Je größer die Gefahr für den rechtlichen Zustand ist, welche die Handlung begründet, desto größer ist die äußere Strafbarkeit, desto größer daher die Strafe“.218 bb) Wie damals üblich,219 konkretisiert auch Feuerbach diese Leitlinie in einer Reihe untergeordneter Grundsätze. Die Strafbarkeit stehe im Verhältnis zum Wert und der Wichtigkeit des gefährdeten Gegenstands (z. B. Verletzungen absolut notwendiger Rechte des Staates – derjenigen also, von denen dessen Existenz abhängt – sind strafbarer als Verletzungen von Rechten Privater, so wie Verletzungen des Lebens strafbarer sind als Verletzungen des Vermögens220), zur Quantität der gefährdeten Rechte (der Täter ist strafbarer als der Gehilfe, die Vollendung strafbarer als der Versuch221), zur Intensität der Gefahr,222 zu 216

Feuerbach, Revision I, S. XXIII; ders., Revision II, S. 337. Feuerbach, Revision I, S. 198; ähnlich, aber nicht völlig konsequent, auch Gmelin, Gesetzgebung, § 19: „Je größer die Reizung zur Begehung eines Verbrechens ist, ein desto größeres Gegengewicht muß ihr durch die Strafe gegeben werden“. 218 Feuerbach, Revision II, S. 205; fast identisch ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs I, S. 69, u. Lehrbuch14, § 103. 219 Vgl. nur Grolman, Begründung, S. 118 ff.; Stübel, System II, §§ 369 ff., 404 ff.; Kleinschrod, Grundbegriffe1, S. 156 ff., jeder mit seiner eigenen Systematik. Darstellung einiger dieser Systeme in tabellarischer Form bei G. Wächter, Strafrechtliche Aufklärung, nach S. 119, 121, 125, 130 (ohne eigene Seitenzahl). 220 Feuerbach, Revision II, S. 206, S. 213 ff.; über die absolut notwendigen Rechte des Staats ebda. S. 220, S. 226; ders., Lehrbuch14, § 104, § 107 ff. Ähnlich Gmelin, Gesetzgebung, § 13; Grolman, Begründung, S. 128 ff., 162 ff.; Stübel, System II, § 203 ff.; Kleinschrod, Grundbegriffe I2, S. 106. 221 Feuerbach, Revision II, S. 206, S. 243 ff.; ders., Lehrbuch14, § 104, § 110 ff.; über Täterschaft und Teilnahme ders., Revision II, S. 251 ff., und ders., Lehrbuch14, § 112 ff.; über den Versuch ders., Revision II, S. 266 ff., ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 120–121, ders., Lehrbuch14, § 111. Ähnlich Grolman, Begründung, 176 ff.; Stübel, System II, § 325 ff., 369 ff., 424 ff., 427 ff. I. S. einer Gleichstellung von Vollendung und Versuch aber Filangieri, Scienza, S. 223 (Libro III, Capo 217

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ihrer Dauer und Verwurzeltheit in der Person des Täters223 und zu ihrem Umfang.224, 225 Richten wir jetzt unsere Aufmerksamkeit insbesondere auf die drei letzten Gruppen von Faktoren, die sog. subjektiven Gründe relativer Strafbarkeit,226 die sich alle auf die Gefährlichkeit der Tätermotivation beziehen. Im Gegensatz zu einigen seiner Zeitgenossen vertritt Feuerbach, dass die Strafe desto größer sein müsse, je stärker, intensiver und verwurzelter sich die deliktische Triebfeder des Täters erweist. Denn die Strafe solle die delinquente Motivation ausgleichen, neutralisieren: je stärker also diese, desto größer müsse jene sein, sonst sei die Androhung wirkungslos.227 Hier berührt sich seine Ansicht mit der einiger konsequenter „Präventionstheoretiker“ (in heutiger Terminologie: Vertreter der Spezialprävention i. S. der Unschädlichmachung) wie des frühen Almendingen.228 Also berücksichtigt Feuerbach Faktoren wie schlechte Erziehung,229 verbrecherische Gewohnheit,230 Leidenschaft231 – die teilweise von damaligen Autoren als Strafmilderungsgründe angesehen wurden232 – als strafschärfend.233 FeuerXXXXVII); Almendingen, BpRW Teil I St. III (1799), S. 69; ders., Rezension zu Grolman, S. 318. Dies war die Lösung des damals geltenden französischen Rechts, vgl. kritisch Klein, ArchCrimR Bd. I St. III (1798), S. 110 ff. 222 Feuerbach, Revision II, S. 206 f., S. 374 ff., S. 380 ff. 223 Feuerbach, Revision II, S. 207, S. 376 ff., S. 406 ff.; ders., Lehrbuch14, § 104, § 122 ff. 224 Feuerbach, Revision II, S. 379 ff.; ders., Lehrbuch14, § 104, § 124 ff. 225 Vgl. auch Art. 91 und 92 des Bayerischen Strafgesetzbuches, welche diese Gesichtspunkte sehr ähnlich zusammenfassen. 226 Vgl. z. B. Feuerbach, Lehrbuch14, § 116. Gegen alle subjektiven Gründe relativer Strafbarkeit Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 132 ff. 227 Feuerbach, Revision II, S. 373; ders., Lehrbuch14, § 118. 228 Almendingen, BpRW Teil I St. III (1799), S. 44, 47 ff.; in seiner Rezension zu Grolmans Grundsätze der Criminalrechtswissenschaft kritisiert ihn Almendingen für die Inkonsequenz, auf der einen Seite eine Präventionstheorie zu vertreten, auf der anderen Seite die Freiheit zum Maßstab der Zurechnung zu erklären (ders., BpRW Teil I St. III (1799), S. 311 f.). 229 Feuerbach, Revision II, S. 417 ff.; ähnlich Gmelin, Gesetzgebung, § 9. 230 Feuerbach, Revision II, S. 344 ff., S. 393, S. 415 ff.; ders., Lehrbuch14, § 121. 231 Über die Leidenschaft, Feuerbach, Revision II, S. 338 ff., S. 393 ff.; ders., Lehrbuch14, § 121; ähnlich auch Gmelin, Gesetzgebung, § 9; Stelzer, Lehrbuch, S. 51 u. 58; Soden, Geist, S. 43, der direkt abschreckungstheoretisch argumentiert. 232 Allgemein Wieland, Geist I, § 264 II (schlechte Erziehung), § 271, 273 (Jugend und Alter), § 280, 290 ff. (Leidenschaften); Koch, Anfangsgründe, S. 41; vgl. ferner Kleinschrod, Grundbegriffe I2, S. 132, 208 f. (Trunkenheit), 219 ff. (Leidenschaft), der aber, wie sonst auch, nicht immer konsequent einer Linie folgt; Klein, Grundsätze, § 132 h (Leidenschaft); ders., ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 66; ders., ArchCrimR Bd. III St. III (1800), S. 137 (kritisch zu Feuerbachs schärferer Behandlung des Schwachsinns). 233 Dagegen steht Grolman auf dem Boden seiner Präventionstheorie Feuerbach sehr nahe, vgl. Grolman, Begründung, S. 147 ff. (Strafschärfung wegen schlechter Erziehung), 148 ff. (bei Trunkenheit, Affekt und Leidenschaften: Strafbarkeitsmilderung,

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bach eignet sich auch die damals übliche Wendung an,234 wonach die Strafe dem „Geist des Verbrechens“ entsprechen solle.235 Darunter versteht er insbesondere eine Entsprechung von Strafe und der der Straftat zugrunde liegenden Motivation: Taten die, wie das Duell, aus Ehrengründen begangen werden, müssten mit dem Verlust aller militärischen und bürgerlichen Ehren, einschließlich des Adels, bestraft werden;236 Verbrechen, die zur Befriedigung der Wollust begangen werden, verdienten Züchtigungsstrafen.237 Bei der ganzen Lehre der subjektiven Gründe relativer Strafbarkeit sind – wenn man deren zugegeben unscharfen Begriffe hier zulassen will – eine Relativierung des Tatstrafrechts und einige Kompromisse gegenüber dem Täterstrafrecht festzustellen.238 falls bloß gelegenheitlich, -schärfung aber, falls gewohnheitlich). Der für ihn leitende Gesichtspunkt könnte sich für heutige Vertreter des sog. „Feindstrafrechts“ gut anhören: „Je unbändiger das wilde Thier ist, desto stärkere Zuchtmittel müssen angewendet werden, um es in den Schranken der Ordnung zu erhalten“ (ebda., S. 122; trotzdem spricht er von Freiheit als Zurechnungsgrundlage, vgl. Grolman, Grundsätze1, § 28 ff., was nicht sehr konsequent erscheint [so auch Almendingen, Rezension zu Grolman, S. 311 ff.]). Ähnlich wie Grolman auch die Präventionstheoretiker Almendingen, BpRW Teil I St. III (1799), S. 57 und Stübel, System II, § 316 (letzterer in Bezug auf die Leidenschaft). 234 Grolman, Grundsätze1, § 130; ders., Begründung, S. 184; Gmelin, Gesetzgebung, § 21; Kleinschrod, Einwendung von Abicht, S. 9; ders., Grundbegriffe II2, S. 51 ff., der von einem „von fast allen Schriftstellern angenommenen Grundsatz“ spricht (S. 51), viele Einschränkungen aber anerkennt (S. 53 ff.); Weber, ArchCrimR Bd. VII St. II (1808), S. 244; Gros, Naturrecht2, § 368.3; Bauer, Warnungstheorie, S. 118. Siehe ferner Montesquieu, De l’esprit des lois, Livre XII, Nr. 4; Beccaria, Delitti, § XIX; Filangieri, Scienza, S. 204 (Libro III, Capo XXXIV); Lardizábal, Discurso, Cap. II 3; Wieland, Geist I, § 12, 218; Bentham, Introduction, Chap. XV 7; ders., Traité de Legislation II, S. 404; ders., Rationale of Punishment, S. 45; W. v. Humboldt, Wirksamkeit des Staates, Kap. XIII (S. 159); Soden, Geist, S. 68 f., und ausführlich S. 56 ff.; Theod. v. Hippel, Beytrag, S. 25, die von „Natur“ statt vom „Geist“ sprechen; ähnlich auch Friedrich II., Gesetze, S. 33 („rechtes Verhältnis“). Kritisch Spangenberg, Pönitentiarsystem, S. 67. Dazu Nagler, Die Strafe, S. 652. 235 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 130. 236 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 133. 237 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 134. 238 Nicht sehr richtig E. Wolf, Feuerbach, S. 559, wonach Feuerbachs Schuldbegriff ausschließlich tat-, nie täterbezogen war; ähnlich Eb. Schmidt, Geschichte, § 235; Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 188; Kräupl, ARSP-Beiheft 87 (2003), S. 82; wohl auch Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 154. Nagler, Die Strafe, S. 385, insb. Fn. 3, hebt treffend hervor, die Ersetzung der allgemeinen Gefährlichkeit durch die Tätergefährlichkeit bei der Strafzufügung bringe die psychologische Zwangstheorie in die Nähe der Spezialprävention; in gleichem Sinne Grünhut, Feuerbach, S. 107, Fn. 1, der auf die Ähnlichkeit der Theorie Feuerbachs zum symptomatischen Verbrechensbegriff Grolmans aufmerksam macht; nicht zuletzt Bockelmann, Tätersstrafrecht I, S. 23, der viele dieser subjektiven Gründen der Strafbarkeit richtig als Ausdrücke des Täterprinzips wiedererkennt; und Helga Müller, Generalprävention, S. 82. Es sei erinnert: Hier ist nur vom Kriminalstrafrecht die Rede; für das Polizeirecht hat Feuerbach ohne weitere Bedenken die Idee der negativen Spezialprävention, der Unschädlichmachung, akzeptiert: vgl. Feuerbach, Revision I, S. 62 f., und dazu Fischl, Aufklärungsphilosophie, p. 148 f., der diesen Aspekt sehr lobt.

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e) Der Strafvollzug und die besonderen Strafen aa) Nichts kann die praktische Reichweite der Straftheorie Feuerbachs besser verdeutlichen als seine Stellungnahmen zum Strafvollzug und zu dessen konkreter Wirklichkeit. Zweifelsohne ist Feuerbachs Straftheorie in erster Linie eine Theorie der angedrohten Strafe; über die zugefügte Strafe besagt sie nicht viel mehr, als dass sie zur Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung geschehen muss.239 Es ist dennoch möglich, drei allgemeine Bemerkungen über Feuerbachs Stellungnahmen zur Strafzufügung zu formulieren. Man kann erstens nicht übersehen, dass, obwohl seine Theorie nicht viel über die positive Ausgestaltung des Strafvollzugs sagt, sie insoweit eine bemerkenswert negative Bedeutung hat, indem sie klar vorschreibt, was die vollzogene Strafe nicht sein soll: die allgemeine Abschreckung ist nicht Ziel der Strafzufügung, sondern bloß der Androhung; es gibt deswegen keine Rechtfertigung für exemplarische Grausamkeit beim Strafvollzug.240 Z. B. soll man die Todesstrafe auf die Enthauptung durch das Beil241 oder das Fallbeil242 beschränken; die von der Carolina anerkannten qualifizierten Todesstrafen und auch modernere Methoden, wie der Tod durch das Schwert243 oder den Strang,244 seien nicht mehr anzuwenden.245 Die zweite allgemeine Bemerkung richtet sich auf eine eher vergessene Seite der Auffassung Feuerbachs: Der begrenzte Zweck, der von ihm der Strafzufügung zugeschrieben wird, hindert ihn nicht daran, ihr auch sekundäre, zufällige Zielsetzungen, wie die Resozialisierung oder zumindest die Nicht-Entsozialisierung zuzuerkennen. „Jede Gefängnisstrafe ist unpolitisch, sobald sie nur straft, ohne daß bey der Art ihrer Zufügung zugleich Nebenzwecke denkbar sind“.246 So lehnt er die Strafe der öffentlichen Zwangsarbeit für diejenigen, die keine lebenslange Freiheitsstrafe absitzen müssen, entschieden ab. Denn der 239 Vgl. statt aller Grünhut, Feuerbach, S. 90: „Seine Theorie erwies sich am unfruchtbarsten auf dem Gebiet des Strafvollzugs“. 240 Feuerbach, Revision I, S. 58, S. 103; ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs I, S. 68, II, S. 183 ff. (über grausame Todesstrafen), III, S. 139; für eine Beschreibung des Strafsystems der damals geltenden Bayerischen Gesetzgebung, des Codex Juris Bavaricii Criminalis vgl. ders., Reform der bayerischen Criminalgesetzgebung, S. 130 ff. Im obigen Text ist von der Folter auch keine Rede, da sie nicht als Strafe angesehen wurde. Es sei aber beiläufig gesagt, dass Feuerbach für ihre Aufhebung in Bayern verantwortlich war: vgl. ders., Aufhebung der Folter, S. 237 ff. Die Folter hatte übrigens noch einige Verteidiger, wie etwa Gmelin, Gesetzgebung, § 248 ff. 241 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 184 ff. 242 Feuerbach, Vortrag, die Todesstrafe betreffend, S. 237. 243 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 184. 244 Feuerbach, Vortrag, die Todesstrafe betreffend, S. 233. 245 Derartige uns gruselig anmutende Diskussionen über die mildeste Art, die Todesstrafe zu vollstrecken, waren keine Seltenheit in der damaligen juristischen Literatur, vgl. etwa noch Anonym, BpRW Teil I St. I (1797), S. 387 ff., m. w. Nachw.; und die Nachw. bei Pütz, Deutsche Aufklärung, S. 23. 246 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 208.

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stigmatisierende Charakter solcher Arbeiten werde es dem Verurteilten unmöglich machen, künftig von der Gesellschaft wieder akzeptiert zu werden, was keineswegs wünschenswert sei.247 Und die dritte Bemerkung ist, dass Feuerbach allgemein – unter Vorbehalt einiger Ausnahmen, wie der vor Kurzem genannten – die Öffentlichkeit des Strafvollzugs vertritt, um das verletzte Strafgesetz demonstrativ zu stärken.248 bb) Nach diesen allgemeinen Bemerkungen sind einige Äußerungen Feuerbachs über besondere Strafen zu erwähnen, damit man in der Lage ist, die psychologische Zwangstheorie angemessen zu beurteilen. (1) Was die Todesstrafe angeht, stellt sich Feuerbach auf die Seite ihrer Befürworter.249 Unter heftiger Kritik an den progressiven, die Todesstrafe ableh247 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 186 ff., S. 194 f. Ähnliche Erwägungen findet man auch bei Kleinschrod, Grundbegriffe II2, S. 64, der einen nicht-öffentlichen Strafvollzug bei Strafen, deren Zweck die Besserung sei, bevorzugt; und bei Klein, ArchCrimR Bd. VI St. I (1805), S. 81. Wegen dieser Nebenzwecke der Strafe sieht Kipper, Feuerbach, S. 182 ff. in Feuerbach einen Vorläufer der „modernen Kriminalpolitik“, was aus mehreren Gründen verfehlt ist: denn erstens spielen derartige Erwägungen eben eine untergeordnete Rolle, und zweitens tauchten sie nicht nur bei ihm, sondern auch bei vielen anderen Autoren auf, die alle deshalb zu Vorläufern der modernen Kriminalpolitik erklärt werden müssten. Dass man der Gegenmeinung in einer Nebensache Recht gibt, macht einen noch lange nicht zu deren Anhänger, insb. dann nicht, wenn es gerade um die Hauptsache geht. 248 Feuerbach, Lehrbuch14, § 140. In diesem Sinne die damals überwiegende Zahl der Theoretiker, welche die allgemeine Abschreckung – entgegen Feuerbach – als Zweck der Strafzufügung ansahen: Wolff, Politik, § 349; Soden, Geist, S. 113; Kleinschrod, Grundbegriffe II2, S. 60 ff.; Globig/Huster, Abhandlung, S. 60; Bergk, ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 147. Dagegen aber Klein, ArchCrimR Bd. I St. IV (1798), S. 156. 249 Also neben Montesquieu, De l’esprit des lois, Livre XII, Nr. 4; Filangieri, Scienza, S. 191 ff. (Libro III, Capo XXIX ff.; dazu Maestro, Death penalty, 52 ff., zum Verhältnis von Filangieri und dem wenig bekannten Gian Rinaldo Carli); Hommel, Vorrede, S. 11 ff.; ders., Anmerkungen, S. 99 (z. B. müsse der Raubtäter getötet werden, „als wenn ein Wolf sich hätte blicken lassen“; zu Hommel und der Todesstrafe Cattaneo, Hommel, S. 103 ff.); Lardizábal, Discurso, Cap. V § 2 4; Wieland, Geist I, § 300 ff.; W. v. Humboldt, Wirksamkeit des Staates, Kap. XIII (S. 160); Soden, Geist, S. 70 ff., 92 f.; Klein, Grundsätze, § 83; Quistorp, Grundsätze, § 91; Gmelin, Gesetzgebung, § 38; Kant, Metaphysik der Sitten, S. 457, A 202/B 232; Fichte, Naturrecht, S. 273 ff.; Almendingen, BpRW Teil I St. III (1799), S. 48, 57; Grolman, Begründung, S. 156; ders., BpRW Teil I St. I (1797), S. 135; Aschenbrenner, ArchCrimR Bd. IV St. III (1802), S. 108 ff.; ders., ArchCrimR Bd. IV St. IV (1802), S. 24 ff., S. 28; Schilling, ArchCrimR Bd. VI St. II (1805), S. 131; Gros, Naturrecht2, § 367; Schneider, Prinzip des Strafrechts, S. 62; v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 44 f.; Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 232; wohl auch Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 35. In Deutschland fand also die Todesstrafe zu Feuerbachs Zeiten allgemeine Anerkennung (gleiche Beurteilung bei Cattaneo, Hommel, S. 145); nur qualifizierte Todesstrafen pflegte man des öfteren abzulehnen, was freilich nicht überall geschah (vgl. etwa noch Christian Wolff, Politik, § 349 ff., dazu Frank, Die Wolff ’sche Strafrechtsphilosophie, S. 21; Stelzer, Lehrbuch, S. 79, 84 ff.; Almendingen, BpRW Teil I St. III (1799), S. 326; Quistorp, aaO; wohl auch Tafinger, Criminalgesetzgebung,

I. Darstellung der Straftheorie Feuerbachs

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nenden Stellungnahmen, die in Beccaria250 ihren wichtigsten Sprecher gefunden hatten, argumentiert Feuerbach: Es gebe keinen Grund, die Todesstrafe zu verwerfen. Sie sei erstens nicht ungerecht, denn Beccarias Argument, wonach man unmöglich dem Staat sein Recht auf Leben übergeben könne, würde in letzter Konsequenz alle Strafen für widerrechtlich erklären.251 Die Todesstrafe sei ferner keineswegs ineffektiv: Vielmehr sei die Todesandrohung aus mehreren Gründen die abschreckendste Strafe, so dass der Gesetzgeber keineswegs auf sie verzichten dürfe.252 Feuerbach schien insbesondere zu befürchten, dass die Abschaffung der Todesstrafe als ein Sprung „von der höchsten Strenge zu der höchsten Milde“253 erscheine, was eine Erhöhung der Kriminalität zur Folge S. 289, der die von Feuerbach in seinem Entwurf des Bayerischen StGB vorhergesehene Schärfung durch das Tragen eines blutroten Hemdes als „eine sehr unbedeutende Zugabe“ rügte). Umfassend zur Diskussion um die Todesstrafe bis zum 17. Jahrhundert Sewing, Todesstrafe im Naturrecht, passim; zur Diskussion im 18. Jahrhundert Lewandowski, Todesstrafe, passim, der zu Recht bemerkt, dass, obwohl man sich noch mehrheitlich für diese Strafform aussprach, religiöse Begründungen immer seltener wurden (S. 41 ff., 138). Tatsächlich bietet keiner der hier angeführten Autoren eine religiöse Begründung der Todesstrafe an. 250 Beccaria, Delitti, §§ XXVIII. Man darf aber nicht vergessen, dass Beccarias Ablehnung der Todesstrafe nur unter dem Vorbehalt gilt, dass diese nicht unerlässlich erscheine, um die Sicherheit des Staates zu garantieren, so dass man sogar ernsthaft in Frage stellen könnte, ob er überhaupt ein Gegner der Todesstrafe gewesen ist (so treffend Naucke, Beccaria I, S. 22, der hier ein zwingendes Ergebnis der konsequentialistischen Argumentation Beccarias sieht; 103 f.; Torío López, Pena de muerte, S. 101 f.; krit. auch Newman/Marongiu, Criminology 28 [1990], S. 338 f., deren sonstige Beccaria-Kritik im Allgemein sehr unfair ist; a. A. Cattaneo, Hommel, S. 145, insb. Fn. 163, der eher mit dem Humanitätsempfinden Beccarias argumentiert; zwischen beiden Meinungen spricht Moccia, GA 1979, S. 211, Fn. 28, von einer „kleinen, aber u. M. bedeutsamen Lücke“, und erklärt sie als realistischen Kompromissversuch). Tatsache ist aber, dass Beccaria allgemein doch als Kritiker der Todesstrafe verstanden wurde. Ähnlich wie Beccaria Globig/Huster, Abhandlung, S. 67, 68. Zu den ersten unbedingten Kritikern der Todesstrafe in Deutschland gehörte Bergk, Philosophie des peinlichen Rechts, S. 330 f. Weitere Nachw. zu damaligen Gegnern der Todesstrafe bei Gmelin, Gesetzgebung, § 36. 251 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 166 f., in Auseinandersetzung mit dem Argument Beccarias, wonach das Leben ein unverfügbares Gut sei, das man nicht dem Staat durch den Gesellschaftsvertrag übergeben könne. Es sei entgegen Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 60, bemerkt, dass sich Feuerbach nicht in rein technokratischer Weise damit zufrieden gegeben hat, das Wirksamkeitsproblem zu analysieren; bevor er diese Frage stellt, fragt er nach der „rechtlichen Möglichkeit“ dieser Strafe (vgl. ausdrücklich Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 167: „Erst unter Voraussetzung der rechtlichen Möglichkeit dieser Strafe überhaupt kann die Frage nach der Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit derselben einen vernünftigen Sinn haben“). 252 Feuerbach, BpRW Bd. II (1800), S. 253 ff., insb. S. 273 f.; ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 168 ff.; ders., Lehrbuch14, § 155, Fn. 1. 253 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 171. Interessant auch Oersted, Grundregeln, S. 75 f. der die Legitimierung der Todesstrafe für einen Vorzug der psychologischen Zwangstheorie gegenüber der „Präventionstheorie“ hielt.

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haben könnte. Er kritisiert zuletzt die übermäßige Milde des Entwurfs von Kleinschrod, der den Tod nicht als Strafe vorsah, sondern bloß als Sicherungsmaßregel,254 und in seinem Bayerischen Strafgesetzbuch vergisst er nicht, mehrere Delikte mit dieser Strafe zu bedrohen, wie z. B. den Rückfall bei der Kindestötung und den Raub oder die Erpressung mit Gefahr für das Leben des Opfers (Art. 143, 239 u. 241).255 (2) Ein anderer Punkt, der nicht unerwähnt bleiben darf, ist Feuerbachs Verteidigung der körperlichen Züchtigung als Strafe.256 Hier war er freilich nicht allein: Selbst seine progressiven Zeitgenossen scheinen nur gegenüber verstümmelnden, nicht aber gegenüber peinigenden Leibesstrafen Bedenken gehabt zu haben.257 In seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Entwurf Kleinschrods betrifft Feuerbachs größte Sorge die Anwendung des Stockschlags, den er lieber durch den Rutenstreich ersetzt sehen will.258 Die körperliche Züchtigungsstrafe ist auch seinem Strafgesetzbuch nicht fremd (z. B. Art. 194).259 (3) Feuerbach verteidigt gleichfalls entehrende Strafen;260 und bei der Behandlung der Züchtigungsstrafen unterlässt er es nicht, eine entsprechende Variante vorzuschlagen, nämlich die der entehrenden Züchtigungsstrafen.261 cc) Als Fazit lässt sich eine vierte allgemeine Bemerkung über Feuerbachs Stellungnahmen zum Strafsystem formulieren, die den in dieser Darstellung bemühten wertungsfreien Stil an sich sprengt: Die psychologische Zwangstheorie führt generell zu einer höheren Strenge der Strafen, deren Verträglichkeit mit dem Ideal eines liberalen Strafrechts zumindest problematisch erscheint.262 254

Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs I, S. 60, II, S. 163 ff. Grünhut, Feuerbach, S. 215; über das Bayerische Strafgesetzbuch und seine Härte im allgemeinen vgl. Nagler, Die Strafe, S. 391 ff. 256 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 215 ff.; ders., BpRW Bd. II (1800), S. 182 (gegen das Abschneiden von Händen); ders., Lehrbuch14, § 147 f. 257 Etwa Wieland, Geist I, §318; Globig/Huster, Abhandlung, S. 73 (Ausnahme: Fall der Wiedervergeltung, also, wenn das Verbrechen ein verstümmelndes war); Klein, ArchCrimR Bd. I St. III (1798), S. 113 ff.; Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 35, 38; dagegen haben Koch, Anfangsgründe, S. 81 ff.; Stelzer, Lehrbuch, S. 80, 86, und Quistorp, Grundsätze, § 77, insb. Fn. e), keinerlei Probleme mit verstümmelnden Strafen, über die sie ganz ungeniert berichten. Zu den verstümmelnden Leibesstrafen äußerte sich Feuerbach, Lehrbuch14, § 147 sehr präzise: „Menschlichkeit und Weisheit brachten diese Strafen außer Gebrauch“. 258 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 215 ff. 259 Die Vorschrift betrifft die Freiheitsberaubung, in der dem Opfer auch körperliche Misshandlungen zugefügt werden; vgl. noch Grünhut, Feuerbach, S. 224. 260 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 229 ff.; vgl. auch Grünhut, Feuerbach, S. 225. Zu deren genaueren Beschaffenheit unten S. 190. Dagegen schon damals W. v. Humboldt, Wirksamkeit des Staates, Kap. XIII (S. 156 ff.). 261 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 226. 262 So auch Naucke, Funktionstüchtigkeit, S. 111. 255

II. Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs

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Wenn man Feuerbachs Strafenkatalog mit demjenigen anderer damaliger Autoren, selbst ausgesprochen konservativer, wie etwa Gmelin, vergleicht, ist man enttäuscht, wie wenig fortschrittlich Feuerbach in diesem Bereich gewesen ist,263 und wie weit er hinter dem Vergeltungstheoretiker Bergk zurück bleibt, der die Todesstrafe, alle – und nicht lediglich verstümmelnde – Leibesstrafen sowie auch stigmatisierende Ehrenstrafen verwarf.264 Man vergesse nicht, Feuerbach widmete ein ganzes Kapitel seiner Kritik am Entwurf von Kleinschrod dem auf diesen bezogenen Vorwurf übermäßiger Milde dem Verbrecher gegenüber.265 Ob eine Theorie, die derartige Folgerungen erlaubt, nicht zumindest revisionsbedürftig ist, wird unten zu diskutieren sein [vor allem unten C. III. (bei S. 179 ff.) und D. II. 3. e) (bei S. 381 ff.)].

II. Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs 1. Wir haben damit Feuerbachs relative Straftheorie und ihre wichtigsten Folgerungen vorgestellt. Der deskriptive Teil der Arbeit ist damit abgeschlossen. Jetzt müssen wir uns zwei wichtigen rechtsgeschichtlichen Fragen widmen, nämlich der Beziehung zwischen Feuerbach und Kant und den psychologischen Annahmen der Straftheorie Feuerbachs. Die erste Frage erscheint deshalb interessant, weil sie bereits eingehend diskutiert wurde, ohne dass dies zu einem abschließenden Ergebnis geführt hätte. Die zweite scheint aber genau wegen des entgegengesetzten Grundes einer näheren Betrachtung wert: Sie wurde allzu wenig diskutiert, weil man ein abschließendes Ergebnis erzielt zu haben glaubte. Wie jeder weiß, hat auch Kant seine eigene Straftheorie formuliert. Wir verstehen diese, wie sie nach der ganz herrschenden Meinung interpretiert wird, da sie sich in dieser Form auch historisch ausgewirkt hat, ohne dabei zu ignorieren, dass vieles im Einzelnen umstritten ist.266 Nach Kant ist bekannterweise die

263 Vgl. Gmelin, Gesetzgebung, §§ 25 ff. Sein Konservativismus wird schon im Vorwort des Werkes klar ausgesprochen: „Ich glaube, daß sich mit gutem Grunde immer die Vermutung aufstellen lässt, daß was Jahrhunderte durch von allen gesitteten Völkern als billig und vernünftig angenommen worden, auch wirklich so beschaffen seye“ (S. XI). 264 Bergk, Philosophie des peinlichen Rechts, S. 330 f., 334, 338 f. 265 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 139 ff. 266 Die Standardinterpretation der Straftheorie Kants befindet sich in den Strafrechtslehrbüchern, etwa Roxin, AT3 I, § 3/3; Mir Puig, PG7, § 3/5 f. Andere Interpretationen werden vorgelegt von Schild, Symbol der Strafwürdigkeit, S. 431 ff., 434 („relative Straftheorie“), 439, Zaffaroni/Alagia/Slokar, Derecho Penal, § 20 V 3 („die radikalste Theorie der Sozialverteidigung“); Sharon Byrd/Hruschka, JZ 2007, S. 958 ff. (Generalprävention und Legalitätsprinzip); und Altenhain, Kant und Feuerbach, S. 7 ff., der Kant zum Vertreter der psychologischen Zwangstheorie macht.

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Strafe ein kategorischer Imperativ.267 Sie sei deshalb ohne Hinblick auf irgendeinen Zweck zu verhängen, auch sogar dann, wenn daraus überhaupt kein Nutzen mehr für die Gesellschaft zu erwarten sei.268 Wenn mit der Strafe auf irgendeinen Zweck gezielt werde, dann werde der Täter instrumentalisiert, „unter die Gegenstände des Sachenrechts“269 geworfen; denn dies heiße zu verkennen, dass jeder Mensch immer auch als Zweck an sich selbst und niemals bloß als Mittel zu fremden Zwecken behandelt werden müsse. Rechtfertigung der Strafe sei deshalb das Wiedervergeltungsrecht.270 2. a) Was ist nun das Verhältnis des Kantianers Feuerbach zu Kant? Denn es ist einigermaßen befremdlich, wenn beide von den Prämissen der kritischen Philosophie ausgehen, der erste aber zu einer der berühmtesten relativen, der andere zu einer strengen absoluten Straftheorie gelangt. Die Frage liegt nahe, ob das nicht ein Zeichen ist, dass sich irgendwo ein Fehler eingeschlichen hat. Hat nicht einer der beiden an irgendeiner Stelle der Argumentation doch einen Denkfehler begangen? Bisher hat man diese Fragen allzu leicht im bejahenden Sinne beantwortet, und sich schnell auf die Suche nach dem Fehler begeben. b) Dieser ist von einigen bei Feuerbach gefunden worden: er müsste eigentlich eine absolute Theorie vertreten haben. So behauptete schon Döring, dass Feuerbach inkonsequent gewesen sei. Da er von demselben Freiheits- und Rechtsbegriff ausgegangen sei wie Kant, hätte er erkennen müssen, dass es im Recht um Vernunftsprinzipien gehe, die also äußeren Zwecken gegenüber weitgehend unabhängig seien.271 Es war der „praktische Kopf“272 Feuerbachs, der ihn zu seinem Ergebnis leitete: „Der Philosoph befragte zuerst die Strafgerechtigkeit und gewann seine absolute Straftheorie; der praktische Kriminalist hielt sich mehr an die Strafklugheit und gelangte zu seiner relativen Theorie“.273 Naucke übernimmt im Wesentlichen das Urteil Dörings,274 nur radikalisiert er es, indem er behauptet, Feuerbach sei wegen seiner Betonung der Zweckmäßigkeit kaum ein Kantianer: „Feuerbach übernimmt den kritischen Apparat der kantischen Philosophie nicht“.275 Jüngst hat Lesch eine ähnliche Meinung ver267

Kant, Metaphysik der Sitten, A 196/B 226. Kant, Metaphysik der Sitten, A 199/B 229: das sog. Inselbeispiel. 269 Kant, Metaphysik der Sitten, A 196/B 226 270 Unter Zugrundelegung unserer später (S. 462 ff.) zu erläuternden analytischen Präzisierung der verschiedenen Bedeutungen des Vergeltungsbegriffs: Kant vertritt eine deontologische rechtliche oder moralische Vergeltungstheorie. 271 Döring, Feuerbachs Straftheorie, S. 37 ff. 272 Döring, Feuerbachs Straftheorie, S. 37. 273 Döring, Feuerbachs Straftheorie, S. 39. 274 Vgl. den „Versuch, Kant, dem Philosophen, Feuerbach, den Rechtsgelehrten, gegenüberzustellen“, bei Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 86 ff. 275 Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 88 (die Straftheorie Kants wird auf S. 31 verteidigt); ders., Kants Einfluss, S. 142; ders., ARSP-Beiheft 87 (2003), S. 48; ders., Funktionstüchtigkeit, S. 114 („entleerter Kantianismus“). Naucke 268

II. Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs

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treten: Feuerbachs Straftheorie sei ein widersprüchliches, „innerlich zerrissenes“ Sammelsurium von Gedanken Kants, Fichtes und Hobbes’, das „Züge des Aleatorischen“ trage, wo die naturalistischen, also gerade nicht-kant’schen Züge die Oberhand haben.276 c) Auf der anderen Seite gibt es die, die den Fehler bei Kant zu entdecken glauben. Schon Hepp meinte, Kants Deduktion des Strafrechts als Recht eines Staates, dessen Zweck die gegenseitige Freiheitssicherung sei, hätte zu einer relativen Theorie führen sollen, und darin erblickte er auch den Grund, weshalb „mehrere entschiedene Anhänger seines Rechtsgesetzes als entschiedene Gegner seiner Strafvergeltung auftraten“.277 Auch Köstlin dachte, Feuerbach wäre ein „entscheidender Wurf gelungen“, da er „die wahre Konsequenz der Kantischen Gedanken energisch aussprach und zum System ausführte“,278 denn Kant hätte von seiner vertragstheoretischen Grundlage aus notwendig zu einer relativen Theorie kommen müssen.279 Grünhut sieht in Feuerbach denjenigen, der die „Bruchstelle“280 in Kants Strafrechtstheorie aufdeckte und mit seiner relativen Straftheorie korrigierte: Kant habe nicht die ungelöste Frage beantwortet, inwiefern der irdische Staat dazu berufen sei, die ewige Gerechtigkeit zu verwirklichen.281 Max Salomon behauptete, dass die Kant’sche Trennung von Moralität und Legalität zwangsläufig das Verständnis von Strafe als kategorischem Imperativ ausschließe: „Kants Vergeltungsgedanke findet also in seinem philosophischen Systeme keine Stütze“.282 Auch für Eberhard Schmidt wird erst bei Feuerbach die schon bei Kant angelegte Trennung von Recht und Moral zu Ende gedacht.283 Und in Italien sehen sowohl Cattaneo als auch Moccia in Kants Bestimmung des Strafgesetzes als eines kategorischen Imperativs einen Widerspruch zur Kant’schen Unterscheidung von Recht und Moral.284 zust. Holzhauer, Willensfreiheit und Strafe, S. 47 ff. Ähnlich Bohnert, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 16, der auch bezweifelt, ob Feuerbach ein Kantianer sei. 276 Lesch, Verbrechensbegriff, S. 52 ff., vor allem S. 56 (dort Zitate); ähnlich M. Köhler, ARSP-Beiheft 87 (2003), S. 76. 277 Hepp, Darstellung2, S. 76 f. (Zitat S. 76), S. 80 f.: „Allein dabei hat Kant übersehen, daß er das Strafrecht aus einem andern Grunde ableitet, als worauf das höchste Rechtsprinzip überhaupt beruhen soll, nämlich nicht aus der Idee der äußeren (rechtlichen) Freiheit, sondern aus dem moralischen Bewußtseyn in uns“. 278 Köstlin, Neue Revision, S. 2. 279 Köstlin, Neue Revision, S. 6 f.; etwas differenzierter S. 806, 809. Selbe Kritik bei Berner, Lehrbuch1, S. 16; im selben Sinne, aber mit anderen Argumenten ders., Imputationslehre, S. 31 f. Einen Widerspruch bei Kant rügt auch Jellinek, Sozialethische Bedeutung, S. 93. 280 Grünhut, Feuerbach, S. 94. 281 Grünhut, Feuerbach, S. 94 ff. 282 Salomon, ZStW 33 (1921), S. 24 (Zitat); ders., MSchrKrim 15 (1924), S. 171, 173. 283 Eb. Schmidt, Geschichte, § 230. 284 Cattaneo, Dignità umana, S. 302, 306, 315; Moccia, Diritto penale, S. 45.

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3. Wir werden uns dieser Kontroverse annähern, freilich aus einer anderen Perspektive. Denn die bisherige Erörterung dieser Frage ist durch die zumindest stillschweigende Annahme zweier Voraussetzungen, einer inhaltlichen und einer methodischen, charakterisiert. Erstens, wie schon gesagt, will man wissen, wer von den beiden Autoren den Fehler begangen hat; man geht also von der inhaltlichen Annahme aus, auf dem Boden der Kant’schen Philosophie sei nur eine Straftheorie möglich, so dass jede Abweichung intrasystematisch inkonsequent sein müsse. Und zweitens fängt man methodisch bei Kant an und erst danach fragt man nach der Vereinbarkeit mit Feuerbach. a) Die erste Annahme ist aber unbegründet. Dies bedeutet zwar nicht, dass sie falsch sein muss. Wenn sie aber stimmen sollte, dann darf dies erst am Ende der Untersuchung und nicht schon an deren Anfang klar sein. Und die zweite Prämisse werden wir einfach umkehren, indem wir unsere Erörterungen nicht bei Kant, sondern bei Feuerbach beginnen. Zuerst könnte man schon vorab bemerken, dass sich bei Feuerbach keine einzige Stelle findet, wo er sich mit der Straftheorie Kants kritisch auseinander setzt. Wenn Feuerbach sie erwähnt, dann tut er das immer zustimmend. Er versteht sich also durchaus als einen „kritischen“ Philosophen, und sogar dann, wenn er seine gedankliche Eigenständigkeit behauptet,285 gibt er nie zu, den Rahmen der kritischen Philosophie verlassen zu haben.286 An einer Stelle behauptet er sogar mit Kant, die Strafe sei ein kategorischer Imperativ, ohne dass dieses ihm ein Bruch in seinem System zu sein scheint.287 Und andere Autoren der Zeit haben in ihm einen treuen Anhänger Kants gesehen.288 b) Gefragt wird jetzt nach dem tragenden Grund dafür, dass Feuerbach nicht eine absolute Straftheorie wie diejenige Kants vertreten konnte. Man könnte natürlich mehrere Gründe benennen – der „praktische Sinn des Juristen“ ist einer der beliebesten, lässt aber die biographische Tatsache unberücksichtigt, dass Feuerbach seine Straftheorie schon im Anti-Hobbes formulierte, also noch längst bevor er mit seiner praktischen gesetzgeberischen oder richterlichen Tä285

Vgl. oben Teil B., Fn. 22. So auch Cattaneo, Dottrina di Grolman, S. 199; Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 62 ff. 287 Feuerbach, Revision I, S. 146. Freilich benützt hier Feuerbach den Ausdruck in einem völlig unterschiedlichen Kontext, nämlich bei der Widerlegung des richterlichen Milderungsrechts (vgl. bereits oben S. 55, insb. Fn. 150). Es spricht daher vieles dafür, dass er den Ausdruck eher in einer unverbindlichen allgemeinsprachlichen (im Sinne von „ausnahmlos“) als in seiner strikt fachterminologischen Bedeutung anwendet (ähnlich, aber nicht gleich, Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 81–83). Treffend betont E. Baumgarten, GS 81 (1913), S. 124 Fn. 1, hier gehe es eher um eine rethorische Benützung des kantischen Schlagwortes. 288 Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 36 (wo in klarer Anlehnung an Feuerbach von „Nachbetern Kants“ die Rede ist), S. 43, S. 60–61, S. 170; Henke, Strafrechtstheorien, S. 65–66. Dagegen aber Klein, ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 97 ff. 286

II. Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs

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tigkeit begann.289 Und selbst wenn dieser „praktische Sinn“ seine Bedeutung hätte, hier geht es nicht darum, wissenschaftliche Meinungen psychologisch zu erklären, sondern in ihrer Eigenständigkeit zu verstehen und in ihrer Begründetheit zu überprüfen. So betrachtet dürfte es wohl so sein, dass der tiefste Grund für Feuerbachs Ablehnung einer absoluten Straftheorie seine Freiheitslehre bildet und die darunter liegende Unterscheidung von Recht und Moral – die beide eine durchaus Kant’sche Konzeption darstellen, wie wir sehen werden und teilweise schon gesehen haben. aa) Das Hauptwerk Feuerbachs – seine „Revision“ – ist ein Werk, das schon rein äußerlich seine polemischen Absichten zu erkennen gibt. Die Polemik gilt hauptsächlich zwei Gegenständen: dem Freiheitsbegriff und dem richterlichen Strafmilderungsrecht. Den zweiten Gegenstand lassen wir jetzt beiseite und konzentrieren uns auf den ersten: Schon im Vorwort der „Revision“ erklärt Feuerbach den Freiheitsbegriff zu einem seiner Hauptangriffsziele: „. . . die wichtigsten Irrthümer der gewöhnlichen Theorien (haben) in irrigen psychologischen Begriffen ihren Grund (. . .). Unsere Kriminalisten sprechen von der Freiheit, als einem Princip der äußeren Strafbarkeit der Handlungen, und jener Begriff gehört, wie ich vollkommen überzeugt bin, blos und allein in die Moral und ist in dem Criminalrecht, sowohl wegen der Natur der Freiheit, als auch wegen der Natur der Strafe, von gar keinem Gebrauch“.290 Freiheit ist für Feuerbach ein moralischer Begriff, weil sie nicht in die Welt der Phänomene gehöre. In dieser Welt sei eben alles, was geschehe, kausal determiniert, so dass hier kein Platz für die Freiheit zu finden sei. Freiheit sei bloß in der Welt der Dinge an sich zu lozieren, sei deshalb der Erkenntnis nicht zugänglich und um so weniger der richterlichen Wahrheitsfindung. Deshalb sei in der rechtlichen Betrachtung auf die Freiheit zu verzichten und vollständig der deterministische Standpunkt einzunehmen. Die Welt des Rechts sei eben nicht die Welt der noumena, sondern die Welt der Erscheinungen. Obwohl man bei Feuerbach keine genaue Begriffsbestimmung von Freiheit findet291, kann man davon ausgehen, dass er in dieser Polemik von einem Verständnis von Freiheit i. S. von Autonomie ausgeht: Freiheit also als die Fähigkeit der Vernunft, sich selbst moralische Gesetze vorzuschreiben, unabhängig von jeder Bestimmung 289 Die gesetzgeberische Tätigkeit hat er erst 1806, die richterliche 1817 begonnen; der Anti-Hobbes stammt dagegen aus dem Jahre 1797. 290 Feuerbach, Revision, S. VIII f. 291 Anders Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 45 f., insb. S. 67 ff.: Für Feuerbach sei Freiheit mit äußerer Freiheit, d.h. mit dem Recht, identisch (zustimmend Schreiber, Gesetz und Richter, S. 103 Fn. 12; auch Altenhain, Kant und Feuerbach, S. 8). Das stimmt aber nur, solange man bei den Stellen bleibt, die Naucke zur Stützung seiner Interpretation zitiert (etwa Feuerbach, Revision I, S. 26), lässt aber völlig ungeklärt, wieso Feuerbach mehrere hunderte Seiten dem Kampf gegen den Freiheitsbegriff widmet. Soll Feuerbach gegen das Recht sein, soll er zu einer Art Anarchist erklärt werden?

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durch Begierden, die von Kant als Fremdbestimmung (d.h. Heteronomie) verstanden wird. Dies wird durch mehrere Stellen nahe gelegt, die sich beliebig vermehren lassen, wie z. B.: „Freiheit kann in keiner Erfahrung vorkommen; denn sie ist etwas absolutes, eine durch nichts bedingte, von keiner andern Ursache, abhängige Ursache (. . .) Eben darum aber, weil wir die Freiheit ganz aus der Naturordnung herausheben, muß auch, wie wir dargethan haben, das Princip, nach welchem die Freiheit wirksam ist, nicht in der Natur liegen, sondern muß die bloße Vorstellung der Gesetzmäßigkeit seyn“.292 Sehr kantisch setzt für Feuerbach die Freiheit ein Handeln aus „Achtung des Gesetzes“ voraus.293 Daher meint Feuerbach: „Freiheit und Unabhängigkeit von Naturursachen ist ein übersinnlicher, intelligibler Begriff, der für unsern Verstand gar keine Bedeutung hat, dessen Realität wir zwar annehmen müssen, von dem wir aber durchaus keinen theoretischen Gebrauch machen können“.294 Wenn man die Freiheit fallen lässt, entfällt auch die Möglichkeit, den Missbrauch der Freiheit zu tadeln, m. a. W.: ohne Freiheit kann es auch keine Schuld geben.295 Und dadurch ist der Vergeltungstheorie ihre Grundlage entzogen worden: denn ohne Schuld ist Vergeltung undenkbar.296 Strafe kann sich nicht auf die Freiheit richten, sondern vielmehr auf die Sinnlichkeit. Übrig bleibt für die Strafe, dass sie die verbrecherische Triebfeder neutralisiert. bb) Es wäre ferner sogar widersprüchlich, eine freie Handlung zu verlangen, damit man strafen könnte. Denn wenn Freiheit Autonomie bedeutet, und wenn Autonomie vernünftige, d.h. moralische Gesetzgebung durch die eigene Vernunft ist, dann ist die verbrecherische Tat – bis auf wenige Ausnahmen – prinzipiell unfrei. Konkret: Da die Vernunft das Töten moralisch verbietet, handelt derjenige, der tötet, unfrei, denn seine Freiheit besteht ausschließlich darin, dasjenige zu tun, was ihm die Vernunft vorschreibt. „Alle nicht-moralischen Handlungen haben ihren eigentlichen Grund schlechterdings nicht in der Freiheit, sondern in Naturursachen, in Leidenschaften, Neigungen und Begierden, haben ihren Grund nicht in einer Aeußerung, sondern in einer Nichtaeußerung der Freiheit“.297 Diese berühmte Frage, wie die Zurechnung böser Handlungen denn möglich sei, wenn sie nach Kant per definitionem doch unfrei seien, hat 292

Feuerbach, Revision II, S. 113 f. Feuerbach, Revision II, S. 114. 294 Feuerbach, Revision I, S. 321. Man vergleiche noch die Stellen, die oben S. 43 f. erwähnt wurden. 295 Oder zumindest prima facie nicht – zu der Frage nach dem Verhältnis von Schuld und Willensfreiheit auch unten S. 501 f. 296 Siehe auch Nagler, Die Strafe, S. 411, Fn. Feuerbach folgend Almendingen, BpRW Teil I St. III (1799), S. 52: „Moralische Imputation in dem Munde eines menschlichen Richters . . . ist Eingriff in das Amt der Gottheit und des Gewissens“. Auch von der Philosophie Kants ausgehend meinte Abicht, ArchCrimR Bd. II St. II (1799), S. 2 ff., es sei unmöglich, im Strafrecht von richtiger Schuld zu sprechen. 297 Feuerbach, Revision II, S. 290 f.; vgl. auch ders., Lehrbuch14, § 100, Fn. 7. 293

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eine lange Geschichte: Sie tauchte schon bei den ersten Kant-Interpreten, wie z. B. Reinhold auf,298 zeitgenössische Kriminalisten wie Klein und Konopak299 nahmen sie auf, und noch heute wird sie sowohl unter Philosophen, wie Prauss oder Schönecker/Wood,300 und Strafrechtlern, wie Engisch oder Schünemann, wiederholt.301 Vom Kant’schen Verständnis der moralischen Handlung als einer freien Handlung ausgehend sah sich Feuerbach deshalb gezwungen, die unmoralische, verbrecherische Handlung eine unfreie zu nennen und sie deshalb ohne Rückgriff auf die Freiheit nach anderen Kriterien zuzurechnen. cc) Ferner war die Unterscheidung von Recht und Moral eine schon seit langem in Feuerbachs rechtsphilosophischen Untersuchungen zu findende Ansicht. So vertrat er in seinen frühen Schriften, dass das Recht aus einem eigenständigen Vermögen der Vernunft entspringe, der juridischen Vernunft, die neben der moralischen Vernunft stehe und von ihr nicht abhängig sei.302 Mit einer derartigen Trennung von Recht und Moral würde sich eine prinzipiell tief moralische Theorie des Strafens wie die Vergeltungslehre schwer vertragen.303 Infolgedessen dachte Feuerbach, dass Kant nicht einmal eine Vergeltungstheorie vertreten haben könnte. So sagt Feuerbach am Anfang seiner „Revision“: „Einige glauben, daß auch Kant (Metaphysik des Rechts S. 195 ff.) die bürgerliche Strafe als eine moralische Vergeltung betrachte. Diese Meinung ist ihm aber offenbar untergeschoben: und wie könnte er auch dies behaupten,

298

Reinhold, Briefe, S. 267 ff. Klein, ArchCrimR Bd. V St. III (1803), S. 123; Konopak, ArchCrimR Bd. VI St. III (1805), S. 150 f. 300 Prauss, Kant, S. 85 ff.; Schönecker/Wood, Kants Grundlegung2, S. 182; ferner Reinhard Brandt, Klugheit bei Kant, S. 117, 129, 131 („Aporie“). 301 Bei Engisch handelte es sich nicht um eine Polemik gegen Kant, sondern gegen Welzels Schuldlehre, die teilweise auf ein sehr Kant’sches Verständnis von Freiheit aufbaut (Engisch, Willensfreiheit2, S. 36 ff.); das Argument Schünemanns taucht in seiner Kritik der von ihm festgestellten „Renaissance der Vergeltungstheorie“ auf (Schünemann, Aporien der Straftheorie, S. 332 ff.). Die kürzliche Antwort Zaczyks auf Schünemann, in dem Sinne, dieser identifiziere fehlerhaft das Sittengesetz und das positive Rechtsgesetz, was die Kritik „im Wortsinn indiskutabel“ mache (Zaczyk, Gerechtigkeit, S. 210, Fn. 16), ist aus mehreren Gründen unglücklich. Erstens, weil sie die lange Geschichte des Problems übersieht; zweitens, weil ihre Lösung gar nichts löst, denn Kant ging anscheinend von einer sittlichen (und nicht nur positivrechtlichen) Pflicht des (positiven) Rechtsgehorsams aus, was spätestens in seiner Ablehnung eines jeden Widerstandsrechts klar wird; und drittens, weil selbst, wenn sie Recht hätte und es in Kants System Platz gäbe für die von Zaczyk vorgeschlagene scharfe Differenzierung zwischen positivrechtlicher und sittlicher Schuld, selbst dann bestünde ein Problem, wenn beide doch zufällig zusammentreffen, wie es etwa im Kernstrafrecht, im Falle eines Mordes oder einer Vergewaltigung, nicht selten der Fall sein dürfte. 302 Vgl. oben Teil A., Fn. 1. 303 Die Relativierungen „prinzipiell“ und „schwer“ sollen darauf hindeuten, dass es doch mehrere Formen der Vergeltung gibt, in Bezug auf die das eben Gesagte nicht völlig passend erscheinen würde. Für Einzelheiten siehe unten S. 462 ff. 299

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ohne sich selbst und allen seinen Begriffen von Moralität, Freiheit usw. zu widersprechen?“304 4. a) Nach diesen Bemerkungen zu Feuerbach, wenden wir uns Kant zu. Auf den ersten Blick scheint die Auffassung Feuerbachs derjenigen Kants zur Zeit der Verfassung seiner wichtigster kritischen Schriften genau zu entsprechen. Dieser hatte nämlich in der „Kritik der reinen Vernunft“ in einer wichtigen Fußnote behauptet: „Die eigentliche Moralität der Handlungen (Verdienst und Schuld) bleibt uns daher, selbst die unseres eigenen Verhaltens, gänzlich verborgen. Unsere Zurechnungen können nur auf den empirischen Charakter bezogen werden. Wie viel aber davon reine Wirkung der Freiheit, wie viel der bloßen Natur und dem unverschuldeten Fehler des Temperaments, oder dessen glücklicher Beschaffenheit (merito fortunae) zuzuschreiben sei, kann niemand ergründen, und daher auch nicht nach völliger Gerechtigkeit richten“.305 Und auch in seiner Spätschrift über die Religion wiederholt Kant die Unerforschlichkeit der Annahme moralischer Maximen.306 Also scheint auch bei Kant die Freiheit einer Handlung, ihr moralischer Wert, der Erkenntnis unzugänglich zu sein. b) Die bei Kant zu findende Unterscheidung von Moralität und Legalität scheint eines der besten Argumente für die Falschheit einer absoluten Strafbegründung zu sein. Denn für Kant bezieht sich die Legalität auf eine Eigenschaft der äußeren Handlung, mit dem Gesetze konform zu sein, während sich die Moralität nicht nur auf die Handlung, sondern auch und in erster Linie auf die ihr zugrundliegende Maxime bezieht; eine legale Handlung sei moralisch verdienstvoll, wenn sie aus Achtung fürs Gesetz und nicht aus irgendwelchen anderen Motiven (wie Liebe, Freundschaft, Eigennutz usw.) unternommen werde.307 Schuld und Verdienst seien keine Eigenschaften von äußeren Handlungen, sondern hingen von der Art und Weise der Willensbestimmung ab. Das hieße folgerichtig, die Schuld bloß als moralischen Begriff zu verstehen, so dass man bei der rechtlichen Betrachtung, wo es um bloße Legalität gehe, von ihr zu abstrahieren habe. Damit wäre die Grundlage der Vergeltungsstrafe betroffen, denn diese setzt die Schuld grundsätzlich voraus. c) Als Letztes schließlich wird bei Kant der Freiheitsbegriff auch mehrmals im Sinne von autonomer Selbstbestimmung verstanden. In der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ definiert er den freien Willen als „ein Vermögen, nur dasjenige zu wählen, was die Vernunft unabhängig von der Neigung als praktisch notwendig, d. i. als gut, erkennt“,308 und dort sagt er ferner ganz deut-

304 305 306 307 308

Feuerbach, Revision I, S. 35, Fn. Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 501, B 580/A 552. Kant, Religion, A B 6. Vgl. oben Teil B., Fn. 54. Kant, Grundlegung, BA 36 f.

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lich, dass „ein freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen einerlei“ seien.309 Und in der „Kritik der praktischen Vernunft“ formuliert Kant folgende Definition: „Ein Wille, dem die bloße gesetzgebende Form der Maxime allein zum Gesetze dienen kann, (ist) ein freier Wille“.310 Dieses Verständnis der Freiheit als Autonomie, als Konformität mit dem eigenen, moralischen Gesetz, ist auch die Standardinterpretation, die man allgemein in Darstellungen der Moralphilosophie von Kant lesen kann311. Wenn man von einem solchen Freiheitsbegriff ausgeht, dann führt kein Weg dahin, in der verbrecherischen Handlung eine freie Handlung anzuerkennen. 5. Soll man deshalb mit Grünhut, Eberhard Schmidt und anderen behaupten, Feuerbach sei Kant treuer als dieser selbst? Ist Kants Straftheorie wirklich ein Fremdkörper in seinem System, so dass erst Feuerbach die authentische Straftheorie des Kritizismus geliefert hat? Trotz der oben genannten schwerwiegenden Belege in diese Richtung darf man dies noch nicht behaupten. Denn eine derartige Auffassung leidet darunter, dass sie die erste der oben aufgedeckten Prämissen nicht hinterfragt, indem sie unkritisch davon ausgeht, es könne wirklich nur eine einzige auf Kants System beruhende Straftheorie geben. Das ist aus mehreren Gründen nicht richtig. a) Erstens lässt der Freiheitsbegriff bei Kant die erwünschte Klarheit vermissen. Die auch bei Feuerbach anzutreffende Identifizierung von Freiheit und Autonomie wird mehrmals vorgenommen, dies sei ohne weiteres zugegeben. Aber es finden sich bei Kant mehrere Passagen, wo es schon sehr fraglich wird, ob er tatsächlich eine konsistente, in sich geschlossene Freiheitslehre entwickelt hat. Man nehme etwa die Unterscheidung zwischen Willkür und Willen, die seit der „Kritik der praktischen Vernunft“ in Kants Schriften zu finden ist. In diesem Werk wird der Wille für autonom und frei, die Willkür aber für heteronom erklärt.312 Dagegen wird in der „Metaphysik der Sitten“ der Wille mit der praktischen Vernunft identifiziert, und die Willkür doch als frei gekennzeichnet, wenn sie „durch reine Vernunft bestimmt werden kann“.313 Der Wille könne aber weder frei noch unfrei genannt werden.314 Und in der Religionsschrift wird anscheinend die Lehre vertreten, dass die Freiheit der Willkür nichts anderes sei als die Aufstellung einer Maxime, auch einer bösen, durch das Subjekt: „Die Freiheit der Willkür ist von der ganz eigentümlichen Beschaffenheit, dass sie durch keine Triebfeder zu einer Handlung bestimmt werden kann, als nur so-

309 310 311 312 313 314

Kant, Grundlegung, BA 98. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, A 51. Etwa Höffe, Immanuel Kant, S. 199 ff.; Irrlitz, Kant Handbuch, S. 286. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, A 58. Kant, Metaphysik der Sitten, AB 5. Kant, Metaphysik der Sitten, AB 27.

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fern der Mensch sie in seine Maxime aufgenommen hat“.315 Wie sich diese anscheinend widersprüchlichen Stellen zueinander verhalten, ist keinesfalls deutlich. Bei vielen Autoren verspürt man die Neigung, bestimmte Äußerungen stillschweigend oder ausdrücklich für nicht maßgeblich zu erklären.316 Deshalb gibt es in der Kant-Literatur Gelehrte wie Allison, die behaupten, dass für Kant die Menge der freien Handlungen keineswegs mit derjenigen der moralischen Handlungen deckungsgleich sei: Für ihn ist jede auf einem Imperativ (auch auf einem hypothetischen) beruhende Handlung eine vernünftige, die deshalb frei zu nennen sei, auch wenn sie unmoralisch ist.317 Carnois unterscheidet mehrere Freiheitsbegriffe bei Kant und versucht insbesondere die Unterscheidung von Wille und Willkür dazu zu verwerten, das Problem des Bösen, das zurechenbar sein müsse, zu lösen. Stark vereinfachend könnte man seine Interpretation so zusammenfassen, dass selbst der Wille, der dem moralischen Gesetz nicht gehorche, doch dem moralischen Gesetz unterworfen bleibe.318 Viel kritischer äußert sich Ortwein, nach dessen Ansicht Kants Freiheitslehre „aufgespalten und in sich widersprüchlich“ bleibe,319 ohne dass es ihr möglich erscheint, bei Kant einen einheitlichen konsistenten Gedankengang zur Freiheit zu erkennen oder das angesprochene Problem der Zurechenbarkeit des Bösen zu lösen.320 Und der berühmte Kant-Kommentator Lewis White Beck spricht von nicht weniger als fünf Freiheitsbegriffen bei Kant.321 Es wäre mindestens leichtfertig, in diesem Streit ein Mitspracherecht en passant ausüben zu wollen. Uns kann es nur darauf ankommen, ihn zur Kenntnis zu nehmen, was man in der Jurisprudenz 315 Kant, Religion, A 10, B 11 f.; vgl. ferner A 30/B 34 zur Bösheit der Maximen. Zum Begriff des Bösen bei Kant Timmons, Jahrbuch für Recht und Ethik 2 (1994), S. 114 ff. 316 Vgl. etwa Allison, Freedom, S. 268, Fn. 6: die Äußerungen Kants in der Kritik der praktischen Vernunft seien verwirrungsstiftend; Schünemann, Aporien der Straftheorie, S. 334: die Gedanken der Religionsschrift seien ad hoc-Annahmen. Cattaneo, Metafisica del Diritto, S. 234, erklärt die späten Ansichten der Religionsschrift für maßgeblich und zieht daraus die Folgerung, Feuerbachs Kant-Interpretation sei zu einseitig und zugespitzt. Andererseits gibt es auch Autoren, die den Anspruch, auf ein einheitliches Freiheitskonzept bei Kant zu kommen, schlicht aufgeben, wie wir gerade unten sehen werden (etwa Carnois und Ortwein, dazu gleich im Text). 317 Allison, Freedom, S. 135, 137 ff., 147 ff. Für ihn sind insb. die in der Religionsschrift deutlich ausgesprochenen Gedanken maßgeblich, wonach eine Triebfeder nur dann auf das Begehrungsvermögen wirken kann, wenn sie sich zuvor in einer Maxime verkörpert. Er tauft seine Interpretation „Incorporation Thesis“ (Allison, Freedom, S. 5, 147). 318 Carnois, Cohérence, insb. S. 131 f.; vgl. ferner S. 118, 136, 138. Von Allison, Freedom, S. 56, wird die Ansicht Carnois als eine patchwork-theory bezeichnet. 319 Ortwein, Kants problematische Freiheitslehre, S. 163. 320 Zur Problematik des Bösen bei Kant, Ortwein, Kants problematische Freiheitslehre, S. 127 ff., 142 ff., insb. S. 143. 321 L. W. Beck, Five Concepts, S. 35 ff. Auch Wimmer, Universalisierung, S. 124, spricht von „Kants doppeltem Freiheitsbegriff“, der auch später eine zusätzliche doppelte Teilung erfährt, S. 131 f.

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kaum tut, und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Man kann also nicht voraussetzen, für Kant sei unter Freiheit immer moralische Freiheit, Freiheit für das Gute, zu verstehen. Bleibt man auf dieser Schiene und differenziert man mehrere Freiheitsbegriffe neben dem der Freiheit als Autonomie, dann würden sich zwei der oben von Feuerbach aufgezeigten Probleme ohne weiteres erledigen können: erstens, das Problem der empirischen Unerforschbarkeit der Freiheit und zweitens dasjenige des in der Regel unfreien und deshalb schuldlosen Verbrechens. Das erste Problem könnte man lösen, indem man sagt, der rechtliche Freiheitsbegriff sei eben anders zu verstehen, nicht im Sinne von moralischer Freiheit, sondern etwa als psychologische Freiheit, oder genauer, als Freiheit in der Bestimmung der handlungsleitenden Maximen. Damit ließe man auch das zweite Problem hinter sich, denn jede unmoralische verbrecherische Tat könnte so gleichzeitig als unfrei (i. S. von heteronom: Verstoß gegen den kategorischen Imperativ) und frei (i. S. einer Befolgung von frei erwählten Maximen, sei es auch hypothetischer Imperative) betrachtet werden.322 b) Betrachten wir dann den viel diskutierten, mit Pathos ausgesprochenen Satz Kants, „das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ“. Wie schon gesagt, scheint dieser Satz vielen als eine unzulässige Einmischung moralischer Begriffe in das Recht. Es ist zuzugeben, dass man diesen Satz so betrachten kann. Man darf aber nicht vergessen, dass sich dieser Satz auf zwei sehr unscharfe Begriffe stützt, den des Strafgesetzes und den des kategorischen Imperativs. aa) Zunächst zum Begriff des Strafgesetzes. Wenn man Kant so interpretiert, dass er unter Strafgesetzen das gleiche versteht, was wir darunter verstehen, eben positiv-rechtlich geltende Vorschriften, die strafbare Handlungen definieren und deren Bestrafung anordnen – eine Interpretation, die erstens wegen der Erwägungen Kants zur gesetzgebenden Gewalt, die, als „vereinigter Wille des Volkes“, „durch ihr Gesetz schlechterdings niemand unrecht tun“ könne, und zweitens wegen der Ablehnung eines jeden Widerstandsrechts, also der Postulierung einer Pflicht zum Gehorsam des positiven Gesetzes, seitens Kant nahe liegt323 –, dann wird man wirklich nicht vermeiden können, hier eine nicht zu rechtfertigende Ethisierung des Strafens zu sehen. Denn das würde bedeuten, das positive Recht in seiner Gesamtheit zu einer ethischen Würde erhoben zu haben, die es insbesondere in einer Zeit häufiger Gelegenheitsge322 Ähnlich Cattaneo, Metafisica del diritto, insb. S. 225, mit der Unterscheidung zwischen libertà morale und libertà del volere, und Löhrer, Menschliche Würde, S. 350 ff., 352, mit der Unterscheidung zwischen freiem Handeln „nach“ und „unter“ moralischen Gesetzen. 323 Kant, Metaphysik der Sitten, A 165 ff./B 195 (gesetzgebende Gewalt), A 173 ff./B 203 ff. (Widerstandsrecht). Es ist wohl davon auszugehen, dass diese Interpretation des Begriffs des Strafgesetzes in den gängigen Schilderungen der Straftheorie Kants zumindest stillschweigend vorausgesetzt ist.

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setze324 kaum verdienen kann.325 Der von Kant bevorzugte Begriff des Strafgesetzes ist aber alles andere als klar. Denn es gibt andererseits Autoren, wie Naucke, die meinen, Kant vertrete einen viel engeren Begriff vom Strafgesetz, der eigentlich nur das verbiete, was eine Vergeltungsstrafe legitimieren könne, also absolut strafwürdige Handlungen.326 Wenn es derartige Handlungen gibt, dann ist es sicherlich konsequent, dass deren Begehung einen Verstoß gegen einen kategorischen Imperativ bedeutet. Dieses Verständnis mag gute Gründe für sich haben, und verträgt sich insbesondere mit Stellen wie derjenigen, in der Kant behauptet, dass alle Rechtssätze a priori seien.327 Zugleich hat diese Interpretation aber mit einer Reihe anderer Probleme zu kämpfen, wie etwa ihrer Verträglichkeit mit den gerade erwähnten Äußerungen und ihrer Infragestellung einer verbreiteten Auffassung, wonach erst der Kritizismus Kants die erkenntnistheoretische Fragwürdigkeit des Naturrechts ans Licht brachte.328 bb) Und jetzt zum Begriff des kategorischen Imperativs. Obwohl Kant ihn bei seiner Einführung in der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ einigermaßen klar definierte als der Imperativ, „welcher eine Handlung als für sich selbst, ohne Beziehung auf einen andern Zweck, als objectiv-nothwendig vorstellte“,329 erscheint es vielen fraglich, ob ihn Kant auch mit dieser Bedeutung in dem von uns untersuchten Satz benützt. So behauptet etwa Patzig, dass das Wort „kategorisch“ nicht so glücklich gewählt sei, denn es werde leicht i. S. von nicht-ausnahmefähig (miss)verstanden.330 Kant selbst sei diesem Irrtum erlegen, indem er in seiner bekannten Erörterung des Problems, ob man lügen darf, um jemandem das Leben zu retten, diese Frage durch den Hinweis auf den kategorischen Imperativ des Nicht-Lügens verneinend beantwortete.331 Man könnte wohl auch 324

Dazu Meurer-Meichsner, Gelegenheitsgesetz, passim. Ähnliche Erwägungen bei Larenz, Sittlichkeit und Recht, S. 288. 326 Naucke, Vergeltungsstrafrecht, S. 87 ff.; ohne direkten Bezug auf das Strafrecht meint auch Larenz, Sittlichkeit und Recht, S. 289 ff., Kants Rechtslehre interessiere sich sehr wenig für das positive Gesetz. Krit. zu Nauckes Deutung Küper, Strafgesetz, S. 496 f. 327 Kant, Metaphysik der Sitten, AB 63. 328 Etwa Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 21; Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 59 f.; ders., Problemgeschichte, S. 68; Hassemer, ZRP 1992, S. 379. 329 Kant, Grundlegung, BA 39; ähnliche Definition bei dems., Kritik der praktischen Vernunft, A 37. 330 Patzig, Kategorischer Imperativ, S. 156 ff., S. 165 ff.; ähnlich neuerdings auch Küper, Strafgesetz, S. 489; Interessanterweise ist gerade dies das Verständnis Feuerbachs, vgl. oben S. 55 und Teil B., Fn. 150. 331 Kant, Vermeintliches Recht, A 303 ff. Es ist sehr umstritten, ob dieses ausnahmslose Lügeverbot zwingend aus dem Kant’schen System folgt: bejahend Ebbinghaus,Verbot der Lüge, S. 410 ff., der die Lüge als Zerstörung der Grundlagen von Verträgen, die Grundlage für das Bestehen eines rechtlichen Zustandes überhaupt seien, betrachtet; und Gillespie, Categorical imperative, S. 94; verneinend Paton, Right to lie, S. 47 ff., 54 ff., für den nach Kant’scher Perspektive nur die grundlegenden Prinzipien, nicht aber moralische Gesetze und Regeln für ausnahmeunfähig erklärt 325

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denken, Kant sei auch hier, bei der Erörterung der Strafe, durch die suggestive Kraft des Adjektivs „kategorisch“ dazu geleitet worden zu behaupten, Strafe müsse – sogar im Inselbeispiel – ohne Ausnahme verhängt werden, weil das Strafgesetz ein kategorischer Imperativ sei. Diese Interpretation von Patzig ist zwar möglich, aber sie ist nicht die einzig mögliche. Denn man könnte mit gleichem, vielleicht sogar höherem Recht behaupten, hier verstehe Kant den kategorischen Imperativ wirklich in dem immer gemeinten Sinne eines Gebotes, das unabhängig von äußeren Zwecken gelte, und dass die daraus abgeleiteten rigorosen Folgen in der Tat eine hinzunehmende (oder sogar: eine zu begrüßende) Konsequenz dieser Begriffsbestimmung seien. So sehen viele, insbesondere aber nicht nur im angelsächsischen Kreis, die Tatsache, dass Kant radikal von den Folgen einer Handlung bei deren moralischer Beurteilung absieht, als Kennzeichen einer sog. deontologischen Ethik.332 Einer solchen deontologischen Ethik würde die Vergeltungsstrafe bestens entsprechen – denn eine Ethik, die nicht nach den Folgen einer Handlung fragt, kann nur dann eine Strafe für richtig halten, wenn diese ohne Hinblick auf irgendwelche Folgen gerecht ist. Man darf nicht übersehen, dass schon Kants Erörterungen des Strafbegriffs in der „Kritik der praktischen Vernunft“ nicht zufällig im Rahmen seiner Ablehnung der Glückseligkeit als Kriterium des Richtigen erfolgen.333 In der heutigen Ethik-Diskussion gilt Kants Moraltheorie für viele als Musterbeispiel einer deontologischen Ethik334 – was aber auch nicht unumstritten ist, wie die berühmte Interpretation Stuart Mills i. S. eines Regelutilitarismus verdeutlicht.335

werden; Timmermann, Dutiful Lie, S. 352, der auf dem Boden Kant’scher Ethik eine Pflicht zur Lüge zu begründen versucht. Freilich versucht man immer wieder, diese Ansichten Kants mit dem billigen Hinweis auf sein hohes Alter zu diskreditieren (so etwa sogar Paton, Right to lie, S. 58 ff.; dagegen zu Recht Oberer, Recht der Lüge, S. 22; Himmelmann, Lüge, 234 ff.). Die Vorgeschichte dieser Problematik beleuchtet Oberer, Recht der Lüge, S. 8 ff. Kants strenge Ansichten in Bezug auf die Lüge sind von Spinoza vorweggenommen worden, vgl. Spinoza, Ethica, Pars quarta, Propositio LXXII, Scholium. 332 Zur genaueren Bestimmung dieses Begriffs unten Teil C., Fn. 62. 333 Kant, Kritik der praktischen Vernunft, A 50, A 61 ff.; die Glückseligkeit als Maßstab der Richtigkeit wird noch etwa in ders., Grundlegung, BA 46, BA 90; ders., Anthropologie, S. 130 abgelehnt. 334 Etwa Frankena, Ethics, S. 17; Düsing, Kants Ethik, S. 233; Schnädelbach, Kant, S. 73; ferner Naucke/Harzer, Rechtsphilosophische Grundbegriffe, Rn. 188, die meinen, in Kants Rechtslehre äußere sich „das Bemühen, die rechtliche Verbindlichkeit ohne Rückgriff auf den Nutzen des Rechts zu begründen“. Nach C. Horn, Wille, Willensbestimmung, Begehrungsvermögen, S. 55 ff., S. 61 nähere sich Kants deontologische Ethik teilweise teleologischen Positionen an. 335 Vgl. nur Mill, Utilitarianism, S. 70; neuerdings mit interessanten Argumenten Cummiskey, Kantian Consequentialism, S. 98 ff. Auch Smart, Utilitarian Ethics, S. 9, rechnet Kant zu den Regelutilitaristen.

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Man darf ferner nicht vergessen, dass sich Kants entschiedene Ablehnung jeder Zweckverfolgung durch Strafe reibungslos in seine anti-eudämonistische Staatstheorie einfügt.336 Kants politische Philosophie kann nicht zuletzt als Antwort auf den aufgeklärten Despotismus337 eines Friedrichs II. angesehen werden, also auf eine Theorie, die den Bürger auch gegen den eigenen Willen zur Glückseligkeit zwingen will.338 Diese politische Einstellung fand einen philosophischen Ausdruck in der Lehre Christian Wolffs, wonach der Zweck des Staates die Vollkommenheit oder das Gemeinwohl sei.339 Dagegen spricht Kant dem 336 Am deutlichsten Kant, Metaphysik der Sitten, A 173 ff./B 202 ff.; ferner ders., Anthropologie, S. 331; zur Ablehnung des Eudämonismus in Kants Staatstlehre Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 31; Nachw. zu den Streitgenossen im naturrechtlichen Schrifttum bei Klippel, Herrschaft der Aufklärung, S. 165. Zu unspezifisch deshalb Frommel, Rebellen, S. 65, die hinter Kants absoluter Straftheorie bloß ein Anliegen der Begrenzung von Staatsmacht sieht. 337 Es sei nebenbei angemerkt, dass sich der Begriff des „aufgeklärten Absolutismus“ unter Historikern immer weniger Beliebtheit erfreut (vgl. Gay, Science of Freedom, S. 682 ff. m. Nachw.). 338 In Friedrichs Schriften findet man keine systematisch ausgearbeitete politische Theorie, sondern eher zerstreute Reflexionen nach dem Vorbild der französischen Aufklärungsbelletristik. Eine klare Stellungnahme i. S. des eudämonistischen Staates findet man daher nicht, außer in isolierten Äußerungen, wie etwa der in ders., Antimachiavel, S. 41: „Das erste Gefühl, welches ein Fürst haben muß, ist das der Vaterlandsliebe, und die einzige Willensrichtung, welche ihm ziemt, ist die, irgend etwas Großes und Nützliches für das Wohl des Staates ins Werk zu setzen“. Auch in ders., Fürstenspiegel, S. 117, liest man den Rat Friedrichs an seinen Neffen Herzog von Würtemberg, dieser solle glauben, „dass Sie von der Vorsehung auf die Welt gerufen sind, um dieses Volk glücklich zu machen“. Manche Äußerungen Friedrichs hören sich sogar sehr kantisch an, eine klare Linie lässt sich aber nicht wirklich finden: vgl. ders., Antimachiavel, S. 30 („Die Tugend sollte das einzige Motiv von Handlungen sein“) einerseits, und S. 79 („Da die Selbstliebe das Prinzip unserer Tugenden ist . . .“) andererseits. Zu Friedrich allgemein Dilthey, Friedrich der Große, S. 83 ff.; zu seiner Staatslehre vgl. ebda. S. 180 ff.; Eb. Schmidt, Friedrich, S. 26 ff. und Freyer, Preußentum und Aufklärung, S. 18 ff.; für seine strafrechtlichen Anschauungen s. Eb. Schmidt, Kriminalpolitik Preußens, S. 28 ff.; ders., Friedrich, S. 30 ff.; ders., Geschichte, § 210, 237 ff.; Willenbücher, Strafrechtsphilosophischen Anschauungen Friedrichs, S. 17 ff.: Abschreckung als primärer Strafzweck; Fuchs, Strafrechtliche Anschauungen Montesquieus und Friederichs, S. 34 ff.; Cattaneo, Illuminismo tedesco, S. 356 ff.; zu den Beziehung zwischen Kant und Friedrich, insb. gegen die verbreitete Auffassung einer Verknüpfung zwischen kategorischem Imperativ und preussischer Disziplin, Kupisch, Kategorischer Imperativ, S. 13 ff., S. 36, S. 45. 339 Vgl. insb. Wolff, Grundsätze, §§ 9 (Vollkommenheit) und 975 (Pflicht eines jeden Bürgers, das „gemeine Beste“ zu befördern); ders., Politik, §§ 215 ff., 218, 224, und insb. 433, wo es heißt: „Ofters verstehen auch die Unterthanen selbst nicht, was zu ihrem Besten dienet und halten das für gut, was ihnen schädlich seyn würde. Und demnach dienet nicht wenig sie zum Gehorsam bereit und willig zu machen, wann man ihnen deutlich zeiget, daß zu ihrem Besten gereiche, was die Obrigkeit befiehlet“. Zu Wolff noch Larenz, Sittlichkeit und Recht, S. 268 ff.; Gay, Science of Freedom, S. 488 ff., der Wolff zu den sog. „Kameralisten“ rechnet, also zu den Philosophen die sich um eine Untermauerung des bürokratischen Polizeistaates bemühten; allgemein zum Eudämonismus des frühen 18. Jahrhunderts Engelhardt, ZhF 8 (1981), S. 37 ff.; Klippel, Herrschaft der Aufklärung, S. 160 ff.; gegen die übliche Einschät-

III. Die Psychologie der psychologischen Zwangstheorie

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Staat jedes Recht ab, sich um die Glückseligkeit seiner Bürger zu bemühen, denn diese sei ein empirischer, deshalb kontingenter und von jedem unterschiedlich verstandener Begriff,340 der gerade darum nicht geeignet sei, ein freiheitliches Rechtssystem zu begründen. Jede präventive Straftheorie wäre aber eine Verfolgung von Glückseligkeitszwecken, mit der zusätzlichen Problematik, dass deren Durchsetzung mittels Zwanges stattfinden würde. Die Befugnis zu zwingen, die dem Recht schon begriffsnotwendig inne wohnt,341 lässt sich nur um der Gewährung von Rechten, nicht aber um der Glückseligkeit willen ausüben. 6. Als Fazit ist folgendes festzuhalten: Kants Straftheorie findet in seinem System sehr wohl eine Stütze. Aber Gleiches lässt sich von Feuerbachs Straftheorie behaupten. Der Kritizismus ist keine eindeutige Philosophie, dem nur eine Straftheorie entsprechen kann. Viele seiner grundlegenden Konzepte sind vielmehr im höchsten Maße unklar und umstritten, so dass sie einen Spielraum für unterschiedliche Konkretisierungen offen lassen. Man könnte auch ohne größere Schwierigkeiten einen ähnlichen Nachweis in Bezug auf das Verhältnis von Kant und Grolman führen,342 was hier aber unseren Rahmen sprengen würde. Zusammenfassend kann man sagen: Die Vergeltungstheorie Kants verträgt sich bestens mit dem deontologischen Charakter der Kant’schen Ethik und mit seiner anti-eudämonistischen Staatslehre, während die präventive Theorie Feuerbachs besser der Kant’schen Unterscheidung von Legalität und Moralität und den in Kants Philosophie dargelegten Grenzen der theoretischen Vernunft entspricht. Die Straftheorien sowohl Kants als auch Feuerbachs dürfen auf ihre Kant’sche Herkunft stolz sein.

III. Die Psychologie der psychologischen Zwangstheorie 1. War die gerade untersuchte Problematik hoffnungslos umstritten, herrscht bei der jetzt zu behandelnden der für die Strafrechtswissenschaft äußerst seltene Zustand der Einhelligkeit. Man geht allgemein davon aus, dass (erstens) Feuerzung Wolffs als Sprecher des aufgeklärten Absolutismus aber Link, Wolff, S. 186. Fast naiv mutet die Ansicht Willenbüchers, Strafrechtsphilosophische Anschauungen Friedrichs, S. 62 f., an: Friedrich sei im Unterschied zu Wolff kein Vertreter einer Position, wonach das Individuum hinter der Gesamtheit völlig verschwinde, sondern vielmehr des „Humanitätsgedankens“. 340 Vgl. oben Teil B., Fn. 333. 341 Kant, Metaphysik der Sitten, A 35/B 35. 342 Zu dieser Beziehung vgl. die Darlegungen Cattaneos, Grolman, S. 93 ff., die m. E. noch vom üblichen, allzu einheitlichen Bild der Philosophie Kants ausgehen (anders aber ders., Metafisica del Diritto, S. 231 ff., mit der interessanten Bemerkung, wonach sowohl Feuerbach als auch Grolman dem Freiheitsverständnis Kants verpflichtet seien – nur verstehe ersterer darunter die libertà morale, letzterer die libertà del volere, dazu oben Teil B., Fn. 322). E. Baumgarten, GS 81 (1913), S. 129 f. zeigt übrigens, wie sich die Philosophie Kants auf so unterschiedliche Juristen wie Feuerbach, Hugo und Thibaut auswirken konnte.

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bachs Straftheorie vom psychologischen Bild eines rationalen, Lust und Unlust abwägenden Täters ausgehe, und dass (zweitens) dieses Bild unrealistisch und daher abzulehnen sei. In der Regel geht man noch einen Schritt weiter und behauptet, dass (drittens) die psychologische Zwangstheorie auch deshalb verworfen werden müsse, weil sie auf einer falschen Psychologie fuße. In diesem rechtsgeschichtlichen Teil geht es uns vor allem um die erste Behauptung, d.h. um die Frage, ob Feuerbach wirklich ein solches Modell vertreten hat. Es wird aber nicht zu vermeiden sein, zugleich zum zweiten und dritten Punkt schon an dieser Stelle einiges zu sagen, freilich unter dem Vorbehalt, später auf diese Frage noch einmal zurückzukommen [nämlich unten II. D. 3. b) (S. 359 ff.) und d) (S. 371 ff.)]. Wie erwähnt, wird Feuerbach von allen seinen schreibenden Lesern eine rational-choice-Psychologie zugeschrieben. So äußert sich z. B. Arthur Kaufmann: „Feuerbach glaubte – insofern noch ganz dem Rationalismus der Aufklärung verhaftet – daß der Entschluß zu einer Tat stets unter Abwägung der treibenden und hemmenden Motive erfolge . . .“.343 Ähnlich meint Naucke: „Der rational kalkulierende Täter . . . ist der Gegner, auf den die psychologische Zwangstheorie reagieren will“.344 Lüderssen nennt Feuerbachs Straftheorie aus diesem Grunde eine „naive Konzeption“.345 Erik Wolf diagnostiziert, dass in Feuerbachs Straftheorie „noch der anti-voluntaristische, rationalistische Grundsatz des späten 18. Jahrhunderts lebt“, und kritisiert: „Die kriminologische Erfahrung zeigt, daß ein Verbrechensentschluß höchst selten auf bewußter Abwägung der Lustund Unlustmotive beruht“.346 Und nach Jakobs hat „das Modell . . . Mängel, die es unbrauchbar machen: Weder beruhen alle Taten auf einem rationalen Kalkül der Tatfolgen, noch stellt ein rationales Kalkül auf rechtlich notwendige Sequenz von Tat und Strafe ab“.347 Es wäre unschwer möglich, diesen Katalog von geringschätzenden Stellungnahmen beliebig zu erweitern.348 343

Art. Kaufmann, Feuerbach, S. 256. Naucke, Feuerbachs Stratatbegriff, S. 196, aber ohne kritischen Ton; ähnlich, Hermann, GA 1991, S. 522. 345 Lüderssen, Deliktssystem, S. 70. 346 E. Wolf, Feuerbach, S. 557. 347 Jakobs, AT2, § 1/28. 348 Für weitere Beispiele etwa Andenaes, General Prevention, S. 7; ders., Preventive Effects, S. 42; Baurmann, GA 1994, S. 371; Blau, Feuerbach, S. 40; Cattaneo, Hommel, S. 128; Demetrio Crespo, Prevención general, S. 101; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 108; Ehret, Gesetzlichkeitsprinzip, S. 36; Feijoo Sánchez, RPCP 11 (2002), S. 380; Fiandaca/Musco, PG3, S. 645; v. Gemmingen, MSchrKrimPsych 24 (1933), S. 189; Haffke, Rückwirkungsverbot, S. 104, 106; ders., Tiefenpsychologie, S. 63, 81; Hassemer, Einführung2, S. 309; ders., Positive Generalprävention, S. 34; Herzog, Prävention des Unrechts, S. 41; Kaiser, General Deterrence, S. 350 f.; Köhler, Strafrechtsbegründung, S. 30; Kühl, Bedeutung der Rechtsphilosophie, S. 29; Lange, JZ 1978, S. 542; Lamnek, Theorien7, S. 66; Maultzsch, ARSP-Beiheft 87 (2003), S. 93; Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 35; Pott, KritV 82 (1999), S. 93; Prittwitz, Straf344

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2. Der erwähnte Einwand ist aber keineswegs so klar, wie er es auf den ersten Blick zu sein scheint. Was genau der „Rationalismus der Aufklärung“ oder der „anti-voluntaristische, rationalistische Grundsatz des 18. Jahrhunderts“ sein sollen, bleibt weitgehend im Dunklen.349 Wenn damit gemeint ist, dass die Aufklärung in ihrer Ganzheit kein Verständnis für Leidenschaften und andere „Angelegenheiten des Herzens“ gehabt habe, weil sie den Menschen auf die kalte Vernunft verkürzte, dann trifft das einfach nicht zu. Dieses unter Juristen nicht hinterfragte pauschalisierende Bild der Aufklärung ist nämlich von der neueren philosophiegeschichtlichen Forschung weitgehend revidiert worden. a) Max Wundt betonte bereits in den 30er Jahren, die „neuere literarische Forschung (habe) mit dem Gedanken aufgeräumt, als ob die Aufklärung eine wesentlich rationalistische Zeit in einem unbedingten Gegensatz zu den irrationalen Bewegungen stünde“.350 Der angebliche Rationalismus der Aufklärung entstehe durch deren Verkürzung auf Leibniz und Wolff.351 Schon die klassischen Arbeiten von Hazard und Cassirer stellten ihn in Frage: Der erste betonte die prominente Rolle der Leidenschaften in der aufklärerischen Moralphilosophie,352 und Cassirer führte viele einzelne Belege zur Berücksichtigung von Gefühlen und Leidenschaften seitens der Aufklärer auf.353 Die jüngere Forschung hat diese ersten Ergebnisse nicht nur bestätigt, sondern auch zu Ende gedacht. Crocker behauptet auf Grund reichlichen Materials – auch unter Einbeziehung weniger bekannter Autoren des 18. Jahrhunderts – dass „the consensus of opinion, in the eighteenth century, (is) that men, despite their possesion of recht und Risiko, S. 212; Radbruch, MschrKrim 6 (1909–1910), S. 4 ff.; ders., Mensch im Recht, S. 10; Rogall, Abschreckung, S. 246; ders., Justizmord?, S. 55 f.; Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 78; Eb. Schmidt, Kulturkrise, S. 10; ders., SchwZStr 45 (1931), S. 207 f., 215; ders., MSchrKrimBio 1942, S. 210; Schünemann, Strafzumessung, S. 222; Schumann, KrimJ 1996, S. 293; Silva Sánchez, Aproximación, S. 212; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 180; Torío López, RFDUC 11 (1986), S. 671 f.; Werner, KritV 1992, S. 438; Würtenberger, Menschenbild, S. 22. Wohl auch Mezger, MSchrKrimPsych 19 (1928), S. 387; Müller-Dietz, Strafbegriff und Strafrechtspflege, S. 29; Silva Sánchez, ADPCP 49 (1996), S. 107 f.; Waiblinger, Nullum crimen, S. 226. 349 Kritisch zur Unklarheit des Rationalismus-Vorwurfs sogar Hirschberger, Philosophie II, S. 257, dessen Darstellungen der Aufklärung dem traditionellen Bild noch weitgehend entsprechen. 350 M. Wundt, ZfdKph II (1935), S. 227. 351 M. Wundt, ZfdKph II (1935), S. 231 ff. 352 Hazard, Penseé europeénne, Bd. I, S. 221, Bd. II, S. 38, 47, insb. S. 109 ff., wobei er schwankend die Leidenschaften einerseits für Bestandteil einer spannungsvollen und eklektizistischen Aufklärung, andererseits doch für eine „Zersetzung“ bzw. „désagrégation“ derselben (so die Überschrift des dritten Abschnitts des Buches) erklärt. Kritisch zu dieser Einstufung als Zersetzung Dieckmann, Eighteenth Century, S. 220. 353 Cassirer, Philosophie der Aufklärung, S. 139 ff.; zustimmend Dieckmann, Eighteenth Century, S. 223. Einige dieser Belege werden im weiteren Verlauf des Textes erwähnt.

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reason, do not live like reasonable beings; instead of following their reason in some objective way, they prostitute it to their passions or interests“.354 Das sog. Zeitalter der Vernunft sei also eher davon ausgegangen, dass der Mensch doch nicht vernünftig sei.355 Dixon datiert sogar die Erfindung des sekulären Begriffs der „Emotionen“, der in der Geschichte der Psychologie andere Termini wie „Affekte“ oder „Leidenschaften“ verdrängt hat, auf die Aufklärungszeit, insb. auf die schottische Aufklärung;356 Atkinson weist durch mehrere Zitate minder prominenter französischer Schriftsteller nach, dass Gefühle schon von der frühaufklärerischen ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entdeckt wurden, wobei er von einer richtiggehenden „Sentimental Revolution“ spricht;357 Krailsheimer erklärt eine Leidenschaft, nämlich die Selbstliebe, zum leitenden Gesichtspunkt der Moralphilosophie des 17. Jahrhunderts.358 Peter Gay ist der Auffassung, die aufklärerische Vernünftigkeit sei nicht mit Gefühllosigkeit zu identifizieren, sondern bloß mit dem Recht, alles zu hinterfragen und der Kritik zu unterwerfen;359 die Aufklärung selbst sei aber „not an age of reason but a revolt against rationalism“.360 Xavier Martin versucht u. a. kritisch nachzuweisen, dass die Aufklärung keineswegs eine Aufwertung des Menschen und seiner Vernünftigkeit bedeutete, sondern dass sie ihn systematisch zur Maschine und zum Tier degradierte.361 Und die grundlegende neuere Untersuchung von Kondylis erklärt das überlieferte Bild der Aufklärung zu einer insb. von der Romantik kreierten „Legende“,362 denn im Grunde stehe die Aufklärung unter dem Leitmotiv der 354

Crocker, An Age of Crisis, S. 225. Crocker, Age of Crisis, S. 251. Siehe auch S. 188 ff., S. 218 ff. Die Beschreibung auf S. 238, wonach nicht die Vernunft, sondern nur die Leidenschaft der Leidenschaft entgegenstehen könne („as fire can fight fire“), passt nicht nur auf die von Crocker erwähnten Diderot, Vauvernagues, Marat u. a., sondern zudem haargenau auf Feuerbachs Formulierung wonach man „durch die Sinnlichkeit auf die Sinnlichkeit“ (S. 45) einzuwirken habe. Vgl. auch ders., Introduction, S. 1 f. 356 Dixon, From Passions to Emotions, S. 98 ff. 357 Atkinson, The Sentimental Revolution, passim. 358 Krailsheimer, Studies in Self-interest, passim. 359 Gay, Modern Paganism, S. 127 ff., 141 ff., S. 150. 360 So wörtlich in seinen zwei Büchern Gay, Modern Paganism, S. 141; ders., Science of freedom, S. 189. Ferner ebda., S. 625: „Of all the labels imposed on the Enlightenment, the label ,Age of Reason‘ has been the most persistent, and the most damaging. It is accurate only if ,reason‘ is read to mean ,criticism‘ and counterposed to ,credulity‘ or ,superstition‘. Unfortunately, historians have gone much further and equated ,reason‘ with coldness. (. . .) This myth of a prosy, presumptuous precision, of a cold rationalism, was invented by the German Romantics, although Burke had a share in it, and it haunts our estimation on the Enlightenment to this day“. Gegen die Bezeichung „Zeitalter der Vernunft“ auch Vierhaus, Was war Aufklärung?, S. 6. 361 Martin, Nature humaine, S. 11, S. 39 („Verachtung des Menschen“ als zentrales Motiv), S. 140 ff. (Tier), S. 159 f. (Maschine). 362 Kondylis, Aufklärung, S. 34, S. 339, S. 541 f. (gegen die verbreitete Auffassung, vertreten etwa von Wolff, Deutsche Aufklärung, S. 237–238, wonach die Sturm-undDrang-Bewegung eine Überwindung der Aufklärung sei), S. 648 („Legende von der 355

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von ihm sog. „Rehabilitation der Sinnlichkeit“,363 d.h. eines Kampfes gegen intellektualistisch-rationalistische Tendenzen der Scholastik und des Cartesianismus,364 die eine Aufwertung des Sinnlichen, des Empirischen und der Leidenschaften erziele.365 b) Auch ein unbefangener Blick in die Philosophiegeschichte bestätigt diese Ergebnisse der neueren Untersuchungen: Schon bei den Vorläufern der Aufklärung Descartes und Spinoza sieht man, dass ersterer den Leidenschaften einige seiner letzten intellektuellen Kräfte widmete, obwohl er doch meinte, die Seele könne immer ein „pouvoir absolu“ über die Leidenschaften erlangen.366 Auch Spinoza schrieb ihnen eine zentrale Rolle in seiner Ethik zu, insbesondere indem er behauptete, dass wir nur das „gut“ nennen, was wir schon vorher begehren.367 Im englischen Empirismus spielten die Leidenschaften immer eine wichtige Rolle, so dass sie bei Locke, Hume und Hutcheson quasi den Anspruch erheben, Erklärungsschlüssel für alle menschlichen Handlungen zu liefern. Locke behauptete, ein desire oder eine uneasiness sei der letzte Bestimmungsgrund unserer Handlungen368, und Hume meinte ganz prägnant, „first, that reason alone can never be a motive to any action of the will; and secondly, that it can never oppose passion in the direction of the will“.369 Der moral-sense-Philosoph Hutcheson misst der Vernunft nachrangige Bedeutung zu. Unter Rückgriff auf Grotius unterscheidet er „exciting reasons“ und „justifying reasons“ – intellektualistischen Aufklärung“ als einer der „größten Hindernisse beim Versuch, den geistesgeschichtlichen Wirkungen der Aufklärung auf die Spur zu kommen“); andere Fehlinterpretationen seien auf ideologische Gründe zurückzuführen, wie auf den Liberalismus oder den Marxismus (Kondylis, Aufklärung, S. 25 ff.). 363 Kondylis, Aufklärung, S. 19. 364 Kondylis, Aufklärung, S. 172 f., S. 257 ff., S. 287 ff. 365 Zur prominenten Rolle der Leidenschaften in der Aufklärungsphilosophie vgl. insb. Kondylis, Aufklärung, S. 411 ff., m. v. w. Nachw. Weitere Nachw. zu Studien, die in dieselbe Richtung weisen, bei Pütz, Deutsche Aufklärung, S. 87 ff. 366 Descartes, Passions, art. 50; wobei es nicht so sehr darauf ankommt, ob die Aufklärung als eine Weiterführung (so Troeltsch, Die Aufklärung, S. 356, Hazard, Pensée européenne, Bd. II, S. 34, und Cassirer, Philosophie der Aufklärung, S. 139) oder vielmehr als eine Reaktion auf Descartes (so Kondylis, oben Teil B., Fn. 364) anzusehen ist; i. S. der Ambivalenz Gay, Science of Freedom, S. 145 ff., 148: „mixed reception“. 367 Spinoza, Ethica, Pars tertia, insb. Propositio IX Scholium; Propositio XXXIX Scholium; auch Pars Quarta, Propositio VIII; ferner Cassirer, Philosophie der Aufklärung, S. 139. 368 Locke, Essay, Book II, Chap. XXI, §§ 29 ff. 369 Hume, Treatise, Book II, Part III, Section III. Dort auch die bekannte Stelle: „Reason is, and ought only to be the slave of the passions, and can never pretend any other office than to serve and obbey them.“ Zu den Leidenschaften bei Hume noch Cassirer, Philosophie der Aufklärung, S. 141, und Mounce, Hume’s Naturalism, S. 68 ff.; diese gängige Interpretation wird von Rawls, Lectures, S. 29 ff., in Zweifel gezogen.

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grob gesagt, psychologische Motive und praktische Gründe – und meint, dass „all exciting Reasons presupose Instincts and Affections; and the justifying presuppose a Moral sense“.370 Und Adam Smith versucht auf Grundlage von Gefühlen wie Sympathie seine Moralphilosophie zu errichten.371 Auch bei französischen Autoren wie Vauvernagues, Voltaire, Helvetius, Holbach, LaMettrie und Rousseau kann von einer Missachtung der Leidenschaften keine Rede sein:372 Der erste erklärt die Leidenschaften, und nicht die Vernunft, für das eigentliche Sein des Menschen,373 und Voltaire behauptet, dass nur Leidenschaften wie Ruhmbegierde und Ehrgeiz die Menschheit zum Fortschritt brächten und dass nur Engel, aber nicht Menschen, von Leidenschaften frei seien.374 Für Helvétius sind die Leidenschaften nicht nur die Voraussetzung jeder bedeutsamen Handlung, sondern sogar der Erkenntnis:375 „In der Moral ist die Leidenschaft was in der Physik die Bewegung; sie schafft, vernichtet, bewahrt und beseelt alles, und ohne sie ist alles tot: sie ist es auch, welche die moralische Welt belebt“.376 Der ihm nahe stehende Holbach nennt die Menschen „mehr oder weniger aktive, bewegliche, energetische Maschinen“, sagt, dass die Leidenschaften weder gut noch böse seien, sondern dass sie immer die Glückseligkeit als ihren Gegenstand hätten,377 und führt alles intellektuelle Vermögen, darunter auch das 370 Hutcheson, Essay, Treatise II, Sect. I (S. 138); dazu Garrett, Introduction, S. XVII; Kondylis, Aufklärung, S. 398 ff. 371 A. Smith, The Theory of Moral Sentiments, Part First, Sec. I, Chap. I; dazu ferner Dixon, From Passions to Emotions, S. 65 ff. 372 Vgl. zu den französischen Aufklärern Cassirer, Philosophie der Aufklärung, S. 142 ff., der auch Diderot erwähnt. 373 Vauvernagues, Connaissance, S. 101: „Unsere Leidenschaften sind nicht ein Verschiedenes zu uns selbst; und es gibt welche, die der ganze Grund und die ganze Substanz unserer Seele sind“. Ferner ders., Réflexions et maximes, CXLIX: „Der Geist ist das Auge der Seele, nicht aber deren Kraft; die Kraft liegt am Herzen, d.h. bei den Leidenschaften“; ebda. CLI: „Den Leidenschaften schulden wir vielleicht die größten Vorteile des Geistes“. 374 Etwa Voltaire, Lettres philosophiques, 25. Lettre, LII: „Wer die Leidenschaften zerstören will statt sie zu regulieren veut faire l’ange“; zum Ganzen auch Kondylis, Aufklärung, S. 448. Freilich findet man bei Voltaire auch Sätze, die in die umgekehrte Richtung gehen, vgl. ders., Lettres philosophiques, 25. Lettre, XLVIII. 375 Helvétius, De l’esprit, Discours II, Chapitre XVI; Discours III, Chapitre VI ff.; zur prominenten Rolle der Leidenschaften bei Helvétius Belaval, Helvétius, S. XLIX. Helvetius, D’Holbach und LaMettrie zählen zu den sog. Französischen Materialisten. Zu der von ihnen betriebenen Animalisierung des Menschens Baruzzi, Französische Materialisten, S. 9 ff. 376 Helvetius, De l’esprit, Discours III, Chapitre VI (am Anfang). Ferner meint Helvetius, dass der Mensch sich nur wegen seiner Hände von den Tieren unterscheidet (De l’esprit, Discours III, Chapitre I), was Kondylis zur richtigen Bemerkung veranlasst, dass man sich „eine radikalere Zuspitzung des aufklärerischen Anti-Intellektualismus . . . kaum vorstellen“ könne. Zum großen Ansehen Helvetius’ in Deutschland Dessoir, Deutsche Psychologie, S. 129; über den breiteren Rahmen der damaligen Diskussion über die Seele der Tiere ebda., S. 369 ff. 377 D’Holbach, Systéme de la nature, Premiere Partie, Chap. 9 (S. 176).

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Denken und Überlegen, auf das Fühlen zurück.378 LaMettrie belächelt „diese stolze Vernunft“379 und beginnt seine „L’Art de Jouir“ mit einem Lob des Vergnügens, dieses „souveränen Meisters der Menschen und Götter“, der alles, „selbst die Vernunft“, zum Verschwinden bringe.380 Und auch Rousseau hat wahre Lobreden auf das Gefühl und die Leidenschaften geliefert:381 Alle Leidenschaften, die im „amour de soi-même“ ihre Herkunft haben, seien dem Menschen von der Natur gegeben und deshalb auch gut.382 Einem seiner Charaktere überlässt er es zu sagen, dass er mehr Vertrauen in seinen Instinkt als in die Vernunft setze;383 und sein liebenswürdiger Vicaire Savoyard zieht, nachdem er das eigene Gefühl für das Kriterium der wissenschaftlichen und der moralischen Wahrheit erklärt hat,384 das Fazit: „Für uns bedeutet existieren nichts anderes als fühlen (sentir); unsere sensibilité geht unbestreitbar unserer Intelligenz voraus, und vor den Ideen hatten wir schon Gefühle“.385 In Deutschland bildet sogar Leibniz seinen Begriff der „Monade“ so, dass für sie nicht nur Vorstellungsakte, sondern auch ein Streben in eine bestimmte Richtung, eine Tendenz, die sog. „appetition“, konstitutiv erscheinen.386 Die verschiedenen Affektelehren des 17. Jahrhunderts weiterführend,387 bestreitet Thomasius, „dass das Wesen des Menschen . . . einzig und allein in Gedanken bestehe. Denn die Neigung und der Trieb des Willens ist eine viel edlere Kraft der menschlichen See378

D’Holbach, Systéme de la nature, Premiere Partie, Chap. 8, S. 133 ff., 142 f. La Mettrie, Le Système de Epicure, XXXI. 380 La Mettrie, L’Art de Jouir, S. 349 (erster Satz). 381 Aus diesem Grund wird Rousseau herkömmlich von vielen als Überwinder der Aufklärung bzw. Antizipation der Romantik angesehen (vgl. Dilthey, Friedrich der Große, S. 99; heute statt aller Hirschberger, Philosophie II, S. 252, 255 f.: Rousseau als „Programmwidrigkeit“); dies ist indes in der neueren Aufklärungsforschung, welche die Legende einer gefühlsindifferenten Aufklärung hinter sich gelassen hat, weitgehend widerlegt worden, vgl. Gay, Science of Freedom, S. 530, S. 534; dezidiert Kondylis, Aufklärung, S. 338 ff. (Rousseau als „organischer Bestandteil der Aufklärung“), S. 542. 382 Rousseau, Émile, Livre Second, S. 111, Livre Quatrième, S. 275. 383 Rousseau, Julie ou La Nouvelle Heloise, Seconde Partie, Lettre XVIII. 384 Rousseau, Émile, Livre Quatrième, S. 350 (Wahrheit im Allgemeinen), S. 372 (das moralische Gefühl des Gewissens als Wahrheitskriterium bei moralischen Fragen). 385 Rousseau, Émile, Livre Quatrième, S. 377. Ich habe das Wort „sensibilité“ absichtlich auf Französisch gelassen, da die in der deutschen Sprache in Betracht kommenden Kandidaten, Sinnlichkeit und Empfindsamkeit, beide philosophisch vorbelastet sind (Sinnlichkeit hört sich empiristisch, Empfindsamkeit romantisch an), und genau desjenigen ermangeln, was dem französischen Wort innewohnt, nämlich die Ambivalenz, gleichzeitig den Sinngehalt beider deutschen Begriffe andeuten zu können. 386 Vgl. Leibniz, Monadologie, § 15; darauf macht Cassirer, Philosophie der Aufklärung, S. 140 f. treffend aufmerksam. 387 Über diese Lehren berichtet ausführlich Schneiders, Naturrecht und Liebesethik, S. 183 ff. 379

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len als das Denken des Verstandes“.388 Sogar beim Wolffianer Meier sind die Leidenschaften entgegen ihrem Namen nicht bloß passiv, sondern „Handlungen der Seele“, Ausfluss der intensivsten seelischen Aktivität.389, 390 Und auch bei Kant spielen die Leidenschaften eine wichtige Rolle, da er das Lustgefühl als die Triebfeder aller nicht moralgeleiteten Handlungen benennt,391 auch wenn er gleichzeitig betont, die Leidenschaften seien insgesamt schädlich.392 Bei den Strafrechtlern des späten 18. Jahrhunderts war es ebenfalls nicht anders: Ihnen waren Handlungen aus Leidenschaft genau so bekannt wie uns. So liest man z. B. beim eklektizistischen Abschreckungstheoretiker Hommel: „Wenn es auf Handlungen ankommt, hat man nicht Zeit, Schlußketten zu überdenken, sondern Dinge so iezt vor Augen liegen, reisen uns dahin. (. . .) Wenn es im gemeinen Leben zu Handlungen kommet, so sind Vorurtheile, Gewohnheiten und Triebe weit stärker als alle Beweisgründe“.393 c) Wenn also der Intellektualismus-Vorwurf überhaupt einen Gegenstand haben soll, dann muss dieser Gegenstand insbesondere Christian Wolff sein, der tatsächlich eine Weiterführung bester scholastischer und cartesianischer Gedanken verkörperte.394 In der Tat war in seiner Philosophie, die Gefühle als wenig 388 Thomasius, Ausübung der Sittenlehre, III, § 21 (= S. 81); ferner ders., Fundamenta, Libri I Caput I §§ XXXVI f. Eine ausführliche Theorie der Leidenschaften entwickelt er ebda. Libri I Caput II. Weitere Nachw. zum Vorrang des Willens vor dem Verstand bei Thomasius in der Textsammlung Ciafardones, Die Philosophie der deutschen Aufklärung, S. 52 ff.; s. ferner dazu Dessoir, Deutsche Psychologie, S. 60, S. 379; E. Wolff, Thomasius, S. 398; Kondylis, Aufklärung, S. 550 ff.; Kuehn, German Aufklärung, S. 311. Während Kuehn, German Aufklärung, S. 324, bezweifelt, ob Thomasius überhaupt zur Aufklärung gehört, sehen ihn andere wie H. M. Wolff, Deutsche Aufklärung, S. 9; Ciafardone, Einleitung, S. 16 und Schneiders, Die wahre Aufklärung, S. 14, als Begründer der Aufklärung in Deutschland an. 389 Meier, Gemütsbewegungen, § 34 (= S. 38 ff., Zitat auf S. 39; dort auch „Ein Mensch, dessen Temperament zu starken Leidenschaften geschickt ist, ist ein Geist voller Feuer, Leben und Thätigkeit“); dazu Kondylis, Aufklärung, S. 562. Freilich nahm Meier in Wolff ’scher Manier an, dass Begierden aus der Erkenntnis entstehen (edba. § 18, S. 21); vgl. Dessoir, Deutsche Psychologie, S. 95. 390 Für weitere Nachweise deutscher aufklärerischer Schrifsteller die sich den Leidenschaften gegenüber positiv einstellten Kondylis, Aufklärung, S. 549 ff. 391 Kant, Kritik der praktischen Vernunft, A 39 ff.; siehe auch Foot, Hypothetical Imperatives, S. 165; Scarano, Moralisches Handeln, S. 139 ff.; Steigleder, Kants Moralphilosophie, S. 22, für die Kant bezüglich nicht-moralischer Handlungen ein psychologischer Hedonist sei. 392 Kant, Anthropologie, S. 251: Affekt und Leidenschaften als eine „Krankheit des Gemüths“. 393 Hommel, Belohnung, S. 119. Übrigens findet man auch bei Hommel eine Unterscheidung zwischen zwei Arten von Bestimmungsgründen des Willens: „Der Wille gründet sich entweder auf thierische Triebe oder auf Vorstellungen des Verstandes“ (ebda., S. 197), die derjenigen Feuerbachs, auf die wir gleich kommen werden, verblüffend ähnelt. Zur Straftheorie Hommels vgl. oben Teil B., Fn. 75. 394 So Kondylis, Aufklärung, S. 545 ff.; Hirschberger, Philosophie II, S. 260, hebt die Verbindung zur philosophia perennis hervor; die Vernachlässigung unserer „sinn-

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deutliche Anschauungen des Verstandes begriff,395 die den Willen auf die Vorstellung, eine Sache sei gut, reduzierte,396 kaum Platz für die „dunkelsten Gegenden der Seele“, wie Herder später kritisch bemerkte.397 Doch darf man weder die gesamte Aufklärung auf die Erscheinung Wolffs reduzieren, noch ist ein Zusammenhang zwischen Feuerbach und der Wolff ’schen Tradition je herausgearbeitet worden. Es ist deshalb schon jetzt zu sagen, dass der vermeintliche „Intellektualismus der Aufklärung“ eine allzu grobes, pauschalisierendes und deshalb weitgehend fiktives Etikett darstellt, so dass man ganz im Gegenteil überrascht sein müsste, wenn Feuerbach tatsächlich gegen den Zeitgeist ein intellektualistisches Täterbild vertrete würde. Das ist denn auch, wie wir sehen werden, gerade nicht der Fall. 3. Wäre Feuerbach in der Tat so naiv vorgegangen und hätte er tatsächlich alle Verbrecher für kühl kalkulierende vernünftige Köpfe gehalten, dann könnte man ihn wahrscheinlich gerade wegen dieser Annahme tadeln und wäre vielleicht sogar gezwungen, seine gesamte Straftheorie zu verwerfen.398 So meine lichen Seiten“ durch Wolff und seine Schüler stellt auch Kuehn, German Aufklärung, S. 319 fest. Zum Intellektualismus Wolffs auch Dessoir, Deutsche Psychologie, S. 77 (der darauf besteht, dass Wolff nicht den ihm oft zugeschriebenen Fehler einer mechanischen Zerteilung der Seele beging), S. 434 ff. Gay, Science of Freedom, S. 625, nennt neben Wolff auch Peter den Großen und den abbé Siéyès als Menschen, die einen solchen Vorwurf verdienen. Für Nachw. derjenigen, die im Anschluss an Wolff eine Reduktion der Gefühle und des Willens auf Vorstellungen vertraten, vgl. Dessoir, Deutsche Psychologie, S. 181 (Tiedemann), S. 252 (Feder), 434 ff., 439, 449. 395 C. Wolff, Psychologia Empirica, § 511, wo Lust (voluptas) definiert wird als „intuitus, seu cognitio intuitiva perfectionis cujuscunque, sive vera, sive apparentis“. 396 C. Wolff, Psychologia Empirica, § 880; ders., Psychologia Rationalis, § 517. Nach Wolff waren Motive nichts anderes als die Vorstellung eines Guten, Psychologia Empirica, § 890. 397 Herder, Ueber Wolff, S. 157, wo es ferner heißt: Wolff „spricht von den untern Kräften der Seele als ein Geist von seinem abgeschiedenen Körper“. 398 Ich sage „vielleicht“, nicht nur, weil das genaue Verhältnis der psychologischen Zwangstheorie zu einer bestimmten Psychologie keineswegs so klar ist, wie allgemein angenommen, so dass es zumindest zweifelhaft wäre, die Theorie stehe und falle mit der Wahrheit eines bestimmten psychologischen Modells [zu dieser Frage weiter in diesem Abschnitt und noch unten D. II. 3. b) und d) (S. 360 f., 369 ff., 374)], sondern auch weil das rational-choice-Modell unter heutigen Vertretern ökonomischer Modelle des Strafrechts [siehe G. Becker, Crime, S. 1 ff.; Ehrlich, Illegitimate activities, S. 70 f.; Posner, Economic Analysis4, S. 223; ders., StanLRev 50 (1997–1998), S. 1551 ff.; Schmidtchen, Prävention und Menschenwürde, S. 245 Fn. 1, 250 ff.; Urbina Gimeno, RDPC 2. Folge, Sondernummer 2 (2004), S. 38 ff.] oder des Rechts im Allgemeinen (Eidenmüller, Effizienz, S. 28 ff.; ders., JZ 2005, 216 ff. der das Modell durch die Erkenntnis der modernen kognitiven Psychologie bis an die Grenzen menschlicher Rationalität bereichern will), Soziologen (etwa Hill, Rational choice, S. 5, S. 74: Rational-Choice-Ansatz als „das einzige echte Paradigma in der Soziologie“, m. w. Nachw.) und Kriminologen [insb. unter den Vertretern des „routine activities approach“, Cornisch/Clarke, Displacement, S. 45 ff.; Felson, Crime, S. 23 ff.; und das von Cornish/Clarke hrsgg. Sammelband „The Reasoning Criminal“ (1986)] sich

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ich denn auch, dass sich die einhellige Meinung an dieser Stelle irrt, und dass ihre Beschreibung von Feuerbachs Psychologie höchst ungenau und unzutreffend ist. Es fällt auf, dass die Kritiker Feuerbachs hier bloß behaupten, ohne einen einzigen Quellennachweis vorzeigen zu können. Hätten sie dies aber versucht, wären sie zum Scheitern verurteilt, denn Feuerbach hat nicht nur niemals behauptet, dass jeder Verbrecher Lust und Unlust, Nutzen und Kosten seiner Handlungen abwägt; er hat vielmehr diese Ansicht ausdrücklich und in langer Auseinandersetzung abgelehnt! a) Feuerbach unterscheidet sehr deutlich zwei Arten vom sog. „Begehrungsvermögen“:399 zunächst das von ihm so genannte willkürliche Begehrungsvermögen, das die Beschaffenheit und die Folgen der einschlägigen Handlung sorgfältig prüft und sie mit den Folgen der Unterlassung derselben Handlung vergleicht, oder in Feuerbachs eigener Umschreibung: „Dieses Vermögen heißt das Vermögen der Willkür, d.h., das Vermögen des Menschen, sich nach Begriffen, mit dem Bewußtsein der Selbstthätigkeit zu bestimmen“.400 Dieser Mechanismus der Willensbestimmung ist in der Tat intellektualistisch. Feuerbach beschreibt ihn folgenderweise weiter: „Durch dieses Vermögen bestimmen wir uns also nicht nach einzelnen sinnlichen Vorstellungen, nach dem bloßen, unmittelbaren Antriebe der Lust; sondern nach Begriffen und Grundsätzen durch vorhergehende Vergleichung und Wahl. Mit diesem Vermögen greifen wir in den Mechanismus des thierischen Begehrens ein; erheben uns über den Eindruck des Gelüstens; erwägen den Gegenstand unsres Gelüstens nach seinen Eigeneiner erneuten Akzeptanz erfreut. Auch Vertreter anderer kriminologischer Theorien versuchen, die Einsichten der rational-choice-Theorie in ihre Überlegungen zu integrieren, vgl. z. B. Akers, JCrimL&Criminology 81 (1990–1991), S. 655. Selbst wenn also die gängige Interpretation Feuerbachs stimmen würde, wäre das Bild eines vernünftig handelnden Delinquenten kein Grund, die Feuerbach’sche Theorie so leicht abzutun, wie es die Kritiker machen. Zu dem Ansatz allgemein noch Wittig, Der rationale Verbrecher, S. 51 ff., die dem Ansatz kritisch gegenüber steht [etwa S. 138 („tautologisch“), 179]; dem Modell als normativer Unterstellung zust. Silva Sánchez, ADPCP 49 (1996), S. 98 ff., 105 f. Im Übrigen ist zu betonen, dass Bentham, Introduction, Chap. XIV 28 tatsächlich vertrat, dass „all men calculate“. Vielleicht ist das eine weitere Quelle des Irrtums, auch Feuerbach diese Meinung zuzuschreiben. 399 Dieser aus der Kant’schen Philosophie entlehnte Begriff wird von Kant in einer wichtigen Fußnote der Kritik der praktischen Vernunft zusammen mit den Begriffen Leben und Lust so definiert: „Leben ist das Vermögen eines Wesens, nach Gesetzen des Begehrungsvermögens zu handeln. Das Begehrungsvermögen ist das Vermögen desselben, durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein. Lust ist die Vorstellung der Übereinstimmung des Gegenstandes oder der Handlung mit den subjectiven Bedingungen des Lebens, d. i., mit dem Vermögen der Causalität einer Vorstellung in Ansehung der Wirklichkeit ihres Objects“ (Kant, Kritik der praktischen Vernunft, A 16; ausführlicher zum Begehrungsvermögen in dems. Anthropologie, S. 251 ff.). Zu einem wichtigen Unterschied zwischen den Begriffen Kants und Feuerbachs siehe unten Teil B., Fn. 435. 400 Feuerbach, Revision II, S. 155.

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schaften und seinen Folgen; vergleichen ihn mit den contradictorisch oder conträr entgegenstehenden Zwecken und Handlungen; vergleichen ihn mit den Regeln unsers Verstandes und reflectieren, ob oder wie weit jene Gegenstände des Begehrens mit unsern Zwecke wirklich übereinstimmen, welches die Mittel zur Erreichung jenes Gegenstandes, und ob sie wieder Mittel zu den Zwecken unseres Lebens sind“.401 Die zitierte Stelle scheint in der Tat der überlieferten Lektüre Recht zu geben, denn hier wird ein höchst rationaler und abwägender Entscheidungsvorgang beschrieben. Trotzdem ist das nur die halbe Wahrheit. Feuerbach hat gerade einige Seiten vor der eben erwähnten Stelle einen anderen Entscheidungsmechanismus erläutert, dem keine dieser intellektualistischen Eigenschaften zukommt. Diese zweite Art vom Begehrungsvermögen heißt das tierische Begehrungsvermögen, und funktioniert unabhängig von jeglicher Reflexion.402 Es wird von Feuerbach so gekennzeichnet: „In dem Subjecte ist eine sinnliche, unmittelbar in der Anschauung gegebene einzelne Vorstellung A. gegenwärtig, mit welcher die Vorstellung B., von ihrer Eigenschaft, ein angenehmer Gegenstand des Gefühls zu seyn, verbunden ist. Diese Vorstellung B. erregt nun in dem Subjecte, vermöge seiner sinnlichen Natur ein Gelüsten, die Neigung des Gemüths, zu der Wirklichkeit des Gegenstandes, zu der wirklichen Verknüpfung dieser Lust mit seinem Bewußtseyn . . .“.403 Zu dieser Stelle werden wir gleich zurückkommen; betrachten wir aber zunächst die Gegenüberstellung hier eines reflektierenden, intellektualistischen und dort eines fühlenden, irrationalistischen Entscheidungsmechanismus etwas näher. Um diese Unterscheidung zu erläutern, formuliert Feuerbach ein Beispiel, das wiederum wörtliche Zitierung verdient:404 „Ein Mensch hat mich auf das heftigste beleidigt und dadurch meinen Haß gegen sich erregt. Diese Leidenschaft treibt mich an, ihn zu tödten. Die Vorstellung von dem Tode meines Feindes erscheint mir als ein angenehmer Gegenstand des Gefühls (es entsteht das Gefühl der Rache), dieses Gefühl wird unmittelbar die Triebfeder des Begehrens und – ich morde. Hier bin ich Mörder, ohne mich willkührlich zu der Tat bestimmt zu haben. Ohne Überlegung, ohne Reflexion, ohne Vergleichung derselben mit den Begriffen und Zwecken des Verstandes, hat mich die Flamme des

401

Feuerbach, Revision II, S. 155. Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 218; ders., Revision II, S. 149 ff. 403 Feuerbach, Revision II, S. 149 f. 404 Ich bitte den Leser allgemein um Verzeihung für die vielen wörtlichen Zitate dieses Abschnittes, die sich aber als unbedingt notwendig erweisen, um den einhelligen Irrtum überzeugend bloßzustellen. Wenn man weiterhin mit der gesamten Literatur Feuerbach zu einem rational-choice-Theoretiker herabsetzen will, dann muss man diese Stellen zumindest erwähnen und sich damit auseinandersetzen. Wie aber ein derartiges Unterfangen erfolgreich sein kann, ist mir nicht ersichtlich. Die Herausforderung dazu besteht trotzdem. 402

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Gefühls die Rache ergriffen und in jene Übertretung gestürzt.“405 Diesem Totschläger aus Leidenschaft wird ein „Tödtschläger aus Willkür“406 gegenübergestellt: „Man denke sich aber, die Willkür war der Grund jener That. Es regt sich das Gefühl der Rache jener Beleidigung in mir. Ich halte mich zurück und unterbreche die Wirkung meines Hasses. Ich bedenke, daß der Mann nur in der Hitze gefehlt hat; . . . ich erwäge ferner, daß mich Strafe treffen wird, wenn ich meinen Begierden folge, und daß mir die Strafe, mit welcher das Gesetz den Mord bedroht, die Befriedigung aller andern Bedürfnisse unmöglich macht; . . . ich erwäge endlich, daß ich schon durch diese und jene Mittel, mich der spähenden Gerechtigkeit entziehen könne und daß ich eine sehr gegründete Hoffnung habe, die Barmherzigkeit der Richter und die Theorie von Milderungsgründen werden schon meine Sache zu wenden und zu drehen wissen, daß mich nicht Drohung des Gesetzes, sondern eine andere Strafe treffen werde, die ich mir noch zu ertragen getraue. Ich morde nun . . . Meiner That liegt Ueberlegung zum Grunde; ich wähle nach Regeln zwischen contradictorisch entgegengesetzten Handlungen, zwischen der Begehung und der Unterlassung der That“.407 Ferner macht das Beispiel einen wichtigen Punkt deutlich: Die menschliche Entscheidung wird prinzipiell vom tierischen Begehrungsvermögen völlig allein getroffen, ohne Einmischung der Willkür. Diese wird nur gelegentlich aktiv, indem sie in den Gang der Leidenschaften eingreift,408 um eine reflektierte Entscheidung zu treffen. Das reflektierte Handeln, sagt Feuerbach ausdrücklich, ist eigentlich die Ausnahme: „Die wenigsten Verbrecher handeln aus Ueberlegung und nach vorgängiger Abwägung der Gründe für und gegen den Entschluß zur That“.409 Aber selbst diejenigen, die nur unter Befolgung des tierischen Begehrungsvermögen handelten, hätten das Bewusstsein der Strafbarkeit und könnten durch das Strafgesetz gegenmotiviert werden, letzteres einzig und allein wegen der Wirksamkeit eines psychologischen Mechanismus: der „Phantasie“, die durch das psychologische „Gesetz der Ideenassoziation“ beherrscht werde.410 Die Phantasie „als ein Vermögen, das selbst zur Sinnlichkeit gehört“,411 – und 405

Feuerbach, Revision II, S. 156 (Kursivsetzung von mir). Feuerbach, Revision II, S. 157. 407 Feuerbach, Revision II, S. 156 f. 408 So wörtlich die schon zitierte Stelle bei Feuerbach, Revision II, S. 155: „Mit diesem Vermögen greifen wir in den Mechanismus des thierischen Begehrens ein . . .“ (vgl. oben bei Teil B., Fn. 401); und ferner der bei der Erörterung des Beispiels auftauchende Text (oben bei Teil B., Fn. 407), insb. „Ich halte mich zurück und unterbreche die Wirkung meines Hasses“. 409 Feuerbach, Revision II, S. 319 (Kursivsetzung von mir). Ironischerweise hat man später Feuerbach genau dasjenige entgegengehalten, was er schon immer gewusst hatte, und sich dabei häufig gedacht, er sei der Naive. 410 Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 216; ders., Revision II, S. 162 ff. 411 Feuerbach, Revision II, S. 162. 406

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also nichts mit dem Verstande zu tun habe – knüpfe „nach dem Gesetze ihrer Wirksamkeit die Vorstellung der Strafe an die Vorstellung der That“ und stelle „den Anlockungen des Verbrechens, dem Stachel des gegenwärtigen Bedürfnisses, welcher zur Uebertretung fortreißt, ihre künftigen Drohungen gegenüber“.412 „Aus der bloßen, durch die Phantasie reproducierten Vorstellung der Strafe, entspringt ohne alle Reflexion eine unmittelbare Affektion des Gemüths, nemlich die Furcht vor dieser Strafe, welche schon dadurch den Mechanismus des thierischen Begehrens hemmt“.413 Die Furchterregung erfolge also nicht durch (menschlich-willkürliche) Reflexion, sondern durch (tierisch-automatische) Assoziation. b) Diese zuletzt erwähnten Stellen erweisen sich nun als der Schlüssel zu Feuerbachs Psychologie: Sie hat nichts zu tun mit heutigen, hauptsächlich aus der Wirtschaftslehre herkommenden Versionen der negativen Generalprävention, die von einem rational-choice-Modell ausgehen.414 Streng genommen stützt Feuerbach sich auf die wichtigste Tradition in der Psychologie, nämlich auf die Assoziationspsychologie, und vertritt, dass wenn das Delikt mit der Strafe psychologisch assoziiert sei, der potentielle Straftäter nicht an das Delikt denken könne, ohne dass ihm die Strafbarkeit ins Bewusstsein trete. Aus zwei Gründen überrascht es umso mehr, dass die einhellige Literatur das Verhältnis Feuerbachs zur Assoziationspsychologie verkennt: erstens weist Feuerbach selbst darauf hin, nämlich an den Stellen, die gerade zitiert wurden,415 und zweitens war Deutschland zu dieser Zeit ein „Tummelplatz assoziationspsychologischer und materialistischer Theoreme Hartley-Humescher und Holbachscher Färbung“,416 die sowohl bei Psychologen als auch bei Strafrechtlern Eingang fanden.417

412

Feuerbach, Revision II, S. 163. Feuerbach, Revision II, S. 163. 414 Nachw. oben Teil B., Fn. 398. 415 Vgl. die letzten Fn. 416 Felix Günther, Wissenschaft vom Menschen, S. 68. 417 Zu den Psychologen vgl. die Nachw. bei Dessoir, Deutsche Psychologie, S. 178 (Eberhard), S. 186 (Schulze), S. 197 (Sulzer), S. 203 (Heydenreich), S. 207 (Dorsch), S. 216 (Krüger), S. 222 (Irwing), S. 232 ff. (Herz, Maass, Hoffbauer und Jakob), S. 252 (Feder), S. 257 (Meiners), S. 266 (Abel), S. 339 u. 342 (Tetens), S. 391 ff. (eingehend zu den einzelnen Assoziationsgesetzen der Autoren), S. 430 (Assoziationspsychologie und Entstehung der Sprache), S. 494 (Assoziationspsychologie und Träume), S. 557 (Pädagogik), S. 599 ff. (Ästhetik). Unter den Strafrechtlern siehe z. B. bei Hommel, Belohung, S. 27, wo vom „mechanischen Gesetz“ gesprochen wird, „daß, wenn viele Dinge auf einmahl und zu gleicher Zeit gesehen (werden), sodann aber nach langer Zeit sich auch nur eines von denen damahls verbundenen Dingen erinnert, alsdenn auch zugleich das andere sich darstellet“; Almendingen, BpRW Bd. II St. II (1804), S. 112, 120, 130; Klein, ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 77, S. 111 (wo die Ideenassoziation ausdrücklich als „thierische Züchtigung nach der bloßen Verknüpfung der Vorstellungen ohne Dazwischenkunst einer Maxime“ bestimmt wird). 413

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aa) In der langen Geschichte der Assoziationspsychologie gibt es eigentlich nichts, was sie als intellektualistisch-rechnerisch brandmarken könnte.418 Dilthey bringt die Dinge auf den Punkt, wenn er von den „dunklen animalischen Kräften der Assoziation“ spricht.419 Bei Descartes wird der Assoziationsgedanke vollständig materialisiert und auf die Striche und Löcher, welche die physiologische Bewegung der sog. esprits animaux420 im menschlichen Gehirn hinterlässt, reduziert: Man könne sich etwa an eine gesehene Sache erinnern, weil die esprits, die den Gehalt dieses Sinneseindrucks ins Gehirn brächten,421 dort kleine Löcher bohrten, die später immer wieder von esprits besetzt werden könnten.422 Auch bei Spinoza spielt der Assoziationsgedanke bei Erinnerungen und beim Entstehen von Lust- und Unlustgefühlen eine Rolle.423 Es ist aber die Tradition des englischen Empirismus, die den Assoziationsgedanken am Entschiedensten rezipiert und ihn progressiv zur Grundlage der gesamten Erkenntnistheorie bzw. -psychologie ausgebaut hat. Bei Bacon waren zunächst die Assoziationen den Vorurteilen gleichgestellt, die als „Idole“ den ungehinderten Zugang zur empirischen Wahrheit hemmten.424 Aber schon Hobbes’ mechanistische Psychologie macht weitgehenden Gebrauch von der Assoziation, um die Aufeinanderfolge von Gedanken (conceptions) im „discursion of the mind“ zu erklären: Ein Gedanke bringe den anderen hervor, wenn beide zusammen durch die Sinne entstanden seien.425 Locke – übrigens der erste, der die Bezeichnung „association of ideas“ gebraucht – benützt den Begriff zur Erklärung von Irrtümern, die daraus entstehen, dass zwei Sensationen, die gleichzeitig entstehen,

418 Zur Geschichte der Assoziationspsychologie allgemein vgl. Rapaport, Association of Ideas, S. 7 ff.; Strube, Assoziation, S. 1 ff.; zur Assoziationspsychologie in der Aufklärung Kondylis, Aufklärung, S. 287 ff., u. Crocker, An Age of Crisis, S. 114 ff.; Dilthey, Friedrich der Große, S. 90 f.; knapp Welzel, Naturalismus, S. 35 f. Mein kurzer historischer Überblick weicht in manchen Punkten von diesen Darstellungen ab. 419 Dilthey, Friedrich der Große, S. 91. 420 Diese seien „hoch subtile Blutteilchen“, die dünn genug seien, um die engen Wege, die bis zum Gehirn führen, passieren zu können (Descartes, Passions, Art. 10). 421 Descartes, Passions, Art. 23 (Erklärung der Wahrnehmungen und anderer Sinneseindrücke). 422 Descartes, Passions, insb. Art. 42, ferner 44, 45, 50, und auch die klare Stelle bei Art. 136: „il y a telle liason entre notre âme e notre corps, que lorsque nous avons une fois joint quelque action corporelle avec quelque pensée, l’une des deux ne se présente point à nous par après que l’autre ne s’y présente aussi“; dazu ferner Rapaport, Association of Ideas, S. 21 ff.; sehr ausführlich m.v.w. Nachw. Sutton, Philosophy and Memory Traces, S. 50 ff. 423 Spinoza, Ethica, Pars secunda, Propositio XVIII Scholium („concatenatio idearum naturam rerum“); Pars tertia, Propositio XIV; 424 Bacon, Neues Organon, Aphorismus 39 ff.; dazu Rapaport, Association of Ideas, S. 11. 425 Hobbes, Elements, Chap. 4, 1 ff. Hobbes versteht unter discursion die geordnete Nachfolge von Konzepten im Geist, und erkennt gleichzeitig eine ungeordnete Nachfolge an. Die discursion unterliegt aber anderen Prinzipien neben dem der Assoziation.

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vom Geist auch verknüpft werden, obwohl manchmal ihre Verbindung rein zufällig ist und gar nichts Zwangsläufiges enthält.426 Und bei Hume, der die Erkenntnistheorie konsequent auf die Psychologie reduziert und dadurch naturalisiert, beruhen alle unsere Erkenntnisse auf Ideenassoziationen, die sich nach drei Prinzipien bilden, nämlich Ähnlichkeit, Nähe und Ursache/Wirkung.427 Seine höchste Entfaltung erfuhr der Assoziationsgedanke aber im Werk Hartleys: Dieser gab den Assoziationen zunächst einmal eine physiologische Grundlage, nämlich seine von Newton inspirierte Lehre der Vibrationen von Gehirnteilchen. Er formulierte dann mehrere Assoziationsgesetze und versuchte durch den Rückgriff darauf sämtliche menschliche Tätigkeiten, sogar etwa die Sprache und die Wissenschaft, einsichtig zu machen.428 Es war also die ausgesprochen anti-rationalistische Tradition des englischen Empirismus, welche die Assoziationspsychologie weiterentwickelt hat, bis sie in Deutschland Fuß fasste. Nicht überraschend wurde sie hier u. a. von Thomasius rezipiert.429 Kant, der die für uns selbstverständliche Unterscheidung zwischen Erkenntnistheorie und Psychologie wieder scharf betont,430 verbannt die Assoziation aus der ersten in die zweite und erklärt in seiner Anthropologie das Funktionieren der Sinnlichkeit und des ihr untergeordneten Vermögens der Einbildungskraft bzw. des Gedächtnisses allesamt unter Rückgriff auf das Gesetz der Assoziation.431 Dieses laute nämlich: „Empirische Vorstellungen, die nach einander oft folgten, bewirken eine Angewohnheit im Gemüth, wenn die eine erzeugt wird, die andere auch entstehen zu lassen“.432 Und im Strafrecht stand kein geringerer als Beccaria der Assoziationslehre besonders nahe, indem er von „infinite ed oppostissime 426 Locke, Essay, Book II, Chap. XXXIII, § 4 ff.; so auch Aaron, John Locke, S. 141 ff., der die Nebenrolle der Ideenassoziation bei Locke auch dadurch begründet, dass sie erst in der 4. Auflage des Essays erwähnt wurde. 427 Hume, Treatise, Book I, Part I, Sec. IV; ders., Enquiry, Sec. 3; vgl. zur Rolle der Assoziationen bei Hume noch Kemp Smith, Philosophy of Hume, S. 72, 183 ff., 239 ff.; Mounce, Hume’s Naturalism, S. 26 ff.; Kondylis, Aufklärung, S. 226, S. 287 ff., der einen Einfluss Newtons festzustellen glaubt. 428 Hartley, Observations on Man, Chap. I, Sect. I, Prop. 2 ff. (Vibrationslehre), Chap. I, Sect. I, Prop. 10 ff. (Assoziationsgesetze), Chap. III, Sect. I, Prop. 79 ff. (Sprache), Chap. III, Sect. II, Prop. 83 (Wissenschaft). 429 Thomasius, Fundamenta, Libri I, Caput I § XXIV, mit ausdrücklichem Verweis auf Hobbes; in diesem Sinne besonders Larenz, Sittlichkeit und Recht, S. 203. 430 Am klarsten Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 848/B 876; ferner ders., Anthropologie, S. 140 f. Gegen diese gängige Interpretation aber Patricia Kitcher, Kant’s Transcendental Psychology, S. 22 ff.; nicht zu bestreiten ist aber, dass sich Kants Theorie historisch so ausgewirkt hat. Weiterführend zur Bedeutung Kants für die Entwicklung der Psychologie Leary, Journal of the History of the Behavioral Sciences 14 (1978), S. 113 ff., insb. S. 116; ders., Kant and Psychology, S. 21 ff. 431 Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 121, und ferner B 152; ders., Anthropologie, S. 176 ff., S. 182 ff.; s. dazu Leary, Kant and psychology, S. 27. Sehr anders als hier Rapaport, Association of Ideas, S. 162, der versucht, die ganze Erkenntnistheorie Kants vom Assoziationsgedanken her zu konzipieren. 432 Kant, Anthropologie, S. 176.

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attrazioni del piacere e del dolore“433 sprach. In dieser Geschichte fehlt jetzt nur noch Feuerbach, der bescheiden versucht, das Assoziationsgesetz auf einen spezifischen Bereich anzuwenden, nämlich auf die Verbindung zwischen Verbrechen und Strafe, um zu behaupten, dass die lusterregende Vorstellung des ersten notwendig die unlusterregende Vorstellung der letzteren mit sich bringe. bb) Auch die Unterscheidung zweier Vermögen, eines niederen und eines oberen, die schon bei Wolff und Baumgarten zu finden ist434 und wahrscheinlich über Kant den Weg zu Feuerbach fand, war nach Kondylis das Eingangstor der Assoziationspsychologie in Deutschland, deren Gesetze auf das niedere Vermögen beschränkt blieben.435 Übrigens bildet dies einen zusätzlichen Grund, an der überwiegenden Auffassung zu zweifeln, denn die Assoziationspsychologie ist in Deutschland nur eingeschränkt rezipiert worden, nämlich allein zur Erklärung des niederen Vermögens, das der Mensch auch mit dem Tier teilt.436 Das vernünftige Denken selbst sei hingegen nicht dem Assoziationsgesetz unterworfen. cc) Wann die Legende des intellektualistischen Feuerbach genau entstand, wird in dieser Arbeit offen bleiben müssen, obwohl diese Frage wohl eine nähere Untersuchung wert wäre;437 festzuhalten ist aber, dass ihn die zeitgenössi433 Beccaria, Delitti, § XLI. Bei der Lektüre dieser Stelle muss man sofort an Humes Treatise, Book I, Part I, Sect. IV, denken, wo es hieß, die Assoziation sei „a kind of attraction, which in the mental world will be found to have as exraordinary effects as in the natural“. Zu Beccarias Assoziationismus vgl. auch den wichtigen Aufsatz von Bierne, Inventing Criminology, S. 36 ff., dessen Bemerkungen in Bezug auf Beccarias Psychologie weitgehend parallel zu den hier entwickelten verlaufen. Auch der spanische Aufklärungsstrafrechtler Lardizábal, Discurso, Cap. II 22 schrieb: „La unión de las ideas es el cimiento de la fábrica del entendimiento humano“. Für weitere Nachw. von Strafrechtlern, die die Assoziation rezipierten, o. Fn. 417. 434 Vgl. Beck, Commentary, S. 90, Fn. 1; Dessoir, Geschichte, S. 389 ff. mit Nachw. 435 Kondylis, Aufklärung, S. 592; Dessoir, Geschichte, 391 ff. Anders Beck, Commentary, S. 94, m.w. N., der in dieser Unterscheidung die neue Auflage der scholastischen Unterscheidung zwischen appetitus sensitivus und appetitus rationalis erblickte, die für sich eine Ausformung der klassichen Unterscheidung zwischen Willen und Leidenschaften sei (ebda., S. 94, m.w. N.); wiederum anders Dixon, From Passions to Emotions, S. 70 ff. Zum Einfluss der englischen Aufklärungsphilosophie auf die deutsche vgl. Dessoir, Deutsche Psychologie, S. 116 ff., 393 ff., und Kuehn, German Aufklärung, S. 310 ff. Zu vereinfachend ist es deshalb, wenn Christoph Horn, Wille, Willensbestimmung, Begehrungsvermögen, S. 51 behauptet, das Begehrungsvermögen füge sich der intellektualistischen Tradition ein. Ein nicht zu unterschätzender Unterschied zwischen Feuerbach und Kant ist es freilich, dass bei letzterem das höhere Begehrungsvermögen die Fähigkeit der moralischen Motivation darstellt, während es bei Feuerbach nur die Fähigkeit einer klugen, reflektierten Motivation bedeutet. 436 Dessoir, Geschichte, S. 392 m. Nachw., S. 603: Die Assoziation „blieb eben für unsere Philosophen etwas niederes . . .“. 437 Die ersten, die gegen Feuerbach diesen Vorwurf richten, sind die Autoren der nachfolgenden Generation – derselben Generation, der wahrscheinlich die Legende der rationalistischen Aufklärung entsprang!: Mittermaier, in: Feuerbach, Lehrbuch14, § 20a; ders., Grundfehler, S. 54; Hepp, Kritische Darstellung, S. 97 ff.; Bauer, War-

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schen Autoren, sowohl seine Anhänger, als auch seine Gegner, noch richtig verstanden haben. Unter den Anhängern ist vor allem Almendingen zu erwähnen, der anders als Feuerbach für die Zurechnung noch eine Willkür verlangte, deren Begriff aber so verwässerte, dass sie auch beim Tier zu finden sei.438 Und unter den Gegnern warf man Feuerbach genau die Umkehrung dessen vor, was man heute überall vorfindet: Feuerbachs Theorie sei zu anti-intellektualistisch, weil sie sich eher auf ein Tier als auf einen vernünftigen Menschen anwenden lasse. So rügt etwa Kleinschrod, die Theorie Feuerbachs kenne „bloß . . . das thierische Begehrungsvermögen ohne Überlegung“, was wohl nicht richtig sei, denn „man muß prüfen, ob Ueberlegung da (beim Verbrecher, L.G.) war, oder seyn konnte“;439 und Klein nennt Feuerbachs System das der „thierischen Züchtigung“,440 gerade weil es keinen freien und vernünftigen Täter voraussetze, sondern diesen bloß in seiner Tierheit erfasse. „Wenn wir unsern Hausthieren das Naschen abgewöhnen wollen, so fragen wir nicht, ob das naschende Thier nicht seinem natürlichen Triebe folge, ob es ein minderes Recht zu dem Fleische in der Schüssel habe, als wir; wir forschen auch nicht nach, ob das Thier einer freyer Ueberlegung fähig sey; aber wir suchen bey ihm die Vorstellung der Fleischschüssel mit der Vorstellung des Schmerzens der erlittenen Schläge zu vergesellschaften, und hoffen, daß diese Ideenassociation bey dem Thiere, wenn es auch keiner Ueberlegung fähig ist, dennoch die erwünschte Wirkung thun werde“.441 Klein will dem „System der thierischen Züchtigung“ Feuerbachs ein „System der Freiheit“442 gegenüberstellen, bei dem die Strafe nicht auf die Sinnlichkeit, d.h. nicht „nur physisch“, sondern vielmehr auf die Maximenbildung des Täters wirke:443 Seine Theorie, die als Gegentheorie zu Feuerbach gedacht wird, beruhe „auf dem Grundsatze, daß die Strafgesetze nicht die bloße Möglichkeit der sinnlichen Einwirkung vermöge der Ideenassoziation, sondern Verstandesgebrauch und die Möglichkeit, daß das zu bestrafende Subject, als nungstheorie, S. 173 (trotz seiner unten bei Teil B., Fn. 450 zu erwähnenden Kritik); Berner, Lehrbuch1, S. 11. 438 Almendingen, Imputation, S. 73; dazu kritisch Kleinschrod, ArchCrimR Bd. VI St. III (1805), S. 14, der fragt, wieso man denn Tiere nicht bestrafe. Ein wichtiger Vorgänger war hier Hommel, Belohnung, § 112: „Die Strafen, sprichst du, können nur bey einem freyen Willen statt finden. Ich antwortete, du strafest ja Thiere, denen du den freyen Willen absprichst“; „Die Strafen sind nichts anders als natürliche Mittel, den Menschen oder die Thiere von Handlungen abzuhalten, welche denen Mächtigern misfallen“. Im Übrigen spielte Feuerbachs Anti-Intellektualismus auch bei Almendingen eine ausgeprägte Rolle, siehe Imputation, S. 39: Der Mensch „gehorcht mit Nothwendigkeit den Geboten jener (sinnlichen, L. G.) Lust, den Verboten dieses Schmerzes. Er wird hier von Leidenschaften und nicht von Maximen beherrscht“. 439 Kleinschrod, Grundbegriffe I1, S. 121. 440 Klein, Zurechnung, S. 60; ders., ArchCrimR Bd. IV St. IV (1802), S. 48; ders., ArchCrimR Bd. V St. III (1803), S. 104. 441 Klein, ArchCrimR Bd. IV St. IV (1802), S. 49. 442 Vgl. Teil B., Fn. 62. 443 Klein, ArchCrimR Bd. IV St. IV (1802), S. 52.

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Mensch der Vernunft hätte herrschen lassen können, voraussezen“ ;444 nur diese Theorie könne die „Menschen, wie Menschen, behandeln“.445 Diese Stellen Kleins bestätigen, wie klar die Verbindung zwischen psychologischem Zwang, Assoziationspsychologie und Anti-Intellektualismus in den Augen der Zeitgenossen war: Assoziationen wirkten gerade dort, wo der Gebrauch des spezifisch Menschlichen, also des Verstandes oder der Vernunft, aufhöre. Auch v. Bothmer kritisierte, Feuerbachs Lehre „verwandelte Freiheit in Sinnlichkeit, und raubte dem Menschen alles wodurch er sich vom Thiere unterscheidet.“446 Tafinger meinte, Feuerbach stehe vor dem Dilemma, „entweder Thiere, und zwar Thiere seiner Gattung abzurichten durch den Stock, oder er richtet seine Gesetze an die Reflexion derer, die er sinnlich nöthigen will, und dann vernichtet er sein eigenes System des psichologischen Zwangs“.447 Der Besserungstheoretiker Spangenberg kritisiert die Abschreckungstheorie, weil sie „auf dasjenige, was den Menschen über das Thier erhebt, gar keine Rücksicht nahm“.448 Anton Bauer lehnt zwar den Vorwurf, die Theorie Feuerbachs sei auf Tiere gemünzt, als unbegründet ab,449 sieht sich aber insbesondere deshalb veranlasst, seine den Gedanken Feuerbachs stark verpflichtete „Warnungstheorie“ zu formulieren, weil der psychologische Zwang „zu materiell“ sei, da er den Menschen zu einem Wesen verkürze, das in Verkennung seiner „sittlichen Natur“ mechanisch unter der Herrschaft der Sinnlichkeit stehe.450 Nicht zuletzt die vielzitierten, aber nach dem Gesehenen gar nicht originellen Einwände Hegels, wonach die Straftheorie Feuerbachs den Menschen zu einem Hund herabwürdige, gegen den man einen Stock hebt,451 zeugen davon, dass die Lehre Feuerbachs nicht 444

Klein, ArchCrimR Bd. IV St. IV (1802), S. 81. Klein, ArchCrimR Bd. IV St. IV (1802), S. 82. 446 v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 114. 447 Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 46; siehe ferner S. 103, Fn.: „Ganz anders lehrte Herr von Feuerbach. Die Sinnlichkeit brachte allein das Verbrechen hervor. (Wo blieb aber indessen der Verstand? Wurde dann nicht aus Begriffen gehandelt? Und hat man Begriffe ohne Bewußtsein?)“. Ähnlich auch der Zeitgenosse Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 123, freilich ohne Feuerbach beim Namen zu nennen. 448 Spangenberg, Pönitentiarsystem, S. XII. 449 Bauer, NArchCrimR 1827, S. 444. 450 Bauer, NArchCrimR 1827, S. 449, 462 f.; ders., Warnungstheorie, S. 37 f., S. 169 ff. (Zitate); ähnlich ders., Straftheorien, S. 87, 110 (zu Bauers Theorie knapp Schreiber, Gesetz und Richter, S. 138, Fn. 115). Ähnliche Vorwürfe bei Henke, NArchCrimR 5 (1821), S. 249 f.; Röder, Besserungsstrafe, S. 17 gegen Feuerbach: „Der Mensch ist mehr als bloße, von sinnlichen Triebfedern bewegte Maschine . . .“ Strafe müsse mehr sein als „thierische Dressur“; ders., NArchCrimR 1850, S. 437; so auch die Hegelianer Berner, Imputationslehre, S. 32: „Das Thier ist einer Association der Vorstellungen von That und Strafe sehr wohl fähig, und die Abschreckungstheorie kommt bei jeder Jagdhunddressur noch heutigen Tages zur Anwendung“, der Kleins Kritik zustimmend zitiert (S. 33); und Abegg, KJdRW 1845, S. 296. 451 Hegel, Grundlinien, § 99, Zusatz, S. 190. 445

III. Die Psychologie der psychologischen Zwangstheorie

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von einem rationalistisch-folgenerwägenden Täterbild ausgeht – nun scheint man aber diese Implikation des Einwands zu vergessen und ihn fast im selben Atemzug mit dem ihm widersprechenden Rationalismus-Vorwurf zu erwähnen. dd) Es ist deshalb – entgegen der einhelligen Ansicht – zweierlei festzustellen: erstens, dass sich die Gedanken Feuerbachs zur Psychologie in die Tradition der Assoziationspsychologie eingliedern; und zweitens, dass diese Tradition eine ausgesprochen anti-rationalistische war, wenn man unter psychologischem Rationalismus die Vorstellung eines sorgfältig reflektierenden und Folgen abwägenden und sich deshalb fundamental vom Tier unterscheidenden Menschen versteht. Deshalb erweist sich die Vorstellung, Feuerbach gehe von einem rationalistischen Menschenbild aus, aus mehreren Gründen als historisch unzutreffend. 4. a) Nach dem Dargelegten erscheint ein Rückzug als der einzig mögliche Ausweg für die Kritik. Man könnte jetzt den widerlegten Vorwurf, Feuerbach gehe von einem rational denkenden Täter aus, fallen lassen und trotzdem behaupten, es bleibe ein Unbehagen, vielleicht sogar etwas Unheimliches, in seiner Psychologie. Denn sie scheine der unglaublichen Komplexität menschlicher Verhaltensweisen blind gegenüber zu stehen, indem sie ein übertrieben einfaches Modell vorschlage, ohne dass es ihr bewusst werde, dass in der Wirklichkeit die Dinge doch komplizierter gelagert sind. In ihr lebe der überhöhte Anspruch einer Weltauffassung, die alles, sogar die innersten, unerforschlichsten Bewegungen der menschlichen Seele, quantifizieren, mathematisieren, mit anderen Worten, entmenschlichen, wolle. In der Tat ist einiges von dieser Einstellung – die man im Anschluss an Hayek Szientismus nennen könnte452 – in der Aufklärung zu finden.453 Schon Spinoza wollte, die Freiheit des Willens ableh452 Hayek, Counter-Revolution of Science, S. 24. Hayek versteht darunter die Forderung, auch im Bereich der Sozialwissenschaften die Methodologie der Naturwissenschaften anzuwenden, also etwas, was man sonst gängig, aber nicht immer scharf Naturalismus nennt. Die Einschätzung Hayeks, diese Einstellung werde erst als „CounterRevolution“ (also als Gegenentwurf zum Liberalismus der Französischen Revolution) im 19. Jahrhundert bedeutsam, ist deshalb historisch sehr ungenau, weil sie auf den gängigen oben gerügten vereinfachenden Vorstellungen über die Aufklärungszeit fußt. 453 In diesem Sinne schon Dilthey, Friedrich der Große, S. 149; heute insb. die verbreitete Aufklärungskritik, etwa Martin, Nature humaine, S. 11 ff., S. 203 ff., 274 ff., mit beeindruckend reichlichen Nachw. aus den Werken französischer philosophes für die politische Bedenklichkeit einer Ansicht, die den Menschen für völlig passiv, determiniert und deshalb auch determinierbar und kontrollierbar hält; vgl. ferner Zygmunt Baumann, Modernity and the Holocaust, etwa S. 13, 93, der die Judenvernichtung als konsequente Umsetzung dieser aufklärerisch-modernen Denkweise versteht. Zur politischen Ambivalenz der Aufklärung siehe unten D. II. 2. (S. 322 ff.). Zum durchaus ambivalenten Verhältnis der Aufklärungsphilosophie zur Mathematik vgl. Cassirer, Philosophie der Aufklärung, S. 18 ff.; Kondylis, Aufklärung, S. 291 ff. Ausführlich zur Benutzung der mathematischen Methode von Descartes über Leibniz zu C. Wolff H.-W. Arndt, Methodo scientifica pertractatum, S. 29 ff., 99 ff., 125 ff.; vgl. auch Reichmann, Herrschaft der Zahl, S. 37 ff.

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B. Rechtsgeschichtlicher Teil

nend, „menschliche Handlungen und Triebe geradeso betrachten, als ginge es um Linien, Flächen oder Körper“.454 Hobbes versuchte sogar, den Menschen weitgehend nach dem Vorbild einer Maschine zu modellieren,455 und Lamettrie hat diesen Ansatz in seinem L’Homme Machine radikal zu Ende geführt.456 Auch der Präsident von Friedrichs II Königlicher Akademie der Wissenschaften Maupertuis entwickelte eine Mathematik der Lust- und Schmerzgefühle.457 Und in Deutschland darf man nicht vergessen, dass Thomasius versucht hatte, Temperamente von Individuen nach vier grundlegenden Affekten zu gliedern (vernünftige Liebe, Wollust, Geldgeiz und Ehrgeiz), so dass jede von diesen auch einen numerischen Wert von 5 bis 60 erhalten könnte,458 dass Christian Wolff in seiner Doktorarbeit vorgeschlagen hatte, die mathematische Infinitesimalrechnung auch auf Gegebenheiten der Seele anzuwenden,459 und dass auch Crusius das Verhältnis der verschiedenen „Seelentätigkeiten“ zueinander durch Zahlen auszudrücken versuchte.460 Und nicht zuletzt hatte auch Kant ganz klar behauptet, ein Unternehmen sei nur insoweit eine Wissenschaft, insoweit sich Mathematik darin befinde – und gerade auch deshalb die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Psychologie bestritten.461 b) In der Tat lebt in Feuerbach einiges von dieser geistigen Haltung. Es ist aber sehr fraglich, ob dieses Unbehagen mehr ist als eben dies – ein bloßes Unbehagen. Denn zum einen ist es eine Tatsache, dass die heutige Psychologie nach der sog. kognitiven Wende eben dieser Gedankenwelt verpflichtet ist, da sie versucht, das Funktionieren des menschlichen Geistes, als ob er eine Software wäre, auf Grundlage einer Computeranalogie zu entschlüsseln.462 Und zum anderen werden wir später sehen (D. II. 3. b) [S. 359 ff.] und d) [S. 371 ff.]), dass 454 Spinoza, Ethica, Pars Secunda, Propositio XLVIII u. XLIX (Ablehnung der Freiheit), Pars Tertia, Praefatio (Zitat). Zum diesbezüglichen Einfluss Spinozas auf die Aufklärung Martin, Nature humaine, S. 88, 99. 455 Hobbes, Leviathan, The introduction: „life is but a motion of Limbs“. Ferner: „For what is the Heart, but a Spring; and the Nerves, but so many Strings; and the Joynts, but so many Wheeles . . .?“ 456 La Mettrie, L’homme machine, passim. Für zahlreiche Nachw. anderer französischer Autoren, die das – gerade nicht metaphorisch gemeinte – Bild der Maschine anwendeten, vgl. Martin, Nature humaine, S. 25 ff., 62 ff. 457 Maupertuis, Essai de Philosophie Morale, S. 3 ff. Zu Maupertuis in der Akademie Dilthey, Friedrich der Große, S. 120 ff. 458 Thomasius, Ausübung der Sittenlehre, S. 363 ff.; dazu Richards, Proceedings of the American Philosophical Society Bd. 124 H. 3 (1980), S. 229, Fn. 19; ausführlich Schneiders, Naturrecht und Liebesethik, 201 ff. 459 C. Wolff, Dissertatio algebraica, S. 23 f.; vgl. dazu Richards, Wolff ’s Psychology, S. 229, Fn. 19. 460 Siehe Dessoir, Deutsche Psychologie, S. 102. Weitere Nachw. für andere Autoren, die sich um eine Einführung der mathematischen Methode in die Psychologie bemühten, bei Dessoir, Deutsche Psychologie, S. 364 f. und Beck, From Leibniz to Kant, S. 19 ff. (über Lambert). 461 Kant, Metaphysische Anfangsgründe, A VIII.

III. Die Psychologie der psychologischen Zwangstheorie

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Feuerbachs psychologische Zwangstheorie eigentlich nicht viel mehr Psychologie braucht, als diejenige, über die wir alle verfügen, wenn wir in unserem Alltag davon ausgehen, dass die angekündigte Aussicht von negativen Folgen aufgrund der Begehung einer bestimmten Verhaltensweise die Menschen irgendwie im Sinne der Nichtvornahme dieser Verhaltensweise beeinflusst. 5. Somit können wir ein abschließendes Urteil über die einhellige Meinung zu Feuerbachs Psychologie fällen: Sie ist voreilig, bequem und falsch; sie verkennt zunächst schon wesentliche Züge der Aufklärung, indem sie längst überholten Vorurteilen verhaftet bleibt, sie übersieht lange und eindeutige Äußerungen Feuerbachs, sie ordnet seine Gedanken in ihnen fremde Traditionen ein, und sie glaubt, dieses Ganze mit einem abschätzenden Satz, ohne einen einzigen Nachweis, geschweige denn eine sorgfältige wissenschaftsgeschichtliche Einordnung, bewerkstelligen zu dürfen. Feuerbach ist historisch schweres Unrecht angetan worden. Es ist an der Zeit, dies wieder gut zu machen.

462 Grundlegend war u. a. David Millers Buch „Psychology. The Science of Mental Life“, von 1962. Vgl. zur kognitiven Wende besonders ausführlich Baars, Cognitive Revolution, S. 141 ff.; zum Kognitivismus ferner Eysenck/Keane, Cognitive Psychology, S. 1 ff.; Jarvis, Psychology, S. 77 ff.

C. Rechtsphilosophischer Teil I. Einleitende Bemerkungen Die Fragen, mit denen sich die vorliegende Untersuchung in ihrem rechtsphilosophischen Abschnitt befasst – die Beziehung von Recht und Moral und der Gedanke der Selbstzweckhaftigkeit des Menschen –, sind insbesondere aus zwei Gründen ausgewählt worden. Erstens hängen diese Fragen mit der Straftheorie Feuerbachs so eng zusammen, dass eine diese in ihrer Tiefe ernst nehmende Beurteilung sich früher oder später, explizit oder implizit, zu ihnen äußern muss. Hier wird nun bevorzugt, die mithin unvermeidbare Stellungnahme früher und explizit anzubieten, statt sie unbegründet zwischen den Zeilen des späteren spezifisch strafrechtstheoretischen Teils vorauszusetzen. Zweitens sind die hier zu behandelnden Fragen auch in der heutigen rechts- und strafrechtswissenschaftlichen Grundlagendiskussion und Dogmatik von besonderer Bedeutung. So muss etwa jede generalpräventive Straftheorie wie diejenige Feuerbachs mit dem Einwand rechnen, sie behandle den Menschen nicht als Selbstzweck, und dieser Einwand wird auch tatsächlich von heutigen Vergeltungstheoretikern (aber nicht nur von ihnen!) immer wieder ausgespielt.1 Dem Verfasser ist dabei durchaus bewusst, dass beide hier untersuchten Fragen an sich eine monographische Behandlung erfordern würden. Das hier vorgegebene Format hat andererseits den Vorzug, dass es uns ermöglicht, Implikationen und Folgerungen sichtbar zu machen, die in einer allein diesen Fragen gewidmeten Monographie notwendig zu kurz kommen würden. Das jetzt verfolgte Interesse ist kein rechtsgeschichtliches mehr, sondern ein rechtsphilosophisches. Rechtsgeschichte und Strafrecht bleiben aber die zwei Richtschnüre, die man bei den folgenden Erwägungen immer vor Augen behalten wird. Die Rechtsgeschichte dient als Anfangspunkt: Feuerbachs Behandlung der hier erörterten Fragen, der Diskussionstand seiner Zeit und die gesammelten Erfahrungen einer zweihundertjährigen Entwicklung werden uns den Zugang bieten, aus dem heraus die übrigen Erwägungen sich entfalten können. Ziel der hier anzustellenden Erwägungen ist es aber, sie im Strafrecht verwerten zu können, so dass den strafrechtlichen Konsequenzen der rechtsphilosophischen Fragen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Trotz dieser Aufknotung an beiden Enden wird die Fragestellung und deren Beantwortung in diesem Teil noch eine rechtsphilosophische sein, denn es geht uns immer in erster Linie 1

Für Nachw. vgl. unten III., Fn. 208.

II. Die Trennung von Recht und Moral

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darum, ob die vielen in der Rechtsgeschichte auftauchenden und von den Strafrechtlern aufgegriffenen Antworten auf die zu untersuchenden allgemeinen (und nicht nur strafrechtlichen) Fragen gerechtfertigt sind oder nicht. Es geht hier also nicht um eine rechtsgeschichtliche Nacherzählung, sondern um eine rechtsphilosophische Stellungnahme zu rechtsphilosophischen Fragen. Kants Metapher der judikativen Funktion der Vernunft, die prüfen soll, welche vor der Schaubühne der Geschichte erhobenen Ansprüche berechtigt sind,2 wäre hier am Platze. Der Leser sei davor gewarnt, dass im folgenden rechtsphilosophischen Teil von Feuerbach selbst relativ wenig die Rede ist. Es geht dennoch um die Festlegung der Fundamente, die uns in die Lage versetzen werden, Feuerbachs Gedanken gebührend zu beurteilen.3

II. Die Trennung von Recht und Moral 1. Ein Leitmotiv der Straftheorie Feuerbachs ist die Trennung von Recht und Moral. Schon in seinen frühen, bloß rechtsphilosophischen Schriften bemühte er sich, das Recht einer von der Moral unahängigen Quelle in der menschlichen Vernunft zuzuweisen, der von ihm sog. juridischen Vernunft.4 Zentral in seiner Konzeption ist die Ablehnung des Freiheitsbegriffs mit der Begründung, dieser gehöre allein der Moral an: Die psychologische Zwangstheorie basiert gerade auf dem Bild eines sich bloß durch die Sinnlichkeit – und nicht durch Freiheit – bestimmenden Menschen.5 Gefolgschaft fand Feuerbachs Trennungsthese eher vereinzelt, wie etwa bei Almendingen.6 Denn im anderen Lager blieben die meisten insbesondere unter dem Einfluss der Tradition dabei, die Moralität und die Freiheit der verbrecherischen Handlung zum Maßstab der Zurechnung zu erklären.7 Man sprach vielfach von der „moralischen Zurechnung“ einer Handlung, 2 Schon in Kant, Kritik der reinen Vernunft, A XI; diese Metapher wird auch von Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, S. 33 gebraucht. Zur Rolle rechtlicher Metaphern in Kants Erkenntnistheorie siehe Lege, ARSP 76 (1990), S. 203 ff. 3 Damit dürfte Nauckes, ARSP-Beiheft 87 (2003), S. 41, berechtigte Mahnung an die Feuerbach-Forschung, auch auf die Grundlagen der Staatstheorie einzugehen, erfüllt sein. 4 Feuerbach, Kritik des natürlichen Rechts, S. 238 ff., 244; dazu vor allem Cattaneo, Feuerbach, S. 64 ff.; Gallas, Feuerbach, S. 18 ff.; ferner Fleischmann, Feuerbach als Philosoph, S. 67 ff.; E. Wolf, Feuerbach, S. 549 ff.; Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, 59 ff.; ders., Kant, S. 184 ff.; Bloch, Naturrecht, S. 107 f. 5 Siehe vor allem Feuerbach, Revision II, S. 91 ff.; ferner etwa ders., Revision I, S. 320; ders., Revision II, S. 110 f. 6 Almendingen, BpRW Teil I St. III (1799), S. 50 ff.; ders., Imputation, S. 27; dem Worte nach auch Grolman, Grundsätze1, S. 17. 7 Etwa Christian Wolff, Philosophia practica universalis, § 527 ff. (S. 394 ff.); Koch, Anfangsgründe, S. 40, 50, 54; Gmelin, Gesetzgebung, § 8; Stelzer, Lehrbuch, S. 49, 50; Quistorp, Grundsätze, §§ 32, 53; Kant, Metaphysik der Sitten, S. 335, AB

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C. Rechtsphilosophischer Teil

um dasjenige, was wir heute Schuld nennen, zu bezeichnen,8 und gelegentlich wurde die rechtliche Relevanz von Gesinnungen gegen Feuerbach geltend gemacht.9 Die zu Anfang des 19. Jahrhunderts, also in der Feuerbach unmittelbar nachfolgenden Generation, aufblühenden romantisch-organizistischen Staatslehren fanden sofort den Weg zu einer behaupteten Wesensgleichheit von rechtlicher und moralischer Zurechnung.10 So konnte Henke schon 1811 behaupten, die Trennung von Recht und Moral sei „eine schmachvolle, bis in den Grund verderbliche, welche die Rechtswissenschaft zum ewigen Tode verdammt“.11 Man könnte die von Feuerbachs Gegnern vertretene Ansicht als eine moralistische Ansicht bezeichnen und sie so charakterisieren, dass sie von einer „Permeabilität“ zwischen Recht und Moral ausgeht. Präziser gesagt: Nach der moralistischen Ansicht kann schon die Tatsache, dass etwas moralisch gefordert ist, den Schluss rechtfertigen, dass es auch rechtlich gefordert ist. Ein moralischer Grund sei demnach immer ein zugleich rechtlich relevanter Grund. Demgegenüber könnte man die von Feuerbach verfochtene Meinung, also die amoralistische Ansicht, durch den Gedanken einer Impermeabilität zwischen Recht und Moral kennzeichnen: Die Tatsache, dass etwas moralisch gefordert wird, ist für sich noch kein Grund, es auch für rechtlich gefordert zu halten. Nach dieser Meinung sind moralische Gründe nicht automatisch vom Recht anzuerkennen. Es geht hier also nicht um die alte Frage nach dem Bezug vom Rechtsbegriff zur Moral, um die sich traditionell die naturrechtliche und die positivistische Auffassung miteinander streiten,12 sondern darum, ob eine derartige Permeabilität von Gründen besteht oder nicht. 30; ders., Religion, S. 667, B A 6; Soden, Geist, S. 15–16, 31, 36 ff.; Klein, Grundsätze, §§ 97, 124; ders., ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 60 ff.; ders., ArchCrimR Bd. IV St. IV (1802), S. 65; ders., ArchCrimR Bd. V St. III (1803), S. 119 f.; Kleinschrod, Grundbegriffe I2, S. 102; ders., ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 20 (in Auseinandersetzung mit Feuerbach); Stübel, System II, §§ 241 ff, 307 ff.; Grolman, Grundsätze1, S. 13 ff.; Schneider, Prinzip des Strafrechts, S. 42; Zachariä, Anfangsgründe, § 31; v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 117; Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 49, 203, 246 f. 8 Stübel, System II, §§ 237, 241 ff.; Kant, Metaphysik der Sitten, S. 334–335, AB 29 f.; Klein, Grundsätze, § 95; ders., ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 86; ders., ArchCrimR Bd. IV St. IV (1802), S. 44 ff.; ders., ArchCrimR Bd. V St. III (1803), S. 107 ff.; Kleinschrod, Grundbegriffe I2, S. 100; ders., ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 21. 9 So insb. Klein, ArchCrimR Bd. V St. III (1803), S. 138; ders., ArchCrimR Bd. VII St. III (1810), insb. S. 345; s. auch Kleinschrod, ArchCrimR Bd. II St. IV (1800), S. 21. 10 Etwa Zachariä, Anfangsgründe, § 39, S. 25; v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 22 f.; Mittermaier, Grundfehler, S. 33. 11 Henke, Strafrechtstheorien, S. 68. Vgl. ferner Roßhirt, Geschichte III, S. 310. Dass diese Einstellung erst recht bei den späteren Hegelianern herrschte, braucht man nicht hervorzuheben: für Nachw. siehe unten Teil D., Fn. 505. 12 Siehe Hart, Law, Liberty and Morality, S. 2 u. 4, der beide Fragen klar voneinander trennt.

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Man erwarte von diesem Abschnitt nicht das Unerreichbare, nämlich die Schlichtung des altehrwürdigen Streits zwischen beiden Ansichten. Trotzdem soll uns die Vorstellung des unerreichbaren Zieles immer begleiten und dabei helfen, die Herausforderung nicht zu unterschätzen und es schon als gewinnbringend anzusehen, wenn alte Fragen etwas präziser neu formuliert werden. Selbstverständlich wird trotzdem eine eigene Lösung vorgeschlagen. 2. Diese anzustrebende Lösung müsste eine sein, die das Richtige, das in den zwei über diese Frage streitenden, eben erwähnten Positionen steckt, schlüssig in sich bewahren könnte. Denn beide Thesen – sowohl die erste, „amoralistische“, als auch die zweite, „moralistische“, – scheinen prima facie Zutreffendes und Falsches zu enthalten. Die zweihundert Jahre, die inzwischen vergangen sind, haben uns gezeigt, welche Folgen die konsequente Weiterentwicklung jeder dieser Thesen haben kann. Daraus entstand aber eine Situation, die man durchaus als die einer Aporie bezeichnen könnte: Beide Seiten scheinen in ihrer gegenseitigen Widerlegung Recht zu haben. a) Es ist leicht, die Gefahren des Moralismus bloßzulegen: Die moralistische Position führt zu einer Entmündigung des Bürgers, zu einer Missachtung seines – solange er die Grenzen seiner Freiheit nicht überschreitet – Rechts auf autonome Lebensführung. Zu den ersten Sorgen des strafrechtlichen Liberalismus zählte es daher immer, die Ansprüche der Moral, die sich im Strafrecht insbesondere im Bereich der Sittlichkeits- und Religionsdelikte manifestieren, zu bändigen. Hommel schrieb in seiner Vorrede zur Übersetzung Beccarias: „Man muß Sünde, Verbrechen und verächtliche Handlungen nicht unter einander werfen. (. . .) Denn Verbrechen oder Unrecht heißt nur dasjenige, wodurch ich jemanden beleidige. (. . .) Mensch, Bürger und Christ sind drei unterschiedene Begriffe“;13 und Feuerbach schloss die sog. „Fleischesverbrechen“ mit der Begründung aus dem Strafrecht aus, dass sie keine Rechtsverletzungen verkörperten und daher vom Staate nicht zu bestrafen seien.14 Auch die Reform des deutschen Sexualstrafrechts ist unter dieser Flagge durchgeführt worden: Herbert Jäger meinte, nur körperlich greifbare, verletzbare Gegenstände dürften vom Strafrecht geschützt werden, und diesen Anforderungen genüge die Moral nicht.15 Nach Hanack darf der Staat in einer pluralistischen Gesellschaft nicht schon an die Moralwidrigkeit eines Verhaltens anknüpfen, um es für strafbar zu erklären.16 Roxin schrieb, dass „dem Gesetzgeber die Befugnis, ein nicht rechts13 Hommel, Vorrede, S. 2; vgl. ferner S. 136 (gegen die Bestrafung der „Selbsbefleckung“ und der „Sodomiterei“); gleiches Zitat bei dems., Philosophische Gedanken, S. 39 f. 14 Feuerbach, Lehrbuch14, §§ 452 ff. (Schwächung), 457 ff. (Concubinat), 461 ff. (Inzest), 467 ff. (Sodomie). 15 Jäger, Sittlichkeitsdelikte, S. 13 (Rechtsgüter als „verletzbare, schutzbare Zustände“), S. 38, 116 ff. 16 Hanack, Gutachten zum 47. DJT, S. A29 f.

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güterverletzendes Verhalten allein um seiner Unmoral willen zu bestrafen, überhaupt fehlt“.17 Neuerdings erklärt Hörnle aus einer eng verfassungsbezogenen Perspektive die Grundrechtsschranke der „Rechte anderer“ zum allgemeinen Bezugspunkt jeder legitimen Kriminalisierung.18 Auf die Schranke des „Sittengesetzes“ dürfe man sich nur ausnahmsweise, nämlich bei Verletzung der Menschenwürde, zur Legitimation einer Kriminalisierung berufen.19 Und dass bis heute die Liberalisierung ihre Aufgabe noch nicht zu Ende brachte, legen die kritischen Erwägungen Schünemanns in Bezug auf den noch geltenden Tatbestand der Tierpornographie dar.20 Im spanischen Raum haben die Strafrechtler der Nach-Franco-Zeit derartige Gedanken rezipiert und in enger Beziehung zum ultima-ratio-Grundsatz weiter entfaltet.21 Auch im angelsächsischen Bereich sieht sich die liberale Auffassung mit der konservativen Einstellung konfrontiert, die einen „legal enforcement of morals“ vertritt. Gegen die Argumente Fitzjames Stephens, der das Strafrecht „zur Förderung der Tugend und Bekämpfung des Lasters“22 einsetzen wollte, und Lord Devlins, wonach die Moralität einer Gesellschaft Grundlage ihres Bestehens sei und deshalb auch durch das Strafrecht geschützt werden müsse,23 machen liberale Autoren von Mill bis Hart und Feinberg geltend, dass der Staat nur dort eingreifen dürfe, wo das beanstandete Verhalten nicht bloß moralwidrig, sondern auch schädigend sei.24 Feinberg definiert sogar den Liberalismus als die These, wonach moralistischen und paternalistischen Argumenten keinerlei Beachtung zu schenken sei.25 17 Roxin, Sinn und Grenzen, S. 15; siehe auch ders., Franz v. Liszt, S. 42 f.; und heute ders., AT I4 § 2/17 ff. Vgl. auch Baumann, Strafe als soziale Aufgabe, S. 34. 18 Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 65. 19 Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 63. 20 Schünemann, Ultima ratio, S. 34 f. 21 Vor allem Muñoz Conde, Introducción2, S. 129 ff.; ders., Principio de culpabilidad, S. 233 ff.; Mir Puig, Introducción2, S. 112 ff. 22 Stephen, Liberty, Equality, Fraternity, S. 150. 23 Devlin, Morals and the Criminal Law, S. 9 ff., insb. 11 („society may use the law to preserve morality in the same way it uses it to safeguard anything else essential to its existence“), u. 13 f.; ders., Democracy and Morality, S. 89 ff.; ähnlich ders., Mill on Liberty in Morals, S. 104 ff. 24 Der Satz bedarf der Präzisierung. Mill, On Liberty, S. 68, sprach allein von einem harm to others, verlangte also einen Schaden, um einen staatlichen Eingriff in die Freiheit der Bürger zu legitimieren. Hart, Immorality and Treason, S. 85; ders., Law, Liberty and Morality, S. 5, 31, 41, will zusätzlich zu Schädigungen Dritter auch Selbstschädigungen und Belästigungen (offenses) als legitim anerkennen. Und Feinberg, Harm to Others, S. 14 f.; ders., Offense to Others, S. 25 betrachtet prinzipiell nur Schädigungen Dritter und Belästigungen als taugliche Gegenstände eines Verbotes. Dagegen argumentiert Dworkin, Liberty and Moralism, S. 255 wie ein strikter Moralist, der aber eine liberale Moralität vertritt, für welche die Homosexualität nicht falsch ist; ähnlich Sartorius, Yale Law Journal 81 (1972), S. 90 ff. (mit einer liberalen und utilitaristischen Moralität). Ausdrücklich moralisierend auch Duff, Punishment, Communication, Community, S. 66 f.; M. Moore, Criminal Law Theories, S. 70 ff.; ders., Legislative Aim, S. 659 ff.

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Das klarste Beispiel für die Gefahren des Strafrechtsmoralismus liefert das nationalsozialitische Strafrecht. Obwohl man es bis heute überwiegend für ein amoralisches Herrschaftsinstrument hält,26 entspricht diese Leseart kaum dem Selbstverständnis zumindest einiger der damals führenden Strafrechtler.27 Sofort nach der Machtergreifung von 1933 setzte sich Nagler für eine „umfassende Ethisierung“ des Strafrechts ein und behauptete, „die alte Feuerbachsche Forderung, Recht und Moral scharf zu sondern . . . wird keinen Kurswert mehr haben“.28 Vor allem Schaffstein sprach vom Verbrechen als einer Pflichtverletzung29 und plädierte für den „Gedanken, (ein) Recht und Sittlichkeit enger als 25 Feinberg, Harm to Others, S. 14 f. Freilich wird diese Position am Ende des vierbändigen Werkes zum Teil zurückgeschraubt, so dass Feinberg moralischen Gründen eine begrenzte Kraft zuerkennt, s. Feinberg, Harmless Wrongdoing, S. 322 f. (der anfängliche „gewagte [bold] Liberalismus“ weicht also dem „vorsichtigen [cautious] Liberalismus“); zur Diskussion Duff, Buffalo Criminal Law Review 5 (2001–2002), S. 32 ff. 26 Etwa P.-A. Albrecht, Vergessene Freiheit, S. 61; Müller-Dietz, Nationalsozialistisches Rechtsdenken, S. 187; Kubink, Strafen, S. 259; Naucke, Analogieverbot, S. 305, 332 f.; ders., Rückwirkungsverbot, S. 351 ff.; ders., NS-Strafrecht, S. 367 (mit einer weiterreichenden Interpretation, wonach die Instrumentalisierung durch die politische Macht nicht nur für das nationalsozialistische, sondern für das ganze „moderne“ Strafrecht seit Beccaria charakteristisch sei); Eb. Schmidt, Geschichte, § 352, S. 438; Schreiber, Strafgesetzgebung im „Dritten Reich“, S. 179; Streng, MSchrKrim 76 (1993), S. 159; Welzel, Ethische Grundlagen, S. 247; Gerhard Wolf, JuS 1996, S. 191. Vogel, Nationalsozialismus, S. 72 ff., S. 92 ff. spricht sowohl von Ethisierung als auch von der Funktionalisierung als Kennzeichen nationalsozialistischen Strafrechts, ohne deren Beziehungen zueinander näher zu problematisieren. Wissenschaftlich kaum diskutabel Rehbein, MSchrKrim 70 (1987), S. 203 f. 27 Wie hier vor allem Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 228; ders., Rechtsgutverletzung, S. 275; vgl. auch Alcácer Guirao, Lesión, S. 46. Auf das Selbstverständnis der Strafrechtler stellt auch Telp, Ausmerzung und Verrat, ab, etwa S. 69 Fn. 111 (in Auseinandersetzung mit Marxens These, wonach der moralisierende Ton nationalsozialistischer Strafrechtler nur als Fassade der Vernichtungspolitik dienen sollte) und zusammenfassend S. 249. Dabei wird nicht bestritten, dass bei einzelnen Autoren die Akzente wohl unterschiedlich liegen dürften – etwa bei Freisler, DJ 1935, S. 1251 (dazu Telp, ebda., S. 118, 132; und Nehlsen, Krieg als Argument, S. 112 ff.; siehe immerhin das unten bei Teil C., Fn. 31 befindliche Zitat) oder Klee, ARSP 28 (1934/1935), S. 497; ders., DStR 1942, S. 70, 72 (dazu Telp, ebda., insb. S. 158 f.) und Maier, DStr 1943, S. 156, 159. Zu Recht kritisch zu der bei Studien zum NS-Recht gängigen von ihm sog. „äußerlich-moralisierenden Betrachtung“, die nicht das Selbstverständnis der Handelnden zur Kenntnis nimmt, Rottleutner, ARSP Beiheft 18 (1983), S. 24. Eine rechtshistorisch richtige Antwort müsste vermutlich differenzierter ausfallen. Die Stellungnahmen zum Anfang des Regimes waren überwiegend moralistisch und weniger zweckmäßigkeitsbezogen. Ab 1939, also in der Kriegszeit, lässt man moralische Erwägungen nach und nach verkümmern und beruft sich überwiegend auf Zweckmäßigkeit. Diese differenzierende Theorie erklärt auch, wieso die Nachkriegszeit das Strafrecht des Nationalsozialismus als reines Zweckmäßigkeitsdenken begriff: denn diese Argumentationsform stand in der letzten Phase des Regimes tatsächlich im Vordergrund. 28 Nagler, GS 103 (1933), S. XXXII; ders., LK6, S. 4. 29 Schaffstein, DStR 1935, S. 105; ders., Pflichtverletzung, S. 114 ff.; ders., ZStW 57 (1938), S. 301; so auch Dahm, ZStW 57 (1938), S. 235; Kohlrausch, Vermögens-

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bisher zu verknüpfen“30. Freisler entwertete das Gesetzlichkeitsprinzip mit der Begründung, „die Ersetzung des bisherigen formalen Gerechtigkeitsprinzips durch den Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit beruht auf der Erkenntnis, daß das Recht in der Moral verwurzelt ist“; die Moral sei „der Nährboden des Rechts“.31 Dahm stellte sich gegen die Vorstellung, das Recht schütze Interessen oder Rechtsgüter, im Namen einer Auffassung von Unrecht als „Auflehnung gegen die Gemeinschaft und ihr inneres Gesetz“,32 so dass der Verrat zum Prototyp der Straftat wurde.33 Welzel schrieb 1941, das Recht sei keine Zwangsordnung, sondern „als Ganzes eine sinnvoll verpflichtende Wertordnung“,34 und 1944 redete er von der „sittenbildenden, sozial-ethischen Kraft des Strafrechts“35 – dementsprechend definierte er Verbrechen als „innerer und äußerer Abfall von den Gemeinschaftsordnungen als der existenziellen Grundlage des Täters“.36 1944 genügte es Exner, das Selbstverständliche festzustellen: „Daß das neue Strafrecht eine Angleichung an die sittlichen Anschauungen erstrebt, bedarf keines Beweises“.37 b) Es wäre aber kurzschlüssig zu behaupten, die von Feuerbach vertretene Trennung von Recht und Moral sei deshalb die liberale Auffassung schlechthin und aus diesem Grunde vorzuziehen. Auch dieser strafrechtliche Amoralismus vermag Bedenken zu erwecken, die auch schon wiederholt mit guten Gründen geltend gemacht wurden, nämlich: dass ein amoralistisches Strafecht zu einem geschmeidigen, technokratischen System der Herrschaftsausübung entarten könnte, das nurmehr von der Richtschnur der Staatsräson geleitet würde. Einige verbrechen, S. 203, 205; Rauch, Klassische Strafrechtslehre, S. 49. Dazu zusammenfassend Marxen, Kampf, S. 185 f. 30 Schaffstein, ZStW 53 (1934), S. 606; sehr ähnlich ders., ZStW 57 (1938), S. 300 f. 31 Freisler, ZStW 55 (1936), S. 510, 511; ähnlich ders., DJ 1935, S. 1251; ders., DStr 1935, S. 12, 16; siehe ferner ders., Das neue Strafrecht, S. 69: „Die Ableitung des Rechtes aus den Forderungen der Volksgesittung und seine Ausrichtung nach dem Volksgewissen ist deshalb auch einer der kennzeichnendsten Grundzüge des kommendes Strafrechts“; vgl. auch den anschaulich betitelten Aufsatz „Der Heimweg des Rechts in die völkische Sittenordnung“, insb. S. 32 ff.;. 32 Dahm, Gemeinschaft und Strafrecht, S. 12. 33 Dahm, Gemeinschaft und Strafrecht, S. 12 ff.; ders., Nationalsozialistisches Strafrecht, S. 14, 17 f.; ders., ZStaaW 95 (1935), S. 284 ff., 291. Dazu Marxen, Kampf, S. 186 ff. 34 Welzel, Persönlichkeit und Schuld, S. 207. 35 Welzel, Begriff des Strafgesetzes, S. 235, 238. 36 Welzel, Grundzüge, S. 2; siehe auch S. 4 und S. 9. 37 Exner, Sinnwandel, S. 29. Weitere ähnliche Stellungnahmen: Gallas, Rechtsgutsverletzung, S. 65; Gürtner, Entstehung, S. 23; Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 60; H. Mayer, DStR 1938, S. 78; Sauer, GS 103 (1933), S. 2, 22; ders., DStr 1934, S. 177 ff.; Siegert, Grundzüge, S. 10. Dass die Annäherung von Recht und Sittlichkeit keinen Bruch, sondern eine Weiterführung früher durchaus bestehender Tendenzen darstellt, belegen Nachw. wie Klee, GA 1928, S. 5.

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extreme Folgerungen, die bei Feuerbach aufscheinen, wie etwa seine Verabschiedung des Schuldprinzips oder die Härte des auf der psychologischen Zwangstheorie beruhenden Strafensystems,38 sind noch lange nicht alles, was man von dieser Position befürchten müsse. Schon einer ihrer ersten Anhänger, Almendingen, rechtfertigte mit einem Hinweis auf die Trennung von Recht und Moral und auf Gründe des Staatswohls ein Gesetz des republikanischen Frankreichs, das gegen alle nach dem 18. Fructidor auf französischem Boden gefundenen Emigranten die Todesstrafe androhte.39 Noch mitten im 19. Jahrhundert beklagte Hepp, die erforderliche „Humanisierung der Strafgesetze“ sei „so lange nicht möglich, als das Abschreckungsprinzip und überhaupt die Politik, auf dem Gebiet des Strafrechts vorherrschen“.40 Daran sei vor allem die Trennung von Recht und Moral schuld: Der „Gegensatz zwischen dem Recht und der Moral hat den schlimmsten Einfluß auf dem Gebiete des Strafrechts ausgeübt, indem es, wie die Erfahrung bestätigt, von einem, aller Sittlichkeit entkleideten Rechte nur eines kleinen Schrittes bedarf, um auf das ausschließliche Gebiet der Politik, und damit zu dem Satze: der Zweck heiligt die Mittel, zu gelangen“.41 Insbesondere das vergangene Jahrhundert hat mehrere Beispiele dafür gebracht, wie gefährlich die amoralistische Position sein kann; man denke hier vor allem an das Strafrecht der italienischen Scuola Positiva oder dasjenige des Sowjetsystems. Ferri, der Anführer der italienischen Scuola Positiva, verfasste 1921 den Entwurf eines Strafgesetzbuches, der im Namen einer effektiven Sozialverteidigung streng einspurig war und das Wort Strafe nicht mehr enthielt, sondern allein von unbestimmten Maßregeln sprach.42 Die Scuola Positiva denunzierte die Sorgen der von ihr sog. „Klassiker“ um die Rechte des Verbrechers und deren „moralisierendes Gerede“ von Schuld und Verantwortlichkeit, was zu einem ständigen Kriminalitätszuwachs geführt habe.43 Eine effektive Sozialverteidigung habe sich demgegenüber nach der Gefährlichkeit des 38

Dazu oben B. I. 2. e) (S. 72). Almendingen, BpRW Teil I St. III (1799), S. 53. 40 Hepp, Darstellung II/12, S. IX. 41 Hepp, Darstellung II/12, S. X (Zitat), 18 (ausdrücklich gegen Feuerbach und seine Trennung von Recht und Moral), 140 („unselige Trennung“). 42 „Progetto preliminare di Codice penale per i delitti“, abgedruckt in: Ferri, Principii, S. 756 ff.; zusammengefasst bei Kantorowicz, Italienischer Strafgesetzentwurf, S. 25 ff. Siehe ferner die amtliche Begründung Ferris, Relazione, S. 602 ff., insb. 615, wo es über die sog. „Sanktionen sozialer Verteidigung“ (und nicht Strafen!) heißt: „. . . die im Gesetze vorgesehenen Saktionen für Straftaten müssen jedem Anspruch der Zufügung einer der moralischen Schuld entsprechenen Züchtigung fremd bleiben“, S. 617; zum Entwurf auch Ferri, Principii, S. 56; ders., Sociologia criminale I, S. 73; aus deutscher Sicht Ebermayer, ZStW 42 (1921), S. 649 ff.; Finger, GS 88 (1922), S. 274 f., 289 ff. 43 Ferri, Giustizia penale, S. 595; ders., Pene, S. 667 f.; ders., Principii, etwa S. 41, 45; ders., Sociologia criminale I, etwa S. 2 ff., insb. 13, 27 (wo der Unterschied zu den Klassikern u. a. durch das Motto „statt weniger Strafen, weniger Straftaten“ ausgesprochen wird); ders., Sociologia criminale II, S. 305, 425 ff. 39

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Täters zu richten44 und sich deshalb allein unbestimmter Strafen zu bedienen:45 „Der Staat . . . soll durch seine souveräne Strafrechtspflege keine philosophische, religiöse oder moralische Aufgabe erfüllen – was ihm nicht zusteht – sondern allein die repressive Verteidigung der Gesellschaft gegen das Verbrechen rechtlich regeln“.46 Daher verlangte Ferri die Todesstrafe für „geborene Verbrecher“ als notwendiges Mittel „künstlicher Auslese“,47 und der andere prominente Positivist Garofalo schämte sich nicht, die wirtschaftliche Belastung des Staates durch die lebenslange Freiheitsstrafe als Zusatzargument für die Todesstrafe auszusprechen.48 Auch das frühe sowjetische Strafrecht galt vor den Augen zeitgenössischer Beobachter als Muster eines gefügigen, allein den Zwecken des proletarischen Klassenkampfes dienenden Strafrechts, das alle moralischen Bedenken hinter sich lässt.49 Wenn auch schon das erste, von Krylenko verfasste Strafgesetzbuch von 1922 unter starkem Einfluss der Scuola Positiva stand,50 kam es erst mit dem zweiten Strafgesetzbuch von 1926 zum endgültigen Bruch mit der „bürgerlichen“ Tradition, was vor allem durch den neuen § 1 symbolisch klargestellt wurde. Anstelle des nullum-crimen-Satzes war dort zu lesen: 44 Am ausführlichsten Ferri, Sociologia criminale II, S. 1 ff., 134 ff. (Begründung des Begriffs der sog. „sozialen Verantwortlichkeit“, welche die herkömmliche auf der Willensfreiheit beruhende Schuld ersetzen solle); zudem ders., Relazione, S. 605, 608 f., 612 ff.; ders., Principii, S. 46 f., 229 ff. („soziale Verantwortlichkeit“, insb. S. 238), S. 284 ff. 45 Ferri, Pene, S. 668; ders., Principii, insb. S. 333 ff.; ders., Sociologia criminale II, S. 435 ff. 46 Ferri, Principii, S. 47; ähnlich ders., Pene, S. 668. Zur Scuola Positiva und zu Ferri siehe noch Bettiol, Diritto penale2, S. 26 ff.; jüngst Bisi, Ferri, S. 87 ff., 97 ff. 47 Ferri, Sociologia criminale II, S. 486 ff. (Zitat auf S. 487); ähnlich Garofalo, Criminologia, S. 45; ders., Scuola Positiva XIII (1933), S. 483 f. 48 Garofalo, Criminologia, S. 426 f. 49 So die allgemeine Einschätzung von Graven, RSCDPC (1948), S. 236 ff., 239: „Nur der Zweck zählt“; ähnlich Waiblinger, Nullum crimen, S. 213; krit. auch Eb. Schmidt, Kulturkrise, S. 16 ff. Die ausschließlich instrumentelle und vorläufige (im Sinne einer zu überwindenden) Rolle des Rechts gehört zum Kern der sowjetischen Rechtsauffassung (so vor allem der führende Jurist der Stalinzeit Vyshinski, Soviet State, S. 38 ff.; ferner Maurach, Räterussisches Strafrecht, S. 53 f., S. 60 [„Grundsatz der Negation der Garantiefunktion des Rechts“]; Dekkers, Droit de l’Union Soviétique, S. 14; Bellon, Droit Pénal Soviétique, S. 36 ff.; siehe ferner Cattaneo, Strafrechtstotalitarismus, S. 149, wonach der Kampf gegen die Rechtssicherheit zentrales Element sowjetischen Strafrechts sei, und jüngst Luisi, Derecho penal soviético, S. 237 ff., der das sowjetische Strafrecht als eine Instanz vom „Feindstrafrecht“ ansieht; zu Vyshinsky [oder deutsch: Wischynski] Cattaneo, Strafrechtstotalitarismus, S. 175 ff.). Aus nationalsozialistischer Perspektive rügt Kurt Dreier, Analogie, S. 31 f. das sowjetische Strafrecht als „nichts weiter als gesetzlich festgelegte polizeiliche Sicherungsmaßnahmen“, die mit „Gerechtigkeit“ nichts Gemeinsames haben – was für eine indirekte Bestätigung der hier zugrundegelegten Interpretation des Nationalsozialismus als moralistisch sprechen könnte. 50 Graven, Le Droit Pénal Soviétique, S. 239; siehe auch Ferri, Principii, S. 57, 101, und ausführlich ders., Responsabilità legale, S. 789 ff., der die sowjetische Entwicklung, insb. das zweite gleich zu erwähnende Strafgesetzbuch, lobt.

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„Zweck der Strafgesetzgebung ist der Schutz des sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates und der darin fundierten Rechtsordnung gegen sozialgefährliche Verhaltensweisen, durch Verhängung von Maßregeln der Sozialverteidigung gegenüber den Tätern dieser Verhaltensweisen“.51 Schon aus diesem kurzen Satz könnte man das ganze Programm eines moralgelösten Strafrechts herauslesen. Bemerkenswert erscheint uns jetzt vor allem, dass man sich anstelle der für moralistisch gehaltenen Strafen für ein einspuriges Maßregelsystem entschied, worunter das Zwangsarbeitslager (sog. Goulag) die Schlüsselposition einnahm,52 dass das Gesetzlichkeitsprinzip, insbesondere in seinen Dimensionen als Analogie- und Rückwirkungsverbot, beseitigt wurde53 und dass man nicht einmal vor dem Recht der Unschuld halt machte, sondern etwa im sog. „Gesetze zum Schutze des Vaterlandes“ mehrjährigen Freiheitsentzug und Einziehung des Gesamtvermögens für die Angehörigen des Fahnenflüchtigen vorsah.54 Kein Wunder, dass die rechtsstaatliche Reaktion auf derartige Ekzesse häufig die Flagge des strafrechtlichen Moralismus trug, der in Italien vor allem von Bettiol und seinem „Gesinnungsstrafrecht“ vertreten wurde. Bettiol forderte eine Rückbesinnung des Strafrechts auf die für die abendländische, d.h. christliche Kultur fundierenden moralischen Grundwerte der Personenwürde und der Freiheit.55 Die heute gängige Kritik an einem (nicht immer klar definierten) unbeschränkten strafrechtlichen Funktionalismus56 oder Technokratismus57 lebt von ähnlichen Sorgen. 51 Nach Graven, Le Droit Pénal Soviétique, S. 240 (aus dem Französischen von mir frei übersetzt); dazu Gleispach, SchwZStr 41 (1928), S. 340; Maurach, Räterussisches Strafrecht, S. 159, 162 f.; Luisi, Derecho penal soviético, S. 240 ff. Der nächste Schritt, der zum Glück nicht unternommen wurde, war der von Krylenko mitverfasste Entwurf von 1930, der keinen Besonderen Teil brauchte (die ersten Artikel sind von Bellon, Droit Pénal Soviétique, S. 95 ff., ins Französische übersetzt worden; dazu Maurach, Räterussisches Strafrecht, S. 163; Luisi, Derecho penal soviético, S. 242 ff.). 52 Graven, Le Droit Pénal Soviétique, S. 450 ff. (Maßregeln), 464 ff. (Goulags); Gleispach, SchwZStr 41 (1928), S. 340 ff., 343 ff. 53 Graven, Le Droit Pénal Soviétique, S. 248 ff. 54 Nach Graven, Le Droit Pénal Soviétique, S. 447 f. Zur Entwicklung des sowjetischen Strafrechts bis zum Tode Stalins Bellon, Droit Pénal Soviétique, S. 55 ff.; später sind einige Ekzesse, wie die Aufhebung des Analogieverbotes, wieder beseitigt worden, siehe Dekkers, Droit de l’Union Soviétique, S. 105. 55 Bettiol, Diritto penale2, S. 8, 10, 49 ff., 72 ff. (S. 74: „Das Recht steht nicht in einem Gegensatz zur Moral, sondern ist die Moral selbst, die aus einer Perspektive betrachtet wird, die statischer, sicherer, objektiver ist . . . Die Entfernung des Rechts von seinem ethischen humus bedeutet nicht nur, dass man jede gesetzgeberische Willkür ermöglicht, sondern auch dass man das Merkmal der voluntas zulasten des Merkmals der ratio in der Definition des Rechts betont . . .“); ders., Gesinnungsstrafrecht, S. 192 ff. (S. 192: „das Recht findet seinen Höhepunkt in der Ethik“). 56 Vor allem Art. Kaufmann, Jura 1986, S. 226; ferner Hassemer, Personale Rechtsgutslehre, S. 85 f.: Funktionalismus als „Denken, welches strafrechtliche Prinzipien von den Erfordernissen einer effektiven Kriminalpolitik her funktionalisiert“; Prittwitz, StV 1991, S. 435 ff.; Lüderssen, ZStW 107 (1995), S. 877, der unter „Funktionalis-

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3. Im Vergleich zu Feuerbach befinden wir uns heutzutage im Vorteil: Nur die Gefahren des moralisierenden, kaum aber die des amoralischen Strafrechts hatte er vor Augen. Wir erlebten dagegen mit beiden Bitteres. Nicht zuletzt, weil die Geschichte den Streit zu einem Patt zu führen scheint, muss ihn die Rechtsphilosophie schlichten und den berechtigten Ansprüchen beider Parteien entgegen kommen. a) Zwei Lösungen scheinen sich jetzt anzubieten. Die erste – nennen wir sie die intuitiv-naive – besteht darin, beide Meinungen wegen ihrer Einseitigkeit abzulehnen. Auf der einen Seite wäre das Recht mit der Moral nicht identisch: gerade deshalb wäre etwa die „Reinheit und Gesundheit des Geschlechtslebens“58 kein strafschutzfähiges Rechtsgut. Auf der anderen Seite könnte das Strafrecht die Moral nicht völlig außer Acht lassen: so sei an der Schuld noch festzuhalten, gleichgültig, was man gegen sie einwendet. Man könnte diesen Lösungsweg mit einem Satz Arthur Kaufmanns zusammenfassen: „Sittlichkeit und Recht sind also wohl in mancher Hinsicht verschieden, aber nicht voneinander geschieden“.59 Diese Lösung hat vieles für sich, und unzutreffend scheint sie auch nicht zu sein. Sie ist nur unzureichend, und dies aus zwei miteinander eng verwandten Gründen. Erstens sagt sie nicht, in welchem Punkt die Grenze des noch Gemäßigten überschritten ist. Mehr als eine Behauptung, hier sei man „zu weit gegangen“, kann die Lösung nicht tragen, und man fragt sich mit gutem Grunde, mus“ Effizienzüberlegungen („Tendenzen möglichst effektiven Verfolgens von Straftaten“) versteht; siehe auch den Titel eines Arthur Kaufmann gewidmeten, von Philipps/ Scholler herausgegebenen Aufsatzbandes „Jenseits des Funktionalismus“, insb. S. V; Pérez Arroyo, ADPCP 52 (1999), S. 497 ff.; bezogen auf das Strafrecht des Nationalsozialismus Vogel, Nationalsozialismus, S. 92 ff. Siehe immerhin die beachtliche Kritik bei Urbina Gimeno, RDPC 2. Folge, Sondernummer 2 (2004), S. 65 f. 57 Etwa Baratta, RBCC 29 (2000), S. 38 ff.; Christie, Contemporary Crises 10 (1986), S. 98 ff.; ders., Indústria, S. 195 (der den Utilitarismus im Recht ausdrücklich verwirft); Miranda Coutinho, RBCC 32 (2000), S. 297 ff.; van Swaaningen, Critical Criminology, S. 161 ff., 196, 238 ff.; ders., RBCC 32 (2000), S. 246 f. 58 Um die Ausdrucksweise des moralistisch orientierten E 1962, S. 358 zu gebrauchen; ferner Jescheck, zitiert nach Baumann, Paragraph 175, S. 162; (später versuchte Jescheck, das Verbot der Homosexualität durch den Gedanken des Rechtsgüterschutzes zu legitimieren, siehe Jescheck, Homosexualität II, 103 f., und dazu unten D. II. 2. [S. 346]); siehe auch RGSt 2, 238, wo von der Bestrafung der Unzucht „um ihrer Verwerflichkeit willen und im Interesse der öffentlichen Moralität“ die Rede ist; ähnlich Maurach, BT4, S. 411, der vom „Sozialinteresse an der Normalität des Geschlechtslebens“ sprach. Kritischer Überblick über die verschiedenen Begründungen der Strafbarkeit der Homosexualität zur Zeit vor der Reform des Sexualstrafrechts bei Baumann, Paragraph 175, S. 158 ff. 59 Arthur Kaufmann, Recht und Sittlichkeit, S. 9, ferner 26 f.; ders., Rechtsphilosophie, S. 214. Ähnlich Beristain, Concepto y metodo, S. 89; Bruno, Direito Penal I3, S. 38 Fn. 15; Dahm, Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit, S. 2 (für das Zitat vgl. den Text unten bei Teil C., Fn. 63); wohl auch Hans Schulz, JZ 1966, S. 114 f., der zum einen sagt, Strafe sei keine Frage der Sittlichkeit, sondern eine „bittere Notwendigkeit“, zum anderen meint, sittliche Vorstellungen sollten die Strafe mäßigen.

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warum nur gerade hier – wie weit ist eigentlich doch zu weit. Das zweite, eigentlich tiefer liegende Problem ist, dass sich dieser Lösungsweg damit begnügt, die Intuitionen zu wiederholen, die unsere Ablehnung sowohl des moralistischen als auch des amoralistischen Strafrechts tragen. Eine theoretische Untermauerung i. S. erstens einer begrifflichen Klärung, zweitens einer normativen Rechtfertigung dieser Intuitionen wird hingegen nicht geliefert. b) Ein gangbarer Lösungsweg ist der intuitiv-naive deshalb nicht. Einen solchen wird man erst erreichen, wenn Intuition und Naivität überwunden und die gerade angesprochene begriffliche Klärung und normative Rechtfertigung der tragenden Gedanken geliefert werden.60 Diese zweite Lösung – die, gerade weil sie die richtige zu sein scheint, keinen eigenen Namen braucht – wird als erstes die stillschweigend akzeptierte Prämisse, welche die Diagnose eines Streits zunächst einmal begründet, doch hinterfragen. Einen Streit gibt es nämlich nur, wenn unsere Ablehnung sowohl der Gefahren des Moralismus, als auch des Amoralismus uns in einen logischen Widerspruch verwickelt. Dazu wäre es aber nötig, dass hinter diesen zwei ablehnenden Äußerungen ein einziger Begriff der Moral stünde. Dies kann man jedoch nicht ohne weiteres unterstellen, wie es aber auf den ersten Blick aussieht und wir es bisher getan haben. Es müsste zunächst einmal überprüft werden, was wir unter Moral verstehen, wenn wir sowohl moralistisches als auch amoralistisches Strafrecht ablehnen, damit der Gehalt dieser beiden Intuitionen verstanden werden kann und sie miteinander überhaupt verglichen werden können. Wenn sie nicht A und non-A, sondern A und non-B besagten, dann könnten beide prima facie zwar entgegengesetzen Intuitionen doch durchaus miteinander verträglich sein. Erst dann hätte man mehr als eine verschwommene Intuition, nämlich eine klare rechtsphilosophische Position, die in ihrer Richtigkeit und normativen Begründetheit untersucht werden könnte. aa) Eine Diskussion kann es aber freilich nur geben, wenn man doch über ein gewisses Etwas spricht. Ohne zu unterstellen, dass Generationen von scharfsinnigen Denkern einen offensichtlichen Denkfehler begangen hätten, kann man nicht voreilig behaupten, sie wüssten alle nicht, wovon sie sprechen. Die hier bevorzugte anti-reduktionistische Methodik (siehe oben A. [S. 27]) schließt diese Behauptung denn auch prinzipiell aus. Das bedeutet zwar nicht, dass der Gegenstand, über den man spricht, schon eindeutig sein muss, aber durchaus, dass er einen mehr oder weniger fassbaren Kern aufweisen muss, der es sinnvoll macht, sich über ihn zu verständigen. Nicht nur die beiden an der Diskussion beteiligten Parteien reden keinen Nonsens wie „Cäsar ist eine Primzahl“,61 60 Dass Intuitionen einer Begründung bedürfen, wird treffend von Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, S. 25 hervorgehoben. 61 So das bekannte Beispiel Carnaps in seiner Programmschrift zur „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“, S. 189.

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sondern auch wir sind in der Lage, die Gedanken der Beteiligten nachzuvollziehen und uns darüber eine intuitive Meinung zu bilden. Als erste Annäherung zur Lösung sollte man deshalb fragen, welcher Begriff von Moral sowohl hinter der Diskussion, als auch hinter unserer intuitiven Zurückhaltung sowohl gegenüber dem Moralismus als auch gegenüber dem Amoralismus stehen muss. Erst danach kann nach dem begrifflichen Missverständnis, das wohl hinter unseren widerstreitenden Intuitionen liegen muss, gefragt werden. bb) Der gemeinsame Kern hier dürfte die Vorstellung der Moral als Inbegriff von nicht-konsequentialistisch begründbaren Anforderungen, oder – jetzt ins Positive gewendet – der Moral als Inbegriff von deontologisch oder tugendethisch begründbaren Anforderungen, sein.62 In der Diskussion zum Verhältnis von Strafrecht und Moral wird „Moral“ überwiegend und stillschweigend als

62 Nur zur Klärung der hier zugrundegelegten Begriffe, für die es nicht immer eine kanonische Definition gibt, so dass sie vom Verfasser zum Teil in eigener Verantwortung eingeführt werden: Unter Konsequentialismus versteht man hier die Theorie, nach der die Richtigkeit einer Handlung allein eine Funktion ihrer Konsequenzen ist; eine Theorie ist nicht-konsequentialistisch, wenn die Richtigkeit einer Handlung von etwas mehr als allein ihren Konsequenzen bestimmt wird (genau so Shaw, Consequentialist Perspective, S. 5; sehr ähnlich Birnbacher, Ethik, S. 173; Frey, Act-Utilitarianism, S. 165; Kamm, Nonconsequentialism, S. 205). Deontologisch ist eine Theorie, welche die Richtigkeit als Funktion der Beachtung einer folgenunabhängigen Regel bestimmt. Und tugendethisch ist eine Theorie, welche die Richtigkeit einer Handlung als Funktion ihres Eingebettetseins im umfassenden Bild eines guten, bewunderungswürdigen Lebens bestimmt. In der Literatur kursieren zahlreiche unterschiedliche Definitionen. Sehr verbreitet ist die Definition der Deontologie als Theorie, welche die Richtigkeit einer Handlung als Funktion ihrer intrinsischen Merkmale, Eigenschaften oder Qualitäten bestimmt (in diese Richtung Birnbacher, Ethik, S. 116). Rawls, A Theory of Justice, S. 24 ff. bestimmt bekanntlich den Konsequentialismus und die Deontologie je nachdem, wie sie die Begriffe des Richtigen und Guten zueinander beziehen: nach dem Konsequentialismus sei der Begriff des Guten primär, der des Richtigen sekundär, nach der Deontologie sei der Begriff des Richtigen primär (so auch Brink, Consequentialism, S. 381; C. Horn, Objektiver Zweck, S. 198). Neuerdings verbreiten sich Versuche, die Unterscheidung von Konsequentialismus und Deontologie anhand des Begriffspaars agent neutrality (Akteur-Neutralität) und agent-relativity (Akteur-Relativität) vorzunehmen: der Konsequentialismus sei demnach eine Akteur-neutrale, die Deontologie eine Akteur-relative Theorie (McNaughton/Rawling, Deontology, S. 426 f.; Pettit, The Consequentialist Perspective, S. 127 ff.). Und die Tugendethik wird von einigen definiert als die Lehre, nach der arethaische Begriffe (wie tugendhaft oder bewunderungswürdig) die Grundbegriffe der Moral sind, aus denen unter anderem das Kriterium der Richtigkeit von Handlungen abzuleiten ist (Slote, Virtue Ethics I, S. 177; ders., Virtue Ethics II, S. 325). Man bemerke, dass die hier vorgeschlagenen Definitionen in dem Sinne symmetrisch sind, dass sich alle drei mit derselben Frage befassen, nämlich der nach der Richtigkeit von Handlungen, da dies den vorrangigen Gegenstand unseres Interesses bildet. Einem Ethiker, der von weitergehenden Interessen geleitet ist – wie etwa dem, die drei Ethik-Konzeptionen nicht als Alternativen, sondern als sich gegenseitig ergänzbare Teillehren zu konzipieren – steht es selbstverständlich frei, seine Begriffe anders zu bilden (so etwa Petitt, Reply, S. 253 ff.).

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Gegenbegriff zur Zweckmäßigkeit bzw. zur Nützlichkeit, m. a. W. als Gegenbegriff zum Konsequentialismus benutzt.63 Sowohl Moralismus als auch Amoralismus versuchen gerade nicht, dem Strafrecht den Hinweis auf konsequentialistische Argumente (wie etwa die Verhinderung einer Gefahr für Rechtsgüter, subjektive Rechte oder den rechtlichen Zustand im Allgemeinen) zu ermöglichen oder zu verwehren. Wenn der Moralist den Bezug des Strafrechts zur Moral betont, meint er damit nicht, dass das Strafrecht sich konsequentialistisch begründen müsse, sondern gerade im Gegenteil, dass das Strafrecht gerechtfertigte Dimensionen aufweise, die sich nicht konsequentialistisch erfassen lassen, etwa indem es bestimmte folgenunabhängige Regeln (Deontologie) oder bestimmte Vorstellungen des guten Lebens (Tugendethik) durchsetzt bzw. ihnen Folge leistet. Und umgekehrt, wenn der Amoralist auf die Selbstständigkeit von Recht und Moral hinweist, tut er dies nicht, damit es einem verwehrt wird, auf die guten Konsequenzen bestimmter Verbote oder Bestrafungen zu deren Rechtfertigung zurückzugreifen, sondern gerade deswegen, um ausschließlich derartige Erwägungen, und nicht etwa die 63 Das sieht man am deutlichsten nicht nur bei einzelnen Stellungnahmen, etwa denjenigen Dahms: „Das Recht hält die Mitte zwischen Sittlichkeit und Zweckmäßigkeit“, und: „Das Gesetz ist weder eine Nützlichkeitsregel, noch ein moralischer Katechismus“ (Dahm, Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit, S. 2), sondern bei der Ablehnung jedes „Nützlichkeitsdenkens“ durch moralistisch gesinnte Autoren (beispielhaft Sauer, GS 103 [1933], S. 6; ders., ARSP38 [1934/1935], S. 235, 239; Bettiol, Diritto Penale2, S. 8; Heinitz, ZStW 63 [1951], S. 61, 62; Welzel, Strafrecht11, S. 241: „Der Utilitarismus der Zwecktheorien löst das Strafrecht zwangsläufig von seiner ethischen Grundlage los“), umgekehrt bei der Ablehnung der Ethisierung im Namen des rationalen Zweckmäßigkeitsdenkens (z. B. Klee, DStR 1942, S. 72) und bei der oben angesprochenen Entgegensetzung von Strafrechtsmoralismus und Sozialschaden bzw. Rechtsgüterschutz. Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 207 identifiziert sogar eine der Bedeutungen der Trennungsthese von Recht und Moral mit dem Utilitarismus, also mit der prominentesten konsequentialistischen Theorie. Weitere Stellen, aus denen ein Gegensatz von Moral und Konsequentialismus zu entnehmen ist, sind Amelung, Begriff des Rechtsguts, S. 169 f., wo der „Moralist“ im Strafrecht als derjenige bezeichnet wird, der Verhaltensnormen um ihrer selbst willen, ohne dass sie „etwas ,hinter‘ ihnen Stehendes schützen müssen“, für legitim erklärt; Lampe, Recht und Moral, S. 305; Noll, Ethische Begründung, S. 3 Fn. 2; unter Kriminologen van Swaaningen, Critical Criminology, S. 183. Man könnte die Liste beliebig verlängern. Dieser Wortgebrauch taucht auch außerhalb Deutschlands (etwa bei Del Rosal, Realidad penal, S. 28, 30 f.) und auch im nicht-juristischen Schriftum (Meinecke, Idee der Staatsräson, S. 8, 17) auf. Zwei letzte Klärungen: die heutige moralphilosophische Diskussion kennt zahlreiche Verfeinerungen und Differenzierungen (bzgl. des Konsequentialismus s. beispielhaft Brink, Consequentialism, S. 382–384), auf die es für unsere Interessen nicht so sehr ankommt. Man wird sich hier daher mit den gröberen Versionen befassen, die der juristischen Auseinandersetzung zugrunde liegen. Ferner wird hier nicht verkannt, dass auch der Konsequentialismus eine Moraltheorie ist, sondern nur behauptet, dass dasjenige, was man unter „Moral“ im Kontext der Diskussion „Strafrecht und Moral“ versteht, als Gegensatz zum Konsequentialismus zu begreifen ist.

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Beachtung nutzloser Regeln oder weltanschaulicher Vorstellungen über das gute Leben für maßgeblich zu erklären. Wenn man intuitiv die Ekzesse beider Positionen ablehnt, tut man dies, weil man erkennt, dass auf der einen Seite die völlige Missachtung konsequentialistischer Erwägungen schädlich ist und nutzloses Leid hervorruft und auf der anderen Seite die ausschließliche Beachtung konsequentialistischer Erwägungen alle Mittel im Namen des Zwecks heiligt. cc) Dass die Thesen einen gemeinsamen Kern aufweisen, ist deshalb alles andere als überraschend, sondern angesichts der Annahme eines Streits zwischen beiden gerade zu erwarten. Es wäre, wie gesagt, allzu einfach, könnte man eine derart praktisch bedeutsame Frage doch zu nur einem „Scheinproblem“ erklären, den diskutierenden Parteien sagen, sie redeten aneinander vorbei. Trotzdem – und das überrascht – deutet unsere Ablehnung der Ekzesse beider Positionen gerade auf dasjenige, was die zwei nicht miteinander teilen, auf den Punkt, an dem beide tatsächlich aneinander vorbei reden, und der uns gerade ermöglichen wird, unsere Intuition auch widerspruchslos zu formulieren. Denn die Tatsache, dass man eine Auffassung sowohl begrüßt, als auch ablehnt, begründet den Verdacht, dass es vielleicht nicht um eine einzige Auffassung, sondern mindestens um zwei unterschiedliche geht. dd) Der Begriff der Moral als Inbegriff nicht-konsequentialistischer (d.h. deontologischer oder tugendethischer) Anforderungen ist insofern zweideutig, als er den Adressaten der Anforderungen nicht näher bestimmt. In unserem Kontext kommen vor allem zwei Adressaten in Betracht. Entweder sind die Bürger diejenigen, deren Verhalten Anforderungen nicht nur konsequentialistischer Art (straf)rechtlich genügen muss oder die von diesen Anforderungen freigestellt werden. Oder der Staat ist der Adressat derartiger Anforderungen bzw. derjenige, der von derartigen Anforderungen freigestellt wird. Im ersten Falle hat man es mit einem Individualmoralismus bzw. mit einem Individualamoralismus zu tun, im zweiten Falle mit einem Staatsmoralismus bzw. mit einem Staatsamoralismus. ee) Nach diesen Unterscheidungen ist man in der Lage, aus dem Gehalt unserer Intuition eine klare und widerspruchslose rechtsphilosophische Position zu formulieren. Wenn wir uns die Gefahren des Moralismus ins Bewusstsein rufen, denken wir an die Gefahren eines individualmoralistischen Strafrechts, also eines Strafrechts, das den Bürger zur Befolgung folgenunabhängiger Regeln oder Vorstellungen vom guten Leben zwingt. In der Tat erwächst ein Großteil der Problematik des moralistischen Strafrechts daraus, dass man staatlichen Zwang benutzt, um Bürger zu Verhaltensweisen zu zwingen, die nicht nur aus konsequentialistischen Gründen – etwa wegen ihres rechtsgut- oder rechtsverletzenden Charakters – schlecht sind, sondern weil sie an sich regelwidrig sind oder nicht dem bevorzugten Bild vom guten Leben entsprechen. So kann man gegen die Homosexualität vorbringen, sie widerspreche einer wie auch immer zu be-

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gründenden Regel des Umgangs mit der eigenen Sexualität, oder sie entwürdige denjenigen, der sie praktiziere. Solange die Homosexualität aber keinen Dritten verletzt, also solange sie nicht auch im konsequentialistischen Sinne schlecht ist, kann sie nur von einem individualmoralistischen Strafrecht verboten und bestraft werden. Geiches gilt in Bezug auf die Tierpornographie: In der Tat scheinen derartige Handlungen denjenigen, der sie praktiziert, zu entwürdigen, etwa weil sie eine deontologische Regel des Umganges mit dem eigenen Körper verletzen oder sich nicht mit einer Vorstellung vom tugendhaften Leben vertragen. Dieser Bestand erscheint aber nicht ausreichend, um legitimen Staatszwang zu begründen. Dagegen meint man, wenn von den Gefahren des amoralistischen Strafrechts die Rede ist, ein staatsamoralistisches Strafrecht – also einen Staat, der sich nur durch Erwägungen konsequentialistischer Art, d.h. der Nützlichkeit, leiten lässt, für den alle Mittel gut sind, wenn nur der gute Zweck erreicht wird. Der Staat, den man intuitiv ablehnt, ist einer, dem erstens alle Anforderungen deontologischer Art – sprich unübersteigbare Schranken, wie etwa die absoluten Folteroder Genozidverbote – fremd sind, und der zweitens sein Handeln an keinerlei Vorstellung eines gelungenen Staates oder einer gelungenen Gemeinschaft ausrichtet. Ein Staat, der ohne Rücksicht auf die Schuld nur nach Gefährlichkeitsgesichtpunkten bestraft, ist ein Staat, der grundlegende deontologische Regeln – hier diejenige, wonach jeder Mensch doch auch als Mensch, und nicht nur als Sache oder gefährliches Tier zu behandeln ist64 – missachtet. Ein Staat, der alles, was seinen Interessen wiederstreitet, für strafbar erklärt, missachtet ein moralisches Verbot der Befangenheit und missbraucht das Strafrecht als Mittel der Herrschaftsausübung. c) Man kann jetzt zusammenfassend den Gehalt unserer Intuition in einem kurzen Satz zusammenfassen: Die Freiheit der Bürger darf nicht nur zur Befolgung moralischer Erwägungen eingeschränkt, die Macht des Staats darf aber nur unter Befolgung moralischer Erwägungen ausgeübt werden. Die Permeabilität von moralischen und rechtlichen Erwägungen, von der oben die Rede war, wäre bei der rechtlichen Beurteilung des Staatshandeln durchaus, derjenigen des Privathandeln dagegen auf keinen Fall zu bejahen. 4. Der intuitiv erfasste Gedanke ist jetzt zur rechtsphilosophischen These ausformuliert. Ihr prima-facie-Vorzug ist es gerade, dass sie unsere Intuitionen elegant und widerspruchsfrei zusammenfasst. Einiges ist aber noch zu tun, und nicht schlecht wäre es, sich zu vergewissern, welche Aufgaben man noch vor sich hat und welchem gedanklichen Weg die weitere Argumentation zu folgen hat.

64 Der Gehalt sowohl des Instrumentalisierungsverbots als auch der Schuld wird später präzisiert, siehe unten C. III. (S. 177 ff.) und D. II. 6. (S. 484 ff.).

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Eine Staatstheorie, die sich nicht damit begnügt, Ansichten über die möglichen Grenzen legitimer Staatsausübung referierend zu beschreiben, sondern darüber hinaus den Anspruch erhebt, normativ zu sein und diese möglichen Grenzen autoritativ zu errichten, muss jetzt untersuchen, ob unsere bisherigen Gedanken mehr für sich haben, als die bloß deskriptiv zu erfassende Tatsache, dass gerade wir sie gutheißen. Die Begründungsfrage ist deshalb die dringendste Aufgabe, der wir uns widmen müssen.65 Eine weitere Schwierigkeit, die dem Leser wahrscheinlich nicht unbemerkt geblieben ist, bezieht sich auf die Art der Moral, die den Staat binden soll. Wie gesagt wird hier unter Moral der Inbegriff der nicht-konsequentialistischen Anforderungen an das Verhalten eines bestimmten Adressaten verstanden – und unter Nicht-Konsequentialismus meinen wir tugendethische und deontologische Positionen. Da sich aber die beiden letzteren nicht unerheblich voneinander unterscheiden, muss unsere These noch dahingehend präzisiert werden, welcher der beiden nicht-konsequentialistischen Moraltheorien der Staat unterworfen ist bzw. ob er gar beiden zu folgen hat. Obwohl diese Frage zunächst nur den Gehalt der zu prüfenden These betrifft, könnte es sein, dass wir hier an den Grenzen unserer Intuition angelangt sind und unter ihrer bis jetzt treuen Führung wenig weiterkommen können. Deshalb soll diese Präzisierungsfrage, ob unter Staatsmoral eine deontologische oder eine tugendethische gemeint ist, erst im Zusammenhang mit der Begründungsfrage behandelt und gelöst werden. In diesem Rahmen soll hingegen zunächst untersucht werden, welche Art von moralischen Anforderungen den Staat binden sollen. Wenn beide Schwierigkeiten zu überwinden sind, verbleiben noch einige gewichtige Einwände, die man gegen jede sich auf die Moral beziehende These formulieren kann. Insbesondere könnte man meinen, zu moralischen Fragen gebe es keine rationalverbindlichen Lösungen, und ferner bezweifeln, ob angesichts der unbestreitbaren Tatsache des Pluralismus in modernen Gesellschaften ein Bezug auf die Moral im (Straf)Recht überhaupt zeitgemäß erscheint. 5. a) Wie begründet ist also der intuitiv erfasste Individualamoralismus im Recht? aa) Die Antwort liegt auf der Hand: Geht man von der Mündigkeit des Individuums aus, muss jeder selbst darüber entscheiden können, was für ihn ein gelungenes, gutes Leben bedeutet. Dieser Gedanke wird von vielen als Kern des Liberalismus angesehen.66 Ob aktiv oder kontemplativ, Künstler oder Techniker, 65

Siehe oben Teil C., Fn. 60. Rawls, Political Liberalism, S. 30, 302; ders., Justice as Fairness, S. 19, 21 f.; siehe auch Nozick, Anarchy, State, Utopia, S. 309 ff., mit einer unbedingt wörtlich zu zitierenden Passage: „Wittgenstein, Elizabeth Taylor, Bertrand Russel, Thomas Merton, Yogi Berra, Allen Ginsburg, Harry Wolfson, Thoreau, Casey Stengel, The Lubavitcher Rebbe, Picasso, Moses, Einstein, Hugh Heffner, Socrates, Henry Ford, Lenny 66

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Individuum oder Gemeinschaftsgenosse – dem einzelnen ist es vorbehalten, seine Vorstellung von Glückseligkeit zu verfolgen, und kein Staat darf ihm andere Vorstellungen vorschreiben wollen. Es ist zu begrüßen, wenn in einem Staat die Künste und die Wissenschaften gedeihen, wenn Nächstenliebe und Gemeinschaftssinn herrschen, so wie es zu bedauern ist, wenn sich Prostitution und Drogensucht anhäufen – nur rechtfertigt das keine Strafe gegen „entartete Kunst“ und Astrologie, gegen den Egoisten oder den Hermiten, gegen die Prostituierte oder den Junkie.67 Hier wird nicht bestritten, dass es objektive Unterschiede zwischen diesen beispielhaft entgegengesetzten Tätigkeitsfeldern und Lebensweisen gibt. Ein System aber, das auf der Mündigkeit des Individuums aufbaut, muss ihm allein die Aufgabe anvertrauen, für derartige Unterschiede selbst empfänglich zu sein und sich dieser Empfänglichkeit entsprechend zu

Bruce, Baba Ram Dam, Gandhi, Sir Edmund Hillary, Raymond Lubitz, Buddha, Frank Sinatra, Columbus, Freud, Norman Mailer, Ayn Rand, Baron Rotschild, Ted Williams, Thomas Edison, H. L. Mencken, Thomas Jefferson, Ralph Ellison, Bobby Fischer, Emma Goldman, Peter Kropotkin, you, and your parents. Is there really one kind of life which is best for each of these people?“ (S. 310); Dworkin, Liberalism, S. 191 f.; Narveson, Libertarian Idea, S. 8; Hampton, Liberalism, S. 159; Diskussion der schwierigen Abgrenzungsfragen bei Raz, Morality of Freedom, S. 134 ff. 67 Für die Prostitution ist das positiv-rechtlich anerkannt, wenngleich sich Feministen vermehrt für die Kriminalisierung der Freier einsetzen, was trotz ihrer konsequentialistischen Argumente des Schutzes der Frauen vor Ausbeutung (so schon das geltende Recht Schwedens seit 1999 [englischer Text abrufbar bei http://www. bayswan.org/swed/swed_law.html {31.07.2007}]; für Deutschland siehe die jüngst der Bundesregierung übergebene Petition, Das Parlament 49 [2006], S. 3) angesichts des offensichtlichen überwiegenden Nichtgegebenseins derartiger Lagen einen moralischen Kreuzzeug, der letztendlich auf tugendethischen Erwägungen beruht, darstellen dürfte (insoweit ähnlich die Kritik Steinerts, Kriminalsoz. Bibliografie 56/57 [1987], S. 136 f.). Dagegen kennt das deutsche Strafrecht selbst nach der Cannabis-Entscheidung die prinzipielle Strafbarkeit des Drogenbesitzes (BVerfGE 90, 145, 187 f.), was in der Regel durch einen konsequentialistischen Hinweis auf das unklare Rechtsgut der Volksgesundheit legitimiert wird (BVerfGE 90, 174; Rudolf Schmitt, Schutz des Opfers, S. 125; Endriß/Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Rn. 30; Klaus Weber, BtMG § 1/ 3 f.; im Ausland Borja Jiménez, Política criminal, S. 199; Celso Delmanto, Tóxicos, S. 16. Dieses Rechtsgut zu Recht ablehnend Anastosopoulou, Deliktstypen, S. 261 f.; Frisch, An den Grenzen, S. 94; Greco, RBCC 49 [2004], S. 115; Hassemer, JuS 1992, S. 113; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 142 f.; Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 88; M. Köhler, ZStW 104 (1992), S. 27 f.; Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 146 ff.; ders., GA 2003, S. 307; Roxin, AT I4 § 2/34 ff., 46, 76; Wohlers, Deliktstypen, S. 191 ff.). Erst die Einsicht in die Unzulänglichkeit der Volksgesundheit als Argument legt die Frage nahe, welche andere nicht ausgesprochene Begründung die Drogentatbestände trägt – was wahrscheinlich weniger mit einer letztlich dem Klassenkampfdenken verpflichteten Erklärung durch den Hinweis auf die Kontrolle gefährlicher Schichten zu tun hat (so aber Christie, Indústria, S. 58 ff., 120; ähnlich Dollinger, KrimJ 2001, S. 89 ff.: Disziplinierung) oder auf eine ethnische Säuberung (so Chambliss, Crime, S. 88 ff.) als mit der Bekämpfung einer Form des tugendethischen Verfalls (ähnlich Baratta, Drogas, S. 29; Szaz, Drugs, 62 f.) zu tun hat.

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verhalten. Das bedeutet m. a. W.: Tugendethisch begründete Anforderungen legitimieren keinen staatlichen Zwang gegen das Individuum. Ein Beispiel einer tugendethischen Fundierung des Staates findet man etwa bei Wilhelm Sauer, der die aus seiner Sicht gebotene „Gesamterneuerung des deutschen Volkes“ und natürlich auch des deutschen Rechts nach den vier von ihm gekennzeichneten Wesenszügen der deutschen Seele richten wollte – den vier „gotischen Tugenden“ der Zielstrebigkeit, der Schöpferkraft, des Gemeinschaftssinns und der Religiosität.68 Daraus leitete er nicht nur das allgemeinere Führerprinzip ab,69 sondern auch konkreter für das Strafrecht, dass vor allem die Verletzung gotischer Tugenden besonders verwerflich sei, und dies nicht wegen des daraus erfolgenden Schadens, sondern wegen des darin verkörperten Gesinnungsverfalls.70 bb) Entsprechendes gilt in Bezug auf deontologisch begründete Anforderungen. Ein bestimmtes Verhalten der Bürger ist nur dann zu untersagen, wenn abgesehen von der Tatsache, dass es gegen elementare Zivilitätsregeln bzw. kategorische Imperative verstößt, es auch einen greifbaren Schaden anrichtet, den es zu verhindern gilt. Dies folgt aus demselben Grunde, der die Unzulässigkeit eines tugendethischen Individualmoralismus belegte: Das mündige Individuum muss frei sein, alles zu tun, was keine schlechten Folgen für andere hervorruft. Man könnte sogar in Frage stellen, ob es derartige deontologische, d.h. folgenunabhängige Regeln in Bezug auf das Individualverhalten überhaupt gibt – ein Problem, das hier aber dahingestellt bleiben kann. Eventuell gegebene deontologische Anforderungen zum Umgang mit sich selbst – etwa Verbote der Selbstverstümmelung oder des Selbstmordes, der Homosexualität, des Inzestes oder der Bestialität, der Drogensucht oder der Selbsterniedrigung durch Prostitution – die man alle vielleicht vertreten könnte, bleiben strafrechtlich irrelevant.71 Auch eventuelle deontologische Anforderungen zum interpersonellen Verhalten – etwa das Lügeverbot, das Missachtungsverbot oder selbst das Tötungsverbot – werden erst dann bzw. dadurch strafrechtlich von Belang, wenn aus dem Regelverstoß ein Schaden entstehen kann. So ist ein Betrug nicht deshalb strafbar, weil er als Täuschung gegen das Lügeverbot oder gegen ein Recht auf Wahrheit verstößt, sondern u. a. deswegen, weil er zusätzlich einen Vermögensschaden hervorruft.72 Strafgrund der Beleidigung ist keineswegs nur, dass man dem Beleidigten die ihm gebührende Achtung verweigert, sondern die Verletzung einer 68 Sauer, ARSP 28 (1934/1935), S. 230, S. 234 ff.; knapp ders., GS 103 (1933), S. 36; z. T. abweichende Tugendliste bei dems. Kriminalsoziologie, S. 771. 69 Sauer, ARSP 28 (1934/1935), S. 251. 70 Sauer, ARSP 28 (1934/1935), S. 244 f. 71 Das gilt auch für den nach deutschem Recht strafbaren Inzest, im Erg. zu Recht krit. Jäger, Sittlichkeitsdelikte, S. 67 [Atavismus]; ferner Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 452 f. m. w. Nachw.; Roxin, AT I 4 § 2 Rn. 43 f.; Schünemann LK12 § 25 Rn. 49. Zur Problematik auch u. S. 352.

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Voraussetzung für die Lebensverwirklichung des Beleidigten, nämlich seiner sozialen Anerkennung.73 Und das Tötungsverbot besteht nicht wegen des kategorischen Imperativs des Nichttötens bzw. wegen der sog. „Heiligkeit des menschlichen Lebens“, sondern deshalb, weil das Leben eines anderen vor allem für ihn selbst etwas Wertvolles darstellt, dessen Zerstörung ihn daran hindert, seine beliebigen Pläne zu verwirklichen.74 Schön wäre es natürlich, wenn die Menschen aus Achtung für die Verbindlichkeit der einschlägigen kategorischen Imperative Betrügereien, Beleidigungen und Totschläge unterlassen würden – dies 72 Siehe aber Kohlrausch, Vermögensverbrechen, S. 207, 222, der den Betrüger zum „Ausbeuter fremden Vertrauens“ erklärte, und Freisler, ZStW 55 (1936), S. 520, der die Missachtung von Treu und Glauben zum Wesen des Betrugs erklärte; so auch Gallas, Rechtsgutsverletzung, S. 56. Dazu kritisch Bockelmann, Betrug, S. 240: „Die Lüge ist zwar immer sittlich verboten. Aber rechtlich erheblich ist sie nur dann, wenn sie praktische Wirkungen erzeugt hat“, mit der einleuchtenden rhetorischen Frage, ob man auch den bestrafen sollte, der für das Vermögen des Opfers einen täuschungsbedingten Zuwachs herbeiführt, ebda. Fn. 25). Die heutigen Vertreter eines Rechts auf Wahrheit (vor allem Kindhäuser, ZStW 103 [1991], S. 398, 402 f.; ders., NK2 § 263 Rn. 60 ff.; Pawlik, Betrug, S. 74 ff., S. 83), die in aller Regel von einer Weiterentwicklung des sog. juristischen Vermögensbegriffs ausgehen (Pawlik, Betrug, 259 ff.; Kindhäuser, NK2 § 263 Rn. 35 ff.), kommen einer im hier vertretenen Sinne nur deontologischen, also unzulässig moralisierenden Strafbarkeitsbegründung bedenklich nahe. 73 Soweit man den Ehrbegriff als Ausfluss der Personenwürde versteht – so sowohl der sog. normative (Hirsch, Ehre und Beleidigung, S. 29; ders., Grundfragen, S. 136; E. A. Wolff, ZStW 81 [1969], S. 893 ff., 901; Tenckhoff, Ehrbegriff, S. 181 f.; ders., JuS 1988, S. 203), als auch der gelegentlich normativ-faktisch genannte Ehrbegriff (etwa BGHSt 11, 70 f.: Unterscheidung von innerer Ehre und äußerer gesellschaftlicher Geltung, und „Kern der Ehrenhaftigkeit des Menschen ist die ihm unverlierbar von Geburt an zuteilgewordene Personenwürde“; Otto, Schutz der Ehre, S. 75, 81 f.; Geppert, Jura 1983, S. 532; ders., Jura 2005, S. 244; Spinellis, Ehre, S. 747 f., 756 f., 762 f.; Gössel, Ehre, S. 299 f.; Lackner/Kühl, StGB24 vor § 185/1) – vertritt man ein deontologisches Verständnis der Ehre, was nach hiesiger Ansicht eine unzulässige Moralisierung der zwischenbürgerlichen Verhältnisse darstellt. Auch in Ansichten, die zunächst vom Anspruch auf Achtung als Person reden, danach aber betonen, dass diese Achtung eine Bedingung der Selbstverwirklichung der Person ist (so Wolff und Otto, aaO.), stecken neben instrumentell-konsequentialistischer auch deontologische Überlegungen, wobei der Schwerpunkt klar in den letzteren liegt. Stimmt die hier vetretene Theorie, dann müssten alle strafbegründenden deontologischen Überlegungen weichen, so dass man von einer strafrechtlich schützbaren Ehre erst dann sprechen dürfte, wenn aus der Missachtung andere Nachteile für das Opfer erwachsen könnten (etwa: Verlust der Arbeitsstelle, Zerstörung des familiären Friedens). In diese Richtung auch Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 139 ff., die auf ein Sicherheitsinteresse abstellt. Das von Kubiciel/Winter, ZStW 113 (2001), S. 305 ff. geführte „Plädoyer für die Abschaffung des strafrechtlichen Ehrenschutzes“ schießt z. T. weit über das Ziel hinaus und trifft durch seine Kritik an der Bestimmbarkeit des Ehrbegriffs (S. 306 ff.) gerade nicht den wunden Punkt. 74 Obwohl die hier angestellten Erwägungen sehr konkretisierungsbedürftig erscheinen, kann ich auf gewisse Ähnlichkeiten zu Raz, Value, S. 77 ff. hinweisen. Siehe zu diesen Fragen umfassend und mit vielen Nachweisen Ingelfinger, Tötungsverbot, insb. S. 7 ff., 52 ff.; R. Merkel, Früheuthanasie, S. 393 ff. Zur Diskussion darüber, inwiefern der Tod ein Schaden ist, siehe Feinberg, Harm to others, S. 79 f.

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ist aber nicht der Grund, weshalb man diese Taten verbieten und diejenigen, die das Verbot missachten, bestrafen darf. cc) Es ist also die vorauszusetzende Mündigkeit des Bürgers, die es ausschließt, eine tugendethische oder eine deontologische Individualmoral zwangsweise durchsetzen zu wollen. Der Individualamoralismus, d.h. die komplette Impermeabilität von Recht und Individualmoral, folgt ohne Zwischenschritte aus dem Gedanken des mündigen Bürgers, die jeder Vorstellung einer legitimen Machtausübung zugrunde liegen muss. Zu begründen bleibt aber noch, wieso demgegenüber der Staat sehr wohl moralischen Anforderungen unterworfen ist, und dies muss in einer Weise geschehen, die nicht dem gerade gerechtfertigten Individualamoralismus widerstreitet. b) aa) Warum ist staatliche Machtausübung moralisch gebunden? Wo liegt die Begründung für den intuitiv einsichtigen, hier sog. Staatsmoralismus (d.h. für die These, dass der Staat mehr als nur Zweckmäßigkeitserwägungen wahrzunehmen hat)? Schon Augustinus hatte dem Staat die Gretchenfrage gestellt: Worin unterscheide er sich denn von einer Räuberbande?75 Ohne sofort auf diese Frage eine Antwort zu geben, stellen wir nur zweierlei unmittelbar fest: Beide, Staat und Räuberbande, unterscheiden sich gerade nicht darin, dass sie Macht ausüben. Es gibt nicht zuletzt kleine Staaten und große Räuberbanden, und alles in allem sind vielleicht die Yakuza oder die Mafia mächtiger und einflussreicher als etwa Liechtenstein oder Monaco. Der Staat und eine Räuberbande unterscheiden sich aber wohl darin, dass der erste einen Anspruch erhebt, auf den der andere verzichtet: den Anspruch, nicht nur Macht, sondern legitime Macht auszuüben. Welzel stellte treffend fest: „Keine wirkliche politische Ordnung hat sich selbst als bloßes Machtverhältnis offeriert“.76 Ein Staat, der vor der Vornahme einer bestimmten Handlung behaupten würde, „ich tue das, es ist Unrecht“, widerspräche sich selbst.77 Kein Schuldspruch, keine Verhaftung, keine Ordnungsmaßnahme, überhaupt keine einzige staatliche Handlung kann widerspruchslos von sich selbst behaupten, sie betrachte sich selbst als illegitim. Tatsache ist, dass die Handlungen des Staates immer gleichzeitig den Sinn haben, einen Legitimitätsanspruch zu äußern. Das bedeutet aber noch nicht, dass sich Staatshandeln wirklich von den Aktivitäten der Räuberbande unterscheidet. Der Frage nachzugehen, worin letztend75 Augustinus, Vom Gottesstaat, 4. Buch, Kap. 4 (S. 213). Ausführlich und kritisch zu all den von ihm sog. „Räuberbanden-Argumenten“ (wie auch das oben weiter zu entwickelnde) Rinderle, Der Zweifel des Anarchisten, S. 243 ff. 76 Welzel, Naturrecht4, S. 248. 77 Siehe ein ähnliches Beispiel bei Alexy, Argumentation, S. 433, der aber nur vom Richtigkeitsanspruch des juristischen Diskurses spricht (Argumentation, S. 272, 351 f.). Hier wird dagegen hervorgehoben, dass alle Handlungen des Staates einen derartigen Anspruch erheben, auch wenn der Staat nicht bereit ist, sich zu deren Begründung in eine Diskussion einzulassen.

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lich der Unterschied liegt, und damit eine vollständige Ausarbeitung der Bedingungen eines legitimen Staates und eine überzeugende Zurückweisung der Argumente des Anarchisten zu liefern, der gerade diesen Unterschied leugnet, würde uns jedoch zu weit von unserem Hauptanliegen ablenken.78 Hier kann man nur einen Teilaspekt dieses Unterschieds bzw. eine notwendige Bedingung für legitime Machtausübung ausarbeiten, und das wird auch in einer überwiegend strafrechtsphilosophischen Untersuchung, die nicht die ganze politische Philosophie aufrollen kann und will, ausreichen müssen. Wir wissen nicht, ob der Staat tatsächlich besser ist als die Räuberbande, von der er verspricht, sich zu unterscheiden. Eine notwendige Voraussetzung dafür ist es aber, dass er sein Versprechen einhält und seinen Legitimitätstitel vorzeigt. Macht schafft kein Recht – weil man das weiß, hat sich die Macht seit der Antike darum bemüht, einen Rechtstitel für ihr Recht auf Machtausübung vorzuzeigen. Andere Zeiten konnten sich damit zufrieden geben, einen göttlichen Auftrag als Titel für legitime irdische Machstausübung anzuerkennen. Der heutige Staat behauptet aber, im Auftrag des Volkes, das heißt, eines jeden einzelnen Menschen, zu handeln. Der Staat übt seine Macht nicht im Namen Gottes aus, auch nicht in seinem eigenen Namen, sondern im Namen der Menschen, die sich im Wirkungsbereich der staatlichen Machtausübung befinden. Diese Menschen muss er deshalb ernst nehmen, und Ernstnahme bedeutet hier in erster Linie, dass die Menschen nach mehr als nur nach Zweckmäßigkeitskriterien behandelt werden. Gelten nur Zweckmäßigkeitsüberlegungen im staatlichen Umgang mit Menschen, dann ist das für den einen Gute mit dem für andere Guten uneingeschränkt verrechenbar. Jede Misshandlung eines Menschen kann demnach erlaubt sein, vorausgesetzt, andere Menschen (oder der Staat selbst) erlangen daraus hinreichend Gutes, um ein wie auch immer zu definierendes 78 Hier wird unter Anarchismus die These verstanden, wonach der Staat keine Legitimität besitzt (siehe Simmons, Philosophical Anarchism, S. 19; zur langen Geschichte dieses in seinem Gehalt mehreren Wandlungen unterlaufenden Wortes Dierse, Anarchismus, S. 267 ff.). Obwohl man allgemein und insb. als Jurist nicht besonders geneigt ist, dieser These überhaupt Beachtung zu schenken, ist sie philosophisch durchaus ernst zu nehmen. Sie hat namhafte Vertreter in der gegenwärtigen politischen Philosophie (aus unterschiedlichsten Gründen R. P. Wolff, Anarchism, S. 18; Simmons, Philosophical Anarchism, S. 19 ff.; ders., Political Obligation, S. 36; Lester, MarketAnarchy, S. 67; Harriott, Nonnecessity of the state, S. 135; de Jasay, Self-contradictory contractarianism, S. 165; David Friedman, Anarchy, S. 250; ähnlich Rinderle, Der Zweifel des Anarchisten, insb. S. 336 f., dessen Diskussion in erster Linie nicht aber den Begriff der Legitimität, sondern den [unterschiedlichen !, vgl. Teil C., Fn. 270] der Autorität betrifft, S. 3 ff., 340 f., und Matthias Kaufmann, Aufgeklärte Anarchie, S. 97 ff., der zwar eine Pflicht zum Rechtsgehorsam bejaht [S. 65], Herrschaftsfreiheit aber als anzustrebendes Ideal konzipiert). Wir werden zu dieser Diskussion gelegentlich der Prüfung des Abolitionismus zurückkehren (siehe unten D. I. 3. [S. 213 ff.]). Für die jetzige Argumentation reicht der auch vom Anarchisten unbestrittene Hinweis aus, dass der Staat einen qualitativen Unterschied zwischen sich selbst und der Räuberbande behauptet.

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positives Saldo zu erreichen. Das bedeutet aber, um mit Kant zu sprechen, eine Herabwürdigung der misshandelten Menschen zu Sachen, ihre Vermengung unter die Gegenstände des Sachenrechts,79 oder – um jetzt das Argument von Rawls zu wiederholen – eine Verkennung dessen, dass Menschen voneinander getrennt sind, so dass es zur Rechtfertigung einer benachteiligenden Maßnahme nicht ausreicht, den Benachteiligten darauf hinzuweisen, dass andere einen überlegenen Gewinn daraus erzielen.80 Mit anderen Worten: Handelt der Staat nach uneingeschränkten konsequentialistischen Erwägungen, dann unterminiert er so die Legitimität seines Handelns gegenüber diesem benachteiligten Menschen. Denn dieser ist von denjenigen, in dessen Namen die Macht legitim ausgeübt wird, gerade exkludiert, so dass ihm gegenüber der Staat tatsächlich nicht mehr darstellt als eine große Räuberbande.81 bb) Es bleibt daher die Frage, welcher Art diese nicht-konsequentialistischen moralischen Anforderungen sein werden, ob tugendethisch oder deontologisch. Von der Schwierigkeit einmal abgesehen, ob es überhaupt sinnvoll erscheint, im Rahmen der Staatsmoral über Tugenden zu reden, und etwa tapfere und weise, fromme und keusche Staaten zu unterscheiden,82 bleibt immer noch das Problem, dass, wenn man die Anforderungen der Tugendethik auf der Staatsebene ernst nehmen wollte, ein unvermeidbarer Widerstreit zu dem oben begründeten Individualamoralismus vorprogrammiert wäre. Denn wie könnte ein Staat die Tugend der Tapferkeit verwirklichen wollen, ohne seinen Bürgern das Vorbild des Kriegers als gelungenes Lebensideal aufzuwingen? Kann ein Staat weise sein, wenn die Mehrheit seiner Bürger sich für philosophische und künstlerische 79

So die unsterbliche Formulierung Kants, Metaphysik der Sitten, S. 453, A 196/B

226. 80 So der neuere, langsam klassisch werdende Vorwurf von Rawls, A Theory of Justice, S. 24; zust. Nino, Philosophy & Public Affairs 12 (1983), S. 291 f.; Sen/Williams, Utilitarianism, S. 5; ähnlich Nozick, Anarchy, State, Utopia, S. 33: „Using one of these people for the benefit of others, uses him and benefits the others“; Dworkin, Jurisprudence, S. 11. 81 Selbstverständlich bleibt die hier benutzte Argumentation verfeinerungsfähig und -bedürftig. Ähnliche Ablehnungen des Konsequentialismus, die auf seine Unfähigkeit hinweisen, Rechten und anderen nicht zweckmäßigkeitsbezogenen Überlegungen Rechnung zu tragen, bei Oderberg, Moral Theory, S. 68 ff.; Hruschka, ARSP 88 (2002), S. 479 f.; v. Hirsch, Doing Justice, S. 50 f. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das Wort Exklusion wird hier als Fachbegriff gebraucht, um die Behandlung eines Menschen zu bezeichnen, die sich nicht bemüht, sich diesem Menschen gegenüber zu rechtfertigen. Eine Deckung mit dem von Soziologen bzw. Kriminologen (etwa Steinert, KrimJ 1995, S. 82 ff., und die Aufsätze ebda. S. 89 ff.) oder von politischen Philosophen (Offe, Klassenherrschaft, S. 88) gebrauchten gleichnamigen Wort besteht daher nicht. 82 Auch der Tugendethiker Slote, Reply, S. 273 ff. stellt den Entwicklungsbedarf der Tugendethik im Bereich der politischen Philosophie fest; Ansätze aber bei Slote, Social Philosophy & Policy 15 (1998), S. 171 ff. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Renaissance der Tugendethik relativ jungen Datums ist: grundlegend war hier Foot, Virtues and Vices (1977), S. 1 ff.

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Bildung gar nicht interessiert, sondern ihre Zeit lieber mit der Bildzeitung und Stefan Raab verbringt? Kann ein Staat fromm sein und dabei die Religionsfreiheit immer noch beachten? Letztendlich: Kann ein Staat die Keuschheit verwirklichen wollen, ohne den Bürgern eine Sexualmoral von außen aufzuoktroieren? Die nicht-konsequentialistischen Erwägungen, die für den legitimen Staat verbindlich sein müssen, können deshalb nur deontologischer Art sein. Das bedeutet, der Staat hat beim Umgang mit den Bürgern grundlegende Regeln zu beachten – kategorische Imperative, wenn man so will – die sich unabhängig von Folgen- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen rechtfertigen lassen. Wenn es die nicht gibt, dann ist der Staat tatsächlich nur eine größere oder kleinere Räuberbande, die mit Menschen eben nicht qua Menschen sondern qua Werkzeugen instrumentell umgeht. Die Existenz derartiger Imperative ist hier vorauszusetzen, wenn die ganze Rede vom Staat als legitime Machtausübung ihren Sinn behalten soll, wenn sich der Anarchist irrt, wenn sich derjenige, der diese Zeilen als Jurist schreibt, nicht zum bloßen Techniker im Dienste einer Räuberbande herabsetzen will. Dass diese abwegigen Implikationen nicht stimmen, lässt sich, wie schon zugegeben, im hier gegebenen Rahmen nicht definitiv nachweisen. In dieser Arbeit müssen wir uns mit der Feststellung begnügen, dass, wenn Staatshandeln überhaupt legitim ist, zwingende deontologische Regeln zu postulieren und zu beachten sind; dass es legitimes Staatshandeln gibt, lässt sich demgegenüber erst nach einer sorgfältigen Widerlegung der anarchistischen Herausforderung behaupten.83 cc) Nur so lassen sich die seltenen, aber zweifelsohne gegebenen absoluten i. S. von ausnahmeunfähigen Verbote, denen der Staat unterliegt, rechtfertigen, wie etwa das Folterverbot. Folter ist dem Staat nicht erlaubt – gleichgültig, welcher Nutzen daraus zu erwarten, welcher Schaden dadurch zu verhindern ist. Konsequentialistische Gründe können deshalb ein solches Verbot nicht tragen: sonst wäre es gerade nicht ausnahmlos, sondern nur unter dem Vorbehalt seiner näher zu bestimmenden Eignung zur Herbeiführung von guten Folgen zu beachten.84 Greift man nämlich auf eine handlungskonsequentialistische Begründung zurück,85 die Folter deshalb für verboten erklärt, weil sie erhebliche physische, 83

Siehe schon oben Teil C., Fn. 78. Deshalb erkennen konsequentialistisch argumentierende Autoren ein ausnahmsloses Folterverbot nicht an, siehe früher Gros, Naturrecht2, § 385; Bentham, Northern Ireland Legal Quarterly 24 (1973), S. 312 f., 330 f.; heute (für die irreführend sog. „Rettungsfolter“) P. Singer, Practical Ethics, S. 85; Trapp, Individualrechte, S. 459; ders., Rettungsbefragung, S. 95 ff.; Joerden, Jahrbuch für Recht und Ethik 13 (2005), S. 515; Brugger, JZ 2000, S. 172; ders., Kreuz der Entscheidung, S. 166 f. Zur Kritik m. w. N. Greco, GA 2007, S. 628 ff. 85 Unter Handlungskonsequentialismus versteht man hier die Form des Konsequentialismus, der die Richtigkeit einer Handlung als Funktion der guten Folgen dieser Handlung bestimmt. Der diesbezügliche Gegenbegriff ist der des Regelkonsequentialismus, wonach die Richtigkeit einer Handlung als Funktion der Befolgung einer Re84

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psychische und moralische Schmerzen zufügt, dann ist sie spätestens dann erlaubt oder sogar geboten, wenn man durch die Folterung eines Menschen verhindern kann, dass einem anderen noch größere Schmerzen zugefügt werden (das gefangene Mitglied der terroristischen Organisation weiß, wo sich seine Kollegen, die gerade zwei Kinder „foltern“ 86 wollen, versteckt halten, schweigt aber hartgesotten). Versucht man es dagegen mit einer regelkonsequentialistischen Begründungsstrategie, indem man darauf hinweist, dass die generelle Einhaltung dieser Regel die meisten Vorteile bringe, dann entstehen sofort Zweifel, ob das inflexible ausnahmeunfähige Verbot wirklich die vorteilhafteste mögliche Regelung ist – ob man nicht in diese Regel einige vorteilhafte Qualifikationen einbauen sollte, wie etwa die, dass die Folterung zwar i. d. R. verboten sei, aber nicht dann, wenn sie unerlässlich ist, erhebliche Leiden unschuldiger Kinder zu verhindern.87 Folter ist unerlaubt, nicht weil sie schlechte Folgen hat, sondern gel, die sich ihrerseits wegen ihrer guten Folgen aufstellen lässt, bestimmt wird. Siehe ähnliche Bestimmungen bei Smart, Utilitarian Ethics S. 9; Lyons, Utilitarianism, S. 9, 11; Hooker, Rule-Consequentialism, S. 188; mit weiteren Differenzierungen Scarre, Utilitarianism, S. 122 ff. Man beachte, Konsequentialismus ist kein Synonym für Utilitarismus, sondern der Gattungsbegriff. Ein Konsequentialismus bestimmt die Richtigkeit einer Handlung als alleinige Funktion guter Folgen; der Utilitarismus präzisiert diese Behauptung in dem Sinne, gute Folgen seien i. S. von Glück zu verstehen. Es gibt also Konsequentialisten, die keine Utilitaristen sind, weil die Folgen, anhand deren sie die Richtigkeit von Handlungen bestimmen, etwas anderes als Glück darstellen (so auch Sen/Williams, Utilitarianism, S. 3 f.; Petitt; The Consequentialist Perspective, S. 132): Ein prominentes Beispiel wäre m. E. G. E. Moore, Principia Ethica, Nr. 89 („All moral laws . . . are merely statements that certain kinds of actions will have good effects“) und Nr. 113 (Genuss zwischenmenschlichen Umganges und schöner Gegenstände als Dinge, die an sich gut seien); (anders Smart, Utilitarian Ethics, S. 13; Scarre, Utilitarianism, S. 114 ff.: Moore als „ideal utilitarian“). Was genau Glück bedeutet, ist eine andere Frage: Einige sprechen hier von Lustgefühlen (Bentham, Introduction, Chapter I 1 ff.; Sidgwick, The Methods of Ethics, S. 123, 411), andere von einer umfassenden Wohlfahrt (etwa Griffin, Well-Being, S. 72 und passim; Skorupski, Mill, S. 24), andere von der Erfüllung subjektiver Präferenzen (P. Singer, Practical Ethics, S. 14, 94) bzw. rational-aufgeklärter Präferenzen (Gesang, Utilitarismus, S. 45 f., 49, 57 ff.; ähnlich Harsanyi, Morality, S. 55 f., der sozialwidrige Präferenzen unberücksichtigt lassen will). 86 Das Wort „Folter“ wird hier in Anführungszeichen gebraucht, weil Folter im eigentlichen Sinne nur vom Staat begangen werden kann (so auch die in Art. 1 der UNO Anti-Folter Konvention von 1984 niedergelegte Begriffsbestimmung; dazu auch unten S. 186). Will man wegen dieser Subtilität die Aussagekraft des Beispiels anzweifeln, dann könnte man einen anderen Fall bilden, in dem nicht privat handelnde Terroristen, sondern ein Schurkenstaat die zwei Kinder foltern will. 87 Ein noch ungelöstes Problem des Regelkonsequentialismus ist, dass man allgemein mit einem intuitiven Regelbegriff, der sich auf herkömmliche Verbote und Gebote bezieht (etwa: „man darf nicht lügen“, „Versprechen sind einzuhalten“ usw.) arbeitet und selten das genaue Verfahren angibt, anhand dessen die Regeln zu formulieren sind. Daraus entsteht ein Dilemma. Entweder haben die Regeln den Gehalt, den man ihnen alltäglich zuschreibt („man darf nicht lügen, Punkt“) – und in diesem Fall wird der Regelutilitarismus zu einer noch strikteren Form von Deontologie, die zu Recht den Vorwurf des Regelfetischismus (etwa McNaughton/Rawling, Deontology,

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weil sie an sich schlecht ist – weil sie gegen eine grundlegende deontologische Regel verstößt, die es dem Staat verbietet, sogar den am tiefsten stehenden Menschen zu einer Sache zu erniedrigen, nicht mehr ihm gegenüber, also in seinem Namen, legitime Macht auszuüben. Folter ist falsch, weil sie mit der Anerkennung des Gefolterten als Menschen unverträglich ist, was eine notwendige Bedingung des Legitimitätstitels eines Staates ist, der auch im Namen des zu Folternden handeln sollte. Mit der Folter erklärt der Staat, nicht mehr im Namen des Gefolterten zu sprechen, exkludiert ihn also, und verliert ihm gegenüber jede moralische Legitimation.88 Dass es weitere derartige ausnahmslose Verbote gibt, lässt sich zumindest vermuten, besonders in einer Rechtsordnung, die sogar positivrechtlich die Menschenwürde für unantastbar erklärt und so jenseits jeder Güterabwägung stellt.89 Eine genauere Ausarbeitung der deontologischen Verbote, die aus der gerade skizzierten Staatsbegründung abzuleiten sind, wird im nächsten Abschnitt geliefert, in dem es um die Frage nach dem Inhalt der berühmten Formel der Selbstweckhaftigkeit des Menschen geht [unten C. III. (S. 177 ff.)]. dd) Wichtig ist es jetzt, auf die Begründungsstruktur von ausnahmslosen Verboten hinzuweisen: Sie kann nur deontologisch sein, denn nur so ist Vorbehaltlosigkeit zu garantieren. Konsequentialistische Begründungen können Anforderungen nur soweit tragen, wie die erwünschten Konsequenzen noch erwartbar sind – ändert sich die Welt so, dass sich diese Konsequenzen nicht mehr ergeben, dann ist die auf sie bezogene Anforderung grundlos. Auch tugendethische Begründungen geben ausnahmslosen Regeln nicht den Halt, dessen sie bedürfen: Es stimmt schon, dass ein Staat, der foltert, sich vielleicht unwürdig machen würde. Aus den gleichen Erwägungen könnte man aber ableiten, dass ein Staat, der es zulässt, dass Kinder von Kriminellen „gefoltert“ werden, sich unwürdig macht – und schon wäre das absolute Folterverbot verloren. S. 441) auf sich zieht. Oder man darf bzw. soll in diese Regeln folgenbezogene Ausnahmen einbauen („man darf nicht lügen, es sei denn, lügen ist erforderlich, um das Leben eines mit Mord Bedrohten zu retten usw.“). In diesem Falle ist man zur Frage berechtigt, wie sich eine solche Theorie vom Handlungskonsequentialismus unterscheidet (dieser letzte Einwand der extensionalen Äquivalenz von Handlungs- und Regelkonsequentialismus stammt von Lyons, Utilitarianism, S. 115 ff., 118; zust. Smart, Utilitarian Ethics S. 10 ff.; Scarre, Utilitarianism, S. 126, 127; dagegen Hooker, RuleConsequentialism, S. 190 ff.). 88 Diese Begründung wird andernorts ausführlicher geschildert, siehe Greco, GA 2007, S. 635 ff.; ähnlich auch Enders Folter, S. 142; Marx, Folter, S. 118; Brunkhorst, Folter, 92, 99 f. und Reemtsma, Folter I, S. 125, die in der Zerstörung des Willens der Bürger zutreffend eine Unterminierung der Bedingungen legitimer Machtausübung sehen. Diese Zusammenhänge verkennt Erb, Folterverbot, S. 162, der in der Folter nicht mehr als eine durch vis compulsiva begangene Nötigung sieht. In dieselbe Richtung, aber nicht weit genug Spirakos, Folter, S. 196. 89 Statt aller Dürig, AöR 81 (1956), S. 127 ff.; BVerfGE 45, 187 (229): „Die Würde des Menschen ist etwas Unverfügbares“; 50, 166 (175); 87, 209 (228).

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Der letzte Grund dafür, warum nur deontologische Erwägungen ausnahmslos sein können, ist eigentlich erkenntnistheoretisch: Alle andere Begründungsstrategien enthalten aposteriorische, d.h. empirische Elemente, sind von kontingenten Beschaffenheiten der Welt abhängig und verlieren deshalb ihre Gültigkeit, sobald sich die Welt verändert und die kontigenten Beschaffenheiten durch andere ersetzt werden. Obwohl in der neueren Erkenntnistheorie diese Kant’sche Einsicht zunehmend in Frage gestellt wird,90 ist prinzipiell daran festzuhalten, dass aus Empirischem nur Kontigentes folgt; Notwendigkeit erreicht man nur, wenn man den Mut zum apriori hat. Wir bedürfen aus dem Grunde deontologischer Erwägungen, weil nur sie apriorisch fundierbar sind, weil nur sie deshalb der Kontingenz entgehen und der Staatsmacht absolut unübersteigbare Grenzen setzen können. ee) Damit unsere Antwort auf die oben sog. Präzisierungsfrage für die hier verfolgten Zwecke als abgeschlossen gelten kann, bleibt nur noch zu klären, ob die deontologischen Anforderungen, die den Staat binden, allein Unterlassungspflichten zum Gegenstand haben (etwa „foltere nicht!“) oder ob sich auch Handlungspflichten begründen lassen („verhindere die Folter!“). Wenn der Staat legitim ist, gibt es Ausnahmloses; und Ausnahmsloses muss a priori sein. Die Frage, ob es neben den eben begründeten ausnahmslosen apriorischen Unterlassungspflichten auch ausnahmslose apriorische Handlungspflichten gibt, ist relativ einfach: Eine Handlungspflicht, die für jede Situation (ausnahmslos) gültig ist, kann es nicht geben, es sein denn, diese ist die einzige Pflicht, die das deontologische System überhaupt kennt. Denn sobald die Handlungspflicht neben anderen Pflichten besteht, seien diese auch nur Unterlassungspflichten, ist die Möglichkeit einer Pflichtenkollision nicht mehr auszuschließen, und spätestens dann muss eine der kollidierenden Pflichten weichen. Dadurch wird eine erste Ausnahme in die versprochene Ausnahmslosigkeit eingebohrt. Man stelle sich vor, es gebe in einem deontologischen Normensystem S nur zwei Regeln, „foltere nicht“ und „lass es nicht zu, dass andere foltern“. Befindet sich der Adressat unseres Normensystems in einer Fallkonstellation wie der oben geschilderten, in der das Foltern zweier unschuldiger Kinder nur durch das Foltern eines Kriminellen zu verhindern ist, widerstreiten beide Normen einander, und man ist gezwungen, auf andere Erwägungen zurückzugreifen, um die vorrangige Norm zu bestimmen.91 Die nachrangige Norm ist aber dann eben 90

Ausführlicher zu diesem Problem unten S. 155 ff. Hier schleicht sich die Gefahr ein, dass die Metaregel, die den Regelkonflikt entscheidet, eine Art „Abwägung zweiter Stufe“ darstellt (dafür Saliger, ZStW 116 [2004], S. 65), so dass abwägungsfreie Deontologie letztendlich in abwägenden Konsequentialismus zusammenbricht. Dieses Problem hat auch Rawls Gedanke der „Priorität der Freiheit“, wonach Freiheit nur ob der Freiheit willen eingeschränkt werden dürfe (ders., A Theory of Justice, S. 53 f., 132, 474 f.; ders., Political Liberalism, 91

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keine ausnahmslose mehr: Sie gilt nur vorbehaltlich der Konstellation, dass die Einhaltung der anderen Norm auch möglich ist. Haben hingegen die Regeln des Systems P nur Unterlassungen zum Gegenstand, dann sieht die Lage völlig anders aus: Die Einhaltung beliebiger Unterlassungspflichten ist immer gleichzeitig möglich, denn dazu genügt es, dass man einfach nichts tut. Enthält Normensystem P neben dem Foltervebot auch das Verbot der Kastration von Verbrechern, der Verurteilung eines erkanntermaßen Unschuldigen und noch die ganze Liste der in dieser Arbeit weiter zu entwickelnden deontologischen Schranken, kann der Adressat dieser Normen allen Anforderungen immer genügen, indem er untätig bleibt. Das braucht nicht immer leicht zu sein: dass die Duldung häufig mehr kostet, als die Reaktion, dürfte offensichtlich sein.92 Der erkenntnistheoretische Grund dieses Unterschieds zwischen einem Normensystem, das nur Unterlassungspflichten kennt (wie unser System P), und einem Normensystem, das zwei oder mehr Pflichten kennt, wovon eine eine Handlungspflicht ist (wie unser System S), ist, dass nur die Geltung der Normen des ersten Systems empirisch unbedingt bleibt, während die Normen des zweiten Systems unter der empirischen Bedingung gelten, dass deren gleichzeitige Einhaltung möglich ist. In einer Welt aber, die eben keine Traumwelt ist, kann man das nicht garantieren – und gerade dies ist der Grund, weshalb man empirisch unbedingte, m. a. W. apriorische Verbote braucht. Somit ist daran festzuhalten, dass es ausnahmlose Pflichten gibt, dass es apriorische Pflichten gibt und – weil nur Unterlassungspflichten, nicht aber Handlungspflichten, ausnahmslos und apriorisch sein können – dass es nur ausnahmslose apriorische Unterlassungspflichten gibt.93 ff) Zur Klarstellung: Das Gesagte bedeutet keine Stellungnahme zu der Frage, ob es überhaupt deontologische Handlungspflichten gibt, die etwa hinter den verschiedentlichen Solidaritätsgeboten und fürsorglich-wohlfahrtsstaatlichen Aufgaben des Staates stehen könnten.94 Würde man sie aber bejahen, dann wären sie auf jeden Fall wesentlich schwächer, als die bisher geschilderten UnterS. 294 f.): Rawls unterscheidet nicht, wie hier, eine vertikale Beziehung vom Bürger zum Staat, in der es absolute Schranken gibt, von den horizontalen zwischenbürgerlichen Beziehungen, sondern spricht pauschal von „Freiheiten“, mit der Folge, dass diese miteinander in Konflikt geraten können, so dass es unverrückbare Freiheitspositionen nicht gebe (so ausdrücklich ders., Political Liberalism, S. 295), und dass man auf freiheitsexterne Kriterien insb. konsequentialistischer Art angewiesen ist, um derartige Kollisionsfälle zu lösen. 92 Siehe Greco, GA 2007, S. 629. 93 So auch der Naturrechtler der Spätaufklärung Gros, Naturrecht2, § 93, mit einer ähnlichen Begründung. 94 Dafür Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, S. 189; ders., Minimalstaat, S. 87 ff.; Hill Jr., Kantian Normative Ethics, S. 500 ff.; Zintl, Sozialstaatskritik, S. 115, der von der „Idee wechselseitiger Anerkennung der Subjekte als Gleiche“ ausgeht; M. Köhler, ARSP 79 (1993), S. 475 ff.; dagegen die sog. „Libertären“, etwa Nozick, Anarchy, State, Utopia, S. 149 ff. (der sogar meint, es bestehe ein deontologisches Handlungs-

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lassungspflichten, da mit ihrer Einführung die Möglichkeit von Kollisionen entstehen würde. Deontologische Handlungspflichten wären deshalb, wenn überhaupt, nicht als vollkommene, sondern höchstens als unvollkommene Pflichten zu konzipieren.95 Das Gesagte bedeutet auch nicht, dass der Staat nur an deontologische Unterlassungspflichten gebunden ist, und dass tugendethische und insbesondere konsequentialistische Erwägungen für ihn belanglos seien. Man kann nicht ernsthaft bestreiten, dass der Staat auch unter der Anforderung steht, nützlich zu handeln und effektiv seine Mittel einzusetzen, um wünschenswerte Zustände herbeizuführen.96 Nur ist jede legitime Zweckerreichung durch zwingende deontologische Verbote eingeschränkt. Dagegen werden tugendethische Erwägungen bzgl. des Staates in dieser Arbeit nicht mehr angesprochen. c) Das legt die Frage nahe, wie sich die deontologischen Regeln zu den zulässigen konsequentialistischen Überlegungen verhalten. Die treffende Formulierung für die Struktur dieser deontologischen Verbote im Gesamtsystem der Theorie der Legitimitätsbedingungen für das Handeln des Staates hat Robert Nozick gefunden, der sie als „side constraints“ – also als „Seitenschranken“, oder, wie wir sie hier auch nennen werden, „Schranken“ – bezeichnete. 97 Side constraints stehen der konsequentialistischen Zweckverfolgung im wörtlichen Sinne zur Seite, weil diese zwei Arten von Erwägungen nicht dieselbe Sprache sprechen. Kommunikation zwischen Zwecken und Schranken ist in einem so gebildeten „zweisäuligen“ System unmöglich. Das ist auch zu begrüßen, damit nicht die Dynamik der konsequentialistischen Zweckverfolgung, die unter Maximierungs- und Optimierungsgeboten steht, die Stärke der Schranken aufweicht. Es sollen keine Abwägungen zwischen beiden stattfinden können, damit das heilige Recht des einzelnen, immer doch als Person geachtet zu werden – insbesondere gerade dort, wo es weh tut – nicht im Namen des Gemeinwohles missachtet werden darf. Nur so lässt sich verhindern, dass die Menschenwürde „auf eine Rutschbahn der Strafverfolgungs- und Sicherheitsinteressen gerät“.98 Desverbot für den Staat, den Bürgern derartige Pflichten aufzuerlegen); am klarsten Narveson, Libertarianism, S. 314 ff.; ders., Libertarian Idea, S. 59 f. 95 Zum Begriff der unvollkommenen Pflichten in der Ethik Kants siehe Fleischer, Archiv f. Geschichte der Philosophie 46 (1964), S. 212 ff. (mit einem Verständnis, das dem hier vorausgesetzten sehr nahe kommt); Hill Jr., Kant on Imperfect Duty, S. 148 ff.; Steigleder, Kants Moralphilosophie, S. 254 ff. 96 Rawls, A Theory of Justice, S. 26: „All ethical theories deserving our attention take consequences into account in judging rightness“. Rawls bestimmt aber Deontologie und Konsequentialismus z. T. anders als hier, siehe Teil C., Fn. 62. 97 Nozick, Anarchy, State, Utopia, S. 28 ff. Dazu instruktiv und kritisch Pettit, NonConsequentialism, S. 86 f.; ferner McNaughton/Rawling, Deontology, S. 448 ff., die eine deontologische Theorie ohne Schranken proponieren; und Lacey, Nozick, S. 34 ff. 98 Wolter, Menschenwürde, S. 708. Siehe noch die berechtigten Forderungen einer Sonderung von Konsequentialismus und Deontologie bei Naucke, Zerbrechlichkeit, S. 424: „Die Humanität, sobald sie sich mit der Effektivität verknüpfen lässt, erweist

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halb ist es irreführend, Grundrechte mit dem Bundesverfassungsgericht als eine „objektive Werteordnung“ zu konzipieren,99 in einem System, das „Schutzpflichten“ und „Organisationsprinzipien“ (also: Handlungspflichten) kennt, die gelegentlich sogar auf eine Ebene mit den negativen „Abwehrrechten“ gestellt werden,100 und deshalb sollte man sich davor hüten, mit der herrschenden Meinung immer wieder von der Notwendigkeit einer Abwägung zu sprechen, selbst wenn man die Werte auf der einen Seite der Waage zur Sicherstellung des zutreffenden Ergebnisses als „absolut“ oder als „oberste Werte“ bezeichnet:101 Derartige Verfahrensweisen geben letztlich doch preis, was es zu retten gilt, indem sie nämlich zu bewirken drohen, dass deontologische Schranken mit konsequentialistischen Zweckvorgaben vermengt werden und qua Seitenschranken verschwinden.102 Wenn zwischen Seitenschranken und Zwecken eine Kommunikation möglich wird, wenn beide anfangen, dieselbe Sprache zu sprechen – Abwägung, Optimierung, Maximierung, Effektivität, Verhältnismäßigkeit usw. – dann haben wir die Schranken qua Schranken aufgegeben. Sie bezeichnen jetzt nur Zustände, die so weit wie möglich zu vermeiden sind, also negative Zwecke, die aber nur unter der Bedindung verfolgt werden sollen, dass sich diese Verfolgung mit der Gesamtstrategie der Zweckverfolgung verträgt, dass auf der Gegenseite nicht hinreichend viel vorliegt, damit die Abwägung umkippt. sich als leer“; Schünemann, Positive Generalprävention, S. 115, der sich für eine „dualistische Straftheorie“ ausspricht. 99 Hierzu grundlegend die Lüth-Entscheidung, BVerfGE 7, 198 (205). 100 Die Gleichrangigkeit von objektiver und abwehrrechtlicher Dimension eines Grundrechtes wird in einigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zumindest stillschweigend angenommen (etwa BVerfGE 57, 295 [321]; 73, 118 [152 f.]; 83, 238 [296], die alle mit Fragen der Rundfunkfreiheit zu tun haben) und ist in der Lehre auch streitig; dafür etwa Wittreck, Schutzpflicht?, S. 180 ff., dagegen Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 268 f., beide m. w. Nachw. Die Abwägung von Abwehrrechten gegen Organisationsprinzipien wie etwa der „verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung“ (BVerfGE 69, 1) oder der „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ (BVerfGE 51, 324 [345]) ist mehrmals praktiziert worden. 101 So bezüglich der Menschenwürde BVerfGE 6, 32 (41); 32, 98 (108); 45, 187 (227); 50, 166 (175); 54, 341 (357). 102 Sehr ähnlich das Sondervotum von Mahrenholz/Böckenförde, BVerfGE 69, 1 (62 ff.) im Urteil zum Gesetz zur Neuregelung des Rechts zur Kriegsdienstverweigerung von 1983. Ferner Maus, Rechtstheorie 20 (1989), S. 196; Grünwald, JZ 1981, 427, beide am Beispiel der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege. Kritisch auch Röhl, Rechtslehre, § 78 II, S. 625, der der Rechtsprechung bloß die Unklarheit, nicht aber den Rekurs auf Abwägungen, vorwirft. Aus der hier eingenommenen Perspektive geht die Kritik Di Fabios, JZ 2004, S. 2 f., an der Wertordnungsrechtsprechung des BVerfG aber fehl: Er behauptet, der Rückgriff auf Werte verhindere rationale Abwägungen, und verkennt damit, wieviel abwägender Konsequentialismus unbemerkt in eine derartige wertbezogene Argumentation hineinschleicht. Fehlgehend auch die Kritik Frankenbergs, KritJ 38 (2005), S. 375 f., die „Freiheit“ noch als Gut, also konsequentialistisch, versteht.

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6. Damit können wir eine Bilanz unserer Erwägungen ziehen, in der wir zugleich die Bedeutung einiger grundlegender Begriffe für den Rest dieser Arbeit festlegen werden. Die Staatstheorie, als Theorie der Bedingungen einer legitimen Machtausübung durch den Staat, ist zweigleisig aufzubauen, je nachdem, wie diese Bedingungen begründet sind, ob konsequentialistisch oder deontologisch. Die ersten wird man hier Zwecke nennen: Diese sind Zustände, deren Erreichung oder Förderung einen guten Grund für die Vornahme einer Handlung, mit der Macht ausgeübt wird, liefern. Die zweiten sollen hier Schranken genannt werden: Darunter sind grundlegende deontologische Regeln zu verstehen, die jeder legitimen Zweckverfolgung eine Grenze setzen. Zwecke und Schranken stehen auf unterschiedlichen Ebenen und kommunizieren nicht miteinander. Nur der Staat, der moralische Schranken achtet, selbst wenn daraus gerade nicht die besten Folgen entstehen, kann widerspruchlos behaupten, seine Macht tatsächlich im Namen aller Bürger auszuüben. 7. Feuerbachs nach alledem relativ pauschal erscheinende Trennungsthese, wonach Recht und Moral völlig getrennt bleiben sollten, ist nach dem Gesagten einem wesentlich differenzierteren Bild von diesem Verhältnis gewichen. Die Moral, verstanden so, wie wir sie oben verstanden haben – nämlich zunächst einmal ganz grob als Summe sämtlicher nicht-konsequentialistischer Anforderungen, am Ende aber als Inbegriff der deontologisch begründeten, an den Staat gerichteten ausnahmslosen Unterlassungspflichten – behält ihre Bedeutung für das Recht, weil keine vertretbare Theorie der legitimen Machtausübung durch den Staat den Menschen moralisch missachten und aus ihm eine Sache machen darf. Jetzt gilt es nur, Feuerbachs Gedanken am gerade entwickelten differenzierteren Maßstab zu messen und danach auf einige zu erwartende Einwände zu antworten. a) Obwohl Feuerbach zunächst eine Trennung von Recht und Moral vertrat, gab es bei ihm einen Punkt, an dem sich die Zäsur relativierte: nämlich seine Lehre von den Rechtsgründen der Strafandrohung bzw. der Strafzufügung.103 Wie wir im ersten Abschnitt gesehen haben, genügte es ihm nicht, die Zweckmäßigkeit der Strafandrohung und -zufügung darzulegen und sie zu legitimieren. Diese Legitimierung setze neben der Erforderlichkeit zur Erreichung eines bestimmten Zwecks noch einen nicht zweckmäßigkeitsbezogenen Rechtsgrund voraus. Was die Strafandrohung angehe, sei der Rechtsgrund die Tatsache, dass in Niemandes Rechte eingegriffen werde; im Bezug auf die Strafzufügung sei er insbesondere die durch die Straftatbegehung geäußerte Einwilligung in die ei103 Zum Rechtsgrund der Strafandrohung Feuerbach, Revision I, S. 49; ders., AntiHobbes, S. 221; ders., Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 95; ders., Lehrbuch14, § 17; zum Rechtsgrund der Strafzufügung Feuerbach, Revision I, S. 53 ff.; ders., Hochverrath, S. 33; ders., Lehrbuch14, § 17. Siehe noch Feuerbach, Revision I, S. 90 f., wo er behauptet, das Nützliche sei nicht zum Kriterium des Rechtlichen zu erheben; ders., Anti-Hobbes, S. 220.

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gene Bestrafung. Gemäß der hier vorgeschlagenen Begriffsbestimmung von Moral – Inbegriff nicht-konsequentialistischer Anforderungen – würde die Bezugnahme auf nicht-konsequentialistische Rechtsgründe bereits einen Durchbruch der Moral in das System Feuerbachs bedeuten. Feuerbach würde sicherlich am Gebrauch des Wortes Moral Anstoß nehmen und auf unsere Feststellung erwidern, schon das Recht beinhalte mehr als nur Zweckmäßigkeitserwägungen. Dazu könnte man wiederum sagen, es geht nicht so sehr um den Namen, sondern um den Gedanken, dass zweckmäßigkeitsunabhängige Rechtsgründe zwar nicht ausreichen, um die Freiheit des Bürgers einzuschränken, sie aber zu fordern sind, um die Macht des Staates zu begrenzen. Angesichts der im Gesamtsystem der Staatstheorie prominenten Stellung dieser Erwägungen erscheint es nun aber angemessener, sie nicht bloß als rechtlich, sondern zumindest auch als moralisch oder als rechtsethisch bzw. rechtsmoralisch zu bezeichnen. Für die Bezeichnung als moralisch spricht wiederum die traditionell angenommene Priorität von moralischen Anforderungen vor Anforderungen anderer Art, etwa der Ästhetik, der Klugheit und – warum nicht? – auch des Rechts im engeren Sinne.104 Weil die erwähnten ausnahmslosen Verbote sich vor jeder gegenseitigen Anforderung durchsetzen, erscheint es angebracht, ihnen die edle Qualifikation des Moralischen nicht vorzuenthalten. b) Dass in der Tat einiges vom Bestehen auf dem Rangunterschied dieser deontologischen Schranken abhängt, wird nicht zuletzt durch die weitgehend sekundäre Bedeutung belegt, welche die Rechtsgründe in Feuerbachs Straftheorie haben. Da wir später auf sie näher eingehen werden,105 wollen wir uns jetzt mit zwei knappen Feststellungen begnügen. Der Hinweis auf das Nichtberühren der Rechte der Bürger durch die Androhung besagt nicht viel mehr als die Tautologie, dass Strafandrohungen Rechtsverletzungen zum Gegenstand haben – m. a. W., dass dasjenige, was die Rechte anderer verletzt, nicht erlaubt ist. Hier sieht man aber, dass es eigentlich eine konsequentialistische Erwägung ist – die Notwendigkeit des Schutzes der subjektiven Rechte – die den deontologischen Rechtsgrund begründet. Dieser Rechtsgrund wird deshalb letztendlich wesentlich geschwächt. Wenn man nur dasjenige tun darf, was die Rechte anderer nicht verletzt oder gefährdet, dann kann die eigene Freiheitssphäre in der Tat sehr klein werden, je nachdem, wie weit man die „Rechte“ anderer und die durch die eigenen Handlungen begründeten „Verletzungen oder Gefahren“ bestimmt.

104 Vgl. z. B. Bayertz, Warum II, S. 60 ff. (insb. 60, 62); Gert, Morality, S. 358 f.; Hare, Moral Thinking, S. 24 („overridingness“); Koller, Klugheit I, S. 282. Das ist natürlich nicht unumstritten: entschieden dagegen Foot, Hypothetical Imperatives, S. 162 ff.; dies., Moral Considerations, S. 181 ff. (ausführlicher und präziser); Köhl, Abscheid vom Unbedingten, insb. S. 333 ff. 105 Unten D. II. 5. und 6.

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Ähnliches lässt sich von der Einwilligungslehre behaupten. Obwohl viel mehr für sie spricht, als allgemein angenommen – wie wir später D. II. 6. (S. 486 ff.) noch darlegen werden – kann man nicht behaupten, hier den deontologischen Rechtsgrund, der die Strafzufügung legitimiere, gefunden zu haben. Denn da die Einwilligung nicht mehr verlangt, als dass sich der Täter trotz Kenntnis des Verbots zur Begehung der Straftat entscheidet, wiederholt sie doch letztendlich nur die Effektivitätsvoraussetzung der Androhung, aber jetzt aus der Perspektive des Bürgers. Eine Androhung funktioniert prinzipiell nur dann, wenn sie bekannt ist. Nur der Bürger, der die Strafandrohung kennt, kann zur Nichtbegehung der Straftat motiviert werden. In diesem Sinne bedeutet die Einwilligung nicht viel mehr als Motivierbarkeit bzw. Abschreckbarkeit, so dass man mit gutem Recht daran zweifeln kann, es hier mit einem wahren, d.h. nicht konsequentialistischen Rechtsgrund zu tun zu haben. c) Ein erstes fundamentales Fazit zu Feuerbachs Theorie können wir schon jetzt formulieren, obwohl wir im Laufe der gesamten Arbeit immer wieder darauf zurückkommen werden, wenn wir die verschiedenen Versuche Feuerbachs, Deontologisches auf Konsequentialistisches zurückzuführen, untersuchen und kritisieren: In der Tat kommt in Feuerbachs System der Zweckmäßigkeit ein Primat zu, das den gebotenen rechtsmoralischen Schranken kaum einen Platz übrig lässt. Nicht nur zeigen sich seine wenigen zweckmäßigkeitsunabhängigen Erwägungen letztlich als doch überwiegend zweckmäßigkeitsbezogen, sondern versucht er auch anderenorts – insbesondere wenn es um die für ihn zentrale Frage der Begründung der Strafgesetzlichkeit geht106 – sich auf konsequentialistische Erwägungen zu stützen. Kein Wunder, dass die Rechtsgründe der Strafandrohung und -zufügung in den gängigen Schilderungen von Feuerbachs Straftheorie überwiegend weggelassen werden, und dies sogar von den wenigen, die sich wie Coenders zu Anhängern Feuerbachs erklärten.107 Die Bedeutsamkeit von unumstößlichen deontologischen, rechtsmoralischen Schranken hat Feuerbach nicht richtig erkannt. Diesen Fehler zu korrigieren, ist wohl die vornehmste Aufgabe einer jeden Revision der Gedanken Feuerbachs. d) Man missverstehe diese Behauptung der Revisionsbedürftigkeit der Theorie Feuerbachs keineswegs als überheblichen Vorwurf. Denn Feuerbachs Fehler spiegelt nur eine allgemeinere Schwierigkeit wieder, Deontologie überhaupt zu begründen, ohne wieder auf den Konsequentialismus zurückzufallen. Die Frage nach dem Warum des Unverfügbaren ist schwierig, und die Versuchung, sie durch einen Hinweis auf dessen Vorteile zu beantworten, allzu groß und naheliegend. Auch andere zeitgenössische Strafrechtler haben ihre fortschrittlichen Folgerungen an erster Stelle mittels der Zweckmäßigkeit begründet: man denke zunächst an Beccarias Ablehnung der Folter und der Todesstrafe u. a. deswegen, 106 107

Siehe unten D. I. 4. c), (S. 253 ff.). Coenders, Feuerbach, S. 3 ff.

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weil die erste zur Wahrheitsfindung nicht tauge und die zweite keine Abschreckungswirkung zeitige.108 In der Strafrechtswissenschaft der letzten zweihundert Jahren hat man immer wieder versucht, die letztendliche Zweckmäßigkeit insbesondere der Beachtung des Schuldprinzips – einer prinzipiell gerechtigkeitsbezogenen, d.h. deontologischen Anforderung – darzulegen.109 Selbst ein heutiger Vergeltungstheoretiker wie Michael Köhler kann nicht darauf verzichten, auf die Nützlichkeit der Vergeltung hinzuweisen: „Die gerechte Strafe ist mithin zugleich die Grundlage präventiver Handlungszusammenhänge“,110 und Luigi Ferrajolis monumentale Ausformulierung eines „Strafrechtsgarantismus“ fußt auf einer utilitaristischen Staatsphilosophie, die Strafe nur dann für gerechtfertigt erklärt, wenn sie zur Verminderung der Gewalt in der Gesellschaft beitrage,111 und die alle strafrechtlichen Garantien letztendlich als zur Gewaltverminderung geeignete konventionalistische „Axiome“ versteht.112 Wendet man den Blick weg von den Strafrechtlern und hin zu den politischen Philosophen, ändert sich die Situation nur geringfügig: Zwei der prominentesten sich als kantisch bezeichnenden Denker der heutigen politischen Philosophie – Rawls und Höffe – können letztlich doch nur über einen Vorteil, also konsequentialistisch, die Geltung von unantastbaren Grundrechten begründen. So wird in Rawls ursprünglichem Entwurf seiner „A Theory of Justice“ das erste Prinzip der Gerechtigkeit, das Grundrechte garantiert,113 als Ergebnis einer nutzenorientierten rationalen, d.h. dem maximin-Prinzip folgenden Entscheidung aller Mitglieder der Gesellschaft unter einem Schleier des Nichtwissens dargestellt: Da keiner wisse, welchen Platz er in der Gesellschaft, über deren Grundregeln er jetzt bestimmt, ein-

108 Beccaria, Delitti, §§ XVI u. XXVIII; bzgl. der Folter auch Friedrich II., Gesetze, S. 35; Grolman, Grundsätze1, § 671; schwerpunktmäßig auch Feuerbach, Aufhebung der Folter, S. 241 ff., obwohl auch deontologisch argumentiert wird; anders immerhin Feuerbach, Lehrbuch14, § 590 („Vernunft und Menschlichkeit verdammen sie [die Folter, L. G.]“); dezidiert deontologisch Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 39. 109 Dazu mit vielen Nachw. unten D. I. 4. b), (S. 235 ff.). 110 Köhler AT, S. 50. Köhler betitelt einen seiner Aufsätze „Iustitia fundamentum regnorum“, ohne sich mit der inneren Problematik dieses Titels auseinander zu setzen. 111 Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 325 ff. (S. 326: „Strafe dient nicht nur der Prävention von Straftaten, sondern auch von ungerechten Bestrafungen.“). 112 Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 6 ff. (konventionalistische Erkenntnistheorie als Erkenntnistheorie des garantistischen Strafrechts), S. 69 ff. (Axiome des garantistischen Strafrechts). Unklar bleibt trotzdem, wie sich der konventionalistische Teil der Theorie zu ihrem utilitaristischen Teil genau verhält. Im Text nehme ich an, dass dieser Teil die primäre bzw. fundierende, jener nur eine sekundäre oder abgeleitete Rolle spielt. Immerhin taucht das Instrumentalisierungsverbot in der Theorie unvermittelt auf, S. 392 f. 113 Das erste Prinzip der Gerechtigkeit lautete ursprunglich: „Jede Person soll ein gleiches Recht auf das extensivste Schema von gleichen Grundfreiheiten haben, das sich mit einem ähnlichen Schema für andere verträgt“ (Rawls, Theory of Justice, S. 53; zur späteren Änderung siehe ders., Political Liberalism, S. 291).

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nehmen werde, sei es für jeden rational, also nützlich, auf dem größtmöglichen System von individuellen Freiheiten zu bestehen.114 Und bei Höffe sind Grundrechte nicht mehr als Ergebnisse eines sog. „transzendentalen Tausches“: Trotz der sich kantisch anhörenden Begrifflichkeit ist hier nicht mehr gemeint, als der doch Hobbes’sche Gedanke, dass der Verzicht auf die Freiheit, alles tun zu dürfen, dann vernünftig ist, wenn er einen vorteilhaften Tausch gegen die gleiche Leistung aller anderen darstellt, die demnach in die eigene Freiheit nicht mehr eingreifen dürfen.115 Letztlich ist die Frage nach dem Warum des Unverfügbaren so alt wie die Moralphilosophie selbst. In seiner Politeia ließ Platon den Charakter Glaukon die Geschichte eines Ringes erzählen, der von einem gewissen Gyges gefunden wurde und der seinen Träger unsichtbar machte: Glaukon fragte, ob der unsichtbare Ringträger, der ohne Furcht alles tun könne, worauf er Lust habe, noch einen Grund besitze, moralisch zu handeln.116 Dann widmete er das neunte Buch seiner Politea dem Nachweis, dass der gerechte Mensch auch der glücklichste, der Tyrann aber der unglücklichste sei,117 und bei anderen Dialogen kommt er immer wieder darauf zurück, dass die wahre Glückseligkeit nur auf dem schwierigen Wege der Gerechtigkeit erreicht werden könne.118 Die Geschichte der Moralphilosophie kennt insbesondere zwei Antworten auf diese Frage, die man zur Veranschaulichung die Hobbes’sche und die Kant’sche nennen könnte.119 Nach der Hobbes’schen Antwort ist der Grund, moralisch zu handeln, ein außermoralischer, also ein klugheits- und vorteilsbezogener Grund. 114 Rawls, Theory of justice, S. 118 ff. (Schleier des Nichtwissens), 130 ff. (Maximin-Prinzip als Regel rationaler Entscheidung); deshalb zu Recht kritisch Levine, Social Theory and Practice 3 (1974), S. 50 ff.; Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, S. 311 ff. (der aber einen ähnlichen Fehler begeht, siehe den weiteren Text). Dennoch versucht Rawls in seinem späteren Werk (etwa Political Liberalism, S. 51, dann 53, insb. Fn. 7, wo auch zugegeben wird, dass die hiesige Interpretation des ersten Werkes möglich ist, und S. 105 ff, S. 290, 304 f.) den Einwand auszuräumen, unter anderem dadurch, dass er den Aussagewert des Urzustandes erheblich relativiert und auf entscheidungstheoretische Modelle weitgehend verzichtet. Es ist eine andere Frage, ob diese ursprüngliche Begründung überzeugend ist – einen Zirkelvorwurf formulieren J. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), S. 238; B. Williams, Rawls and Pascal’s Wager, S. 96, 100. 115 Höffe, Volk von Teufeln, S. 59 ff.; ders., Globalisierung, S. 47, 53 ff.; ders., Politische Gerechtigkeit, S. 69 ff., 382 ff. 116 Platon, Der Staat, Buch II, 359c ff. (S. 48 f.). 117 Platon, Der Staat, Buch IX, 583B (S. 351). 118 Etwa Platon, Gorgias, 478D-E (S. 347): „Am glücklichsten ist also, wer keine Schlechtigkeit in der Seele hat, denn das ist offenbar das größte Übel“. Zu Glaukons Frage vgl. auch Hegselmann, Glaucons Herausforderung, S. 76 ff. 119 Siehe bereits oben A. (S. 16). Ähnlich Sayre-McCord, Contractarianism, S. 254 f., allerdings in Bezug auf die Vertragstheorie, und nicht auf die Moralität als Ganzes. Heutige Diskussionen dieser Frage bei Bayertz, Warum II, passim; Darwall, Morality and Practical Reason, S. 293 ff.; Gert, Morality, S. 338 ff.; und bei dem von Bayertz herausgegebenen Sammelband Warum I.

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Nach der Kant’schen Antwort gibt es keinen außermoralischen Grund, moralisch zu handeln. Moralisch zu handeln ist und bleibt allein eine Forderung der Moralität. Die gerade erwähnten Autoren, darunter auch Feuerbach, bekannten sich – gelegentlich trotz ihres Beteuerns des Gegenteils – zu einer Hobbes’schen Antwort. Hier wurde dagegen versucht, mit dem Gedanken des Legitimitätstitels des Staates, wonach er im Namen eines jeden einzelnen Bürgers spreche, die Möglichkeiten einer deontologischen Begründung, also einer Kant’schen Antwort auf die Frage nach dem Grund des moralischen Handelns, auszuschöpfen, ohne letztlich doch konsequentialistisch zu werden. Dass dieser Versuch weitgehend skizzenhaft bleibt, dass insbesondere einige Fragen hier unbeantwortet bleiben werden, ist zuzugeben – etwa: Was ist, wenn der Staat seinen Legitimitätstitel aus anderen Quellen herleitet, wie etwa der Talibanstaat, der ein Gottesstaat zu sein vorgab? Oder: Was ist, wenn der Staat eine Gemeinschaft im Tönnies’schen Sinne darstellt,120 in der alle Gemeinschaftsgenossen den Gedanken eines privaten Lebens außerhalb des Gemeinschaft, d.h. des Staates, verabscheuen? usw. Mit diesen Schwierigkeiten wird man sich künftig näher auseinandersetzen müssen, ohne dass aber jetzt schon Anlass besteht, daran zu glauben, sie seien unüberwindbar und könnten den Universalitätsanspruch der hier skizzierten Begründung schon prima facie in Frage stellen. 8. Für die Zwecke unserer Untersuchung reicht es aber aus, dass die Begründung zumindest für unseren heutigen abendländischen, demokratisch-rechtsstaatlichen Staat im Raume steht, so dass man sich nur noch mit den unmittelbar gegen diese Begründung zu erwartenden Einwänden zu befassen hat. Diese Einwände zielen z. T. auf erkenntnistheoretische Aspekte des hier skizzierten Standpunktes, so dass die Antwort sowohl aus Gründen des Platzes, als auch der fachlichen Kompetenz des Verfassers nur skizzenhaft bleiben wird. Trotzdem hofft er, verwertbare Gesichtspunkte zu formulieren, die künftig präzisiert und näher ausgearbeitet werden können.121 a) aa) Der erste dieser Einwände zielt auf jede Theorie, die einen Bezug zur Moral hat: Moral, um mit Radbruch zu sprechen, sei nicht eine Sache der Erkenntnis, sondern nur des Bekenntnisses.122 Diese metaethische Position, wonach ethische Sätze keinen Wahrheitsgehalt haben, heißt Nonkognitivismus123 120

Siehe Tönnies, Gemeinschaft, § 1 (S. 3). Die letzte Erklärung, weshalb sich der Verfasser einer Arbeit über Feuerbach dazu entschloss, sich auch zu schwierigen philosophischen Fragen zu äußern, ist auf zahlreiche Gespräche mit Freunden zurückzuführen, welche die hier artikulierten Bedenken aussprachen – u. a. Alessandro Bondi, Antonio Cavaliere, Peter Kasiske, José Peralta, Gabriel Pérez Barberá, Eduardo Riggi, Humberto Santos, Francesco Viganò. 122 Radbruch, Rechtsphilosophie, § 2.2 (S. 15). 123 Siehe Cloeren, Nonkognitivismus, S. 899. Streng genommen sollte man nicht einmal von „Sätzen“ (propositions) sprechen, denn diese sind definiert durch ihre Fä121

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und wirkt unter Juristen immer noch kräftig nach. Der Jurist vermeidet es, allzu schnell ein Moralitätsargument vorzubringen und versucht überwiegend, die rechtliche Frage von der moralischen so weit wie möglich abzukoppeln und unabhängig von ihr zu beantworten. Das ist auch weitgehend richtig: denn etwa das Problem, ob ein Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium schon zur Mittäterschaft ausreicht oder nicht,124 lässt sich durch das Vorbringen eines moralischen Arguments selbstverständlich nicht lösen. Aber sobald man höhere Ebenen erreicht und es beispielsweise um das Folterverbot geht, dann ist die Bezugnahme auf die Moral nicht nur erforderlich, sondern geboten. Und derjenige, der die Berechtigung dieses Vorgehens mit einem Hinweis auf den Nonkognitivismus in Frage stellen würde, trüge eine schwere Beweislast, an deren Erfüllung er wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt wäre. bb) Zunächst sei daran erinnert, dass der Nonkognitivismus seit langem depassé ist: Es irrt sich, wer meint, mit dem Hinweis darauf, dass nur empirische Sätze der Erkenntnis zugänglich seien, den neuesten Stand der philosophischen Grundlagenforschung zur Kenntnis zu nehmen. Nonkognivistische Positionen scheinen heutzutage fast so unbeliebt zu sein, wie die allgemeineren Bewegungen, in deren Schoß sie ihre wirkungsreichere Begründung fanden, nämlich der logische Empirismus und der Neukantismus.125 higkeit, wahr oder falsch zu sein (siehe etwa Strawson, Analysis, S. 36), sondern nur höchstens von Scheinsätzen (so Carnap, Überwindung, S. 182, 190 ff.) oder sogar von Aussagen bzw. Äußerungen (i. S. von utterances). 124 Dazu ausführlich Roxin, AT II § 25 Rn. 198 ff.; Schünemann LK12 § 25 Rn. 180 ff., beide mit zahlreichen Nachw. 125 Die angelsächsischen Autoren der Gegenwart, die sich als Nachfolger der Nonkognitivisten ansehen, vertreten Positionen, die gelegentlich quasi-realistisch genannt werden (so Blackburn, Expressivism, S. 154 f.; ähnlich Gibbard, Reasons, S. 75) und deren Verhältnis zu der früheren radikalen Position zu komplex ist, um hier eine gebührende Behandlung zu gestatten. Grob gesagt: Der Quasi-Realist ist bereit zuzugestehen, dass viele der Postulate unseres alltäglichen moralischen Diskurses – etwa die Objektivitäts-, Rationalitäts- und Erkentnnisansprüche – berechtigterweise erhoben werden dürfen, nur beziehen sie sich nicht auf eine hinter diesen Ansprüchen bestehenden Realität. Nur soviel: Ob die Bezeichnung Nonkognitivismus überhaupt zu einer derartigen Position passt, erscheint zumindest fraglich, denn es ist nicht mehr deutlich, worin sie sich vom Kognitivismus unterscheiden sollen (so auch Copp, Introduction, S. 12; D’Arms/Jacobson, Sensibility Theory, S. 204). Dagegen ist in Deutschland der Nonkognitivismus unter analytisch orientierten Philosophen und Rechtsphilosophen immer noch sehr „in“: etwa Hoerster, Ethik und Interesse, S. 71 ff.; Hilgendorf, ARSP 92 (1996), S. 397 ff. (insb. S. 407 f.); Birnbacher, Ethik, S. 406 ff.; Kliemt, Interessenbasierte Moralbegründung, S. 155 f., 159 ff.; Engländer, ARSP 90 (2004), S. 90 ff., insb. 94 f.; Trapp, Wertungskognitivismus, S. 218 ff. (dessen Argument eine wichtige Einschränkung erfährt, S. 225); ders., Moralische Aussagen, S. 408 ff.; ausführlich Czaniera, Moralisches Wissen?, insb. S. 224 f., 226 ff. Nun ist es so, dass diese Autoren, mit der Ausnahme Czanieras und Trapps, die Entwicklung, die sich nach dem Logischen Positivismus entfaltete (nämlich dem, worauf man in dieser Fußnote gerade einging, und den im weiteren Text zu schildernden Ereignissen), kaum zur Kenntnis nehmen, so dass man mit Recht vermuten darf,

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cc) Weil dies jedoch nur eine philosophiegeschichtliche Feststellung, aber noch kein Gegenargument ist, sei noch auf folgende Schwierigkeiten hingewiesen: Der Nonkognitivismus sieht sich erstens gezwungen, die ganze Menschheit eines Irrtums zu bezichtigen, indem er bestreitet, dass sie tatsächlich ein sinnvolles Unternehmen verfolgt, wenn sie sich etwa fragt, ob Kriege gerecht, oder wenn sie behauptet, dass Sklaverei und Folter nicht hinzunehmen seien.126 Keines der Rekonstruktionsmodelle, die man für die Struktur moralischer Urteile formuliert hat – vom Emotivismus eines Stevenson127 über Ayers Expressivismus128 bis hin zu Hares Präskriptivismus129 – überzeugen, nicht zuletzt deshalb, weil sie die ganze Menschheit zu Toren erklären, ohne für deren angebliche kollektive Illusion eine halbwegs plausible Erklärung anzugeben.130 Eine Praxis, ohne die große Bereiche unseres alltäglichen Lebens sinnlos würden, die für unsere Selbstverwirklichung als Menschen von so grundlegender Bedeutung ist und mit der sich die Menschheit seit einer Ewigkeit ernsthaft befasst, braucht sich nicht in ihren Grundlagen für erschüttert zu halten, bloß weil eine dass diese Ansichten eher einem nicht mehr so aktuellen Forschungsstand entsprechen. Und speziell zu Birnbacher: Seiner Meinung nach solle die Ethik keinen Anspruch auf Erkenntnis erheben, weil sie nur „schwache Begründungen“ liefere, also „keine zwingenden oder Letztbegründungen“ (S. 406). Das ist ein typisches Beispiel für die Idealisierung der Wissenschaft, zu der wir unter 8. a) dd) (S. 146 f.) gleich kommen werden: Wenn nur letztbegründungsfähige Sätze als Erkenntnis gelten dürfen, fragt sich nur, ob sie überhaupt existiert. Vielleicht ist die in Deutschland traditionelle Stärke dunkel und esoterisch argumentierender Positionen, für die heutzutage die Diskurstheorie von Habermas das prominenteste Beispiel liefert, die Ursache, weshalb hierzulande der ethische Nonkognitivismus unter Autoren, die dem Ideal der Klarheit verpflichtet sind, so verbreitet ist. Im weiteren Text versuche ich darzulegen, warum dies – trotz des lobenswerten Anlasses – immerhin eine Überreaktion bleibt, die sogar im Kontext der diesen Autoren als Vorbild dienenden angelsächsischen Moralphilosophie kaum noch vertreten wird. 126 Diese Schwierigkeit haben alle Nonkognitivismen, also alle Theorien, die moralische Sätze für nicht wahrheitsfähig halten. Ich beziehe mich also nicht ausdrücklich auf die sog. Irrtumstheorie (error-theory) Mackies, Ethics, S. 15 ff., 38 ff., S. 48 f. obwohl das Argument selbstverständlich auch gegen sie gültig ist. Es ist nur ungenau, diese Theorie nonkognitivistisch zu nennen: denn sie behauptet, moralische Sätze setzten die Existenz von Eigenschaften voraus, die es in der Welt nicht gebe, so dass die Sätze zwar wahrheitsfähig seien, nur ihr Wahrheitswert sei negativ. 127 Nach dem Emotivismus ist das Eigentümliche an ethischen Begriffen ihre emotive Bedeutung, d.h. ihre Geeignetheit, gefühlsmäßige Reaktionen der Billigung oder der Missbilligung beim Adressaten hervorzurufen (so Stevenson, Ethical terms, S. 269 ff., insb. S. 273, 276). 128 Ayer, Language, S. 108: Ethische Sätze besitzen keinen informativen Gehalt (S. 107 ff.) – ethische Begriffe seien nur sinnlose „Scheinbegriffe“ (S. 107, 112). 129 Hare, Language, S. 1 ff. 130 Deshalb bilden die alltägliche ethische Praxis, insb. ethische Meinungsunterschiede, den Anfangspunkt für Autoren wie Gibbard, Reasons, S. 71 und Blackburn, Expressivism, S. 152 f., die sich als Nachfolger Ayers und Stevensons begreifen. Siehe auch Shafer-Landau/Cuneo, Foundations of Ethics, S. 36, die hier einen Hauptunterschied zwischen dem älteren („first wave“) und dem neueren („second wave“) von ihnen sog. Expresssivismus sehen.

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vergängliche philosophische Modeerscheinung für sie keinen Platz in ihrem System findet.131 Man könnte deshalb die Unvereinbarkeit des hier vertretenen Standpunkts mit dem Nonkognitivismus ohne weiteres einräumen – und dies dann als Widerlegung des Nonkognitivismus bzw. als seine reductio ad absurdum verstehen. Oder sollen wir in der Tat behaupten, dass der Satz „der NaziStaat hat Böses getan, als er unternahm, die Juden zu vernichten“, sinnlos bzw. wahrheitsunfähig sei? Teilt der Leser diese Überzeugung, dann sollte er möglichst umgehend in Bezug auf dieses Buch der Devise Humes folgen – „commit it to the flames!“132 – denn einer wissenschaftlichen Untersuchung würdig wären demnach gar keine vom positiven Recht weitgehend unabhängigen Fragen, sondern nur etwa der Begriff des gefährlichen Werkzeugs bei § 244 I 1 a StGB. dd) Zweitens lebt der Nonkognitivismus von einem Idealbild der Naturwissenschaft als dem Modell eines gesicherten, objektiven, wertfreien Wissens, welches das tatsächliche Funktionieren der Naturwissenschaft völlig ignoriert. Man glaubt realitätsfremd, die Entscheidung zwischen konkurrierenden Theorien folge eindeutigen, wertfreien Kriterien, oder man gibt sich die Mühe, die Kriterien zu formulieren, denen die Wissenschaftler zu folgen hätten: etwa einem Bayes’schen Theorem oder einem Carnap’schen Kalkül, das den konkurrierenden Theorien einen Wahrscheinlichkeitswert zuschreibt,133 oder einer Popper’schen Vorrangsregel zugunsten der am leichtesten falsifizierbaren Theorie.134 Wie anfänglich der Popper-Schüler Lakatos, dann aber radikal Kuhn und Feyerabend darlegten,135 weicht das tatsächliche Vorgehen der Wissenschaft von dem von der früheren Wissenschaftstheorie entworfenen Idealbild wesentlich ab, und dies sollte nicht zu Lasten der Wissenschaft gehen, sondern des schiefen Maßstabs, den man für sie formuliert hat. Die Entscheidung zwischen konkurrierenden Theorien setzt, wie Kuhn überzeugend belegte, Werturteile voraus, wie etwa der Einfachheit, der Schönheit und der harmonischen Verträglichkeit mit dem bisherigen Wissen.136 Dieser Befund wird nicht einmal von den weni131 Ähnliche Kritik an nonkognitivistischen Positionen bei Gensler, Ethics, S. 67; Putnam, Philosopher?, S. 118. 132 Hume, Enquiry, Section 12, Part 3 (vorletzter Satz). 133 Noch allgemeinverständlich Carnap, Introduction, S. 29 ff., insb. S. 35. Zu Carnaps induktiver Logik Lauth/Sareiter, Wissenschaftliche Erkenntnis, S. 105 ff.; zu Bayes’ Theorem Alex Rosenberg, Philosophy of Science, S. 120 ff.; Salmon, Bayes’s Theorem, S. 385 ff. 134 Popper, Logik der Forschung, S. 77 ff. 135 Lakatos, History of Science, S. 110 ff.; ders., Popper, S. 146 f., S. 148 ff.; Kuhn, Scientific Revolutions, insb. S. 1 ff.; ders., Relations, S. 3 ff.; Feyerabend, Against Method, S. 9 ff. 136 Kuhn, Theory Choice, S. 320 ff. Kuhns Argumentation ist eigentlich viel komplexer und enthält selbst noch in seinem Spätwerk zahlreiche soziologisierende bzw. psychologisierende Annahmen (etwa S. 324, wo es heißt, man müsse jenseits dieser Kriterien die Persönlichkeit der sie anwendenden Wissenschaftler berücksichtigen), die für unsere Zwecke aber entbehrlich sind.

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gen Empiristen, die es heute noch gibt, unter denen van Fraassen zu den prominentesten zählen dürfte, in Frage gestellt, sondern eher als Herausforderung angesehen, eine neuere, weniger restriktive Version des Empirismus zu entwickeln, die auch für Werturteile einen Platz hat.137 Daraus mit Feyerabend den Schluss zu ziehen, auch die Wissenschaft sei irrational,138 wäre aber falsch, denn damit würde man nur beweisen, noch die Prämissen des Nonkognitivismus, insbesondere dessen engen, ausschließlich empiristischen Rationalitätsbegriff, zu teilen. Man könnte vielmehr mit Putnam davon ausgehen, dass gerade das erfolgreiche Vorgehen der Wissenschaft – das auf Werturteilte angewiesen ist – den besten Beweis für die Unhaltbarkeit des Nonkognitivismus liefert.139 Wenn sogar die Physik auf Werturteile nicht verzichten kann, mit umso mehr Recht dann auch die Rechtswissenschaft! ee) Hinter der Beliebtheit, die sich der Nonkognitivismus außerhalb philosophischer Kreise erfreut, steht häufig und vor allem unter Juristen die liberale Intuition, wonach die Berufung auf die Moral auch viel Übles hervorrufen könne. Nun bedeutet aber diese moralische Verdammung des Moralisierens eine in sich inkonsistente Position. Sie führt sich selbst ad absurdum und ist deshalb wenig glaubwürdig. Wenn der Schrei gegen Ungerechtigkeit nichts anderes ist, als ein Schrei, dann hat gerade der Schwache, also der, der entweder nicht laut genug schreien kann oder der nicht in der Lage ist, seine Schreie mittels körperlicher Gewalt zu unterstützen, keine Aussicht, gehört zu werden. Das liberale Anliegen, für Rechte auch und gerade dort einzustehen, wo die Macht sich taub stellt, ist ein moralisches, und verlangt nicht nach einem Abschied von der Moral, sondern nach einer Festlegung ihres Inhalts und Anwendungsbereichs etwa in der Art, wie dies hier geleistet wurde. ff) Letztlich lassen sich die drei Gründe, die wir gegen den Nonkognitivismus angeführt haben, auf einen gemeinsamen Gedanken zurückführen, nämlich auf einen Schluss auf die beste Erklärung:140 Die beste Erklärung für die zwei weitgehend erfolgreichen sozialen Praxen des moralischen und des naturwissenschaftlichen Diskurses141 und für die in der liberalen Tradition verkörperte moralische Kritik der Macht ist nicht diejenige, die der Nonkognitivismus anzubie-

137 van Fraassen, The Empirical Stance, insb. S. 61 ff., 107 f., 142 ff., 151 f.; gegen „methodische Kochbücher“ à la Carnap noch S. 88 f. (Zitat), 145. 138 Siehe Feyerabend, Against Method, S. 246 (beziehe sich der Rationalitätsbegriff auf die Wissenschaft, dann aber auch auf Geschlechtsverkehr, Komödien und Hundekämpfe). 139 Putnam, Collapse, S. 30 f. (am Ausführlichsten); ders., Ethics, S. 67 ff.; ders., Dichotomy, S. 138; ähnlich McDowell, Fabric of the World, S. 126 ff.; McNaughton, Moral Vision, S. 87 f. 140 Dessen Bedeutung und Tragweite im Einzelnen nicht unproblematisch ist; ausführlich Klärner, Der Schluss auf die beste Erklärung, passim. 141 Wobei nicht behauptet wird, diese zwei Praxen seien gleich erfolgreich.

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ten hat. Vielmehr sieht er sich gezwungen, diese Tätigkeiten als irrational abzuqualifizieren – eine höchst unplausible Annahme. b) aa) Der zweite Einwand treibt uns noch weiter in die Tiefe: Er richtet sich gegen einige Züge des hier skizzierten Gedankengangs, die ihm allzu metaphysisch erscheinen. „Metaphysik“ ist ein Krankheit, von der man sich seit dem späten 19. Jahrhundert so fern wie möglich halten will:142 Damals verspottete man ihre Neigung, mit „theoretischen Seifenblasen“ zu spielen,143 und in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts sprach ihr der Logische Positivismus das Todesurteil, versprach ihre Auflösung durch logische Analyse der Sprache144 und erklärte provokativ: „Metaphysiker sind Musiker ohne musikalische Fähigkeit“.145 Selbst nach dem Tode des Logischen Positivismus lebt diese Metaphysikfeindlichkeit fort: So spricht Habermas vom „nachmetaphysischen Denken“ als einem Charakteristikum gegenwärtigen Philosophierens.146 „Metaphysisch“ gilt allgemein als Schimpfwort, als Abqualifizierung, und dies nicht nur unter Juristen, sondern selbst unter Philosophen, „metaphysikfrei“ dagegen als Empfehlung: So versuchen Hoerster mit Überschriften wie „Rechtsethik ohne Metaphysik“ und Rawls mit dem Slogan, dass seine Gerechtigkeitstheorie „political, not metaphysical“ sei, für ihre Lehren zu werben.147 bb) Das erste Problem bei der Beantwortung dieses Einwands ist, bei ihm überhaupt einen Gehalt ausfindig zu machen. Denn der Metaphysikvorwurf erscheint mindestens genau so dunkel wie die gefürchtete und kritisierte Metaphysik selbst.148 Man könnte insbesondere zwei Begriffe von Metaphysik unterscheiden – benennen wir sie, zugegeben unscharf, als den aristotelischen und den Kant’schen Begriff. Nach dem ersten, dem aristotelischen Begriff besagt Metaphysik nichts anderes als die Wissenschaft vom Seienden149 – von dem, was es letztendlich in dieser Welt gibt. Ein metaphysischer Satz wäre ein Satz über ein Gegebenes oder Nicht-Gegebenes, der mit dessen Gegebensein oder Nicht-Gegebensein zu tun hat. Der andere, Kant’sche Begriff versteht unter Me-

142 Umfassend zur Geschichte der Metaphysikkritik bis zu ihren Wurzeln im 14. Jahrhundert Kondylis, Metaphysikkritik, S. 27 ff., und passim. 143 So der brasilianische Strafrechtler Tobias Barreto, Fundamento, S. 161 (Zitat), 161 ff., der ihr trotzdem einen eigenen Bereich zuerkennt, solange sie vom Recht und vom Strafrecht fern bleibe. 144 Siehe die Überschrift des Aufsatzes von Carnap, oben Teil C., Fn. 63. 145 Carnap, Überwindung, S. 201. 146 Habermas, Nachmetaphysisches Denken, S. 14, 41 ff. 147 Hoerster, „Rechtsethik ohne Metaphysik“, JZ 1982, S. 265 ff.; Rawls, Political Liberalism, S. 10; ders., Political not Metaphysical, S. 389 ff. 148 Für diese Dunkelheit nahezu vorbildhaft Habermas, Nachmetaphysisches Denken, S. 20 ff., 36 ff. 149 Nach Aristoteles, Metaphysik, Buch IV, Kapitel 1: „Es gibt eine Wissenschaft, welche das Seiende als Seiendes untersucht . . .“

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taphysik alles, was der Empirie transzendiert.150 Ein metaphysischer Satz wäre demnach ein empirieunabhängiger, m. a. W. ein apriorischer Satz. cc) Der Logische Empirismus glaubt, beide Arten von Metaphysik ablehnen zu können, und nicht nur die Kant’sche. Da die Wissenschaft letztlich nur empirische Sätze und Tautologien beinhalte,151 werden auch Fragen wie die, ob es tatsächlich Elektronen gibt oder ob diese nur theoretische Fiktionen sind, ausgeklammert: Das Wort Elektron sei vielmehr ein zusammenfassender Begriff, nach dessen Einfügung in die Theorie eine Reihe von Sinneserfahrungen kohärenter und präziser erfassbar seien.152 Ob es tatsächlich Elektronen gibt, scheint demgegenüber eine sinnlose Frage zu sein.153 Ähnliches ließe sich von Zahlen behaupten: Zahlen sind für den Logischen Empirismus nur Zeichen, und die mathematischen Operationen, die man mit diesen Zahlen vollzieht, nur das Explizitmachen der Bedeutung dieser Zeichen und der benützten Operatoren.154 Die Frage, ob es aber Zahlen gibt, und wenn ja, in welchem Sinne deren Gegebenheit zu verstehen sei, wird als sinnlos ausgeklammert.155 Aber mit der Infragestellung einiger grundlegender Annahmen des Logischen Positivismus, insbesondere seiner strikten Unterscheidung zwischen analytischen 150

Nach Kant, Kritik der reinen Vernunft, B XIV, und vor allem A 845/B 873. So die „kanonische“ Lehre des Logischen Empirismus, insb. zu der Zeit, als man vom verifikationistischen Sinnkriterium ausging, also – grob gesagt – vom Kriterium, wonach nur empirisch verifizierbare Sätze und Tautologien sinnvoll seien (in diesem Sinne etwa Carnap, Überwindung, S. 183 f.; Ayer, Language, S. 5 ff., 16 ff.; ausführlich zu den verschiedenen Versionen und Problemen dieses Sinnkriteriums Hempel, Empiricist Criterion, S. 109 ff.). 152 So die Position des sog. Instrumentalismus, in diesem Sinne aus positivistischer Perspektive etwa Stace, Science, S. 353: „That atoms are not inferences from sensations means, of course, that from the existence of sensations we cannot infer the existence of atoms. (. . .) They do not exist – or at any rate, no one could know it if they did . . .“, S. 355: „Scientific laws . . . simply state, in abbreviated and generalized form, what happens“; wohl auch Ernst Nagel, Science, S. 129 ff., S. 140, 152, der trotz seiner Behauptung, der Unterschied zwischen Instrumentalismus und Realismus (also der Position, wonach es theoretische Entitäten wie Elektronen tatsächlich gibt, dazu unten bei Teil C., Fn. 161) sei bloß ein sprachlicher, sich eines Urteils über die Existenz theoretischer Entitäten enthält. Siehe zur Position des Logischen Empirismus bezüglich der Existenz nicht-beobachtbarer theoretischer Entitäten auch Rosenberg, Philosophy of Science, S. 84 ff., S. 93 ff., und Ladyman, Philosophy of Science, S. 154 ff.; ausführlich Psillos, Scientific Realism, S. 4 ff. 153 Oder, wie es Carnap, Meaning and Necessity, S. 206 ff. sagen würde, eine Verwechselung zwischen internen und externen Fragen bzgl. eines bestimmten sprachlichen Rahmens (linguistich framework): Externe Fragen seien aus interner Perspektive eben sinnlos. 154 M.a.W.: Sätze der Mathematik seien tautologisch bzw. analytisch, d.h. sie explizitierten nur den Sinn der Begriffe und Symbole, die darauf auftauchen (so etwa Hahn, Logic, S. 158 f.; ders., Grundlegung der Mathematik, S. 50; Ayer, Language, S. 77; Hempel, Mathematical Truth, S. 379 ff.). 155 Am klarsten Carnap, Meaning and Necessity, S. 209. Siehe dazu auch Shapiro, Mathematics, S. 124 ff. 151

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und synthetischen Sätzen,156 haben die früher ausgeklammerten (im aristotelischen Sinne) metaphysischen Fragen eine neue Blüte erlebt.157 Man denke nur etwa an Strawsons Versuch einer „beschreibenden Metaphysik“, die das komplexe Netz von miteinander korrelierenden Grundbegriffen ausmachen solle, das unserem Reden und Denken über die Welt zugrundeliege, indem in erster Linie nach den Typen von Individuen, Eigenschaften und Beziehungen gefragt wird, die das Netz konstituieren,158 oder an David Lewis’s „modalen Realismus“, also seine These, wonach es eine Vielzahl anderer Welten gebe, die genauso existierten wie die Welt, die wir kennen, was er insbesondere aus dem Grunde vertritt, weil diese zugegeben kontra-intuitive Annahme eine Reihe philosophischer Vorteile (etwa in der Analyse von Eigenschaften oder kontrafaktischen Sätzen) mit sich bringe.159 Ist die positivistische Unterscheidung zwischen analytisch und synthetisch schwer durchführbar, so werden nicht nur die damit zusammenhängenden Unterscheidungen von a apriori/a posteriori, sondern auch die Dichotomie von theoretischen/empirischen Sätzen prekär,160 und es wird wieder sinnvoll, vom empirischen Gegebensein zunächst nur theoretischer Begriffe zu sprechen. Deshalb ist in der heutigen Wissenschaftstheorie das Problem des metaphysischen Status von theoretischen Entitäten ein brisantes Thema: Sämtliche Positionen vom Realismus, wonach es diese Entitäten tatsächlich gebe,161 bis zum Instrumentalismus, wonach sie nur theoretische Gebilde seien,162 finden heute ihre Befürwörter.163 Mehr noch: Selbst der Essentialismus, der Gedanke, es gebe so etwas wie das Wesen einer Sache, das für die Sache in ihrem Sosein konstitutiv sei, m. a. W. die These, wonach man zwi156

Hier grundlegend Quine, Two Dogmas, S. 20 ff. Hier hat der Aufsatz von Quine, On What There Is, S. 1 ff. die Schlüsselrolle gespielt (so Putnam, Ethics, S. 78; van Fraassen, The Empirical Stance, S. 11). 158 Strawson, Individuals, S. 11 und passim; ders., Analysis, insb. S. 24, 47. 159 Lewis, On the Plurality of Worlds, S. 2 ff., 20 ff., 50 ff. 160 So etwa Maxwell, Theoretical Entities, S. 366 ff.; Matheson/Kline, Observational-Theoretical Distinction, S. 380 ff.; Putnam, Theories, S. 336; ders., Human Face, S. 28. 161 In diesem Sinne Putnam, Reason, S. 55 f.; ders., Human Face, S. 26 ff.; ders., Internal Realism, S. 40 ff.; ders., Philosopher?, S. 114 ff., mit einer sich immer weiterentwickelnden Position, die er gelegentlich „internal realism“ nennt, für die es unter anderem wesentlich ist, dass der Begriff der Realität nicht als etwas verstanden wird, das von unserer Erkenntnis völlig unabhängig ist; Psillos, Scientific Realism, insb. S. 294 ff., auf Grundlage einer Variante der kausalen Theorie der Referenz; mit einer differenzierten Version McMullin, Scientific Realism, S. 269, 271 der den wissenschaftlichen Realismus als eine empirische These versteht, und die Beziehung von Theorie und Wirklichkeit nach dem Modell der Metapher begreift; und Leplin, Scientific Realism, S. 102 ff. Kritisch, ohne sich aber dem Instrumentalismus zu verpflichten, Laudan, Convergent Realism, insb. S. 228 f. 162 Der am prominentesten durch van Fraasen, The Scientific Image, S. 64 ff., 153 ff. in der wesentlich verfeinerten Fassung seines sog. „constructive empiricism“ vertreten wird. 163 Zusammenfassend zur ganzen Diskussion Psillos, Scientific Realism, S. 4 ff. 157

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schen akzidentiellen und wesentlichen Eigenschaften einer Sache unterscheiden könne, selbst diese für die analytische Philosophie anfänglich so unverständliche Idee hat neuerdings in der Lehre von den natural kinds und in der Diskussion um rigid designators und possible worlds eine Wiederbelebung erfahren.164 Man diskutiert nämlich, ob Wasser notwendig, in jeder logisch denkbaren Welt, H2O sei, oder ob nicht auch eine Flüssigkeit, die aus H2OX bestünde, sich aber in allen messbaren Eigenschaften wie Wasser verhielte, ebenfalls Wasser sein könne.165 Und auch in der Philosophie der Mathematik wird die Frage nach der Existenz von Zahlen wieder intensiv behandelt, wobei es hier noch mehrere Positionen gibt, die in der wissenschaftstheoretischen Diskussion keine unmittelbare Entsprechung finden.166 M. a.W.: Wenn der Metaphysikeinwand die erste, aristotelische Bedeutung von Metaphysik zum Gegenstand hat, dann ist er kein tauglicher Einwand, denn Metaphysik als Forschung nach dem Sein, als Frage nach dem, um es mit Quine zu sprechen, was es gibt, ist seit mindestens vier Jahrzehnten wieder rehabilitiert. Von dieser ersten Art von Metaphysik habe ich dennoch versucht, die hiesigen Erwägungen möglichst frei zu halten – und dies nicht aus unangemessener Metaphysikscheue, sondern wegen des methodischen Prinzips, wonach man eine Theorie nur um die Annahmen reicher machen sollte, die sich als unentbehrlich erweisen (Ockham’sches Rasiermesser). Wir begnügten uns bisher damit, den Konsequentialismus und den Non-Kognitivismus abzulehnen, ohne eine im aristotelischen Sinne metaphysische Darlegung des ontologischen Status unserer absoluten deontologischen Verbote anzubieten. Es spricht vieles für die Annahme, dass die hier formulierte Theorie mit unterschiedlichen metaphysischen Ansätzen in Bezug auf ethische Sätze verträglich sein würde, so dass sich die Frage, welcher dieser Ansätze letztendlich Recht hat, ausgeklammert werden darf. dd) Aber in der Tat ist die hiesige Theorie metaphysisch im zweiten, Kant’schen Sinne: Sie spricht von Sätzen bzw. Verboten, die apriori begründet werden müssen, und versucht bei der Begründung der Verbindlichkeit dieser Sätze bzw. Verbote, Empirisches möglichst zu vermeiden. Wäre das nicht ein Grundmangel der hiesigen Erwägungen? (1) Dazu ist erstens zu sagen, dass nicht einmal diejenigen, die einen solchen Metaphysikvorwurf formulieren, sicher sein können, sich ihm nicht selbst auszusetzen. Es spricht vieles für die Annahme, heutige hochkursierende Theorien 164 Grundlegend war hier Kripke, Naming, S. 39 ff. (Kritik der Essentialismus-Kritik), 48 ff., 102 ff. (rigid designators), 116 ff., insb. 125, 134 ff. (natural kinds); dazu auch Putnam, H2O?, S. 57 ff. Zur Diskussion von natural kinds siehe ferner Wilkerson, Natural Kinds, S. 29 ff., und die Aufsätze in dem von Riggs hrsgg. Sammelband „Natural Kinds, Laws of Nature and Scientific Methodology“. 165 Etwa Kripke, Naming, S. 128 f.; Putnam, H 0?, S. 56 ff. 2 166 Dazu Shapiro, Mathematics, S. 201 ff., m. w. Nachw.; siehe auch unten Teil C., Fn. 184 und den entsprechenden Text.

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enthielten nicht weniger Metaphysik i. S. von Apriorischem als frühere, nur ist diese freilich eine verkappte Metaphysik, eine Metaphysik, die sich als solche nicht zu erkennen geben will.167 So setzt die „politische, nicht metaphysische“ Theorie der Gerechtigkeit von Rawls in ihren späteren Formulierungen die Vorstellung von Menschen als freie und gleiche Bürger als Grundlage voraus,168 so dass selbst der Gedanke des Vertragsabschlusses im Urzustand unter dem Schleier des Nichtswissens eher die heuristische Bedeutung hat, diese grundlegende Vorstellung besser operationalisierbar zu machen.169 Dass diese Vorstellung apriorisch ist, oder dass sich diese Eigenschaft nicht leicht von der Hand weisen lässt, dürfte klar sein.170 Hoersters „Ethik ohne Metaphysik“ erklärt allein die empirisch überprüfbare Erfüllung menschlicher Interessen für ethisch relevant171 – warum aber gerade dieser empirische Zustand für ausschlaggebend erklärt wird, warum er etwa vorzugswürdiger sein soll, als gerade entgegengesetzte empirische Zustände des Schmerzerleidens, ist mit einem Hinweis allein auf Empirisches nicht erklärbar.172 Und selbst Habermasens Rede vom nachmetaphysischen Zeitalter erscheint seiner selbst nicht so sicher, sobald man daran denkt, dass die sog. ideale Sprechsituation gerade ideal ist, und dass es hierzu keine empirische Instanzen gibt.173 Es ist mithin sehr unklar, ob die Steine, die man nach der Sünderin wirft, tatsächlich aus reinen Händen geworfen werden. (2) Ferner könnte man – der gängigen Vorstellung entgegen – darauf hinweisen, dass offene Apriorizität keine Schande ist, so dass man keine Angst davor

167 So auch Naucke/Harzer, Rechtsphilosophische Grundbegriffe, insb. Rn. 205, freilich etwas zu pauschal. 168 Rawls, Political Liberalism, S. 29 ff., S. 304 ff. Insb. auf S. 29 Fn. 31, unternimmt er den Versuch, seine „politische Konzeption der Person“ von einer metaphysischen zu unterscheiden. Das ist eine weitgehend terminologische Frage, da Rawls unter Metaphysik die von ihm sog. „comprehensive doctrines“ versteht, während es uns jetzt um apriorische Sätze geht. 169 Der Urzustand sei jetzt ein bloßer „device of representation“: Rawls, Political Liberalism, S. 24; ders., Justice as Fairness, S. 18. 170 Ähnlich Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, S. 320. Ein Ausweg könnte eine Art Konventionalismus sein – die Theorie der Gerechtigkeit würde demnach nur eine Artikulierung der Intuitionen enthalten, die in unseren demokratischen Gesellschaften in Bezug auf die Menschen tatsächlich gelten, nämlich die, dass sie frei und gleich seien (so wohl Rawls, Political not Metaphysical, S. 389 f.). Dieser Ausweg hätte wegen seiner Nähe zum Relativismus mit anderen Problemen zu kämpfen: zunächst mit der daraus folgenden Unmöglichkeit, über andere Gesellschaften, die unsere Intuitionen nicht teilen, moralisch zu urteilen, zweitens und gravierender aber mit der Unmöglichkeit, ein derartiges Urteil sogar über andersdenkende Mitglieder unserer eigenen Gesellschaften zu fällen. 171 Hoerster, JZ 1982, S. 267; ausführlicher ders., Ethik und Interesse, S. 73 ff., 162 ff.; so auch Engländer, Jus 2002, S. 536 ff.; ders., ARSP 90 (2004), 95 f.; ähnlich ferner Kliemt, Interessenbasierte Moralbegründung, insb. S. 155. 172 Ähnlich Kindhäuser, Rechtsgüterschutz, S. 36 Fn. 14. 173 Siehe Habermas, Vorstudien, S. 174 ff.

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haben muss, sich in diesem Sinne zu outen. Seitdem die Unzulänglichkeiten positivistischer Versuche, alles Apriorische auf Tautologien zurückzuführen, von allen Seiten anerkannt wurden, kam es zunächst zu einer Welle des Naturalismus, zu einer „Epistemology naturalized“, die alles Wissen, selbst die Erkenntnistheorie, die Logik und die Mathematik, letztlich für empirisch hielt.174 Die Fragwürdigkeiten dieses Gesamtunternehmens haben in der jüngeren Zeit Reaktionen hervorgerufen, so dass in der neueren Erkenntnistheorie eine erstaunliche Rehabilitierung des Apriori festzustellen ist, mit mehreren Versuchen unterschiedlicher Gelehrter, das Bestehen und das Begründetsein von apriorischen Erkenntnissen darzulegen. Darunter sind insbesondere die Arbeiten von BonJour und Casullo zu erwähnen, von zahlreichen weiteren Studien ganz zu schweigen.175 Ersterer versucht, grundlegende Regeln der Logik, wie etwa den Satz des Widerspruchs, als durch rationale Einsicht erfasste Wahrheiten zu verstehen. Von dieser Einsicht erwartet er auch die Lösung des Induktionsproblems und verspricht sich einzig aus ihr die Rettung vor dem Skeptizismus.176 Und Casullo versucht, durch empirische Argumente das Vorhandensein apriorisch begründeter Erkenntnis zu belegen, wobei er unter einer apriorischen Begründung vereinfachend diejenige versteht, die nicht von Prozessen, die mit unseren fünf Sinnen zu tun haben, abhängt.177 Dass unter Juristen derartige Versuche so gut wie unbekannt sind, kann angesichts der Tatsache, dass selbst die vorherigen Stufen der Überwindung des Logischen Positivismus und des Aufmarsches des Quine’schen Naturalismus kaum bemerkt wurden,178 nicht überraschen. (3) Drittens darf man sich in der Tat nicht schämen, die letztendliche Begründung für die Sätze, wonach der Staat seine Macht nur im Namen der Bürger ausüben dürfe und dass ihm etwa das Foltern unbedingt verboten sei, schuldig zu bleiben, während man sich gleichzeitig dagegen wehrt, sie durch den bequemen Hinweis auf Konventionen oder selbst auf konstitutive Regeln unserer Zivilisation179 zu begründen. Dass der heutige Stand der Erkenntnistheorie keine 174 Quine, Epistemology naturalized, S. 75 f., 82 f.; ders., Ontological relativity, S. 26; zu den Auswirkungen dieses Ansatzes auf die Philosophie der Mathematik Shapiro, Mathematics, S. 16 ff., 212 ff. 175 Man siehe insb. die drei Sammelbände „A Priori Knowledge“, hrsgg. von Moser, 1987, „Return of the A Priori“, hrsgg. von Hanson/Hunter, 1992, und „New Essays on the A Priori“, hrsgg. von Boghossian/Peacocke, 2000. 176 BonJour, Pure Reason, S. 106 ff., 131 ff. (rationale Einsicht), S. 93 ff. (Satz des Widerspruchs), S. 206 ff. (Induktionsproblem), und etwa S. 93, 98 (Vermeidung des Skeptizismus). 177 Casullo, A Priori Justification, insb. S. 161 ff. (empirische Argumente), S. 181 f. (zusammengefasstes Ergebnis). 178 Symptomatisch dafür ist, dass der Überblick Hilgendorfs, Renaissance der Rechtstheorie, S. 67 ff., Quine nicht einmal unter seinen scharfsinnig bemerkten Rezeptionslücken erwähnt (den Logischen Positivismus aber doch, S. 67). 179 So aber Hassemer, Unverfügbares, S. 200; bezüglich des Folterverbotes etwa Reemtsma Folter I, S. 81, 87 f., 91 f., 99, 117, 122 f., 129; ders., Folter II, S. 71 f.;

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befriedigende Erklärung für alle unsere Erkenntnisse liefert, zeugt eher von der Unzulänglichkeit der heutigen Erkenntnistheorie als von der Unbegründetheit unserer Erkenntnisse. Wir haben schon gesehen, wie das Modell des Logischen Empirismus in sich zusammengebrochen ist.180 Für die Naturwissenschaft taugt es anscheinend nicht: Diese setzt auch Werturteile voraus, für die der Logische Empirismus keinen Platz hat. Und ebenso wenig lässt sich die Mathematik nach herrschender Auffassung auf Tautologien zurückführen: Insbesondere bleibt dadurch die Frage, wieso die Mathematik doch unsere Erkenntnis erweitert, unbefriedigend beantwortet, und die Existenz noch nicht eindeutig gelöster mathematischer Probleme wird zu einem Rätsel.181 Philosophisch ist die Induktion immer noch ein ungelöstes Problem, da es seit Hume unbeantwortet ist, wieso die Tatsache, dass etwas in der Vergangenheit wiederholt geschehen ist, die Annahme rechtfertigt, dies werde sich auch in der Zukunft weiter so ereignen:182 Trotzdem brauchen wir uns nicht zu schämen, wenn wir in unserem Alltag und auch in unserer wissenschaftlichen Tätigkeit davon ausgehen, dass etwa Brot ein Nahrungsmittel ist und es auch morgen sein wird.183 Und selbst wenn wir nicht wissen, ob Zahlen platonische Ideen, Konstruktionen unserer Vernunft, Symbole, Fiktionen, Relationen oder theoretische Gebilden sind,184 bleibt es uns nicht verwehrt, sie in unseren alltäglichen Rechnungen im Kaufhaus oder in der wissenschaftlichen Tätigkeit als Mathematiker oder Physiker zu gebrauchen.185 Wenn nun aber die Erkenntnistheorie schon vor der Naturwissenschaft und selbst vor der Mathematik an ihre Grenzen zu stoßen scheint, wenn sogar die Naturwissenschaft und die Mathematik als erkenntnistheoretisch ungelöste Herausforderungen gelten, erscheint es sehr fraglich, unsere bescheidene Jurisprudenz strengeren Maßstäben unterwerfen zu wollen.186 Paradoxerweise ruft hier der traditionelle, schon zumindest bis auf Kirchmann zurückgehende wis-

bezüglich des Verbots der Todesstrafe etwa Nowakowski, Todesstrafe, S. 342; Reiman, Philosophy & Public Affairs 14 (1985), S. 135 ff. 180 Das gibt selbst der führende gegenwärtige Empirist van Fraassen, The Empirical Stance, S. xviii, 38 ff. zu. 181 So Shapiro, Mathematics, S. 132, mit dem Beispiel des erst spät erfolgten Beweises von Fermats Theorem; weitere Kritik bei Soames, Philosophical Analysis I, S. 157. 182 Hume, Treatise, Book I, Part III, Section VI; ders., Enquiry, Section IV Part 2. 183 Beispiel bei Hume, Enquiry, Section IV Part 2. 184 Nachw. bei Shapiro, Mathematics, etwa S. 202 ff. (platonische Gebilde), 177 (Konstruktionen), 142 ff. (Symbole), 227 ff. (Fiktionen), S. 258, 263 (Relationen). 185 Putnam, Ethics, S. 66 bemerkt zudem, dass keine der in der Philosophie der Mathematik vorhandenen Theorien die gängige Anwendung der Mathematik auf die Physik erklären kann. 186 Vgl. Putnam, Internal Realism, S. 36 ff., der dieses Argument ein „,companions in guilt‘-Argument“ nennt; ferner McNaughton/Rawling, Deontology, S. 441; kritisch zu derartigen Argumenten van Fraassen, The Empirical Stance, S. 12 ff.

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senschaftliche Minderwertigkeitskomplex der Juristen187 gerade die Konsequenz hervor, dass man von der Jurisprudenz mehr verlangt, als von der Mathematik und der Naturwissenschaft. Der Seitenblick auf den nicht weniger kritischen Zustand der Erkenntnistheorie in Bezug auf die Mathematik oder die Naturwissenschaft sollte den Juristen eher aufmuntern, sich z. T. wie der Mathematiker und der Naturwissenschaftler zu verhalten und zumindestens einige seiner Sätze – wie etwa den, dass Folter kategorisch verboten ist – laut und selbstbewusst auszusprechen. Hier ist an die stolzen Sätzen v. Liszts zu denken, der schon zu seiner Zeit feststellte: „Die Erkenntniskritiker lassen uns im Stich, wenn wir von ihnen Kritik unserer juristischen Erkenntnis verlangen“.188 M. a.W.: in einem engen Bereich juristisch-moralischer Erkenntnis darf die Rechtswissenschaft ihre Rechte der Wissenschaftstheorie gegenüber geltend machen. c) aa) Ein anderer Aspekt des Metaphysikeinwands ist bisher noch unerörtert geblieben. Wesentlicher Grund dafür, die Notwendigkeit der Apriorizität der hier postulierten kategorischen Verbote anzunehmen, war die Tatsache, dass jede Beimengung von Empirie in ihre Begründung ihre Kategorizität, ihre Ausnahmslosigkeit in Frage stellen würde. Gilt eine bestimmte Norm nur wegen bestimmter vergangener, bestehender oder künftiger Tatsachen, dann wird ihre Geltung aufgehoben, sobald sich diese Tatsachen ändern. Mit Kant sind wir prinzipiell davon ausgegangen, dass nur apriorische Sätze ausnahmslos gelten können, dass alles Empirische kontingent sei.189 Nun ist diese Verknüpfung von Apriorizität und Notwendigkeit seit den Anfängen der oben erwähnten Rehabilitierung der Metaphysik im ersten Sinne, als Wissenschaft vom Seienden, in Frage gestellt worden. So hat insbesondere Kripke betont, dass Apriorizität ein erkenntnistheoretischer, Notwendigkeit dagegen ein metaphysischer Begriff sei, so dass es sowohl kontingentes Apriorisches als auch notwendiges Aposteriorisches geben könne.190 Auch die schon angesprochene natural-kinds-Theorie geht davon aus, dass empirische Bestimmungen der Natur bestimmter Gegenstände durch die Naturwissenschaft – etwa, dass Gold die Atomnummer 79 habe – aposteriorische, aber notwendige Wahrheiten seien.191 So wäre letztlich die empirische Naturwissenschaft dafür zuständig, das Wesen etwa des Wassers oder des Goldes zu bestimmen und dadurch die notwendigen Bedingungen festzulegen, damit man es in allen möglichen Welten mit Wasser oder Gold zu tun haben könnte. Empirisches wäre also entgegen Kant nicht eo ipso kontin-

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Kirchmann, Wertlosigkeit, insb. S. 25. v. Liszt, Rechtsgut und Handlungsbegriff, S. 212. 189 Vor allem Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 3 f. 190 Kripke, Naming, S. 34 ff., 101, 135, 140; so auch Boghossian/Peacocke, Introduction, S. 3. 191 Kripke, Naming, S. 125, 138; ferner Wilkerson, Natural Kinds, S. 29 ff., 55, 70 ff. 188

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gent.192 Und selbst die oben zitierten Studien, die apriorische Erkenntnis zu begründen trachten, wie diejenigen von BonJour oder Casullo, geben alle Ansprüche auf Notwendigkeit auf.193 Eine weitere Schwierigkeit betrifft die Unterscheidbarkeit von apriori- und aposteriori-Sätzen überhaupt: Dieselben Argumente, die von Quine gegen den Logischen Empirismus und seine Dichotomie von analytischen und synthetischen Sätzen vorgeführt wurden, ließen sich auch gegen die Dichotomie von apriori/aposteriori richten. Nach Quine werden unsere Annahmen nicht individuell, sondern als Gesamtheit, als ein „web of belief“ vor den Gerichtshof der Erfahrung gebracht.194 Sich eventuell ergebende Ungereimtheiten zwischen dem, was wir annehmen, und dem, was wir erfahren können, sollen mit einer Revision auf allen Ebenen des Netzes und selbst auf der Erfahrungsebene beseitigt werden. Dementsprechend gibt es keine Garantie, dass unsere Definitionen, d.h. unsere analytischen Sätze, nicht wegen synthetischer Erfahrungssätze revidiert werden. In einem gewissen Sinne ist deshalb der Geltungsgrund dieser angeblich analytischen Sätze auch synthetisch bedingt.195 Wenn dem so sei, könne man mit Putnam das Argument bis auf die Ethik erstrecken und meinen, auch die Dichotomien von apriori und aposteriori, deskriptiv und präskriptiv seien letztlich unhaltbar, da man wegen etwas Empirischem ein Apriorisches, wegen etwas Deskriptivem ein Präskriptives revidieren könne und auch umgekehrt.196 Ist dieser Bestand nicht eine ernsthafte Herausforderung für den hier skizzierten Standpunkt? bb) In der Tat erscheint eine befriedigende Antwort auf diese Frage jenseits der Grenzen meiner fachlichen Kompetenz zu liegen. Deshalb werde ich mich darauf beschränken, zwei Alternativen zu erwägen, die eher als Anregungen zur weiteren Reflexion verstanden werden sollen. Die erste würde die Kant’sche Position – also Unterscheidbarkeit von Apriorisch und Aposteriorisch, mit einer Gleichsetzung von Notwendigem und Apriorischem auf der einen und von Kontingentem und Empirischen auf der anderen Seite – gegen die neuere Entwicklung in Schutz nehmen. Es gibt durchaus Versuche, der Quine’schen Ineinanderführung von analytisch und synthetisch zu widerstehen. So unternimmt es BonJour Quines Position insbesondere dadurch zu widerlegen, dass er behauptet, sie 192 Ein Wortspiel, das wegen Verdunkelungsgefahr in einer Fußnote verbleiben muss, sei trotzdem erlaubt: die Kontingenz des Empirischen wäre demnach selbst kontingent. 193 BonJour, Pure Reason, S. 11 ff., 115 ff., 120 ff.; Casullo, A Priori Justification, S. 77 f., 209. 194 Quine, Two Dogmas, S. 41 ff.; ders., Epistemology Naturalized, S. 79 f.; Quine/ Ullian, The Web of Belief, S. 16 ff., 79, 102 ff. 195 Selbst die Logik sei wegen Weiterentwicklungen der empirischen Wissenschaften revidierbar (Quine, Two Dogmas, S. 42 f.). 196 Putnam, Collapse, etwa S. 3, 13, 30 f., 109.

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führe zum Skeptizismus.197 Und Hanna versucht im Wesentlichen, die bei Kant befindliche Definition der Analytizität als „Enthaltensein“ zu rehabilitieren und zu präzisieren.198 Ist in einem ersten Schritt diese grundlegende Unterscheidung gerettet, dann wäre darzulegen, warum Notwendigkeit i. S. von Ausnahmslosigkeit nur apriorisch begründeten Sätzen zukommen könne. Obwohl man immer noch daran glauben würde, nur Apriorisches könne notwendig sein, wäre diese Entsprechung nicht mehr – wie bei Kant – eine Selbstverständlichkeit, sondern eine erst durch viele Zwischenschritte vermittelte subtile Argumentationskette.199 Der andere Lösungsweg würde eher vermittelnd vorgehen und erscheint um einiges einfacher. Man wäre bereit, die Kant’sche Position zumindest so weit zu revidieren, wie es die Erkenntnisse der heutigen empirischen Wissenschaften andeuten, womit man die Verknüpfung zwischen Empirie und Kontigenz aufgeben und die Möglichkeit empirischer Notwendigkeiten anerkennen würde. Trotzdem würde man behaupten, diese hier naturwissenschaftlich festgestellte Notwendigkeit bzw. Kontingenz sei von einer anderen Beschaffenheit, als diejenige, die für die Begründung rechtsmoralischer Sätze in Betracht kommen könnte. Notwendigkeit und Kontingenz i. S. der natural-kinds-Theorie werden anhand der von Kripke aufgegriffenen Leibniz’schen Figur der „möglichen Welten“ bestimmt: Notwendigkeit bedeutet wahr in jeder möglichen Welt, Kontingenz dagegen wahr in nur einigen möglichen Welten.200 Wenn wir aber das Folterverbot kontingenzunabhängig zu begründen versuchen, wollen wir nicht seine Geltung für alle mögliche Welten darlegen, also sogar für Welten, in denen Menschen neuronal derart anders aufgebaut wären, dass sie keinen Schmerz empfinden könnten. Wir begründen das Verbot vielmehr für diese Welt, in der wir uns befinden, gleichgültig, welche Änderungen sie nun in der Zukunft noch erleidet. Die empirischen Bedingungen, die wir vor Augen haben, und von denen unsere Begründung deontologischer Schranken frei bleiben muss, sind nicht diejenigen, die mit der Atomstruktur des Wassers zu tun haben, sondern soziale 197 BonJour, Pure Reason, S. 86 ff. Ein weiteres wichtiges, für unsere Zwecke aber nicht dienliches Argument ist die Unterscheidung von Apriorizität und Notwendigkeit: Quines Argument, wonach kein Satz unrevidierbar sei, ist keine Herausforderung gegen die Apriorizität, wenn man diesen Gedanken von dem der Notwendigkeit unterscheidet und revidierbares Apriorisches anerkennt (S. 75 ff.). 198 Hanna, Kant, S. 127 ff., 137 ff. Die Details des Arguments wiederzugeben überschreitet sowohl die Grenzen dieser Arbeit als auch meiner fachlichen Kompetenzen. Einen weiteren Versuch in dieselbe Richtung bietet Philip Kitcher, „A Priori“, S. 40 ff., 43, durch einen Rückgriff auf den Gedanken der „stillschweigenden Erkenntnis“ an. 199 So auch Boghossian/Peacocke, Introduction, S. 4. 200 Siehe Kripke, Naming, etwa S. 38; Wilkerson, Natural kinds, S. 70. Kripke selbst betont, dass mögliche Welten nur Stipulationen sind (S. 44). Statt also gar nicht mehr von möglichen Welten zu sprechen, könnte man – was dasselbe bedeutet – festlegen, dass nur solche möglichen Welten relevant seien, die sich von unserer Welt in den Aspekten unterscheiden, von denen unten gleich die Rede ist.

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und psychologische Bestände wie Frieden und Krieg, Kleinkriminalität und Terrorismus, Sicherheit und Angst, Wohlstand und Krise. Diese empirischen Bestände sind selbst in unserer tatsächlichen Welt kontingent, so dass wir bloß diesen schwächeren Sinn von Kontingenz brauchen, der den Zugriff auf die Figur der möglichen Welten weitgehend vermeidet, um sinnvoll von einer Empirie zu sprechen, von der sich unsere Theorie freihalten muss. Es gäbe also nach diesem zweiten Lösungsweg eine naturwissenschaftliche, gegebenenfalls nichtkontingente Empirie und eine soziale, auf jeden Fall kontingente Empirie.201 Von sozialer Empirie müssten unsere Begründungen möglichst frei bleiben, wenn sie nicht dazu verurteilt werden wollen, der Kontingenz anheim zu fallen, und nur in diesem schwächeren Sinne müsste unsere Theorie apriorisch sein, damit sie erkenntnistheoretische Notwendigkeit beanspruchen könnte. Selbstverständlich hätte dieser Weg mit Schwierigkeiten zu kämpfen, insbesondere mit der Frage, ob die neueingeführte Dichotomie naturwissenschaftlich – ggf. – notwendig, auf der einen Seite sozial-kontingent, auf der anderen Seite überhaupt haltbar ist. Trotzdem erscheint dies ein gangbarer Weg, zumindest für die Zwecke unserer alltäglichen und auch unserer rechts- und moralwissenschaftlichen Diskussion. Denn in den meisten Fällen dürfte es durchaus klar sein, in welchem Sinne etwa eine konsequentialistische Begründung, die eine Handlung nur deshalb für richtig erklärt, weil sie bestimmte gute Folgen hervorruft, kontingenter ist, als eine deontologische Begründung, die eine Handlung für an sich richtig erklärt. d) aa) Der letzte Einwand, der nicht unbeantwortet bleiben kann, ist ein sehr naheliegender. Man hört überall, dass die heutige Gesellschaft in besonderem Maße pluralistisch sei. Unter Pluralismus ist die Tatsache zu verstehen, dass es innerhalb einer einzigen Gesellschaft unterschiedliche Gruppen gibt, die unterschiedlicher Moralauffassungen sind.202 Wie lässt sich aber der hier vertretene Durchbruch der Moralität in das Recht mit dem Pluralismus vereinbaren? bb) Ein näheres Reflektieren über die Herausforderung des Pluralismus zeugt aber nicht nur davon, dass sie keine ist, sondern zudem davon, dass sie ein zusätzliches Argument zugunsten der hier vertretenen Auffassung liefert. Wenn man unter Pluralismus die Tatsache versteht, dass es in einer Gesellschaft unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Moralvorstellungen gibt, dann kön-

201 Die Ähnlichkeit zur Unterscheidung Searles, Construction, S. 27 ff. zwischen rohen und institutionellen Tatsachen ist unübersehbar, dennoch soll offen gelassen werden, wie das genauere Verhältnis zwischen dem hier Skizzierten und den Gedanken Searles zu charakterisieren wäre. Im Ergebnis ähnlich Wilkerson, Natural kinds, S. 79, der keine Beispiele für natural kinds im sozialwissenschaftlichen Bereich ausfindig machen kann. 202 Zu den vielfachen Problemen, die der Pluralismus einer liberalen politischen Philosophie stellt, ausführlich und mit vielen Nachw. Deveaux, Cultural Pluralism, passim.

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nen wir in unserem Kontext zumindest drei Sorten des Pluralismus unterscheiden, je nachdem, an wen sich diese Moralvorstellungen richten. Sie können sich zunächst einmal auf Individuen beziehen: Diesen Tatbestand bezeichnen wir als individualbezogenen Pluralismus. Sie können aber auch das Handeln des Staates zum Gegenstand haben: Nennen wir diesen Sachverhalt den staatsbezogenen Pluralismus. Innerhalb der ersten Form des Pluralismus ist noch eine Unterscheidung am Platze: Der individualbezogene Pluralismus kann sich entweder auf die Mitglieder der eigenen sozialen Gruppe beziehen oder er kann seine Geltungsansprüche auch gegenüber Fremden erheben. Nennen wir diese Varianten den gruppenimmanenten individualbezogenen Pluralismus, um ihn so vom gruppentranszendenten individualbezogenen Pluralismus zu unterscheiden. cc) Was die erste Form des Pluralismus angeht, nämlich den gruppenimmanenten individualbezogenen Pluralismus, ist es selbstverständlich, dass er nur in einer Theorie wie der hier vertretenen – also in einer Theorie, die das Recht für individualamoralistisch erklärt – genügend Beachtung finden kann. Jede soziale Gruppe hat das Recht, für sich darüber eigenständig zu entscheiden, was ein gelungenes Leben bedeutet und nach welchen Regeln interner Achtung ihre Mitglieder untereinander handeln sollen. Selbst allgemein für abwegig geltende Lebensformen wie die von Junkies können nicht mit bloß moralischen Argumenten Gegenstand rechtlichen Zwangs werden. Nur eine Theorie, welche die individuellen Vorstellungen über ein gutes Leben zu einer Sache erklärt, bezüglich derer der Staat kein Wort mitzureden hat, nur eine Theorie, die dem Staat jede Legitimität zum Einsatz von Zwang im Bereich der Individualmoral abspricht, nimmt die berechtigten Dimensionen des gruppenimmanenten individualbezogenen Pluralismus ernst. Erst dann, wenn diese Vorstellungen eines geglückten Lebens auch konsequentialistisch nicht mehr einwandfrei sind – etwa weil man glaubt, es bestehe die Pflicht, alter Sitte entsprechend kleinen Mädchen die Klitoris abzuschneiden oder die eigenen zehnjährigen Töchter zu entjungfern – erst dann darf der Staat in die Innenverhältnisse der Gruppe eingreifen.203 dd) Beziehen sich die individualbezogenen Moralvorstellungen nicht mehr auf die Mitglieder der eigenen sozialen Gruppe, sondern auch auf einige Fremde oder sogar auf alle Menschen, dann ist es das Recht dieser der Gruppe nicht zugehörigen anderen, dass sie taub für die Forderung des gruppentranszendenten individualbezogenen Pluralismus bleiben. Der Muslim kann bedauern, dass es so viele Ungläubige auf der Welt gibt – Trost sollte er vom Staat nicht erwarten, denn die Ungläubigen haben das Recht, katholisch, lutherisch, jüdisch oder atheistisch zu sein. Die Prüden können sich darüber empören, dass Frauen heutzutage nicht mehr bis zur Ehe abwarten, bis sie mit ihrem Sexualleben anfangen. Der Staat ist aber nicht befugt, von Frauen die Konformität mit 203

Das bedeutet freilich nicht, es bestehe eine Interventionspflicht.

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dem Verhaltenskodex der Prüden zu verlangen: Daher rührt die Verfehltheit der viel kritisierten Kuppelei-Entscheidung des BGH.204 Und Feministinnen können Pornographie205 und das Macho-Dasein über alles verabscheuen: Dies allein ist kein Grund, Männer daran zu hindern, Pornographie zu konsumieren und sich weiterhin wie Machos zu verhalten. ee) Diese Erwägungen gelten entsprechend für den staatsbezogenen Pluralismus. Die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft können unterschiedlicher Vorstellungen über richtiges Staatshandeln sein. Sie können etwa der Ansicht sein, dass der Staat die Arbeiter nicht hinreichend schütze, oder sie können ihm umgekehrt die Knebelung der produktiven Kräfte durch allzu viele arbeitsrechtliche Vorschriften vorwerfen. Derartige Ansichten darf jede Gruppe durch Beteiligung am demokratischen System öffentlich durchzusetzen versuchen. Beziehen sich aber die unterschiedlichen Ansichten auf Unverfügbares – ist etwa eine Gruppe radikaler Feministinnen der Ansicht, der Staat bringe nur dann seine Ernstnahme von Frauen hinreichend zum Ausdruck, wenn er jeden, der eine Sexualstraftat begeht, lebenslang in Sicherungsverwahrung nimmt206 – dann sind es die Rechte der Andersdenkenden – in unserem Beispiel, dieses ein Mensch bleibenden Sexualstraftäters – welche diese staatsbezogenen Moralvorstellungen für unbeachtlich erklären. Keine konsistente Theorie darf den Pluralismus uneingeschränkt für beachtlich erklären. Sobald sich die Vorstellungen des Guten und Richtigen nicht nur auf diejenigen, welche diese Vorstellungen teilen, sondern auch auf Fremde beziehen, entsteht eine Spannung, die nur zu lösen ist, wenn man dem Staat aus moralischen Gründen die Einmischung in rein individualmoralische Angelegenheiten verbietet. Das ist die Botschaft der hier skizzierten Theorie.

III. Der Mensch als Zweck an sich selbst 1. a) „. . . der Mensch kann nie bloß als Mittel zu den Absichten eines anderen gehandhabt und unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt werden, wowider ihn seine angeborne Persönlichkeit schützt . . .“ 207. Mit diesen bekannten Worten lehnte Kant jegliche präventive Orientierung der Strafe ab, Worte, die seitdem gegen präventive Straftheorien angeführt werden, sei es im Allge204

BGHSt 6, 46 (56). Repräsentativ für diesen neuen politically-correctness-Kreuzzug gegen Pornographie MacKinnon, Feminist Theory, S. 195 ff.; in Deutschland A. Schwarzer und die weiteren in dem von ihr herausgegebenen Sammelband „PorNO“ (1994) veröffentlichenden Autoren. 206 Natürlich nicht so weitgehend, aber sich durchaus in diese Richtung bewegend BT-Drucks. 15/105, S. 45 (über die Diskriminierung von Frauen). 207 Kant, Metaphysik der Sitten, A 196/B 226. 205

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meinen, wie bei den Vertretern absoluter Strafkonzeptionen,208 sei es zur spezifischen Kritik an der Straftheorie Feuerbachs. Schon Zeitgenossen wie Henke erhoben gegen Feuerbach den Einwand, dieses Prinzip zu missachten.209 Und heute meint Ernst-Amadeus Wolff, Feuerbach möge zwar den Schwerpunkt seiner Theorie bei der Strafandrohung setzen, immerhin werde „der Täter . . . am Ende doch als Mittel verwendet. Angedroht wird ihm nicht eine Antwort auf seine Tat, sondern ihm wird angedroht, als Mittel für andere verwendet zu werden“.210 Hassemers Fazit klingt noch härter: „Die Theorie des psychologischen Zwangs ist technokratisch und stößt deshalb im Strafrecht auf größte Bedenken. Der einzelne Straftäter wird Demonstrationsobjekt im Interesse des Wohlverhaltens anderer“.211 Ironischerweise spielte selbst Feuerbach diesen Einwand gegen andere Theorien aus. Die von ihm sog. „Abschreckungstheorien“, die den Zweck der Strafzufügung in der allgemeinen Abschreckung sehen, behandeln den Bestraften seines Erachtens nicht als Selbstzweck.212 Seine Theorie selbst solle dieses Problem nicht haben, denn für sie sei die Abschreckung Zweck der Strafandrohung, nicht jedoch der -zufügung.213 Diese Strafzufügung ziele nur darauf, die Wirklichkeit der Androhung zu bestätigen, nicht aber darauf, andere unmittelbar 208 Zu Feuerbachs Zeiten noch der spätere Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 115; hundert Jahre später v. Bar, Geschichte, S. 318: „Jede Anerkennung eines relativen Zweckes der Strafe involvirt nothwendig den Satz, dass der Verbrecher im gewissen Umfange der discretionären Disposition der Gesellschaft anheimgefallen sei“; Nagler, Die Strafe, S. 577; in der Nachkriegszeit H. Mayer, Kant, Hegel, S. 64 ff., 74; heutzutage Naucke, Vergeltungsstrafrecht, S. 100; ders., Generalprävention, insb. S. 14; ders., KritV 82 (1999), S. 338; Köhler, Strafrechtsbegründung, S. 37; ders., Rechtsverhältnis, S. 12; ders., AT, S. 42, 45; Zackzyk, ARSP-Beiheft 74 (2000), S. 105; ders., Inselbeispiel, S. 77; ders., Gerechtigkeit, S. 217 Fn. 42; in Portugal Correia, Direito Penal I, S. 49; im angelsächsischen Raum Armstrong, Mind 70 (1961), S. 484; Burgh, Journal of Philosophy 79 (1982), S. 195; Duff, Punishment, Expression and Penance, S. 237; J. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), S. 219. Vertreter anderer präventiver Theorien bedienen sich ebenfalls des Einwands, etwa Feijoo Sánchez, Retribución, S. 101, 105; Kindhäuser, Rechtsgüterschutz, S. 31; Schreiber, ZStW 94 (1982), S. 283. Auch einige Abolitionisten – zu der hier zugrundegelegten Bedeutung des Begriffs siehe unten D. I. 3. (S. 211) – nehmen den Einwand auf, ohne sich der Vergeltungstheorie anzuschließen: insb. Bustos, Teoría de la pena, S. 97 f.; S. Carvalho, Pena e garantias, S. 128; Christie, Contemporary Crises 10 (1986), S. 99; Hess, KrimJ-Beiheft 6 (1997), S. 39; Mathiesen, Gefängnislogik, S. 88 ff.; Scheerer, Abolitionismus, S. 295; Zaffaroni, RBCC 28 (1999), S. 61; Zaffaroni/Alagia/Slokar, Derecho Penal, § 20 V 2, 4. 209 Henke, Strafrechtstheorien, S. 42, S. 61. 210 E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), S. 798. 211 Hassemer, Einführung2, S. 309; ähnlich ders., Positive Generalprävention, S. 34. 212 Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 210; ders., Revision I, S. 48, 90 f.; so auch der Feuerbach-Anhänger Stürzer, Rücksichten, S. 14. Zur Klärung: „Abschreckungstheorie“ bedeutet für Feuerbach Zufügungsabschreckungstheorie; dazu bereits oben S. 45. Seine Theorie ist demgegenüber eine Androhungsabschreckungstheorie. 213 Einverstanden Hepp, Darstellung1, S. 89 f.

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abzuschrecken. Selbst wenn es angesichts der Tatsache, dass Strafe eben doch dazu diene, den Ernst der Androhung zu bestätigen, unklar erscheinen dürfte, ob man dem Einwand tatsächlich entkommt, ging Feuerbach nach kurzer Zeit zu einer Formulierung über, die nicht einmal versuchte, als Ausweg verstanden zu werden: In seinem Lehrbuch gab Feuerbach zu, dass „der mittelbare Zweck (Endzweck) der Zufügung ebenfalls bloße Abschreckung der Bürger durch das Gesetz“ sei.214 Eine Untersuchung über die Straftheorie Feuerbachs, die wesentliche Aspekte dieser Theorie noch heute für gültig erklärt, wird sich deshalb früher oder später mit dem Einwand, dass sie den Menschen instrumentalisiere, konfrontiert sehen. Aus diesem Grunde erscheint es empfehlenswert, die Konfrontation nicht länger zu verschieben, sondern schon vor der Reflexion über die Straftheorie sich der rechtsmoralischen Grundlagen zu vergewissern. b) Die erwähnte Formel teilt das Schicksal ähnlich häufig wiederholter Gedanken: Sie erscheinen einerseits unentbehrlich, andererseits aber auch sehr unklar. So urteilte Oersted schon 1818, dass die Formel, dass kein Mensch bloß als Mittel gebraucht werden dürfe, „bei aller wahren Bedeutung, deren sie fähig ist – doch mehr Dunkel als Licht über die Sittenlehre und Rechtswissenschaft verbreitet hat“.215 Uns wird es insbesondere darum gehen, dem Satz einen greifbaren Gehalt zu geben, ihn seiner schillernden Aura zu entkleiden – ihn zu präzisieren und dadurch gleichzeitig zu entmystifizieren. Einige werden das sicherlich als Verlust und Verarmung empfinden. Die Herausforderung aber, der wir uns stellen, ist es, eine Bestimmung des Satzes vorzuschlagen, die sogar den Unzufriedenen zumindest in dem Sinne besser stellt, als er damit in einer günstigeren Lage ist, über den Grund seiner Unzufriedenheit zu urteilen. Dort, wo Präzision nicht bloß zur Vorgehensweise, sondern auch zum Ziel erklärt wird, erscheinen einige Worte zur Terminologie nicht deplaziert. Der jetzt zu untersuchende Gedanke wird in der heutigen Moralphilosophie unterschiedlich benannt: Man spricht vom Persönlichkeits-216 oder Menschlichkeitsprinzip,217 vom Gebot der Achtung für Personen,218 von der Selbstzweck-219 Lehrbuch14, § 16. Oersted, Grundregeln, S. 41. Diese Unklarheit wird heutzutage gerügt von Duff, Punishment, Communication, Community, S. 13; Honderich, Punishment, S. 60; Herzberg, Art. 1 Abs. 1 GG, S. 121 („unbrauchbar“). Honderichs Versuch, den Satz zu präzisieren dadurch, dass er einen Verweis auf andere Straftheorien darstelle (Punishment, S. 60 f.), hat den Nachteil, ihn jeden Inhalts zu berauben. Noch weiter geht Walker, Modern Retributivism, S. 75 f., für den der Satz nichts anderes als die Vergeltungstheorie selbst bedeute, so dass er als zirkelschlüssig abgewiesen werden sollte. 216 Singer, Generalization, S. 233 ff. 217 Atwell, Kant’s Moral Thought, S. 104. 218 So die im englischsprachigen Raum sehr verbreitete Wendung, siehe etwa den von Green herausgegebenen Sammelband „Respect for Persons“, passim; und Donagan, Theory of Morality, S. 65 f. 214 215

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oder Menschheitsformel220 und vom Instrumentalisierungsverbot.221 Aus naheliegenden Gründen, die im Laufe des Abschnittes noch deutlicher darzustellen sind, wird hier die Bezeichnung Instrumentalisierungsverbot bevorzugt. aa) Der Satz, dass man den Menschen nie als bloßes Mittel, sondern immer als Zweck an sich selbst ansehen soll, stammt aus der Philosophie Kants.222 Kants Worte in der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ können noch einmal wiederholt werden: „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“.223 Nach Kant ist dieses Verbot, den Menschen zum bloßen Mittel herabzuwürdigen, nicht mehr als eine alternative Formulierung des Verallgemeinerungsprinzips, mit diesem daher inhaltsgleich.224 Und beide seien nichts anders als der Kategorische Imperativ (mit großem „K“), also das allgemeine Vernunftprinzip, woraus alle anderen konkreteren kategorischen Imperative (mit kleinem „k“) abzuleiten seien.225 Zur Überprüfung der moralischen Zulässigkeit einer bestimmten Handlung könne man deshalb sowohl nach ihrer Verallgemeinerbarkeit, als auch nach ihrer Verträglichkeit mit dem Gedanken, dass der Mensch ein Selbstzweck ist, fragen. Und bei der Erörterung der Strafe kommt Kant bekannterweise zu dem Ergebnis, dass eine präventive Orientierung genau wegen Verstoßes gegen diese zweite Formulierung des Kategorischen Imperativs unzulässig sei. Uns geht es hier nicht um Kant-Exegese, sondern um die Leistungsfähigkeit des Instrumentalisierungsverbots für das Recht, insbesondere für das Strafrecht. Deshalb werden weder die Formel der Verallgemeinerbarkeit noch ihr Verhältnis zum Instrumentalisierungsverbot oder die Rolle dieses Verbotes innerhalb der Moralphilosophie Kants weiter untersucht. Im Übrigen gibt es zu diesen Themen schon viele Untersuchungen,226 was man vom Instrumentalisierungsverbot nicht behaupten kann, so dass hier ein besonderer Klärungsbedarf besteht.227 219 Z. B. Christoph Horn, Objektiver Zweck, S. 195 ff.; Ricken, Homo noumenon, S. 234 ff. 220 Langthaler, System der Zwecke, S. 157 ff. 221 So etwa Neumann, ARSP 84 (1998), S. 159 ff.; Schmidtchen, Prävention und Menschenwürde, S. 244 ff., 264 ff. 222 Zu geschichtlichen Vorgängern siehe Hruschka, JZ 1990, S. 1 ff. 223 Kant, Grundlegung, BA 66 f. 224 Kant, Grundlegung, BA 79: „im Grunde nur so viele Formeln eben desselben Gesetzes“. 225 Diese unterschiedliche Schreibweise hat sich in der modernen Kant-Forschung eingebürgt, siehe z. B. Hill Jr., Kantian Normative Ethics, S. 482. 226 Zur Verallgemeinbarkeitsformel bei Kant siehe etwa Aul, Neue Hefte für Philosophie 22 (1983), S. 62 ff.; Brandt, Ethical Theory, S. 27 ff.; Dietrichson, Kant-Studien 55 (1964), S. 143 ff.; Hill Jr., Kantian Normative Ethics, S. 481 ff.; Hoerster, Kants kategorischer Imperativ, S. 456 ff.; Korsgaard, Kingdom of Ends, S. 77 ff.; Wimmer, Kant-Studien 73 (1982), S. 303 ff.; Pogge, The Categorical Imperative,

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bb) In der heutigen Rechtswissenschaft hat sich das Instrumentalisierungsverbot von seinem Entstehungskontext weitgehend verselbständigt. Keiner fühlt sich verpflichtet, sich als Kantianer zu bekennen, weil er die Karte des Instrumentalisierungsverbots ausspielt (ein zusätzlicher Grund, hier keine Kant-Exegese zu betreiben). Sogar die Verfassungsrechtsprechung erkennt das Prinzip ausdrücklich an: So soll es zum Kern der grundgesetzlich garantierten Menschenwürde gehören, dass der Mensch nicht als Mittel behandelt werde (sog. Objekt-Formel).228 Es verwundert also nicht, dass das Instrumentalisierungsverbot nicht nur bei der Diskussion um Straftheorien, sondern auch in anderen Kontexten, wie z. B. bei neueren Fragen der Biomedizin, eine wichtige Rolle spielt.229 Was aber doch zu verwundern vermag, ist die Tatsache, dass man aus einem Satz so viel herausholt, ohne sich zuvor seines Inhaltes und seiner Leistungsfähigkeit vergewissert zu haben. c) Unsere konkrete Frage lautet deshalb: Was bedeutet der Satz, dass man den Menschen niemals bloß als Mittel, sondern immer als Zweck an sich selbst behandeln soll? Der Gedankengang soll sich in vier Schritten entfalten. Zunächst soll gefragt werden, ob man nicht schon auf die Idee als solche verzichten könnte, was mit überwiegend intuitiven Argumenten zu verneinen sein wird (unten 2). In einem zweiten Schritt werden diese Intuitionen zu einer rechtsund moralphilosophischen These ausformuliert und in den Begründungszusammenhang der im vorigen Abschnitt skizzierten politischen Philosophie eingeordnet (unten 3). An dritter Stelle wird dann versucht, den Inhalt des Satzes zu präzisieren, wobei gleichzeitig Feuerbachs Straftheorie an diesen näher bestimmten Anforderungen zu messen ist (unten 4). An letzter Stelle werden wir uns schließlich mit den nahe liegenden Einwänden beschäftigen (unten 5).

S. 172 ff.; zum Verhältnis von Verallgemeinbarkeitsgebot und Instrumentalisierungsverbot siehe Donagan, Theory of Morality, S. 65; Hill Jr., End in Itself, S. 45 f.; ders., Kantian Normative Ethics, S. 489 f. (mit gutem Überblick zum Diskussionsstand); Wimmer, Kant-Studien 73 (1982), S. 293; Schnoor, Kategorischer Imperativ, S. 49 ff., 81 f.; M. G. Singer, Generalization, S. 235; Pogge, The Categorical Imperative, S. 172, 182 ff.; zum Instrumentalisierungsverbot innerhalb der Moralphilosophie Kants Fleischer, Archiv f. Geschichte der Philosophie 46 (1964), S. 216 ff.; Hill Jr., End in Itself, S. 38 ff.; ders., Kantian Normative Ethics, S. 489 ff.; Korsgaard, Kingdom of Ends, S. 114 ff.; Langthaler, System der Zwecke, S. 157 ff.; Maatsch, Selbstverfügung, S. 189 ff.; Pogge, The Categorical Imperative, S. 180 ff.; Ricken, Homo noumenon, S. 235 ff.; Löhrer, Menschliche Würde, S. 269 ff.; Hruschka, ARSP 88 (2002), S. 477 f.; C. Horn, Objektiver Zweck, S. 197 ff. 227 So auch M. G. Singer, Generalization, S. 237. 228 Etwa BVerfGE 9, 89 (95); 27, 1 (6); 45, 187 (228); 50, 166 (175); 72, 105 (116); grundlegend war hier Dürig, AöR 81 (1956), S. 127 ff. 229 Dazu kritisch Neumann, ARSP 84 (1998), S. 155 ff., m. w. Nachw.; Hilgendorf, Jahrbuch für Recht und Ethik 7 (1999), S. 137 ff.

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2. Man nähert sich dem Gehalt des Instrumentalisierungsverbots am besten, wenn man sich die Frage stellt, wie denn die Diskussion aussehen würde, falls es diesen argumentativen Topos nicht gäbe. Es ist in der Tat versucht worden, ohne den Satz auszukommen, entweder indem man ihn einfach unbeachtet ließ und sich zu Positionen bekannte, die nicht mit ihm verträglich sind, oder indem man ihn explizit bestritt und ihn für floskelhaft und bloß sentimental erklärte. Beispiele für diese zweite Einstellung gibt es in der Strafrechtsgeschichte zur Genüge; hier sollen nur einige der anschaulichsten, nämlich Binding, Klee und Holmes, erwähnt werden. Binding behauptete: „Das Strafrecht ist ein staatliches Zwangsrecht, dem der Delinquent lediglich als leidendes Objekt, nicht als irgendwie berechtigte Gegenpartei gegenübersteht“.230 Auch Klee bestritt unverblümt, dass dem Individuum ein Eigenwert zukomme: „Dass das Individuum nicht Selbstzweck ist, Existenzberechtigung nur hat, insofern es die Gattung fördert, und dass die schönste, heiligste Frucht seines Leidens die Entwicklung und Entfaltung der Gattung ist, dies ist ein schon fast trivialer Gedanke“.231 Und nach dem amerikanischen Justice Oliver Wendell Holmes sei es eine Selbstverständlichkeit, dass man durch die Bestrafung eines Menschen diesen zu den Zwecken des Gemeinwohls aufopfere. Dies tue man übrigens in anderem Zusammenhang auch, etwa im Kriege oder bei Enteignungen, und daran liege eben nichts Falsches: „No society has ever admitted that it could never sacrifice individual welfare to ist own existence“.232 Auf den Einwand, dies behandle den Menschen, als sei er eine Sache, erwidert Holmes: „If a man lives in society, he is liable to find himself so treated“.233 Und im selben Geist äußert sich heutzutage Jakobs: Das Strafrecht gebrauche den einzelnen tatsächlich als Mittel zum Zweck der Normverdeutlichung,234 wobei es unklar bleibt, ob dies bloß deskriptiv oder schon affirmativ-legitimierend verstanden werden soll.235 Verlockend erscheint die Vorstellung, auf das Instrumentalisierungsverbot zu verzichten, insbesondere aus zwei Gründen. Erstens sind mit der Handhabung dieses Satzes zahlreiche Schwierigkeiten verknüpft, insbesondere bei der Bestimmung seines genauen Gehaltes, seines Geltungsgrundes und seiner Folgen – wobei, wie bemerkt, eine solche Bestimmung bisher kaum unternommen wurde, obwohl man sich auf den Satz ständig beruft. Zweitens versprechen sich diejenigen, die auf den Satz verzichten, eine geschärfte Nüchternheit bei der Auf230

Binding, Normen I, S. 174; ähnlich ders., Handbuch, S. 236. Klee, Vorsatz, S. 56. 232 Holmes, The Common Law, S. 43 (dort auch die beiden Beispiele). 233 Holmes, The Common Law, S. 44. 234 Jakobs, AT § 20 Rn. 1. 235 Zu dieser Frage s. Greco, GA 2006, S. 103 f., m. w. Nachw. und der Betonung, dass man nicht darüber diskutieren sollte, denn es obliegt in erster Linie dem Verfasser selbst, seine Gedanken unmissverständlich auszudrücken. 231

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deckung der tatsächlichen Aufopferungen des einzelnen zugunsten des Allgemeinwohls. Denn solange man ein absolutes Instrumentalisierungsverbot vertritt, wird man im Angesicht tatsächlicher Instrumentalisierungen, die man aber billigen will, gezwungen, die Tatsachen zu verfälschen, um die vorhandene Instrumentalisierung dadurch zu verdecken. Diejenigen, die auf das Instrumentalisierungsverbot verzichten wollen, sind häufig gerade die, die aus prinzipiellen Gründen am wenigstens geneigt wären, Auswege wie die Behauptung, dass man den Bestraften gar nicht instrumentalisiere, da er der Bestrafung als homo noumenon zustimme,236 in sie durch die Straftatbegehung konkludent einwillige237 oder als Vernünftiger die Bestrafung als sein Recht verlange238, zu akzeptieren. Wie wir sehen werden, droht eine bis heute stattfindende inflationäre Handhabung des Instrumentalisierungsverbots, es zu entwerten und manipulierbar zu machen,239 so dass der Vorschlag, darauf zu verzichten und die weitere Arbeit nur durch Rückgriff auf andere Erwägungen vorzunehmen, in der Tat einiges für sich hat. Dieser leichtere Weg erscheint trotzdem schon intuitiv nicht empfehlenswert. Denn er verträgt sich schwer mit der Vorstellung, dass Menschen gegenüber dem Staat doch eine Sonderstellung beanspruchen dürfen. Es ist nicht ersichtlich, wie man ohne ein Instrumentalisierungsverbot diese Intuition argumentativ operationalisieren könnte. Was wäre an seine Stelle zu setzen? Vielleicht der Gedanke, dass der Mensch doch sehr wichtig sei und einen sehr hohen Wert innehabe. Dies aber reicht nicht aus, denn solange es andere sehr wichtige und hochwertige Dinge gibt, wie etwa das Wohl der Wirtschaft oder die innere Sicherheit, könnte man den Wert des Menschen gelegentlich für unbeachtlich erklären, und sobald man jeden einzelnen Menschen als Träger dieses Werts erkennt, könnte die dann per definitionem mehrwertige Mehrheit der per definitionem minderwertigen Minderheit die Kosten einer gebotenen Wertmaximierung aufbürden. Wird aber, um diese kontraintuitiven Ergebnisse zu vermeiden, jedem einzelnen ein absoluter Wert beigemessen, dann ist man wieder beim Instrumentalisierungsverbot, nur unter einer vielleicht abweichenden Bezeichnung. Ein zusätzlicher intuitiver Beleg für diese Unverzichtbarkeit des Instrumentalisierungsverbots sind die bedenklichen Schlussfolgerungen, zu denen die vier erwähnten Autoren in Bezug auf viele Einzelfragen kommen. Nicht zufällig 236

Kant, Metaphysik der Sitten, A 202 f./B 232. Feuerbach, siehe die ausführlichen Nachw. oben B. I. 1. (S. 46 f.). 238 Hegel, Grundlinien, § 100. 239 Die krassesten Fälle sind wohl die Laserdrome-Entscheidung des EuGH und des BVerwG (EuGH NVwZ 2004, 1471; BVerwGE 115, 189), und das Peep-Show Urteil BVerwGE 64, 274 (278 ff.) – insoweit zu Recht kritisch Hoerster, JuS 1983, S. 94 ff. (dessen Nonkognitivismus, wie oben II. [S. 144 ff.] gesehen, weit über das Ziel hinaus schießt). 237

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sprach Binding den oben zitierten Satz aus als Bestandteil seiner Begründung rückwirkender Strafgesetze.240 Ähnlich bestritt Klee den Selbstzweckcharakter des Menschen im Kontext seiner Begründung des berüchtigen Satzes „error iuris nocet“,241 und einige Jahrzehnte später zögerte er nicht, die Todesstrafe nur um des Sicherungszwecks willens auch dort zu fordern, wo das Verbrechen ohne größte Schuld begangen wird.242 Holmes, um beim Strafrecht zu bleiben, hat keine Probleme damit, die Wissenskomponente des Vorsatzes vollständig zu entsubjektivieren und anhand einer objektiv nachträglichen Prognose auf Grundlage eines „man of common understanding“ zu bestimmen.243 Dass kein Täter, der um die Gefährlichkeit seiner Tat nicht wusste, sich als Vorsatztäter ansehen wird, hindert Holmes nicht daran, für die Beweiserleichterung einzutreten – mit diesem naheliegenden Einwand befasst er sich selbstverständlich nicht. Und bei Jakobs ist die Funktion des Strafrechts nichts anderes als die Gewährleistung der sog. normativen Identität der Gesellschaft, m. a. W. der Geltung der Normen, die in einer bestimmten Gesellschaft prägend sind.244 Diese Normen sind auf zweierlei Weise zu schützen: dadurch, dass die Normgeltung „auf Kosten eines Zuständigen“245 entweder durch eine bürgerstrafrechtliche Strafe kommunikativ wiederhergestellt oder durch feindstrafrechtliche Sicherungen kognitiv untermauert werde. Wenn der einzelne sogar schon im sog. Bürgerstrafrecht instrumentalisiert werde, gebe es keinen Grund, ihn nicht im Feindstrafrecht ebenfalls zu instrumentalisieren.246 Die Tatsache, dass er nur hier wie eine „Unperson“247 oder ein „wildes Tier“248 behandelt werde, ist allein der Kontingenz zu verdanken, dass dies dort nicht erforderlich erscheint. Das vermeintliche Recht des Feindes, nur nach Erforderlichkeitsanforderungen behandelt zu werden,249 ist wahrlich keins. Denn dass ein Mensch nur nach Maximen der Erforderlichkeit für andere behandelt wird, scheint genau dasjenige zu sein, was sich mit seiner Ernstnahme als eigenständigem Menschen nicht verträgt.250

240

Binding, Normen I, S. 173 ff. Klee, Vorsatz, S. 40 ff. 242 Klee, ASRP 28 (1934/1935), S. 496. Vielleicht erscheint es unfair, diesen wesentlich späteren Aufsatz hier heranzuziehen. Die Kontinuitäten in Klees Werk sind aber so deutlich, dass dies nicht unangebracht ist. 243 Holmes, The Common Law, S. 55. Die Nähe zu Jakobs’ Konzept der Tatsachenblindheit [etwa Jakobs ZStW 101 (1989), 528 ff.; ders., ZStW 107 (1995), S. 861 ff.; ders., ZStW 114 (2002), 584 ff.] ist unverkennbar. 244 Insb. Jakobs, ZStW 107 (1995), S. 843. 245 Jakobs, AT2 § 1/3. 246 So schon Greco, GA 2006, S. 105 f. 247 Jakobs, Selbstverständnis, S. 53. 248 Jakobs, Staatliche Strafe, S. 41. 249 Jakobs, Selbstverständnis, S. 51. 250 Greco, GA 2006, S. 106. 241

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Das Instrumentalisierungsverbot scheint man aufgrund all dessen nicht so leicht entbehren zu können. 3. Und damit sind wir schon an der Schwelle zum zweiten Schritt unserer Argumentation, der nicht mehr grundlegende Intuitionen artikuliert, sondern sie zu einer rechtsphilosophischen These auszubauen und eine Begründung für sie zu liefern versucht. Was die Begründung anbelangt, können wir es uns leicht machen und auf die im letzten Abschnitt entwickelten Gedanken zum Legitimationstitel des Staates zurückgreifen. Ein Staat, der seine Macht im Namen eines jeden Menschen und nicht im Namen Gottes oder der Tradition oder einer überlegenen Rasse auszuüben vorgibt, muss den Menschen als solchen achten, und das bedeutet, ihn keineswegs zu einer bloßen Sache herabzuwürdigen. Die Behandlung eines Menschen als Sache, seine Instrumentalisierung also, exkludiert ihn aus dem Kreis derjenigen, in deren Namen die Staatsmacht ausgeübt wird, so dass der Staat ihm gegenüber mit dem Legitimitätsanspruch einer Räuberbande antritt. Das Instrumentalisierungsverbot ist gerade deshalb unverzichtbar, weil es den Gedanken, dass der Staat im Umgang mit Menschen jene immer noch als Menschen zu behandeln hat, und dass es Dinge gibt, die der Staat in keinem Falle befugt ist, Menschen anzutun, auf den Punkt bringt. Das Instrumentalisierungsverbot ist also für jede menschenbezogene deontologische Staatstheorie grundlegend.251 Seine Begründung ist deshalb dieselbe, die im letzten Abschnitt für die hier skizzierte deontologische Staatstheorie angeboten wurde. 4. Dem lässt sich auch – womit wir bei unserem dritten, schwierigsten Schritt angelangt sind – das Kriterium entnehmen, das uns bei der Präzisierung des genauen Gehalts des Instrumentalisierungsverbots leiten soll. Verboten ist dem Staate alles, was einen Menschen zur Sache erklärt. Was aber erklärt den Menschen zur Sache? Wann wird ein Mensch nicht mehr gebührend behandelt? Den Gehalt dieses vielen Argumentationen immanenten Gedankens gilt es jetzt näher auszuarbeiten. Hilfreich erscheint es zunächst wieder, auf die Praxis der Bezugnahme auf das Instrumentalisierungsverbot zurückzugreifen, um auf diese Weise den Gehalt des Gedankens greifbarer zu machen. Es scheinen sich insbesondere zwei extreme Wege anzubieten, die wir mangels einer passenderen Bezeichnung den idealistischen und den empiristischen nennen wollen und die trotz ihrer letztendlichen Unhaltbarkeit wertvolle Anregungen für die Entwicklung einer vermittelnden Lehre liefern werden. Diese wird für sich beanspruchen, der sich zwischen den Extremen bewegenden herrschenden Meinung ihre Struktur in theoretisch ausgearbeiteter Form zurückzugeben.

251 Menschenbezogen, weil andere deontologische Staatstheorien denkbar sind, die nicht menschen-, sondern etwa gott- oder gemeinschaftsbezogen sind und die als grundlegende Regel etwa ein Verbot der Gottesverleugnung oder der Gemeinschaftsauflösung beinhalten würden.

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a) Verboten ist also alles, was einen Menschen in dem Sinne instrumentalisiert, dass er nicht mehr als Mensch, sondern nur als Sache behandelt wird. Der idealistische Weg, dieser Aussage einen Sinn zu verleihen, greift auf den Gedanken des vernünftigen Menschen, des Kant’schen homo noumenon, oder auf verwandte Figuren zurück. Dies entsprach der Ansicht Kants252 und zeigt sich klar in seiner berühmten Erwiderung auf Beccarias Angriff gegen die Todesstrafe, wonach man nach dem Gesellschaftsvertrag nicht in die eigene Tötung habe einwilligen können: Dazu sagt Kant, als Vernünftiger (homo noumenon) habe man wohl in die Tötung des empirischen verbrecherischen Menschen (homo phaenomenon) eingewilligt.253 Die Tatsache, dass kein Verbrecher sich für diese Ansicht aussprechen würde, beweist nur, dass der empirische Mensch, der nicht maßgeblich ist, auch die Anforderungen der Vernunft ignorieren und in diesem Sinne sich selbst zur Sache herabwürdigen kann.254 Und wenn Hegel meint, die Bestrafung sei ein Recht des Verbrechers, etwas also, was von seinem Willen gerade gefordert wird, um den Selbstwiderspruch, in den sich der Verbrecher verwickelt habe, zu anullieren,255 setzt er selbstverständlich nicht den Willen des empirischen Menschen voraus, sondern einen vernünftigen Willen, einen Willen, der nur das Richtige wollen kann. aa) Der Vorteil der idealistischen Auffassung des Instrumentalisierungsverbots ist, dass sie auf keine änderbaren Tatsachen der empirisch-sozialen Welt Bezug nimmt, so dass sie in diesem Sinne apriorisch ist und zu nicht-kontingenten Ergebnissen kommt. Wie gesehen kann man aber nur so die unbedingte, d.h. kategorische, ausnahmslose Geltung bestimmter Verbote, wie etwa des Folterverbots, einsichtig machen, denn jeder Hinweis auf Tatsachen der empirischsozialen Welt macht die Verbote so kontingent, wie es auch diese Tatsachen 252 So auch die Mehrheit der Kant-Interpreten, mit weiteren Belegen, etwa Ricken, Homo noumenon, S. 237, 240 f.; C. Horn, Objektiver Zweck, S. 205 f.; Schnoor, Kategorischer Imperativ, S. 51, 58; ausdifferenzierter, aber im selben Sinne Hill Jr., End in Itself, S. 40 f.; wohl auch Korsgaard, Kingdom of Ends, S. 114; unter den Strafrechtlern Mir Puig, Función de la pena, S. 35; Schünemann, Aporien der Straftheorie, S. 336; Seelmann, Kontraktualistische Straftheorien, S. 309. 253 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 457, A 202 f./B 232. 254 Dass der empirische Mensch Kant nicht viel bedeutet, legt folgende Stelle glasklar dar: „Der Mensch im System der Natur (homo phaenomenon, animal rationale) ist ein Wesen von geringer Bedeutung und hat mit den übrigen Thieren, als Erzeugnissen des Bodens, einen gemeinen Werth (Preis)“ (Metaphysik der Sitten, A 93); siehe dazu ausführlich Hruschka, ARSP 88 (2002), S. 464 ff.; Prauss, Kant, S. 141 nennt diese Auffassung „skandalös“. Im Weiteren erläutert Kant den Unterschied zwischen seiner Formulierung und der scheinbar ähnlichen Goldenen Regel (etwa „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu“) mit der Klärung, dass es nicht einmal auf den empirischen Willen des Handelnden ankomme, da sich sonst der Verbrecher gegen seinen strafenden Richter würde moralisch beschweren dürfen (Kant, Grundlegung, BA 69, Fn.). 255 Hegel, Grundlinien, § 100.

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sind.256 Der empirische Wille des Menschen ist eine empirische Tatsache. In die eigene Folterung kann man aus den verschiedensten Gründen einwilligen, etwa weil man ein Sadomasochist ist, der Freude daran findet, von einem staatlichen Henker gepeinigt zu werden, oder weil man ein religiöser Fanatiker ist, der physische Leiden als Reinigung und Sühne betrachtet – trotzdem gilt das Folterverbot unbedingt, so dass der insoweit entgegenstehende Wille des Betroffenen hier unbeachtlich bleiben muss.257 bb) Das Problem einer derartigen idealistischen Inhaltsbestimmung des Instrumentalisierungsverbots liegt dennoch auf der Hand: Man riskiert, des eigenständigen Gehalts des Verbotes gerade verlustig zu gehen. Denn wird der Mensch dann instrumentalisiert, wenn er wider seiner Vernunft behandelt wird, und wird Vernunft als richtige Vernunft, also als Vermögen, das Richtige zu erkennen und das Richtige zu wollen, bestimmt, dann muss man Kriterien zur Bestimmung dessen, was das Richtige ist, angeben können.258 Wird das Instru256

Siehe oben II. (S. 131 ff., 134, 156 f.). Eine andere Frage ist es natürlich, ob sich der Sadomasochist oder der Fanatiker von Privaten peinigen lassen darf – denn im horizontalen Verhältnis zwischen Bürgern gelten keine deontologischen Schranken, so dass man hier beim Vorliegen von Eigenverantwortlichkeit – woran es oft fehlen wird – prinzipiell von einer strafbarkeitsausschließenden Einwilligung auszugehen hat (jetzt auch bzgl. sadomasochistischer Körperverletzungen BGHSt 49, 166). Dagegen beruht die Einwilligungsschranke der „guten Sitten“ (§ 228 StGB) letztlich auf einer verfehlten Übertragung deontologischer Standards, die nur im Verhältnis zu dem Staat gelten sollten, auf zwischenbürgerliche Verhältnisse, was illegitim erscheint. Die in der Lehre überwiegend vertretenen Neuinterpretationen sind gerade deshalb liberal, weil sie diesen deontologischen Standpunkt des Gesetzes verlassen und ihn durch einen konsequentialistischen ersetzen (so am deutlichsten die Schweretheorie, etwa Hirsch LK11 § 228 Rn. 9 m. w. Nachw.). Die Frage ist aber, inwieweit diese Korrektur Sache der Lehre, und nicht allein des Gesetzgebers ist – so dass die radikale Ansicht, wonach die Vorschrift nicht zu retten und illegitim sei (etwa Paeffgen, NK2 § 228 Rn. 53, 55, der § 228 StGB; SternbergLieben, Einwilligung, S. 157 ff., 162, welche die Vorschrift für verfassungswidrig erklären, aber insb. mit dem Bestimmtheitsgebot argumentieren, was gerade nicht den Kern der Sache trifft), im Ergebnis durchaus einiges für sich hat. Ein verfassungsrechtliches Urteil erlaubt sich die vorliegende Untersuchung aber nicht, siehe unten D. I. 2. (S. 206 f.). 258 Deshalb meinen viele Autoren, die dem idealistischen Ansatz folgen, dass das Instrumentalisierungsverbot inhaltsleer und entbehrlich sei: M. G. Singer, Generalization, S. 235; R. P. Wolff, Autonomy of Reason, S. 176; Schnoor, Kategorischer Imperativ, S. 59 ff.; auf Grundlage des idealistischen Ansatzes anders aber Horn, Objektiver Zweck, S. 208, der eine unzulässige Instrumentalisierung bei einer „Unterminierung der rationalen Handlungsfähigkeit“ bzw. einer „Zuwiderhandlung gegen die Zwecksetzungsfähigkeit des Betreffenden“ erblickt; Pogge, The Categorical Imperative, S. 183, der sowohl in der Zerstörung der Bedingungen freier Entscheidungen (Täuschung und Zwang), als auch in der fehlenden Berücksichtigung des Status eines anderen als letzte Quelle von Werten (Gleichgültigkeit) eine Instrumentalisierung sieht; und Hill Jr., End in Itself, S. 50 f., der eine ausführliche Liste von Verboten und Geboten anbietet (anders neuerdings ders., Kantian Normative Ethics, S. 494, 498 ff. wo die kantischen Prinzipien nur als Diskussionsrahmen, und nicht mehr als bestimmte Richtlinien, verstanden werden). 257

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mentalisierungsverbot so präzisiert, dann weist es gegenüber anderen Formeln zur Bestimmung des Richtigen keinen eigenständigen Gehalt mehr auf. Es würde sonach in der normativen Argumentation keine eigene Begründungs-, sondern höchstens eine Verdeutlichungsrolle erfüllen. Etwa im Falle von Kants Verteidigung der Todesstrafe wäre das tragende Argument für ihre Zulässigkeit nicht, dass sie von der richtigen Vernunft, also vom Willen des homo noumenon, gefordert werde, sondern eher, dass sie dem Talionsprinzip entspreche,259 dass dieses dann dem Gedanken der Strafe als kategorischer Imperativ entspreche260 und dass dieser wiederum einer anderen Regel entspreche. Diese knappe Rekonstruktion des Argumentes verdeutlicht schon hinreichend, was hier verloren gehen kann, nämlich die tragende Prämisse der Begründung und die Eigenständigkeit des Hinweises auf das Instrumentalisierungsverbot. Man werde nicht instrumentalisiert, wenn man dem Talion gemäß bestraft wird, weil die Talionsstrafe ein kategorischer Imperativ sei. Warum ist die Talionsstrafe allerdings ein kategorischer Imperativ? Eine explizite Begründung für diesen tragenden Satz wird von Kant in der Tat nicht geliefert,261 wobei nicht zu verkennen ist, dass er doch als implizite Weiterentwicklung einiger grundlegender Prämissen seiner Moralphilosophie verstanden werden könnte.262 Die sich auf die Todesstrafe beziehende Argumentation Kants ist auch geeignet, das weitere, vielleicht noch gravierendere Problem des idealistischen Ansatzes zu verdeutlichen. Findet eine Instrumentalisierung nur dann statt, wenn gegen eine zuvor bestehende Regel verstoßen werde, beinhaltet der vernünftige Wille, nach dem Instrumentalisierungen zu identifizieren sind, nichts anders als die Ablehnung des Regelverstoßes bzw. das Einverstandensein mit der Regeleinhaltung, und braucht die Regel auch nicht immer klar in die Argumentation hineingebracht zu werden, da die pathetische Kraft des Instrumentalisierungsschlagworts schon hinreichend erscheint: Dann könnte man das Instrumentalisierungsverbot selbst im Angesicht aller nur denkbaren Grausamkeiten zu umgehen versuchen, indem man manipulativ behauptet, hier werde eben der vernünftige Wille des homo noumenon eingehalten.263 Die Todesstrafe bildet das 259

Kant, Metaphysik der Sitten, A 198/B 227. Kant, Metaphysik der Sitten, A 196/B 2276. 261 So über Generationen hinweg Grolman, Begründung, S. 219; Henke, Geschichte II, S. 363 (die wortgleich sagen, die Strafe gründe sich bei Kant „auf einen unerforschlichen kategorischen Imperativ“), S. 365 („leere Formeln“); Hepp, Darstellung I2, S. 72, 79; Binding, Grundriss8, S. 214; H. Mayer, Kant, Hegel, S. 73 f. 262 Insb. seiner rein deontologischen Staatslehre, wie wir oben B. II. (S. 86) gesehen haben. Für weitere Begründungsversuche Goldman, Law & Philosophy 1 (1982), S. 59 f.; Fletcher, ZStW 101 (1989), S. 810 (Prinzip der Gleichheit; so auch Bielefeldt, GA 1990, S. 118 f.); J. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), S. 228; Zackyk, Inselbeispiel, S. 77 ff. 263 Man siehe die Warnung bei J. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), S. 230. 260

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Paradebeispiel für ein solches argumentatives Vorgehen: Der vom nachkantischen Idealismus stark beeinflußte v. Bothmer behauptet 1808: „Indem er (der Täter) sein sinnliches Daseyn verlieret, erhält er sein übersinnliches zurück“.264 Selbst die Folter könnte man so zu legitimieren versuchen: Derjenige, der zur Rettung anderer Menschen, die von ihm einer Gefahr ausgesetzt wurden, gefoltert werde, werde nur so behandelt, wie es seinem vernünftigen Willen entspreche. Dagegen erscheint es angebracht, sich an die harten Worten Klugs zu erinnern: „Im übrigen muß man wohl gedankenlyrisch ganz besonders befähigt sein, um in der Enthauptung des Verbrechers seine Ehrung als Vernünftiges erkennen zu können“.265 cc) Zusammengefasst sind beide Schwächen des idealistischen Weges der Präzisierung des Instrumentalisierungsverbotes, nämlich seine Entleerung und seine Manipulierbarkeit, zwei Seiten ein und derselben Medaille. Denn versucht man, einen leeren Satz doch in die Argumentation einzubringen und daraus Folgerungen abzuleiten, handelt man notwendig manipulativ, da die Inhalte, aus denen die Folgerungen abgeleitet werden, doch irgendwoher stammen müssen. Ist der Satz aber eigentlich leer, dann hat man ihn verdeckt zuvor mit Inhalten auffüllen müssen, ohne über diesen Schritt die gebotene Rechenschaft zu geben. b) Als alternativer extremer Weg bietet sich ein entgegengesetzter empiristischer Ansatz an: Eine Instrumentalisierung findet nach diesem nicht erst dann statt, wenn der vernünftige Wille des homo noumenon missachtet wird, sondern ist schon dann gegeben, wenn der qualifikationslose Wille des homo phaenomenon, also des empirischen, reellen Menschen aus Fleisch und Blut, missachtet werde. Es gibt nicht nur Äußerungen, die sich wohl in die Richtung eines so verstandenen Instrumentalisierungsverbots weiterentwickeln ließen, sondern auch Autoren, die tatsächlich davon ausgehen, dass jede Missachtung des Willens eines Menschen diesen instrumentalisiere. Als Beispiel für die erste Position könnte man sich an Sätze Peter Nolls erinnern, der gegen die eben angesprochene Sicht und die ihr nahestehende Vergeltungstheorie anführte: „Die idealistische Theorie vermag gerade ihrem eigenen Anliegen, dass die Strafe die Würde der Person achtet, nicht gerecht zu werden: denn der Mensch, der wirkliche Mensch, rückt nicht einmal in ihr Blickfeld“.266 Soll aber der wirkliche, also der empirische Mensch soweit in das Blickfeld des Instrumentalisierungsverbots rücken, dass er für dessen Inhaltsbestimmung allein zuständig 264 v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 44 f. (Klammerzusatz von mir). Ähnlich auch Hegel, Grundlinien, § 100, in Auseinandersetzung mit Beccaria, und 150 Jahre später theologisch verbrämt Künneth, Todesstrafe I, S. 55; ders., Todesstrafe II, S. 163 (Todesstrafe als Anerkennung der Gottesebenbildlichkeit und Würde des Menschen). 265 Klug, Phänomenologische Aspekte, S. 223. Die übrigen straftheoretischen Gedanken Klugs sind dagegen zumindest mit Vorsicht zu genießen, dazu Teil D., Fn. 115. 266 Noll, Begründung der Strafe, S. 6.

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wird, dann würde die extreme Position entstehen, mit der wir uns jetzt befassen. Derjenige, der das Instrumentalisierungsverbot über längere Zeit und am eindeutigsten in diesem empirischen Sinne verstanden hat, war Schmidhäuser: Ihm zufolge müsse man erkennen, dass Strafe in der Tat „dem Bestraften gegenüber sinnlos“ sei und dass er instrumentalisiert werde.267 Diese Einsicht müsse uns aber als Mahnung dienen, Strafe äußerst vorsichtig und nur unter Wahrung der Gerechtigkeit anzuwenden.268 aa) Der besondere Vorteil der empiristischen Auffassung ist in der Tat dasjenige, was Noll angesprochen hat: Was die Menschen tatsächlich denken, wollen und fühlen, kann bei der Legitimierung von Eingriffen in die Freiheit dieser Menschen nicht völlig außer Betracht bleiben. Die Hinnahme des empirischen Menschen, wie er ist, ohne sich eines letztendlich doch manipulierbaren Idealbilds zu bedienen, macht die empiristische Auffassung besonders attraktiv. In der Tat werden viele Handlungen des Staates nicht zuletzt deshalb problematisch, weil die Betroffenen mit ihnen nicht einverstanden sind. bb) Der Vorteil wird aber teuer erkauft. Das Hauptproblem des empiristischen Verständnisses des Instrumentalisierungsverbots ist, dass dieses notwendig bei einem Trilemma landet, von dem kein einziger Zweig gangbar erscheint. Der erste Zweig des Trilemmas besteht darin, den rebellischen Willen für maßgeblich und deshalb jeden willensbeugenden Zwang für unzulässig zu erklären: eine anarchistische Position.269 Hält man den Zwang aber doch für gerechtfertigt, so ergeben sich zwei Alternativen, welche die beiden übrigen Zweige des Trilemmas darstellen: entweder man vertritt eine Verwirkungslehre, d.h. eine Begründung, warum das Instrumentalisierungsverbot trotz vorhandener Instrumentalisierung nicht eingreift; oder man relativiert das Verständnis des Instrumentalisierungsverbots als absoluter deontologischer Schranke hin zu einer konsequentialistischen prima-facie geltenden Faustregel. (1) Nimmt man den empirischen Willen des einzelnen Menschen ernst, indem man behauptet, niemand dürfe legitim zu etwas gezwungen werden, das gegen seinen Willen verstößt, dann hätte man nichts anderes als die Unzulässigkeit allen Zwangs behauptet. Weil der Staat aber in erster Linie eine Zwangsanstalt ist, wäre damit seine Illegitimität, also ein Anarchismus impliziert. In der Tat gibt es Autoren, wie Robert Paul Wolff, die von einem strengen Verständnis des Instrumentalisierungsverbots ausgehen und daraus die Illegitimität des Staates ableiten, da dieser gegen eine empirisch verstandene Autonomie des einzel267 Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 81, 84; ferner ders., Einführung, S. 55 f.; ders., Generalprävention, S. 456 f.; ders., EuS 12 (2001), S. 118. 268 Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 85 f.; ders., Generalprävention, S. 458. 269 Zur hier zugrundegelegten Definition des Anarchismus siehe oben Teil C., Fn. 78.

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nen verstoße.270 Mit dem Anarchismus werden wir uns erst an späterer Stelle – bei der Erörterung des Abolitionismus – näher beschäftigen, und selbst dort nur punktuell.271 Hier muss man sich mit dem Hinweis begnügen, dass selbst, wenn der Anarchismus richtig wäre, das aus anderen Gründen der Fall sein müsste. Denn allein der Widerspruch zu dem empirischen Willen einer Person kann unmöglich schon eine hinreichende Bedingung dafür sein, dass man dieser Person Unrecht tut und sie instrumentalisiert. Wenn man bedenkt, wie häufig man im Alltag nicht dasjenige tut, was andere gerade von uns wünschen, und wie sehr unsere Freiheit gerade darin besteht, „Nein“ sagen zu dürfen, leuchtet ein, dass das alleinige Abstellen auf den empirischen Willen eines jeden einzelnen verfehlt sein muss. Sobald der empirische Wille des einen mit dem eines anderen in Widerstreit gerät, wird es widersprüchlich, Übereinstimmung mit dem empirischen Willen der einzelnen für den alleinigen Maßstab der Richtigkeit einer Handlung zu erklären. Schon aus diesem Grunde können wir den ersten Zweig des Trilemmas zurückweisen. (2) Will man den Zwang, also die Instrumentalisierung, trotz Geltung des Instrumentalisierungsverbots doch für legitim erklären, dann bietet sich immerhin der Verwirkungsgedanke an. So hatte schon der Zeitgenosse Feuerbachs Aschenbrenner behauptet, daß die Menschenwürde des Verbrechers durch das Verbrechen verwirkt werden müsse, damit man ihn zum Wohle anderer gebrauchen könne.272 Im 19. Jahrhundert sprach Hepp in einer kritischen Auseinandersetzung mit Kants Instrumentalisierungsverbot davon, dass „das Verbot der Sachbehandlung . . . kein unbedingtes“ sei, sondern „nur bedingte Gültigkeit haben“ solle und vom Schuldspruch aufgehoben werde.273 Auch Dahm sprach im Rahmen seiner Theorie der Ehrenstrafe von einer Ächtung, deren Folge es sei, dass „der Verbrecher aufhört, ein ,Rechtssubjekt‘ zu sein“.274 Und heutzutage versucht etwa C. W. Morris aus der Vertragstheorie abzuleiten, dass nur derje270 Wolff, Anarchism, S. 18 f.; ähnlich Lester, Market-Anarchy, S. 67, der ein ausdrückliches Einverständnis der Bürger zur Legitimitätsbedingung des Staates erklärt. Kritisch zu Wolff McMahon, Philosophy & Public Affairs 16 (1987), S. 304 ff., der allerdings Wolffs Herausforderung nicht als Infragestellung der Legitimität, sondern der Autorität des Staates begreift. In der modernen politischen Philosophie unterscheidet man beide Begriffe insb. dadurch, dass man dem zweiten eine konkrete Bedeutung zuspricht: Autorität sei die Fähigkeit eines Subjekts, einen zusätzlichen moralischen Grund zur Befolgung seiner Vorschriften allein schon deshalb zu schaffen, weil die Vorschriften gerade von ihm erlassen werden (siehe Rinderle, Zweifel des Anarchisten, S. 15 ff., 340 ff., m. Nachw.). 271 Siehe unten D. I. 3. (S. 213 ff.). 272 Aschenbrenner, ArchCrimR Bd. IV St. II (1801), S. 89. 273 Hepp, Darstellung I2, S. 90. 274 Dahm, Gemeinschaft und Strafrecht, S. 9; ähnlich ders., ZStaaW 95 (1935), S. 286; Freisler, DJ 1935, S. 1251; Larenz, ZfdKP 2 (1935), S. 33, 36, 39 („Der Verräter aber zerstört sich selbst; er verneint radikal, was das Wesen seiner Persönlichkeit ausmacht“).

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nige, der den Willen hat, Forderungen der Gerechtigkeit nachzukommen, nach diesen Forderungen zu behandeln sei.275 Verbrecher verlören ihr „moral standing“: „Their status is analogous to exile; they are banished, not from a physical space but from a moral space“.276 Selbst Jakobs verzichtet nicht darauf, die mit seinem Feindstrafrecht verbundene Instrumentalisierung des Menschen auch mit einem Hinweis auf den Verwirkungsgedanken zu rechtfertigen: Die Exklusion des Feindes sei von diesem selbst bestimmt, da er keine Garantie dafür gebe, sich normgemäß verhalten zu wollen. Die Exklusion des Feindes sei Selbstexklusion.277 Wir werden sehen, wie der Verwirkungsgedanke immer wieder dazu gebraucht wird, einzelne besonders schwere Eingriffe des Staates zu legitimieren.278 Die moralische Eigenart des Verwirkungsgedankens ist es, dass er auf Handlungen desjenigen, der von der prinzipiell geltenden, schützenden Regel begünstigt ist, abstellt und nicht auf andere externe Belange. Werden bestimmte Handlungen vorgenommen – in unserem Falle: werden Straftaten begangen – dann geht eine Voraussetzung der Anwendbarkeit der schützenden Regel verloren, man ist nicht mehr dafür qualifiziert, als Begünstigter der einschlägigen Regel zu gelten. Der Verwirkungsgedanke formuliert also gleichzeitig eine Schuldzuweisung: Derjenige, der die nicht vorzunehmende Handlung doch vorgenommen hat, müsse sich damit abfinden, nicht mehr von der schützenden Regel erfasst zu sein, denn daran sei er selber schuld. Die Figur erscheint deshalb als ein Versuch, die Instrumentalisierung dem Instrumentalisierten gegenüber durch den Hinweis auf sein Vorverhalten zu legitimieren, und dies ist ihr zugute zu halten. Trotzdem lassen sich gegen den Verwirkungsgedanken zwei überzeugende Einwände vorbringen. Der erste, weniger entscheidende, ist konsequentialisti275 C. W. Morris, CanJPhil 21 (1991), S. 66. Auch Alan Goldman, Philosophy & Public Affairs 9 (1979), S. 44, 45; ders., Law & Philosophy 1 (1982), S. 67; ders., Deterrence Theory, S. 82 vertritt eine Verwirkungstheorie der Strafe, aber mit vielen Unterschieden: insb. werden nur einzelne Rechte, nicht aber die Subjektstellung verwirkt (Philosophy & Public Affairs 9 (1979), S. 45; Law & Philosophy 1 [1982], S. 68), so dass die Todesstrafe unzulässig bleibt (Law & Philosophy 1 [1982], S. 71 f.). Dazu kritisch Burgh, Journal of Philosophy 79 (1982), S. 198. 276 C. W. Morris, CanJPhil 21 (1991), S. 69. Deshalb verstößt man nicht gegen Rücksichten der Gerechtigkeit, wenn man diese Personen hinrichtet (S. 72). Übrigens wird das Argument, wonach der Mörder sein Recht auf Leben verwirke, von Vertretern der Todesstrafe häufig herangezogen, siehe Süsterhenn, Todesstrafe, S. 125 f.; Ermecke, Todesstrafe, S. 36 ff. („Der Mensch, der ein todeswürdiges Verbrechen begangen hat, begeht ,sozialen Selbstmord‘“, S. 55), im Anschluss an Pius XII; Kremnitzer, Revue Internationale de Droit Pénal 58 (1987), S. 479. 277 Jakobs ZStW 117 (2005), S. 849; ders., HRRS 2006, S. 293; übereinstimmend Polaino-Orts, Derecho Penal del Enemigo, S. 97, 99 f., 102, 106: „Man ist Feind, weil man es sein will“. 278 Etwa die Todesstrafe, unten Teil C., Fn. 302 (Locke), und die lebenslängliche Freiheitsstrafe, unten S. 188 (Welzel).

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scher Art. Kann in der Tat das Instrumentalisierungsverbot durch bestimmte Vorhandlungen außer Kraft gesetzt werden, dann erklärt man es gerade dort für nicht einschlägig, wo man es am dringendsten benötigt. Denn derjenige, der sich regelkonform verhält, braucht am wenigsten zu befürchten, Opfer einer Instrumentalisierung durch den Staat zu werden. Dagegen ist es im Falle des Regelbrechers sehr naheliegend, dass man ihn zur Sache erniedrigen will – dass man ihn etwa foltert, um den Aufenthaltsort des von ihm entführten Kindes zu erfahren,279 oder dass man ihn für immer in Sicherungsverwahrung nimmt, um weitere Sexualstraftaten zu unterbinden.280 Gerade dort, wo es schmerzt, also wo man einem Menschen gegenüber am wenigsten Sympathie empfindet, muß man am dringendsten darauf bestehen, dass Menschen immer als Menschen und nicht bloß als Sachen zu behandeln sind.281 Das schlagende Argument gegen den Verwirkungsgedanken ist aber ein deontologisches: Er verträgt sich nicht mit der oben formulierten Legitimationsgrundlage der staatlichen Machtausübung. Erkennt der Staat eine Verwirkungsidee an, auf die er sich berufen darf, um Menschen zu instrumentalisieren, dann erklärt er bestimmte Menschen für exkludiert, nämlich solche, in deren Namen der Staat nicht mehr handelt, und alle übrigen Menschen für nur bedingt inkludiert, nämlich diejenigen, in deren Namen der Staat nur solange handelt, wie sie sich richtig verhalten. Der Verwirkungsgedanke verträgt sich mit anderen Worten nicht damit, dass der Staat nur dann die Menschen als Menschen ernst nimmt, wenn er sie bedingungslos als Menschen anerkennt. Ernstnahme nur für den Fall des angemessenen Verhaltens bedeutet den prinzipiellen Verzicht darauf, im Namen aller von der Machtausübung Betroffenen zu sprechen, bedeutet eine Teilung der Menschen in solche, die der Ernstnahme würdig und solche, die es nicht sind.282 (3) Der dritte Zweig des Trilemmas würde entgegen der ersten Lösung Zwang für legitim erklären und entgegen der zweiten auf Bedingungen der Qualifikation zum Begünstigten des Instrumentalisierungsverbotes verzichten. Vielmehr würde eingeräumt, der Mensch müsse sich in einigen Situationen trotz Instrumentalisierung diese gefallen lassen, wenn hinreichende Gründe gegen die An279 So der vom LG Frankfurt NJW 2005, 692 entschiedene Fall Daschner. Zur Problematik mit vielen Nachw. Greco, GA 2007, S. 628 ff. 280 Vgl. oben Teil C., Fn. 206. 281 Ähnlich Bedau, Monist 52 (1968), S. 570. 282 Auch die Folter, insb. die sog. Rettungsfolter, versucht man häufig mit einem expliziten oder impliziten Bemühen des Verwirkungsgedankens zu legitimieren. Andernorts (Greco, GA 2007, S. 635 ff.) versuche ich, das hiesige Argument weiter zu entwickeln. Dort wird auf einen staatlichen Selbstwiderspruch hingewiesen, der darin besteht, dass man sich auf den Willen und die Verantwortung des zu Folternden beruft, um ihn einer Behandlung zu unterziehen, die Wille und Verantwortung für nichtig erklären. Ob ein ähnlicher Selbstwiderspruch in allen anderen Instrumentalisierungsfällen vorliegt, ist mir aber unklar.

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wendbarkeit des Instrumentalisierungsverbots in einer bestimmten Situation gegeben seien. Man würde also das Instrumentalisierungsverbot bloß zu einer prima facie geltenden konsequentialistischen Faustregel erklären, d.h. zu einer Regel, die nur so lange gilt, bis sich gewichtige Gegengründe finden lassen. Das scheint die Lösung Schmidhäusers darzustellen: Obwohl der Bestrafte einer aus seiner Sicht sinnlosen Instrumentalisierung unterzogen werde, erscheine dies aus Gründen der Generalprävention gerechtfertigt.283 Dass dies eigentlich eine Preisgabe des strikten deontologischen Instrumentalisierungsverbots darstellt, braucht man nicht ausführlich darzulegen. Der Unterschied dieser Position zu derjenigen, die auf das Instrumentalisierungsverbot überhaupt verzichtet, ist nur der, dass hier diesem Gedanken eine beschränkte, aber doch gegebene moralische Bedeutung beigemessen wird, nämlich die einer Prima-Facie-Erwägung. In der Regel dürfe niemand gezwungen werden, gegen seinen empirischen Willen etwas zu erdulden. Damit letzteres zulässig werde, müsse es Gründe dafür geben. Weil solche Gründe jedoch sehr oft geltend zu machen sind, wird das moralische Gewicht des Instrumentalisierungsverbots indes praktisch verschwindend erscheinen. cc) Zusammengefasst kann man behaupten, dass sich die beiden extremen Ansätze zur Präzisierung des Instrumentalisierungsverbots als unzulänglich erweisen. Schlägt man den idealistischen Weg ein, indem man nur dasjenige, was dem vernünftigen Willen des Menschen widerstreitet, für unzulässig erklärt, dann wird die Formel mangels klarer Kriterien zur Bestimmung dieses vernünftigen Willens leer und manipulierbar. Wird aber der empiristische Weg eingeschlagen, indem man Instrumentalisierung als Widerspruch zum psychologischen Willen des einzelnen bestimmt, dann ist entweder jeder legitime Zwang ausgeschlossen oder man endet bei einer Verwirkungslehre, die alle Menschen nur bedingt zu solchen erklärt, oder dabei, das moralische Gewicht des Instrumentalisierungsverbots so weit zu relativieren, dass es nunmehr federleicht wird. c) Damit lässt sich auch die zu lösende Aufgabe klarer formulieren: Es gilt, ein Verständnis des Verbots herauszuarbeiten, das alle hier angesprochenen Probleme vermeidet. Die zu verfolgende Strategie wird dabei sein, auf die im letzten Abschnitt formulierten Gedanken zum Legitimitätstitel des Staates zurückzugreifen und den Versuch zu unternehmen, sie weiterzuentwickeln. aa) Der Staat übt seine Macht im Namen der Bürger und nicht im Namen Gottes, der Tradition oder einer Klasse von Menschen aus. Daraus folgt, wie ich oben S. 128 ff. schon darzulegen versuchte, die Gebotenheit, deontologische Schranken im staatlichen Umgang mit Menschen anzuerkennen. Das Instrumentalisierungsverbot stellt dabei die wichtigste derartige Schranke dar.

283 Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 58; ders., Generalprävention, S. 444 ff.; siehe ferner Teil C., Fn. 267.

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Es wäre aber illusorisch zu erwarten, man könne aus dem Instrumentalisierungsverbot fertige Anweisungen erhalten, die mit mathematischer Exaktheit aus dieser Formel gefolgert werden könnten.284 Vielmehr wird man einem komplexen Koordinationsverfahren folgen müssen, das vor allem fünf Richtlinien Rechnung tragen muss, wovon die ersten zwei die wichtigsten zu sein scheinen und die eigentliche Begründungsleistung erbringen, während die übrigen drei eher eine helfende und klärende Rolle spielen. Die erste Richtlinie bestimmt den Aspekt menschlicher Existenz, der von einer als Instrumentalisierung zu brandmarkenden Behandlung betroffen wird: Es muss um einen grundlegenden Aspekt menschlicher Existenz gehen, also um eine Eigenschaft, die alle Menschen qua Menschsein aufweisen sollen, und deren Fehlen als empfindlicher Mangel angesehen wird. Dazu gehören etwa das Leben, der Leib, die prinzipielle Fähigkeit der Fortbewegung, nicht aber das Besitzen von Haaren auf dem Kopf. Allein das Betroffensein eines grundlegenden Aspekts menschlicher Existenz erscheint noch nicht hinreichend, um schlechterdings intolerable Instrumentalisierungen griffig zu kennzeichnen. Das fragliche Handeln muss zudem mit der Anerkennung dieses grundlegenden Aspekts völlig unverträglich sein. Man könnte hier an eine Art open-question-Argument als Test denken:285 Die Frage, ob ein Staat, der einen bestimmten Aspekt menschlicher Existenz A anerkennt, eine Maßnahme a vornehmen könnte, darf keine offene Frage sein, sondern muss deutlich im negativen Sinne beantwortet werden können. Häufig müssen mehrere Handlungsumstände, die nicht mit dem Aspekt menschlicher Existenz, sondern mit der Art und Weise seiner Beeinträchtigung zu tun haben, subtil herausgearbeitet werden, um die Frage zu einer geschlossenen zu machen.286 Das waren die zwei inhaltlichen Erwägungen, die auch die Hauptlast der Begründung des Vorliegens einer bestimmten Instrumentalisierung zu tragen haben. Zudem können drei weitere Erwägungen zur Aufdeckung der konkreten Verbote hilfreich erscheinen:287 Zunächst die Ernstnahme moralischer Emotionen – insbesondere der moralischen Empörung – die bei der Kenntnis fragwür284

Siehe Pogge, The Categorical Imperative, S. 190. Zum Gebrauch von open-question-Argumenten klassisch G. E. Moore, Principia Ethica, Nr. 13. Es soll aber offen bleiben, ob der hiesige Gebrauch von open-questionArgumenten Moores Definitionen- und Analyzitätstheorien voraussetzt (dazu aus heutiger Sicht Soames, Philosophical Analysis I, S. 39 ff.); offen bleibt insb. auch, ob dieser Gebrauch die Behauptung impliziert, dass Sätze über einzelne verbotene Instrumentalisierungen analytische Sätze sind, die sich aus dem allgemeinen Instrumentalisierungsverbot ableiten ließen. 286 Das wird bei der Todesstrafe der Fall sein – eine solche hat man nur, wenn sich der Getötete im Gewahrsam des Staates befindet, s. unten S. 180. 287 Wobei sie im Interesse der Lesbarkeit des Textes nicht immer explizit herangezogen werden. 285

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diger Handlungen gleichgültig welcher Staaten regelmäßig entstehen;288 dann die Ernstnahme der Schriften und Gedanken der liberalen Tradition, die bezüglich einiger Fragen, wie etwa der Folter oder der Zulässigkeit von Leibesstrafen, eine verblüffende Übereinstimmung aufweisen;289 und letzlich die Ernstnahme der Verbote selbst, die man aufzustellen versucht: Diese treten mit einem auf ihrer Apriorizität beruhenden Anspruch auf Unbedingtheit und Ausnahmslosigkeit auf, so dass es nicht zu viele davon geben darf, sondern nur die, für die man buchstäblich bereit sein muss, eher zu sterben, als vom Staat zu verlangen, dass er sie missachtet.290 Mit anderen Worten, es muss um Verbote gehen, für die der in einem anderen Kontext ausgesprochene Satz Kants uneingeschränkt gilt, dass, wenn sie untergehen, es keinen Wert mehr habe, dass Menschen auf Erden leben.291 Zur Klärung: Mit dem eben Gesagten ist zugleich jeder konsequentialistischen Überlegung bei der Aufstellung der einschlägigen auf das Instrumentalisierungsverbot zurückführbaren Verbote eine Absage erteilt. Denn diese Verbote beanspruchen selbst dann Geltung, wenn ihre Beachtung konsequentialistisch betrachtet eine Katastrophe bedeutet. Ferner ist über den metaethischen Status des Instrumentalisierungsverbotes und seiner konkreten Ausformungen nichts gesagt worden. Ob ihr Geltungsgrund eine Konvention bzw. ein Werk unseres Willens, eine Konstruktion bzw. ein Werk unserer Vernunft oder eine Intuition bzw. eine objektive Tatsache der moralischen Realität ist, soll hier offen bleiben. bb) Es soll hier also versucht werden, durch Anwendung des gerade geschilderten Verfahrens zu einer in sich konsistenten und plausiblen Theorie des Gehaltes des Instrumentalisierungsverbots zu gelangen. Die jetzt zu gewinnenden Ergebnisse und die sie tragenden Argumente werden nur relativ grob skizziert. 288 Die Rolle der Empörung wird treffend von Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, S. 58, und Höffe, Globalisierung, S. 44 hervorgehoben, und findet selbstverständlich eine glatte Einbettung in metaethischen Ansätzen, welche die Rolle von Gefühlen und Emotionen im moralischen Denken hervorheben, etwa D’Arms/Jacobson, Sensibility Theory, S. 190 ff. 289 Zugegebenermaßen hilft dieses Kriterium gerade dort nicht sehr, wo die Probleme entweder umstritten waren (lebenslängliche Freiheitsstrafe) oder noch nicht allgemein diskutiert wurden (Vermögensstrafe). 290 Eindruckvolles Beispiel: das Folterverbot im Fall der sog. tickenden Bombe, siehe dazu Greco, GA 2007, S. 628 ff. 291 Kant, Metaphysik der Sitten, A 197/B 227; die Alternative ist diejenige Machiavellis, wonach „Dove si delibera al tutto della salute della patria, non vi debbe cadere alcuna considerazione né di giusto né d’ingiusto, né di piatoso né di crudele, né di laudabile né d’ignominioso; anzi, posposto ogni altro rispetto, seguire al tutto quel partito che le salvi la vita e mantenghile la libertà“ (Discorsi, Libro III, § 41). Die Tradition dieses Denkens gemäß der Staatsräson wird klassisch von Meinecke, Idee der Staatsräson, S. 52 (Machiavelli), 71 (Bodin – vgl. aber S. 73 f.) und passim nachgezeichnet.

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Sie sollen statt als etwas Definitives eher als Versuch betrachtet werden, in diesem schwierigen Bereich einige Schritte zu wagen, also als verbesserungsfähige Experimente, die mehr oder weniger geglückt sein können. Die Überlegungen sollen aber vor allem veranschaulichen, welche Aufgaben eine Theorie, die den Umgang mit Menschen unter deontologische Schranken stellt, vor sich sieht. Die Bewertung einiger Aspekte der Straftheorie von Feuerbach wird Hand in Hand mit der Ausformulierung des Gehalts des Instrumentalisierungsverbots gehen. (1) Der Mensch hat zunächst eine leibliche Existenz. Im Namen desjenigen, den man tötet, kann man schwerlich zu sprechen wagen. Aber das Töten an sich kann noch nicht absolut verboten sein. Intuitiv gibt es legitime Kriege und tödliche Notwehr von Amtsträgern.292 Befindet sich aber ein Bürger im Gewahrsam des Staates, dann bekommt jeder Eingriff in seinen Körper eine völlig andere Qualität.293 Die extreme Form dieses Eingriffs in den Leib einer im Gewahrsam befindlichen Person stellt die Todesstrafe dar: Sie bedeutet die ultimative Negation des Bürger- und Personenstatus des Betroffenen und stellt klar, dass der sie verhängende Staat nicht mehr im Namen des Betroffenen, sondern nur aller übrigen spricht. Daraus folgt eine erste auf das Instrumentalisierungsverbot zurückführbare Schranke: das Verbot der Todesstrafe.294 Die Todesstrafe 292 Zu dieser letzten umstrittenen Frage siehe Jahn, Staatsnotstand, S. 273 mit umfassenden Nachw. 293 Die mangelnde Berücksichtigung dieses für das Böse der Todesstrafe konstitutiven Moments des Gewahrsamsverhältnisses (Rogall, Justizmord?, S. 59, nähert sich ihm immerhin, wenn er von der „Wehrlosigkeit“ des Delinquenten spricht; ähnlich Reiman, Philosophy & Public Affairs 14 [1985], S. 140: „völlige Unterwerfung“) – das sich übrigens auch für die Folter, siehe unten S. 186, als relevant erweisen wird – führt dazu, dass man sie mit dem sog. finalen Todesschuss auf gleiche Ebene stellt (so etwa Thiele, DVBl 1979, 707 [„antizipierte Todesstrafe“]; ähnlich Jahn, Staatsnotstand, S. 333 ff.) oder mit Tötungen im Krieg. Nachweis der moralischen Relevanz des Gewahrsamsverhältnisses ist die Tatsache, dass selbst im Krieg vom Zeitpunkt an, in dem Gegner zu Kriegsgefangenen gemacht werden, man sie nicht mehr töten darf (siehe die Art. 3 I a des Genfer Abkommens zur Behandlung von Kriegsgefangenen, 1949). 294 Dass das Verbot der Todesstrafe auf der Menschenwürde oder, in hiesiger Terminologie, auf dem Instrumentalisierungsverbot fußt, betonen auch Batista, Introdução, S. 100; Bedau, Cruel and Unusual Punishment, S. 235 f.; Correia, Peine de mort, S. 29; Dobrowolski, Pena de morte, S. 193; Gracia Martin, Fundamentos, S. 228 Fn. 286; Gregori/Kahn, Velho debate, S. 103; Hensgen/Janning/Mansfeld, Todesstrafe, S. 294; Hohmann, Todesstrafe, S. 260; Keller, Todesstrafe, S. 272 f.; Müller-Meiningen Jr., Todesstrafe, S. 318 ff.; Mitra, Revue Internationale de Droit Pénal 58 (1987), S. 459; Polaino Navarrete, PG I5, S. 156; wohl auch Dreher, Todesstrafe, S. 83 ff. (trotz eines um einiges übertriebenen Relativismus); Rogall, Justizmord?, S. 59 (trotz fragwürdiger Heranziehung präventiver, und zudem positivgeneralpräventiver Überlegungen); Fragoso, Pena de morte, S. 99; Noll, Ethische Begründung, S. 20 („radikalste Desolidarisierung der Gemeinschaft gegenüber dem Verbrecher“); Eb. Schmidt, Strafzweck, S. 14 (der eine Todesstrafe verhängende Staat verliere seine sittliche Überlegenheit dem Verbrecher gegenüber). Die Vereinbarkeit mit der Menschenwürde wird

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ist nicht bloß deshalb zu kritisieren, weil sie angeblich nicht abschreckend wirke, wie man seit Beccaria immer wieder behauptet hat.295 Dagegen machte man wiederholt geltend, dass der Tod die abschreckendste Strafe sei – und so argumentierte auch Feuerbach.296 Die empirischen Wissenschaften kommen hier zu widersprüchlichen Ergebnissen,297 und dort, wo die empirische Lage unklar auch von Würtenberger, Humanität, S. 5 angezweifelt. Einen interessanten Beleg e contrario dafür liefern Schaffstein/Dahm, Liberales oder autoritäres Strafrecht?, S. 41: „In der Strafe offenbart sich symbolisch die Würde des Staates, die Todesstrafe macht eindringlich sichtbar, daß der einzelne dem Staate preisgegeben werden darf.“ Ähnlich Nagler, GS 103 (1933), S. XXV; E. Wolff, ZStW 54 (1935), S. 547 und bereits Binding, Grundriss8, S. XVII. Dagegen meint Lohmann, Todesstrafe, S. 27, eine der hier entwickelten ähnliche Argumentation setzte unzulässig metaphysische oder theologische Annahmen voraus. Zu diesem zu erwartenden Einwand unten S. 148 ff. Der Menschenwürdeverstoß liegt aber entgegen oberflächlicher Psychologisierungen nicht darin, dass der Betroffene viel leide (so aber Amnesty International, Die Todesstrafe, S. 16 f.) – sonst bestünde kein Hindernis gegen die Hinrichtung psychisch besonders zäher Delinquenten. 295 So etwa Amnesty International, Die Todesstrafe, S. 14 f.; Azevedo Marques, Sanção, S. 43 f.; Batista, Introdução, S. 100; Baumann, Todesstrafe, S. 90; Batochio, Pena de morte, S. 66; Bedau, Death Penalty Today, S. 37; Bicudo, Pena de morte, S. 31; Bockelmann, Todesstrafe, S. 141 ff. (auch mit einem zusätzlichen Beweislastargument, S. 144); Camus, Die Guillotine, etwa S. 174; Correia, Peine de mort, S. 27 ff.; Costa e Silva, Código II, S. 17 Fn. 6; Dobrowolski, Pena de morte, S. 182 ff.; Dreher, Todesstrafe, S. 90 ff.; Garcia Valdes, Pena capital, S. 29 ff.; Gerber, Notre Dame J. L. Ethics & Pub. Pol’y 18 (2004), S. 449 f.; Gregori/Kahn, Velho debate, S. 85 ff.; Hood, Todesstrafe, S. 447; Hungria, Pena de morte, S. 5; Keller, Todesstrafe, S. 87; Koestler, Rache, S. 47; Liepmann, Todesstrafe, S. 592 ff.; Lohmann, Todesstrafe, S. 30; Martis, Todesstrafe, S. 190 ff., 194; Maurach, Todesstrafe, S. 34 ff.; Mitra, Revue Internationale de Droit Pénal 58 (1987), S. 470; Nathanson, Philosophy & Public Affairs 14 (1985), S. 162; Nowakowski, Todesstrafe, S. 335 ff.; Radbruch, Zur Todesstrafe, S. 302 f.; ders., Ende der Todesstrafe, S. 339; Souza Bierrenbach, Pena de morte, S. 52; Stratenwerth, Todesstrafe, S. 42 ff.; Torga, Pena de morte, S. 42. Ähnlich Beyleveld, General Deterrence Research, S. 201: der Forschungsstand sei offen, erlaube aber keine Begründung der Todesstrafe durch Abschreckung; Conway, Philosophy and Public Affairs 3 (1974), S. 441 ff., mit dem Argument, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Todesstrafe abschreckend wirke, zu gering sei, um dafür einen Preis in Menschenleben zu bezahlen; H.-J. Albrecht, Todesstrafe, S. 181 f., der vom Nicht-Vorhandensein eines Beweises ausgeht und die Beweislast dem tötenden Staate aufbürdet; und Black Jr., Crime & Delinquency 26 (1980), S. 446 f., der das Beweislastargument mit dem Argument der Willkür (siehe unten Teil C., Fn. 297 am Ende) kombiniert. 296 Feuerbach, BpRW Bd. II (1800), S. 253 ff., insb. S. 273 f.; ders., Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 168 ff.; ders., Lehrbuch14, § 155, Fn. 1; ebenso über 100 Jahre später Finger, Todesstrafe, S. 345 ff., 350; und heutzutage Harouel, Peine de mort, S. 373 f., aus französischer, Ming Xuan, Revue Internationale de Droit Pénal 58 (1987), S. 400 f., aus chinesischer, Hosni, ebda. S. 411, aus ägyptisch-islamischer Sicht. 297 Die Abschreckungswirkung der Todesstrafe wird von einigen Untersuchungen bestätigt, siehe Ehrlich, The American Economic Review 65 (1975), S. 398, 416; zusammenfassend Vanberg, Abschreckung, S. 38 ff., Köberer, MSchrKrim 65 (1982), S. 201 ff. m. w. Nachw.; gegen Ehrlich etwa Baldus/Cole, Yale Law Journal 85 (1975), S. 170 ff., wenn auch sehr vorsichtig, S. 185 f.; schärfer Bowers/Pierce, Yale Law Journal 85 (1975), 187 ff. (dazu noch Ehrlichs Replik, Yale Law Journal 85

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erscheint, behauptet sich entweder im optimalen Falle der gesunde common sense – dem hier leider die Vorstellung der Effizienz der Todesstrafe nicht abwegig erscheint, da wir fast alle aus eigener Erfahrung wissen, wie sehr wir den Tod fürchten und über alles versuchen, ihn zu vermeiden298 – oder im realistischeren Falle die Sicht der Macht, die nicht zuletzt deshalb mächtig ist, weil sie die Reichweite des empirisch Gegebenen durch ihre zahlreichen Wege, die Wissenschaft und den common sense zu beeinflussen, mitbestimmen kann.299 Wir (1975), S. 209 ff.); methodische Bedenken bei McGahey, Crime & Delinquency 26 (1980), S. 498 ff. und Beyleveld, BritJCriminol 22 (1982), S. 103 ff. Zu diesem Streit mit weiteren Nachw. Martis, Todesstrafe, S. 176 ff. Nach Ehrlich behaupteten derartige Wirkungen insb. Layson, Southern Economic Journal 52 (1985), S. 86 ff. und in jüngerer Zeit Cloninger/Marchesini, Applied Economics 33 (2001), S. 569 ff.; zu beiden kritisch aber Bedau, Death Penalty Today, S. 38. Zusammenfassende Auswertung der bis 1980 veröffentlichten Studien bei Beyleveld, General Deterrence Research, S. 171 ff., S. 201; Auswertung der zwischen 1979 und 1986 veröffentlichten Untersuchungen bei Zvekic/Kubo, Revue Internationale de Droit Pénal 58 (1987), S. 544 ff. Nach beiden Zusammenfassungen bleibe die Frage letztendlich offen. Dagegen kommt die 1997 veröffentlichte Zusammenfassung von Bailey/ Peterson, Capital Punishment, S. 155 zu dem Ergebnis, dass die Abschreckungswirkung der Todesstrafe nicht belegt und wahrscheinlich nicht gegeben sei. Andere häufig herangezogene empirische Argumente, die den willkürlichen bzw. diskriminierenden Charakter der Todesstrafe belegen wollen (ausführlich Black Jr., Capital Punishment, S. 22 ff., 46 ff., 101: „In any case, most people on death row are black, and almost all are poor. What is your explanation? And can you go on living with such a system?“; ders., Crime & Delinquency 26 (1980), S. 452, der ihn für unvermeidlich hält; Versuch eines empirischen Belegs bei Bowers/Pierce, Crime & Delinquency 26 (1980), S. 563 ff.; ferner Bagge, Todesstrafe, S. 65 ff.; Mitra, Revue Internationale de Droit Pénal 58 (1987), S. 457 ff.; Lohmann, Todesstrafe, S. 40, der diesen Befund als Angelpunkt seines kontraktualistischen Arguments gegen die Todesstrafe benutzen will; Martis, Todesstrafe, S. 257 f.; Nathanson, Philosophy & Public Affairs 14 [1985], S. 152 ff.; Reiman, Philosophy & Public Affairs 14 [1985], S. 133 Fn. 22; B. Stevenson, Race and Capital Punishment, S. 78 ff.; Bright, Death Sentence, S. 275 ff.; ders., Capital Punishment, S. 157 ff.), taugen nicht dazu, die Fragwürdigkeit nicht-diskriminierender Todesstrafen zu begründen (richtig van den Haag, Death Penalty, S. 206 f.; ders., Death Penalty Once More, S. 447; Pojman, Death Penalty II, S. 73). So hat auch der amerikanische Supreme Court in Gregg v. Georgia, (428 U. S. 153, 195 [1976]) entschieden – ohne freilich andere Argumente (u. a. das Würdeargument) der früheren Entscheidung Furman v. Georgia (408 U.S. 238, 280 ff. [1972]) gebührend zu berücksichtigen. 298 Insoweit haben die Befürworter der Todesstrafe Recht, siehe Dorfmüller, Todesstrafe, S. 14 f.; Süsterhenn, Todesstrafe, S. 131; Van den Haag, Death Penalty, S. 68 f.; ders., Death Penalty Once More, S. 450; Pojman, Death Penalty II, S. 58 ff.; und auch der Gegner Engisch, Todesstrafe, S. 34. Gegen dieses Argument aus dem common sense aber Keller, Todesstrafe, S. 82 ff.; Reiman, Philosophy & Public Affairs 14 [1985], S. 144 ff. Die Bedeutsamkeit des empirischen Arguments aus dem commonsense für die heutige Diskussion über die Todesstrafe in Amerika zeichnen Galliher/ Galliher, JCrimL&Criminology 92 (2001–2002), S. 316 ff., 332 f. nach. 299 Für ein aussagekräftiges, aber keineswegs einzigartiges Beispiel für den ersten Befund – nämlich im Nationalsozialismus die „wissenschaftlich“ festgestellten Zusammenhänge von Rasse und Kriminalität – ausführlich Streng, MSchrKrim 76 (1993),

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verabscheuen die Todesstrafe auch im Falle ihrer Effizienz, und das bedeutet, dass Effizienzüberlegungen gerade nicht den wesentlichen Punkt treffen. Tendenziell richtiger als dieses empirisch-konsequentialistische Argument ist das andere, immer wieder gering geschätzte Argument Beccarias, die Todesstrafe sei illegitim, weil man in die eigene Tötung nicht einwilligen könne – das Leben sei ein unverfügbares Recht –, so dass sie sich außerhalb der legitimen Befugnisse des Staates befinde.300 Die gängige Kritik an der Kategorie der unverfügbaren Rechte verkennt nicht nur ihre geschichtliche Bedeutung, sondern auch ihre eigentliche staatsphilosophische Relevanz, also gerade die Dimension, welche die Anwesenheit dieser Kategorie seit Locke in vielen Schriften liberaler Tradition leicht erklärlich macht:301 Gibt es keine unverfügbaren S. 145 ff. Zur Rolle von empirischen Erkenntnissen in der Straftheorie siehe unten II. 3. d), (S. 364, 365 ff.). 300 Beccaria, Delitti, § XXVIII (am Anfang); gegen dieses Argument aus unterschiedlichen Gründen schon die Zeitgenossen Wieland, Geist I, § 316 VII (das Recht der Todesstrafe entspringe nicht einem Vertrag, sondern dem Verteidigungsrecht); Kant, Metaphysik der Sitten, A 202 f./B 232 f.; Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 166 f.; Filangieri, Scienza, S. 191 ff. (Libro III, Capo XXIX f.); Hegel, Grundlinien, § 100, mit der interessanten Antwort, wonach der Staat kein Vertrag sei, der das Leben und Eigentum zu sichern habe, sondern „das Höhere, welches dieses Leben und Eigentum selbst auch in Anspruch nimmt und die Aufopferung desselben fordert“; Hepp, Darstellung II/12, S. 30; einige Generationen später Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 159; unter heutigen Autoren Ebbinghaus, Strafen, S. 36 ff., der Kant weitgehend zustimmt; Primoratz, Punishment, S. 160 ff.; Vormbaum, Einführung, S. 33; Naucke, Beccaria II, S. XXV f., der das Argument „eine im schlechten Sinne akademische Überlegung“ nennt, die „von politisch fahrlässiger Oberflächlichkeit“ sei! – in einer seiner früheren Studien, nämlich Naucke, Beccaria I, S. 22, wird dieses Argument nicht einmal erwähnt. Zustimmend dagegen der philosophische Außenseiter Schulz (sog. Zopfschulz), Sittenlehre IV, S. 294 ff.; der Dilettant Theod. v. Hippel, Beytrag, S. 20, der immerhin schon drei Seiten später die Todesstrafe für zulässig erklärt (S. 23, vor allem auch S. 94); im 20. Jahrhundert Keller, Todesstrafe, S. 119 f.; in Italien Cattaneo, Beccaria e Kant, S. 42 (mit einem zusätzlichen theologischen Argument: das von Gott geschenkte Leben stehe nur unter seiner Verfügungsgewalt); in Brasilien der Strafrechtler des 18. Jahrhunderts Joaquim Camargo, Direito Penal, S. 179 (mit einer sich thomistisch anhörenden Begründung, wonach der Mensch nicht das Recht habe, sein Leben aufzugeben und den vom Schöpfer vorgebenen Zweck zu vernachlässigen); heute Almeida Simões, Pena de morte, S. 61; Batochio, Pena de morte, S. 65. Zust. auch Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 169, und Lohmann, Todesstrafe, S. 38 f., die Beccarias Argument als eine Klugheitserwägung (unrichtig..?) verstehen. Jüngst versucht Ataner, Kant-Studien 97 (2006), S. 457 ff., 466 f. aus der der Kant’schen Ethik zu entnehmenden Unzulässigkeit des Suizids die Illegitimität der Todesstrafe abzuleiten, was zu einer Bejahung des Arguments Beccarias führt (476 f.). Ob die angeblich unbedingte Unzulässigkeit des Suizids so viel her gibt, ist dennoch aus mehreren Gründen zu bezweifeln. 301 Theorien unveräußerlicher Rechte im deutschen Naturrecht des späten 18. Jahrhunderts etwa bei Hufeland, Lehrsätze des Naturrechts2, § 148 ff.; noch heute anschlussfähig Gros, Naturrecht2, § 88, der von unveräußerlichen Rechten dort spricht, „wenn es die nothwendigen Eigenschaften eines berechtigten Subjects zum Grunde

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Rechte, dann kann nichts mehr den Hobbes’schen Leviathan fern halten, der alle Untertanen völlig unter seiner Willkür hält. Die Untertanen haben nämlich über alle Rechte, die sie im Naturzustand besaßen, verfügt.302 Das Problem der Argumentation Beccarias ist es vielmehr, dass sie nicht kühn genug ist, dass sie auf halbem Wege stehen bleibt: Nicht nur ist es unzulässig, über das eigene Leben zu verfügen, sondern man muss, um überhaupt einen Verfügungsakt vornehmen zu dürfen, zuvor als Person ernst genommen werden. Dieses ist kaum möglich, wenn das Leben, das zum Kern des Personseins gehört, nur unter der Bedingung, dass es nicht preisgegeben wird, anerkannt wird. M. a.W.: Ein Staat kann kaum im Namen einer Person sprechen wollen, wenn er sich bereit erklärt, gegen sie gegebenenfalls die Todesstrafe zu verhängen. Darauf weist die (buchstäbliche) Gretchenfrage hin: „Wer hat Dir, Henker, diese Macht über mich gegeben?“303 Ein göttlicher Titel reicht nicht aus, und vom Verurteilten ist dieser Titel eben nicht zu bekommen. Es ist deshalb keine offene Frage mehr, ob der, gegen den man eine Todesstrafe verhängt, als einer ernstgenommen wird, in dessen Namen man als Staat spricht. Obwohl das Zurückgreifen auf die Figur des Gesellschaftsvertrags bisher weitgehend vermieden wurde, ist ihre Nähe zu unseren Erwägungen zum Legitimitätstitel des Staates unverkennbar, so dass man sich jetzt kurz erlauben wird, sich der Terminologie dieser Lehre zu bedienen: Beccaria blieb auf halbem Wege stehen, weil er die Erlaubnis zur eigenen Tötung nicht als möglichen Inhalt des zustandegekommenen Sozialvertrags ansah, während wir dagegen meinen, dass diese Verfügung nicht mit der Fähigkeit des Bürgers, überhaupt Vertragspartei zu werden, kompatibel ist.

oder zum Gegenstande hat, so, dass die Aufhebung desselben die Möglichkeit alles Rechts für den Veräußernden und Uebertragenden aufhört“. Zur „neuartigen Durchschlagskraft“ von Menschenrechten, die als unveräußerlich konzipiert wurden, Klippel, Herrschaft der Aufklärung, S. 165, m. Nachw.; aufschlussreich auch Bedau, Monist 52 (1968), S. 556 ff. (am Beispiel des Rechts auf Leben bei Blackstone); zur Rolle unveräußerlicher Rechte in der politischen Philosophie der Aufklärung Cassirer, Philosophie der Aufklärung, S. 334 ff., zu der Problematik bei Rousseau insb. S. 353 ff. Nachw. zur Rolle der Theorie bei der Bekämpfung der Sklaverei bei Gay, Science of Freedom, S. 415. 302 So am klarsten Rousseau, Du Contrat Social, Livre II Chap. V: „Wenn der Prinz sagt, für den Staat ist es nützlich, dass du stirbst, dann soll er sterben“; „um kein Opfer eines Mörders zu werden, willigt man in das Sterben ein, falls man zu einem Mörder wird“. Im Wesentlichen gleich heute C. W. Morris, CanJPhil 21 (1991), S. 72 ff. (auch aus vertragstheoretischer Sicht, mit einer Ablehnung angeborener Rechte, S. 65 f., und ausdrücklichem Hinweis auf Rousseau und Hobbes, S. 63 Fn. 21). Locke, Two Treatises II, § 172, der von angeborenen unverfügbaren Rechten ausging, musste selbst eine Verwirkungslehre vertreten, um noch die Todesstrafe begründen zu können (zust. Filangieri, Scienza, S. 192 [Libro III, Capo XXIX]). Zu dem Gegensatz zwischen Beccaria und Rousseau in ihren vertragstheoretischen Argumenten Keller, Todesstrafe, S. 111 ff.; Lewandowski, Todesstrafe, S. 93 ff. 303 Goethe, Faust I, Zeile 4427 f.

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Feuerbachs Bejahung der Todesstrafe ist aufgrund all dessen nicht zu folgen. Möge er auch mit seiner Behauptung, der Tod sei die abschreckendste aller Strafen, Recht haben – eine Widerlegung des ersten Argumentes Beccarias ist ihm aber nicht gelungen. Diese versuchte er anhand einer reductio ad absurdum zu erzielen, wonach nach Beccarias Argument alle Strafen, und nicht nur die Todesstrafe, für illegitim erklärt werden müssten.304 Die oben entwickelte Argumentation erklärt hingegen genau, was die Todesstrafe von anderen, zulässigen Strafen abhebt, so dass Feuerbachs reductio ihren Biss verliert. (2) Der Mensch besitzt auch einen Körper, der nicht nur Schmerzen empfinden kann, sondern auch aus einzelnen funktional-gebundenen Teilen besteht, die alle für die Wahrnehmung der verschiedenen Aspekte des Lebens wichtig sind. Deshalb darf der Staat dem Menschen keinen wichtigen Teil seines Körpers völlig wegnehmen: Es gilt ein Verbot verstümmelnder Strafen. Selbst wenn Menschen, die keine Zunge, keine Hand oder kein Sexualorgan besitzen, immerhin Menschen bleiben, wird ihnen bei deren Entfernung die Fähigkeit, wichtige Aspekte des Lebens, wie das Sprechen, die Handhabung von Gegenständen oder die Sexualität wahrzunehmen, schlagartig genommen: Der Staat ist daher nicht befugt, wegen einer Straftat eine Zunge, eine Hand, ein Sexualorgan oder irgendeinen sonstigen wichtigen Körperteil des Bestraften wegzunehmen.305 (3) Der Mensch ist auch ein willensbegabtes Wesen. Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass der Wille eines jeden Menschen immer beachtet werden muss.306 Es bedeutet aber sehr wohl, dass man nicht von der Ernstnahme eines Menschen als Menschen sprechen kann, wenn man mit ihm so umgeht, dass 304

Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 166 ff. Wie löst man das Problem des Arztes im öffentlichen Krankenhaus, der sich bei einem Notfall vor die Wahl zwischen dem Tode und einer Beinamputation gestellt sieht? Gibt es darauf eine nicht konsequentialistische Antwort, die nicht dazu führt, unsere Körperteile doch zur Disposition des Staates zu stellen, solange dieser nur behauptet, unsere Interessen zu verfolgen? Auf diese Befürchtung könnte man doch erwidern, dass in diesem Falle der Staat nicht nur vorgibt, unsere Interessen zu verfolgen, sondern dies wirklich tue, denn es gebe eine Einwilligung oder mindestens eine mutmaßliche Einwilligung des Verletzten. Akzeptiert man diese Antwort, hat man aber zugegeben, dass man in die Verletzung einer kategorischen Schranke einwilligen darf, und dann ist selbst das schwächere, von Beccaria stammende Argument gegen die Todesstrafe nicht mehr gültig. Vielleicht ist es der richtige Ausweg, zu behaupten, der Arzt handele hier als Privatperson und nicht als Hoheitsträger (schwierig deshalb auch die vom KastrG geregelte Materie). Und was ist mit einer Leibesstrafe, die nicht eine Hand, sondern „nur“ den kleinen Finger amputiert, der kaum zu den grundlegenden Aspekten des Menschseins zählen dürfte (man kann sogar Präsident werden, ohne ihn zu haben, siehe Lula)? Ich sehe zwei argumentative Möglichkeiten, um dem Ergebnis der Zulässigkeit einer derartigen Strafe zu entkommen: Man könnte behaupten, sie verstoße tatsächlich nicht gegen die hier begründete deontologische Schranke und werde nur aus konsequentialistischen Gründen verworfen; oder (vielleicht besser), sie verstoße durchaus gegen eine deontologische Schranke, nur gegen eine andere, etwa die des Verbotes von Ehrenstrafen. 306 Dazu schon oben S. 173 ff. 305

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sein Wille zu einer völlig irrelevanten Größe herabschrumpft. Diese völlige Negierung des Willens ist dasjenige, was das Böse an der Folter charakterisiert, und deshalb lässt sich aus dem Instrumentalisierungsverbot auch ein Folterverbot entwickeln. Zum Begriff der Folter gehört entgegen gängiger Definitionen307 primär nicht die Zufügung körperlicher oder seelischer Schmerzen – diese sind Äußerlichkeiten, sonst wäre jedes rohere Umgehen mit Überempfindlichen schon Folter – sondern die bis in die Tiefe hineingreifende Negierung des Willens eines Menschen, der zur fügigen Körpermasse in den Händen eines anderen degradiert wird.308 Deshalb ist es für die Folter ähnlich wie für die Todesstrafe begrifflich notwendig, dass sich der Gefolterte im Gewahrsam des Folternden befindet: nur so kann die Machtausübung so vernichtend sein, dass es auf den Willen eines Menschen überhaupt nicht mehr ankommt.309 Aus demselben Grund besteht ein Verbot einer jeden körperlichen Züchtigung – wohlgemerkt, nicht aus Achtung vor dem Körper, sondern aus Achtung vor dem Willen des Menschen. Wird man schmerzhaft gepeinigt, dann ist es ab einem bestimmten Punkt unmöglich, etwas anderes zu wollen, als dass die Peinigung aufhöre. Dies verschafft dem Peiniger eine absolute Herrschaft über den Gepeinigten, dessen Wille sich nur auf die eine Sache richtet, die gerade nicht gewährt wird.310 Demnach unterscheiden sich Folter und körperliche Züchtigung, wenn überhaupt, nur in einer Nebensächlichkeit: Die erste wird in aller Regel um etwas Zukünftigem willen zugefügt, während sich letztere auf eine in der Vergangenheit liegende Tat bezieht. Die Folter erscheint uns vielleicht deshalb gravierender, weil sich dadurch, dass man Willensbeugung als Mittel zur Erreichung eines zukünftigen Zwecks einsetzt, die Instrumentalisierung noch offensichtlicher zeigt. Feuerbach, auf den die Abschaffung der Folter in Bayern zurückzuführen ist,311 hat die Nähe zur körperlichen Züchtigung nicht gesehen und letztere nicht problematisiert. Das lag auch in der Konsequenz seiner überwiegend zweckmäßigkeitsbezogenen Ablehnung der Folter,312 denn die Zwecke, die man 307 Vgl. die im Art. 1 Abs. I Satz 1 der UNO Anti-Folter Konvention geprägte und allgemein akzeptierte Definition, wonach Folter im Wesentlichen die absichtliche staatliche Zufügung erheblicher körperlicher oder seelischer Schmerzen sei. Ähnlich kritisch zu dem Abstellen auf Schmerzen Stobbe, Folter, S. 40; insofern ist die in Art. 2 der Inter-American Convention to Prevent and Punish Torture von 1985 befindliche Definition weitaus überlegen; dazu Bossuyt, Torture, S. 86 f. 308 Siehe vor allem Reemtsma „Wir sind alles für Dich“, S. 13; ferner Reiman, Philosophy & Public Affairs 14 (1985), S. 140; Parry Escalation and Necessity, S. 153; und Greco, GA 2007, S. 628 Fn. 2. 309 Das wird nur vereinzelt gesehen, richtig Joerden, Jahrbuch für Recht und Ethik 13 (2005), S. 517; Greco, GA 2007, S. 628 Fn. 2. 310 Ähnlich Reiman, Philosophy & Public Affairs 14 (1985), S. 141. 311 Feuerbach, Aufhebung der Folter, passim. 312 Feuerbach, Aufhebung der Folter, S. 241 ff.

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durch Folter verfolgt, sind andere als die, die man durch körperliche Züchtigung erreichen will. Hier liegen weitere verbessungsbedürftige Aspekte seiner Gedanken. (4) Die Tatsache, dass Menschen einen Rumpf und Beine haben, schafft ihnen zudem die Möglichkeit, sich fort zu bewegen, ihren Aufenthaltsort teilweise selbst zu bestimmen. Diese Möglichkeit ist selbstverständlich nicht unbegrenzt. Trotzdem gehört es zum Menschsein, dass man die Festlegung seines Aufenthaltsortes bis zu einem bestimmten Grade unter seiner Kontrolle hat. Deshalb darf kein anderer endgültig darüber entscheiden, wo jemand sein ganzes Leben verbringen wird. Daraus lässt sich unschwer entwickeln, dass Emigrationsverbote, wie es sie in der DDR zumindest faktisch, von Mauerschützen durchgesetzt, gab, unzulässig sind: die Menschen haben unter bestimmten Bedingungen das Recht, ihr Land zu verlassen, wenn ihre Verwirklichung als Mensch ihrer Ansicht nach nur woanders stattfinden kann. Zweitens, und für Deutschland praktisch viel wichtiger, lässt sich hieraus auch ein Verbot der lebenslangen Freiheitsstrafe begründen313 – ironischerweise anhand gerade der Argumente, die das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung, die ihre Verfassungsmäßigkeit bestätigte, aussprach. Denn das Bundesverfassungsgericht sagte zutreffend, dass „ein menschenwürdiger Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe nur dann sichergestellt ist, wenn der Verurteilte eine konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance hat, zu einem späteren Zeitpunkt die Freiheit wiedergewinnen zu können“.314 Den Weg bis zum Ende einzuschlagen und die lebenslange Freiheitsstrafe konsequent zu verwerfen, hat das Gericht aber nicht gewagt. Es hat es vielmehr bevorzugt, aus einer Sache 313 Im Ergebnis auch Arthur Kaufmann, JZ 1967, S. 558; ders., Jura 1986, S. 233; Grünwald, ZStW 80 (1968), S. 99 und wohl auch Schünemann, LK12, § 25/58, die mit dem Schuldprinzip argumentieren; Röhl, Lebenslange Freiheitsstrafe, S. 169, der aus der Sühnetheorie kommt; Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 42; Hassemer, JuS 1971, S. 631; Schmidhäuser, AT2 § 20/5. Freilich dürfte bei manchen Autoren der Schwerpunkt der Argumentation bei präventiven, also konsequentialistischen Überlegungen liegen, und nicht bei der deontologischen Schranke des Instrumentalisierungsverbots, siehe Arzt, ZStW 83 (1971), S. 3 ff., 24; Joachim Meier, „Lebenslänglich“, S. 119 ff., 125; H.-M. Weber, MSchrKrim 73 (1990), S. 79. Das auch vom BVerfGE 45, 187 (229) angesprochene Argument der Haftschäden trifft nicht das Wesentliche und führt wegen der Psychologisierung nicht nur dazu, auch die zeitige Freiheitsstrafe, sondern sogar Entlassungen von Beamten und sonstige unangenehme, traumatisierende staatliche Handlungen zu delegitimieren (zur empirischen Diskussion siehe etwa die Beiträge in Jescheck/Triffterer [Hrsg.], Lebenslange Freiheitsstrafe, S. 15 ff.). Völlig über das Ziel hinaus schießt H. M. Webers (Lebenslange Freiheitsstrafe, S. 275, 293, 294 ff., 318 f., 407 f.) dem strafrechtlichen Abolitionismus verpflichtete Kritik der lebenslangen Freiheitstrafe, wonach diese dazu diene, den Glauben an die Legitimität des Strafrechts zu internalisieren (ähnlich Quensel, MschrKrim 73 [1990], S. 343). Zur Diskussion des Abolitionismus siehe unten D. I. 3. (S. 207 ff.). Vgl. auch die kritischen Beiträge in dem von H. M. Weber und Scheerer herausgegebenen Sammelband „Leben ohne Lebenslänglich“. 314 BVerfGE 45, 187 (245).

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des Rechts eine Sache der Gnade zu machen, den Bestraften nur unter spezifischen, vom Staat näher zu bestimmenden Bedingungen in seinem Recht, nicht für immer exkludiert zu werden, anzuerkennen. Die Argumentation des Gerichts ist auch insofern aufschlussreich, als sie den Unterschied betont zwischen einem Ansatz, der kategorische Rechtspositionen der Bürger als Schranken jeder möglichen Zweckverfolgung konstruiert, und einem, der sie als zu verfolgende Zwecke neben anderen Zwecken auffasst. Für den ersten Ansatz ist das Einräumen, man habe den Menschen instrumentalisiert und in einem grundlegenden Aspekt seines Menschseins völlig ignoriert, das Ende der Diskussion. Unerheblich ist es dann, ob nicht auf der „anderen Seite“ wichtige Belange stehen, (nicht zuletzt deshalb, weil die Vorstellung, es gebe eine „andere Seite“, zu diesem Ansatz eigentlich nicht passt). Dagegen ist ein Ansatz, der die Wahrung der Menschlichkeit der Bürger bloß zu einem Zweck – also zu einer konsequentialistischen Überlegung – erklärt, bereit, beim Gegebensein anderer Zwecke (hier: der negativen und positiven General- und Spezialprävention315) Kompromisse einzugehen, um „praktische Konkordanz“316 herzustellen. Auch die von Welzel in der Großen Strafrechtskommission gelieferte, auf der Verwirkungslehre basierende Begründung der lebenslangen Freiheitsstrafe bestätigt, dass die Frage, ob der Staat noch im Namen des lebenslänglich Verhafteten sprechen könne, keine offene ist: „Die lebenslängliche Freiheitsstrafe kann meines Erachtens nur von der Annahme her gerechtfertigt werden, daß es um schwerste Schuld geht, durch die sich der Täter endgültig aus der menschlichen Gemeinschaft ausschließt“.317 Dagegen sind Freiheitsstrafen von bestimmter Dauer – und bestimmte Dauer heißt eine Dauer, die nicht doch verkappt lebenslänglich ist318 – bei Beachtung 315

BVerfGE 45, 187 (252, 254 ff.). Hierzu grundl. Hesse, Verfassungsrecht20, Rn. 72, 317 ff.; für das Strafrecht Hassemer/Ellscheid, Strafe ohne Vorwurf, S. 284; zu Recht kritisch, wenn auch aus anderen Gründen, Sachs, in: Sachs, GG-Kommentar3, Einführung Rn. 50, m. w. Nachw. 317 Welzel, Todesstrafe, S. 47. 318 Was heißt das aber genau? Da die meisten Verbrechen von Menschen begangen werden, die zwischen 20 und 35 Jahre alt sind (Kaiser, Kriminologie3, § 43/5), und da die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland bei Männern 75 Jahre beträgt (siehe die Daten des Statistischen Bundesamtes, http://www.destatis.de/presse/ deutsch/pm2006/p0610022.htm, am 17.12.2006), könnte man sich vorstellen, 25 Jahre als Höchstgrenze festzulegen. Wie darf man aber den 60 Jährigen behandeln, der eine gravierende Straftat begeht – etwa Honecker? Die von der Rspr. vertretene Lösung, wonach es wegen der Menschenwürde des Angeklagten an einer Verfolgbarkeitsvoraussetzung fehle, wenn die Wahrscheinlichkeit bestehe, dass er nicht einmal das Urteil überleben werde (BerlVerfGH NJW 1993, 515; zustimmend Roxin, Strafverfahrensrecht § 21/12), hat einiges für sich, löst aber nicht das weitere Problem, wie vorzugehen ist, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Angeklagte nicht die Strafe 316

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der übrigen Schranken zulässig, denn sie vernichten nicht die Freiheit, sondern schränken sie nur temporär ein. (5) Menschen besitzen ferner Sachen, haben also Eigentum, das z. T. ihre Arbeit verkörpert, dem z. T. symbolisch-affektive Beziehungen anhaften und das – wichtiger noch – Dimensionen ihrer Persönlichkeit vergegenständlicht.319 Ein völlig eingentumsloser Mensch ist nicht nur benachteiligt dadurch, dass die Lebenspläne und -vorstellungen, die er ohne jedes Eigentum verfolgen kann, erheblich eingeschränkt sind, sondern ist in erster Linie einer grundlegenden Dimension seines Seins beraubt. Es ist ihm von vornherein nicht möglich, zu Sachen, die ihm aus irgendeinem Grunde von besonderer Bedeutung sind, in überhaupt einer Beziehung zu stehen – etwa mit einem Hunde oder mit einem Geschenk seines Vaters – oder Produkte seiner Arbeit überhaupt für sich zu behalten – wie etwa das Bild, das er sich malt. Dieses Recht kann selbstverständlich nicht uneingeschränkte Geltung beanspruchen, aber die prinzipielle Möglichkeit, Eigentümer zu sein, muß einem gewährt sein, sonst ist man zu einem minderwertigeren Menschen erklärt worden. Damit ist aber zugleich gesagt, dass es erstens den geschichtlich bedeutsamen, im Bayerischen Strafgesetzbuch von 1813 (Art. 7, Kettenstrafe) noch vorgesehenen bürgerlichen Tod – der dem Betroffenen die Rechtsfähigkeit abspricht, also unter anderem ihm das Recht nimmt, überhaupt Eigentümer zu werden – nicht geben darf.320 Aber selbst die demgegenüber vergängliche, nur für einen bestimmten Moment wirkende Konfiskation des gesamten Vermögens darf es nicht geben – da sie insbesondere die zwei ersten der drei angesprochenen Aspekte in einer Art zerstört, dass auch unersetzbare Dimensionen des Lebens des Betroffenen verloren gehen.321

überleben wird. Dies sollte Gegenstand einer eigenständigen Untersuchung bilden. Vermutlich müsste man zumindest sicherstellen, dass kein Mensch die letzten Wochen seines Lebens in Gefangenschaft verbringen muss. 319 Hier wird eine kleine, fast dilettantische Philosophie des Eigentums skizziert – alles weitere würde den hiesigen Rahmen überschreiten. Zu den unterschiedlichen Position in der Geschichte der Philosophie siehe den von Eckl/Ludwig hrsgg. Sammelband „Was ist Eigentum?“. 320 Art. 7 BayStGB: „Der zur Kettenstrafe Verurtheilte ist vom Augenblicke der Rechtskraft des Urtheils an, bürgerlich todt; sein Vermögen fällt an seine Erben . . .; er kann fürder nichts besizen, und für sich nichts erwerben . . .“ Wortgleich Feuerbach, Entwurf des Gesetzbuchs, Art. 13. 321 Also ist der vom BVerfG angesprochene Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes noch nicht das wesentliche Problem der Vermögensstrafe, BVerfGE 105, 135 (158 ff.); solange man das nicht sieht, bleibt die Argumentation anfällig für konsequentialistisch verkürzte Notwendigkeitsargumente wie diejenigen Radtkes, MK § 43a/46, die auch die lockeren Maßstäbe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmtheitsgebot und zum Schuldprinzip ernst nehmen (ebda. Rn. 35 ff.); kritisch ferner P.-A. Albrecht, Vergessene Freiheit, S. 56, 71 f. (Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot und Schuldprinzip).

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(6) Der Mensch besitzt auch eine Ehre – also grob gesagt einen aus seiner Würde entspringenden Achtungsanspruch.322 Die völlige Vernichtung dieser Ehre durch stigmatisierende Ehrenstrafen – etwa durch Brandmarkung eines Verbrecherzeichens auf die Stirn, durch die öffentliche Zur-Schaustellung am Pranger oder durch die auch aus anderem Grunde unzulässigen Verstümmelungsstrafen – ist dem Staat verboten.323 Das Stigma, das der mit der Strafe z. T. begrifflich zusammengehörenden Missbilligung entstammt,324 ist nur dann zulässig, solange es sich auf die Tat und nicht auf den Täter konzentriert und solange es bloß deklaratorische („du hast diese Tat begangen“) und nicht auch konstitutive („du hast diese Tat begangen und das verdient einen Vorwurf“) Bedeutung besitzt (ausführlicher unten D. II. 6. [S. 500 f.]). Derartige Strafen kannte aber Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch nicht mehr. Unter die Ehrenstrafen werden dort nur der Verlust von Ämtern und Würden gezählt (Art. 22–24).325 (7) Wichtig ist noch die Tatsache, dass es zum Menschsein gehört, Lebenspläne zu verfolgen bzw. Vorstellungen des guten Lebens für sich selbst zu konstruieren und zu versuchen, sie umzusetzen. Aus ihr folgt nicht nur das Verbot des Individualmoralismus durch den Staat, verstanden als Lehre, wonach nichtkonsequentialistische, also deontologische oder tugendethische Erwägungen schon ausreichen, um die Freiheit eines Bürgers einzuschränken. Es folgt aus ihr auch das sog. Verbot des Täterstrafrechts: Das So-Sein einer Person, ihr Bild des gelungenen Lebens kann noch so abwegig sein – es ist trotzdem ihr Recht, es zu verfolgen, auf jeden Fall solange sie nicht Güter anderer Bürger antastet.326 Und zuletzt ist dasjenige, was man sehr unscharf Gesinnungsstrafrecht nennt, aufgrund dieser Erwägungen ebenfalls unzulässig. Dem Staat muss es gleichgültig sein, wie man zum Recht eingestellt ist: Auch der sog. rechtsfeindliche Wille ist rechtens, solange er nicht in die Tat umgesetzt wird. Die jetzt gewonnenen Einsichten werden weitreichende Konsequenzen haben, sowohl in Bezug auf die positive Generalprävention als auch auf den Schuldbegriff.327

322 Erst hier, beim vertikalen Verhältnis zum Staat, findet der normative Ehrbegriff der h. M. (siehe dazu oben Teil C., Fn. 73) seinen berechtigten Anwendungsbereich. 323 Zur nationalsozialistischen Zeit versuchte man eine Wiederbelebung der Ehrenstrafen, s. E. Wolff, ZStW 54 (1935), S. 561 ff.; Dahm, DJZ 1934, Sp. 821 ff.; ders., Gemeinschaft und Strafrecht, S. 6 f.; ders., ZStaW 95 (1935), S. 286; im amerikanischen Strafrecht erfahren sie aber eine bedenkliche Wiedergeburt, Nachw. und Diskussion bei Kubiciel, ZStW 118 (2006), S. 46 ff. 324 Zum Begriff der Strafe und zur Missbilligung als einer Komponente davon siehe D. II. 1. (S. 298 ff., 303). 325 Vgl. auch Feuerbach, Entwurf des Gesetzbuchs, Art. 33. 326 Dass dies nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung legitimer Freiheitseinschränkungen darstellt, wird unten D. II. 2. (S. 342, 343 ff.) dargelegt. 327 Siehe unten II. 3. f), (S. 398 ff.), II. 6. (S. 484 ff.).

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d) Das bisher Gesagte soll als Versuch der Präzisierung des Instrumentalisierungsverbots gelten. Oben ist aber von der Aufgabe gesprochen worden, ein Verständnis dieses Prinzips auszuarbeiten, das die Vorteile sowohl der idealistischen als auch der empiristischen Auffassung in sich vereint und deren beider Nachteile vermeidet. Im hiesigen Verständnis scheinen die Vorteile der idealistischen Auffassung auf, nämlich ihre Fähigkeit, dem Staat gegenüber geltende unbedingte Verbote zu formulieren. Gleichzeitig bleiben aber die erwähnten Vorteile der empiristischen Auffassung, insbesondere die Tatsache, dass sie den Menschen, so wie er ist, ernst nimmt, prinzipiell noch unberücksichtigt. Aus diesem Grunde erscheinen die bisherigen Erwägungen nicht falsch, aber doch ergänzungsbedürftig. Der einzige Weg, der gestellten Aufgabe gerecht zu werden, wird es sein, ein gestuftes Verständnis des Instrumentalisierungsverbots zu formulieren, das also zunächst seinen eigentlichen deontologischen Inhalt präzisiert und an zweiter Stelle dann die übrigen zu berücksichtigenden Erwägungen vornimmt. Diese erste Stufe sei hier Instrumentalisierungsverbot im engeren bzw. im eigentlichen Sinne oder schlicht und einfach Instrumentalisierungsverbot genannt; die zweite Stufe soll dagegen Instrumentalisierungsverbot im weiteren bzw. im uneigentlichen Sinne heißen. Unsere bisherigen Überlegungen galten allein dem Instrumentalisierungsverbot im engeren Sinne. Noch zu liefern bleibt aber eine Theorie, die angibt, welchen Gehalt und welches Gewicht der Hinweis auf das Instrumentalisierungsverbot außerhalb der oben angesprochenen Fälle absoluter Missachtung des Menschseins eines Menschens hat. Die Behauptung Schmidhäusers, Strafe sei für den Bestraften eine Instrumentalisierung und gerade aus diesem Grund äußerst vorsichtig einzusetzen, leuchtet intuitiv ein. Nun hat hier aber die Rede von der „Instrumentalisierung“ nicht dieselbe enge Bedeutung wie oben, denn selbst eine Strafe, die keine Todesoder Leibesstrafe usw. ist und deshalb nicht gegen die oben erwähnten Schranken verstößt, würde noch i. S. Schmidhäusers als instrumentalisierend gelten. Im uneigentlichen bzw. im weiteren Sinne bedeutet Instrumentalisierung Widerspruch zu dem empirischen Willen des Betroffenen. Besitzt der Hinweis darauf, dass jemandes Willen gebeugt wird, dass er mit der ihm erteilten Behandlung seitens des Staates nicht einverstanden ist, irgendein moralisches Gewicht, das der Staat zu beachten verpflichtet ist? Auf den Tatbestand aufmerksam zu machen, dass der Wille des Betroffenen zählt, ist der unverlierbare Vorteil der empiristischen Auffassung, der jetzt in unsere theoretische Rekonstruktion zu inkludieren ist. Daraus kann man erstens ableiten, dass die Missachtung des Willens des Betroffenen immer eine Begründungslast für den Staat schafft. Man braucht sich nicht mit dem unklaren und nicht sehr anerkannten Schlagwort des in dubio pro libertate einverstanden zu erklären,328 um dem Staat eine allgemeine Pflicht, seine Eingriffe dem Betroffenen gegenüber zu begründen, aufzuerlegen. Zweitens kann man daraus ableiten, dass, wenn der Wille des Betroffenen von Bedeutung ist, der Staat ihn auch

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zur Kenntnis nehmen soll. Diese Kenntnisnahme erfolgt sowohl auf der allgemeinen Ebene, durch Zusicherung von Partizipationschancen bei der Bestimmung der Vorschriften, die das Handeln des Staates zu leiten haben – womit das Instrumentalisierungsverbot im weiteren Sinne eine Verknüpfung zur Demokratie aufweist –, als auch auf der konkreten Ebene, durch Zusicherung der Möglichkeit, den Gehalt der ihn treffenden Entscheidung zu beeinflussen – eine Stelle, an der das Instrumentalisierungsverbot im weiteren Sinne Berührungspunkte mit dem Recht auf rechtliches Gehör besitzt.329 Der Wille des empirischen Einzelnen ist deshalb zu berücksichtigen, selbst wenn man ihn nicht für maßgeblich erklärt. e) Zwei Bemerkungen seien noch erlaubt, bevor man sich einigen der zu erwartenden Einwände widmet. Erstens ist hier ein gestuftes Verständnis des Instrumentalisierungsverbots insbesondere deshalb vorgezogen worden, damit man die Unbedingheit einiger der auf selbiges zurückführbaren Verbote begründen kann, ohne doch die Perspektive des empirischen Menschen völlig außer Betracht lassen zu müssen. Im Auge ist aber zu behalten, dass in Wahrheit nur dasjenige, was zum Instrumentalisierungsverbot im engeren bzw. im eigentlichen Sinne gehört, eine deontologische Struktur aufweist. Deontologische Schranken, die vor sonstigen Erwägungen immer einen Vorrang beanspruchen, lassen sich nur auf der ersten Stufe postulieren. Da auf der zweiten Stufe auch andersartige Erwägungen nicht-deontologischer, insbesondere konsequentialistischer Natur zulässig sind, gelten die hier entstehenden Ergebnisse nicht mehr unbedingt. Sie können für sich ferner keinen Vorrang vor Gegengründen beanspruchen. Sie weisen nicht mehr die Struktur von Schranken, sondern von negativen bzw. positiven Zweckbestimmungen auf. Und deshalb sind sie auch fähig, nicht nur Unterlassungs-, sondern auch Handlungspflichten zu begründen, um relevanten Flexibilitätsanforderungen gerecht zu werden. Zweitens ist klarzustellen, dass der den Instrumentalisierungsverboten zugeschriebene Inhalt nicht als erschöpfender Katalog aller Pflichten des Staates anzusehen ist. Dies lässt sich selbstverständlich nicht nur vom Instrumentalisierungsverbot im weiteren Sinne behaupten, sondern auch und inbesondere vom Instrumentalisierungsverbot im engeren Sinne. Denn erstens war unsere Präzisierung seines Inhaltes von vornherein als zugegeben provisorische und lediglich weitertastende Exemplifikation vorlegt worden. Ferner lässt sich nicht einmal behaupten, das Instrumentalisierungsverbot im engeren Sinne sei die unmittelbare Legitimationsgrundlage aller dem Staat gegenüber geltenden deonto328 Dafür aber Hassemer, Einführung2, S. 26 f.; Sternberg-Lieben, Rechtsgut, S. 80; ausdifferenzierter Stächelin, Strafgesetzgebung, S. 197, 199 f.; kritisch Zipf, ZStW 89 (1977), S. 715 f. 329 Etwa BVerfGE 9, 89 (95); 55, 1 (6); 84, 188 (190); 86, 133 (144); zust. Degenhart, in: Sachs, GG-Kommentar3, Art. 103 Rn. 2. Zu weiteren strafprozessualen Implikationen des Instrumentalisierungsverbots Kahlo, KritV 80 (1997), S. 201 ff.

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logischen Verbote. Insbesondere einige Schranken wie das Gesetzlichkeisprinzip und die Proportionalität zwischen Verbrechen und Strafe lassen sich nicht direkt auf den Gedanken zurückzuführen, dass ein Staat, der sie nicht anerkennt, einen Menschen in seinem Menschsein grundlegend missachtet. Der nicht zu bezweifelnden Zugehörigkeit dieser Prinzipien zum Kernbestand der rechtsmoralischen Schranken staatlicher Machtausübung ist aber anhand anderer Erwägungen Rechnung zu tragen, die sich nur indirekt auf das Instrumentalisierungsverbot im eigentlichen Sinne zurückführen lassen. Darauf wird später noch zurückzukommen sein.330 5. An letzter Stelle sind einige der gegen die hiesigen Erwägungen sicher zu erwartenden Einwände vorwegzunehmen. Die Einwände aber, die man schon im vorigen Abschnitt bei der Verteidigung der dort formulierten allgemeineren Thesen zum Verhältnis von Recht und Moral bzw. zum Legitimitätstitel des Staates besprochen hat, insbesondere die nonkognitivistischen Einwände, werden nicht nochmals behandelt. Es geht uns jetzt vielmehr um spezifische, gegen den weiteren in diesem Abschnitt vorgenommenen Schritt zu erwartende Bedenken. a) aa) Das erste, was man den hiesigen Erwägungen zum Instrumentalisierungsverbot im engeren Sinne entgegenhalten könnte, wäre, dass sie allgemein sehr willkürlich und unsicher erscheinen. Das komplexe Koordinationsverfahren mit seinem Gedanken der völligen Negierung eines grundlegenden Aspekts des Menschseins und den angebotenen zusätzlichen Richtlinien sei insgesamt noch zu verschwommen. Die Tatsache, dass nicht auch die Freiheitsstrafe zum Gegenstand eines absoluten Verbotes erklärt wurde, sei bestenfalls zufällig und schlimmstensfalls auf meine Manipulation und mein Vorverständnis zurückzuführen. Zudem verwickele sich der Verfasser in Schwierigkeiten, die er zugegebenermaßen nicht völlig befriedigend lösen konnte.331 Ferner: Warum sind gerade die von europäischen (und brasilianischen) Juristen und auch von mir geteilten Intuitionen gegen die Zulässigkeit der Todesstrafe maßgeblich und nicht die Intuitionen vieler gegenwärtiger ausländischer Autoren, die noch meinen, die Todesstrafe sei gerecht und legitim?332 Der idealistischen Version des Instrumentalisierungsverbots hatten wir entegegengehalten, sie sei leer und deshalb

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Nämlich unten II. 1. c), (S. 265 ff.). Siehe oben Teil C., Fn. 305. 332 Etwa aus amerikanischer Sicht Berns, Crime & Delinquency 26 (1980), S. 507 ff.; Cassel, Death Penalty, S. 183 ff.; van den Haag, Death Penalty, passim; ders., Philosophy & Public Affairs 14 (1985), insb. S. 169; ders., Death Penalty Once More, S. 451 ff.; C. W. Morris, CanJPhil 21 (1991), S. 72 ff.; Pojman, Death Penalty II, S. 51 ff.; aus französischer Sicht Harouel, Peine de mort, S. 369 ff.; aus chinesischer Sicht Ming Xuan und Shutong, Revue Internationale de Droit Pénal 58 (1987), S. 404 und 694 f.; aus islamischer Sicht Hosni, ebda. S. 407 ff.; aus christlicher, nahezu fundamentalistischer Sicht Wayne House, Capital Punishment, S. 415 ff. 331

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manipulierbar: Wie können wir uns so sicher sein, dass unsere Erwägungen derartige Mängel nicht aufweisen? bb) Der Einwand ist zum Teil berechtigt, und hier wird nicht so getan, als ob es leicht wäre, ihn auszuräumen. Deshalb hat man schon während der Entwicklung der Gedanken und nicht erst bei der Inschutznahme gegen Einwände versucht, sich mit einigen dieser Schwierigkeiten auseinanderzusetzen. Ferner hat man die letzte metaethische Grundlage, die den hier vorgelegten Inhalt des Instrumentalisierungsverbots trägt, bewusst offen gelassen. Es wird deshalb nicht ausgeschlossen, dass die verschiedenen, aus dem Instrumentalisierungsverbot im engeren Sinne zu entwickelnden Verbote letztendlich kraft einer ethischen Intuition oder einer Postulierung durch die praktische Vernunft gelten. Ausgeschlossen wird aber wohl, dass sie nur nicht-wahrheitsfähige Bekundungen subjektiver Emotionen darstellen – oder dass sie bloß „weltanschaulich“ bzw. „irrational“ seien, wie man etwa wiederholt zu dem Problem der Zulässigkeit der Todesstrafe behauptet hat333 – denn dies wäre ein Rückfall in den schon vorher abgelehnten Nonkognitivismus. Die Tatsache, dass man die unbedingte Geltung einiger moralischer Anforderungen erkenntnistheoretisch nicht reibungslos erklären kann, lässt sich nicht gegen diese moralischen Anforderungen, sondern in erster Linie gegen die ihnen nicht Rechnung tragende Erkenntnistheorie anführen. Wir sind deshalb berechtigt, weiterhin unbedingt geltende Verbote anzuerkennen, ohne dafür einen letztendlichen erkenntnistheoretischen Titel in den Händen zu halten. Und schließlich kann man doch als Vorzug der hier gewählten Vorgehensweise anerkennen, dass sie sich vor der Schwierigkeit der Aufgabe nicht scheut, sondern durch Aufführen von Plausibilitätsgrunden, die miteinander vereinbar zu sein versuchen und sich nicht nur mit einer ad-hoc-Einsichtigkeit begnügen, die Argumentation zumindest überprüfbar und widerlegbar macht. Statt einer bloßen Berufung auf die ethische Intuition oder auf die gesetzgebende Leistung der praktischen Vernunft ist hier versucht worden, die Implikationen der Ernstnahme des Menschen als Menschen auszuarbeiten, was den Ergebnissen zugegeben keine mathematische Exaktheit verleiht, aber sie trotzdem theoretisch einrahmt und harmonisch darstellt. b) aa) Bedenken könnten die hiesigen Erwägungen auch aus dem Grunde hervorrufen, weil sie sich zu naturrechtlich anhören. Die hier erfolgten Bezugnahmen auf eine nicht weiter bestimmte Anthropologie stünden unter dem Verdacht, in einem viel bedenklicheren Sinne metaphysisch zu sein, als die Erwägungen des vorigen Abschnitts zum Legitimitätstitel der staatlichen Machtausübung, da sie auf durchaus suspekte Annahmen über das „Wesen des Menschen“ bzw. über seine „Menschheit“ (besser: sein „Menschsein“) usw. zu-

333 Etwa aus nationalsozialistischer Sicht E. Wolff, ZStW 54 (1935), S. 546; in der Nachkriegszeit Maurach, Todesstrafe, S. 30 f.; Engisch, Todesstrafe, S. 38.

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rückgreifen.334 Nicht fernliegend wäre es, von so etwas zu sprechen, wie einem Déjà-vu-Erlebnis im Bezug auf die Naturrechtssysteme der Spätaufklärung,335 oder auf einige Theorien der deutschen Nachkriegszeit, die im Soge der kurzlebigen „Renaissance des Naturrechts“ formuliert wurden, um insbesondere den Grundrechtskatalog der Verfassung aus philosophischen Prämissen abzuleiten.336 Gegen ein derartiges Argumentationsverfahren hat insbesondere Welzel schon zur Zeit der Naturrechtsrenaissance den vernichtenden Einwand des sog. „naturrechtlichen Zirkelschlusses“ erhoben: Aus abstrakten und deshalb leeren Prämissen lässt sich nur dasjenige herausholen, was man früher verdeckt in sie hinein gelegt hat.337 bb) Es ist leicht erkennbar, dass der Einwand mehrere relevante Gesichtspunkte anspricht. Zum tatsächlich stattfindenden Gebrauch von Wesensargumenten ist zunächst dasjenige zu wiederholen, was gerade zum Unsicherheitseinwand gesagt wurde – nämlich, dass die letzte metaethische Fundierung der vorgeschlagenen Ergebnisse offen bleiben muss und dass zumindest ein Argumentationsmuster angeboten wurde, das versucht, in möglichster Offenheit und Kontrollierbarkeit ausschließlich deontologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass schon die Tatsache, dass dieser Einwand so naheliegend war, z. T. auch eine Stärke der Theorie bedeutet, denn sie bevorzugt es, ihr Menschenbild, also etwas offen zu legen, was in vielen Theorien nur als verdeckte Prämisse fungierte. Die Schwierigkeit, derartige anthropologische Prämissen völlig zu vermeiden, wird nicht zuletzt in einigen der interessantesten neueren Theorien zur politischen Philosophie erkennbar. So ging die erste Formulierung von Rawls Theorie der Gerechtigkeit von einem risikoscheuen, sich nach dem maximin-Prinzip entscheidenden Menschenbild aus,338 während er in seiner späteren Formulierung dieses deskriptive, den Wirtschaftswissenschaften entstammende Bild zugunsten eines normativen („politischen“) Konzepts der Menschen als freie und gleiche Personen aufgibt339 – so dass in beiden Versionen anthropologische Annahmen eine grundlegende Rolle spielen. Die Diskurstheorie setzt ihrerseits das Bild des Menschen als eines argumentierenden, an der ethischen Diskussion teilnehmenden, vernünftigen Wesens voraus. Und die Lehre Höffes formuliert eine detaillierte Anthropologie der Grundbedürfnisse aller Menschen aus, die von der Integrität von Leib und Leben bis 334 Zur – weitgehend zuzustimmenden – Kritik von Wesensargumenten nahezu klassisch Scheuerle, AcP 163 (1963), S. 430 ff. 335 Man vergleiche den Katalog von Rechten bei Gros, Naturrecht2, § 112 ff. 336 Vor allem Coing, Oberste Grundsätze, S. 64 ff.; siehe auch den großangelegten Versuch Messners, Naturrecht7, S. 25 ff., 434 ff.; zu diesen Bemühungen zusammenfassend und mit vielen weiteren Nachweisen Schelauske, Naturrechtsdiskussion, S. 195 ff. 337 Welzel, Naturrecht4, S. 225, 240 ff. 338 Rawls, Theory of Justice, S. 123 ff., 132 ff. 339 Siehe oben Teil C., Fn. 168.

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zu auf der Natur des Menschen als Kooperationswesen beruhenden Sozialrechten ausgeht.340 Wir haben uns damit begnügt, einige minimale Gehalte desjenigen, was man einem Menschen unter keinen Umständen antun darf, auszuformulieren, und für diese Aufgabe waren keine hilfreicheren Alternativen ersichtlich, als der Rückgriff auf eine Anthropologie der minimalen Komponenten des Menschseins. Trotzdem ist die Kritik, die hier vorgebrachten Erwägungen seien zu naturrechtlich, noch aus zwei Gründen ungenau. Die hiesige Untersuchung versteht sich nicht als Stellungnahme im Streit zwischen Naturrecht und Rechtspositivismus. Zugegebenermaßen wird eine den Positivismus oft begleitende – aber, wie Hart es überzeugend darlegte, unwesentliche341 – Annahme, der Nonkognitivismus, hier nicht geteilt. Hier wird vielmehr die Tatsache ernst genommen, dass sich Menschen in ihrem Alltag und in ihrer wissenschaftlichen Betätigung in einer Praxis des moralischen Diskurses bewegen, in der etwa bestimmte Staatshandlungen für legitim und illegitim, bestimmte Bestrafungen für richtig und falsch erklärt werden – und dies nicht bloß aus Nützlichkeitsüberlegungen heraus. Unsere Untersuchung wollte vielmehr erhellen, welche Theorie, insbesondere welche Straftheorie, eine derartige Praxis tragen soll, wenn diese Praxis Ansprüchen der Konsistenz, der Begründetheit, mit einem Wort, der Rationalität genügen soll. Wird in Amerika die Todesstrafe zuerkannt oder vollstreckt, hält man in Brasilien Menschen in überfüllten Gefängnissen, die nicht einmal für Schweine angemessen wären, wird in Deutschland bei Mordfällen die lebenslange Freiheitsstrafe immer noch angedroht und zugefügt – dann erlaubt uns die Theorie, derartige Staatshandlungen zu kritisieren, sie für illegitim zu erklären. Die Frage aber, ob diese Handlungen noch oder nicht mehr geltendes Recht sind, wird von den hiesigen Überlegungen offen gelassen. Der Verfasser will nicht mit Feuerbach342 davon ausgehen, seine Gedanken seien „stillschweigend“ vom Gesetze oder zeitgemässer, von der Verfassung, anerkannt worden, so dass sich jedes dagegen verstoßende Gesetz verfassungswidrig und deshalb nichtig mache. Diese Neigung, sich immer wieder auf die Autorität der Verfassung berufen zu müssen, ist eine letzte Frucht der den juristischen Positivismus oft begleitenden nonkognitivistischen Einstellung. In Ländern wie Spanien und Italien, wo der Rechtspositivismus traditionell viel stärker war als in Deutschland, hat man deshalb versucht, nicht nur alle strafrechtliche Prinzipien auf die Verfassung zurückzuführen,343 sondern sogar technische Fragen der Verbrechensdogmatik: 340

Höffe, Globalisierung, S. 66 ff., 74 ff. Hart, Positivism, S. 84 ff. 342 Feuerbach, Revision I, S. 185 ff.; ähnlich ders., Lehrbuch14, § 95. 343 Beispielhaft Palazzo, RP 2 (1998), S. 49 ff. Zu den unterschiedlichen Entwicklungsstadien der italienischen verfassungsorientierten Strafrechtsdogmatik Flora, 341

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Der führende italienische Strafrechtler Bricola konnte in den 70er Jahren behaupten, der Kausalbegriff sei verfassungsrechtlich ableitbar, wie auch die Unzulässigkeit aller abstrakten Gefährdungsdelikte.344 Es wird nicht ausgeschlossen, dass sich die hier vorgeschlagenen Schranken mit verfassungsrechtlich anerkannten Grundrechten weitgehend decken. Dies näher zu ergründen, wäre aber Gegenstand einer eigenständigen Studie. Der Richter, der in dieser Arbeit nach endgültigem Rat sucht, wird mit einem non liquet enttäuscht. Ob der Richter rechtlich handelt, wenn er einen Mitmenschen zum Tode verurteilt, in einen schweineunwürdigen Schweinestall schickt oder lebenslänglich einsperren lässt, weiß der Verfasser ehrlich gesagt nicht. Auf jeden Fall handelt hier der Staat unmoralisch und Argumente, um dieses Ergebnis zu vermeiden, werden in dieser Arbeit gerade nicht geliefert. Nicht zuletzt muss eine normative Theorie dazu taugen, wunde Punkte kenntlich zu machen, und nicht nur alles Gegebene doch mit der Vernunft zu versöhnen. c) aa) Und da man schon von der Verfassung spricht, gleitet man von selbst zu dem letzten ernstzunehmenden Einwand. Die Präzisierung des Instrumentalisierungsverbots führte zwar zu Ergebnissen, die sich mit verfassungsrechtlich verankerten Grundrechten weitgehend decken. Die Argumentation hat trotzdem außerordentlich spärlich auf das Grundgesetz oder auf völkerrechtliche Menschenrechtskonventionen Bezug genommen. Selbst das Bundesverfassungsgericht wurde eher wegen seiner Argumente, als wegen seiner Autorität zu Hilfe gezogen. Man könnte deshalb meinen, die hiesigen Überlegungen wirkten nicht zuletzt deshalb unzeitgemäß, weil sie sich eines Argumentationsmusters bedienten, das wohl zu einer Zeit ohne grundrechtsgarantierende Verfassungen und völkerrechtliche Konventionen notwendig war, sich aber seit langem als entbehrlich erwiesen habe. Wäre es nicht letztendlich ehrlicher, sich offen auf die Verfassung zu berufen, statt sich um eine Deduktion aus vermeintlich vorgegebenen apriorischen Begriffen zu bemühen? bb) Dem ist erstens entgegenzuhalten, dass die Verfassung leider für das hier verfolgte Anliegen – nämlich das einer Formulierung einiger der Bedingungen einer legitimen Staatsmachtausübung, wovon ein kleiner Teil ausnahmlos sei und deshalb apriorisch und deontologisch sein müsse – nicht ausreicht. Sie ist RIDPP 1991, 1187 ff. Die spanische Diskussion zusammenfassend Santana Vega, Bienes jurídicos colectivos, S. 33 ff. S. auch Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 4 f. 344 Bricola, Teoria generale del reato, S. 10 (Kausalität), 86 f. (abstrakte Gefährdungsdelikte); der verfassungsrechtlichen Ablehnung aller abstrakter Gefährdungsdelikte zustimmend bis heute Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 477, 482, 739; Moccia, Tutela de bienesa, S. 136 ff.; ders., La perenne emergenza, S. 264; Cavaliere, Errore, S. 354, 369 ff., insb. 373 ff.; in Spanien Santana Vega, Bienes jurídicos colectivos, S. 167 ff.; ähnlich Bustos, Delitos de peligro, S. 329, wenn auch ohne Hinweis auf die Verfassung. Diese These findet inzwischen in Lateinamerika vermehrt Anhänger, für Nachw. und Kritik siehe Greco, RBCC 49 (2004), S. 89 ff.

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nämlich doch nur eine kontingente soziale Tatsache.345 Erst seit 1949 gibt es in Deutschland ein Grundgesetz, das überdies in der DDR nicht galt: Dennoch halten wir uns für berechtigt, vor 1949 stattgefundende KZ-Genozide und innerhalb der DDR geschehene Tötungen an der Berliner Mauer moralisch zu verurteilen, selbst dann, wenn sich die Gerichte für die Rechtmäßigkeit derartiger Aktionen entschieden hätten.346 In unserem moralischen Diskurs fühlen wir uns zu Recht nicht verpflichtet, vorher zu prüfen, ob es etwa in Serbien oder in Chile eine Verfassung mit Grundrechten gab, um die dort von Diktaturen verübten Handlungen für illegitim zu erklären. Es ist unwahrscheinlich, aber nicht undenkbar, dass in einer nicht so fernen Zukunft das Grundgesetz nicht mehr gilt und dass die ganze Völkerrechtsordnung verschwindet – trotzdem dürften wir ruhig an unseren Prinzipien festhalten und etwa die Folter selbst ohne positivrechtlich festgelegtes Folterverbot verurteilen. Nicht bestritten wird, dass entsprechende Verfassungen die Durchsetzungschancen der absoluten Verbote um ein Vielfaches steigern. Verfehlt wäre es aber, umgekehrt zu verkennen, dass erst dort, wo die Überzeugung des Gegebenseins derartiger Schranken existierte, sie auch eine Chance hatten, in Verfassungen ihren Niederschlag zu finden und damit mehr als nur symbolische Bedeutung zu erlangen. Stellen wir uns doch einmal vor, wie katastrophal es gewesen wäre, wenn sich Locke, Montesquieu und Beccaria, wenn sich Kant, Feuerbach und die liberale Bewegung des 19. Jahrhunderts, wenn sie alle sich erkenntnistheoretisch dazu gezwungen gefühlt hätten, eine Verfassung abzuwarten, bevor sie Verbindlichkeit beanspruchenden Anforderungen hätten aufstellen können. Dem ist noch zweitens hinzufügen, dass die Existenz des Bundesverfassungsgerichts seit 5 Jahrzehnten das Bild des Verfassungsrechts grundlegend geändert hat: Konnten noch Sax und Hamann, nicht zuletzt auch die AE-Bewegung die verfassungsrechtliche Fundierung ihrer Anforderungen dadurch begründen, dass sie über lange Ableitungsketten doch einige Vorschriften des Grundgesetzes als Stützen geltend machten,347 sehen jüngere Untersuchungen wie diejenigen von Lagodny oder Appel, die das heutige Verfassungsrecht so hinnehmen, wie es vom Bundesverfassungsgericht verstanden wird, ganz anders aus: Sie kommen zu dem verblüffenden Ergebnis, dass, wie Schünemann zu Recht bemerkt, das Strafrecht unter weniger strenge Anforderungen zu stellen sei, als etwa das Familienrecht.348 Man kann es bedauern, aber um die Feststellung kommt man 345

Sehr ähnlich Naucke, Wechselwirkung, S. 174 Fn. 6. Was bekanntlich nicht passierte, BVerfGE 95, 96. 347 Sax, Grundsätze, S. 913 ff.; Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 25 ff. 348 Lagodny, Grundrechte, zusammenfassend S. 531 f.; Appel, Verfassung und Strafe, S. 206, 336; Vogel, StV 1996, S. 112, 115 (anders aber ders., Nationalsozialismus, S. 100 f.); Kritik bei Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 147; s. ferner Naucke, Leblose Vorschrift, S. 134; Neumann, GA 1999, S. 39. Neuerdings fragt selbst Lagodny, Prüfstein, S. 86, ob mit einer derartigen alles-bejahenden Verfassungs346

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nicht herum: Die positiv geltende Verfassung hat letztendlich den Inhalt, den das Bundesverfassungsgericht ihr gibt. Der von manchen befürchtete „Bundesverfassungsgerichtspositivismus“ ist seit langem eine Realität.349 Die hiesige Untersuchung will aber die Theorie Feuerbachs in ihrer allgemeinen Vertretbarkeit prüfen und nicht bloß in ihrer Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Wie gesagt werden hier Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nur wegen ihrer argumentativen Tragfähigkeit, nicht wegen ihrer Autorität zur Kenntnis genommen.350 Ein wichtiger Grund dafür, in dieser Arbeit die neutrale Kategorie der „deontologischen Schranken“ statt die der bewährten Grundrechte in den Mittelpunkt zu stellen, war nicht zuletzt der, dass dasjenige, was die Grundrechte in den Händen des Bundesverfassungsgerichts geworden sind, in vielerlei Hinsicht kaum akzeptabel erscheint. Der allzu inflationäre Bezug auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip,351 auf Abwägungen352 und auf die praktische Konkordanz,353 das Verständnis von den Grundrechten als einer objektiven Werteordnung, aus denen nicht nur Verbote, sondern häufig auch gleichrangige Schutzpflichten entstehen können,354 haben die Grundrechtstheorie ihres deontologischen Gehalts fast völlig beraubt. Nicht zufällig erscheint es vielen kaum mehr erklärbar, wieso die Menschenwürde „unantastbar“ i. S. von unabwägbar sein könne,355 und welchen Sinn es hat, vom „Wesensgehalt“ eines Grundrechts zu sprechen:356 Denn die beiden sind tatsächlich Fremdkörper in einem durch und durch konsequentialistischen System, wie dasjenige, welches das Bundesverfassungsgericht aufgebaut hat.357 Bemerkenswert dogmatik nicht irgend etwas falsch liege, ob nicht vielmehr das Strafrecht zum Prüfstein der Verfassungsdogmatik erklärt werden sollte. 349 So W. Schmidt, Grundrechte, S. 219. 350 Dem entspricht die Einschätzung Kuhlens, Irrtum, S. 297: „So ist im strafrechtswissenschaftlichen, nicht aber im verfassungsrechtlichen Diskurs das BVerfG nur ein Diskussionsteilnehmer wie jeder andere auch.“ 351 Etwa BVerfGE 3, 383 (399); 89, 69 (84); 90, 145 (172 f.). 352 Z. B. BVerfGE 7, 377 (405); 81, 70 (92); 83, 1 (19). 353 Nachw. oben Teil C., Fn. 316. 354 Siehe dazu bereits oben Teil C., Fn. 100. 355 Vor allem Herdegen, in: Maunz/Dürig, 44. Lfg. 2005, Art. 1 Abs. 1 Rn. 43 ff., 69; dazu kritisch Böckenförde, Würde, S. 386 ff. 356 Beispielhaft für solche Schwierigkeiten die sog. „relative Theorie“, die den Wesensgehalt eines Grundrechts durch Abwägung bestimmen will und der Garantie von Art. 19 II GG nur „deklaratorische Bedeutung“ zuerkennt, etwa Häberle, Wesensgehaltsgarantie, 51 ff., 64, 234 ff; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 332; ferner Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 267 ff., 272. Unbefriedigend auch Arthur Kaufmanns (ARSP 70 [1984], 393 ff.) „personalistische“ Theorie, die gerade dasjenige preisgibt, was die hiesigen Überlegungen zu bewahren suchen. 357 Siehe die einzelnen Nachw. und die überzeugende Kritik bei Wolter, Menschenwürde, S. 707 ff.; krit. auch Köhler, ZStW 107 (1995), S. 15 ff. Es ist noch zu früh, um zu urteilen, ob der seit neueren Entscheidungen aufgewertete topos des „Kernbereichs privater Lebensgestaltung“ eine Änderung einleiten wird (vor allem BVErfGE 109, 279). Die Tatsache, dass das angeblich abwägungsfeste Kernbereich bereits durch

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ist nur, wie selten Kritik unter Verfassungsrechtlern über Jahrzehnte von sich hören ließ,358 so dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, das Bundesverfassungsgericht habe sich im Lande Kants unbewusst dem Konsequentialismus anheimgegeben. Die Möglichkeit, alle diese Probleme ausklammern zu dürfen, erschien dem Verfasser ein gewichtiger Grund, den Bezug zur Verfassung möglichst zu vermeiden. Prinzipien und Schranken, die sich einst nur auf ihre immanente Überzeugungskraft stützten, wurden auf die Verfassung zurückgeführt, damit sie bindende Kraft gegenüber dem Staat und vor allem dem Gesetzgeber erlangten. Eine Bindungswirkung wurde z. T. auch erreicht, aber nur für eine gewissermaßen entmannte, durch Abwägungen, Verhältnismäßigkeit und praktische Konkordanz durchlöcherte Kümmerform dieser Prinzipien und Schranken. Drittens ist zu sagen, dass die schon erwähnte Neigung, alle grundlegenden Prinzipien und Verbote letztlich doch auf die Verfassung zurückführen zu müssen, z. T. auf einer selbsttäuschenden Überschätzung der Verfassung und einer Unterschätzung der Leistungen der wissenschaftlichen Reflexion fußt.359 Dass darunter z. T. Nachwirkungen des Nonkognitivismus und des Rechtspositivismus zu vermuten sind, ist offensichtlich.360 In der juristischen Methodenlehre, insbesondere bei der Verfassungsinterpretation, fürchtet man sich immer noch allzu sehr davor, den Text oder – seit einigen Jahrzehnten – die autoritative Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verlassen und sich demgegenüber auf die eigene praktische Vernunft zu berufen. Trotz der immer wieder zu hörenden Einwände gegen das rein logisch-deduktive Verständnis der Rechtsgewinnung bleiben viele weitgehend stillschweigend befangen in dem für den Positivismus typischen, von Wilfried Sellars sog. „Mythus des Gegebenen“ – nun aber bezüglich der Verfassung bzw. der Verfassungs-Rechtsprechung, die als ein voraussetzungslos Gegebenes gedeutet wird.361 Sogar bei zentralen Fragen, wie etwa dem Folterverbot, gewährt das Grundgesetz an sich offene Argumentationsspielräume, die nicht ausschließen, dass man sich, wie Brugger, auf seine Autorität, insbesondere auf die Grundrechtsdogmatik und auf die verfassungsrechtlichen Schutzpflichten beruft, um nicht nur das Recht, sondern auch die

Ausnahmen durchbohrt wird, so dass Gespräche über Straftaten nicht dazu gehören sollen [BVerfGE 109, 279 (319) und daran anschließend die in § 100 c IV 3 StPO getroffene Regelung; dazu krit. Roxin, Kernbereich, S. 164 ff.; Lepsius, Jura 2005, S. 439 f.], mahnt eher zur Skepsis. 358 Siehe immerhin die Nachw. oben Teil C., Fn. 102. 359 I. E. ähnlich Naucke, Wechselwirkung, S. 174 Fn. 6; ders., Legitimation, S. 156 ff.; ders., Reform des Strafrechts, S. 399 ff.; Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 73 f.; Rath, Rechtfertigungselement, S. 367 f. 360 Das ist am deutlichsten bei den Italienern, z. B. Bricola, Teoria generale del reato, S. 10. 361 Sellars, Empiricism, S. 58.

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Pflicht des Staates zum Foltern zu begründen! 362 Und obwohl das Grundrechtskapitel der Weimarer Verfassung zum Teil doch mit demjenigen des Grundgesetzes identisch war, konnte es schon zur Weimarer Zeit – und nicht erst im Dritten Reich – kaum etwas bewirken.363 Wenn sogar die empirischen Wissenschaften bereit sind anzuerkennen, dass empirische Tatsachen vor den sie erklärenden Theorien immer „unterdeterminiert“ bleiben, d.h., dass es mehrere Theorien geben kann, die mit allen bekannten empirischen Tatsachen kompatibel sind, so dass die Entscheidung zwischen den verschiedenen Theorien auf externe Kriterien angewiesen ist, die keineswegs irrational sind,364 braucht sich die Rechtswissenschaft nicht zu schämen, auf Gesichtspunkte zurückzugreifen, die jenseits der Verfassung stehen.365 Den Inbegriff dieser Gesichtspunkte könnte man unter dem altehrwürdigen Terminus der Vernunft zusammenfassen. Freilich taugt der Hinweis, „das ist so, weil es der Vernunft entspricht, bzw. Folter ist verboten, weil sie der Vernunft widerspricht“, nicht als Argument. Die Vernunft beweist ihre Kraft vielmehr dadurch, dass sie darauf verzichten kann, sich selbst als Autorität vorzugeben, damit ihre Erwägungen überzeugend werden. Letztlich ist die Vernunft, die sich in der wissenschaftlichen Tätigkeit äußert, eine kollektive, die sich im Zusammenspiel der Argumente über Generationen hin langsam entfaltet. Ein endgültiges Kriterium für die Vernünftigkeit einer bestimmten Überzeugung besitzen wir nicht. Aber wenn weder die Mathematiker befriedigend erklären können, wieso wir wissen, dass 2 + 2 = 4 ist, noch die Physiker, wieso wir wissen, dass sich die Erde um die Sonne bewegt, kann der Jurist mit ähnlichem Stolz die Unverfügbarkeit etwa des Folterverbotes behaupten und dies als seinen wichtigen Beitrag zu dem nicht geringen Bestand an vom Menschen gekannten Wahrheiten ansehen.

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Brugger, JZ 2000, insb. S. 170 f. Insb. was den Gleichheitssatz anbelangt, den man zur Weimarer Zeit als ausschließlich an die Rechtsanwendungsbehörden adressiert konzipierte, s. Stolleis, Geschichte III, S. 112; M. Friedrich, Deutsche Staatsrechtswissenschaft, S. 381. 364 Zum Problem der Unterdeterminiertheit (Underdetermination) vgl. etwa Ladyman, Philosophy of Science, S. 162 ff.; A. Rosenberg, Philosophy of Science, S. 129 f.; selbst radikale Empiristen wie van Fraassen, The Empirical Stance, S. 125 und wissenschaftliche Realisten wie Leplin, Scientific Realism, S. 152 ff. erkennen die Unterdeterminiertheit von Theorien durch die anerkannten Beobachtungen an. 365 Eine interessante Sammlung solcher verfassungstranszendierender philophischer Ansätze bietet das von Brugger hrsgg. Buch „Legitimation des Grundgesetzes aus Sicht der Rechtsphilosophie und Gesellschaftstheorie“ (1996) an. 363

D. Strafrechtsphilosophischer Teil I. Vorüberlegungen 1. Einleitendes Nach der Erörterung der wichtigsten rechtsphilosophischen Leitmotive Feuerbachs kommen wir nun zum eigentlichen Kern der Untersuchung, nämlich zur Beurteilung seiner Straftheorie. Soll man sie mit der herrschenden Meinung auf den Status eines Lehrbuchbeispiels mit bloß geschichtlichem Interesse herabsetzen? Oder verdient sie einen Platz neben den zahlreichen anderen heute vertretenen Theorien zur Legitimation des staatlichen Strafens? Schon die Überschrift dieses Buches, die von „Lebendigem und Totem“ spricht, legt nahe, dass die Antwort auf diese Fragen nicht aus einer pauschalen Bejahung oder Verneinung bestehen wird. Die Komplexität der untersuchten Straftheorie erfordert eine differenziertere Betrachtung. Entgegen gängigen Vereinfachungen, die vielleicht aus einer Irreführung durch die Bezeichnung „psychologische Zwangstheorie“ folgen, besagt Feuerbachs Theorie der Strafe viel mehr, als nur, dass „Strafe der psychologischen Abschreckung dienen soll“. Auch von ihm lässt sich dasjenige behaupten, was Eb. Schmidt von seinem Lehrer Franz v. Liszt sagte: Dieser sei „viel zu vielseitig gewesen, als dass er überhaupt eine solche Abstempelung durch ein Schlagwort verdienen könnte“.1 Wie wir sahen (o. S. 49), besteht Feuerbachs Theorie aus (zumindest) fünf Sätzen: der Bestimmung des Begriffs der Strafe (eines wegen eines Verbrechens zugefügten Übels), derjenigen des Zwecks der Strafandrohung (allgemeine Abschreckung), der des Zwecks der Strafzufügung (Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung), der des Rechtsgrunds der Strafandrohung (keinerlei Einschränkung von Rechten) und der des Rechtsgrunds der Strafzufügung (eine näher zu bestimmende Einwilligung). Dem sind noch die Gründe, die zur Kritik entgegengesetzter Auffassungen, wie z. B. der Resozialisierungstheorie, vorgebracht werden, hinzuzufügen. Zumindest genau so wichtig aber sind andere Aspekte, wie das Konzept des Verbrechens als Rechtsverletzung oder die Ablehnung des Freiheitsbegriffs und des „Schuldprinzips“. Von zentraler Bedeutung ist Feuerbachs Begründung der Strafgesetzlichkeit mittels des Arguments, das Gesetz sei zur Erreichung der allgemeinen Abschreckung unabdingbar. Eine Untersuchung, die Feuerbachs Straftheorie gerecht werden will, muss deshalb auf Vereinfa1

Eb. Schmidt, ZStW 69 (1957), S. 395.

I. Vorüberlegungen

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chungen verzichten und die Konzeption in ihrem ganzen Reichtum zur Kenntnis nehmen. Ein wesentliches Anliegen der folgenden Erwägungen wird es sein, das analytische Präzisionsniveau der Diskussion zu steigern. Man könnte sagen, dass in dieser Hinsicht seit Feuerbach, Roßhirt und insb. Bauer2 nicht viel geleistet wurde. Das ist um so erstaunlicher, als man bedenkt, welcher Fortschritt der engere Bereich der Strafrechtsdogmatik seit der Zeit dieser Autoren gemacht hat. In der Regel werden Begriffe wie Sinn, Zweck, Grund oder Aufgabe ohne nähere Bestimmung ziemlich unverbindlich nebeneinander benutzt, und auch bei der Diskussion einzelner Lehren, wie der Vergeltungs- oder der Resozialisierungstheorie, ist keineswegs von vornherein klar, was man unter diesen Begriffen zu verstehen hat.3 Diese Arbeit verfolgt mithin auch den Zweck, zur Lösung von Zweideutigkeiten beizutragen, um das Einfache zu vereinfachen und das Komplizierte besser in den Griff zu bekommen. 2. Was soll die Straftheorie? a) Die Strafe galt immer als bevorzugter Gegenstand philosophischer Reflexion, und das nicht ohne Grund. Denn phänomenologisch erscheint sie zunächst als etwas Schlimmes, als ein Übel, und das fordert die Reflexion heraus. Fast von selbst fragt man sich, ob die gedachte Zufügung eines Übels überhaupt gerechtfertigt sein kann, und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Straftheorie. Obwohl in der heutigen Diskussion Termini wie Straftheorie, Strafzwecktheorie, Sinn der Strafe, Aufgabe der Strafe oder des Strafrechts usw. ohne größere Bedenken praktisch gleichbedeutend verwendet werden, reservieren wir in dieser Arbeit den Terminus „Straftheorie“ dafür, um die normative Lehre zu bezeichnen, die den Inbegriff der Bedingungen einer legitimen Strafe bestimmt. Die Straftheorie ist ein Teil dessen, was man Staatstheorie nennen könnte, also der Theorie der Bedingungen der legitimen Machtausübung durch den Staat. Zur besseren Befriedigung des in der Einleitung ausgesprochenen Anliegens, zur analytischen Klärung einer noch sehr verworrenen Diskussion beizutragen, seien noch folgende Bemerkungen erlaubt: 2 Man vergleiche seine sorgfältigen Erwägungen in Roßhirt, Lehrbuch, S. 20 ff.; Bauer, Warnungstheorie, S. 58 ff. und S. 237 ff. In letzter Zeit weiterführend Bottke, Finalidades de la pena, S. 47 ff.; wenig hilfreich aber Scheffler, Jahrbuch f. Recht und Ethik 3 (1995), S. 375 ff., der Überlegungen in Richtung einer „systematischen Straftheorielehre“ verspricht, dagegen nur angebliche Zusammenhänge zwischen Straftheorie und kriminologischen Erklärungsansätzen nachzeichnet; unergiebig (und fragwürdig) auch Gössels, Sanktionen, S. 7 ff.: Unterscheidung fünf verschiedener Gründe der Strafe. 3 Hierzu kritisch auch etwa Haffke, Tiefenpsychologie und Generalprävention, S. 57; Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 5; Telp, Ausmerzung und Verrat, S. 36 f.

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

b) aa) Die Straftheorie ist erstens eine normative Theorie.4 Man wird also anhand einer Straftheorie nicht die Wirklichkeit beschreiben können, wie sie ist, sondern ihr vielmehr vorschreiben, wie sie sein soll. Dies hat Feuerbach deutlich gesehen, der eine „kleine Verstandesschwäche“ gestand, nämlich dass sein „leidiger Verstand schlechterdings nicht begreifen will, wie man aus der Erfahrung, daß etwas recht sey, lernen kann“.5 Eine Straftheorie ist keine Dogmatik des positiven Rechts, sondern soll die Kriterien entwickeln, anhand deren man sowohl das positive Recht als auch seine Dogmatik zu messen hat. Insofern ist Bindings Satz, wonach die Straftheorien „Theorieen nicht der wirklichen, sondern einer imaginären Strafe“ seien, als Feststellung richtig, als Kritik aber falsch.6 Das bedeutet ferner, dass die Aussagekraft empirischer Erkenntnisse im Rahmen der Straftheorie begrenzt erscheinen wird. Ein Widerspruch zwischen Straftheorie und Strafwirklichkeit bedeutet in der Regel nicht, dass die Straftheorie zu revidieren wäre, sondern vielmehr, dass die Wirklichkeit etwas Illegitimes enthält und deshalb zu ändern ist.7 bb) Die Straftheorie bildet also den Maßstab und die Grundlage jeder normativen Stellungnahme zur Strafe und ihrer Legitimität. Eine richtige oder falsche, bewusste oder unbewusste, aber doch immer anwesende Straftheorie wird deshalb sowohl im alltäglichen als auch im wissenschaftlichen Diskurs über die Strafe notwendig vorausgesetzt. Wenn wir etwa in unserem Alltag behaupten, irgend ein Gauner gehöre in den Knast, gehen wir implizit davon aus, die Bedingungen einer legitimen Haftstrafe seien im Falle dieses Gauners erfüllt; und umgekehrt, wenn wir meinen, man tue jemandem Unrecht an, wenn man ihn bestrafe, setzen wir voraus, dass hier eine Bedingung der legitimen Strafe fehlt. Gleiches gilt für die wissenschaftliche Argumentation, sowohl auf der kriminalpolitischen, als auch auf der engeren strafrechtsdogmatischen Ebene.8 Um nur einige Beispiele zu erwähnen: Auf kriminalpolitischer Ebene beruht etwa die 4 Hierzu lehrreich Ferrajoli, S. 316 ff.; ihm im Wesentlichen zust. Demetrio Crespo, Prevención general, S. 56 f.; ferner Mir Puig, PG7 § 3/1 (anders ders., Introducción2, S. 76 f.); Duff, Punishment, Communication, Community, S. XV. 5 Feuerbach, Revision II, p. XXIX; die eingehendste Stellungnahme gegen die Möglichkeit, aus Tatsachen normative Theorien abzuleiten, befindet sich schon im seinem ersten Buch: Feuerbach, Beweisgründe, S. 9 ff.; vgl. auch ders., Anti-Hobbes, S. 10; ders., Lehrbuch14, § 8, wo die Möglichkeit, die Grundlagen der Wissenschaft aus der Geschichte, d.h. aus Tatsachen, abzuleiten abgelehnt wird; und ders., Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 126 ff. in Auseinandersetzung mit Klein. In der Sekundärliteratur Nagler, Die Strafe, S. 383, Fn. 1. 6 Binding, Grundriss8, S. 203 f. 7 So der Sache nach auch Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 207, freilich mit unklarer Begrifflichkeit: „Denn nicht ist der Sinn der Strafe den bestehenden (schlechten) Verhältnissen anzupassen, sondern die bestehenden Verhältnisse sind dem Sinn der Strafe anzupassen“. 8 Vgl. dazu insb. Bauer, Warnungstheorie, S. 244 ff., der die Bedeutung der Straftheorie für den Gesetzgeber, den Richter und den Wissenschaftler eingehend beschreibt.

I. Vorüberlegungen

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Forderung, man müsse den Ladendiebstahl wegen zu hoher Dunkelziffer entkriminalisieren und nach Alternativen zum Strafrecht suchen,9 auf der impliziten Anerkennung einer Variante der negativen Generalprävention, denn hier wird die Abschreckung von der Tatbegehung als Legitimationsgrund für die Bestrafung angesehen und behauptet, diese Abschreckung finde gerade nicht statt. Auf dogmatischer Ebene fußt etwa das Verständnis vom Strafgrund des Versuchs auf dem rechtserschütternden Eindruck (sog. Eindruckstheorie)10 und mithin auf der positiven Generalprävention, in dem Sinne, wie diese unten gleich definiert wird. Es wäre deshalb naiv, die Straftheorie für eine juristische Spitzfindigkeit zu halten. Es gilt vielmehr, dem wissenschaftlich arbeitenden Juristen die immer schon vorausgesetzte Straftheorie ins Bewusstsein zu bringen und sie auf ihre Haltbarkeit hin zu überprüfen. cc) Das bisher Gesagte ermöglicht es, einen an sich selbstverständlichen, trotzdem häufig übersehenen Punkt zu erkennen: Die Straftheorie als normative Theorie, welche Maßstab und Grundlage für die Beurteilung einer Strafe und ihrer Legitimität bildet, ist noch keine Rechtfertigung der Strafe, so wie diese in der Realität ist. Die Straftheorie besagt vielmehr, wie die Realität der Strafe aussehen soll, damit man eine gerechtfertigte Strafe hat. Die straftheoretische Reflexion ist also entgegen Engisch11 – der hier das Selbstverständnis vieler Juristen geschildert haben dürfte – gerade keine Theodizee der Strafe: Der gottesgläubige Theologe weiss von vornherein, dass es erstens einen guten, allmächtigen Gott gibt, zweitens aber auch, dass es Böses in der Welt gibt, so dass er sich allein mit der Frage zu befassen hat, wie sich beide Sätze miteinander vertragen können. Dass dieses Böse in irgend einem näher zu bestimmenden Sinne gut sein muss, ist ihm schon von Anfang an klar, denn Gott ist gut und allmächtig. Der Straftheoretiker weiß dagegen nur von dem entsprechenden zweiten Satz: dass es Böses, nämlich die Strafe, gibt. Davon, dass dieses Böse gut sein müsse, weiß er nicht, denn ihm fehlt die dieses Ergebnis tragende Prämisse, nämlich das Analogon zum erstem Satz – die Güte des Staates an der Stelle der Güte Gottes. Das einzige, worüber der Straftheoretiker zu urteilen hat, ist, wie das Böse der Strafe beschaffen sein muss, damit sie gerechtfertigt wird. Dass die wirkliche Strafe tatsächlich so beschaffen ist, sagt ihm die Straftheorie nicht, also sagt ihm die Straftheorie auch nicht, dass tatsächlich bestehende Strafen gerechtfertigt sind – dazu brauchte man zusätzliche empirische Informationen. Denn ob der Staat gut ist, ist zum Teil eine empirische Frage. 9

Dazu die Nachweisen bei Kaiser, Kriminologie, § 68/1, Fn. 2. So etwa Jescheck/Weigend, AT5, § 49 II 3 und Eser, in: Schönke/Schröder27, Vorbem § 22/22, m. w. Nachw. 11 Engisch, Todesstrafe, S. 25: „Die Straftheorie ist für die Strafrechtler das, was für den Theologen die Theodizee ist. Es handelt sich um die Erklärung der Strafe als eines Übels, das dennoch irgendwie innerlich gerechtfertigt ist.“ Zum Theodizeeproblem instruktiv Kreiner, EuS 12 (2001), S. 147 ff. 10

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Damit ist die Aufgabe der Straftheorie zum einen als bescheidener, zum anderen aber auch als viel anspruchsvoller zu umschreiben, als man sich das vielleicht vorstellen mag: Die Straftheorie ändert nichts an der Welt des Strafens, ist aber Grundlage und Maßstab der Legitimität aller solchen Änderungen. Über die nähere Beschaffenheit der angesprochenen Bedingungen der legitimen Strafe und über den Begriff der Strafe selbst wäre natürlich noch einiges zu sagen. Da diese beiden Themenkreise Gegenstand ausführlicher Überlegungen Feuerbachs bildeten, werden wir uns jedoch erst in nachfolgenden Abschnitten in Auseinandersetzung mit ihm um diese Probleme kümmern.12 c) Das letzte, was noch an dieser Stelle zu klären wäre, ist die Frage, was zu tun ist, wenn die für die Legitimität des Strafens erforderlichen, von der Straftheorie genannten Bedingungen missachtet werden. Es geht m. a.W. um die Frage, wie ernst man die Straftheorie nehmen soll. Gesetzt der Fall, der Gesetzgeber erklärt ein Verhalten zu einem Verbrechen, obwohl es nach der Straftheorie unmöglich ein solches sein dürfte: Sollen Richter, Staatsanwalt und Polizist sich nun an den Gesetzgeber oder an die Straftheorie halten, soll sich der Bürger nach dem gesetzlichen Verbot richten oder nach seinem legitimen, vom Verbot missachteten Recht? Um es mit einem etwas krasseren Beispiel zu veranschaulichen: Soll der Richter, der weiss, dass die von ihm verhängten Freiheitsstrafen unter Bedingungen vollzogen werden, die bei entsprechender Anwendung auf Tiere eine Tierquälerei darstellen würden – wie es der Situation in vielen Ländern außerhalb Europas entspricht –, trotzdem die vom Gesetz geforderte Freiheitsstrafe verhängen? Es wäre allzu leicht, wollte man mit Arthur Kaufmann behaupten, dass die Strafe oft auch dort sein müsse, wo ihre letzte Rechtfertigung noch fehle, mit dem Hinweis, es sei unmöglich, strafrechtliche Prinzipien in reiner Form zu verwirklichen.13 Trotzdem wäre es gleichermaßen allzu leichtfertig, in entgegengesetzter Richtung die Verbindlichkeit von Gesetzen zu bestreiten, die sich nicht mit der Straftheorie vertragen. Eigentlich ist die hier angesprochene Problematik mit derjenigen des gesetzlichen Unrechts und der Frage nach dem Verhältnis von positivem und möglichem überpositivem Recht eng verwandt, und kann deshalb von der Straftheorie nicht selbst gelöst werden.14 Diese begnügt sich vielmehr mit der Feststellung, in einem bestimmten Fall sei Strafe legitim oder nicht, und dies, weil die für dieses Urteil erforderlichen Voraussetzungen a, b, c, . . . n erfüllt sind oder nicht. Was man nach der Ausformulierung dieses Urteils tun soll, ist eine eigenständige Frage, die von der Straftheorie nicht selbst beantwortet wird, sondern von anderen Lehren, wie etwa der Radbruch’schen Formel,15 der Lehre vom Widerstandsrecht16 oder derjenigen vom zivilen Ungehorsam.17 Sehr wahrscheinlich dürfte hier eine dif12 13 14

Siehe unten II. (S. 274 ff.). Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 164. Zur hiesigen Ausklammerung dieser Fragen bereits oben C. II. (S. 196).

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ferenzierte Antwort die richtige sein,18 aber es wäre eine zu große Anmaßung, wenn die vorliegende Untersuchung so weit über den abgesteckten Rahmen hinaus schießen wollte und diese Antwort selbst vorzulegen versuchte. Was die gerade erwähnten Richter tun sollen, das sagt ihnen die Straftheorie nicht, sie klärt sie aber darüber auf, dass ihr Verhalten als staatliches Verhalten illegitim ist und sich in seiner moralischen Qualität dem von ihnen judizierten verbrecherischen Verhalten weitgehend annähert. Die Straftheorie schafft in solchen Fällen zumindest das notwendige schlechte Gewissen, das jede Vermenschlichung der Strafrechtspflege überhaupt erst ermöglicht,19 und sie tut dies mit dem einzigen Mittel, demgegenüber sich die Macht als letztlich völlig ohnmächtig darstellt – mit der Macht des Arguments, mit der Macht der Vernunft. 3. Sind Straftheorien überhaupt zeitgemäß? Die abolitionistische Herausforderung a) aa) „Daß der Staat überhaupt ein Recht zu strafen habe . . . darüber sind alle Partheien einverstanden“.20 Eines gab es zu den Zeiten Feuerbachs soweit ersichtlich nicht: Autoren, die behaupteten, Strafe solle doch nicht sein, Strafe sei etwas Illegitimes, eine reine Machtausübung, die keinen Anspruch auf rechtliche oder moralische Vertretbarkeit erheben dürfe.21 Diese sog. Abolitionisten 15 Siehe Radbruch, Fünf Minuten, S. 210; ders., Gesetzliches Unrecht, S. 216; dazu mit vielen weiteren Nachw. zum Diskussionsstand Vassalli, Formula di Radbruch, S. 3 ff., 35 ff., 119 ff., 279 ff. 16 Dazu knapp Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht31, § 53 III m. w. Nachw. 17 Dazu in der politischen Philosophie etwa Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, S. 319 ff.; Dworkin, Civil Disobedience, S. 206 ff.; zu den straftrechtlichen Folgen Roxin, Ziviler Ungehorsam, S. 441 ff.; ders., AT I4 § 22/130 ff. 18 So etwa Cerezo Mir, Culpabilidad y pena, S. 195, Fn. 59 und Gracía Martin, Fundamentos, S. 189 f., wonach nur bei gravierenden Verstößen gegen Prinzipien materieller Gerechtigkeit, insb. gegen die Menschenwürde – in den hier zugrunde gelegten Begrifflichkeiten: nur bei Verstößen gegen eine deontologische Schranke erster Stufe – die Norm ihre Verbindlichkeit einbüßt. Ähnlich Welzel, Naturrecht und Rechtspositivismus, S. 293; Waiblinger, Nullum crimen, S. 258. 19 Hierzu die weisen Worte von Radbruch, Einführung7/8, S. 105 Fn. 1; ders., Vorwort zu Kirchmann, S. 23. Ihm zust. Eb. Schmidt, ZStW 69 (1957), S. 372; Hassemer, Einführung2, S. 86; R. Merkel, Handlungsfreiheit, S. 466; Alcácer Guirao, Lesión, S. 31; ausführlich dazu in Hinblick auf den Strafrichter Dreher, Schlechtes Gewissen, S. 45 ff.; selbstverständlich dagegen Dahm/Schaffstein, Liberales oder autoritäres Strafrecht, S. 19. 20 Schneider, Prinzip des Strafrechts, S. 9 f. Mit einem ähnlichen Satz beginnt Bauer, Warnungstheorie, S. 1, sein Buch. 21 Soweit ersichtlich – obwohl es in der Konsequenz jeder anarchistischen Position läge, abolitionistisch zu sein, so dass man sich nicht wundern sollte, wenn man bei frühen Anarchisten Abolitionismen finden würde. Deshalb hat van Swaaningen, Critical Criminology, S. 54 wahrscheinlich recht, wenn er sagt: „Opposition to the state’s right to punish is as old as the state itself“. Die Belege, mit denen er diese Behaup-

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beurteilen das gesamte Unterfangen der Bildung von Straftheorien als ein juristisches Hirngespinst, das eigentlich dem täuschenden Zweck diene, die Strafe als etwas Legitimes zu verkaufen, was sie in Wahrheit nicht sei und auch nicht sein könne. Straftheorien seien nicht mehr als ideologische oder technokratische Gebilde, die von machthörigen Juristen (ihrem konservativen Charakter entsprechend, wie gelegentlich wohlwollend hinzugefügt wird) zur Untermauerung von Herrschaftsverhältnissen entwickelt werden.22 So meint z. B. Lüderssen, dass Strafen schon begrifflich inhuman seien, und dass sie einen Anachronismus darstellten:23 „Rechtsstaatliches Strafen ist und bleibt eine contradictio in adiecto“.24 Zaffaroni weist, um es als zutiefst ungerecht zu brandmarken, auf die strukturelle Selektivität des Strafrechts hin, das seine „Klienten“ vorzugsweise aus den Mitgliedern der Unterschichten „rekrutiere“.25 Für Christie sind Strafen magische Rituale, deren Vereinbarkeit mit heutigen Anschauungen, insbesondere dem heutigen Menschenbild, fraglich erscheine.26 Viele Kriminologen, Soziologen und Philosophen kommen zu ähnlichen Ergebnissen.27 Wären diese tung untermauert, stammen sämtlich aus späteren Zeiten. Auch der von Zaffaroni, Girardin, S. 657 ff. angesprochene Girardin schrieb erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gegen die Inanspruchnahme von Morus und Campanella s. Jiménez de Asúa, Tratado II5, S. 16 ff. 22 Z. B. Baratta, Criminologia crítica, S. 153 ff., 191; Baratta/Silbernagel, KrimJ 1988, S. 37 f.; Scheerer, EuS 12 (2001), S. 70; Steinert, Symbolisches und instrumentelles Strafrecht, S. 103. 23 Der Anachronismus-Vorwurf wird am ausführlichsten begründet in Lüderssen, Krise, S. 30 ff., S. 38 ff., S. 49; ferner ders., Zurück?, S. 272; ders., Alternativen, S. 487; ders., Übernahme, S. 412; ders., Freiheitsstrafe, S. 47 f. (wo vom „Obrigkeitsaspekt“ im Ursprung der Strafe gesprochen wird), S. 50; ders., Über das Irrationale, S. 325 ff.; zust. Frehsee, StV 1996, S. 228. 24 Lüderssen, Freiheitsstrafe, S. 52; ders., Über das Irrationale, S. 328; fast wörtlich gleich ders., Zurück?, S. 274. 25 Zaffaroni, Sistema penal, S. 222 f.; ders., RBCC 20 (1997), S. 14; ders., RBCC 28 (1999), S. 68; Zaffaroni/Alagia/Slokar, PG § 2 II ff. (7 ff.); früher schon Sack, KritJ 1971, insb. S. 397 ff.; Baratta, Soziale Marginalisierung, S. 375 f., 380 ff., 384; ders., Criminologia crítica, S. 162 ff., 175 ff.; Baratta/Silbernagel, KrimJ 1988, S. 35, 46 Anm. 4; (zu Baratta und seinem erheblichen Einfluss im lateinsprachlichen Bereich siehe Avaria, RBCC 50 [2004], S. 193 ff.); siehe ferner Bianchini, RBCC 30 (2000), S. 61 ff.; siehe Carvalho, Pena e garantias, S. 142 ff. Cirino dos Santos, A Criminologia Radical, S. 86; Hulsman, Penas perdidas, S. 74 f.; Karam, RBCC 6 (1994), S. 119; Malaguti Batista, Ganhos, S. 44 ff.; Martínez Sánchez, RBCC 51 (2004), S. 303 ff.; Mathiesen, Gefängnislogik, S. 91; Messuti, RBCC 45 (2003), S. 9 ff.); Pereira de Andrade, Ilusão, S. 263 ff.; Quinney, Social Reality, S. 18 ff., 40, 43, 129 ff., 142, 213 ff.; Sack, Dunkelfeld, S. 106; ders., Selektion, S. 462 ff. Man lese bereits Tolstoi, Auferstehung, Teil I, Kap. 34 (S. 165), Kap. 40 (S. 203 f.), Teil II Kapt. 27 (S. 401), Kap. 30 (S. 418). 26 Christie, KrimJ 1988, S. 59 ff. 27 Siehe Aniyar de Castro, Criminologia, S. 93 ff.; Blad, EuS 12 (2001), S. 90 ff.; Einstadter/Henry, Criminological Theory, S. 293 (Strafrechtspflege als Verbrechen); Ferrel, Agenda of Authority, S. 161 ff.; ders., Crimes of Style, S. 186 ff. aus der Sicht einer anarchistischen Kriminologie; E. Neumann, RFDUC 11 (1986), S. 483 ff. (Straf-

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Einwände durchschlagend, dann wäre es doch wohl besser, sich als Jurist mit etwas anderem zu beschäftigen, als mit Straftheorien. bb) Auch aus einer anderen, früher überaus verbreiteten Richtung stellte man den Sinn der Reflexion über Straftheorien in Frage: In Deutschland waren es die geschichtlich orientierten Juristen der Generation nach Feuerbach, außerhalb Deutschlands die radikalen Positivisten des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts, die den Sinn der strafrechtsphilosophischen Reflexion nicht selten bestritten. Nach ihnen soll sich die wissenschaftliche Tätigkeit des Juristen darin erschöpfen, dass er sich mit dem positiven Rechte und mit empirischen Tatsachen befasse. In diesem Sinne urteilte der Strafrechtler und Strafrechtshistoriker Roßhirt, es sei das „System der Strafen . . . ein reines Produkt der Erfahrung“, und es sei daher „vergebliche Mühe . . ., nach allgemeinen Grundsätzen zu suchen“;28 und außerhalb Deutschlands wies man die „ewigen Fragen mit bitterem metaphysischem Geschmack zur Natur des Verbrechens und zum Grunde der Strafe“ als unwissenschaftlich zurück.29 Diese Haltung beruht auf dem recht als Viktimisierungssystem); Pavarini, Cahiers de defense sociale 2003, S. 229 ff.; ferner die Aufsätze in Henry/Milovanovic (Hrsg.), Constitutive Criminology, die von einer Perspektive der Illegitimität der Strafrechtspflege ausgehen und sich für einen Ersatzdiskurs („displacement discourse“) aussprechen (etwa Henry/Milovanovic, Introduction, S. 9; Bak, Constitutive criminology, S. 28, 30 f.; L. Sanchez, Sex trade, 55 ff.); oder die insb. von Kreissl, KrimJ 1989, S. 256 ff.; ders., Kritische Kriminologie, insb. S. 32, 35, 37; ders., KrimJ 2000, S. 271 ff. propagierte „Reflexive Kriminologie“, wonach die Kriminologie sich um einen alternativen, die eigenen Konstruktionsbedingungen mit einbeziehenden Diskurs bemühen soll, der sich nicht von den Apologeten des strafenden Staates zu dessen Legitimation einverleiben lässt (dazu noch die Aufsätze im KrimJ 2000, S. 277 ff.); Quinney, Social Reality, S. 303, 315 f., aus einer radikal nominalistischen konfliktkriminologischen Perspektive; Schumann, Progressive Kriminalpolitik, S. 384; Ward, Noble Lies, S. 79 ff.; wohl auch Demetrio Crespo, Cahiers de defense sociale 2003, S. 126; Kunz, Muss Strafe wirklich sein?, S. 76; Larrauri, Poder y Control 3 (1987), S. 112 ff.; Novoa Monreal, Derecho de castigar, insb. S. 201 ff.; Vormbaum, ZStW 107 (1995), S. 746 f. Überwiegend gegen die Freiheitsstrafe, nicht aber die Strafe an sich, richtet sich die Argumentation Mathiesens, The Politics of Abolition, S. 23 f., 39 ff.; ders., Prison Construction, S. 83 ff.; ders., Gefängnislogik, S. 156; und in Anschluss an ihn Papendorf, Gesellschaft ohne Gitter, S. 89 ff., 130 f. Siehe ferner die Aufsätze in dem von Bianchi und van Swaaningen hrsgg. Sammelband „Abolitionism. Towards a Non-Repressive Approach to Crime“, Amsterdam (1985); im Sammelband „Vom Ende des Strafvollzugs“ (1988), hrsgg. von Schumann/ Steinert/Voß; in der von Papendorf und Schumann hrsgg. deutschen Festschrift für Mathiesen (1993); in dem 2003 erschienenen Band der Zeitschrift Cahiers de Defense Sociale; und – gegen das Gefängnis – in dem von Ortner hrsgg. Sammelband „Freiheit statt Strafe“ (2. Aufl. 1986). 28 Roßhirt, Entwickelung, S. 440. In seinem dreibändigen „Geschichte und System des deutschen Strafrechts“ diskutiert man die Straftheorie auf zwei Seiten (Geschichte II, S. 1 f.). Anders im Frühwerk Lehrbuch, S. 20 ff. Vgl. auch Heffter, Lehrbuch, der kein Wort zu Straftheorien verliert. 29 So der brasilianische Reformer des 19. Jahrhunderts Tobias Barreto, Prolegomenos, S. 52 ff. (Zitat auf S. 52); ders., Fundamento, S. 161 ff.; ferner die Autoren der sog. juristisch-technizistischen Schule Italiens, vor allem Manzini, Trattato I, S. 7 ff.,

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schon kritisierten Nonkognitivismus und kann mit demselben Argument zurückgewiesen werden, wie dieser [oben C. II. (S. 143 ff.)]: Es gibt einen moralischen Diskurs über Strafen, der sinnvoll zu sein scheint. Ein Standpunkt, der besagt, Sätze wie: „die Todesstrafe ist illegitim“ oder: „B ist illegitim bestraft worden“ seien sinnlos oder wahrheitsunfähig, ohne zugleich eine plausible Erklärung für den angeblichen kollektiven Irrtum des gängigen Gebrauchs solcher Sätze anzubieten, führt sich selbst ad absurdum. Im Übrigen sei auf die weiteren Argumente oben verwiesen. cc) Zwar gehört der Abolitionismus seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr zu den expliziten Tagesthemen – Abolitionisten sind schon vor 15 Jahren als „soziologische Dinosaurier“ bezeichnet worden.30 Aus zwei Gründen erscheint es aber dennoch geboten, sich ernsthaft mit der abolitionistischen Herausforderung zu befassen. Zunächst ist die Einschätzung, wonach der Abolitionismus eine Sache der Vergangenheit sei, zu relativieren. Wenn auch heutzutage immer weniger Positionen aufscheinen, die sich als abolitionistisch bezeichnen,31 lebt die Kritik an der Strafe, am Strafrecht und an den Straftheorien immer noch,32 und außerhalb Deutschlands hat sie sogar unter Strafjuristen festen Fuß gefasst.33 Zweitens und wichtiger zu erwähnen ist, dass die vorliegende Arbeit eine Art Bilanz einer zweithundertjährigen Diskussion um die Rechtfertigung der Strafe anstrebt (siehe oben A. [S. 21 ff.]). Dieses Anliegen könnte man nicht erreichen, würde man eine der radikalsten und mutigsten Positionen, die dazu gebildet wurden, einfach ignorieren. Die abolitionistische Herausforderung ist ernst zu nehmen34 – sowohl in ihren abstrakten Zweifeln an einer Straftheorie überhaupt, als auch in ihren konkreten Einwänden gegen bestimmte straftheoretische Positionen.35 und Trattato III, S. 1 f., der die Straftheorien auf diesen zwei Seiten seines zehnbändigen Werkes zum Strafrecht behandelt; in Spanien etwa das traditionelle, noch bis 1995 aufgelegte große Lehrbuch von Rodríguez Devesa/Serrano Gomez, Derecho penal español18, S. 38. Aus diesem Grunde ist die Inanspruchnahme einiger dieser Autoren durch heutige Abolitionisten (etwa Zaffaroni, Penas perdidas, S. 203; Zaffaroni/Alagia/Slokar, PG § 5 III 4, die sich auf Barreto berufen) inhaltlich verfehlt und nur rethorisch erklärbar. Barreto verglicht die Strafe nicht deswegen mit dem Krieg (Fundamento, S. 178), um jener die Legitimation abzusprechen, sondern um zu behaupten, dass die Strafe einer Legitimierung nicht einmal bedürfe! 30 Sim, Abolitionist Approach, S. 263, der damit die Perspektive der Gegner kennzeichnen will; ferner Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 11. 31 Eine Ausnahme wäre van Swaaningens „Neo-Abolitionismus“, s. Critical Criminology, S. 202. Sogar Scheerer, EuS 12 (2001), S. 69 ff. hat die Entschiedenheit seiner früheren Stellungnahmen erheblich relativiert. 32 Siehe bereits oben Teil D., Fn. 27, insb. die dort zit. Cahiers de Defense Sociale (2003), mit zahlreichen Aufsätzen europäischer Sympathisanten. 33 Man bemerke, dass die ausländische juristische Literatur, die in den nächsten Fußnoten zitiert wird, z. T. wesentlich jüngeren Datums ist als die deutschsprachige. 34 So auch Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 239; Duff, Punishment, Communication, Community, S. XV, 30 ff.; Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 10 f.

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b) Unter Straftheorie wird hier die Theorie verstanden, welche die Bedingungen der Legitimität des Strafens angibt.36 Die Möglichkeit des legitimen Strafens wird von Abolitionisten bestritten, und aus diesem Grunde schenken sie der Reflexion über Straftheorien wenig Aufmerksamkeit, wenn sie nicht schon die Möglichkeit der Straftheorie als solche ausdrücklich ablehnen. Eigentlich ist der genaue Gehalt der abolitionistischen Gedanken sehr wirr, da man sich ziemlich sorglos auf unterschiedlichen Argumentationsebenen gleichzeitig bewegt.37 Definieren wir deswegen als abolitionistisch eine Argumentationskette, die zu dem Schluss kommt, es sei der Strafe die Legitimität abzusprechen.38 Man möge berücksichtigen, dass sich diese Definition nicht auf Autoren bezieht, auf bestimmte Personen, sondern auf Argumentationsketten, auf Prämissen und Schlussfolgerungen.39 Bei näherem Hinsehen entdeckt man aber zwei Sorten von Prämissen, die jenen Schluss untermauern. Entweder sind diese Prämissen normativen Charakters: ein bestimmtes normatives Gebot verbiete den Einsatz von Strafe; oder sie sind empirisch: Strafen sähen in der Wirklichkeit so und so aus, und daher sollte man ihnen die Legitimität absprechen. Demnach wird man zwei Arten des Abolitionismus unterscheiden können, 35 Mit den konkreteren Einwänden befasst man sich an den einschlägigen Stellen, etwa unten II. 3. d), (S. 363 ff.). 36 Siehe oben 2 (S. 203). 37 Das ist keine allein an Abolitionisten und ihre „Abneigung gegen definitorische Eingrenzungen“ (so Scheerer, KrimJ 1984, S. 98) gerichtete Kritik. Auch auf der Seite ihrer Gegner vermisst man überwiegend die notwendigen analytischen Vorunterscheidungen. Ein vorrangiges Ziel dieser Arbeit ist es aber, einen Beitrag zur argumentativen Sauberkeit zu liefern. Unbestimmtheit und Analysebedarf beim Abolitionismus stellen auch Feest, KrimJ 1984, S. 229 und Scheerer, Abolitionismus, S. 292 fest. Einen Beitrag zur Bewältigung dieser Probleme findet man bei ihnen aber nicht. 38 Ähnlich Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 234, der seinen Begriff auch erheblich einschränkt. Also ist der hiesige Gebrauch des Begriffs Abolitionismus breiter als der des kriminologischen Schriftums (beispielhaft Smaus, KrimJ 1985, S. 2; van Swaaningen, Critical Criminology, S. 116). Eine Bemerkung zur Wortwahl: Eigentlich steckt hinter der Bezeichnung „Abolitionismus“ der Anspruch, sich in die Tradition der Kämpfe um die Abschaffung einiger Verstöße gegen das Instrumentalisierungsverbot im hiesigen Sinne (siehe oben C. III. [S. 177 ff.]), insb. also den Kampf um die Abschaffung der Sklaverei und der Todesstrafe, einzuordnen (vgl. etwa Bianchi, Pitfalls, S. 147; Scheerer, KrimJ 1984, S. 92 ff.; ders., Abolitionismus, S. 287, 289 ff.; Schumann, KrimJ 1985, S. 22; van Swaaningen, What is Abolitionism?, S. 10 f., wo eine derartige Kontinuitätsgeschichte gezeichnet wird; ferner De Haan, Politics of Redress, S. 74; Steinert, Kriminalsoz. Bibliografie 56/57 [1987], S. 149). Ob diese geschichtliche Einordnung zutrifft, ist eine weitere, die hiesigen Überlegung nicht interessierende Frage. Man gebraucht hier deshalb das an sich ideologisch belastete Wort, mit dem Vorbehalt, dass es allein im oben definierten, alle geschichtliche Zuordnungsfragen ausklammernden Sinn verwendet wird. 39 Für personenbezogene Darstellungen des Abolitionismus s. Folter, Contemporary Crises 10 (1986), S. 41 ff.; García-Pablos, Tratado de Criminología2, S. 1005 ff.; van Swaaningen, Critical Criminology, S. 118 ff., 136 ff.

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einen normativen und einen empirischen.40 Aber diese Argumente können ihrerseits eine zweifache Reichweite haben: Entweder beziehen sie sich nur auf die Strafe, deren Legitimität sie bestreiten, ohne die Legitimität des Staates mit anzugreifen – eine Position, die man einen etatistischen oder nicht-anarchistischen Abolitionismus nennen könnte; oder sie bestreiten die Legitimität der Strafe nur als Konsequenz eines weiterreichenden Arguments, das schon den Staat als solchen nicht anerkennt – wofür die Bezeichnung anarchistischer Abolitionismus angebracht erscheint.41 Es kann dementsprechend vier Arten des Abolitionismus geben, je nachdem, ob die ihn tragenden Argumente normativ oder empirisch, etatistisch oder anarchistisch sind. Wer welchen Abolitionismus genau vertritt, wird nach diesen analytischen Unterscheidungen zweitrangig, denn meistens tauchen bei den verschiedenen Autoren undifferenziert mehrere Argumentationsstränge auf. Jetzt bleibt nur noch die Aufgabe, den sachlichen Gehalt der vier Abolitionismen genauer unter die Lupe zu nehmen.42 Dazu fangen wir mit dem anarchistischen Abolitionismus in seinen zwei Versionen an. 40 Eine ensprechende Unterscheidung trifft Simmons, Philosophical Anarchism, S. 20 in Bezug auf den Anarchismus; ähnlich Duff, Punishment, Communication, Community, S. 31, der von kontigentem und absolutem Abolitionismus spricht. 41 Drei Bemerkungen, um Missverständnisse zu vermeiden: „Anarchismus“ bedeutet hier nicht Apologie der Unordnung, sondern nur – gemäß dem moderneren Verständnis – die politisch-philosophische Ansicht, wonach dem Staat Legitimität abzusprechen ist (vgl oben Teil C., Fn. 78). Also erfasst der Begriff viel mehr als die Ansichten, die man herkömmlich zu den anarchistischen rechnet: Kurz und konkret gesprochen wäre nicht nur Bakunin, sondern auch Marx nach hiesiger Begriffsbestimmung ein Anarchist. Der hiesige Gebrauch des Begriffs „etatisch“ soll nicht päjorativ missverstanden werden, und vor allem soll mit seiner Verwendung nicht die Selbstverständlichkeit geleugnet werden, dass Abolitionisten in aller Regel dem Staat misstrauen und in diesem Sinne antietatisch eingestellt sind (so Kaiser, Abolitionismus, S. 1031; ders., Kriminologie10, S. 109, und Kunz, Kriminologie4, § 8/19, die beide den Begriff auch mit dieser Bedeutung gebrauchen). Hier bezeichnet er dagegen nur die Ansicht, die den Staat nicht für illegitim hält, also nicht anarchistisch ist. Man könnte präziser sein und den Begriff des „Etatismus“ für die Lehre reservieren, die den Staat für legitim hält. Enthält man sich eines negativen Legitimitätsurteils, ohne ein positives zu fällen, dann wäre vielleicht die Bezeichnung „Nicht-Anarchismus“ angemessener. Eine derartige Unterscheidung ist für unsere Zwecke aber unnötig, so dass die Begriffe „etatisch“ und „nicht-anarchistisch“ im folgenden als Synonyme verwendet werden. Drittens ist die hiesige Unterscheidung zwischen etatistischem und anarchistischem Abolitionismus in der Diskussion um den Abolitionismus nicht völlig unbekannt, wo man gelegentlich einen „phänomenologischen“ und einen „strukturellen Abolitionismus“ unterschieden hat (etwa Deflem, KrimJ 1992, S. 87, 94). Angesichts der Dunkelheit und der theoretischen Voreingenommenheit des Strukturbegriffs und der unklaren Gegenüberstellung von Struktur und Phänomenologie finde ich die hier gebrauchte Terminologie vorzugswürdiger. 42 Man könnte auch von einem begrifflichen Abolitionismus sprechen, der die Strafe schon begriffsnotwendig für illegitim erklärt. Ein solcher ist vielleicht bei Lüderssen zu sehen, wenn dieser schreibt, „per defitinionem ist die Strafe ein Übel, und insofern

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aa) Ein anarchistischer Abolitionismus widerspricht der Legitimität der Strafe, aber nur als sekundäre Schlussfolgerung einer allgemeineren Position, die schon dem Staat die Legitimität abspricht. (1) Ein Beispiel für den normativen anarchistischen Abolitionismus bietet Tolstoi: Er denunziert den „unbegreiflichen Irrtum, wonach die einen Menschen andere bestrafen dürfen“,43 und begründet dies mit dem christlichen Gebot der Nächstenliebe, das auch verlange, dass man niemandem Böses zufüge, sondern die andere Wange hinhalte und sich mit dem Beleidiger versöhne.44 Sein Argument setzt voraus, dass jeder Zwang, und auch der, der gegen illegitimen („bösen“) Zwang eingesetzt wird, unzulässig sei – wenn dies schon jeder Zwang sei, dann erst recht der durch Strafe ausgeübte Zwang. In der heutigen politischen Philosophie gibt es ferner einige Autoren, die ohne direkten Bezug zur Problematik des Strafens aus normativen Gründen eine anarchistische Posiinhuman und ineffektiv“ (Freiheitsstrafe, S. 48; siehe auch sein contradictio in adjecto-Argument oben bei Teil D., Fn. 24, das auch, aber nicht nur, als begriffliches Argument verstanden werden könnte). Ist eine derartige Argumentation haltbar? Jeder, der gelernt hat, die begriffsjuristische Inversionsmethode anzuzweifeln [siehe dazu unten II. 1. (S. 276)], wird derartigen Argumenten zu Recht argwöhnisch begegnen. Denn der begriffliche Abolitionismus setzt sich derselben Gefahr aus, die jedes konzeptualistische Denken, d.h. jedes Denken, das den Anspruch erhebt, normative Fragen aus bloßen Begriffen zu lösen, ständig bedroht: die Gefahr des Etikettenschwindels. Wenn man allein durch Benennungen über die Legitimität von bestimmten Phänomenen entscheidet, kann man diese Legitimitätsbeurteilung einfach dadurch manipulieren, dass man die Phänomene anders benennt. Etwa ein hohes Schmerzensgeld, das von einigen als Alternative zur Strafe erwähnt wird (wohl Hulsman, Penas perdidas, S. 131) wäre dann legitim oder illegitim, je nachdem, ob man es für eine Strafe hält oder nicht. Die verwaltungsrechtlichen Bußgelder, die oft Milliardenhöhen erreichen, seien demnach nicht zu beanstanden, kleine Geldstrafen hingegen doch? Was würde nämlich jemanden daran hindern können, dem langjährigen Freiheitsentzug in einem Gefängnis den Strafcharakter abzusprechen, wenn dies sogar das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur nachträglichen Sicherungsverwahrung getan hat [BVerfGE 109, 133 (174) – dazu die Kritik unten II. 1. (S. 277)]? Die Frage, die man notwendig stellen muss, ist die, ob überhaupt soviel vom Namen abhängen kann. Mehr noch: Gegen eine derartige konzeptualistische Argumentation können alle Einwände gerichtet werden, die spätestens seit der Kritik der Begriffsjurisprudenz und ihrer sog. Inversionsmethode allgemein geläufig sind, insb. dass man aus einem Begriff nur dasjenige herausholen könne, was man früher in ihn hineingesteckt hatte (etwa Heck, Rechtsgewinnung, S. 18 ff., 22). Aus dem Begriff der Strafe kann man nur folgern, dass sie illegitim ist, wenn man zuvor eine normative Theorie hat, die jede Strafe für illegitim erklärt, die man aber kaschiert in den Strafbegriff hineinschmuggelt. Somit entpuppt sich der begriffliche Abolitionismus in Wahrheit als ein verdeckter normativer Abolitionismus. Ohne die argumentative Deckung seitens des letzteren entbehrt der begriffliche Abolitionismus jeder Schlagkraft. 43 Tolstoi, Auferstehung, Teil III Kap. 19 (S. 552); ferner Teil I Kap. 40 (S. 185): Jesus habe verboten, „Menschen einzukerkern, sie zu quälen zu verunglimpfen, zu richten und ihnen Gewalt anzutun“; Teil II Kap. 31 (S. 418 f.), Teil III Kap. 19 (S. 548 ff.). 44 Tolstoi, Auferstehung, Teil III Kap. 26 (S. 582), 591 f.; zu Tolstois Überlegungen zur Strafe Dorado Montero, Tolstoy, S. 590 ff.; Jiménez de Asúa, Tratado II5, S. 20 ff.

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tion vertreten: Ein prominentes Beispiel dafür wäre der schon erwähnte Robert Paul Wolff, der meint, Staaten seien illegitim, weil sie notwendig gegen eine nicht näher bestimmte „Autonomie des einzelnen“ verstießen.45 Gelegentlich bedienen sich auch Kriminologen einer derartigen normativ-anarchistischen Argumentation: Ein Beispiel wäre Steinert, der von der Illegitimität einer jeden Herrschaft ausgeht und in der Strafe in erster Linie eine Demonstration von Herrschaft sieht.46 Ausprägungen eines empiristischen anarchistischen Abolitionismus wären ein Großteil der bei sog. kritischen Kriminologen zu findenden Argumente, wie etwa dasjenige von Sack: Die Verteilung des negativen Gutes „Strafe“ folge den allgemeineren Regeln der Güterverteilung im Kapitalismus, die aber im Dienste der Reproduktion von Ungleichheiten und Herrschaftsverhältnissen stünden.47 Ähnlich behauptet der vor allem in lateinischsprachigen Kreisen einflussreiche Baratta, das Strafrechtssystem sei ein Mittel der Erhaltung und Reproduktion einer ungleichen und deshalb illegitimen sozialen Ordnung.48 Es ist zu bemerken, dass viele der Argumente, die nur als etatisch abolitionistisch kursieren, in Wahrheit schon anarchistich sind, und nicht erst die Legimität der Strafe, sondern vielmehr schon die des Staates bestreiten.49 Vermögen derartige Positionen das diese Arbeit belebende Anliegen, eine Straftheorie zu entwickeln, erfolgreich in Frage zu stellen? Dem normativen anarchistischen Abolitionismus kann man im hiesigen Rahmen nur wenig zu entgegnen. Schon gar nicht schwerwiegend erscheinen die spezifischen Probleme der Ansichten Tolstois oder Wolffs: Obwohl die Gedanken Tolstois in erster Linie als eine individualmoralistische Lehre gemeint sind und sich nur sekundär auf den Staat beziehen, hätten sie nicht nur zur schlimmen Folge, dass sie etwa eine vergewaltigte Frau moralisch zur wehrlosen Duldung verpflichteten, sondern insbesondere auch, dass sie als staatsmoralistische Lehre später auch dem Staat verböten, mittels Zwangsvollstreckung die Schadensersatzansprüche dieser Frau durchzusetzen. Und Wolffs Ansatz hat mit der Unbestimmtheit des Begriffs der Autonomie und insbesondere mit einer sehr irreführenden Berufung auf die theoretische Tradition Kants zu kämpfen. Viel bedenklicher ist es, dass die normativ-anarchistische Position für einige grund45

Wolff, Anarchism, S. 18 f. Steinert, Kriminalsoz. Bibliografie 56/57 (1987), S. 142 ff.; ders., Gerechtigkeit, S. 342; ders., Kriminalsoz. Bibliografie 66/67 (1990), S. 23, 25 f. „In erster Linie“, weil Strafe zudem der Sicherung von doziler Arbeitskraft diene. Eine ähnliche Theorie bei Bustos, Teoría de la pena, S. 117 ff. 47 Sack, Neue Perspektiven, S. 469 f.; ders., KritJ 1971, S. 399; zust. Baratta, Kriminalsoz. Bibliografie 439 (1985), S. 47. 48 Baratta, Criminologia crítica, S. 166, 175; ders., Kriminalsoz. Bibliografie 439 (1985), S. 41; ders., Jenseits der Strafe, S. 415. 49 Etwa Hulsmans Argument unten bei Teil D., Fn. 59. 46

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legende Tatsachen unserer moralischen Praxen überhaupt keinen Platz hat. Wenn wir etwa Staaten dafür kritisieren, dass sie Menschenrechtsverletzungen begehen, setzen wir voraus, dass andere Staaten, in denen derartige Verletzungen nicht vorkommen, moralisch besser aufgestellt sind als die ersten, also dass es Kriterien gibt, die bestimmen, wann ein Staat legitimer ist als ein anderer. Wenn wir uns moralisch für verpflichtet halten, an Wahlen teilzunehmen, unsere Meinung zu den Gesetzen zu äußern und die Regeln zu beachten, die als Ergebnis bestimmter Verfahren zustande kommen, gehen wir implizit von der Fähigkeit des Staates aus, uns irgendwie doch moralisch zu verpflichten. Dem Anarchisten ist zwar zuzugeben, dass eine endgültige Garantie für die Legitimität des Staates fehlen könnte.50 Trotzdem machen die gesamten Tatsachen unserer moralischer Erfahrung es zumindest unwahrscheinlich, dass wegen eines notwendigen Verstoßes gegen irgendeine normative Schranke alle Staaten per se illegitim seien, dass ein legitimer Staat überhaupt nicht denkbar erscheine, selbst wenn alle Mängel, die unseren jetzigen Staaten zweifelsohne anhaften, behoben wären. Die Begründung dieser Vermutungen wäre aber der Gegenstand einer anderen Untersuchung. Hier können wir vielmehr von der plausiblen Prämisse ausgehen, dass eine normative anarchistische Position, die also alle denkbare Staaten für illegitim erklärt, prima facie unhaltbar ist,51 so dass man aus diesem Grunde die Sinnlosigkeit straftheoretischer Bemühungen nicht ohne einen erheblichen zusätzlichen, soweit ersichtlich bisher nicht überzeugend geleisteten Begründungsaufwand dartun könnte. Im Übrigen gelten gegen diese Position viele der weiteren, gleich bei der Überprüfung der anderer Form des anarchistischen Abolitionismus zu entwickelnden Erwägungen. (2) Eine andere Sache wäre es aber, die Möglichkeit eines legitimen Staates zu akzeptieren, aber des Weiteren darauf zu bestehen, dass die Wirklichkeit der uns bekannten Staaten ganz anders aussehe. Dies wäre die Strategie einer empiristischen anarchistischen Position. Der Staat sei nicht an und für sich – a priori – illegitim, sondern die Staaten, so wie wir sie kennen, seien es doch alle, und 50 Deshalb sind die Bedenken von Simmons, Philosophical Anarchism, S. 33 f., und Green, Political Obligation?, S. 14 gegen den Versuch, die Legitimität des Staates auf unsere Intuitionen zu stützen, hier nicht durchschlagend, da die Frage nach der Legitimität des Staates hier auf inhaltlicher Ebene offen gelassen wird und nur methodisch im Sinne einer Argumentationslastregelung gegen das Bestreiten dieser Legitimität beantwortet wird. Selbstverständlich sind die in dieser Arbeit immer wieder angesprochenen moralischen Intuitionen nicht mit unreflektierten Billigungsgefühlen der Bevölkerung zu verwechseln – die sich bekanntlich sogar auf klare Missbräuche der Polizeigewalt beziehen können (s. die Studie von Briceño-León/Carneiro/Cruz, Polícia, S. 122 ff.). Im Ergebnis ähnlich wie hier Rawls, Political Liberalism, S. lx, der sich insb. angesichts der Kriege und Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts fragt, ob es bei zwischenmenschlichen Beziehung nicht mehr geben solle, als Zwang und Macht. 51 Ähnlich auch der Anarchist Simmons, Philosophical Anarchism, S. 25 f., der sich für einen empiristischen Anarchismus einsetzt.

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dies mache auch die Strafe zu etwas Illegitimem. Derartige Argumente haben tatsächlich ein anderes Gewicht. Ist schon der Staat ungerecht, wird es umso schwerer, die Gerechtigkeit der Strafe darzutun. Wie Jakobs insoweit zu Recht sagt: „Strafe kann überhaupt nur durch den Wert der Ordnung legitimiert werden, für deren Erhalt gestraft wird“.52 Trotzdem gibt es wenige, die bereit wären, in unseren heutigen demokratischen Rechtsstaaten wegen der ihnen noch sicherlich anhaftenden Makel so etwas zu sehen wie ein durchlöchertes Schiff, das man bei der ersten Möglichkeit zu verlassen habe, weil sich die Reparatur kaum mehr lohne. Die durchaus gegebenen Probleme erscheinen deshalb nicht so schwerwiegend, dass sie uns zur Preisgabe des Schiffes zwingen. Das Zusammenleben unter dem Dache des Staates bedeutet also noch einen Wert. Die Reichweite des empiristischen Anarchismus erscheint deshalb intuitiv begrenzt. Das, was in seiner Reichweite liegt – bildlich gesprochen: die Löcher, auf die er hinweist; ohne Bild: die Bestrafung des einer armen zerrütteten Familie entstammenden, arbeitslosen analphabeten jungen Mannes wegen eines kleinen Diebstahls in einer zutiefst ungerechten Gesellschaft – bleibt aber zugegeben ein Problem, und es ist ein Verdienst des Abolitionismus, dem Juristen zum notwendigen schlechten Gewissen zu verhelfen.53 Dessen ungeachtet kann der empirische anarchistische Abolitionismus nicht die Sinnlosigkeit der straftheoretischen Auseinandersetzung belegen, und dies aus zwei Gründen, von denen nur der zweite letztlich entscheidend erscheint. Der erste, trotzdem erwähnenswerte Grund ist, dass der Abolitionist, der sich anarchistischer Argumente bedient, Fragen berührt, die der Straftheorie vorgelagert sind und die in die engere Zuständigkeit der politischen Philosophie oder desjenigen, was man hier Staatstheorie genannt hat, fallen. Diese hat nämlich die Bestimmung der Bedingungen jeder legitimen Machtausübung zur Aufgabe. Der Strafjurist und auch der Kriminologe, die sich auf diese abstraktere Ebene begeben, riskieren es, dilettantisch zu bleiben und der ihnen gestellten Aufgabe nicht gerecht werden zu können.54 Dieser politisch-philosophische Dilettantismus ist spätestens bei den beliebten „marxistischen Pauschaldiagnosen“ unübersehbar.55 Um nicht demselben Fehler zu erliegen, hat man sich in dieser Arbeit 52 Jakobs, AT2 § 1/20; ähnlich ders., Schuldprinzip, S. 26; ders., Sozialschaden?, S. 47 ff. 53 Die Erweckung von schlechtem Gewissen wird häufig als weiteres Ziel abolitionistischer Bestrebung angeführt, vgl. De Haan, Politics of „Bad Conscience“, S. 171 f. (= ders., Politics of Redress, S. 80 f.). Zum schlechten Gewissen des Strafrechtlers bereits oben Teil D., Fn. 19. 54 Dagegen führen weder die Rede von einer notwendigen Interdisziplinarität (etwa Zaffaroni, RBCC 29 [2000], S. 247 ff.) noch der Vorwurf des Konformismus (Zaffaroni, Sistema penal, S. 231) weiter. Zu den wenigen Ausnahmen gehört der vorzügliche Text von J. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), S. 231 ff., insb. 238 ff. 55 Um den treffenden Ausdruck von Vanberg, Abschreckung, S. 12 zu gebrauchen.

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weitgehend damit begnügt, einige minimale Bedingungen für die legitime Ausübung von Staatsmacht zu formulieren bei engst möglichem Bezug zu grundlegenden moralischen Intuitionen der liberalen Tradition. Es empfiehlt sich, für derartige Bedingungen der Legitimität des Staates, die auch als Bedingungen der Legitimität der Strafe eine Bedeutung haben können, die von Duff eingeführte Bezeichnung als Vorbedingungen der Strafe (preconditions of punishment) einzuführen.56 Aber der zweite, entscheidende Grund dafür, dass man trotz Anerkennung der begrenzten Berechtigung empiristisch-anarchistischer Argumente die straftheoretische Reflexion nicht verabschieden sollte, ist gerade der, dass die jetzt geltend gemachten abolitionistischen Gründe nur empirisch und begrenzt erscheinen. Da sie empirisch sind, schließen sie nicht aus, dass ein Staat, in dem diese empirischen Tatsachen nicht gegeben sind, legitim erscheint: und diesem Staat müsste man eine Straftheorie vorlegen können, damit er nicht beim Strafen plötzlich doch etwas Illegitimes tut. Und da sie nur eine begrenzte Reichweite aufweisen und nicht einmal die Staaten, in denen wir leben, etwa die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesrepublik Brasilien, die Vereinigten Staaten von Amerika usw., für völlig illegitim erklären können, sondern nur in einigen Teilaspekten, erscheint die Straftheorie gerade deshalb notwendig, damit sich den schon bestehenden Ungerechtigkeiten nicht noch die einer (ceteris paribus) ungerechten Strafe hinzugesellt. Die Forderung des empirischen anarchistischen Abolitionismus, auf Straftheorien völlig zu verzichten, lässt sich deshalb auf den Kopf stellen: Gerade weil unsere Staaten ihre empirischen Legitimitätsprobleme nicht völlig gelöst haben, brauchen wir eine Theorie, die angibt, wie sie sich der Strafe legitim bedienen sollen. bb) An nächster Stelle sind die Herausforderungen des etatistischen Abolitionismus zu prüfen. Ein etatistischer oder nicht-anarchistischer Abolitionismus stellt nicht den Staat, sondern nur die Strafe in Frage. Er geht von der Vorstellung aus, der Staat sei an sich legitim oder zumindest nicht illegitim. Nur die Strafe sei es aus normativen oder empirischen Gründen nicht. (1) Der normative etatistische Abolitionismus behauptet einen notwendigen Widerspruch zwischen der Strafe und grundlegenden normativen Regeln oder Prinzipien. Beispiele für normativ etatistische Argumente findet man bei Nils Christie, der dem Strafrecht vorwirft, es stehle dem Opfer seinen Konflikt und sei mit dem Gedanken eines mündigen Bürgers nicht zu vereinbaren,57 bzw. 56 Duff, Oxford Journal of Legal Studies 18 (1998), S. 192 ff.; ders., Punishment, Communication, Community, S. 179. 57 Christie, British Journal of Criminology 17 (1977), S. 7 ff.; ders., KrimJ 1983, S. 25; ähnlich auch Hulsman, Penas perdidas, S. 102 f.; ders., Kriminalsoz. Bibliografie 35 (1982), S. 65; Pilgram/Steinert, Abschaffung der Gefängnisse, S. 210 ff.; van

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behauptet, das Strafrecht sei als absichtliche Zufügung vom Schmerz moralisch nicht legitimierbar,58 bei Hulsman, der meint, jede legitime Strafe setze das Einverständnis aller Beteiligten voraus,59 oder bei De Haan, der in jeder Strafe eine notwendige Verletzung von Gleichheit und Gerechtigkeit sieht.60 In der Tat würde der normative Abolitionismus die straftheoretische Diskussion zu einem müßigen Geschäft machen. Zur Verdeutlichung denken wir an Phänomene wie die Sklaverei oder den Genozid, für die es einfach keine Theorie ihrer Legitimierung geben darf, da sie jede denkbare Legitimitätsgrenze bei Weitem überschreiten. Eine Theorie der legitimen Sklaverei darf es nicht geben, ebenso wenig eine des legitimen Genozids. Unter keinen denkbaren Bedingungen sind derartige Handlungen zu gestatten. Ein normativer etatistischer Abolitionismus bezieht diese Argumentation auch auf die Strafe und behauptet, auch hier seien keine Kompromisse möglich.61 Nun ist es aber so, dass der normative etatistische Abolitionismus selten dasjenige liefert, was er liefern müsste: nämlich die genaue Bezeichnung der von der Strafe notwendig verletzten Grundregeln oder -prinzipien. Die Gründe, welche die Illegitimität der Sklaverei oder des Genozids tragen, nämlich der notwendige Verstoß gegen absolute deontologische Schranken, insb. gegen die Schranke des Instrumentalisierungsverbots, kommen eben nicht zu einer automatischen Verurteilung einer jeden Strafe. Denn dass eine für eine bestimmte Zeit angeordnete, vom Gesetz angedrohte, vom unabhängigen Richter in einem Anklageprozess ausgesprochene, nicht erniedrigende oder schuldübersteigernde Freiheitsentziehung immer etwas Illegitimes sein muss, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Anders als beim Genozid oder bei der Sklaverei, bleibt es bei der Strafe eine offene Frage, ob der Staat noch im Namen des Betroffenen sprechen kann.62 Um die Illegitimität der Strafe behaupten zu können, würde der normaSwaaningen, What is Abolitionism?, S. 14; Scheerer, Abolitionismus, S. 297; Steinert, Kriminalsoz. Bibliografie 56/57 (1987), S. 151, 155; Zaffaroni, Sistema penal, S. 221; ders., RBCC 28 (1999), S. 64; Zaffaroni/Alagia/Slokar, PG § 16 (S. 218 ff.); wohl auch Smaus, KrimJ 1985, S. 14 ff. mit Rückgriff auf die Habermas’sche Unterscheidung von System und Lebenswelt. 58 Christie, Limits to Pain, S. 5, 10 f.; ders., KrimJ 1983, S. 25; ähnlich Hulsman, Kriminalsoz. Bibliografie 35 (1982), S. 64. 59 Hulsman, Penas perdidas, S. 87. Man könnte fragen, ob dieses „Zustimmungsmodell“ nicht eher unter den anarchistischen normativen Abolitionismen zu subsumieren wäre, denn seine konsequente weitere Anwendung auf den Staat würde auch diesen für illegitim erklären. Aus welchen Gründen auch immer, diesen erweiternden Schluss zieht Hulsman nicht. Das Argument bezieht sich nur lokal auf die Strafe, und so wird es hier zunächst verstanden. Dazu trotzdem der weitere Text. 60 De Haan, Politics of Redress, S. 127 f. 61 Dass die Analogie zur Sklaverei selbst in der Bezeichnung „abolitionistisch“ zum Ausdruck kommt, ist bereits oben Teil D., Fn. 38 bemerkt worden. Sie wird von Steinert, Kriminalsoz. Bibliografie 56/57 [1987], S. 150; ders., Kriminalsoz. Bibliografie 66/67 (1990), S. 23 ausdrücklich gezogen. 62 Siehe zu diesem Kriterium der offenen Frage oben C. III. (S. 178).

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tive etatistische Abolitionismus eine ausgearbeitete Theorie der Grenzen legitimer Staatsgewalt vorlegen müssen, die gerade die Strafe ausschließt, was soweit ersichtlich bisher nicht überzeugend getan wurde – insbesondere weder von Christie, der über Gefühlsappelle gegen absichtliche Schmerzzufügungen nicht hinaus geht,63 noch von den Haan und seinem pauschalen Hinweis auf vermeintliche Verstöße gegen Gleichheit und Gerechtigkeit. Wie das zu tun wäre, ohne auf einen normativen anarchistischen Abolitionismus zurückzufallen, ist auch kaum ersichtlich. Würde man diesen Schritt aber wagen, dann hätte man mit den Problemen zu kämpfen, welche dieser anarchistischen Position anhaften. Das ist insbesondere für Hulsmans oben erwähntes Argument der Fall: Warum jede Strafe das Einverständnis der Beteiligten voraussetzen soll, ist entweder unklar oder nur auf dem Hintergrund einer radikalen Staatstheorie verständlich, wonach das Einverständnis eines jeden Bürgers eine notwendige Bedingung der Legitimität von Staatshandeln ist – die Probleme, die er dann hat, sind die gleichen, wie etwa die eines R. P. Wolff. Ferner erscheinen die Mehrzahl der für einen etatistischen normativen Abolitionismus ausgespielten Argumente unfähig, das Versprochene – nämlich die Illegitimität aller Strafen – darzulegen. Denn das angebliche, von Christie behauptete Verbot, fremde Konflikte eigenmächtig zu schlichten, würde vielen Bestrafungen nichts entgegenhalten können: Schon im Falle eines heimlich getöteten Familienlosen, in dem kein Konflikt mehr zwischen dem Täter und irgendwelchen anderen Parteien zu erblicken ist, reicht der Satz nicht aus, die Legitimität der Strafe auszuschließen und einen umfassenden Abolitionismus zu begründen. Nicht besser ergeht es anderen Argumenten, wie Hulsmans Zustimmungsargument: Stimmt der Bestrafte, etwa aus religiösen oder masochistischen Gründen der Bestrafung zu – ein bekanntes Beispiel für das Zusammentreffen beider liefert Dostojewskis Raskolnikow – dann sind Strafen nicht mehr insgesamt illegitim. Somit erscheint das Zwischenfazit berechtigt, dass auch der normative etatistische Abolitionismus keine ernsthafte Herausforderung an die Straftheorie darstellt. (2) Aber man könnte noch behaupten, Strafe sei deshalb illegitim, weil sie in der Wirklichkeit immer eine bestimmte negative Eigenschaft aufweise – etwa weil sie selektiv sei,64 weil sie als besonderes Mittel der Beherrschung und Disziplinierung der Unterschichten fungiere65 oder weil sie nicht erforderlich sei, 63 Ausführlichere und ausdifferenziertere Kritik bei v. Hirsch, KrimJ 1983, S. 58 ff.; Kaiser, Abolitionismus, S. 1035 f.; v. Trotha, KrimJ 1983, S. 40 ff. 64 Siehe oben Teil D., Fn. 25. 65 So vor allem Fromm, State as Educator, S. 123 ff. (Strafe als Einprägung eines zur Hörigkeit leitenden Über-Ichs); Foucault, Überwachen, S. 173 ff. (Disziplinierung); diesem Argument Foucaults zustimmend etwa Barbero Santos, Prisión, S. 123; Malaguti Batista, Ganhos, S. 39 ff.; die Disziplinierungsthese wird in der heutigen

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sondern sich unproblematisch durch effektivere Formen sozialer Konfliktlösung ersetzen ließe.66 Eine solche Argumentation wäre die eines etatistischen bzw. nicht-anarchistischen empirischen Abolitionismus. Von den vier oben skizzierten Argumentationsstrategien gegen die Strafe ist sie zweifelsohne die schlagkräftigste. Eine selektive Strafe, die nur der Beherrschung und Disziplinierung bestimmter Teile der Bevölkerung diente, oder eine doch entbehrliche Strafe, die nur den Weg zu humanerer Lösung sozialer Probleme versperrte, könnte man sich nur schwer als etwas Legitimes vorstellen. Aber die weitere Folgerung, es sei auf eine Straftheorie deshalb zu verzichten, vermag der empirische etatistische Abolitionismus nicht zu tragen. Aus der Benennung empirischer Tatsachen kann schon aus logischen Gründen keine normative Theorie widerlegt werden. Die normative Theorie behauptet eben, die

kritischen Kriminologie als ein wahres Forschungsprogramm zur Entlarvung einzelner strafrechtlicher oder gesamtgesellschaftlicher Institute gepflogen, etwa der Alternativen zur Freiheitsstrafe (net widening, etwa Mathiesen, Gefängnislogik, S. 162; Scheerer, Abolitionismus, S. 294), der lebenslangen Freiheitsstrafe (H.-M. Weber, MSchrKrim 73 [1990], S. 68; ders., Lebenslange Freiheitsstrafe, S. 38 f.), der strafrechtlichen Drogenkontrolle (Dollinger, KrimJ 2001, S. 89 ff.), elektronischer Kontrollmechanismen (Deleuze, KrimJ 1992, S. 181 ff.), der Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen (Linhardt, KrimJ 2000, S. 82 ff., 83 f., 101), des Städtebaus (Wehrheim, KrimJ 2000, S. 123 ff.; Krasmann/de Marinis, KrimJ-Beiheft 6 (1997), S. 162 ff.; für weitere Beispiele s. etwa Prömmel, KrimJ 2002, S. 242 ff. und den von Frehsee/Löschper/Schumann herausgegebenen Sammelband „Strafrecht, soziale Kontrolle, soziale Disziplinierung“ (1993). Allgemeine Diskussion der Thesen Foucaults, die zur Bildung des neueren, (glücklicherweiser) strafrechtlich noch nicht rezipierten Begriffs der „Kontrollgesellschaft“ Anlass gaben, bei Krasmann, KrimJ 1999, S. 107 ff.; Ich sage „glücklicherweise“, weil die strafrechtliche Rezipierung anderer soziologischer oder politikwissenschaftlicher Schlagworte, wie „Risikogesellschaft“, alles andere als fruchtbar war (siehe dazu abschließend Kuhlen, GA 1994, S. 360; nicht überzeugend die Gegenkritik von Prittwitz, Risikogesellschaft und Strafrecht, S. 141 f.). 66 Bernat de Celis, Abolición, S. 127 f.; Einstadter/Henry, Criminological theory, S. 314 ff. (die von einer „Judo-Metapher“ sprechen, i. S. der Bevorzugung einer sanften Reaktion; zust. Bak, Constitutive criminology, S. 32); Böllinger, EuS 12 (2001), S. 94; De Haan, Politics of Redress, S. 162 ff.; Hess, KrimJ-Beiheft 6 (1997), S. 39; Hulsman, Penas perdidas, S. 161; Lüderssen, Zurück?, S. 274; ders.,, Übernahme, S. 416, i. S. einer Ersetzung des Strafrechts durch ein auf Strafe verzichtendes „Interventionsrecht“; Knap, Justice, S. 212 ff.; H. Koch, Jenseits der Strafe, S. 75 ff., durchdrungen von theologischen Erwägungen; Northey, New Paradigm, S. 238 ff.; P. Queiroz, RBCC 47 (2004), S. 202; Scheerer, EuS 12 (2001), S. 73 ff.; vgl. ferner die Aufsätze in dem von H. Peters hrsgg. Sammelband „Muss Strafe sein?“ (1993). Auch von den heutigen Abolitionisten weitgehend vergessene Autoren haben dieses Argument ausgespielt: z. B. der Kopf des sog. radikalen Flügels der Defénse Sociale, Gramatica, Defensa social, S. 51 ff.; der Psychiater Menninger, Strafe – Ein Verbrechen?, S. 43 ff., 108 ff.; und der behavioristische Psychologe, Skinner, Punishment, S. 183 ff. (insb. S. 184); ders., Beyond Freedom and Dignity, S. 60 ff. (insb. S. 62) (zur weiterführenden Diskussion dieses Ansatzes vgl. den von Wheeler hrsgg. Sammelband „Beyond the Punitive Society“; heutige Nachfolger Skinners haben diese abolitionistischen Ansichten aufgegeben, etwa Staddon, The New Behaviorism, S. 118 f.).

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Wirklichkeit solle bestimmte Eigenschaften aufweisen, um als legitim zu gelten, und nicht, dass sie es dies tatsächlich tue und wirklich legitim sei.67 Es ist vielmehr festzustellen, dass der empirische Abolitionismus gerade deshalb keine Straftheorie entbehrlich machen kann, weil er verdeckt auf sie angewiesen ist, weil er sie selber logisch braucht und unbemerkt gebraucht, m. a.W.: weil die Beurteilung, eine empirische Eigenschaft mache deren Träger zu etwas (normativ) Schlechtem, eine normative Theorie voraussetzt, die Kriterien für Gut und Schlecht anbietet.68 Und das wird dadurch bewiesen, dass die heute viel gerügte Selektivität des Strafrechts am Ende des 19. Jahrhunderts, als der Darwinismus in Mode war, doch gerade als besondere Leistung und Vorzug angesprochen wurde: Das Strafrecht sei „künstliche Selektion des sozial untauglichen Individuums“,69 man schrieb Aufsätze, welche die – keineswegs kritisch gemeinte – Überschrift „Zur selektiven Funktion des Strafrechts“ trugen.70 Im Nationalsozialismus wurden diese Gedanken zu Ende gedacht, und man sprach von der rassischen Auslese als Zweck der Strafe.71 Nur eine Straftheorie, welche die Strafe unter das Gebot der Gleichheit stellt, kann die empirische und deshalb an sich normativ neutrale Tatsache der Selektivität in ein schlechtes Licht rücken. Gleiches gilt für die Entlarvung der Strafe als systematische Disziplinierung: Sie setzt eine Straftheorie voraus, die besagt, dass dies keine legitime Strafanwendung sei, dass Strafe nicht nur im Interesse der Oberschicht dürfe zwingen wollen, oder, mit positiven Vorzeichen, dass Strafe auch Allgemeininteressen schützen müsse, um legitim zu sein. Autoritären normativen Straftheorien war Disziplin etwas Erwünschtes.72 Und den Vorwurf, die Strafe sei entbehrlich, 67

Siehe oben 2. (S. 205 f.). Analog fordert der empirische Anarchist Simmons, Philosophical Anarchism, S. 21 die Formulierung einer normativen Theorie der Legitimität des Staates. 69 So der Ausdruck v. Liszts, Zweckgedanke, S. 164, bzgl. nicht besserungsfähiger Verbrecher; ders., Mitt. IKV 16 (1909–1910), S. 499; dazu auch Bohnert, Schulenstreit, S. 14 ff. 70 v. Hentig, ZStW 34 (1913), S. 493 ff.; ausführlich ders., Strafrecht und Auslese, S. 19 ff. Konzepte des Strafrechts als künstliche Selektion auch bei Tobias Barreto, Menores, S. 12, 72 f. (Brasilien); in Italien Garofalo, Criminologia, S. 67; ders., Scuola Positiva XIII (1933), S. 484; siehe noch Telp, Ausmerzung und Verrat, S. 32 f. m. w. Nachw., zusammenfassend S. 250 71 Nicolai, Rassengesetzliche Rechtslehre 3, S. 46 f.; ders., DR 3 (1933), S. 4; Schaffstein, DRWis 1936, S. 46: „Für uns ist ferner Sinn der Strafe und des Strafrechts nicht mehr Schutz von Individualsphären, sondern Reinigung und zugleich Schutz der Volksgemeinschaft durch Ausscheidung des Entarteten“; ders., Erneuerung des Jugendstrafrechts, S. 5; dagegen überraschend v. Gemmingen, Strafrecht im Geiste Hitlers, S. 15 f.; dazu umfassend, mit vielen weiteren Nachw. Nehlsen, Krieg als Argument, S. 108 ff.; Streng, MschrKrim 76 (1993), S. 154 ff.; Telp, Ausmerzung und Verrat, S. 16, 20, 27 ff., insb. 31 ff. 72 Etwa Nagler, GS 103 (1933), S. XXI; Dahm/Schaffstein, Liberales oder autoritäres Strafrecht, S. 49; Stock, Strafe, S. 7; E. Wolf, ZStW 54 (1935), S. 555. Der Klassencharakter des Strafrechts wird heute von Posner, ColumLRev 85 (1985), S. 1204 f. durch seine ökonomische Theorie legitimiert. 68

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kann man eigentlich erstens nur insoweit erheben, als man eine Straftheorie vertritt, welche die Unentbehrlichkeit zur Bedingung der legitimen Strafe erklärt, die also das ultima-ratio Prinzip kennt, und zweitens auch dann nur, solange die bestimmten Umstände, welche die behauptete Entbehrlichkeit begründen, auch gegeben sind. Hat man aber bemerkt, dass der empirische etatistische Abolitionismus in Wahrheit doch eine (normative) Straftheorie voraussetzt, erscheinen seine Forderungen als weitgehend gemäßigter und fruchtbarer als einst. Gemäßigter, da jetzt auch die Forderung, Strafen überhaupt abzuschaffen, nicht mehr erhoben werden kann, weil eine Strafe, die nicht mehr die fragliche empirische Eigenschaft aufweist, von der Forderung gar nicht getroffen wird. Und ist es nur ein Empirisches, ist es nur die Wirklichkeit, was die Strafe zu etwas Illegitimem macht, dann bleibt immer die Möglichkeit, dass in einer anderen Wirklichkeit die Strafe anders erscheint und deshalb legitim ist. Anders gesagt: Da aus der Empirie keine Notwendigkeit, sondern nur Kontingenz folgt,73 ist eine aus empirischen Gründen illegitime Strafe nur kontingent, nicht aber notwendig illegitim. Notwendige Illegitimität kann nicht der empirische, sondern nur der normative Abolitionismus anbieten; dieser ist aber aus anderen, bereits erwähnten Gründen unvertretbar. Mehr noch: Wird die Ablehnung der Strafe auf einem Empirischen gegründet, dann trifft die Ablehnung nicht nur die Strafe, sondern prinzipiell alle Träger dieser fraglichen empirischen Eigenschaft. Wird die Selektivität aufgrund einer ein Ungleichbehandlungsverbot enthaltenden normative Theorie zu einem illegitimitätsbegründenden empirischen Merkmal erklärt, dann ist prima facie davon auszugehen, dass auch andere dieses Merkmal aufweisende Erscheinungen illegitim sind. Wird von Hinz und Kunz der schuldrechtliche Zivilprozess kaum richtig gebraucht, aber doch häufig und sehr effektiv von Großunternehmen, und ist er wegen dieser Ungleichheit als illegitim einzustufen,74 dann sind auch die Zwangsvollstreckung bzw. das Mahnverfahren prima facie illegitim. Dadurch wird auch die Forderung entkräftet, die Strafen sofort abzuschaffen, denn diese Forderung wäre nur sinnvoll, wenn man vorher die empirische Frage geklärt hätte, ob die Nachfolger der Strafe die fragliche empirische Eigenschaft nicht ebenfalls aufweisen bzw. sogar neue problematische Eigenschaften mit sich bringen.75 Denn dass die Strafe Nachfolger haben wird, bestreitet soweit ersichtlich niemand – nicht einmal die wenigen unter den Abolitionisten, die 73 Zu der heutigen Vertretbarkeit dieser traditionellen Annahme siehe oben C. II. (S. 156 ff.). 74 Siehe Röhl, Rechtssoziologie, S. 489; Hanak, Kriminalsoz. Bibliografie 61 (1988), S. 24 ff.; im abolitionistischen Lager werden diese Tatsachen gelegentlich gesehen (Stehr, Kriminalsoz. Bibliografie 62 [1989], S. 40 ff.), häufiger aber entweder gar nicht oder durch ein irreales, über-optimistisches Bild vom Zivilrecht verdrängt (etwa Stangl, Kriminalsoz. Bibliografie 66/67 [1990], S. 3 ff.).

I. Vorüberlegungen

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sich mit den Nachfolgern ausdrücklich nicht befassen wollen.76 Das hier vorgebrachte Argument tauchte bereits in der Diskussion um die Entkriminalisierung des Ladendiebstahls auf: Wolle man hier auf Strafe verzichten, weil sie stigmatisiere, dann müsse man sicherstellen, dass die anstelle der Strafe tretenden Bußgeldbescheide nicht ebenfalls stigmatisierend wirkten.77 Und wie gesagt erweist sich der empirische etatistische Abolitionismus auch für denjenigen, der ihm nicht zustimmt, als besonders fruchtbar.78 Denn eigentlich reicht der Widerspruch zwischen seinen Behauptungen und dem typischen strafrechtsfreundlichen Juristen nicht so tief, wie man vielleicht glauben möchte. Man ist sich im Normativen gar nicht so uneinig, eigentlich geht es bei dem Streit nur um Empirisches. Hier soll nicht die naive, von logischen Positivisten vertretene Ansicht wiederholt werden, wonach empirische Fragen im Gegensatz zu normativen prinzipiell lösbar seien;79 es soll nur darauf hingewiesen werden, dass eine Verständigung dadurch möglich wird, dass man doch über ein Gemeinsames verfügt. Man ist hier wie dort etwa damit einverstanden, dass Strafen nicht der Disziplinierung der Unterschicht dienen dürfen. Jetzt bleibt 75 Im ähnlichen Sinne bereits Merkel, Vergeltende Gerechtigkeit, S. 9; heutzutage Dessecker, EuS 12 (2001), S. 98; Ferrajoli, Diritto e Ragione, S. 237 ff.; Garz, KrimJ 1987, S. 214; Haferkamp, KrimJ 1984, S. 128; Hassemer, Einführung2, S. 331 f. (Abolitionisten seien „gefährlich naiv“); Henkel, Die „richtige“ Strafe, S. 13; Kaiser, Abolitionismus, S. 1033 f. (gegen Mathiesen: „endloser Kreislauf“), 1036, 1043 f.; ders., Kriminologie10, S. 111 an; ders., Kriminologie3, § 32/33 f.; Naucke, Tendenzen, S. 22; ders., Wechselwirkung, S. 193 Fn. 33; Roxin, Hat das Strafrecht eine Zukunft?, S. 137; v. Trotha, KrimJ 1983, S. 43; van Swaaningen, Critical Criminology, S. 133; ähnlich Elbert, Abolicionismo, S. 488. Man vergesse auch nicht, dass die zwei nach der Einschätzung Sacks, Selektion, S. 463 wichtigsten deutschen Studien zur Selektivität nicht vom Strafrecht, sondern vom Staatshandeln im allgemeinen oder in einer sehr spezifischen Ausprägung handeln, siehe Offe, Klassenherrschaft, S. 65 ff. und Nedelmann, Rentenpolitik in Schweden, S. 24 ff. 76 Gedanken über Alternativen zur Strafe bei Bianchi, Abolition, S. 116 ff.; Christie, Limits to Pain, S. 92 ff.; De Haan, Politics of Redress, S. 158 ff.; Hes, Patchwork, S. 219 ff.; Hulsman, Kriminalsoz. Bibliografie 35 (1982), S. 68 ff.; ders., Penas perdidas, S. 113; Lüderssen, oben Teil D., Fn. 66; Northey, New Paradigm, S. 240 ff.; Shonholtz, Practice, S. 228 ff.; der Abolitionist H. Bianchi, Justice as Sanctuary, S. 96 f. hält nicht nur, aber zusätzlich aus diesem Grund das Strafrecht für erhaltenswert. Viele interessieren sich dagegen nicht für die Frage nach Alternativen: Mathiesen, The Politics of Abolition, etwa S. 211 f.; Scheerer, KrimJ 1983, S. 61; ders., KrimJ 1984, S. 98 ff. und Fn. 10 (bloß „negative Kriminalpolitik“, „mephistophelisches Prinzip“ der stetigen Verneinung; dagegen van Swaaningen, What is Abolitionism?, S. 18). 77 So z. B. Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 8. 78 Im Ergebnis ähnlich, aber ohne die hiesigen Differenzierungen Ferrajoli, Diritto e Ragione, S. 238 f.; Martínez Sánchez, Sistema acusado, S. 64; Frehsee, KrimJ 2000, S. 248 f., 252 f.; dagegen aber Kaiser, Abolitionismus, S. 1037 (es gebe andere, bessere Theorien, die Gleiches leisten). Also ist der von Scheerer, KrimJ 1984, S. 97 aufgestellte Anspruch, dass sich der Abolitionismus als „sensitivierende Theorie“ auswirke, als eingelöst zu betrachten (so auch van Swaaningen, Critical Criminology, S. 132). 79 Zu Recht gegen dieses Bild Putnam, Ethics, S. 30 f., 75 ff.

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nur die Frage, ob die Wirklichkeit in der Tat so aussieht, wie es der empirische etatistische Abolitionismus behauptet; ist das der Fall, dann darf auch der typische Strafjurist nicht zögern und muss sich fragen, wie dieses Problem zu beheben ist, was man also tun soll. Wäre die Abschaffung der Strafe tatsächlich der einzige Weg, die Selektivität zu vermeiden, dann müsste auch der Strafjurist diese Forderung stellen. Trotzdem bleibt dies nur eine unplausible empirische Mutmaßung, solange der empirische etatistische Abolitionismus sie nicht mit methodisch zuverlässigen empirischen Studien untermauert, die auch den Gerichtshof des common-sense zu überstehen vermögen. Fruchtbar ist der empirische etatistische Abolitionismus auch deshalb, weil er darauf hinweist, dass die Arbeit, die man in die Bildung einer normativen Straftheorie investiert, noch lange nicht alle Legitimationsprobleme der Strafe löst – es bleibt immer noch die Frage, ob die wirkliche Strafe den normativen von der Straftheorie erhobenen Ansprüchen tatsächlich auch gerecht wird. Eine normative Theorie kann eines nicht wollen, und das ist, die Empirie durch bloßes Aufstellen von Vorschriften in eine vorschriftkonforme Empirie zu verwandeln. Eine solche Folgerung eines Seins aus dem Sollen wäre ein logisch genauso unzulässiger Schluss wie die mit ihr verschwisterte, aber doch viel bekanntere Folgerung eines Sollens aus dem Sein.80 c) Der Abolitionismus erhebt also verschiedene Ansprüche, deren Berechtigung auch verschieden zu werten ist. Die gängige pauschale Behandlung, die notwendig zu einer pauschalen Bejahung oder Ablehnung führt, wird diesen Nuancen nicht gerecht. Dennoch gibt es ein zusätzliches, allzu wenig beachtetes Problem, das allen Positionen, die der Strafe die Legitimität absprechen, anhaftet. Dieses Problem ist, dass die Brandmarkung einer jeden Strafe als illegitim moralisch relevante Unterschiede verwischt, denen gegenüber eine jede Haltung zur Strafe sensibel sein sollte. Konkret: Ist jede Strafe illegitim, dann gibt es keinen qualitativen Unterschied mehr zwischen den Fällen von A und B, die beide wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt werden, wobei nur A, und nicht B, tatsächlich einen Totschlag begangen hat. Der Abolitionismus kann zwar sagen, auch A sei ungerecht behandelt worden – er wurde nämlich bestraft, und die Strafe sei illegitim. Für das zusätzliche Unrecht, das man B im Hinblick auf seine Unschuld antut, hat der Abolitionismus aber keine Augen.81

80 Dazu mit bestechender Klarheit Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 314 ff.; siehe auch oben 2. (S. 205 f.). 81 Das ist nichts anderes als der Fehler, den man auf der allgemeineren Ebene der politischen Philosophie als „illegitimen Utopismus“ bezeichnet hat: Die unbedingte Verdammung aller Staaten macht uns unempfindlich für die Unterschiede, die es zwischen einer Militärdiktatur und einem Rechtsstaat gibt (s. Ródenas Calatayud, Justificación de la autoridad, S. 44).

I. Vorüberlegungen

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Diese Unempfänglichkeit dürfte auch der Grund sein, weshalb der prominenteste lateinamerikanische Abolitionist, Zaffaroni, als Richter am Verfassungsgericht etwa U-Haften, welche die vom Gesetz vorgesehenen zeitlichen Grenzen überschreiten, in seinen Urteilen zur Verfolgung von Straftaten des Militärregimes nicht beanstandet.82 Entgegen einer oberflächlichen Betrachtung steht das nicht im Widerspruch zur abolitionistischen Pauschalkritik, sondern liegt es gerade in ihrer Konsequenz.83 82 Einige dieser von Zaffaroni mitverfassten Entscheidungen sind über das Internet abrufbar, etwa http://www.eldial.com.ar/suplementos/penal/doctri/pe041012-c.asp und http://www.eldial.com.ar/suplementos/penal/doctri/pe040520-c.asp. 83 Es gibt selbstverständlich zusätzliche abolitionistische Argumente, die wegen ihrer beschränkten Aussagekraft nur in einer Fußnote erwähnt werden. Häufig wiederholt wird etwa das letztendlich vor allem auf Becker zurückgehende Argument, wonach Verbrechen bloße Konstrukte ohne ontologischen Gehalt seien (Outsiders, S. 9: „deviant behavior is behavior that people so label“; dazu zusammenfassend und mit vielen weiteren Nachw. Laurrari, Herencia, S. 29 ff.), um daraus die Folgerung abzuleiten, dass man eine strafende Reaktion auf derartige Konstrukte nicht rechtfertigen könne (Baratta, Criminologia crítica, S. 94 ff., 107 ff.; ders., Kriminalsoz. Bibliografie 49 [1985], S. 38 f., 44 [keine Kriminalität, nur „sozial-negative Situationen“]; Baratta/Silbernagel, KrimJ 1988, S. 33; Christie, KrimJ 1988, S. 52; ders., Indústria, S. 13; De Haan, Politics of Redress, S. 154 f.; Hess, KrimJ-Beiheft 1 [1986], S. 27 f.; ders., KrimJ-Beiheft 6 [1997], S. 38 f.; Hess/Steher KrimJ-Beiheft 2 [1987], S. 33, 40 ff.; Hulsman, Penas perdidas, S. 63 f., 72 ff., 95 ff., 101; ders., Kriminalsoz. Bibliografie 35 [1982], S. 58, 61, 65 f.; ders., Concept of Crime, S. 27 ff.; ders., in Felix Marteau, RBCC 14 [1996], S. 14 ff. [„problematische Situationen“; ihm zust. Bernat de Celis, Abolición, S. 123]; Quensel, KrimJ-Beiheft 1 [1986], S. 16 f.; Quinney, Social Reality, S. 15; Sack, Neue Perspektiven, S. 468; ders., KritJ 1971, S. 390 f.; ders., KrimJ 1972, S. 20 f. [Kriminalität als Ergebnis eines sog. „askriptiven“ Urteils]; Steinert, Kriminalsoz. Bibliografie 56/57 [1987], S. 141; van Swaaningen, Critical Criminology, S. 202; aus der Sicht einer durch den dekonstruktivistischen Postmodernismus inspirierten „Konstitutiven Kriminologie“ neuerdings Einstadter/ Henry, Criminological Theory, S. 278 ff., 282 ff.; semiotisch verbrämt und kaum verständlich Milovanovic, Semiotic Perspective, S. 243 ff.; aus feministischer Sicht Smaus, KrimJ-Beiheft 5 [1995], S. 24; Gransee/Stammermann, Kriminalität als Konstruktion, S. 24 ff.; und zudem die vielen, sich mit vielfältigsten Problemen befassenden Aufsätze in dem von Frehsee/Löschper/Smaus hrsgg. Sammelband über „Konstruktion der Wirklichkeit durch Kriminalität und Strafe“ [1997]). Dazu knapp und grob: Die gleichen Gründe, die das Verbrechen zu einem harmlosen Konstrukt machen, gelten aber auch für die Strafe, so dass die radikale konstruktivistische Strafkritik etwa zu weit über das Ziel hinaus schießt und auch die Strafe konsequent verharmlosen müsste. Dies natürlich, um überhaupt die Frage nach der erkenntnistheoretischen Haltbarkeit des konstruktivistischen Ansatzes auszuklammern – dagegen die analytisch vorbildhafte Kritik Boghossians, Fear of Knowledge, 25 ff., bei der immerhin der Standpunkt des common sense etwas zu kurz kommen dürfte. Es sei beiläufig gesagt, dass die gängige Beanspruchung Beckers nicht völlig zutrifft (siehe Outsiders, S. 14, wo es heißt: „In short, whether a given act is deviant or not depends in part on the nature of the act (that is, whether or not it violates some rule) and in part on what other people do about it“ – kursiv von mir). Heute weitgehend depassé ist die frühere modische Zurückführung der Strafe auf Rachebedürfnisse der „strafenden Gesellschaft“ (etwa Ostermeyer, Strafunrecht, S. 16 ff., 120; Plack, Böse, S. 110 ff., 118 ff.; ders., Plädoyer, etwa S. 200 ff.). Dieser empirische und prinzipiell etatistische Abolitionismus lebt von der Prämisse, dass bereits die

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d) Als Fazit kann man sagen, dass vom Abolitionismus die Möglichkeit einer Straftheorie nicht wirklich in Frage gestellt wird. Die Behauptung des anarchistischen Abolitionismus, Strafe widerspreche notwendig grundlegenden Legitimitätsvoraussetzungen, ist als Verurteilung aller denkbaren Staaten zumindest unplausibel, und als Verurteilung einiger ungerechter Aspekte unserer Staaten auf eine Straftheorie angewiesen, damit sich die Ungerechtigkeit nicht vermehrt; und der etatistische Abolitionismus, der behauptet, legitim könne zwar der Staat, nicht aber die Strafe sein, kann seine Position entweder höchstens mit kaum überzeugenden normativen Argumenten stützen, oder er setzt in seiner Behauptung, Strafe, so wie wir sie kennen, sei illegitim, eine Straftheorie voraus, die vorgibt, wie die Strafe, so wie wir sie nicht kennen, sein sollte. Der Abolitionismus endet so in der Sackgasse, entweder die Straftheorie nicht ernsthaft herauszufordern oder sie durch die Hintertür schon längst zu sich eingeladen zu haben. Trotzdem kann man ihm das Verdienst nicht absprechen, zum notwendigen schlechten Gewissen des Juristen beizutragen, indem er überzeugend belegt, dass mit der Formulierung der richtigen Straftheorie noch keineswegs das Problem der gerechten Strafe gelöst ist: Dieses Vorhaben könnte insbesondere deshalb scheitern, weil bestehende normative Anforderungen sowohl auf der allgemeineren Ebene der Legitimität des Staatshandels überhaupt oder auf der spezifischeren Ebene der Legitimität des staatlichen Strafens empirisch missachtet Aufdeckung tiefenpsychologischer Befunde ausreiche, um einen bestimmten, vermeintlich darauf gegründeten Gegenstand in Misskredit zu bringen (vgl. Kleinig, Punishment, S. 3). Somit schießt sich auch diese Form des Abolitionismus in den eigenen Fuß, denn jetzt wäre es ein gültiger Einwand, ihr billig vorzuwerfen, die Strafrechtskritik sei nichts als die Projektion einer verdrängten Wunschvorstellung frustrierter, weil machtloser Wissenschaftler. Im Vordringen befindet sich die dem Feminismus verpflichtete Strafrechtskritik, die – vereinfacht – im Strafrecht bzw. im Staat eine Manifestation des Patriarchalismus sieht (siehe Cremer-Schäfer, KrimJ 1995, S. 122 ff.; Gransee/Stammermann, Kriminalität als Konstruktion, S. 70, 82, 83 ff.; Herz, KrimJ 1994, S. 307 f.; Sabadell, RBCC 27 [1999], S. 95 ff.; Messerschmidt, Masculinities, S. 155 ff., 174 ff.; MacKinnon, Feminist Theory, S. 161 ff.: „The state is male in the feminist sense“ [S. 161]). Ob dies ein in unserem Sinne anarchistisches oder etatistisches Argument darstellt, erscheint unwichtig. Auf jeden Fall scheint man es mit einem empirischen Argument zu tun zu haben, das ziemlich unglaubhaft wird, sobald man darüber nachdenkt, wie viel Macht Frauen nicht nur in der Familie haben, sondern überhaupt schon dadurch besitzen, dass sie es sind, welche die letzte Entscheidung darüber treffen, ob es zum Geschlechtsverkehr kommt oder nicht (ähnlich Schünemann, GA 1996, S. 310). Im abolitionistischen Lager ist auch eine Literatur politischer Handlungsstrategien nicht unüblich (vor allem Mathiesen, Politics of Abolition, S. 37 ff.; ders., Contemporary Crises 10 [1986], S. 82 ff.; ders., Gefängnislogik, S. 164 ff.; ferner Bianchi, Pitfalls, S. 151 ff.; Driebold, KrimJ 1986, S. 131 ff.; Dunbaugh, Abolishing Prisons, S. 178 ff.; Papendorf, Gesellschaft ohne Gitter, S. 135 ff.; auch Quensel, MSchrKrim 77 (1994), S. 331 f.). Diese praktischeren Fragen, die von der Haltbarkeit der oben diskutierten theoretischen Behauptung des Abolitionismus abhängen – der Illegitimität der Strafe – werden hier nicht behandelt.

I. Vorüberlegungen

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werden können. Gerade aber, um letzterem auf der Spur zu bleiben, ist man auf die Straftheorie angewiesen. Diese darf vor der intellektuellen Anstrengung, legitime und illegitime Strafen voneinander abzugrenzen, nicht zurückschrecken. 4. Der Aufbau der Straftheorie a) Der formelle Aufbau: Strafandrohung und Strafzufügung aa) Wie gesehen strukturiert Feuerbach seine Straftheorie nach zwei sich überschneidenden Kriterien. Die Straftheorie als Theorie der Bedingungen der legitimen Strafe listet Bedingungen auf, die mit der Rechtfertigung entweder der Strafandrohung oder der Strafzufügung zu tun haben; und diese Bedingungen können entweder konsequentialistisch sein – dann heissen sie Zwecke – oder deontologisch – dann heißen sie nach Feuerbach Rechtsgründe, nach unserer Terminologie Schranken. Uns geht es jetzt um die erste Aufgliederung: Soll man die Straftheorie so aufbauen, dass die Momente der Androhung und der Zufügung der Strafe voneinander geschieden werden? Dies eröffnet selbstverständlich die Möglichkeit, dass für jeden dieser Momente unterschiedliche Legitimitätsbedingungen gelten. Ist das angebracht? bb) Allgemein wird seit den Tagen Feuerbachs von dieser Unterscheidung nicht sonderlich viel gehalten. Die meisten Autoren ignorieren sie schlichtweg, und wenn sie von der Strafe reden, beziehen sie sich auf das ganze Phänomen, von seiner Androhung bis hin zu seiner Zufügung. Dabei haben sich die Wenigsten von ihnen die Mühe gemacht, für ihre Ablehnung einen Grund anzugeben, was auch verständlich erscheint, denn die Beweislast liegt offenbar auf Seiten desjenigen, der eine Verkomplizierung vorschlägt. Wenn überhaupt, macht man also in der Regel geltend, dass die Strafe ein einheitliches Gebilde sei, und dass, wenn es keinen Grund gebe, sie anzudrohen, es auch keinen Grund gebe, sie zuzufügen und umgekehrt.84 Die wenigen, die einer solchen Unterscheidung Beachtung schenken, sind die, deren nähere Strafzwecktheorie Androhung und Zufügung voneinander zu differenzieren zwingt. So gliedert etwa Roxin seine dialektische Vereinigungstheorie sogar dreistufig auf, indem er die Androhung, die Zufügung und die Vollstreckung der Strafe voneinander unterscheidet, weil er jedem dieser Momente andere Zwecke zuschreibt.85 Würde man dieser Argumentation konsequent folgen, 84 Etwa Feuerbachs Zeitgenossen J. S. Beck, Grundsätze, S. 711 f.; v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 51; Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 159, Fn.; hundert Jahre später Nagler, Die Strafe, S. 76; zweihundert Jahre später Pawlik, Kritik, S. 218; Gössel, Sanktionen, S. 21 f. 85 Roxin, Sinn und Grenzen, S. 12 ff.; ders., AT I4 § 3 Rn. 37 ff., 59 ff.; ders., Wandlungen der Strafzwecklehre, S. 711 f.; zust. Arloth, GA 1988, S. 420 f.; dieser Ansatz hat insb. im Ausland verbreitete Zustimmung gefunden: in Spanien Mir Puig,

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dann müsste man bei der jetzigen Fragestellung Halt machen, um zu ihr erst dann zurückzukommen, wenn die maßgeblichen konsequentialistischen und deontologischen Bedingungen der legitimen Strafe geklärt sind – also erst am Ende, und nicht schon am Anfang der straftheoretischen Überlegungen. Wenn der Grund dieser Unterscheidung die Betonung der Androhung zulasten der Zufügung wäre, und die Strafgesetzlichkeit den tragenden Grund für diese Akzentverlagerung bildete – wie dies tatsächlich bei Feuerbach das Entscheidende gewesen zu sein scheint – dann dürften wir nicht schon an dieser Stelle, sondern erst viel später fragen, wie die Straftheorie formell aufzubauen ist. cc) Die Tatsache, dass wir schon jetzt die Frage stellen, legt also nahe, dass wir formelle, vom näheren Gehalt der Straftheorie unabhängige Gründe angeben werden, welche die Strukturierung nach den Momenten der Androhung und der Zufügung rechtfertigen. (1) Erstens empfiehlt sich eine derartige Zweiteilung aus Gründen der Klarheit. Nicht alle herkömmlichen Straftheorien beziehen sich gleichmäßig auf beide Momente: Sowohl die Resozialisierung wie auch die Vergeltungstheorie sind Lehren, die sich in aller Regel nur mit dem Moment der Strafzufügung, nicht aber mit dem der Strafandrohung beschäftigen. Wird das erkannt, dann sieht man auch, dass diese Theorien prinzipiell eine Lücke aufweisen. Es gibt also Dimensionen des Strafphänomens, die sie nicht rechtfertigen können bzw. wollen, so dass sie sowohl als ergänzungsbedürftig als auch als ergänzungsfähig angesehen werden können. Und damit können einige Einwände, die ihre Überzeugungskraft überwiegend aus der Unklarheit schöpfen, von vornherein für ungültig erklärt werden. Beispielsweise hat man immer wieder gegen die Vergeltungstheorie vorgetragen, dass sie dadurch, dass sie Strafe aus Gerechtigkeitsgründen für legitim halte, die Bestrafung reiner Unmoral legitimiere.86 Dieses Argument lebt aus der Zweideutigkeit, mit der das Wort Strafe gebraucht wird: zunächst als Zufügung, dann als Androhung. Die Tatsache, dass Strafe aus Gerechtigkeitsgründen zugefügt werde, impliziert im Hinblick auf die Gründe, weshalb man Strafe androht, erst einmal gar nichts. (2) Zweitens, und das ist entscheidender, ist die Straftheorie deshalb zweigliedrig aufzubauen, weil die Androhung und die Zufügung von Strafen je für sich schon eine Einschränkung der Freiheit der Bürger darstellen, die einen faktisch voneinander selbstständigen Gehalt aufweisen.87 Die Strafzufügung ist Introducción2, S. 86 ff.; Muñoz Conde, Introducción2, S. 74; Muñoz Conde/García Aran, PG3, S. 55 f.; Roca Agapito, Sistema de sanciones, S. 95; in Brasilien Fragoso, Lições5, S. 279 ff.; Suxberger, Legitimidade, S. 124 ff. Beachtliche Vorwegnahme bei Metz, MschrKrim 6 (1909–1910), S. 405; M. E. Mayer, AT2, S. 419. 86 Im 19. Jahrhundert Hepp, Darstellung I2, etwa S. 91; heute Figueiredo Dias, Pena criminal, S. 94; Mir Puig, Introducción2, S. 80; Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 47; Zipf, Kriminalpolitik 2, S. 37. 87 Siehe ähnlich Hart, Law, Liberty, Morality, S. 21.

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die gezielte Einschränkung der Freiheit eines bestimmten Bürgers, die Strafandrohung ist dagegen eine allgemeine Einschränkung der Freiheit aller Bürger. Obwohl es stimmt, dass die Strafzufügung schon auf den ersten Blick weitgehend problematischer erscheint als die Strafandrohung – denn bei der Zufügung wird ein bestimmter Bürger im Vergleich zu den übrigen benachteiligt, so dass sich die Frage nach der Rechtfertigung dieser Benachteiligung ihm gegenüber besonders brisant stellt88 – besitzt auch die Strafandrohung an sich einen negativen Gehalt. Wir können uns eine Gesellschaft von Eloi vorstellen, die ohne Strafen auskommt, weil dort niemand an die Begehung einer Straftat denkt. Würde aber ihr König von heute auf morgen Strafandrohungen erlassen, dann stünden die Eloi allein schon wegen der Freiheitseinschränkung schlechter als zuvor, selbst wenn keiner je den Wunsch hegt, gegen eine Androhung zu verstoßen. Der König müsste demnach schon sofort, und nicht erst nach der eventuell nie vorkommenden Begehung der ersten Straftat, seine Androhungen rechtfertigen können. Die Rechtfertigung der Bestrafung dem ersten Straftäter gegenüber wäre dann eine prinzipiell selbständige Frage. Diese Sicht hat auch in neueren verfassungsrechtlich orientierten Untersuchungen wie derjenigen Lagodnys eine Bestätigung erfahren. Lagodny erkennt zutreffend, dass die Androhung und die Zufügung der Strafe grundrechtstheoretisch zwei unterschiedliche „Eingriffe“ darstellen, die auch deshalb einer unterschiedlichen Rechtfertigung und auch unterschiedlicher Schranken bedürfen können.89 Sein Fehler war, zu übersehen, dass Eingriffe durch das Strafrecht nicht erst auf der Zufügungsebene, sondern schon auf der Ebene des strafbewehrten Verbotes eine besondere Qualität aufweisen,90 so dass sie den strengen Anforderungen der Straftheorie genügen müssen. dd) An hiesiger Stelle wäre nur noch der Frage nachzugehen, ob das zweigliedrige Schema Feuerbachs nicht zu ergänzen wäre, etwa im Sinne Roxins durch eine Unterteilung des zweiten Moments in das Untermoment des Schuldspruches und das des Strafvollzugs.91 Gegen die theoretische Durchführbarkeit einer derartigen weiteren Differenzierung ist prinzipiell nichts einzuwenden:92 Teilungen kann man natürlich überall einführen, wo man sie für angemessen 88 Deshalb sind bei der Strafzufügung zusätzliche deontologische Schranken einschlägig, siehe unten II. 6. (S. 484 ff.). 89 Lagodny, Grundrechte, S. 76 f., 96 ff., 106, 137; Appel, Verfassung und Strafe, 79 ff., 433 ff.; ders., KritV 1999, 306 ff. 90 Siehe Lagodny, Grundrechte, S. 138: „. . . die Verhaltensvorschrift ist kein Spezifikum des Strafrechts. Sie hat überhaupt nichts mit strafrechtlichen Fragen zu tun“; Appel, Verfassung, S. 80; zu Recht kritisch Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 147; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 91; Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 31. 91 Siehe oben Teil D., Fn. 85. 92 Dies betonte schon Bauer, Warnungstheorie, S. 65, über 100 Jahre vor Roxins grundlegendem Aufsatz.

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hält. Für unsere Zwecke erschiene aber eine solche Teilung als unangemessene Verkomplizierung, da nach dem unten zu formulierenden Begriff der Strafe sowohl der Schuldspruch, als auch der Strafvollzug zum Strafbegriff gehören.93 Dadurch, dass der Richter jemanden schuldig spricht, bestraft er ihn zum Teil schon, so dass die Erwägungen, die den Vollzug der Strafe tragen, die gleichen sind, die den Schuldspruch für gerechtfertigt erklären. Man könnte auch daran denken, Verbot und Strafandrohung voneinander zu unterscheiden und ihre Legitimitätsbedingungen gesondert nachzuprüfen, wie es etwa Frisch tut.94 Zu einem spezifischen Problem der Straftheorie wird ein allgemeines Verbot aber nur, wenn es strafbewehrt ist,95 so dass wir uns mit der allgemeineren Frage nach den Legitimitätsbedingungen von Freiheitseinschränkungen überhaupt nicht befassen werden. b) Der materielle Aufbau: Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit, Deontologie und Konsequentialismus in der Straftheorie aa) Jetzt gilt es, der Frage nachzugehen, wie die Straftheorie materiell aufzubauen ist – ob die Bedingungen der legitimen Strafe ausschließlich zweckmäßigkeitsorientiert, ausschließlich gerechtigkeitsorientiert, oder ein Verbund von zweckmäßigkeits- und gerechtigkeitsorientierten Erwägungen sind. Im diesem letzten Fall wäre von der Straftheorie zu erwarten, dass sie auch das Verhältnis zwischen Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit genauer klärt, und insbesondere, dass sie die Frage, welcher der beiden in Konfliktsituationen der Vorrang zukommt, nicht unbeantwortet lässt. (1) Wie gesehen, gliedert Feuerbach seine Theorie materiell sowohl zweckmäßigkeits- als auch gerechtigkeitsorientiert. Er erkennt sowohl Strafzwecke, verstanden als „Wirkungen, deren Hervorbringung als Ursache des Daseins einer Strafe gedacht werden muss, wenn der Begriff von Strafe vorhanden sein soll“,96 als auch Rechtsgründe der Strafe, als „Gründe, von welchen die rechtliche Möglichkeit der Strafe abhängt“.97 Zwecke der Strafe seien insbesondere die allgemeine Abschreckung und die Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung; ihre Rechtsgründe seien die Tatsache, dass die bloße Androhung niemandes Rechte antaste und dass eine Einwilligung des Straftäters in die Strafzufü93

Siehe unten II. 1. (S. 297 ff., S. 303). Frisch, Verhalten, S. 80. 95 So auch Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 50. 96 Feuerbach, Lehrbuch14, § 16. 97 Feuerbach, Lehrbuch14, § 17. Gegen die Unterscheidung v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S.54 ff. Historisch und philosophisch nicht zutreffend Arthur Kaufmann: Die Unterscheidung zwischen Zweck und Grenze entspreche „haargenau“ derjenigen von sozialem Wohlfartstaat und liberalem Rechtsstaat (Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 270; ders., JZ 1967, S. 556). 94

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gung vorliege. Obwohl Feuerbachs Theorie in heutigen Lehrbüchern als Paradebeispiel einer relativen, d.h. ausschließlich zweckmäßigkeitsbezogenen Straftheorie fungiert, lässt er die Gerechtigkeit keinesfalls völlig unberücksichtigt. Diese heutige Beurteilung ist aber trotz theoretischer Ungenauigkeit praktisch nicht von großem Schaden: Denn der Schwerpunkt der Theorie Feuerbachs liegt doch, wie schon früher bemerkt (C. II. [S. 139 ff.]), im zweckmäßigkeitsorientierten Teil. Die Behauptung, die Androhung berühre noch niemandes Rechte, ist schnell als nichtssagend erkannt worden, und auch die Probleme der Einwilligungslehre hat niemand besser als Feuerbach selbst durch seine Aufgabe dieser Gedanken belegt.98 Zugespitzt könnte man behaupten, dass sich im Lichte von Feuerbachs Theorie kaum eine Konstellation vorstellen lässt, in der eine zweckmäßige Strafe an seinen schwachen Gerechtigkeitsüberlegungen scheitern könnte. Wenn die Androhung kein Recht berührt, dann kann man theoretisch jede nützliche Androhung rechtfertigen. Und die Konstellationen, in denen es keine „Einwilligung“ in die Strafzufügung gibt, sind prinzipiell auch solche, in denen der Täter nicht abschreckbar ist, so dass die Androhung von Strafe ihm gegenüber schon von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Selbst das Gesetzlichkeitsprinzip wird konsequentialistisch begründet: Die Androhung durch das Gesetz sei notwendig, weil nur so optimale Abschreckungswirkungen zu erreichen seien. Man fragt sich deshalb, ob die Rede von Rechtsgründen bei Feuerbach tatsächlich viel mehr ist als ein bloßes Versprechen, ein Lippenbekenntnis an den deontologischen Charakter der Kant’schen Ethik, das von deren Inhalt in Wirklichkeit kaum etwas übernehme.99 (2) In seiner Betonung der Zweckmäßigkeit stand Feuerbach aber keineswegs allein.100 Fast alle Autoren seiner Zeit würden Liszts Satz zustimmen: „Das völlige Gebundensein der Strafgewalt durch den Zweckgedanken ist das Ideal der strafenden Gerechtigkeit“.101 Man denke in erster Linie an Beccaria, der die Gerechtigkeit als Mittel zur Verbindung der an sich uneinheitlichen Partikular98

Im Einzelnen unten II. 5. und 6. (S. 478 ff., 484 ff.). So bereits der späte Zeitgenosse Henke, Strafrechtstheorien, S. 53 f. Deshalb bestreitet Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 88 so vehement, dass Feuerbach ein Kantianer sei – siehe zu dieser Frage bereits oben B. II. (S. 73 ff.). Übersehen wird dabei nur, dass dies weniger eine Aussage über Feuerbach ist als eine über Kant – da sie nämlich den wesentlichen Inhalt seiner Lehre mit einer deontologischen Ethikauffassung identifiziert und alle weitere Gedanken für zweitrangig erklärt. 100 Ob er tatsächlich als Kind seiner Zeit anzusehen ist, wie es Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 74 behauptet, ist eine Frage, die weniger mit Feuerbach als mit dem Begriff der Aufklärung, von dem man ausgeht, zu tun hat. Tatsache ist, dass die meisten Autoren der Zeit zweckmäßigkeitsbezogene Straftheorien vertraten (s. oben Teil B., Fn. 75); diese Einschätzung auch bei Binding, Grundriss8, S. 207; Fischl, Aufklärungsphilosophie, S. 28; v. Hippel, Deutsches Strafrecht I, S. 469; Nagler, Die Strafe, S. 336 ff., 409, 468; Jakobs, Staatliche Strafe, S. 10). 101 v. Liszt, Zweckgedanke, S. 161, wo es ferner heißt: „Gerechtigkeit im Strafrecht bedeutet die Einhaltung des durch den Zweckgedanken erforderten Strafmaßes“. 99

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interessen begreift, so dass jede Strafe schon durch ihren Beitrag zum gemeinsamen Bestehen derartiger Interessen für gerecht erklärt wird.102 Bei ihm wird der Primat der Zweckmäßigkeit ziemlich deutlich: Seine fortschrittlichsten Forderungen im Sinne der Ablehnung der Todesstrafe und der Folter stützen sich insbesondere auf Gründe der Ungeeignetheit dieser Mittel zur Erreichung ihrer Zwecke, nämlich der Abschreckung und der Wahrheitsfindung.103 Globig/Huster sagten deutlich, Strafen müssten „so viel möglich die kleinsten seyn“ – „ist diese Nothwendigkeit vorhanden, so ist die Strafe gerecht, auch dem Verbrechen angemessen“.104 Der später zur Vergeltungstheorie bekehrte Stürzer behauptete ebenfalls, Strafe diene einem Präventionszweck, und: „Das Strafübel ist gerecht, sobald sie (sic) zur Erreichung dieses Zvvekes gerade hinreichend ist“.105 Schilling nahm v. Liszt so gut wie vorweg: „Jede Strafe, die ganz zweckmäßig ist, ist auch gerecht, ihre Gerechtigkeit gründet sich auf ihre Zweckmäßigkeit“.106 Und der Dilettant Theod. v. Hippel sprach den für die Einstellung seiner Zeit sehr repräsentativen Satz aus: „In der That, Strafgesetze können die Menschlichkeit nicht aufgeben, sie bleiben in eben dem Verhältnis unwirksam, in welchem sie unmenschlich sind“.107 Kants Eintreten für Gerechtigkeit und nur für Gerechtigkeit und seine Kritik der „Schlangenwindung der Glückseligkeitslehre“108 waren in der Tat zunächst ganz vereinzelte Erscheinungen,109 obschon sie sofort einige Gefolgschaft unter den Juristen zu finden vermochten.110 Kant stellte bekanntlich jede nützlichkeitsbezogene Rechtfertigung der Strafe in Frage, indem er ihnen alle die Instrumentalisierung des Menschen, seine Vermengung unter die Gegenstände des Sachenrechts, vorwarf.111

102 Beccaria, Delitti, II (am Ende), VII (Gemeinnutzen als Grundlage menschlicher Gerechtigkeit). 103 Beccaria, Delitti, §§ XVI u. XXVIII. Treffend betont von Naucke, Beccaria I, S. 22 f. 104 Globig/Huster, Abhandlung, S. 48. Interessant und konsequent auch die dem folgende Stelle: „Die Strafe muß jedoch nicht grausam seyn. Das ist, sie muß nicht härter seyn, als es die nothwendige Abschreckung erfordert“. Ein ähnlicher Satz bei W. v. Humboldt, Wirksamkeit des Staates, Kap. XIII (S. 155): „Was daher in einem gegebenen Falle mit Recht Grausamkeit heißt, das kannn in einem andren die Notwendigkeit selbst erheischen“. 105 Stürzer, Rücksichten, S. 61. 106 Schilling, ArchCrimR Bd. VI, St. II (1805), S. 124. 107 Theod. v. Hippel, Beytrag, S. 24 f. 108 Kant, Metaphysik der Sitten, A 197/B 226. 109 Siehe auch Valjavec, Aufklärung, S. 98. 110 Etwa Konopak, ArchCrimR Bd. V St. III (1803), S. 142, der Feuerbachs Konsequentialismus kritisiert; Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 104 ff.: „Feuerbachs Deduction könne auf den Namen einer rechtlichen Deduction gar nicht einmal gegründete Ansprüche machen. Denn die bloße Tauglichkeit und Dienlichkeit eines Mittels zur Realisierung eines Zwekes ist noch kein Rechtstitel für dessen Anwendung“ (104); Bergk, Philosophie des peinlichen Rechts, S. 53 f.

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(3) Wenn man die Kritik Kants ernst nimmt, merkt man, dass sie einen berechtigten Kern aufweist: Konsequentialistische Begründungen des Strafens scheinen in der Tat für Vieles, was wir für wichtig halten, gar kein Verständnis aufbringen zu können. Wie gesehen (C. II. [S. 131 ff.]), können Zweckmäßigkeitsargumente unverfügbare Positionen und ausnahmslose Verbote überhaupt nicht tragen, denn sobald man einen Versuch in diese Richtung unternimmt, verkümmern die Positionen und Verbote zu verfügbaren Positionen und ausnahmefähigen Verboten. Ist etwa die Todesstrafe nur aus dem Grunde illegitim, weil sie nicht wirksam abschreckt, dann darf der Staat einen in seinem Gewahrsam befindlichen Menschen töten unter der Bedingung, dass sich die Tötung als abschreckungswirksam erweist. Wichtig ist daran in erster Linie nicht, dass sich Belege in diese Richtung entgegen einer verbreiteten, vor allem auf Beccaria zurückgehenden Auffassung, wohl auflisten ließen,112 sondern vielmehr, dass die Frage, ob der Staat einen gefangenen Menschen töten darf, vom wechselhaften Stand der empirischen Ansichten zur Abschreckbarkeit durch Todesstrafen abhängen soll. Und Gleiches könnte man gegen die Argumentation vorbringen, dass die Folter kein Mittel zur Wahrheitsfindung sei: Diese Begründung kann das Folterverbot nur so lange tragen, bis diese Ungeeignetheit keinem vernünftigen Zweifel unterliegt. Ist es aber vielmehr wahrscheinlich, dass die Folter das einzige Mittel zur Wahrheitsfindung ist, dann zwingt uns das Argument geradezu dazu, sie doch zuzulassen.113 Auf der anderen Seite erscheint auch der von Kant vorgezeigte Weg der Vergeltungstheorie – also einer Theorie, die Strafe nur deshalb für legitim erklärt, weil sie eine Forderung der Gerechtigkeit sei – höchst problematisch.114 Müssen wir wirklich nur deshalb bestrafen, weil in der Vergangenheit verbrochen wurde, ohne uns über die Zukunft sowohl der Strafenden als auch des Bestraften irgendwelche Gedanken zu machen? Sind wir verpflichtet, wie es im sog. Inselbeispiel heisst, auch den letzten Mörder hinzurichten, allein „weil er verbrochen hat“, ohne dass aus dieser Hinrichtung irgendwelche Vorteile entstehen können, da sich die Inselgesellschaft auflöst?115 Das Inselbeispiel Kants beweist aber 111 Kant, Metaphysik der Sitten, A 196/B 226. Zum genaueren Gehalt dieses Instrumentalisierungsverbots bereits oben C. III. (S. 177 ff.). 112 Siehe bereits oben Teil C., Fn. 295. 113 Und erst recht die seit kurzem sog. „Rettungsfolter“ für Fälle von Lebensgefahren, siehe die Nachw. oben Teil C., Fn. 84. 114 Eine eingehendere Kritik der Vergeltungstheorie wird unten 4. f), (S. 470 ff.) geliefert. Jetzt geht es uns nur um unmittelbar intuitiv an sie gestellte Herausforderungen. 115 Kant, Metaphysik der Sitten, A 199/B 229; ihm zust. früher Maurach, AT4, S. 77 (dazu trotzdem unten Teil D., Fn. 145); heute Zackzyk, Inselbeispiel, S. 77, 85; Hampton, Retribution, S. 404; M. Moore, Closet Retributivism, S. 99; ders., Justifying Retributivism, S. 155. Dagegen aus der Sicht seiner verweltlichten bzw. rechtlichen – oder, um die hiesige Terminologie zu gebrauchen [unten D. II. 4. f), (S. 464)]: konsequentialistischen – Vergeltungslehre Beling, Vergeltungsidee, S. 49 f.; und aus eingeschränkt

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nicht alles. Man könnte sich ein zweites Inselbeispiel vorstellen, wo die Auflösung der Gesellschaft nicht etwas Unvermeidbares, sondern gerade die Folge der Vollstreckung einer Strafe wäre. Auf unserer Insel2, die sich von Kants Insel1 in mehreren Hinsichten unterscheidet, leben mehrere verfeindete Stämme, die seit Generationen blutigen Krieg gegeneinander führen. Ein großer Mann schafft es, Frieden zu schließen, und seinem Charisma als Oberhaupt ist es zu verdanken, dass man sich in letzter Zeit nicht mehr gegenseitig abschlachtet. Nun wird entdeckt, dass dieser Mann Straftaten begangen hat, die noch nicht verjährt sind und die mit Freiheitsstrafe geahndet werden müssten. Ginge es beim Strafen tatsächlich allein um die Vergeltung, dann müsste man auch im Inselbeispiel2 bestrafen, selbst wenn dies das Ende der Gesellschaft zur Folge hätte. Einige Stellen der „Metaphysik der Sitten“ sprechen dafür, dass nicht einmal Kant in einem solchen Fall auf einer Strafe bestehen würde.116 (4) Wenn man also der Vergeltungstheorie etwas skeptisch gegenüber steht – wozu es gute, erst unten II. 4. f) (S. 470 ff.) zu diskutierende Gründe gibt – scheint sich eines der Grunddilemmata der Straftheorie gestellt zu haben. Zwei Wege gibt es nach dem Gesagten, um die Strafe zu rechtfertigen: entweder ist Strafe legitim, wenn sie zweckmäßig ist, oder sie ist legitim, wenn sie gerecht ist. Das Problematische an dieser Alternativität ist aber, dass sie notwendig in eine Sackgasse führt, da sich beide Wege vor unüberwindliche Schwierigkeiten gestellt sehen, die sich auch nicht durch eine Strategie des Sowohl als Auch ausräumen lassen. Die Schwierigkeit ließe sich mit folgender Frage auf den Punkt bringen: Wie kann man ungerechte Strafen verhindern, ohne der Vergeltungstheorie anzuhängen? Oder: Wie löst man den Anspruch der Vergeltungstheorie ein, Unverfügbares zu beachten, ohne ihren Anmaßungen, etwa im Inselbeispiel2 zu bestrafen, anheimzufallen? bb) (1) Trotz ihrer offensichtlichen Untauglichkeit hat die auch bei Beccaria auftauchende Argumentationsweise Schule gemacht und ist über Jahrhunderte auch im Lande Kants der Weg, auf dem sich die herrschende Meinung die Auflösung des Dilemmas verspricht. Dieser Weg ließe sich auf die Kurzformel: präventiver Sicht Roxin, Sinn und Grenzen, S. 17. Völlig daneben die Kritik Klugs, Phänomenologische Aspekte, S. 228 f., der von einem logischen Widerspruch redet. Im Übrigen dürften Klugs Beiträge zur straftheoretischen Diskussion mehr wegen ihrer plakativen Überschriften bzw. einzelner zugespitzter Sätze als wegen ihres mageren Inhalts bekannt geworden sein (ähnlich Ramb, Strafbegründung, S. 20 Fn. 18, der Klugs ersten oben zit. Aufsatz für „berüchtigt“ erklärt). Etwas zu selbstsicher Lampe, Strafphilosophie, S. 13 Fn. 9, der Kants Theorie wegen ihrer Lösung des Inselbeispiels für „überholt“ erklärt. 116 Kant, Metaphysik der Sitten, A 201/B 231: Hier gestattet er, dass man die an sich gebührende Todesstrafe nicht verhängt, wenn die Teilnehmer an einem Mord so viele sind, dass sich der Staat bei der Hinrichtung aller auflösen müsste. Dies ist ihm oft als inkonsequent gerügt worden, etwa Hepp, Darstellung I2, S. 106; Binding, Grundriss8, S. 217; Cattaneo, Dignità umana, S. 315 f.; Jakobs, Staatliche Strafe, S. 14.

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„Zweckmäßigkeit durch Gerechtigkeit“ oder spezifischer: „Prävention durch Vergeltung“ bringen. Der Weg besteht darin, dass man als Grund für die Einhaltung gewisser ausnahmsloser Regel ihre Zweckmäßigkeit zur Förderung des Bezweckten angibt. Gerechtigkeit sei letztlich vorteilhaft, Gerechtigkeit zahle sich aus. Selbst wenn dieses Versprechen tagtäglich widerlegt zu werden scheint, sei das bloßer Schein, denn langfristig erweise sich die Strategie der Gerechtigkeit als die erfolgversprechendste.117 (2) Dieser Gedanke hat eine lange Geschichte.118 Auch in der Aufklärungszeit lebt er fort, sowohl bei Philosophen als auch bei den verschiedensten Strafrechtlern, insbesondere bei denen, die sich doch für Vergeltungstheoretiker und manchmal sogar für strafrechtliche Kantianer halten. Unter die Philosophen, die eine derartige Hobbes’sche Begründung der Deontologie liefern,119 zählen so unterschiedliche Köpfe wie Holbach, der das eigene Interesse oder die Selbstliebe zur Grundlage der Tugend erklärt,120 Rousseau, der in den Mund seines Vicaire Savoyard den Rat stellt: „Sois juste, et tu seras heureux“121 – und sogar Kant. Nicht einmal der große Gegner des Eudämonismus und des Konsequentialismus konnte vor dem Verfassen seiner moralischen Hauptwerke diesem Gedanken widerstehen: Es verhalte sich so, dass „die moralische Gesinnung, als Bedingung, den Anteil an Glückseligkeit, und nicht umgekehrt die Aussicht auf Glückseligkeit die moralische Gesinnung zuerst möglich mache“.122 Unter Strafrechtlern findet man eine vergleichbare Einstellung. Schon einer der ersten Kantianer, die sich mit dem Strafrecht befassten, nämlich Zachäria, konnte nicht darauf verzichten, die Gerechtigkeit für zweckmäßig zu erklären.123 Entsprechend äußerte sich Tafinger 1811: „Die Strafe ist exemplarisch, weil sie gerecht ist, und zum Abschrecken taugt sie, weil sie exemplarisch nach vernünftigen Begriffen ist“.124 Der historisch-pragmatisch orientierte Strafrechtler Roßhirt verfolgte die gleiche Linie weiter. Er unterschied, wie Feuerbach, Zweck und Rechtsgrund der Strafe, ließ aber letzteren in ersterem ausdrücklich aufgehen und urteilte: „Was zur Erhaltung des Staates ein nothwendiges Mittel ist, muß ja eben deshalb rechtmäßig seyn“;125 und der eklektische Hepp kritisierte zwar rein politische Lehren wie diejenige Feuerbachs dafür, dass sie zu der Ma117 Siehe auch Naucke, ZStW 94 (1982), S. 537 der von der „Karriere der Zweckmäßigkeit im Strafen im Gewande der Gerechtigkeit“ spricht, die von Feuerbach über Liszt gehe. 118 Siehe bereits oben C. II. (S. 141 ff.). 119 Zu diesem Begriff oben A. (S. 16) und C. II. (S. 142). 120 D’Holbach, Politique Naturelle, Discours Premier, V. 121 Rousseau, Émile, Livre Quatrième, S. 367. 122 Kant, Kritik der reinen Vernunft A 813/B 841. 123 Zachariä, Anfangsgründe, § 44 (S. 31); einiges davon, wenn auch weniger, beim Kantianer Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 112. 124 Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 88. 125 Roßhirt, Lehrbuch, S. 20, 23 f. (Zitat S. 24).

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xime „der Zweck heiligt die Mittel“ gelangten, zum anderen urteilte er aber, dass „menschlich gerechte und humane Strafgesetze weit sicherer ihren Zweck erreichen, als terroristische Strafgesetze“.126 Als die Epoche der Hegelianer kam, hatte man es natürlich leichter, den Gegensatz zwischen Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit „aufzuheben“ bzw. beide miteinander zu „versöhnen“, nur merkte man dabei nicht, dass dies keine Lösung der Spannung ist, sondern bestenfalls der Verzicht auf eine Lösung und schlimmstenfalls der Verzicht auf die Gerechtigkeit zugunsten der Zweckmäßigkeit.127 Abegg vertrat zwar eine sog. Gerechtigkeitstheorie, dachte aber, die „relativen Momente“ stünden „nicht nur neben dem Principe der Gerechtigkeit“, sondern seien „in jenem Principe selbst mitenthalten“. 128 Köstlin sieht den Hauptfehler ehemaliger absoluter Theorien in der Verleugnung relativer Zwecke,129 die er in seine Theorie durch den Begriff des Wohls einzuführen sucht.130 Und noch kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert sagte der Hegelianer Berner, die „Genugthuung, d.h. die Befriedigung des Rechtsbewußtseins“, werde durch „sichtliche Proportionalität zwischen Verbrechen und Strafen“ erreicht.131 Einer ähnlichen Argumentation beHepp, Darstellung II/12, S. XI. Dass den Hegelianern die Integration relativer Zwecke in die absolute Straftheorie ein Hauptanliegen war, betonen zu Recht Ramb, Strafbegründung, S. 49, 243; Vormbaum, Einführung, S. 69. Radikal Naucke, Einfluss Kants, S. 148: „Auch die absolute Straftheorie der Hegelanhänger ist nur eine verdeckte relative Straftheorie“. Hegel selbst wird in diesem Überblick fehlen. Den Ansprüchen, seiner Theorie die gebührende Achtung und Aufmerksamkeit zu widmen, kann man hier nicht genügen. Die gängige Interpretation sieht in ihm einen Vergeltungstheoretiker (z. B. Roxin, AT I4, § 3/4), während sich in letzter Zeit Versuche mehren, in ihm einen Vertreter positiv-generalpräventiver Gedanken zu erblicken (Seelmann, JuS 1979, S. 690, 691; Streng, ZStW 92 [1980], S. 641; dezidiert Mohr, Unrecht und Strafe, S. 109; in diese Richtung auch Jakobs, AT2, § 1/21; Maultzsch, Jura 2001, S. 91 f.; dagegen Ramb, Strafbegründung, S. 35), oder sogar einen Überwinder des Gegensatzes von Prävention und Gerechtigkeit (Lesch, Verbrechensbegriff, S. 99; Ramb, Strafbegründung, S. 49, 51, 242; andere Interpretation, welche die „Versöhnung“ in den Vordergrund rückt, bei Becchi, ARSP 88 [2002], S. 566 ff.). Eingehend mit vielen Nachw. zu den kursierenden Interpretationen Lesch, Verbrechensbegriff, S. 75 ff. 128 Abegg, Strafrechtstheorieen, S. VI, 28, 34 Fn. 28, S. 35 (hier die Zitate), 170; ferner ders., JahrbgesdjLit 25 1835), S. 264 ff., 273; ders., NArchCrimR 1850, S. 57, 59, 178 (man müsse die „mögliche und heilsame Wirkung der gerechten Strafe, unter anderm auch abzuschrecken, zugestehen“); ders., Lehrbuch, S. 70 f., 75. Zu Abeggs Theorie ausführlich Ramb, Strafbegründung, S. 67 ff.; zu seinem Vermittlungsversuch von Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit S. 94 ff. 129 Köstlin, System, S. 395; ders., Neue Revision, S. 782; zu Köstlins Straftheorie Ramb, Strafbegründung, S. 124 ff. 130 Köstlin, Neue revision, S. 788; ders., System, S. 16 ff., 395 ff.; siehe dazu ausführlich Ramb, Strafbegründung, S.152 ff. 131 Berner, Lehrbuch18, § 7; siehe früher ders., NArchCrimR 1845, S. 158 ff., 163 ff., wo eine „begriffsmäßige Vereinigung der relativen Theorien mit der absoluten“ im Sinne einer Spielraumtheorie (S. 168 f.) versucht wurde; s. ferner ders., Lehrbuch1, S. 31: „Die genugthuende, bessernde, abschreckende Vergeltung wirkt als Verteidigung des Staates und des Rechts, als Wiederherrstellung, als Ersatz des idealen 126 127

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dienten sich Vertreter der theologischen Vergeltung wie Stahl und Jarcke.132 Zur Zeit des sog. Schulenstreits wies die sog. klassische Schule mehrmals darauf hin, dass ihr Vergeltungsbegriff „soziale Dimensionen“ hätte, dass Vergeltung der effektivste Weg zur Prävention sei. Merkel, ein wichtiger Vorgänger der Klassiker, behauptete, Gerechtigkeit sei nicht ein Zweck der Strafe, „wohl aber die Eigenschaft, von welcher es abhängt, dass die Strafe ihren Zweck erfüllen könne“.133 Im selben Sinne, und häufig mit Berufung auf Merkel, äußerten sich Richard Schmidt,134 Binding135 und Beling.136 Auch Nagler, der letzte unter den großen Klassikern, bestand auf der Unterscheidung von rechtlicher und sittlicher Vergeltung, und erklärte deutlich, die gerechte Strafe sei „Zweckhandlung“: „Die rechtliche Vergeltung ist niemals Selbstzweck . . . Sie hat jeweilen als das einzigartige Mittel zur Erhaltung des Rechtsbaues danke dem heilsamen Eindruck der Ausgleichung auf die Gemüter der Rechtsgenossen Bedeutung“137, 138 Die Vereinigungstheoretiker, von denen v. Hippel wohl einer der prominentesten sein dürfte, kamen zu dem gleichen Ergebnis.139 Auch nach der Überwindung des Schulenstreits, etwa bei Hellmuth Mayer und Mezger, lebte Schadens, als Sicherung und als Prävention“, so dass „kein einziger wesentlicher Gedanke der relativen Theorie hier verloren“ gehe, S. 174 ff.; zu Berners Straftheorie Ramb, Strafbegründung, S. 173 ff.; zu seinem Vermittlungsversuch von Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit S. 189 ff. 132 Stahl, Philosophie des Rechts II/2, S. 521 f.; Jarcke, Handbuch I, S. 247 ff. 133 Merkel, Lehrbuch, S. 190 (Zitat); ders., Vergeltende Gerechtigkeit, S. 8 f., 12 f.; ders., Vergeltungsidee, S. 699 ff.; dort heißt es ferner, die „staatliche Vergeltung“ sei auch „,Zweckstrafe‘“ (S. 700); gegen einseitige Theorien ders., Begriff der Strafe, S. 245. Nach Rauch, Klassische Strafrechtslehre, S. 28 war Wach, Reform der Freiheitsstrafe, S. 56 f. (1890) der erste, der so argumentierte – was die eben zitierten Stellen Merkels, ebenso wie die Stellungnahmen aus dem mittleren und früheren 19. Jahrhundert übersieht. Zu Merkels Straftheorie Helga Müller, Generalprävention, S. 328 ff. 134 R. Schmidt, Aufgaben, S. 79; ders., GS 96 (1928), S. 14 f.; ders., Grundriß, S. 41, 45 f.; ders., Einführung3, S. 416. 135 Binding, Normen I, S. 502; ders., Grundriss8, S. 209 Fn. 1 (Strafe verfolge durchaus einen Zweck, Verweis auf Merkel und R. Schmidt – freilich mit einer Zurückweisung der Identifikation von Vergeltung und Generalprävention), 225, 229 (gerechte Übelszufügung sei „nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck“). 136 Beling, Grundzüge11, S. 5; am deutlichsten ders., Vergeltungsidee, S. VII (wo bereits die Metapher eines „gemeinnützigen Vereins“ aufschlussreich erscheint), VIII f., 1 ff. („Welchen denkenden Kopfe sollte eine Theorie annehmbar erscheinen, die wirklich ,zwecklos‘ gestraft wissen will?“ [S. 2]), S. 36, 43, 49 f.). 137 Nagler, Die Strafe, S. 550, 579 (Zitate); siehe noch ders., GS 70 (1907), S. 26 f.; ders., GS 103 (1933), S. XXIII f. 138 Auch in diesem Sinne andere Klassiker: Birkmeyer, ZStW 16 (1896), S. 97; ders., Was lässt v. Liszt, S. 10; ders., GS 67 (1906), S. 407; Finger, GS 95 (1927), S. 109 f.; Lobe, LK2 S. 7 f.; Oetker, GS 70 (1907), S. 335: „Die Strafe ist Vergeltung zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes“; ders., GS 91 (1925), S. 329 f. Weitere Nachw. bei Seidl, Streit um den Strafzweck, S. 69; Frommel, Präventionsmodelle, S. 104 ff. 139 v. Hippel, Deutsches Strafrecht I, S. 10, 491, 494, 498, 500; ferner Heinitz, ARSP 26 (1928/29), 263 f.; Sauer, Grundlagen, S. 74, 77; einen anderer Versöhnungs-

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dieser Gedanke fort. H. Mayer sagte, ganz im Sinne der Klassiker, aus deren Schoß er stammte, dass „nur die gerecht vergeltende Strafe auf die Dauer hinreichende generalpräventive Wirkung hat“.140 Mezger sprach von einer Mehrdimensionalität der Strafe,141 da diese zugleich vergeltenden und vorbeugenden Überlegungen folge. Das Neue an seiner Theorie ist nicht, dass er die Vergeltung durch generalpräventive Erwägungen begründet,142 sondern dass er – insb. in seinen Schriften vor und nach der nationalsozialistischen Zeit – die Persönlichkeitsachtung zum eigenständigen „Strafzweck“ neben den herkömmlichen erklärt.143 Diese Persönlichkeitsachtung wird zum Teil konsequentialistisch begründet, aber nur zum Teil, so dass hier ein wichtiger Gedanke zum Ausdruck kommt, nämlich dass „die Einzelpersönlichkeit . . . ein selbständiger Eigenwert“ sei. Der Vergeltungsgedanke funktioniere insofern als Bollwerk des Einzelnen.144 Die nach dem zweiten Weltkrieg formulierten sog. Vereinigungstheorien, welche die Strafe aus einem Ensemble von präventiven und gerechtigkeitsbezogenen Gesichtspunkten legitimierten, insbesondere in den Gestalten, die ihnen Gallas und Jescheck gaben, sprachen noch von Vergeltung, begründeten diese aber weiter nach diesem Schema, durch einen Hinweis auf ihre Zweckmäßigkeit.145 Die Vereinigungstheoretiker, die sich als Erben der Modernen Schule versuch schlug Sauer später durch seinen Begriff der „Pflichtensteigerung“ vor, vgl. ders., DJZ 1928, Sp. 910; ders., GS 97 (1928), S. 32 ff. 140 Hellmuth Mayer, Strafrecht, S. 26 (Zitat); ders., GS 92 (1926), S. 479. In dems., Gesetzliche Bestimmtheit, S. 260 f. wird das Argument zur Begründung des Bestimmtheitsgebotes herangezogen, s. dazu unten D. I. 4. e), S. 253 ff. In seinem Spätwerk sondert er zum einen den Zweck der Strafe und ihren Rechtsgrund schärfer voneinander ab, H. Mayer, Studienbuch, S. 24. 141 Etwa Mezger, Grundriss1, S. 135; ders., Kriminalpolitik 3, S. 256; so auch Hungria, Novas teorias, S. 277. 142 Z. B. Mezger, Grundriss1, S. 135; ders., Grundriss3, S. 161; ders., Kriminalpolitik3, S. 256; ders., Lehrbuch3, S. 504. 143 Mezger, Lehrbuch2, S. 511 ff. (1933); ders., Lehrbuch3, S. 511 ff. (1949); und früher bereits sehr ähnlich MSchrKrimPsych 19 (1928), S. 388. Enstprechende Stellen befinden sich in seinem in drei Auflagen (1938, 1941, 1943) erschienenen Werk „Deutsches Strafrecht. Ein Grundriss“ nicht. 144 Mezger, Lehrbuch3, S. 512. Wie ernst diese Behauptungen zu nehmen sind, ist in der Sekundärliteratur umstritten. Telp, Ausmerzung, S. 166 schätzt Mezgers Theorie als Syntheseversuch von Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit ein, wobei die Schwerpunkte auf Seiten der Zweckmäßigkeit liegen dürften; nach Seidl, Streit um Strafzweck, S. 150, komme der Vergeltung bei Mezger „nur deklaratorische Bedeutung“ zu. Zur nationalsozialitischen Verstrickung von Mezger vgl. allgemein Muñoz Conde, Mezger4, S. 80 ff. und passim. 145 Gallas, Gründe und Grenzen, S. 3, 4 f.; ders., ZStW 80 (1968), S. 3; Jescheck/ Weigend, AT5, § 1 II 1; ähnlich Jescheck, JBl. 1998, S. 617. Weitere ähnliche Stellungnahmen bei Bock, ZStW 103 (1991), S. 652 f.; Armin Kaufmann, Aufgabe des Strafrechts, S. 265 f., der – zwar übertrieben, aber nicht völlig unberechtigt – behauptet, eine „reine Vergeltungstheorie“ sei von Juristen nie vertreten worden (so auch Mir Puig, Introducción2, S. 51); Lackner, Prävention und Schuldfähigkeit, S. 256; Lange, SchwZStr 70 (1955), S. 379 (sowohl general- als auch spezialpräventiv argumentie-

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betrachteten – unter ihnen vor allem Eberhard Schmidt – versuchten die Forderung, Strafe müsse gerecht sein, durch einen Hinweis auf Belange der Resozialisierung zu begründen: Nur die gerechte Strafe könne dem Bestraften einen Anlass zur Besserung geben.146 Einen Beleg für die Macht dieser Tradition und für die Gefahren dessen, dass eine Gerechtigkeit, die man präventiv begründet, keine unüberwindbare Schranke der Prävention darstellen kann, erbringt die Große Strafrechtskommission: Obwohl einige ihrer Mitglieder ähnlich wie der gerade erwähnte frühe und späte (nicht mittlere) Mezger vom Eigenwert der Person sprachen und daraus das im E 1962 enthaltene „Bekenntnis zum Schuldrend); Moos, Positive Generalprävention, S. 305 ff.; Neumann, Strafrechtsverständnis, S. 62; ders., Schuldprinzip, S. 400, 403; ders., Zurechnung, S. 271 ff.; ders., Normative Kritik, S. 152; Noll, Rationalisierung, S. 221 ff.; Schünemann, Positive Generalprävention, S. 119 (der von einer Übereinstimmung von Schuld und negativer Generalprävention durch Androhung spricht); Spendel, Strafmaß, S. 102 f.; Stree, in: Schönke/Schröder27, Vorbem §§ 38 ff./3; Streng, ZStW 101 (1989), S. 283; wohl auch Nowakowski, Freiheit, Schuld, Vergeltung, S. 66, 86 f. und Lampe, Strafphilosophie, etwa S. 152. Eine Sonderstellung nimmt auf den ersten Blick Maurach, AT4, S. 77 ein: Zum einen fordert er im „Inselbeispiel“ Kants eine Bestrafung, mit Hinweis auf die „zweckgelöste Majestät“ der Strafe, zum anderen führt er aus, „gerade diese absolute Stellung der Vergeltungsstrafe entfaltet sozialpsychologische Auswirkungen . . .“. Unklar bleibt, wo diese Auswirkungen entstehen sollen, wenn es im Inselbeispiel keine Gesellschaft mehr geben soll! Zur Oberhand der Prävention bei Maurach zutreffend Mir Puig, Introducción, S. 51 f.; vgl. ferner Teil D., Fn. 1076. Fragwürdig auch der Rettungsversuch von Altenhain, Kant und Feuerbach, S. 12, der meint, es müsse bestraft werden, weil die Einwohner der Insel sich anderen Gesellschaften anschließen würden. 146 Eb. Schmidt, ZStW 67 (1955), S. 185, 191; ders., ZStW 69 (1957), S. 370 Fn. 21; ders., NJW 1967, S. 1931; Arthur Kaufmann, JZ 1967, S. 557 (diesem weitgehend zust. Müller-Dietz, Strafzwecke und Vollzugsziel, S. 27 f., 39); von der spezialpräventiven Eignung der gerechten Strafen sprechen auch Bockelmann, JZ 1951, S. 498; Gallas, ZStW 80 (1968), S. 3; ders., Gründe und Grenzen, S. 4; Lange, SchwZStr 70 (1955), S. 377, 379; Nowakowski, Freiheit, Schuld, Vergeltung, S. 65 f.; Schöneborn, ZStW 88 (1976), S. 363; in Italien Fiandaca/Musco, PG3, S. 268 f., 637 ff. Ein wichtiger Vorgänger war hier Radbruch, JW 1932, S. 3037: „Vergeltung als Mittel der Erziehung“. Der Kenner Eb. Schmidts kann das eben Gesagte als Verkürzung der Lehren dieses großen, im Grunde weit unterschätzten Strafrechtsdenkers beklagen. Vor allem betont Schmidt wiederholt, Resozialisierung sei nicht der Prävention halber, sondern der Gerechtigkeit halber geboten – nur wenn der Strafvollzug eine Resozialisierungschance eröffne, wahre der Staat seine sittliche Überlegenheit gegenüber dem Rechtsbrecher (am deutlichsten Eb. Schmidt, ZStW 69 [1957], S. 377, 384). Nur wird nicht immer deutlich, ob Konsequentialismus oder Deontologie das Primäre ist. Denn selbst der (sich eher deontologische anhörende) Gedanke der Wahrung der sittlichen Überlegenheit des Staates scheint eine konsequentialistische Deutung zu erfahren, nämlich, dass der Staat etwas Gutes, sei es auch für den Täter, bewirke – daher ist auch das Eintreten Schmidts für eine zukunftsbezogene unbestimmte „Sicherungsstrafe“ verständlich (ebda. S. 394 u. Fn. 71; vgl. ferner den älteren Aufsatz SchwZStr 45 [1931], S. 212, worauf er verweist). Dies bedürfte auf jeden Fall einer näheren, hier nicht zu leistenden Klärung. Zu Eb. Schmidt vgl. immerhin die Gedächtnisrede Langes, JZ 1978, S. 541 ff.; und die neue umfassende Monographie von Gräfin v. Hardenberg, Eberhard Schmidt, passim.

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strafrecht“ ableiteten,147 versuchte man unentwegt, die Schranken der Schuld zu flexibilisieren, entweder dadurch, dass man sich für eine Lebensführungsschuld aussprach148 oder mit der sog. Spielraumtheorie Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte innerhalb eines manchmal überdehnten Schuldrahmens gelten ließ149 – wenn man sich nicht gleich über diese Schranken offen hinwegsetzte, wie es der E 1962 letztlich bevorzugte.150 Und wohl bildet einen der Hauptgründe des heutigen Erfolgs der sog. positiven Generalprävention – die man als heute herrschende Ansicht bezeichnen kann – ihr Versprechen, Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit miteinander zu versöhnen, sie zu harmonieren, da integrierend i. S. der positiven Generalprävention nur die Strafe wirke, die auch als gerecht empfunden werde.151 Kennzeichnend für die Stärke dieser herrschenden Meinung ist, dass nicht einmal der heutige Vergeltungstheoretiker M. Köhler es unterlässt zu betonen: „Die gerechte Strafe ist mithin zugleich die Grundlage präventiver Handlungszusammenhänge“.152 147 E 1962, S. 96; Welzel, Strafrecht11, S. 241 f.: nur die gerechte Vergeltung bewirke eine Bildung und Festigung des sittlichen Urteils. Zu den übrigen Mitgliedern der Großen Strafrechtskommission Jescheck, Gallas und Eberhard Schmidt s. die zwei vorhergehenden Fn. 148 Eb. Schmidt, Niederschriften I, S. 35 f.; ders., Strafzweck, S. 21; ders., ZStW 69 (1957), S. 385; dazu Dreher, ZStW 66 (1954), S. 570. 149 Jescheck, Niederschriften I, S. 44; s. Dreher, ZStW 66 (1954), S. 571. 150 E 1962, S. 96: „Es gibt Fälle, in denen es gerecht erscheint, eine gewisse Überschreitung des Schuldmaßes zuzulassen, um dadurch eine nachhaltigere Wirkung auf den Täter zu ermöglichen“, S. 181. Nur solle sich die Strafe nicht so sehr von Schuld entfernen. Krit. Henkel, Die „richtige“ Strafe, S. 44 f. Zur Entstehungsgeschichte und zu den unterschiedlichen Interpretationen der Formulierung des E 1962, wonach die Schuld die „Grundlage“ der Strafzumessung bilde, Stratenwerth, Tatschuld und Strafzumessung, S. 8 ff. 151 Etwa Achenbach, Individuelle Zurechnung, S. 143; Baurmann, GA 1994, S. 376, 379; Dubber, ZStW 117 (2005), S. 498; Hassemer, Einführung2, S. 323; Hart-Honig, Strafzumessung, S. 100; A. Kaufmann, Aufgabe des Strafrechts, S. 265 f.; Kunz, ZStW 98 (1986), S. 832; Morselli, RBCC 19 (1997), S. 45 f.; Moos, Positive Generalprävention, S. 305; Müller-Dietz, Integrationsprävention, S. 823; Streng, ZStW 101 (1989), S. 287 ff., 295. Das gilt auch für Hassemers Version der positiven Generalprävention, die er von der von sog. Integrationsprävention der h. M. unterscheiden will (z. B. Einführung2, S. 324 ff.; ders., JuS 1987, S. 264 ff.; ders., Sozialtechnologie, S. 333; ders., Aufgabe, S. 249 ff.; ders., Warum strafen wir, S. 110 f.; ders., Positive Generalprävention, S. 41 ff.; ders., StV 2006, S. 331), und für Alcácers Erwägungen, der zwar die von ihm sog. Versöhnungslösungen (soluciones de síntesis) von Prävention und Gerechtigkeit verwirft (Doxa 25 [2002], S. 149 f., 154 f.), um doch zu vertreten, dass die Stabilität des Strafrechts weitgehend von dessen Legitimität abhänge (S. 156): Auch hier geht es darum, das Richtige zu tun, weil das Vorteile bringt. Diese Erklärung des Erfolges der positiven Generalprävention findet sich auch bei Pérez Manzano, Prevención general positiva, S. 73, 81 u. Seelmann, Jura 1980, S. 508 f., 512 welche die Harmonie von Vergeltung und positiver Generalprävention zu Recht verwerfen. Kritisch auch v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß, S. 10 f. 152 Köhler AT, S. 50. Ähnlich ders., Strafrechtsbegründung, S. 40: Der Tatschuldausgleich „ist übrigens von durchaus diesseitiger, zukunftsorientierter Notwendigkeit: nur vom Status einer wiederhergestellten Rechtsgleichheitsbeziehung aus ist an ,Ver-

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cc) (1) Dass diese Lösung keine ist, dass dieser Weg vielmehr einen Irrweg darstellt, beweisen nicht nur die Ausführungen Kants und unsere obigen Erwägungen (C. II. [S. 131 ff.]), sondern noch überzeugender die Rechtslehre des Nationalsozialismus, die eine wahre Fundgrube von Argumenten anbietet, die alle derartigen Versuche, Deontologie konsequentialistisch zu begründen, widerlegt.153 Die alten Anhänger der Klassischen Schule, die wie gesehen schon immer ihren Gerechtigkeitsbegriff konsequentialistisch i. S. der Wahrung der Staatsautorität deuteten,154 hatten es deshalb leicht, viele nationalsozialistische Forderungen zu begrüßen und zu begründen: So konnte der erklärte Vergeltungstheoretiker Nagler behaupten, die Todesstrafe, die „lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit“ darstelle, sei „mit aller Entschiedenheit zum Einsatz“ zu bringen, denn „sie stellt in ihrer erschütternden Kraftentfaltung den Autoritätsgedanken mit besonderer Deutlichkeit heraus“.155 Auch der Klassiker Oetker, der die Vergeltung „untrennbar mit der Autoritätswahrung verbunden“ sieht,156 legitimiert die Todesstrafe konsequentialistisch und aus Gerechtigkeitsüberlegungen zugleich: „Wie bedürfen zu sehr die Schutzwehren gegen die Flut des Verbrechens und würden den Wert des Menschenlebens gerade dadurch mißachsöhnung‘ (,Resozialisierung‘) oder an ,Wahrung von Rechtstreue‘ überhaupt zu denken“. Deshalb hat er keine Probleme mit generalpräventiver Strafzumessung, die er zunächst zwar ablehnt (S. 45), aber über den Unweg einer postulierten Unrechtserhöhung durch wiederholte Tatbegehung am Ende zulässt (S. 51, 54 f.). Nicht einmal die sehr kompromissbereiten Hegelianer des 18. Jahrhunderts ließen das zu, sondern sahen darin einen Einbruch der Abschreckungstheorie in die Vergeltungslehre, z. B. Abegg, Strafrechtstheorieen, S. 124 Fn. 132. 153 Die zahlreichen Rechtfertigungsversuche aller möglichen Missachtungen des Instrumentalisierungsverbots durch den Hinweis auf Erfordernisse des Kriegs sind von Nehlsen, Krieg als Argument, S. 103 ff. eindrucksvoll nachgezeichnet. Nur bezweifelt Nehlsen, ebda. S. 131, ob die geltend gemachten Erfordernisse tatsächlich bestanden. Eine Hauptthese der hiesigen Arbeit ist aber gerade, dass es nicht darauf ankommen darf. 154 Vgl. oben D. I. 4. b) (S. 237) und unten D. II. 3. f) (S. 411 ff.), D. II. 4. e) (S. 462 f.); ferner v. Goetzeler, GS 104 (1934), S. 354 f. Dagegen meint Marxen, Kampf, S. 129, die Klassiker begründeten die Vergeltung nach der Machtwende anders: früher durch den Hinweis auf die Rechtssicherheit, jetzt auf irrationale Gefühle des Volkes. Dabei unterlässt er es aber zum einen, Belege für die erste Begründungsweise zu präsentieren, zum anderen übersieht er, dass derartige Hinweise auf Gefühle des Volkes bei den Klassikern immer schon auftauchten (etwa Merkel, Akreßenz und Dekreßenz, S. 278 ff.; Birkmeyer, ZStW 16 [1896], S. 97; Beling, Vergeltungsidee, S. 14 f., 20, der darauf sogar die „Sittlichkeit“ der Vergeltungsidee begründet; Nagler, Die Strafe, S. 521 ff., 551 ff.; andere Nachw. bei Rauch, Klassische Strafrechtsschule, S. 8, der hier zutreffend der Einbruch des positivistisch-naturalistischen Weltbildes in den Wirklichkeitsbegriff der Klassiker sieht). Das Vorhandensein derartiger Gefühle war selbst den Modernen bekannt, welche die Klassikern deshalb häufig kritisierten (z. B. v. Liszt, Deterministische Gegner, S. 50, 52). 155 Nagler, GS 103 (1933), S. XXV. 156 Oetker, GS 104 (1934), S. 2. Weiter heißt es: „Wie stände es um das Ansehen der Rechtsordnung, wenn sie (bestimmte Verbrechergruppen, L. G.) ungestraft blieben?“ Die Strafe sei deshalb in einem gewissen Sinne Sicherungsstrafe (S. 3).

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ten, dass wir dem ruchlosen Mörder die Todesstrafe ersparten.“ 157, 158 Es war auch folgerichtig, wenn Mezger, der, wie bereits erwähnt, die Vergeltung durch ihre Präventionsleistung begründete und von seinem Strafzweck der „Persönlichkeitsachtung“ in der nationalsozialistischen Zeit nicht mehr sprach, für Fälle unzureichender Präventionswirkungen schuldübersteigernde Strafen legitimierte.159 Später bediente er sich eines sehr aufschlussreichen Satzes, der die Gebotenheit zweckmäßigkeitsunabhängiger Erwägungen bestens belegt: „Harte Zeit fordert und schafft hartes Strafrecht“.160 Und Klee, der das „Prinzip der materiellen Gerechtigkeit“ mit dem „Gedanken des wirksamen Schutzes der Allgemeinheit vor dem Verbrechertum“ identifizierte,161 konnte bedenkenlos etwa die Todesstrafe bei Aussichtslosigkeit der Wiedereingliederung des Täters für gerechtfertigt erklären.162 Dass die Zurückführung der Gerechtigkeit auf Zweckmäßigkeit die Entwertung der ersteren bedeutet, die dann argumentativ kaum mehr zur Geltung gebracht werden kann, zeigen auch die Ausführungen derjenigen, die im Angesicht des bevorstehenden Siegeszuges des Nationalsozialismus einige rechtsstaatliche Garantien, insb. die Strafgesetzlichkeit, noch retten wollten. Ein erstes Beispiel hierfür liefert der Klassiker Gerland, der trotz seiner Zustimmung zum neuen System viele der nationalsozialistischen Vorschläge, etwa das „Gefährdungs-“ und das „Willensstrafrecht“, ablehnt.163 Sein Hauptargument ist neben praktischen Schwierigkeiten die Unvereinbarkeit der Vorschläge mit Anforderungen der Generalprävention, so dass die argumentative Leistungsfähigkeit des Gerechtigkeitsarguments bei ihm zu einer bloß unterstützenden Größe verkümmert: „Kein Strafrecht kann Abschreckungsstrafrecht sein, ohne gleich letzten

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Oetker, GS 104 (1934), S. 9. Marxen, Kampf, S. 131 Fn. 250 stellt hier eine „Überlagerung des Vergeltungsgedankens durch Zweckerwägungen“ zwar nicht unrichtig fest. Er übersieht aber, dass dies auf dem schon zweckmäßigkeitsbezogenen Vergeltungsbegriff der Klassiker beruht. 159 Mezger, Grundriss3, S. 161; diese Stelle fand sich in der 1. Aufl. noch nicht (S. 136), sondern wurde erst in der 2. Aufl. (S. 156) hinzugefügt. 160 Mezger, ZAkDR 1940, S. 59. Mit diesem Satz leitet Mezger seinen Aufsatz über „Kriegsstrafrecht und Kriegsverfahrensrecht“ ein, wo es u. a. um die Rechtfertigung etwa der Volkschädlingsverordnung von 1939 ging. 161 Klee, DJZ 1934, Sp. 642. 162 Klee, DStR 1942, S. 69, 75. Früher äußerte er sich zur Todesstrafe mit einem konsequentialistischen und einem deontologischen Argument im selben Atemzug: „. . . eine wirksame, dauernde Sicherung der Gesellschaft gegen ihre größten Schädlinge wird nur durch deren Vernichtung erzielt. Schon aus Gründen der Abstufung der staatlichen Reaktionsmittel im künftigen StGB gegen das Verbrechen erscheint mir die Beibehaltung der Todesstrafe geboten“ (GA 1928, S. 7). Für ein weiteres Beispiel siehe unten bei Teil D., Fn. 223. 163 Und auch die Flexibilisierungen des Gesetzlichkeitsprinzips, siehe unten bei Teil D., Fn. 225. 158

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Endes auch Vergeltungsstrafrecht zu sein“.164 Ein zweites Beispiel bietet der Anhänger der Modernen Schule Grünhut, der nicht zuletzt aus biographischen Gründen des Nationalsozialismus keineswegs verdächtigt werden kann.165 In seiner Schutzschrift gegen die Angriffe Schaffsteins und Dahms betont er die Gemeinsamkeit zwischen Dahms Forderungen und denjenigen v. Liszts166 und versucht dem „neuen Irrationalismus“167 durch den Zweckgedanken Grenzen zu ziehen: „Die Orientierung des Strafrechts an dem Zweck der Verbrechensbekämpfung . . . ist der Schutz dagegen, dass die Strafgewalt zum Mittel des politischen Kampfes wird“.168 Und ein letztes Beispiel liefert Gallas, der zwar nicht aus der klassischen Schule kam und Klassiker kaum zitiert,169 aber immerhin eine durch und durch dieser Schule verpflichtete Argumentation liefert, welche die Strafe als Bewährung der Staatsautorität begreift.170 Daraus versucht er gegen die Auflockerungen des Gesetzlichkeitsprinzips anzutreten: Die zur Prävention erforderliche Stärkung der Autorität des Staates sei „ohne Selbstbeschränkung des Staates nicht denkbar“.171 Dass diese empirischen Prognosen mindestens so fragwürdig waren wie die entgegengesetzen, welche die nationalsozialistischen Anforderungen untermauerten, dürfte einleuchten. Man erwidere darauf nicht, die Nationalsozialisten irrten sich bezüglich der Tatsachen bzw. bezüglich des prognostizierten Zeitpunkts des Eintretens des erwarteten Zwecks, etwa indem man behauptet, die Präventionserfolge seien nur langfristig zu erreichen, wozu Gerechtigkeit tatsächlich erforderlich sei, während die nationalsozialistischen Rechtslehrer nur kurzfristig dachten, da es ihnen anfänglich darum ging, einen neuen Staat zu errichten, und später darum, das Überleben dieses Staates in der Not- und Kriegssituation zu sichern. Diese Antwort überzeugt aus zwei Gründen nicht: Erstens, weil die Behauptung, eine erwünschte Wirkung sei am besten langfristig und über bestimmte Mittel zu erreichen, nicht verbieten kann, dass man, in den Fällen, wo dies möglich ist, dieselbe Wirkung kurzfristig oder über andere Mittel anstrebt. Wenn es wirklich nur um die Wirkung geht, dann haben Faktoren wie der Zeitpunkt und die Ursache ihres Eintritts nur eine sekundäre Bedeutung und lassen sich ersetzen, sobald man mindestens genauso gute Zeitpunkte und genauso taugliche Ursachen

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Gerland, DJ 1934, S. 226 f. (Zitat auf S. 227). Zu Grünhuts Leben und Werk Fontaine, Grünhut, passim. 166 Grünhut, ZStW 53 (1934), S. 8 ff. 167 Grünhut, ZStW 53 (1934), S. 5. 168 Grünhut, ZStW 53 (1934), S. 8; sehr ähnlich auch Aschaffenburg, MSchrKrim 24 (1933), S. 162. 169 Gallas war Schüler des Modernen Kohlrausch (s. Jescheck, Gallas, S. 8). 170 Gallas, ZStW 53 (1934), S. 22. 171 Gallas, ZStW 53 (1934), S. 22 Fn. 34. Ein viertes Beispiel, das Elemente der Argumentation von Gallas und Gerland aufweist und noch die Rechtssicherheit und -gleichheit anspricht, wäre Sauer, DJZ 1933, Sp. 1465. 165

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ausfindig machen kann. M. a.W.: Ist Gerechtigkeit nur als Mittel der Zweckmäßigkeit von Belang, dann wird Gerechtigkeit zu einer fungiblen Erwägung, die jeder Zeit vor anderen, als effektiver angesehenen Kriterien zu weichen gezwungen werden kann. Zweitens ist der Hinweis darauf, dass die nationalsozialistischen Autoren nur kurzfristig und unter dem Eindruck einer Notsituation dachten, deshalb nicht überzeugend, weil es gerade darauf ankommt. Man kann die optimistischen Einschätzungen der Anhänger der herrschenden Meinung für den Regelfall durchaus akzeptieren, denn es erscheint tatsächlich plausibel, dass Strafen, die als ungerecht empfunden werden, nicht die Wirkungen hervorrufen können, die sie hervorrufen sollten. Trotzdem leuchtet es auch ein, dass dieser Zusammenhang nur für den Regelfall gilt. Ändern sich die Ausgangsbedingungen so drastisch, dass die Erreichung des erwünschten Zwecks über den herkömmlichen gerechtigkeitsrespektierenden Weg gefährdet erscheint – was immer wieder vorkommen kann – dann bietet eine zweckmäßigkeitsbezogene Begründung der Gerechtigkeit gerade keine Gewähr dafür an, dass Gerechtigkeit auch dort einen Anspruch auf Achtung ihrer Forderung erheben darf, wo diese Einhaltung unzweckmäßig erscheint. Gerechtigkeit ist erst dann von Nöten, wenn sie unzweckmäßig erscheint. Gerade in Situationen, in denen Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit miteinander nicht im Einklang stehen – also gerade in Notsituationen – ist eine schon intrinsisch, und nicht nur instrumentell begründbare Gerechtigkeit die einzige Gewähr für die Einhaltung ausnahmsloser Verbote. (2) Nicht nur die Erfahrungen der nationalsozialistischen Rechtslehre scheinen diese Unmöglichkeit, Gerechtigkeit auf Zweckmäßigkeit zu begründen, darzulegen, sondern auch die Diskussion der allgemeineren philosophischen Ethik und der politischen Philosophie zum Utilitarismus bzw. Konsequentialismus und zum Problem des Strafens. Seit W. D. Ross fragt man die Präventionstheorien immer wieder, warum man keinen Unschuldigen bestrafen dürfe, wenn dies doch dem präventiven Zweck förderlich erscheine.172 McCloskey hat den Fall gebildet, dass in einer rassenkonfliktbelasteten Gemeinschaft ein Schwarzer verdächtigt wird, eine weiße Frau vergewaltigt zu haben. Die weiße Mehrheit ist entsetzt und droht mit tödlicher Selbstjustiz gegen eine Vielzahl beliebiger Schwarzer. Die einzige Möglichkeit des Sheriffs, mehrere Tötungen zu vermeiden ist es, den verdächtigten Schwarzen öffentlich als Schuldigen anzugeben, so dass dieser später mit dem Tode bestraft wird.173 Ist es legitim, dem Schwarzen dies anzutun – ihn trotz seiner Unschuld zu bestrafen?

172 Ross, The Right and the Good, S. 57; Mabbott, Punishment, S. 39; Carritt, Ethical and Political Thinking, S. 65; Goldman, Deterrence Theory, S. 81; Alexander, The Monist 63 (1980), S. 199. 173 McCloskey, Restricted Utilitarianism, S. 206; ders., Punishment, S. 361 ff., 364.

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Die Verlegenheit, in die sich Konsequentialisten durch dieses Beispiel gebracht sahen, haben sie über alle nur denkbaren Auswege zu umgehen gesucht. Ein erster Versuch war der zu behaupten, der schwarze Mann werde im eigentlichen Sinne des Wortes nicht bestraft, denn Strafe beziehe sich schon begrifflich auf einen Schuldigen174 – ein schöner Trost für den Hinzurichtenden!175 Einige, wie insb. Hare meinten, das Problem sei lebensfremd und fernliegend. Sinn der Ethik sei allein, Anweisungen für normale Fälle zu treffen und nicht, eine Lösung für jedes auch noch so gekünstelte Problem parat zu haben.176 Darauf ließe sich erwidern, dass Berufungen auf Notsituationen, um sich dadurch Rechtfertigungen für Notlösungen zu verschaffen, keineswegs lebensfremd sind. Das aktuellste Beispiel dürfte Guantánamo sein. Man hat ferner mit dem frühen Rawls eine Unterscheidung zwischen Regeln, die eine bestimmte Praxis (etwa des Strafens, des Versprechens, des Schachspielens usw.) konstituieren, und der Anwendung dieser Regel innerhalb der Praxis eingeführt. Folgenerwägungen seien nur auf der ersten Ebene der Formulierung der Regeln und nicht auf der zweiten Ebene der Regelanwendung zulässig.177 Dieser Ausweg überzeugt aber nicht, denn die Annahme Rawls, wonach alle Regeln einer Praxis öffentlich bekannt sein müssen,178 erscheint zu optimistisch: Es ließen sich wohl zweckmäßigkeitsbezogene Gründe dafür vorbringen, einige Regeln für Sonderfälle geheim zu halten – und darunter gerade die Regel, welche die Bestrafung eines Unschuldigen ermöglicht.179 Nicht einmal die öffentliche Missachtung der normalen Regeln ist zwingend konsequentialistisch schlecht.180 Der vierte Versuch ist mit dem im letzten Absatz zurückgewiesenen Einwand der Missachtung langfristiger Effekte eng verwandt: Man behauptet, die Verurteilung eines Unschuldigen unterminiere langfristig die Autorität des ganzen Strafrechtssystems oder habe weitere schlechte Folgen, welche letzlich die Vorteile überträfen.181 174 Quinton, Analysis 14 (1953–1954), S. 137, 138 ff.; Baier, Analysis 16 (1955– 1956), S. 27; Hart, Prolegomenon, S. 5 f. („definitional stop“); Rawls, Two Concepts, S. 27 („Tellishment“); ähnlich Flew, Philosophy 29 (1954), S. 293 f.; in Deutschland Kindhäuser, GA 1989, S. 498; auch Androulakis, ZStW 108 (1996), S. 309 Fn. 33. Zu Recht kritisch Armstrong, Mind 70 (1961), S. 48 f.; Ashworth, Deterrence, S. 47; Honderich, Punishment, S. 62 ff.; Kleinig, Punishment, S. 13, 34 ff.; Rabossi, Justificación del castigo, S. 197 f. 175 Weitere Kritik dieses Arguments unten II. 1. (S. 276 f.). 176 Hare, Utilitarianism, S. 30 f. Dagegen i. Erg. zu Recht McCloskey, Mind 72 (1963), S. 599. 177 Rawls, Two Concepts, S. 25 f.; z. T. ähnlich Hart, Prolegomenon, S. 12; einverstanden Shaw, Ethics, S. 183. 178 Rawls, Two Concepts, S. 36. 179 So McCloskey, Restricted Utilitarianism, S. 207 f.; ähnlich Honderich, Punishment, S. 65. Dies, um die Frage nach der Haltbarkeit des Regelkonsequentialismus überhaupt auszuklammern, dazu schon oben Teil C., Fn. 87. 180 Richtig McCloskey, Restricted Utilitarianism, S. 209. 181 Ewing, Mind 72 (1963), S. 122; Hart, Prolegomenon, S. 12; Hodgson, Consequences of Utilitarianism, 74 f. (der trotzdem die „logische Möglichkeit“ eines Wider-

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Dies verkennt aber, dass diese schlechten Folgen nicht aus dem Gerechtigkeitsverstoß, sondern aus dessen Bekanntmachung erwachsen, so dass man durchaus heimlich gegen die Gerechtigkeit verstoßen dürfte, wenn sie sich nur über die Zweckmäßigkeit begründen ließe.182 Letztlich scheinen nur Wenige den Mut zur Konsequenz zu haben und die Hinrichtung des unschuldigen schwarzen Mannes für zweckmäßig und deshalb für richtig zu erklären.183 (3) So betrachtet erscheinen die jüngeren Bemühungen um eine durchgängige Funktionalisierung des Schuldbegriffs und anderer strafrechtlicher Garantien, etwa der Unschuldsvermutung oder des Strafprozesses als Ganzes als keineswegs so radikal wie auf den ersten Blick. Die Behauptungen, Schuld sei nicht mehr als ein Derivat der Generalprävention,184 die Unschuldsvermutung diene der Absicherung gegenüber einer Desavouierung des Strafprozesses,185 oder, der Strafprozess sei ein Mittel der Normverdeutlichung,186 gehen nur einen Schritt weiter als die herkömmliche, von der herrschenden Meinung vertretene „Prävention durch Vergeltung“, indem sie die nur instrumentell bedeutsame

streits zwischen Utilitarismus und Gerechtigkeit nicht ausschließt); Hare, Philosophical Topics 16 (1986), S. 220; Shaw, Ethics, S. 182; ähnlich, aus der Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts, Strandburg, ConnLRev 35 (2002–2003), S. 1348 f. 182 Mabott, Punishment, S. 43 f. („keep it dark“); Armstrong, Mind 70 (1961), S. 484; Duff, Punishment, Communication, Community, S. 7, der zu Recht rügt, die Antwort „misrepresents the intrinsic wrong involved in punishing an innocent. It is an injustice whose wrongful character does not depend on is being publicly found out“; Mackenzie, Plato on Punishment, S. 45; weitere Einwände bei Fletcher, ZStW 101 (1989), S. 807 ff. 183 J. J. C. Smart, Utilitarian Ethics, S. 71; Pettit, The Consequentialist Perspective, S. 152; für einige Fälle auch Honderich, Punishment, S. 77; Kleinig, Punishment, S. 87. 184 Noll, Rationalisierung, insb. S. 233; Jakobs, Schuld und Prävention, S. 3 ff.; ders., Schuldprinzip, S. 7 ff. (weitere Nachw. unten Teil D., Fn. 1184); dazu kritisch Bock, ZStW 103 (1991), S. 643 f.; Burkhardt, GA 1976, S. 336 ff.; Hirsch, ZStW 106 (1994), S. 752 ff.; Köhler, AT, S. 371 f.; Jescheck, JBl. 1998, S. 616; Arthur Kaufmann, Jura 1986, S. 229 f.; Machado Corrêa, RBCC 51 (2004), S. 207 ff.; Morselli, RBCC 19 (1997), S. 46; Niño, Control social, S. 48 ff.; Pinto de Albuquerque, Culpa, S. 82 ff.; ders., ZStW 110 (1998), S. 649 ff.; Roxin, SchwZStr 104 (1987), S. 365 ff.; ders., Schuldausschluss, S. 243 f.; ders., AT4 I § 19/34 f.; Rudolphi SK6 § 19/1b; Schmidhäuser, Studienbuch2, § 7/9; Schöneborn, ZStW 88 (1976), 349 ff., 362 (dessen Kritik sich freilich gegen die ältere Meinung Roxins richtet); Schünemann, Funktion des Schuldprinzips, S. 170 ff.; ders., Entwicklung der Schuldlehre, S. 158 f.; Stratenwerth, Zukunft, S. 23 ff.; Stübinger, KritJ 1993, S. 47 f.; Tavares, RBCC 24 (1998), S. 153 f.; Zaffaroni, Culpabilidad, S. 45 ff. 185 Stuckenberg, ZStW 111 (1999), S. 452 ff. 186 Insb. Freund, GA 1995, S. 12 ff.; ders., Legitimationsfunktion des Zweckgedankens, S. 55 ff.; Bottke, Finalidades de la pena, S. 64 ff.; ders., Assoziationsprävention, S. 193 ff.; Hauschild, Strafverfahren, S. 161 ff. Schon die Begründung, wonach der Prozess ein erforderliches Mittel der Normstabilisierung sei, reicht Freund als Rechtfertigung des Risikos der Bestrafung eines Unschuldigen aus (Tatsachenfeststellung, S. 64 ff., 85 f.; dazu kritisch Ragués i Vallés, Dolo, S. 311 ff.).

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Zwischenstufe der Vergeltung für völlig unnötig erklären. Anstelle einer Prävention durch Vergeltung hat man eine Prävention durch Prävention – und dies bedeutet entgegen dem ersten Eindruck nicht, dass man erst jetzt auf Gerechtigkeit verzichtet, denn schon die erste Formulierung erkannte Gerechtigkeit nicht als eigenständigen Wert an. Interessanterweise sind deshalb alle Argumente, welche die herrschende Meinung dieser scheinbar radikalen Positionen entgegengehalten hat, auch gegen die herrschende Meinung selbst gültig. Vielleicht hat die diesen Gedanken gegenüber vorgezeigte Entrüstung nicht zuletzt etwas vom Schrecken der Medusa, die ihr Haupt erstmals vor dem Spiegel sieht. dd) Dem oben angesprochenen Grunddilemma der Straftheorie sind wir noch nicht entkommen. Die Unhaltbarkeit einer rein zweckmäßigkeitsbezogenen Strafbegründung ist dargelegt, aber die sich anbietende Alternative – die rein gerechtigkeitsbezogene Vergeltungstheorie – scheint aus unten näher darzustellenden Gründen nicht wirklich in Frage zu kommen. Der Weg einer additiven Vereinigungstheorie187 nach der Formel „Prävention und Vergeltung“ bzw. „Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit“ – oder, mit den Worten der Carolina (Art. 104), der Weg einer Theorie, die Strafe „auß lieb der gerechtigkeyt vnd vmb gemeynes nutz willen“ begründet188 – führt auch nicht weiter, denn früher oder später wird es zu Konflikten zwischen beiden Forderungen kommen, so dass man sich für die eine oder die andere entscheiden muss. Der denkbare Ausweg einer Kompromisslösung würde auch nicht helfen, denn – abgesehen von den Schwierigkeiten, sich eine solche Lösung überhaupt konkreter vorzustellen189 – würde er prinzipiell bedeuten, dass man eine Strafe, die nicht gerecht und nicht zweckmäßig ist, für legitim erklärt. (1) Es ist das Verdienst Roxins, aus diesem Dilemma durch seine Schuldbzw. Verantwortlichkeitslehre einen erfolgversprechenden Ausweg aufgezeigt zu haben. Trotz einer anfänglichen Neigung zur Lehre der Prävention durch Vergeltung,190 sah Roxin klar ein, dass dieser Weg nicht befriedigen könne. Man brauche einen von Präventionsüberlegungen unabhängigen Schuldbegriff, um zu verhindern, dass der einzelne allein nach derartigen Überlegungen instrumenta187

Bezeichnung nach Roxin, Sinn und Grenzen, S. 28. Zit. nach der von F.-C. Schroeder hrsgg. Reclam-Ausgabe, S. 70. Die Formel wird von Vereinigungstheoretiker Kahl, ZStW 48 (1928), S. 260 in seiner Reichtagsrede zur Strafrechtsreform aufgegriffen. 189 Wie sollte sie nämlich aussehen? Etwa so, dass 50% des Strafmaßes nach Gerechtigkeits-, 50% nach Zweckmäßigkeitserwägungen zu bestimmen seien? Dies würde aber bedeuten, dass man eine Strafe verhängt, die weder gerecht, noch zweckmäßig ist (so schon Beling, Grundzüge11, S. 4). 190 Roxin, Schuld und Verantwortlichkeit, S. 181 f., und etwa S. 186, wo es zum „Verantwortlichkeitsausschluss“ durch Zurechnungsunfähigkeit heißt: „Wenn die Menschen über den zurechnungsunfähigen Täter sagen: ,Er kann nichts dafür‘, entfällt schon deswegen jede potentielle Vorbildwirkung der Tat“; ferner ders., Schuld, Prävention, Verantwortlichkeit, S. 297 f., 308. 188

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lisiert werde.191 Schuld sei aber für sich noch keine Legitimation für einen Eingriff durch Strafe. Aus der Ablehnung der Vergeltungstheorie zog er die Konsequenz, dass eine nur gerechte i. S. einer nur schuldbedingten Strafe nicht schon gerechtfertigt sei. Zur Schuld müsse die präventive Bestrafungsnotwendigkeit hinzutreten, damit man bestrafen dürfe.192 Die Schuld liefere deshalb nur die Grenze, nicht aber die Begründung der Strafbarkeit.193 In der Lehre haben diese Argumente nicht den verdienten Wiederhall gefunden. Man hat sich meistens damit begnügt, Roxins Gedanken dadurch zu widerlegen, dass man ihm Positionen zuschreibt, die er nicht vertritt, insbesondere die, wonach Schuld ein alleiniges Derivat der Prävention sei;194 oder man hat an der Rede von „Begrenzung, keine Begründung“ Anstoß genommen und erwidert, was schon begrenze, habe auch aus logischen Gründen eine Begründungsfunktion.195 Gegen den Inhalt der Position selbst ist erstaunlich wenig vorgebracht worden. (a) Wenn an dieser Position etwas zu kritisieren ist, dann vielmehr der Umstand, dass Roxin die logische Begründetheit, die Reichweite und die Bedeutsamkeit seines Einfalls gewaltig unterschätzt zu haben scheint. Die logische Be191 Soweit ersichtlich zuerst in Roxin, ZStW 96 (1984), S. 645 ff.; dann ders., SchwZStr 104 (1987), S. 357, 362; heute ders., AT4 I § 19/7, 9, 81 f., 49. 192 Roxin, Sinn und Grenzen, S. 3 ff., 12 ff.; ders., Schuld und Verantwortlichkeit, S. 182 f.; ders., ZStW 96 (1984), S. 653 f.; ders., SchwZStr 104 (1987), S. 372; ders., Schuldprinzip im Wandel, S. 522; ders., Schuldausschluss, S. 250 f.; ders., Wandlungen der Strafzwecklehre, S. 703 f.; ders., AT4 I § 19/3 ff., 9. 193 Roxin, Sinn und Grenzen, S. 20 ff.; ders., MSchrKrim 56 (1973), S. 318 f.; ders., Schuld, Prävention, Verantwortlichkeit, S. 284; ders., JA 1980, S. 225; ders., JA 1980, S. 548; ders., SchwZStr 104 (1987), S. 372 („Einseitigkeit“ statt herkömmlicher „Zweiseitigkeit“ des Schuldprinzips); ders., Schuldprinzip im Wandel, S. 522; zust. Amelung, Strafrechtssystem, S. 98; Cavaliere, Errore, S. 327 ff.; Cerezo Mir, Curso I6, S. 30 f.; Figueiredo Dias, Pena criminal, S. 95, 134 f.; C. Jäger, GA 2003, S. 471; Rudolphi SK6 § 19/1; Schünemann, Funktion des Schuldprinzips, S. 169; ders., Unrecht und Schuld, S. 151; ders., Strafrechtsdogmatik, S. 11; ders., Strafrechtsschuld, S. 550, 554; Zugaldía Espinar, Culpabilidad, S. 579; wohl auch Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 74. Wichtige Vorgänger waren Noll, Ethische Begründung, S. 22 u. Hans Schulz, JZ 1966, S. 115. 194 Hirsch, ZStW 106 (1994), S. 757; dagegen überzeugend Roxin, Schuldausschluss, S. 215 Fn. 47; ders., AT4 I § 19/9. Weitere Beispiele unverständlicher Kritik bei Krey, AT I2 Rn. 646; Lackner/Kühl, StGB25 vor § 13/24, 25, die Roxins Standpunkt ablehnen und gleichzeitig behaupten, dass bei Schuldausschließungsgründen präventive Erwägungen eine Rolle spielen; und Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 49 ff. Wie hier Schünemann, Strafrechtsschuld, S. 550: die Kritik beruhe „vornehmlich auf Mißverständnissen“. 195 Arthur Kaufmann, JZ 1967, 555; ders., Jura 1986, S. 228, der vom logischen „Gesetz des reziproken Verhältnisses von Begriffsinhalt und Begriffsumfang“ spricht; Lenckner, Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, S. 18; Otto, ZStW 87 (1975), S. 585 f.; Kunz, ZStW 98 (1986), S. 829; bis heute Jescheck/Weigend, AT5 § 39 II 2; Jescheck, JBl. 1998, S. 617; Hirsch, ZStW 106 (1994), S. 756, 757. Dagegen zu Recht Schünemann, Strafzumessung, S. 213 Fn. 12.

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gründetheit: denn gelegentlich scheint Roxin seine Formel der Begrenzung ohne Begründung selbst bereut zu haben, indem er doch zugibt, in einem gewissen Sinne meine er selbstverständlich, dass Schuld die Strafe begründe, nur sei dies nicht derselbe Sinn, der einem Vergeltungstheoretiker beim Gebrauch des Ausdrucks Begründung vorschwebe.196 Seit einiger Zeit sagt er deshalb bevorzugt, nach seiner Lehre sei Schuld eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung der Strafe.197 Aber die oben (S. 136 ff.) rezipierte, auf Nozick zurückgehende Konstruktion von zweckmäßigkeitsunabhängigen Grenzen als sog. deontologische Schranken (side constraints) liefert die unproblematische logische Struktur für die allgemeinsprachlich verständliche Wendung, dass es Gesichtspunkte gibt, die begrenzen, ohne zu begründen. Eine deontologische Schranke bedeutet einen Gesichtspunkt, der nicht selbst Zweck des Unternehmens ist, der deshalb dem Unternehmen keinen „Sinn“ gibt, aber doch der Zweckverfolgung im Rahmen des Unternehmens durch zweckunabhängige Überlegungen Grenzen zieht. Ebenso wenig, wie wir im Alltag sagen würden, es sei ein Zweck von Dissertationen, Andersdenkende nicht zu beleidigen, würden wir sagen, es sei ein Zweck der Strafe, ohne Schuld nicht zu bestrafen. Zwecke von Dissertationen dürfen die vielfältigsten sein – die Beleidigung Andersdenkender schränkt die Zweckverfolgung ein. Kann eine bestimmte Ansicht nur beleidigend vertreten werden, dann ist auf die Verfolgung dieses Zwecks zu verzichten. Analoges ließe sich von der Strafe behaupten: Kann ein bestimmter Zweck, sei es die Unschädlichmachung oder die allgemeine Abschreckung oder die Bestätigung der Normgeltung, nur durch die Bestrafung eines Schuldlosen erreicht werden, dann darf man diesen Zweck nicht mehr verfolgen. Aus Klarheitsgründen wird in dieser Arbeit in der Regel nicht von „Begründung“ und „Begrenzung“ gesprochen, wenn man darunter nur die Beziehung von Zwecken und Schranken meint. Substantiell fügt diese logische Klärung der Ansicht Roxins nichts hinzu. Sie beweist aber doch, dass man aus formellen logischen Gründen die Ansicht nicht angreifen darf.198 (b) Unterschätzt hat sich Roxin auch bezüglich der Reichweite seines genialen Einfalls: denn was Roxin von der Schuld sagte – dass sie nur eine Schranke und keinen Zweck bilde – gilt auch hinsichtlich der übrigen nicht zweckmäßigkeitsbezogenen strafrechtlichen Garantien. Es gibt Dinge, die man keinem Menschen antun darf. Diese grundlegende Intuition haben wir im vorherigen rechtsphilosophischen Abschnitt (C. III. [S. 177 ff.]) zu entfalten versucht, indem wir den Inhalt des Instrumentalisierungsverbots i. S. des Verbots, einen Menschen bloß 196 Roxin in seinen Nachbemerkungen zu Sinn und Grenzen, S. 30; ders., MSchrKrim 56 (1973), S. 320: der Satz sei „in der Tat logisch inkorrekt“. 197 Roxin, MSchrKrim 56 (1973), S. 321; ders., Schuld, Prävention, Verantwortlichkeit, S. 284; ders., Schuldausschluss, S. 252 Fn. 47; ders., AT4 I § 19/9. 198 Skeptiker mögen die für mich nicht zugänglichen logischen Erwägungen Nozicks, Natural Law Forum 13 (1968), S. 1 ff. überprüfen.

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als Mittel zu behandeln, ausformulierten; in diesem Abschnitt werden wir die vorigen Erwägungen dadurch ergänzen, dass wir auf Gesichtspunkte hinweisen, die auf der einen Seite nicht mehr mit der Instrumentalisierung eines Menschen zu tun haben, aber auf der anderen sich aber doch immerhin nicht auf Zweckmäßigkeitsüberlegungen stützen lassen. Die Strafe darf nicht außer Verhältnis zur Tat sein; die Strafe darf nicht ohne Gesetz verhängt werden; der strafende Richter muss unbefangen und unabhängig sein. Das Vorhandensein von Proportionalität, Gesetz und unbefangenem unabhängigem Richter bedeutet aber noch nicht, dass man schon bestrafen soll. Sonst wären wir bei der Vergeltungstheorie, und diese lässt sich zunächst wegen ihrer Schwierigkeiten mit dem Inselbeispiel2, eigentlich aber aus den unten noch näher auszuführenden Gründen, nicht vertreten. (c) Und drittens hat Roxin übersehen, dass sein scheinbar im Kontext der Überwindung der Vergeltungstheorie durch die AE-Bewegung der späten 60erJahre entstandener Gedanke, in Wahrheit eine Wiederaufnahme einer ehrwürdigen Tradition darstellt, die sich sogar auf Grotius berufen darf. Dieser sagte wörtlich: „Puniendus nemo est ultra meritum; intra meriti vero modum magis aut minus peccata puniuntur pro utilitate“.199 Man sollte keinen Anstoß daran nehmen, den Roxin’schen Gedanken, wonach es Erwägungen gibt, die begrenzen, ohne zu begründen, oder die m. a. W. die Zweckverfolgung extern einschränken, und dass die Schuld zu den ersten darunter gehört, zu einer echten rechtsmoralischen (Wieder)Entdeckung zu erklären. Nur der Nonkognitivist könnte gegen eine derartige Bezeichnung Bedenken hegen. ee) Eine Klärung ist noch angebracht. Gibt es für legitime Strafen Bedingungen, die allein deontologischen Charakters sind, dann reicht auch der Hinweis auf die Notwendigkeit der Strafe nicht aus, um ihre Legitimität darzulegen. Von Beccaria und Hommel über Feuerbach und v. Liszt bis hin zum Alternativ-Entwurf hat dieser Topos immer als liberales Motto und als Kampfansage gegen die Anmaßungen der Vergeltungstheorie und des Strafrechtsmoralismus gegolten. Montesquieu und ihm folgend Beccaria nannten Strafgesetze, die ohne Notwendigkeit die Freiheit der Bürger einschränken, „tyrannisch“.200 Hommel meinte, ohne Strafe würde sich „der gesittete Mensch“ in „einen reisenden Wolf verwandeln“.201 Er nannte die Strafe ein „nothwendiges Uebel der besten Welt“,202 und urteilte prägnant: „Wer härtere Strafen auf die Verbrechen setzet, als es die Not erfordert, der mordet“.203 Feuerbach verlangte vom Strafgesetz, 199 Grotius, De iure, Liber II, Caput 20 § 28. Dort werden zudem beeindruckende Passagen von Horaz, Cicero, Aristides und Demostenes zitiert. Es wäre eine lohnenswerte strafrechtsgeschichtliche Aufgabe, diese Kette zurückzuverfolgen. 200 Montesquieu, De l’esprit des lois, Livre XIX, Nr. 14; Beccaria, Delitti, § II. 201 Hommel, Belohnung, § 110. 202 Hommel, Belohnung, § 123. 203 Hommel, Anmerkungen, S. 37

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dass es „durch die Nothwendigkeit der Erhaltung äußerer Rechte“ begründet sei.204 Liszt sagte in einem seiner bekanntesten Sätze: „Die richtige, d.h. die gerechte Strafe ist die notwendige Strafe“.205 Und der AE drückte es plakativ aus: „Strafe zu verhängen ist kein metaphysischer Vorgang, sondern eine bittere Notwendigkeit in einer Gemeinschaft unvollkommener Wesen, wie sie die Menschen nun einmal sind“ 206, 207 Immerhin: Das Motto hört sich vor allem deshalb liberal an, weil es tatsächlich in derartigen Kontexten eingesetzt wurde, wo es darum ging, gegen den Individualmoralismus anzutreten – also gegen eine allein deontologisch begründete Einschränkung der Freiheit der Bürger. Man darf aber nicht übersehen, dass dies nur die Hälfte des liberalen Anliegens darstellt, denn dieses besteht auch darin, dass man den Staat an Schranken bindet, die jenseits der Zweckmäßigkeit liegen. Oben häuften sich Beispiele an, wo Notwendigkeitsargumente, die letztlich nichts anderes sind als pointierte Zweckmäßigkeitsargumente, Verstöße gegen unverfügbare deontologische Schranken gerechtfertigt haben.208 Nicht schon das Notwendige, sondern allein das deontologisch richtige Notwendige, kann für legitim erklärt werden.

Feuerbach, Lehrbuch14, § 19; ihm hier zust. Henke, Criminalrechtswissenschaft, S. 91 ff., 102. 205 v. Liszt, Zweckgedanke, S. 161; ders., Deterministische Gegner, S. 52; ders., Lehrbuch21/22, S. 6; v. Liszt/Schmidt, Lehrbuch26, S. 7. 206 AE, S. 29. Der Satz geht auf Hans Schulz, JZ 1966, S. 114 zurück. 207 In diesem Sinne zu den Zeiten Feuerbachs z. B. Wieland, Geist I, § 11, 294; Globig/Huster, Abhandlung, S. 48; Bentham, Introduction, Chap. XIII § i 2; ders., Rationale of Punishment, S. 23; Lardizábal, Discurso, Cap. II 27 im frühen 19. Jahrhundert Bauer, Straftheorien, S. 12; im späten 19. Jahrhundert G. Jellinek, Sozialethische Bedeutung, S. 108; zu den Zeiten des Schulenstreits: Coenders, Feuerbach, S. 16; Heinitz, ARSP 22 (1928/1929), S. 275; Freudenthal, MSchrKrimPsych 17 (1926), S. 24 f.; v. Hippel, Deutsches Strafrecht I, S. 494 f., der diese Auffassung bereits damals für „allgemein anerkannt“ erklärte; in der Nachkriegszeit Baumann, Strafe als soziale Aufgabe, S. 27 f., 30; Brauneck, MSchrKrim 41 (1958), S. 140; Gimbernat Ordeig, ZStW 82 (1970), S. 397 f.; ders., Strafrechtssystematik, S. 163; Lenckner, Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, S. 21 f.; Noll, Ethische Begründung, S. 21; Hans Schulz, JZ 1966, S. 114; Welzel, Strafrecht11, S. 239; zu heutigen Zeiten Baumann/Weber/ Mitsch, AT11, § 3/8; Bitencourt, Penas alternativas, S. 4; Dreher, Schlechte Gewissen, S. 64; Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 330; Freund, GA 1995, S. 22; García-Pablos, Introducción4, S. 230; Maurach/Zipf, AT8, § 6/1 („unbestritten“); Muñoz Conde, Introducción2, S. 70; Polaino Navarrete, PG I5, S. 66 f.; Pothast, JA 1993, S. 109 f.; Zugaldía Espinar, Culpabilidad, S. 582. Die Kritik blieb über Generationen vereinzelt, s. immerhin zu Zeiten Feuerbachs Aschenbrenner, ArchCrimR Bd. IV St. I (1801), S. 92 f.; Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 104 ff.; hundert Jahre später Nagler, Die Strafe, S. 577 Fn. 1; in der Reformdiskussion Roxin, Sinn und Grenzen, S. 19 ff.; Arthur Kaufmann, JZ 1967, S. 554 f.; H. Mayer, AT2, S. 24; heute Naucke, ZStW 94 (1982), S. 535; ders., Beccaria I, S. 27; ders., Einführung10, §. 1/167 f. 208 Ein letztes Beispiel ist ein legitimatorisch-affirmativ verstandener Begriff des Feindstrafrechts, der vor allem mit einem Notwendigkeitsargument gerechtfertigt wird: „Zu einem Feindstrafrecht besteht keine heute ersichtliche Alternative“ (Jakobs, Selbstverständnis, S. 53 [Zitat]; ferner ders., ZStW 2006, S. 847). 204

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ff) Aus dem Gesagten folgt deshalb, dass die Straftheorie materiell zweigeteilt zu konzipieren ist. Unter den Bedingungen der legitimen Strafe gibt es sowohl solche, die zweckmäßigkeitsbezogen bzw. konsequentialistisch sind, als auch solche, die gerechtigkeitsbezogen bzw. deontologisch sind. Die ersten nennen wir Strafzwecke, die zweiten deontologische Schranken der Strafe oder kurz Schranken. Strafzwecke sind also Zustände, deren Förderung einen guten Grund zum Strafen liefert.209 Deontologische Schranken der Strafe sind unbedingte ausnahmslose Regeln, an deren Respektierung jedes legitime Strafen gebunden ist. Diese materielle Zweiteilung der Straftheorie mag denjenigen unbefriedigt lassen, der meint, „der Grundsatz einer Wissenschaft kann immer nur Einer seyn“.210 Maßstäbe der Richtigkeit einer Theorie sind aber nicht ästhetische Erwägungen eines pyramidalen Aufbaus, denn entsprechend aufgebaute Theorien zahlen für ihre Schönheit den allzu teueren Preis, alle relevanten Erwägungen auf einen gemeinsamen Nenner reduzieren zu müssen. Dieser „Glaube an ein allein seligmachendes Strafprinzip“,211 der zum Teil auch ein ästhetisches Vorurteil ist,212 macht uns auch für die Schönheit einer nicht-reduktionistischen Theorie, die Differenzen nicht zu nivellieren sucht, sondern als solche anerkennen und untereinander ordnen kann, unempfindsam (vgl. oben A. [S. 27]). „Modellreinheit, das ist eine für jegliche soziale Problematik grundlegende Einsicht, befriedigt zwar schablonisierende Doktrinäre, wird aber der Komplexität der Phänomene nirgends gerecht“.213

209 Man vergleiche auch Feuerbach oben Teil D., Fn. 96; auch Bauer, Warnungstheorie, S. 61: „Zweck der Strafe ist diejenige Wirkung, welche durch die Verknüpfung eines Uebels mit einer Handlung, hervorgebracht werden soll“. Die hiesige Definition ist der ihren gegenüber präziser, da sie von „Zuständen“ statt nur von „Wirkungen“ spricht. Nicht sehr erleuchtend, immerhin aber ein guter Versuch bei Roßhirt, Lehrbuch, S. 20: „Zweck einer Sache ist dasjenige, wozu die Sache ihrer Existenz oder Brauchbarkeit nach Mittel ist“. Dagegen verwischt Bottkes, Finalidades de la pena, S. 51, Definition von Zwecken als „Sekundärwirkungen mit mehr als nur zufälliger Häufigkeit, deren Erreichung erwartet und deren Verwirklichung von der Norm generell und vom Verantwortlichen (L.G.: d.h. vom Staate) individuell geboten wird“ die Ebene der Beschreibung mit derjenigen der Rechtfertigung. 210 Hepp, Darstellung1, S. 19; ähnlich heutzutage Jakobs, Zur gegenwärtigen Straftheorie, S. 30, der selbst diesen Standpunkt aufgegeben hat, s. Nachw. unten Teil D., Fn. 359; Köhler, Strafrechtsbegründung, S. 26 ff. 211 Mittermaier, Grundfehler, S. 51. 212 Zu seinen politischen, und nicht nur ästhetischen Dimensionen unten D. III. (S. 513 ff.). 213 Roxin, Sinn und Grenzen, S. 27; früher schon Thibaut, Beyträge, S. 85 ff.

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c) Exkurs: die Begründung der Strafgesetzlichkeit aa) Feuerbachs Begründung des nullum-crimen Grundsatzes durch die Erforderlichkeit eines Gesetzes zur effektiven Abschreckung haben wir en passant für unzureichend erklärt.214 In der nachfolgenden Generation war es Anton Bauer, hundert Jahre später Richard Schmidt, heute sind es vor allem Haffke und Schünemann, die versuchen, diesen Gedanken Feuerbachs wieder aufzugreifen.215 Ausführlich begründet war unser Urteil nicht. Da man gerade die grundlegende Frage nach den Beziehungen von Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit bzw. von Deontologie und Konsequentialismus ausdiskutiert hat, ergibt sich jetzt die passende Gelegenheit, um die zentrale Folgerung der pyschologischen Zwangstheorie Feuerbachs kritisch zu beurteilen. Denn nach dem Gesagten liegt die Vermutung nahe, dass die Gesetzlichkeit nicht konsequentialistisch zu begründen ist, wie es aber Feuerbach annimmt. bb) Feuerbach versucht darzulegen, dass „es eine Foderung (sic) der Klugheit an den Gesetzgeber ist, bestimmte Strafen in seinen Gesetzen auszusprechen“.216 Wenn ein die Strafbarkeit bestimmendes Gesetz nur aus dem Grunde geboten ist, weil es zur Erreichung der erwünschten Abschreckungswirkungen erforderlich ist, dann steht die Gesetzlichkeit auf ähnlich schwachen Beinen wie andere nur konsequentialistisch begründete Regeln, die wir im vorherigen Kapitel diskutierten [oben C. II. (S. 130 ff.)]:217 (1) Die Gesetzlichkeit wäre erstens nicht mehr unersetzlich. Pointiert gesagt: Man könnte mit guten Gründen vermuten, dass die Ankündigung: „Wer sich so

214

Siehe oben C. II. (S. 140) und D. I. 4. b) (S. 231). Bauer, Strafgesetz, S. 140 ff.; ders., Straftheorien, S. 85; R. Schmidt, DJZ 1925, Sp. 1924 f.; ders., GS 96 (1928), S. 21, 24 f. (freilich werden Abschreckung, positive Generalprävention und Vergeltung kaum voneinander unterschieden); Haffke, Rückwirkungsverbot, S. 96, 113, 131 ff. (neben dem Rechtsstaatsprinzip); Schünemann, Nulla poena, S. 2, 11 ff., wobei bei ihm auch positiv-generalpräventive Erwägungen eine Rolle spielen; s. auch H. Mayer, Gesetzliche Bestimmtheit, S. 260 f.; ders., Strafrechtsreform, S. 105 ff.; Arroyo Zapatero, REDC 8 (1983), S. 14; Roxin, AT4 I § 5/23, die Generalprävention nur in ihrer positiven Variante heranziehen. Grünwald, ZStW 76 (1964), S. 10 denkt, dass die psychologische Zwangstheorie mit der Begründung der Strafgesetzlichkeit „keine Schwierigkeiten“ habe; die Theorie sei aber aufgegeben. Nachw. zum Gebrauch dieses Arguments in der amerikanischen Lehre und Rspr. bei Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 13 f. 216 Henke, Geschichte II, S. 370. 217 Die weitgehend zutreffenden Einwände von Jakobs, AT2 § 4/3 Fn. 5 und Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 14 ff. dürften nur die Spezifizierung der im Folgenden anzusprechenden allgemeineren Gesichtspunkte sein. Kritisch zu Feuerbachs Konsequentialismus der Gesetzlichkeit auch Naucke, ARSP-Beiheft 87 (2002), S. 47; ders., Funktionstüchtigkeit, S. 105 ff. (anders ders., Aushöhlung, S. 486 f.; abgeschwächt in ders., Quaderni Fiorentini XXXVI [2007], S. 334 ff., wo bei Feuerbach auch eine „kritische Strafgesetzlichkeit“ neben der bekannten „zweckmäßigen“ entdeckt wird); Ehret, Gesetzlichkeitsprinzip, S. 41. 215

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verhält, wird so bestraft“, mehr Bürger erreichen würde, wenn sie in einem Werbespot zu Big Brother oder zu Gottschalk, statt im Bundesgesetzblatt öffentlich bekannt gemacht würde. (Wenn ein Jurist dem entgegnet, er schaue Big Brother oder Gottschalk nicht zu, wäre die Frage zu stellen, ob ein Nicht-Jurist das Strafgesetzbuch liest, und ob es mehr Juristen oder Nicht-Juristen gibt). Würde der Staat anfangen, nicht mehr nach dem Gesetz, sondern nach dem in der Fernsehwerbung Angekündigten Leute ins Gefängnis einzusperren, könnte das viel effektivere Abschreckungserfolge hervorrufen. (2) Werden diese Erfolge der Big Brother-Werbung von einem Skeptiker in Frage gestellt, dann sind wir beim zweiten Problem der konsequentialistischen Begründung Feuerbachs: nämlich dass sie die Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips zu einer empirischen Frage macht. Selbst wenn man nicht mit der gerade skizzierten Prognose einverstanden ist, selbst wenn man zugibt, dass die Gesetzlichkeit allgemein gut abschreckt – allein die Tatsache, dass die Gesetzlichkeit nur wegen einer Prognose gelten soll, dass Gesetzlichkeit deshalb allen spezifischen Unsicherheiten von Prognosen und allen allgemeinen Kontingenzen der sozialen Empirie ausgeliefert wird, ist schon Grund genug, um die gelieferte Begründung für unzureichend zu erklären.218 In England gibt es bis heute keine gesetzliche Bestimmung zentraler Delikte wie etwa des Totschlags.219 Trotzdem fühlen sich die wenigen Deutschen, die davon wissen, wohl keineswegs geneigter, im Rahmen ihrer Besuche auf der Insel einen Menschen zu töten. Allein die Tatsache, dass auf dem Kontinent der Totschlag gesetzlich definiert ist, gibt den wenigsten Menschen einen zusätzlichen klugheitsbezogenen Grund,220 sich rechtskonform zu verhalten, im Vergleich zu einem System, wo sich eine derartige Definition aufgrund ständiger Rechtsprechung gebildet hat. Der Skeptiker könnte immer noch erwidern, dass selbst wenn die zwei erwähnten Alternativen zum Gesetz – nämlich der Werbespot oder eine ständige Rechtsprechung – abschreckender wirkten als das Gesetz, sie immer noch andere Nachteile aufwiesen, von denen das Gesetz relativ frei sei. Sie wären relativ unstabiler, schwieriger nachzuprüfen und nicht zuletzt auch nicht so hoch angesehen. Das ist aber noch kein Ausweg, denn die Frage, ob es ein Mittel gibt, das alle diese Qualitäten aufweist, bleibt eine empirische Frage, die nur eine kontingente Antwort erreichen kann. Und mit guten Gründen könnte man vermuten, dass die Rechtsprechung in England in Bezug auf diese Gesichtspunkte unserem Gesetz keineswegs nachsteht. (3) Das dritte Problem einer konsequentialistischen Begründung der Gesetzlichkeit ist es, dass – entgegen dem Anliegen Feuerbachs, der für einen „keiner 218 In ähnlicher Richtung Schreiber, Gesetz und Richter, S. 216 (Abschreckung als nicht hinreichend). 219 Vgl. Ashworth, Principles4, S. 6. 220 Zu diesem Begriff siehe unten D. II. 3. b), (S. 359).

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Ausnahme unterworfenen“ Grundsatz eintrat221 – ihre Ausnahmslosigkeit nicht mehr zwingend erscheint. Spricht man bei der Gesetzlichkeit die Sprache der Zweckmäßigkeit, dann ermöglicht man eine Kommunikation, die nicht stattfinden sollte. Die konsequentialistische Unangemessenheit des Gesetzes erscheint dann ein relevanter Grund, auf die Gesetzlichkeit zu verzichten – ob nur im Einzelfall oder als allgemeine Ausnahmeregelung, ist dann eine nachrangige Frage. Nachrangig ist es auch, dass man diesen Gründen wenig Gewicht zumessen könnte, so dass sie sich praktisch kaum gegen die Gesetzlichkeit durchsetzen würden. Problematisch ist higegen schon, dass sie überhaupt ein Gewicht, dass sie überhaupt eine Relevanz, dass sie bei der Frage, ob man zum Strafen ein Gesetz braucht, überhaupt ein Stimmrecht erlangen. Denn hat man so viel eingeräumt, dann ist nicht mehr auszuschließen, dass die Gesetzlichkeit doch aufgrund hinreichend gewichtiger „Gegenzwecke“ suspendiert wird. Wie sonst liefert auch hier die nationalsozialistische Rechtslehre einen eindeutigen Beleg für die Verfehltheit einer jeden konsequentialistischen – und nicht nur der abschreckungsorientierten – Begründung der Strafgesetzlichkeit.222 1934, also kurz vor der Novellierung, die das Analogieverbot außer Kraft setzte, sagte Klee: „Die Autorität der Rechtsordnung muss leiden, wenn es dem geriebenen Verbrecher gelingt, durch die Maschen des Gesetzes zu schlüpfen“, daher verfahre man besser ohne Analogie- und Rückwirkungsverbot.223 Henkel sprach im Anschluss an Exner von der willkommenen Errichtung von „Gefahrenzonen“ um die gesetzlichen Tatbestände herum: Die gesetzliche Unbestimmtheit der Tatbestände und die Möglichkeit der Analogie seien vor allem deshalb erwünscht, damit man einen Grund habe, sich nicht an der Grenze des Verbotenen zu bewegen.224 Freilich gab es Stimmen, wie diejenige Feuerbach, Lehrbuch14, § 20. Das bedeutet freilich nicht, dass die Nationalsozialisten allein zweckmäßigkeitsbezogen argumentierten, wie immer wieder behauptet wird (Nachw. und Kritik oben C. II. [S. 113 ff.]), sondern lediglich, dass derartige Argumente auch vorhanden waren, dass sie die Struktur empirischer Prognosen haben, so dass man von der Empirie nicht die Rationalisierungsleistung erwarten kann, die man sich von ihr allgemein verspricht. 223 Klee, DJZ 1934, Sp. 642 (auch Zitat), 643. 224 Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 68; Exner, Gerechtigkeit, S. 59; zust. Freisler, DStR 1935, S. 15; ders., ZStW 55 (1936), S. 520. Eine andere beliebte Argumentationsweise bediente sich einer Art „Verwirkungslehre“ (siehe zu deren Fragwürdigkeit im Lichte deontologischer Schranken bereits oben C. III. [S. 174 ff.]), mit der Begründung, dass derjenige, der sich „auf schlüpfrigen Boden“ begebe, sich nicht beschweren dürfe, wenn er ausrutsche (so Freisler, DStR 1935, S. 14 [Zitat]; K. Dreier, Analogie, S. 35). Zwei anschauliche Beispiele strafbarkeitserweiternder Analogien bei Schreiber, Strafgesetzgebung im „Dritten Reich“, S. 163; zum nationalsozialistischen Kampf gegen das Analogieverbot noch Marxen, Kampf, S. 192 ff.; Rüping, Nullum crimen sine poena, S. 27 ff. Zu den nationalsozialistischen Verstößen gegen das Gesetzlichkeitsprinzip informativ Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 30 ff. 221 222

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Gerlands und Sauers, die unter Berufung auf die Generalprävention und sogar ausdrücklich auf Feuerbach die Verwerfung des Analogie- und des Rückwirkungsverbotes ablehnten.225 Nicht zufällig aber blieben diese Argumente so gut wie ungehört: Zum einen widersprachen sie der herrschenden Ideologie, zum anderen, und das ist aus unserer Sicht interessanter, muss man feststellen, dass sie sich nur auf eine plausible empirische Prognose beriefen, die man durch die gerade erwähnten zumindest gleichermaßen plausiblen Gegenprognosen diskreditieren konnte. Dass die empirische Annahme der nationalsozialistischen Autoren keineswegs abwegig war, beweisen nicht zuletzt Theorien wie die jüngst von Dru Stevenson vorgelegte, wonach Abschreckung gerade auf Unsicherheit angewiesen sei, um gut zu funktionieren: „uncertainty functions as a deterrent of its own“.226 cc) Die Anforderungen einer Abschreckungseffektivität liefern nach dem Gesagten keine hinreichende Begründung für ein starkes, nicht ausnahmefähiges Gesetzlichkeitsprinzip. Es ist aber wohlbekannt, dass die sonstigen, nicht immer konsequentialistischen in der Wissenschaft kursierenden Begründungen je für sich aber nicht viel besser verfahren. (1) So liefert der Versuch, das Gesetzlichkeitsprinzip auf dem Schuldprinzip zu begründen, zwar eine Erklärung dafür, dass nicht bestraft werden darf, wenn es wegen des Fehlens eines Gesetzes dem Bürger unmöglich ist, das Unrecht der Tat einzusehen bzw. anders zu handeln,227 je nachdem, wie man den Schuldbegriff bestimmt. Warum man das Strafgesetz selbst dort braucht, wo es dem Bürger fast unmöglich ist, das Unrecht der Tat nicht einzusehen bzw. sich nicht anders zu verhalten – wie etwa beim Mord oder bei der Vergewaltigung – 225

Gerland, DJ 1934, S. 226, 227; Sauer, DJZ 1933, Sp. 1462 ff. Stevenson, CardozoLRev 26 (2004–2005), S. 1545 ff., 1556 ff. (Zitat S. 1546). 227 Früher die Klassiker Nagler, GS 70 (1907), S. 31; Oetker, GS 91 (1925), S. 341 die den nullum-crimen Satz oder Teilsaspekte davon aus der Vergeltungstheorie ableiteten (dagegen aus klassischer Sicht Lobe, LK2 S. 8 f.); in der Nachkriegszeit vor allem Sax, Grundsätze, S. 998 f.; Rudolphi, Unrechtsbewusstsein, S. 98; ferner Kielwein, Grundgesetz, 135; Bacigalupo, Principios5, S. 58; früher wohl auch Roxin, MSchrKrim 56 (1973), S. 318; weitere Nachw. bei Madrid Conesa, Legalidad, S. 24 Fn. 63. Sehr häufig entgegnet man auf diese Ansicht, die Schuld beziehe sich nicht auf die Strafbarkeit, sondern nur auf das Verbot (Arroyo Zapatero, REDC 8 [1983], S. 15; García-Pablos, Introducción4, S. 486 f.; Grünwald, ZStW 76 [1964], S. 11 f.; Jakobs, AT2 § 4/3; Jung, Rückwirkungsverbot, S. 884; Madrid Conesa, Legalidad, S. 26; Marxen, GA 1985, S. 546; Roxin, AT4 I § 5/25; Schreiber, ZStW 80 [1968], S. 360; ders., Gesetz und Richter, S. 210; Rudolphi, SK6 § 1/2; Schünemann, Nulla poena, S. 15). Das ist vom Standpunkt des herrschenden normativen Schuldbegriffs aus konsequent, wird hier aber nicht vertreten, vgl. unten D. II. 6. (S. 486 ff). Weitere Kritik bei Bettiol, Diritto Penale2, S. 512 f.; Grünwald, ZStW 76 (1964), S. 12 f.; Jakobs, AT2 § 4/3; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 25 f.; Schreiber, ZStW 80 (1968), S. 360. Eine weitere Bestätigung der Unrichtigkeit dieses Standpunktes liefern sowohl sein Vertreter Kielwein, Grundgesetz, S. 135, der das Gesetzlichkeitsprinzip so entwertet, dass es für verzichtbar gehalten wird, als auch die nationalsozialistischen Erwägungen v. Goetzelers, GS 104 (1934), S. 358. 226

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das lässt die Begründung über das Schuldprinzip unerklärt. Und die Geschichte des Gesetzlichkeitsprinzips erbringt den Nachweis, dass dies kein bloß theoretischer Mangel ist: Die Begründung des nullum-crimen Satzes über das Schuldprinzip war historisch am bedeutsamsten, mit der Folge, dass sich die Strafgesetzlichkeit besonders bei den sog. mala in se erst viel später behaupten konnte.228 (2) Auch der von einigen Autoren herangezogene Gedanke der Demokratie229 hat es bekanntlich schwer, den ganzen Gehalt des nullum crimen-Grundsatzes zu decken. Es mag grundsätzlich richtig sein, dass, wenn die Strafbarkeit nicht gesetzlich bestimmt werde, dies eine Missachtung der Volkssouveränität sei. Trotzdem reicht dieser Hinweis auf die Volkssouveränität nicht aus, um das Gesetzlichkeitsprinzip, so wie wir es anerkennen, einsichtig zu machen – von der Frage einmal abgesehen, ob die Volkssouveränität das für die Demokratie Wesentliche ist oder nicht.230 Dies hat letztlich zwei Gründe. Zunächst ist der Wille des Volks nur eine kontingente Tatsache: Das Volk kann schon wollen, dass der nullum-crimen Satz gelte, es kann natürlich gelegentlich auch anders wollen. Zweitens ist das Abstellen auf den Willen des Volkes problematisch, weil es dadurch logisch nicht mehr möglich ist, über die Richtigkeit dieses Willens anhand des Heranziehens des Gesetzlichkeitsprinzips zu urteilen. M. a.W.: Fußt die Gesetzlichkeit auf dem Willen des Volkes, dann verschwindet die Möglichkeit, dass der Wille des Volkes die Gesetzlichkeit missachtet; die Gesetzlichkeit gilt nur so lange, wie sie vom Willen des Volkes getragen wird, so dass keine externe Kritik des Volkswillens durch die Gesetzlichkeit möglich ist. Nicht schon diese zwei Bedenken sind, wohl aber das, was daraus folgt, ist der heutigen Auseinandersetzung wohlbekannt: Würde also der demokratisch legitimierte Gesetzgeber ein rückwirkendes Gesetz erlassen, wäre dies vom Standpunkt der Demokratie aus nicht kritisierbar.231 Ebenso wenig wäre er kritisier-

228 Arroyo Zapatero, REDC 8 (1983), S. 15 f.; Madrid Conesa, Legalidad, S. 27; Schreiber, ZStW 80 (1968), S. 360 Fn. 69; ders., Gesetz und Richter, S. 24, 212. Für zahlreiche Nachw. der Vertreter dieser Theorie der delicta extraordinaria zu Feuerbachs Zeiten siehe bereits oben B. I. (S. 50 f.). 229 Vor allem Grünwald, ZStW 76 (1964), S. 14; Hassemer/Kargl, NK2 § 1/10; ferner Arroyo Zapatero, REDC 8 (1983), S. 12; Bacigalupo, Estado democrático de derecho, S. 83; Jakobs, AT2 § 4/4 („nur für Teile des Grundsatzes ergiebig“); Krey, Gesetzesvorbehalt, S. 210–212, 214 (eigentlich nur für das Analogieverbot, in Kombination mit dem Schutz vor Willkür, s. unten Teil D., Fn. 248); Schünemann, Nulla poena, S. 11; wohl auch Freund, AT § 1/35; Jescheck/Weigend, AT5 § 15 I 1; Mangakis, ZStW 81 (1969), S. 1003; Mir Puig, PG7 § 4/9; Quintero Olivares, PG, S. 66. 230 Über die unterschiedlichen Ansichten zur Demokratietheorie in der heutigen politischen Philosophie informiert ausführlich Rinderle, Der Zweifel des Anarchisten, S. 287 ff. 231 Bacigalupo, Principios5, S. 58; García-Pablos, Introducción4, S. 487; Grünwald, ZStW 76 (1964), S. 16; Jakobs, AT2 § 4/4; Madrid Conesa, Legalidad, S. 21; Marxen, GA 1985, S. 546; Rudolphi, SK 6 § 1/2.

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bar, wenn er in das StGB eine Vorschrift einführte, die nach dem Vorbild der berüchtigten Strafrechtsnovellierung von 1935 das Analogieverbot beseitigte.232 Das Verbot unbestimmter Gesetze wäre ebenfalls kaum begründbar.233 Und auch weitgehende Selbstentmachtungen des demokratischen Gesetzgebers, wie die, welche neuerdings im Rahmen der Europäisierung des Strafrechts stattfinden, müssten vom Standpunkt der Gesetzlichkeit aus hingenommen werden.234 Versteht man Demokratie aber im Sinne einer direkten, nicht repräsentativen Demokratie, dann sähe es für das Gesetzlichkeitsprinzip noch schlimmer aus: Man hat sich wiederholt gerade auf das Gefühl des Volkes berufen, um die Notwendigkeit der flexiblen Handhabung des Prinzips darzulegen,235 und jeder weiß, wie wenig das Volk bei mala in se geneigt ist, bloßen rechtlich-formalen „Kunstgriffen“ das gebührende Verständnis entgegen zu bringen. (3) Ferner wird die Gewaltenteilung zur Begründung des Gesetzlichkeitsprinzips herangezogen. Die Strafbarkeit sei gesetzlich zu bestimmen, behauptet man, weil sonst die Judikative und die Exekutive in die Zuständigkeit der Legislativen eingreifen würden.236 Völlig unberechtigt ist diese Behauptung wohl nicht, nur lässt sie eben dasjenige unerklärt, worauf es für die Fragestellung gerade ankommt.237 Denn die Frage nach der Begründung der Strafgesetzlichkeit ist nichts anderes als die Frage nach der Begründung für die ausschließliche Zuständigkeit der Legislative bei der Bestimmung des Strafbaren. Warum sind die Staatsgewalten aber so zu teilen, dass sich nur die Gesetzgebung mit der Bestimmung des Strafbaren befassen darf? Das ist gerade die Frage, und diese Frage kann der schlichte Hinweis auf die Gewaltenteilung nicht beantworten. Demgegenüber sind die sonstigen von der Lehre vorgebrachten Rügen – vor allem, dass die Gewaltenteilung das Rückwirkungsverbot nicht tragen könne238

232 Madrid Conesa, Legalidad, S. 21. Selbstverständlich ist diese Strafrechtsnovellierung nicht vom demokratischen Gesetzgeber getragen worden. Das ist eine bloße Kontingenz, die am Argument nichts ändert. 233 Bacigalupo, Principios5, S. 58; García-Pablos, Introducción4, S. 487; Jakobs, AT2 § 4/4; Marxen, GA 1985, S. 546. 234 Zu Recht kritisch Schünemann, StV 2003, S. 531 ff., der das deutsche Parlament als einen „Lakai von Brüssel“ bezeichnet. 235 So kein geringer als Ihering, Zweck I, S. 421. 236 Grünwald, ZStW 76 (1964), S. 14; Roxin, AT4 I § 5/20 f.; Schünemann, Nulla poena, S. 9 ff. 237 Ähnlich Jakobs, AT2 § 4/5: „überhaupt nicht erhellend“; Marxen, GA 1985, S. 546: „bleibt an Vordergründigem haften“; weiterführende Kritik bei Neumann, ZStW 103 (1991), S. 346: einzuwenden sei, dass diese Ansicht „ein Problem, das das Verhältnis zwischen Bürger und Staat betrifft, als Frage der internen Verteilung staatlicher Macht thematisiert“. 238 Jakobs, AT2 § 4/5; Roxin, AT4 I § 5/21, 51; Rudolphi, SK6 § 1/2; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 58, 219; anders Grünwald, ZStW 76 (1964), S. 17, wenn auch mit nicht überzeugender Begründung: das Rückwirkungsverbot richte sich gegen einzelfallbezogene Gesetze.

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und dass sie für das Analogieverbot keinen Platz habe239 –, zwar zutreffend, aber auch nachrangig. (4) Eine weitere verbreitete Begründungsstrategie ist der insbesondere von der Rechtsprechung bemühte Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes.240 Man meint, aus dem Rechtsstaatsprinzip folge ein allgemeines Gebot des Vertrauensschutzes. Der Rechtsstaat sei verpflichtet, den Bürgern die für ihre Selbstverwirklichung erforderliche Planungssicherheit zu gewährleisten. Dieser Begründungsweg ist aus mehreren Gründen unbefriedigend, aber seinen Hauptmangel teilt er mit der oben kritisierten Lösung Feuerbachs – und dies ist sein konsequentialistischer Charakter. Denn ist das Gesetz nur ein Mittel zur Hervorbringung eines erwünschten Zustandes des Vertrauens und dessen Schutzes, dann ist das Gesetz durch andere gleich effektive Mittel substituierbar. Die Geltung der Strafgesetzlichkeit wird zur bloßen empirischen Frage, und auch die Ausnahmslosigkeit dieser Geltung lässt sich nicht mehr rechtfertigen.241 Der letzte Punkt lässt sich anhand der Rechtsprechung besonders paradigmatisch verdeutlichen: Sie behauptet zwar, das Gesetzlichkeitsprinzip in der Form des Rückwirkungsverbots sei absolut;242 die Rückführung dieser Schranke auf den Vertrauensschutz bringt indes die Relativierung notwendig mit sich: Die besondere Vertrauensgrundlage entfiele etwa im Bereich des von Unrechtsstaaten erlaubten schwersten kriminellen Unrechts.243 Eine zusätzliche Kritik wäre ein Hinweis auf die Ironie, die das konsequente Abstellen auf den Vertrauensgrundsatz mit sich bringt: Wird Vertrauen zur Grundlage des Verbotes erklärt, dann versagt die Begründung gerade dort, wo die Gesetzlichkeit am dringendsten gefragt erscheint, nämlich dort, wo man dem Staat am wenigsten vertraut. Denn ein Staat, der nichts verspricht und von Rudolphi, SK6 § 1/2; anders Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 18. BVerfGE 13, 261 (271); 14, 288 (297); 15, 313 (324); 25, 269 (290); 45, 363 (370, 372); 95, 96 (130 f., 133); BGHSt 39, 1 (29); so auch Klug, JZ 1965, S. 151; ähnlich Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, 193 ff.; Naucke, Betrug, S. 189; wohl auch Batista, Introdução, S. 67. Dass hierin eine Nähe zur Auffassung Feuerbachs besteht, wird treffend von Baumann, Aufstand, S. 12 hervorgehogen. 241 In die gleiche Richtung Schreiber, ZStW 80 (1968), S. 366 ff., und Schünemann, Nulla poena, S. 26: Sie meinen, dass der Grundsatz nicht abwägbar sein dürfe und dass der Rückgriff auf den Vertrauensschutz aber zu einer derartigen Abwägung führe; und Madrid Conesa, Legalidad, S. 16 f., der betont, nach der Lehre vom Vertrauensschutz sei das Gesetz durch andere Machtmittel, wie richterliche Entscheidungen, ersetzbar. Diese Aspekte sind, wie oben dargelegt, unvermeidbare Folgen einer jeden konsequentialistischen Begründung. 242 BVerfGE 95, 96 (131), mit Verweis auf BVerfGE 30, 367 (385). 243 So der Mauerschützen-Fall, s. BVerfGE 95, 96 (133) und BGHSt 39, 1 (29 f.): „Die Erwartung, das Recht werde, wie in der Staatspraxis zur Tatzeit, auch in Zukunft so angewandt werden, daß ein menschenrechtswidriger Rechtertigungsgrund anerkannt wird, ist nicht schutzwürdig“. Früher ähnlich argumentierend die Entscheidung zur nachträglichen Verlängerung der Verjährungsfrist, BVerfGE 25, 269 (290 f.). 239 240

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dem man alles erwartet, enttäuscht tatsächlich niemandes Vertrauen. Dass dies kein bloß theoretisches Problem ist, belegt hinreichend die erste Sitzblockadeentscheidung des BVerfG. Die Tatsache, dass friedliche und deshalb vom Wortlaut des Gewaltbegriffs unmöglich erfasste Demonstrationen zu Nötigungen durch Gewalt erklärt wurden, wird mit einem derartigen Argument gerechtfertigt: „Das Risiko einer Bestrafung war für den Staatsbürger zumindest aufgrund der im Schrifttum weitgehend anerkannten Rechtsprechung vorhersehbar; . . . die Beschwerdeführer behaupten selbst nicht, sie hätten mit einer Bestrafung nicht gerechnet“.244 M.a.W.: Hält der Staat das Analogieverbot nicht ein und sind die Bürger davon hinreichend unterrichtet, dann dürfen sich diese nicht beschweren, dann ist die Missachtung der Gesetzlichkeit geheilt.245 (5) Auf die gelegentlich aufscheinenden anderen Gesichtspunkte, die häufig unter dem Dach des „Rechtsstaatsprinzips“ angesprochen werden – nämlich den Aspekt einer Magna Charta des Verbrechers,246 die Objektivitätsgarantie,247 den Schutz vor Willkür,248 die Rechtssicherheit,249 die Gewährleistung der Allgemeinheit des Gesetzes,250 die „Möglichkeit, die Strafrechtspflege des Staates in 244 BVerfGE 73, 206 (243). Hier wird etwas sehr Umstrittenes als Selbstverständliches vorausgesetzt, nämlich, dass Sitzblockaden tatsächlich nicht vom Gewaltbegriff erfasst werden. Eine begründete Stellungnahme würde den hiesigen Rahmen aber sprengen; verwiesen sei nur auf die im Wesentllichen zuzustimmenden Erwägungen Wolters, NStZ 1985, S. 196 f. Zum aktuellen Diskussionsstand Toepel, NK2 § 240/ 35 ff. 245 Weitere Einwände gegen den Vertrauensschutz bei Grünwald, MDR 1965, S. 522 f.; ders., Gesetzlichkeitsprinzip. S. 436, 443; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 20 ff.; Sax, Grundsätze, S. 998; Schreiber, ZStW 80 (1968), S. 362 f.; ders., Gesetz und Richter, S. 60, 215; Schünemann, Nulla poena, S. 16: „subjektive Reformulierung“; Waiblinger, Nullum crimen, S. 226 ff. 246 v. Liszt, Deterministische Gegner, S. 60; ders., Ueber den Einfluss, S. 80; Radbruch, Einführung7/8, S. 116; wohl auch v. Bar, Probleme des Strafrechts, S. 22; in Brasilien Hungria, Comentários I, S. 22; kritisch zum Magna-Charta-Satz R. Schmidt, GS 96 (1928), S. 23 f.; Schünemann, Nulla poena, S. 1 Fn. 2; Naucke, Rückwirkungsverbot, S. 359 Fn. 47; ders., Aushöhlung, S. 489 f. 247 Jakobs, AT2 § 4/9. 248 In der Aufklärungszeit: Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 26 f.; heute J. Arnold, DDR-Vergangenheit, S. 106; v. Bar, Das Strafgesetz, S. 11; Baumann, Aufstand, S. 12; Krey, Gesetzesvorbehalt, S. 206 ff., 213 f. (eigentlich nur für das Analogieverbot, in Kombination mit Demokratie, s. oben Teil D., Fn. 229); Jescheck/Weigend, AT5 § 15 I 1; Jimenez de Asúa, ZStW 63 (1951), S. 183; Madrid Conesa, Legalidad, S. 29 ff., 36; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 215; Welzel, Strafrecht11, S. 24. 249 v. Bar, Das Strafgesetz, S. 10; Kim, Gesetzlichkeitsgrundsatz, S. 138 ff.; Lenckner, JuS 1968, S. 304; ferner Waiblinger, Nullum crimen, S. 214 f., 224 (Rechtssicherheit, Gleichheit und Freiheit); Class, Generalklauseln, S. 137 f. (Rechtssicherheit und Gleichheit); wohl auch Vormbaum, ZStW 107 (1995), S. 755. 250 Marxen, GA 1985, S. 547 f.; ähnlich bereits Grünwald, MDR 1965, S. 522, bzgl. des Rückwirkungsverbots: Der Gesetzgeber solle gehindert werden, „seine Gesetze unter dem Eindruck geschehener Taten aufzustellen und sie auf diese zuzuschneiden“.

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vernünftigen Grenzen zu halten“,251 die Begrenzung von Staatsgewalt,252 das Prinzip der Freiheit durch Gesetzesbindung253 oder die Gewährleistung der Sicherheit und Voraussehbarkeit des Rechts254 – wird nicht im Einzelnen eingegangen.255 Nur soviel: Sie sind zwar nicht unrichtig, den Kern der Sache treffen sie aber aus hiesiger Sicht noch nicht.256 dd) Die Unzulänglichkeiten der verschiedenen Begründungswege sind den Diskussionsteilnehmern bekannt. Man versucht sich aber damit zu behelfen, dass man sie miteinander kombiniert, in der Erwartung, dadurch würden die Lücken des einen Begründungswegs durch den anderen gedeckt. Grünwald spricht von Begrenzung der Staatsgewalt und Gesetzesbindung,257 Ransiek von Gewaltenteilung und Demokratie,258 Naucke von Generalprävention, Freiheitswahrung und Vertrauensschutz259 und Roxin verweist auf den politischen Liberalismus i. S. einer Gesetzesbindung der Strafgewalt, auf Demokratie und Gewaltenteilung, bis hin zur Generalprävention und zum Schuldprinzip.260 (1) Völlig unzutreffend erscheinen diese Kombinationen auf der einen Seite nicht. Interessant ist für uns aber weniger, ob sich durch die Kombination der verschiedenen Perspektiven ihre einschlägigen Schwierigkeiten tatsächlich vermeiden lassen – was erst in einer eingehenden dieser Frage gewidmeten Ab251 H. Mayer, Gesetzliche Bestimmtheit, S. 259. Eigentlich ist dieser Gesichtspunkt nur eine Zwischenerwägung, denn für H. Mayer ist ein zurückhaltendes Strafrecht letztendlich wegen positiv-generalpräventiver Erwägungen geboten, s. ebda. S. 260 f. und bereits o. Teil D., Fn. 215. 252 Naucke, Leblose Vorschrift, S. 132; Albrecht, Vergessene Freiheit, S. 53 f., 58. 253 So Schreibers, Gesetz und Richter, S. 219 zusammenfassende Formulierung; ähnlich Graven, ADPCP 3 (1950), S. 16; Jimenez de Asúa, ZStW 63 (1951), S. 182. 254 Rudolphi, SK 6 § 1/2; Jescheck/Weigend, AT5 § 15 I 1; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 215 f. 255 Und erst recht nicht auf die abwegige Theorie von Binding, Grundriss8, S. 236, wonach die Gesetzlichkeit deshalb bestehe, damit die „Strafpflicht des Staates“ – die nach der Normentheorie nicht schon bei jedem Normbruch entstehe, sondern erst, wenn die Norm in einem Strafgesetz Eingang finde (ebda. S. 232 ff.) – nicht unreflektiert begründet werde. „Ein Staat, der den Verbrechern eine magna charta verleiht, kann nur ein Verbrecherstaat sein. Nicht des Verbrechens wegen, sondern seiner selbst wegen erlässt der Staat ein Strafgesetz“. Abwegig auch Dahm/Schaffstein, Liberales oder autoritäres Strafrecht, S. 52. Weitere Vertreter einer Begründung des Gesetzlichkeitsprinzips mit Verweis auf die Rechtsstaatlichkeit Jung, Rückwirkungsverbot, S. 884; Ruiz Robledo, Legalidad punitiva, S. 363; Polaino Navarrete, PG I5, S. 250. 256 Vgl. unten S. 272 ff. 257 Grünwald, Gesetzlichkeitsprinzip, S. 436. 258 Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 40 ff. 259 Naucke, Betrug, S. 187, 189; diese Meinung dürfte aber inzwischen aufgegeben sein, siehe insb. ders., Leblose Vorschrift, S. 132. 260 Roxin, AT4 I § 5/19 ff. Eine interessante gestufte Theorie entwickelt auch Salazar Sánchez, RPCP 14 (2004), S. 461 ff.; andere Kombinationen bei Martos Nuñez, RDPC 1 (1991), S. 230 ff.; Muñoz Conde, Introducción2, S. 141 ff.

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handlung zu prüfen wäre –, als die Feststellung, dass trotz der offensichtlichen Schwierigkeiten ein naheliegender Lösungsweg kaum vorgeschlagen wird: nämlich, auf die Strafgesetzlichkeit deshalb zu verzichten, weil dieses Prinzip nicht überzeugend begründet sei.261 Trotz aller Schwierigkeiten wird am Gesetzlichkeitsprinzip festgehalten – es „genießt die wohl höchstmögliche Anerkennung“.262 Und würde der Ausweg der Kombinatorik sich auch als unzulänglich erweisen, dann würde man darin vermutlich eher einen Grund sehen, die Kombinatorik als das Gesetzlichkeitsprinzip für problematisch zu erklären. (2) Merken wir uns diese erste Feststellung und wenden wir uns wieder Feuerbach zu. Wie wir sahen, gibt es keine Gewähr dafür, dass das Gesetz besser als eine ständige Rechtsprechung abschrecke. Die leidenschaftliche Fehde, die Feuerbach gegen die damals anerkannten Strafmilderungs- und -schärfungsbefugnisse der Richter führte, stand also auf sehr schwankenden Fundamenten. Feuerbachs Begründung des Gesetzlichkeitsprinzips kann nicht einmal dem Gesetz gegenüber seinem stärksten Konkurrenten, nämlich dem Richter, einen absoluten Vorrang zusichern. Eines ist immerhin bemerkenswert: Die Schwäche seiner Argumente hindert ihn nicht daran, sich über die Gesetzesungebundenheit der Rechtsprechung zu empören und die Missachtung der Strafgesetzlichkeit als einen Skandal zu empfinden. (3) Eine dritte Feststellung, auch in Bezug auf Feuerbach, erscheint hier angebracht: Die Strafgesetzlichkeit wird zunächst aus seiner Theorie der Abschreckung durch Strafandrohung abgeleitet. Nur das Strafgesetz schrecke ab, also setze jede legitime Bestrafung ein Gesetz voraus. Doch kommt es fast unmerklich zu einer Umkehrung der Begründungsrichtung: Irgendwann ist nicht mehr das Gesetzlichkeitsprinzip zutreffend, weil es sich aus seiner Straftheorie ableiten lässt, sondern umgekehrt ist seine Straftheorie zutreffend, weil sie auf das Gesetzlichkeitsprinzip angewiesen sei. Auch seien andere Theorien, wie diejenige Grolmans, gerade deshalb kritikwürdig, weil sie keinen Platz für die Strafgesetzlichkeit haben. Die Gesetzlichkeit mutiert also von einer Folge zum Richtigkeitskriterium, vom abgeleiteten Theorem zum fundamentalen Axiom. „Dieses Strafgesetz ist der Punkt, welchen man nie aus dem Auge verlieren kann, von welchem alles ausgeht und auf welchen alles zurückläuft“.263 (4) Und die vierte Feststellung, jetzt wieder in Bezug auf uns, ist, dass die drei bisherigen Feststellungen als Selbstverständlichkeiten gesehen werden – so 261

Richtig gesehen von Marxen, GA 1985, S. 545. So Mangakis, ZStW 81 (1969), S. 998; ferner L. Schulz, ARSP-Beiheft 65 (1996), S. 173 („unstrittig“); siehe bereits Binding, Handuch, S. 17: „Kaum ein anderer Satz des Strafrechts gilt als so selbstverständlich . . .“, der dem Prinzip aber kritisch gegenüber stand (S. 27 f.). 263 Feuerbach, Revision I, S. 88, Fn. Zustimmend Bauer, Warnungstheorie, S. 50, der meint, der Begriff des Strafgesetzes nehme unter den Grundbegriffen des Strafrechts „die erste Stelle“ ein. 262

I. Vorüberlegungen

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dass wir uns aufgrund dieser drei Feststellungen nicht als befugt ansehen, die bisherige Diskussion oder auch Feuerbach für ihr Festhalten an der Strafgesetzlichkeit zu kritisieren. Dies ist insbesondere deshalb beachtenswert, weil sich sowohl bei Feuerbach als auch in der bisherigen Diskussion der Widerspruch ausfindig machen lässt, dass man doch bei einer unzureichend begründeten Meinung verharrt, ohne dass Alternativen dazu überhaupt ernsthaft erwogen werden. ee) Weiterführender als die Frage nach der Begründung der Strafgesetzlichkeit könnte deshalb eine andere sein, die man bisher noch nicht gestellt hat, die aber die Besinnung auf Feuerbach und auf die in diesen zweihundert Jahren entfachte Diskussion nahe legt: Welches Verständnis des Gesetzlichkeitsprinzips liegt nämlich diesen vier Feststellungen zu Grunde? Welche Theorie der Strafgesetzlichkeit kann diese vier Tatsachen erklären, statt sie als bloße Sturheit auf einer Ebene mit dem Glauben an Einhörner oder Hexen zu deklarieren? Es könnte sein, dass schon die Frage nach der Begründung der Strafgesetzlichkeit das Entscheidende nicht sichtbar hervortreten lässt, dass das Weiterverfolgen dieses offiziellen Forschungsprogramms den Weg zu einer eigentlichen Lösung versperrt. (1) Die Antwort auf diese neue Frage erscheint sehr evident. Wir nehmen keinen Anstoß an den vier festgestellten Tatsachen, weil wir von einem Verständnis der Strafgesetzlichkeit ausgehen, das ihr einen intrinsischen-eigenständigen Wert zuschreibt. Der nullum-crimen Satz ist nicht deshalb wichtig, weil er aus dem Abschreckungszweck, aus dem Schuldprinzip, aus der Demokratie oder aus der Gewaltenteilung folgt – er ist an sich wichtig. Schon die Fragestellung nach der Begründung des Gesetzlichkeitsprinzip erscheint in einem gewissen Sinne als im Ansatz verfehlt, denn sie lebt von der unzutreffenden Prämisse, wonach der Strafgesetzlichkeit kein Eigenwert innewohne, wonach sie auf externe Erwägungen angewiesen sei, um ihren Geltungsanspruch überzeugend darzulegen. Das Gesetzlichkeitsprinzip hat gerade keinen nur abgeleiteten Wert. Deshalb wird an ihm gemäß unserer ersten Feststellung selbst dann festgehalten, wenn dafür die überzeugende Begründung noch nicht gefunden wurde. Würde man dem Gesetzlichkeitsprinzip einen bloß abgeleiteten und nicht schon einen intrinsischen Wert zumessen, dann müsste es viel mehr Gegner des Gesetzlichkeitsprinzips geben, dann wäre die Beharrlichkeit unseres Festhaltens daran trotz unsicherer Grundlagen eher ein Zeichen von Sturheit und wissenschaftlicher Naivität. Deshalb erscheint die Empörung Feuerbachs gegen die gesetzesmissachtende Rechtsprechung seiner Zeit – unsere zweite Feststellung – angemessen: Um die Eignung eines Mittels streitet man schon, aber in der Regel nicht so heftig, es sei denn, es geht in Wahrheit um mehr als ein bloßes Mittel, m. a.W.: es sei denn, ein Mittel sei doch irgendwie intrinsisch relevant. Feuerbachs kompromisslose Polemik erscheint am besten dann nachvollziehbar, wenn man sie als

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Erfassung des nicht nur instrumentellen Gehalts der Strafgesetzlichkeit versteht. Seine Umkehrung der Begründungsrichtung, so dass die Gesetzlichkeit nicht bloß als Folge seiner Theorie, sondern als Prüfmaßstab aller Theorien Geltung beanspruche, belegt, wie sehr er den nullum-crimen Satz für einen Eigenwert hält, wie selbstverständlich ihm die Gültigkeit dieses Satzes auch gegenüber Systemen erscheint, die keine Abschreckungszwecke verfolgen, sondern etwa nur individualpräventiv sichern wollen. Unsere vierte Feststellung, die sich insofern auf einer anderen Ebene befand, als sie die anderen drei zum Gegenstand hatte, weist ebenfalls in die Richtung, selbst nach der Sichtbarmachung dieser Implikationen am Gesetzlichkeitsprinzip festzuhalten, so dass deutlich wird, dass unser Einsatz für die Strafgesetzlichkeit nicht aus mangelnder Reflexion erfolgt, sondern aus einer, wenn auch unklaren, Erfassung der hier vertretenen fundamentalen Beschaffenheit des Gesetzlichkeitsprinzips als intrinsisch wertvoll. (2) Es war bis jetzt vom intrinsischen Wert der Strafgesetzlichkeit die Rede, als Gegenposition zu dem vom offiziellen Forschungsprogramm implizierten bloß abgeleiteten Wert der Strafgesetzlichkeit. Es erscheint trotzdem erforderlich, die Bedeutung des intrinsischen Wertes der Strafgesetzlichkeit zu präzisieren. Das Gesetzlichkeitsprinzip ist zugegebenermaßen nicht das einzige, das intrinsichen Wert besitzt. Um bei einem unumstrittenen Beispiel zu bleiben: Auch der Mensch, der immer als Mensch und nicht bloß als Sache zu behandeln ist, ist intrinsisch wertvoll. Trotzdem steht die Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips nicht unter dem Vorbehalt des Nicht-Gegebenseins hinreichender intrinsisch wertvoller, ihm im konkreten Fall widerstreitender Anforderungen. Das bedeutet, dass die intrinsische Wertigkeit der Strafgesetzlichkeit nicht im Sinne einer materialen Werteethik verstanden werden soll, die Werte als platonische Ideen im Wertehimmel begreift, die miteinander in praktische Konkordanz zu bringen sind,264 sondern dass man auf den Schienen bleiben kann, auf denen man bis jetzt gefahren ist: Der intrinsische Wert der Strafgesetzlichkeit bedeutet nichts anderes, als dass sie als eine deontologische Schranke zu konstruieren ist. Sie ist keine Faustregel zur Optimierung präventiver Effizienz, sondern gilt auch dort und gerade auch dort, wo ihre Beachtung präventiv kontra-effizient ist. Sie gilt nicht bloß empirisch und kontingent, so dass eine unterschiedliche Beschreibung unserer sozialen Welt ihre Geltung in Frage stellen könnte, sondern sie gilt auch dort und gerade auch dort, wo sich die Beschreibungen unserer sozialen Welt ändern. Nicht das Strafgesetz, sondern die Strafgesetzlichkeit ist ein kategorischer Imperativ. (a) Im vorigen Kapitel ist unsere Theorie deontologischer Schranken mit dem Beispiel des absoluten, nicht ausnahmefähigen Folterverbots eingeführt worden. Dieses Beispiel hat uns als Leitlinie dabei geholfen, zum Gedanken der abgelei264

Dazu kritisch bereits oben C. II. (S. 199 f.).

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teten Legitimation des Staates und seiner Gebundenheit an die Ernstnahme von uns Menschen als Menschen zu gelangen. Folter ist an sich und unter allen Umständen verboten. Es gibt also Dinge, die man keinem Menschen antun darf, weil sie ihn erniedrigen und als Menschen missachten, und die erst recht ein Staat, der vorgibt, im Namen seiner Machtadressaten zu sprechen, nicht tun darf. Dies war zwar keine Begründung des Folterverbots im fundationalistischen Sinne,265 sondern eine Artikulation einiger einander stützender moralischer Gesichtspunkte, die zueinander nicht in einem Verhältnis von Unter- und Überordnung, sondern der gegenseitigen Explikation stehen. Durch diese Einbettung in ein kohärentes System von Aussagen steigert sich die Plausibilität einer jeden Aussage um einiges, so dass man durchaus von einer Begründung sprechen könnte, nur von keiner, die im fundationalistischen Sinne zu verstehen ist. Das bisher diskutierte Gesetzlichkeitsprinzip steht aber noch allein im Raum. Kann man es mit einer ähnlichen nicht-fundationalistischen Begründung versehen? (b) Tatsächlich ist der Gesichtspunkt der Behandlung eines Menschen als Mensch, m. a. W. das Instrumentalisierungsverbot, nicht der für das Gesetzlichkeitsprinzip tragende Gedanke. Es wäre ein allzu großer Sprung, wollte man einen direkten Bezug zwischen Instrumentalisierungsverbot und Strafgesetzlichkeit postulieren in dem Sinne, dass schon das Menschsein des Menschen es verlange, dass er nur unter Gegebensein eines Gesetzes bestraft werde.266 Aber auch hier erscheint der Gedanke des Legitimitätstitels des Staates hilfreich. Der Staat behauptet, seine Macht nicht wie eine Räuberbande auszuüben. Diesen vom Staat erhobenen Legitimitätsanspruch rechtfertigt er durch Vorlage eines Legitimitätstitels. Als Titel dient aber nicht der Hinweis auf den Willen Gottes, auf die Selbstbehauptung einer Rasse oder auf das Versprechen der Revolutionsväter, sondern der Hinweis auf die Bürger. Der Staat übt seine Macht im Namen der Bürger aus. Daraus haben wir zunächst die Idee entfaltet, dass es dem Staat verwehrt ist, Handlungen vorzunehmen, welche dieser Ernstnahme widersprechen, wie etwa die Folter. Man könnte aber eine zweite Stufe postulieren, die nicht die Ernstnahme der Menschen, in deren Namen man spricht, bzw. das Instrumentalisierungsverbot betrifft (nennen wir die damit korrelierenden Verbote deontologische Schranken erster Stufe), sondern schon mit der Qualifikation des Staates zur Wahrnehmung seines Auftrages zu tun haben. Anders gesagt: Die deontologischen Schranken erster Stufe, von denen bisher die Rede war, beziehen sich auf den Auftraggeber, auf den Menschen, der als Auftraggeber vom Beauftragten ernst zu nehmen ist. Die deontologischen Schranken zweiter Stufe beziehen sich dagegen auf den Beauftragten, auf den Staat, der sich seines Auftrages und seines Auftraggebers nicht unwürdig erweisen darf. 265

Siehe oben A. (S. 27 f.). So aber Sax, Grundsätze, S. 998 f.; Rudolphi, Unrechtsbewusstsein, S. 98; neuerdings Dannecker, Nullum crimen, S. 30. Auch bei Marxen, GA 1985, S. 548 klingt dieser Gesichtspunkt an. 266

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Derjenige, der ein Amt im fremden Namen ausübt, darf nicht über sich selbst so verfügen, dass die Amtsausübung unangemessen erscheint. Dieser Gedanke lässt sich anhand eines Vergleiches mit der kirchenrechtlichen Figur der Irregularitäten verdeutlichen. Darunter versteht man dauernde Weihehindernisse: Es geht um Handlungen oder Eigenschaften einer Person, die sie zum Empfängnis des Sakraments der Weihe unfähig machen.267 Zu den sog. Irregularitäten ex delicto (im Gegensatz zu den Irregularitäten ex defectu) gehört u. a. die Begehung einer vorsätzlichen Tötung:268 Hände, die mit Menschenblut befleckt sind, dürfen prinzipiell nicht die Eucharistie vollziehen, also den Körper des lebendigen Gottessohnes an die Gläubigen weitergeben. Hinter den Irregularitäten steht der Gedanke, dass es Handlungen und Eigenschaften gibt, die zum Sinn eines Auftrages oder einer Amtsausübung nicht passen.269 Etwas Ähnliches dürfte beim Gesetzlichkeitsprinzip der Fall sein. Ein Staat, der seine Machtausübung nicht durch ein Gesetz festlegen will, der nicht bereit ist, im Voraus zu bestimmen, unter welchen Bedingungen sich ein Bürger strafbar macht, ist ein Staat, der seines Auftrages, im Namen der Bürger zu sprechen, nicht würdig ist. Ist der Staat nicht bereit, seine strafende Tätigkeit durch Gesetze zu regeln, dann gibt er zu erkennen, dass er kein tauglicher Adressat eines Auftrages legitimer Herrschaftsausübung ist. Von einem derartigen Staat ist alles zu erwarten. Ihm ist deshalb schon von vornherein die Legitimität abzusprechen. Selbst wenn der Staat es bei seiner Machtausübung mit den Bürgern gut meinen sollte, wie der Staat von Platons Politikos,270 ist er kein angemessener Adressat eines von den Bürgern erteilten Auftrages zur Machtausübung. Den gleichen Punkt kam man auch ohne Metapher klarstellen. Der Staat bedeutet mehr als die Überwindung des gegenseitigen Kriegs zwischen den Bürgern271 oder die Sicherstellung vorgegebener Besitzansprüche.272 Er bedeutet vor allem die Bändigung und die Zivilisierung der unter Menschen in aller Regel gegebenen Herrschaftsverhältnisse. Dass keine Räuberbanden, sondern Staaten herrschen sollen, das wäre vielleicht der kategorische Imperativ der Einrichtung Staat. Ein Staat, der seine Herrschaft nicht bändigen und zivilisieren will, 267 Siehe den Codex Iuris Canonici, Can. 1040 ff.; ferner Hirnsperger, Ordination, S. 875 f.; Schwendenwein, Kirchenrecht, S. 349. 268 Codex Iuris Canonici, Can 1041 4o; dazu die Erläuterungen von Althaus, Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, Can. 1041 Rn. 8 (40. Lfg., 2006). 269 Hirnsperger, Ordination, S. 875 spricht von Wahrung der „für den geistlichen Dienst erforderlichen Integrität“. Zum Sinn der Weihe vgl. Eichmann/Mörsdorf, Kirchenrecht, S. 94. 270 Platon, Der Staatsmann, 294 A: „Das Beste aber ist, wenn nicht die Gesetze Macht haben, sondern der mit Einsicht königliche Mann“. 271 Hobbes, Leviathan, Chap. 13 u. 17. 272 Wie es einer eher eigentumsbezogenen Interpretation der Staatslehre Kants, Metaphysik der Sitten, AB 86 ff. entsprechen würde (etwa bei Unruh, Eigentumsbegründung bei Kant, S. 145). Nachw. zu anderen Interpretationen oben B. I. 1. (S. 37 f.).

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ist ein von Grund auf missglücktes Unternehmen, selbst wenn er den Krieg aller gegen alle unter einen eisernen Frieden stellen oder die bestehenden Besitzverhältnisse garantieren könnte. Zu diesem Bild des Staates als Unternehmen der Bändigung und Zivilisierung von Herrschaft gehört die Strafgesetzlichkeit. Wohlbemerkt: Der Staat ist kein Mittel der Bändigung und Zivilisierung von Herrschaft, sondern er ist diese Bändigung und Zivilisierung selbst. Und das Strafgesetz ist nicht als Mittel zur Bändigung und Zivilisierung der staatlichen Machtausübung unerlässlich, sondern sie ist ein Teil dieser Bändigung und Zivilisierung selbst. Eine ungebändigte, unzivilisierte Machtausübung ist die Machtausübung einer Räuberbande. Auch die Räuberbande überlegt sich, wie ihre Ziele effizient zu verfolgen sind. Zu einem Staate, der die von der Machtausübung Betroffenen um einen Legitimitätstitel bitten darf, gehört es u. a., dass die Machtausübung klaren gesetzlich festgelegten Regeln folgt. Wenn das Strafgesetz ein Teil dieser staatskonstituierenden Bändigung und Zivilisierung ist, stellt sich sofort die Frage nach den anderen Teilen.273 Welche Schranken gehören noch intrinsisch zur Bändigung und Zivilisierung staatlicher Machtausübung? Eine vollständige Theorie der deontologischen Schranken zweiter Stufe ist hier nicht anzubieten. Diese Arbeit interessiert sich vor allem für die Schranken zweiter Stufe, die sich als strafrechtlich relevant erweisen und mit denen sich Feuerbach befasst hat. Es ist wohl zu vermuten, dass die allgemeinere staatsrechtliche Gewaltenteilung ein grundlegender Bestandteil der Bändigung und Zivilisierung von Herrschaft unter Menschen ist, und keine bloß organisatorische Technik zur Effizienzsteigerung durch Arbeitsteilung.274 Arbeitsteilung kannte schon der Idealstaat des Aristoteles,275 der nach unseren Maßstäben nicht besonders liberal war. Zum Bestandteil unseres Staatsbildes gehört die Arbeitsteilung erst, seitdem sie von Montesquieu als Zivilisierung und Bändigung von Herrschaft im Namen der Freiheit begriffen wurde.276 Auch die Proportionalität zwischen Verbrechen und Strafen lässt sich auf diesen Gedanken zurückführen. An jetziger Stelle befassen wir uns nicht näher mit diesem Prinzip, doch wird später noch die Rede davon sein.277 Ferner gehören viele verfahrensrechtliche Verbote, wie das Verbot, ohne Nachweis der Schuld zu bestrafen (Unschuldsvermutung), oder das Verbot von Ausnahmegerichten, zu den Schranken zweiter Stufe. Es ist deshalb unangebracht, nach dem Nutzen der Unschuldsvermutung oder des Verbotes von Ausnahmegerichten zu fragen und 273 Zutreffend hebt Mangakis, ZStW 81 (1969), S. 1001 hervor, dass das Gesetzlichkeitsprinzip seine Aufgabe nicht allein bewältige. 274 Zur heutigen Bedeutung der Gewaltenteilung unter dem deutschen Grundgesetz Di Fabio, Gewaltenteilung, S. 613 ff. 275 Aristoteles, Politik, 4. Buch, Kap. 14–16. 276 Montesquieu, De l’esprit des lois, Livre XI, 3 u. 6. Nur überwiegen bei ihm wohl die konsequentialistischen Elemente. 277 Vgl. unten D. II. 3. e), (S. 381 ff.).

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sie anhand derartiger Erwägungen begründen zu wollen. Ein Staat, der sie missachtet, verrät seine legitimitätsstiftende Rolle als Unternehmen der Zivilisierung und Bändigung von Machtausübung. Dagegen stehen Erwägungen wie das ultima ratio-Prinzip nicht auf dieser Ebene. Dieses Prinzip hat mit der Ökonomie der Machtausübung, nicht mit ihrer Bändigung zu tun: Nur das Erforderliche ist zu machen, aber schon das Erforderliche darf demnach gemacht werden. Ob etwas erforderlich ist, lässt sich aber nur empirisch ermitteln, und gerade deshalb gelten die Anforderungen dieses Grundsatzes nur kontingent. Ferner ist das Erforderlichkeitskriterium erst dort anwendbar, wo die verfügbaren Alternativen gleich effizient sind. Ob etwas effizient ist, ist aber wiederum eine empirische Frage.278 Diese knappe Erwähnung anderer deontologischer Schranken zweiter Stufe wirft noch mehr Licht darauf, weshalb die fundationalistische Begründung der Strafgesetzlichkeit zum Scheitern verurteilt war. Die Gesetzlichkeit kann man nicht mit einem Hinweis auf die Gewaltenteilung oder das Schuldprinzip fundationalistisch begründen, weil sich Gesetzlichkeit, Gewaltenteilung und Schuldprinzip alle auf derselben Ebene befinden. Es herrscht zwischen ihnen keine Über- und Unterordnung, sondern ein friedliches Nebeneinander. Weil sie teilweise einander ähneln oder sich sogar überschneiden, hat man irrig daraus geschlossen, eines solle sich auf das andere zurückführen lassen. Die darauf zielende Frage erscheint aber ebenso unangebracht, wie die einer Person, die wissen will, wer unter drei ähnlichen Brüdern der Vater ist. (c) Diese Gedanken eröffnen einen ungehinderten Zugang zu den heute kaum bestrittenen vier Komponenten des Gesetzlichkeitsprinzips.279 Das Bestimmtheitsgebot, das nach den hiesigen Überlegungen genauer Unbestimmtheitsverbot heißen sollte,280 das Rückwirkungsverbot, das Analogieverbot und das Verbot des Gewohnheitsrechts sind nichts anderes als der Gedanke, wonach unbestimmte, rückwirkende, analog anwendbare und unverbindliche Strafgesetze nicht als Bändigungsleistung von Gewalt angesehen werden können.281 ff) Jetzt gilt es vor allem, einigen gegen die hiesigen Gedanken zu erwartenden Einwänden Aufmerksamkeit zu schenken.

278 Zum Rechtsgüterschutzprinzip, das wegen seines konsequentialistischen Charakters auch nicht zu den Schranken gehört, siehe unten D. II. 2. (S. 344 ff.) 279 Statt aller Roxin, AT4 I § 5/7 ff. 280 Man wird sich erinnern, dass man in dieser Arbeit nur aus Verboten, und nicht aus Geboten, vollkommene Pflichten abgeleitet hat C. II. (S. 134 f.). 281 Im hiesigen Rahmen wird es nicht möglich sein, die zahlreichen Grenzfragen, die es zu jeder dieser Komponenten gibt, gesondert zu erörten. Um die dogmatische Verwertbarkeit hiesiger Überlegungen nachzuweisen, wird man sich mit einem einzigen Beispiel begnügen müssen, vgl. unten S. 271.

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(1) Als erstes könnte man die innere Folgerichtigkeit unseres Wegs zur Aufhellung des Eigenwerts der Strafgesetzlichkeit bestreiten. Man hat zunächst vier Tatsachen festgestellt, und dann eine Theorie vorgeschlagen, welche diese vier Tatsachen einsichtig machen konnte. Warum ignoriert unsere Theorie aber eine fünfte Tatsache, nämlich, dass es seit über zweihundert Jahren die Diskussion über die Begründung des Gesetzlichkeitsprinzips gibt? Würden tatsächlich so viele kluge Geister darüber so lange diskutieren, wenn schon die Fragestellung nach dem Gesagten nicht sinnvoll sein sollte? Darauf ist zu erwidern, dass unsere Theorie das Vorhandensein der Diskussion nicht ignoriert. Vielmehr ziehen wir aus der Diskussion nur die Folgerung, dass etwas offensichtlich nicht zur Diskussion steht. Dass die Strafgesetzlichkeit beizubehalten ist, daran wird heute nicht mehr gezweifelt. Daraufhin könnte der Gegner noch nachhaken: Warum diskutiert man weiter, wenn es Einigkeit gibt? Dafür lassen sich einige plausible Gründe anführen, die deshalb zusammen mit unserer Theorie der Strafgesetzlichkeit als Eigenwert eine mehr als befriedigende Erklärung aller fünf festgestellten Tatsachen liefern. Erstens herrscht – nicht nur unter Juristen, sondern auch allgemein – die Vorstellung vor, dass Vernunft und insbesondere praktische Vernunft fundationalistisch ist, dass jede Begründung also die Form eines Syllogismus aufweist und hierarchisch erfolgt – trotz gewichtiger Einwände von kritischen Rationalisten wie Hans Albert, der dem Fundationalismus sein Münchhausen-Trilemma entgegen setzt,282 und von Pragmatisten wie Putnam, die auf die Erfolge unserer alltäglichen, von keiner Letztbegründung getragenen Handlungspraktiken hinweisen,283 und trotz der weitgehend praktizierten Methodik des von Rawls sog. Überlegungsgleichgewichts, wonach epistemische Begründungen nicht mehr allein vertikal und von unten nach oben, sondern auch horizontal und in allen Richtungen geleistet werden können.284 Zweitens ist zu bezweifeln, ob die Diskussion um die fundationalistische Begründung des Gesetzlichkeitsprinzips in Deutschland tatsächlich noch stattfindet. Seit einigen Jahrzehnten erscheinen immer weniger Aufsätze zum Thema, von Monographien ganz zu schweigen. Auch in den Lehrbüchern und Kommentaren bewegt sich wenig, so dass der Stillstand der Diskussion ein weiteres Zeichen dafür ist, dass man trotz Uneinigkeit im Sekundären über dasjenige, worauf es ankommt, tatsächlich einer Meinung ist.

282 Albert, Traktat über kritische Vernunft, S. 15. Das Trilemma besteht darin, dass bei Anerkennung des Prinzips des zureichenden Grundes man unvermeidbar vor der Wahl zwischen einem Regressus ad infinitum von Begründungen, einem logischen Zirkel oder dem Abbruch des Begründungsverfahrens stehe. 283 Etwa Putnam, Collapse, S. 94 f. 284 Grundlegend Rawls, Theory of Justice, S. 18 f.; zur Methodik des Überlegungsgewichts eingehend Daniels, Journal of Philosophy 76 (1979), S. 256 ff.; DePaul, Intuitions, S. 598 ff.; für das Strafrecht ausdrücklich Kuhlen, Irrtum, S. 321.

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(2) Arthur Kaufmann hatte das Gesetzlichkeitsprinzip zum Naturrecht erklärt;285 dazu sagte Schreiber, dies sei keine Begründung des Gesetzlichkeitsprinzips, sondern der „Verzicht auf eine Begründung“.286 Ist die hiesige Behauptung des Eigenwerts des Gesetzlichkeitsprinzips nicht einem ähnlichen Einwand ausgesetzt? Im fundationalistischen Sinne hat man tatsächlich das Gesetzlichkeitsprinzip nicht befriedigend begründet. Aber wenn man ein Ensemble sich gegenseitig stützender, zudem intuitiv einsichtiger und von der liberalen Tradition getragener Gesichtspunkte für eine Begründung im nicht-fundationalistischen Sinne hält, dann hat man dem Gesetzlichkeitsprinzip tatsächlich eine Begründung verliehen. Warum das Ensemble richtig sein soll, ob es sich extern begründen lässt – etwa als rationale Anschauung moralischer Tatsachen, als Konstruktion der praktischen Vernunft usw. – derartige metaethische Fragen wird man hier wie im vorherigen Abschnitt offen lassen müssen. (3) Man könnte noch fragen, ob die Tatsache, dass gerade im Land des Liberalismus, nämlich in England, das Gesetzlichkeitsprinzip bis heute keine vollständige Anerkennung gefunden hat, nicht doch die hiesige Ansicht widerlege.287 Es sei also nicht einmal notwendig, die Grenzen unseres Kulturkreises zu überschreiten, um Staaten zu finden, in denen das Gesetzlichkeitsprinzip nicht akzeptiert werde. Gegenüber diesem Einwand ist erstens daran zu erinnern, dass andere Länder des Common Law, wie etwa die Vereinigten Staaten, sogar an der Entdeckung des Gesetzlichkeitsprinzips maßgeblich beteiligt waren,288 und dass im heutigen England zur Zeit eine heftige Diskussion über die Einführung dieses Grundsatzes geführt wird.289 Zweitens, und das ist wichtiger, beweisen Fälle wie die in Schottland vorgenommenen Neukriminalisierungen des Verkaufs von Werkzeugen zum Genuss von Klebstoff als Betäubungsmittel im Jahre 1983 und der bis dahin straflosen Vergewaltigung in der Ehe im Jahre 1989,290 die beide durch Gerichtsentscheidungen und nicht durch Gesetz erfolgten, dass in einem Land ohne Gesetzlichkeitsprinzip noch wesentliche Aspekte der Bändigung und Zivilisierung der Machtausübung fehlen. 285 Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 92, Fn. 31; zust. Mangakis, ZStW 81 (1969), S. 996 f., der zudem von einem „Kulturgrundsatz“ spricht. 286 Gesetz und Richter, S. 209. 287 Ähnlich argumentierte 1938 etwa Kurt Dreier, Analogie, S. 27, 35 mit dem Hinweis darauf, es gebe durchaus „Kulturstaaten“, sogar England, ohne Analogieverbot. 288 Vgl. dazu Roxin, AT I4 § 5/14; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 62 ff.; dagegen Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 44 f. Zum Gesetzlichkeitsprinzip im amerikanischen Recht der 50er-Jahre ausführlich L. Burckhardt, SchwZStr 70 (1955), S. 115 ff., der unter anderem darlegt, dass im amerikanischen Recht nur noch Gesetzesrecht als Quelle in Betracht kommt (115 f.) und dass das Bestimmtheitsgebot und das Analogieverbot viel strenger verstanden werden als in Deutschland oder in der Schweiz (118 f., 124 ff.). 289 Siehe Ashworth, Principles4, S. 7 f., 59 ff.; Herring, Criminal Law, S. 17 ff. beide m. w. Nachw.; ausführlich De Búrca/Gardner, Oxford Journal of Legal Studies 10 (1990), S. 559 ff.

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(4) Der letzte Einwand wäre ein methodischer. Die Frage nach der Begründung ist immer zugleich die Frage nach der ratio legis, nach dem Telos, an dem sich die teleologische Auslegung orientieren wird. Wenn wir den Eigenwert der Strafgesetzlichkeit behaupten, welche Hilfe bietet das für die Auslegung und für die Diskussion schwieriger Randfragen des Gesetzlichkeitsprinzips, wie etwa im Hinblick auf die Frage, ob es – um ein älteres und ein aktuelleres Diskussionsbeispiel aufzugreifen – nachträgliche Verlängerungen der Verjährungsfrist bzw. die Bestrafung von Untaten autoritärer Systeme verbietet? Ist die hiesige Ansicht nicht dogmatisch unfruchtbar? Das ist sie nicht, und dies aus zwei Gründen. Erstens sagt sie doch klar, auf welche Gesichtspunkte es für das Gesetzlichkeitsprinzip und für dessen Präzisierung in zweifelhaften Fällen nicht ankommt: nämlich auf Gesichtspunkte der Generalprävention oder auch des Vertrauensschutzes. So kann es für die Zulässigkeit von nachträglichen Verlängerungen der Verjährungsfristen nicht darauf ankommen, ob man auf bestimmte Verjährungsfristen vertrauen darf oder nicht291 oder ob man sich von längeren Verjährungsfristen abschrecken läßt oder nicht.292 Ebenso wenig kommt es auf solche Gesichtspunkte bei der Frage an, ob eine rückwirkende Bestrafung von zur Begehungszeit straflosen Taten durch autoritäre Systeme zulässig ist.293 Zweitens liefert die Lehre vom Eigenwert der Gesetzlichkeit als Herrschaftsbändigung durchaus einen positiven Leitgesichtspunkt, der bei der Lösung umstrittener Fragen behilflich sein könnte. So scheint es z. B. sehr zweifelhaft, ob sich die nachträgliche Verlängerung von Verjährungsfristen tatsächlich mit dem Bild eines Staates verträgt, der die Spielregeln von vornherein offen legt und verspricht, von jetzt an nach diesen Regeln zu spielen.294 Aus demselben Grund muss an der Legitimität rückwirkender Bestrafung von Taten in Unrechtssystemen entschieden gezweifelt werden: Hier beansprucht der strafende Staat eine

290 Khaliq vs. HM Advocate, 1983 SCCR 483; Stallard vs. HM Advocate, 1989 SCCR 248, zit. nach Ashworth Principles4, S. 71; diesem Befugnis schottischer Richter im Wesentlich zust. Farmer, The Modern Law Review 55 (1992), S. 42 f. 291 Entgegen BVerfGE 25, 269 (290 f.); Bemmann, JuS 1965, S. 339 f.; CalvelliAdorno, NJW 1965, S. 274; Hassemer/Kargl, NK2 § 1/62 f.; Klug, JZ 1965, S. 151; Roxin, AT I4 § 5/60; Rudolphi, SK 6 § 1/10; Schünemann, Nulla poena, S. 25 f. Wie hier Baumann, Aufstand, S. 14; Jakobs, AT2 § 4/9. 292 Entgegen einer möglichen, Feuerbachs Gedanken verpflichteten, Argumentationm, die soweit ersichtlich nie wirklich vertreten wurde. 293 Entgegen dem BVerfG und dem BGH, s. oben Teil D., Fn. 243. 294 Im Ergebnis auch gegen die nachträgliche Verlängerung von Verjährungsfristen Arndt, NJW 1961, S. 15; ders., JZ 1965, S. 148; Baumann, Aufstand, S. 16 (der im Fall der NS-Straftaten meint, wegen faktischer Nichtverfolgbarkeit sei die Verjährung noch nicht abgelaufen, so dass dem verlängernden Gesetz allein deklaratorische Bedeutung zukomme, S. 24); Grünwald, MDR 1965, S. 523; ders., Gesetzlichkeitsprinzip, S. 444; Jakobs, AT2 § 4/9; Schreiber, ZStW 80 (1968), S. 365; Schünemann, Nulla poena, S. 25; Welzel, Strafrecht11, S. 24.

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Macht, die er nach zur Tatzeit geltenden Spielregeln noch nicht besaß.295 Drittens könnte es sein – aber das ist nur eine Vermutung – dass die teleologische Auslegung höchster Prinzipien anders zu verfahren habe als die sonst übliche, sich auf Prinzipien und Regeln mittlerer Ebene beziehende, nicht mehr allein vertikal vorzugehen habe, durch deduktiven Rückgriff auf dasjenige, was davor liegt, sondern auch horizontal, durch die Bemühung ähnlich gelagerter Erwägungen. (5) Die letzte noch klärungsbedürftige Frage betrifft das Verhältnis unserer „Begründung“ des Gesetzlichkeitsprinzips zu den Begründungen ohne Anführungszeichen, die von Willkürfreiheit, Rechtssicherheit, Rechtsstaatlichkeit und dergleichen sprechen.296 Die hiesige Ansicht versteht sich nicht als eine Konkurrentin dieser Lehren, sondern als eine Herausarbeitung ihres eigentlichen Kerns durch Abstoßen ihres konsequentialistischen Ballastes. Denn auch diese Lehren versuchen in aller Regel, Gesetzlichkeit als Unverfügbares darzustellen, nur nicht immer mit passenden Mitteln. Die hiesige Ansicht bewahrt also das Richtige an v. Liszts Umschreibung des Strafgesetzbuches als Magna Charta des Verbrechers bzw. als nicht zweckmäßigkeitsbezogene unübersteigbare Schranke der Kriminalpolitik,297 oder an Schreibers Mahnung: „Begibt man sich mit dem strafrechtlichen Rückwirkungsverbot erst einmal auf die Ebene der Abwägung schützwürdiger Interessen des Einzelnen und des Staates, so nimmt man ihm seine wesentliche Bedeutung“.298 Mangakis und Schreiber scheinen den hiesigen Überlegungen zur Bändigungsrolle der Strafgesetzlichkeit besonders nahe zu kommen.299 Am nächsten dürften wir der neueren Ansicht Nauckes stehen, insbesondere wenn er das Strafgesetz als „unangreifbares, absolut gerechtes Prinzip“ bezeichnet,300 das „ein Eigenleben“ führe.301 Nur dadurch, dass er 295 Selbstverständlich können die zahlreichen, höchst umstrittenen Fragen der kaum noch überschaubaren Diskussion um die DDR-Mauerschützen hier nicht gebührend behandelt werden. Im Ergebnis ebenfalls gegen eine Bestrafung J. Arnold, DDR-Vergangenheit, S. 107 ff.; Grünwald, Gesetzlichkeitsprinzip, S. 445 ff.; ders., Rückwirkende Strafbarkeitsbegründung, S. 135; Jakobs, GA 1994, S. 5 ff.; Pawlik, GA 1994, S. 472 ff.; Schmitz, MK § 1/31; Schünemann, ARSP-Beiheft 65 (1996), S. 114; ders., Savignys Rechtsbegriff, S. 168. 296 Sie wurden vor allem oben S. 260 f. aufgelistet. 297 Nachw. oben Teil D., Fn. 246. 298 Schreiber, ZStW 80 (1968), S. 367. 299 Insb. wenn Schreiber von der „Mäßigung und Beschränkung der mit Skepsis betrachteten Staatsgewalt zugunsten des mit einer gewissen Selbstständigkeit gedachten einzelnen“ spricht (Gesetz und Richter, S. 180). Mangakis, ZStW 81 (1969), S. 1000 f. geht es um die Sicherung des Rechtscharakters des Rechts. Der Hauptunterschied zu beiden dürfte erstens daran liegen, dass hier der deontologische und der intrinsischwertvolle Charakter der Strafgesetzlichkeit deutlicher ausgearbeitet werden. Zu Mangakis kommt noch hinzu, dass er zur Diskussion über Naturrecht/Rechtspositivismus implizit Stellung nimmt, während hier diese Fragen ausgeklammert werden (siehe bereits oben C. III. [S. 196], D. I. 2. [S. 206 f.]). 300 Naucke, Rückwirkungsverbot, S. 351.

I. Vorüberlegungen

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auch von Machtbegrenzung als ratio des Gesetzlichkeitsprinzips spricht, wird die Ausnahmslosigkeit des Prinzips konsequentialistisch durchbrochen: Bei „staatsverstärkter Kriminalität“ sei rückwirkende Bestrafung legitim, denn dies entspreche gerade der Vollendung der staatsmachtbegrenzenden Ratio des Prinzips.302 Die Gebotenheit einer sauberen Aussonderung konsequentialitischer Elemente verdeutlicht auch die nicht selten eingetretene konsequentialistische Gleichschaltung der Gesetzlichkeit von innen heraus. Nicht zu Unrecht meint Kielwein, es gebe bessere Mittel als die Beachtung der Gesetzlichkeit, um Rechtssicherheit zu erreichen303 – deshalb entwertet er das Gesetzlichkeitsprinzip so weitgehend, dass dieses kaum mehr eine Rolle spielt.304 Waiblinger erklärt die Rechtssicherheit, die Freiheit und die Gleichheit, in denen er die Begründung des Gesetzlichkeitsprinzips erblickt, für wichtige Werte, die dennoch mit dem Gegenwert der Gerechtigkeit in Einklang gebracht werden müssten.305 Seine instrumentelle Deutung des Gesetzlichkeitsmittels führt ihn dazu, das Präjudiziensystem des damals geltenden englischen Rechts, das diese Werte in keinem geringeren Maß verwirkliche als auf dem Kontinent, zu billigen.306 Hellmuth Mayer, der die Gesetzlichkeit als Mittel der Minimalisierung des Strafrechts begreift, ist der Meinung, der alte Tatbestand des groben Unfugs sei wegen der restriktiven Handhabung durch die Praxis mit dem Grundsatz vereinbar.307 Beim Gesetzlichkeitsprinzip geht es also nicht in erster Linie um einen – letztlich konsequentialistischen – Schutz der Bürger. Wenn es so wäre, dann hätte sich das Gesetzlichkeitsprinzip nicht behaupten können: Man darf nicht vergessen, dass gerade die von Feuerbach so leidenschaftlich bekämpfte Lehre vom richterlichen Milderungsrecht auch den Schutz der Bürger bezweckte, und ihn vielleicht – insofern handelt es sich wieder um eine empirische Frage – viel effektiver und konkreter gewährleistete, als das von ihm bevorzugte allgemeine Gesetz. Es geht um etwas Grundlegenderes, Tieferes, deshalb auch nicht mehr konsequentialistisch Fassbares, nämlich um die Vorbedingung für die Glaubwürdigkeit und Angemessenheit der Erhebung eines Legitimitätsanspruchs, der sich 301 Naucke, Analogieverbot, S. 321; ferner ders., Quaderni Fiorentini XXXVI (2007), S. 344. 302 Naucke, Zerbrechlichkeit, S. 426; ders., Leblose Vorschrift, S. 135 f.; ausführlicher ders., Staatsverstärkte Kriminalität, S. 55 ff. (wobei hier eher ein Verwirkungsargument formuliert wird); ders., Normales Strafrecht, 82 ff.; zust. Albrecht, Vergessene Freiheit, S. 58. Dazu kritisch J. Arnold, DDR-Vergangenheit, S. 108 ff. 303 Kielwein, Grundgesetz, S. 136. 304 Kielwein, Grundgesetz, S. 135. Dabei spielt auch seine Zurückführung des Gesetzlichkeitsprinzips auf die Schuld eine Rolle, vgl. bereits oben Teil D., Fn. 227. 305 Waiblinger, Nullum crimen, S. 215 f. 306 Waiblinger, Nullum crimen, S. 232. 307 H. Mayer, Gesetzliche Bestimmtheit, S. 262. Ein gleiches Argument wird für die Drohung bei § 253 ausgespielt, ebda; s. ferner S. 273, 276.

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

auf die Bürger selbst beruft. Ungebändigte Herrschaft ist also nicht nur gefährlich, ungebändigte Herrschaft ist schon an sich böse. d) Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit, noch einmal Feuerbach fehlte noch das Vertrauen in die Eigenständigkeit deontologischer Erwägungen. Er erlag der Versuchung, insbesondere in seiner Begründung des Gesetzlichkeitsprinzips, Deontologie auf Konsenquentialismus reduzieren zu wollen – nach dem Schema, das Richtige ist zu tun, nicht weil es richtig, sondern weil es vorteilhaft ist, es zu tun. Im Folgenden soll versucht werden, die sonstigen Sätze Feuerbachs umfassender Straftheorie zu beurteilen, im steten Bewusstsein, dass diese zwei Gruppen relevanter Erwägungen streng auseinander zu halten und nicht aufeinander zurückführbar sind, dass weder zweckmäßige Strafen gerecht, noch gerechte Strafen zweckmäßig sein müssen, sondern dass nur die sowohl gerechte, als auch zweckmäßige Strafe legitim sein kann. Es besteht immerhin ein Primat der Gerechtigkeit, nicht in dem Sinne, dass die gerechte, aber zwecklose Strafe schon sein soll – Kants Inselbeispiel – noch in dem Sinne, dass die gerechte, aber schädliche Strafe sein soll – unser Inselbeispiel2 – sondern im Sinne eines dritten Inselbeispiels: Man stelle sich den Fall vor, dass es nur einen Ausweg gäbe, die Auflösung der Inselgesellschaft durch einen internen Krieg zu verhindern, und der wäre die Bestrafung eines unschuldigen Verdächtigen bzw. eines schuldigen Verdächtigen ohne Beachtung der Proportionalitätsschranke bzw. eines schuldigen Verdächtigen, der gegen keine vorherige gesetzliche Strafandrohung verstoßen hat. Nur das Konzept deontologischer Schranken kann erklären, warum in diesem Inselbeispiel3 nicht einmal das Überleben der Gesellschaft ihr ein Recht gegen einen Einzelnen verleihen kann.

II. Die Straftheorie 1. Der Begriff der Strafe a) aa) Nach Klärung der Vorfragen gelangen wir zur Straftheorie. Feuerbach unterscheidet nach guter Kant’scher Art den Gegenstand seiner normativen Theorie von dessen Rechtfertigungsbedingungen, m. a. W. den Begriff der Strafe von deren Zwecken und Rechtsgründen. Maßstab für die Festlegung des Strafbegriffs ist für ihn die Alltagssprache. „Der Sprachgebrauch soll uns nichts als den Begriff der Sache an die Hand geben. Ob dieser Begriff eine rechtliche Realität habe? ob es ein Recht, ein solches Uebel zuzufügen, gebe? ist eine ganz andere Frage, deren Beantwortung von jener ganz unabhängig ist“.308 Er definiert den allgemeinen Begriff der Strafe als ein „Übel . . ., welches um be308

Feuerbach, Revision I, S. 4.

II. Die Straftheorie

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gangener gesetzwidriger Handlungen, und zwar bloß um dieser willen einem Subjecte zugefügt wird: malum passionis ob malum actionis, wie die ältern Rechtslehrer sagen“.309 Einige Seiten später wird dieser allgemeine Begriff der Strafe durch differentiae specificae angereichert, die ihn zur bürgerlichen Strafe machen sollen: „Sie ist ein vom Staate, wegen einer begangenen Rechtsverletzung zugefügtes, durch ein Strafgesetz vorher angedrohtes sinnliches Uebel“.310 Feuerbach ist sich bewusst, dass er mit der Definition der Strafe als ein Übel kein Neuland betritt, sondern dass er eine zumindest bis auf Grotius zurückgehende Tradition aufgreift.311 Anschließend leitet er eine Reihe von Folgerungen aus seiner Begriffsbestimmung ab, insbesondere um die mit diesem Begriff nicht zu vereinbarenden Theorien zu kritisieren: So seien z. B. die (vermeintliche) Züchtigungstheorie Kleins oder die negativ-spezialpräventive Theorie (von ihm genannte Sicherungstheorie) keine Straftheorien.312 Wie ist das Gesagte zu beurteilen? bb) Man muss die Bemühungen Feuerbachs in Bezug auf den Strafbegriff auf mehreren Ebenen beurteilen, zunächst auf der methodischen, dann auf der inhaltlichen. Methodisch ist wiederum zweierlei zu bewerten, nämlich die klare Unterscheidung zwischen dem Begriff der Strafe und deren Zwecken und Rechtsgründen, und ferner der Rückgriff auf die Alltagsprache. Allgemein hat man sich damit begnügt, über diesen letzten Aspekt kritische Worte auszusprechen, ohne dem anderen allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Eigentlich aber war gerade der erste Aspekt der wichtigere. b) Methodisch ist demnach zunächst einmal die klare Trennung zwischen dem Begriff der Strafe und dessen Rechtfertigungsvoraussetzungen festzustellen. Ist diese Vorgehensweise überhaupt gerechtfertigt? Läuft sie nicht vielmehr gängigen Empfehlungen im Sinne einer teleologischen bzw. funktionalen Begriffsbildung, die den Begriff bewusst mit Hinsicht auf seinen Zweck bzw. seine Funktion formuliert, entgegen?313 aa) Es wäre natürlich möglich, so vorzugehen. Wenn Strafe schon mit Bezug auf ihre Rechtfertigungsvoraussetzungen definiert würde, dann hätte man es nur mit einer Strafe zu tun, wenn ihre Rechtfertigungsvoraussetzungen erfüllt wä309

Feuerbach, Revision I, S. 5; kleine Unterschiede bei ders., Anti-Hobbes, S. 203. Feuerbach, Revision I, S. 56; ähnlich ders., Lehrbuch14, § 19; ders., Hochverrat, S. 65 f.: ohne vorheriges Gesetz keine Strafe, sondern Rache. 311 Grotius, De jure belli ac pacis, liber II, caput XX, I; Pufendorf, De iure natura et gentium, Liber VIII, Caput III, § 4. 312 Dieses Argument ist später von „Klassikern“ gegen die Besserungs- und Sicherungsstrafe der Modernen aufgegriffen worden, etwa Beling, Vergeltungsidee, S. 129 f.; Oetker, GS 91 (1925), S. 326 (Sicherungsstrafe als „Widerspruch in sich“), S. 346; ders., GS 104 (1934), S. 2. 313 So z. B. Beling, Vergeltungsidee, S. 4 f., ausdrücklich gegen die Vorgehensweise, die beim Begriff der Strafe ansetzt. 310

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ren. Das bedeutete aber, es gäbe eigentlich nur legitime Strafen, ja mehr noch, die Wendung „legitime Strafe“ wäre pleonastisch, denn eine Strafe welche dieser Beschaffenheit entbehrte, wäre eben keine – kein Punishment, sondern etwa Tellishment.314 Das ist schon an sich kontraintuitiv, weil wir alle im Alltag und in der Jurisprudenz immer wieder auch von Strafen sprechen, die nicht alle Rechtfertigungsvoraussetzungen erfüllen. Vielmehr ist es der besondere Sinn der Straftheorie, wie wir sahen, derartige Bestrafungen als illegitim brandmarken zu können. Eine Straftheorie, welche die Unterscheidung zwischen legitimer und illegitimer Bestrafung nicht mehr durchführen könnte, weil sie nur legitime Strafen kennt, würde uns wenig nutzen. Daher ist es ein Erfordernis der (erkenntnistheoretischen) Zwecke bzw. Funktionen des Strafbegriffs im Rahmen der Straftheorie, dass die (rechtfertigungstheoretischen) Zwecke bzw. Funktionen bei der Bestimmung des Strafbegriffs außer Betracht bleiben. Man könnte sich hier (schon wieder!) eines Arguments der offenen Frage nach dem Vorbild G. E. Moores315 bedienen und behaupten: Das Wort Strafe setzt nicht wegen ihrer Bedeutung Legitimität voraus, denn bezüglich jeder Strafe lässt sich immer noch sinnvoll fragen, ob sie auch legitim ist. bb) Ferner ist die von Feuerbach vorgenommene Unterscheidung deshalb vorzugswürdig, weil durch sie vermieden wird, dass man die späteren Fragen leichtfertig vorwegnimmt – dass man, wie man auf Englisch sagt, question-begging argumentiert, oder, wie man auf Deutsch formuliert, Begriffsjurisprudenz betreibt.316 Will man irgendeine Rechtfertigungsbedingung der Strafe vorschlagen, darf man dies natürlich tun – sie muss aber eigenständig begründet werden und darf nicht aufgrund einer durch die Hintertür eingeführten definitorischen Festsetzung im Strafbegriff loziert werden. cc) Drittens und entscheidend: Die hier vorgenommene Unterscheidung verhindert auch die allzu üblichen, nicht zuletzt auch vom Bundesverfassungsgericht immer wieder bemühten Etikettenschwindel. Dieses Schlagwort hat man seit Kohlrausch317 wiederholt benutzt, um Lösungen zu disqualifizieren, die 314 Wie es Rawls, Two Concepts, S. 27, bekanntlich bzgl. der „Bestrafung“ eines Unschuldigen sagte; in demselben Sinne Kindhäuser, GA 1989, S. 498. Ähnlich argumentiert Miguel Reale, Pena de Morte, S. 52 ff. in Bezug auf die Todesstrafe, dass sie keine Strafe sein könne, da sie den Menschen verdingliche. 315 G. E. Moore, Principia Ethica, Nr. 13. 316 Siehe zur Kritik derartiger Argumentationsverfahren grundlegend Heck, Rechtsgewinnung, S. 18 ff. 317 Kohlrausch, ZStW 44 (1924), S. 33. Eigentlich berichtet Kohlrausch von einer Tagungsdiskussion, wo der Strafanstaltspraktiker Schwandner den Ausdruck gegen die Forderung der Klassiker, Strafe und Maßregel kumulativ zu verhängen, ausspielte. Dass nicht einmal der Gedanke auf ihn zurückführbar ist, sondern unter den Modernen verbreitet war, belegen frühere Stellungnahmen wie Liepmann, ZStW 43 (1922), S. 715; Dohna, ZStW 44 (1924), S. 54 (gleichzeitig). Eigentlich schon viel früher Hepp, Darstellung II/12, S. 69.

II. Die Straftheorie

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deswegen als unstimmig erscheinen, weil sie nicht mehr anbieten, als eine bloße Namensänderung, ohne damit einen Unterschied für die Betroffenen zu verbinden. Die Tatsache, dass wir einen Hund eine Katze nennen, ändert nichts daran, dass er bellen wird – so die zutreffende Intuition. Um die Logik des Etikettenschwindels hat man sich seit Kohlrausch wenig gekümmert, so dass man jetzt eine gute Gelegenheit hat, dies einigermaßen nachzuholen.318 Ein Etikettenschwindel ist nämlich nichts anders als der Kategorienfehler, der aus der mangelhaften Unterscheidung zwischen dem Gegenstand der normativen Theorie und den Legitimationsbedingungen dieses Gegenstandes entstehen kann. Man verfährt so, dass man beim Nicht-Vorliegen einer Legitimitätsbedingung des Gegenstandes, anstatt die gebotene Illegitimitätserklärung auszusprechen, ihn für nicht gegeben hält. Für einen Etikettenschwindel ist aber diese logische Verwechselung zwar notwendig, aber nicht hinreichend. Denn ähnliche Kategorienfehler begingen schon Hobbes, der meinte, man hätte keine Strafe ohne öffentliche Verurteilung, vorheriges Gesetz oder gesellschaftlichen Nutzen,319 oder Feuerbach, der trotz seiner Unterscheidung den Begriff der bürgerlichen Strafe so bildet, dass er sowohl ein Strafgesetz, als auch eine Rechtsverletzung voraussetzt.320 Der Etikettenschwindel ist etwas, was einem vorgeworfen wird – ein Schwindel –, und dies, weil er wegen des Kategorienfehlers eine Vorgehensweise für zulässig erklärt, die unter einem anderen Namen nicht zulässig sein würde und auch überhaupt nicht zulässig sein sollte. Dem Etikettenschwindel wohnt deshalb neben dem logischen Moment des Kategorienfehlers ein normatives Moment des Einsatzes zu legitimatorisch-affirmativen Zwecken inne, des tendenziösen Einsatzes zu Gunsten der Macht. Bei der unten vorzunehmenden Anwendung des Strafbegriffs auf problematische Fälle werden wir einige Etikettenschwindel entlarven. An hiesiger Stelle begnügen wir uns damit, aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwei Beispiele zu erwähnen, um zu einem Ergebnis zugunsten Feuerbachs zu kommen. Das erste Beispiel bildet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur nachträglichen Sicherungsverwahrung. Diese dürfe verhängt werden, obwohl diese bloße Maßregel in derselben Anstalt vollstreckt wird, die auch zur Abbüßung der Freiheitsstrafe dient. Da sie einen anderen Zweck als die Freiheitsstrafe verfolge, nämlich die Sicherung,321 sei sie keine 318

Freilich ohne den logischen Apparat, mit dem der Verfasser keineswegs vertraut

ist. 319

Hobbes, Leviathan, Chap. XXVIII: keine Strafe, sondern Akt der Feindseligkeit. Dagegen schon zutreffend Thibaut, Beyträge, S. 26 f.: „Nimmt man in den Begriff nun noch das Merkmal: durch ein Strafgesetz angedroht, auf, so ist dadurch gar kein Merkmal der bürgerlichen Strafe angegeben, sondern vielmehr die Frage beantwortet: welche bürgerliche Strafe ist gerecht? Wodurch es denn ganz unmöglich gemacht wird, die bürgerlichen Strafen in gerechte und ungerechte einzutheilen“. Gegen die Aufnahme der Rechtsverletzung in den Strafbegriff ebda. S. 27. 321 BVerfGE 109, 133 (174). 320

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

Strafe und auch nicht dem Schuldprinzip unterworfen. Der Schwindel besteht darin, dass man legitimatorisch-affirmativ einen Eingriff für zulässig erklärt, indem man durch das bloße Behaupten des Nicht-Vorliegens einer Rechtfertigungsvoraussetzung (nämlich der angeblichen sühnenden Vergeltung) das Vorliegen des Gegenstandes (der Strafe) ablehnt und ihn damit letztlich auch vom Erfordernis des Vorliegens sonstiger, in concreto nicht-vorliegender, Rechtfertigungsvoraussetzungen (konkret: der Beachtung des Schuldprinzips) befreit. Genauso lief es auch in der Entscheidung zum erweiterten Verfall (§ 73d StGB), der keine Strafe sein solle, weil er nur eine Ordnungsfunktion erfülle: Er sei „nicht Ausdruck vergeltender, sondern ordnender Gerechtigkeit“.322 Und somit kommen wir zu unserem Ergebnis: Nur mit einer scharfen Unterscheidung zwischen dem Begriff der Strafe und ihren Legitimitätsvoraussetzungen nach dem Vorbild Feuerbachs lassen sich ähnliche Etikettenschwindel vermeiden. dd) Als erstes Zwischenfazit lässt sich mithin festhalten: Es ist mit Feuerbach klar zwischen Strafbegriff und Legitimitätsvoraussetzungen der Strafe zu differenzieren, um so der Intuition Rechnung zu tragen, dass Strafen illegitim sein und trotzdem noch Strafen heißen können (Argument der offenen Frage), um nicht unbegründete Legitimitätsvoraussetzungen als begriffliche Festlegung verkaufen zu können (Vermeidung der Begriffsjurisprudenz) und um nicht durch eine Verwechselung beider Ebenen durch bloße Namensänderungen Übergriffe zu legitimieren, die richtigerweise für illegitim zu erklären wären (Vermeidung des Etikettenschwindels). Das wurde im Ergebnis überraschend selten explizit anerkannt.323 c) Zur Methode ist noch zu untersuchen, ob sich der Rückgriff auf die Alltagsprache als tragfähiger Weg erweist. Hier haben wir es leicht: Eine derartige Argumentation ist tatsächlich problematisch324 – und Feuerbach, der in einem 322

BVerfGE 110, 1 (18). Kritisch auch Herzog, JR 2004, 496 f. Ausnahmen sind zu Feuerbachs Zeiten Kleinschrod, Grundbegriffe II2, S. 8, Fn. ***; während des Schulenstreites Kantorowicz, Italienischer Strafgesetzentwurf, S. 40; seit dem Krieg Bacigalupo, Princípios5, S. 9; Gallas, Gründe und Grenzen, S. 4 f.; Kindhäuser, GA 1989, S. 493, 494 ff.; Mir Puig, Introducción2, S. 49, 77 f.; Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 5; Neumann, Strafe, S. 438; ders., Personale Rechtsgutslehre, S. 87; Rogall, Abschreckung, S. 241; ähnlich Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 34 ff. in seiner Unterscheidung von „Strafe“ und deren „Sinn“. Im angelsächsischen Raum ist die Unterscheidung dagegen sehr verbreitet, s. zunächst Armstrong, Mind 70 (1961), S. 473; Flew, Philosophy 29 (1954), S. 293, 295, 306 („To attempt to justify from the concept alone is like trying to prove existence from the concept alone – The Ontological Argument“); Hart, Prolegomenon, S. 4; Honderich, Punishment, S. 14; D. Locke, Mind 72 (1963), S. 568 f.; Zimring/Hawkins, Deterrence, S. 33 f.; heutzutage Duff, Punishment, Communication, Community, S. XIV f.; Fletcher, Rethinking Criminal Law, S. 409; v. Hirsch, Doing Justice, S. 35 f.; Kleinig, Punishment, S. 10. 324 Kritisch schon der zeitgenössische Gegner Klein, ArchCrimR Bd. II St. III (1800), S. 139; ferner v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 5 f., S. 61 f. Später Nagler, Die Strafe, S. 8, 29 ff.; Eb. Schmidt, Geschichte, § 231; und Hartmann, Feuerbach, 323

II. Die Straftheorie

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früheren Werk einen Gegner wegen seiner Benutzung der Alltagssprache kritisierte, kann dies nicht unbekannt sein. Von ihm stammen die Sätze: „Gefühl also und Sprachgebrauch können uns nur zu Führern, nicht zu Gesetzgebern dienen; wir können bei Bestimmung eines philosophischen Begriffs von ihnen ausgehen, können ihn aber durch sie nicht selbst bestimmen; sie können uns andeuten, was wohl in dem Begriffe liegen möge, aber nicht sagen, was wirklich in ihm liege.“ 325 Ferner: „Der Sprachgebrauch ist kein Gesetzgeber für die philosophierende Vernunft“.326 Der Verweis auf die Alltagssprache bildet bei ihm also nur einen rhetorischen Kunstgriff, der schon von damaligen Autoren durchschaut wurde,327 und dies aus mehreren Gründen: aa) Erstens ist die Alltagsprache derart unbestimmt, dass man unmöglich von ihr die Entscheidung einer wissenschaftlichen Kontroverse um den Gegenstand der Rechtfertigungstheorie erwarten kann.328 Man kann etwa nicht über den Hinweis auf die Umgangsprache ausschließen, dass sich „Resozialisierung“ unter den alltäglichen Begriff der Strafe subsumieren lässt.329 Die Tatsache, dass man sich im Alltag trotz Unbestimmtheit verständigt, beweist zwar durchaus, dass die Unbestimmtheit nicht absolut ist, nicht aber, dass der Sinn des Begriffs, so wie er in alltäglichen Sprachspielen auftaucht, schon für das Sprachspiel der Straftheorie ausreicht.330 bb) Im Grunde hat man den Eindruck, dass sich Feuerbach seinen Strafbegriff „maßgerecht“ zuschneidet, um ihn dann als kritische Waffe einzusetzen: Man hat es hier also mit einem Musterbeispiel eines begriffsjuristischen Krypto-Arguments zu tun.331 Damit werden nur die wirklich bedeutsamen Gesichtspunkte, die zur Ablehnung der konkurrierenden Strafauffassungen führen, verdeckt332 – und er tut dies ohne irgendwelche Notwendigkeit, denn gleich danach arbeitet er offen mit ihnen.

S. 88, deren Kritik sich aber nicht nur gegen diese alltagsprachlich-fundierte Methode, sondern auch gegen die essentialistische Begriffsbildung Feuerbachs insgesamt richtet. 325 Feuerbach, Kritik des natürlichen Rechts, S. 71 ff. (Zitat auf S. 73). 326 Feuerbach, Kritik des natürlichen Rechts, S. 211. 327 Vgl. oben Teil D., Fn. 324. 328 So etwa Nagler, Die Strafe, S. 30. 329 So auch Eb. Schmidt, Geschichte, § 231. 330 Zum Begriff des Sprachspiels – dessen weitere, das Verständnis des hiesigen Arguments übersteigende Implikationen man hier ausklammern kann und darf – grundlegend Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Nr. 7. 331 Ein Krypto-Argument ist ein Argument, das die wahren Gründe der Behauptung verdeckt. Vgl. zu diesem Problem aller essentialistischen Argumentationsweisen, Scheuerle, AcP 163 (1963), S. 430; Röhl, Rechtslehre, S. 54; Dreier, Natur der Sache, S. 117 ff.; zur Gefahr solcher Verfahren mit allem Nachdruck insb. Rüthers, Unbegrenzte Auslegung5, S. 277 ff. 332 Im gleichen Sinne Eb. Schmidt, Geschichte, § 231.

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

cc) Der Grundfehler der Methodik Feuerbachs ist aber nicht, auf eine auf das rechtswissenschaftliche Sprachspiel nicht zugeschnittene Umgangssprache zurückzugreifen und unpassend und unnötig Begriffsjurisprudenz zu betreiben, sondern vielmehr sich im hiesigen Kontext einer naiven essentialistischen Definition (sog. Realdefinition) zu bedienen, d.h. zu versuchen, das „Wesen“ des hier erforschten Gegenstands zu bestimmen.333 Trotz seiner Schulung in der kritischen Philosophie, welche die Unerkennbarkeit des Dings an sich vertrat, wirken hier wahrscheinlich Überbleibsel des essentialistischen Denkens der Scholastik und Christian Wolffs bei Feuerbach nach. An manchen Stellen wird das in aller Offenheit behauptet: „Das wissenschaftliche Interesse fordert es notwendig, dass er (der Rechtsgelehrte) den Gegenstand nach seinem wahren Wesen vollständig in aller Reinheit darstelle . . .“.334 Jedes Wort habe seinen „wahren Sinn“, „jeder Begriff seinen wahren Namen“.335 Wir führen hier keine allgemeine Kritik des essentialistischen Denkens vor: dieses ist, trotz einer anfänglich verbreiteten Skepsis, in der analytischen Philosophie seit Kripke und Putnam weitgehend rehabilitiert.336 Man kann wohl zugeben, dass es Dinge gibt, die ein Wesen haben und deren Wesen wir auch erkennen können – wie etwa, dass das Wesen des Wassers H2O ist, oder dass das Wesen des Goldes die Atomnummer 79 sei.337 Dazu gehören allerdings nur die Gegenstände von Wissenschaften wie etwa der Physik, der Chemie und der Biologie, denen es um das Beschreiben und Erklären der physiko-chemischen und biologischen Aspekte der Wirklichkeit geht, nicht aber Gegenstände einer normativen Theorie, die sich mit dem Vorschreiben von Legitimitätsbedingungen für eine bestimmte staatliche Handlung beschäftigt. Bei der Bestimmung dessen, was Strafe heisst, sind wir nicht an irgendwelche vermeintlichen Wesen gebunden, sondern nur an die Vorgaben und Interessen unserer eigenen theoretischen Fragestellung. Das bedeutet natürlich nicht, dass man völlig ungebunden ist, sondern dass die Bindung nicht theorieextern, wegen Zwängen aus der Umwelt, sondern theorieintern, wegen Gründen, die schon im Sinn des theoretischen Unternehmens impliziert sind, zustande kommen wird. In Bezug auf die Umgangsprache bedeutet das konkret, dass sie von sich heraus bei der Begriffs333 I. E. ähnlich Neumann/Schroths Neuere Theorien, S. 3 Ablehnung essentialistischer Definitionen der Strafen. Zum Begriff der Realdefinition in seiner geschichtlichen Bedeutung vgl. Nobis, Definition I, S. 33 ff. 334 Feuerbach, Über Philosophie und Empirie, S. 85. 335 Beide Zitate aus Feuerbach, BpRW Teil I St. II (1798), S. 16. 336 Für die Skepsis charakteristisch etwa Wittgenstein, Das Blaue Buch, S. 52: Ein Wort habe „keine Bedeutung . . ., die ihm gleichsam von einer von uns unabhängigen Macht gegeben wurde, so daß man eine Art wissenschaftlicher Untersuchung anstellen könnte, um herauszufinden, was das Wort wirklich bedeutet. Ein Wort hat die Bedeutung, die jemand ihm gegeben hat.“ Für die Nachweise bzgl. Kripke und Putnam siehe bereits oben C. II. (S. 151, 155 f.). 337 Siehe bereits oben C. II. (S. 151).

II. Die Straftheorie

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bestimmung des Gegenstands der Straftheorie weder ein Mitsprache-, noch ein nachträgliches Vetorecht beanspruchen darf. Eine partielle Bindung an die Umgangssprache lässt sich dennoch aus theorieinternen Erwägungen begründen, weil die wissenschaftliche Diskussion über die legitime Strafe ein sehr fragwürdiges Unternehmen wäre, wenn sie von etwas sprechen würde, was es im Alltag gar nicht gibt (vgl. unten D. II. 3. d) [S. 367]; Stichwort: alltäglicher Realismus).338 dd) Der unvermittelte Rückgriff auf die Alltagsprache zur Bestimmung des Strafbegriffs ist deshalb abzulehnen, weil er erstens die unterschiedlichen Bestimmtheitsanforderungen des wissenschaftlichen und des alltäglichen Sprachspieles verkennt, weil er zweitens zur Begriffsjurisprudenz einlädt und weil er drittens an einem fehlplazierten Begriffsessentialismus festhält. c) aa) Nach diesen methodischen Überlegungen können wir zu den inhaltlichen übergehen. (1) Die Begriffsbestimmung Feuerbachs brauchen wir an dieser Stelle nicht zu wiederholen. Sie fügt sich ein in die bis heute herrschende Tradition, welche die Strafe als ein sinnliches Übel begreift. Diese Tradition lässt sich zumindest bis auf Grotius zurückverfolgen. Sie wurde zu den Zeiten Feuerbachs bevorzugt,339 und nach ihrem Rückzug in der Epoche des strafrechtlichen Hegelianismus340 tauchte sie sowohl bei Merkel341 und Binding342 als auch bei Klassikern,343 Modernen344 und Vereinigungstheoretikern345 wieder auf. Seit den 338 Dies erkannte auch Feuerbach: In Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 128 ff., versucht er, den Verweis auf die Alltagssprache als ein Mittel, den praktischen Bezug der Theorie zu versichern, zu verteidigen. 339 Etwa Bentham, Introduction, Chap. XIII § i 2; ders., Northern Ireland Legal Quarterly 24 (1973), S. 320; ders., Rationale of Punishment, S. 1 f.; Bergk, Philosophie des peinlichen Rechts, S. 301, 307; Grolman, Grundsätze1, § 22; ders., Begründung, S. 54; Gros, Naturrecht2, § 108; Kant, Metaphysik der Sitten, A 195/B 225 („Schmerz“); Klein, ArchCrimR Bd. II St. III (1800), S. 138; Kleinschrod, Grundbegriffe II2, S. 8 f.; Lardizábal, Discurso, Cap. I 2; Soden, Geist, S. 60; Thibaut, Beyträge, S. 26; Wieland, Geist I, § 293. 340 Dazu unten bei Teil D., Fn. 349 und 350. Immerhin wurde ein solcher Strafbegriff weiter vertreten von Bauer, Warnungstheorie, S. 58 f.; ders., Strafgesetz, S. 151; Mittermaier, Grundfehler, S. 64; Roßhirt, Lehrbuch, S. 114, 115 f.; Stahl, Philosophie des Rechts II/2, S. 537. 341 Merkel, Lehrbuch, S. 175 f.; ferner ders., Vergeltende Gerechtigkeit, S. 10; ders., Reform der Strafgesetze, S. 147. 342 Binding, Grundriss8, S. 226. 343 Beling, Grundzüge11, S. 4, 6; ders., Vergeltungsidee, S. 61, 72 (vgl. immerhin S. 117, wo das Unwerturteil zum „Charakteristikum der Vergeltung“ erklärt wird); Birkmeyer, GS 67 (1906), S. 401; ders., Was lässt v. Liszt, S. 5; Nagler, Die Strafe, S. 62; R. Schmidt, Einführung3, S. 414. 344 v. Liszt, Deterministische Gegner, S. 50 f.; ders., Lehrbuch21/22, S. 6; v. Liszt/ Schmidt, Lehrbuch26, S. 7; ähnlich v. Liszt, Zweckgedanke, S. 176: Strafe als „Prävention durch Repression“.

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Klassikern ist die Wendung beliebt, dass Strafe „ihrem Wesen nach Vergeltung“ sei,346 und bis heute bleibt dieses Verständnis von Strafe das verbreiteteste, in Deutschland wie auch international.347 Vereinfachend könnte man sagen, dass dieser Tradition der Bestimmung der Strafe als einem sinnlichen Übel insbesondere zwei andere Sichtweisen gegenüber stehen: eine, die Strafe als ein kommunikatives Übel bzw. als Missbilligung, und eine andere, die Strafe nicht einmal als Übel, sondern als eine Wohltat versteht. (2) Besonders modern hört sich eine Bestimmung der Strafe an, die nicht den naturalistischen Aspekt der Zufügung eines sinnlichen Übels bzw. eines Leides in den Vordergrund stellt, sondern vielmehr den kommunikativen Aspekt des Vorwurfs, der Missbilligung. Da ein Vorwurf und eine Missbilligung noch ein Übel sind, wird hier vom Verständnis der Strafe als kommunikativem Übel gesprochen. Die kommunikative Definition der Strafe hört sich nicht nur modern an, sondern ist es auch: Obwohl eine kaum beachtete Stelle Montesquieus deut345 Mezger, Grundriss1, S. 134; ders., Lehrbuch3, S. 483; Sauer, Grundlagen, S. 71; ders., DJZ 1928, Sp. 909; v. Hippel, Deutsches Strafrecht I, S. 493. Weitere Nachw. zur Literatur der Weimarer Zeit bei Seidl, Dikussion um den Strafzweck, S. 44, 136. 346 Von den Klassikern etwa Beling, Grundzüge11, S. 4; Lobe, LK2 S. 7; in der Nachkriegszeit vor allem die Mitglieder der Großen Strafrechtskommission Maurach, AT4, S. 76; Gallas, Gründe und Grenzen, S. 4; Eb. Schmidt, ZStW 69 (1957), S. 375; heute García-Pablos, Introducción4, S. 234 ff.; Muñoz Conde, Introducción2, S. 75; Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 6; Roca Agapito, Sistema de sanciones, S. 66 f. Die Wendung taucht auch bei Vertretern des anderen Lagers auf, s. Gallas, Gründe und Grenzen, S. 4; Schmidhäuser, Lehrbuch2, § 2/7; ders., Sinn der Strafe, S. 35; Schild, Strafbegriff und Grundgesetz, S. 301, und unten Teil D., Fn. 356, 358. 347 In Deutschland: P.-A. Albrecht, ZStW 97 (1985), S. 833; Bockelmann, JZ 1951, S. 496; Bottke, Assoziationsprävention, S. 127; Hoerster, GA 1970, S. 272; Kargl, GA 1998, S. 57 f., 60 f.; Naucke, Einführung10, § 1/122; Roxin, AT I4 § 3/45; Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 15; Schmidhäuser, Lehrbuch2, § 2/7; ders., Studienbuch2, § 1/14; Schünemann, Positive Generalprävention, S. 115; Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 238 f.; international Bettiol, Diritto penale2, S. 506 f.; Burgh, Journal of Philosophy 79 (1982), S. 193; Demetrio Crespo, Prevención general, S. 54; Ewing, Mind 72 (1963), S. 122; Flew, Philosophy 29 (1954), S. 293; Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 331; García-Pablos, Introducción4, S. 231 f.; v. Hirsch, Doing Justice, S. 35; Honderich, Punishment, S. 14 f.; D. Locke, Mind 72 (1963), S. 568; Mir Puig, Introducción2, S. 49, 79; ders., PG7, § 1/11; Muñoz Conde, Introducción2, S. 69; Roca Agapito, Sistema de sanciones, S. 62; C. W. Morris, CanJPhil 21 (1991), S. 55; Zimring/Hawkins, Deterrence, S. 33. So auch der abolitionistische Lager, z. B. Blad, EuS 12 (2001), S. 90; Scheerer, EuS 12 (2001), S. 70; Zaffaroni, Penas perdidas, S. 203. Unklar Polaino Navarrete, PG I5, S. 65 einerseits, 69 f. andererseits. Eine Sonderstellung nimmt Köhler, Strafrechtsbegründung, S. 13 f.; ders., Rechtsverhältnis, S. 16 (früher bereits Sauer, GS 97 [1928], S. 30 f.) ein: Er verwirft den Begriff des Übels im „eudämonistischen Sinne“ von Unlust bzw. Schmerz und besteht auf einer rechtlichen Begrifflichkeit, so dass das Übel als Minderung des Freiheitsstatus verstanden wird. Die Unterscheidung ist an sich möglich. Hier wird der Begriff weiterhin mit dieser soweit ersichtlich nicht störenden Zweideutigkeit gebraucht und der Missbilligungslehre gegenüber gestellt.

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lich macht, dass er die kommunikative Dimension der Strafe der sinnlichen Übelszufügung gegenüber sogar für vorrangig hielt,348 finden sich die ersten ausführlichen Ausarbeitungen bei Autoren des 19. Jahrhunderts, insbesondere bei jenen, die unter dem Einfluss Hegels standen. Vor allem Köstlin meinte, „Nichtigkeitserklärung eines peinlichen Unrechts kann nichts Anderes seyn, als eben das, was man unter Strafe versteht“.349 Hauptsächlich war es aber von Bar, der eine Theorie der Strafe als sittlicher Missbilligung vertrat.350 Unter den Modernen fand sie eingeschränkte Anerkennung,351 und in der nationalsozialistischen Zeit fand diese Strafauffassung im Zuge damaliger positiv-generalpräventiver Theorien einige Gefolgschaft.352 Zur Zeit der Diskussion um den neuen Allgemeinen Teil, den Entwurf 1962 und den Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches äußerte man auf der einen Seite in der Bemühung, die Strafe und das Strafrecht näher an die Moral zu binden, die Ansicht, dass Strafe wesentlich „ein sittliches Unwerturteil über menschliches Verhalten enthält“,353 während man auf der Gegenseite gelegentlich meinte, Strafe sei nicht notwendig Übelszufügung, sondern nur Missbilligung, so dass man auf die Zufügung eines Übels weitgehend verzichten könne, solange die Missbilligung hinreiche.354 Auch unter den Vertretern der sog. positiven Generalprävention ist ein kommunikatives Verständnis der Strafe sehr beliebt: Zu denken ist hier zunächst an diejenigen, die – von einem moralisierenden, sittenbildenden Verständnis der positiven Generalprävention bzw. der Vergeltung ausgehend355 – die Akzente auf die Missbilligungsdimension der Strafe verlagern,356 und an Jakobs, der die Strafe 348 Montesquieu, De l’esprit des lois, Livre XI, 12, wo gegen die präventive Wirksamkeit von Strafschärfungen argumentiert wird: „Suivons la nature, qui a donné aux hommes la honte comme leur fléau, et que la plus grande partie de la piene soit l’infamie de la souffrir“; ähnlich W. v. Humboldt, Wirksamkeit des Staates, Kap. XIII (S. 155 f.) 349 Köstlin, Neue Revision, S. 36. Anderswo definiert er die Strafe z. T. als „objektive Wiederherstellung des Rechts aus seiner Verletzung“ (ders., System, S. 387); unklar Berner, Lehrbuch18, § 93. 350 v. Bar, Grundlagen, S. 3 f.; ders., Geschichte, S. 316 ff., insb. S. 321; ders., Problem des Strafrechts, S. 12 ff. 351 Eb. Schmidt, SchwZStr 45 (1931), S. 231. 352 Dahm, Gemeinschaft und Strafrecht, S. 6 f., der die andere Ansicht als „niemals volkstümlich“ ablehnt (S. 7) und für die sog. „Ehrenstrafe“ eintritt; Larenz, ZfdKP 2 (1935), S. 37, 38; Schaffstein, ZStW 55 (1936), S. 286; E. Wolf, ZStW 54 (1935), S. 544. Zur positiven Generalprävention in der NS-Zeit siehe unten D. II. 3. f), (S. 414 f.). 353 E 1962, Begründung, S. 96. 354 Insb. Noll, Ethische Begründung, S. 17 ff.; ähnlich Klug, Phänomenologische Aspekte, S. 217 f., 228; den Gedanken heute aufgreifend Schüler-Springorum, Kriminalpolitik für Menschen, S. 172; H. Jäger, Irrationale Kriminalpolitik, S. 242. 355 Dazu unten D. II. 3. f), (S. 415 f.) und D. II. 4. f), (S. 466 f.). 356 Gallas, Gründe und Grenzen, S. 4, 5, 11; Jescheck/Weigend, AT5, § 2 II 1; Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 35 ff., insb. 37; Lange, SchwZStr 70 (1955), S. 382 f.; ferner Dreher, Schlechte Gewissen, S. 57, 64; wohl auch Bockelmann, Hei-

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als einen Sinnträger ansieht, der als „Demonstration von Normgeltung“357 sich zur Straftat wie „Rede und Antwort“ verhalte.358 Auch Neumann/Schroth setzen hier den Schwerpunkt, wenn sie sagen, Strafe sei „Übelszufügung durch Missbilligung“, und Klaus Günther hat jüngst die Ansicht, dass nur Kommunikation für die Strafe wesentlich sei, i. S. einer völligen Verzichtbarkeit der sinnlichen Übelszufügung radikalisiert.359 Im angelsächsischen Kreis hat die Auffassung von Strafe als kommunikativem Ereignis seit dem Aufsatz Feinbergs zur „expressiven Funktion von Strafe“ eine prominente Stellung erlangt.360 (3) An dritter Stelle gibt es eine Tradition, die Strafe nicht einmal als Übel, sei es sinnlich, sei es kommunikativ, verstehen will, sondern gerade im Gegenteil als Wohltat, als Heilung, Sühnung des Täters gegenüber sich selbst, Versöhnung mit der Gemeinschaft und Ähnlichem mehr begreift. Die Bestimmung der Strafe als einer Wohltat taucht schon bei Platon auf, der in seinem Dialog „Gorgias“ Sokrates sagen lässt, Übel sei nicht die Bestrafung des Bösen, sondern dessen Nicht-Bestrafung.361 Die Strafe sei ebenso viel ein Gutes wie das Medikament.362 Im Laufe der Geschichte der Resozialisierungslehre, schon bei delberger Jahrbücher 5 (1961), S. 28. So auch der wesentlich auf diese Gelehrten zurückführbare E 1962, S. 96. 357 Jakobs, AT2, § 1/3. 358 Jakobs, AT2, S. VII (Zitat), § 1/2, 10; ders., Schuldprinzip S. 27 (Strafe als „Gegenrede“); ders., Zur gegenwärtigen Straftheorie, S. 36 (obwohl S. 35 auch von einer „Wegnahme von Interaktionsmittel“ die Rede ist); ebenso ders., Norm, Person, Gesellschaft, S. 103 ff. Ähnlich Feijoo Sánchez, Normativización, S. 463 ff.; ders., InDret 1/2007, Nr. 403, S. 14; noch radikaler Gómez-Jara Díez, Rechtstheorie 36 (2005), S. 326, 330, 333 ff.; ders., Teoría de sistemas, S. 424. Immerhin scheint sich Jakobs in seinen jüngeren Publikationen von dieser Ansicht progressiv zu entfernen, s. unten D. II. 3. a), (S. 355). In Spanien hat man dies eine „faktische Wende“, oder besser eine „Wende ins Faktische“ benannt, s. Silva Sánchez, InDret 4/2006 Nr. 377, S. 2. Siehe auch die weiteren vor allem an Hegel orientierten Überlegungen Schilds, Symbol der Strafwürdigkeit, S. 439 (mit einer Neuinterpretation Kants). Krit. zu diesem kommunikativen Ansatz Puppe, Strafrecht als Kommunikation, S. 469 ff. 359 Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 9; K. Günther, Symbolisch-expressive Bedeutung, S. 207, 217 ff. 360 Feinberg, Expressive Function, S. 98, 115 ff., wobei er – wie insb. auch v. Hirsch und Hörnle – neben der „expressive function“ den Aspekt des sinnlichen Übels („hard treatment“) beibehält; Ashworth, Principles4, S. 1; Clarkson, Criminal Law4, S. 4; v. Hirsch, Doing Justice, S. 48, 71 (trotz S. 35); ders., Proportionate Sentences, S. 169; ders., Institution Strafe, S. 66; v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß, S. 12, 14; Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, S. 112 ff., 119 ff.; Hörnle/v. Hirsch, GA 1995, S. 265 ff.; Jareborg/v. Hirsch, „Neoklassizismus“, S. 49 f.; Simester/Sullivan, Criminal Law2, S. 4; wohl in diesen Zusammenhang gehören Kindhäuser, GA 1989, S. 503 f.; ders., Gefährdungsdelikte, S. 125 und der deutsche analytische Philosoph Nida-Rümelin, Annahme der Freiheit, S. 32. 361 Platon, Gorgias, 472 D ff. 362 Platon, Gorgias, 477 B ff.; zur Straftheorie Platons s. noch Nagler, Die Strafe, S. 216 ff.; Noll, Ethische Begründung, S. 4 Fn. 3; ausführlich MacKenzie, Plato on Punishment, S. 179 ff.

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Grolman,363 aber vor allem bei Röder, war davon die Rede, dass Strafe kein Übel sein solle, dass die Übelszufügung eine rechtliche Zufälligkeit sei,364 und dass die Strafe vielmehr durch ihren positiven Charakter als „geradezu fördernde Beziehung auf den Zweck des Menschen und der Menschheit“ zu definieren sei.365 Sogar bei Hegel findet man Anklänge an diese Begriffsbestimmung in seiner bekannten Wendung der Strafe als „Recht“ des Bestraften,366 und Hegelianer wie Abegg nannten die gängige Definition der Strafe als Übel eine „oberflächliche und ungegründete Auffassung“, da „die Handhabung der Gerechtigkeit, die Aufrechthaltung des Gesetzes und des allgemeinen vernünftigen Willens gegen Unrecht und widerstrebene Willkühr . . . etwas Gutes, Nothwendiges, und nicht vom Uebel sey“.367 In Spanien fanden die Gedanken Röders eine beachtliche Weiterentwicklung durch Dorado Montero, der ebenfalls den Übelscharakter der Strafe bestritt und an Stelle eines Strafrechts ein „Verbrecherschutzrecht“ (derecho protector de los criminales) setzen wollte.368 Im 20. Jahrhundert war die in Deutschland zwar nicht so bedeutsame, international aber sehr einflussreiche Bewegung der Sozialen Verteidigung (Defense Sociale Nouvelle) z. T. getragen von der Überzeugung, dass Strafen im Interesse des Bestraften zuzufügen und als Wohltaten zu verstehen seien.369 Hierzulande vertrat man unter Strafjuristen nur vereinzelt eine solche Ansicht: Vor allem sei an Arthur Kaufmann erinnert, der meinte, Strafe solle nicht ausschließlich als Übel, sondern primär als eine Chance für den Verurteilten, mit sich und der Mitwelt wieder ins Reine zu kommen, verstanden werden.370 Zwei Metaphern, die man in diesem Kontext häufig gebraucht hat, sind die des Arztes und die des Vaters.371

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Grolman, Begründung, S. 125 f. Röder, Besserungsstrafe, S. III, 12, 22, 35; ders., NArchCrimR 1850, S. 434, 448; ein wichtiger Vorgänger war hier Krause, Abriß, S. 186 Fn. *. 365 Röder, Besserungsstrafe, S. 36. 366 Hegel, Grundlinien, § 99 (gegen die Definition der Strafe als Übel), 100; heute Zackzyk, Inselbeispiel, S. 76. Es soll nicht verkannt werden, dass Hegel ein Recht nicht als eine glücksbezogene Größe begreift, so dass man bei seiner hiesigen Einordnung unter Theorien, die Strafe als eine Wohltat ansehen, sehr vorsichtig sein sollte – gegen diese Ausdrucksweise schon Hegel selbst, § 99. 367 Abegg, NArchCrimR 1845, S. 255 (erstes Zitat), 256 (zweites Zitat); früher schon ders., Strafrechtstheorieen, S. 67; ders., Lehrbuch, S. 175 f. Einiges davon auch bei Köstlin, Neue Revision, S. 778. 368 Dorado Montero, Derecho penal represivo, S. 325; sympathisch auch Jiménez de Asúa, ZStW 63 (1951), S. 180, 181; ders., Tratado II5, S. 29. 369 Ancel, Nova defesa social, S. 280. 370 Arthur Kaufmann, JZ 1967, S. 557. 371 Arzt-Metapher: Platon, Gorgias, 477 B ff.; Röder, Besserungsstrafe, S. 32; ders., NArchCrimR 1850, S. 432, 434 (mit ausdrücklicher Berufung auf die griechische Tradition); Dorado Montero, Pena, ó medida?, S. 136. Vater-Kind-Metapher: Röder, Besserungsstrafe, S. 24; ders., NArchCrimR 1850, S. 434, 438. 364

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(bb) Die knappe Schilderung dieser Tradition bezweckt vor allem zu zeigen, dass es in der vorliegenden Frage nach dem richtigen Strafbegriff nicht bloß darum geht zu bestimmen, ob Feuerbach Recht hatte. Es geht vielmehr um einen über zweitausendjährigen Streit, zu dem die hellsten Köpfe unter den Menschen Wichtiges beigetragen haben. Bei einer derartigen Grundfrage muss jede Stellungnahme vorsichtig und gewagt zugleich sein: vorsichtig, indem sie sich nicht geringschätzig über die Reflexionen der anderen hinwegsetzt, aber gewagt, indem sie sich nicht scheut, einige stillschweigende Prämissen der streitenden Parteien klar herauszuarbeiten, und die Problematik aus einer anderen Perspektive zu betrachten versucht. (1) Das erste, was an diesem Streit auffällt, ist, dass er nur zum Teil, und nicht einmal zum größten Teil, mit dem Begriff der Strafe zu tun hat. Überwiegend definiert man in den Begriff der Strafe schon einige wesentliche Rechtfertigungsvoraussetzungen hinein. M.a.W.: Viele der oben herangezogenen Strafbegriffe machen bei der oben im Anschluss an Feuerbach eingeführten Unterscheidung zwischen Gegenstand des Rechtfertigungsurteils und Bedingungen des Rechtfertigungsurteils – also zwischen Strafbegriff und Strafzwecken und -schranken – nicht mit. Nicht zufällig tauchen kommunikative Strafbegriffe häufig unter Vertretern der Straftheorie der positiven Generalprävention auf, und ebenso wenig ist die nahe Beziehung zwischen dem Verständnis der Strafe als Wohltat und der Resozialisierungstheorie zu verkennen. Gerade haben wir dargelegt, warum eine derartige Vermengung zweier Fragen nicht zu empfehlen ist, und daraus ist an dieser Stelle nun die Folgerung zu ziehen, dass eine bestimmte Auffassung der Bedingungen der Legitimität des Strafens nicht schon einen Grund dafür angibt, dass man den Begriff der Strafe so oder anders bestimmt. Die Frage nach dem Strafbegriff unterscheidet sich analytisch von der nach den Rechtfertigungsvoraussetzungen der Strafe: Also darf kein Argument, das eine Rechtfertigungsvoraussetzung der Strafe betrifft, insbesondere kein Argument aus einer der sog. Strafzwecklehren, zu den begrifflichen Voraussetzungen der Strafe etwas sagen. (2) Das ist zunächst nur ein negatives Ergebnis: Es macht uns klar, worauf es bei der Bestimmung des Strafbegriffs nicht ankommt. Unentschieden bleibt trotzdem, worauf es bei dieser Frage positiv ankommen soll. Lässt sich ein neutraler Gesichtspunkt ausfindig machen, der nicht schon die Antwort im Sinne einer der drei miteinander streitenden Positionen präjudiziert, der nicht verkappt aus einer der drei Definitionen abgeleitet wird, sondern ihnen gegenüber gleichermaßen extern, daher gleichermaßen unbefangen und daher gleichermaßen verbindlich sein könnte? M.a.W.: Kann man einen archimedischen Punkt benennen, der bei der Entscheidung des Streites hilfreich erscheint?

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Exkurs: Pessimismus als methodisches Prinzip a) Die eben gestellte Frage ist im bejahenden Sinne zu beantworten. Der für alle Positionen verbindliche Gesichtspunkt kann nur einer sein, der weder aus einzelnen Sätzen der Theorie zu den Bedingungen einer legitimen Strafe, noch aus Sätzen der Theorie zu dem, was eine Strafe sei, abzuleiten ist. Es empfiehlt sich deshalb, nach ihm auf dem neutralen Boden der Methodik selbst zu suchen. Der maßgebliche Gesichtspunkt muss mit der Fragestellung selbst, mit dem intellektuellen Unternehmen des Reflektierens über die Strafe und deren Rechtfertigung zusammen hängen. Angelpunkt kann dabei folgende Feststellung bilden: Wir fragen, ob Strafe legitim ist; das ist nicht erstaunlich. Ein Begriff der Strafe, der diesen Tatsachen nicht Rechnung tragen könnte, der sie zu erstaunlichen Tatsachen erklären würde, wäre unangebracht. Ein Begriff der Strafe, der ihr jede Rechtfertigungsbedürftigkeit abspricht, passt deshalb nicht. Strafe ist rechtfertigungsbedürftig. Das ist die unhintergehbare Prämisse jeder Diskussion um die Legitimität der Strafe. Die Frage nach dem Begriff der Strafe lässt sich präzisieren: sie ist die Frage nach dem, was die Sache Strafe rechtfertigungsbedürftig macht. Diese Frage wird also von einem bestimmten Interesse geleitet, nämlich dem Interesse daran, dass man aus dem, was in der Umgangsprache verschwommen und uneinheitlich Strafe genannt wird, dasjenige herausfiltert, was sie fragwürdig erscheinen lässt. Umgangssprachlich lässt sich der Vorgang des Strafens auf verschiedenste Weise beschreiben. Wird etwa J. P. am 12.5.2006 wegen eines von ihm begangenen Mordes nach einem rechtskräftigen Urteil in die Strafjustizanstalt MünchenStadelheim eingewiesen, kann man diesen Vorgang unterschiedlich beschreiben, anders gesagt: Es gibt unterschiedliche deskriptive Sätze, die angesichts dieses Lebensvorgangs als wahre Sätze gelten. Man könnte sagen, J. P. sei am 12.5. 2006 umgezogen. Man könnte sagen, J. P. habe am 12.5.2006 viele neue, für seinen weiteren Lebensverlauf wahrscheinlich prägende Bekanntschaften gemacht. Man könnte sagen, ein richterliches Urteil sei vollstreckt worden. Und man könnte auch sagen, er werde für die nächsten 15 Jahre ein unfreier Mensch sein und müsse sich von seiner Geliebten und seinem vierjährigen Sohn trennen. Das hier vorzuschlagende Prinzip des methodischen Pessimismus liefert das Kriterium für die Entscheidung, welchen dieser wahren beschreibenden Sätze man der weiteren Reflexion zugrunde legen soll. Unter mehreren wahren Beschreibungen der Wirklichkeit, ist diejenige für maßgeblich zu erklären, welche die angesichts dieser Wirklichkeit empfundene Rechtfertigungsbedürftigkeit rechtfertigt – also die Beschreibung, die gerade auf die schlechten Seiten der Wirklichkeit hindeutet. Das bedeutet, dass eine fruchtbare Diskussion um die Rechtfertigung dessen, was mit J. P. am 12.5.2006 geschah, vom letzten Satz oder einer ähnlichen Beschreibung auszugehen hat – keineswegs aber von den

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ersten zwei Sätzen. Und es reicht nicht aus, dass die Rechtfertigungsbedürftigkeit irgendwie gerechtfertigt wird, sondern der methodische Pessimismus verlangt zudem, die Beschreibung heranzuziehen, welche die Rechtfertigungsbedürftigkeit am besten rechtfertigt – als gerade die Beschreibung, welche die schlechtesten Aspekte der Wirklichkeit beleuchtet. So kann man zum Fall des J. P. durchaus den wahren Satz formulieren, dass er für die nächsten zwei Jahre in der Vollzugsanstalt leben werde. Man kann aber auch den ebenfalls wahren Satz formulieren, dass er dort für die nächsten fünfzehn Jahre bleiben werde. Selbstverständlich reicht nicht der erste Satz aus, um dasjenige zu kennzeichnen, was am Vorgang rechtfertigungsbedürftig ist. b) Das Prinzip des methodischen Pessimismus artikuliert nur die Intuition, dass gerade dasjenige, was problematisch erscheint, auch zu problematisieren, dasjenige, was fragwürdig erscheint, auch zu hinterfragen ist. Es verbietet deshalb das billige, aber leider immer wieder praktizierte Kehren des Staubes unter den Teppich, das wir schon als das Grundprinzip aller Etikettenschwindeleien ausgearbeitet haben. Wenn man in einem Zimmer zu niesen anfängt, dann ist gegebenenfalls der Teppich anzuheben und auch unter ihm zu saugen. Um denselben Gedanken eleganter zu fassen: Im methodischen Pessimismus lebt die Einstellung eines Voltaire, wenn er der im 18. Jahrhundert verbreiteten, insbesondere von Leibniz und Pope vertretenen, optimistischen Auffassung des „tout est bien“ entgegentrat. Leibniz meinte, Gott habe die beste aller möglichen Welten geschaffen, so dass dem Übel keine Wirklichkeit inne wohne. Das Übel sei nur eine Folgeerscheinung unserer Ignoranz, nämlich der Tatsache, dass wir, die den umfassenden Plan der Vorsehung nicht kennen, auch nicht wissen können, zu welchem Guten das Böse tauge.372 Pope hat diese optimistische Weltsicht in dem bekannten Vers zusammengefasst: „one truth is clear, ,wathever is, is right‘“.373 Demgegenüber denunzierte Voltaire, beeindruckt von dem 1755 eingetretenen Erdbeben in Lisabon und dem darauf zurückführbaren ungeheuren menschlichen Leid, „les abus qu’on peut faire de cet ancien axiome Tout est bien“. Die Wirklichkeit des menschlichen Leides, des Bestehens vom Übel auf Erden, dürfe nicht unterschlagen werden. Voltaire redete deshalb von der „triste et plus ancienne vérité, reconnue de tous les hommes, qu’il a du mal sur la terre; . . . le mot Tout est bien, pris dans un sens absolu et sans l’esperance d’un avenir, n’est qu’un insulte aux douleurs de notre vie“.374 Das Üble muss als solches zur Kenntnis genommen werden. Diese methodische Einstellung gilt es zu bewahren.

372

Leibniz, Théodicée, Première Partie, insb. § 21 ff. Pope, Essay on Man, Epistle I (am Ende), S. 36. Vgl. auch Rousseau, Émile, Livre Quatrième, S. 365 f. 374 Voltaire, Désastre de lisbonne, Préface, S. 302. 373

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Man beachte erstens: Der Optimismus wird nicht deshalb abgelehnt, weil er lügt. Sätze, die positive Aspekte des betrachteten Phänomens beschreiben, können genauso häufig wahr und falsch sein, wie Sätze, die auf seine negativen Aspekte hinweisen. Der methodische Pessimismus zwingt nicht dazu, die schlimmste, skandalöseste Beschreibung der Tatsachen zugrunde zu legen, sondern nur die schlimmste und skandalöseste unter den wahren Beschreibungen. Es ist natürlich eine Frage für sich, welche Sätze noch wahr, welche schon falsch sind.375 Zweitens wird der Optimismus nicht deshalb abgelehnt, weil er nur die halbe Wahrheit erzählt. Auch der Pessimismus erzählt nur die halbe Wahrheit, aber die andere Hälfte, die schlechte Hälfte. Das Problematische am Optimismus ist, dass er den Streitgegenstand verpasst, dass er nicht einmal erklären kann, wieso man streitet. Das Problematische am Optimismus ist nicht, dass das, was er sagt, falsch ist, sondern dass es an dieser Stelle darauf gerade nicht ankommt. Technischer gesagt: Der methodische Pessimismus liefert einen Maßstab zur Bildung des Untersatzes des ethischen Syllogismus. Stellt man sich einen praktischen Syllogismus mit folgender Form vor: A ist falsch, a ist ein A, Also ist a falsch,

wobei der Obersatz normativ-wertend und der Untersatz deskriptiv-beschreibend ist – dann lassen sich weder der Untersatz „a ist ein A“ allein deshalb anders bilden, noch der Schluss der Falschheit von a vermeiden, nur weil andere Sätze wie „a ist ein B“ oder „a ist ein C“ wahr sind oder zu sein scheinen. Dies ist erst dann zulässig, wenn der Satz „a ist ein A“ unwahr bzw. der Satz „a ist kein A“ wahr ist. Und der Grund für die Wahrheit des Satzes „a ist kein A“ darf nicht nur der sein, wonach sonst der Schluss „a ist falsch“ nicht zu vermeiden wäre. Das wäre der dem allgemein bekannten sog. naturalistischen Fehlschluss entgegensetzte Fehlschluss, als Schluss also, der nicht vom Sein auf das Sollen, sondern vom Sollen auf das Sein schließt – wie derjenige etwa eines Passanten, der die Pflicht der Autofahrer, vor der roten Ampel zu halten, so ernst nimmt, dass er beim berechtigten Überqueren einer Straße ums Leben kommt.376

375 Unter Abolitionisten tauchen häufig Beschreibungen auf, die nicht mehr wahr sind und deshalb nicht der Straftheorie zugrundegelegt werden können: Das Musterbeispiel bildet die abwegige Behauptung, Strafe sei, zumindest in Lateinamerika, ein kolonialistischer Genozid (so Zaffaroni, Penas perdidas, S. 125). Auch bei Feministen ist diese Vorgehensweise festzustellen, siehe bereits oben Teil D., Fn. 83. 376 Gelegentlich spricht man hier in Anlehnung an ein Gedicht von C. Morgenstern von einem „Palmström-Normativismus“, s. Bung, HRRS 2006, S. 317 f. Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 317 nennt diesen Fehler einen normativistischen Fehlschluss. Vgl. bereits oben D. I. 2. (S. 205 f.).

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Das hier vorgeschlagene methodische Prinzip gilt nicht nur angesichts der Beschreibung eines konkreten Vorgangs wie desjenigen, was J. P. am 12.5.2006 geschah, sondern auch allgemeiner Tatsachen, wie etwa des Strafens. Man könnte zum Vorgang des Strafens mehrere wahre Sätze formulieren: Strafe kommuniziere etwas, Strafe gebe es in fast jeder Gesellschaft, wir bestrafen so und so oft im Jahr. Der Begriff der Strafe ist aus den Sätzen zu bilden, die auf allgemeine Dimensionen dieses Vorganges hinweisen, die ihn rechtfertigungsbedürftig machen. Die konkrete Anwendung des Prinzips auf die von uns gesehenen drei Traditionen der Bestimmung des Strafbegriffs wird aber nicht im Rahmen dieses Exkurses, sondern im Haupttext stattfinden. Am dieser Stelle soll nur die Fruchtbarkeit des hier vorgeschlagenen methodischen Gesichtspunkts anhand anderer Diskussionen dargelegt werden, um nachzuweisen, dass man es nicht mit einer ad-hoc-Erwägung zu tun hat, sondern mit einem weiterführenden Gedanken. Allzu häufig versucht man noch, über eine unterschiedliche Beschreibung einer fragwürdigen Erscheinung letztere aus dem Anwendungsbereich eines bestimmten strafrechtsbegrenzenden Prinzips heraus zu nehmen. c) aa) Als Paradefall dessen erscheint die Diskussion um die sog. Regelbeispiele. Der Gesetzgeber bedient sich immer häufiger der Technik, die Voraussetzungen der Anwendung eines schwereren Strafrahmens und eines belastenderen Schuldspruches, anstatt mittels der herkömmlichen Figur des Qualifikationstatbestandes, durch die sog. Regelbeispiele zu beschreiben. Regelbeispiele rechtfertigen aber nur in der Regel die Anwendbarkeit des schwereren Strafrahmens: denn es kann sich sowohl der Fall ereignen, dass der schwerere Strafrahmen trotz Vorliegens des Regelbeispieles nicht einschlägig ist, wie – und das erscheint angesichts des Analogieverbots bedenklich – umgekehrt auch der Fall, dass trotz des Nicht-Vorliegens eines Regelbeispieles aus dem schweren Strafrahmen zu bestrafen ist.377 Derartige „ungeschriebene“ besonders schweren Fälle seien etwa beim besonders schweren Fall des Diebstahls (§ 243 StGB) die Begehung der Tat an hochwertigen Gegenständen378 oder durch Entfernung eines Sicherungsetiketts.379 Die das Umgehen des Analogieverbots vermeintlich tragende Argumentation bedient sich eines musterhaften Etikettenschwindels: Regelbeispiele unterlägen nicht dem Analogieverbot, da sie keine Unrechtsvoraussetzungen, sondern nur Strafzumessungsgründe seien.380 Die Anwendung des methodischen Pessimismus auf die Problemstellung würde uns aber zuStatt aller Stree, in Schönke/Schröder27 Vorbem §§ 38 ff./44; Maurach/Schröder/Maiwald, BT I9, § 33/65 ff. 378 BGHSt 29, 319 (322 f.). 379 Wobei nicht das Regelbeispiel des § 243 I 2 Nr. 2 verwirklicht werden soll, sondern eine in ihrem Unwert vergleichbare Konstellation, was bei Gesamtwürdigung einen unbenannten besonders schweren Fall begründen könne, LG Stuttgart NJW 1985, 2489; OLG Düsseldorf NJW 1998, 1002. 377

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nächst darauf aufmerksam machen, dass selbst dann, wenn die strafzumessungsrechtliche Natur der Regelbeispiele plausibel erschiene, man der anderen Ansicht, wonach man es hier mit echten unrechtserhöhenden Merkmalen zu tun hat, zumindest gleiche Plausibilität zusprechen müsse. M.a.W.: Das Vorhandensein einer alternativen, möglicherweise wahren Beschreibung der Regelbeispiele, anhand deren sie nicht mehr fragwürdig erscheinen, befreit einen noch nicht von der Aufgabe, ihre Fragwürdigkeit anhand anderer möglicherweise wahrer Beschreibungen zu überprüfen.381 Ein schlagendes Argument dafür, dass Regelbeispiele keine Unrechtsmerkmale sind, haben die Vertreter der „Strafzumessungsinterpretation“ noch nicht geliefert. Aber selbst wenn es nicht der anderen – en passant gesagt, zutreffend erscheinenden – Ansicht gelingen dürfte, die ausschließliche Richtigkeit ihrer Beschreibung der Regelbeispiele als Unrechtsmerkmale darzulegen, wäre allein die Vertretbarkeit beider Beschreibungen Grund genug, um die Verträglichkeit der Regelbeispielsmethodik mit dem Analogieverbot unter diesen beiden Aspekten zu überprüfen. Eine am methodischen Pessimismus orientierte Fragestellung verdeutlicht, dass nicht einmal die Umbenennung der Regelbeispiele in Strafzumessungsgesichtspunkte ausreicht, um die Notwendigkeit auszuschließen, sie wegen ihrer unrechtserhöhenden Dimension am Analogieverbot zu messen. Fehlschlussfrei kann man sich erst dann mit der von der h. M. vertretenen Beschreibung der Regelbeispiele als Strafzumessungsgesichtspunkte zufrieden geben, wenn es von der Notwendigkeit der Vereinbarkeit mit dem Analogieverbot unabhängige Gründe dafür gibt, weshalb sie keine Unrechtsmerkmale sind. Sonst begeht man den oben erwähnten Fehlschluss des allzu klugen Passanten. bb) Ein anderes, traditionelleres Beispiel für optimistische und deshalb unter dem Verdacht des Etikettenschwindels stehende Problemstellungen findet man bei den sog. objektiven Bedingungen der Strafbarkeit. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit begründen in einigen Fälle die Strafbarkeit, zumindest in dem Sinne, dass sich der Täter ohne ihren Eintritt nicht strafbar macht: Als Bei380 BGHSt 23, 254 (256 f.); Schröder, Strafzumessung, S. 427; Wessels, Regelbeispiele, S. 299; Wessels/Hillenkamp, BT II29 Rn. 195 ff.; dagegen zu Recht Kohlmann, JZ 1970, S. 591; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 324 f.; Callies, NJW 1998, S. 934 (Verfassungswidrigkeit unbenannter besonders schwerer Fälle); Zieschang, Jura 1999, S. 563 ff., 567, 568; Hirsch, Besonders schwere Fälle, S. 291, 292 ff., 302: Der Gesetzgeber stehe unter Verdacht, „durch eine Umetikettierung von Tatbestands- in Strafzumessungsfragen den Satz Nullum crimen sine lege unterlaufen zu wollen“. Das Bundesverfassungsgericht erklärt zwar richtig, dass die Entscheidung dieser Sachfrage nicht von der dogmatischen Einordnung der Regelbeispiele als Tatbestandsmerkmale oder Strafzumessungserwägungen abhängen darf, kommt aber wegen seiner verfehlten Lehre vom Vertrauensschutz [zur Kritik bereits oben D. I. 4. c), S. 259] zum Ergebnis der Verfassungsmäßigkeit [BVerfGE 45, 363 (371 f.)]. 381 I.S. einer „Sowohl-als-Auch“ Einstufung Maurach/Schröder/Maiwald, BT I9, § 33/71, die aber nicht die gebotenen Folgerungen bzgl. des Verhältnisses zum Gesetzlichkeitsprinzip ziehen.

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spiele seien erwähnt der Eintritt des Todes- oder des schweren Körperverletzungserfolges beim Tatbestand der Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 I StGB)382 oder die Begehung einer rechtswidrigen, aber wegen Schuldlosigkeit nicht strafbaren Tat im Rauschzustand beim Vollrauschtatbestand (§ 323a I StGB).383 Objektive Strafbarkeitsbedingungen setzen aber gerade keinen Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsbezug voraus. Das bedeutet konkret, dass sie selbst denjenigen, der ihren Eintritt weder vorhergesehen hat, noch ihn hätte vorhersehen können, belasten. Dass sich dies mit dem Schuldprinzip, wonach man sich u. a. nur wegen verschuldeter, d.h. mindestens fahrlässig herbeigeführter unrechtsrelevanter Folgen strafbar macht,384 nicht vereinbaren lässt, liegt auf der Hand. Das klassische Argument, dessen man sich bediente, um diese Bedenken auszuräumen, war eine optimistische Neubeschreibung der Problemlage: Objektive Bedingungen der Strafbarkeit wirkten sich demnach nur strafbarkeitseinschränkend, nicht strafbarkeitsbegründend oder -erhöhend aus.385 Auch hier würde eine pessimistisch geleitete Fragestellung davon abraten, sich mit dieser unterschiedlichen Beschreibung der objektiven Strafbarkeitsbedingungen schon dann zufrieden zu geben, weil einiges für sie spräche. Vielmehr wird es notwendig sein, dass alternative Beschreibungen – wie etwa die, wonach objektive Strafbarkeitsbedingungen sich doch strafbarkeitserweiternd und -begründend auswirken – als unwahr nachgewiesen werden. Wie beim Regelbeispielsproblem darf dieser Nachweis weder aus der bloßen Notwendigkeit des Nichtverstoßes gegen das Schuldprinzip abgeleitet werden, um nicht den Fußgänger-Fehlschluss zu begehen, noch ist es möglich, zirkelfrei auf die Unrichtigkeit einer Beschreibung bloß deshalb zu schließen, weil sie sich mit einer anderen für wahr gehaltenen Beschreibung nicht verträgt. Es müssen für die Unwahrheit der alternativen unbequemen Beschreibungen Gründe geltend gemacht werden, die vom Verstoß gegen das einschlägige normative Prinzip unabhängig sind. Da solche aber kaum ersichtlich sind,386 braucht man nicht einmal dem wahrscheinlich berechtigten Urteil Arthur Kaufmanns zuzustimmen, wonach die ausEtwa Stree, in Schönke/Schröder27 § 231/13; dagegen zu Recht Roxin, AT I4, § 23/12, der die Vorhersehbarkeit der schweren Folgen für erforderlich hält; krit. ferner Rönnau/Bröckers, GA 1995, 567 f., mit Nachw. zum Streitstand. 383 Lackner/Kühl, StGB25, § 323a/5; ähnlich Puppe, GA 1974, S. 110, 115; anders Cramer/Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder27 § 323a/1 (konkretes Gefährdungsdelikt); H. Mayer, ZStW 59 (1940), 327, der einen Adäquanzzusammenhang verlangt; Roxin, AT I4, § 23/9, der einen Fahrlässigkeitsbezug verlangt; krit. auch Kindhäuser, GA 1989, S. 507 („doppelt skandalös“). Arthur Kaufmann, JZ 1963, S. 433, hält allerdings an der Vorschrift fest, wenn auch im Bewusstsein ihrer Fragwürdigkeit wegen unvermeidlichen Verstoßes gegen das Schuldprinzip. 384 Also vom Schuldprinzip i. S. des Ausschlusses einer Erfolgshaftung, vgl. statt aller Jescheck/Weigend, AT5, § 4 I 1. Zum Gehalt des Schuldbegriffs s. unten D. II. 6. (S. 484 ff.). 385 Lackner/Kühl, StGB25, § 323a/5; Schwalm, MDR 1959, S. 906; Schmidhäuser, ZStW 71 (1959), S. 561; Satzger, Jura 2006, S. 110 f. In diese Richung, wenn auch nicht so dezidiert, der E 1962, S. 268. 382

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schließlich strafbarkeitsbegrenzende Wirkung von objektiven Bedingungen der Strafbarkeit nichts anderes als eine „Fiktion (sei), mit der der Verstoß gegen den Schuldgrundsatz zugedeckt werden soll“.387 Für die Notwendigkeit einer Überprüfung der Verträglichkeit von strafbarkeitserhöhenden oder -begründenden objektiven Bedingungen der Strafbarkeit mit dem Schuldprinzip reicht es schon aus, dass man diese unbequeme Beschreibung nicht für unwahr erklären kann. cc) Ein drittes Beispiel für die Fruchtbarkeit des methodischen Pessimismus könnte man vielleicht der Diskussion um Vorverlagerungen der Strafbarkeit im Wirtschaftsstrafrecht entnehmen. Dies Beispiel soll hier aber nicht so ausführlich dargestellt werden, wie die beiden eben besprochenen, da der Verfasser einigermaßen unsicher ist, ob man es hier wirklich mit Beschreibungen zu tun hat und nicht schon mit Rechtfertigungen, m. a.W., ob man es wirklich mit dem beschreibenden Untersatz des oben geschilderten ethischen Syllogismus zu tun hat und nicht schon mit einem Teil des Obersatzes. Verblüffend erscheint es etwa, dass der Tatbestand des Versicherungsmissbrauchs (§ 265 StGB) im Vergleich zum herkömmlichen Betrugstatbestand (§ 263 StGB) die Strafbarkeit schon so früh anfangen lässt, nämlich noch lange vor dem Eintritt des Vermögensschadens, und damit Handlungen erfasst, welche die Privatsphäre des Täters nicht verlassen und die erst nach der Berücksichtigung einer subjektiven Komponente, nämlich der Absicht, „sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen“, überhaupt Bedenken erwecken können. Eine bevorzugte argumentative Strategie, um die vielleicht gebotene Illegitimitätserklärung dieser Vorverlagung388 zu vermeiden, bildet die Postulierung eines anderen bzw. eines zusätzlich zu dem Individualrechtsgut des Vermögens geschützten kollektiven Rechtsguts, hier: der Leistungsfähigkeit des Versicherungswesens.389 Dem386 Ähnliches Ergebnis bei Mapelli Caffarena, Condiciones objetivas de punibilidad, S. 117, es sei denn, man versteht sie grundlegend anders, wie es etwa Geisler, GA 2000, S. 172 vorschlägt – Strafbarkeitseinschränkung erst beim Bestehen einer realen Bestrafungsmöglichkeit auch im Fall der Abwesenheit der Bedingung der Strafbarkeit – der dann auch zu dem Schluss der Illegitimität der Rauschtat kommt (S. 176). Ob aber der Schlägereitatbestand einer Überprüfung standhält (wie es Geisler, S. 177, 179 annimmt), wäre näherer Überlegungen wert. Die vielzitierte Kritik Bemmans, Objektive Bedingungen der Strafbarkeit, S. 52 ff. krankt daran, dass sie für zweckmäßigkeitsbezogene Überlegungen unter den Strafbarkeitsvoraussetzungen des materiellen Rechts kein Verständnis hat. 387 Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 249 ff., 250 (hier das Zitat). 388 In diesem Sinne Roxin, AT I4, § 2/77; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 265 ff. (Gebotenheit einer teleologischen Reduktion); Schünemann, Paradigmenwechsel, S. 26, S. 28; ders., Rechtsgüterschutzprinzip, S. 151 (Verfassungswidrigkeit); krit. auch Hirsch, Neue Kriminalitätsformen, S. 18. 389 So insb. Tiedemann, Wirtschaftsbetrug, § 265/6, der zur Rechtslage vor dem 6. StRG schrieb: „Die Unhaltbarkeit dieser auf Vermögensschutz beschränkte Auffassung ergibt sich zwingend daraus, dass die Regelstrafdrohung des § 265 (Abs. 1) schwerer ist als die des § 263“. Dass man umgekehrt die Legitimität der Strafdrohung des

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gegenüber hat man vielfach behauptet, dies sei ein kollektives Scheinrechtsgut, das sich nur aus der Summe einzelner Individualrechtsgüter gedanklich zusammenfügen lasse.390 Vielleicht ist diese Verweigerung, die Beschreibung391 des geschützten Rechtsgutes bloß deshalb zu ändern, um die Vorverlagerung legitimieren zu können, nicht mehr als ein Ausdruck des hier vorgeschlagenen methodischen Pessimismus. Insb. erscheint die sich auch auf methodischer Ebene bewegende Forderung Schünemanns, das Ockham’sche Rasiermesser anzuwenden und erst dort kollektive Rechtsgüter zu postulieren, wo man mit dem Individualrechtsgut nicht mehr zu Recht komme, mit dem hiesigen Prinzip verwandt.392 dd) Weitere Beispiele für Argumentationen, die dem hier vorgeschlagenen Prinzip widersprechen, finden wir etwa in der ersten Sitzblockadenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wo die Vereinbarkeit der Verwerflichkeitsklausel des § 240 II StGB mit dem Bestimmtheitsgebot auch deshalb bejaht wurde, weil es sich bei dieser Klausel angeblich „um ein tatbestandsregulierendes Korrektiv handelt, das die Strafbarkeit der durch andere Merkmale umschriebenen Nötigungshandlung beschränkt und dessen Anwendung sich insoweit zugunsten des Täters auswirkt“,393 die Rechtfertigung nachträglicher Verlängerungen von Verjährungsfristen mit dem Hinweis darauf, die Verjährung sei ein Institut des prozessualen, und nicht des materiellen Rechts,394 sowie Hoyers wohlwollender, aber immerhin fehlgehender Vorschlag, die Pönalisierung bloßer Unmoral als abstrakte Gefährdungsdelikte zum Schutze „irgendeines Rechtsgutes“ umzuinterpretieren.395 d) Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass es methodisch unsauber erscheint, eine unbequeme Beschreibung bloß deshalb nicht zu berücksichtigen, weil es andere gibt, die bequemer sind und sich mit dem Vorgeschriebenen rei§ 265 in Frage stellen könnte – wie es auch der Gesetzgeber im 6. StRG durch eine Senkung der Höchststrafe von § 265 letztlich sah! – wird nicht einmal in Erwägung gezogen. Mit Tiedemann allgemein einverstanden Peña Cabrera, RBCC 11 (1995), S. 43 ff. Häufig wird das kollektive Rechtsgut kumulativ zum individuellen Vermögen herangezogen, mit demselben Zweck, eine Legitimation der Vorschrift zu finden: etwa Lackner/Kühl, StGB25, § 265 Rn. 1; Perron in Schönke/Schröder27, § 265/2, m. w. Nachw. 390 Siehe die Nachw. bei Teil D., Fn. 388. 391 Siehe aber den zweiten Satz dieses Absatzes. 392 Schünemann, Paradigmenwechsel, S. 26. 393 BVerfGE 73, 206 (238 f.) und BVerfGE 104, 92 (103). 394 BVerfGE 25, 269 (287); BGHSt 4, 379 (384 f.); BGHSt 2, 306 ff.; 21, 367 (369); 26, 288 ff.; Bemmann, JuS 1965, S. 335; Klug, JZ 1965, S. 150 f.; Rudolphi, SK6 § 1/10; zu Recht dagegen Barreto, Commentario, S. 93 f.; heutzutage Arndt, NJW 1961, S. 15; ders., JZ 1965, S. 146, 147; Baumann, Aufstand, S. 14 („arge Begriffsjurisprudenz“); Grünwald, MDR 1965, S. 522; Roxin, AT I4, § 5/58; Schreiber, ZStW 80 (1968), S. 365; Schünemann, Nulla poena, S. 25. 395 Hoyer SK § 25 Rdn. 19; dazu zu Recht kritisch Schünemann LK § 25 Rdn. 50.

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bungsloser vertragen. Von zwei gleichermaßen wahren bzw. wahr erscheinenden Beschreibungen, darf man gerade diejenige nicht aus den Augen verlieren, die am unbequemsten ist und die dem Adressaten der normativen Theorie unter den höchsten Rechtfertigungsdruck stellt. Der methodische Pessimismus ist nichts anderes als die Implikation einer Fragestellung, die sich weigert, die Augen vor unbequemen, unerwünschten Situationen zu verschließen. Ende des Exkurses (3) Und damit dürfte man methodisch ausreichend gerüstet sein, um den Streit um den Strafbegriff unter einem neuen Licht zu betrachten. Im Wesentlichen lagen drei Begriffe von Strafe vor: Zwei davon beschreiben die Strafe als ein Übel, der dritte sie aber als ein Gutes. Anzufangen ist mit dem dritten Strafbegriff, weil man es hier offenbar am leichtesten hat. Das Problem der Bestimmung der Strafe als eine Wohltat ist allzu deutlich: Ein derartiges Verständnis widerspricht dem methodischen Pessimismus. Es ist zu optimistisch, vielleicht sogar naiv. Es ist nicht nur wissenschaftlich unergiebig: Wenn Strafe eine Wohltat ist, warum bemüht man sich dann überhaupt, eine Theorie zu formulieren, die Strafe rechtfertigen soll? Selbst die Verzeihung oder die Nächstenliebe versucht man erst dann zu rechtfertigen, wenn ihr Charakter als ein Gutes in Frage gestellt wird, m. a.W.: wenn man von diesen Phänomenen beschreibende Sätze für wahr hält, die nicht nur Gutes enthalten (etwa: Verzeihung könne ein Ausdruck mangelnder Achtung vor sich selbst, vor Opfern oder vor dem Moralgesetz sein;396 Nächstenliebe bringe die für die eigene Integrität konstitutiven Lebensprojekte zum Scheitern397). Man könnte dem entgegnen, Strafe sei an sich – also in ihrem „Wesen“ – eine Wohltat; sie erscheine aber zunächst – also an der Oberfläche, dem „Schein“ nach – als Übel, so dass eine Straftheorie durchaus sinnvoll bleibe. Diese sei aber nicht die Theorie der Voraussetzungen der legitimen Strafe, sondern vielmehr die Theorie der Bestimmung der „wahren“ im Gegensatz zur nur „scheinbaren“ Strafe.398 Diese Antwort wäre aber nichts anderes als eine unpassende Ontologisierung, welche die Voraussetzungen der gerechten Strafe in den Begriff der „wahren Strafe“ packen wollte, in Verkennung der bereits oben für geboten erklärten Unterscheidung zwischen Strafbegriff und Bedingungen legitimer Strafe.

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So J. Murphy, Forgiveness, S. 17 ff. Hierauf gründet Bernard Williams, Utilitarianism, S. 99, seine bekannte Kritik am Utilitarismus, die man auch auf die Nächstenliebe erweitern könnte. 398 Dass Platons Argument im Gorgias ähnlich aussehen dürfte, braucht man nicht ausführlich zu belegen, s. die Nachw. oben Teil D., Fn. 361 u. 362. Siehe auch oben (S. 285) Abegg und Röder, die tatsächlich so argumentieren. 397

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Seine wissenschaftliche Unergiebigkeit bleibt der kleinste Makel des optimistischen Strafbegriffs. Viel bedenklicher erscheint die Tatsache, dass die Bestimmung der Strafe als eine Wohltat besonders ideologieverdächtig ist.399 Der Hinweis darauf, dass Strafe ein Gutes sei, stellt den, der dagegen eine besondere rechtsstaatliche Absicherung verlangt, auf eine Ebene mit dem paranoiden Verschwörungstheoretiker. Man fragte diese Ansicht schon, warum man mit Strafe vorsichtig umgehen sollte, wenn diese ein Gutes sei?400 Und dass diese Gefahr keine bloß theoretische ist, beweisen humanitär gesinnte Äußerungen wie diejenige von Dorado Montero, der in der unbestimmten Verurteilung eine Forderung der Humanität und Fürsorge für den Verbrecher sah,401 oder von Ancel, wonach es im Prozess nicht darum gehe, den Angeklagten vor dem Staat zu schützen, sondern um die Festlegung der diesem Angeklagten angemessenen Behandlung, die in seinem Interesse erfolgen werde;402 in Deutschland vertraten der E 1962 oder etwa Brauneck schuldübersteigernde Strafen: Letztere plädierte dafür, dem rückfallgefährdeten Dieb, der vier Monate Gefängnis verdient, acht Monate zu geben, „um ihn im Vollzug wirksamer zu fördern“.403 Nicht unberechtigt weist Ferrajoli darauf hin, dass jede liberale Strafrechtsauffassung vom Misstrauen gegenüber der Macht des Staates getragen werden müsse.404 Die gefährlichste Rhetorik, der sich der Staat bedienen kann, ist die der Nähe, die des Vaters,405 und das vielleicht ist dasjenige, was an dem Verständnis von Strafe als Wohltat so stört. Der methodische Pessimismus soll gerade als Erinnerungshilfe daran dienen, dass selbst der beste Staat nicht unser Vater ist, dass man jeder organisierten Machtausübung misstrauisch begegnen sollte. Damit kann man schon als Zwischenfazit festhalten, dass der Begriff der Strafe als Wohltat wegen seines Optimismus und der damit verbundenen Nach-

399 Das ist ein typisches Problem, das auch der Resozialisierungslehre anhaftet (Nachw. unten Teil D., Fn. 1003). 400 Hepp, Darstellung I2, S. 417. 401 Dorado Montero, Sentencia indeterminada, S. 44. 402 Ancel, Nova defesa social, S. 291 f.; gemäßigter dagegen ders., Juge Penal, S. 203 ff. insb. etwa S. 212. 403 E 1962, S. 96 (die maßgebliche Stelle wurde oben Teil D., Fn. 150 zitiert); Brauneck, MSchrKrim 41 (1958), S. 144. 404 Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 927; ähnlich Naucke, Zerbrechlichkeit, S. 428; siehe noch Marxen, Kampf, S. 266; Noll, Ethische Begründung, S. 3. Bestätigt wird dies durch Äußerungen wie diejenige Traegers, der das Rückwirkungsverbot als „unbegreifliches Mißtrauen“ gegenüber dem Staat verwarf (Traeger, Zeitliche Herrschaft, S. 359), oder Freislers, der die Einheit von Volk, Staat und Führer behauptete, so dass er alle liberale Kontrollmechanismen im Staats- und Strafverfahrensrecht mit ähnlichen Wendungen ablehnte (DJ 1935, S. 1250, 1252); ferner Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 40. 405 Andere Beispiele für eine derartige Rhetorik werden uns insb. bei der Prüfung der positiven Generalprävention begegnen, unten D. II. 3. f) (S. 408).

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teile – nämlich wissenschaftlicher Unergiebigkeit und ideologischer Fügigkeit – abzulehnen ist. (4) Als Kandidaten verbleiben die beiden pessimistischen Strafbegriffe, die Strafe als Übel definieren, sei es ein körperlich-sinnliches oder ein kommunikatives. Worum geht es in der Theorie der legitimen Strafe? – so lautet unsere Frage. Ist sie eine Theorie legitimer Zufügung sinnlicher Übel, oder eine Theorie legitimer Zufügung kommunikativer Übel? Auf diese Frage gibt der methodische Pessimismus eine deutliche Antwort: sowohl als auch. Was Strafe fragwürdig und rechtfertigungsbedürftig macht, sind beide Dimensionen der Übelszufügung. Und man beachte: Fragwürdig und rechtfertigungsbedürftig ist nicht die Zufügung eines körperlichen zusammen mit der Zufügung eines kommunikativen Übels, sondern schon die Zufügung entweder eines körperlichen oder eines kommunikativen Übels. Beide Aspekte des Phänomens Strafe sind für uns von Relevanz, und jeder ist schon für sich allein für uns von Bedeutung. Der Strafbegriff enthält deshalb zwei Komponenten, die sich zueinander nicht konjunktiv, sondern disjunktiv verhalten.406 Und die hier relevante Disjunktion ist selbstverständlich die inklusive, nicht die exklusive:407 Damit sich der Strafbegriff auf irgendein Phänomen anwenden lässt, reicht es aus, wenn das Phänomen eines dieser beiden Merkmale aufweist; und es hört nicht auf, eine Strafe zu sein, bloß weil das andere Merkmal fehlt. Es kann deshalb sowohl Strafen geben, die nur physische Übel sind, als auch Strafen, die nur kommunikative Übel sind, wie letztendlich auch solche, die beides gleichzeitig sind. Die Meinung Feuerbachs, die nur Übel der ersten Klasse zum Strafbegriff rechnet, ist insoweit ergänzungsbedürftig. Im Nachhinein erscheint sie geschichtlich bedingt, nämlich durch die Tatsache, dass das viel brutalere Strafrecht seiner Zeit fast ausschließlich in seiner Dimension der körperlichen Übelszufügung auftrat. Spätestens aber, seitdem man für die Bedeutung von Kommunikation und Verständigung empfindsamer wurde, erscheint ein solcher Strafbegriff, wie derjenige Feuerbachs, zu eng. Schon die staatliche Feststellung, dass man eine Straftat begangen hat, ist ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in die Sphäre des Bürgers.408 406 Und hierin unterscheidet sich der hier vorgeschlagene Begriff von demjenigen von Androulakis, ZStW 108 (1996), S. 303, 309 ff.; Duff, Punishment, Communication, Community, S. XIV f.; Jescheck, Menschenbild, S. 34; Kindhäuser, GA 1989, S. 493; ders., Rechtsgüterschutz, S. 29; Kühl, Bedeutung der Rechtsphilosophie, S. 9; ders., Strafe, S. 441 f.; ders., Missbilligungscharakter der Strafe, S. 154 ff.; v. Hirsch, Institution Strafe, S. 66 f., 73; Hörnle/v. Hirsch, GA 1995, S. 267; Jakobs, Staatliche Strafe, S. 29; Rogall, Abschreckung, S. 241; Silva Sánchez, InDret 4/2006 Nr. 377, S. 5 f. Auch der aus der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts herauszudestillierende Strafbegriff enthält eine Übelszufügung und einen Vorwurf (s. Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 16 f. m. den entsprechenden Nachw.). 407 Für diese Unterscheidung s. Copi, Introduction to Logic, S. 216. 408 So zutreffend Lagodny, wie Teil D., Fn. 89.

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(5) Es ergibt sich jetzt die Gelegenheit, zu klären, was man unter Missbilligung genau verstehen soll. Unter denen, die den Schwerpunkt auf diese kommunikative Dimension der Strafe verlegen, wird selten klar gestellt, was der genauere Gehalt dieser Kommunikation sei. Eine Durchsicht der oben erwähnten Autoren legt aber eine Differenzierung nahe. Eine kleinere Gruppe sieht in jedem Schuldspruch als solchem eine Missbilligungsdimension. Mit anderen Worten, schon die förmliche Feststellung des Staates, man habe eine Straftat begangen, kommuniziere etwas und weise insofern einen missbilligenden Gehalt auf.409 Die meisten, die den Missbilligungscharakter hervorheben, haben nicht diese weitgehend neutrale Feststellung vor Augen, sondern ein darüber hinausgehendes eigenständiges Werturteil des Staates.410 Hinsichtlich des genaueren Gehalts dieses Werturteils scheiden sich wieder die Meinungen – an hiesiger Stelle kommt es vor allem darauf an, dass vom Staat das über die (zweifelsohne Wertmomente enthaltende) Feststellung, man habe eine Straftat begangen, hinausgehende Werturteil gefällt wird, diese Straftatbegehung verdiene einen Vorwurf. Die Besinnung auf den Fall des Gewissenstäters dürfte die hier bestehenden Unterschiede am deutlichsten zum Vorschein bringen. Der Gewissenstäter, der von vielen sogar bewundert wird, wird in aller Regel trotzdem bestraft.411 Allein die Verurteilung, allein der vom Staat ausgesprochene Satz, „Du hast eine Straftat begangen“, enthält schon eine Mißbilligung, welche diesem Täter gegenüber gerechtfertigt werden muss. Seit Radbruch haben viele liberale Autoren versucht, ihm das Zuchthaus zu ersparen, denn die darin enthaltene zusätzliche Missbilligung sei ihm unangemessen.412 Die erste Form der Missbilligung soll hier die deklaratorische genannt werden, da sie im Grunde schon – wie Schünemann es sagt – als analytischer Satz mit jeder Verurteilung automatisch gegeben ist.413 Die andere sei als konstitutive Missbilligung bezeichnet, denn sie geht noch einen Schritt weiter und spricht einen Vorwurf aus. Konstitutive Missbilligung ist gerade das, was nach Ansicht einiger Autoren beim Fall des Überzeugungstäters nicht angebracht ist.

409 Das dürfte vor allem der Ansicht Montesquieus und der Jakobs-Schule entsprechen, s. Teil D., Fn. 348, 357, 358 und entsprechenden Text. Vgl. ferner Kühl, Bedeutung der Rechtsphilosophie, S. 9, der die Missbilligung darin sieht, dass „dem überführten Straftäter ,im Namen des Volkes‘ gesagt wird, daß er sich gegen elementare Regeln des menschlichen Zusammelebens vergangen hat“. 410 Sehr deutlich etwa bei v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß, S. 16 f. und Narayan, Oxford Journal of Legal Studies 13 (1993), vor allem S. 171, mit der Unterscheidung von denunciation und censure. 411 Zur genaueren Behandlung Roxin AT I4, § 22/100 ff. 412 Radbruch, ZStW 44 (1924), S. 34 ff.; ders., JW 1932, S. 3037 f.; dagegen Nagler, GS 94 (1927), S. 58 ff.; Dahm/Schaffstein, Liberales oder autoritäres Strafrecht, S. 26 f.; Dahm, MSchrKrimPsych 24 (1933), S. 167, 171. 413 Schünemann, Positive Generalprävention, S. 115; früher bereits ders., Entwicklung der Schuldlehre, S. 154.

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Zwei Bemerkungen sind jetzt am Platze. Zunächst die, dass schon die deklaratorische Missbilligung rechtfertigungsbedürftig ist. Denn der Staat erhebt den Anspruch, legitime Herrschaft auszuüben, weil er sie im Namen der Bürger ausübt, so dass seine Feststellung, jemand habe eine Straftat begangen, einen verheerenden Eingriff in die Sphäre des Betroffenen darstellt. Dieser sieht sich vor der ganzen Rechtsgemeinschaft bloßgestellt, und das muss man ihm gegenüber auch rechtfertigen können. Zweitens ist festzustellen, dass die Legitimitätsbedingungen der konstitutiven Missbilligung entsprechend strenger sein müssen, als die der deklaratorischen – und dass es sehr wohl sein kann, dass sich keine konstitutive Missbilligung rechtfertigen lässt. Die Legitimierbarkeit eines eigenständigen Vorwurfs hängt vor allem davon ab, ob man von einer Schuld als Vorwerfbarkeit sprechen kann. Zu dieser Frage werden wir uns erst später äußern (unten 6. [S. 500 f.]), so dass sich die weiteren Überlegungen bis zu diesem entscheidenden Abschnitt mit Sicherheit nur auf die sinnliche Übelsdimension und auf die deklaratorische Missbilligungsdimension der Strafe beziehen. Ob auch die konstitutive Missbilligung davon gedeckt ist, soll zunächst noch offen bleiben (siehe aber immerhin bereits C. III. [S. 190 f.]). d) Strafen sind demnach Übel entweder sinnlicher oder kommunikativer Natur. Aber nicht schon jedes Übel körperlicher oder kommunikativer Natur ist eine Strafe. Um zu gewährleisten, dass die von der Straftheorie aufgezählten Rechtfertigungsvoraussetzungen sich nur auf dasjenige anwenden lassen, was tatsächlich so rechtfertigungsbedürftig ist wie eine Strafe, und nicht etwa auf bloße Strafzettel im Straßenverkehr oder Entlassungen im Unternehmen, ist die Beschaffenheit des eine Strafe implizierenden Übels durch die Angabe weiterer Merkmale näher zu präzisieren. Freilich darf diese Präzisierung nicht so weit gehen, dass man schon in den Strafbegriff Rechtfertigungsvoraussetzungen der Strafe hineindefiniert. Gesucht wird demnach nach einem Strafbegriff, der zum einen inhaltsreich genug ist, um eine Abgrenzung zu anderen, nicht so rechtfertigungsbedürftigten Übeln zu gewährleisten, und der zum anderen inhaltlich nicht so aufgeladen ist, dass er schon Rechtfertigungsvoraussetzungen der Strafe enthält. aa) Das erste zusätzlich bei beiden Übelssorten für den Strafbegriff notwendige Merkmal ist, dass das Übel vom Staat verhängt wird, und nicht von einem Privatmann. Die Straftheorie ist Teil der Staatstheorie in dem Sinne, dass sie mit den Rechtfertigungsvoraussetzungen bestimmter Handlungen des Staates zu tun hat.414 Dadurch, dass der Staat im Namen eines anderen, oder präziser, in 414 Siehe oben C. II. (S. 138). Das führt selbstverständlich zur Ausklammerung von Teilen des Völkerstrafrechts aus der Straftheorie. Ob das die hiesige Theorie ergänzungs- und modernisierungsbedürftig macht, oder wegen wichtiger Unterschiede zwischen der staatlichen und der überstaatlichen Zufügung von Übeln zu begrüßen ist, muss späteren Überlegungen vorbehalten bleiben.

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unserem Namen handelt, gelten für ihn Rechtfertigungsvoraussetzungen, von denen der einzelne Mensch weitgehend frei ist. Das besagt selbstverständlich nicht, dass der Einzelne weiter gehen dürfte als der Staat, so dass man etwa Mitbürger bei sich im Keller einsperren könnte, sondern nur, dass das an den einzelnen Bürger gerichtete Verbot, andere Menschen bei sich im Keller einzusperren, aus unterschiedlichen Gründen folgt, als das an den Staat gerichtete Verbot, seine Gefangene in einer Weise einzusperren, dass es ihnen so schlecht geht, als befänden sie sich tatsächlich in einem Keller. Das bedeutet auch nicht, dass die Ausübung von Staatsmacht immer moralisch bedenklicher wäre, als die von Privatmacht: Das Unbehagen, das vielfach gegenüber dem Zuwachs privater Sicherheitsdienste, der sogenannten Betriebsjustiz und privaten Gefängnissen besteht, mag durchaus berechtigt sein.415 Nur ist das kein Problem der Straftheorie. bb) Zweitens wird Strafe verhängt als objektive Reaktion auf eine angenommene Straftat.416 Das ist ein weiterer zutreffender Aspekt der gängigen, aber unklaren Wendung, dass Strafe ihrem Wesen nach Vergeltung sei.417 Man beachte: Um die Trennung von Voraussetzungen des Strafbegriffs und denen der Rechtfertigung der Strafe nicht zu durchbrechen, ist hier nur von einer angenommenen Straftat die Rede.418 Dass der Reaktionscharakter der Strafe dieser näheren Präzisierung bedarf, um nicht eine Rechtfertigungsvoraussetzung schon zum Begriffsmerkmal zu erklären, hat auch Feuerbach übersehen. Strafe kann durchaus eine Person treffen, welche die angenommene Straftat nicht begangen hat – nur ist das eine illegitime Strafe und nicht ein tellishment statt eines punishment, wie Rawls dies behauptete.419 Vor allem deshalb unterscheidet sich die Strafe vom Krieg, der vielleicht die schlimmste vom Staat vorgenommene Übelszufügung überhaupt ist, und deshalb gelten für den Krieg unterschiedliche Legitimitätsvoraussetzungen als für die Strafe;420 und hierin dürfte auch der Hauptunterschied zwischen Strafen und Steuern liegen. Also ist der von einigen favorisierte421 sog. Schuldspruch mit Sanktionsverzicht gar kein Verzicht, son-

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Beispielhaft P.-A. Albrecht, Vergessene Freiheit, S. 113 ff. Dieses Merkmal der Strafe hängt mit ihrer Dimension als deklaratorischem kommunikativem Übel eng zusammen, denn schon die Behauptung des Staates, dass man ein Verbrechen begangen habe, bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Es ist immerhin zu empfehlen, es gesondert hervorzuheben, vor allem um vom Strafbegriff Zufügungen sinnlicher Übel auszuscheiden, die keinen Reaktionscharakter aufweisen, wie etwa den Krieg. 417 Genau so auch Klug, Phänomenologische Aspekte, S. 219; Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 6; für Nachw. s. oben Teil D., Fn. 346. 418 So auch Ewing, Mind 72 (1963), S. 122; D. Locke, Mind 72 (1963), S. 568, 569. 419 Siehe oben Teil D., Fn. 314. 420 Dazu etwa Ipsen, Bewaffneter Konflikt, S. 1995 ff., 1235 ff.; Herdegen, Völkerrecht6, § 56/9 ff. 421 Schüler-Springorum, Kriminalpolitik für Menschen, S. 172; zust. H. Jäger, Irrationale Kriminalpolitik, S. 242. 416

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dern gerade die Zufügung einer Sanktion, nur eben einer kommunikativen. Auch deswegen ist es nicht zulässig, etwa die Einstellung mit Auflagen nach § 153a StPO allein deshalb für legitim zu erklären, weil hier angesichts der kaum vorhandenen Zufügung eines körperlichen Übels keine Strafe gegeben sei.422 Nicht von ungefähr spricht schon die Vorschrift selbst von der „Schwere der Schuld“: Es geht um eine Schuldzuweisung, also um die vom Staat getragene Feststellung, man habe die Straftat begangen, mithin um eine Strafe, ohne dass aber für sie wichtige Legitimitätsvoraussetzung erfüllt wären, nämlich das Vorliegen eines Verfahrens und eines Richterspruchs. Vor die Alternative, entweder die weitere Strafverfolgung oder einige Auflagen erdulden zu müssen, darf der Staat einen Bürger nur dann stellen, wenn er schon von der Begehung einer Straftat durch diesen Bürger implizit ausgeht. Wird der Bürger vor eine solche Alternative gestellt, dann ist das einzige, wofür er sich nicht entscheiden kann, dasjenige, worauf es ankommt, nämlich keine Rechtsfolge zu erleiden, die sich als Reaktion auf eine angenommene Straftat auswirkt und deshalb eine Strafe darstellt. Und es ist von einer objektiven Reaktion die Rede, um darauf hinzuweisen, dass es für den Reaktionscharakter der Strafe weniger auf die Perspektive des die Strafe zufügenden Staates als auf die allgemeine Perspektive der Bürger und insbesondere des bestraften Mitbürgers ankommt. Es geht also nicht darum, dass der Staat ernsthaft daran glaubt, der Betroffene habe eine bestimmte Straftat begangen, sondern eher darum, dass der Staat objektiv impliziert, der Bürger habe eine Straftat begangen. Dauert etwa die Untersuchungshaft mehrere Jahre,423 ändert sie langsam ihren objektiven Gehalt als einstweilige Verfügung zum Zwecke der Sicherung des Erkenntnisverfahrens oder der Strafvollstreckung424 und wird objektiv zur Reaktion gegen eine angenommene Straftat, also zur Strafe, die aber angesichts des Nichtvorliegens einiger wesentlicher, vor allem verfahrensrechtlicher Legitimitätsvoraussetzungen illegitim ist. Gleiches lässt sich von einigen Maßregeln der Sicherung und Besserung sagen, insbesondere von einigen Fällen der Sicherungsverwahrung: Sobald sie den objektiven Sinn einer Reaktion auf vergangene Taten erreichen, sind sie zu einer Strafe geworden, die deshalb nur in den Grenzen der Schuld zugefügt werden 422 So z. B. Blau/Franke, ZStW 96 (1984), S. 498; Hermann, ZStW 96 (1984), S. 472; Kühl, Strafe, S. 441; L. Schulz, Normiertes Misstrauen, S. 493 ff.; auch bedenklich Freund, GA 1995, S. 16. 423 So wie in Deutschland vor allem zur Erzwingung von Geständnissen geschieht [krit. Schünemann, ZStW 119 (2007), S. 952] und etwa in Argentinien bei der Verfolgung von Diktatur-Alttaten unter Billigung des Verfassungsgerichts der Fall ist [Entscheidung abrufbar bei http://www.eldial.com.ar/suplementos/penal/doctri/pe040520c.asp (23.03.2007)]. 424 Vgl. Roxin, Strafverfahrensrecht25, § 30/1; wobei es streitig ist, ob die Sicherung der Strafvollstreckung Aufgabe der Untersuchungshaft ist, zur Diskussion m. w. Nachw. Hilger, LR26, vor § 112/3 ff.

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dürften.425 Diese Grenzen dürften – en passant gesagt – spätestens dort überschritten sein, wo allein die Begehung früherer Taten zu dem für die Gefährlichkeitsprognose tragenden Grund wird.426 Natürlich vermag diese begriffliche Klärung nicht der gesamten rechtsstaatlichen Brisanz der Maßregel und insbesondere der Sicherungsverwahrung im Sinne einer Lösung gerecht zu werden. Sie dürfte aber einer beliebten Form des Etikettenschwindels um einiges hinderlich sein. Eine legitime freiheitsentziehende Maßregel müsste also genau die Merkmale aufweisen, durch die sie Klee 1934 ad absurdum führen wollte, nämlich „den Charakter einer bloßen Detentionszelle mit freier Bewegung des Verurteilten, dem nur so viel Beschränkungen auferlegt werden, dass er von der Flucht verhindert wird“.427 Die offensichtlichen theoretischen Probleme, die ein derartiges Verständnis mit sich bringt, insbesondere im Hinblick auf die Gefahr, dass die Maßregel zu einer Art vorangekündigter Belohnung für das Verbrechen wird, können im vorliegenden Rahmen nicht gelöst werden.428 cc) Drittens muss das Übel so schwer sein, dass es besonders rechtfertigungsbedürftig erscheint. Diese besondere Schwere des Übels ist als gradueller Begriff notwendigerweise verschwommen und in zweifelhaften Fällen wenig hilfreich. Trotzdem kann sie sehr wohl als Kriterium für klare Fälle herangezogen werden, die nicht immer deutlich genug als Strafen angesehen werden. Immer dann, wenn das zugefügte Übel eine bestimmte Schwere erreicht, wie sie nur Übel, die man sonst Strafen nennt, regelmäßig erreichen, hat man es mit einer Strafe zu tun, die erst unter den strengeren Rechtfertigungsbedingungen der Straftheorie zugefügt werden darf. Das bedeutet etwa, dass Geldbußen in Milliardenhöhe entgegen dem positiven Recht wahre Strafen sind,429 die angesichts des Nicht-Erfüllens einiger Voraussetzungen für legitimes Strafen nicht gerechtfertigt erscheinen. Gleiches gilt für die zivilrechtlichen punitive damages.430 425 Man braucht also nicht so weit zu gehen, in jeder Sicherungsverwahrung eine Strafe zu sehen [so H. Mayer, AT, S. 379; zust. wohl Eb. Schmidt, ZStW 69 (1957), S. 378], nur ist die gängige Interpretation als „bloße“ Maßregel ein musterhafter Etikettenschwindel. 426 Das rügt auch Feltes, StV 2000, S. 281 f. Für einen weiteren klassischen Etikettenschwindel Hoche, MSchrKrimPsych 1932, S. 555 ff., der behauptet, die Todesstrafe sei keine Strafe, daher sei sie unbedenklich; dazu kritisch Engisch, Todesstrafe, S. 20 f.; ausführlich Seitz, Todesstrafe, S. 228 ff., die trotzdem den oben gerügten Fehler der Verwechselung von Begriff und Legitimitätsvoraussetzungen der Strafe begeht (S. 237). 427 Klee, ARSP 28 (1934/1935), S. 486. 428 Auch diesen Einwand hat Klee eindrucksvoll formuliert: „Was vermieden werden muß, ist nur, daß draußen der Eindruck entsteht, als habe man es eher mit einem behaglichen Sanatorium denn mit einer Strafanstalt zu schaffen“ [ARSP 28 (1934/ 1935), S. 495]. 429 So auch Eb. Schmidt, ZStW 69 (1957), S. 363. Bedenken auch bei Jescheck, Menschenbild, S. 34 f.; Schünemann, LK12, § 14/86, mit Nachw. zu Rekordgeldbußen von bis zu 855 Mio. Euro. 430 Nachw. für diese Praxis in Europa bei van Dam, European Tort Law, S. 304 ff.

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Aus diesen Erwägungen folgt eine Selbstverständlichkeit, die man aber mit Nachdruck hervorheben sollte: Die schlimmsten Reaktionen sind immer als Strafen anzusehen. Man kann sich dem nicht entziehen, indem man sagt, die Maßregel oder die Geldbuße seien keine Strafen, weil „sie nicht Strafen sein sollen“.431 Strafe ist also gerade nicht „etwas wesentlich Anders, Höheres, Edleres“ als die Maßregel,432 vielmehr ist jede vom Staat zugefügte Maßregel, die objektiv als Reaktion auf eine angenommene Straftat fungiert und eine hinreichend schwere Übelszufügung darstellt, sehr wohl eine Strafe. Wenn etwas nicht eine Strafe sein soll, aber alle Merkmale des Strafbegriffs verwirklicht, dann ist dieses Etwas eine nicht-sein-sollende, also eine illegitime, aber immerhin doch eine Strafe. e) Als Fazit zum Strafbegriff lässt sich zusammenfassend behaupten, dass Strafen vom Staat verhängte, besonders schwere Übel körperlicher oder kommunikativer Art sind, die als objektive Reaktion für eine angenommene Straftat verhängt werden. Das hört sich vielleicht komplizierter an, als die gewöhnlichen Strafdefinitionen. Einfacher geht es aber nicht, wenn der Strafbegriff dem Anspruch genügen soll, einen ganzen Bereich besonders rechtfertigungsbedürftigter staatlicher Maßnahmen zu kennzeichnen. 2. Materieller Straftatbegriff bzw. Strafzwecke erster Ordnung: Verletzung von subjektiven Rechten oder von Rechtsgütern bzw. Schutz von subjektiven Rechten oder von Rechtsgütern? a) Man weiß nun bereits, worum es in der Straftheorie geht, mit welch besonders rechtfertigungsbedürftigem Phänomen man es zu tun hat. Jetzt gilt es, sich den einzelnen Rechtfertigungsvoraussetzungen zuzuwenden. Zur ersten Rechtfertigungsvoraussetzung einer Strafe gehört das, was man – heute unter dem relativ jungen Stichwort des „materiellen Straftatbegriffs“ – seit Feuerbachs Zeiten diskutiert: die Frage nach der Beschaffenheit der Tat, auf die der Staat legitimerweise mit Strafe reagieren darf. Hier wird statt der gängigen Rede vom materiellen Straftatbegriff eine andere Bezeichnung bevorzugt, die besser erhellt, worum es bei dieser Diskussion eigentlich geht. Denn die Frage nach dem, was eine Straftat bilden darf, ist nichts anderes als die Frage nach den Zuständen, die nicht sein sollen und um deren Verhinderung willen der Staat auf Strafen zurückgreift. Also hat man es mit einer konsequentialistischen Frage zu tun, nämlich mit der Frage nach dem, was die legitime Strafe herbeizuführen hat, nach den Zuständen, deren Förderung einen guten Grund zum Strafen gibt. Es geht hier also um Strafzwecke. Nur ist 431 So aber Bockelmann, Heidelberger Jahrbücher 5 (1961), S. 30, dessen Argumentation nur einem sehr beliebten und verbreiteten Schema entspricht. 432 Entgegen Binding, Grundriss8, S. XVI.

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die Verhinderung von Straftaten nicht der einzige Zweck der Strafe: In der Regel diskutiert man unter der Bezeichnung „Strafzwecke“ gerade Fragen, die auf einer anderen Ebene stehen, etwa die Frage, ob Spezial- oder Generalprävention vorrangig sei. Um diese Ebenen klar voneinander zu unterscheiden, wird hier zwischen Endzwecken oder Zwecken erster Ordnung und mittleren Zwecken oder Zwecken zweiter Ordnung differenziert.433 Beide bezeichnen als „Zwecke“ Zustände, deren Förderung einen guten Grund zum Strafen bildet, aber Zwecke zweiter Ordnung sind innerhalb der Straftheorie instrumentell im Verhältnis zu den Zwecken erster Ordnung. Die konsequentialistische Frage, was die Strafe letztendlich zu schützen hat, ist die Frage nach den Strafzwecken erster Ordnung.434 b) Über das Problem des materiellen Straftatbegriffs bzw. der Strafzwecke erster Ordnung stritt man schon vor Feuerbach. Sinn der vorliegenden Erwägungen kann nur sein, einen Beitrag zur Bilanzierung dieser mehrhundertjährigen Diskussion zu liefern. Dazu wird der heutige Streitstand als geeigneter Einstiegspunkt in die Fragestellung fungieren. In der gegenwärtigen Auseinandersetzung dürften sich die Ansichten zu Strafzwecken erster Ordnung in drei großen Gruppen unterteilen lassen. Eine erste Gruppe von Meinungen vertritt die sog. Rechtsgüterschutztheorie: der letzte Zweck der Strafe sei der Schutz von Rechtsgütern, die Straftat sei materiell eine Beeinträchtigung von Rechtsgütern. Eine zweite, um einiges schwächer vertretene Meinungsgruppe lehnt die Rechtsgutstheorie ab und schlägt eine Rückkehr zum Schutze subjektiver Rechte und also zu Feuerbach vor. Und die dritte, wahrscheinlich auch herrschende Meinungsgruppe lehnt nicht erst die Antworten im Sinne des Schutzes von Rechtsgütern oder von subjektiven Rech-

433 So bereits Roßhirt, Lehrbuch, S. 20 f.; Bauer, Straftheorien, S. 16; ders., Strafgesetz, S. 124 f. 434 Es beruht auf einem Verkennen dieser Unterscheidung, wenn man etwa gegen eine Strafzwecktheorie zweiter Ordnung, wie die Vergeltungstheorie oder die Generalprävention, einwendet, sie liefere keinen Maßstab zur Bestimmung dessen, was eine Straftat sei (so z. B. G. Jellinek, Sozialethische Bedeutung, S. 104; v. Liszt, Deterministische Gegner, S. 54 [alle gegen die Vergeltungstheorie]; Roxin, Sinn und Grenzen, S. 3, 9 [gegen Vergeltung und negative Generalprävention]; Ferrajoli, Diritto e Ragione, S. 267 [gegen die Androhungsabschreckungstheorie]; Zaffaroni, Penas perdidas, S. 87 [gegen die positive Generalprävention]) oder wenn man für eine bestimmte Rechtsgutslehre anführt, sie führe zu einer präventiven Straftheorie (so Neumann, Personale Rechtsgutslehre, S. 87). Daher die Relevanz der hier vorgeschlagenen Unterscheidung. In der Lehre unterscheidet man gelegentlich und gleichbedeutend den Zweck bzw. die Aufgabe des Strafrechts und den Zweck der Strafe: siehe Müller-Dietz, Strafzwecke und Vollzugsziel, S. 18; Roxin, AT I4 § 3/1; ferner etwa Telp, Ausmerzung und Verrat, S. 37; Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 201 f., der der Vermengung dieser beiden Fragen noch mit der nach der Funktion der Strafe sogar „das Grundübel der Strafzweckdiskussion“ erblickt, dessen Unvermeidbarkeit er aber vermutet.

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ten, sondern schon die Frage nach dem materiellen Straftatbegriff bzw. nach Strafzwecken erster Ordnung als sinnlos ab. Ergänzend zu diesem groben Panorama ist erstens hervorzuheben, dass es natürlich innerhalb einer jeden Meinungsgruppe verschiedene Nuancen gibt, auf die es für eine erste Annäherung nicht so sehr ankommt. Dennoch wird später im Laufe der Diskussion auf jene nach Bedarf noch eingegangen werden. Und zweitens ist von vornherein zuzugeben, dass ein erschöpfendes Bild der Diskussion dieser Fragen hier nicht bezweckt ist. Unerwähnt bleiben andere wichtige sich mit der Frage nach dem materiellen Verbrechensbegriff bzw. nach Strafzwecken erster Ordnung befassende Theorien, die sich in keine der soeben genannten beiden Gruppen von Meinungen einordnen lassen, wie etwa Amelungs Sozialschädlichkeitslehre435 und das angelsächsische harm principle.436 Da die vorliegende Arbeit Feuerbachs Gedanken zum Gegenstand hat, erscheint es empfehlenswert, sich in erster Linie mit der vom ihm vertretenen Theorie vom Schutz subjektiver Rechte zu befassen, und dabei einen Seitenblick allein auf die am meisten verbreiteten Konkurrentinnen zu werfen. Das schränkt natürlich den Gültigkeitsanspruch der zu erreichenden Ergebnisse ein, da ein Urteil nur von denen hinzunehmen ist, die als Parteien ein Mitspracherecht ausüben dürften; es kann also immer noch sein, dass, wenn sich diese Untersuchung für eine der mitstreitenden Meinungsgruppen entscheidet, dies angesichts einer näheren Überprüfung alternativer Theorien zu revidieren wäre. Eine beschränkte Berechtigung ist den hier zu erzielenden Ergebnissen aber trotzdem nicht abzusprechen, und schon die Tatsache, dass hier allein diese drei Kandidaten zu dem Streit eingeladen wurden, verrät etwas über die Erwartungen des Verfassers in Bezug auf die Vertretbarkeit der alternativen Ansichten.437 435

Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 350 ff., 361; ders., Rechtsgutsverletzung, S. 272,

278. 436 Siehe Mill, On Liberty, S. 68; Hart, Immorality and Treason, 85; Feinberg, Harm to Others, S. 14 f. und passim; Ashworth, Principles4, S. 32; dazu aus deutscher Sicht Seher, Liberalismus und Strafe, S. 53 ff.; ein Vermittlungsversuch zwischen dieser Theorie und der deutschen Rechtsgutslehre bei v. Hirsch, GA 2002, S. 2 ff. 437 Konkret: Die Sozialschädlichkeitslehre Amelungs erscheint vor allem aus zwei Gründen kritikabel, aus einem geschichtlichen und aus einem politischen Grund. Geschichtlich lässt sich sowohl bestreiten, dass ihre Berufung auf die Aufklärungsphilosophie tragfähig ist, da erstens so etwas wie eine insgesamt individualistisch-liberal gesinnte Aufklärungsphilosophie eine unvertretbare Pauschalisierung ist, wie im Text näher ausgeführt wird (S. 326 ff.). Selbst wenn man das aber akzeptieren würde, wäre zweitens zu sagen, dass Amelungs systemtheoretische Erwägungen vom individualistisch-liberalen Geist wenig enthalten und in der Tat kollektivistische Züge tragen, wie etwa seine Erwägungen, dass das menschliche Leben nur in seiner Funktionalität für das Bestehen des gesellschaftlichen Systems geschützt werde (s. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 381: ohne Personen „wäre jede Gesellschaft unmöglich“, S. 386 f.). Politisch ist die Theorie gerade wegen dieses kollektivistischen Zuges abzulehnen (so auch Hassemer, ZStW 87 [1975], S. 161 f.; Roxin, JA 1980, S. 546; ders., AT4 I § 2/ 116; Santana Vega, Bienes jurídicos colectivos, S. 87). Das, was man von Amelung lernen sollte, ist dasjenige, was man ihm meistens vorwarf: nämlich dass die Begren-

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Aus dem geschilderten Panorama lassen sich jedenfalls die Fragen ablesen, mit denen man sich im Folgenden zu befassen hat: Die erste und fundamentale Frage ist eine Auseinandersetzung mit der an dritter Stelle erwähnten Meinungsgruppe, ob sich etwa tatsächlich keine wissenschaftliche Theorie des materiellen Straftatbegriffs bzw. der Strafzwecke erster Ordnung formulieren lasse. Nur wenn man die dritte Ansicht widerlegen und die genannte Frage im bejahenden Sinne beantworten kann, ist es logisch möglich, zur zweiten Frage überzugehen, die da lautet, welche der genannten Theorien vorzuziehen ist: die Lehre vom Schutz subjektiver Rechte oder jene vom Rechtsgüterschutz. aa) Ist die Frage nach der Bestimmung des Gegenstands des Strafbaren überhaupt wissenschaftlich beantwortbar? Das bestreitet die dritte Meinungsgruppe. Zu ihren frühen Vertretern gehörte der geschichtlich orientierte Strafrechtler Roßhirt: Nach dem materiellen Verbrechensbegriff zu fragen sei seiner Ansicht nach „vergebliche Arbeit“.438 Zu nennen ist auch Hepp:439 Er meinte, diese Frage sei nicht a priori zu beantworten, also könne man unmöglich aus reinen Vernunfterwägungen bestimmen, was eine Straftat sei. Deshalb sei der Gesetzzung des Strafrechts, insb. die Ausscheidung der Bestrafung reiner Unmoral, nicht schon aus einer Lehre von Zwecken erster Ordnung folgen kann, sondern auf externe Schranken angewiesen ist (Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 388 ff.; s. dazu unten S. 344 ff., 351). Und ebenso wenig kann das angelsächsische harm principle als tragfähige Alternative anerkannt werden. Erstens ist undeutlich, wie es sich zu den deutschen Alternativen verhält, wobei es Autoren gibt, die eine weitgehende Äquivalenz zur Lehre vom Rechtsgüterschutz vertreten (v. Hirsch, Rechtsgutsbegriff, S. 17 f.; noch weitergehend Seher, Rechtsgutsbegriff, S. 49). Zweitens wird es oft durch zusätzliche Zwecke erster Ordnung ergänzt, wie etwa ein offence principle bzw. Belästigungsprinzip, wonach auch die Erregung unangenehmer psychischer Zustände eine Straftat sein könne (vor allem Feinberg, Offense to Others, S. 25 und passim; ferner Hart, Law, Liberty and Morality, S. 41; v. Hirsch, Offensive Conduct, S. 69 ff.; ders., Rechtsgutsbegriff, S. 22 f.; ders., Harm und Offence, S. 921 ff.), so dass der von den deutschen Lehren erhobene Anspruch, auf die Frage nach dem materiellen Straftatbegriff bzw. nach dem Strafzweck erster Ordnung eine einheitiche erschöpfende Antwort zu geben, häufig nicht einmal erhoben wird. Drittens – und dies dürfte der entscheidende materielle Gesichtspunkt sein – die Rede vom harm principle verquickt naiv zwei Fragen, die man insb. in den jüngeren Untersuchungen von Wohlers und Hefendehl (Nachw. unten Teil D., Fn. 471) in aller Klarheit unterscheiden konnte: die Frage nach dem zu schützenden Gegenstand und die nach der diesen Schutz gewährleistenden Deliktsstruktur. Harm, also Schaden oder Verletzung, deutet schon auf Fragen, die mit der Deliktsstruktur, also mit der Verwirklichung des Schutzes eines bestimmten Etwas durch Verletzungs- oder Gefährdungstatbestände zu tun haben, so dass es kein Wunder ist, wenn sich Feinberg auch zu abstrakten Gefährdungsdelikten (Harm to Others, S. 190 ff.) und Kumulationsdelikten (Harm to Others, S. 225 ff.) äußert (für ein weiteres Beispiel v. Hirsch, Remote harms, S. 259 ff.). Nun sind dies zwei unterschiedliche Probleme, die aus Gründen wissenschaftlicher Klarheit voneinander getrennt bleiben sollten. 438 Roßhirt, Entwickelung, § 23 (S. 156). 439 Hepp, Darstellung1, S. 156 ff., S. 162. Anders anscheinend in der zweiten Auflage, wo eine ausführliche Theorie der Sozialschädlichkeit angeboten wird (Hepp, Darstellung II/12, S. 188 ff.).

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geber aufgerufen, die Strafe möglichst restriktiv einzusetzen, da er kaum letzte Vernunftgründe für deren Einsatz benennen könne. Hundert Jahre später argumentierte das Mitglied der Großen Strafrechtskommission Paul Bockelmann, weder qualitative noch quantitative Kriterien reichten aus, um die Grenzen des Verbrechensbegriffs festzulegen – die ersten nicht, weil sie nicht ohne Ausnahme blieben, die zweiten nicht, weil eine quantitive Differenz reine Gefühlssache sei.440 „So bleibt nichts übrig, als sich der trüben Einsicht zu beugen, dass es einen juristisch einleuchtenden, selbständigen Begriff des Verbrechens nicht gibt“.441 Und heute erklärt Jakobs die strafrechtliche Norm zu dem mittels der Strafe geschützten Gegenstand,442 so dass er auf einen materiellen Verbrechensbegriff bzw. auf Zwecke erster Ordnung eigentlich verzichtet. Man könnte sogar in Frage stellen, ob die hiesige Unterscheidung zweier Ordnungen von Zwecken überhaupt auf Jakobs anwendbar ist, denn für ihn ist die Norm kein Mittel zur Wahrung eines Zweckes der von ihm sog. normativen Identität der Gesellschaft, sondern diese Identität selbst.443 Strafe ließe sich nur aus der Ordnung, in deren Namen bestraft werde, legitimieren,444 und die letzte Legitimität dieser Ordnung sei keine Frage, mit der er sich befasse.445 Auch für Kuhlen ist ein materieller Verbrechensbegriff nicht in der Lage, dem Gesetzgeber Grenzen aufzuerlegen:446 Bei derartigen Fragen nach dem Gegenstand einer Strafrechtsnorm gehe es um Werturteile, und es bestehe kein Grund für die Annahme, die Wissenschaft könne besser werten, als jeder Bürger oder auch als der demokratisch legitimierte Gesetzgeber.447 Stratenwerth meint, die Definitionsprobleme des Rechtsgutsbegriffs und auch eines jeden materiellen Verbrechensbegriffs seien „nicht lösbar“.448 Letztlich dürfe jede Gemeinschaft alle Handlungen unter Strafe stellen, die sie als strafwürdig empfinde.449 Und die neueren verfassungsrechtlich fundierten Untersuchungen, welche die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum alleinigen Kriterium der Legitimität einer Kriminalisierung erheben, behaupten pointiert, weder die Rechtsgutslehre noch eine andere Theorie zum materiellen Verbrechensbegriff sei der Verfas440

Bockelmann, Heidelberger Jahrbücher 5 (1961), S. 26 f. Bockelmann, Heidelberger Jahrbücher 5 (1961), S. 27. 442 Jakobs, AT2, § 2/2, 5; ders., Sozialschaden?, S. 46. 443 Siehe Jakobs, ZStW 107 (1995), S. 847; ders., Norm, Person, Gesellschaft, S. 52 f., 68. 444 Jakobs, AT2, § 1/20; ähnlich ders., Sozialschaden?, S. 47 ff. 445 Jakobs, ZStW 107 (1995), S. 855; ähnlich Müssig, Rechtsgüterschutz, S. 142 f., 170 f. 446 Kuhlen, Strafrechtsbegrenzung, S. 89, S. 96. 447 Kuhlen, Selbstverständnis, S. 64, 66 ff.; s. ferner ders., Rechtsgüter, S. 152 f. 448 Stratenwerth, Rechtsgut, S. 388 (Zitat); auch ders., ,Wahres‘ Strafrecht?, S. 373. 449 Stratenwerth, Kollektivrechtsgüter, S. 257; ders., Verhaltensdelikte, S. 159, 162; ders., ,Wahres‘ Strafrecht?, S 376; ferner ders., SchwZStr 115 (1997), S. 93; ders., Kritische Anfragen, S. 505. 441

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sung zu entnehmen.450 Ein ähnlicher Standpunkt wird heute vielfach ausdrücklich vertreten.451 bb) Was ist von diesen Argumenten zu halten? Von Feuerbach irgendeine konkretere Hilfe bei dieser Frage zu erwarten, erscheint nicht sehr aussichtsreich. Feuerbach formuliert seine Rechtsverletzungslehre als – hier sei eine bewusst unscharfe Formulierung erlaubt – Naturrechtler, in dem Sinne, dass ihm die apriorische Verbindlichkeit von Rechtsprinzipien als eine Selbstverständlichkeit erscheint.452 Zu seiner Zeit vertraten auch die meisten anderen Autoren einen vorpositiven Straftatbegriff, der mit der Anerkennung von sog. delicta extraordinaria weitgehend unabhängig vom Gesetz war,453 so dass er nirgendwo einen Anlass hatte, sich gegen die gerade geäußerten Bedenken in Schutz zu nehmen. Vielmehr ist klar zu sehen, wie die ersten Einwände gegen die Lehre vom materiellen Verbrechensbegriff bzw. vom Strafzweck erster Ordnung gerade zu einer Zeit entstehen, die unter dem Einfluss der historischen Rechtsschule und des Hegelianismus den Glauben an das Naturrecht weitgehend verloren hat. Es ist deshalb nicht überraschend, dass sich unter den Autoren, welche die hiesige Fragestellung als unwissenschaftlich ablehnen, vor allem diejenigen befinden, die als besonders naturrechtsskeptisch gelten.454 Die von den 450 Die Angriffe richten sich zwar vor allem gegen die Rechtsgutstheorie, lassen sich dennoch auf andere Lehren vom materiellen Rechtsgutsbegriff erweitern: Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 144, wonach die geschützten „Gemeinwohlinteressen“ vom Gesetzgeber weitgehend frei festgelegt werden dürfen; Vogel, StV 1996, S. 112; Appel, Verfassung und Strafe, S. 206; ders., KritV 1999, S. 278 ff. 451 Etwa Androulakis, ZStW 108 (1996), S. 301 f.; Bacigalupo, Princípios5, S. 19; Bockelmann/Volk, AT4, S. 11; Frisch, An den Grenzen, S. 71 ff.; ders., Wesentliche Voraussetzungen, S. 203 ff.; ders., Straftat und Straftatsystem, S. 136 ff.; ders., Rechtsgut, S. 216 ff.; Jareborg, Ultima ratio, S. 1351; Pérez del Valle, InDret 4/2006 Nr. 379, S. 15; Volk, ZStW 1985, S. 899 f.; T. Walter, LK12 vor § 13/9 f.; Wohlers, Deliktstypen, S. 279; ders., GA 2002, S. 15 ff.; ders., Verhaltensdelikte, S. 130; wohl auch Koriath, GA 1999, S. 583; Seher, Rechtsgutsbegriff, S. 45, 54 (trotz S. 56); Silva Sánchez, Concepto de acción, S. 43 (in Revidierung seiner früheren Stellungnahme unten Teil D., Fn. 470). Zu den Vertretern dieser Meinung gehören ferner wohl die meisten, die sich einer Stellungnahme enthalten. 452 Z. B. Feuerbach, Über Philosophie und Empirie, S. 65: „Unabhängig von aller positiven Gesetzgebung liegt in der menschlichen Natur als die letzte Quelle aller Rechte und aller Verbindlichkeiten das Gesetz der Vernunft, das wir vorzugsweise das Rechtsgesetz nennen, – ewig wie die Vernunft selbst, frei von dem Wechsel der Erfahrung, Gesetz aller Gesetzgeber, aller Gesetzgebungen ewiger Norm“. 453 Siehe bereits oben B. I. 2. a), S. 50 f. 454 So ausdrücklich Bockelmann, Heidelberger Jahrbücher 5 (1961), S. 27, der unmittelbar nach seinem oben zitierten Satz so fortfährt: „Natürlich ist diese Feststellung nichts weiter als ein besonderer Ausdruck grundsätzlicher Skepsis dem Naturrecht gegenüber“; Jakobs vertritt eine Lehre der Rechtsgeltung, wonach unter Recht nur die tatsächlich praktizierten und sanktionierten Regeln zu verstehen sei (GA 1994, S. 6 ff., 13 und passim); Kuhlen bezeichnet bezüglich anderer Fragen (z. B. der Unterscheidung von rechtlicher und moralischer Gültigkeit einer Norm) seine Auffassung offen als positivistisch (vgl. Normverletzungen, S. 460); Stratenwerth, Natur der Sache, S. 13, 17, 20 formuliert einen voluntarischen Begriff der Natur der Sache, welche diese als

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erwähnten Stimmen stammende Herausforderung lässt sich deshalb am klarsten folgenderweise formulieren: Kann man wissenschaftlich über den Gegenstand des Strafbaren diskutieren, ohne auf ein „Naturrecht“ zurückzufallen? cc) Naheliegender erscheint es deshalb, sich den Vertretern der ersten beiden Meinungsgruppen zuzuwenden und hier nach Abhilfe zu suchen. Zwei Antwortmuster erscheinen besonders beliebt, von denen eigentlich nur das zweite erfolgversprechend erscheint. (1) Ein erster, sehr verbreiteter Lösungsversuch ist der Rückgriff auf die Verfassung.455 Man könnte argumentieren, selbst ohne ein Naturrecht nach der Manier des 18. Jahrhunderts ließen sich aus der Verfassung Kriterien ableiten, die den Gesetzgeber binden. Dieser Ausweg hätte aber mit allen oben erwähnten Schwierigkeiten zu kämpfen, die zu der hier gewählten verfassungsrechtlichen Zurückhaltung führen.456 Insb. lässt sich der Verfassung, so wie sie vom Bundesverfassungsgericht interpretiert wird – und das ist die positivrechtlich geltende Verfassung –, keine Theorie vom Rechtsgüterschutz oder vom Schutz subjektiver Rechte entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hatte wiederholt Gelegenheit, sich für eine Theorie des materiellen Verbrechensbegriffs bzw. der Strafzwecke erster Ordnung auszusprechen – und hat dabei höchstens auf den strafrechtsunspezifischen Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zurückgegriffen.457 Aber selbst wenn das Bundesverfassungsgericht anfangen würde, insoweit gemäß der Auffassung seiner Kritiker zu entscheiden, selbst dann wäre das Abstellen auf die Verfassung nicht befriedigend. Denn dies wäre eine kontingente empirische Tatsache, die jeder Zeit in etwas Schlechtes umschlagen kann, so dass über deren Güte anhand anderer, von derartigen Kontingenzen unabhängigen Erwägungen geurteilt werden muss. Wie bereits gesagt, ist es Anliegen der vorliegenden Untersuchung, auch und insbesondere dann Legitimitätsbedingungen der Strafe zu formulieren, wo die Verfassung aufgrund immer möglich erscheinender Kontingenzen dafür nichts erbringt. (2) Der zweite, erfolgversprechendere Ausweg wäre die Weiterentwicklung eines Gesichtspunkts, der zumeist als argumentum ad hominem ohne nähere Begründung ausgesprochen wird. Dieser Gesichtspunkt taucht bei den Vertretern einer Lehre von Strafzwecken erster Ordnung insbesondere dann auf, wenn eine Folge von Festsetzungen versteht; die Freiburger verfassungsrechtlichen Untersuchungen Lagodnys, Appels und Vogels folgen einer „verfassungsgerichtspositivistischen“ Methode [siehe oben C. III. (S. 198)]. 455 Siehe die Nachw. unten Teil D., Fn. 468. 456 Siehe bereits oben C. III. (S. 196 ff.). 457 Das ist den oben Teil D., Fn. 450 zitierten verfassungsrechtlichen Untersuchungen zuzugestehen. Die Inzest-Entscheidung, die eine ausdrückliche Zurückweisung der Rechtsgutslehre enthält, macht die verfassungsrechtliche Fundierung des Rechtsgutsbegriffs um einiges schwieriger (BVerfGE 120, 224 [241f]; dazu Greco, ZIS 2008, S. 234 ff.).

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sie sich von den Kritikern in die Defensive gedrängt fühlen. Man wirft ihnen vor, ihre Position sei irrationalistisch, da sie die Frage nach der Bestimmung des strafbaren Verhaltens völlig der Willkür des Gesetzgebers anheimgebe.458 Ein solcher Einwand ist zugegebenermaßen noch zu schwach, denn darauf können die Gegner immer erwidern, es ließen sich gerade keine rationalen Kriterien für Kriminalisierungsentscheidungen formulieren. Trotzdem liegt im Argument ein zutreffender Gesichtspunkt, den es nun weiterzuentwickeln gilt: nämlich der Hinweis darauf, dass man allgemein über Fragen der Kriminalisierung und Entkriminalisierung rational diskutiert. Sogar Autoren, die einer Lehre von Strafzwecken erster Ordnung kritisch gegenüber stehen, beteiligen sich an der Debatte und versuchen Argumente zu formulieren, die einen objektiven Geltungsanspruch erheben und die deshalb rational sein wollen. Man siehe etwa Jakobs, der jeder Entkriminalisierung des Bagatelldiebstahls aus dem Grund entgegentritt, dass beim Vorliegen eines jeden Normverstoßes der „Kern der Gesellschaft“ betroffen sei,459 oder Stratenwerth, der sich bei seinem leidenschaftlichen Einsatz für das Umweltstrafrecht nicht damit begnügt, auf die Tatsache hinzuweisen, dass wir Umweltverschmutzungen nicht wollen, sondern insbesondere den z. T. auch menschenunabhängigen Wert der Umwelt als solcher als Grund anführt.460 Derartige Beispiele ließen sich auch bei anderen zur dritten Meinungsgruppe gehörenden Autoren ausfindig machen.461 Zwei Feststellungen erscheinen deshalb berechtigt: erstens, dass es eine rationale Diskussion über die berechtigten Gegenstände einer strafrechtlichen Verbotsnorm gibt, und zweitens, dass nicht einmal diejenigen, welche die Rationalität der Diskussion in Frage stellen, sich ihrer Einstellung gemäß verhalten und konsequent auf jeden Rationalitätsanspruch verzichten können. Allein auf die erste Feststellung kommt es für unser Argument entscheidend an, aber die zweite fügt noch einen weiteren wichtigen Grund hinzu, den Ernst der kritischen Ansicht zu bezweifeln. Man diskutiert rational darüber, ob ein Verhalten Gegenstand eines strafrechtlichen Verbotes sein darf. Solange es diese Diskussion gibt, solange man sich nicht damit begnügt, auf eine bestimmte Weltanschauung oder auf Sympathieoder Antipathiegefühle hinzuweisen, wenn man sich zu diesen Fragen äußert – worauf sich nicht einmal stark irrationalistisch gefärbte politische Gruppierun458 So z. B. Roxin, AT4 I § 2/112 (gegen Jakobs), 119 (gegen Stratenwerth); ders., Rechtsgüterschutz, S. 147, 149; Hirsch, Bien jurídico, S. 385 (gegen Stratenwerth); H. Jäger, Irrationale Kriminalpolitik, S. 231 ff.; Anastosopoulou, Deliktstypen, S. 293; eigentlich schon viel früher Cella, Unzuchtsfälle, § 8 (S. 14). 459 Jakobs, KritV 1996, S. 321 f. 460 Stratenwerth, Krise, S. 11; ders., Kritische Anfragen, S. 505 f.; ders., ,Wahres‘ Strafrecht?, S. 373. Vgl. ferner ders., Verhaltensdelikte, S. 165, wo die Ansprüche, Normen rational zu begründen, bekräftigt werden. 461 Etwa Kuhlens Vorschlag einer „neuen Dogmatik“, die einen positiven Beitrag zur Bewältigung neuerer gesellschaftlicher Probleme, insb. des Umweltschutzes, leistet (ZStW 105 [1993], S. 697 ff.; GA 1994, S. 361).

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gen, wie etwa die Feministinnen bei ihrem Kreuzzug für ein Pornographieverbot, beschränken462 –, eben solange kann kein Beitrag zur Formulierung einiger Kriterien für diese Diskussion als sinnloses Unterfangen abgelehnt werden. Solange man davon ausgeht, dass sich unter diesen Kriterien auch Erwägungen befinden, die mit dem beeinträchtigten Gegenstand des unter Strafe verbotenen Verhaltens zu tun haben, eben so lange muss die nähere Konturierung dieser „straftauglichen Gegenstände“ als ein würdiges Thema wissenschaftlicher Reflexionen gelten. In der Tat erschöpft die Lehre des durch das strafrechtsnormwidrige Verhalten beeinträchtigten Gegenstands nicht die ganze Diskussion zu den Kriterien legitimer Verhaltenskriminalisierungen. Es gibt unbestritten mehrere Gesichtspunkte, die zusätzlich dazu eine Rolle spielen sollen und den Gegenstand der allgemeineren Straftheorie bilden. Die Behauptung, dass ein bestimmter Gegenstand die nähere Aufmerksamkeit des Strafrechts verdient, bedeutet noch lange nicht die Bejahung der Kriminalisierung eines jeden Verhaltens, das sich auf diesen Gegenstand negativ auswirkt. Trotzdem ist diese Behauptung ceteris paribus ein Grund dafür, die Kriminalisierung beim Gegebensein zusätzlicher Gründe zu unterstützen. Die verbale Ablehnung einer jeden Diskussion über die den Einsatz des Strafrechts legitimierenden Gegenstände durch die dritte Meinungsgruppe erscheint zum Teil von der Illusion getragen, wonach nur eine Lehre, die zugleich alle Bedingungen einer legitimen Kriminalisierung angeben könne, befriedigend sei. Sobald aber die nicht nur hier hervorgehobene Bescheidenheit der Ansprüche der Lehre vom materiellen Verbrechensbegriff bzw. von Strafzwecken erster Ordnung eingesehen wird, erscheint die schroffe Ablehnung tatsächlich schwer verständlich. (3) Dieser Gedanke, der hinter der Irrationalitätsreplik steckt, lässt sich also weiter entfalten und auf ein für den Staat geltendes deontologisches Verbot der Willkür zurückführen. Wenn der Staat keine allgemeine Anerkennung beanspruchenden Gründe anzugeben braucht, weshalb er einen bestimmten Zustand für strafwürdig und -bedürftig erklärt, wenn schon der Hinweis auf ein subjektives Missfallen dafür genügt, ein Verhalten für strafrechtlich relevant zu erklären, dann wird unklar, wieso sich der Staat von einer großen Räuberbande unterscheiden soll. Der Staat darf nicht nach eigenem Gutdünken bestimmen, was er bestraft, weil man nur mit Sachen, die einem gehören, nicht aber mit Menschen – und erst recht nicht mit Menschen, in deren Namen man zu sprechen vor462 Beispielhaft MacKinnon, Feminist Theory, S. 172 ff., 195 ff., und A. Schwarzer, Anti-Pornographie Gesetz, S. 43, 46 f. wo gelegentlich ein diskutables – wenn auch nicht zutreffendes – Argument auftaucht (etwa bei ersterer S. 196, bei letzterer S. 46 f.: Pornographie sei mitverursachend für Gewalt gegen Frauen). Die Redewendung „irrationalistisch“ ist zunächst nicht päjorativ gemeint, denn vor allem sind es Feministen selbst, die sich postmoderne Vernunftkritik aneignen und Rationalität bzw. Wissenschaftlichkeit zu einer Form des Patriarchalismus erklären (etwa E. F. Keller, Gender and Science, S. 4, 75 ff. und passim; Smaus, KrimJ-Beiheft 5 (1995), S. 9 ff.).

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gibt – nach eigenem Gutdünken umgehen darf. Aus dem deontologischen Instrumentalisierungsverbot i. e. Sinne folgt deshalb ein Verbot von Willkür. Dieses Verbot trägt dann sowohl die allgemeinere Straftheorie, als Gesamtheit der vom Staat geltend zu machenden Gründe einer legitimen Strafe, als auch die darin enthaltene Lehre vom Strafzweck erster Ordnung, da zu diesen Gründen wie oben [bei (2)] gesehen auch ein überzeugender, von dem mittels Strafe zu unterbindenden Verhalten beeinträchtigter Gegenstand gehört. dd) Als Antwort auf die erste Frage lässt sich deshalb festhalten: Die Wissenschaftlichkeit der Bemühungen, den von unter Strafe verbotenem Verhalten betroffenen Gegenstand näher zu bestimmen, kann nicht ernsthaft bestritten werden: erstens, weil man immer noch rational über solche Fragen diskutiert, zweitens, weil ein Staat, der hier keinen Gegenstand benennen könnte, kaum den Anforderungen des Willkürverbots genügen würde. c) Die zweite hier zu untersuchende Frage geht dahin, welche Theorie vorzuziehen ist: diejenige, die in der Straftat eine Rechtsgutsbeeinträchtigung, oder die, welche darin eine Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts sieht. aa) Die Rechtsgutstheorie ist zahlenmäßig im klaren Vorteil. Insbesondere seit dem zweiten Weltkrieg – nicht zuletzt wegen ihrer Ablehnung durch einige führende Stimmen der nationalsozialistischen Rechtswissenschaft, die an Stelle einer Rechtsgutsverletzung von einer „Pflichtverletzung“, einem „Verrat“ oder sogar einem „Handeln gegen die deutsche nationalsozialistische Weltanschauung“ sprachen463 – hat sie ständig an Vertretern gewonnen.464 Oft hat man sich zudem auf das Erbe der strafrechtlichen Aufklärung berufen und die Rechtsgutstheorie zur legitimen Nachfolgerin der damals vertretenen Sozialschäd463 Von Pflichtverletzung sprach vor allem Schaffstein, DStR 1935, S. 105; ders., Pflichtverletzung, S. 114 ff.; ders., ZStW 57 (1938), S. 301. Der Verrat wurde von Dahm, Gemeinschaft und Strafrecht, S. 12 ff.; ders., Nationalsozialistisches Strafrecht, S. 14, S. 17 f.; ders., ZStaaW 95 (1935), S. 284 ff. hervorgehoben. Die Formel des Handelns gegen die nationalsozialistische Weltanschauung geht auf Mezger, ZStW 55 (1936), S. 9 zurück. Zu alledem bereits oben C. II. (S. 113 ff.); zusammenfassend zur Rechtsgutskritik der NS-Zeit Marxen, Kampf, S. 177 ff. 464 Dabei ist freilich verdrängt worden, dass das Rechtsgutskonzept auch von nationalsozialistischer Seite rezipiert wurde, etwa von Schwinge/Zimmerl, Wesensschau, S. 60 ff., 64, 72, m. w. Nachw. S. 61; Engisch, MSchrKrimBio 1938, S. 137 ff.; Mittasch, Wertbeziehendes Denken, S. 102 ff.; Klee, DStR 1936, S. 2; Graf von Pestalozza, DStR 1938, S. 108; worauf Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 230 f., 251 f., 257 f. (zust. Marxen, Kampf, S. 266 Fn. 66) zutreffend aufmerksam gemacht hat. Um die traditionelle Geschichte der Liberalität des Rechtsguts nicht angesichts dieser Tatsache revidieren zu müssen, versucht man, wenn man sie überhaupt wahrnimmt, irgendwie zu entschärfen – beispielhaft Eb. Schmidt, Geschichte, § 347 (S. 429), und Cavaliere, Errore, S. 226 Fn. 187, der hierin einen letzten Versuch zur Rettung der Rationalität im Strafrecht sieht. Dieser Erklärungsversuch ist zumindest im Fall Schwinges, angesichts seiner Biographie (siehe dazu Vogel, Nationalsozialismus, S. 34) als allzu optimistisch einzuschätzen (so auch Marxen, Kampf, S. 241, 244 ff.; Telp, Ausmerzung und Verrat, S. 99).

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lichkeits- und Rechtsverletzungslehren erklärt.465 Zu den ersten Vertretern der Rechtsgutstheorie in der Nachkriegszeit gehörte Herbert Jäger, der die empirische Verletzbarkeit als Voraussetzung eines jeden Rechtsguts verlangte und so zu dem Ergebnis kam, dass Sittlichkeitsdelikte weitgehend rechtsgutslos und deshalb illegitim seien.466 Insbesondere die Verfasser des Alternativ-Entwurfs eines Strafgesetzbuches griffen den Rechtsgutsgedanken auf und leiteten daraus Forderungen für eine Liberalisierung des Sexualstrafrechts ab.467 Die von Jäger verlangte empirische Verletzbarkeit trat demgegenüber in den Hintergrund, man bevorzugte einen mal direkten, mal über die Verfassung vermittelten Rückgriff auf deontologische Gesichtspunkte der moralischen Autonomie des Individuums und auf konsequentialistische Behauptungen der Nutzlosigkeit eines rechtsgutslosen Strafeinsatzes.468 Obwohl die Rechtsgutstheorie zunehmend im Feuer der Kritik steht und sie von Schünemann sogar mit einem Totgesagten verglichen wird,469 scheint sich im Lager der Vertreter der Rechtsgutstheorie zumindest daran nicht viel geändert zu haben, dass man von dieser Theorie einen Beitrag 465

Dazu im einzelnen weiter unten S. 316 und Nachw. auf Teil D., Fn. 481, 482,

483. 466

Jäger, Sittlichkeitsdelikte, S. 13, S. 38, S. 116 ff. Hanack, Gutachten zum 47. DJT, S. A29 f.; Roxin, Sinn und Grenzen, S. 15. 468 Wobei diese Gesichtspunkte sehr oft ohne klare Unterscheidung geltend gemacht werden. Explizit wird die Verfassung herangezogen von Alvarez García, CPC 43 (1991), S. 20 ff.; Batista, Introdução, S. 96; Bello, Perspectivas, S. 165; Bottke, Finalidades de la pena, S. 49; ders., Rechtsgutsverletzung, S. 488 f.; Bricola, Teoria generale del reato, S. 15 ff.; Cavaliere, Errore, S. 368; Copetti, Direito penal, S. 98 ff.; Cuesta Pastor, Delitos obstáculo, S. 9 ff.; D’Ávila, Ofensa, S. 85; Hassemer, Rechtsgut, S. 58 ff.; Hefendehl, GA 2002, S. 23; ders., GA 2007, S. 14, H. Jäger, Irrationale Kriminalpolitik, S. 240; Lüderssen, StV 2004, S. 100; Martos Nuñez, RDPC 1 (1991), S. 251 ff.; Mello Silveira, RBCC 33 (2001), S. 136; R. Merkel, Karl Kraus, S. 297 ff.; Muñoz Conde, Bienes jurídicos, S. 561 ff.; Palazzo, RIDPP 1992, S. 462 ff.; Polaino Navarrete, PG I5, S. 162 f.; Roxin, JA 1980, S. 547; ders., Schlussbericht, S. 409 ff.; ders., AT4 § 2/7; ders., Rechtsgüterschutz, S. 144 f.; Rudolphi, Rechtsgutsbegriff, S. 158, 164; ders., SK6 vor § 1/5; Santana Vega, Bienes jurídicos colectivos, S. 30 f., 43 ff.; Sax, JZ 1976, S. 11; Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 142 ff.; Stächelin, Strafgesetzgebung, S. 80 ff.; Sternberg-Lieben, Rechtsgut, S. 65 ff.; Tavares, RBCC 0 (1992), S. 78 ff. Umfassende Nachw. zu italienischen und spanischen verfassungsbezogenen Rechtsgutslehren bei G. Fernández, Bien jurídico, S. 50 ff. Auch ich hatte mich auf diesen Standpunkt gestellt, s. Greco, RBCC 49 (2004), S. 98; ders., Proteção de bens jurídicos, S. 406. Weitere Vertreter der Rechtsgutslehre, welche die Verfassung zumindest nicht ausdrücklich heranziehen, sind Abanto, Derecho Penal del Enemigo, S. 39 ff., 46 f.; Anastosopoulou, Deliktstypen, S. 291 ff.; G. Fernández, Bien jurídico, S. 126 ff., 141 ff., 144 (der von völkerrechtlich anerkannten Menschenrechten spricht); Freund, GA 1995, S. 5; Hormazábal, Bien jurídico, S. 151 ff. (Rückgriff auf eine marxistische Gesellschaftstheorie); Arthur Kaufmann, Gerechte Strafe, S. 431; ders., Jura 1986, S. 232; Kindhäuser, GA 1989, S. 496; ders., ZStW 107 (1995), S. 727; Moccia, Tutela de bienes, S. 114; Morillas Cueva, Función del derecho penal, S. 513, 520; Mir Puig, Introducción2, S. 122 ff.; Müller-Dietz, Pönalisierung, S. 108; Otto, GA 1981, S. 482. 469 Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 133. Auch Roxin, AT I4 § 2/120 stellt fest, die Rechtsgutslehre befinde sich in der Defensive. 467

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

zur Bestimmung des vom strafbewehrten Verhalten betroffenen Gegenstandes erwartet. Man hat allerdings die Theorie wesentlich verfeinert und ausdifferenziert, etwa im Sinne der personalen Rechtsgutstheorie Hassemers und Hohmanns, wonach alle Rechtsgüter, insbesondere alle kollektiven Rechtsgüter, auf das Individuum zurückführbar sein sollen, oder der dualistischen Rechtsgutstheorie von Tiedemann und Schünemann, deren Implikationen von Hefendehl mit dem gehörigen Mut zum Konkreten ausgearbeitet wurden.470 Seit der Zeit des Alternativ-Entwurfs lassen sich insbesondere zwei wesentliche Fortschritte erkennen, die tatsächlich nirgendwo besser zum Tragen kommen, als in der Arbeit Hefendehls, nämlich die die Rechtsgutstheorie entlastende Unterscheidung von Rechtsgut und Deliktsstruktur471 und die Einsicht, dass sich unter den herkömmlichen kollektiven Rechtsgütern zahlreiche Scheinrechtsgüter befinden, die nichts anderes sind, als terminologische Zusammenfassungen von Summen von Individualrechtsgütern.472 Dass sich am kriminalpolitischen Impetus, keine autonomiemissachtenden und sozial nutzlosen Kriminalisierungen zuzulassen, nicht viel geändert hat, zeugen die bereits erwähnten (S. 112) jüngeren kritischen Äußerungen Schünemanns zum Tatbestand der Tierpornographie, welcher seiner Meinung nach rechtsgutslos und illegitim ist. bb) Demgegenüber betrachten die weniger zahlreichen – aber durchaus beachtlichen473 – Vertreter der Rechtsverletzungslehre die Rechtsgutstheorie mit kritischen Augen. Man bestreitet nicht nur z. T. den geschichtlichen Anspruch 470 I. S. der personalen Rechtsgutslehre grundlegend Hassemer, Personale Rechtsgutslehre, S. 91 ff.; ders., ZRP 1992, S. 379; ders., Rechtsgut, S. 57; ferner Alcácer Guirao, Lesión, S. 72; Hohmann, GA 1992, S. 76 ff.; Kindhäuser, Rechtsgüterschutz, S. 35; Martos Nuñez, RDPC 1 (1991), S. 253; Mir Puig, Límites del normativismo, S. 339; Neumann, Personale Rechtsgutslehre, S. 84 ff.; Palazzo, RIDPP 1992, S. 462, 466 ff.; Roxin, Rechtsgüterschutz, S. 139; Silva Sánchez, Aproximación, S. 270 ff.; Santana Vega, Bienes jurídicos colectivos, S. 93 ff.; Stächelin, Strafgesetzgebung, S. 100; Sternberg-Lieben, Rechtsgut, S. 67 f.; Tavares, Injusto penal, S. 216 ff.; ders., Personale Rechtsgutslehre, S. 133 ff.; wohl auch Günther, Personale Rechtsgutslehre, S. 38 f. (trotz seiner Verteidigung der Theorie des Schutzes subjektiver Rechte, Nachw. in Teil D., Fn. 491); Zaffaroni/Pierangeli, Direito penal, Nr. 236. I. S. einer dualistischen Rechtsgutslehre Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 119 ff.; ders., Neuordnung S. 28; ders., JuS 1989, S. 691; ders., Wirtschaftsbetrug, S. XII; Kuhlen, ZStW 105 (1993), S. 704; Schünemann, GA 1994, S. 208 ff. (der die personale Rechtsgutslehre „atavistisch“ nennt, S. 209); ferner Amelung, Begriff des Rechtsguts, S. 157 f., 162; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 73; Figueiredo Dias, Crime, S. 63, 74; Anastosopoulou, Deliktstypen, S. 43; Greco, RBCC 49 (2004), S. 104 f.; ders., Proteção de bens jurídicos, S. 407; Bello, Perspectivas, S. 160. 471 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 5 ff., 147 ff.; wichtig auch Wohlers, Deliktstypen, S. 278, 281 ff.; ders., Rechtsgutsskeptiker, S. 282. Ähnlich Stächelin, Strafgesetzgebung, S. 55 ff. 472 So Roxin, AT I4, § 2/79; Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 149; ders., Paradigmenwechsel, S. 26 ff.; ders., Ultima ratio, S. 26; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 139 ff.; Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 88. In dieselbe Richtung, aber mit unterschiedlicher Begründung Amelung, Begriff des Rechtsguts, S. 171 ff.; vgl. schon früher Binding, Normen I, S. 351 ff.

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der Rechtsgutstheorie, das Erbe der strafrechtlichen Aufklärung darzustellen.474 Man weist vielmehr auch darauf hin, dass die Rechtsgutslehre einen Teil der Verantwortung für die moderne Kriminalisierungswelle trage, da die Reformen etwa des Wirtschafts- und des Umweltstrafrechts unter der Flagge des Schutzes neuerer kollektiver Rechtsgüter stattfanden. Die Rechtsgutslehre sei nicht in der Lage, den Umfang der Strafbarkeit kritisch zu hinterfragen, denn alle positiv gegebenen Straftaten ließen sich als Rechtsgutsverletzungen oder -gefährdungen verstehen.475 Nicht einmal gegen ein Rechtsgut der öffentlichen Ordnung könne die Rechtsgutslehre etwas einwenden.476 Aber nicht nur der Entmaterialisierungsgefahr sei die Rechtsgutstheorie ausgesetzt. Bedenken errege insbesondere auch ihre Tendenz, immer weitgehendere Vorverlagerungen, insb. in Form von abstrakten Gefährdungsdelikten, theoretisch zu legitimieren.477 Ihr ursprünglich strafbarkeitsbegrenzendes Anliegen habe die Rechtsgutstheorie spätestens seit der Entwicklung nach der Reform des Sexualstrafrechts verraten, so dass nur eine Rückkehr zur Rechtsverletzungstheorie, insb. nach dem Vorbild Feuerbachs, erfolgsversprechend erscheine. Diese Lehre nämlich sei streng individualbezogen, sie erfasse „wirklich (nur) das schwere Unrecht gegen die Person und den Staat“,478 so dass verschwommene kollektive Rechtsgüter vor ihr keine Überlebenschance hätten;479 und sie stelle nicht auf eine kaum bestimmbare Beeinträchtigung ab, sondern auf die Verletzung, so dass abstrakte Gefährdungsdelikte vor ihr unter besonderen Rechtfertigungsdruck gerieten. Gelegentlich stellt man sogar die Liberalisierungsleistung der Rechtsgutslehre in Frage: der verschwommene Begriff des Rechtsguts könne moralisierende und tabuschützende Vorschriften viel leichter bergen als der Begriff des subjektiven Rechts.480 473 Stächelin, Strafgesetzgebung, S. 45, stellt eine „erstaunliche Renaissance“ der Rechtsverletzungslehre fest. 474 Siehe Nachw. unten S. 318 f. 475 Naucke, Vergeltungsstrafrecht, S. 81. 476 E. A. Wolff, Kriminalunrecht, S. 148. 477 Vormbaum, ZStW 107 (1995), S. 752; Maier-Weigt, Materialer Verbrechensbegriff, S. 124 f. 478 Naucke, Aushöhlung, S. 486; ähnlich ders., KritV 1993, S. 137; ders., Zerbrechlichkeit, S. 414 f. 479 Naucke, KritV 1993, S. 137 f.; sehr deutlich ders., Zerbrechlichkeit, S. 415; ähnlich Haas, Kausalität und Rechtsverletzung, insb. S. 82 f. 480 Vor allem Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 70 f. Auch im Sinne der Rechtsverletzungslehre Harzer, Unterlassene Hilfeleistung, S. 103; Köhler AT, S. 24 f. (Rechtsgut als noch unklarer „Mittelbegriff“); Kühl, Bedeutung der Rechtsphilosophie, S. 32; Maier-Weigt, Materialer Verbrechensbegriff, S. 21; Naucke, Leblose Vorschrift, S. 132; Nugel, Bagatellprinzip, S. 153 ff.; Renzikowski, GA 2007, 568; Scheerer, EuS 12 (2001), S. 74. Vgl. noch Vormbaum, ZStW 107 (1995), S. 752; wohl auch Rath, Rechtfertigungselement, S. 362 ff.; Annäherung bei Kargl, Rechtsgüterschutz durch Rechtsschutz, S. 62. Im angelsächsischen Raum verläuft Ripsteins Ablehnung des Harm-Principles zugunsten des von ihm sog. Sovereignity-Principles parallel (Philosophy & Public Affairs 34 [2006], S. 215 ff., 229 ff.).

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cc) Schon vorab ist ferner auf eine Besonderheit des Streites aufmerksam zu machen: darauf, dass er überwiegend nur von der Mindermeinung, nämlich von den Vertretern des Rechtsverletzungsgedankens, als solcher wahrgenommen wird. Wenn seitens der Rechtsgutstheorie überhaupt etwas dazu geäußert wird, scheint sie die Rechtsverletzungslehre als eine interne Variante anzusehen und die Unterschiede weitgehend als solche terminologischer Art zu betrachten.481 Da man aber von einem wissenschaftlichen Streit schon dann sprechen darf, wenn eine Partei die Geltungsansprüche der anderen in Frage stellt, muss man nicht darauf warten, bis sich die Rechtsgutstheorie zur Rechtsverletzungslehre kritisch äußert und Stellung zu ihr bezieht. Dennoch erscheint es ratsam, vor der Streitschlichtung einige die Diskussion belastende Missverständnisse zu klären. d) Beide Parteien verzichten häufig nicht darauf, sich auch durch ein rechtsgeschichtliches Argument zu legitimieren, nämlich das der Kontinuität seit der strafrechtlichen Aufklärung. An diesem rechtsgeschichtlichen Streit nehmen aber nicht nur Vertreter beider Parteien teil, sondern auch neutrale Dritte, wie insbesondere Amelung, der eine Sozialschädlichkeitslehre vertritt. Da es jetzt um die allgemeinere Überprüfung dieses rechtsgeschichtlichen Arguments geht, werden auch Stimmen berücksichtigt, die sich nicht unmittelbar mit dem hier zu entscheidenden Streit befassen. aa) Nach der herrschenden Kontinuitätsthese ist die heutige Rechtsgutstheorie direkte Nachfolgerin der liberalen Lehren der Aufklärungszeit. Man stellt zunächst fest, dass das Wort „Rechtsgut“ im 18. Jahrhundert noch nicht gebraucht wurde. Immerhin aber glaubt man, dass Begrifflichkeiten wie „Schutz eines subjektiven Rechts“ oder „sozialer Schaden“ das gleiche Anliegen verfolgten wie die heutige Rechtsgutstheorie, nämlich das einer Liberalisierung des Strafrechts und eines Rückzugs aus dem Bereich des rein Moralischen. Sowohl zur Zeit des Nationalsozialismus, als auch in der Nachkriegszeit, insbesondere bei Jäger und der AE-Bewegung, sah man die Kontinuitätsthese als eine keiner besonderen Begründung bedürftige These an.482 Erst seit der Herausforderung 481

Eine Ausnahme bildet hier Stächelin, Strafgesetzgebung, S. 45 ff. Unter den Nationalsozialisten Schaffstein, DStR 1935, S. 98 f. („rein begriffslogisch begründete Modifikation“); ders., Pflichtverletzung, S. 112; Rauch, Klassische Strafrechtslehre, S. 43 („terminologische Abwandlung“); in der Nachkriegszeit Jäger, Sittlichkeitsdelikte, S. 6 ff.; Roxin, Franz v. Liszt, S. 42 f., insb. S. 43 Fn. 44; Rudolphi, Rechtsgutsbegriff, S. 154 f.; wichtig die dogmengeschichtliche Untersuchung von Sina, Rechtsgut, S. 10 ff., 20 f., vor allem 25 ff.; heute etwa D’Ávila, Ofensa, S. 80; Ferrajoli, Diritto e Ragione, S. 470; Hassemer, Theorie, S. 29; ders., ZStW 87 (1975), S. 156 (gegen die von Amelung errichtete „falsche Trennwand zwischen Aufklärung und Rechtsgutsgedanken“); ders., Einführung2, S. 24; ders., Personale Rechtsgutslehre, S. 87; ders., Rechtsgut, S. 58; Molina Fernández, Antijuridicidad penal, S. 120 Fn. 10; Roxin, AT I4, § 2/8, 51, 122; ders., Rechtsgutsbegriff, S. 138. Nicht selten geht man so weit, Feuerbach zum Schöpfer der Rechtsgutslehre zu erklären: so Schwinge/Zimmerl, Wesensschau, S. 62; Hassemer, Einführung2, S. 24; Herzog, Grenzen der Wirksamkeit des Strafrechts, S. 252. 482

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Amelungs, auf dessen Ansicht gleich einzugehen ist, sehen sich einige Autoren veranlasst, eingehend im Sinne der Kontinuitätsthese zu argumentieren.483 bb) Demgegenüber behauptet die von Amelung am gründlichsten begründete Diskontinuitätsthese, dass zwischen der Rechtsgutstheorie und dem aufklärerischen Liberalismus eine Kluft liege.484 Amelung bezieht sich insbesondere auf die Erwägungen desjenigen, der erstmals von einem geschützten „Gut“, statt einem geschützten Recht sprach, nämlich Birnbaums, und stellt zunächst einmal fest, dass sich Birnbaums Kritik an der Rechtsverletzungslehre Feuerbachs gerade gegen deren liberale Züge richte. Feuerbachs Lehre vom Schutz subjektiver Rechte biete nach Birnbaum keinen Platz für Religions- und Sittlichkeitsdelikte. Nur das Verständnis des geschützten Gegenstands als Beeinträchtigung eines „Gutes“, und nicht bloß eines „Rechts“, könne hier weiterhelfen.485 Amelung betont ferner, dass die aufklärerischen Lehren dem individualistischen Modell des Sozialvertrags verpflichtet waren, von dem bei Birnbaum, der im 19. Jahrhundert, also zu Zeiten Hegels, der Romantiker, der historischen Rechtsschule und insbesondere der Restauration schrieb, keine Spur mehr zu sehen gewesen sei.486 Interessanterweise bildet gerade das Bestreiten dieser rechtsgeschichtlichen Kontinuität einen wesentlichen Grund für die Ablehnung der Rechtsgutstheorie durch Amelung und für ihre Ersetzung durch seine Sozialschädlichkeitslehre. Den geschichtlichen Ausführungen Amelungs haben sich einige andere Autoren angeschlossen.487 E. A. Wolff und vor allem Naucke sehen die Diskontinuität an anderer Stelle – und ihre These ist insbesondere deshalb wichtig, weil sie einen Grund bedeuten könnte nicht nur dafür, die Rechtsgutstheorie fallen zu lassen, wie es Amelung tut, sondern auch dafür, sich zur Feuerbach’schen Rechtsverletzungslehre 483 Vor allem Frommel, Präventionsmodelle, S. 157 f. und Schünemann, Rechtsgüterschutz, S. 138 ff. I. S. einer Kontinuität zwischen der Sozialschädlichkeitslehre Beccarias und Hommels und Feuerbachs Lehre Cattaneo, Hommel, S. 120 f. 484 Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 39 ff., 49; ders., Rechtsgutsverletzung, S. 269 ff.; ders., Birnbaums Lehre, S. 354 ff.; zusammengefaßt ders., Begriff des Rechtsguts, S. 159 f.; ferner Amelung/Lorenz, Mensch und Person, S. 529. Ein Vorgänger war hier Klee, DStR 1936, S. 11 f. 485 Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 44. 486 Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 38, 48 f. 487 K. Günther, Pflichtverletzung, S. 451 f.; Haas, Kausalität und Rechtsverletzung, S. 59 ff.; Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 13 f.; Pérez del Valle, InDret 4/2006 Nr. 379, S. 3; Vogel, GA 2002, S. 530; ders., Nationalsozialismus, S. 102; Vormbaum, ZStW 107 (1995), S. 752; ders., Einführung, S. 55 ff.; wohl auch Hirsch, Neue Kriminalitätsformen, S. 15, der den Bruch mit der angeblich nur individualbezogenen Rechtsverletzungslehre für einen Fortschritt der Rechtsgutslehre hält; auch die Vertreter der Rechtsgutslehre, in Spanien vor allem unter dem Einfluss von Mir Puig, Introducción2, S. 112 f.; s. Alcácer Guirao, Lesión, S. 71; García-Pablos, Introducción4, S. 544 f.; Hormazábal, Bien jurídico, S. 32; G. Fernández, Bien jurídico, S. 81 Fn. 392.

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zu bekennen. Während Amelung eine Diskontinuität zwischen einer (aufklärerischen) Sozialschadenslehre und einer (restaurativen) Rechtsgutslehre behauptet, meint Naucke, die Diskontinuität liege zwischen der Rechtsverletzungslehre und allen Lehren, die von einem sozialen Schaden oder einer Beeinträchtigung eines Gutes sprachen.488 Der Rechtsverletzungslehre sei es eigen, dass es im Strafrecht um den Schutz der Freiheit geht: „Verbrechen ist in diesem Zusammenhang Angriff auf grundlegende Menschenrechte“.489 Die Abwendung von der Rechtsverletzung, die seit Birnbaums Lehre vom Güterschutz am deutlichsten wurde, aber schon in den Sozialschädlichkeitslehren ihre Vorgänger hatte, bedeute zugleich eine Politisierung des Strafrechts, seine Instrumentalisierung im Dienste der Staatsräson: jetzt sei die Macht befugt, über die Grenzen des Strafbaren nach Belieben zu verfügen.490 „Die ursprünglichen Versuche, das Recht von der Freiheit aus zu begründen, waren wieder verloren“.491 Nicht zuletzt deshalb sei eine dezidierte Rückkehr zur Rechtsverletzungslehre der richtige Weg. cc) Jetzt geht es in erster Linie nicht darum, den Streit zu entscheiden, sondern eher darum, Klarheit zu schaffen. Wenn man versucht, im rechtsgeschichtlichen Streit Stellung zu beziehen, dann erscheint diese Aufgabe tatsächlich schwierig. Denn die Quellen sind mehrdeutig, und wenn man sie unbefangen liest, findet man Belege in beide Richtungen. (1) Im Sinne der Kontinuitätsthese könnte man zunächst Textstellen anführen, die verdeutlichen, wie wenig die von Naucke behaupteten Differenzen zwischen Sozialschaden und Rechtsverletzungslehre von damaligen Autoren empfunden wurden. So schreibt Hommel: „Beccaria, mit Beifall der großen Welt, hat dieses ganze Buch deswegen schreiben müssen, worinnen er beweist, daß, wo niemand 488 Naucke, Materieller Verbrechensbegriff, S. 275 f.: „Im Prinzip besteht zwischen Beccaria, v. Liszt und Frank beim materiellen Verbrechensbegriff kein Unterschied.“ Anders – sehr ähnlich wie Amelung – Naucke, KritV 1993, S. 137 f. 489 Naucke, Materieller Verbrechensbegriff, S. 280 (Zitat); ferner ders., Kants Straftheorie, S. 72, 75: „. . . nur schwere vorsätzliche Verletzungen der Freiheit und Würde der Person“; ders., Wechselwirkung, S. 195; ders., Analogieverbot, S. 322; ders., Zerbrechlichkeit, S. 414; ders., KritV 1993, S. 137: „Freiheitsverletzungen sind Verbrechen“; zust. Harzer, Unterlassene Hilfeleistung, S. 101; s. auch E. A. Wolff, Kriminalunrecht, S. 140 ff. 490 Naucke, Materieller Verbrechensbegriff, S. 281 f.; ders., KritV 1993, S. 138 („theoretisch unaufwendiger strafpolitischer Pragmatismus“); ders., ARSP-Beiheft 87 (2003), S. 47; ders., Quaderni Fiorentini XXXVI (2007), S. 336; ders., Funktionstüchtigkeit, S. 115. 491 E. A. Wolff, Kriminalunrecht, S. 149. Ähnlich auch die Nachzeichnung von Maier-Weigt, Materialer Verbrechensbegriff, S. 123 ff.; Haas, Kausalität und Rechtsverletzung, S. 61 ff. (Rechtsgutslehre als kollektivistisch-etatistisch); K. Günther, Diskursethische Begründung, S. 209 f.; ders., Pflichtverletzung, S. 452 (Rechtsgutslehre als konsequentialistisch, Rechtsverletzungslehre als deontologisch); Pott, KritV 82 (1999), S. 95 ff. (Rechtsgutslehre als zweckorientiert, unbestimmt und politisiert), 111 ff.; Vormbaum, ZStW 107 (1995), S. 752; ders., Einführung, S. 61 f.

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beleidigt wird, daß, wo kein Schaden erfolgt ist, die Tat kein Verbrechen genannt werden kann“.492 Beleidigung bedeutete damals die Verdeutschung von iniuria, also von Rechtsverletzung. Kant selbst spricht von den öffentlichen Verbrechen als denen, die „das gemeine Wesen und nicht bloß eine einzelne Person gefährden“493 – womit er zu erkennen gibt, dass er zwischen Verletzungen subjektiver Rechte und Sozialschädlichkeit nicht unterscheidet. Auch der Kantianer Bergk definiert Verbrechen als „jede Handlung, welche der Person des Andern den Genuß irgend eines Rechtes, welches zu seiner Existenz als Staatsbürger gehört, nicht nach dem Gesetze der allgemeinen Freyheit, sondern ohne Einwilligung desselben entzieht, und also das gemeine Wesen gefährdet“.494 Stürzer erläutert die von ihm entschieden vertretene Rechtsverletzungslehre mit einem Satz, der ebenfalls für diese Identifizierung spricht: „Da wo dem Staate oder dessen Bürger kein Recht geraubt wird, da, wo die öffentliche Sicherheit (dessen Erhaltung das einzige Ziel des Staates ist) nicht beeinträchtigt wird, da hören alle Funktionen der Strafgesezgebung auf“.495 Gegen Amelung, der einen Weltunterschied zwischen Rechtsgutslehre und Sozialschädlichkeitslehre postuliert, und gegen Naucke, der beide miteinander identifiziert und der Rechtsverletzungslehre gegenüber stellt, lassen sich mehrere Stellen damaliger Strafrechtler anführen, die belegen, dass hier um einiges übertrieben wird und dass man schon längst vor Birnbaum das Wort „Gut“ gebrauchte. So definierte Aschenbrenner 1802 Verbrechen als „einen freyen thätlichen Eingriff in die Persönlichkeit oder das Gut eines andern“,496 womit er schon vor Birnbaum das Wort „Gut“ gebraucht, freilich aber eher in einer wirtschaftlichen Bedeutung oder zumindest als Grenzbegriff zu dem der „Persönlichkeit“. Am deutlichsten aber drückt sich Gros 1805 in seinem Lehrbuch des Naturrechts aus: „Schade überhaupt ist die Verschlimmerung des Zustandes eines Menschen; Schade im rechtlichen Sinne ist die Verschlimmerung des Zustandes eines Menschen durch Rechtsverletzung. Der Zustand eines Menschen wird verschlimmert durch den totalen oder partiellen Verlust eines Guts“.497 Oersted, der dänische Anhänger Feuerbachs, sagt, Verbrechen seien Handlungen, die „entweder nemlich . . . eine Verlezung oder doch den Versuch einer gegen Jemanden in Ansehung des Beseitzes eines von der Gesammtheit ihm ver492

Hommel, Vorrede, S. 16. Kant, Metaphysik der Sitten, A 196/B 226. Hierin erblickt richtig Hepp, Darstellung I2, S. 77, 91, 93 einen Einbruch konsequentialistischer Erwägungen in Kants deontologische Straflehre. 494 Bergk, Philosophie des peinlichen Rechts, S. 32 (Zitat), S. 60 f., 66 ff., 72 („widergesetzliche Handlung, welche jemand den Genuß eines Rechtes raubt und dadurch nicht bloß die Privat- sondern auch die öffentliche Sicherheit in Gefahr setzt“), 80. 495 Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 118 f. 496 Aschenbrenner, ArchCrimR Bd. IV St. III (1802), S. 87. 497 Gros, Naturrecht2, § 96. 493

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bürgten Gutes; oder sie eröffnet bloß die Gelegenheit zu solchen Rechtsverletzungen“.498 Und Röder, der 1846 die Überwindung der kantischen Grenzziehung von Legalität und Moralität für „unstreitig“ erklärt,499 spricht von einem „Wirrbegriffe von Recht“, wonach das Verbrechen nur die „Verletzung eines Rechts (als Beschädigung eines äußeren rechtlichen Guts verstanden) durch unsittlichen Willen“ sei.500 Gegen Amelungs Argument, dass die Rechtsgutslehre restaurative i. S. von antiindividualistischen Züge habe, könnte man eine Stelle Birnbaums selbst zitieren, die nachweist, dass er sich sowohl gegen den Kollektivismus der Sozialschädlichkeitslehre stellt, als auch den individualistischen Strang der Rechtsverletzungslehre zu bewahren sucht: „Insbesondere könnte die Annahme der Gemeingefährlichkeit als das Wesentliche eines jeden Verbrechens leicht zu der Ansicht führen, als läge z. B. die Pflicht der Staatsgewalt, den Mord zu strafen, weniger in der Verpflichtung derselben, das Leben zu schützen, als vielmehr in der Verpflichtung, den Staat als ein Ganzes zu erhalten. Es könnte demnach das Ansehen gewinnen, als wollte man sagen, die Menschen seyen nur vorhanden, damit der Staat bestehe, anstatt den Staat den Interessen der Menschen wegen nothwendig anzunehmen“.501 Eine Kontinuität zum behaupteten Individualismus der frühen Rechtsverletzungslehre scheint insofern gegeben zu sein. Das wichtigste Argument für die Kontinuitätsthese ist aber dasjenige, was viele sowohl unter den liberalen Vertretern als auch unter den illiberalen Gegnern der Rechtsgutslehre in den Vordergrund stellten, nämlich der Konsequentialismus, der hinter beiden Theorien, der Rechtsguts- und der Rechtsverletzungslehre, steht.502 Von anderen eventuellen Unterschieden abgesehen, wollen beide Theorien dem Staat erst dann die Legitimität zuerkennen, Handlungen von Bürgern zu verbieten, wenn diese Handlungen schlechte Folgen, sei es für Güter oder Rechte anderer, hervorrufen können. M. a.W.: Die Tatsache, dass be498

Oersted, Grundregeln, S. 98. Röder, Besserungsstrafe, S. 12 (Zitat); ders., NArchCrimR 1850, S. 413. 500 Röder, Besserungsstrafe, S. 29. 501 Birnbaum, NArchCrimR 1834, S. 180. Diese Stelle wird auch von Sina, Rechtsgut, S. 27 zur Begründung der Kontinuitätsthese zitiert. Interessanterweise war das gerade der Haupteinwand gegen Amelungs Versuch, wieder an die Sozialschädlichkeitslehre anzuknüpfen, s. die Nachw. oben Teil D., Fn. 437. 502 Zwar ist die Meinung geäußert worden, nur die Rechtsgutslehre sei konsequentialistisch, die Rechtsverletzungslehre dagegen deontologisch [siehe Teil D., Fn. 491; ferner J. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), S. 227]. Das beruht aber wohl darauf, dass man aufgrund einer Begriffsverwirrung übersieht, dass die Beachtung subjektiver Rechte auch gute Zustände darstellen kann, welche die konsequentialistische Theorie zu maximieren sucht (man siehe auch die hier zugrundegelegte Definition des Konsequentialismus oben S. 120 in Teil C., Fn. 62). Daran ändert sich nichts, wenn man sagt, die Garantie der äußeren Freiheit werde nur als Mittel der Möglichkeit sittlichen Handelns vom Staat geschützt (so Naucke, Einfluss Kants, S. 145). Es geht immer noch um einen Konsequentialismus subjektiver Rechte. 499

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stimmte Handlungen gegen kategorische Moralimperative verstoßen oder sich nicht in das Bild eines gelungenen, bewunderungswürdigen Lebens einordern lassen, ist noch kein Grund, diese Handlungen für verboten zu erklären. Damit wird sowohl deontologischen, als auch tugendethischen Begründungen des Unrechts eine Absage erteilt, so dass – man wird sich an die obigen Überlegungen zum Verhältnis von Recht und Moral noch erinnern [oben C. II. (S. 124 ff.)] – die Rechtsguts- und die Rechtsverletzungslehre eine Ablehnung des Individualmoralismus im Strafrecht implizieren. (2) Gegen die Kontinuitätsthese lassen sich nicht nur die tatsächlich von Amelung mustergültig herausgearbeiteten moralisierenden Anliegen Birnbaums anführen,503 sondern auch gewichtige weitere Erwägungen, die vor allem auf das Selbstverständnis der Autoren der Restauration hinweisen. Schon eine oberflächliche Lektüre der Werke des einsetzenden 19. Jahrhunderts vermittelt den Eindruck, dass man mit der Rechtsverletzungslehre unzufrieden war, da sie zu individualistisch, zu liberal sei. Der Staat sei kein Vertrag, sondern ein Ganzes, ein lebendiger Organismus;504 und Moral und Religion seien an sich wertvolle Gegenstände, die deshalb einen legitimen Gegenstand strafrechtlicher Verbotsnormen bildeten.505 Man kann wohl sagen, dass Birnbaums Beitrag kaum mehr war, als das Bemühen, das allgemein geteilte Empfinden hinsichtlich der Unzulänglichkeiten der Aufklärung durch den Begriff des Gutes jetzt auch rechtswissenschaftlich zu kanalisieren. Das war vermutlich der Grund, wieso er weitgehend unbeachtet blieb: Das, war er sagte, war seit über einem Jahrzehnt allen bekannt.506 503

Birnbaum, NArchCrimR 1834, S. 160 f., 178. Etwa v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 80 ff. (1808); Henke, Strafrechtstheorien, S. 87 ff. (1811) und Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 181 f.; zum Eingang der Organismusmetapher in die Staatstheorie des frühen 19. Jahrhunderts Stübinger, Schuld, Strafrecht, Geschichte, S. 84 f. m. w. Nachw. 505 Etwa Abegg, NArchCrimR 1850, S. 164 ff.; Berner, Lehrbuch1, S. 15: Staat als „sittliche Nothwendigkeit“ und „Selbstzweck“; Köstlin fängt sein System mit folgenden Satz an: „Das Recht ist eine Form der Sittlichkeit“ (S. 1); siehe auch ders., Neue Revision, S. 21 (Recht als „Form der Sittlichkeit“), 22 (Kritik an der Rechtsphilosophie der früheren Generation, die in eine „traurige stiefschwesterliche Stellung zur Moral trat“), S. 24 (Staat als „sittliche Weltordnung“), S. 141 (Trennung von Recht und Moral als „jenes ganze Fundament des Polizeistaats“). 506 Vor Birnbaum gegen die Rechtsverletzungslehre: Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 93 (Verletzungen „gemeiner Wohlfarth“ seien von der Rechtsverletzungslehre nicht erfassbar), S. 172.; Lauk, NArchCrimR 8 (1826), S. 76 ff., 86 ff.; Jarcke, Handbuch I, S. 101 f.; ders., Handbuch II, S. 11 f. und Fn. 15; Bauer, NArchCrimR 1827, S. 445 ff.; ders., Warnungstheorie, S. 166; Mittermaier, Grundfehler, S. 32 Fn. *; ders., Criminalgesetzebung, S. 24 f.; Roßhirt, Entwickelung, § 55 ff. (S. 332 ff.); Abegg, NArchCrimR 1830, S. 620 ff.; ders., NArchCrimR 1834, S. 96 (anhand des Beispiels der Tierquälerei); Mittermaier, NArchCrimR 1834, S. 71. Auf die letzten zwei Autoren weist Birnbaum, NArchCrimR 1834, S. 155 Fn. 17 selbst hin. Nach Birnbaum, ohne ihn überhaupt zu zitieren, Abegg, Strafrechtstheorieen, S. 38 f. (Fn. 32), 54; ders., Lehrbuch, S. 10; ders., NArchCrimR 1841, S. 480 f.; Luden, Tath504

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(3) Alles in Allem scheinen beide Seiten des Streites gute Gründe vorlegen zu können, wobei zuzugeben ist, das mehr für die Kontinuität sprechen dürfte. Die schwierige Lösbarkeit des rechtsgeschichtlichen Problems könnte aber die Fragestellung nahe legen, ob es tatsächlich zu lösen ist – und ob es nicht vielmehr als Problem aufzulösen ist. Keine Partei scheint zu verkennen, dass die rechtsgeschichtliche Einkleidung des Problems tatsächlich eine Einkleidung darstellt, dass es in Wahrheit nicht um ein Wissen über die Vergangenheit geht, sondern um die Entscheidung eines heutigen wissenschaftlichen Streits:507 Die eigene Position soll zusätzlich zu allem, was sonst noch dafür vorzubringen ist, als Erbe der Aufklärung vorgestellt werden. Hier sieht man in aller Deutlichkeit die stillschweigend (oft aber auch explizit) von allen am Streit beteiligten Parteien akzeptierte Prämisse, die für den Streit als einem rechtsgeschichtlichen Streit sogar konstitutiv ist, nämlich, dass die Aufklärung insgesamt individualistisch-liberal sei, und dass das pedigree der Aufklärung eine Gewähr für Liberalität anbieten könne. Diese Prämisse ist aber – entgegen der insbesondere unter Strafjuristen aus verständlichen Gründen allgemein verbreiteten Ansicht – weitgehend unzutreffend. Die moderne Aufklärungsforschung hat nicht nur, wie wir oben sahen (B. III. [S. 89 ff.]), das Bild der Aufklärung als eines rationalistischen Zeitalters revidiert. Auch die globale Einschätzung der Aufklärung als individualistisch wird zunehmend als Pauschalisierung erkannt. Die Aufklärungsforschung im 20. Jahrhundert scheint allgemein mehrere Phasen durchlaufen zu haben, die man,

bestand, S. 169 ff.; Preuschen, NArchCrimR 1841, S. 297 f.; Stahl, Philosophie des Rechts II/2, S. 531 f.; Berner, NArchCrimR 1849, S. 456 ff., 462 f. (Religionsdelikte); Abegg, NArchCrimR 1850, S. 164 f.; Bekker, Theorie des Strafrechts I, S. 103 ff., der die Lehre vom Verbrechen als Pflichtverletzung vorwegnimmt (S. 107); siehe ferner Hepp, Darstellung II/12, S. 2, 135, 188, 293 ff. aus der Perspektive einer Sozialschädlichkeitslehre. Dieser Kritik auch ohne Erwähnung Birnbaums zustimmend R. Schmidt, GS 81 (1913), S. 253 ff. Zu den wenigen, die Birnbaum zur Kenntnis nehmen, gehört Köstlin, Neue Revision, S. 26 – der seine Kritik der Rechtsverletzungslehre von ihm weitgehend unabhängig entwickelt (S. 25 ff., 41 ff.). Um nicht von den Versuchen zu sprechen, die Rechtsverletzungslehre von innen aus zu sprengen, etwa Wächter, Lehrbuch I, der die Rechtsverletzungslehre für allgemein anerkannt und den Streit für ein Missverständnis erklärt (§ 48), u. a. Feuerbachs Folgerung mit der Begründung ablehnt, sie stimme nicht mit dem geltenden Recht überein (§ 62); und Heffter, Lehrbuch, § 415 ff., 427 ff., der sowohl Religions- als auch Sittlichkeitsdelikte als Rechtsverletzungen konzipierte, nämlich erstere als Verstösse gegen Rechte des Staates oder der Staatsangehörigen, letztere als Verletzungen des „Rechts des Staates auf Erhaltung der äußeren Sitte und Zucht, so wie das Recht einzelner auf ein sittliches Verhalten Andrer“! Zu dem interessanten Versuch Droste-Hülshoffs, Sittlichkeitsdelikte allgemein als mittelbare Rechtsverletzungen zu konzipieren, s. unten S. 345). 507 Man hat es hier mit einer Instanz des von Stübinger, Schuld, Strafrecht, Geschichte, S. 31, 34 ff. festgestellten „historischen Pragmatismus“ zu tun, wonach man Geschichte nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Gewinnung von Argumenten für Gegenwart und Zukunft erforscht.

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sehr grob vereinfachend, wie folgt beschreiben könnte: Im Banne des Idealismus, insbesondere Hegel’scher Prägung,508 hatte man ein negatives Bild der „vielgeschmähten Aufklärung“;509 sie sei individualistisch, naiv, rationalistisch,510 ein Bild, das bis heute in konservativen Kreisen weiter lebt.511 Auch im Strafrecht spiegelte sich diese Ansicht wieder: Zwar beriefen sich die Modernen, vor allem v. Liszt, anfänglich auf das Erbe der Aufklärung,512 was aber mit dem Niedergang der Weimarer Republik sofort umkippte.513 Selbstverständlich teilten nationalsozialistisch orientierte Strafrechtler dieses negative Bild ebenfalls zur Gänze,514 und es wurde weitergegeben an die Autoren, welche die rassischen Elemente des Nationalsozialismus fallen ließen, die völkischen, d.h. die gemeinschaftsbezogenen, aber aufrechterhielten. 515 In einer nächsten Phase, insbesondere nach dem 2. Weltkrieg, entsann man sich wieder der Gefahren des Kollektivismus. Das Bild der Aufklärung als individualistisch, naiv, rationalistisch blieb erhalten, nur kehrte man die Vorzeichen um, so dass man diese Eigenschaften entweder als Vorzüge ansah (insbesondere den Individualismus) oder zumindest für sympathiewürdig hielt (insbesondere die Naivität und den Rationalismus).516 Peter Gay beginnt zwar sein Buch mit einer Zurückweisung der Vereinfachungen sowohl von Rechts, als auch von Links,517 und in seiner Suche nach der einheitlichen Aufklärung versucht er, die Schwerpukte der Bewegung gelegentlich anders zu setzen.518 Jedoch hat er 508 Zur Geringschätzung der Aufklärung bei Hegel vgl. seine Geschichte der Philosophie III, S. 306 ff. („Verkommen des Denkens“, S. 306). 509 Ausdruck von Dilthey, Friedrich der Große, S. 1354. 510 Z. B. Gehlen, Moral und Hypermoral, S. 102: Aufklärung zerreiße den Menschen von den Institutionen, denen er verbunden sei. Einiges davon auch bei Dilthey, Friedrich der Große, S. 131, 135 und Troeltsch, Die Aufklärung, S. 339. 511 Etwa der Kommunitarist MacIntyre, After Virtue, S. 36 ff.; H. Baier, Nietzsches ,neue Aufklärung‘, S. 288; Chargaff, Traum der Vernunft, S. 213 ff. Der noch dem Liberalismus verpflichtete Talmon, Totalitarian Democracy, S. 28 ff., 38 ff. führte in der Nachkriegszeit die von ihm sog. totalitäre Demokratie auf Denker der französischen Aufklärung wie Helvetius, Holbach und Rousseau zurück. 512 v. Liszt, Zukunft des Strafrechts, S. 23 f. 513 Eine solche Distanzierung zur Aufklärung bei Eb. Schmidt, Kulturkrise, S. 6 ff.; ders., SchwZStr 45 (1931), S. 211 f., 213 f., 218. 514 Statt aller nur Dahm/Schaffstein, Liberales oder autoritäres Strafrecht, S. 3; Dahm, Gemeinschaft und Strafrecht, S. 12 f. (auch mit einer Aufwertung des Mittelalters); ders., ZStaW 95 (1935), S. 299; Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 13 ff., 46 f.; Larenz, ZfdKP 2 (1935), S. 27; Schwinge/Zimmerl, Wesensschau, S. 64, die vom „Geist des Liberalismus, Individualismus und Rationalismus“ sprechen. 515 Etwa Hardwig, ZStW 68 (1956), S. 17 ff., mit seiner Unterscheidung vom Strafrecht der Gesellschaft und dem der Gemeinschaft. 516 Ähnliche Einschätzung der Aufklärungsforschung bei Schneiders, Die wahre Aufklärung, S. 7 ff. 517 Gay, Modern Paganism, S. IX. 518 Gay, Modern Paganism, S. X, 3 f., etwa S. 130 (Kritik als zentrales Merkmal).

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für Gedanken, die das Schema sprengen, wenig Verständnis519 und meint sehr pauschal: „Enlightenment politics is modern liberal politics“.520 Cobban sieht in der Wiederanknüpfung an Moralprinzipien der Aufklärung die einzige Alternative zu totalitären Irrationalismen,521 und Oelmüller begreift die Aufklärung als einen Beitrag zur Weiterführung einer unabgeschlossenen Freiheitsgeschichte, auf die man sich wieder besinnen sollte.522 Auch viele Bücher der 70er- und 80er-Jahre und Tagungen, die neben Gelegenheitsaufsätzen und Sonntagsreden gelegentlich durchreflektierte Abhandlungen hervorbringen, sind allgemein diesem Aufklärungsbild verpflichtet.523 Unter Juristen scheint man bis heute diese Phase der Aufklärungsforschung nicht überwunden zu haben. In Italien versucht eindrucksvoll Ferrajoli, im Rechtsdenken der Aufklärung nach den Grundlagen des rechtsstaatlichen Strafrechts zu suchen und diese nach dem heutigen Stand von Erkenntnistheorie, Ethik und politischer Philosophie neu zu konzipieren;524 und in Deutschland entwickelt zum einen Amelung seine systemtheoretische Sozialschädlichkeitslehre als Versuch, eine Idee der Aufklärungszeit in eine moderne Sprache, nämlich die der Systemtheorie, zu übersetzen,525 zum anderen schwärmen einige Frankfurter Strafrechtler für das von ihnen sog. klassische im Gegensatz zum modernen Strafrecht.526 Am klarsten sieht man die gewandelte Einschätzung beim vielleicht einflussreichsten Strafrechtshistoriker des 20. Jahrhunderts, Eb. Schmidt, der trotz seiner in den 30er Jahren geäußerten Ableh519 Gay, Modern Paganism, S. 427 ff. (insb. seine Bemerkungen zu Crocker und Talmon). 520 Gay, Science of Freedom, S. 450 (Zitat), 567. 521 Cobban, In Search of Humanity, S. 240 ff. 522 Oelmüller, Was ist heute Aufklärung?, S. 7; ders., Aufklärung, S. 143; siehe ferner ders., Unbefriedigte Aufklärung, S. IV ff.; ders., Philosophische Aufklärung, S. 11. 523 Zu den Büchern und Aufsätze etwa Bronner, Reclaiming the Enlightenment, S. IX ff.; Darnton, Washington’s False Teeth, S. 12 ff., in Auseinandersetzung mit der linken Aufklärungskritik; H. v. Hentig, Erziehung des Menschengeschlechts, S. 105 ff.; Kriele, Befreiung und politische Aufklärung, S. 7, 15 ff. und passim; Marquard, Erziehung des Menschengeschlechts, S. 125 ff.; Negt, Dialektik der Vergesellschaftung, S. 237 ff.; Vormweg, Wieland, S. 122; Todorov, Lumières, S. 10 ff. und passim; der von Rüsen/Lämmert/Glotz hrsgg. Sammelband über „Die Zukunft der Aufklärung“. Einiges davon auch bei Cassirer, Philosophie der Aufklärung, S. 23. 524 Ferrajoli, Diritto e ragione, S. XV ff. 525 Nachw. oben Teil D., Fn. 435. 526 Z. B. P.-A. Albrecht, StV 1994, S. 266; ders., Irrationale Sicherheitspolitik, S. 12, 13; ders., Vergessene Freiheit, S. 16, 21 ff. (der jüngst von der „Erbe europäischer Aufklärung“ spricht, die zum Schutz der Freiheit verpflichte); Hassemer, ZRP 1992, S. 383; ders., Tauglichkeit, S. 24; ders., Rechtsgut, S. 58; Sina, Rechtsgut, S. 6 f.; international Silva Franco, RBCC 31 (2000), S. 128 ff.; Zaffaroni, RBCC 28 (1999), S. 56. Auch Lüderssen, Alternativen, S. 491 sagt – trotz seiner Ablehnung der Vorstellung eines „guten alten Strafrechts“ (Zurück?, S. 268 ff.; ders., Über das Irrationale, S. 327 f.) –, dass die „zu Ende gedachte Aufklärung . . . zur Abschaffung der Strafe schlechthin führen“ könnte (Alternativen, S. 491).

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nung der Aufklärung527 diese 1958 als Zeitalter der „Säkularisierung, Rationalisierung, Humanisierung und Liberalisierung“ feiern konnte, dessen Erbe es zu wahren gelte.528 Eine dritte Phase, wenn man überhaupt von einer Phase sprechen kann, da sich die betreffenden Forscher z. T. vom gemeinsamen Unternehmen der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung ausdrücklich distanzieren, hat wiederum eine Umkehrung der Vorzeichen vorgeschlagen durch die Postulierung einer Art Tiefenstruktur, zu welcher der angenommene Liberalismus der Aufklärung nichts als der Deckmantel sei. Bei diesen früher dem Marxismus, heute eher dem sog. „Postmodernismus“ verpflichteten Autoren ist die Aufklärung ein ideologisches Unternehmen der Unsichtbarmachung, Verfeinerung und daher auch der Effizienzsteigerung der Machtausübung. Die traditionelle marxistische Ansicht, die man bei Lukács oder in der offiziellen philosophiegeschichtlichen Literatur der DDR wiederfindet, sieht in der Aufklärung eine Ideologie des Bürgertums, die deshalb Emanzipation nur insoweit betreibt, wie es dem Bürgertum passt.529 Von einem radikalen linken Flügel aus interpretierten bekanntlich Horkheimer und Adorno den für die Aufklärungszeit charakteristischen Drang zur Naturbeherrschung zum einen als befreiend, zum anderen aber als Ursache eines konservativen Positivismus, der sogar in die totalitären Mythologien umgeschlagen habe.530 Foucault bestreitet die der Aufklärung zugeschriebenen Humanisierungen des Strafrechts und sieht in ihnen vielmehr eine „Veränderung der Zielrichtung der Strafoperation“, weil man nicht mehr auf den Körper, sondern auf die Seele des Bestraften ziele, so dass es sich im Grunde um eine „Strategie zur Stärkung der Strafgewalt“ handele,531 und Rustigan meint, die Humanisierung des Strafrechts in der Zeit nach Bentham diente den Interessen der neueren Handelsschichten an einem effektiven Eigentumsschutz, da zu harte Gesetze nicht zuverlässig genug angewandt wurden.532 Zygmunt Baumann bekräftigt die These Horkheimers und Adornos, wonach die Judenvernichtung in Konzentrationslagern die ureigenste Folge der Moderne, also der Aufklärung sei.533 Diese Einwände werden von Kritischen Kriminologen z. T. rezipiert534 und bilden ein 527

Nachw. oben Teil D., Fn. 513. Eb. Schmidt, SchwZStr 73 (1958), S. 343 (Zitat), 360. Ihm zust. Küper, Richteridee, S. 37. 529 Lukács, Fortschritt und Reaktion, S. 13; Kossok, Aufklärung(en), S. 41, mit zahlreichen Nachweisen zur offiziellen DDR-Sicht auf S. 40 Fn. 3. 530 Horkheimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. 3 f., 5, 12 („Aufklärung ist totalitär“), 15, 49; zust. auch Vormweg, Leben mit Vernunft, S. 82 ff. 531 Foucault, Überwachen, S. 25 (erstes Zitat), 95 ff., 103 (zweites Zitat); in diesem Sinne auch G. Wächter, Strafrechtliche Aufklärung, S. 89 ff., 155 ff. 532 Rustigan, Criminal Law Reform, S. 521; zust. Jenkins, BritJCriminol 24 (1984), S. 116. 533 Baumann, Modernity and the Holocaust, S. 13 und passim. 534 Etwa Christie, Indústria, S. 171 ff. 528

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

Hauptargument für Gracia Martíns Plädoyer für ein „modernes“, das heißt von der Aufklärungstradition losgelöstes, Strafrecht gegen die Oberschicht.535 Einiges davon lebt auch in Nauckes Programm einer „Entidealisierung“ der Geschichte des Strafrechts fort, die nicht mehr als zunehmende Humanisierung, sondern als je nach Bedarf politikgesteuerte Pendelbewegung zwischen humanem und inhumanem Strafrecht gesehen wird.536 Inzwischen dringt langsam die Erkenntnis durch, dass an Stelle einer neuen Interpretation des schon Gelesenen eine nochmalige Lektüre treten sollte, die Ungelesenes, Ungesehenes ohne Blickverengungen und insbesondere ohne politische Voreingenommenheiten zur Kenntnis nimmt.537 Langsam fängt man an, sich von Pauschalumschreibungen zu distanzieren. Schon die klassische Untersuchung von Valjavec verdeckte nicht die Tatsache, „dass die Aufklärung den fürsterlichen Absolutismus als gegebene Tatsache, ja sogar als Verbündeten betrachtete“, dabei auch anerkennend, was man den damaligen Denkern alles schuldet, insb. wenn es um die Menschenrechte geht.538 Erwähnenswert ist auch Crockers Studie, die unter Berücksichtigung ausgiebigen Quellenmaterials die befreienden, aber gleichzeitig anarchistisch-nihilistischen und sogar totalitären Aspekte der Aufklärungsgedanken zu kennzeichnen sucht.539 Vierhaus warnt vor der gängigen Zurückführung des Begriffs „Emanzipation“ auf die Aufklärung und meint, die erfolgten Demokratisierungs- und Emanzipationsprozesse seien eher dem Liberalismus des 19. Jahrhunderts zuzuschreiben, als der Aufklärung, die gegenläufige Tendenzen in sich barg.540 Schneiders belegt in seiner Studie zum Selbstverständnis der deutschen Aufklärer deren verbreitetes elitäres Bewusstsein: Nicht wenige unter den damaligen Autoren waren der Meinung, Aufklärung und Wahrheit, vor allen in Sachen der Politik und Religion, könnten für das Volk verderblich sein.541 Andernorts stellt er fest, dass die deutsche 535 Gracia Martín, Prolegomenos, S. 174, 190 f., 207, 217 f.; dazu die interessante, wenn auch geschichtlich nicht zutreffende Kritik von Pérez del Valle, CPC 84 (2004), S. 165 ff. 536 Z. B. Naucke, Vorwort, S. V ff.; ders., ARSP-Beiheft 87 (2003), S. 43 (Entidealisierung). Weitere Nachw. unten Teil D., Fn. 1223. 537 Zusätzlich zu den folgenden Nachw. Jüttner/Schlobach, Einleitung, S. VIII, welche die üblichen Sichtweisen über die Aufklärung auf eine „rigorose Reduktion der Quellen“ zurückführen. 538 Valjavec, Aufklärung, S. 307, 312 ff.; ähnlich Schneiders, Die wahre Aufklärung, S. 16. 539 Crocker, Age of Crisis, etwa S. 388, 452 ff., 460, 473. Auch für ihn, wie für Adorno/Horkheimer, kulminieren viele dieser Gedanken beim Marquis de Sade (z. B. S. 389, 470 ff.). 540 Vierhaus, Was war Aufklärung?, S. 14 f., 22. 541 Schneiders, Die wahre Aufklärung, S. 20 u. 28 f. (Preis der Berliner Akademie der Wissenschaften), 50 (Mendelsohn), 72 f. (Ehlers), 77 f. (Zerenner), 84 (Zusammenfassung), 119 (Reche: „Der Pöbel, wenn er aufgeklärt ist, ist kaum zu bändigen“); knapp ders., Aufklärungsphilosophien, S. 6.

II. Die Straftheorie

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Aufklärung „sehr viel weniger politikkritisch war als die englische und französische“.542 Zur gängigen Pauschalisierung sagt er zutreffend: „Die neueren Programmatiker der Aufklärung lassen sich ihr Bild von der älteren Aufklärung, die bekanntlich lange verfemt, verdrängt und vergessen war, nach wie vor weitgehend durch die Klischees ihrer geschichtlichen Gegner und Nachfolger vorgeben“.543 Insbesondere Kondylis unterscheidet sauber zwischen der Aufklärung als philosophischem und als geschichtlichem Begriff und warnt vor der politisch motivierten Vermengung der beiden: Als philosophischer Begriff „fällt Aufklärung nicht mit ihrem Zeitalter zusammen“, als geschichtlicher Begriff birgt sie eine breite Palette von Anschauungen in sich.544 In seiner Untersuchung über Möser weitet Knudsen den herkömmlichen Aufklärungsbegriff aus, um Möser nicht wie üblich als Vorläufer der Gegenaufklärung, sondern als authentischen Repräsentanten der Aufklärung, nun einer „ständischen Aufklärung“ („corporatist or estatist Enlightenment“) zu verstehen,545 und Klippel fragt sich, „ob es nicht autoritäre und freiheitliche, absolutistische und liberale, demokratische, revolutionäre Züge der deutschen Aufklärung“ gebe, um zum Ergebnis zu kommen, dass zwischen einer deutschen Früh- und Spätaufklärung zu unterscheiden sei, wobei nur letzere eine emanzipatorische Rolle spiele.546 Im neueren strafrechtsgeschichtlichen Schriftum werden diese Erkenntnis immerhin nur vereinzelt rezipiert, etwa von L. Schulz, der sich bezüglich des Inquisitionsverfahrens und der darauf ausgeübten Kritik aus der Aufklärungszeit zu Recht gegen die „Hell-Dunkel-Effekte“ herkömmlicher Geschichtsschreibung wendet, von Ignor, der betont, dass es den Strafjuristen des späten 18. und 19. Jahrhunderts nicht nur um den Schutz des Unschuldigen, sondern sehr wohl um die Bestrafung des Schuldigen und um die (vor allem: Abschreckungs-)Effizienz der Strafrechtspflege ging, oder von Reulecke, der den Ansatz seines Lehrers Klippel rezipiert und vertieft und unter anderem viele theologische Elemente im Naturrecht und Strafrecht der Aufklärung entdeckt.547 Der Eindruck desjenigen, der direkt zu den Quellen geht, ist tatsächlich alles anderes als einheitlich im Sinne einer liberalen individualistischen Anschauung aller Autoren der Aufklärungszeit. Dies gilt sowohl in Bezug auf die allgemein

542

Schneiders, Aufklärungsphilosophien, S. 3. Schneiders, Die wahre Aufklärung, S. 10. 544 Kondylis, Aufklärung, S. 22 (Zitat) ff., 25 ff. (zu den ideologisch bedingten Fehlinterpretationen durch den Liberalismus und den Marxismus). 545 Knudsen, Justus Möser, S. X f., 4, 11 ff. – deutsches Wort vom Autor. 546 Klippel, Herrschaft der Aufklärung, S. 159 (Zitat), 160, 163 f., 167 f. Die differenzierenden Betrachtungen von Hampe, Aufklärung, S. 92 ff. gehören nicht in die vorliegende Gruppe, denn sie kombinieren nur positive und negative Bewertungen, erweitern aber nicht den Bewertungsgegenstand. 547 L. Schulz, Normierts Misstrauen, S. 201; Ignor, Geschichte des Strafprozesses, S. 192, 194; Reulecke, Gleichheit und Strafrecht, S. 4, 57 ff. 543

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

philosophischen, als erst recht auch auf die spezifisch rechtswissenschaftlichen Quellen. Was die allgemeinen philosophischen Quellen angeht, ist unübersehbar, dass nicht alle im 18. Jahrhundert schreibenden Autoren heute als individualistisch und liberal gelten würden. Und mit dieser Behauptung sind nicht in erster Linie diejenigen gemeint, die sich im Sinne der Katholischen Kirche gegen die neuen Bewegungen äußerten und die oft als „Apologeten“ bezeichnet werden,548 sondern gerade auch führende Autoren, die unbestritten zur Aufklärung gehörten und oft sogar als deren führende Figuren angesehen wurden. Zwar kann an der liberalen Gesinnung Lockes nicht gezweifelt werden, und auch den Streit darüber, ob Hume tatsächlich als konservativer Tory anzusehen ist, wird man hier ausklammern dürfen.549 Klar bleibt immerhin, dass bei einigen zentralen Fragen wie der Sklaverei selbst diese beiden Großen nicht selten ziemlich abwegige Ansichten vertreten haben.550 In Frankreich waren die allgemein als liberal geltenden philosophes in Wahrheit um einiges mehrdeutiger, als man erwarten sollte. Voltaire schwärmte vom großen Jahrhundert Ludwigs XIV, über den er eines seiner bekanntesten Werke schrieb,551 und hatte etwa keine Probleme, die Täuschung des vom ihm tatsächlich verachteten Pöbels552 als eine angemessene Staatspolitik vorzuschlagen.553 Rousseaus Lehre von der volonté generale verpflichtet auf der einen Seite das Staatsoberhaupt gegenüber dem „Souverän“, der nicht er selbst, sondern das Volk ist,554 auf der anderen Seite sieht sie keine Rechte gegen diese volonté generale vor, nicht einmal die Religionsfreiheit oder das Recht auf Leben.555 Wenn man die Materialisten D’Holbach und de Sade liest, sieht man, wie vereinfachend die Einschätzung der Aufklärung als liberal 548 Dazu etwa Crocker, Age of Crisis, S. 382 („apologists“); siehe auch Valjavec, Aufklärung, S. 324 ff. 549 Gegen die traditionelle Einschätzung Gay, Science of Freedom, S. 455; ausführlich zu dieser Frage Forbes, Hume’s Philosophical Politics, S. 126 ff. 550 Nachw. und Kritik bei Morton, JAfrPhil 1 (2002), S. 1 ff., insb. zu Hume und Locke. Immerhin muss man sehen, dass aufklärerische Philosophen Wesentliches zur Kritik der Sklaverei und des Kolonialismus leisteten, Nachw. bei Valjavec, Aufklärung, 312 ff.; Gay, Science of Freedom, S. 407 ff. 551 Voltaire, Siécle de Louis XIV, etwa Bd. II S. 309. 552 Vgl. X. Martin, Nature humaine, S. 21 ff. („canaille“); Gay, Science of Freedom, S. 521 beide mit Nachw.; siehe auch Andress, Multitude, S. 169. Positiver fällt die Lektüre von Payne, The Philosophes and the People, S. 187 ff. aus, der den Philosophes eine Art wohlmeinenden Elitismus zuschreibt. 553 X. Martin, Nature humaine, S. 23; Gay, Science of Freedom, S. 524, der diese Vorgehensweise als die eines „selektiven Lügens“ charakterisiert. 554 Rousseau, Contrat Social, Livre II Chap. III. 555 Rousseau, Contrat Social, Livre II Chap. III (Unfehlbarkeit des allgemeinen Willens), Chap. V (Todesstrafe), Livre IV Chap. VIII (bürgerliche Religion). Ob das Rousseau zum Theoretiker des Totalitarismus macht – so i. Erg. Talmon, Totalitarian Democracy, S. 38 ff., dagegen Gay, Science of Freedom, S. 534 – kann dahin gestellt bleiben.

II. Die Straftheorie

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und individualistisch im politischen Sinne ist. Trotz aller aus heutiger Sicht beeindruckender Forderungen gibt D’Holbach in einem Punkt nicht nach: Die Menschen seien von Natur aus ungleich, die weniger Verständigen seien deshalb auf die Führung der geistig Überlegenen angewiesen.556 De Sade träumt von einer geschlossenen Gesellschaft der Freunde des Verbrechens, einer Art elitärem Staat im Staate, dem vor allem das Recht auf Mord zustehe,557 und skizziert Grundsätze einer Politik, die unter anderem Sklaverei und staatlich geförderte Kinderschändung umfassen.558 Und obwohl Deutschland ob des liberalen Gehalts der Philosophie Kants, an dem selbst kleine „Ausrutscher“ grundsätzlich nichts ändern,559 stolz sein kann, stand die deutsche Aufklärung vor allem unter der Führung Christian Wolffs, der eine Lehre vom Staatszweck als Vervollkommnung vertrat, wonach jeder Bürger verpflichtet sei, das gemeine Beste zu befördern, und allein das Oberhaupt in der Lage sei zu erkennen, worin dieses gemeine Beste bestehe.560 Die Verfolgung dieses Zwecks unterlag keinerlei Schranken, so dass C. Wolff weder mit der Folter, noch mit der Sklaverei, noch mit qualifizierten Todesstrafen ein Problem hatte.561 Friedrich II vertrat – wenngleich mit schlechtem Gewissen – eine Lehre der Staatsräson, die vor allem unter einem Imperativ stand, nämlich dem Interesse des Staates im Sinne seines „Dranges zur Vergrößerung“: Dies führe dazu, dass man als Politiker der „Moral der Fürsten“ folgen müsse, die „vielfach das Gegenteil der Privatmoral“ sei, da sie „den Betrug und den Missbrauch der Macht autorisiert“, zumindest solange sich die anderen Länder ebenso verhalten.562 Man könnte die vorgelegten Zitate um einiges vermehren, dies erscheint aber angesichts der Tatsache, dass das rechtsgeschichtliche Kapitel hinter uns liegt, nicht erforderlich. 556 D’Holbach, La Politique Naturelle, Premier Discours, X; Second Discours, XIV (Gefahren der Demokratie: „Le peuple, trop souvent incapable de raisonner, cause, en un clin-d’oeil, des maux irréparables“). Ähnlich würdigt Helvetius nach einigen Interpreten die Bürger zu oberflächlichen, allein lustgesteuerten Egoisten herab, die ohne Lenkung durch den, der bestimmen soll, was richtig und falsch, gut und böse ist, nicht auskommen können (so etwa Voegelin/Leuschner, Helvétius, S. 86; Crocker, Age of Crisis, S. 402 [„shadow of collectivist control“]). 557 de Sade, Juliette, S. 289 ff.; zum Recht auf Mord s. die Art. 32 und 44 des Statuts. Vgl. auch Baruzzi, Sade, S. 145 ff.: „Die Struktur des Totalitarismus trägt Züge jener geschlossenen Gesellschaft“ (S. 149). 558 de Sade, Juliette, S. 206 f. 559 Eine Liste davon bei Schild, Strafphilosophie Kants, S. 831 f. 560 Wolff, Grundsätze, §§ 9, 975; ders., Politik, §§ 215 ff., 218, 224, 433. 561 Folter: Politik, § 365 (S. 320 f.); Sklaverei: Jus Naturae VII, § 1090 ff.; qualifizierte Todesstrafen: Politik, § 349 ff. 562 Friedrich II, Geschichte meiner Zeit, S. 2 und 3; zu Friedrichs Lehre von der Staatsräson Dilthey, Friedrich der Große, S. 185 ff., 190, der Friedrich deshalb selbst lobt und ihn zum Überwinder der Aufklärung erklärt; ausführlich Meinecke, Staatsräson, S. 321 ff., der die Rolle humanitärer Bestrebungen bei Friedrich ebenfalls betont (S. 334); zum Strafrecht Preußens nach Friedrichs Tod, das noch von seiner Linie geprägt ist, Naucke, Preußische Strafrechtsgeschichte, S. 52 ff.

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

Ein eingehender Blick in die strafrechtlichen Schriften der Aufklärungszeit bestätigt ebenfalls den Eindruck, dass die Situation nicht so klar lag, wie man rückblickend allgemein anzunehmen pflegt, wenn man vom „Strafrecht der Aufklärung“ spricht. Im ersten Kapitel der Arbeit sahen wir schon, wie schwierig es Feuerbach hatte, seine Zeitgenossen von der Richtigkeit des Nullum-CrimenSatzes zu überzeugen und ihnen etwa klar zu machen, dass es delicta extraordinaria und poena extraordinaria nicht geben dürfe.563 Wir sahen auch, wie wenig man bereit war, sich trotz des Bekenntnisses zur Rechtsverletzungslehre gegen die Sittlichkeits- und Religionsdelikte zu äußern: Hier standen in Deutschland Hommel und Feuerbach fast allein.564 Da für diese in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzenden Fragen schon im ersten Kapitel Belege beigebracht wurden, und da sie der herkömmlichen Forschung keineswegs unbekannt sind, brauchen wir jetzt nur zu einer dritten Frage Belege anzufügen: dazu nämlich, dass nicht einmal der affirmativ-legitimatorische565 Gedanke eines Feindstrafrechts der Aufklärung fremd war. Schon Jakobs erwähnt in seinem Versuch, die geschichtlichen Wurzeln des Feindstrafrechts, also eines Strafrechts, das „Feinden“ eine Sonderbehandlung erteilt und ihnen den Personenstatus abspricht,566 ausfindig zu machen, einige Gewährsmänner aus der Aufklärung: Er nennt Rousseau, Kant, Fichte und auch v. Grolman.567 Uns geht es jetzt nur um die spezifisch strafrechtliche Literatur, so dass wir die Einschätzung Jakobs in Bezug auf Philosophen nicht in Frage stellen werden.568 In dem auch von Jakobs zitierten Grolman findet sich das Beispiel eines unbestrittenen Aufklärers, der sich auf Grundlage seiner Präventionstheorie – der Lehre, wonach Strafe als Vorbeugungsmittel gegen die Gefahr weiterer Straftaten durch den Straftäter diene, wobei diese Gefahr durch die vorherige Begehung einer Straftat hinreichend belegt sei569 – nicht besonders liberal anhört: „Je unbändiger das wilde Thier ist, desto stärkere Zuchtmittel müssen angewendet werden, um es in den Schranken der Ordnung zu erhalten“.570 Und der gefeierte Hommel verteidigte in seinen Anmerkungen zu Beccarias Werk die Todesstrafe u. a. mit dem Satz, der Raubtäter

563

Oben B. I. 2. a), (S. 50 f.). Siehe Nachw. Teil B., Fn. 160 und 161. 565 Zu diesem Begriff Greco, GA 2006, S. 102, 104 ff. 566 Zusammenfassend m. w. Nachw. Greco, GA 2006, S. 96 ff. 567 Jakobs, Bürgerstrafrecht, S. 43 ff. 568 Was Kant, Rousseau und Fichte angeht, Schünemann, Feindstrafrecht, S. 223; was Rousseau und Fichte angeht, siehe Bastida Freixedo, Derecho penal del enemigo, S. 283 f.; kritisch auch Schulz, Friktionen, S. 318 f., Fn. 12. Frommel, Rebellen, S. 68, versucht das herkömmliche Aufklärungsbild dadurch zu retten, dass sie Fichtes Lehre zu einer bedeutungslosen Erscheinung erklärt. 569 Vor allem Grolman, Begründung, S. 28 ff. 570 Grolman, Begründung, S. 122. Siehe ferner seine Erwägungen zur Behandlung der „in die Klasse selbst der reissendsten Thiere herabgesunkenen Menschen“ auf S. 155 ff. 564

II. Die Straftheorie

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müsse getötet werden, „als wenn ein Wolf sich hätte blicken lassen“.571 Vor allem Klein entwickelt in seinen durchaus widersprüchlichen Schriften eine Theorie der Sicherungsmittel, die nach Verhängung der Strafe zur Sicherung der Allgemeinheit angewendet werden dürften.572 Kein Wunder, dass sich v. Liszt auf Klein berief, um gerade für eine der bedenklichsten seiner Forderungen zu werben, nämlich die unbestimmte Verurteilung.573 Und selbst Feuerbach, dessen Kampf vor allem der Gesetzlichkeit galt, selbst Feuerbach richtete die Wucht seiner Rhetorik vor allem gegen richterliche Strafmilderungen, und nicht gegen Strafschärfungen.574 Wenn man all das bedenkt, dann erscheint der Terror des Strafrechts der Französischen Revolution nicht mehr so überraschend, nicht länger als ein Bruch in einer nur der Humanität zugewandten Entwicklung.575 Der naheliegende Ausweg, den liberalen Charakter der Aufklärung dadurch zu retten, dass man die eben erwähnten Stellen zu Randerscheinungen oder zu Fremdkörpern in der Aufklärung erklärt, ist aus einleuchtenden Gründen nicht gangbar.576 Denn viele der gerade erwähnten Personen hatten keineswegs eine bloße Rand- oder Außenseiterposition in der Philosophie und Rechtswissenschaft ihrer Zeit inne. Zudem ist daran zu erinnern, dass nicht immer derjenige, der im Mittelpunkt der Diskussion steht, für die Anschauungen seiner Zeitgenossen und seiner Zeit repräsentativ ist, obwohl sich dieser Eindruck insbesondere bei denen, welche die Diskussion als Unbeteiligte zur Kenntnis nehmen – etwa als Angehörige einer späteren Generation oder eines fremden Sprachkreises – stark aufdrängt (oder würde sich der heutige deutsche Strafrechtler vom Bonner Professor Günther Jakobs, der im Mittelpunkt der wichtigsten Diskussionen unserer Wissenschaft steht, repräsentiert sehen? Eben dies gilt aber aus

571 Hommel, Anmerkungen, S. 99; auch die Vorrede, S. 11: „Du (der Mörder, L. G.) bist unser aller Feind, denn niemand ist vor dir sicher“; letzter Satz auch bei ders., Philosophische Gedanken, S. 110. 572 Z. B. Klein, ArchCrimR Bd. I St. I (1798), S. 37 f.; ders., ArchCrimR Bd. I St. III (1798), S. 64 ff.; ders., ArchCrimR Bd. II St. II (1799), S. 85 ff.; ders., ArchCrimR Bd. II St. II (1799), S. 88 ff. Man hat auch versucht, hierin eine liberalisierende Leistung zu sehen, nämlich die, Strafen und Maßregeln voneinander zu unterscheiden – so aus nationalsozialistischer Perspektive Klee, ARSP 28 (1934/1935), S. 488. M.E. ist diese Interpretation der Beweis der Blickverengung, die als Folge der letztlich politisch-ideologischen Gleichsetzung von Aufklärung und Liberalismus entsteht. Nicht einmal Kleins Straftheorie war sonderlich liberal – siehe dazu die Nachw. oben Teil B., Fn. 109. 573 v. Liszt, Klein, S. 150 ff.; auch Eb. Schmidt, SchwZStr 45 (1931), S. 223 Fn. 1. 574 Hervorgehoben vor allem von Knauth, GA 1985, insb. S. 188 Fn. 21. Nur die Gründe, die Feuerbach zu dieser Kritik bewegten, werden von Knauth allzu wenig berücksichtigt. Dazu vor allem oben S. 274. 575 Hierzu die beeindruckenden Belege bei Naucke, Französische Revolution, S. 29 ff. 576 Dagegen auch Naucke, z. B. Preußische Strafrechtsgeschichte, S. 56.

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

der Ferne, nämlich außerhalb Deutschlands, fast als selbstverständlich.)577 Ferner würde dieses Verfahren eine Art Wortspiel mit der Zweideutigkeit des Aufklärungsbegriffs treiben: Dadurch, dass man den Namen „Aufklärung“ ausschließlich für dasjenige, was an einer bestimmten Zeit individualistisch-liberal war, beibehält, verliert dieser Name seine Beschaffenheit als überwiegend geschichtlicher Begriff, der eine bestimmte Epoche bezeichnet, und wird allein zum philosophischen Begriff, der eine bestimmte Theorie zum Verhältnis von Individuum zu den es umwölbenden Ganzheiten bezeichnet, ohne dass – und darin liegt das Problem – diese Preisgabe der geschichtlichen Bedeutung des Begriffs klar ausgesprochen wird.578 So wird ein philosophischer Begriff, der bloß eine Position in der geistigen Auseinandersetzung kennzeichnet, zum geschichtlichen Faktum, das eine ganze Epoche charakterisieren soll. Von dieser Begriffsvertauschung lebt u. a. die Rede von einem „klassischen Strafrecht“, das rechtstaatlich, liberal usw. und uns als Gegenmodell zum heutigen „modernen Strafrecht“ aufgegeben sei:579 Kein Wunder, dass jede auch nur flüchtigere Befassung mit dem geschichtlichen Gehalt dieser These sie zu einer Fiktion erklären musste.580 dd) Zum rechtsgeschichtlichen Streit zwischen einer Kontinuitätsthese, welche die Rechtsgutstheorie zum Gedankengut der liberalen Aufklärung zurückführen will, und einer Diskontinuitätsthese, welche diese Zurückführbarkeit bestreitet, ist abschließend festzuhalten, dass er als Streit nicht zu lösen, sondern nur aufzulösen ist. Denn diese rechtsgeschichtliche Diskussion ist nur unter der Annahme einer geschichtlichen Fiktion sinnvoll, nämlich der, dass die Aufklärung als Ganzes liberal und individualistisch war. Das bedeutet also dreierlei: Erstens – und rechtsgeschichtlich – lassen sich sowohl Kontinuitäten, als auch Diskontinuitäten feststellen, wobei nicht einmal die Tatsache, dass sich die Waage leicht in die erste Richtung neigt, hier ausschlaggebend sein kann. Der Aussagewert derartiger Feststellungen erscheint dennoch allzu begrenzt, um einen sicheren Schluss sowohl auf die Kontinuitäts- als auch auf die Diskontinuitätsthese zu erlauben, so dass man ehrlicherweise bei der Annahme eines Patts bzw. eines Sowohl-als-Auchs verbleiben muss. Zweitens – und jetzt rechtsphilosophisch – bedeutet die Revidierung des Mythus der liberalen Aufklärung nicht, 577 Diese perspektivistische Verzerrung könnte man bei Feuerbach genau belegen. Die meisten seiner wichtigsten Ansichten waren Außenseiterpositionen, die von seinen Zeitgenossen, wenn überhaupt bemerkt, schlichtweg abgelehnt wurden. Die nachfolgende Generation, die sich nur für die intellektuellen Gipfel der frühen Generation interessiert, liest deshalb nur Feuerbach und nicht seine Zeitgenossen. Sie widerlegt ihn überwiegend mit den gleichen Argumenten, die seit langer Zeit kursieren, und beschuldigt die früheren Vorgänger wegen ihrer Naivität, alle diese Selbstverständlichkeiten übersehen zu haben. 578 Selbe Kritik bei Kondylis, Aufklärung, S. 25 f. 579 Nachw. oben Teil D., Fn. 526. 580 Z. B. Silva Sánchez, Expansion, S. 79.

II. Die Straftheorie

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dass man von dieser Epoche nicht zu lernen brauche. Sie bedeutet aber sehr wohl, dass die Tatsache der Entstehung einer These in der Aufklärung keinen zusätzlichen Grund liefert, sie gegenüber konkurrierenden, anderen Epochen entstammenden Thesen vorzuziehen. M.a.W.: Eine theoretische Adelung wegen aufklärerischer Herkunft ist nicht anzuerkennen. Drittens – und jetzt wieder rechtsgeschichtlich – sollte man, an Stelle einer geschichtlich kaum mehr sinnvollen Fragestellung nach der aufklärerischen Herkunft einer bestimmten Theorie, die viel sinnvollere Frage nach der Herkunft derartiger Fragestellungen setzen. Nicht also, ob eine Theorie aus der Aufklärung komme und deshalb liberal sei, lautet die rechtsgeschichtlich interessante Frage, sondern vielmehr, wieso die Tatsache, dass eine Theorie aus der Aufklärung kommt, ihre Liberalität verbürgen soll. Eine analoge Frage haben wir in Bezug auf die Psychologie der Aufklärung und den verbreiteten Rationalismus-Vorwurf gestellt [oben B. III. (S. 89 ff.)]. Beim Individualismus der Aufklärung ist sie aber ebenfalls am Platze. Und obwohl z. T. politische Motive eine Rolle gespielt haben dürften581 und die Wichtigkeit psychologischer Kontingenzen, wie etwa des Dranges neuer Generationen, sich von den Älteren abzuheben, nicht zu unterschätzen sind, sprengt dieses Problem den in dieser Arbeit gesteckten Rahmen. Der rechtsgeschichtliche Streit zwischen Kontinuitäts- und Diskontinuitätsthese sollte deshalb diskontinuiert werden. Rechtsgeschichtlich ist er uninteressant, da beide Thesen Recht haben, und rechtsphilosophisch ist er sinnwidrig, da die Prämisse, welche die Brücke zwischen Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie schlagen sollte (die rechtsphilosophische Vorzugswürdigkeit einer rechtsgeschichtlichen Epoche), falsch ist. e) Vom rechtsgeschichtlichen Argument ist deshalb für unsere Fragestellung – Rechtsguts- oder Rechtsverletzung? – nichts zu erwarten. Gegenstand des Streites sind keine rechtsgeschichtlichen Tatsachen, sondern ist ein rechtsphilosophischer Anspruch, nämlich die Liberalisierungsleistung der Theorie. Welche Theorie ist einem liberalen Strafrecht angemessener? Vor allem in drei Bereichen erwartet man etwas von diesen Theorien, nämlich in Bezug auf überindividuelle Schutzgegenstände, auf abstrakte Gefährdungsdelikte und schließlich auf moralisierende Straftatbestände. Es empfiehlt sich deshalb, beim Theorienvergleich diese drei Punkte anzusprechen. aa) Das von der Tötungshandlung betroffene Objekt lässt sich ohne Schwierigkeiten sowohl auf Grundlage der Rechtsgutslehre als auch auf Grundlage der Lehre vom Rechtsschutz klar bestimmen: es ist das Rechtsgut Leben oder das subjektive Recht aufs Leben. Hier befindet man sich noch im unproblematischen Bereich eines Deliktes zum Schutze eines individuellen Guts bzw. eines individuellen subjektiven Rechts. Derartige Objekte sind aus vielen Gründen 581

Vgl. Kondylis, Aufklärung, S. 25 ff.

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

unbedenklich: Sie sind empirisch greifbar und deshalb auch empirisch verletzbar,582 jeder Mensch sieht sich in seiner alltäglichen Lebensgestaltung unmittelbar auf derartige Objekte angewiesen und weiß, was sie bedeuten und weshalb sie wichtig sind. Je mehr man sich aber vom Modell des individuellen Guts bzw. des individuellen subjektiven Rechts entfernt, desto problematischer wird die Legitimierung eines strafrechtlichen Verbotes. Insbesondere sind kollektive Schutzgegenstände empirisch schwer greifbar und dem Bürger in seinem Alltag nicht so unmittelbar zugänglich. Aus der empirischen Ungreifbarkeit kollektiver Schutzgegenstände ergibt sich, dass der Zeitpunkt ihrer Verletzung nicht so sicher bestimmt werden kann: Weitgehende Vorverlagerungen, welche die Freiheit der Bürger unerträglich einschränken, liegen deshalb nahe.583 Und aus der relativen Ferne derartiger kollektiver Schutzgegenstände zum Alltag des normalen Bürgers ergibt sich, dass man bei ihrer Postulierung relativ ungebunden bleibt: nicht das Leben oder die körperliche Unversehrtheit sollen, sondern die „Volksgesundheit“ soll von den Betäubungsmitteldelikten beeinträchtigt werden;584 nicht das Vermögen des Versicherungsunternehmens, sondern schon die „Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens“ soll vom Tatbestand des Versicherungsmissbrauchs geschützt werden.585 (1) Dass man es in letzter Zeit tatsächlich immer öfter mit derart suspekten überindividuellen Schutzgegenständen zu tun hat, ist keine Frage. Zuzugeben ist ferner, dass sich die Vertreter derartiger Gebilde in aller Regel auch auf die Rechtsgutslehre, und nicht auf die Lehre vom Schutz eines subjektiven Rechts, berufen.586 Aus diesem Grunde haben einige den Schluss gezogen, das Heranziehen der Rechtsgutslehre zur Legitimierung kaum greifbarer kollektiver 582

Darauf stellt bekanntlich Jäger, Sittlichkeitsdelikte, S. 13 ab. Beleg für diese Verlegenheit ist, dass Tiedemann, Wirtschaftsbetrug, S. XII, § 264/17, § 264a/16 bei Kollektivgütern nicht mehr zwischen Verletzungs- und Gefährdungsdelikten unterscheiden kann, sondern von „Tätigkeitsdelikten“ spricht; weiterführend zu dieser Unterscheidbarkeit aber Anastosopolou, Deliktstypen, S. 199 ff.; zur Problematik in der spanischen Lehre s. Mata y Martín, Bienes jurídicos intermedios, S. 35 ff. 584 BVerfGE 90, 174; Rudolf Schmitt, Schutz des Opfers, S. 125; Endriß/Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Rn. 30; Klaus Weber, BtMG § 1/3 f.; im Ausland Borja Jiménez, Política criminal, S. 199; Celso Delmanto, Tóxicos, S. 16. 585 Siehe die Nachw. oben Teil D., Fn. 389, ferner Otto, BT7, § 61/1. 586 Vor allem Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 119 ff.; ders., Neuordnung, S. 28; ders., JuS 1989, S. 691; ders., Wirtschaftsbetrug, S. XII; dann Rudolphi, Rechtsgutsbegriff, S. 163 f. („soziale Funktionseinheiten“ als Rechtsgüter); Otto, ZStW 87 (1975), S. 562 („Vertrauensschaden“). Obwohl vor allem auch Vertreter der Rechtsgutslehre die Kritik der kollektiven Rechtsgüter führten, s. insb. Hassemer, Einführung2, S. 274 ff.; ders., Personale Rechtsgutslehre, S. 89, 93; ders., NStZ 1989, S. 557; ders., StV 1995, S. 484; im Ausland hat diese Kritik enormen Widerhall gefunden, vgl. Ferrajoli, Diritto e Ragione, S. 470 ff.; Moccia, Tutela de bienes, S. 113 ff., 127 ff.; ferner García-Pablos, Introducción4, S. 551 ff.; Santana Vega, Bienes jurídicos colectivos, S. 37 ff. 583

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Schutzgegenstände sei kein Missbrauch dieser Lehre, sondern ihre konsequente Anwendung. Die Rechtsgutslehre sei einfach nicht liberal genug, und aus diesem Grunde zeige sie sich gegenüber überindividualistischen Instrumentalisierungen gefügig. Man dürfe sich nicht darauf beschränken, diese Instrumentalisierungen zu denunzieren, sondern müsse einen weiteren Schritt wagen und die Rechtsgutslehre auch verwerfen bzw. durch die streng individualistische Rechtsverletzungslehre ersetzen.587 Was ist von dieser Argumentation zu halten? An erster Stelle ist zuzugeben, dass es kein Zufall sein kann, dass man sich gerade auf die Rechtsgutslehre berufen hat, um die Erweiterung des Strafrechts um einige kollektive Schutzgegenstände zu begründen. Der Einwand, wonach dies das ursprüngliche strafbarkeitseinschränkende Anliegen der Theorie verfälsche,588 hat denselben historischen Status der Fiktionen, die wir gerade (oben S. 322 ff.) namhaft gemacht haben. Die Rechtsgutslehre bietet sich schon aus sprachlichen Gründen an, um Gegenstände zu beschreiben, deren Werthaftigkeit sich vom Individuum weitgehend unabhängig macht – und eben darin bestand das Argument Birnbaums. Das Wort „Gut“ suggeriert einen Gegenstand, der als positiv bewertet wird und der grundsätzlich auch ohne Bezug zu einem bestimmten Inhaber bestehen könnte.589 Der Ausdruck „subjektives Recht“ weist dagegen unmittelbar auf ein berechtigtes Subjekt hin. Man darf auch nicht vergessen, dass Birnbaums Kritik der Rechtsverletzungslehre sich vor allem gegen die sprachliche Unnatürlichkeit der Bemühungen richtete, in jedem Delikt ein verletztes Recht ausfindig zu machen: das ließe sich besonders bei den Ehrdelikten nicht leicht bewerkstelligen.590 Die Rede von der Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts, so Birnbaum, lasse sich nicht ungekünstelt auf viele Gegenstände anwenden, die sich vom Individuum entfernend als „Gemeingut des Volkes“ verselbständigen.591 Man übersieht dabei in der Regel, dass Birnbaum nicht viel mehr tat, als ein Wort zu prägen („Gut“), wobei die Hauptargumente, die er gegen die Rechtsverletzungslehre vorbrachte, längst Allgemeingut waren.592 Gerade der Strafrechtler, der dem Rechtsgutsbegriff sein Bürgerrecht in der Strafrechtslehre verlieh,593 war der Auffassung, alle Rechtsgüter seien kollektiv,594 worin er viel Gefolgschaft fand.595

587

Nachw. oben Teil D., bei Fn. 475 ff. Hassemer, Personale Rechtsgutslehre, S. 87; ders., Sozialtechnologie, S. 331; ders., Rechtsgut, S. 59, 62; Ferrajoli, Diritto e Ragione, S. 471; Volk, JZ 1982, S. 88. 589 So auch H. Mayer, DStR 1938, S. 90 in seiner Replik auf den Vorwurf Schaffsteins, die Rechtsgutslehre sei notwendig individualistisch. 590 Birnbaum, NArchCrimR 1834, S. 150 f., 183 ff. Das sprachliche Argument taucht später auch bei v. Liszt, ZStW 8 (1888), S. 136 auf. 591 Birnbaum, NArchCrimR 1834, S. 178. 592 Siehe oben Teil D., Fn. 506. 593 So die bekannte Formulierung von Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 69. 594 Binding, Normen I, S. 358. 588

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Dieser sprachbedingten Dozilität gegenüber kollektivierenden Belangen könnte man aber sprachlich entgegentreten, indem man einige Regeln für den Gebrauch des Wortes Rechtsgut bei kollektiven Schutzgegenständen einführte. Dass von prominenten Vertretern des Rechtsgutsgedankens in dem Versuch, echte und nur scheinbare Kollektivrechtsgüter voneinander zu unterscheiden, das sprachliche Verbot formuliert wird, von kollektiven Gütern dort zu sprechen, wo man es mit nichts anderem als einer Summierung einer Vielzahl individueller Rechtsgüter zu tun habe, haben wir gerade gesehen.596 Gegen eine derartige Lösung ließe sich aber trotzdem überzeugend einwenden, dass die Gründe, welche die (manchmal der Rechtsgutstheorie verpflichteten) Vertreter der angeblichen Scheinrechtsgüter geltend machen, gerade diese sprachliche Zurückführbarkeit des Kollektivguts auf eine Vielzahl von Individualgütern bestreiten.597 Selbst wenn man an die Bedeutsamkeit der Entlarvung von scheinbaren kollektiven Rechtsgütern glaubt, bleibt es dabei, dass ein überzeugendes Kriterium für die Postulierbarkeit eines kollektiven Gutes noch zu formulieren ist.598 Die Lehre vom Schutz eines subjektiven Rechts scheint auf den ersten Blick tatsächlich in der Lage zu sein, ein solches Kriterium anzugeben, denn die von Tiedemann geltend gemachten Gründe sind nicht allgemein sozialer Natur und nicht direkt individualrechtsbezogen. (2) Nach dem Gesagten erscheint die Lehre vom Schutz subjektiver Rechte schon in zweierlei Hinsicht der Rechtsgutslehre gegenüber vorzugswürdig. Ein solcher Schluss wäre aber sehr voreilig. Denn er würde übersehen, dass die Rechtsverletzungslehre, so wie sie geschichtlich vertreten wurde, in Bezug auf kollektive Schutzgegenstände nicht viel besser abschneidet, als die zugegebenermaßen instrumentalisierbare Rechtsgutslehre. Dies geschieht über die von allen Vertretern der Rechtsverletzungslehre anerkannte Figur der subjektiven Rechte des Staates.599 Dass der Staat auch strafschutzwürdige subjektive Rechte habe, ist keine bloß am Rande gemachte Konzession der erzindividualistischen aufklä595 Z. B. Sieverts, Subjektive Unrechtselemente, S. 121 f. („fast ausnahmlose Übereinstimmung“!); Zimmerl, Aufbau, S. 43; E. Wolf, Strafrechtliche Schuldlehre, S. 120; Schwinge/Zimmerl, Wesensschau, S. 66, m. v. Nachw.; heute Weigend, ZStW 98 (1986), S. 59. 596 Nachw. oben Teil D., Fn. 472. 597 Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 119 ff.; ders., Neuordnung, S. 28; ders., JuS 1989, S. 691; ders., Wirtschaftsbetrug, 1999, S. XII. 598 Diese Forderung wurde bereits bei Greco, RBCC 49 (2004), S. 116 erhoben. 599 Feuerbach, Hochverrat, S. 13 ff.; ferner Klein, Grundsätze, § 497 (Staatsverbrechen als „Verletzungen der Majestätsrechte“); Zachariä, Anfangsgründe, § 55, § 57 ff.; Grolman, Rez. Zu Tittmann, S. 204; Bergk, Philosophie des peinlichen Rechts, S. 119, 131, der sogar von angeborenen Rechten des Staates spricht. Erstaunlich, dass diese Figur von Maier-Weigt, Materialer Verbrechensbegriff, passim in seiner geschichtlichen Untersuchung zum Verbrechensbegriff in der uns interessierenden Zeit nicht einmal erwähnt wird. Auch Kahlo, Rechtsgutsbegriff, S. 29, meint, die Rechtsverletzungslehre sei zu eng, weil sie keinen Platz für derartige Delikte habe!

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rerischen Strafrechtler an gegenläufige reaktionäre Tendenzen, sondern integraler Bestandteil der Theorie vom Schutz subjektiver Rechte. So gut wie keiner erklärte die Verbrechen gegen das Leben zur gravierendsten aller Straftaten; allgemein vertrat man eher Hierarchisierungen, wonach die Rechte des gesamten Staates, als Bedingungen der Rechte der einzelnen, „viel heiliger und ihre Verletzung weit strafbarer“ seien als letzere.600 Darunter galt allgemein der Hochverrat als das schwerste Verbrechen.601 Auch das allgemein gängige Bild einer erzindividualistischen Rechtsverletzungslehre scheint vom oben abgelehnten Zerrbild der Aufklärung geprägt zu sein, und es ist deshalb kein Wunder, wenn beide schon bei der unmittelbar nachfolgenden Generation, auf die – wie oben gemerkt – die Zerrbilder vielleicht zurückzuführen sind, gefunden werden können.602 Man könnte sogar bezweifeln, ob sich die Rechtsverletzungslehre überhaupt um die Rechte des Individuums als solchem kümmere. Repräsentativ dafür erscheint Kants Bestimmung, Straftaten gebe es nur bei delicta publica, also dort, wo „das gemeine Wesen und nicht bloß eine einzelne Person gefährdet“ werde.603 Zuzugeben ist dem Anhänger der Rechtsverletzungslehre aber trotzdem, dass selbst die Anerkennung von subjektiven Rechten des Staates ihn nicht in die Lage versetzt, etwa die Volksgesundheit oder die Funktionstüchtigkeit des Versicherungswesens theoretisch zu legitimieren. Aber das ließe sich ohne weiteres bewerkstelligen, sobald man einen dritten Rechtsträger neben Individuum und Staat anerkennen würde, nämlich die Gesellschaft. Zu dieser Ergänzung wäre die Rechtsverletzungslehre spätestens dann gezwungen, wenn sie Korruptionstatbestände richtig erfassen wollte: denn ohne hier auf den Streit um den Schutzgegenstand der Bestechungsdelikte näher eingehen zu müssen, lässt sich eines festhalten, und das ist, dass diese Delikte nicht ein subjektives Recht des Staates auf normtreues Verhalten von Beamten verletzen.604 Erkennt man aber an, dass die Individuen nicht allein als solche, sondern auch als Ganzheit bzw. 600 Feuerbach, Hochverrat, S. 14 (Zitat). So auch Beccaria, Delitti, § VIII; Globig/ Huster, Abhandlung, S. 39; Grolman, Begründung, S. 162 f.; Kleinschrod, Grundbegriffe I2, S. 33; s. ferner Wieland, Geist I, § 236 der Delikte gegen den Einzelnen als „mittelbare Beleidigungen der bürgerlichen Gesellschaft“ begriff; W. v. Humboldt, Wirksamkeit des Staates, Kap. XIII (S. 162); Grolman, Begründung, S. 163 Fn.; ähnlich Gros, Naturrecht2, § 366. 601 Feuerbach, Hochverrath, S. 10; ders., Lehrbuch14, § 162 Fn. 2; ferner Beccaria, Delitti, § VIII; Bergk, Philosophie des peinlichen Rechts, S. 120; Globig/Huster, Abhandlung, S. 168; Klein, Grundsätze, § 506; Kleinschrod, Grundbegriffe II2, S. 34; Stelzer, Lehrbuch, § 101; der Sache nach auch Wieland, Geist I, § 258 I; ders., Geist II, § 343, der noch unscharf von „beleidigter Majestät“ spricht. 602 Vgl. oben Teil D., Fn. 506. 603 Kant, Metaphysik der Sitten, A 196/B 226. 604 In diese Richtung wohl – aus nationalsozialistischer Sicht – Schaffstein, Pflichtverletzung, S. 127; ders., DStR 1937, S. 344. Zu diesem Streit auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 313 ff., 321 ff.

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Gesellschaft subjektive Rechte haben können, dann wird sich das Problem der Entlarvung von scheinbaren kollektiven subjektiven Rechten mit derselben Brisanz stellen, wie das analoge Problem im Rahmen der Rechtsgutstheorie. (3) Als erstes Zwischenfazit kann man deshalb behaupten: auch die Rechtsverletzungslehre ist gegen eine Ausuferung hinein in den Bereich des KollektivÜberindividualen nicht immun. Dieser Gefahr sind die beiden konkurrierenden Ansichten in gleicher Weise ausgesetzt. Die Herausforderung für den Vertreter jeder dieser Lehren wird es sein, die Kriterien anzugeben, welche die Postulierung eines subjektiven Rechts der Gesellschaft bzw. eines kollektiven Rechtsguts rechtfertigen. bb) Abstrakte Gefährdungsdelikte sind zur Deliktsform der Moderne erklärt worden.605 Der heutige Gesetzgeber wolle nicht mehr darauf warten, bis eine Verletzung des geschützten Gegenstands eintritt: er begnüge sich zunehmend mit der Bestrafung schon der bloßen Schaffung der abstrakten Gefahr, dass es zu einer Verletzung kommt. Dass der Rückgriff auf die Figur der abstrakten Gefährdungsdelikte die Freiheit der Bürger weiter einschränkt als der Einsatz von Verletzungsdelikten, ist eine Trivialität. Nicht trivial ist aber der gelegentlich geäußerte Vorwurf, wonach die Rechtsgutstheorie dafür zum Teil mitverantwortlich sei. Denn es liege in der Logik der Rechtsgutslehre – so einige ihrer Gegner – das Gut so weit und allumfassend wie möglich zu schützen, und das impliziere selbstverständlich auch, dass man das Gut schon gegen abstrakte Gefahren schützen solle.606 Will man aber dieser, von einigen sogar „feindstrafrechlich“ genannten Tendenz entgegentreten, dann müsse man das Rechtsgutsdenken verlassen und sich auf die Aufgabe des Rechts, Freiheitssphären voneinander abzugrenzen, zurückbesinnen. Einen diesem Ansatz entsprechenden Straftatbegriff bilde die Rechtsverletzungslehre: strafbar sei die Verletzung eines Rechts, also eines Stücks Freiheit, und nur die Verletzung eines fremden Rechts bzw. der Eingriff in die Freiheit eines anderen könnten den Eingriff in die Freiheit des Täters legitimieren.607 Dies legt es nahe, zwei Fragen zu stellen. Erstens: Wohnt der Rechtsgutstheorie tatsächlich eine Gefahr der Ausweitung hinein in den Gefährdungsbereich inne? Und zweitens: Bietet die Rechtsverletzungslehre tatsächlich einen theoretischen Halt gegen derartige Ausweitungen?

605

Hassemer, ZRP 1992, S. 381. Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 752 ff.; E. A. Wolff, Kriminalunrecht, S. 148; Vormbaum, ZStW 107 (1995), S. 752 (die letzten beiden aus der Sicht der Rechtsverletzungslehre). 607 Vgl. die vorige Fn. Auch Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 176, ist der Ansicht, die Rechtsverletzungslehre konzipiere im Vergleich zur Rechtsgutslehre den Bezug zum Opfer konkreter und liefere somit einen präziseren Anknüpfungspunkt für das Gefahrurteil. 606

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Zur ersten Frage: Es ist zuzugeben, dass sich die Rechtsgutslehre nicht gegen, sondern – wenn überhaupt – nur für Vorverlagerungen aussprechen kann, solange diese einen (sei es auch noch so entfernten) Rechtsgutsbezug aufweisen. Freilich hat man immer wieder versucht, aus der Rechtsgutslehre Schranken für Vorverlagerungen abzuleiten;608 in Italien sind einige Autoren unter der Führung Bricolas so weit gegangen, alle abstrakten Gefährdungsdelikte für verfassungswidrig zu erklären, weil diese angeblich gegen ein mit Verfassungsrang versehenes Rechtsgüterschutzprinzip verstießen.609 Das überzeugt aber aus normtheoretischen Gründen nicht. Denn die Rechtsgutsverletzung – also die Zerstörung des Rechtsguts Leben, Eigentum oder Umwelt ist ein Ereignis. Ereignisse kann man aber nicht über eine Norm anordnen oder verbieten: Nur menschliche Handlungen können Gegenstand einer Norm sein.610 Um das unerwünschte Ereignis der Rechtsgutsverletzung zu verhindern, kann die strafrechtliche Norm deshalb nicht anderes tun, als entsprechend rechtsgutsgefährdende Handlungen zu verbieten. Jedes Verbot – selbst das Verbot, das dem Verletzungsdelikt zugrunde liegt – ist ein Gefährdungsverbot.611 Aus der Perspektive des Rechtsguts gibt es im Moment des Eingreifens der Verhaltensnorm, also im Moment der Vornahme der Handlung, keinerlei qualitative Unterschiede zwischen Verletzungs- und konkretem oder abstraktem Gefährdungsdelikt. Die bestehenden Unterschiede sind bloß quantitativ. M. a.W.: Es ist unmöglich für die Rechtsgutstheorie, ausschließlich Rechtsgutsverletzungen als Gegenstände von Strafrechtsnormen zu begreifen, weil ein Verletzungsereignis kein tauglicher Normgegenstand ist. Auch bei Verletzungsdelikten verbietet die Norm nur eine rechtsgutsgefährdende Handlung. Wird das aber erkannt, dann ist es unmöglich, sich aus der sich aus normtheoretischen Gründen mit einer gefährlichen Handlung begnügenden Rechtsgutstheorie eine Begrenzung gegenüber abstrakten Gefährdungsdelikten zu erwarten. Und damit kommen wir zu unserer zweiten Frage – ob es sich bei der Rechtsverletzungslehre anders verhält. Wenn man beachtet, dass die eben entwickelten Erwägungen nicht aus dem Begriff des Rechtsguts, sondern aus dem Begriff der Norm (als Verbot oder Gebot einer Handlung) und aus dem Begriff der Verletzung (als einem von der Handlung getrennten Ereignis) folgen, dann Z. B. Rudolphi, SK6, vor § 1/11. Zu Nachw. siehe bereits oben Teil C., Fn. 344. 610 Das ist eine der vielen unverlierbaren Lektionen des Finalismus, s. vor allem Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 71, 102, 105 ff.; ders., Personales Unrecht, S. 153. Man beachte, dass die jetzige Argumentation auch bezüglich ihrer normtheoretischen Voraussetzungen besonders zurückhaltend ist: Sie besagt nur, dass eine Verbotsnorm eine menschliche Handlung zum Gegenstand haben müsse, und kein Ereignis. Damit dürfte sie wohl den berechtigten Bedenken von Cavaliere, Errore, S. 357 ff. gegenüber dem Anspruch, materielle Ergebnisse aus angeblich formeller Normenlogik abzuleiten, nicht ausgesetzt sein. 611 So vor allem Wolter, Zurechnung, z. B. S. 37. 608 609

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ist es offensichtlich, dass auch die Rechtsverletzungslehre Gefährdungsverbote legitimieren muss. Genauer: Alle Verbote sind Gefahrschaffungsverbote. Denn die Verletzung eines subjektiven Rechts ist nicht minder ein von der Handlung zu trennendes Ereignis, wie es die Verletzung des Rechtsguts ist. Wenn es in dieser Hinsicht irgendeinen Unterschied zwischen Rechtsgutstheorie und Rechtsverletzungslehre gibt, dann gerade in entgegengesetzter Richtung: Das Abstellen auf subjektive Rechte hat es noch leichter, die von Amelung612 scharfsinnig herausgearbeitete, für die Rechtsgutslehre sehr natürliche Unterscheidung zwischen Begehung der verbotenen Handlung und Beeinträchtigung des Gutes zu verwischen, und etwa Handlungen anzunehmen, deren bloße Vornahme automatisch eine Verletzung fremden Rechts bedeute.613 So könnte man vertreten, dass die Nicht-Rückgabe der entliehenen fremden beweglichen Sache nicht erst eine Handlung sei, die eine Verletzung des Rechtsguts Eigentum zu einem davon logisch und zeitlich zu unterscheidenden nachfolgenden Zeitpunkt herbeiführe, sondern dass sie gerade schon die Verletzung des Rückforderungsrechts des Entleihers (§ 604 I BGB) darstelle. So sieht man, dass – wenn überhaupt – die Rechtsverletzungslehre diejenige ist, die Vorverlagerungen durch abstrakte Gefährdungsdelikte legitimieren kann. Denn sie hat es leichter als die Rechtsgutstheorie, den Verletzungserfolg der Handlung in eine verletzende Eigenschaft der Handlung zu verwandeln und so die Grenzen zwischen Verletzungsereignis und gefährdender Handlung zu verwischen.614 Wenn man aber diesen Schritt nicht wagt und die Verletzung als Erfolg der gefährdenden Handlung klar von dieser unterscheidet, dann hat man die Legitimierbarkeit von Gefährdungsverboten anerkannt, so dass es nicht mehr möglich erscheint, allein aus der Rechtsverletzungslehre ein Verbot abstrakter Gefährdungsdelikte zu begründen. Es gilt dann dasjenige entsprechend, was gerade zum Verhältnis von Rechtsgutstheorie und abstrakten Gefährdungsdelikten gesagt wurde. Dass das Konzept der Rechtsverletzung auch nicht als Bollwerk gegen Vorverlagerungen durch abstrakte Gefährdungsdelikte dienen kann, wird durch einen Blick in die Geschichte klar bestätigt. So sollte nach Feuerbach beim Aufruhr die Vollendung schon dann eintreten, wenn die Gruppe von Personen eindeutig ihre Absicht des Widerstands gegen die Obrigkeit ausgedrückt habe,615 612 Amelung, Begriff des Rechtsguts, S. 169; davor ders., Rechtsgutsverletzung, S. 274 f., der den Verdienst dieser Klärung Welzel zuspricht; zust. Alcácer Guirao, Lesión, S. 75. 613 So bereits Birnbaum, NArchCrimR 1834, S. 171 f. Eine gewisse Bestätigung erfährt der hiesige Einwand durch Ripsteins Überlegungen zu dem der Rechtsverletzungslehre weitgehend identischen sovereignity-principle, deren Pointe gerade daran bestehen soll, Rechtsverletzungen ohne Schaden kriminalisieren zu können (Philosophy & Public Affairs 34 [2006], S. 218 ff., 235, 238). 614 Die strafbarkeitserweiternde Auswirkung der Rechtsverletzungslehre beim strafrechtlichen Ehrenschutz stellte kritisch Mittermaier, NArchCrimR 1834, S. 71 fest. 615 Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 50.

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und dies entgegen Kleinschrod, der in seinem Entwurf die Gewaltanwendung verlangte, damit das Verbrechen zur Vollendung komme,616 wofür er von Feuerbach heftig kritisiert wurde. Um nur noch ein zusätzliches Beispiel zu erwähnen: Das Bayerische Strafgesetzbuch von 1813 weitete die Strafbarkeit ausdrücklich auf die Vorbereitungshandlungen (Art. 57 u. 62) aus.617 Und sowohl die Pionierarbeit Stübels zur Theorie der Gefährdungsdelikte, als auch die an sich immer noch aktuellen Überlegungen Oersteds zu den Grenzen legitimer Bestrafung nur mittelbar schädlicher Handlungen, fußen ausdrücklich auf der Rechtsverletzungslehre.618 Bevor man zu dem schon zu erwartenden Fazit kommt, wonach die Rechtsverletzungslehre abstrakten Gefährdungsdelikten gegenüber keinesfalls restriktiver sei als die Rechtsgutslehre, ist noch eine Bemerkung am Platze. Zu den bedeutsamsten wissenschaftlichen Errungenschaften der letzten Jahren zum Thema Rechtsgut zählt die klare Unterscheidung, die man zwischen Rechtsgut und Deliktsstruktur eingeführt hat.619 Die Rechtsgutslehre bestimmt demnach, was überhaupt geschützt bzw. was durch die normwidrige Handlung beeinträchtigt wird. Demgegenüber bestimmen die Erwägungen zur Deliktsstruktur den Modus dieses Schutzes bzw. die nähere Beschaffenheit der normwidrigen Handlung: ob man es mit einem Verletzungs-, mit einem konkreten oder mit einem abstrakten Gefährdungsdelikt zu tun hat. Deshalb stehen die bisherigen Erwägungen zur Frage nach dem Verhältnis von Rechtsguts- oder Rechtsverletzungslehre und abstraktem Gefährdungsdelikt eigentlich unter dem Vorbehalt eines „Wenn überhaupt“: denn die oben ausgearbeiteten Beziehungen zwischen diesen Lehren und den abstrakten Gefährdungsdelikten bestehen nur, solange man die eben erwähnte Unterscheidung von Schutzgegenstand und Struktur des Schutzes verkennt. Nach dem heutigen Stand der strafrechtswissenschaftlichen Diskussion erscheint es einfach verfehlt, von der Rechtsguts- oder von der Rechtsverletzungslehre Abhilfe in Bezug auf Vorverlagerungen durch abstrakte Gefährdungsdelikte zu erwarten. Abstrakte Gefährdungsdelikte sind nämlich eine Frage der Deliktsstruktur, nicht aber des geschützten Gegenstands. Der Vertreter des Rechtsverletzungsdenkens könnte demgegenüber betonen, es gehe ihm nicht nur um subjektive Rechte, sondern auch um deren Verletzun616

Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs III, S. 46. Siehe schon Feuerbach, Entwurf des Gesetzbuchs, Art. 64 („entfernter Versuch“). Vgl. noch Nagler, Die Strafe, S. 392; Grünhut, Feuerbach, S. 199. 618 Stübel, NArchCrimR 8 (1825), S. 236 ff.; ders., Thatbestand, S. 14, 16; Oersted, Grundregeln, S. 100, 102: nach ihm dürfe nicht schon die Möglichkeit eines mittelbaren Schadens für ein Verbot ausreichen, denn sonst „bliebe am Ende fast keine Handlung übrig, die ungestraft begangen werden könnte“. „Es muß also der Grad der Gefahr, in Verbindung mit der Wichtigkeit der in dem Verbot enthaltenen Freiheitsbeschränkung erwogen werden, und das Resultat, ob jene Gefahr oder diese Beschränkung das größere Uebel seyn würde, den Ausschlag geben“. 619 Nachw. oben Teil D., Fn. 471. 617

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gen, so dass seine Theorie gerade keine bloße Theorie des geschützten Gegenstands sei, sondern zugleich und insbesondere auch eine Theorie zur Deliktsstruktur: Schutzwürdige Gegenstände seien demnach nur subjektive Rechte, und subjektive Rechte seien nur über die Struktur des Verletzungsdelikts zu schützen. Eine derartige pauschale Ablehnung aller abstrakter Gefährdungsdelikte kann aber schwerlich angemessen sein. Es ist vielmehr mit Schünemann festzuhalten, dass abstrakte Gefährdungsdelikte in vielen Lebensbereichen das allein angemessene Mittel darstellen.620 Will man diese Deliktsstruktur trotzdem pauschal ablehnen, braucht man ein stärkeres Argument, als die gerade skizzierte Ableitung aus einer schon für diese Zwecke gebildeten Rechtsverletzungslehre. Als zweites Fazit lässt sich deshalb sagen, dass auch in Bezug auf Vorverlagerungen durch abstrakte Gefährdungsdelikte Rechtsverletzungs- und Rechtsgutslehre im Wesentlichen gleich restriktiv sind. Denn abstrakte Gefährdungsdelikte sind zunächst einmal Fragen der Deliktstruktur, des „Wie“ des strafrechtlichen Schutzes, und nicht des Schutzgegenstandes, des „Was“ des strafrechtlichen Schutzes. Selbst aber, wenn man diese grundlegende neuere Unterscheidung ignoriert, müssen sich beide Theorien schon aus normtheoretischen Gründen mit der bloßen Gefährdung des Rechtsgutes bzw. des subjektiven Rechts begnügen. Denn mehr als gefährliche Handlungen kann man nur mittels Normen nicht verbieten. cc) (1) Dass die Rechtsverletzungslehre von dem liberalen Anliegen lebt, dem Strafrecht jeden Zugriff auf die Moralität der Bürger abzusprechen, wird als Selbstverständlichkeit angesehen. Feuerbach berief sich auf die Rechtsverletzungslehre, um Moralwidrigkeiten aus dem Strafrecht auszuscheiden,621 und seine Gegner (insbesondere die aus der Restaurationszeit) warfen ihm vor, eine Theorie gebildet zu haben, die keinen Platz für das Sittliche lasse.622 Die heutigen Vertreter der Rechtsverletzungslehre hatten zwar kaum Anlass, auch gegenüber dieser Frage nach der Leistungsfähigkeit der Rechtsverletzungslehre zur Bekämpfung von Strafrechtsmoralismen die Liberalität der Theorie unter Beweis zu stellen, weil man heute, nach der großen Reform des Sexualstrafrechts,623 nur eher noch vereinzelt Tatbestände findet, die tatsächlich bloß über moralisierende Begründungen getragen werden können.624 Aber es scheint keine Frage zu sein, dass auch sie von einer solchen liberalen Leistungsfähigkeit ihrer Theorie überzeugt sind.

620

Schünemann, GA 1994, S. 212 ff.; ders., Paradigmenwechsel, S. 27. Vgl. oben S. 56 ff. m. Nachw. 622 Nachw. oben Teil D., Fn. 506. 623 Dazu z. B. Schroeder, Sexualstrafrecht, S. 15. 624 Zwei Beispiele: Tierpornographie (§ 184b StGB) und Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB), Nachw. zur Kritik oben in Teil C., Fn. 20 und 71. 621

II. Die Straftheorie

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Im Lager der Rechtsgutslehre sehen die Verhältnisse nicht viel anders aus. Die wesentlichen Anregungen, die in der Reform des Sexualstrafrechts gipfelten, kamen fast alle von der Rechtsgutstheorie.625 Heute versuchen zwar einige, diese Errungenschaften der Rechtsgutslehre dadurch zu bagatellisieren, dass sie die Reform des Sexualstrafrechts eher auf Änderungen der Sexualmoral als auf eine rechtswissenschaftliche Theorie zurückführen.626 Dabei wird aber die rechtssoziologische Ebene mit der rechtswissenschaftlichen vermengt, denn die rechtswissenschaftliche Begründung der Illegitimität derartiger Verbote berief sich in erster Linie gerade nicht auf eine Änderung der Moralanschauungen, sondern auf Gründe, die mit derartigen Anschauungen nichts zu tun haben. Das nicht-relativistische und nicht-moralistische in der rechtswissenschaftlichen Diskussion eingesetzte Argument dafür, das Sexualstrafrecht zu liberalisieren, war tatsächlich der Hinweis auf die Rechtsgutstheorie, und dies muss selbst derjenige, der an der Fruchtbarkeit dieser Theorie zweifelt, als geschichtliche Tatsache zugeben.627 Und es ist wohlbekannt, dass auch die heutigen Vertreter der Rechtsgutstheorie im Ausschluss reiner Moralwidrigkeiten aus dem Anwendungsbereich des Strafrechts die bedeutsamste Folgerung der Theorie sehen.628 (2) Stimmen diese beiden Einschätzungen? Können Rechtsverletzungs- und Rechtsgutstheorie moralisierenden Tendenzen des Strafrechts eine Grenze setzen? Wenn nein, welche kann es nicht, wenn ja, welche kann es besser? Das sind die Fragen, mit denen man sich jetzt zu befassen hat. Zunächst zur Rechtsverletzungslehre. Kein geringerer als Birnbaum scheint hier so etwas wie ein Geständnis abzugeben, das den Vertretern der Rechtsverletzungslehre besonders willkommen sein dürfte. Unter den Haupteinwänden Birnbaums gegen die Rechtsverletzungslehre befand sich gerade der, dass sie für Sittlichkeitsdelikte keinen Anhaltspunkt anbieten könne.629 Wie schon bemerkt, war hier Birnbaum wiederum kein Pionier, sondern hat nur Ansichten wiederholt, die schon seit einigen Jahrzehnten Gemeinplätze waren.630 Und deshalb entsteht auch hier die Vermutung, ob man es nicht nochmals mit einer pauschalen und simplen Ablehnung der Gedanken der vergangenen Generation zu tun hat. Das ist nach näherem Hinsehen tatsächlich der Fall. Der unbefangene Blick in die Literatur des späten 18. Jahrhunderts ruft einige Verblüffungen hervor. Darunter ist insbesondere diejenige zu erwähnen, 625

Siehe die Nachw. oben S. 111. Frisch, An den Grenzen, S. 72 f.; ders., Rechtsgut, S. 218; Stratenwerth, Rechtsgut, S. 389 ff.; Hirsch, Bie jurídico, S. 376. 627 Sehr ähnlich Roxin, Rechtsgüterschutz, S. 136. 628 Roxin, AT I4, § 2/17 ff.; ders., Rechtsgüterschutz, S. 141; Rudolphi, Rechtsgutsbegriff, S. 160 f.; Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 141 f.; Greco, Proteção de bens jurídicos, S. 411. 629 Nachw. oben Teil D., Fn. 503. 630 Siehe oben Teil D., Fn. 506. 626

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wonach auf der einen Seite die Rechtsverletzungslehre ohne großen Widerstand akzeptiert wurde, man auf der anderen aber keinen Anlass daraus entnahm, Sittlichkeitsdelikte abzulehnen.631 Im ersten Teil dieser Arbeit haben wir gesehen, dass dies nur vereinzelt getan wurde, nämlich von den Vorgängern Hommel und Cella, und in Feuerbachs Generation von ihm, Bergk und Stürzer, während fast alle andere Autoren zwei Ansichten vertraten, die sich nach heutiger Auffassung nicht miteinander vertragen.632 Es wäre sehr bequem, den Widerspruch festzustellen und über die Strafrechtswissenschaftler früherer Generationen das Urteil zu fällen, sie seien eben „noch nicht so weit gewesen“. Bescheidener und wissenschaftlich angemessener wäre es aber, nach den Gründen zu fragen, weshalb ihnen der Widerspruch nicht auffiel, oder noch weiter: weshalb es nach ihrer Ansicht gar keinen Widerspruch gab. Eine solche Fragestellung erscheint für den, der über die Geschichte nicht nur urteilen, sondern aus der Geschichte etwas lernen will, vorzugswürdig. Wenn man hinterfragt, wieso scharfsinnige Menschen wie Grolman, Klein und viele andere keinen Widerspruch zwischen Rechtsverletzungslehre und moralisierenden Strafrechtsvorschriften sahen, entdeckt man tatsächlich einiges. Man hatte ein Argument, um die beiden Ansichten miteinander zu versöhnen – nämlich den Hinweis auf die mittelbaren Folgen der moralwidrigen Tat für die Rechte anderer. Klein schrieb: „Fleischesverbrechen wider die natürliche Ordnung sind entweder dem Verbrecher allein oder auch Andern nachtheilig. Die ersteren würden zwar, an sich betrachtet, nur unter die Sünden, aber nicht unter die Verbrechen gehören; sie werden aber wegen ihres mittelbar schädlichen Einflusses auf die Gesellschaft bestraft.“633 Stübel vertritt zwar die Rechtsverletzungslehre, nur glaubt er, fleischlische Verbrechen seien als gefährliche Handlungen, d.h. als solche, welche die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung in sich bergen, verboten.634 Eine überindividualistische Variante dieses Arguments findet sich schon bei Christian Wolff: Verbrechen gegen die Religion seien legitimierbar, da die Religion die Grundlage des Staates sei.635 Mithilfe derselben Grolman, Grundsätze1, §§ 4, 100, 531, 556 ff.; Klein, Grundsätze, §§ 2, 366. I.S. der Rechtsverletzungslehre auch ders., ArchCrimR Bd. I St. III (1798), S. 40; Kleinschrod, Grundbegriffe I2, S. 17, 19; vgl. ferner Stübel, System II, S. 6, 11. 632 Für Nachw. siehe oben S. 57 vor allem Teil B., Fn. 163. 633 Klein, Grundsätze, § 366. 634 Stübel, Thatbestand, S. 14, 16, 17. 635 Wolff, Politik, § 357, 366, 367. So auch Wieland, Geist I, § 27 ff., 230 II, wo das „Verführen zu falschen Begriffen von dem höchsten Wesen“ für strafbar erklärt wird. Er spricht an anderen Stellen von Religionsdelikten als Verletzungen subjektiver Rechte der Kirche (Geist II, § 398 ff.), aber auch als Störungen von Ordnung und Ruhe (§ 400); Stelzer, Lehrbuch, § 314: die „äußere öffentliche Religion“ sei „ein politisches Band der bürgerlichen Republik; wer dies zerreißt, handelt wider die innere Ruhe und Sicherheit des Staats“. Ähnlich Lardizábal, Discurso, Cap. III 9, auf Grundlage der Sozialschädlichkeitslehre; Soden, Geist, S. 119 f.; Bentham, Introduction, 631

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Argumentation begründet Wieland zwar – um es in heutiger Terminologie zu sagen – wegen mangelnder „Schuld“ nicht den Verbrechens-, aber doch den Unrechtscharakter des Selbstmordes636 und sogar dessen Strafbarkeit in den Fällen, wo derjenige, der einen Selbstmordversuch begeht, andere schädigen kann: Daher verdienten „Väter und Mütter zahlreicher Familien, schwangere Weibspersonen und Soldaten“ beim versuchten Selbstmord die „härtesteten Züchtigungen“.637 Auch die Fleischesverbrechen werden bei ihm in mittelbare und unmittelbare Störungen fremder Rechte unterteilt: Zur letzten Gruppe gehören die „Kuppelei“ und die „Hurenwirtschaft“, die „Arten unnatürlicher Wollust“ und die „Blutschande“.638 Sogar Feuerbach begründet die von ihm immer noch anerkannten Polizeivergehen mit dem Hinweis, dass sie mittelbar die Erreichung des Staatszwecks beeinträchtigten. 639 Und 1827, als die Rechtsverletzungslehre schon im Feuer der Kritik stand, versuchte Droste-Hülshoff nachzuweisen, dass sie nicht mit Sittlichkeits- und Religionsdelikten inkompatibel sei: „Bei den genannten Handlungen muß nun eben, je weniger sie unmittelbar Rechtsverletzungen sind, um so mehr nach ihrer Unsittlichkeit oder Irreligiosität die Qualität und besonders die Größe der Rechtsverletzung, welche in denselben liegt, ermessen werden, weil eben die Unsittlichkeit oder Irreligiosität dann allein das Medium ist, wodurch sie sich als mittelbare Rechtsverletzungen darstellen und bewähren“.640 Eine Untermauerung der Religion und der Sitten beeinträchtige deshalb mittelbar sowohl das subjektive Recht des Staates auf seine eigene Existenz, als auch alle Rechte der Bürger. Zunächst ist hier nun eine Bemerkung zur Struktur des Arguments am Platze, dann eine zu seinen theoretischen Auswirkungen. Das Argument weist die Struktur eines empirischen Satzes auf. Es stellt eine Korrelation her zwischen zwei empirischen Größen, nämlich auf der einen Seite dem Ausmaß und der Häufigkeit von moralischer Freizügigkeit und auf der anderen Seite dem Ausmaß und der Häufigkeit von Rechtsverletzungen. Man könnte diese Korrelation durchaus in Frage stellen: etwa dadurch, dass man sie für völlig unbegründet erklärt, oder dadurch, dass man eine Gegenthese zu ihr Chap. XV, 18; ders., Traité de Legislation I, S. 201 ff.; ders., Traité de Legislation II, S. 246. 636 Wieland, Geist I, § 240. Siehe ferner § 239 I, III („Pflicht der Selbsterhaltung“). 637 Wieland, Geist I, § 246. 638 Wieland, Geist II, § 502, 512 ff., 518 ff. 639 Feuerbach, Revision II, S. 221 ff. Vgl. auch Thibaut, Beyträge, S. 32, der freilich meint, diese Kritik sprenge die Rechtsverletzungslehre; sie ist aber vielmehr ihre konsequente Anwendung. 640 Droste-Hülshoff, NArchCrimR 1827, S. 621 (kursiv im Original). Das wird erstaunlicherweise übersehen von Sina, Rechtsgut, S. 19, der meint, Droste-Hülshoff habe „noch einmal die Verdienste des Feuerbachschen Verbrechensbegriffes, besonders seine Klarheit und seine Funktion als Garantie der bürgerlichen Freiheit im Staate“ hervorgehoben.

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aufstellt, etwa die, dass Menschen, die sich häufig moralwidrig betätigen, schon aus diesem unschädlichen Normbruch ihre erwünschte Befriedigung erzielen, so dass sie später keine folgenschweren Normbrüche z. B. einer strafrechtlichen Norm begehen müssen. Das wären wiederum empirische Sätze. Wenn man mit Empirie argumentiert, trägt man seine Ansprüche vor zwei Gerichtshöfen vor, nämlich zum einem vor dem Gerichtshof der empirischen Wissenschaften, und zum anderen vor dem Gerichtshof des common sense.641 Da die empirischen Wissenschaften bei der vorliegenden Frage sehr unschlüssig zu sein scheinen, muss sich der hiesige empirische Satz nur vor dem common sense behaupten können. Es erscheint aber unbestreitbar, dass er dies tut, dass man also der These mittelbarer Folgen von moralwidrigen Taten nicht völlig die Plausibilität absprechen kann. So gehört es etwa zu den Grundsätzen allgemeiner Lebensklugheit, nicht am Abend in der Nähe von Bahnhöfen oder in sonstigen prostitutions- und drogenbelasteten Gegenden mit viel Geld in der Tasche spazieren zu gehen. Solange dieser Grundsatz gilt, solange wir es nicht irrational finden, wenn man sich an ihn hält, und solange wir den, der es nicht tut und Opfer einer Straftat wird, sagen, er sei in einem gewissen Sinne selbst daran schuld – solange wird man die These der mittelbaren Folgen moralwidriger Handlungen nicht als bloße Einbildung zurückweisen können. Es ist eine andere Frage, ob sie die Reichweite hat, die man ihr ursprünglich zuschrieb. So erscheint es insbesondere fraglich, ob bezüglich der Strafbarkeit der männlichen Homosexualität die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der E 1962, die beide auf eine Theorie der mittelbaren Folgen abstellten,642 vergleichbar plausible Argumente für die jeweils eigene Meinung aufbringen konnten. Tatsache ist aber, dass über den Hinweis auf mittelbare Folgen von Moralwidrigkeiten die Unverträglichkeit von Rechtsverletzungslehre und moralistischer Strafgesetzgebung zu einer empirischen Frage des Hier und Jetzt wird. Hier und jetzt erscheint die Forderung der Kriminalisierung der Prostitution oder der Drogenbenutzung aufgrund eines Hinweises auf deren mittelbare Folgen zumindest schon ceteris paribus als ein ernstzunehmendes Argument. Das war die Bemerkung zur Struktur des Arguments. Jetzt geht es um seine Bewertung. Kann man nicht den Hinweis auf mittelbare Folgen dadurch entkräften, dass man für eine Kriminalisierung eine Handlung verlangt, die unmittelbar eine Rechtsverletzung verursache? Das war etwa der Ausweg Hommels: „Man kennt schon die labyrinthischen Schlüsse tiefdenkender Schulweise, welche durch 99 Folgerungen, darunter öfters der größte Teil falsch ist, endlich die hunderste hervorbringen, die erweisen soll, es wäre den Bürgern doch wenigstens die Sache mittelbar schädlich“.643 Auch Cella verwies hinsichtlich aller indirekten 641

Zur Relevanz der Empirie für die Straftheorie s. insb. S. 367. BVerfGE 6, 389 (437: mittelbarer Jugendschutz), aber nicht nur (etwa S. 426, 434); E 1962, S. 376 ff., aber nicht nur (S. 375). 643 Hommel, Vorrede, S. 49; zustimmend Roxin, Franz v. Liszt, S. 43 Fn. 43. 642

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Schädigungen auf die Polizei und damit weg vom Strafrecht.644 Doch so verführerisch er sich auch anhören mag, ist dieser Ausweg nicht gangbar. Gegen ihn sprechen die Gründe, die wir oben für die Anerkennung abstrakter Gefährdungsdelikte geltend gemacht haben und die an dieser Stelle nicht wiederholt zu werden brauchen. Der Vertreter der Rechtsgutstheorie sollte aber diese Widerlegung der Tauglichkeit der Rechtsverletzungslehre, dem Strafrechtsmoralismus Grenzen zu ziehen, nicht als eigenen Sieg verbuchen. Denn das gleiche Argument, das die Vertreter der Rechtsverletzungslehre zur Begründung ihrer Verträglichkeit mit moralistischen Straftatbeständen vorbrachten, nämlich der Hinweis auf mittelbare Auswirkungen moralwidriger Handlungen, lässt sich auch von der Rechtsgutslehre vortragen. So entpuppt sich die vermutete prinzipielle Unverträglichkeit zwischen Rechtsgutstheorie und Strafrechtsmoralismus als eine in Wahrheit bloß empirisch-kontingente Unverträglichkeit. Die Rechtsgutstheorie verbietet es zwar, dass der unmittelbare Hinweis auf die Immoralität der Tat allein ihre Strafbarkeit trägt, akzeptiert diesen Hinweis aber als mittelbaren Grund, eine Tat unter Strafe zu stellen – nämlich als Begründung eines empirischen Prognosesatzes, wonach Immoralität auch Straftaten fördert. Nach diesem ernüchternden, oder richtiger: enttäuschenden Befund scheinen sich zwei Alternativen zu eröffnen. Der erste Ausweg würde darin bestehen, die Enttäuschung für unbegründet zu erklären. Es stimme zwar, dass weder Rechtsguts- noch Rechtsverletzungslehre es dem Strafgesetzgeber untersagen könnten, unter dem Hinweis auf ihre indirekten Folgen eine moralwidrige Tat zu einer Straftat zu erklären. Aber auf der anderen Seite – und dies sei es, weshalb man nicht enttäuscht sein solle – sei es dem Gesetzgeber doch immerhin verwehrt, Straftaten allein deshalb zu schaffen, weil sie moralwidrig seien. Schon der indirekte Bezug auf ein Rechtsgut oder ein subjektives Recht bilde eine wichtige, nicht zu unterschätzende Schranke gegenüber gesetzgeberischer Willkür – so der erste Ausweg. Diese Erwägungen würde man danach um eine ausgearbeitete Theorie von legitimierbaren Deliktsstrukturen ergänzen, die u. a. bestimmen würde, wie indirekt die Folgen sein dürften, wie abstrakt die Gefahr der Rechtsgutsverletzung oder der Verletzung des subjektiven Rechts sein dürfte, damit man ein Verhalten kriminalisieren könnte. Beispielsweise könnte man etwa die Vorschrift über die Homosexualität in ein Delikt zum Schutze des Weiterbestehens künftiger Generationen umdeuten (dass so etwas ein Rechtsgut sein kann, leuchtet ohne weiteres ein, denn dieser Gesichtspunkt taucht besonders oft auf, wenn man über die Umwelt diskutiert 645). Dann hätten homosexuelle Handlungen die De-

644 645

Cella, Unzuchtsfälle, § 18 (S. 24). Statt aller Schünemann, GA 1994, S. 206.

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liktsstruktur von Kumulationsdelikten, da die Beeinträchtigung des geschützten Gegenstands nur eintreten könnte, wenn man die verbotene Handlung nicht nur vereinzelt, sondern auch massenweise begeht, und wenn man sich zudem sonst nicht heterosexuell betätigt. Dass diese Kumulationseffekte nicht realistisch erwartbar sind, was von Wohlers und Hefendehl als Legitimitätsvoraussetzung der Deliktsstruktur des Kumulationsdelikts verlangt wird,646 dürfte ohne weiteres klar sein. Ferner könnte man gegen die Kriminalisierung geltend machen, dass sie willkürlich erscheine, indem sie nur die Homosexualität, nicht aber auch die sexuelle Abstinenz unter Strafe stellt. So ließe sich die Kriminalisierung einer bloß moralwidrigen Handlung nicht nur allein anhand der Rechtsguts- oder der Rechtsverletzungslehre kritisieren, sondern schon anhand einer Bemühung sowohl der Rechtsguts- bzw. der Rechtsverletzungslehre, die in der Moral keinen direkt schutzwürdigen Gegenstand sehen, als auch einer ausgearbeiteten Theorie legitimer Deliktsstrukturen, die das Ausmaß der zu verlangenden Indirektheit bestimmen würde. Dieser Ausweg hat tatsächlich einiges für sich. Dass die von ihm vorgeschlagene Anwendung sowohl der Rechtsguts- bzw. der Rechtsverletzungslehre, als auch der Theorie der Deliktstruktur notwendig und zutreffend ist, kann man nicht in Frage stellen. Die Frage ist aber, ob das tatsächlich alles ist, was man zum Ausschluss von Moralwidrigkeiten aus dem Strafrecht zu sagen hat. Denn trotz dieser Erwägungen zum ersten Ausweg besteht ein ernstzunehmendes Unbehagen dahingehend, dass die Frage, ob moralwidrige Handlungen ein legitimer Kriminalisierungsgegenstand sind, zu einer empirischen Frage wird. Entscheidend ist nur, ob man hinreichende Gründe hat, von einer genügend intensiven Gefährlichkeit der Handlung auszugehen. Und leider ist es so, dass sich die Empirie zur Untermauerung der unterschiedlichsten, letztlich nur moralistisch begründeten Vorhaben gefügig zeigt. Schon ein flüchtiger Blick in die heutige kriminalpolitische Diskussion zeugt davon, dass man sich immer seltener allein auf die Moralwidrigkeit einer Handlung beruft, um deren Kriminalisierung zu verlangen. Der Krieg gegen die Drogen und die Kriminalisierung des Besitzes von Drogen für den eigenen Verbrauch werden nicht mit dem Argument gerechtfertigt, Junkies seien böse, sondern mit dem Hinweis auf die indirekten sozialen Folgen eines verbreiteten Drogengenusses etwa für jugendliche Konsumenten einerseits, und für die Entstehung und Stärkung der organisierten Kriminalität andererseits.647 Die Feministinnen behaupten in ihrem Feldzug gegen die Pornographie nicht nur, dass Pornographie Frauen entwürdige und unmoralisch behandle, sondern auch, dass Pornographie mittelbar Sexualstraf-

646 Wohlers, Deliktstypen, S. 322 ff.; Wohlers/v. Hirsch, Faire Zurechnung, S. 208 f.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 185. 647 So kein geringeres als BVerfGE 90, 145 (174 f., 182 f., 184).

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taten fördere.648 Ähnliche Beispiele dürften sich beliebig vermehren lassen,649 so dass die Frage unumgänglich erscheint, ob der erste Ausweg mehr ist als eine Milchmädchenrechnung, die zu einem manipulativen Umgang mit der Empirie und einer Verdeckung der hinter bestimmten Forderungen lauernden entscheidenden Motive geradezu einlädt. In der Tat: Der erste Ausweg darf nicht das letzte Wort zur Frage nach der Legitimität von moralistischen Straftatbeständen sein. Er ist vielmehr zu ergänzen um einen zweiten Ausweg, der seinen Grundfehler vermeidet und somit das Maßgebliche wieder in den Mittelpunkt stellt – der entgegen dem ersten Ausweg nicht ausschließlich auf konsequentialistische Erwägungen abstellt, sondern diese um deontologische Schranken vervollständigt. Denn nur über das Postulat einer deontologischen Schranke lässt es sich vermeiden, dass die Bestimmung der Grenzen des Erlaubten und des Unerlaubten bis in den moralischen Bereich hinein den Kontingenzen der Empirie, und das bedeutet auch der Macht derjenigen, die über die Empirie entscheiden können, ausgeliefert wird. Ins Positive gewendet: Nur eine Ergänzung der bisherigen Erwägungen um deontologische Schranken tragen dem Gesichtspunkt Rechnung, dass es doch Bereiche gibt, in die der Staat unter keinen Umständen eindringen darf, dass die Bürger über so etwas wie eine höchstpersönliche Sphäre verfügen, die vom Staat nicht anzutasten ist. Was zu diesem Bereich im Einzelnen gehören dürfte, ist eine schwierige, aber nicht zu umgehende Konkretisierungsfrage, die man hier freilich unmöglich bis in Details ausarbeiten kann. Auf jeden Fall gehört dazu alles, was der vollverantwortliche Täter in seiner eigenen Privatheit mit seinen Händen und seinem Körper macht – sei es der Besitz und Genuss von Drogen, sei es der Besitz und Genuss pornographischen Materials – selbst wenn die indirekte Schädlichkeit derartiger Verhaltensweisen für schutzwürdige Gegenstände i. S. der Rechtsguts- oder der Rechtsverletzungslehre empirisch gut begründet erscheint. Eine Ausnahme erscheint nicht einmal beim Besitz und Genuss von Gewalt- oder Kinderpornographie650 annehmbar. Dass das Sich-Verschaffen derartigen Materials freilich keine Handlung mehr ist, die in den Grenzen der höchstpersönlichen Privatsphäre verbleibt, versteht sich von selbst. Dass Freiheitsinteressen der Bürger bei der Begründung einer Kriminalisierung berücksichtigt werden müssen, ist ein Gemeinplatz. Das geschieht sowohl auf der kriminalpolitischen Ebene der Formulierung eines Verbots de lege fe648 Beispielhaft MacKinnon, Feminist Theory, S. 195 ff.; A. Schwarzer, Anti-Pornographie-Gesetz, S. 43, 46 f. wo beide Argumente – Entwürdigung und Gefährdung – zusammen auftauchen. 649 Etwa Videospiele, inzwischen tendenziös „Killer-Spiele“ genannt, die durch den von Bayern jüngst in den Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Jugendschutzes [JuSchVerbG] verboten werden sollen. 650 Erwähnenswerte Kritik bei H. Jäger, Irrationale Kriminalpolitik, S. 232 f. und Schünemann, Ultima ratio, S. 34.

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

renda,651 als auch auf der dogmatischen Ebene der Bestimmung seines Anwendungsbereichs de lege lata.652 De lege lata spricht man, um von einem Normverstoß ausgehen zu können, insb. von der Notwendigkeit einer unerlaubten Gefahrschaffung bzw. einer Überschreitung des erlaubten Risikos und hebt zutreffend hervor, dass die Freiheit der Bürger an dieser Stelle nicht übersehen werden dürfe, dass es bei der Konturierung des Verbots nicht bloß um Schutz von Rechtsgütern (oder subjektiven Rechten), sondern auch um die Optimierung der Freiheit der Bürger gehe. Das ist alles richtig, darf aber nicht den Eindruck vermitteln, als ob damit die Freiheit der Bürger hinreichend ernst genommen würde. Denn Freiheit kommt im herrschenden Modell nur als „Gegeninteresse“653 in Betracht, also nur als etwas, was neben anderen Erwägungen in einer Gesamtbewertung eine Rolle spielt. Im herrschenden Modell ist man nur solange frei, als die anderen Menschen kein hinreichend starkes Interesse daran haben, dass man diese Freiheit verliert.654 Dass es Handlungen gibt, die man selbst dann ausüben darf, wenn dies dem Interesse anderer widerspricht, hat auch das Bundesverfassungsgericht klar gesehen, nämlich in seiner Entscheidung zur Zulässigkeit von ehrverletzenden Äußerungen im Briefwechsel zwischen dem Häftling und seinen Familienangehörigen, selbst wenn beide wissen, dass die Post überwacht wird, so dass die Opfer von den Ehrverletzungen Kenntnis erlangen werden.655 Das Bundesverfassungsgericht spricht hier zutreffend von der Notwendigkeit der Gewährleistung eines „Raum(es) . . ., in dem er (der Einzelne, L. G.) unbeobachtet sich selbst überlassen ist oder mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen verkehren kann“.656 Es gilt jetzt nur, diesen zutreffenden Punkt vom Besonderen in den Allgemeinen Teil, nämlich in die objektive Zurechnungslehre zu übertragen,657 und dann von dort in die allgemeine Straftheorie, wo er eigentlich hingehört. Betätigt sich der Bürger nur in diesem engen Bereich privater Lebensgestaltung, so ist es irrelevant, ob seine Betätigung moralwidrig oder indirekt schädlich ist. Er darf sich rechtlich so betätigen, und über diese deontologische Schranke sich hinweg zu setzen hat der Staat kein Recht, erst recht

651

Statt aller Schünemann, Ultima ratio, S. 24. Vor allem Schünemann, Rechtsfindung, S. 129 ff. 653 Für das Strafrecht grundl. Schaffstein, Teleologische Begriffsbildung, S. 56 ff., 64; zust. Dahm, ZStW 57 (1938), S. 233. 654 So meine frühere Kritik, Greco, Imputação, S. 39. 655 BVerfGE 90, 255 (259 f.). 656 BVerfGE 90, 255 (260); siehe dazu im Wesentlichen zust. Gössel/Dölling, BT I2, § 30/44; Lackner/Kühl, StGB25, § 185/9; Otto, Schutz der Ehre, S. 87; Wasmuth, NStZ 1995, S. 101; Wessels/Hettinger, BT I29, Rdn. 485 f.; Wolff-Reske, Jura 1996, S. 187. 657 Ein Versuch bei Greco, Imputação, S. 39 ff.; s. auch unten S. 483 f. 652

II. Die Straftheorie

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dann nicht, wenn er sein Vorhaben nur mittels konsequentialistischer Überlegungen begründen kann. Jetzt gilt es nur noch, aus den vorstehenden Erwägungen das Fazit in Bezug auf beide miteinander streitenden Theorien zu ziehen. Die Rechtsguts- und die Rechtsverletzungslehre stehen auch bei der Frage nach dem Umgang mit moralistischer Strafgesetzgebung im Patt. Entgegen einer verbreiteten Ansicht können sie zwar nicht die erwartete Rolle als Bollwerke gegen Moralisierungen durch das Strafrecht spielen, denn der Hinweis auf mittelbare Schäden gilt immer noch als guter Grund, eine Handlung unter Strafe zu stellen. Man hat erstaunlicherweise kaum gesehen, dass der Versuch, aus einer konsequentialistischen Theorie wie der Rechtsguts- oder Rechtsverletzungslehre eine unübersteigbare Schranke der Strafgewalt abzuleiten, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, da unübersteigbare Schranken nur deontologisch konstruierbar sind.658 Das Anliegen sowohl der Rechtsguts-, als auch der Rechtsverletzungslehre, eine Schranke anzubieten, entpuppt sich als Kategorienfehler, als Vermengung deontologischer mit konsequentialistischen Überlegungen, als Versuch der Zurückführung einer Schranke auf einen Zweck, des Richtigen auf das Vorteilhafte. Deshalb müssen sich sowohl die Rechtsguts-, als auch die Rechtsverletzungslehre eine externe Begrenzung durch eine deontologische Schranke des Verbots der Überschreitung der höchstpersönlichen Privatsphäre des Bürgers gefallen lassen. Wie weit diese Sphäre reicht, ist eine schwierige Konkretisierungsfrage. Meint man es ernst mit dem Instrumentalisierungsverbot, wird man diesem Problem aber nicht durch den bequemen Hinweis auf eine Abwägung ausweichen können. Das ist der tiefere Grund, weshalb die von einigen Vertretern der Rechtsgutslehre leidenschaftlich kritisierte659 Cannabis-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts letztlich nur die Konsequenzen aus dieser konsequentialistischen Theorie zog – Konsequenzen, die sich aus der als Konkurrenz angebotenen 658 Selbst die Verbindung von Rechtsgutslehre und Rechtsverletzungslehre und Konsequentialismus ist erstaunlich selten explizit gemacht worden – die wichtigste Ausnahme waren die (individual-)moralistisch inspirierten Kritiker, wie etwa Dahm, ZStaW 95 (1935), S. 295; Welzel, Begriff des Strafgesetzes, S. 229; ders., Strafrecht11, S. 3 und einige unter denen, die sich mit diesen Kritikern auseinandersetzen, z. B. Amelung, Rechtsgutverletzung, S. 275 (Rechtsgüterschutz als „Erfolgsethik“); Alcácer Guirao, Lesión, S. 46 f.; Müssig, Rechtsgüterschutz, S. 11. Dagegen ist die von M. Köhler, AT, S. 24 behauptete Verbindung von Rechtsgutslehre und materieller Werttheorie (zust. Rath, Rechtfertigungselement, S. 366; Pérez del Valle, InDret 4/2006 Nr. 379, S. 4) geschichtlich falsch – Rechtsgutslehren gab es vor und nach Scheler und Hartmann – und philosophisch ungenau: denn die materielle Wertelehre ist nur einer von vielen möglichen Konsequentialismen, der als guten, zu maximierenden Zustand nicht etwas Empirisches, sondern ideelle Werte bestimmt. Misverständlich auch Kindhäuser, GA 1989, S. 496, in seiner Kritik, der Rechtsgüterschutz werde gelegentlich „rein utilitaristisch“ missbraucht – als ob es anders ginge. 659 Vor allem Schünemann, Rechtsgüterschutzprinzip, S. 146 ff.

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

Rechtsverletzungslehre ebenfalls hätten ziehen lassen. In der Entscheidung spricht man von allen möglichen mittelbaren Schäden, welche die Verbreitung von Drogen in einer Gesellschaft haben könnten, von den Gefahren für Jugendliche bis hin zur Förderung der organisierten Kriminalität.660 Gerade dasjenige, was jenseits aller empirischen Mutmaßungen dem einzelnen eine absolute Geborgenheit vor den Ansprüchen der Allgemeinheit und des sie repräsentierenden Staates gewähren könnte, gerade das kam in der Entscheidung zu kurz. Denn dazu äußerte sich das Gericht nur knapp und klar: „Ein ,Recht auf Rausch‘ . . . gibt es mithin nicht.“ 661 Nicht anders argumentierte das Gericht in der InzestEntscheidung.662 Gerade deshalb sind die von Kritikern gerne angeprangerten Definitionsprobleme des Rechtsgutsbegriffs – die sich für die Rechtsverletzungslehre in gleicher Weise stellen663 – eine für die Begrenzung der Strafgewalt zweitrangige Frage. Viel schwieriger und wichtiger ist es, den Umfang der Rechte der Bürger zu bestimmen, in die der Staat mit keinem Zweckmäßigkeitsargument des Güter- oder Rechtsschutzes eingreifen darf. f) Der Vergleich der Liberalisierungsleistungen von Rechtsguts- und Rechtsverletzungslehre in Bezug auf kollektive Rechtsgüter, abstrakte Gefährdungsdelikte und Kriminalisierungen von Moralwidrigkeiten hat zwar vielleicht einige Fehlvorstellungen beseitigt und insbesondere auf die Ergänzungsbedürftigkeit der bisherigen Konstruktion um eine wichtige, nicht in aller Deutlichkeit erkannte deontologische Schranke hingewiesen. Gerade das Erwartete hat aber der Vergleich nicht geliefert, nämlich die Entscheidung zwischen den miteinander streitenden Positionen. Nach diesem Befund erscheinen zunächst einige Bemerkungen, dann aber doch auch die versprochene Stellungnahme am Platze. Die Bemerkungen: In Bezug auf ihre Liberalität lässt sich keine Theorie der anderen gegenüber vorziehen. Dieses Ergebnis ist nicht zu unterschätzen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Rechtsverletzungslehre heute eine Renaissance erlebt, und dass diese Renaissance vor allem auf eine Unzufriedenheit mit den Liberalisierungsleistungen der Rechtsgutstheorie zurückzuführen ist. Die deutsche Strafrechtswissenschaft darf somit stolz auf diese ihre beiden Kinder sein, die sich deshalb nicht gegenseitig (oder einseitig, da die Einwände fast ausschließlich aus dem Lager der Rechtsverletzungslehre kommen) der Illiberalität bezichtigen sollten. Ferner ist hervorzuheben, dass, wenn die zwei streitenden Positionen einander in diesem wichtigen Punkt gleich sind, die Entscheidung für die eine oder die andere zu einer nachrangigen Frage wird. Es wäre 660

Siehe oben Teil D., Fn. 647. BVerfGE 90, 145 (172). 662 BVerfGE 120, 224; dazu näher meine Kritik in ZIS 2008, S. 234 ff. 663 Es sei denn, sie konzipiere sich streng zivil- bzw. grundrechts- bzw. verwaltungsrechtsakzessorisch, was andere Probleme mit sich bringen würde. 661

II. Die Straftheorie

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nicht unangemessen, den Streit auf sich beruhen zu lassen oder ihm nur wenig Beachtung zu schenken – eine Einstellung, die eigentlich die der Vertreter der Rechtsgutslehre zu sein scheint, die von dem hier vorgenommenen Vergleich die noch vermisste theoretische Begründung, welche eine wissenschaftliche Ansicht von einem bloßen Vorurteil unterscheidet, geliefert bekommen soll. Und jetzt die Entscheidung: Überraschend oder nicht – die Straftheorie scheint besser bedient, wenn man sich für die Rechtsgutstheorie und gegen die Rechtsverletzungslehre Feuerbachs entscheidet. Selbstverständlich kommt man zu diesem Ergebnis nicht aus dem Grunde, weil die Rechtsgutstheorie liberaler sei als die Rechtsverletzungslehre, sondern aus einem anderen Grunde, den man wissenschaftspragmatisch nennen könnte. Die Tatbestände des Besonderen Teils des Strafrechts werden nach Rechtsgütern gegliedert und mit Hinblick auf Rechtsgüter interpretiert. Von einer Lehre des materialen Verbrechensbegriffs bzw. der Strafzwecke erster Ordnung sollte man nicht nur erwarten, dass sie als Orientierungshilfe de lege ferenda fungiert, sondern dass sie schon de lege lata im Rahmen des Zulässigen ein Wort mitredet. Der berühmte Satz v. Liszts, wonach der Rechtsgutsbegriff dem Zweckgedanken Eingang in das Strafrecht verschafft,664 ist richtig und für unsere Anliegen in dem Sinne zu präzisieren, dass man von der Rechtsgutstheorie eine größere Harmonisierung zwischen Straftheorie und Straftatbeständen, zwischen allgemeinen Legitimitätsbedingungen von Verboten und konkreter Reichweite von Verboten, m. a. W.: zwischen Kriminalpolitik und Strafrechtssystem erwarten kann.665 Das Potential der Rechtsgutslehre für die Konturierung der Straftatbestände hat man nicht einmal angefangen auszuschöpfen. Denn viele der beliebtesten Beispiele, anhand deren wir den künftigen Richtern das Strafrecht beibringen, sind eigentlich keine Straftaten, sondern werden in aller Regel nicht verfolgt, weil man nicht über genügend Resourcen verfügt, allen Bagatellen nachzugehen.666 So sollte man sich überlegen, ob der Diebstahl in der Tat schlicht und einfach das Eigentum als Rechtsgut schützen soll,667 oder ob sein Schutzgut nicht nur eine irgendwie qualifizierte Form davon darstellt, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Diebstahl „auch von nur 1 Mark“ entgegen Gallas668 keine strafbare Handlung, nicht einmal ein Diebstahl sein darf. Auch der berühmte Bierdeckel, ein Hauptbeispiel zur Erläuterung des Urkundsbegriffs und des Subsumptionsirrtums, sollte bei streng rechtsgutsbezogener Auslegung 664

v. Liszt, Rechtsgut und Handlungsbegriff, S. 223; ders., ZStW 8 (1888), S. 139 f. Treffend spricht Amelung, Begriff des Rechtsguts, S. 159 vom Rechtsgutsbegriff als „Verbindungsglied der Politik mit der Dogmatik“; s. ferner Alcácer Guirao, Lesión, S. 26. 666 Zur Problematik der Bagatellkriminalität vor dem Gesetzlichkeitsprinzip unten D. II. 4. b), (S. 424). 667 So die h. M., etwa Wessels/Hillenkamp BT II29, Rn. 57a. 668 Gallas, Gründe und Grenzen, S. 8. 665

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

nochmals auf seine Urkundsqualität hin überprüft werden.669 Dem Verfasser ist bewusst, dass er an hiesiger Stelle die an sich gebotene ausführlichere Begründung dieser zu Erläuterungs- und Anregungszwecken formulierten Behauptungen schuldig bleiben muss. Das soll bei passender Gelegenheit nachgeholt werden. 3. Zwecke zweiter Ordnung (I): der Zweck der Strafandrohung a) Einleitendes Der Endzweck, den das Strafrecht erreichen soll, ist der Schutz von Rechtsgütern. Wenn man von Strafzwecklehren spricht, meint man üblicherweise jedoch nicht diesen Endzweck, sondern den Weg dahin – die Frage also, ob Rechtsgüter über eine Einwirkung auf die Allgemeinheit oder auf den zu bestrafenden Täter zu schützen sind. Da diese Wege hin zum Rechtsgüterschutz auch Zustände bezeichnen, deren Erreichung einen guten Grund zu einer Bestrafung liefert, geht es hier weiter um Zwecke;670 aber um ihren Charakter als untergeordnete, instrumentelle Zwischenstadien hervorzuheben, wird hier die Bezeichnung „Zweck zweiter Ordnung“ eingeführt. Nebenbei eine terminologische Bemerkung: Die erwähnte Bezeichnung und der bevorzugte Aufbau der Straftheorie passt selbstverständlich nicht zu den sog. absoluten Theorien. Die Rede von „Zwecken“ ist absoluten Straftheorien fremd. Damit das nicht eine unbegründete Schlechterstellung absoluter Straftheorien bedeutet, wird man später näher auf die Behauptungen dieser Theorien eingehen.671 Zentrales Anliegen des jetzigen Abschnitts ist es zu überprüfen, wie solide die Grundlagen einer Abschreckungstheorie nach dem Vorbild Feuerbachs sind. Die Aussichten dürften, trotz der Geringschätzung sowohl der Theorie Feuerbachs, als auch aller negativ-generalpräventiver Strafzwecklehren durch die deutsche Wissenschaft,672 gut sein: Das Erbe von Feuerbachs gedanklicher Welt lebt in irgendeiner Weise weiter im angelsächsischen Bereich, wo wirtschaftswissenschaftlich orientierte Neuformulierungen vor allem im Rahmen der sog. ökomischen Analyse des Rechts und des Strafrechts entstanden sind673 und wo 669

So zu Recht auch H. Mayer, Gesetzliche Bestimmtheit, S. 274. Vgl. die Definition von Zwecken oben C. II. (S. 138). 671 Vgl. unten D. II. 4. f), (S. 458 ff.). 672 Siehe bereits oben A. (S. 19 f.). 673 Grundlegend G. Becker, Crime and Punishment, S. 1 ff.; Ehrlich, Illegitimate Activities, S. 68 ff., sowie die übrigen Aufsätze in dem von Becker/Landes hrsgg. Sammelband „Essays in the Economics of Crime and Punishment“ (1974); in diesem Sinne, alle mit umfassenden weiteren Nachw Adams/Shavell, GA 1990, S. 343 ff.; Eide, Economics of Crime, S. 26 ff.; Urbina Gimeno, RDPC 2. Folge, Sondernummer 2 (2004), S. 31 ff.; Schmidtchen, Wozu Strafrecht?, S. 140; dazu umfassend Silva Sán670

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„neoklassisch“ genannte Positionen der Abschreckung eine prominente Rolle zusprechen,674 in Italien, mit dem monumentalen Werk Ferrajolis, der die Abschreckungs- und Präventionszwecke des Strafrechts nicht nur auf die Verhinderung von Straftaten, sondern auch auf die Verhinderung von Privatrache bezieht,675 sowie in Spanien, im Rahmen einer verbreiteten Ansicht, die eine z. T. auch tiefenpsychologisch inspirierte Abschreckungslehre vertritt und die traditionell in der „Motivationsfunktion“ der Strafrechtsnorm einen zentralen Begriff des Strafrechts und der Strafrechtsdogmatik sieht.676 In Deutschland setzt sich kein geringerer als Schünemann entschieden für eine Strafandrohungstheorie mit ausgeprägten Feuerbach’schen Zügen ein, und sogar Jakobs hat in seinen letzten Stellungnahmen dem Abschreckungsgedanken breiteren Raum zuerkannt.677 Um voreilige Schlüsse zu vermeiden, gilt es zunächst, sich darüber Klarheit zu verschaffen, was unter Abschreckung überhaupt zu verstehen ist – eine Frage, der man sich bislang erstaunlich wenig gewidmet hat (unten b). Dann ist nach der Begründung einer Abschreckungstheorie als Lehre vom Straf(androhungs)zweck zweiter Ordnung zu fragen (unten c). An dritter Stelle sind die chez, ADPCP 49 (1996), S. 97 ff.; zugeneigt Vanberg, Abschreckung, S. 17 ff.; nur z. T. zutreffende Kritik bei Werner, KritV 1992, S. 433 ff. 674 v. Hirsch, Doing Justice, S. 37 ff.; ders., Institution Strafe, S. 75 ff. 675 Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 325 ff., 328. 676 Zur tiefenpsychologischen Begründung der Abschreckungstheorie Gimbernat Ordeig, ZStW 82 (1970), S. 396 ff.; Luzón Peña, Prevención general, S. 266; Muñoz Conde, Introducción2, S. 93 ff.; im Sinne der negativen Generalprävention, wenn auch ohne ausdrückliche Anleihe bei der Tiefenpsychologie Mir Puig, Introducción2, S. 55, 87, 93 ff.; Silva Sánchez, Aproximación, S. 213. Neuerdings betont Gimbernat, Lesión, S. 16, dass schon seine ursprüngliche Ansicht mehrere Elemente positiver Generalprävention enthielt; Tatsache ist aber, dass seine Ansicht, auch im Lichte ihrer späteren Bestätigung von Luzón, der auf gleicher Grundlage die positive Generalprävention ablehnt (Prevención general, S. 267 f.), überwiegend allein als negativ-generalpräventiv wahrgenommen wurde. Auch Silva Sánchez, ADPCP 49 (1996), S. 105, 111 f. integriert zunehmend positiv-generalpräventive Elemente in seine Abschreckungsperspektive (gegen diese Bezeichnung aber ebda. S. 112, Fn. 86 u. S. 119 f.). Zur Motivationsfunktion der Strafrechtsnorm Gimbernat Ordeig, Strafrechtssystematik, S. 155 f.; Muñoz Conde, Funktion der Strafnorm, S. 311; ders., Principio de culpabilidad, S. 231; ders., GA 1978, S. 72 ff.; Luzón Peña, Legítima defensa, S. 219 ff.; Mir Puig, Introducción2, S. 93 f.; Arroyo Zapatero, REDC 8 (1983), S. 14; kritisch Polaino Navarrete, PG I5, S. 193 f. 677 Schünemann, Strafzumessung, S. 222; ders., Positive Generalprävention, S. 117 ff., 120; ders., Aporien der Straftheorie, S. 342; ders., Strafrechtsschuld, S. 540; Jakobs, Staatliche Strafe, S. 31 Fn. 147, S. 32; früher spielte die negative Generalprävention bei Jakobs nur eine untergeordnete Rolle, s. ders., GA 1994, S. 19 Fn. 54; ders., AT 2 § 1/15 (unter der Bezeichnung „Einübung in Rechtstreue“; andere Lektüre, die Elemente negativer Generalprävention beim frühen Jakobs mehr betont, bei Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 227. Auch i. S. einer negativen Generalprävention in ausdrücklicher Anknüpfung an Feuerbach der frühe Haffke, Rückwirkungsverbot, S. 96 und heute neuerdings Altenhain, Kant und Feuerbach, S. 13; Koriath, Positive Generalprävention, S. 70.

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vielen, über mehrere Jahrhunderte formulierten Einwände zur Kenntnis zu nehmen (unten d). Und an letzter Stelle soll ein flüchtiger Blick auf den in jüngster Zeit weitaus beliebteren wissenschaftlichen Rivalen, nämlich die positive Generalprävention, gerichtet werden (unten e). b) Der Begriff der Abschreckung aa) Was Abschreckung bedeutet, erscheint zunächst klar. Ihr Kern scheint auf jeden Fall die „Hervorbringung von Furcht“678 zu sein. Während die Bedrohung in erster Linie auf etwas Äußeres, auf ein zukünftiges Übel, hindeutet,679 bezieht sich Abschreckung auf ein Inneres, auf etwas, das sich in der Psyche des Adressaten ereignen soll. Es sollen Gefühle einer bestimmten Art erregt werden, Gefühle der Angst oder der Furcht, also unangenehme Gefühle, die aus der Vorstellung eines künftigen Übels entstehen.680 Diese Gefühle sollen auch handlungswirksam, also zu Motiven werden, so dass der Adressat der Abschreckung sich so verhält, wie es sich derjenige, der die Abschreckung einsetzt, vorstellt. Ein derartiger psychologischer Abschreckungsbegriff liegt in aller Regel explizit oder implizit bei den meisten Vertretern der Abschreckungstheorie zugrunde, und auch diejenigen, die über die Abschreckungstheorie schrieben, arbeiteten in aller Regel mit einem psychologischen, auf die Hervorbringung von Furcht abstellenden Abschreckungsbegriff.681 bb) Vielleicht fragt sich der Leser, wieso man sich hier die Mühe gibt, eine derartige Selbstverständlichkeit überhaupt hervorzuheben. Diese Selbstverständlichkeit bietet aber Anlass für die uns gerade interessierende Frage, deren Beantwortung weit über den Bereich des Selbstverständlichen hinaus zu gehen scheint. Denn Abschreckung erscheint intuitiv böse. Sie bezieht sich auf Gefühle, die man bei sich selbst in aller Regel zu vermeiden sucht und deren Erregung bei anderen man für unpassend, bedenklich und sogar menschenfeindlich hält. Das legt die erstaunlich selten gestellte Frage nahe, wieso ein solcher Abschreckungsbegriff gerade von liberalen, d.h. hier: nicht menschenfeindlichen 678

Feuerbach, Antihobbes, S. 213. So auch die übliche strafrechtliche Definition, s. statt aller Eser, in Schönke/ Schröder27, Vorbem §§ 234 ff./30. 680 Das ist selbstverständlich eine grobe, für unsere Zwecke aber ausreichende Vereinfachung. Einführender Überblick zu den verschiedenen Angstdefinitionen und -theorien in der Psychologie bei Städler, Lexikon der Psychologie, S. 39 ff. 681 Etwa Wieland, Geist I, § 336 („Erweckung von Furcht“); J. S. Beck, Grundsätze, S. 709 („Abschreckung heißt die Wirkung auf den Willen, der Versicherung des üblen Erfolgs einer That, wenn sie den Entschluss zu der That nicht ankommen lässt, den ohne diese Ueberzeugung ein Mensch gefaßt haben würde“); viel später R. Schmidt, Aufgaben, S. 83; heute Andenaes, General Prevention, S. 7; ders., General Prevention Revisited, S. 15 f.; Cattaneo, Paura e pena, S. 187; Gimbernat, Lésion, S. 16; aus kriminologischer Sicht Beyleveld, BritJCriminol 19 (1979), S. 207; ders., General Deterrence Research, S. XV, mit vielen weiteren Unterscheidungen S. XX ff. 679

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Strafrechtlern so häufig vertreten wurde. Diese Frage wird den Leitfaden unserer weiteren Erwägungen bilden. (1) Eine erste mögliche Antwort darauf wäre der Hinweis auf einen Widerspruch. Abschreckung sei in der Tat etwas Böses und Menschenfeindliches, denn sie bedeute nichts anderes, als wenn man gegen den Hund den Stock hebt.682 Obwohl diese Antwort möglich erscheint, ist sie an jetziger Stelle gerade deshalb unbefriedigend, weil sie letztlich darauf verzichtet, die Frage ernst zu nehmen. Denn der prima-facie-Widerspruch war der Grund, die Frage zu stellen. Ihn in der Antwort schlicht zu wiederholen, ist noch allzu wenig. Obwohl die Antwort richtig sein kann, erscheint sie zumindest solange unzureichend, als man nicht alternative andere Antworten erwägt, welche die Diskussion auf andere Ebenen heben könnten. (2) Deshalb könnte eine aussichtsreichere Antwort eine solche sein, die sich um eine Überwindung dieses prima-facie-Widerspruchs bemüht. Anstatt von oben herab die Bemühungen liberaler Juristen für widersprüchlich und gescheitert zu erklären, sollte man deshalb von unten herauf den Juristen selbst Gehör schenken. Vielleicht entdecken die durch die konkrete Fragestellung geschärften Ohren etwas, was allgemein übersehen wird. Bei Almendingen heißt es: „Der Bürger soll nach allgemeinen Maximen handeln lernen, die Triebfeder, die ihn dazu bestimmt, mag seyn, welche es will. Mag es Ehre, Furcht vor Strafe, Hoffnung auf Gewinn u.s.w. seyn, alles dies ist vor dem äußern Rechte gleichgültig“.683 Und sogar Klein nennt in meisterhafter Kürze, worauf es ankommt: „Bildung der Maxime, das Gesetz aus Klugheit nicht zu verletzen“.684 Schon diese wenigen Stellen versetzen uns in die Lage, den Grund anzugeben, der aus der prima facie menschenfeindlichen Abschreckungstheorie eine für liberale Juristen attraktive Lehre machte: nämlich ihr Verzicht auf den Anspruch, die Bürger durch Strafe moralisch zu lenken.685 Der Bürger darf denken, was er will; sein Verhalten soll aber den Maßstäben des Rechts entsprechen. Eine positive Einstellung der Bürger zu dem Verbot ist kein Zustand, den das Verbot hervorrufen soll. Die Gründe, weshalb der Bürger strafrechtliche Verbote beachtet, sind irrelevant. Selbst die niedrigsten egoistischen Gründe genügen – selbst Furcht reicht schon aus. Der psychologische Begriff der Abschreckung ist vor allem deshalb unglücklich gewählt, weil er die Gründe, die zu seiner Bejahung führen, nur sehr missverständlich wiedergibt. Er stellt eigentlich eine Ausprägung des Versuchs dar, durch naturalistische Begriffe und Umschreibungen Realitäten widerzuspiegeln, 682

So bekanntlich Hegel, Grundlinien, § 99, Zusatz (S. 190). Bergk, Ueber die Strafgerechtigkeit und über die Strafklugheit, S. 145. 684 Klein, Zurechnung, S. 111. 685 So weitsichtig Eb. Schmidt, Geschichte, S. 240, der hierin den tragenden Grund der Feuerbach’schen Generalprävention erkennt. 683

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welche diesen engen Rahmen sprengen. Für den liberalen Abschreckungstheoretiker übte der Hinweis auf den psychologischen Zustand der Furcht eher eine negative Ausgrenzungsfunktion aus, als dass er die positive zentrale Rolle spielte, die man ihm allgemein letztlich zumaß. Die Funktion des Begriffs war nämlich negativ zu bestimmen, worauf – auf die Förderung einer moralischen Gesinnung – es aber als Grund für eine Strafe nicht ankam. Die moralische Gesinnung ist Sache des Bürgers. Auf sie darf der Staat schon einwirken, aber nicht durch Zwang, und erst recht nicht durch die intensivste Form des Zwangs, nämlich die Strafe. Durch Zwang darf er dem Bürger höchstens Gründe anderer, nicht-moralischer Art vorgeben, sich rechtskonform zu verhalten.686 cc) Das legt die Frage nahe, ob nicht der psychologische Abschreckungsbegriff durch einen anderen Abschreckungsbegriff ersetzt werden könnte, der diese Gründe klarer widerspiegelt und so der Funktion des Abschreckungsbegriffs besser gerecht wird. Ein solcher funktionaler Abschreckungsbegriff wäre in der Tat möglich und aus Gründen der Klarheit vorzuziehen. (1) Das Grundproblem des psychologischen Abschreckungsbegriffs ist, dass er einen moralphilosophischen Befund in einen psychologischen verfälscht. Durch den Begriff der Abschreckung will man auf bestimmtgeartete Zustände „im Kopf“ des Adressaten hinwirken, wobei sich diese Zustände nicht auf der psychologischen Ebene der Gefühle und Handlungsmotive genau beschreiben lassen. Treffender wäre es, an Stelle von Gefühlen und Motiven von Gründen zu sprechen. Redet man von Gründen, dann kann man die Ebene der Psychologie hinter sich lassen und die Ebene der praktischen Rationalität betreten. Während Motive psychologisch-biologische Triebfedern sind, die erklären sollen, aus welcher Ursache heraus man sich so verhalten hat, sind Gründe diskursive Erwägungen, also Argumente, die darlegen sollen, wie man sich in einer bestimmten Weise verhalten soll, damit man als rational gilt.687 Gründe stehen also im direkten Bezug zur Theorie praktischer Rationalität. Ein irrationales Motiv macht ein Verhalten zwar verständlich, einen Grund, es vorzunehmen, liefert es aber nicht. Man kann zwar die Tatsache, dass jemand täglich über 15 Stockwerke hin die Treppe bis zu seinem Arbeitsplatz hochsteigt, durch die Erwähnung des Motivs erklären, dass diese Person Aufzugsangst hat. Einen Grund, jeden Tag die Treppe dem Aufzug vorzuziehen, hat diese Person dennoch nicht. Gründe lassen sich für unsere Zwecke in zwei große Gruppen unterteilen. Entweder soll man sich in einer bestimmten Weise verhalten, weil das einer Regel entspricht, also an sich richtig ist – und in diesem Falle könnte man von 686 Ausführliche Nachweise zu dieser zur Zeit Feuerbachs sehr verbreiteten Meinung unten S. 404 f. 687 Vgl. auch die ähnliche, aber keineswegs identische Definitionen von Gründen etwa bei Gert, Morality, S. 56.

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moralischen Gründen sprechen; oder man soll sich in einer bestimmten Weise verhalten, um schlechte Folgen (insbesondere für sich selbst) zu vermeiden bzw. um gute Folgen (insbesondere für sich selbst) zu bewirken – und hier könnte man von Gründen der Klugheit sprechen. (2) Nach der Bestimmung dieser Fundamentalbegriffe der praktischen Rationalität sind wir in der Lage, den Abschreckungsbegriff funktional neu zu formulieren. Abschreckung bedeutet nicht ein psychologisches Hervorrufen von Furcht, sondern die Bestimmung eines Klugheitsgrundes, damit sich der Adressat der Abschreckung in der erwarteten Weise verhält. Abschrecken bedeutet also die Angabe, jemand solle sich so oder so verhalten, nicht weil das an sich richtig sei, also nicht aus moralischen Gründen, sondern weil sonst etwas für den Adressaten Unerwünschtes stattfinden könnte – also aus Gründen der Klugheit. Ob der Adressat der Abschreckung tatsächlich vor hat, das erwartete Verhalten schon aus moralischen Gründen vorzunehmen, ist irrelevant. Einen zusätzlichen Grund, es auch dann vorzunehmen, wenn die moralischen Gründe entweder nicht ausreichen oder auch nicht psychologisch zu Motiven werden können, erhält er durch die Androhung eines Übels. dd) Bevor man das hier skizzierte funktionale Verständnis des Abschreckungsbegriffs begründet und gegen die der Abschreckungstheorie gängiger Weise entgegengehaltenen Einwände verteidigt, sind noch einige klarstellende Bemerkungen am Platze. (1) Furcht ist ein Gefühl; sie kann auch ein Motiv sein, wenn sie zu Handlungen führt. Sie ist ein psychologischer Zustand, also etwas Empirisches. Gründe sind dagegen nichts Empirisches. Sie sind zunächst einmal Sätze. Das zwingt zu der Klärung, ob damit nicht ein Modell vorgeschlagen wurde, das sich von der herkömmlichen Abschreckungstheorie in einem wesentlichen Punkt, nämlich in seinem empirischen Bezug, entfernt hat. Welches Verhältnis hat ein Abschreckungsbegriff, der nicht von Motiven und Furcht, sondern von Gründen und Klugheit spricht, zur Empirie? Das Verhältnis ist in der Tat nicht mehr direkt: Es geht nicht mehr darum, zunächst einmal konkrete psychologische Vorgänge hervorzurufen. Ein indirekter Bezug bleibt aber erhalten – und als Brücke dient die philosophisch hoch umstrittene, alltagstheoretisch höchst plausible These des sog. Internalismus, die behauptet, Gründe könnten auch zu Motiven werden.688 Gründe können schon zu Motiven werden – aus der Tatsache heraus, dass etwas für klug oder richtig gehalten wird, kann durchaus ein Motiv entspringen, diese kluge oder richtige Handlung zu begehen. Dies muss nicht so sein, überzeugend ausschließen lässt es sich aber auch nicht. Der hier vertretene Abschreckungsbegriff besagt also nichts anderes, als dass durch eine 688 Zu dieser Diskussion etwa Gert, Morality, S. 83 ff.; Gosepath, Aufgeklärtes Eigeninteresse, S. 66 f.; Raz, Reason and the Will, S. 105 ff.; B. Williams, External and Internal Reasons, S. 107 ff.

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Strafandrohung klugheitsbezogene Gründe für ein rechtskonformes Verhalten bekannt gemacht werden, die sich gelegentlich auch motivierend auswirken können.689 (2) Eine zweite naheliegende Frage ist, ob man sich mit dem funktionalen Abschreckungsbegriff nicht in Widerspruch zu dem setzt, was man zu Feuerbachs Psychologie sagte. Denn dort gab man sich die Mühe, die einhellige Ansicht, die Feuerbach zum Vertreter einer Rational-Choice-Psychologie erklärt, zu widerlegen (siehe B. III. [S. 95 ff.]), und jetzt scheint man gerade mit einem Modell des vernünftigen Täters arbeiten zu wollen. Ein solcher Verdacht wäre aber aus mehreren Gründen unangebracht: Erstens und vor allem ist das funktionale Modell psychologisch weitgehend neutral. Es hält sich gegenüber Mutmaßungen über den psychologischen Vorgang des Treffens einer Entscheidung zurück. Ob Entscheidungen durch Assoziationen getroffen werden, wie Feuerbach dachte, oder ob die heutigen kognitionspsychologischen Modelle überlegen sind,690 ist aus unserer Perspektive unwichtig. Die einzige psychologische Behauptung, von der das hier vorgeschlagene Modell ausgeht, ist die, dass Gründe irgendwie motivieren können. Und diese Behauptung ist nicht einmal als rein psychologisch anzusehen, da sie überwiegend gerade von Philosophen diskutiert wird. Ferner ist der rechtsgeschichtliche Ertrag der Überlegungen zur Psychologie Feuerbachs unabhängig von ihrem straftheoretischen Ertrag. Das bedeutet nicht, dass die hier neuformulierte Theorie nicht durch Beiträge anderer Wissenschaften ergänzt werden könnte. Vor allem die mehrmals erwähnte ökonomische Analyse des Rechts scheint ein weites Feld an Erkenntnissen anzubieten, das in Deutschland kaum wirklich beackert wurde.691 Immerhin bleibt die Gültigkeit des hiesigen Modells von dem Erkenntnisstand anderer Wissenschaften weitgehend unabhängig692. (3) Die gerade vollzogene Klärung bietet auch Anlass dazu, auf einen wenig beachteten Punkt hinzuweisen, der sich zunächst wie eine Selbstverständlichkeit anhört, der aber trotzdem später (unten c) noch eine wichtige Rolle spielen wird. Was im Kopf einzelner Menschen stattfindet, soll nach dem Gesagten irrelevant sein. Das erscheint auch aus der Perspektive einer Generalprävention, die in erster Linie auf die Allgemeinheit und nicht nur auf einzelne Täter einwirken will, naheliegend (wenn auch nicht begrifflich zwingend). Generalprävention, allgemeine Abschreckung, ist also nichts anderes als die allgemeine 689 Ähnlich Walker, Modern Retributivism, S. 74 f., mit der Unterscheidung zwischen einer starken und einer schwachen Hypothese zur Abschreckung. 690 Dazu Eysenck/Keane, Cognitive Psychology, S. 483 ff. 691 Dass auch die ökonomische Analyse des Strafrechts auf Ergänzungen angewiesen ist, wird gelegentlich betont, s. Urbina Gimeno, RDPC 2. Folge, Sondernummer 2 (2004), S. 48. 692 Zu den Vorzügen kurzer Ableitungsketten bereits oben A. (S. 19).

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Geltendmachung von Klugheitsgründen für rechtmäßiges Verhalten. Es ist mithin klar zwischen der Mikro- und der Makroebene zu differenzieren, und für die Generalprävention kommt es richtigerweise nur auf die generelle, also die Makroebene an.693 Ob auch in jedem Einzelfall die Klugheitsgründe zu Motiven werden, ist irrelevant. Man erwartet nur, dass auf der Makroebene die allgemein geltend gemachten Gründe für rechtskonformes Verhalten sich irgendwie spürbar im Sinne einer Förderung rechtskonformen Verhaltens niederschlagen. Selbstverständlich kann aber der Klugheitsappell der Strafandrohung nur generalpräventiv wirken, wenn er auch allgemein bekannt ist. Das ist aber keine Grenze der Theorie,694 sondern eine Mahnung an den Staat, sich um die Bekanntmachung der Gesetze zu bemühen. Immerhin ist Gesetzeskenntnis nicht Alleinkompetenz des Staates – bis zu einem gewissen Grade, der von der Dogmatik des Verbotsirrtums genauer festgelegt wird,695 ist es auch Sache des klugen Bürgers, sich über die Strafbarkeitsrisiken seines Tuns zu informieren. Zudem gibt es zahlreiche indirekte Wege zur Erlangung von Gesetzeskenntnis, vom Hören von Nachrichten bis hin zum Klatschen und Tratschen,696 mit denen der Staat auch rechnen darf. (4) Eine letzte Frage wäre, ob die Rede vom funktionalen Abschreckungsbegriff nicht in dem Sinne irreführend sei, weil das Wort Abschreckung kaum seine psychologische Färbung verlieren könne. In der Tat erscheint es einigermaßen gekünstelt, von Abschreckung selbst dann zu sprechen, wenn die konkreten Vorgänge im Kopfe des Abzuschreckenden nicht interessieren, wenn es nur um Gründe geht, die zudem nur in der Makroperspektive eine Bedeutung haben sollen. Trotzdem sprechen die besseren Argumente dafür, das Wort Abschreckung beizubehalten, erstens, um den Zusammenhang zu der diesen Namen tragenden theoretischen Tradition besser hervorzuheben, und zweitens, weil das Anliegen der hiesigen Neuformulierung gerade darin bestand, einen Begriff der Abschreckung zu finden, welcher die ihm zugeschriebenen Funktionen, insbesondere die der Achtung vor der moralischen Selbständigkeit der Bürger, zu erfüllen vermag. ee) Somit ist festzuhalten: Abschreckung ist richtigerweise nicht psychologisch als Erregung von Furcht, sondern funktional als allgemeine Bekanntmachung von klugheitsbezogenen (und nicht moralitätsbezogenen) Gründen für rechtsmäßiges Verhalten zu verstehen. Feuerbachs psychologischer Abschre693 Vgl. Cook, Crim&Just 2 (1980), S. 220; Urbina Gimeno, RDPC 2. Folge, Sondernummer 2 (2004), S. 40. 694 So aber die sich hierauf berufende Kritik, etwa Hassemer, Positive Generalprävention, S. 35. 695 Dazu knapp unten D. II. 6. (S. 508). 696 Dazu Geerken/Gove, Law&SocRev (1974–1975), S. 505 ff.; Cook, Crim&Just 2 (1980), S. 222 ff.

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ckungsbegriff spiegelt nur sehr ungenau wieder, worauf es bei der Bestimmung des Abschreckungsbegriffs aus liberaler Perspektive ankommt: nämlich den Verzicht auf den Anspruch, die Bürger durch Strafandrohungen moralisch zu lenken. Die Psychologie der psychologischen Zwangstheorie ist ein verzichtbarer Ballast, der den Zugang zu ihren tragenden Erwägungen sogar erschweren kann. Zukunftsträchtig erscheint deshalb nur eine prima facie paradoxale psychologische Zwangstheorie ohne Psychologie auf Grundlage des hier vorgeschlagenen funktionalen Abschreckungsbegriffs. c) Begründung Nach dieser begrifflichen Klärung steht man vor der Frage, ob sich die so verstandene Abschreckungstheorie auch als Zweck der Strafandrohung vertreten lässt – ob sie also auch begründet ist (c) und den vielen gegen sie zu erhebenden Einwänden standzuhalten vermag (d und e). Feuerbachs Deduktion verlief hier ganz linear.697 Einen bestimmten letzten Zweck (bzw. einen Zweck erster Ordnung) soll der Staat erreichen, nämlich den Schutz subjektiver Rechte (bzw. den Schutz von Rechtsgütern). Handlungen, die subjektive Rechte verletzen oder gefährden, müssen deshalb unterbunden werden. Dies könne zunächst durch die Errichtung physischer Barrieren erfolgen, die es dem Täter schon körperlich unmöglich machen, in die Rechte seiner Mitbürger einzugreifen. Angesichts freilich der beschränkten Geeignetheit und Zulässigkeit solcher Vorrichtungen müsse der Staat auf ein anderes Mittel zurückgreifen, das nicht mehr physisch, sondern schon psychologisch wirke. Dieses Mittel sei die Androhung von Strafen. Zweck der Strafandrohung sei also die allgemeine Abschreckung. Dieser Deduktion ist tatsächlich wenig hinzuzufügen. Sie ist im Wesentlichen auch heute noch gültig. Ein funktionales Verständnis der Abschreckung würde nur drei zusätzliche Prämissen benötigen, nämlich die, dass die Androhung von Strafen ein geeignetes und notwendiges Mittel ist, um die Unklugheit des Eingreifens in subjektive Rechte bzw. in Rechtsgüter anderer darzulegen, dass die Bürger von dieser Androhung Kenntnis haben und dass man von der Bekanntmachung derartiger Gründe auch eine psychologische Wirkung im Sinne einer Motivation zu rechtskonformem Verhalten erwartet. Hat man die Deduktion um diese zusätzlichen Prämissen ergänzt, die den Argumentationsgang im Wesentlichen unangetastet lassen, kommt man vom psychologischen zum funktionalen Abschreckungsbegriff als Strafzweck. Bevor man zu den Einwänden fortschreitet, muss noch eines hervorgehoben werden. Sowohl die Deduktion Feuerbachs, als auch unsere Ergänzung sind 697

Siehe oben B. I. 1. (S. 35 ff.).

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keine rein apriorischen Argumentationsketten. Eine tragende Rolle spielen bei ihnen zwei empirische Sätze, nämlich zum einen der Satz, dass die Androhung von Strafen ein geeignetes und notwendiges Mittel sei, um Rechtsverletzungen bzw. Rechtsgutsverletzungen zu verhindern, und zum anderen der, dass die Bürger die Androhung kennen. Da man sich auf der Ebene der (konsequentialistischen) Zwecke, und nicht der (deontologischen) Schranken befindet, ist das kaum überraschend. Nur muss gesehen werden, dass die Deduktion nur solange Gültigkeit beanspruchen kann, wie sich ihre empirischen Prämissen als gültig erweisen können. Da die Gültigkeit dieser Prämissen weitgehend angezweifelt wird, erscheint es angemessener, sie erst im nächsten Abschnitt, nämlich im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Kritik, darzulegen. Der Sache nach würde also der nächste Abschnitt, in dem es um die gegen die Abschreckungstheorie gerichteten empirischen Einwände geht, an sich hierher, also zur Begründung der Theorie gehören. Die Begründung steht also solange in suspenso, wie sich die jetzt zu behandelnden Einwände nicht überzeugend ausräumen lassen. d) Empirische Einwände aa) Strafandrohungen sind geeignete und erforderliche Mittel zum Rechtsgüterschutz, behauptet jede Abschreckungstheorie. Die empirischen Einwände können sich gegen jeden Teilaspekt dieser Behauptung richten – nämlich gegen die Geeignetheit oder gegen die Erforderlichkeit von Strafandrohungen. Sie können sich auch gegen den zweiten Satz richten, dass die Bürger die Androhung kennten. Meistens hat man aber die Geeignetheit vor Augen,698 und deshalb sollte es niemanden überraschen, wenn man sich jetzt überwiegend mit der Infragestellung der Geeignetheit von Strafandrohungen zum Rechtsgüterschutz auseinandersetzt. bb) Es erscheint hilfreich, zwei Gruppen von Einwänden gegen die Geeignetheit von Strafandrohungen zu unterscheiden. Entweder greift man auf empirische Wissenschaften, etwa die Soziologie oder die Kriminologie, zurück, oder man gründet seine Zweifel auf Alltagstheorien. (1) Diejenigen, die gegen die Abschreckungstheorie mit einem von den empirischen Wissenschaften gelieferten Rüstzeug vorgehen, behaupten entweder, es gebe keinen überzeugenden wissenschaftlichen Nachweis, dass die Strafandrohung die behaupteten Wirkungen zeitige,699 oder gelegentlich sogar, es sei diesen Wis698

Das sieht auch Silva Sánchez, ADPCP 49 (1996), S. 110. Baratta, Drogas, S. 33; Batista, Introdução, S. 79; Bockelmann, JZ 1951, S. 495; Dietmaier, Blankettstrafgesetze, S. 109; Fragoso, Prefácio, S. IX; ders., Lições5, S. 281; Kahn, RBCC 30 (2000), S. 201; Mathiesen, Gefängnislogik, S. 71 ff.; Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 212 f.; Schreiber, ZStW 94 (1982), S. 283; Seelmann, Risikostrafrecht, S. 463; Streng, Feindstrafrecht, S. 234 f.; Schumann/Berlitz/Guth/Kaulitzki, 699

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senschaften die endgültige Widerlegung der von Strafrechtlern formulierten empirischen Mutmaßungen gelungen.700 Dem ist aus zwei Gründen nicht zu folgen. (a) Erstens stimmt es keineswegs, dass sich die empirischen Wissenschaften zu der verhaltenssteuernden Wirksamkeit von Strafandrohungen entweder nur zurückhaltend oder sogar ablehnend äußerten. Denn es gibt eine Reihe empirischer Untersuchungen, die derartige Wirkungen positiv festzustellen behaupten. Nicht nur von Kriminologen,701 sondern auch und insbesondere von Anhängern Jugendkriminalität, S. 152, 161, 164, mit empirischem Beleg; einschränkend Bustos, Teoría de la pena, S. 99. Angezweifelt wird die generalpräventive Wirksamkeit des Strafrechts ferner von Christie, KrimJ 1983, S. 17 f.; ders., Contemporary Crises 10 (1986), S. 99 f.; Hess, KrimJ-Beiheft 6 (1997), S. 39; H. Jäger, Irrationale Kriminalpolitik, S. 236; Kargl, GA 1998, S. 65; Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 36 f.; Prittwitz, Risikogesellschaft und Strafrecht, S. 157; Steinert, Kriminalsoz. Bibliografie 66/67 (1990), S. 24 f.; ähnlich Bondeson, General Deterrence, S. 149 f. 700 Diese „wissenschaftliche Widerlegung“ der Generalprävention durch das Strafrecht war ständiges Motto der italienischen Scuola Positiva (Ferri, Prevenzione, S. 682 ff.; ders., Sociologia criminale I, S. 421 ff.) sowie anderer radikal spezialpräventiv orientierter Bewegungen (in Amerika z. B. Brill, Federal Probation 7 [1943], S. 17 ff.) und auch der deutschen Modernen Schule nicht fremd (etwa v. Liszt, Kriminalpolitische Aufgaben, S. 322, der nach Überprüfung einiger Statistiken urteilt: „Unser geltendes Strafrecht ist machtlos gegenüber dem Verbrechertum“; in dieselbe Richtung v. Hentig, JAmInstCrimL&Criminology 29 [1938–1939], S. 29 ff.). Heute sind es insb. Vertreter anderer Straftheorien (K. Kennedy, DickLRev 88 [1983–1984], S. 7 f.; P.-A. Albrecht, Vergessene Freiheit, S. 78 [„bestenfalls eine Nichtwirkung, schlechtestenfalls ein kontraproduktiver Effekt“ strafrechtlicher Sanktionen]; Feijoo Sánchez, Retribución, S. 112; ders., RPCP 11 [2002], S. 380 ff.; Kargl, Rechtsgüterschutz durch Rechtsschutz, S. 59 Fn. 30) oder des strafrechtskritischen Lagers (Batista, Tendências, S. 20 [„Glaubensakt“]; Pereira de Andrade, Ilusão, S. 295; Larrauri, ADPCP 50 [1997], S. 152 ff. [„Mythus“]; Plack, Plädoyer, S. 105 ff. [„Fiktion“]; Zaffaroni, Sistema penal, S. 223), die das weiterhin behaupten, in aller Regel aber ohne irgendeinen Nachweis konkreter Forschungsergebnisse anzugeben. Empirische Studien, welche die Abschreckung zumindest anzweifeln, bei P. Erickson, JCrimL&Criminology 67 (1976), S. 231 bzgl. des Cannabisverbotes; Gibbs/Firebaugh, Criminology 28 (1990), S. 347 ff.; Paternoster/Iovanni, Social Forces 64 (1985–1986), S. 768 f.; Pontell, Criminology 16 (1978–1979), S. 19 (dazu kritisch Tittle, ebda. S. 31 ff.); Schumann, Progressive Kriminalpolitik, S. 379; ders., KrimJ 1996, S. 293 f. (Generalprävention gebe es nur bei Bagatellstraftaten). Ferner Brown, CrimJustRev 6 (1981), S. 6; Decker/Kohfeld, Criminology 23 (1985), S. 441, 448; D’Alessio/Stolzenberg, Criminology 36 (1998), S. 735 ff., die umgekehrt statt einer Beeinflussung der Quantität von Straftaten durch die Quantität der Strafverfolgung eine Beeinflussung der Quantität der Strafverfolgung durch die Quantität von Straftaten behaupten. 701 Andenaes, General Prevention Revisited, S. 49; Antunes/Hunt, Journal of Urban Law 51 (1973–1974), S. 161; Bankston/Cramer, Criminology 12 (1974), S. 264; Beres/Griffith, ConnLRev 34 (2001–2002), S. 60; Berger/Snortum/Homel/Hauge/Loxley, Justice Quarterly 7 (1990), S. 462 ff.; Beyleveld, General Deterrence Research, S. 314, trotz seiner Kritik an Konzeptualisierungsmängeln (kritischer ders., Deterrence, S. 72); Buikhuisen, General Deterrence, S. 88 f.; Christiansen, General Prevention, S. 72; Cook, Crim&Just 2 (1980), S. 213; Curti, ZRP 1999, S. 236; Dölling, ZStW 102 (1990), S. 8; Grasmick/Jacobs/McCollom, Social Forces 62 (1983–1984), S. 365 ff.; Homel, Drinking Driver, S. 270; Klepper/Nagin, Criminology 27 (1989), S. 721 ff.;

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der ökonomischen Analyse des Strafrechts702 wird eine Abschreckungswirkung von strafrechtlichen Maßnahmen festgestellt und sogar gemessen. 1998 fasste Nagin den Stand der Forschung so zusammen: „evidence for a substantial deterrent is much firmer than it was fifhteen years ago“.703 Wird aber von „der“ Kriminologie oder „der“ Sozialwissenschaft gesprochen, die angeblich hinter der vom Sprecher vorgetragenen Behauptung stehe, dann äußert sich eine zumindest naive Unkenntnis, die derjenigen des Nicht-Juristen entsprechen würde, der etwa behaupten wollte, nach „dem“ Strafrecht sei Vorsatz das Wollen des Erfolges. Es gibt ebenso wenig eine bezüglich der Abschreckungswirkung einheitliche Kriminologie bzw. Sozialwissenschaft, wie es bezüglich des Vorsatzbegriffes eine einheitliche Strafrechtsdogmatik gibt. Welche der streitenden Parteien letztlich Recht haben dürfte, ist für den in der Bewertung empirischer Studien kaum ausgebildeten Juristen bis auf wenige offensichtliche Fällen kaum entscheidbar. (b) Die Überlegung, wann man es mit derartig offensichtlichen Fällen zu tun hat, führt uns zu unserem zweiten und entscheidenden Punkt. Denn der Jurist ist aus mehreren Gründen nicht in der Lage, die Aussagekraft empirischer Untersuchungen nach den internen Maßstäben der jeweils einschlägigen Wissenschaft zu beurteilen. Sein Maßstab ist immer sein gesunder Allgemeinsinn. Dieser ist es etwa, der eine skeptische Distanz hält zu der von Schumann hervorgehobeKühlhorn, General Deterrence, S. 116; Miller/Anderson, JCrimL&Criminology 77 (1986), S. 437 ff.; Nagin, Crime & Justice 22 (1998), S. 36; Nagin/Pogarsky, Criminology 39 (2001), S. 877 ff.; dies., Criminology 41 (2003), S. 167 ff.; Pagliaro, RIDPP 1981, S. 449; ders., RIDPP 1986, S. 362; Paternoster/Saltzman/Waldo/Chiricos, JCrimLCriminology 74 (1983), S. 290, 293, 296 f.; Peck, Marijuana Use, S. 38 f., 59 ff.; Schöch, Empirische Grundlagen der Generalprävention, S. 1103 ff.; Tittle, Sanctions and Deviance, S. 187, 191 ff.; ders., Criminology 16 (1979), S. 33 f. (Plausibilität); Watson, Law&Soc’yRev 20 (1986), S. 299. Zurückhaltend, aber wohl auch in diesem Sinne Brooker, Criminology 9 (1971– 1972), S. 476; Köberer, MSchrKrim 65 (1982), S. 217; differenzierend Laurence Ross, Deterring the Drinking Driver, S. 111 ff.: Abschreckung funktioniere kurzfristig, nicht aber langfristig. Wichtige Zusammenfassungen des Forschungsstandes bis zum Publikationsdatum, mit vielen weiteren Nachw., bei: Andenaes, General Prevention Revisited, S. 18 ff.; und vor allem Beyleveld, General Deterrence Research, S. 314 und passim. Erstaunlich, dass diese Zusammenfassungen von den in Teil D., Fn. 699 und 700 angeführten Kritikern kaum zur Kenntnis genommen werden. Die zahlreichen Konzeptualisierungs- und Operationalisierungsprobleme werden diskutiert von Ball, J. Crim. L. Criminology & Pol. Sci. 46 (1955–1956), S. 348 ff.; Beyleveld, BritJCriminol 19 (1979), S. 207 ff.; ders., General Deterrence Research, S. XV ff.; Cook, Crim&Just 2 (1980), S. 216 ff.; Geerken/Gove, Law&SocRev 9 (1974– 1975), S. 497 ff.; Homel, Drinking Driver, S. 22 ff.; Miller/Anderson, JCrimL& Criminology 77 (1986), S. 421 ff. 702 Etwa Carlsson, Deterrence, S. 224 ff.; Eide, Economics of Crime, S. 245; Phillips/Votey Jr., JCrimLCriminology&PolSci 63 (1972), S. 330 ff.; Polinsky/Shavell, JLSt 28 (1999), S. 12 f. 703 Nagin, Crime & Justice 22 (1998), S. 3.

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nen Tatsache, dass Jugendliche die Strafbarkeit des Besitzes leichter Drogen als Bevormundung empfänden und deswegen von deren Verbot nicht nur nicht abgeschreckt, sondern sogar zu einer positiven Einstellung zu Drogen bewegt würden (Bumerang-Effekt),704 und zu der Implikation, dass derartige negative Wirkungen in der gesamten Gesellschaft entstehen. Ein derartiger Allgemeinsinn bedeutet freilich keine Wissenschaftsfeindlichkeit, da er sich durchaus von den empirischen Wissenschaften belehren lassen muss. Die Ernstnahme der von der Kriminologie klar herausgearbeiteten Erkenntnis, dass es zwischen registrierter und tatsächlicher Kriminalität kein konstantes Verhältnis gibt,705 rechtfertigt Zweifel an einer Untersuchung wie derjenigen von Curtis, der eine messbare Präventionswirkung von Strafandrohungserhöhungen durch einen Vergleich registrierter Straftaten behauptet:706 denn dass nach einer Erhöhung der angedrohten Strafe weniger Straftaten registriert werden, bedeutet noch lange nicht, dass tatsächlich weniger Straftaten begangen wurden. Es ist gerade dieser sich von den empirischen Wissenschaften durchaus belehren, nicht aber bevormunden lassende gesunde Allgemeinsinn, der sich gegen die Infragestellung der Abschreckungswirkung von Strafandrohungen am entschiedensten meldet. Wie es Engisch grundlegend dargetan hat, ist die Welt des Juristen die Welt des alltäglichen Lebens, also die Welt, in der man mit anderen Menschen gemeinsam ein Leben führt.707 Ob Physiker keine Farben, sondern nur Lichtstrahlungen bestimmter Wellenlängen im elektromagnetischen Spektrum kennen,708 oder keine Stühle und Tische, sondern nur Strukturen von Atomen,709 ob Psychologen nicht über Gedanken und Absichten, sondern nur 704 K. F. Schumann, Positive Generalprävention, 1989, S. 49; ders., Empirische Beweisbarkeit, S. 23 f. Die Zweifel richten sich nicht gegen Schumanns Behauptung an sich – denn die Tatsache, dass ein Verbot gelegentlich als Ansporn zur Begehung des Verbotenen dienen kann, entspricht auch dem common sense – sondern gegen den von dieser Behauptung erhobenen Ausschließlichkeitsanspruch – als ob das Verbot allein als Ansporn, und in keiner sonstigen Weise, funktionieren würde. 705 Zum schwierigen Zugang von der registrierten zur tatsächlichen Kriminalität W. Heinz, Berichterstattung über Kriminalität, S. 361 ff.; Kaiser, Kriminologie3, § 37/ 82 f., 90 ff. 706 Curti, ZRP 1999, S. 234 ff.; gegen diese Methode zutr. v. Hirsch, Doing Justice, S. 62; Zimring/Hawkins, Deterrence, S. 327 f. 707 Engisch, Weltbild, S. 15; in eine ähnliche Richtung auch Bubner, Klugheit, S. 206 ff.; Hirsch, ZStW 107 (1995), S. 763: „Die Rechtswissenschaft ist keine Naturwissenschaft. Sie hat sich vielmehr an den Erscheinungen des sozialen Lebens zu orientieren“; Otto, GA 1981, S. 487 f. 708 Vgl. Welsch/Liebmann, Farben, S. 2. 709 Klassisch hierzu Eddingtons Vorwort zu seinem Buch „The Nature of the Physical World“, wo er von seinem Hinsetzen vor zwei Tischen erzählt, dem alltäglichen, der u. a. körperlich, beharrend und farbig ist, und dem wissenschaftlichen, der keine dieser Eigenschaften aufweist, sondern aus einer Menge sich schnell bewegender elektrischer Ladungen besteht (S. IX ff.); s. ferner Ladyman, Philosophy of Science, S. 131 ff.

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über Verknüpfungen von Reizen und Reaktionen710 oder über Verstärkungskontingenzen und Wahrscheinlichkeiten der Aneignung bestimmter Verhaltensmuster sprechen711 – dies alles darf der Jurist ungestört ignorieren. Denn in der Welt des Alltags, die auch die Welt des Rechts ist, gibt es sowohl Farben als auch körperliche Gegenstände, wie es auch Stühle und Tische gibt und mentale Zustände, wie Gedanken und Absichten. Letztlich geht es bei der Aufforderung, alle von Juristen akzeptierten Sätze über die Wirklichkeit einer eingehenden Überprüfung durch die empirischen Wissenschaften zu unterziehen, um eine bestimmte metaphysische Position, die man als einen szientistischen Reduktionismus bezeichnen könnte.712 Demnach sei allein die Wissenschaft, genauer gesagt: die empirische Wissenschaft, zuständig, um die Reichweite des Wirklichen zu bestimmen. Etwas ist nur solange als gegeben zu betrachten, als es sich auch durch die empirische Wissenschaft bestätigen lässt. Das heißt auch, dass jede Änderung der empirischen Wissenschaften eine Änderung der Grenzen der Welt bedeutet, so dass – um bei einem schon erwähnten Beispiel zu bleiben – in den vom Behaviorismus dominierten Vereinigten Staaten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Rede von Gedanken und Absichten genauso viel wert war wie die Rede von Phantomen, während sie sich in Europa zur gleichen Zeit und in den Vereinigten Staaten nach den 70er Jahren auf Gegebenes bezog. Die von den meisten Juristen implizit geteilte Auffassung, die von Engisch vorbildhaft herausgearbeitet wurde und der sich auch die hiesigen Überlegungen anschließen, geht von einer anderen Metaphysik aus, die man als alltäglichen Realismus bezeichnen könnte. Demnach hat nicht die von Experten getriebene Wissenschaft das Monopol, zu bestimmen, was wirklich ist, sondern haftet diese Befähigung allen am Alltagsleben teilhabenden Menschen an, zu denen selbstverständlich auch die Wissenschaftler gehören.713 Das bedeutet also, dass 710 So der sog. klassische Behaviorismus Watsons, Behaviorism, S. 2 („Belief in the existence of consciousness goes back to the ancient days of superstition and magic“), S. 6, 11 ff., 18. 711 So der sog. radikale Behaviorismus Skinners, About Behaviorism, S. 18 ff., 51 ff. 712 „Metaphysik“ wird hier im Folgenden nicht päjorativ, sondern technisch als die „Lehre vom Gegebenen“ verstanden – vgl. dazu schon oben C. III. (S. 148). Ähnlich der Gebrauch des Begriffs „Szientismus“ bei McNaughton, Moral Vision, S. 36. Der hiesige Gebrauch von „szientistischem Reduktionismus“ umfasst deshalb mehr, als etwa der kursierende Begriff des „Materialismus“, nach dem es in der Welt nur die Entitäten, die von der Physik beschrieben werden, gebe (etwa Smart, Materialism, S. 203), da nicht nur der Physik, sondern auch anderen anerkannten Wissenschaften das Recht zuerkannt wird, über die Reichweite des Wirklichen zu bestimmen. 713 Sehr ähnlich Putnam, World of Values, S. 143: „,Scientific‘ is not coextensive with ,rational‘. There are many perfectly rational beliefs that cannot be tested ,scientifically‘. But more than that . . . there are whole domains of fact with respect to which present-day science tells us nothing at all, not even that the facts in question exist“; McNaughton, Moral Vision, S. 94.

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die Gegenstände, von denen wir in unserem Alltag sprechen, wie die schon erwähnten Tische, Stühle, Gedanken und Absichten, prinzipiell als wirklich gegeben anzusehen sind, selbst wenn es der Wissenschaft nicht gelingen sollte, sie in ihr Weltbild passend einzugliedern. Erst wenn es die Wissenschaft schafft, auf unser alltägliches Weltbild verändernd einzuwirken, oder wenn der Bereich, worüber die Wissenschaft etwas aussagt, als etwas gelten kann, worüber nur die Wissenschaft aussageberechtigt ist, beanspruchen ihre Ergebnisse die Anerkennung durch das Recht. Ein Beispiel für eine weltbildverändernde wissenschaftliche Entwicklung war die Entdeckung, dass die Erde rund ist, ein Beispiel für einen der Wissenschaft so gut wie exklusiv angehörenden Bereich sind die Kunstregeln beim ärztlichen Heilengriff. Auch die Willensfreiheit gehört zu diesem bewährten alltäglichen Weltbild, und weder Feuerbachs Rückgriff auf die Kant’sche Philosophie, noch heutige empirische Experimente, welche die Willensfreiheit angeblich in Frage gestellt oder sogar widerlegt haben sollen,714 müssen vom Recht beachtet werden, solange sie in unseren alltäglichen Vorstellungen keinen Niederschlag finden.715 Der hier vertretene alltägliche Realismus ist für den Juristen nicht nur deshalb die einzige rationale Einstellung, weil er sich sonst von der Welt der zwischenmenschlichen Beziehungen, die er doch regeln will, abkoppeln würde, sondern auch, weil er in den einschlägigen Wissenschaften selbst häufig Vertreter findet. Nicht selten begründen Kriminologen das Vorhandensein der Abschreckung durch common-sense-Argumente.716 Selbst in den Jahrzehnten, in 714

In diesem Sinne etwa W. Singer, Neues Menschenbild, S. 24 ff. So gegen Feuerbach Thibaut, Beyträge, S. 36 ff., 54, der fragt, „ob der Gesetzgeber, wenn sich auch die Freyheit nicht philosophisch erweisen ließe, dessen ungeachtet nicht verpflichtet sey, der gemeinen Vorstellungsart, welche keine Philosophie jemals vertilgen wird, zu folgen, besonders da unsre philosophische Systeme mit jedem Jahre wechseln . . .“ Gegen die neuere Hirnforschung im Ergebnis sehr ähnlich auch Roxin, AT I4 § 19/37, 43 ff. Zu weitgehend Hillenkamp, JZ 2005, S. 320, der trotz seines Festhaltens an der Willensfreiheit die Frage allein der Kompetenz der Neurowissenschaftler anheim gibt. Wegen der missverständlichen Wendung „normative Setzung“ zog Roxins Charakterisierung der Willensfreiheit unverdienten Widerspruch auf sich (Nachw. ebda., Rn. 40 ff.): Besser wäre es zu sagen, Willensfreiheit sei nicht eine Setzung, sondern Bestandteil der richtigen Beschreibung der Welt, in der wir alle leben. Aus philosophischer Sicht im Wesentlichen übereinstimmend und sogar weitergehend Nida-Rümelin, Annahme der Freiheit, S. 29 ff.; ähnlich auch die Überlegungen von Schünemann, Funktion des Schuldprinzips, S. 163 ff.; ders., Entwicklung der Schuldlehre, S. 151 ff.; ders., Strafrechtsschuld, S. 547 ff., der noch weitergehend von einer sprachlich konstituierten sozialen Konstruktion der Wirklichkeit spricht; ferner Otto, GA 1981, S. 488 ff.; Griffel, ZStW 98 (1986), S. 35 ff.; ders., GA 1989, S. 196 ff.; und Hirsch, ZStW 107 (1995), S. 763 f. Man erwidere nicht, der hier vertretene alltägliche Realismus rechtfertige die strafrechtliche Verfolgung von Hexen in einer Gesellschaft, in der man an sie glaubt – denn dies ist kein Fehler des Strafrechts, sondern der außerstrafrechtlichen Weltbeschreibung, auf die das Strafrecht notwendig angewiesen ist. 716 Z. B. Cook, Crim & Just 2 (1980), S. 213. 715

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denen der mainstream der amerikanischen Psychologie behavioristisch war, gab es immer noch Tiefenpsychologen wie Erikson717 und Gestaltpsychologen wie W. Köhler oder Lewin,718 die lieber ihren alltäglichen Intuitionen als der wissenschaftlichen Orthodoxie folgten. Ihre Schriften fanden zunächst nur geringe Beachtung, haben dann aber eine wichtige Rolle gespielt bei der Herbeiführung der der „kognitiven Revolution“ vorausgehenden Krise des behavioristischen Paradigmas und bei der Vorbereitung des Feldes für die Publikation von D. Millers „Psychology: The science of mental life“, das als grundlegendes Werk des den Behaviorismus ersetzenden Paradigmas der kognitiven Psychologie angesehen wird.719 Das Beispiel der Psychologie lehrt, wie dasjenige, was heute zum mainstream einer empirischen Wissenschaft gerechnet wird, morgen eine Außenseiterexistenz haben kann und umgekehrt. Juristen brauchen ihre Begriffe von Vorsatz oder Schuld nicht nach dem zu richten, was in den empirischen Wissenschaften gerade als mainstream gilt. Sonst riskieren wir, dass unsere Gedanken in wenigen Jahren mit demselben überheblichen Lächeln gelesen werden, das wir heute im Hinblick auf Sätze, wie die nachfolgend zu zitierenden nicht vermeiden können: Im späten 19. Jahrhundert glaubte Georg Jellinek, als einer der ersten Naturalisten bzw. szientistischen Reduktionisten unserer Wissenschaft, dass er die Vergeltungstheorie vor allem mit dem Argument widerlegen könnte, sie passe nur zu dem populären, nicht aber zu dem wissenschaftlichen Weltbild: „Wissenschaftliche Erkenntnis kann nicht bei der populären Auffassung eines Dinges in die Schule gehen. Dem naiven Verstande erscheint ja auch Ton und Farbe als etwas außer ihm real Existierendes, während für die Wissenschaft nur Luft und Aetherschwingungen vorhanden sind“.720 (c) Damit ist auch die Brücke zu unserem funktionalen und nicht psychologischen Abschreckungsbegriff geschlagen. Der funktionale Abschreckungsbegriff, der nicht von einer Erregung von Furcht, sondern von der Geltendmachung von klugheitsbezogenen Gründen zu rechtskonformem Verhalten spricht und dabei nur auf eine minimale alltagstheoretische Psychologie abstellt, wonach Gründe auch zu Motiven werden können, verträgt sich am besten mit dem von Juristen implizit vertretenen, hier aber herausgearbeiteten und begründeten Standpunkt des alltäglichen Realismus. Die Erwartung, einer bestimmten Handlung folgten erwünschte Konsequenzen, kann den Erwartenden dahingehend beeinflussen, die Handlung vorzunehmen; die Erwartung, einer bestimmten Handlung folgten 717 Zu Eriksons Theorie der psychosozialen Entwicklungsstufen vgl. Zimbardo/Gerrig, Psychologie7, S. 459 ff. 718 Zur Gestaltpsychologie zusammenfassend Fitzek/Salber, Gestaltpsychologie, passim. 719 D. Miller, Psychology, passim. Vgl. zur kognitiven Wende besonders ausführlich Baars, Cognitive Revolution, S. 141 ff.; zum Kognitivismus ferner Eysenck/Keane, Cognitive Psychology, S. 1 ff.; Jarvis, Psychology, S. 77 ff. 720 G. Jellinek, Sozialethische Bedeutung, S. 104.

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unerwünschte Konsequenzen, kann den Erwartenden dazu bringen, die Handlung zu unterlassen. Das ist die ganze Psychologie, die der funktionale Abschreckungsbegriff voraussetzt, und das erscheint nicht nur plausibel, wie einige Vertreter der Abschreckungstheorie behaupten,721 sondern real – als ein wirklicher Bestandteil unseres alltäglichen Lebens, oder, jetzt mit den Worten Schmidhäusers, „eine ganz einfache Wahrheit“.722 Das ist im außerstrafrechtlichen Bereich eine derartige Selbstverständlichkeit, dass es fast entbehrlich erscheint, dafür zu argumentieren. Wäre diese minimale Psychologie eine Fiktion, weil sie noch nicht die für notwendig erachteten Weihen der strengen wissenschaftlichen Psychologie bekommen hat, dann müsste man viele völlig verständliche Handlungen auf eine Ebene mit der Beschwörung von bösen Geistern stellen:723 Verkäufer bieten Waren als Sonderangebote an, in der Erwartung, so ließen sich die potentiellen Käufer besser motivieren – und es ist nicht irrational, die Waren gerade deshalb billiger anzubieten, oder sie zu erwerben, weil man sie jetzt für weniger haben kann. Frauen und Männer machen sich vor dem Ausgehen in eine Diskothek schön, erstens um die unerwünschte Konsequenz einer Blamage zu vermeiden, zweitens um – wie erwünscht – beim anderen Geschlecht gut anzukommen. Verhaltensweisen, die einen Vorwurf oder sonstige Sanktionen nach sich ziehen können, versucht man – wenn überhaupt – so zu begehen, dass man den Vorwurf vermeidet. So erzählt der untreue Ehemann nicht überall von seinen Sexabenteuern, und erst recht nicht im Kreise der Freundinnen seiner Frau. Straftaten werden ebenfalls möglichst leise begangen, 721 Mit einer Plausibilitätsbehauptung begnügen sich Hoerster, GA 1970, S. 274; Schünemann, Nulla poena, S. 12. Wie hier J. Q. Wilson, Thinking About Crime, S. 121, der trotzdem immer noch nach einer Bestätigung durch die Wissenschaft sucht (S. 123); Carrington, VandLRev 35 (1982), S. 592; v. Hirsch, Doing Justice, S. 43; in Deutschland vor allem Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 56, mit einem Gedankenexperiment, in dem man morgen alle Strafen abschafft, S. 76; ders., EuS 12 (2001), S. 117, wo zu Recht von einer „Wissenschaft“ in Anführungszeichen gesprochen wird, als einer, die Alltagserfahrungen, die sich nicht in Statistiken widerspiegeln, verdränge; ferner Vanberg, Abschreckung, S. 24, der auch die empirische Bewährung verlangt (S. 37 ff.). Sogar Abolitionisten geben inzwischen zu: „Die Strafe schlichtweg ungeeignet zur Abschreckung zu bezeichnen, dürfte also vernünftig nicht zu begründen sein“ (Scheerer, EuS 12 [2001], S. 72). 722 Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 76. 723 Vgl. J. Q. Wilson, Thinking About Crime, S. 121: „People are governed in their very lives by rewards and penalties of every sort. We shop for bargain prices, praise our children for good behavior and scold them for bad, expect lower interest rates to stimulate home building and fear that higher ones will depress it, and conduct ourselves in public in ways that our friends and neighbors to form good opinions of us. To assert that ,deterrence doesn’t work‘ is tantamount to either denying the plainest facts of everyday life or claiming that would-be criminals are utterly different from the rest of us“. Sehr einleuchtend auch die Argumentation von Andenaes, General Prevention, S. 10 ff.; ders., Preventive Effects, S. 45 ff.; ders., Deterrence, S. 87 ff., der zwischen Deliktsgruppen und anderen Bedingungen zu differenzieren versucht.

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und viele kennen es aus eigener Erfahrung, wie sehr die Erwartung, wegen einer erwünschten Tat unerwünschte Konsequenzen erleiden zu müssen, sich auf eine Änderung des Wunsches auswirken kann – sei es, wenn man kein drittes Glas Wein beim Abendessen mit Freunden trinkt, weil man noch fahren muss, sei es, wenn man sich im Hinblick auf das Verprügeln eines kleineren, betrunkenen Beleidigers, der durchaus eine Lektion verdient hätte, zurückhält. Dass die Aussichten auf die Erreichung erwünschter bzw. die Vermeidung unerwünschter Folgen nicht bei allen Menschen die gleiche Bedeutung haben, bedeutet noch keinen Grund, auf Sonderangebote überhaupt zu verzichten oder vor dem Ausgehen nicht mehr zu duschen. Ebenso wenig muss es also einen Grund bedeuten, die Kriminalisierung der Trunkenheit im Verkehr oder der Körperverletzung fallen zu lassen. Der sich auf die empirischen Wissenschaften berufende Einwand liefert also eine zusätzliche Bestätigung für die Richtigkeit eines funktionalen, statt eines psychologischen Abschreckungsbegriffs. Denn bestimmt man die Abschreckung wie Feuerbach als Erregung von Furcht und zieht man die zu seiner Zeit hoch im Kurs befindliche Assoziationspsychologie hinzu, um den Mechanismus näher zu beschreiben, dann ist man nicht nur genötigt, mit den Entwicklungen der Psychologie mitzuhalten und die eigenen Prämissen gemäß dem gerade herrschenden mainstream auszurichten und ggf. zu revidieren, sondern man erbt auch noch alle wissenschaftsintern gegen die ausgeliehene Konstruktion formulierten logischen und insbesondere empirischen Einwände. Ein Heranziehen der empirischen Wissenschaften zur Bestätigung einer zur alltäglichen Sozialkompetenz gehörenden Erkenntnis erscheint aus der Perspektive der einschlägigen Wissenschaft eine höchst wichtige, aus der Perspektive des Alltags und des Rechts als eine zumindest entbehrliche Aufgabe. Das macht erst der funktionale Abschreckungsbegriff klar, was einen zusätzlichen Grund dafür darstellt, den psychologischen Abschreckungsbegriff endgültig zu überwinden. (d) Als Fazit zu den auf den empirischen Wissenschaften fußenden Einwänden gegen die Abschreckungstheorie ist erstens zu sagen, dass es durchaus empirisch-wissenschaftliche Untersuchungen gibt, die für eine derartige Wirkung sprechen [oben (a)], zweitens, dass das Strafrecht nicht auf die Genehmigung der empirischen Wissenschaften warten sollte, um sich einen Zugang zur Realität zu verschaffen, sondern grundsätzlich auf den Alltagssinn vertrauen darf [oben (b)], und drittens, dass der hier vertretene funktionale Abschreckungsbegriff äußerst sparsam in seinen psychologischen Voraussetzungen ist, da er sich nur auf den von der alltäglichen Erfahrung durchaus gesicherten Satz stützt, wonach Menschen sich durch die Erwartung erwünschter oder unerwünschter Konsequenzen zur Vornahme oder Unterlassung bestimmter diese Konsequenzen fördernden Handlungen beeinflussen lassen können [oben (c)]. (2) Gründe können zu Motiven werden – dieses Stück Alltagsweisheit ist es, worauf es für die hier vertretene Abschreckungstheorie ankommt. Als gut be-

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gründetes Stück Alltagsweisheit ist dies kaum durch einander rasch ersetzende wissenschaftliche Mutmaßungen zu widerlegen. Deshalb berufen sich die gewichtigsten und folgenreichsten Einwände gegen die Abschreckungstheorie nicht auf die Wissenschaft, sondern auf die Alltagsweisheit, auf den Gemeinsinn. Denn die Abschreckungstheorie war schon lange nicht mehr herrschend, bevor man überhaupt auf den Gedanken kam, die empirischen Wissenschaften um Rat und Hilfe zu bitten, was überwiegend erst am Ende des 19. Jahrhunderts insb. mit v. Liszt und seiner Modernen Schule geschah.724 (a) Der erste alltagstheoretische Einwand behauptet, aus der Erfahrung, dass Verbrechen trotz Strafandrohungen immer weiter begangen werden, ließe sich die Abschreckungswirkung empirisch widerlegen.725 Jede Straftat beweise, dass die Abschreckung eine Fiktion sei. Man wiederholte sarkastisch, dass gerade bei Hinrichtungen von Dieben die meisten Diebstähle begangen würden.726 Besonders Feuerbach macht sich für einen derartigen Einwand anfällig, da er häufig Redewendungen heranzieht, die tatsächlich den Eindruck erwecken, dass er vom psychologischen Zwang eine Unmöglichmachung aller Verbrechen erwartet. So sagt er sehr entschieden: „Jede Beleidigung widerspricht daher der Natur und dem Zweck des bürgerlichen Vereins, und um dieses Zwecks willen ist es nothwendig, daß überhaupt keine Beleidigungen im Staate geschehen“.727 Zunächst beantworten wir die leichtere Frage, ob Feuerbachs Theorie an dem Einwand scheitert, an zweiter Stelle geht um die grundsätzlichere Frage, welche Bedeutung diesem Einwand überhaupt zuzusprechen ist. Was Feuerbachs Erwartungen bezüglich der Effektivität eines psychologischen Zwangs angeht, ist die insb. von seinen Gegnern verbreitete Lesweise,728 wonach Feuerbach tatsächlich an die Unfehlbarkeit der Abschreckung glaubte, als falsch anzusehen. Die erwähnten Stellen lassen sich ohne weiteres daraus 724

Siehe die Nachw. oben bei Teil D., Fn. 700. Feuerbach: Mittermaier, in: Feuerbach, Lehrbuch14, § 20c; Berner, Lehrbuch , S. 11; Binding, Grundriss8, S. 220; ähnlich Bockelmann, JZ 1951, S. 495; Schild, Strafbegriff und Grundgesetz, S. 291; subtiler, aber immerhin im gleichen Sinn Tittle, Control Balance, S. 12. Eine Variante dieses Einwandes ist die, nach der die Abschreckungswirkung je nach Deliktsgruppe unterschiedlich hervorgerufen werde, so dass man nicht allein darauf verweisen dürfe, um alle Strafandrohungen zu rechtfertigen (etwa Hassemer, Einführung2, S. 313 f.). 726 Hommel, Anmerkungen, S. 117; ders., Philosophische Gedanken, S. 105 – das Argument scheint sich bei ihm aber allein gegen die Strafe des Galgens, also weder gegen die Todesstrafe als solche, noch gegen die Abschreckungstheorie, zu richten. 727 Feuerbach, Revision I, S. 39; ähnlich ders., Lehrbuch14, § 9: „schlechthin nothwendig, dass im Staate gar keine Rechtsverletzungen geschehen“. 728 Diese Interpretation etwa bei Berner, Lehrbuch1, S. 11; heute Jakobs, Staatliche Strafe, S. 22; Naucke, Funktionstüchtigkeit, S. 107; Schreiber, ZStW 94 (1982), S. 283; wohl auch Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 35. Auch Anhänger der Abschreckungstheorie schreiben Feuerbach derartige Unfehlbarkeitsansprüche zu, z. B. Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 55. 725 Gegen 1

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erklären, dass Feuerbach erstens ein ideales Modell eines rechtlichen Zustandes entwirft, in dem überhaupt keine Straftaten vorkommen (sonst wäre das ideale Modell kein ideales Modell, sondern nur die uns bekannte Wirklichkeit),729 und dass sich zweitens der feuerige Feuerbach gerne starker Ausdrücke bedient, so dass es bei ihm häufig vorkommt, dass nicht jedes seiner Worte im buchstäblichen Sinne zu verstehen ist. Ferner ist daran zu erinnern, dass die Tatsache, dass Verbrechen trotz Abschreckung weiter begangen werden, Allgemeingut der zeitgenössischen Wissenschaft war, und keine Entdeckung einer späteren Generation.730 Und letztlich hat man darauf hingewiesen, dass, wenn Feuerbach tatsächlich an die Unfehlbarkeit des psychologischen Zwanges geglaubt hätte, er keinen Anlass gehabt hätte, eine Theorie der Strafzufügung zu formulieren. Das Vorhandensein einer raffinierten Theorie der Strafzufügung belegt also, dass Feuerbach keineswegs davon ausging, mit der schlichten Androhung von Strafen sei schon alles getan, was man zur Verbrechensverhütung tun solle. Es ging ihm bloß darum, einem wünschenswerten Zweck möglichst nahe zu kommen.731 Es bleibt die Frage, ob der Einwand auch denjenigen trifft, der von der Strafandrohung nicht Unfehlbarkeit, sondern nur überhaupt einen Beitrag zur Aufgabe des Rechtsgüterschutzes erwartet. Es dürfte ohne weiteres einleuchten, dass dem nicht so ist. Denn aus der Tatsache, dass die vorzulegenden Gründe nicht immer zu Motiven werden, folgt noch nicht, dass es sinnlos wäre, überhaupt einem Menschen Gründe vorzulegen. M. a.W., die Tatsache, dass sich nicht alle Menschen immer rational (i. S. von klug) verhalten oder dass sie manchmal entgegenstehenden (moralischen oder klugheitsbezogenen) Gründen folgen, zwingt nicht dazu, die Sinnlosigkeit der Geltendmachung von Klugheitsgründen anzunehmen. Um bei den oben herangezogenen Beispielen zu bleiben: Es ist für den Ladeninhaber nicht sinnlos, Waren zu Sonderpreisen anzubieten, auch wenn er weiß, dass nicht alle diese Waren kaufen werden; für den ledigen Diskothekenbesucher ist es nicht sinnlos, vor dem Ausgehen zu duschen, selbst wenn es ihm klar ist, dass einige wenige Frauen eher auf schmutzige Männer stehen. Ebenso wenig handelt der Gesetzgeber irrational, wenn er von seinen Strafan-

729 Das erklärt auch, wieso sich bei anderen Autoren ähnlich starke Worte finden, so etwa bei Oersted, Grundregeln, S. 46: „Die Sicherheit, welche der Staat herbeiführen soll . . . fordert, daß jedem Verbrechen, dem ersten sowohl als dem wiederholten, vorgebeugt werde“, der drei Seiten später aber klarstellt: „eine Unfehlbarkeit der Strafen wollen wir keineswegs behaupten“; und bei Grolman, Begründung, S. 38 („gänzliche Unmöglichmachung aller Illegalitäten“), der auf S. 102 Fn. die Idealität seiner Erwägungen betont. 730 So z. B. schon Globig/Huster, Abhandlung, S. 62; Filangieri, Scienza, S. 191 (Libro III, Capo XXVIII). 731 So schon treffend Schneider, Prinzip des Strafrechts, S. 1, 66 f.; Hepp, Darstellung1, S. 87, 92; ders., Darstellung II/12, S. 268 f., 279; Bauer, Warnungstheorie, S. 220 f.; siehe auch schon viel früher Anonym, Critik der neuern Philosophemen, S. 15.

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drohungen einige Wirkungen erwartet. Irrational wäre es vielmehr, auf die Mittel schon deshalb zu verzichten, weil sie nicht unfehlbar sind. Das ist eine solche Selbstverständlichkeit, dass man sich fragen sollte, ob der Einwand tatsächlich ernst gemeint ist. Denn würde er ernst genommen, dann wäre er nicht einmal rational aussprechbar: Ist es der Zweck eines Einwandes, die anderen Diskussionsteilnehmer zu überzeugen, und ist es aber klar, dass nicht alle Diskussionsteilnehmer durch den Einwand überzeugt werden, dann sollte man unter Zugrundelegung der Prämisse, wonach man nur bei der Anwendung von hundertprozentig fehlsicheren Mitteln rational handele, eher schweigen und sich eines Beitrags zur Diskussion enthalten. Dass diejenigen, die den Einwand aussprechen, dies zum Glück nicht tun, ist ein weiterer Grund, ihm keine maßgebliche Bedeutung zuzusprechen.732 (b) Ein zweiter alltagstheoretischer empirischer Einwand weist darauf hin, dass Abschreckung durch Strafandrohungen vor allem deshalb nicht wirke, weil der Verbrecher daran glaube, der Strafe irgendwie zu entkommen.733 Dieser Glaube sei manchmal völlig irrational, so dass die Erwartung, durch Bekanntmachung von klugheitsbezogenen Gründen zum Handeln überhaupt etwas zu erreichen, an sich höchst fragwürdig sei. Zum großen Teil richtet sich dieser Einwand auf das den Abschreckungstheorien vermeintlich zugrunde liegende psychologische Modell eines rational kalkulierenden Verbrechers. Dass Feuerbach ein solches Modell aber nie vertrat, da er der weitgehend anti-intellektualistischen Assoziationspsychologie anhing, und dass auch die hiesige Neuformulierung i. S. des funktionalen Abschreckungsbegriffs nur eine alltagstheoretisch fundierte Minimalpsychologie voraussetzt, braucht nicht wiederholt zu werden.734 Letztlich entpuppt sich deshalb dieser Einwand als eine Konkretisierung des eben widerlegten, wonach man von der Abschreckung keine Unfehlbarkeit erwarten könne und man deshalb auf sie völlig verzichten solle. Neu ist nur die Benennung eines Grundes für den Fehl732 Den Einwand in Ergebnis ebenfalls ablehnend kurz nach Feuerbach Bauer, NArchCrimR 1827, S. 439 f.; ders., Straftheorien, S. 82 f.; Oersted, Grundregeln, S. 49; hundert Jahre nach Feuerbach Merkel, Reformbestrebungen, S. 832 f.; Nagler, GS 70 (1907), S. 27; hundertfünfzig Jahre danach Andenaes, Preventive Effects, S. 41 f.; zwei Jahrhunderte danach v. Hirsch, Doing Justice, S. 39 Fn.; Haffke, Rückwirkungsverbot, S. 107 f.; Hoerster, GA 1970, S. 273; Honderich, Punishment, S. 55; Müller-Dietz, Lebenslange Freiheitsstrafe, S. 96 f.; Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 24 und Fn. 13; Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 58; Vanberg, Abschreckung, S. 26 f. 733 Gegen Feuerbach: Spangenberg, Pönitentiarsystem, S. 33; Berner, Lehrbuch1, S. 11; Binding, Grundriss8, S. 221, 235; v. Gemmingen, MSchrKrimPsych 24 (1933), S. 189; Jakobs, AT2, § 1/28; allgemein Merkel, Reform der Strafgesetze, S. 144; Correia, Direito criminal I, S. 48; Preiser, Recht zu strafen, S. 74 f.; Welzel, Strafrecht11, S. 242; García-Pablos, Introducción4, S. 266, mit Nachw. aus empirischen Untersuchungen. Ähnlich Bockelmann, Heidelberger Jahrbücher 5 (1961), S. 33. 734 Verwiesen sei auf D. II. 3. b) (S. 359 f.).

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schlag der Abschreckungswirkung – die Erwartung, der Strafe zu entkommen. Dass nicht alle Bürger derartige Erwartungen hegen, dürfte aber ohne weiteres klar sein, und das reicht aus für eine Abschreckungstheorie, die sich keine magischen Kräfte zuschreibt und sich auch nicht als Wundermittel gegen alle denkbaren Rechtsgutsverletzungen verkaufen will. (c) Der dritte und letzte alltagstheoretische Einwand – der sich sogar mit Ergebnissen der empirischen Forschung aufrüsten ließe735 – besagt, dass die Abschreckungstheorie die Rolle der Furcht (bzw. der Klugheit) bei der Normeinhaltung überschätze. Die Tatsache, dass die meisten Menschen keine Verbrechen begehen, sei viel eher auf die Einsicht in die Richtigkeit des Inhalts von strafrechtlichen Normen oder zumindest in die Richtigkeit der Beachtung von strafrechtlichen Normen überhaupt zurückzuführen. Nicht Furcht, sondern Überzeugung, nicht Klugheit, sondern Moralität, seien die Hauptursachen des verbreiteten strafrechtskonformen Verhaltens.736 Von diesem Punkt aus ist es nur ein kurzer Weg zu der unten näher zu untersuchenden Theorie der positiven Generalprävention: denn zur Bildung dieser für das Ausbleiben von Rechtsgutsverletzungen unerlässlichen Einstellung trage ein Verständnis der Strafandrohung als Abschreckung nur sehr begrenzt bei; Strafandrohungen müssten deshalb als ein Beitrag zur Sozialisation des einzelnen und zur Norminternalisierung betrachtet werden. Aber auch zur Resozialisierungstheorie ist der Abstand gleichermaßen gering, was durch eine Erinnerung an einige vergessenen Stimmen, welche diesen Einwand aufgreifen, belegt wird.737 735

Z. B. Tyler, Why People Obey the Law, S. 178. So im 19. Jahrhundert, meistens gegen Feuerbach Hepp, Darstellung1, S. 95; ders., Darstellung II/12, S. 250; Berner, NArchCrimR 1845, S. 163; Röder, Besserungsstrafe, S. 9; aus nationalsozialistischer Perspektive Gallas, ZStW 53 (1934), S. 15; in der Nachkriegszeit Bockelmann, JZ 1951, S. 495; Gallas, Gründe und Grenzen, S. 10 f.; Welzel, Strafrecht11, S. 242. Heute Ashworth, Deterrence, S. 50; Braithwaite/Pettit, Not Just Deserts, S. 127; Hassemer, Einführung2, S. 323; ders., Aufgaben, S. 257; Streng, Feindstrafrecht, S. 235; ähnlich García-Pablos, Tratado de Criminología2, S. 938; mit empirischem Beleg Bönitz, Verhaltenssteuerung, S. 331 ff.; Burkett/Ward, Criminology 31 (1993), S. 126 ff.; K. Kennedy, DickLRev 88 (1983– 1984), S. 8, 11 ff.; Schumann/Berlitz/Guth/Kaulitzki, Jugendkriminalität, S. 164. Z. T. auch Kuhlen, GA 1994, 364 f.; Silva Sánchez, ADPCP 49 (1996), S. 105, 111 f. Siehe auch Kargl, Funktion des Strafrechts, S. 17 ff., 21 ff.; ihm zust. Rogall, Abschreckung, S. 238, 247, die versuchen, diese Erkenntnis aus dem berühmten Milgram-Experiment abzuleiten. Ähnlich Kahan, MichLRev 95 (1996–1997), S. 2479 ff.; ders., VaLRev 83 (1997), S. 351, 352 ff., 365 ff., 394 f.: Man begeht Verbrechen, weil man denkt, dies werde von den anderen auch praktiziert und gebilligt. In dieselbe Richtung auch Hawkins, WisLRev 1969, S. 550 ff. 737 Etwa Henke, Strafrechtstheorien, S. 87; Spangenberg, Pönitentiarsystem, S. 35, 40; und heute Eser, Resozialisierung, S. 517 f. Das belegt ferner die noch weitgehend übersehene Verwandtschaft zwischen positiver Spezialprävention und positiver Generalprävention (s. immerhin Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 278; Díez Ripolles, ZStW 113 [2001], S. 526; Honderich, Punishment, S. 90), dazu mehr unten D. II. 4. c), (S. 438 ff.). 736

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Man könnte gegen diesen Einwand Unterschiedliches geltend machen: Eigentlich sei es schon fraglich, ob die unterstellte verbreitete Rechtstreue denn auch tatsächlich gegeben ist, ob nicht vielmehr Kriminalität zumindest einigermaßen „ubiquitär“ und „normal“ 738 ist. Man könnte auch bezweifeln, ob die Überzeugungen der Bürger tatsächlich so weit gehen, etwa auch die gegen einen Beleidiger zugefügten Körperverletzungen oder den gegen den Dieb selbst begangenen Diebstahl für falsch zu halten. Hier sollen diese problematischen Punkte nun aber alle als unproblematisch hingenommen werden, damit man sich bloß mehr mit dem Entscheidenden zu befassen hat. Vorausgesetzt, die erwähnte empirische Beurteilung, nach der Strafrechtskonformität überwiegend nicht aus Gründen der Klugheit, sondern aus anderen, wohl als moralisch anzusehenden Gründen folge, ist stimmig – zwingt einen dies dazu, die Abschreckung, also die Verbreitung von klugheitsbezogenen Gründen für Strafrechtskonformität, fallen zu lassen? Es dürfte schon ohne weiteres klar sein, dass dieser Schluss einige zusätzliche Prämissen benötigen würde, die aber höchst zweifelhaft sind. Die erste notwendige Prämisse wäre offenbar, dass bei rationaler Verfolgung eines beliebigen Zwecks nur das effektivste Mittel herangezogen werden dürfte; alle anderen weniger effektiven Mittel seien demgegenüber nicht nur überflüssig, sondern eine schädliche Verschwendung wertvoller Ressourcen. Dem ist zu entgegnen, dass dieser Satz nur dann stimmte, wenn man vom weniger effektiven Mittel nicht einmal eine effektivitätssteigernde Wirkung zu erwarten hätte. Selbst also beim Gegebensein besserer Alternativen ist man nicht daran gehindert, gleichzeitig weniger effektive, aber auch schon an sich effektive, und im Falle kumulativer Heranziehung effektivitätssteigernde Alternativen einzusetzen. Selbst also, wenn regelmäßiges Gewichtheben das beste Mittel wäre, unserem ledigen Diskothekenbesucher Erfolge bei seinen nächtlichen Jagden zu garantieren, ist es nicht einzusehen, wieso er trotz seiner Muskeln nicht auch vor dem Ausgehen duschen sollte. Aus demselben Grunde braucht man nicht bloß deshalb auf die Abschreckung zu verzichten, weil es effektivere Alternativen gibt. Das wäre erst dann der Fall, wenn man nachweisen könnte, dass klugheitsbezogene Gründe für alle Menschen – insbesondere auch für die, die moralischen Gründen völlig fremd gegenüber stehen – völlig gleichgültig sind. Dass dieser Nachweis nicht zu erbringen ist, dürfte offensichtlich sein. Die zweite untaugliche Annahme, auf welcher der jetzt kritisierte Einwand basiert, ist die, dass das andere, effektivere Mittel (nämlich die moralische Erziehung durch die positive General- oder Spezialprävention) ebenfalls zulässig sei. Auf diese Frage wird später noch näher einzugehen sein, weil sie keine empirische, sondern eine normative ist, und weil sie nicht mit der Abschre738 So Haferkamp, Kriminalität ist normal, passim; viel differenzierter und verfeinerter Kaiser, Kriminologie3, § 37/88 f.

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ckungstheorie, sondern mit deren Konkurrenten zu tun hat. Es sei an dieser Stelle nur bemerkt, dass das Vorhandensein effektiverer Mittel dem Einsatz eines weniger effektiven insb. dann nicht entgegensteht, wenn das beste Mittel nicht zulässig ist. Ob das der Fall ist, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Die Widerlegung der ersten Annahme, wonach man immer nur das effektivste Mittel heranziehen dürfe, reicht aber schon aus, um die Unbegründetheit des Einwandes darzulegen. (d) Auf der anderen Seite ist die mehrfach gegen die Abschreckungstheorie erhobene Behauptung, dass in erster Linie nicht die Schwere der Strafe, sondern die Gewissheit ihrer Zufügung präventive Wirkungen zeitige,739 im Grunde genommen kein Einwand. Die ersten Vertreter dieses Satzes waren selbst Abschreckungstheoretiker,740 und dies nicht ohne Grund, denn der angebliche Einwand setzt die Anerkennung der Abschreckung als Zweck der Strafandrohung voraus.741 Man diskutiert nur über das diesen Zweck am besten verwirklichende Mittel. (e) Als Fazit zu den alltagstheoretischen, gegen die Abschreckungstheorie formulierten, empirischen Einwänden ist deshalb festzuhalten, dass sie nicht überzeugen. Denn selbst wenn man nicht erwarten kann, dass die Androhung eines Übels alle Straftaten verhindern werde [oben (a)] oder dass es nicht Menschen gibt, die hoffen, der Strafe zu entgehen [oben (b)], ist es nicht rational geboten, ausschließlich dasjenige Mittel zu verwenden, das in allen Situationen unfehlbar wäre. Und der Einwand, wonach sich Menschen eher aus Überzeugung, denn aus Furcht oder Klugheit rechtskonform verhalten, verkennt, dass es nicht geboten ist, ausschließlich das effektivste aller zur Verfügung stehenden Mittel heranzuziehen und auf all die anderen zu verzichten, von denen durchaus zumindest effektivitätssteigernde Wirkungen zu erwarten sind. Somit kommt man zu einem Gesamtfazit bezüglich der empirischen Einwände gegen die Abschreckungstheorie, nämlich dazu, dass keiner von ihnen überzeugt. Wenn die Abschreckungstheorie Feuerbach’scher Tradition etwas zu befürchten hat, dann sind es vielmehr die normativen Erwägungen, die man gegen sie ins Feld führt. Mit ihnen muss man sich deshalb jetzt näher befassen. e) Normative Einwände aa) Vorbehalte gegen die Abschreckungstheorie können nach dem Gesagten nur normativer Art sein, Nicht darum also kann es gehen, dass dasjenige, was sie zu erreichen vorgibt, unwirklich oder unmöglich sei, sondern darum, dass es 739

Etwa Mittermaier, Grundfehler, S. 56 f.; Bockelmann, JZ 1951, S. 495. Beccaria, Delitti, § XXVII; Lardizábal, Discurso, Cap. II 29; Rössig, Vorerinnerung, S. XXVI. 741 So auch Silva Sánchez, ADPCP 49 (1996), S. 103. 740

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trotz seiner empirischen Wirklichkeit und Möglichkeit unzulässig sei: Die Abschreckung sei aus irgendwelchen normativen Gründen nicht hinnehmbar. Obwohl diese Gründe schon bei der Argumentation ihrer Vertreter nicht immer auseinander gehalten werden, und obwohl es tatsächlich unter ihnen mehrere Überschneidungen gibt, wird hier versucht, die Fülle von Einwänden auf zwei Hauptgesichtspunkte zurückzuführen. Die normativen Einwände lassen sich demnach so einteilen, dass sie sich entweder schon gegen die Prämissen, oder aber nur gegen die Folgen der Abschreckungstheorie richten. Der Einwand gegen die Prämissen lautet, die Abschreckungstheorie gehe von einem menschenfeindlichen Täterbild aus. Der Einwand gegen die Folgen verweist auf die Neigung der Abschreckung zum Staatsterrorismus und zu Verstößen gegen die Proportionalität von Verbrechen und Strafen. (1) „Es ist mit der Begründung der Strafe auf diese Weise, als wenn man gegen einen Hund den Stock erhebt, und der Mensch wird nicht nach seiner Ehre und Freiheit, sondern wie ein Hund behandelt.“742 Diese auch hier schon mehr als einmal zitierten Worte Hegels drücken die gegen die Abschreckungstheorie immer wieder geäußerten normativen Bedenken besonders emphatisch aus. Im rechtsgeschichtlichen Teil (B. III. [S. 102 ff.]) haben wir freilich festgestellt, dass Hegel mit diesem Einwand keineswegs Pionierarbeit leistete, sondern dass man von Anfang an Feuerbachs Theorie zu einem „System der thierischen Züchtigung“ erklärte und gegen sie einwandte, sie sei nicht auf Menschen, sondern nur auf Tiere gemünzt.743 Bis heute greift man wiederholt auf die Hegelworte zurück, um ein schlagkräftiges Argument gegen die Abschreckungstheorie auszusprechen.744 Beispielhaft sei Hassemer erwähnt, der die Theorie für „technokratisch“ hält; sie gehe von einer „menschenverachtenden Vorstellung“ aus:745 „Feuerbachs Straftheorie hat das Niveau der Aufklärungsphilosophie verfehlt, er hat den Menschen zum Objekt gemacht“.746 Und Duff meint, eine liberale Gemeinschaft dürfte sich nicht des Tons einer Drohung der Art „Verhalte Dich so, oder erleide Sanktionen“ bedienen.747 Lässt sich Abschreckung 742

Hegel, Grundlinien, § 99, Zusatz, S. 190. Klein, Zurechnung, S. 60; ders., ArchCrimR Bd. IV St. IV (1802), S. 48; ders., ArchCrimR Bd. V St. III (1803), S. 104; ähnlich Kleinschrod, Grundbegriffe I1, S. 121. Weitere Nachw. oben B. III. (S. 103 f.). 744 Aufgegriffen etwa von Feijoo Sánchez, Retribución, S. 105; M. Köhler, Strafrechtsbegründung, S. 36 f.; ders., ARSP-Beiheft 87 (2003), S. 75; Noll, Rationalisierung, S. 227. Christie, Contemporary Crises 10 (1986), S. 95 ff. macht dieses seiner Meinung nach dem ganzen Strafrecht zugrundelegende Menschenbild zu einem Einwand gegen die Legitimität des Strafrechts. 745 Hassemer, Einführung2, S. 309 (erstes Zitat), 315 (zweites Zitat). 746 Hassemer, Einführung2, S. 316; ferner ders., Positive Generalprävention, S. 34. 747 Duff, Punishment, Communication and Community, S. 58; ähnlich ders., Punishment & Society 1 (1999), S. 34: Dies führe dazu, dass die Gründe zur Regelbefolgung, die der Staat dem Bürger angibt, sich nicht mit den Gründen decken, welche diese Regeln tragen, was zu einem Transparenzmangel führe. Dieses Argument ist der 743

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mit einem auf der Würde des Menschen basierenden Staatssystem überhaupt vereinbaren? (2) Der Einwand ist mehrdeutig. Meint man mit der Wendung „Menschenbild“ nur, dass der Mensch insb. nach dem Grundgesetz eine Menschenwürde besitzt und er nicht zu beliebigen Zwecken instrumentalisiert werden darf,748 dann ist das Wesentliche dazu bereits oben C. III. (S. 177 ff.) gesagt worden, als wir den Gehalt des Instrumentalisierungsverbotes konkretisierten. Hier wird man sich allein mit weiteren Aspekten des Einwands befassen, die über die bereits untersuchte Frage der Instrumentalisierung des Menschen hinausgehen. (3) Feuerbachs Modell eines psychologischen Abschreckungsbegriffs, der also auf die Erregung von Furcht als Handlungsmotiv abstellt, macht sich in der Tat für derartige Einwände anfällig. Dass sein Modell klare anti-intellektualistische Züge hat, dass seine oben ausführlich beschriebenen assoziationspsychologischen Annahmen letztlich den Menschen (als sinnlichen homo phaenomenon) auf dieselbe Ebene stellen wie Hunde oder beliebige andere höhere Tiere, ist klar.749 Das hiesige funktionale Abschreckungsmodell umgeht aber elegant die erwähnte Schwierigkeit. Denn es vermeidet nicht nur weitergehende psychologische Festlegungen bezüglich des Funktionierens des menschlichen Entscheidungsvorganges; auch das von ihm vorausgesetzte Täterbild wird höchst sparsam skizziert. Im Grunde setzt es nichts anderes als eine Minimalanthropologie voraus, wonach Menschen Wesen sind, die ihr Verhalten auch nach Gründen, insbesondere nach Klugheitsgründen richten können.750 Wie sich Menschen von Tieren unterscheiden, wonach Tiere ihr Verhalten ausrichten, was den Mensch zum Menschen macht, das sind alles Fragen, zu denen der funktionale Abschreckungsbegriff kein Wort zu sagen braucht. Insbesondere einer Festlegung in dem Sinne, dass Menschen an sich gut oder an sich böse seien, enthält sich das Modell mit Bedacht. Der gängige Einwand, der die menschenfeindliche Prämisse der Abschreckungstheorie geltend macht, trifft also nur den traditionellen (psychologischen) Abschreckungsbegriff, nicht aber den hier entwickelten. (4) Das würde als Antwort schon genügen. Einen zusätzlichen Punkt könnte man aber noch geltend machen. Dieser würde sich nicht damit begnügen, defensiv dem Schlag auszuweichen, sondern die Möglichkeit nutzen, offensiv wie ein Judo-Griff die Stärke des Schlages gegen den Angreifer auszuspielen. Be-

positiven Generalprävention verpflichtet, so dass die Antwort darauf unten D. II. 3. f), (S. 396 ff.) entwickelt wird. Krit. dazu Baker, ARSP-Beiheft 47 (2002), S. 150 ff. 748 Ein derartiger Gebrauch des Ausdrucks „Menschenbild“ bei Lange, SchwZStr 70 (1955), S. 381. 749 Es sei nochmals nur darauf hingewiesen, wie wenig dieser Einwand mit dem anderen, wonach der Mensch rational folgend-kalkulierend handle, vereinbar ist; dazu bereits oben B. III. (S. 104). 750 Zum methodischen Vorzug kurzer Ableitungsketten bereits oben A. (S. 27).

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klagt wird von den Kritikern die vermeintlich pessimistische Anthropologie der Abschreckungslehre. Diese Klagen finden Gehör, weil man fürchtet, aus pessimistischen Auffassungen dazu, wie der Mensch sei (nämlich ein gefährlicher Wolf), würden vorschnell Folgerungen abgeleitet werden, wie er behandelt werden solle (nämlich wie ein gefährlicher Wolf). Problematisch ist aber hier nicht der Schluss vom Sein auf das Sollen,751 sondern die Naivität, mit der die entgegengesetzte Auffassung – die man einen anthropologischen Optimismus nennen könnte – stillschweigend zur Lösung der hiesigen Problemen erklärt wird. Ein Modell, das sich von Anfang an im Sinne einer optimistischen Anthropologie vom Menschen, etwa als eines vernünftigen, anteilnehmenden oder friedlichen Wesens, festlege, solle auch zu einer besseren Behandlung der Menschen führen – so die Erwartung. Dass diese Erwartung trügerisch ist, dass die größten Menschenrechtsverletzungen häufig gerade von optimistischen oder geradezu utopischen Vorstellungen von der menschlichen Natur getragen wurden, wird dabei allzu schnell verdrängt.752 Erwähnenswert sind hier nicht erst die Untaten nationalsozialistischer oder kommunistischer Systeme,753 sondern schon die Äußerungen des optimistischen Anthropologen schlechthin, nämlich Rousseaus, der zum einen die Güte des Menschen hervorhebt,754 zum anderen sich aber dadurch nicht daran gehindert sieht, sich über alle Belange, die nicht der volonté generale entsprechen, z. B. sogar das Verbot der Todesstrafe oder die Religionsfreiheit, hinwegzusetzen.755 Wie diese Güte zu erreichen ist, mehr noch, dass die Menschen das Recht haben, nicht gut zu sein – das ist selbstverständlich für den optimistischen Anthropologen nicht von Bedeutung. (5) Der Einwand, dass die Abschreckungstheorie wegen des von ihr vorausgesetzten menschenfeindlichen Täterbildes abzulehnen sei, trifft erstens den hier vertretenen, anthropologisch weitgehend neutralen Abschreckungsbegriff nicht, und stützt sich zweitens auf eine zweifelhafte, höchst naive Annahme, nach der Achtung des Menschen und optimistisches Menschenbild miteinander einhergingen. Er liefert deshalb keinen Grund, an der Richtigkeit des hiesigen Abschreckungsverständnisses zu zweifeln. Ob ein Menschenbild für die Straftheorie 751 Denn es wäre einfach, sich irgendwelche Brückenprinzipien (zu diesem Begriff Albert, Traktat über kritische Vernunft, S. 76) auszudenken – etwa die Klugheitsmaxime, dass man Menschen so behandeln soll, wie sie sind. 752 Vgl. auch Matthias Kaufmann, Aufgeklärte Anarchie, S. 34. 753 Ein optimistisches Menschenbild vertrat auch auf nationalsozialistischer Grundlage Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 65: „volksverbundener, aus freien Stücken zu Hingabe und Opfer bereiter Mensch“ als „deutscher Menschentyp“, in Ablehnung des egoistischen Menschenbildes der Aufklärung (S. 57). Interessant Talmon, Totalitarian Democracy, S. 7: Der linke Totalitarismus gehe von einem optimistischen, der rechte von einem pessimistischen Menschenbild aus. 754 Rousseau, Émile, Livre Quatriéme, S. 308. 755 Rousseau, Du Contrat Social, Livre II Chap. V; Livre IV Chap. VIII; zu Recht misstrauisch Martin, Nature humaine, S. 99, S. 143, S. 227, S. 251.

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überhaupt etwas hergibt, bleibt entgegen einer gängigen, immerhin selten deutlich genug ausformulierten Behauptung,756 eine offene Frage. bb) Das zweite Bündel normativer Einwände bezieht sich nicht mehr auf die Prämissen, sondern auf die Folgen der Abschreckungstheorie. Man rügt, die Abschreckungslehre verwickle sich notwendigerweise in Widersprüche mit der Proportionalität von Verbrechen und Strafen. Dieser Einwand ist besonders schwerwiegend und zum Teil auch zutreffend. Um keinen der immer wieder geltend gemachten Aspekte zu unterschlagen, um keiner relevanten Frage mit Schweigen auszuweichen, wird hier zunächst das allgemeine, prinzipielle Argument untersucht, und werden dann anschließend verschiedene Konkretisierungen und Spezifizierungen von angeblichen Verstößen gegen die Proportionalität hinterfragt, die sich in bestimmten Fallkonstellationen ergeben sollen. Diese spezifischen Probleme lassen sich nicht völlig auf die prinzipiellere Frage zurückführen, was Grund genug erscheint, gemäß der hier vertretenen anti-reduktionistischen methodischen Maxime (vgl. oben A. [S. 27]) eine derartig pauschalisierende Zurückführung nicht einmal zu versuchen. (1) Der prinzipielle Einwand ist wohlbekannt: die innere Logik der Abschreckungstheorie sei für das Erfordernis eines angemessenen Verhältnisses von Verbrechen und Strafen blind. Abschreckung und Proportionalität stünden einander völlig fremd gegenüber. Dieser Einwand begleitet die Abschreckungstheorie Feuerbachs schon von Anfang an.757 Insbesondere Thibaut hielt ihr vor, sie führe notwendigerweise zu einem drakonischen System,758 ein Einwand, der immer wieder aufgegriffen wurde.759 Die Tatsache, dass nationalsozialistische Gesetze vor allem während des Kriegs Abschreckungszwecke verfolgten,760 756 Klassisch Radbruch, Mensch im Recht, S. 10 und passim; ferner Jescheck, Menschenbild, S. 6 ff., 13, 20; Schulz, JZ 1966, S. 114; Torío López, RFDUC 11 (1986), S. 667 ff.; Würtenberger, Menschenbild, S. 16 ff.; Zipf, Kriminalpolitik, S. 45 f.; ders., ZStW 89 (1977), S. 713. 757 Anonym, ArchCrimR Bd. VI St. II (1805), S. 18; Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 40, S. 47 f. 758 Thibaut, Beyträge, S. 82, 89, der immerhin die Lehre nicht verwirft, sondern durch äußere – wenn auch konsequentialistisch fundierte – Erwägungen einschränkt. 759 Tafinger, Criminalgesetzgebung, S. 40: alle Verbrechen sollen mit dem Tode bestraft werden; S. 284: der Feuerbach’sche Entwurf eines Strafgesetzbuchs für Bayern sei bloß aus dem Grund nicht drakonisch, weil Feuerbach doch verkappt die Wiedergeltungstheorie angenommen habe; Spangenberg, Pönitentiarsystem, S. X; Abegg, Strafrechtstheorieen, S. 166; ders., NArchCrim 1841, S. 491 (Thibaut zust.); ders., NArchCrimR 1850, S. 526; Bauer, Warnungstheorie, S. 125, 179; Berner, Lehrbuch1, S. 11; Hepp, Darstellung II/12, S. 108 f.: Abschreckung durch Strafandrohung als der „entschiedenste Feind eines gerechten Strafmaaßes“, 161; Köstlin, Neue Revision, S. 141; heute ausdrücklich gegen Feuerbach Ancel, Nova defesa social, S. 52; Naucke, Beccaria I, S. 15. 760 Nachw. bei Wehrle, Justiz-Strafrecht, S. 707 f. Viele dieser Gesetze sind gesammelt in den Kommentierungen von Grau/Krug/Rietzsch, Deutsches Strafrecht I2 (1943). In der Lehre wurde die Abschreckung eigentlich nur vereinzelt vertreten (etwa

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scheint ebenfalls ein Beleg für die schwer zu bändigenden Gefahren der Theorie zu sein. Heute stellt Roxin in jeder Abschreckungstheorie die Neigung fest, zum Staatsterror auszuarten,761 und Ferrajoli fällt ein durchdachtes Urteil: „Die Generalprävention durch gesetzliche Androhung dient zwar als Bollwerk gegen den richterlichen, nicht aber gegen den gesetzgeberischen Strafterror.“762 Interessanterweise war aber die liberale Phalanx der Strafrechtler des 18. Jahrhunderts von der Möglichkeit überzeugt, dass die Verfolgung des Abschreckungszwecks die Proportionalität als ihre notwendige Folge haben würde. Im Wesentlichen versuchte man, die Verträglichkeit von Abschreckungslehre und Proportionalität mit drei Argumenten zu untermauern. Man wies erstens darauf hin, dass, wenn für schwerere Straftaten mildere Strafen angedroht würden, das als Ermunterung verstanden werden könnte, nicht bloß die leichtere, sondern sofort die schwerere Straftat zu begehen.763 Oft begegnet man diesem ArguSiegert, Grundzüge, S. 13 f.; E. Wolf, ZStW 54 [1935], S. 544; Meier, DStr 1943, S. 159), wie Telp, Ausmerzung, S. 250 zutreffend betont. 761 Roxin, Sinn und Grenzen, S. 9; ders., AT I4, § 3/32. 762 Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 268. Vgl. noch etwa Armstrong, Mind 70 (1961), S. 484; Ancel, Nova defesa social, S. 109, der die vergeltende und abschreckende Strafe als typisch für den Autoritarismus erklärt; S. Carvalho, Pena e garantias, S. 129; Cerezo Mir, Curso I6, S. 31; Fletcher, Rethinking Criminal Law, S. 415 f.; GarcíaPablos, Introducción4, S. 268; Alan Goldman, Philosophy & Public Affairs 9 (1979), S. 50 f.; ders., Law & Philosophy 1 (1982), S. 58 f., 63; ders., Deterrence Theory, S. 81; Jakobs, Staatliche Strafe, S. 23; Jareborg/v. Hirsch, „Neoklassizismus“, S. 48; Kargl, GA 1998, S. 68; K. Kennedy, DickLRev 88 (1983–1984), S. 8; Kindhäuser, GA 1989, S. 498; ders., Schuld und Strafe, S. 82 f.: „Vor allem für die abschreckende Generalprävention sind die Kriterien der Schwere der Tatschuld . . . funktionslos“, S. 92; Maurach, Schuld und Strafem S. 16; Mir Puig, Introducción2, S. 53 f.; M. Moore, Criminal Law Theories, S. 29; Muñoz Conde, Introducción2, S. 76; Roca Agapito, Sistema de sanciones, S. 87; Silva Sánchez, ADPCP 49 (1996), S. 115; Streng, ZStW 92 (1988), S. 671; Welzel, Strafrecht11, S. 242. 763 Montesquieu, De l’esprit des lois, Livre XI, 16: „Il est essentiel que les peines aient de l’harmonie entre elles, parce qu’il est essentiel que l’on evite plutôt un grand crime qu’un moindre“; Beccaria, Delitti, § VI (am Ende; dazu Schneider, Prinzip des Strafrechts, S. 71); Filangieri, Scienza, S. 194 (Libro III Capo XXX); Lardizábal, Discurso, Cap. II 11, 14; Globig/Huster, Abhandlung, S. 56; Bentham, Introduction, Chap. XIV 11; Chap. XV 5, der den obigen Satz Montesquieus in der ersten Fundstelle wörtlich zitiert; ders., Rationale of Punishment, S. 35 f.; Thibaut, Beyträge, S. 95; Oersted, Grundregeln, S. 150. Ähnliche Argumentation später bei Ihering, Zweck II, S. 361 f. So heute auch Álvarez García, Fines de la pena, S. 152; Koriath, Positive Generalprävention, S. 68 f.; Silva Sánchez, ADPCP 49 (1996), S 122 f.; dieser empirische Satz wird von der ökonomischen Analyse des Strafrechts bestätigt, grundlegend Stigler, Optimum Enforcement, S. 57; s. auch Urbina Gimeno, RDPC 2. Folge, Sondernummer 2 (2004), S. 61 f. Eine Bemerkung zu Thibaut, der hier und in den nächsten Fußnoten widerholt zitiert wird: Es ist unklar, ob er tatsächlich vom Boden der Abschreckungstheorie, oder der von ihm für erforderlich erklärten äußeren Schranken dieser Theorie aus argumentiert. Er wird deshalb nur dort zitiert, wo das Erste der Fall zu sein scheint. Die Wirkungslosigkeit harter Strafen wird auch von Mittermaier, Grundfehler, S. 54 ff. im Wesentlichen mit den hier zu erwähnenden Argumenten behauptet, nur

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ment in konkretisierter Form, bezogen auf das Verhältnis von Raub und Mord: Werde schon für den Raub die Todesstrafe angedroht, so habe der Räuber gar keinen Grund mehr, das Opfer – und zudem oft den einzigen Tatzeugen – nicht zu töten.764 Das zweite Argument ist das des Stumpfwerdens der Waffe, die man zu häufig und zu intensiv einsetzt: Die Bevölkerung mache sich mit dem übermäßigen Strafübel so vertraut, dass sie es nicht mehr fürchte.765 Das dritte Argument sprach nicht in erster Linie von den Auswirkungen von Missachtungen der Proportionalität auf das Verhalten der Bevölkerung, sondern auf das Verhalten der Strafverfolgungsorgane: Zu harte Gesetze seien ineffektiv, die Gerichte versuchten sie dauernd zu umgehen, der Verurteilte sterbe als Märtyrer, was zu einem Ansehensverlust und zu einer Demoralisierung des Gesetzes und der Strafverfolgungsorgane in der Bevölkerung führe.766 Wie steht es also um eine mögliche prästabilierte Harmonie von Abschreckung und Proportionalität? Das, was eine dezidierte Stellungnahme für eine der beiden Parteien von vornherein schwierig macht, ist, dass hier – wie sonst so oft – beide gewichtige und weitgehend zutreffende Argumente für sich anführen können. Deshalb muss man nach einem archimedischen Punkt suchen, der sich jenseits der bisher ausgesprochenen Argumente befindet und der als sichere Beurteilungsgrundlage dienen kann. Eine solche feste Stütze wäre von einer Besinnung auf den straftheoretischen Charakter der Proportionalität von Verbrechen und Strafen zu erwarten. verspricht er sich daraus eine Widerlegung und nicht eine Bestätigung der Abschreckungstheorie. 764 Montesquieu, De l’esprit des lois, Livre XI, 16 (dort auch weitere Beispiele); Filangieri, Scienza, S. 194 (Libro III Capo XXX); Lardizábal, Discurso, Cap. II 13; Thibaut, Beyträge, S. 96. 765 Montesquieu, Lettres persanes, 80; ders., De l’esprit, Livre XI, 12, 13; Beccaria, Delitti, §§ III (am Ende), XXVII; Filangieri, Scienza, S. 194 f. (Libro III Capo XXX); Hommel, Philosophische Gedanken, S. 31; Lardizábal, Discurso, Introducción 15, Cap. II 30 f., mit vielen Beispielen; Theod. v. Hippel, Beytrag, S. 84; Thibaut, Beyträge, S. 94 f.; heute Ewing, Mind 72 (1963), S. 123. Dieses Argument ist z. T. auch positiv-generalpräventiv gefärbt, siehe dazu unten D. II. 3. f), (S. 418 ff.). 766 Montesquieu, De l’esprit des lois, Livre XI, 13: „L’atrocité des lois en empêche donc l’exécution“; Beccaria, Delitti, § XXVII: „la impunità stessa nasce dell’atrocità die supplici“; Filangieri, Scienza, S. 194 (Libro III Capo XXX); Cella, Unzuchtsfälle, § 41 (S. 57); Lardizábal, Discurso, Cap. II 15; Theod. v. Hippel, Beytrag, S. 19; Oersted, Grundregeln, S. 150; Bauer, NArchCrimR 1827, S. 443 (der Feuerbach gegen den Einwand, seine Lehre führe zum Staatsterror, in Schutz nimmt, aber einige Seiten später [S. 451] den Einwand selber ausspricht); Hepp, Darstellung1, S. 94 (trotzdem gibt er S. 95 zu, die psychologische Zwangstheorie führe wenn nicht zu einer Drakonischen Gesetzgebung, so doch zu einer großen Härte); heute Álvarez García, Fines de la pena, S. 152; Correia, Direito Penal I, S. 58 f.; Costa e Silva, Código II, S. 16; Ewing, Mind 72 (1963), S. 123. Weitere konsequentialistische Argumente (Gegeninteressen, Sicherheit) bei Oersted, Grundregeln, S. 149, 150 im Rahmen seines „Beweises, daß die Abschreckungstheorie nicht zu einem Drakonischen Strafsystem führe“ (S. 147 ff.).

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Straftheoretisch betrachtet gehört die Abschreckung zu den Zwecken, d.h. zu den Zuständen, deren Förderung einen guten Grund zum Strafen bilden.767 Die Proportionalität ist aber richtigerweise kein Zweck, sondern eine deontologische Schranke, die den legitimen Einsatz zwecktauglicher Mittel moduliert. Sie ist nicht einzuhalten, weil sie vorteilhaft ist, sondern es verhält sich vielmehr so, dass sie auch dann einzuhalten ist, wenn ihre Missachtung das Vorteilhafteste wäre. Dass Proportionalität und Abschreckung tatsächlich voneinander theoretisch unabhängig sind, wird sogar im Gebrauch dieser Figuren in der Argumentation der die Harmonie bejahenden Partei deutlich. Die Tatsache, dass aus ihrer Lehre die Proportionalität folgen soll, wird nämlich als eine Bestätigung der Lehre verkauft, als ein Beleg für ihre Richtigkeit. Eine solche Bestätigung ist aber nur deshalb denkbar und verständlich, weil sie von einer externen Instanz herrührt, m. a. W., weil alle schon von Anfang an von der Richtigkeit der Proportionalität überzeugt sind – sonst würde sich die Lehre durch sich selbst bestätigen, was offenbar absurd wäre. Die Sache verhält sich hier also ähnlich wie bei der obigen Diskussion zum Gesetzlichkeitsprinzip: Auch dort wird wiederholt versucht, die Gesetzlichkeit auf Zweckmäßigkeitserwägungen zurückzuführen, wobei verkannt wird, dass Gesetzlichkeit eine eigenständige deontologische Bedeutung hat, die sich nicht auf konsequentialistische Gründe reduzieren lässt.768 Eine klärende Bemerkung erscheint noch von Nöten: Eine Straftheorie, die konsequentialistischen Erwägungen weitgehenden Raum zuerkennen will – etwa diejenige Feuerbachs oder auch ihre hiesige Neuformulierung – kann die Proportionalität nur als deontologische Schranke, also als Verbot verhältnismäßigkeitsübersteigender Strafen, auffassen. Ein Gebot, dass Strafe immer auch dem vollen Unwert der Tat entspreche, lässt sich mit einer solchen Theorie indes nicht begründen, will sie nicht auf konsequentialistische Erwägungen weitgehend verzichten und zu einer Vergeltungstheorie werden. Das bedeutet konkret, dass es einen deontologischen Grund gibt, den Raub milder zu bestrafen als den Mord, auch wenn in einer bestimmten Gesellschaft Raubtaten etwa viel häufiger vorkommen als Mordtaten. Das umgekehrte gilt aber nicht: Mordtaten dürfen nur dann schwerer bestraft werden als Raubtaten, wenn man zusätzlich zur Beachtung der deontologischen Proportionalitätsschranke auch konsequentialistische Gründe geltend machen kann. Diese Einsicht in die Struktur der Proportionalität als deontologische Schranke versetzt uns in die Lage, den Streit zum Verhältnis von Abschreckungstheorie und Proportionalität zu schlichten.769 Theoretisch haben diejenigen, die 767

Siehe zu dieser Definition oben C. II. (S. 138). Sie oben D. I. 4. c) (S. 264). 769 Mit dem weiteren Inhalt dieser Schranke werden wir uns nicht befassen; dazu aber sehr brauchbare Überlegungen z. B. bei Duff, Punishment, Communication, Com768

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einen Zusammenhang zwischen Abschreckung und Proportionalität bestreiten, Recht. Eine prästabilierte Harmonie von Abschreckung und Proportionalität besteht nicht.770 Die Gegenmeinung erscheint als ein weiterer reduktionistischer Versuch, Deontologie auf Konsequentialismus zurückzuführen. Es kann immer noch sein, dass die besonderen Umstände es empfehlenswert machen, von der Proportionalität gelegentlich abzusehen, um bestimmte Präventionswirkungen zu erreichen. Nicht zuletzt wird die theoretische Eigenständigkeit von Zwecken wie der Abschreckung und von Schranken wie der Proportionalität von Autoren bestätigt, die eine reine zweckmäßigkeitsbezogene Theorie entwarfen und folgerichtig auch die Proportionalität verwarfen. Von den klassischen Autoren sei hier Pufendorf erwähnt, der konsequent sagte, Strafen stünden in keiner natürlichen Proportion zu Verbrechen, sondern bloß im Verhältnis zum „Nutzen des Gemeinwesens“ (utilitaem reip.), so dass sie nach weitgehendem Ermessen des obersten Gewalthabers festgelegt werden sollten.771 Und von den neueren Autoren sei hier Posner genannt, der in seinen Überlegungen zur „optimalen Strafe“ ohne irgendeinen Hinweis auf die Proportionalität auskommt.772 Trotzdem wäre es voreilig, die Argumente der Gegenpartei zusammen mit der Ablehnung ihrer Ansicht mit zu verwerfen. Denn eines darf man nicht übersehen, und das ist, dass diese Argumente (wie oben schon angedeutet) nicht unzutreffend sind. Für den angestrebten Zweck, nämlich die Darlegung einer notwendigen Harmonie von Abschreckung und Proportionalität, reichen sie zwar nicht aus, das bedeutet aber nicht, dass sie nicht für die Darlegung einer regelmäßigen, wenn auch empirisch-kontingenten Harmonie tauglich sind. Im Regelfall wird es durchaus so sein, dass schon die Logik der Abschreckung die Beachtung der Proportionalität empfehlen wird. Die drei Argumente der liberalen Aufklärer bleiben in vollem Umfange gültig. Werden zwei ungleich schwere Taten gleich bestraft, dann macht der Staat bekannt, dass es unklug ist, sich für die leichtere Tat zu entscheiden. Das läuft der Abschreckung offensichtlich entgegen, denn ihr geht es darum, den Bürgern Gründe zu geben, weshalb es unklug ist, Straftaten überhaupt zu begehen.773 Das zweite Argument der Abmunity, S. 132 ff.; v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß, S. 25 ff., trotz gewichtiger Unterschiede zu der Position, die man auf hiesiger Grundlage vertreten kann. 770 So auch Alcácer Guirao, Doxa 25 (2002), S. 150; Cerezo Mir, Curso I6, S. 29 f.; v. Hirsch, Doing Justice, S. 69 und Fn.; auch der Abschreckungstheoretiker Hoerster, GA 1970, S. 278 bedient sich hier abschreckungsexterner Erwägungen (Gleichheitsgebot, Gerechtigkeit). 771 Pufendorf, De iure natura et gentium, Liber VIII, Caput III, § 24; ferner § 23, S. 824. 772 Posner, Economic Analysis4, S. 223 ff. Noch klarer Schmidtchen, Prävention und Menschenwürde, S. 255 Fn. 34: die Präventionswirkung sei ein Produkt der erwarteten Sanktionshärte und -wahrscheinlichkeit. Da die Erhöhung der letzteren zu teuer sei, empfehle es sich, die Strafe möglichst hoch anzusetzen! 773 Das Argument hängt also genauer gesagt nicht von der zweifelhaften empirischen Prämisse ab, dass sich die Bürger tatsächlich immer für die „billigere“ Straftat

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stumpfung und Verrohung, die durch übermäßige Strafen entstehen, wird auch jedem aus dem alltäglichen Umgang mit autoritären Menschen in Befehlspositionen bestätigt. Auch dem dritten Argument, wonach übermäßig harte Gesetze letztlich nicht angewandt werden und deshalb in Misskredit geraten, ist prinzipiell zuzustimmen. Belege dafür liefern etwa das richterliche Milderungsrecht aus Feuerbachs Zeiten774 und, aktueller, die contra-legem „rechtsfortbildende“ sog. Rechtsfolgenlösung des BGH zum Heimtückemord.775 Zudem könnte man noch einen vierten Punkt geltend machen, der von den erwähnten klassischen Autoren, mit Ausnahme Benthams, nicht so deutlich gesehen wurde und der mit den Kosten der Abschreckung zusammenhängt.776 Abschreckung ist die Bekanntmachung von Gründen für die Klugheit der Einhaltung von Strafgesetzen. Diese Gründe bekannt zu machen, verursacht aber hohe Kosten, denn es setzt ein ganzes funktionierendes Strafverfolgungs- und -zufügungssystem voraus, das den Ernst der Androhung bestätigt.777 Sind aber die Ressourcen des Systems knapp, muss es sich entscheiden, wie es sie am effizientesten verteilt. Am effizientesten erscheint die Verteilung, welche die Begehung dessen, was man am meisten verhindern will, am ehesten für unklug erklärt. Das bedeutet, es wäre aus der Perspektive des eine Strafe androhenden Staates ineffizient, mehr Ressourcen zur Verhinderung von Diebstählen, als zur Verhinderung von Körperverletzungen einzusetzen (m. a.W. für Diebstahl eine höhere Strafe anzudrohen, als für Körperverletzung, bzw. den versuchten Diebentscheiden würden; als ob alle Diebe nur wegen des Strafunterschieds zwischen Diebstahl und Mord auf letzteren verzichteten! Es geht allein darum, dass der Staat demjenigen, der nur den Diebstahl zu begehen vorhat, nicht einen klugheitsbezogenen Grund geben soll, sich stattdessen für einen Mord zu entscheiden. 774 Vgl. oben B. I. 2. a), (S. 54 f.). 775 BGHSt 30, 105 (119 ff.); zu Recht kritisch Joachim Meier, „Lebenslänglich“, S. 56 ff. Die einzige richtige Lösung eines derartigen Falles, wo der Gesetzgeber gegen die deontologische Schranke der Proportionalität verstößt, ohne dass man die Gesetzlichkeit missachtet und dem Richter ein Milderungsrecht contra legem zuerkennt, ist die, die kaum jemand will: der partielle Freispruch. Im Fall des Mordes würde es nicht einmal weh tun, da die Totschlagsvorschrift automatisch anwendbar wäre. 776 Dass Strafen Kosten verursachen, wurde vor allem vom Utilitarismus (Bentham, Rationale of Punishment, S. 27 ff.; ders., Traité de Legislation II, S. 388: „N’oublions pas qu’une peine infligée est une dépense certaine pour achter un avantage incertain“) und in neuerer Zeit von der ökonomischen Analyse des Strafrechts (z. B. Stigler, Optimum Enforcement, S. 56: „Enforcement is costly“; Posner, ColumLRev 85 [1985], S. 1214; ders., Economic Analysis4, S. 225; Schmidtchen, Prävention und Menschenwürde, S. 255 f.) hervorgehoben. Bentham spricht genau das aus, was wir gerade vertreten werden: „The greater the mischief of the offence, the greater is the expense it may be worth while to be at, in the way of punishment“ (Rationale of Punishment, S. 35). Auch Prittwitz, Ultima ratio, S. 401 f., der aber sonstige Gesichtspunkte der Strafrechtsbegrenzung gewaltig unterschätzt. 777 Damit nimmt man freilich schon den nächsten Punkt vorweg, nämlich den Zweck der Strafzufügung, was unvermeidlich ist, da beide aufeinander angewiesen sind.

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stahl, nicht aber die versuchte Körperverletzung zu bestrafen778), wenn eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gravierender ist als eine Beeinträchtigung des Eigentums. Wohlgemerkt ist auch dieses Argument nur ein empirisches und konsequentialistisches, das die Brücke zur Deontologie der Proportionalität nicht schlagen kann und auch nicht zu schlagen beansprucht. (2) Nach der Prüfung des prinzipiellen Einwands, wonach kein notwendiger Zusammenhang zwischen Abschreckung und Proportionalität bestehe, mit dem Ergebnis, dass dem tatsächlich so ist, obwohl im Regelfall die Abschreckungslogik doch mit den Proportionalitätsanforderungen übereinstimmen werde, muss man sich mit Konkretisierungen dieses Einwandes beschäftigen, die den hiesigen Gedanken gelegentlich durchaus eigenständige Herausforderungen bescheren. (a) Beginnen wir mit dem einfacheren Problem, nämlich mit dem Hinweis auf zu häufig begangene leichte Taten, wie etwa den Ladendiebstahl. Nach der Abschreckungslogik müssten sie, so der Einwand, härter bestraft werden, als selten begangene schwere Straftaten, wie etwa der Mord. Sollte nicht der Ladendiebstahl (zumindest) mit der Strafe des Mordes belegt werden?779 Dem ist zu erwidern, dass dies schon aus konsequentialistischen Gründen nicht zu empfehlen wäre. Dies folgt schon aus alledem, was oben gesagt wurde: Vor einer derartigen Androhung wäre es dann in einem bestimmten Sinne klug, sich für den Mord, statt für den Diebstahl zu entscheiden; ferner würde eine derartige Strafe selten angewandt werden, da kein gewissenhafter Richter einen Menschen lebenslänglich wegen einer Bagatelltat einsperren lassen würde; und drittens wäre das eine ineffiziente Verteilung von Ressourcen, so dass letztlich Mordtaten unbestraft bleiben würden, weil die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte nur mit Ladendiebstählen beschäftigt und die Gefängnisse mit Ladendieben überfüllt wären. Aber selbst dann, wenn der Staat gute konsequentialistische Gründe hätte, eine derartige Strafangleichung vorzunehmen, wäre dies aus deontologischen Gründen nicht möglich. Man stelle sich vor, in einem bestimmten armen Land habe Wal-Mart gerade eine riesige Filiale eröffnet. Die Leiter sind aber sehr

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Wie es nach deutschem Recht vor dem 6. StRG war. Früher v. Bar, Probleme des Strafrechts, S. 6; heute v. Hirsch, Doing Justice, S. 65 Fn.; Kindhäuser, GA 1989, S. 498; Larrauri, ADPCP 50 (1997), S. 153; Maurach, Schuld und Strafe, S. 16; Mir Puig, Introducción2, S. 54; ders., PG7 § 3/22 ff.; Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 36; Scheerer, EuS 12 (2001), S. 73; Streng, ZStW 92 (1988), S. 672; Wertheimer, Social Theory and Practice 3 (1974), S. 418; mit empirischem Beleg Schumann/Berlitz/Guth/Kaulitzki, Jugendkriminalität, S. 167 ff.; Berlitz/Guth/Kaulitzki/Schumann, KrimJ 1987, S. 28; so auch Schumann, KrimJ-Beiheft 6 (1996), S. 294; in dieselbe Richtung Christiansen, General Prevention, S. 72. Ähnlich Thibaut, Beyträge, S. 77, 83; García-Pablos, Introducción4, S. 266; Kühl, Bedeutung der Rechtsphilosophie, S. 29; Roxin, Sinn und Grenzen, S. 9 f.; Silva Sánchez/Felip i Saborit/Robes Planas/Pastor Muñoz, Ideología de seguridad, S. 121. 779

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verärgert, weil dort so viele Ladendiebstähle vorkommen, so dass erwogen wird, das Geschäft zu schließen, was verheerende Folgen für das arme Land haben würde. Die Regierung versucht, sie davon abzuhalten, die Leiter erklären, man sei bereit zu bleiben, wenn eine Gesetzesreform erlassen werde, die zeitweilig Ladendiebstähle mit der Strafandrohung des Mordtatbestandes belege. Selbst in einem solchen (sehr unwahrscheinlichen) Szenario wäre im Rahmen einer deontologisch eingeschränkten konsequentialistischen Theorie nicht zu befürchten, dass die Proportionalität missachtet wird. (b) Um einiges schwieriger ist aber der umgekehrte Fall zu beurteilen, nämlich der Fall allzu selten begangener gravierender Straftaten.780 Schwieriger ist dieser Fall aus zwei Gründen. Zunächst hat man hier, anders als bei obigem Problem, die deontologische Sicherung gegen den Fehlgang des Konsequentialismus leider nicht: Die Proportionalität, als Schranke, kann nur Bestrafungsverbote, aber keinerlei Bestrafungsgebote begründen. Würde man aus der Deontologie Bestrafungsgebote ableiten, dann müsste man den kategorischen und ausnahmslosen Charakter deontologischer Regeln aufgeben,781 und man würde obendrein unbemerkt ins Lager der Vergeltungstheorie übertreten. Der zweite Grund für die Schwierigkeit des jetzigen Problems ist seine größere praktische Brisanz, insbesondere in Europa. Um ein extremes Beispiel zu nehmen: Die schweizerische Kriminalstatistik registrierte im Jahr 2005 nur 204 vorsätzliche Tötungsdelikte.782 Wieso kann dann die Strafandrohung für Totschlag schwerer sein, als die für den viel öfter begangenen Diebstahl, für den es in demselben Zeitraum 204.996 Einträge gab? Wie hervorgehoben, bleibt das Argument, wonach der Totschlag schwerer sei und mehr Strafe verdiene, nur dem Vergeltungstheoretiker vorbehalten.783 Werden deontologische Überlegungen nur als Schranken anerkannt, muss man konsequentialistische Gründe geltend machen, welche die höhere Strafandrohung beim Totschlag im Vergleich zum Diebstahl tragen. Tatsächlich lassen sich die drei bei der Lösung des letzten Problems angeführten Erwägungen hier entsprechend wiederholen, so dass die schwerere Strafandrohung beim Totschlag im Regelfall aus konsequentialistischen Gründen gerechtfertigt ist. In außergewöhnlichen Fällen – stellen wir uns eine utopische Gesellschaft vor, in der

780 Für Nachw. siehe die in der vorrigen Fn. erwähnten Autoren, die in aller Regel beide Einwände nicht voneinander unterscheiden. 781 Siehe oben C. II. (S. 131 ff., S. 135). 782 http://www.fedpol.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet /statistik/kriminalitaet. Par.0006.File.tmp/PKS% 202005.pdf (abgerufen am 09.05.2007). 783 Würde man neben der Abschreckungsgeneralprävention einen zusätzlichen Zweck als Begründung der Strafandrohung heranziehen, wie etwa die positive Generalprävention, dann würde der Hinweis auf ihre Anforderungen genügen. Die positive Generalprävention wird aber im guten Feuerbach’schen Geist abgelehnt: siehe oben D. II. 3. f), (S. 398 ff.) und unten D. II. 4. e) (S. 455 ff.).

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nicht nur seit mehreren Generationen keine Totschläge mehr begangen werden, sondern in der eine derartige Tat nicht einmal erwogen wird – die hier noch seltener sein dürften als beim vorherigen Problem, hätte man aber tatsächlich keinen Grund mehr, die Strafe des Totschlages gegenüber der des Diebstahls zu erhöhen.784 (c) Feuerbach ging von einem notwendigen Zusammenhang zwischen Abschreckungsgeneralprävention und klarer gesetzlicher Strafandrohung aus. Wir haben gesehen, dass dieser Zusammenhang zwar nicht notwendig, aber doch im Regelfall gegeben ist. Viel weiter geht jetzt eine dritte Herausforderung: Sie behauptet, eine Abschreckungstheorie führe dazu, dass klare Strafandrohungen unmöglich würden. Ist jemand – um ein Beispiel von Jakobs zu gebrauchen785 – bereit, für einige hundert Euro zu morden, dann reiche hier eine Geldstrafe von tausend Euro als Androhung aus. Jakobs zieht daraus die Folge: „Im Ergebnis müssten also alle Deliktsgruppen des BT, die an dem angegriffenen Gut ausgerichtet sind, preisgegeben und neue Gruppen nach dem potentiellen Nutzenquantum gebildet werden“.786 Obwohl Jakobs dieses Argument nicht von den beiden gerade betrachteten klar unterscheidet, deutet er etwas Neuartiges an, nämlich eine vermeintliche Selbstverstümmelung der Theorie, da eine generelle Abstufung von Straffolgen je nachdem, wie die Motivationslage des individuellen Täters beschaffen ist, einfach unmöglich erscheint. Das Argument verkennt aber zwei wichtige, wenn auch selten beachtete Gesichtspunkte. Erstens will Abschreckung auf der Makroebene wirken: Ihre mess784 Es wäre nur zu überlegen, ob die Proportionalitätsschranke nicht verbieten würde, dass dann der Diebstahl gleich dem Totschlag bestraft wird, obgleich dies eine leichte Strafe wäre. Die besseren Gründen dürften eher dagegen sprechen, sonst könnte man über einige Argumentationsschritte die Schrankenfunktion der Proportionalität überlisten und daraus Strafgebote ableiten. Diese Schritte wären dann: 1., die Strafe des Diebstahls dürfe sich nicht der des Totschlags angleichen, sondern müsse immer in dem Grade leichter sein, in dem sich der Diebstahl vom Totschlag unterscheidet; 2., aus präventiven Gründen benötige der Totschlag nicht mehr als (beispielsweise) einjährige Freiheitsstrafe; 3., daraus ergebe sich, dass der Diebstahl höchstens mit einigen Wochen Freiheitsstrafe belegt sein könnte; 4., dies könnte aber für den Diebstahl präventiv unzureichend sein, so dass man 5., um die Präventionswirkung beim Diebstahl zu retten und dabei die Erfordernisse einer so streng verstandenen Proportionalität zu beachten, die Strafandrohung des Totschlags entsprechend anheben müsste. Letztlich wäre also die Androhung der Strafe des Totschlages getragen von Gründen, die mit der Verhütung des Diebstahls zu tun haben. Um diese intuitiv widersinnige Folgerung zu vermeiden, gilt die Proportionalität nur in Bezug auf das Verdienst und die Schuld, nicht aber zu einer Strafandrohung, die gleichzeitig aufgrund von Präventionserwägungen festgelegt wird. 785 Jakobs, AT2, § 1/30; aufgenommen von Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 28; ders., Kritik, S. 218. 786 Jakobs, AT2, § 1/30; ähnlich ders., Zur gegenwärtigen Straftheorie, S. 31; siehe bereits Thibaut, Beyträge, S. 77, mit zwei Beispielen; Welzel, Strafrecht11, S. 242; und heute Kindhäuser, GA 1989, S. 498; Maultzsch, ARSP-Beiheft 87 (2003), S. 95; Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 28; ders., Kritik, S. 218.

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bare Wirkung soll sein, dass insgesamt weniger Rechtsgutsbeeinträchtigungen erfolgen, als es ohne die Strafandrohung der Fall wäre. Ob auch in jedem Einzelfall die Rechtsgutsbeeinträchtigung entfällt, ist demgegenüber irrelevant. Auf der Makroebene wäre es aber widersinnig, eine Androhung aufzustellen, die auf individuell durchaus unterschiedliche Nutzenerwartungen abgestimmt wäre. Es ist vielmehr so, dass wirksame Generalabschreckung vom Absehen von individuellen Eigentümlichkeiten lebt.787 Der Einwand ließe sich aber selbst ohne diese präzisierende Unterscheidung zwischen Makro- und Mikroebene dadurch entkräften, dass eine Strafandrohung, die man durch nachträgliche unwiderlegliche Behauptungen bestimmter Nutzenerwartungen manipulieren könnte, schwerlich die erwartete Abschreckung und den davon erhofften Rechtsgüterschutz erreichen würde. Man stelle sich vor, wie wenig man die Androhung einer schweren Strafe zu befürchten hätte, wenn man gleichzeitig davon wüsste, dass etwa die glaubhafte Beteuerung ausreichte, man habe die Tat im Hinblick auf einen zweijährigen Vorrat an Gummibärchen begangen, um als Strafe höchstens einen achtjährigen Entzug von Gummibärchen und ähnlicher Süßigkeiten erleiden zu müssen. Kurz gesagt verkennt also der Einwand sowohl das, was Generalprävention zur Generalprävention macht, als auch die Tatsache, dass effektive Verbote nicht zu einer Umgehung ihrer Androhung einladen sollten. (d) Die nächste Herausforderung ist schon sehr früh von Ernst-Ferdinand Klein gestellt worden, der sie bereits als Anlass nahm, die „praktische Unmöglichkeit“ der Theorie Feuerbachs zu behaupten.788 Nach Feuerbach müsse der Schuldfähige, weil abschreckbar, bestraft, der Schuldunfähige, weil nicht abschreckbar, straflos gelassen werden. Der auf der Zwischenstufe Stehende, nämlich der vermindert Schuldfähige, bekomme aber keine geringere, sondern im Gegenteil eine höhere Strafe. Eine derartige Folgerung würde aber kein Richter ziehen, so dass sich die Theorie Feuerbachs nicht für die Praxis eigne. Eine Metapher erscheint hier hilfreich: Mit dem Tauben redet man tatsächlich nicht mehr, mit dem Schwerhörigen aber redet man um so lauter. Der vermindert Schuldfähige gleiche dem Schwerhörigen, mit dem man lauter sprechen muss, damit das Gesagte überhaupt beachtet wird. Dementsprechend bräuchte man eine höhere Strafe für solche Fälle. Tatsächlich zog Feuerbach diese Folgerung aus seiner Theorie: Für ihn steigert sich, wie gesehen, die Zurechnung mit dem Grad der Unfreiheit, und das bis zu dem Punkt, in dem man die volle Unfreiheit erreicht und die Strafandrohung ihren Sinn verliert.789 Die von uns sog. verminderte Schuldfähigkeit sei 787

So bereits Thibaut, Beyträge, S. 84. Klein, ArchCrimR Bd. III St. III (1800), S. 137 ff. Heute mit diesem Argument Ranft, Individualschutz, S. 206 f. 789 Siehe oben B. I. 2. d), (S. 65 ff.). 788

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gerade ein solcher Fall verminderter Freiheit, der – etwa bei Leidenschaft – den Täter gefährlicher und deshalb besonders abschreckungsbedürftig mache.790 Dass dieses Ergebnis unbefriedigend ist, dürfte offensichtlich sein. Grund für diese richtige Intuition ist aber insbesondere dasjenige, was Feuerbach nicht so deutlich kennt: das Schuldprinzip. Auch das Schuldprinzip ist eine deontologische Schranke, die sich nicht auf Prävention zurückführen lässt.791 Das bedeutet auch, dass man nicht auf eine prästabilierte Harmonie zwischen Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit zu hoffen braucht, damit keine Ungerechtigkeit vorkommt, sondern dass sich Gerechtigkeit auch und insbesondere dann, wenn sie mit der Zweckmäßigkeit nicht harmoniert, durchsetzen soll. Man könnte also sagen: eine Straftheorie, die neben Zwecken deontologische Schranken kennt, braucht den hiesigen Einwand nicht zu fürchten, denn die geringere Schuld des vermindert Schuldfähigen muss selbstverständlich in einer Strafmilderung ihren Niederschlag finden, auch wenn dies präventiv wenig sinnvoll erscheint. Unabhängig davon könnte es aber sein, dass Feuerbach und seine Kritiker hier einen begrifflichen Fehler begangen haben, dessen Klärung eine höhere Bestrafung von vermindert Schuldfähigen als nicht einmal präventiv geboten erweisen würde. Wenn man sich mit unserer Metapher des Schwerhörigen näher befasst, dann sieht man, wo der Vergleich hinkt. Das Androhen einer schwereren Strafe bedeutet abschreckungstheoretisch das Angeben zusätzlicher Klugheitsgründe für rechtmäßiges Verhalten. Früher war es klug, die Tat zu vermeiden, weil man dadurch der zweijährigen Freiheitsstrafe entgehen konnte, während bei einer angedrohten vierjährigen Strafe ein zusätzlicher Grund existiert, die Tat nicht zu begehen. Auf das Gespräch mit dem Schwerhörigen bezogen, würde die Androhung einer schwereren Strafe nicht dem Lautersprechen, sondern eher der Darstellung zusätzlicher Gesprächsinhalte entsprechen – aber eben in der gleichen Lautstärke. Lauter sprechen würde der eine Strafe androhende Staat etwa dann, wenn er sich die Mühe geben würde, seine Verbote vermindert Schuldfähigen besonders bekannt zu machen – etwa durch Stellung einer Polizeiwache in der Nähe von Schulen usw. Das Androhen schwererer Strafen erscheint demgegenüber gerade so verfehlt, wie das Weitersprechen mit jemanden, der nicht einmal das schon Gesagte richtig zur Kenntnis nehmen kann. (e) Selbst wenn man einräumt, dass Abschreckung auf der Makroebene wirkt, selbst dann verbleiben einige Zweifel. Was ist, wenn schon auf der Makroebene die Strafandrohung bei bestimmten Personengruppen völlig nutzlos erscheint – etwa bei Selbstmordattentätern? Kann man hier überhaupt abschreckungsbezogene Gründe für eine Strafandrohung bei abschreckungsunzugänglichen Men-

790 791

Feuerbach, Lehrbuch14, § 121 Fn. 1. Dazu unten D. II. 6. (S. 503 ff.).

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schen ausfindig machen?792 Und wenn nein, ist das nicht ein schwerwiegender Widerspruch, da man gerade dort von Strafandrohungen absehen muss, wo sie am meisten verdient erscheinen? Der Einwand lebt von einer weder ausgesprochenen, noch zutreffenden Prämisse, nämlich der, dass der abschreckende Präventionszweck eines Verbots immer die Beeinflussung des Verhaltens desjenigen sein muss, dessen Freiheit gerade eingeschränkt wird. Diese Prämisse fußt aber auf einer nicht hinreichend klaren Besinnung auf die Tatsache, dass Generalprävention auf der Makroebene wirken soll und sich überhaupt nicht auf einzelne Täter, nicht einmal auf einzelne Personengruppen zu konzentrieren hat, sondern vielmehr die Folgen von Strafandrohungen für den gesamtgesellschaftlichen Rechtsgüterschutz berücksichtigen soll. Dass Strafandrohungen gerade den, dem die Strafe angedroht wird, beeinflussen sollen, ist zwar fast immer – aber eben nur fast immer – der Fall. Denn wenn es anders wäre, dann könnte nicht nur der abschreckungsunzugängliche Terrorist keine Straftaten begehen, sondern auch der nicht abschreckungsunzugängliche Heilige, der nur an die anderen, nie aber an sich selbst denkt. Das Zu-Ende-Denken der Prämisse führt sogar dazu, dass nicht einmal demjenigen, der der Abschreckung gar nicht bedarf – wozu man die vielen Menschen zählen könnte, von denen die Begehung einer Straftat nicht einmal in Erwägung gezogen wird – ein Verhalten unter Strafe verboten werden könnte. Man beachte also die Eigentümlichkeit des mit dem Verbot in derartigen Fällen verfolgten Zwecks: Es wird einem die Freiheit eingeschränkt, nicht damit man selbst, sondern damit ein anderer, oder besser, damit „man“ allgemein die Tat nicht begehe. Dass der konsequentialistische Grund, der ein Verbot trägt, eine Verhaltensänderung gerade des Verbotsadressaten sei muss, fußt auf einem verkürzten Verständnis von Generalprävention, das nicht hinreichend berücksichtigt, wie weitgehend general sie sein kann. Die nicht zu unterschlagenden moralisch-deontologischen Bedenken, die eine derartige Bestimmung des mit der Androhung verfolgten Zwecks veranlasst, werden unten näher behandelt.793 Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Tatsache, dass man die schlechten Folgen seiner Tat für die eigene Zukunft weder sehen noch deshalb vermeiden kann, gibt einem noch nicht das Recht, die Tat zu begehen, und um so weniger Betroffenen die Pflicht, die Tat zu dulden. Konkret: Ein Recht zum Mord hat 792 Angezweifelt von Correia, Peine de mort, S. 27; Gracia Martin, Fundamentos, S. 225, der den „klarsten Nachweis für das Versagen der Abschreckung“ feststellt; Krauß, Feindstrafrecht, S. 96: „neuer Tätertyp, der sich jedem Zweck der Strafe entzieht“; Mir Puig, Introducción2, S. 54; Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 36; Roxin, Sinn und Grenzen, S. 10; Silva Sánchez/Felip i Saborit/Robes Planas/Pastor Muñoz, Ideología de seguridad, S. 121. Auch einige Vertreter der negativen Generalprävention stellen hier eine Grenze fest, etwa Álvarez García, Fines de la pena, S. 135. Roca Agapito, Sistema de sanciones, S. 88, der meint, bei Fanatikern könnten Strafandrohungen sogar zu Verbrechen führen. 793 Nämlich in D. II. 5. (S. 478 ff.) und D. II. 6. (S. 484 ff., vor allem S. 503 ff.).

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auch der Minderjährige nicht. Ob ihm der Staat aber den Mord verbietet, ist eine Zweckmäßigkeitsfrage, und zweckmäßig kann auch die Verhinderung von Taten anderer sein. Das führt uns zur gebotenen Differenzierung, was abschreckungsunzugängliche Personengruppen angeht. Erstens gibt es Personengruppen, die man schon aus deontologischen Gründen, also aufgrund des Schuldprinzips nicht bestrafen darf, wozu vor allem Kleinkinder und Geisteskranke gehören. Es stimmt durchaus, dass diese Personengruppen in der Regel nicht abschreckbar sind, aber das ist nur ein zusätzliches konsequentialistisches Argument für ein Absehen von Strafe. Wohlgemerkt tragen aber diese beiden Argumente nur das Absehen von der Strafzufügung, nicht aber einen Verzicht auf die Strafandrohung, insbesondere nicht einen Verzicht auf das Verbot. Denn gegen eine deontologische Schranke verstößt das Verbot nicht, da die Freiheit dieser Personengruppen nicht ungebührend eingeschränkt wird; und konsequentialistisch gewährleistet ein auch gegen Schuldunfähige gerichtetes Verbot, dass man ihm nicht durch die Vorspiegelung der eigenen Schuldunfähigkeit entkommt. Von beiden erwähnten Konstellationen, also der von Kleinkindern und Geisteskranken abgesehen, dürften viele der sonstigen Fälle nicht abschreckungsfähiger Menschengruppen in der Regel so gelagert sein, dass man gegen keine deontologische Schranke verstoßen würde, falls man ihnen eine Strafe androhen und später auch zufügen wollte. In all diesen Fällen entscheiden letztlich konsequentialistische Gründe, ob man bestraft oder nicht, da dies deontologisch zulässig ist. Prominentes Beispiele für eine Entscheidung, nicht zu bestrafen, scheint der Notwehrexzess zu sein, der sich kaum deontologisch erklären lässt.794 Aus der Perspektive der Abschreckungstheorie sind die konsequentialistischen Gründe für diese Rechtsfolge insbesondere, dass sie nicht als allgemeine Strafausweichungsmöglichkeit für andere Personen angesehen wird. Hat man erkannt, worin die tragenden Gründe für die „Entschuldigung“ durch Notwehrexzess liegen, nämlich im fehlenden Bedürfnis, auch Dritte abzuschrecken, dann braucht man eine Straffreistellung beim nicht-abschreckungsfähigen Terroristen nicht zu befürchten. Ihm wird eine Strafe angedroht, die im Einzelfall ineffektiv ist, damit kein Dritter mit der Ausrede, er sei ein Terrorist, den der Straftatbegehung entgegenstehenden Klugheitsgründen ausweichen kann. (f) Der letzte normative Einwand, der hier besprochen werden soll, ist schon fast dogmatischer Natur. Immerhin wird er behandelt als Vorbild für die Antwort, die man gegen ähnlich gelagerte quasi-dogmatische Einwände richten sollte.795 794

Dazu näher unten D. II. 6. (S. 508 f.). Wie etwa dem Einwand Thibauts, Beyträge, S. 74, wonach der Wertunterschied von Vorsatz und Fahrlässigkeit nach der psychologischen Zwangstheorie nicht zu erklären sei; tendenziell auch Abegg, NArchCrim 1841, S. 487 ff. 795

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Man könnte nämlich die Leistungsfähigkeit der Abschreckungstheorie anzweifeln, den Unterschied zwischen den für die Vollendung und den für den Versuch einer Tat angedrohten Strafen zu erklären. Warum bestraft man die Vollendung strenger, wenn es auf der Ebene der Strafandrohung nur um Verhaltenssteuerung geht? Kommt nicht eine allein auf Abschreckung abstellende Lehre vom Strafandrohungszweck zur Verbannung des Erfolges aus dem Unrecht? Zwei mögliche Antworten bieten sich an. Eine erste würde in Frage stellen, ob der obige Einwand überhaupt als ein solcher zu verstehen ist – oder ob er nicht vielmehr eine Bestätigung dafür liefert, dass das Unrecht tatsächlich nur aus Handlungsunrecht besteht und der Erfolg als Zufallskomponente höchstens die Rolle einer Strafbarkeitsbedingung spielen kann.796 Aber der zweite, hier bevorzugte Lösungsweg bestünde darin, den Einwand als solchen ernst zu nehmen und ihn mit Gegengründen zu entkräften, die belegen sollen, wie aus der Perspektive der Abschreckungstheorie die (nach deutschem Recht selbst nur fakultative) Strafbarkeitserhöhung beim Versuch zu rechtfertigen ist. Und dies vermag eine Theorie, die Klugheitsgründe zum rechtmäßigen Verhalten anbieten will, aus zwei Erwägungen optimal. Eine angedrohte Strafe ist ein klugheitsbezogener Grund, sich so zu verhalten, wie es der Drohende verlangt. Die Drohung muss – in Vorwegnahme späterer Überlegungen797 – auch verwirklicht werden, will sie sich weiterhin Gehör verschaffen. Weder die Androhung, noch erst recht die Verwirklichung des Angedrohten sind Vorgänge, die sich in einem geistigen Limbo ereignen. Sie gehören vielmehr dem gesellschaftlichen Alltag an, so dass sie besonders kostenträchtig und ressourcenverbrauchend sind. Ein nach Zweckmäßigkeitserwägungen vorgehender Gesetzgeber wird also darauf achten, dass er seine knappen Ressourcen so verteilt, dass zunächst mal das Prioritäre gedeckt wird. Und in einem Strafrecht, das den Rechtsgüterschutz zum Zwecke erster Ordnung erklärt, ist die Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen bzw. Vollendungstaten, und nicht schon die Vermeidung bloßer Gefährdungen bzw. Versuchstaten prioritär. Dieses Argument ist theoretisch, wenn auch nicht praktisch, von begrenzter Tragweite. Denn man könnte sich eine Gesellschaft vorstellen, in der Straftaten so selten vorkommen, dass die Ressourcen für eine Bestrafung aller Versuchstaten ausreichen würden, ohne dass die Bestrafung der Vollendungstaten darun796 So Armin Kaufmann, Personales Unrecht, S. 403 ff.; Zielinski, Unrechtsbegriff, insb. S. 143; Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 78 ff.; Suárez Montes, Finale Handlungslehre, S. 379 ff.; Sancinetti, Disvalor de acción, S. 43 ff. die sich alle einer verhaltensnormtheoretischen Argumentation bedienen, die spürbare Nähen zur Abschreckungsgeneralprävention aufweist, aber auch einen klaren, sehr häufig übersehenen Unterschied – nämlich die Konzeption einer Verhaltensnorm, die ohne Bezug auf die Sanktionsandrohung besteht. 797 Siehe unten D. II. 4. (S. 420 ff.).

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ter leiden müsste. Aus den Prämissen der Abschreckungstheorie lässt sich aber ein zweites Argument entwicklen, das die strafbarkeitserhöhende bzw. -begründende Relevanz des Erfolgseintritts erklären kann. Das Argument besinnt sich auf die Funktion von Strafandrohungen, Klugheitsgründe dafür anzubieten, etwas Bestimmtes nicht zu tut. Drohte man Versuch und Vollendung die gleiche Strafe an, dann gäbe man dem Bürger keine zusätzlichen Gründe, die Tat, die er schon versucht hat, nicht auch noch zu vollenden. Dies erschiene unzweckmäßig sowohl in Bezug auf den, der die Tat vollendet, als auch auf den, der sie nur versucht. Denn in Bezug auf den ersten wird die Vollendung zum freien Bonus, zur Belohnung für jemanden, der die Tat nicht nur einfach versucht, sondern dies auch erfolgreich tut. In Bezug auf den, der beim Versuch bleibt, wird die Versuchsbestrafung nicht nur zu einer Bestrafung der Unklugheit, eine Straftat begangen zu haben – denn eine solche ist letztendlich jede Bestrafung798 – sondern auch noch zu einer Bestrafung der zusätzlichen Unklugheit, die Tat nicht vollendet zu haben. Ob der Unterschied von Vollendung und Versuch zusätzlich auch einen jenseits der Abschreckungstheorie stehenden deontologischen Grund liefert, beide Verwirklichungsstufen ungleich zu bestrafen, erscheint fraglich, es ist dies aber nicht von vornherein auszuschließen. Die hier angestrengten Überlegungen dürfen aber nicht als endgültige Stellungnahme für die Berücksichtigung des Erfolgsunwertes im Rahmen des Unrechts missverstanden werden. Eine solche wäre erst dann zu bejahen, wenn dem keine deontologischen Erwägungen entgegen stünden. Ob das der Fall ist, müsste aber Gegenstand einer gesonderten Untersuchung sein. Hier geht es allein um die Darlegung der abschreckungsgeneralpräventiven Begründetheit einer derartigen Differenzierung. dd) Als Gesamtfazit zu den normativen Einwänden gegen die Abschreckungstheorie als Lehre vom Zweck der Strafandrohung lässt sich also dreierlei festhalten: Erstens besteht in der Tat keine prästabilierte Harmonie von Abschreckung und Proportionalität, genauso wenig wie sonst eine prästabilierte Harmonie von Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit schon im Allgemeinen besteht. Zweitens ist aber empirisch, insbesondere in stabilen Gesellschaften, von einer weitergehenden Übereinstimmung von Abschreckung und Proportionalität auszugehen. Und selbst die Fälle, in denen sich eine derartige empirische Übereinstimmung nicht ergibt, sind kein Grund, die Abschreckungstheorie aufzugeben, sondern vielmehr nur, sie um externe, nicht mehr auf Zweckmäßigkeitserwägungen basierende deontologische Schranken zu ergänzen. Eine derartige deontologisch begrenzte Abschreckungstheorie kann in der Tat alle Probleme, die sich aus möglichen Reibungen von Prävention und Gerechtigkeit ergeben, befriedigend lösen. 798

Vgl. unten D. II. 6. (S. 490).

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f) Positive Generalprävention als Strafandrohungszweck? aa) Eine Erörterung des Zwecks der Strafandrohung wäre unvollständig, wenn sie sich nicht mit der heute herrschenden Lehre von der positiven Generalprävention auseinandersetzen würde.799 Im Folgenden wird zunächst versucht, den Gehalt dieser Lehre begrifflich genau festzulegen (unten bb), um anschließend die strafrechtsphilosophisch zentrale Frage zu stellen, ob eine derartige Lehre die Aufstellung von Verboten und Strafandrohungen zu rechtfertigen vermag (unten cc). Zu betonen ist aber, dass es hier nicht um die Entscheidung zwischen negativer und positiver Generalprävention geht; denn dass die Abschreckung ein legitimer Strafandrohungszweck ist, wurde schon oben dargelegt. Die Frage ist jetzt nur, ob die positive Generalprävention ein Strafandrohungszweck neben der Abschreckung ist, m. a.W., ob der Hinweis auf die von der positiven Generalprävention geltend gemachten Anforderungen zusätzlich gute Gründe liefert, um eine Strafe anzudrohen. bb) Es gibt keine kanonische begriffliche Bestimmung der positiven Generalprävention. Es wäre auch ungewöhnlich, wenn ein derart in Lehre und Rechtsprechung verankertes Allgemeingut einheitlich definiert würde. Man spricht etwa von „Verteidigung der Rechtsordnung“,800 „Einübung in Rechtstreue“,801 „Einübung in Normanerkennung“,802 „Erhaltung rechtlicher Gesinnungswerte“803 oder „sittenbildender Kraft des Strafrechts“.804 Obwohl nicht alle diese

799 Vertreten von den in den nächsten Fn. Genannten und noch von Achenbach, Individuelle Zurechnung, S. 142 f.; Andenaes, General Prevention, S. 8; ders., Preventive Effects, S. 35; ders., Moral or Educative Influence, S. 112 ff.; Bottke, Finalidades de la pena, S. 57; Díez Ripolles, ZStW 113 (2001), S. 526; Dölling, ZStW 102 (1990), S. 15 ff.; Freund, GA 1995, S. 7 f.; Hawkins, WisLRev 1969, S. 550 ff.; Kaiser, Viktimologie, S. 3; Arthur Kaufmann, Gerechte Strafe, S. 430 f.; Kindhäuser, GA 1989, S. 503 f. (trotz seiner als terminologisch einzustufenden Vorbehalte); Kuhlen, GA 1994, S. 364; Moos, Positive Generalprävention, S. 300; Rogall, Abschreckung, S. 244, 250 (der dieser Bezeichnung zurückhaltend gegenüber steht); Roxin, Schuld, Prävention, Verantwortlichkeit, S. 506; ders., Wiedergutmachung, S. 47 ff.; Streng, ZStW 92 (1980), S. 663. Auch in die angelsächsischen „expressiven“ Straftheorien fließen Elemente positiver Generalprävention ein, grdl. Feinberg, Expressive Function S. 115 f.; ferner v. Hirsch, Past or Future Crimes, S. 51; ders., Doing Justice, S. 49; ders., Institution Strafe, S. 85 Fn. 42; Hörnle/v. Hirsch, GA 1995, S. 266, 270 ff.; Duff, Punishment, Communication, and Community, S. 57 f.; Metz, in: ARSP-Beiheft 85 (2002), S. 117. Nahestehend ferner Bottke, Assozitationsprävention, S. 164 ff., 329 ff. Vgl. auch m.v.w.Nachw. Kalous, Positive Generalprävention, S. 188 ff. 800 Vgl. insb. §§ 47 I oder 59 I 3 StGB, dazu noch BGHSt 24, 40 (44 f.); Zipf, Verteidigung der Rechtsordung, S. 219; Lackner/Kühl, StGB25, § 47/5: es komme darauf an, dass die rechtliche Gesinnung der Bevölkerung nicht erschüttert werde; Jescheck/Weigend, AT5, § 82 IV 7 a; Fragoso, Lições5, S. 56. 801 Jakobs, Schuld und Prävention, S. 10. 802 Jakobs, AT2, § 1/15. 803 Welzel, Begriff des Strafgesetzes, S. 229. Zustimmend Gracia Martin, Fundamentos, S. 164 f., 211

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Bestimmungen auf die Strafandrohung zugeschnitten sind, um die es uns jetzt geht, lässt sich ein gemeinsamer Kern aller positivgeneralpräventiven Lehren herausfiltern, wenn man ihnen die negative Generalprävention gegenüber stellt. Diese behauptet, ein guter Grund zum Androhen einer Strafe sei es, den Bürgern Gründe aufzuzeigen, weshalb es sich nicht lohne, Straftaten zu begehen. Die negative Generalprävention lässt es dabei dahin gestellt, ob es an sich schlecht ist, eine Straftat zu begehen, und begnügt sich mit dem Hinweis darauf, dass es für den Täter schlecht ist, wenn er eine Straftat begeht. Die positive Generalprävention hingegen ist stolz darauf, mit dem Bürger eine andere Sprache zu sprechen – mit den Worten eines ihrer Vertreter: die Sprache der Einsicht und nicht die der Furcht.805 Das Verbot und die Strafe sollen dem Bürger zeigen, warum es sich nicht lohnt, eine Straftat zu begehen, sondern vielmehr, dass es Unrecht ist, dies zu tun. Man könnte die Gründe zum Handeln in zwei große Gruppen unterteilen. Entweder soll man etwas tun, um für sich gute Folgen herbeizuführen bzw. schlechte Folgen zu vermeiden – das sind Klugheitsgründe. Oder man soll etwas tun, weil es richtig ist bzw. weil dessen Nicht-Tun falsch ist – das sind moralische Gründe im weiteren Sinne. Je nachdem, welches System von Normen zur Bestimmung der Richtigkeit und der Falschheit von Handlungen herangezogen wird, ergeben sich Unterteilungen im Bereich der moralischen Gründe zum Handeln im weiteren Sinne. Ist das System das der Moral, so dass etwas getan werden soll, schon weil dies moralisch richtig ist, kann man von moralischen Gründen zum Handeln im engeren Sinne sprechen. Ist das Normensystem dasjenige des Rechts, so dass die Tatsache, dass etwas eine Rechtspflicht ist, ein Grund ist, es zu tun, bzw. die Tatsache, dass etwas Unrecht ist, ein Grund ist, es nicht zu tun, kann man von rechtsmoralischen Gründen zum Handeln sprechen. Diese Unterscheidungen erlauben eine genauere Erfassung des Gehaltes der positiven Generalprävention, ihre präzise Abgrenzung von der negativen Generalprävention und auch eine systematisierende Unterteilung der Formen positiver Generalprävention. Denn jetzt ist man in der Lage, die positive Generalprävention genau zu bestimmen als die Lehre, wonach die allgemeine Bekanntmachung von moralischen Gründen (im weiteren Sinne) zu rechtmäßigem Verhalten ein guter Grund ist, um Strafe anzudrohen. Und dadurch wird die positive Generalprävention von der negativen Generalprävention genauestens abgegrenzt: Jener geht es um die Bekanntmachung moral-, dieser um die Bekanntmachung 804 Hellmuth Mayer, Strafrecht, S. 26; ders., AT, S. 23; ders., Strafrechtsreform, S. 15; ders., Studienbuch, S. 21; ferner ders., Gesetzliche Bestimmtheit, S. 260 („Aufrichtung von Werttafeln“); zust. Jescheck/Weigend, AT5, S. 4. 805 Hassemer Einführung2, S. 323. Siehe ferner Baurmann, GA 1994, S. 369 („freiwillige“ statt „unfreiwillige“ Normbefolgung); Hart-Honig, Strafzumessung, S. 110; Kalous, Positive Generalprävention, S. 97; ein wichtiger Vorgänger dieser heutigen Positionen war Noll, Rationalisierung, S. 227.

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klugheitsbezogener Gründe zum Handeln. Und letztlich erlaubt uns das Abstellen auf moralische Gründe zum Handeln im weiteren Sinne eine erste Systematisierung unterschiedlicher Versionen der positiven Generalprävention. Denn einigen, insbesondere älteren Fassungen der Theorie ging es tatsächlich darum, dass die Androhung moralische Werte vermitteln sollte, so dass die Moralwidrigkeit eines Verhaltens der letzte Grund sei, es zu unterlassen.806 Diese Theorien könnte man unter dem Namen der moralisierenden positiven Generalprävention zusammenfassen. Die heute überwiegend vertretenen Fassungen der Theorie bestimmen demgegenüber die Richtigkeit oder Falschheit eines Verhaltens nicht so sehr mit Bezug auf das Normsystem der Moral, sondern dasjenige des Rechts. Diese seien Theorien der rechtlichen positiven Generalprävention genannt. cc) Nach dieser Begriffsbestimmung ist man in der Lage, die zentrale Frage zu stellen: ob nämlich die Bekanntmachung moralischer Gründe im weiteren Sinne, also die Bekanntmachung, dass ein Verhalten falsch und deshalb zu unterlassen sei, ein Grund ist, gegen dessen Vornahme eine Strafe anzudrohen. Man könnte diese Frage letztlich sowohl in Bezug auf die moralisierende, als auch auf die rechtliche positive Generalprävention stellen. Hier wird uns zunächst aber nur die rechtliche positive Generalprävention beschäftigen, da sie bei Weitem die plausibelste von den beiden zu sein scheint. Man kann deshalb vermuten, dass mit einem ablehnenden Urteil über die rechtliche positive Generalprävention die Würfel auch für die moralisierende positive Generalprävention gefallen sind. Die Frage lautet deshalb genauer, ob die Bekanntmachung, dass ein Verhalten Unrecht und deshalb zu unterlassen sei, einen guten Grund für eine Strafandrohung liefert. Die Frage ist also nicht, ob eine Strafandrohung die erwähnten Wirkungen faktisch hat, sondern ob die erwähnten Wirkungen zur Rechtfertigung einer Strafandrohung geltend gemacht werden können. Die gängige gegen die positive Generalprävention gerichtete Kritik, dass sie sich kaum empirisch bewahrheite,807 ist nicht nur wegen des oben kritisierten wissenschaftlichen Reduktionismus problematisch, sondern vor allem auch deswegen, weil sie nicht fundamental genug ist, m. a. W., weil sie gerade den Punkt, um den es geht, also die normative Frage, übersieht. Die Bekundung, dass etwas Unrecht ist und aus diesem Grunde zu unterlassen sei, ist dem Staat zweifelsohne erlaubt. Niemand wird etwa daran zweifeln, 806

Siehe die Übersicht unten S. 403 ff. Bock, ZStW 103 (1991), S. 654 ff.; Hörnle/v. Hirsch, GA 1995, S. 262; Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 235; K. F. Schumann, Positive Generalprävention, 1989, S. 49; ders., Empirische Beweisbarkeit, S. 23 f., der Anhaltspunkte für einen Bumerang-Effekt i. S. einer Reaktion gegen strafrechtliche Bevormundung sieht; Stratenwerth, Strafzwecke, S. 7, S. 12. Zweifelnd auch Frisch, Positive Generalprävention, S. 134. 807

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dass der Staat in U-Bahnen Plakate aufhängen darf, auf denen steht, dass Schwarzfahren unzulässig ist, oder dass der Staat Werbung dafür machen darf, keine ausländerfeindlichen Taten zu begehen. Mehr noch: Der Staat darf in den Plakaten oder Werbespots sogar moralische Gründe i. e. Sinne anführen, welche die einschlägigen Verbote dem Bürger verständlich machen sollen: also nicht nur ankündigen, dass Schwarzfahrer eine bestimmte Summe bezahlen müssen, sondern auch, dass das Schwarzfahren an sich unfair sei, oder dass Ausländer Menschen seien, die respektiert werden müssen. Eine Strafandrohung ist aber mehr als ein Werbespot. Sie droht etwas an, und zwar etwas, was sie zum größten Teil aus eigener Kraft hervorbringen soll. Dagegen berichtet ein Werbespot über etwas, was sich auch unabhängig von seiner Wirkkraft ereignen soll.808 Mehr noch: Die Strafandrohung droht nicht nur Zwang an, sondern ist schon selbst Zwang, da sie die Grenzen der Handlungsfreiheit der Bürger verbindlich festlegt und einengt. Die Strafandrohung enthält also Elemente, die über eine bloße Bekundung hinausgehen, Elemente des Zwanges, und die Frage, ob die positive Generalprävention auch diese Elemente rechtfertigen könne, bleibt offen. Darf man eine Person einem Zwang unterwerfen mit der Begründung, sie solle daraus lernen, dass bestimmte Verhaltensweisen Unrecht seien? Man könnte sich zunächst fragen, wieso das mittels Zwangs erfolgen solle:809 Genauso unsinnig, könnte man einwenden, wäre es etwa, jemanden dazu zwingen zu wollen, das Gelbe der Wand zu sehen. Dieser Einwand, obwohl er nicht völlig zutrifft, weist schon in die richtige Richtung, nämlich auf das, was an der positiven Generalprävention problematisch ist. Denn das Problematische an dieser Lehre ist nicht – entgegen dem gerade skizzierten Einwand – dass sie etwas Unmögliches versucht, sondern dass sie sich über die Autonomie des einzelnen hinwegsetzt, indem sie ihm durch Zwang zur Einsicht verhelfen will. Der Vorwurf ist präzisierungsbedürftig. Dies lässt sich schon anhand des oben skizzierten minimalistischen psychologischen Modells, deren einziger empirischer Satz es ist, dass Gründe zu Motiven werden können, erreichen. Denn es erscheint sowohl fraglich, dass Zwang moralbezogene Gründe bekanntmachen darf, als auch, dass man durch Zwang diesen Gründen eine zusätzliche motivierende Kraft verleihen darf. Man beachte: Die Frage ist nicht, ob Zwang diese beschriebenen Leistungen erbringen kann, sondern ob er dies tun darf. Ob Zwang empirisch und begrifflich autonome Leistungen hervorbringen kann, ist

808 Man kann hier an den Unterschied zwischen dem Begriff der „Drohung“ und dem der bloßen „Warnung“ im Rahmen der Nötigungsdogmatik denken, vgl. Eser, in Schönke/Schröder27, Vorbem §§ 234 ff./31. 809 So K. Günther, Diskursethische Begründung, S. 209: „Die Anerkennung der Norm lässt sich nicht durch ,Einüben‘ bewirken, sondern nur durch autonome ,Einsicht‘“.

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eine empirische Frage, die man besser dahingestellt lässt. Man könnte durchaus meinen, dass Handlungsweisen, die man sich zunächst durch Zwang aneignet, später doch autonom ausgeführt werden (was sogar bei den meisten uns in der Kindheit anerzogenen moralischen Prinzipien der Fall sein dürfte). Auf jeden Fall bleibt es aber unzulässig, einem erwachsenen Menschen durch Zwang zur Einsicht zu verhelfen, und dies aus folgendem Grunde: Zwang darf keine moralbezogenen Gründe bekanntmachen – so der erste Teil unserer Kritik. Denkt man weiter über das Beispiel der gelben Wand nach, so erschließt sich, dass es nur unter einer Prämisse sinnvoll ist, jemanden durch Zwang zur Erkenntnis zu bringen. Die Prämisse ist die, dass Erkenntnis und Einsicht keine notwendigerweise autonom-spontanen Leistungen eines Subjektes sind. Man stelle sich vor, ein sehender Mensch steht vor der gelben Wand. Hier kann Zwang tatsächlich an der Situation nichts verbessern: Der Mensch kann nicht dazu gezwungen werden, noch klarer zu sehen, dass die Wand gelb ist. Zwang wäre erst dann sinnvoll, wenn man davon ausginge, seine Augen funktionierten nicht von selbst und man könnte mit Hilfe äußerer Einwirkungen daran etwas ändern – etwa dadurch, dass man ihn nötigt, eine Brille zu tragen. Jetzt ohne Metapher: Entweder sieht der Mensch das Gewicht der moralbezogenen Gründe zum Handeln von selbst ein, weil sie für sich gut sind, oder er tut es nicht. Wenn er das nicht von selbst tut, dann – und erst recht, wenn diese Gründe gut sein sollen – darf man ihn nicht mittels Zwangs dazu bringen, dies einzusehen, denn ein solcher Einsatz von Zwang ist nur unter der Prämisse sinnvoll, dass der Mensch nicht von selbst in der Lage ist, zur Erkenntnis zu gelangen. Man könnte aber meinen, der Zwang spielte hier nicht die Rolle des Vermittlers von Werten und Gründen, sondern von Motiven; er würde nicht auf der kognitiven, sondern auf der motivationellen Ebene wirken. Aber auch ein solcher Rückzug wäre unzureichend, um die positive Generalprävention zu retten. Denn Zwang darf auch nicht eingesetzt werden, um moralbezogene Gründe in Motive zu verwandeln. Dadurch geht eben der Vorzug verloren, mit dem unser funktional-klugheitsbezogener Abschreckungsbegriff aufwarten konnte: nämlich die Anerkennung der ausschließlichen Zuständigkeit des Bürgers zu entscheiden, welche Gründe er zu Motiven macht – konkret, ob er das Richtige tut, weil es richtig ist, oder bloß, weil es ihm gerade passt. Will man die Bürger dazu zwingen, das Falsche zu vermeiden, schon weil es falsch ist, missachtet man das Recht der Bürger, selber darüber zu entscheiden, ob sie das Falsche aus diesem Grund unterlassen wollen. Das Argument gegen die positive Generalprävention lautet also mit anderen Worten, man darf nicht durch Zwang erziehen,810 wenn unter Erziehung das 810 So im Ergebnis viele Autoren in Spanien, welche die positive Generalprävention wegen ihrer behaupteten Unverträglichkeit mit der Gewissensfreiheit ablehnen: Mir

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Hervorrufen von Einsicht in Recht und Unrecht und von einsichtsgeleiteten Verhaltensmustern verstanden wird.811 Dieses Argument ist letztlich nicht neu, denn es wird schon allgemein anerkannt, wenn man die Zulässigkeit, jemanden gegen seinen Willen zu resozialisieren, verwirft.812 Darf man nicht einem Einzelnen Zwang auferlegen, damit er etwas sehe, was er zuvor nicht sah, dann darf man dies erst recht nicht einer Menge von 80 Millionen Menschen antun. Die Einsicht in Recht und Unrecht soll durch sonstige anerkannte autonomierespektierende Erziehungsmittel hervorgerufen werden – also nicht durch den Zwang einer Strafandrohung, sondern etwa durch den vernüftigen Appell mittels Argumenten, oder durch den emotionalen Appell mittels Bildern. Die kaum gesehene Nähe der positiven Generalprävention zur Resozialisierungstheorie wird auch dadurch belegt, dass das Standardargument für die positive Generalprävention – das Effektivitätsargument, nach dem erst Einsicht, und nicht Furcht rechtmäßiges Verhalten gewährleiste – auch immer wieder zur Rechtfertigung eines umfassenden Verständnisses der Resozialisierung herangezogen wird,813 und ferner dadurch, dass, wie unten näher belegt wird,814 beide Theorien erst dann vertreten werden konnten, als man sich auf dem Boden einer Theorie vom Staat befand, nach der dieser nicht mehr daran gebunden war, vor der Gesinnung der Bürger halt zu machen. Bei der Ablehnung der positiven Generalprävention geht es eigentlich darum, dass man die Ergebnisse der rechtsphilosophischen Überlegungen zum Verhältnis von Recht und Moral [oben C. II. (S. 124 ff.)] auch für die Straftheorie verwertet. Die Moralität der Bürger geht den Staat nichts an, die des Staates geht den Bürger hingegen durchaus etwas an. Das bedeutet, dass der Staat sich nicht allein moralbezogener Argumente bedienen darf, um in die Freiheit der Bürger einzugreifen, die Bürger sich aber durchaus auf moralbezogene Argumente berufen dürfen, um dem Staat Schranken aufzuerlegen. Die Schranke, welche die positive Generalprävention missachtet, ist die der Autonomie, zuerst in dem spezifischen Sinne der Fähigkeit des Menschen, über Richtig und Falsch ungezwungen Erkenntnis zu erlangen, dann im Sinne des Rechts, diese Erkenntnis Puig, Prevención general positiva, S. 138; Silva Sánchez, Aproximación, S. 233 f. (eine gewisse Relativierung aber bei ders., ADPCP 49 [1996], S. 111 f., wo von Abschreckung durch die Kommunikation des Wertes gesprochen wird); García-Pablos, Introducción4, S. 184 ff.; ferner Álvarez García, Fines de la pena, S. 168; Demetrio Crespo, Prevención general, S. 126 ff.; Roca Agapito, Sistema de sanciones, S. 89 f.; ähnlich Ferrajoli, Diritto e ragione, S. 263 f.; Koriath, Positive Generalprävention, S. 58 f. 811 Und das – entgegen Peralta, ZIS 2008, S. 506 ff. – unabhängig davon, ob Gegenstand dieser Einsicht der Wert des geschützten Gutes oder der Wert der Rechtsordnung als Friedensordnung ist. Die Problematik der autonomiemissachtenden Erziehung durch Zwang stellt sich gleichermaßen. 812 Für Nachw. siehe unten Teil D., Fn. 960. 813 Etwa Henke, Strafrechtstheorien, S. 87; weitere Nachw. unten Teil D., Fn. 961. 814 Unten S. 398 f. und D. II. 4. c) (S. 438 ff.).

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als handlungsleitend zu verwerten oder auch nicht. Diese Fähigkeit lässt sich als Konstitutivum von Menschlichkeit auf das Instrumentalisierungsverbot im engeren Sinne zurückführen,815 nicht zuletzt weil es keine offene Frage mehr darstellt, ob ein Staat, der sich über die so verstandene Autonomie seiner Bürger mit Zwang hinwegsetzt, noch beanspruchen kann, in deren Namen zu sprechen. Es bleibt immerhin erstaunlich, wie man im Lande Kants die positive Generalprävention überwiegend mit einem Zweckmäßigkeitsargument hat begründen können, ohne die deontologische Frage nach ihrer Zulässigkeit überhaupt zu stellen.816 Insbesondere zwei Einwände könnte man gegen die hier entwickelte Argumentation vorbringen. Ein erster Einwand wäre der, wonach Zwang häufig ein notwendiges Mittel zur Erziehung sei, wie dies der Blick auf das Verhältnis von Vater und Kind belege. Dem ist aber zu entgegnen, dass Notwendigkeit kein Recht schafft, wo nicht schon ein Recht liegt. Die hier vertretene, z. T. stark deontologische Rahmentheorie staatlichen Handelns kann sich mit einem konsequentialistischen Notwendigkeitsargument selbstverständlich nicht zufrieden geben.817 Zudem ist das Verhältnis des Vaters zum Kind keine für das Verhältnis von Rechtsstaat und Bürger passende Metapher. Sie passt eher zum Verhältnis von Obrigkeitsstaat und Untertan, und wurde auch vor allem zur Zeit der Blüte des Obrigkeitsstaates immer wieder angeführt. Und der Grund, weshalb die Metapher nicht zum Rechtsstaat und seinen Bürgern passt, ist der, dass der Bürger, anders als das Kind, autonom ist, und dass der Rechtsstaat, anders als der Vater, ihm nicht nahe steht, sondern respektvolle Distanz bewahren muss. Ein zweiter Einwand würde sich auf den hiesigen Gebrauch des Erziehungsbegriffs richten, und vor allem die zu dem Verbot zwangsweiser Resozialisierung gezogene Parallele in Frage stellen. Man könnte anführen, Erziehung beziehe sich schon begrifflich auf eine bestimmte Person, so dass man im Hinblick auf die Allgemeinheit unmöglich von Erziehung sprechen könne. Dem ist erstens zu entgegnen, dass es nicht um das Wort als solches geht. In der hier ausformulierten Argumentationskette taucht der Erziehungsbegriff erst relativ spät auf und wird nur zu Verdeutlichungszwecken eingeführt. Problematisch ist nicht, ob das, was die positive Generalprävention bezweckt, Erziehung ist oder nicht, sondern dass sie durch Zwang Einsicht, sei es auch Einsicht in Recht und 815

Zu diesem Begriff oben C. III. (S. 191). Am deutlichsten etwa Otto, ZStW 87 (1975), S. 559 („einzig effektiver Weg des Rechtsgüterschutzes“); Welzel, Strafrecht11, S. 3 (mit seinem Argument, wonach die Strafe für den unmittelbaren Rechtsgüterschutz „zu spät“ komme, so dass man schon auf die Gesinnung der Bevölkerung einzuwirken habe); Jakobs, AT2, § 1/4 ff., 11; eine Ausnahme bildet hier Kindhäuser, GA 1989, S. 503 f.; ders., Rechtsgüterschutz, S. 35 f.; ders., Schuld und Strafe, S. 90 ff. 817 Gegen den Ausschließlichkeitsanspruch von Notwendigkeitsargumenten bereits oben D. I. b), (S. 250). 816

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Unrecht, vermitteln will. Sprachlich erscheint es aber durchaus zulässig, von allgemeiner Erziehung zu sprechen, betreibt man doch nichts anderes, wenn man etwa den Bürgern klar macht, sie müssten sich gesundheitsbewusst ernähren bzw. ein umweltbewusstes Verhalten an den Tag legen. Die positive Generalprävention kann deshalb gerade dasjenige, was die Strafandrohung von anderen Informationsbekundungen wie Plakaten oder Werbespots unterscheidet, nämlich den Zwang, nicht rechtfertigen, es sei denn, sie setzt sich über die Tatsache hinweg, dass Einsicht, und insbesondere auch Einsicht in Recht und Unrecht, eine autonom-spontane Leistung ist, die einem Subjekt nicht aufgezwungen werden darf. dd) Dieser Befund wird durch eine knappe Ideengeschichte der positiven Generalprävention bestätigt. Die bisherigen geschichtlichen Untersuchungen über diese Theorie gehen höchstens bis auf das frühere 19. Jahrhundert zurück und stellen dort die Geburt der Theorie fest.818 Man erkennt zwar richtig, dass die Theorie im 18. Jahrhundert so gut wie keine Vertreter hatte, findet diese Tatsache aber nicht erklärungsbedürftig. „Sie waren nicht so weit“, scheint man wohl dabei zu denken – und dabei spielen sicherlich noch viele der z. T. auch in dieser Arbeit kritisierten Vorurteile über die Aufklärung eine Rolle, etwa hinsichtlich ihres vermeintlichen Rationalismus, ihrer angeblichen Naivität usw. Es verhält sich aber vielmehr so, dass die Liberalen nie so weit gegangen sind, dem Staat die Befugnis zuzusprechen, mündige Bürger durch Zwang zu erziehen, obgleich man diese Möglichkeit durchaus gesehen hat, wie man bei näherem Zusehen entdeckt. Dass Strafe die Bürger „bessern“ sollte, und nicht nur den Bestraften, sondern die Allgemeinheit, war schon eine lange vor Feuerbach bekannte Wendung. Trotzdem meinte man mit „Besserung“ nicht etwas, das man hier unter Erziehung im weiteren moralischen Sinne verstehen könnte, sondern verstand sie strikt klugheitsbezogen, als das Angeben und Anerkennen von Gründen, weshalb es sich nicht lohne, sich widerrechtlich zu verhalten. Thomasius sprach in diesem Sinne von „emendatio communis“,819 und auch Feuerbach bezeichnete gelegentlich die Besserung als Zweck der Androhung, insofern „durch diese Drohung der Wille zum Bessern, zur Gesetzmäßigkeit, gewendet werden“ soll.820 818 Vor allem H. Müller, Generalprävention, S. 136 f., 159, 233, 246, 285; MüllerTuckfeld, Integrationsprävention, S. 23 ff., die bloß bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zurückgehen. Anders Müller-Dietz, GA 1983, S. 490 ff. 819 Thomasius, Institutiones Jurisprudentia Divinae, Liber III, Caput VII, etwa § 45, 51, 118; ausführlich, aber nicht unbedingt richtig zur Bedeutung dieses Begriffs Cattaneo, Thomasius, S. 47 ff.; ders., Hommel, S. 123 („eine Art allgemeine Abschreckung mit reichlich moralischer Färbung“). 820 Feuerbach, Revision I, S. 59 f. Dieser Sprachgebrauch taucht auch bei Hepp, Darstellung1, S. 104, Fn. 1 auf; und bei Abegg, NArchCrimR 1845, S. 243, als „Bes-

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Eine nicht nur klugheitsbezogene Wirkung der Strafe wurde aber als deren Legitimationsgrund unter liberalen Strafrechtlern so gut wie nie vertreten. Mehr noch: Diese Sicht wurde gelegentlich ausdrücklich angesprochen und abgelehnt. So bei Feuerbach, der genau gesagt erst nach Ablehnung positiv-generalpräventiver Gedanken sich der Konstruktion seiner eigenen Theorie widmen konnte:821 „Die erste Tendenz der Staatsgewalt muss daher darauf gerichtet sein, dass die Bürger gar keine rechtswidrige (sic) Neigungen oder positiv ausgedrückt, dass sie bürgerliche Gesinnung haben. Durch Gewalt und Zwang können diese bürgerliche Gesinnungen nicht gegeben werden, dies ist nur durch Anstalten möglich, durch welche der Bürger zu diesen Gesinnungen erzogen wird“.822 Die Strafandrohung komme erst als „zweite Sorge“823 in Betracht, nachdem der Staat sich um die zwangsfreie Erziehung der Bürger gekümmert habe. Grolman sprach von einer „Polizeygewalt in dem weitesten Sinne“ als „den Theil der obersten Staatsgewalt, welcher sich damit beschäftigt, die Hindernisse zu entfernen, welche sich der Erreichung ihres Zwecks durch die bürgerliche Verfassung entgegenstellen“, die in die „bürgerliche Strafgewalt“ und in „Polizeygewalt im engeren Sinne“ unterteilt wird. Dieser, und nicht der Strafgewalt, gebührten Aufgaben, für die wir die Bezeichnung positive Generalprävention eingeführt haben, insbesondere die „Mehrung der Bildung im Ganzen“.824 Unmissverständlich äußerte sich auch der weniger bekannte v. Schilling: Nachdem er die Besserung des Gestraften als Strafzweck ablehnte, behauptete er, ebenso wenig könne die allgemeine „Erziehung der Bürger“ ein solcher sein, denn „Cultur, Erziehung überhaupt, Aufklärung muß vom Staat möglichst befördert werden, ohne dass sie der Zweck seiner Strafen und er der Erzieher seyn darf . . . Niemand kann sich vornehmen den andern zu erziehen, wenn dieser nicht damit einverstanden ist, sich erziehen zu lassen, dazu vereinigen sich aber Menschen nicht in Staaten, sonst müsste nur immer der Allergebildteste das Ruder führen“.825 Die Unterscheidung zwischen Klugheit und Moralität der Bürger und die Verweisung des Staates auf die Sphäre der Klugheit war ein ständiges Leitmotiv unter liberalen Autoren der Zeit. Man wollte damit dem Staat das Recht absprechen, sich in die Moral der Bürger einzumischen. Schon Montesquieu machte serung im negativen Sinn“. Auch bei Grolman, Begründung, S. 116 Fn. * taucht diese Redeweise auf (Abschreckung als „politische Besserung“), nur bekommt sie wegen Grolmans Zielrichtung auf die Gesinnung (vor allem S. 51) einen völlig anderen Inhalt. 821 Diese Stellen werden in den meisten Schilderungen der Straftheorie Feuerbach gar nicht erwähnt, als ob sie unbeachtlich wären; anders aber doch Hepp, Darstellung1, S. 82. 822 Feuerbach, Revision I, S. 41. 823 Feuerbach, Revision I, S. 43. 824 Grolman, Grundsätze1, § 95. 825 Schilling, ArchCrimR Bd. VI, St. II (1805) S. 115 ff.

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deutlich, dass Gesetze, vor allem Strafgesetze, unfähig seien, die Sitten der Bevölkerung zu verändern; man müsse Gesetze durch Gesetze, Sitten durch Sitten verändern.826 Hommel erklärte die Furcht zum „größten Monarchen der Welt“, denn sie sei „der Leim und Kit, wodurch die ganze menschliche Gesellschaft zusammen gehalten wird. Sie ist in der Rechtsgelahrtheit und Moral eine Haupt Triebfeder, ein vorzügliches Gewichte“.827 Aber das bedeute nicht, dass man die Menschen durch Furcht gut machen könne: „Moralität aus Furcht ist nichtswürdig und sklavisch“.828 Wieland meinte, die meisten Handlungen entsprüngen aus dem Egoismus – den „Trieb zur Selbsterhaltung“ nennt er den menschlichen „Grundtrieb“829 – so dass die Strafen des Gesetzgebers „mehr den physischen und äußerlichen Zustand ihres Urhebers, als den Zustand seiner Seele betreffen, weil dieser letzre einem großen Theil des Menschengeschlechts ganz gleichgültig ist“.830 Auch Feuerbach dachte, dass „die Möglichkeit des Zwangs bey Uebertretung derselben (der Rechtsgesetze im Gegensatz zu den Pflichtgesetzen, L. G.) die vorzügliche Triebefeder zu ihrer Beobachtung ist“.831 Feuerbach und seine Anhänger, vor allem Almendingen, verfeinern die Theorie um Einiges: Sie gehen von der Unterscheidung von homo noumenon und homo phaenomenon aus, denken, dass der Mensch „als vernünftiges Wesen . . . das Gute, als sinnliches das Angenehme und Nützliche“ wolle.832 Auf diesem Wege könne sich der Gesetzgeber durch den Zwang der Strafe nur dem sinnlichen Menschen zuwenden, so dass nur Abschreckung als Einwirkung auf die Sinnlichkeit einen realisierbaren Strafzweck darstelle. Der Staat ist nach Almendigen „eine zur Sicherung der Coexistenz verständiger Sinneswesen gebildete Macht“,833 und eben deshalb zieht er die Folgerung: „Dieser Staat kann auch seine Bürger zu keinen innern Maximen bestimmen“,834 und: „Die Wirksamkeit des Staates findet sich hiernach an die sinnlichen Menschen allein zurück verwiesen“.835 Nur der homo phaenomenon, „als Sklave der namlichen Außenwelt“, „gekettet an die unwiderstehlichen Nothwendigkeiten einer gebundenen Welt“ – „dieser Mensch allein ist den Einwirkungen des Staates zugänglich“.836 Moralische Erziehung durch Strafe sei nicht unzulässig, sie sei nicht einmal machbar, denn das Moralische werde in der noumenalen Welt vor Zwang sicher gestellt. 826 827 828 829 830 831 832 833 834 835 836

Montesquieu, De l’esprit des lois, Livre XIX, Nr. 14. Hommel, Belohnung, § 63. Hommel, Philosophische Gedanken, S. 90. Wieland, Geist I, § 1, 6 ff., 12, 22 I (Zitat), 214 f. Wieland, Geist I, § 8. Feuerbach, Revision II, S. 110. Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 16. Almendingen, Imputation, S. 35. Almendingen, Imputation, S. 38. Almendingen, Imputation, S. 39. Almendingen, Imputation, S. 40.

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Wenn man sich die Zeit nimmt, eine Ansicht zu kritisieren, dann ist auch zu vermuten, dass es die Ansicht gibt. Und in der Tat: die moralische Führung des Bürgers durch den Staat war nicht nur dem Voraufklärer Pufendorf vertraut, der unter dem Nutzen der Strafe zur Sicherung aller u. a. die „Wiedergutmachung der Autorität des bürgerlichen Reichs“ ansprach,837 sondern um einiges mehr auch dem nicht-liberalen Aufklärer Christian Wolff wohlbekannt. Im Rahmen seiner perfektionistischen Staatslehre hebt er den Wert ceremonieller Strafverhängung hervor, damit man „zur Tugend den Weg bahnt“: „Denn weil diese (Ceremonien, L. G.) desjenige ins Gedächtnis bringen, was bey der Schändlichkeit der Verbrechen, die gestraffet werden, zu bedencken: so lernet man sie zugleich als an sich böse Dinge erkennen“.838 Es ist kein Wunder, dass der Jurist, der an dem von Friedrich II idealisierten Kodifikationswerk maßgeblich beteiligt war839 und der zu den wichtigsten Gegnern Feuerbachs zählte, Ernst-Ferdinand Klein, sich entschieden für eine nicht nur klugheitsbezogene Rechtfertigung von Strafandrohungen und Zufügungen einsetzte: Der Staat habe die Pflicht, „durch seinen Beifall oder durch seine Missbilligung vortheilhaft auf den Charakter der Nation zu wirken“.840 Es sei zwar genug, wenn der Bürger aus Klugheit die gesetzeskonforme Maxime annehme;841 rechtfertigender Zweck der Strafe sei aber, rechtstreue Gesinnung hervorzurufen, also eine Gesinnung, die das Recht achtet, weil es recht ist. Auch Bentham, dem alle Mittel recht sind, solange sie das allgemeine Glück maximieren, spricht an einer entlegenen Stelle von Strafen, die den Zweck einer „moral lesson“ verfolgen, und versteht darunter die Konstellation, „when, by reason of the ignomy it stamps upon the offence, it is calculated to inspire the public with sentiments of aversion towards those pernicious habits and dispositions with which the offence appears to be connected“.842 837 Pufendorf, De iure natura et gentium, Liber VIII, Caput III, § 12 („reparatur autoritas imperii civilis“). 838 C. Wolff, Politik, S. 303 f. Zu Wolffs Staatstheorie s. die Nachw. oben Teil B., Fn. 339. 839 Vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 251; Möller, Vernunft und Kritik, S. 204. 840 Klein, Gesinnung, S. 348; siehe bereits seine Grundsätze, § 73, wo gesagt wird, der Staat solle durch die Strafe „als öffentliche Missbilligung Abscheu gegen die strafbare Handlung erregen, damit diese, noch ehe der besondere Reitz zum Verbrechen entsteht, als unmögliches Mittel zu irgend einem Zwekke erscheine“. 841 Klein, Gesinnung, S. 349. 842 Bentham, Introduction, Chap. XIV 23 u. Fn. o. Dagegen scheint die Unterscheidung von zwei Übeln des Verbrechens, einem Übel erster Ordnung (dem direkten Schaden) und einem Übel zweiter Ordnung („alarme“), nicht den üblichen Rahmen der negativen Generalprävention zu sprengen (Bentham, Traité de Legislation II, S. 251 ff.). Man erinnert sich sofort an Kleins Lehre der Genugtuungsstrafe (dazu Nachw. oben Teil B., Fn. 109). Der einzige Autor, der sich in meiner geschichtlichen Rekonstruktion des Sündenfalls in die positive Generalprävention nicht prima facie einfügt, ist W. v. Humboldt, Wirksamkeit des Staates, Kap. XIII (S. 161), der anscheinend Elemente einer positiv-

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Die liberalen Strafrechtler der Zeit hätten deshalb durchaus anders denken können. Entgegen der üblichen verzerrten Nacherzählung gingen sie nicht vom Bild der Gesellschaft als einem Club eigennütziger, kalkulierender Individuen aus, sondern erkannten sehr klar die Rolle der Moral, der Religion und insbesondere der Erziehung für die Gesinnung und deshalb auch für das Verhalten der Bürger. Einsicht statt Furcht – diese Devise ist nicht erst von heutigen Vertretern der positiven Generalprävention geprägt worden, sondern war den liberalen Aufklärern durchaus bekannt. Nur glaubte man, Einsicht sei nicht durch Furcht, sondern durch freie, autonome Erziehung zu erreichen. Die zentrale Rolle der Erziehung in den Aufklärungsschriften ist nicht nur bei den ganz Großen präsent, die sich nicht scheuten, diesem Thema einige ihrer grundlegendsten Werke zu widmen – man denke nur an Lockes Gedanken über die Erziehung oder an Rousseaus Emile. Auch unter uns Kleineren, also unter den Juristen, insbesondere den Strafjuristen, spielte Erziehung eine zentrale Rolle, aber nicht als Wirkung, die durch Strafe zu erreichen sei, sondern als Vorkehrung, die im Sinne des ultima-ratio-Grundsatzes Strafe so weit wie möglich überflüssig machen sollte. Der folgende Satz, der von Montesquieu in dem Kapitel, das er in seinem „Geist der Gesetze“ dem Strafrecht widmet, geäußert wird, findet unter liberalen Autoren der Zeit enormen Widerhall: „Ein guter Gesetzgeber wird sich eher bemühen, Verbrechen vorzubeugen als sie zu bestrafen, Sitten zu geben als Leiden zuzufügen“.843 Und Beccaria schreibt: „Wollt ihr Verbrechen verhüten? Sehet, dass die Erleuchtung die Freiheit begleitet“.844 Ähnliche Stellen findet man auch bei so unterschiedlichen Autoren wie den Reformern Globig/Huster und Wieland,845 dem an sich sehr traditionalistisch gesinnten Gmelin,846 dem Kan-

generalpräventiven Straftheorie akzeptiert: „Dem fremden Rechte Achtung zu verschaffen ist das einzige sichre und unfehlbare Mittel, Verbrechen zu verhüten; und diese Absicht erreicht man nie, sobald nicht jeder, welcher fremdes Recht angreift, gerade in eben dem Maße in der Ausübung des seinigen gehemmt wird, die Ungleichheit möge nun im Mehr oder im Weniger bestehen. Denn nur eine solcher Gleichheit bewahrt die Harmonie zwischen der inneren moralischen Ausbildung des Menschen und dem Gedeihen der Veranstaltungen des Staats“. 843 Montesquieu, De L’Esprit des Lois, Livre VI, 10 u. 11 844 Beccaria, Delitti, §§ XLI u. XLII. Fast wortgleich Pastoret, Des loix penales I, S. 17. 845 Globig/Huster, Abhandlung, S. 20; Wieland, Geist I, § 23 ff. Wieland spricht auch von „moralischen Bestimmungen“, die neben dem Selbsterhaltungstrieb die Bürger zum rechtmäßigen Verhalten motivieren sollen. Dazu gehören „Regierungsform, Religion, Erziehung, Aufklärung des Volks, politische Verhältnisse gegen auswärtige Staaten, Umgang und Vermischung der Eingebohrnen mit Fremden“ (§ 24) – von Strafen ist beachtenswerter Weise nicht die Rede, sondern nur davon, man solle nicht durch ein Zuviel an Strafen alle Selbstständigkeit im Volk vernichten (§ 25, § 26 I– III). 846 Filangieri, Gesetzgebung, S. 6.

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tianer Bergk847 und dem Dilettanten Theod. v. Hippel.848 Bemerkenswert ist ferner, dass Filangieri in seiner „Scienza della Legislazione“ der Erziehung ein eigenes Buch (Libro IV) neben dem Strafrecht (Libro III) widmet. Mit der Restauration – die vermutlich ebenfalls nicht so restaurativ war, wie sie es der Überlieferung nach sein soll849 –, insbesondere mit Hegel, der Romantik, dem Volksgeist, dem erweckenden Nationalgefühl, wurde der Gedanke des Staates als Träger des Guten wiederbelebt, und damit auch die Lehre, die den Staat ermächtigt, die Bürger durch Zwang zur Einsicht in das Gute zu verhelfen. Bei vielen Autoren ist der Einbruch positiv-generalpräventiver Gedanken zu erkennen. Diese Erweiterung der Befugnisse des Staates ist der sowohl für die positive Generalprävention, als auch für die Resozialisierungstheorie entscheidende Schritt, den man bis heute kaum gesehen und den man um so weniger versucht hat, rückgängig zu machen. Gelegentlich versucht man, liberales Gedankengut um neue, moralisierende Züge zu ergänzen: Das ist der Weg Anton Bauers, der Feuerbachs Theorie im Wesentlichen folgt, aber eine wichtige Änderung einführt. Die Thomasius’scheFeuerbach’sche Besserung im Sinne des Klügerwerdens wird bei Bauer zu einer Besserung im Sinne des Erweckens von Einsicht in Richtig und Falsch.850 Nach der von ihm sog. Warnungstheorie soll die Androhung nicht nur abschrecken, sondern warnen; und warnen bedeute, „einen neuen Abrathungsgrund von unerlaubten Handlungen aufstellen, das sittliche Gefühl wecken und schärfen, den Bürgern die Pflicht der Besonnenheit tiefer einprägen und sie von der Größe der bürgerlichen Strafbarkeit der Handlungen unterrichten“.851 Interessanterweise taucht schon bei ihm der Vergleich mit dem Vater auf: Nach der Warnungstheorie „ist der Gesetzgeber einem Vater ähnlich, der nur aus Liebe straft, und die Freiheit seiner Kinder will,“, während er in der psychologischen Zwangstheorie ein „zürnender Zwingsherr“ sei.852 Auch Hepp, der schon im Vorwort der zweiten Auflage seiner Darstellung der Straftheorien sagt, seine Beurteilung sei vor allem praktisch und religiösmoralisch orientiert,853 verwirft sowohl die Abschreckungstheorie, als auch die 847 Bergk, ArchCrimR Bd. II St. III (1800), S. 157. Für weitere Nachw. vgl. Fischl Aufklärungsphilosophie, etwa S. 44, S. 72, S. 77. Siehe auch Hepp, Darstellung1, S. 95. 848 Theod. v. Hippel, Beytrag, S. 5. 849 Dies zu belegen, ist hier nicht möglich, siehe bereits oben A. (S. 25 f.). 850 Bauer, Warnungstheorie, S. 55 ff.; ders., Straftheorien, S. 87. Die erzieherische Aufgabe wird von Helga Müller, Generalprävention, S. 159, klar als entscheidende Innovation der Bauer’schen Warnungstheorie herausgearbeitet. 851 Bauer, Warnungstheorie, S. 55 f. Unter den ersten praktischen Folgerungen seiner Theorie nennt er sofort die Begründung der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs (S. 57)! 852 Bauer, Warnungstheorie, S. 190. 853 Hepp, Darstellung I2, S. V f.

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Vergeltungstheorie, welche die Strafe als etwas Zweckloses konzipiere. Der Mensch sei zur Sittlichkeit bestimmt, also müsse alles, was geschehe, diese Bestimmung fördern. Ein Mittel dieser Beförderung sei die Vergeltungsstrafe, die deshalb keinen Selbstzweck bilde, sondern ein Mittel zur Schärfung des moralischen Gewissens.854 Andere verlassen das alte liberale Gebäude völlig und schlagen eine Theorie vor, die der jetzt überwiegend anerkannten führenden Rolle des Staates im sittlichen Leben besser gerecht wird und die deshalb wesentliche Aspekte positiver Generalprävention in sich aufnimmt. Das ist sowohl der Weg des liberalen Politikers Welcker als auch einiger Hegelianer im allgemeinen. Welcker bettet seine Lehre vom intellektuellen Verbrechensschaden in eine neue Lehre über das Recht und den Staat ein. Er überwindet die ehemalige Ansicht, die im Staat eine auf die Außensphäre beschränkte „Rechtsschutzanstalt“ sah:855 Weil der Mensch sowohl eine intellektuelle, als auch eine materielle Natur besitze, müsse sich das Recht auf beide, und nicht nur auf die materielle beziehen.856 Jede Handlung der Menschen besitze dementsprechend zwei Seiten, und zur Rechtlichkeit der Handlung reiche nicht mehr die Rechtlichkeit nur der einen, nämlich der materiellen Seite aus: „Jede dieser Seiten der Handlung muß, wenn sie rechtlich seyn soll, mit dem Gesetze übereinstimmen“.857 Von hier aus ist die Entfernung zur Lehre vom sog. intellektuellen Verbrechensschaden nicht mehr groß: Das Verbrechen beeinträchtige in mehrerlei Hinsicht die Wirksamkeit des Rechts auf den Willen, auf die intellektuelle Seite der Bürger, und dieser Schaden werde durch die Strafe wieder gut gemacht.858 Unter den Hegelianern erklärt z. B. Abegg den Staat zu dem „in der Form bestimmten Daseyns bestehenden Vernünftigen“859 bzw. zu dem „bewußten Reiche der Gesittung“.860 Er hält die Strafe aus dem Grund für gerechtfertigt, „damit wieder das Recht, welches an sich heilig und unverbrüchlich ist, im besonderen Falle, in einer besonderen Existenz gebrochen ist, wieder als unverletz-

Hepp, Darstellung I2, S. 88. Nachw. oben B. I. 1. (S. 35). 856 Welcker, Letzte Gründe, S. 109. Feuerbachs Kritik an der Präventionstheorie und am Besserungsbegriff werden als Beispiele der überwundenen Ansicht angeführt, S. 110 Fn. a. – noch ein Nachweis zur hier wiederholt behaupteten Parallelität von Besserung und positiver Generalprävention. 857 Welcker, Letzte Gründe, S. 111. 858 Welcker, Letzte Gründe, S. 249 ff. Ausführlich zur Theorie des intellektuellen Verbrechensschadens Müller-Dietz, GA 1983, S. 487 ff.; Rückert, Intellektueller Verbrechensschaden, S. 60 ff., 101 ff., 149, welche die Parallele zur positiven Generalprävention betonen. 859 Abegg, Verschiedene Strafrechtstheorien, S. 54. 860 Abegg, NArchCrimR 1850, S. 531. 854 855

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liches herrsche“.861 Auch für Köstlin, der den Staat als „sittliche Weltordnung“ konzipiert,862 solle die Strafe als Wiederaufhebung des Verbrechens „zur Sicherung aller dienen und im Bewußtsein Aller die Macht des Rechts gegen das Unrecht wiederherrstellen“.863 Man vergesse nicht Stahl, der den Staat als „sittliches Gemeinwesen“ versteht, dessen Zweck als „Vollendung des menschlichen Gemeinlebens“ ihn zum „Träger und Schutzwehr der innern Sittlichkeit des Einzelnen“ macht.864 Wenn seine unter den absoluten Theorien eingeordnete Lehre die Strafe als Aufrechterhaltung der Herrlichkeit des Staates versteht,865 hat das aus heutiger Sicht schon einen starken positiv-generalpräventiven Einschlag. Die Zweifel darüber, ob er die positive Generalprävention vertrat, verschwinden aber spätestens angesichts seiner Überlegungen zu den Nebenzwecken der Strafe, die unter der Flagge der Förderung der „Sittlichkeit der Bevölkerung“ stehen: „Denn die Strafe schreckt nicht bloß psychologisch vom Verbrechen ab, sondern sie erfüllt auch sittlich mit dem Bewußtseyn der Verdammlichkeit des Verbrechens und dem Abscheu vor den sündlichen Triebfedern, die zu ihm führen.“866 Von dort führt eine gerade Linie bis zu den Quasi-Hegelianern des ausgehenden 19. Jahrhunderts, als deren prominentester Repräsentant wohl von Bar gilt: Durch die Strafe fälle die Gesellschaft ein sittliches Missbilligungsurteil über die Tat, und das Volksempfinden, wonach Straftaten eine Missbilligung verdienten, sei der Grund für die Gerechtigkeit der Strafe.867 Und Georg Jellinek verschmolz die Hegel’sche Tradition mit naturalistischem Gesellschaftsdenken, die beide historisch nicht so weit auseinander liegen, wie die heutigen Hegelianer anzunehmen scheinen.868 Für ihn ist alles ethische Sollen aus den Existenzbe861

Abegg, Strafrechtstheorieen, S. 28. Köstlin, Neue Revision, S. 24. Zum Staatsbegriff der Hegelianer siehe die Nachw. oben Teil D., Fn. 505. 863 Köstlin, Neue Revision, S. 677; siehe ferner Berners moralisch durchtränkten Begriff der „Genugthuung“ (Lehrbuch 1, S. 30 f.). 864 Stahl, Philosophie des Rechts I/1, § 48 ff.; II/2 § 30 ff. (Zitate S. 106, 112, 121). 865 Stahl, Philosophie des Rechts II/2, § 140 ff. (insb. S. 515). 866 Stahl, Philosophie des Rechts II/2, S. 521 f. Nicht überraschend vertritt er an derselben Stelle mit denselben Argumenten auch die Besserungstheorie, da beide auf die Aufgabe des Staates, „Träger der Sittlichkeit der Menschen“ zu sein (S. 523), zurückgeführt werden. Zu Stahls Straftheorie ausführlicher Helga Müller, Generalprävention, S. 240 f. 867 v. Bar, Probleme des Strafrechts, S. 12, 15; auch ders., Grundlagen, S. 92 f. Ich nenne v. Bar einen Quasi-Hegelianer, weil er – trotz seiner Distanzierung zur Hegel’schen Dialektik (z. B. Grundlagen, s. 9 f.) – viele für Hegelianer typische Ansichten vertrat. S. ferner oben Teil D., Fn. 350. 868 Etwa Lesch, Verbrechensbegriff, z. B. S. 126 f. Die Linie von Hegel zu Comte zeichnet Jellinek, Sozialethische Bedeutung, S. 36 ff. selbst; für seinen Naturalismus vgl. S. 9. Geschichtliche Kontinuitäten werden nachgezeichnet von Hayek, CounterRevolution of Science, S. 185 ff. 862

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dingungen der Gesellschaft ableitbar.869 Das Recht bilde davon das „ethische Minimum“, das Unrecht als „Herabsinken unter das ethische Minimum“ einen „Angriff auf diese Existenzbedingungen“, das unterschiedliche sozialpsychologische Wirkungen hervorrufe, vor allem eine Minderung der Autorität der Norm, und die Strafe sei letztlich der Ausgleich dieser zersetzenden sozialpsychologischen Wirkungen.870 Am Ende des 19. Jahrhunderts fasste die positivistische Betrachtungsweise festen Fuß in der Strafrechtswissenschaft. Weder die schwierigen Wendungen, noch die allgemeine moralisierende Einstellung der von Hegel inspirierten Autoren entsprachen der Art der sog. Klassischen Schule und ihrer Vorgänger Merkel und Binding. Man sprach zwar von Vergeltung, aber dies in aller Regel mit einer doppelten Qualifikation. Erstens ging es nicht um eine moralische Vergeltung, wie bei den Hegelianern, sondern um eine „verweltlichte“ oder „rechtliche“ Vergeltung:871 Gerechtigkeit sei keine Forderung der Moral, sondern schon eine des Rechts. In diesem Sinne war die klassische Schule durchaus liberal. Und zweitens – vielleicht auch zunächst paradoxal – vertraten die Vorkämpfer dieser Schule die Vergeltung nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zur Verbrechensverhütung.872 Die absolute Straftheorie der Klassischen Schule war also durchaus relativistisch begründet, wie neuere Untersuchungen zutreffend dargelegt haben.873 Liest man die Argumentation damaliger Autoren, dann wundert man sich, dass sie sich für Vertreter des Vergeltungsgedankens hielten, und nicht als Befürworter dessen, was man heute unbekümmert positive Generalprävention nennt: So meinte Merkel, Strafen wirkten nicht „durch Vermittlung von Furcht“, sondern von „Ansehen“,874 Richard Schmidt sprach von „Klärung, Vertiefung, der rechtlichen Gesinnung im Volk“,875 Oetker vom „belehrenden, pflichtbekräftigenden, warnenden Walten der Strafe“, das sich „kontinuierlich an der Gesamtheit der Rechtsgenossen“ vollziehe,876 und Nagler benutzte die Worte Generalprävention und Vergeltung gelegentlich sogar als Synonyme.877 869

Jellinek, Sozialethische Bedeutung, S. 19 f. Jellinek, Sozialethische Bedeutung, S. 42 (Recht), 56 ff. (Unrecht und dessen Wirkungen), 116 (Strafe). 871 Die erste Redeweise wurde von R. Schmidt, Aufgaben, S. 54 geprägt; zust. Beling, Vergeltungsidee, S. 31. Für die Redeweise der rechtlichen Vergeltung am nachdrücklichsten Nagler, Die Strafe, S. 557 ff.; ders., GS 94 (1927), S. 58 f.; ders., GS 95 (1927), S. 53, 54 Fn. 1 (hier mit spezialpräventivem Einschlag); ders., GS 103 (1933), S. III; ders., LK6, S. 133; auch Beling, Vergeltungsidee, S. 50. Verbreitet war auch die Wendung „Rechtsstrafe“ (Wach, Reform der Freiheitsstrafe, S. 42; Oetker, GS 91 [1925], S. 321, 326). 872 Für Nachw. siehe oben D. I. 4. b), (S. 237 ff.). 873 Siehe die Nachw. unten Teil D., Fn. 1069. 874 Merkel, Lehrbuch, S. 177. 875 R. Schmidt, Einführung3, S. 416; ders., GS 96 (1928), S. 12 ff. 876 Oetker, GS 91 (1925), S. 330. 877 Nagler, GS 103 (1933), S. XII. 870

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Nach heutiger Terminologie würde man ähnliche Sätze bei Vertretern der positiven Generalprävention lesen – wenn auch denjenigen einer rechtlichen positiven Generalprävention. Am interessantesten erscheint aber Wach, der ganz am Anfang dieser Entwicklung steht und dessen Schrift von 1890 von den Klassikern immer wieder zitiert wurde: Er meinte zwar, dass Strafe als „Werturteil über die Übelthat“ eine „praktische Bethätigung des öffentlichen Gewissens“ sei. Nur solle sie – unter Zurückweisung aller Spezialprävention – allein „auf dem Gebiete des Rechts, der äußeren Handlung, nicht der Gesinnung“ wirken.878 Dieser Versuch der Quadratur des Kreises bleibt immerhin aufschlussreich: Ihm waren anscheinend noch Zusammenhänge und Bedenken präsent, die uns mit der Zeit verloren gingen.879 Eine Bemerkung ist noch am Platze. Obwohl die Klassische Schule im Ganzen nicht moralistisch war, behielten einige ihrer Vertreter etwas von den Lehren ihrer Vorgänger, nämlich eine allgemein kollektivistische oder anti-individualistische Einstellung.880 Für Binding war es Aufgabe der Strafe, die „Autorität des verletzten Gesetzes aufrecht zu halten“, der „Austrag des Streits zwischen Rechtswillen und Untertanentrotz zu Gunsten der Rechtsherrlichkeit, die der Sträfling in der Strafe erduldet“;881 Nagler sah die Strafe als „Akt der Selbstbehauptung“, als Durchsetzung des „absoluten Geltungsanspruchs“ des Rechts als „autoritäre Macht“,882 und sehr deutlich ist die 1927 ausgesprochene Aufforderung Fingers: „Es ist Zeit, den Haß gegen den Staat und seine Autorität aufzugeben . . . Notwendig ist es auch, sich von individualistischer Einstellung loszulösen, zu erkennen, dass der einzelne nur Wert hat als Glied eines Ganzen, dem er sich völlig unterordnet.“883 Kein Wunder, dass wieder die Metapher des Erziehers auftaucht.884 Nicht zuletzt daher war es Vielen, die zur Zeit des nationalsozialistischen Umbruchs noch lebten, nicht schwierig, sich die neue Anschauung anzueignen.885 878

Wach, Reform der Freiheitsstrafe, S. 57. Konkret: Den unten D. II. 4. c) (S. 435 ff.) sog. Autonomie-Einwand gegen die Resozialisierung hatte er noch mehr oder weniger vor Augen (vor allem S. 58). 880 Siehe auch sehr fein und ausdifferenziert Rauch, Klassische Strafrechtslehre, S. 9 ff., 13 ff., 20, 57 f. und passim, der auch den liberalen Gehalt einzelner Lehren und Äußerungen nachverfolgt. 881 Binding, Grundriss8, S. 226 (erstes Zitat); ders., Normen I, S. 502 (zweites Zitat). Sehr ähnlich Beling, Vergeltungsidee, S. 36, 43: Vergeltung „ist Schutz eines einzigen Rechtsguts: der Staatsautorität“, obwohl er die Autorität für etwas „Sekundäres“ erklärt (S. 37); Lobe, LK2 S. 7 f.; Oetker, GS 70 (1907), S. 332; weitere Nachw. bei Rauch, Klassische Strafrechtslehre, S. 22. 882 Nagler, Die Strafe, S. 548. Siehe später ders., GS 103 (1933), S. V ff. (der „Universalismus“ und „Individualismus“ gegenüberstellt und sich im Sinne des ersten und des damit verbundenen „autoritären Staates“ bekennt); dazu auch Telp, Ausmerzung, S. 211 ff. 883 Finger, GS 95 (1927), S. 114. 884 Z. B. Beling, Vergeltungsidee, S. 37. 879

II. Die Straftheorie

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Spricht man von der klassischen Schule, denkt man sofort auch an ihren Gegner, die sog. Moderne Schule v. Liszts. Nach gängiger Schilderung ging es im sog. Schulenstreit um den Streit zwischen den die Vergeltung vertretenden Klassikern und den die Prävention, insbesondere die Spezialprävention, vertretenden Modernen. Sieht man aber ein, dass auch die Klassiker letztlich präventiv argumentierten, erscheint eine Neuinterpretation des Streites angebracht, welche die Gemeinsamkeiten und Unterschiede anders bewertet886 – eine Neuinterpretation, die so neu auch wieder nicht ist, denn schon v. Liszt betonte, die Trennung sei „mehr Gegensatz des Temperaments, als der Ansichten, mehr der Taktik, als des Zieles“.887 Gemeinsam war beiden Schulen die präventiv-konsequentialistische Orientierung, unterschiedlich war aber ihre Auffassung von Konsequentialismus. v. Liszt stellte das herkömmliche System vor die Herausforderung, seine Leistungen bzgl. der Verbrechensverhütung hier und jetzt, und bei jeder Verurteilung, nachzuweisen. Die Klassiker dagegen erwarteten präventive Wirkungen erst auf lange Sicht. Man könnte deshalb den Streit anders interpretieren, nämlich so, dass v. Liszt eher ein Aktkonsequentialist gewesen sei, der jede einzelne Bestrafung mit dem Hinweis auf ihre konkreten Folgen für rechtfertigungsbedürftig erklärte, während die Klassiker eher Regelkonsequentialisten gewesen seien, die sich positive Folgen erst von der konstanten Befolgung bestimmter Regeln versprachen.888 Aber auch die Schule v. Liszts brachte positiv-generalpräventive Theorien hervor, insb. in den Personen der Liszt-Schüler Kohlrausch und Exner. Erster sah den „Sinn eines Strafgesetzes“ darin, „durch Gebot oder Verbot und weiter durch Androhung von Normwidrigkeitsfolgen, von ,Strafen‘, das soziale Gewissen zu schärfen“,889 und Exner behauptete, der Erziehungsgedanke sei zu „erweitern auf die Idee der Sozialpädagogik, der erzieherischen Einwirkung auf die Gesamtheit“, so dass man „unter Generalprävention nicht nur die Abschreckung des Täters“ begreifen solle: Es gehe vielmehr darum, dass „die Strafrechtspflege als Erzieherin und Lenkerin des sozialen Bewußtseins“ auftrete.890 885 Nagler, GS 103 (1933), S. I ff., XVIII ff.; R. Schmidt, Einführung3, S. 421, 429 ff.; dagegen aber die Nationalsozialisten selbst, etwa Rauch, Klassische Straftrechtslehre, S. 18 Fn. 102, S. 22 Fn. 1; insoweit ist die Kontinuitätsthese Nauckes, Vorwort, S. VI; und Marxens, Kampf, S. 17; ders., KritV 1990, S. 287 ff. berechtigt. Zur Beziehung von Klassikern und Nationalsozialisten vgl. Marxen, Kampf, S. 128 ff. 886 Siehe Nachw. unten Teil D., Fn. 1069. 887 v. Liszt, Zukunft des Strafrechts, S. 15; siehe ferner ders., Deterministische Gegner, S. 54; und am deutlichsten ders., Revision des Strafgesetzbuches, S. 371 („In der Tat ist bei Merkel bereits, mehr aber noch bei seinen späteren Anhängern, der Begriff der Vergeltung durchaus zu dem der Generalprävention verflüchtigt worden“). 888 Zu diesen Begriffen oben Teil C., Fn. 85. 889 Kohlrausch, Schuld, S. 183, wobei der Schwerpunkt weiterhin in der negativen Generalprävention zu sehen ist. 890 Exner, Strafrecht und Moral, S. 28.

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Ein klareres Beispiel für eine moralisierende Fassung der positiven Generalprävention kann man seit v. Bar kaum finden. Exners Herkunft aus der Modernen Schule belegt auch, wie die moralisierende positive Generalprävention der klassischen Schule prinzipiell fremd blieb.891 Und in diesem Streit weitgehend neutrale Autoren wie Mezger sprachen 1931 von der Generalprävention i. S. einer „sozial-pädagogischen Gestaltung des Bewußtseins der Allgemeinheit im Sinne einer rechtmäßigen Einstellung . . .“ als vorzüglicher Strafzweck.892 Im Zeitalter des Nationalsozialismus kam es zu einer Hochblüte positiv-generalpräventiver Theorien, vor allem in moralisierender Form.893 „Integration“ war in den 30er Jahren anscheinend – nach dem Urteil Radbruchs – ein Modewort.894 Sauer sagte, seine Theorie „stellt sich in erster Linie aber gar nicht auf den Verbrecher ein, sondern auf die Volksgemeinschaft, auf deren sozialen Ertüchtigung und auf die Erhaltung ihres zur Zeit noch gesunden Rechtsempfindens“.895 Dahm/Schaffstein wollten die Strafe zur „Erziehung der Gesamtheit“ einsetzen, um „ein Höchstmaß von Staatsgesinnung zu erzielen“,896 und Dahm erklärte die „Integration“ i. S. einer Wiedereingliederung des Täters in die Gemeinschaft und der „Verfestigung und Vertiefung des inneren Zusammenhalts der Gemeinschafts“ zu den Hauptzwecken seiner sog. Ehrenstrafe.897 Hellmuth Mayer schrieb nicht zufällig 1936 dem Strafrecht eine sittenbildende Kraft zu.898 Und Welzel formulierte auch gerade 1944 seine Theorie des „substantiellen Begriffs des Strafgesetzes“ als „Erhaltung rechtlicher Gesinnungswerte“.899 Gallas nannte die „Bewährung der Rechtsherrlichkeit des Staates“ die „vornehmste Funktion der Strafrechtspflege“, und präzisierte, dies sei keine „,zwecklose‘ Vergeltung im Sinne der metaphysischen Theorien“, sondern der Gedanke, dass „gerade in der Rechtsbewährung die beste Garantie für das durchschnitt891 Ausnahmen gab es immerhin, vgl. Finger, GS 95 (1927), S. 109 f., 116 (siehe trotzdem S. 125 f.); R. Schmidt, Grundriß, S. 45: Vergeltung solle „im Volk die Vorstellung von Gut und Böse, Recht und Unrecht“ einprägen; ähnlich ders., GS 96 (1928), S. 13 („Erziehung zur Gerechtigkeit“). 892 Mezger, Lehrbuch1, S. 504. 893 I.d.S., dass diese Überlegungen sich sachlich mit der heute sog. positiven Generalprävention weitgehend decken, wohl auch Marxen, Kampf, S. 147; deutlich MüllerTuckfeld, Integrationsprävention, S. 367; dagegen zu Unrecht Telp, Ausmerzung und Verrat, S. 55 Fn. 37, S. 62 Fn. 77. 894 Radbruch, Autoritäres oder soziales Strafrecht?, S. 236. 895 Sauer, GS 103 (1933), S. 25. 896 Dahm/Schaffstein, Liberales oder autoritäres Strafrecht, S. 41. Interessanterweise vertreten schon die Autoren, dass diese sozialpädagogischen Wirkungen nur von der gerechten Strafe erreicht werden (S. 41 f.). 897 Dahm, Nationalsozialistisches Strafrecht, S. 17; siehe auch ders., MSchrKrimPsych 24 (1933), S. 175: „Integrationseffekte des Strafrechts“; ders., ZStaW 95 (1935), S. 286. Krit. Radbruch, Autoritäres oder soziales Strafrecht?, S. 236. 898 H. Mayer, Strafrecht, S. 26; siehe auch ders., DStR 1938, S. 106. 899 Welzel, Begriff des Strafgesetzes, S. 229.

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liche Wohlverhalten der Rechtsunterworfenen“ liege.900 Bis in die Terminologie hinein zeugen einige Gedanken der Zeit von ihren positiv-generalpräventiven Zügen: So meinte v. Gemmingen bezüglich der Generalprävention: „Neben die negativ-schreckende Wirkung tritt die positiv-stärkende“ als „Manifestation von Staatsmacht“;901 Klee kannte die „generalpräventiven Wirkungen der Abschreckung, der Wiederherstellung des in der Bevölkerung erschütterten seelischen Gleichgewichts durch das mit der Strafe verbundene sozial-ethische Unwerturteil“,902 und Siegert sprachen von „Integration“ i. S. der „Wiederaufrichtung des erschütterten Rechtsbewußtseins“ bzw. der Stärkung der Gemeinschaft als wichtigstem Zweck der Strafe.903 Häufig sprach man hier von Vergeltung.904 Im Vergleich zur Lehre der Klassischen Schule muss man vor allem die Akzentverlagerung auf das Moralische hin und die Gemeinschaftsbezogenheit betonen. Auch nach dem zweiten Weltkrieg lebten diese Theorien, wenn auch unter Verzicht auf rassistisch-völkisches Gedankengut, weiter, meistens unter dem Namen der Vergeltungstheorie. Die viel kritisierte Vergeltungstheorie der Großen Strafrechtskommission war in weiten Teilen von positiver Generalprävention durchtränkt. So sprach Mezger wie vor dem Krieg von der sozialpädagogischen Gestaltung der Einstellung der Bevölkerung zum Recht,905 und auch Welzel und Hellmuth Mayer änderten wenig an ihren früheren Gedanken.906 Auch Gallas’s und Jeschecks Vereinigungstheorien nahmen wesentliche Ergebnisse dieser moralisierenden positiven Generalprävention auf,907 und Bockelmann meinte, „die sittlichen Grundwerte muß das Strafgesetz garantieren“, um den „Verfall der Rechtsgesinnung“ zu verhindern.908 Zu dieser geistigen Atmosphäre gehören selbst Kinder aus dem entgegengesetzten, d.h. dem „modernen“ Lager: So

900 Gallas, ZStW 53 (1934), S. 22. Dies sei eine „Generalprävention durch Vergeltung“ (ebda. Fn. 34); ferner wird S. 27 Fn. 49 von der „gesamterzieherischen Aufgabe der Strafe“ gesprochen. 901 v. Gemmingen, MSchrKrimPsych 24 (1933), S. 190. 902 Klee, ARSP 28 (1935/1935), s. 485. 903 Siegert, ZStW 54 (1935), S. 419; ders., Grundzüge, S. 12 f. (Zitat S. 11). 904 Sauer, GS 103 (1933), S. 23 ff.; auch Siegert, MSchrKrimPsych 23 (1932), S. 694; ders., Grundzüge, S. 12: „Vergeltung im modernen Sinne“. 905 Mezger, Lehrbuch3, S. 504. 906 Welzel, Strafrecht11, S. 1 ff., 238 ff.; ders., Gesinnungsmoment, S. 263; H. Mayer, AT, S. 23; ders., Studienbuch, S. 21; ferner ders., Gesetzliche Bestimmtheit, S. 260. 907 Gallas, Gründe und Grenzen, S. 4, 11; Jescheck, Menschenbild, S. 8, wo von einem „kraftvollen Strafgesetz, das sittliche Werte kennt und anerkennt, die Existenz und Verbindlichkeit sittlicher Pflichten voraussetzt und dem Volke wie in einem Spiegel das Bild seines besseren Selbst vor Augen führt“, die Rede ist; ders., JBl. 1998, S. 617. 908 Bockelmann, JZ 1951, S. 495. „Das alles aber hat mit Generalprävention nichts zu tun“. S. ferner K. Peters, Strafrechtsreform, S. 32 f.: „Sichtbarmachung der ethischen Grundordnung“; ders., Erziehungsvollzug, S. 505; Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 79, trotz seiner Betonung negativ-generalpräventiver Aspekte.

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konnte der Radbruch-Schüler Arthur Kaufmann 1961 schreiben, die Strafe habe „die Aufgabe, den Herrschaftsanspruch der Moral- und Rechtsordnung sichtbar zu machen und dadurch das sittliche und rechtliche Bewusstsein der Gesellschaftsmitglieder zu stärken“.909 Dies sei „gerechte Vergeltung“.910 Der jüngeren Generationen klang das – zu Recht – allzu moralistisch, so dass man sich entschieden gegen diese so verstandene Vergeltung stellte. Hier ist vor allem an Roxin zu denken, der die Vergeltung für nur unter der Voraussetzung eines „Glaubensakts“ nachvollziehbar erklärte.911 Die Gedanken der ersten Generation deutscher Nachkriegsprofessoren verkörperten sich im Alternativentwurf eines Strafgesetzbuches von 1966, der neben der Ablehnung der Vergeltung sich entschieden für die Resozialisierung einsetzte912 und so versuchte, sich in die Tradition v. Liszts einzuordnen.913 Nach wenigen Jahren war aber die Resozialisierungseuphorie schon in Misskredit geraten,914 so dass man nach einer Alternative zu dieser Lehre suchte, ohne der Vergeltungstheorie wieder anheim zu fallen. Das war zwar nicht die Geburtsstunde, aber doch wohl die Taufe der positiven Generalprävention, so wie wir sie kennen. Die heutige positive Generalprävention ist zwar überwiegend eine rechtliche positive Generalprävention und in diesem Sinne liberaler als die moralisierende positive Generalprävention, die hinter den älteren Vergeltungstheorien stand. Trotzdem bleibt bei einigen Autoren eine gewisse Nähe zu kollektivistischen Tendenzen, die auch bei Theorien der Restaurationszeit und der Klassischen Schule festgestellt worden sind, zu konstatieren, insbesondere bei den Autoren, die sich noch heute ausdrücklich auf Hegel oder Luhmann berufen.915 Dass sie aber als Nachfolgerin der Resozialisierungstheorie auf der Bühne erschien, erklärt auch, weshalb sie mit dem Gedanken der Autonomie nicht klar kommt. Die Schranke, dass der Staat nicht berechtigt sei, mittels Zwanges in die Gesinnung der Bürger einzudringen, war schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts gefallen, und seitdem hat man es nicht geschafft, sie wieder aufzurichten. Als Ergebnis des historischen Überblicks lässt sich dreierlei festhalten: Erstens, dass es moralisierende Theorien positiver Generalprävention (wie etwa die 909

Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 206. Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 206. 911 Roxin, Sinn und Grenzen, S. 5. International wurde diese Wendung vielfach aufgenommen, z. B. Fragoso, Lições5, S. 278; Roca Agapito, Sistema de sanciones, S. 84. 912 AE, S. 29. 913 Roxin, Franz v. Liszt, S. 33; Eb. Schmidt, NJW 1967, S. 1929. 914 Zur Aufarbeitung der zunehmenden Resozialisierungskritik Eser, Resozialisierung, S. 505 ff.; Kaiser, Resozialisierung, S. 359 ff. m. w. Nachw.; Jescheck, ZStW 91 (1979), S. 1038 ff., S. 1050, 1055; Roxin, JA 1980, S. 226 f.; ders., JA 1980, S. 551 f.; Hassemer, KrimJ 1981, S. 161 ff. 915 Vor allem Jakobs, Schuld und Prävention, S. 10; ders., AT2, § 1/21; Otto, ZStW 87 (1975), S. 557 ff., 587. 910

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Lehren der Restaurationszeit, die Lehre v. Bars, die Lehre Exners, die nationalsozialistische Straftheorie und die sog. Vergeltungstheorie der Nachkriegszeit) gibt, die sowohl wegen ihres ausgesprochenen Strafrechtsmoralismus, als auch wegen ihres Kollektivismus, problematisch erscheinen. Zweitens, dass es rechtliche Theorien positiver Generalprävention (wie die der Klassischen Schule und die von heutigen Autoren überwiegend vertretene Konzeption) gibt, die zwar nicht ausgesprochen moralistisch sind, dies aber immerhin in einem schwächeren Sinne bleiben, da nach obiger (3) Argumentation der Staat nicht berechtigt ist, durch Zwang die Einsicht in das Richtige herbeizuführen; zudem lässt sich ein gelegentlicher Kollektivismus, vor allem bei den Klassikern, feststellen. Drittens, und dies ist am wichtigsten, ist festzustellen, dass die positive Generalprävention erst aufblühen konnte, als man dem Staat ein Recht über die Gesinnung der Bürger verlieh. Das zeigt, warum eine konsequent liberale, d.h. überhaupt nicht moralisierende und streng individualistische Theorie gegenüber der positiven Generalprävention nicht zu schweigen hat, sondern sie entschieden ablehnen muss, wie dies auch Feuerbach getan hat.916 ee) Der geschichtliche Rückblick legt auch eine Antwort auf die Frage nahe, welchen Grundfehler die oben zitierten liberalen Autoren Wieland, Feuerbach, Almendingen, Grolman und v. Schilling begangen haben. Nach hiesiger Deutung ging es ihnen darum, den Staat auf seine Schranken zu verweisen, insbesondere darauf, dass dieser seine Waffen vor der Tür des Innenbereichs der Bürger ablegen müsse. Mit anderen Worten, man wollte die Autonomie des Bürgers gegenüber den sich auf die Sittlichkeit berufenden Ansprüchen des Leviathans sicher stellen. Nur hat man wieder überwiegend – wenn auch nicht immer – den Fehler begangen, ein Argument zu viel vorzubringen. Statt einer entschlossenen Behauptung, Erziehung durch Zwang sei mit der Autonomie des zu Erziehenden nicht verträglich, hat man dem überwiegend hinzugefügt, man könne Erziehung durch Zwang nicht erreichen, Zwang sei kein taugliches Mittel zur Erziehung. Das bekannte Muster taucht nochmals auf: Schon wieder versucht man, Deontologie aus Konsequentialismus abzuleiten, ohne zu erkennen, dass man die deontologische Schranke dadurch nicht stärkt, sondern sie nur vielen Kontingenzen ausliefert. Die hiesige Ableitung der Abschreckungstheorie stellt keinen solchen Versuch da. Die Abschreckung wird allein konsequentialistisch abgeleitet, wie dies 916 Man könnte versuchen, das Argument durch die Einbeziehung der angelsächsischen positiven Generalprävention zu erweitern. Anknüpfungspunkt der Kritik könnte der ausdrückliche Verweis auf kommunitaristisches Gedankengut sein, das als Hauptquelle der Annahme, man dürfe vom Bürger eine rechtskonforme Gesinnung fordern, dient (so am klarsten Duff, Punishment, Communication, Community, S. 35 ff., S. 81; ders., Punishment & Society 1 [1999], S. 27 ff.; ders., Punishment, Expression and Penance, S. 246; Lacey, Punishment, S. 179). Diese Erweiterung wird aber einer künftigen Gelegenheit vorbehalten bleiben müssen.

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schon bei den genannten Autoren der Fall war. Nur versucht man hier nicht Theorien, die jenseits der Abschreckung stehen, die also den Bürgern moralbezogene Gründe im weiteren Sinne aufzwingen wollen, dadurch abzulehnen, dass man sie für konsequentialistisch falsch erklärt. Um nicht denselben Fehler der zitierten Aufklärer zu begehen, muss man betonen, dass derartige Theorien gegen die Schranke der Autonomie verstoßen, Punkt. Man kann dann präzisieren, was man unter Autonomie versteht und wie der behauptete Verstoß genau aussieht. Die weitere Frage aber, warum man sich einen solchen Verstoß nicht erlauben dürfte, ist schon konsequentialistisch voreingenommen und lässt gerade das Entscheidende verschwinden. ff) Als Fazit der oben cc) entwickelten und oben dd) u. ee) historisch erhärteten Argumente lässt sich festhalten, dass eine liberale Theorie der Bedingungen legitimen Strafens keinen Platz für einen Strafandrohungszweck positiver Generalprävention hat. Die Tatsache, dass ein Verbot den Menschen Gründe geben wird, sich nach unseren Vorstellungen zu verhalten, bloß weil dies dem im Verbot verkörperten Richtigkeitsurteil entspricht, ist kein Grund, ein Verbot aufzustellen. Bedeutet das, dass die Lehre völlig zu verwerfen ist? Das ist zu bejahen, wenn auch mit zwei Qualifikationen. Außerhalb der Straftheorie, also des Unterfangens, eine Strafe argumentativ zu rechtfertigen, behält die positive Generalprävention ihr volles Recht. Sie kann zum Zwecke der Beschreibung oder Erklärung der Strafe und ihres gesellschaftlichen Funktionierens ohne weiteres herangezogen werden. Zudem – und für die Straftheorie interessanter – muss man sich überlegen, welche theoretischen Folgen die hier vertretene Position für den Fall hat, dass die Strafe nicht einmal die nach der positiven Generalprävention für wünschenswert erklärte Einsicht in Richtig und Falsch fördert, sondern diese Einsicht sogar positiv beeinträchtigt. Man denke etwa an die Todesstrafe: Ein immer wieder gegen diese Maßnahme geltend gemachtes Argument ist, dass der Staat durch sie die Anerkennung des Lebens und der Menschenwürde im Volk beeinträchtige.917 Der Staat dürfe kein schlechtes Beispiel geben. Die hinter diesen Argumenten stehende Intuition lässt sich durchaus theoretisch begründen. Der Staat ist zwar nicht befugt, seine Bürger durch Zwang moralisch oder 917 Bereits Beccaria, Delitti, § XXVIII (S. 92); Rabdruch, Einführung7/8, S. 109 f. („Blutgeruch“); ders., Zur Todesstrafe, S. 302; ders., Ende der Todesstrafe, S. 339; heute Andenaes, General Prevention, S. 58; Correia, Peine de mort, S. 27; Espy, Crime & Delinquency 26 (1980), S. 538 ff.; Garcia Valdes, Pena capital, S. 24; Keller, Todesstrafe, S. 259; Stratenwerth, Todesstrafe, S. 52; Versuch eines empirischen Belegs bei Bowers/Pierce, in: Crime & Delinquency 26 (1980), S. 453 ff., 481 ff. (zust. Martis, Todesstrafe, S. 181, 190); in dieselbe Richtung vorsichtig Bailey, Criminology 36 (1998), S. 711 ff.; en passant Bedau, Death Penalty Today, S. 45; empirischer Beleg sowohl der Brutalisierung als auch der Abschreckung bei Cochran/Chamlin, Justice Quarterly 17 (2000), S. 697 ff.; Shepherd, MichLRev 104 (2005–2006), S. 247 ff. (wobei die Brutalisierung überwiege).

II. Die Straftheorie

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auch rechtlich zu bessern; sie zu verschlechtern ist ihm aber erst recht verwehrt. Das bedeutet in den Begriffen der Straftheorie, dass die positive Generalprävention kein Strafzweck ist; die Erweckung von Einsicht in Recht und Unrecht bezeichnet also keinen Zustand, dessen Erreichung oder Förderung einen guten Grund zum Strafen abgibt. Aber die Beeinträchtigung dieser Einsicht bezeichnet durchaus einen Zustand, dessen Erreichung oder Förderung einen guten Grund dafür abgibt, nicht zu strafen. M.a.W.: Die positive Generalprävention ist als positiver Strafzweck, als Grund zum Strafen, abzulehnen; eine gewisse Berechtigung als negativer Strafzweck, als Grund, nicht zu strafen, behält sie aber immerhin. Das ist keine ad-hoc-Modifikation unseres Ergebnisses, sondern Ausfluss derselben Achtung vor der Einwirkung in die moralische Autonomie der Bürger, die die oben vertretene Ablehnung der positiven Generalprävention als (positiven) Strafzweck trägt. Belegt wird das ferner geschichtlich durch den Hinweis auf bereits zitierte Autoren, die frühestens seit Montesquieu918 zwar die positive Generalprävention als Grund zum Strafen nicht kannten, diese Lehre aber trotzdem als Grund, nicht zu strafen, anführten: denn übermäßiges Strafen schade dem Ansehen des Gesetzes.919 Die Implikationen dieses Konzepts müsste man aber in einer diesem Problem gewidmeten Untersuchung ausarbeiten. g) Gesamtfazit zum Zweck der Strafandrohung Zweck der Strafandrohung ist also mit Feuerbach die allgemeine Abschreckung. Abschreckung soll aber nicht im psychologischen Sinne verstanden werden, bezogen auf Motive wie Furcht, sondern mit Bezug auf die rationalitätstheoretische Kategorie der Gründe zum Handeln. Abschreckung bedeutet danach Bekanntmachung von klugheits- und nicht von moralbezogenen Gründen, keine Straftaten zu begehen (funktional-prudentieller Abschreckungsbegriff). Eine so definierte Abschreckung lässt sich als Strafandrohungsszweck postulieren, wenn man von der alltagstheoretisch begründeten empirischen Prämisse ausgeht, dass Menschen sich anhand von Gründen motivieren lassen können. Die gegen die Abschreckungstheorie häufig gerichteten empirischen und normativen Einwände berühren die hiesige Neuformulierung z. T. gar nicht, z. T. las918

Montesquieu, De l’esprit des lois, Livre XI, 12. Nachw. oben Teil D., Fn. 765. In Bezug auf Filangieri sprechen zutreffend Seelmann/Becchi, Filangieri, S. 77 von positiver Generalprävention. Siehe ferner Mittermaier, Grundfehler, S. 59 f. gegen dasjenige, was heute als Überkriminalisierung bezeichnet wird, und von ihm damals „Ausdehnung des criminellen Gebietes“ genannt wurde: „. . . durch diese Vervielfältigung der Verbrechen verliere sich die heilige nothwendige Scheu vor dem ernsten Gebiete des Criminellen . . .“; heute etwa Kindhäuser, GA 1989, S. 506 f.; Hassemer, ZRP 1992, S. 381 („Sichtbarkeit des Unrechts“); Frisch, An den Grenzen, S. 81, 85 f. („Strafadäquität“); Prittwitz, Ultima ratio, S. 403. 919

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sen sie sich durch begriffliche Präzisierungen ausräumen, und zu einem letzten Teil belegen sie weniger die Falschheit der Theorie als deren Ergänzungsbedürftigkeit durch nicht-konsequentialistische Erwägungen. Die bisher ausformulierte Straftheorie erklärt also, welchen Nutzen man von der Androhung einer Strafe erwarten darf. Ob und unter welchen Voraussetzungen man eine nützliche Strafe androhen darf, wird erst an anderer Stelle untersucht (unten 5. [S. 478 ff.]). Davor wollen wir noch nach dem zu erwartenden Nutzen einer Strafzufügung fragen. 4. Zwecke zweiter Ordnung (II): Der Zweck der Strafzufügung a) Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung als Strafzufügungszweck Strafe wird allgemein angedroht. Man erwartet, die darin verkörperten klugheitsbezogenen Gründe würden eine greifbare präventive Wirkung zeitigen in dem Sinne, dass weniger Straftaten begangen werden. Einige Straftaten werden trotzdem begangen. Es entsteht deshalb die Frage, was zu tun ist. Soll man strafen? Und wenn ja, warum? Feuerbach gibt auf diese beiden Fragen eine so einfache wie richtige Antwort: Ja, man muss strafen; und der Grund dafür ist, dass eine Androhung ohne Zufügung ihren Ernst, ihre Wirklichkeit verliert. Die Argumentation ist trotz ihrer Einfachheit nicht unrichtig. Vielmehr fügt sich das von ihr behauptete empirische Verhältnis zwischen Nicht-Verwirklichung des Angedrohten und Verlust des Glaubens an den Ernst der Androhung in unser System von Alltagserfahrungen reibungslos ein. In diesem Sinne – und das ist der maßgebliche Sinn der strafrechtsrelevanten Empirie [siehe oben II. 3. d) (S. 367)] – sind die Gedanken Feuerbachs empirisch fundiert. Man denke etwa an die Frau, die zum zehnten Male droht, ihren Mann zu verlassen, falls er wieder betrunken heimkehrt – selbst wenn sie sich irgendwann dann doch zu diesem Schritt entschließt, wird wahrscheinlich der Mann vor seiner letzten Tat die Drohung nicht als eine ernste erkannt haben. Oder man denke an den Vater, der seinem Sohn androht, ihm den Autoschlüssel weg zu nehmen, falls dieser wieder ein Knöllchen wegen zu schnellen Fahrens nach Hause bringt, und der trotzdem nie bereit ist, seine Androhung zu verwirklichen: Es erschiene aus dieser Perspektive unklug von dem Sohn, an die Androhung des Vaters überhaupt zu denken, bevor er Gas gibt. Da eine Androhung letztlich nichts anderes als ein Versprechen ist, nur aber das Versprechen einer Leistung, die dem Adressaten unerwünscht sein soll, könnte man Feuerbachs empirische Hypothese mit allgemeineren Beispielen von wiederholt unerfüllten Versprechen vergleichen. Dem Doktoranden, der immer wieder verspricht, seine Doktorarbeit am Ende des Monates abzugeben, schenkt keiner mehr Glauben, ebenso wenig wie dem erklärten ehemaligen Raucher, der (wieder!) seit 5 Tagen keine Zigarette in den Mund genommen hat.

II. Die Straftheorie

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Das bisher Gesagte ist Ausdruck einer allgemeineren empirischen Korrelation: Kündigt man die Bereitschaft an, unter Bedingung X eine Handlung Y auszuführen, und führt man Y trotz Eintretens von X nicht aus, dann wird allmählich an der Bereitschaft, die Handlung Y ausführen, gezweifelt. Man könnte auch sagen, die Bereitschaft, unter Bedingung X eine Handlung Y auszuführen, trage die Struktur eines Dispositionsbegriffs. Dispositionsbegriffe sind Begriffe, die eine Eigenschaft von oder eine Beziehung zwischen Gegenständen bezeichnen, die nicht ständig, sondern nur unter besonderen Bedingungen in Erscheinung tritt.920 Standardbeispiele dafür sind die Flüchtigkeit von Azeton oder die Zerbrechlichkeit einer Porzellanvase. Lässt man die Azetonflasche ungeöffnet, aber von der darin befindlichen Flüssigkeit verschwindet nichts, wird man nicht nur daran zweifeln können, ob die enthaltene Flüssigkeit flüchtig ist, sondern insbesondere auch, ob es sich tatsächlich um Azeton handelt. Entsprechendes lässt sich vom Beispiel der Porzellanvase sagen: Wirft man die Vase mit Wucht zu Boden, ohne dass sie zerbricht, wird nicht nur die Zerbrechlichkeit der Vase angezweifelt, sondern auch die Tatsache, dass es sich überhaupt um eine Porzellanvase (und nicht etwa um Billigware aus Plastik) handelt. Und so verhält es sich auch bei der Androhung einer Strafe für den Fall der Begehung einer Straftat. Wird die angedrohte Strafe nicht zugefügt, wird man nicht nur die angekündigte Bereitschaft zu strafen, zu Recht bezweifeln können, sondern insbesondere auch die Tatsache, ob die Androhung wirklich eine solche war. In diesem Sinne ist die Rede Feuerbachs, wonach die Zufügung der Strafe die Wirklichkeit der Androhung beweise, beim Wort zu nehmen. Als Fazit kann man also sagen, dass Feuerbachs Begründung des Strafzwecks der Androhung gültig bleibt. Trotzdem sind noch lange nicht alle Fragen gelöst. Denn man könnte den hier behaupteten Zusammenhang mit guten Argumenten in Frage stellen, die vor allem einen beachtlichen Punkt geltend machen: dass die Bestrafung einer jeden Straftat nicht ohne weiteres notwendig erscheine, um die Wirklichkeit der Androhung zu bestätigen. Dies ist unten weiter zu verfolgen. b) Ein empirischer Einwand aa) Das Argument könnte man anhand des Beispiels der Porzellanvase entwickeln. Die Vase wird zu Boden geworfen – sie zerbricht aber nicht. Sie wird nochmals zu Boden geworfen und überlebt es trotzdem. Ein drittes Mal wirft man sie zu Boden, und endlich zersplittert sie. In einem solchen Fall wird niemand an der Zerbrechlichkeit der Vase zweifeln, oder an der Tatsache, dass die Vase aus Porzellan war. Der Punkt lässt sich generalisieren. Damit die Bereitschaft, Y unter der Bedingung X auszuführen, weiterhin glaubhaft erscheint, ist es nicht notwendig, X 920

Brockhaus, Dispositionsbegriff, S. 266.

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

immer dann auch auszuführen, wenn die Bedingung Y eintritt. Es reicht schon aus, wenn X gelegentlich ausgeführt wird. Konkret auf die Strafe bezogen heißt das: Die empirische Begründung der Strafzufügung mit Hinweis auf die Notwendigkeit, die Wirklichkeit der Strafandrohung zu bestätigen, kann höchstens erklären, warum es notwendig ist, die angedrohte Strafe gelegentlich zuzufügen, nicht aber, dass man das immer tun muss. Mehr noch: Die moderne Kriminalpolitik und die Kriminologie gehen schon seit Langem davon aus, dass Strafandrohungen selbst bei nur punktueller Verwirklichung des Angedrohten weiterhin bestehen können. Dies ist erstens so, weil bei vielen Delikten eine riesige unüberschaubare Dunkelziffer besteht, so dass die Taten, die man überhaupt zur Kenntnis nimmt und bestraft, nur ein Bruchteil der tatsächlich begangenen Taten darstellen.921 Aber selbst von den bekanntgewordenen Straftaten werden viele nicht bestraft: Prozessuale Erledigungsstrategien, wie die Einstellung des Verfahrens gem. §§ 153 ff. StPO, der Einzug der Diversion und anderer Alternativen zur Strafe, nicht zuletzt auch die prozessualen Absprachen sind die Antworten, die das geltende Recht auf die meisten bekannt gewordenen Straftaten gibt. bb) Weder die hier dargelegte begrenzte Reichweite seines Strafzufügungszwecks, noch diese gerade beschriebenen Entwicklungen dürften aber den Anschauungen Feuerbachs entsprechen. Dieser setzte sich immer und leidenschaftlich dafür ein, dass die angedrohte Strafe auch wirklich zugefügt werde: Man denke nur an seinen Kampf gegen das richterliche Milderungsrecht.922 Wie ist dieser Befund zu deuten? (1) Zwei Alternativen eröffnen sich. Ein erster Weg würde darin bestehen, den Befund zu begrüssen und in ihm einen Anknüpfungspunkt zu sehen, Feuerbach für die Erfordernisse moderner Kriminalpolitik zu öffnen. Strafe müsse nicht immer die einzig denkbare Antwort auf jede Straftat sein, der Automatismus von Straftat-Strafe sei zu überwinden.923 Eine moderne Kriminalpolitik solle human und flexibel sein.924 Der traditionell auf das Legalitätsprinzip zurückgeführte Verfolgungszwang sei auf Grundlage dieser Erfahrungen zu relativieren.925 Dieser Weg zeichnet die von Feuerbach ausgesprochenen Thesen wortwörtlich nach, und begeht dabei den schwerwiegenden Fehler einer jeden Zum Ausmaß des Dunkelfeldes ausführlich Kaiser, Kriminologie3, § 37/88 ff. Ausführliche Diskussion der Dunkelzifferproblematik unten D. II. 4. b), (S. 425 ff.). 922 Siehe oben B. I. 2. a), (S. 54 ff.). 923 So Moos, Positive Generalprävention, S. 311 (der auf Grundlage der positiven Generalprävention argumentiert). 924 Zipf, Kriminalpolitik 2, S. 53; noch weitergehend Braithwaite/Pettit, Not Just Deserts, S. 127, die „judicial creativity in sentencing“ fordern. Dagegen zu Recht Naucke, KritV 82 (1999), S. 350. 925 Vor allem Zipf, Legalitätsprinzip, S. 498; ferner Freund, GA 1995, S. 14; Moos, Positive Generalprävention, S. 299 und jüngst Deiters, Legalitätsprinzip, S. 58; auch Volk, Grundkurs StPO5, § 18/7 („Der rigorose Anklage- und Verfolgungszwang, den 921

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Interpretation, die einen Satz ohne Kontexteinbettung aus sich selbst heraus verständlich machen will: Sie übersieht die nicht immer deutlich ausgesprochenen Gründe, die stillschweigenden Prämissen, die einen zu dem Ergebnis, das man vertritt, letztlich auch geführt haben. (2) Für den, der eine Revision und keine Preisgabe der Straftheorie Feuerbachs vertreten will, bleibt deshalb nur ein zweiter Weg offen, nämlich der Weg der Suche nach der fehlenden Prämisse, die zwischen der ausgesprochenen Prämisse und der von ihr noch nicht getragenen Konklusion die Brücke schlägt. Und diese Prämisse ist Feuerbachs striktes, letztlich auch nicht mehr konsequentialistisch zu deutendes Verständnis vom Gesetzlichkeitsprinzip. Wir sahen oben, wie die Begründung der Strafgesetzlichkeit aus der psychologischen Zwangstheorie keineswegs die Folgerungen tragen kann, die Feuerbach selbst vertritt. Man müsse prinzipiell jede bekannte Straftat auch bestrafen, nicht weil sonst die Wirklichkeit der Androhung unterminiert würde, sondern weil allein der Gesetzgeber – und nicht die ermittelnde Polizei, die über die Einstellung entscheidende Staatsanwaltschaft oder der über Alternativen zur Strafe entscheidende Richter – den Umfang des Strafbaren bestimmen dürfe. Die fehlende Prämisse, die Feuerbachs zunächst nur empirisch aussehende Begründung ergänzt, ist eine normative, nämlich die Behauptung, dass eine jede Lösung, die sich dazu bereit findet, unter den begangenen Straftaten einige nicht zu bestrafen, sich die Befugnisse des Gesetzgebers anmaßt und gegen das Gesetzlichkeitsprinzip verstößt. Das Legalitätsprinzip ist demnach nur die prozessuale Kehrseite des materiellrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips. Das bedeutet auch, dass der Gedanke, Feuerbach zu modernisieren, an sich nicht einmal denkbar ist, denn er bedeutet eine Preisgabe gerade des Zentralen in Feuerbachs Theorie, nämlich ihrer mangelnden Bereitschaft bei der Strafgesetzlichkeit Kompromisse einzugehen. Und dies erscheint vielleicht als das größte Hindernis gegen die Akzeptanz einer Straftheorie im Sinne Feuerbachs heute: denn es impliziert nichts anders, als dass großen Teilen unseres heutigen Strafsystems ihre Legitimität abgesprochen wird, und zwar häufig gerade den Teilen, die aus humanitären Gründen überwiegend als Fortschritte begrüßt werden.926 Kann man denn ernstlich verlangen, dass jede angedrohte Strafe im das Legalitätsprinzip aufstellt, entspricht dem überholten Vergeltungsgedanken der absoluten Straftheorie“). 926 Eine solche Begrüßung bei Kaiser, Kriminalpolitik, S. 998; religiös-pathetisch Beristain, der von einer „rekreativen Strafe“ (Ethik?, S. 43) und einem „Recht auf Vergebung“ spricht (Nova criminologia, S. 58); Roxin, Wandlungen der Strafzwecklehre, S. 706 f. Die Wiedergutmachung wird als zukunftsträchtige „Dritte Spur“ gefeiert (s. Roxin, Wiedergutmachung, S. 52; ders., AT I4, § 3/73 f.; AE-Wiedergutmachung, S. 37; ähnlich Larrauri, Reparación, S. 177 ff.; Walther ZStW 111 [1999], S. 131, S. 136 ff.; dagegen Hirsch, ZStW 102 [1990], S. 540 ff.); im Wesentlichen wie hier, auch mit der Flagge der Strafgesetzlichkeit bzw. des Legalitätsprinzips argumentierend P.-A. Albrecht, KritV 1986, S. 69; ders., KritV 76 (1993), S. 163 ff.; ders.,

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Falle des Eintretens ihrer Bedingung, nämlich der Straftat, auch tatsächlich zugefügt werde, insbesondere nach allem, was die moderne Kriminologie und Kriminalpolitik ergründet haben? cc) So unrealistisch es sich auch anhören mag: ja. Die Gesetzlichkeit verlangt nichts weniger. Aber Sollen setzt Können voraus, könnte man erwidern. Derjenige, der von einer nicht auf Konsequentialismus reduzierbaren Deontologie ausgeht, muss aber daran festhalten, dass es sich in einem gewissen Sinne gerade umgekehrt verhält: Sollen bedeutet Können, zumindest in dem Sinne, dass dort, wo ein Sollen vermutlich vorliegt, man ihm nicht durch bequeme Vorwände entkommen darf.927 Und näheres Nachdenken zeigt tatsächlich, wieso das Können vorliegt: Man kann es, indem man nur soviel Strafe androht, wie man auch ohne Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzips zuzufügen in der Lage ist. Das Gesetzlichkeitsprinzip kann auf der Ebene der Strafzufügung nicht mehr beachtet werden, wenn es vom Staat schon auf der Ebene der Strafandrohung missachtet wird. Den Verstoß des Staates gegen das Gesetzlichkeitsprinzip könnte man anhand der Verantwortungsfigur des Übernahmeverschuldens verdeutlichen:928 Genauso wenig man dem blinden Autofahrer vorwerfen kann, dem Passanten nicht auszuweichen, kann man dem Staat vorwerfen, alle Bagatelldiebstähle,929 Kleinbetrügereien,930 Körperverletzungen durch mäßige elterIrrationale Sicherheitspolitik, S. 18 ff.; Baumann, ZRP 1972, S. 273 ff.; Hanack, Legalitätsprinzip, S. 347 ff.; Hirsch, ZStW 92 (1980), S. 227 ff.; ders., Bilanz der Strafrechtsreform, S. 160 f.; Marxen, Kampf, S. 262; Naucke, JuS 1989, S. 866 (gegen die „legale Oportunität“); ders., Aushöhlung, S. 495, 498; ders., KritV 82 (1999), S. 346, 349 ff.; Pott, Legalitätsprinzip, S. 83 und passim; Rudolphi, ZRP 1976, S. 168, der in § 153a eine „verkappte Einführung des Inquisitionsprozesses“ sieht; Vormbaum, ZStW 107 (1995), S. 752. Die Auflösung des Gesetzlichkeitsprinzip in der nationalsozialistischen Zeit wird von Marxen, Kampf, S. 234 f. nachgezeichnet. 927 Hier war abschwächend von „in einem gewissen Sinne“ die Rede, weil das Kant’sche „Du kannst, denn Du sollst!“ (s. Religion, A 39/B 43) hier eher als heuristische Formel zu verstehen ist, sich nicht allzu leicht mit dem Hinweis auf eigenes Unvermögen der moralischen Verantwortlichkeit zu entziehen. 928 Oder einer actio libera in causa, wenn man dem Tatbestandsmodell folgt: zu beiden Figuren siehe Roxin AT I4, § 24/36 ff., § 20/56 ff. 929 Siehe zusammenfassend m. vielen weiteren Nachw. Nugel, Bagatellprinzip, passim, der eine Lösung vertritt, wonach Bagatellen, zu denen Ladendiebstähle meistens gehören düften, nicht unter den Begriff des strafrechtlichen Unrechts fallen (S. 256 ff.). Hier wird dagegen mit dem Gesetzlichkeitsprinzip argumentiert, so dass eine Gesellschaft, die ausreichende Ressourcen hätte, um Bagatelltaten zu bestrafen, dies an sich tun dürfte. Eine solche Argumentation auch bei Baumann, ZRP 1972, S. 274 ff.; mit dem ultima-ratio Prinzip argumentiert Roxin, AT I4, § 2/99; krit. auch Naucke, KritV 82 (1999), S. 350. Für Strafbarkeit insb. wegen der Präventivwirkung des Strafrechtes Arzt, JuS 1974, S. 696, der trotzdem dasjenige zugibt, worauf es für die hiesige Ansicht allein ankommt, nämlich „daß es keinen Weg gibt, die gegenwärtige theoretische Drohung mit Kriminalstrafen bei kleinen Vermögensdelikten in die Realität umzusetzen“ (S. 695); i. Erg. auch Eckl, ZRP 1973, S. 139 ff. 930 Siehe Naucke, Kleinbetrug, S. 695 ff. (S. 698: „Diese Ballung juristischen Ermessens ist das eigentliche positive Recht des Kleinbetruges“).

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liche Züchtigung,931 Fälle von Versicherungsbetrug usw. zu bestrafen. Aber wohl kann man dem Blinden den Vorwurf machen, sich überhaupt hinter das Steuer gesetzt zu haben, und dem Staate vorwerfen, so viele kleine Taten für strafbar zu erklären. Nur unter einer Bedingung lässt sich das Gesetzlichkeitsprinzip beachten: durch einen dringenden Rückzug des Strafrechts aus dem Bagatellbereich und seine konsequente Beschränkung auf wenige gravierende Rechtsgutsbeeinträchtigungen. Das bedeutet freilich keinen Ruf zur Rückkehr zu einem vermeintlichen „Klassischen Kernstrafrecht“,932 denn ein solches ist erstens eine historische Fiktion,933 und zudem ist die Entscheidung, was man für strafbar erklärt, zum Teil eine politisch-konsequentialistische Entscheidung, die Opportunitätsgesichtspunkte berücksichtigen soll.934 Wird diese Entscheidung aber vom Gesetzgeber getroffen, dann ist sie auch getroffen, dann dürfen sich Polizist, Staatsanwalt und Richter nicht mehr darüber hinwegsetzten. Den tieferen Sinn des Gesetzlichkeitsprinzips kann man aber nur dann erfassen, wenn man einsieht, dass es sich in erster Linie nicht an den Polizisten, den Staatsanwalt oder den Richter wendet, sondern an den Gesetzgeber selbst. Wäre der Gesetzgeber nicht so bereitwillig dabei, auf jede gesellschaftliche Beunruhigung mit der Schaffung einer neuen Straftat zu reagieren, dann würden die bestehenden Ressourcen der Strafjustiz sich nicht so schnell erschöpfen, so dass sie ohne Einstellungen, Diversion, Absprachen und Alternativen zur Strafe weiterhin „funktionstüchtig“ bliebe. dd) Dies könnte man noch mit dem Hinweis auf die nicht zu unterschätzende Dunkelziffer zu entkräften versuchen. (1) Man würde bestreiten, dass selbst die am konsequentesten durchgeführte Entkriminalisierung ausreichen würde, den vom strikten Verständnis des Gesetzlichkeitsprinzips gestellten Forderungen zu genügen. Das Strafrechtssystem sei nicht nur kontingent, sondern schon strukturell überfordert – was auch immer „strukturell“ hier zu bedeuten habe. Und daraus kann man entweder folgern, dass die Forderungen des Gesetzlichkeitsprinzips – ähnlich wie bei den aufklärerischen Auslegungsverboten935 – herunter zu schrauben sind, so dass man, 931 Diskussion der vielen Probleme dieser undurchdachten Gesetzesänderung bei Roxin, JuS 2004, S. 177 ff. m. w. Nachw. 932 Nachw. oben Teil D., Fn. 579. 933 Siehe schon oben D. II. 2. (S. 336 f., 340 f., 344 ff.). 934 Siehe oben D. II. 2. (S. 351). Was aber genau durch gesetzgeberische Entscheidung entkriminalisiert werden sollte, ist eine eigenständige Frage, die im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls nicht vertieft werden kann. 935 Etwa bei Beccaria, Delitti, § IV; Kritik von auslegungsbedürftigten Gesetzen auch bei Friedrich II, Gesetze, S. 32, 36. Der Glaube, derartige Verbote seien aber repräsentativ für die damalige Einstellung, ist ein weiterer Bestandteil der unzutreffenden Mythen über die Aufklärung. Es wäre interessant, die Entstehung dieses Mythus

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wenn auch nicht das ganze System der informellen Erledigungsstrategien, so doch zumindest einen Teil davon für legitim erklären muss; oder man kann, nicht ohne eine gewisse Schadenfreude, am strikten Gesetzlichkeitsprinzip um so entschiedener festhalten, so dass das Strafrecht zu einer strukturell illegitimen, weil das Gesetzlichkeitsprinzip missachtenden Institution erklärt wird.936 Gibt es einen dritten Weg aus diesem Dilemma zwischen Positionen, die man hier als Konformismus auf der einen und Abolitionismus auf der anderen Seite bezeichnen könnte? (a) Als Kandidat bietet sich zunächst eine Argumentation an, der man nicht zu folgen hat. Sie würde darin bestehen, dass man die empirische Hypothese, von welcher der Einwand lebt, in Frage stellt: Man bestreitet, dass die Kapazitäten eines zurückhaltenden, auf das Nötigste begrenzten Strafrechts überfordert würden. Ob die Replik oder der ursprüngliche Einwand Recht haben, wird hier nicht entschieden, denn die Pattsituation scheint man weder durch die schon erreichten Ergebnisse der empirischen Forschung, noch durch das Judiz des gesunden common sense überwinden zu können. Wenn überhaupt, scheinen die besten Gründe doch für die zumindest partielle Berechtigung des Einwands, und nicht der Replik, zu sprechen. (b) Deshalb soll hier ein zweiter Ausweg gewählt werden. Er besteht darin, den von dem Einwand bemühten Begriff der Dunkelziffer kritisch zu hinterfragen. Der Terminus Dunkelziffer ist ein ursprünglich soziologischer Begriff, der die Differenz zwischen den bekannt gewordenen (bzw. von der Polizeistatistik registrierten) und den tatsächlich begangenen Straftaten bezeichnet.937 Gelegentlich wird er auch benutzt, um die Gesamtheit der Straftaten zu bezeichnen, die aus nachzuverfolgen – ein erster Nachw. zu Stellen, wo dieser Vorwurf der früheren Generation gemacht wird, ist Henke, Strafrechtstheorien, S. 36; ders., Darstellung II/12, S. 144. Dazu Ogorek, Richterkönig, S. 40. 936 So vor allem Baratta, Criminologia crítica, S. 101 ff. Der Hinweis auf die Dunkelziffer ist eine beliebte Strategie abolitionistischer Strafrechtskritik: s. noch Bernat de Celis, Abolición, S. 127 f.; Larrauri, ADPCP 50 (1997), S. 153; Steinert, Kriminalsoz. Bibliografie 66/67 (1990), S. 24 (Strafrecht werde nur „exemplarisch“ angewendet); Hulsman, Concept of Crime, S. 32 f.; ders., Penas perdidas, S. 66, leitet aus den Dunkelziffern die Entbehrlichkeit und daraus die Illegitimität des Strafrechts ab; Scheerer, EuS 12 (2001), S. 77. Weitere Stimmen, die hierauf eine Kritik der Selektivität des Strafrechts gründen, oben Teil D., Fn. 25. Es empfiehlt sich, drei von einander unterschiedliche Argumente voneinander zu unterscheiden: das Entbehrlichkeitsargument, das Ungleichbehandlungsargument und das Gesetzlosigkeitsargument. Im Folgenden geht es um letzteres, obwohl die Ergebnisse, zu denen man gelangen wird, auch für das zweite Argument von Belang sein werden. Gegen das erste Argument überzeugend aber H.-J. Albrecht, EuS 12 (2001), S. 85; Schmidhäuser, EuS 12 (2001), S. 117. 937 Siehe Kaiser, Kriminologie3, § 37/81; Popitz, Präventivwirkung, S. 10; Sack, Dunkelziffer, S. 101 f.; Zipf, Legalitätsprinzip, S. 489. Im folgenden sollen die Begriffe Dunkelfeld und Dunkelziffer gleichbedeutend gebraucht werden.

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mangelnden Erkenntnissen nicht bestraft werden.938 Unter diesen weiteren Dunkelzifferbegriff fallen deshalb nicht nur die Taten, die nicht einmal polizeilich erfasst werden, sondern auch die, bei denen es trotz Registrierung infolge mangelnder Beweise nicht zum Schuldspruch kommt. Diese für die deskriptiv-erklärenden Zwecke der Soziologie und Kriminologie durchaus präzisen Begriffe könnten sich aber für die normativen Zwecke der Straftheorie als noch zu undifferenziert erweisen – wie dies bereits Schünemann grundlegend dargetan hat.939 Man glaubt, aus der Tatsache, dass unglaublich viel mehr Straftaten begangen werden, als überhaupt bekannt werden können, folge nicht nur die Unmöglichkeit, jede begangene Straftat auch bestrafen zu wollen, sondern auch, dass die Straftheorie mit diesem Befund fertig werden müsse, entweder im Sinne des Konformismus, oder im Sinne des Abolitionismus. Nach näherer Überlegung erweisen sich die Dinge aber als wesentlich komplexer. Denn welche Funktion der Hinweis auf die Dunkelziffer in der Diskussion um die Legitimität der Strafe spielen soll, erscheint alles andere als klar.940 Wenn es um die Abtreibung geht, dann scheint die riesige Dunkelziffer die Unzulänglichkeit des strafrechtlichen Schutzkonzepts darzulegen, das nicht in der Lage scheint, das Rechtsgut „werdendes Leben“ effektiv zu schützen.941 Wenn es aber um die häusliche Gewalt geht, dann dient die Beschwörung der Dunkelziffer gerade als Anmahnung, nicht untätig zu bleiben, während Haustyrannen das Leben ihrer Frauen zur Hölle machen.942 Beim Ladendiebstahl soll die Dunkelziffer den Rückzug des Strafrechts rechtfertigen,943 bei den Bestechungsdelikten eher eine Neufassung der Tatbestände, die auf schwer beweisbare Merkmale (präziser: auf die auf eine konkrete Diensthandlung bezogene Unrechtsvereinbarung des § 331 I a. F.944) verzichtet, damit man die Taten so leichter zur Kenntnis nehmen und auch bestrafen kann.945 938 Zu den unterschiedlichen Begriffen der Dunkelziffer Popitz, Präventivwirkung, S. 10 Fn. 5; ein Spektrum von Möglichkeiten bei Lüderssen, Strafrecht und „Dunkelziffer“, S. 5 f. Der weite Begriff wäre Popitz’s Kategorie c und Kunz’s, Kriminologie4, § 29/5 „Graufeld“. 939 Schünemann, Dunkelfeld, S. 46, 49. 940 So bereits Lüderssen, Strafrecht und „Dunkelziffer“, S. 3 ff., der seine Untersuchung ähnlich anfängt wie die folgenden Zeilen. 941 Eine derartige Argumentation etwa bei der Begründung des 5. Strafrechtsreformgesetzes v. 18. Juni 1974 (BT-Drucks. 7/375, S. 6 [unter II 5]), das vom Bundesverfassungsgericht später für verfassungswidrig erklärt wurde (BVerfGE 39, 1); weitere Nachw. bei Lüderssen, Strafrecht und „Dunkelziffer“, S. 3 f. Zur Dunkelziffer bei der Abtreibung m. w. Nachw. Kaiser, Kriminologie3, § 61/15 ff. 942 Die Empfehlung, hiergegen mit Entschiedenheit vorzugehen, bei Duff, Punishment, Communication, Community, S. 62. Zur Dunkelziffer bei Gewalttaten gegen Frauen Kaiser, Kriminologie3, § 61/4 m. w. Nachw. 943 Dazu die Nachweise bei Kaiser, Kriminologie3, § 68/1, Fn. 2. 944 Siehe im einzelnen Heine, in Schönke/Schröder27, § 331/7; zu den einzelnen dogmatischen Problemen Schünemann, Unrechtsvereinbarung, S. 777 ff.

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(2) Grund für dieses argumentative Wirrwar ist die Unschärfe des scheinbar klaren Dunkelzifferbegriffs. Selbst wenn man sich für den weiten Dunkelzifferbegriff entscheidet, bleibt durchaus noch einige Arbeit zu leisten. Die straftheoretische Betrachtung, der es um die Frage nach der Legitimität der Strafe geht, kann nicht den Begriff der Dunkelziffer der beschreibend-erklärenden Wissenschaft einfach übernehmen und naiv erwarten, daraus automatisch einen Erkenntnisgewinn zu schöpfen. Letztlich wird das eine Wort, das in den erwähnten Sätzen immer wieder auftaucht, nicht immer mit der gleichen Bedeutung verwendet, sondern mit mehreren – mit vier, um genauer zu sein. Das wird klar, wenn man einsieht, dass die Dunkelziffer für sich allein nur einen Zustand der Unkenntnis bezeichnet. Moralisch relevant ist aber die Unkenntnis nicht per se. Die moralische Relevanz der Unkenntnis wird ihr von den Ursachen ihres Vorhandenseins verliehen.946 (a) Eine erste Ursache für die Unkenntnis kann mit Faulheit, Nachlässigkeit, mangelndem Interesse u. ä. zu tun haben. Mit anderen Worten: Ursache der Unkenntnis kann etwas sein, was man unter seiner Kontrolle hat. Nennen wir diese Konstellation die der unmittelbar vermeidbaren Unkenntnis. (b) In anderen Situationen ist die Unkenntnis zwar an sich unvermeidbar; die Situation selbst, in der die Unkenntnis unvermeidbar ist, ist es aber nicht. Der Nicht-Wissende hätte bei gehörigem Bemühen die Situation vermeiden können, die ihn letztlich daran hinderte, zur Erkenntnis zu gelangen. Dies sei hier als Fall der mittelbar vermeidbaren Unkenntnis bezeichnet. (c) Die dritte Ursache der Unkenntnis hängt mit etwas Fundamentalerem zusammen, nämlich damit, dass der Mensch nicht Gott und deshalb weder allwissend, noch allmächtig ist. Als endliches Wesen verfügt der Mensch, und auch der aus Menschen bestehende Staat, nur über endliches Wissen, so dass ein gewisser Grad von Unkenntnis schon aus in diesem Sinne fundamentalanthropologischen Gründen nicht zu vermeiden ist. Es lässt sich hier deshalb von anthropologisch bedingter unvermeidbarer Unkenntnis sprechen.

945 BT-Drucks. 13/8079 S. 15, wo ausdrücklich von Nachweisschwierigkeiten gesprochen wird; Dölling, DJT 61 (1996), S. C 64 ff. Zum Dunkelfeld der Korruptionstatbestände ebda. S. C 16 ff. m. w. Nachw. 946 Keine Differenzierung vorgeschlagen zu haben, ist der erste Hauptmangel der grundlegenden und leider so gut wie nicht ausdiskutierten Schrift von Lüderssen, Strafrecht und „Dunkelziffer“, passim (so auch Schünemann, Dunkelfeld, S. 43 f., 46). Der zweite Hauptmangel ist, das (deontologische) Gleichheitsproblem mit einem (konsequentialistischen) Notwendigkeitsargument lösen zu wollen (S. 24). Immerhin behauptet er nicht, dass die Rechnung ohne Rest aufgehe: der Bestrafte werde als Sündenbock behandelt, und daraus folge eine Mitverantwortung der Gesellschaft (S. 24 ff.).

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(d) Gelegentlich ist aber die Unkenntnis zwar faktisch vermeidbar, aber ihre Vermeidung setzt die Verletzung unantastbarer Rechte voraus. Man bräuchte zwar nicht sein Menschsein zu überwinden, um zu einer bestimmter Erkenntnis zu gelangen, müsste aber sehr wohl das Menschsein eines anderen missachten, was dem Staat aus moralischen Gründen verwehrt ist. Hier könnte man von moralisch bedingter unvermeidbarer Unkenntnis sprechen. Die beiden letzten Kategorien werden im folgenden auch unter dem Oberbegriff der unvermeidbaren Unkenntnis zusammengefasst. (3) Sind diese allgemeineren Unterscheidungen getroffen, dann erscheint die Problematik der Dunkelziffer in einem anderen Licht. Denn die beiden letzten Konstellationen der unvermeidbaren Unkenntnis begründen selbstverständlich keinen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip. (a) Weiß man von den begangenen Straftaten nicht, weil man als bloßer Mensch kein Gott und deshalb nicht allwissend und allmächtig ist (anthropologisch bedingte Unkenntnis), so dass man weder den keine Spuren hinterlassenden Täter erahnen, noch die Strafvereitelung durch einen listigen Verbrecherfreund verhindern kann, dann wirkt der Hinweis auf die Dunkelziffer für den Staat entlastend. Das Gesetzlichkeitsprinzip wendet sich an Menschen, und nicht an Gott, also muss es das anthropologisch bedingte Unvermögen der Adressaten seiner Anforderungen in Rechnung stellen. Das erklärt, warum etwa niemand auf den Gedanken kommt, die Entkriminalisierung der Erpressung zu fordern, obwohl bei dieser Straftat die Dunkelziffer besonders hoch ist:947 Nur Gott, der die Ängste aller schweigenden Opfer kennt, weiss genau, was ihnen geschah. Das erklärt auch, warum die Dunkelziffer kein Argument ist, von den Bestechungsdelikten abzusehen: Zum großen Teil ist nur Gott in der Lage zu erkennen, worum es in jedem Gespräch zwischen Amtsträger und Bürger eigentlich geht. Und – man muss konsequent bleiben, selbst wenn es nicht der political correctness entspricht! – nur Gott (und vielleicht auch der Gynäkologe) können neben der Schwangeren wissen, ob sie sich in diesem Zustand befindet. Die weitgehende Unkenntnis von Abtreibungen ist deshalb für sich allein noch kein Grund, hier eine Entkriminalisierung zu fordern. (b) Und Entsprechendes ließe sich von den Fällen moralisch bedingter unvermeidbarer Unkenntnis sagen: Weiss man nichts von einer Straftat, weil der einzige Weg zur Kenntnis moralische Makel aufweist, dann kann einem die Unkenntnis nicht vorgeworfen werden. Denn das Gesetzlichkeitsprinzip fügt sich in ein System von Schranken der Machtbändigung ein, so dass es nicht den Sinn haben kann, als trojanisches Pferd das System von innen zu sprengen. Man könnte etwa durch die Folter sicherlich von einigen Straftaten des Verdächtigen und seiner Komplizen erfahren, aber die Folter ist kein Gebot des 947

Zum Dunkelfeld bei der Erpressung Kaiser, Kriminologie3, § 60/8.

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Gesetzlichkeitsprinzips: deshalb ist die hohe Dunkelziffer kein Argument gegen Organisationsstraftaten (wenn auch diese aus anderen Erwägungen durchaus problematisch bleiben948). Die Fälle der moralisch bedingten Unkenntnis weisen aber eine Eigentümlichkeit im Vergleich zu den obigen sonstigen Fällen unvermeidbarer Unkenntnis auf: Sie sind faktisch überwindbar. Das begründet die Gefahr, dass die Strafandrohung sozusagen als eine Art Anstiftung wirkt, sich über die moralischen Schranken der Erkenntniserlangung hinwegzusetzten. Es ist zwar eine empirische Frage, ob sich diese Wirkung ereignet, ist dies aber der Fall, dann kann der Hinweis auf die Dunkelziffer letztlich doch ein indirektes Argument sein, den einschlägigen Strafandrohungen die Legitimität abzusprechen. Das klarste Beispiel betrifft weite Teile unseres Drogenstrafrechts, das nur durch den extensiven Einsatz von Provokateuren, die perfide Täuschungen begehen und paradoxerweise die Straftaten selbst hervorbringen, die sie letztlich zur Bestrafung bringen sollen,949 effektiv implementiert werden kann. (4) Völlig anders verhält es sich in den Fällen der vermeidbaren Unkenntnis, also dort, wo die Dunkelziffer nur dem Umstand zu verdanken ist, dass man sich nicht sorgfältig genug um die Aufdeckung bemüht hat. (a) Das dürfte vor allem in den Fällen der unmittelbar vermeidbaren Unkenntnis der Fall sein. Man stelle sich etwa vor, das Strafverfolgungssystem sei gegenüber bestimmten Tätergruppen – etwa Politikern, Richtern oder Polizisten, Großunternehmern oder Großgrundbesitzern – schlicht und einfach blind, so dass keine der von ihnen begangenen Straftaten je offiziell bekannt werden. Bei diesen Menschen findet man nichts, weil man dort auch nicht sucht. In einem solchen Fall verstößt man selbstverständlich gegen das Gesetzlichkeitsprinzip. Eine derartige Unkenntnis entlastet den Staat natürlich nicht. (b) In einem wohlgeordneten stabilen Staat wie Deutschland dürfte aber die Konstellation, in der man eindeutig deswegen nicht ermittelt, anklagt oder verurteilt, weil man dies nicht tun will, eher selten vorkommen. In der Regel verzichtet man auf die gesetzliche Strafzufügung, weil man seine Prioritäten anders setzt, etwa weil man nicht jeden Betrüger bei eBay oder jeden Dieb bei Karstadt bestrafen kann, ohne gleichzeitig schwerere Straftaten wie Mord oder sexuelle Nötigung ungeahndet zu lassen. Hier ist es zwar unmöglich, von den begangenen Straftaten eine umfassende Kenntnis zu erlangen, trotzdem ist diese 948 Stichwort: Privatsphäre, dazu erste grundlegende Erwägungen bei Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 753 ff. 949 Neueste Untersuchungen kommen zum Ergebnis, dass nur 4% der registrierten Delikte ohne proaktives Handeln der Polizei bekannt werden, vgl. die Nachw. bei Eisenberg, Kriminologie6, § 45/133; zu Recht kritisch deshalb Schünemann, LK12 § 26/70.

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Unmöglichkeit z. T. vermeidbar (und deshalb selbstverschuldet), nämlich insofern, als der Staat die Reichweite seiner Ressourcen verkennt und mehr unter Strafe stellt, als er tatsächlich zu bestrafen fähig ist. Bei mittelbar vermeidbarer Unkenntnis verstößt man deshalb weiterhin gegen das Gesetzlichkeitsprinzip, so dass die Forderung bleibt, entweder der Strafverfolgung mehr Ressourcen zuzuteilen, so dass es ihr möglich wird, den gesetzlichen Auftrag ohne Abstriche zu verwirklichen, oder Straftaten, die man in aller Regel nicht verfolgen will, schlicht und einfach zu entkriminalisieren. Da aber die Verlagerung von Resourcen in die Strafverfolgung erfahrungsgemäß die präventiven Wirkungen, die man sich von flächendeckender Bestrafung verspricht, nicht erreicht – man denke an das Beispiel der amerikanischen Kriminalpolitik950 – dürften die besseren Gründe meistens für die zweite Alternative sprechen. Bleibt das Strafrechtssystem aber selbst nach der optimalen Verteilung von Ressourcen und einer mutigen Entkriminalisierung überfordert – etwa weil noch zu viele Mordtaten begangen werden – dann erscheint es wohl unangebracht, von einer Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzips zu sprechen. Grund dafür ist aber, dass man es mit einem Fall anthropologisch fundierter unvermeidbarer Unkenntnis zu tun hat, denn der Mensch als endliches Wesen und der Staat als endliche Einrichtung verfügen dementsprechend nur über endliche Kräfte.951 Die Kritik einiger sog. kritischer Kriminologen, legt, wenn sie so weit geht, auch hier einen Verstoß gegen die Gesetzlichkeit zu denunzieren, dem Staat einen Maßstab an, dem keine menschliche Einrichtung, sondern nur das jüngste Gericht genügen kann. ee) Zwei Einwände gegen die gerade skizzierte Antwort liegen aber nahe: Erstens erscheint die Forderung, radikal zu entkriminalisieren, die durchaus bestehende präventive Wirkung von nicht-durchgesetzen Sanktionsandrohungen zu verkennen; zweitens ist das Problem schichtenspezifischer Selektivität bislang so gut wie nicht angesprochen worden. (1) Eine Konkretisierung des ersten Einwands bekam man in der früheren Diskussion zur Entkriminalisierung des Ladendiebstahls oft zu hören. Gegen diejenigen, die eine weitgehende Entkriminalisierung forderten, machte man geltend, eine kaum umgesetzte Strafandrohung habe trotz fehlender Strafzufügung immer noch weitergehendere präventive Wirkungen als die Gegenlösung. Was wäre, wenn jeder wüsste, dass Ladendiebstähle nicht strafbar sind? Nicht erst die Sicherheit, dass man bestraft wird, sondern schon die Befürchtung, dass dies passieren könne, wirke sich abschreckend aus. Man könnte sogar argumentieren, aus präventiver Sicht sei die flexible Lösung i. S. der Beibehaltung der Strafandrohung ohne automatische Strafzufügung sogar optimal, denn man er-

950 951

Siehe dazu m. w. Nachw. unten D. II. 4. d), (S. 452). So im Erg. auch Schünemann, Dunkelfeld, S. 50.

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reiche damit hinreichend viel Prävention bei besonders geringen Durchsetzungskosten. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass es genau darauf nicht ankommt. Die präventiven Wirkungen nicht automatisch vollzogener angedrohter Sanktionen werden entgegen Feuerbach hier nicht bestritten. Aus eigener Erfahrung weiß jeder, dass schon der Gedanke, „Ärger mit der Polizei“ zu vermeiden, als Klugheitsgrund, keine Straftat zu begehen, häufig genau so stark wirkt wie der Gedanke, Strafe zu vermeiden. Bestritten wird hier aber das Recht des Staates, die Zufügung seiner gegen die Missachtung eines Verbotes angedrohten Sanktionen von Erwägungen abhängig zu machen, die mit der Missachtung des Verbotes nichts zu tun haben. Hier zeigt sich der Unterschied der hiesigen Konzeption des Gesetzlichkeitsprinzips als präventionsunabhängiger deontologischer Schranke zu der Feuerbach’schen abschreckungspräventiven Konzeption, und hier zeigt sich auch die Unfähigkeit letzterer Konzeption, das von Feuerbach doch verfochtene strenge Verständnis des Gesetzlichkeitsprinzips zu begründen: Die Beachtung der Gesetzlichkeit ist nicht nur geboten, weil dies präventiv am wirksamsten sei, sondern man braucht das Gesetz selbst dort, wo seine Missachtung die besten präventiven Folgen zeitigen kann. Die Gesetzlichkeit ist das Verbot, dass jemand anders als der Gesetzgeber den Umfang des Strafbaren bestimmt. Macht man aber der Zufügung der Strafe neben dem Verstoß gegen das strafbedrohte Verbot noch zusätzliche Umstände zur Bedingung, die z. T. vom Ermessen der Strafverfolgungsinstanzen abhängen, dann bestimmen erst diese, und nicht mehr der Gesetzgeber, wann sich der Bürger strafbar macht. Das ist auch dann der Fall, wenn der Gesetzgeber selbst die bloß partielle Durchsetzung der Vorschrift durch die Strafverfolgungsinstanzen voraussieht und billigt. Denn in diesen Konstellation wird Macht nicht gebändigt, so dass der Gesetzgeber derjenige ist, der den Sinn der Strafgesetzlichkeit missachtet. (2) Vor allem unter kritischen Kriminologen wird die schichtenspezifische Selektivität des Strafrechtes immer wieder als entscheidendes Argument angeführt, das jedem Legitimitätsanspruch des Strafrechts den Todesstoß versetzen soll.952 Der Hinweis auf die Dunkelziffer ist besonders beliebt, weil man glaubt, die wahrgenommene Kriminalität spiegele die tatsächlich begangene nur sehr verzerrt wieder: Wird dieselbe Tat von zwei unterschiedlichen Tätern begangen, wovon der erste arm, schwarz und dumm und der zweite reich, weiß und klug ist, so sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Tat registriert und verfolgt wird, im ersten Fall ungleich größer als im zweiten. Erstaunlich sei deshalb, dass die hier formulierten Erwägungen zu den Dunkelziffern trotz pedantischer Differenzierungen das Wesentliche, nämlich den Klassenaspekt, nicht angesprochen hätten.

952

Siehe die Nachw. oben Teil D., Fn. 25.

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Zuzugeben ist, dass es auf die schichtenspezifische Selektivität für die Beurteilung, ob die Unkenntnis der Begehung einer Straftat moralisch zu verantworten ist, nicht ankommt. Vielmehr ist es so, dass jede nicht vom Gesetzgeber auf Androhungsebene festgelegte unterschiedliche Behandlung zweier Täter, die dieselbe Tat begehen, sehr wohl gegen das Gesetzlichkeitsprinzip verstößt. Selbst also, wenn es sich in unserem Falle gerade anders herum so verhielte, dass der reiche weiße kluge Täter derjenige wäre, der bestraft wird, würde sich am Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip nichts ändern. Aus diesem Grund ist der Kategorie der schichtenspezifischen Selektivität keine theoretische Eigenständigkeit im oben vorgeschlagenen System zuzuerkennen. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Dunkelziffer als vermeidbare oder doch als unvermeidbare Unkenntnis anzusehen ist. Tatsächlich dürfte es häufig so liegen, dass Taten von Reichen und Mächtigen von der Polizei gar nicht ermittelt werden: Das ist aber ein Fall der unmittelbar vermeidbaren Unkenntnis, und daraus ist der Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip abzuleiten. Es kann aber auch sein, dass die Bürger aus wohlhabenden Schichten seltener und gelinder bestraft werden, weil sie sich bessere Anwälte leisten können: Solange auch der arme Bürger noch kompetent verteidigt wird, liefert ihm diese Tatsache keinen Grund, sich beschweren zu dürfen. Die staatliche Unkenntnis der vom wohlhabenden Bürger begangenen Straftat ist nämlich aus moralischen Gründen unvermeidbar, weil sie nur unter Missachtung seines Rechts auf freie Wahl eines Verteidigers überwunden werden kann. Die Richtigkeit des hier dargelegten theoretischen Standpunktes wird auch von häufigen Stellungnahmen derjenigen bestätigt, die sich im kritischen Lager befinden. Diese Stellungnahmen machen oft deutlich, dass der Hinweis auf eine Benachteiligung bestimmter Bevölkerungsschichten nicht so sehr aus der Sorge um das Gesetzlichkeits- oder das Gleichheitsprinzip herrührt, sondern vielmehr aus einem inakzeptablen Klassenkampfdenken: Man denke etwa an die von Baratta vorgeschlagene „Kriminalpolitik der benachteiligten Schichten“, deren Programm es war, die Verhaltensweisen der Oberschichten zu kriminalisieren und strafrechtlich zu verfolgen,953 oder an die ähnlichen Forderungen der englischen Left Realists, die erst dann anfingen, Straftaten ernst zu nehmen, wenn sie sich 953 Baratta, Criminologia crítica, S. 197 ff.; abgeschwächt, aber immerhin noch präsent in seiner späteren Lehre der „sozial-negativen Situationen“, etwa ders., Kriminalsoz. Biliografie 49 (1985), S. 44 ff., die jetzt nur Entkriminalisierungen fordert (S. 46); ähnlich Bustos, Bienes jurídicos colectivos, S. 202 f.; Cirino dos Santos, Criminologia Radical, S. 82 ff.; ders., Anatomia, S. 19; wohl auch Pedro Pimentel, Crime e Pena, S. 45 f.; i. S. einer Synthese zwischen diesem Vorschlag und denen der Nouvelle Defense Sociale Araújo Jr., Grandes movimentos, S. 78 f.; dazu aus der Sicht der Entwicklung der kritischen Kriminologie Aniyar de Castro, RBCC 32 (2000), S. 259 ff. Radikal auch Schwendinger/Schwendiger, Defenders of Order?, S. 130 ff., die unter Berufung auf den Schutz von Menschenrechten u. a. den Kapitalismus für ein Verbrechen erklären.

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davon überzeugten, die armen Schichten gehörten zu den bevorzugten Opfern,954 oder etwa auch an Gracia Martíns Plädoyer für die „Modernisierung“ des Strafrechts, also für seinen Einsatz als Mittel zur Unterdrückung der Oberschicht.955 Derartige Positionen haben prinzipiell nichts dagegen, wenn nur der Reiche bestraft oder wenn nur er Opfer von Straftaten wird. Unter der Flagge der Gleichheit und der Gesetzlichkeit verfolgt man in Wahrheit den alten politischen Klassenkampf, womit verkannt wird, dass der Staat seinen Legitimitätstitel nicht von einer bestimmten Klasse empfangen hat, sondern daran gebunden ist, im Namen aller zu sprechen.956 Das bedeutet freilich nicht, dass Klassenunterschiede hinsichtlich die Frage, ob Strafe legitim ist, völlig irrelevant sind. Der richtige Ort, die von ihnen gestellten Herausforderungen theoretisch zu verarbeiten, ist aber nicht die Straftheorie als Inbegriff der Bedingungen einer legitimen Strafe, weil man es hier mit sogenannten Vorbedingungen der Strafe zu tun hat, die in die Zuständigkeit dessen fallen, was man hier als Staatstheorie und im allgemeinen als politische Philosophie bezeichnet [siehe oben C. II. (S. 138)]. Selbstverständlich kann eine völlig legitime Strafe nur in einer völlig legitimen Gesellschaft stattfinden. Von der Straftheorie als sektorieller Rechtfertigungstheorie staatlicher Machtausübung kann man aber keine umfassende Rechtfertigung oder Kritik des Staates erwarten. Diejenigen, die sich lieber dieser Aufgabe widmen, sollten versuchen, sich an der Diskussion der politischen Philosophie zu beteiligen. ff) Zusammenfassend kann man mit Feuerbach in der Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung den tragenden Strafzufügungszweck erblicken. Entgegen dem Wortlaut von Feuerbachs Ausführungen, aber im gut Feuerbach’schen Geiste, folgt das nicht allein aus konsequentialistischen Effizienzüberlegungen – denn diese würden in weitgehendem Maße eine Nicht-Zufügung angedrohter Strafen vertretbar machen – sondern erst aus der Zusatzprämisse eines strengen Verständnisses des Gesetzlichkeitsprinzips, das die Bestimmung des Umfangs des Strafbaren zu einer höchstpersönlichen gesetzgeberischen Aufgabe erklärt. Das Gesetzlichkeitsprinzip kann man aber nur befolgen, wenn schon der Gesetzgeber darauf achtet, nicht mehr Strafen anzudrohen, als er fähig und bereit ist, später auch zuzufügen.

954 Etwa Kinsey/Lea/Young, Fight Against Crime, S. 5; Phipps, Radical Criminology, S. 111; Taylor, Left Realist Criminology, S. 107; Young, Failure of Criminology, S. 23 f.; siehe allgemein zu der Bewegung Young, KrimJ 1988, S. 247 ff.; ferner Larrauri, Herencia, S. 151 ff.; zum Einfluss ihrer Forderungen auf die englische Politik Dekeseredy/Schwartz, Left Realism, S. 309 ff. 955 Vgl. Nachw. oben Teil D., Fn. 535. 956 Konsequent und unverhohlen deshalb die entschiedene Ablehnung der „landläufig-bürgerlichen Deutung der Menschenrechte als diejenigen Rechte, die jedermann zu jederzeit in jeder Situation zustehen“ zugunsten einer klassenkampfbezogenen Deutung bei Klenner, Marximus und Menschenrechte, S. 14 f. und passim.

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c) Spezialprävention I: Besserung bzw. Resozialisierung? aa) (1) Für Feuerbach ist mit dem Hinweis auf die Bestätigung der Wirklichkeit der Strafzufügung die Frage nach dem Zweck der Strafzufügung in einem gewissen Sinne erledigt, in einem anderen jedoch nicht: denn er erkennt, wie bereits (in Abschnitt B. I. 2. e), S. 69) hervorgehoben wurde, die Anforderungen anderer Theorien, etwa auch der Besserungstheorie, als Nebenzwecke an. Welche Rolle diese Nebenzwecke im Gesamtsystem Feuerbachs spielen, ist freilich alles andere als klar. Allerdings soll hier nicht der Versuch unternommen werden, diese dunkle Kategorie damaliger Straftheorien zu klären.957 Denn es geht jetzt nicht um die Frage, ob die Besserung des Verbrechers ein Nebenzweck der Strafzufügung ist, sondern darum, ob nicht darin ein neben der Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung gleichberechtigter Hauptzweck zu erblicken ist. (2) Feuerbach beantwortet diese Frage bekanntlich im negativen Sinne. Es sind zwei Argumente, die er gegen die Besserungstheorie anführt: erstens vertrage sich die Theorie nicht mit dem Gesetzlichkeitsprinzip, da sie die Strafe nicht mit Bezug auf die vergangene Tat, sondern auf den Täter und seine Zukunft bestimmen müsste, was sich nicht im Gesetz hinreichend bestimmt festlegen ließe;958 zweitens verstoße eine Besserung durch Strafe gegen die moralische Autonomie der Bürger, die vom Staate nicht durch Zwang erzogen werden dürften: „Ein Recht zu züchtigen kann nur dem zukommen, der mit dem Gezüchtigten im vormundschaftlichen Verhältnisse steht.“959 Bedeuten diese zwei Argumente wirklich das Ende der Besserungstheorie? 957 Bei Nebenzwecken dürfte es anscheinend um Zustände gehen, deren Förderung zwar einen guten Grund zum Bestrafen liefert, die aber nur solange gefördert werden sollen, wie sich dies nicht auf die Förderung des Hauptzwecks negativ auswirkt. Die Theorie, die in der Arbeit aufzustellen versucht wird, verzichtet auf diese Kategorisierung. 958 Vgl. ferner Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 97 f.; Oersted, Grundregeln, S. 80; Abegg, NArchCrimR 1845, S. 250; dasselbe Argument greifen die Klassiker gegen die Modernen auf: Birkmeyer, ZStW 16 (1896), S. 116; R. Schmidt, DJZ 1925, Sp. 1295 f. (mit Hinweis auf Feuerbach); Beling, Vergeltungsidee, S. 94 ff. 959 Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 204. Die Stelle geht so weiter: „Der Staat ist aber nie Vormund, sondern Beschützer; nicht Zuchtmeister, sondern Vertheidiger; hat nicht Sittlichkeit und Cultur, sondern Schutz der Freiheit zu seinem Zweck“. Dieses Argument wird aufgegriffen von Hepp, Darstellung1, S. 43 f.; Bauer, Warnungstheorie, S. 343. Um die Jahrhundertwende ist es vergessen worden – zu den wenigen, die sich noch an es erinnern, gehörte der Moderne Eb. Schmidt, Kulturkrise, S. 15, der als Replik behauptete, die „persönliche Freiheitssphäre des Staatsbürgers“ bleibe anerkannt, weil „nur der Verbrecher jenen spezialpräventiven . . . Strafen und sichernden Maßnahmen unterworfen werden soll“; dann wird der Einwand über Generationen eher vereinzelt aufgenommen, z. B. in der Zeit der Reformdiskussion Preiser, Recht zu strafen, S. 74; Bockelmann, Heidelberger Jahrbücher 5 (1961), S. 35 f. (mit einer Inkonsequenz, s. unten Teil D., Fn. 986); Hoerster, ARSP 1972, S. 559; Naucke, Tendenzen, S. 43 (Resozialisierung als „kollektive Forderung auf zwangsweise Anpas-

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bb) Um das Ergebnis schon vorwegzunehmen: Feuerbach hatte Recht. Die Besserung des Täters ist kein Strafzufügungszweck, und dies insbesondere aus dem zweiten Grund, den Feuerbach genannt hat. (1) Strafe ist Zwang, ein Übel. Nach einem Strafzweck zu fragen bedeutet also, nach der Legitimität von Zwang zu fragen. Strafzwecke sind Zustände, deren Erreichung oder Förderung gute Gründe anbieten, Zwang auszuüben. Ruft man sich diese Begriffsbestimmungen in Erinnerung, erscheint es klar, weshalb die Besserungstheorie keinen Strafzweck angeben kann: Denn die Tatsache, dass vom Zwang die Besserung des Gezwungenen zu erwarten ist, gibt dem Staat noch keinen Grund, Zwang einzusetzen. Die Autonomie der Bürger verbietet es dem Staat, Zwang einzusetzen um die Bürger zu bessern. Die h. M. steht diesem Ergebnis viel näher, als sie sich selbst zuzugestehen bereit ist, da sie richtigerweise davon ausgeht, der Staat dürfte niemanden gegen seinen Willen bessern.960 Besserung und Resozialisierung dürfen nur angeboten, nicht aber aufgezwungen werden. Darf der Staat tatsächlich niemanden ohne seinen Willen sung“); heute wieder Rogall, Abschreckung, S. 246; E. A. Wolff, Kriminalunrecht, S. 139; Köhler, Strafbegründung, S. 36; und ausführlich Müller-Steinhauer, Autonomie und Besserung, S. 182, 234 ff., die i. Erg. genau den hiesigen Standpunkt vertritt. Vertreter der Resozialisierungslehre setzen sich mit diesem Einwand nur selten auseinander. Ausnahmen sind Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 31 f. (mit der unklaren und nur eingeschränkt überzeugenden Kategorie der „sozialen Verantwortung“) und Lüderssen, Resozialisierung und Menschenwürde, S. 109 (mit dem Argument, man verliere nicht seine Würde, wenn einem geholfen werde – schöne Hilfe, die einem aufgenötigt wird! Lüderssen zustimmend auch Weigend, Resozialisierung, S. 185). Abwegig Merle, Strafen, S. 13 und passim, der versucht, aus dem Autonomiegedanke die Spezialprävention abzuleiten und sich noch auf den deutschen Idealismus zu berufen [zur Kritik überzeugend Pawlik, ZStW 120 (2008), S. 131 ff.]. Im angelsächsischen Raum stand diese Überlegung dagegen weit mehr im Vordergrund der Diskussion: Armstrong, Mind 70 (1961), S. 484; H. Morris, Monist 52 (1968), S. 486, 487; heute M. Moore, Closet Retributivism, S. 86 f. Dieser prinzipielle, d.h. deontologische Einwand ist nicht zu verwechseln mit dem konsequentialistischen Einwand, wonach Zwang kein gutes Mittel der Erziehung sei: so bereits Oersted, Grundregeln, S. 37; in der Nachkriegszeit Bockelmann, Strafe und Erziehung, S. 29 ff.; ders., JZ 1951, S. 496 f.; Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 63 ff.; heute Kühl, Bedeutung der Rechtsphilosophie, S. 30. Das haben auch die Modernen zugegeben, vgl. Grünhut, ZStW 53 (1934), S. 5. Dagegen hatte schon Röder, NArchCrimR 1850, S. 438 eine nicht leicht zu entkräftende Antwort, nämlich die Differenzierung von mittelbarem und unmittelbarem Zwang zur Besserung und die Betonung, dass ersterer durchaus effizient sein könne. 960 Z. B. Bajo Fernández, Tratamiento, S. 37, 44; Cervini, Descriminalização, S. 33 ff.; Fiandaca/Musco, PG3, S. 640; Hassemer, KrimJ 1981, S. 165; Lüderssen, Resozialisierung und Menschenwürde, S. 110; Mir Puig, Introducción2, S. 62; Roxin, JA 1980, S. 552 („Angebot“); Weigend, Resozialisierung, S.187; insofern auch die abolitionistische Kritik an der sog. „Behandlungsideologie“, etwa P.-A. Albrecht, KritV 1986, S. 74 ff.; Baratta, Criminologia crítica, S. 90, 167 ff.; ders., Prefácio, S. 13; Scheerer, Abolitionismus, S. 295 (zu dieser Kritik siehe freilich die Bemerkung bei Teil D., Fn. 1002). Bedenklich, aber ehrlich Dölling, Spezialpräventive Aufgabe, S. 607: Resozialisierung sei zwar ein Angebot, bei dessen Ablehnung der Täter „hinnehmen muss, dass die Rechtsgemeinschaft gegen ihn Schutzmaßnahmen ergreift“ –

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bessern, dann kann die Besserung keinen Beitrag zur Rechtfertigung der Strafe anbieten: Denn Strafe wird definitionsgemäss gegen den Willen des Bestraften, also als Zwang, zugefügt. Es gilt nur, aus der richtigen Prämisse der herrschenden Meinung die entsprechende Folgerung zu ziehen. Nimmt man den Autonomie-Einwand ernst, muss man die Besserung als Strafzweck ablehnen. Dieses Ergebnis hängt auch nicht von dem von der jeweiligen Besserungstheorie zugrundegelegten Begriff der Besserung ab – und deshalb hat man in einer sich um Differenzierung und exakte Definition bemühenden Arbeit, wie der vorliegenden, darauf verzichtet, den Begriff der Besserung näher zu präzisieren. Einige Vertreter der Theorie entgegneten Feuerbach schon damals, dass es ihnen nicht um moralische, sondern nur um politische Besserung ginge, also darum, dass man lerne, sich rechtsgemäß, und nicht moralgemäß zu verhalten.961 Für unsere Zwecke ist aber diese Unterteilung irrelevant, denn es kommt nicht auf die Beschaffenheit der Verhaltensweisen, zu denen man erzogen wird, an, sondern auf die Beschaffenheit der Erziehung selbst. Erziehung i. S. der Besserungstheorie bedeutet, damit diese Theorie gegenüber der Abschreckungstheorie einen eigenständigen Gehalt bekommt, das durch die Strafzufügung gezielte Vorgeben von nicht nur klugheitsbezogenen Gründen, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten.962 Denn klugheitsbezogene Gründe, künftig keine Straftaten zu begehen, gibt schon jede Strafe automatisch an: Jede Strafe als Übel legt schon hinreichend dar, dass es sich nicht lohnt, Straftaten zu begehen. Gründe, die nicht nur klugheitsbezogen sind, sind nach der obigen Bestimmung moralbezogene Gründe im weiteren Sinne: Sie besagen nämlich, dass man Straftaten zu unterlassen habe, weil es (rechtlich oder moralisch) falsch ist, sie zu begehen. Nun ist es so, dass die Motivation zu rechtmäßigem Verhalten Sanach diesem Sprachgebrauch wäre jede Erpressung als Angebot zu charakterisieren. Von einer Resozialisierungspflicht spricht auch Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 95. 961 Etwa Klein, ArchCrimR Bd. I St. III, S. 66; Kleinschrod, Grundbegriffe II2, S. 127 f.; Henke, Criminalrechtswissenschaft, S. 33; mit einer entsprechenden Unterscheidung hundert Jahre später Freudenthal, MSchrKrimPsych 17 (1926), S. 28 f.; hundertfünfzig Jahre später Eduardo Correia, Code Penal Portugais, S. 234; Nowakowski, Freiheit, Schuld, Vergeltung, S. 79; und heutzutage Bitencourt, Penas alternativas, S. 17 ff.; Maihofer, Rechtsstaat und menschliche Würde, S. 146 („Relegalisierung“); Gössel, Sanktionen, S. 18, 19, 23, 24. Die illiberale Kritik war immer die, dass diese Unterscheidung nicht möglich sei, und dass man deshalb bis zum Ende gehen müsse, so bereits Henke, Strafrechtstheorien, S. 85: Die politische Besserung beruhe auf einer „leeren Abstraction“; Spangenberg, Pönitentiarsystem, S. 35; Röder, NArchCrimR 1850, S. 414, 437; Radbruch, JW 1932, S. 3037: eine Besserung, die nicht die Gesinnung miterfasse, würde „nicht sowohl eine Besserung als eine bloße Witzigung des Rechtsbrechers bedeuten“; in der Nachkriegszeit Bockelmann, Strafe und Erziehung, S. 33; Eser, Resozialisierung, S. 517 f.; K. Peters, Erziehungsvollzug, S. 505 f., 508 ff.; wohl auch Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 31 f. Zur Diskussion noch Hassemer, Darf der Staat bessern?, S. 232 ff.; ausführlich zu den unterschiedlichen Bestimmungen des Resozialisierungsbegriffs García-Pablos, Introducción4, S. 292 ff. 962 So auch Armstrong, Mind 70 (1961), S. 479.

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che des Bürgers ist. Das Recht kann nicht in seine Freiheit eingreifen, mit dem Argument, dies fördere die Einsicht der Bürger in Richtig und Falsch bzw. seine Fähigkeit, sich vom Richtigen motivieren zu lassen. Deshalb ist nicht nur die moralische, sondern auch die politische Besserung als Straftheorie (also als Begründung für Zwang) unzulässig, und unzulässig ist auch jede Form der Besserung, die über die von der Abschreckungstheorie vorgeschlagene hinausgeht. Eine interessante Frage, die hier nicht zurückverfolgt, sondern nur angedeutet werden soll, hätte mit der Geschichte dieses Autonomie-Einwandes zu tun. Denn während man zu Feuerbachs Zeiten und im frühen 19. Jahrhundert ziemlich selbstsicher die Unvereinbarkeit von Besserung bzw. Resozialisierung und Strafe behaupten konnte,963 änderte sich im Verlaufe des Jahrhunderts die Lage, so dass man zu den Zeiten Liszts und Bindings eine Begründung des Rechts des Staates, durch Zwang zu bessern, weder lieferte, noch verlangte.964 So konnte zum Abschluss einer Epoche Richard Schmidt 1928 behaupten, einer Ablehnung der Resozialisierung „wird man heute nirgends mehr begegnen.“965 Eine Vermutung, deren genauere Überprüfung einer späteren Gelegenheit überlassen werden muss, wäre, der Einzug organizistischen, gemeinschaftsbezogenen und moralisierenden Gedankengutes in die Staatslehre habe den Einstellungswechsel bezüglich des Verbotes, die Autonomie der Bürger zu missachten, bedingt.966 Die Entwicklung scheint insoweit zu derjenigen der positiven Generalprävention völlig parallel gelaufen zu sein – was wiederum bemerkenswert ist!967 Nur wollen wir das an dieser Stelle nicht so ausführlich belegen, wie wir es oben getan haben. Wir wollen uns jetzt vielmehr damit begnügen, den Blick auf einige wichtige Meilensteine dieser Wendung zu werfen. Zu den frühesten Vertretern einer Besserungsstrafe gehörte Henke. Er kommt mit dem Autonomie-Einwand über zwei Umwege zurecht: Erstens vertritt er eine Verwirkungslehre, wonach der Verbrecher mit der Begehung des Verbrechens rechtlos wird; zweitens will er ihn zunächst nur den Ansprüchen einer „juridischen Besserung“ unterwerfen.968 Zu 963

Siehe oben Teil D., Fn. 959. Die einzige Ausnahme, die ich finden konnte, war Wach, Reform der Freiheitsstrafe, S. 58. Seine Argumente (1890) blieben dann in der weiteren Diskussion ohne Gehör. 965 R. Schmidt, GS 96 (1928), S. 8. Heute stellen zwei der gründlichsten Reflexionen jüngeren Datums zur Resozialisierung bezeichnenderweise gerade diese Frage, ob Zwang zur Besserung sich mit Autonomie verträgt, nicht (Hassemer, Darf der Staat bessern?, S. 221 ff.; Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 29 ff., der sogar eine Resozialisierungspflicht vertritt, S. 95). 966 Anders Eb. Schmidt, Kulturkrise, S. 14, der mit seltenem Problembewusstsein – er spricht von „Methoden . . . die auch vor der ,Persönlichkeit‘ nicht Halt zu machen brauchten“ – die Richtungsänderung mit dem Wohlfahrts- und Fürsorgestaat in Verbindung bringt. 967 Zur Entwicklung der positiven Generalprävention bereits oben D. II. 3. f), (S. 403 ff.). 964

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den Hauptvertretern der Besserungs- bzw. Resozialisierungsidee gehört Röder, der seine wichtigsten Texte in den 30er und 40er Jahren schrieb. Er stellt zunächst die Wandlungen der Staatsauffassung fest: „Unstreitig gehört nicht bloß die äußere Hälfte des Menschens dem Recht an und die bloß äußerliche Legalität des Handelns kann als bloß halbe Gerechtigkeit dem Recht und Rechtsverein nicht genügen.“969 Daraus zieht er dann die Folgerungen für die Straftheorie: Strafe müsse den ganzen Menschen innerlich bekehren; sie fuße auf einem angeblichen „Recht der Bevormundung durch solche Personen, die auf höherer Stufe der rechtlichen Willensbildung stehen, und die dadurch zur Leitung des Willens anderer geeignet sind“.970 Immerhin musste er sich noch mit dem Autonomie-Einwand auseinandersetzen.971 Seine Lösung ist eben, den Verbrecher zu einem Unmündigen, präziser, zu einem „sittlich Unmündigen“ zu erklären.972 Für den auch darauf zurückführbaren, hier deshalb nicht gesondert erwähnten Paternalismus-Einwand hat er nur aufschlussreichen Hohn übrig: „Wahrhaft albern ist endlich der Einwurf: nur der Verbrecher selbst – also der erziehungsbedürftige Unmündinge!? – könne bestimmen, was zu seiner Besserung ihm nöthig sei“.973 Der Seitenblick sowohl auf die eher praxisorientierten Vertreter des Pönitentiärsystems, als auch auf die damaligen Hegelianer, deckt ein ähnliches Muster auf: Zunächst bestimmt man die Aufgabe des Staates anders, als man es noch auf Grundlage der Sozialvertragslehre im vorigen Jahrhundert tat, so dass auch die Moralität der Bürger zur Staatssache wird, dann begründet man über unterschiedliche Umwege die Pflicht des Staates, die Verbrecher zu bessern. Die Pönitentiärtheoretiker gingen von einer stark theologisch geprägten Sicht des Staates aus und leiteten grob gesagt die Besserungstheorie aus der christlichen Pflicht zur Nächstenliebe ab. So sprach Spangenberg, der die Besserung der Verbrecher zum einzig vernünftigen Strafzweck erklärt,974 von der „Pflicht ei968 Henke, Criminalrechtswissenschaft, S. 133; ein Jahr später änderte er sein Urteil über die juridische Besserung, s. oben Teil D., Fn. 961. 969 Röder, Besserungsstrafe, S. 12 (Zitat), S. 29; ders., NArchCrimR 1850, S. 414: daraus, dass ohne rechtliche Gesinnung der Bevölkerung kein Rechtsstaat denkbar sei, folge, dass „das Wecken und Pflegen gerechter Gesinnung unzweifelhaft zu dessen Aufgabe gehört“. 970 Röder, Besserungsstrafe, S. 20 (Zitat), dann S. 21, 26 („Hervorrufung der Rechtlichkeit bloß des äußeren Menschen kann dem wahren Grund der rechtlichen Strafe, also der vollkommenen Gerechtigkeit, nie entsprechen“), 28; ders., NArchCrimR 1850, S. 437; ähnlich trat in Spanien Dorado Montero, Derecho penal represivo, S. 324 f.; ders., La pena, S. 13 nachdrücklich für die Bevormundung ein. 971 Röder, Besserungsstrafe, S. 30 f.; s. auch das damit verwandte Argument der Verwechselung von Recht und Moral, S. 29 f. 972 Am deutlichsten Röder, NArchCrimR 1850, S. 434. 973 Röder, Besserungsstrafe, S. 36. 974 Spangenberg, Pönitentiarsystem, S. XIII, 29 f. (wo auch von Sicherung gesprochen wird).

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nes christlichen Staates, die Gebote und Vorschriften des Christentums zu der Erreichung moralischer Zwecke, und einer sittlichen Ordnung im Staate zu befolgen und in Anwendung zu bringen“,975 und Zeller meinte, zwar genüge dem Staat „als bürgerlichem Verein, zur eigenen Sicherheit das Gefängniß und die Absonderung des Straflings“; „als sittlich-religiöser Verein“ verlange er aber, „dass er (der Sträfling) gebessert wird“.976 Die zeitgenössischen Hegelianer, die ebenfalls von einem die Sittlichkeit miteinbeziehenden Rechtsbegriff ausgingen,977 zeigen ein ähnliches, wenn auch weniger einheitliches Bild. Abegg mag die Besserung nicht abgelehnt haben, machte aber vor dem Autonomie-Einwand immer noch halt,978 so dass er der Besserung nicht mehr zugestand, als eine Rolle als gute Nebenwirkung, die man von der gerechten Strafe erwarten dürfte.979 Dagegen meinte Köstlin, der von ihm auch vertretene Strafzweck der Schuldtilgung sei erst dann erreicht, wenn die negative Gesinnung des Rechtsbrechers auch innerlich aufgehoben werde.980 Sein schlechtes Gewissen im Hinblick auf den Autonomie-Einwand ist aber spürbar, denn er gibt nicht weniger als vier unterschiedliche, miteinander nicht verträgliche Antworten auf ihn – zunächst, dass die Subjektivität des Verbrechers doch als Selbstzweck behandelt werde,981 dann, dass nicht jeder, sondern nur der, der ein Verbrechen begangen hat, als Kandidat des Besserungshauses in Betracht komme.982 An dritter Stelle sagt er mit einem Problembewusstsein, dass wir anscheinend verloren haben, das Besserungsprinzip müsse „als Grundnorm der bürgerlichen Strafe allerdings alle Freiheit aufheben“, „weil der Staat sich damit ein Vormundschafts- und Zwangsrecht über die ganze Persönlichkeit jedes Uebertreters seiner Gesetze anmaßen würde“.983 Daher könne die Besserung nur einen Teil im Ganzen der Straftheorie einnehmen.984 Und hundert Seiten später bemüht er eine Variante der Einwilligungslehre, wonach Strafe eine Wohltat, eine Forderung des vernünftigen Ichs des Verbrechers sei.985 975

Spangenberg, Pönitentiarsystem, S. XIV. Zeller, Erziehungsanstalt, S. 32. Ähnlich Roellner, Zeitschrift für deutsches Strafverfahren 3 (1846), S. 338. 977 Nachw. oben D. II. 3. f), (S. 409 f.). 978 Abegg, NArchCrimR 1845, S. 247 f. Bei Berner taucht das Argument nicht auf, Berner, Lehrbuch1, S. 9. 979 Abegg, Strafrechtstheorieen, S. 53 Fn. 45, S. 67; ders., NArchCrimR 1845, S. 252 ff., 258 f.; ders., NArchCrimR 1850, S. 181. 980 Köstlin, Neue Revision, S. 627 ff., 774, 786; dazu mit w. Nachw. Ramb, Strafbegründung, S. 155 f. 981 Köstlin, Neue Revision, S. 634. 982 Köstlin, Neue Revision, S. 637. 983 Köstlin, Neue Revision, S. 638. 984 Köstlin, Neue Revision, S. 638, 775, 779. 985 Köstlin, Neue Revision, S. 776 ff., 778. 976

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Man kann Feuerbachs gegen die Besserungstheorie entwickelter Argumentation nichts hinzufügen, sondern sich ihr nur anschließen. Man kann sie begrifflich durch unsere Unterscheidung von klugheits- und moralitätsbezogenen Gründen präzisieren, und man kann sie rhetorisch durch ein Gedankenexperiment Bockelmanns ergänzen, der sich fragt, ob wir bereit wären, eine Persönlichkeitsumgestaltung des Kriminellen durch zwangsweise körperliche Eingriffe zu gestatten, und anschließend bemerkt, es bestehe dazu kein Unterschied zu einem geistig-seelischen wissenschaftlichen Eingriff.986 Die Aussicht, dass jemand seine Einsicht in Recht und Unrecht verbessern wird, gibt dem Staat keine Legitimation, ihn auch nur einen Tag länger in Haft sitzen zu lassen. (2) Das zweite Argument Feuerbachs, wonach sich die Besserungstheorie nicht mit dem Gesetzlichkeitsprinzip vertrage, erscheint demgegenüber auf den ersten Blick dürftig. Sind nicht die heutigen Strafgesetzbücher und Strafvollzugsgesetze ein Beleg dafür, dass diese Befürchtungen übertrieben waren? Man könnte sich zwar wünschen, Feuerbach hätte übertrieben. Traurige Tatsache ist aber, er hatte weitgehend Recht, und zahlreiche unter den besserungsbezogenen Vorschriften unserer Strafgesetze verstoßen durchaus – trotz ihrer gesetzgeberischen Herkunft – gegen ein streng verstandenes Gesetzlichkeitsprinzip.987 Beispiele dürften die Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56), die Aussetzung des Strafrestes (§ 57) und sogar die Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59) sein, insofern, als die Zufügung des körperlichen Übels, die zu einer Komponente des Strafbegriffs zählt,988 von Prognosen über das Täterverhalten, von einer Gesamtbewertung seiner Persönlichkeit, von Weisungen und Auflagen abhängig gemacht wird.989 In solchen Fällen wird man nicht mehr für seine vergangene Tat bestraft, sondern dafür, dem Richter nicht gefallen zu haben oder nicht mit dem Richter bzw. dem Vollzugsbeamten kooperiert zu haben. Diese, und nicht das Gesetz, entscheiden letztlich, ob und wieweit die gesetzliche Strafandrohung – die allein bezüglich der Begehung einer Straftat angedroht wird – tatsächlich zugefügt wird. Zieht man nur im Individualfall prognostizierbare Zweckbetrachtungen zur Legitimation einer Strafandrohung – sei es auch nur zusätzlich – heran, dann verlässt man notwendigerweise den Boden strikter Gesetzlichkeit, die aus nahe-

986 Bockelmann, Heidelberger Jahrbücher 5 (1961), S. 36. Nur schränkt Bockelmann im unmittelbar anschließenden Absatz die Pointe seines Beispiels dadurch ein, dass er einen graduellen Unterschied zwischen beiden Eingriffen einräumt, der es gestatte, in gewissen vom Gewicht der Tat abgesteckten Grenzen auf den Täter resozialisierend einzuwirken! 987 Mit einer Qualifikation, unten 5 (Nicht-Desozialisierung). 988 Siehe oben D. II. 1. (S. 297 ff.). 989 Zur Klarstellung: Selbstverständlich kritisiert man nicht die erwähnten Rechtsinstitute an sich. Kritikabel erscheint, dass ihre Gewährung an täterbezogene Prognosen gebunden ist.

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liegenden Gründen nicht auf der Grundlage von individualfallbezogenen Prognosen befehlen kann. Obwohl man im hiesigen Rahmen kaum die Strafzumessungslehre berühren kann, dürfte offensichtlich sein, dass nur eine streng auf dem Gedanken der Tatproportionalität basierende Theorie zu befriedigen vermag.990 (3) Demgegenüber erweisen sich die heute modisch gewordenen empirischen Zweifel, die von Martinson in der Wendung des „nothing works“ zusammengefasst werden,991 als zweitrangig. Gleichgültig, ob Resozialisierung empirisch erreichbar ist oder nicht: Einen guten Grund zum Strafen kann sie nicht liefern. cc) Ist das alles, was man zum Besserungsgedanken im Rahmen der Straftheorie zu sagen hatte? Im Rahmen der Straftheorie, ja.992 Die zu erwartende Besserung des Bestraften liefert keinen Grund, eine Strafe überhaupt oder länger oder strenger zuzufügen. Das bedeutet mit anderen Worten, dass Besserung kein Strafzweck ist und im Rahmen der Straftheorie nichts zu suchen hat. Zu dieser Einsicht Feuerbachs gelangt die heutige herrschende Meinung nicht, obwohl sie bei fast allen Prämissen des ersten Feuerbach’schen Einwands mitmacht. Man gibt zwar zu, Besserung dürfe niemandem aufgezwungen werden, zieht daraus aber nicht den Schluss, die Besserung sei kein Strafzweck. Viel990 Zu dieser Lehre vgl. v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß, S. 11 ff. und passim; für Deutschland grdl. Schünemann, Strafzumessung, S. 225 ff.; ferner; v. Hirsch, Proportionale Sentences, S. 168 ff.; Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, S. 136 ff., 143 ff.; Schünemann, Entwicklung der Schuldlehre, S. 160 und den von Frisch/ v. Hirsch/H.-J. Albrecht hrsgg. Sammelband über „Tatproportionalität“ (2003). Man beachte: die ratio wäre hier, anders als insb. bei v. Hirsch und Hörnle, nicht eine Überlegung zur Rechtfertigung des Tadels, sondern das Gesetzlichkeitsprinzip, das nicht im Vordergrund steht (z. B. v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß, S. 52; v. Hirsch, Proportionate Sentences, S. 172; Jareborg/v. Hirsch, ,Neoklassizismus‘, S. 50). Auch Schünemanns Argument der überlegenen sozialen Akzeptanz der Tatproportionalität gegenüber konkurrierenden Strafzumessungslehren wäre von sekundärer Bedeutung (Akzeptanz von Strafnormen, S. 194). Die Kritik von Feijoo Sánchez, InDret 1/2007, Nr. 403 S. 8, wonach die Theorie in ihrer Opferzentriertheit die sozialen Dimensionen der Tat vernachlässige, trifft, wenn sie der bisherigen Tatproportionalitätslehre überhaupt angemessen ist, die hiesige gesetzlichkeitsbezogene Proportionalitätslehre nicht. 991 Martinson, The Public Interest 35 (1974), S. 48; dem zust. etwa Allen, Rehabilitative Ideal, S. 17 f.; Cervini, Descriminalização, S. 36 ff.; Gottfredson/Hirschi, General theory, S. 232, 268 f. (aus der Perspektive ihrer Kriminalitätstheorie der „niedrigen Selbstkontrolle“); v. Hirsch, Doing Justice, S. 4, 14 ff.; ähnlich Bottke, Finalidades de la pena, S. 56, der insb. wegen empirischer Probleme die Resozialisierung als Strafzweck insgesamt verwirft. Kritisch Bock, ZStW 102 (1990), S. 506; Brody, Treatments, S. 10 ff.; Dölling, Spezialpräventive Aufgabe, S. 605 f.; García-Pablos, Tratado de Criminología2, S. 984, m. w. Nachw. auf S. 985 ff.; Hassemer, Darf der Staat bessern?, S. 234 ff.; Jescheck, ZStW 91 (1979), S. 1055; Müller-Dietz, Kriminologie in Europa, S. 25; Roxin, JA 1980, S. 551 f.; ders., Wandlungen der Strafzwecklehre, S. 705; Schreiber, ZStW 94 (1982), S. 293; Weigend, Resozialisierung, S. 186 ff. 992 Heute wird das nur vereinzelt so gesehen: i. Erg. Marxen, Kampf, S. 267; Jakobs, AT2 § 1/37 ff.; wohl auch Polaino Navarrete, PG I5, S. 79; ferner die oben Teil D., Fn. 959 erwähnten Autoren, die den Autonomie-Einwand ausspielen.

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leicht könnte man aus der Frage nach dem Warum dieser zunächst unerklärbaren Zurückhaltung einiges lernen. Der Grund, weshalb man die Besserung nicht als Strafzweck aufgeben will, erschließt sich ohne große Mühe. Der Besserungsgedanke scheint sich aus dem „Geist der Humanitas“ zu speisen.993 Besserung und Resozialisierung erscheinen uns intuitiv humaner als andere Strafzwecke, wie etwa Vergeltung und erst recht Abschreckung. Diese intuitive Erfassung der Nähe der Besserung zu den Bestrebungen, das Strafrechtssystem zu humanisieren, bestätigt sich auch historisch. Zu Feuerbachs Zeiten war in Deutschland die gänzlich überwiegende Mehrheit der Strafrechtler auf der Seite der Todesstrafe.994 Die Argumente Beccarias machten keinen großen Eindruck auf die Strafjuristen, die häufig unter dem Einfluß Kants oder Feuerbachs standen. Erst als am Anfang des 19. Jahrhunderts die Besserungstheorie unter den Juristen Einzug fand, fing man an, sich gegen die Todesstrafe zu wenden, mit dem Argument, mit ihr könne man die humanitäre Pflicht, sich mit dem sündigen Bürger zu versöhnen, erst recht nicht erfüllen.995 Auch die Forderung, die Lebensbedingungen von Gefängnisinsassen zu verbessern, wird häufig vom Hinweis auf Anforderungen der Besserung getragen: Man könne nicht erwarten, dass sich bei demjenigen, der unter schmutzigen, menschenunwürdigen Bedingungen jahrelang festgehalten wird, die Strafe bessernd auswirke.996 Man denke ferner an den vom Resozialisierungsgedanken durchtränkten Entwurf Radbruch von 1922, der sowohl die Todesstrafe, als auch das Zuchthaus beseitigen wollte.997 Auch die Abschaffung der Zuchthausstrafe wurde getragen von der Überzeugung, diese Strafform hin993

Um den Ausdruck Eb. Schmidts, ZStW 67 (1955), S. 183 zu gebrauchen. Nachw. bereits oben Teil B., Fn. 249. 995 Im 19. Jahrhundert Spangenberg, Pönitentiarsystem, S. 54 ff.; Obermaier, Besserung der Verbrecher, S. 19 ff.; Röder, Besserungsstrafe, S. 28, 35; Barreto, Prolegomenos, S. 63: „man bessert keinen Menschen dadurch, dass man ihn tötet“; in der Nachkriegszeit Radbruch, Ende der Todesstrafe, S. 340; Jescheck, Menschenbild, S. 9: „auch der Schwerverbrecher ist jederzeit zu innerer Läuterung befähigt“; Correia, Peine de mort, S. 35, der die Abschaffung der Todesstrafe in Portugal auf den Einfluss der Besserungstheorie zurückführt; Baumann, Todesstrafe, S. 90: Fremdkörper in einem auf Resozialisierung gerichteten Strafsystem; Ancel, Nova defesa social, S. 18, 112 ff., 240 f., 353, 374, 418 f. der wiederholt die Humanisierung des Strafrechts zur Fahne seiner Bewegung erklärt. Das Argument war an sich nicht neu – soweit ersichtlich fand es zur Zeit Feuerbachs Aufnahme nur bei Philosophen (Schulz [sog. Zopfschulz], Sittenlehre IV, S. 287 f.) oder Dilettanten (Theod. v. Hippel, Beytrag, S. 30). Der Resozialisierungstheoretiker Henke, Strafrechtstheorien, S. 28 f. akzeptierte diese Folgerung nicht. 996 So mehrmals Spangenberg, Pönitentiarsystem, S. 74 ff., der interessanterweise lange vor v. Liszt sagte: „Wir bestrafen nicht das Verbrechen, sondern das Individuum, welches das Verbrechen begangen hat“ (S. 89); auch Julius, Gefängniß-Kunde, S. 85 ff.; Obermaier, Besserung der Verbrecher, S. 4 f. und passim; Röder, Besserungsstrafe, S. 21 f.; ders., NArchCrimR 1850, S. 418 ff.; Zeller, Erziehungsanstalt, S. 37. 997 Entwurf Radbruch (1922), §§ 29, 30; dazu kritisch die Besserungsgegner Nagler, GS 103 (1933), S. XIII; R. Schmidt, GS 96 (1928), S. 10 f., 26 f., 32 f. (vor allem 994

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dere die Wiedereingliederung der als „Zuchthäusler“ deklassierten Verurteilten in die Gesellschaft.998 Die gängige Fortschrittsgeschichte der deutschen Strafrechtsreform, die von v. Liszt über Radbruch bis hin zum Alternativentwurf geht, lebt von der Vorstellung eines Bundes von Humanisierung und Resozialisierung, und dieser Bund wird von Verfassungen wie denjenigen Italiens oder Spaniens dokumentiert, welche die Resozialisierung unter den Grundrechten anführen.999 Deshalb besteht die Resozialisierungsidee vor allem bei Autoren weiter, die sich um die Humanisierung des Strafrechts Sorgen machen,1000 und deshalb wagen nur die wenigsten, den Gedanken völlig zu verabschieden.1001 Die Distanz autoritärer Strafrechtler zur Resozialisierungstheorie – man denke an Binding, der sie „Limonade des Mitleids“ nannte, oder an Dahm/Schaffstein und Gallas, welche die Modernen vor allem deshalb kritisierten, weil diese angeblich nur Humanisierungen des Strafrechts erreicht hätten – scheint eine zusätzliche Bestätigung ihrer humanen Seite zu liefern.1002 mangelnde Bestimmtheit); zum Entwurf Radbruch im Allgemeinen Marxen, Kampf, S. 76 ff.; Seidl, Streit um den Strafzweck, S. 109 ff. 998 Noch zur Zeit der Diskussionen um den Entwurf 1962 und den AE: Jescheck, Menschenbild, S. 10; Eb. Schmidt, ZStW 69 (1957), S. 381 f.; AE, S. 73. 999 Art. 27 Abs. 3 Italienische Verfassung; Art. 25 Abs. 2 Spanische Verfassung. Deshalb verbindet man in diesen Ländern die Resozialisierung häufig mit dem sog. Prinzip der Achtung der Menschlichkeit („princípio de humanidad“), so etwa Polaino Navarrete, PG I5, S. 157. 1000 Baumann, Strafe als soziale Aufgabe, S. 36; Dölling, Spezialpräventive Aufgabe, S. 604 ff.; Eser, Resozialisierung, S. 505 ff.; Eusebi, RIDPP 1997, S. 835 ff.; Hassemer, Darf der Staat bessern?, S. 223: „Sowohl der Strafvollzug als auch die Straftheorie wären ohne die Besserungsidee . . . vergleichsweise kalt und mechanisch“, S. 237, 239 f.; Jescheck, ZStW 91 (1979), S. 1038 ff.; ders., ZStW 98 (1986), S. 21; Kaiser, Resozialisierung, S. 364 ff.; Arthur Kaufmann, Jura 1986, S. 229; ders., Gerechte Strafe, S. 431; Lenckner, JuS 1983, S. 340; Lüderssen, Krise des Resozialisierungsgedankens, S. 132 ff.; ders.,, Resozialisierung und Menschenwürde, S. 109 ff.; Roxin, Wandlungen der Strafzwecklehre, S. 704 f.; ders., AT I4, § 3/37 ff.; Schreiber, ZStW 94 (1982), S. 298; Schüler-Springorum, Resozialisierung, S. 503 ff. Im angelsächsischen Raum vertreten Cullen/Gilbert, Reaffirming Rehabilitation, S. 20 ff. die Resozialisierungstheorie vor allem mit dem Argument der Humanisierung – dazu die zutreffende Kritik von v. Hirsch/Maher, Rehabilitationism, S. 28 f. 1001 Siehe bereits oben Teil D., Fn. 992. 1002 Binding, Grundriss8, S. XV; Dahm/Schaffstein, Liberales oder autoritäres Strafrecht, S. 4, 13 ff., 17, 20, 43 ff.; Dahm, MSchrKrimPsych 24 (1933), S. 172; Schaffstein, ZStW 55 (1936), S. 277 ff.; Gallas, ZStW 53 (1934), S. 13, 17; ähnlich A. E. Günther, Liberale und autoritäre Strafrechtsreform, S. 101 ff.; Hoche, MSchrKrimPsych 1932, S. 554 („das Schwert der Justiz ist mit Watte umwickelt“); Larenz, ZfdKP 2 (1935), S. 40 f., der höhnisch vom „Lieblinszweck der liberalen Straftheorie“ sprach; Nagler, GS 103 (1933), S. XXIII f.; Sauer, GS 103 (1933), S. 24; sogar Radbruch, Autoritäres oder soziales Strafrecht?, S. 230 f., kritisierte die Tendenz der Reformen zur einseitigen Milderung der Strafjustiz; dazu auch Seidl, Streit um den Strafzweck, S. 33. Letztlich ist die nationalsozialistische Ablehnung der Resozialisierung auch eine historische Verzerrung. Den meisten Nationalsozialisten ging es nicht darum, den Erziehungsgedanken überhaupt zu verwerfen, sondern ihm eine bestimmte ideologische

II. Die Straftheorie

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Diese intuitive Sympathie zu den humanitären Bestrebungen, welche die Besserungstheorie häufig begleiten, kann die Theorie aber nicht tragen. Wie die Erfahrungen mit den großen Despotien früherer Zeiten und mit dem Kommunismus des 20. Jahrhunderts auch hinreichend belegt haben dürften, folgt die schlimmste Tyrannei häufig gerade aus der Menschenliebe. Denn der Liebende will bei bestem Wissen und Gewissen nur das Wohl des Geliebten. Ihm fällt häufig nicht einmal ein, dass sich seine Vorstellung vom Wohl nicht immer mit der des Geliebten deckt. Die Besserungstheorie belegt diese Ideologieträchtigkeit des wohltuenden Humanitarismus nahezu mustergültig.1003 Und in einer Stellungnahme, die zwar z. T. geschichtlich erklärbar ist – denn die Moderne Schule war schon von der nationalsozialistischen Kritik in die Defensive gedrängt worden – aber immerhin aufschlussreich bleibt, betonte kein geringerer als Eb. Schmidt vehement: „Der Besserungs- oder Resozialisierungsgedanke ist aber alles andere als individualistisch“.1004 Denn es gehe um „individualisierende Verbrechensbekämpfungsmittel, die dem Staat den Zugang zum Individuum und den weitestgehenden Einfluss auf den Einzelnen ermöglichen sollen“.1005 Ähnlich verteidigte sich Radbruch: „Die Lisztsche liberal-soziale Strafrechtsreform ist weder eine ,liberalistische‘ noch ist sie eine ,humanisierende‘ Strafrechtsreform. In ihrem Vordergrunde stand der Gedanke nicht der Humanisierung, sondern der Rationalisierung des Strafrechts“.1006

Ausrichtung zu verleihen: Dahm/Schaffstein, Liberales oder autoritäres Strafrecht, S. 48; Dahm, MSchrKrimPsych 24 (1933), S. 176 f.; E. Wolf, Krisis und Neubau, S. 42; Gallas, ZStW 53 (1934), S. 24 ff.; E. Wolf, ZStW 54 (1935), S. 545 f.; ferner Klee, DStR 1942, S. 75; zu Recht krit. Radbruch, Autoritäres oder soziales Strafrecht?, S. 236; vgl. zu alledem noch Marxen, Kampf, S. 145. (Interessanterweise kann man genau die gleiche Einstellung bei der Resozialisierungskritik der sog. kritischen Kriminologen feststellen: Man setzt zwar den Autonomieeinwand ein, dann begrüßt man aber die Resozialisierung, sobald die Erweckung von Klassenkampfbewusstsein gerichtet wird, so etwa Baratta, Resocialización, 262 f.; Kargl, Kritik des Schuldprinzips, S. 292). 1003 Betont auch von Ferrajoli, Diritto e Ragione, S. 258, der diese Theorien, insb. wenn sie sich mit der Pathologisierung des Verbrechers verbinden, sogar zu den „più illiberali e antigarantiste che siano state storicamente concepite“ erklärt; Allen, Rehabilitative Ideal, S. 16 f.; Fletcher, Rethinking Criminal Law, S. 415; Gaylin/Rothman, Introduction, S. xxxviii: „Beneath the cloak of benevolence, hypocrisy has flourished, and each new exploitation of the prisoner has inevitably been introduced as an act of grace“; M. Moore, Closet Retributisvism, S. 87 („moral blindness that is dangerous in itself“). S. dagegen zu Unrecht Ancel, Nova defesa social, S. 109, 112. 1004 Eb. Schmidt, SchwZStr 45 (1931), S. 216 Fn. 1. 1005 Eb. Schmidt, SchwZStr 45 (1931), S. 216. Auf der nächsten Seite heißt es: „Das Interesse des Staates ist der oberste Wert. Der Verbrecher wird vor die Alternative gestellt, sich resozialisieren zu lassen oder unschädlich gemacht zu werden“. 1006 Radbruch, Autoritäres oder soziales Strafrecht?, S. 229 f. (Zitat S. 230); auch ders., Geistesgeschichtliche Lage der Strafrechtsreform, S. 325 f. So auch Grühnhut, ZStW 52 (1932), S. 777.

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

Die Geschichte der Besserungstheorie enthält neben einer progressiven Milderung der körperlichen Dimension der Strafübel auch eine progressive Schwächung der Rechtsposition des Beschuldigten und Bestraften. Das der Besserungstheorie entsprechende Verfahren kennt viel weniger Beschuldigtenrechte: Da es nicht mehr um einen Kampf zwischen Ankläger und Verteidigung, sondern vor allem um das wohlerwogene Interesse des Beschuldigten geht, dürfen nach Ancel, dem Anführer der Nouvelle Defense Sociale, z. B. psychologische Gutachten geheim gehalten werden.1007 Und der Bestrafte darf zu allen Formen der Kooperation gezwungen werden, denn man zwinge ihn zu Dingen, die für ihn gut seien – selbst wenn er diesbezüglich anderer Meinung ist. Kein Wunder, dass gerade dort, wo man der Resozialisierungstheorie zeitweilig am konsequentesten folgte, eine Renaissance sog. „neoklassischer“ Positionen festzustellen ist.1008 Im Grunde ist die hier im Anschluss an Feuerbach vertretene Absage an die Besserungstheorie als Strafzwecklehre die optimale Lösung, um den zwei widerstreitenden Intuitionen Rechnung zu tragen. Besserung, Resozialisierung sind keine Strafzwecke – das bedeutet nicht, dass der Staat sich nicht um sie kümmern soll, aber doch sehr wohl, dass der Staat sich nicht auf sie berufen darf, um zu bestrafen. Selbstverständlich ist es Sache des Staates, sich darum zu kümmern, dass „der Entgleiste auf den richtigen Weg“ gebracht wird;1009 ein weiterer Grund zum Strafen erwächst ihm daraus aber nicht. Wie es Bajo Fernández sagt: „Die Aufgabe der Resozialisierung ist für den Strafvollzug das, was die Aufgabe der Alphabetisierung für den Militärdienst ist“.1010 Damit wird die Gefahr des ideologischen Missbrauchs des humanitären Denkens ausgeschaltet. Selbstverständlich stellt niemand in Frage, dass der Staat weitgehend verpflichtet sei, den Bürgern, die Hilfe brauchen und sie auch empfangen wollen, um keine Straftaten zu begehen – etwa Personen mit Alkohol- und Drogenproblemen, Arbeitslosen usw. – dementsprechend zu helfen. Alkohol- und Drogenabhängigen soll der Staat Rehabilitierungsprogramme, Arbeitslosen Arbeitslosengeld und Sozialhilfe anbieten. Warum das bei Straftätern anders sein soll, ist nicht einsichtig. Alle diese Behandlungsformen haben mit Strafe nichts zu tun, denn sie werden den betroffenen Bürgern nur angeboten, nicht aufgezwun1007

Ancel, Nova defesa social, S. 291 f. Siehe vor allem Jareborg/v. Hirsch, „Neoklassizismus“, S. 35 ff.; dazu Weigend, ZStW 90 (1978), S. 1119 f.; Jescheck, ZStW 91 (1979), S. 1038 ff. (krit. S. 1050); Kunz, Liberalismus und Kommunitarismus, S. 859 ff. 1009 So der ausdruck Kohlrauschs, zit. nach Eb. Schmidt, Strafzweck, S. 21; ders., ZStW 67 (1955), S. 177. 1010 Bajo Fernández, Tratamiento, S. 43. Das Zitat geht so weiter: „. . . also, sie stellt eine nützliche und wohltätige Aufgabe, die den Vollzug der Sanktion erhebt und vermenschlicht, aber auch völlig nebensächlich ist, und die den Verpflichteten (die Gesellschaft) nicht davon entbindet, mit dem bereits Begonnenen weiter zu machen oder neu zu beginnen.“ 1008

II. Die Straftheorie

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gen. Sie gehören vielmehr zu den allgemein daseinsvorsorgenden Aufgaben des Sozialstaates, sind also von der Zufügung einer Strafe an sich völlig unabhängig, so dass es keinen Grund gibt, sie dem Bürger erst nach der Begehung einer Straftat zugänglich zu machen, ebenso wenig wie es einen Grund gibt, sie dem Bürger zu entziehen, sobald er seine Strafe verbüßt hat.1011 Ferner ist die hier vertretene Verabschiedung der Besserung als Strafzweck nicht unfähig, unseren Intuitionen, wonach Resozialisierung menschenfreundlich sei und zur Humanisierung des Strafrechts beitragen könne, Rechnung zu tragen. Die notwendige Humanisierung des Strafrechts sollte man nicht von der durchaus ambivalenten, weil ideologiegefährdeten Resozialisierung erwarten. Ein menschlicher Strafvollzug, der die Persönlichkeit des Bestraften nicht zerstört, ist ihm nicht deshalb geschuldet, weil er sonst nicht lernen könne, keine Straftaten zu begehen. Man muss ihn im Strafvollzug menschlich behandeln, allein weil er ein Recht darauf hat, dort wie auch überall sonst menschlich behandelt zu werden. Ob es für uns vorteilhaft ist, zu einem Menschen human zu sein, ist nicht das, worauf es ankommt. M.a.W.: Auch die vermeintliche Humanisierungsleistung der Besserungstheorie entpuppt sich bei näherem Zusehen als eine konsequentialistische Begründung von in Wahrheit deontologischen Schranken. Hat man aber erkannt, dass der Staat nicht nur an Zweckmäßigkeit, sondern auch an einige wenige deontologische rechtsmoralische Regeln gebunden ist, dann verschwindet das theoretische Bedürfnis nach einem solchem konsequentialitischen Reduktionismus. ee) Angesichts des Rückzugs der Resozialisierungstheorie vermehren sich die Stimmen, die eine theoretische Modizifierung vorschlagen, im Sinne einer Nicht-Entsozialisierung.1012 Getragen wird das Anliegen vor allem von empirischen Zweifeln bezüglich der Erreichbarkeit des resozialisierenden Zwecks durch Strafe: Ist mit der Besserung der Bestraften zwar nicht zu rechnen, sollte man sich zumindest soweit Mühe geben, dass jene nicht auch noch verschlechtert werden. Auch Feuerbach spricht diesen Gesichtspunkt gelegentlich an, wenn er etwa die Strafe der öffentlichen Zwangsarbeit für diejenigen, die keine lebenslange Freiheitsstrafe bekommen, mit dem Argument ablehnt, dass der entehrende Charakter dieser Strafe eine künftige Wiederaufnahme des Bestraften in die Gesellschaft unmöglich mache.1013 Man könnte deshalb behaupten, die 1011 Nur insoweit ähnlich Baratta, Resocialización, S. 258; H.-M. Weber, MSchrKrim 73 (1990), S. 71 f. 1012 P.-A. Albrecht, ZStW 97 (1985), S. 858; Moccia, Diritto penale, S. 106; ders., La perenne emergenza, S. 209 Fn. 392; Schünemann, Funktion des Schuldprinzips, S. 173, Fn. 37; ders., GA 1986, S. 347; ders., Strafzumessung, S. 217, 232 („Verschlimmerungs-Spezialprävention“). 1013 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs II, S. 186 ff., S. 194 f. Ferner heißt es: „Jede Gefängnisstrafe ist unpolitisch, sobald sie nur straft, ohne daß bey der Art ihrer Zufügung zugleich Nebenzwecke denkbar sind“ (S. 208).

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

Nicht-Desozialisierung habe bei ihm den Status eines Nebenzwecks der Strafzufügung – was auch immer diese Figur des Nebenzwecks bei ihm zu bedeuten habe. Wie es mit der Nicht-Desozialisierung theoretisch genau steht, wird man im hiesigen Rahmen nicht völlig klären können. Vielmehr wird man sich hier mit einigen kursorischen Erwägungen begnügen müssen, die man bei späterer Gelegenheit zu einer vollständigen Antwort ausarbeiten könnte. Erstens ist festzuhalten, dass kein Richter etwa sagen darf, er verhänge nicht die gesetzlich angedrohte Strafe, weil dies den Täter desozialisieren würde. Trotzdem ist nicht einzusehen, wieso es ihm verwehrt sein sollte, diesem Punkt Rechnung zu tragen innerhalb des Rahmens, den ihm der Gesetzgeber selbst dafür eröffnet – vorausgesetzt, dieser Rahmen ist nicht so breit, dass der Gesetzgeber gegen das Gesetzlichkeitsprinzip verstößt. Auch der Gesetzgeber ist selbstverständlich daran gehalten, bei Auswahl seiner Sanktion und bei deren Zufügung so vorzugehen, dass der geringste Schaden entsteht. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Strafzweck erster Ordnung, nämlich aus der Aufgabe des Rechtsgüterschutzes: Wenn der Gesetzgeber sogar verpflichtet ist, sich aktiv um den Schutz von Rechtsgütern zu kümmern, dann ist er erst recht verpflichtet, sie nicht aktiv neuen Gefahren auszusetzen. Die Schranke der Berücksichtigung der Nicht-Desozialisierung bleibt also das Gesetzlichkeitsprinzip. Dieses Prinzip verbietet es, die Strafe von völlig individualbezogenen Erwägungen abhängig zu machen. Solange sich die Umstände, die mit der Nicht-Desozialisierung zu tun haben, auch generalisierend-typisierend umschreiben lassen, besteht kein Hindernis dagegen, dass der Gesetzgeber sie bei seiner Androhung von Strafen mit berücksichtigt und dass auch der Richter innerhalb enger Grenzen angehalten wird, die Desozialisierung zu vermeiden. Für den Gesetzgeber würde es bedeuten, dass man die Androhung einer Freiheitsstrafe (insbesondere einer kurzen) wegen ihrer desozialisierenden Wirkungen so weit wie möglich zu vermeiden hätte, für den Richter, dass er dieses Programm auch konsequent umsetzt. Problematisch erscheint es aber immerhin, dass der Richter befugt sein soll, unter „besonderen Umständen, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen“ (§ 47 I StGB), dennoch eine kurze Freiheitsstrafe zu verhängen. Innerhalb des vom Gesetzlichkeitsprinzips abgesteckten Rahmens lassen sich deshalb anscheinend gute Gründe dafür geltend machen, die Nicht-Desozialisierung zu einem Strafzufügungszweck, mit anderen Worten die Desozialisierung zu einem negativen Strafzufügungszweck zu erklären, also zu einem Zustand, dessen Förderung oder Erreichung einen Grund dafür gibt, Strafe nicht zuzufügen.

II. Die Straftheorie

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d) Spezialprävention II: Unschädlichmachung? aa) Der Gedanke der Unschädlichmachung ist – entgegen einer weiteren Legende – keine Erfindung der modernen Schule. Es gibt ihn, seit es relative Theorien gibt,1014 so dass er schon bei vielen unserer Größten zu sehen ist, wie etwa bei Beccaria, der ihm zwar in seiner Straftheorie eine nur untergeordnete Rolle zugestand, aber immerhin aus ihm die sehr viel spezielleren Fälle legitimer Todesstrafen ableitete.1015 Zu Zeiten Feuerbachs war es vor allem Grolman, der den Gedanken strafrechtsphilosophisch ausarbeitete: Jeder Straftäter erbringe durch seine Tat den Nachweis, dass seine Gesinnung für den rechtlichen Zustand gefährlich sei, so dass der Staat diese Gefahr mittels Strafe unter Kontrolle bringen müsse.1016 Feuerbach selbst, der allzu häufig im Sinne eines reinen Tatstrafrechts in Anspruch genommen wird,1017 näherte sich der Unschädlichmachung erheblich an. Denn er erklärte viele täterbezogene Umstände für strafschärfend, weil sie die Abschreckbarkeit des Täters senkten,1018 so dass letztlich diese Menschen – genau wie in der Theorie der Unschädlichmachung – wegen ihrer Gefährlichkeit strenger zu bestrafen wären. In der heutigen Diskussion führt die Theorie eher ein Schattendasein, was freilich ihre Bedeutung in der allgemeineren Politik keineswegs widerspiegelt: Während die Politik diese Theorie für sich entdeckt zu haben scheint, wird sie unter Juristen nur selten unverhohlen vertreten.1019 Definieren wir die Theorie der Unschädlichmachung als die Theorie, wonach der Zustand, dessen Förderung oder Erreichung einen guten Grund für die Zufügung einer Strafe gibt, derjenige ist, dass der Bestrafte durch die Auswirkung des körperlichen Übels der Strafe daran gehindert wird, weitere Straftaten zu begehen. Die Frage ist also, ob die Hinderung, dass der Bestrafte weitere Straftaten begeht, ein guter Grund ist – neben oder zusätzlich zur Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung – ihn zu bestrafen. bb) Trotz der von der Allgemeinheit und der Tagespresse gehegten Erwartungen einer umfassenden Sicherung durch Strafe ist die Frage mit einem entschiedenen Nein zu beantworten. Das folgt aus drei Erwägungen: Die erste hängt mit dem Charakter von Strafe als Reaktion zusammen, die zweite mit den Anforde1014

Z. B. Pufendorf, De iure natura et gentium, Liber VIII, Caput III, § 11. Beccaria, Delitti, §§ XII, XXVIII. 1016 Nachw. oben Teil B., Fn. 32. 1017 Etwa E. Wolf, Feuerbach, S. 559, wonach Feuerbachs Schuldbegriff ausschließlich tat-, nie täterbezogen war; ähnlich auch Eb. Schmidt, Geschichte, § 235; Helga Müller, Generalprävention, S. 82 (keine Individualisierung der Tätergefährlichkeit bei Feuerbach). Richtig Nagler, Die Strafe, S. 385, insb. Fn. 3; Grünhut, Feuerbach, S. 107, Fn. 1; Bockelmann, Täterstrafrecht I, S. 23. 1018 Dazu ausführlich oben B. I. 2. d), (S. 67 ff.). 1019 Siehe immerhin N. Morris, Incapacitation, S. 108 ff.; J. Q. Wilson, Selective Incapacitation, S. 113 ff. 1015

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

rungen eines strengen Gesetzlichkeitsprinzips. Ein dritter Grund ist ein zusätzlicher, empirischer Grund, der zwar an allen Unzulänglichkeiten empirischer Gründe leidet, trotzdem aber für eine notwendig empirisch argumentierende Strafzwecklehre von Bedeutung bleibt. (1) Strafe ist Reaktion, hat man oben gesehen [II. 1. (S. 300 ff.)]: staatliche Reaktion auf eine angenommene Straftat durch die Zufügung eines erheblichen kommunikativen oder sinnlichen Übels. Die Frage, mit der wir es zu tun haben, ist also, ob man durch den Hinweis auf etwas Künftiges ein Übel rechtfertigen kann, das die Struktur einer Reaktion hat und deshalb vergangenheitsbezogen ist. Wie das gehen soll, ist tatsächlich nicht einzusehen. Strafe als Reaktion ist notwendig tat- und vergangenheitsbezogen. Wird etwas nicht Tat- und Vergangenheitsbezogenes herangezogen, um die Reaktion zu begründen, dann ist der Zusammenbruch vorprogrammiert, da man es mit einer Reaktion zu tun hat, die auf nichts reagiert, sondern völlig ungerechtfertigt ist. Man beachte: Man hat es nicht mit keiner Reaktion zu tun, das wäre ein Etikettenschwindel, nämlich ein Schluss von einer mangelnden Rechtfertigungsvoraussetzung eines Begriffs auf das Fehlen eines Merkmals des Begriffs.1020 Eine Reaktion ist durchaus vorhanden. Nur reagiert sie auf ein Nichts, ist also unbegründet und deshalb auch nicht zu legitimieren. Man könnte sich aber dagegen wehren und fragen, was man also mit gefährlichen Verbrechern tun solle? Sie länger oder strenger bestrafen, als ihre Tat es zulässt, geht nicht. Die Gefährlichkeit von Rechtsbrechern ist deshalb kein Problem der Strafe, sondern eines der Maßregel. Wie genau eine Maßregel beschaffen sein soll, welche Legitimitätsbedingungen sie zu erfüllen hat, ist nun allerdings eine Frage, die jenseits unserer Thematik liegt. Eines ist aber festzuhalten: Die Maßregel darf nicht die Merkmale des Strafbegriffs verwirklichen, m. a. W., sie darf kein zugefügtes sinnliches oder kommunikatives Übel sein.1021 Das bedeutet auch, ihr Unterschied zur Strafe darf sich nicht, wie jedoch häufig behauptet wird, nur auf unterschiedliche Rechtfertigungsvoraussetzungen beziehen – hier die Schuld, dort die Gefährlichkeit bzw. die Verhältnismäßigkeit.1022 Nochmals mit anderen Worten: Die Maßregel darf keine Strafe sein, und um keine Strafe zu sein, reicht es nicht aus, bloß eine Legitimitätsvoraussetzung nicht zu erfüllen, sondern sie darf die Merkmale des Strafbegriffs selbst nicht aufweisen. Die Maßregel sollte man sich vorstellen wie eine Art Quarantäne: Ein unschuldiger, aber doch gefährlicher Mensch wird im Interesse der Sicherheit anderer aus deren Nähe entfernt. Dies alles bedeutet freilich nicht, dass man die durch die Einsperrung des gefährlichen Verbrechers gewonnene Sicherheit nicht begrüßen dürfte. Um bei 1020 1021 1022

Siehe oben D. II. 2. (S. 276 ff.). Siehe bereits oben D. II. 1. (S. 300 ff.). Roxin, MSchrKrim 56 (1973), S. 322 f.; Bacigalupo, Princípios5, S. 23.

II. Die Straftheorie

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dem durch das Wort „begrüßen“ suggerierten Bild zu bleiben: Man darf die Unschädlichmachung begrüßen, wenn sie schon angekommen ist, aber einladen darf man sie nicht. Man darf sie nicht mittels Reaktionen verfolgen, man darf sich deshalb nicht auf sie berufen, um eine Reaktion zu legitimieren. (2) Der zweite Grund, der gegen die Unschädlichmachung spricht, ist derjenige, den Feuerbach insbesondere gegen Grolman geltend machte: die Schwierigkeit, diese Theorie mit dem Gesetzlichkeitsprinzip zu harmonisieren. Feuerbachs Argument könnte man frei so rekonstruieren: Eine Strafzufügung könne man nur dann durch ein Gesetz bedingen, wenn sich das Gesetz auf Sachverhalte beziehe, die zweierlei Merkmale aufweisen: Sie müssten erstens generalisierend-typisierend erfassbar sein, zweitens müssten sie sich in der Vergangenheit ereignet haben. Die Gefährlichkeit eines Täters sei aber notwendig individual- und zukunftsbezogen. Sie entziehe sich der Generalisierbarkeit, da sie jedem Täter einzeln und anders anhafte;1023 und sie sei als Dispositionsbegriff1024 schon begrifflich zukunftsbezogen. Deshalb hielt Feuerbach Grolmans Präventionstheorie, welche die Sicherung vor dem bestraften Täter zum Zweck der Strafe erklärte, entgegen: „Der Begriff von einem bestimmten Strafgesetze, und von der Strafe als Prävention, heben sich gegenseitig einander auf“.1025 Diesem Argument ist kaum etwas hinzuzufügen. Wenn man einem streng verstandenen Gesetzlichkeitsprinzip anhängt, können Strafandrohungen zwischen 6 Monaten und 10 Jahren (man denke etwa an den qualifizierten Menschenhandel, § 180b StGB, oder die gewerbsmäßige Hehlerei bzw. Bandenhehlerei, § 2601026) selbstverständlich nicht befriedigen.1027 In der Regel wird aber nur ein derart weiter Strafrahmen den Anforderungen der Unschädlichmachung genügen können. Dass in solchen Fällen das Gesetz weit hinter seiner Aufgabe zurück bleibt, die Ausübung von Staatsmacht zu bändigen und zu zivilisieren, dass das Gesetz also deshalb kein richtiges, echtes Gesetz ist, liegt auf der Hand. Ein Richter, der den Bürger zum Teil auch wegen seiner Gefährlichkeit bis zu zehn Jahre in Haft bringen kann, kann über diesen Menschen in einem Ausmaß verfügen, das mit dem Gedanken gebändigter Machtausübung nicht mehr verträglich ist. Man könnte sich aber doch vorstellen, die beiden erwähnten Qualifikationstatbestände enthielten Strafandrohungen, die zumindest hinsichtlich der Be-

1023

So bereits Feuerbach, Strafe als Sicherungsmittel, S. 62 f. Siehe zu diesem Begriff oben D. II. 4. a), (S. 421). 1025 Feuerbach, Strafe als Sicherungsmittel, S. 47 ff., 61 (Zitat); auch Almendingen, Imputation, S. 16. 1026 Auf die Gefährlichkeit des Hehlers stellt etwa Stree in Schönke/Schröder § 260 Rn. 1 ab. 1027 Kritik an zu weiten Strafrahmen mit Verweis auf die Gesetzlichkeit auch bei Schünemann, Nula poena, S. 38; zust. Zipf, Kriminalpolitik, S 99. 1024

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

stimmtheit nicht problematisch wären: etwa Freiheitsstrafe von 5 bis 7 Jahren. Dann würde dieser Qualifikationsbestimmung zwar nicht mehr das Gesetzlichkeitsprinzip entgegen stehen. Trotzdem würde die Bestimmung wegen des ersten Arguments unzureichend, es sei denn, man könnte zusätzliche, nicht zukunftsbezogene Gesichtspunkte ausfindig machen, die den Strafunterschied tragen. Ein solcher Gesichtspunkt könnte die Tatsache sein, dass Gruppen von Rechtsbrechern ein weitaus größeres Zerstörungspotential besitzen, als allein handelnde Verbrecher, so dass der Gesetzgeber seine Resourcen zunächst der Bewältigung des dringenderen Problems widmen sollte. (3) Der dritte Einwand gegen die Unschädlichmachung ist ein empirisch-konsequentialistischer. Die Unschädlichmachung verursacht hohe Kosten, und es ist keineswegs ersichtlich, ob nicht diese Kosten die zu erwartenden Vorteile tatsächlich überschreiten. Die Kosten einer konsequenten Strategie der Unschädlichmachung sind vor allem überfüllte Haftanstalten, was man am Beispiel der USA musterhaft verdeutlichen kann.1028 Zudem gibt es das vielbeklagte Problem der false positives und negatives, also derjenigen, deren Gefährlichkeit zu Unrecht abgelehnt oder bejaht wird.1029 Eine entsprechende Senkung der Kriminalitätsraten bzw. eine korrelierende Verbesserung des Rechtsgüterschutzes lässt sich aber nicht ausfindig machen, so dass man alle Gründe hat anzunehmen, dass die amerikanische Strategie der selective incapacitation ein Fehlschlag großen Ausmaßes war.1030 Die Reichweite dieses empirischen Einwands ist aber zugegebenermaßen begrenzt, und daher soll er hier nur als Zusatzargument herangezogen werden. Denn es gibt wohl Fälle jenseits der Problematik der false positives oder negatives, in denen die Gefährlichkeit eindeutig zu bejahen sein dürfte. Hier ließe 1028 Zur Überfüllung der Gefängnisse in Amerika als Folge einer fehlkonzipierten Kriminalpolitik siehe vor allem Currie, Crime, S. 12 ff.; ferner Chambliss, Power, S. 125 ff. 1029 Zu Prognoseschwierigkeiten allgemein Bock, JuS 1994, S. 94, Fn. 31; v. Hirsch, Doing Justice, S. 21 ff.; ders., Incapacitation, S. 90 f.; v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß, S. 63 f.; Schöch, Entlassungsprognose, S. 1248 ff.; Schünemann, Akzeptanz von Normen, S. 189. 1030 Nach offiziellen Angaben des amerikanischen Bureau of Justice Statistics gab es am 31. Dezember 2005 2.193.798 Gefangene in den USA, s. http://www.ojp.usdoj. gov/bjs/prisons.htm (abgerufen am 24.04.2007). Gewisse Unterstützung für die Annahme, man würde durch die Widmung der Gelder, die man jetzt für Gefängnisse ausgibt, an Sozialprogramme überlegene Präventionswirkungen erreichen, bei Donohue III/Siegelman, JLSt 27 (1998), S. 43; zu den three-strikes-Gesetzen in Amerika informativ und kritisch Castiñera/Ragués, Three strikes, S. 143 ff.; Grasberger, ZStW 110 (1998), 796 ff.; skeptisch zu deren präventiven Wirkungen Beres/Griffith, ConnLRev 34 (2001–2002), S. 78 f. Weitere interessante empirische Bedenken bzgl. der Effektivität der selektiven Unschädlichmachung vor allem angesichts der Tatsache, dass sich die meisten Verbrecher im jungen Alter befinden, bei Gottfredson/Hirschi, General Theory, S. 259 ff. Kritisch zur selective incapacitation noch v. Hirsch, Selective Incapacitation, S. 121 ff.

II. Die Straftheorie

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sich aus konsequentialistischer Perspektive weniger gegen die längere Inhaftierung des Betroffenen anführen.1031 Sie bleibt jedoch immerhin aus anderen, mit den ersten beiden Argumenten zusammenhängenden Gründen unzulässig. cc) Als Fazit lässt sich deshalb festhalten, dass die Unschädlichmachung in der Straftheorie, also in der Theorie der Bedingungen einer gerechtfertigten Strafe, keinen Platz hat. Das Unschädlichmachen eines Menschen verträgt sich mit dem Charakter der Strafe als Reaktion für Vergangenes überhaupt nicht und mit dem Gesetzlichkeitsprinzip kaum noch. Es steht zudem wohl zu vermuten, dass sie in der Regel nicht einmal eine konstengünstige Präventionsstrategie darstellt. Damit entfällt auch die Berechtigung für Feuerbachs täterbezogene Strafschärfungen.1032 e) Positive Generalprävention? aa) Unter positiver Generalprävention versteht man hier die Lehre, nach der die allgemeine Kundgabe von nicht-klugheitsbezogenen Gründen für rechtmäßiges Verhalten ein Zustand ist, der einen guten Grund zum Strafen liefert [siehe oben D. II. 3. f) (S. 397)]. Die positive Generalprävention kann sowohl einen Grund dafür geben, dass der Staat eine Strafe androht, als auch dafür, dass er eine Strafe zufügt. Im ersten Falle hat man es mit der positiven Generalprävention als Strafandrohungszweck zu tun, im zweiten fungiert sie als Strafzufügungszweck. Oben (D. II. 3. f) [S. 396 ff., S. 418 ff.]) haben wir uns bereits mit der positiven Generalprävention als Strafandrohungszweck kritisch befasst. Man kam zu dem Ergebnis, dass eine liberale Straftheorie keinen Platz für eine Lehre hat, die Zwang durch die Notwendigkeit rechtfertigt, den Bürgern nicht nur klugheitsbezogene Gründe zum rechtmäßigen Verhalten kund zu geben. Dem Adressaten des Zwangs darf man nicht mittels einer Drohung moralitätsbezogene Gründe zum rechtmäßigen Verhalten geben. Anders gesagt, man hat es hier mit Erziehung durch Zwang zu tun, was sich über das Recht auf moralische Selbstbestimmung der Bürger hinwegsetzt. Das Argument gegen die positive Generalprävention als Strafandrohungslehre setzte also voraus, dass man die Einschränkung der Freiheit einer Person nicht dadurch rechtfertigen dürfe, dass man behauptet, diese Einschränkung solle der Person zur Einsicht in die Richtigkeit oder Falschheit bestimmter Verhaltens1031 Immerhin könnte man noch aus konsequentialistischer Perspektive auf Fernwirkungen derartiger allein gefährlichkeitsbezogener Bestrafungen hinweisen. Angesichts der Nähe und Intensität der durch diese Strafen beseitigten Gefahren wäre dieser Hinweis kein besonders überzeugendes Argument. 1032 So bereits J. S. Beck, Grundsätze, S. 745, der auch mit Hilfe Feuerbach’scher Überlegungen gegen Feuerbach argumentiert.

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

weisen verhelfen. Auf der Strafzufügungsebene ist die Situation davon verschieden: Hier wird die Freiheit einer Person eingeschränkt, nicht damit sie etwas lernt, sondern damit andere dies tun. Also ist unser Argument gegen die positive Generalprävention als Strafandrohungslehre auf der Strafzufügungsebene nicht mehr einschlägig – zumindest nicht unmittelbar. Das Problem, ob die positive Generalprävention zur Rechtfertigung der Strafzufügung taugt, steht also trotz des oben Gesagten zunächst noch offen. bb) Bevor man sich der Frage nach dem Recht der positiven Generalprävention als Strafzufügungszweck innerhalb der Straftheorie zuwendet, erscheint die Frage nicht unangebracht, worin sich die Strafzufügungszwecklehre Feuerbachs davon – wenn überhaupt – unterscheidet. Feuerbach behauptet nämlich, Zweck der Strafzufügung sei die Bestätigung der Wirklichkeit der Strafandrohung, und wir haben uns dem im Wesentlichen angeschlossen. Wiederholt hat man aber Feuerbach entgegengehalten, dies sei letztlich eine Vergeltungstheorie.1033 Diese Behauptung entstammt nun freilich einer Zeit, in der Theorien, die heute zu positivgeneralpräventiven erklärt würden, allgemein als Vergeltungslehren angesehen wurden, so dass eine terminologische Aktualisierung der Behauptung dazu führen müsste, in Feuerbachs Lehre vom Zweck der Strafzufügung eine Variante positiver Generalprävention zu erblicken. In der Tat klingen viele Formulierungen der hier sog. rechtlichen positiven Generalprävention – „Wiederherstellung des Rechts“, „Bekräftigung von Normgeltung“, „Verteidigung der Rechtsordnung“1034 – derjenigen Feuerbachs, wo von der Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung die Rede ist, zunächst einmal sehr ähnlich. Nach näherem Hinsehen kommt man aber zu dem Ergebnis, dass es auf diese Formulierungen nicht ankommt.1035 Sie sind in aller Regel zu unspezifisch und können sowohl im Sinne der negativen, als auch der positiven Generalprävention verstanden werden. Denn in diesen Umschreibungen, die in aller Regel von Autoren stammen, die sich für Anhänger der positiven General1033 So z. B. Landsberg, Geschichte, S. 120, der im Streit Feuerbach vs. Grolman eine Antizipation des Schulenstreits sieht (S. 122); Vocke, ZStW 47 (1927), S. 7 ff.; Grünhut, Feuerbach, S. 91, der bei Feuerbach „etwas von dem Pathos des kategorischen Strafimperativs Kant“ zu sehen glaubt; E. Wolf, Feuerbach, S. 560; Gössel, Sanktionen, S. 16, 17, 20; Jakobs, AT2, § 1/28; ders., Staatliche Strafe, S. 18; Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 27; ders., Kritik, S. 217; Ramb, Strafbegründung, S. 49 f. Auch Nagler, Die Strafe, S. 384, Fn. 1, u. S. 390 f. sieht in Feuerbach vor allem einen Vergeltungstheoretiker, der sich unter dem Deckmantel der Prävention verstecke. Dagegen Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie, S. 80, S. 86; Lesch, Verbrechensbegriff, S. 56. Eine Auseinandersetzung mit dieser Behauptung unten D. II. 4. f), (S. 476 ff.). 1034 Zu diesen und anderen verwandten Wendungen oben D. II. 3. f), (S. 396). 1035 So sprach auch Wieland, Geist I, § 9 davon, dass Belohnungen und Strafen das „Ansehen des Gesetzes befestigen“ sollten, nur meint er hier trotz seiner sich positivgeneralpräventiv anhörenden Wendung nichts anderes als Erregung von Lust bzw. Furcht.

II. Die Straftheorie

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prävention halten, ist von Begriffen wie „Norm“, „Recht“ u. ä. die Rede, die aber für beide miteinander konkurrierenden Lehren relevant sind. Eine eindeutige Zuordnung erlaubt erst die vorgeschlagene Unterscheidung zwischen klugheitsbezogenen Gründen auf der einen und (im weiten Sinne) moralitätsbezogenen Gründen auf der anderen Seite. Man kann die Norm oder das Recht, die bzw. das man durch die Strafe wiederherstellen soll, als eine Instanz begreifen, aus der klugheitsbezogene Gründe zur Vornahme eines bestimmten Verhaltens folgen, oder als eine Instanz, aus der moralitätsbezogene Gründe folgen. Muss die Norm oder das Recht wiederhergestellt werden, damit die Bürger sehen, dass sich der Norm- bzw. der Rechtsbruch nicht lohnt? Oder soll das geschehen, damit die Bürger sehen, dass der Norm- bzw. Rechtsbruch (rechtlich oder moralisch) falsch ist? Nach erstem Verständnis bezeichnen die Umschreibungen weiterhin eine Abschreckungstheorie, nach dem zweiten aber schon eine Theorie der positiven Generalprävention. Da die Umschreibungen von Autoren kommen, die sich für Vertreter der positiven Generalprävention halten, sind sie wohl im zweiten Sinne zu verstehen – und hier liegt zugleich der Unterschied zu Feuerbach. Denn bei Feuerbach wird die Strafe nicht zugefügt, damit man sieht, dass ein bestimmtes Verhalten unrichtig war. Die Unrichtigkeit eines Verhaltens – und nicht nur die moralische, sondern selbst die rechtliche – braucht für den Bürger noch kein Grund zu sein, das Verhalten zu unterlassen. Dem tugendhaften Bürger freilich schon, aber Tugend ist etwas, wofür sich der Bürger autonom und ungezwungen zu entscheiden hat. Der Staat begnügt sich damit, dem Bürger zu zeigen, wieso es sich nicht lohnt, wieso es aus der Perspektive des Bürgers irrational im Sinne von unklug ist, eine Straftat zu begehen. Nach Feuerbach verfolgt der Staat durch die Androhung und Zufügung von Strafen allein diesen Zweck. Also bleibt Feuerbachs Lehre vom Zweck der Strafzufügung trotz ähnlich klingender Formulierungen der positiven Generalprävention diametral entgegengesetzt. cc) Die Frage, die es jetzt zu beantworten gilt, ist, ob die positive Generalprävention einen Grund angeben kann, Strafe, wenn auch nicht anzudrohen, so doch zumindest zuzufügen. Man stellte fest, dass das Argument gegen diese Lehre als Strafandrohungstheorie dahin ging, dass sie die Erziehung eines Bürgers als Grund ansah, in seine Freiheit einzugreifen. Hier wird aber nicht in die Freiheit des zu erziehenden Bürgers eingegriffen, sondern in die Freiheit des Bestraften. Erzogen werden soll aber die Bevölkerung als ganze. Die Bürger im allgemeinen sollen durch die Bestrafung des Einen sehen, dass ein bestimmtes Verhalten falsch und deshalb nicht zu verüben ist. Ist das ein guter Grund für die Zufügung von Strafe? (1) Ein erster Einwand liegt auf der Hand. Verstößt eine derartige Begründung der Strafzufügung nicht gegen das Instrumentalisierungsverbot? Wenn jemand deswegen bestraft wird, damit andere sehen, dass seine Tat falsch war –

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hat man nicht hierdurch den Menschen zum bloßen Mittel erklärt, ihn unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt? Das behaupten einige Kritiker der positiven Generalprävention, aber freilich zu Unrecht. Denn dieser Einwand lebt von dem unverbindlichen, unbestimmten, aber immerhin noch allgemein verbreiteten Gebrauch des topos des Instrumentalisierungsverbots unter Juristen. Nimmt man dieses Verbot aber ernst, so dass es nur die Behandlungsformen erfasst, die absolut, also unter jeglichen empirischen Umständen verboten sind, dann erfasst es zwar die Sklaverei, den Genozid, die Folter und einiges mehr, also Behandlungsformen, die sich über das Menschsein des Menschen hinwegsetzen.1036 Dass man aber einen Menschen, der eine Strafandrohung schuldhaft missachtet hat, nicht deswegen bestrafen darf, damit die anderen sehen, dass jene Missachtung falsch war, folgt auf jeden Fall nicht aus einem präzise verstandenen Instrumentalisierungsverbot. (2) Man könnte daran denken, die positive Generalprävention weise auf der Ebene der Strafzufügung andere Probleme auf: Sie besitze eine Tendenz zu übermäßigen Strafen,1037 sie legitimiere eine weitgehende Selektivität des Strafrechts,1038 und schlimmer noch, sie fördere eine Einstellung der Verharmlosung des in der Strafe zu verhängenden sinnlichen Übels.1039 Aber alle diese Probleme lassen sich durch punktuelle Korrekturen überwinden. Die Tendenz zur übermäßigen Härte wohnt letztlich jeder generalpräventiven Theorie inne, so dass sie nur durch externe, nicht konsequentialistisch begründbare Schranken zu überwinden ist.1040 Zum Problem der Rechtfertigung der Selektivität könnte man Ähnliches sagen wie zu dem analogen Problem, das sich auch der Abschreckungstheorie stellte.1041 Die positive Generalprävention kann ebenso wenig wie die negative aus sich allein heraus begründen, wieso man alle Straftaten bestrafen soll, wo doch bereits die Bestrafung eines Bruchteils davon ausreichen würde, die sich ihr stellenden Aufgaben zu erfüllen. Auch hier müsste eine deontologische Erwägung, nämlich ein striktes Verständnis des Gesetzlichkeitsprinzips, herangezogen werden. Und das dritte Problem, also die Verdrängung der bösen Dimension der Realität des Strafens, die darauf beruht, dass man das Kommunikative in den Vordergrund rückt, wäre durch eine saubere Trennung von Strafbegriff und Rechtfertigungsvoraussetzungen des Strafens zu behe1036 Zum genaueren Inhalt des Instrumentalisierungsverbots siehe ausführlich oben C. III. (S. 177 ff.). 1037 So Baratta, KrimJ 1984, S. 144. 1038 Etwa Schünemann, Positive Generalprävention, S. 121: aus der Sicht der positiven Generalprävention erscheine die Selektivität „fast als eine Errungenschaft“; Baratta, KrimJ 1984, S. 143. 1039 Gerügt etwa von Kuhlen, Positive Generalprävention, S. 62; Mir Puig, Prevención general positiva, S. 138; Puppe, Strafrecht als Kommunikation, S. 475. 1040 Siehe schon oben D. II. 3. e), (384 f.). 1041 Oben D. II. 4. b), (S. 425 ff.).

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ben.1042 Man könnte also sagen, selbst wenn man zur Rechtfertigung der Strafe auf Gedanken zurückgreift, die sich erstaunlich optimistisch anhören, ändert das an dem zu rechtfertigenden Gegenstand nichts. (3) Unmittelbar kann man aus den Überlegungen zur positiven Generalprävention als Strafandrohungslehre zwar nichts im Hinblick auf die Heranziehung dieser Theorie als Strafzufügungslehre folgern. Es könnte aber sein, dass sich aus ihnen ein Ergebnis mittelbar folgern ließe – und das scheint in der Tat bei näherem Hinsehen der Fall zu sein. Denn es wäre eigenartig, wenn es dem Staat zunächst verwehrt wäre, seine Strafandrohungen zur Belehrung der Bevölkerung darüber, dass bestimmte Handlungen falsch sind, einzusetzen, er dann aber die Strafe zur Erreichung eben dieses Zwecks zufügen dürfte. Denn dann würde der Staat zwar nicht mehr direkt, aber doch indirekt die Freiheit aller Bürger einschränken dürfen, damit er sie besser erziehen kann. Macht es einen Unterschied, ob sich der Staat etwa von Umweltstrafandrohungen erwartet, dass sie bewusstseinsbildend wirken, so dass die Bürger sehen, die Umwelt sei ein Gut auf einer Ebene mit dem, was uns am wertvollsten ist, oder ob der Staat sich vorstellt, diese positiven Wirkungen ergäben sich erst aus den Bestrafungen wegen der Umweltverstöße? Lässt man die positive Generalprävention als Strafzufügungstheorie zu, dann hat man sie indirekt eben doch auch als Strafandrohungstheorie zugelassen, denn man wird es dem Staat nicht verbieten können, weitsichtiger zu sein und sich schon vor der Androhung einer Strafe über die Wirkungen der Strafzufügung Gedanken zu machen. Das wird durch eine zweite Überlegung bestätigt, die mit der Wirkweise der Strafzufügung in einer generalpräventiven Theorie zu tun hat. Feuerbach spricht nicht von ungefähr von der Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung als Zweck der Zufügung einer Strafe. Denn die Zufügung einer Strafe, soll sie generalpräventiv wirken, enthält nichts anderes als eine indirekte Androhung. Man fügt die Strafe zu, damit die übrigen Bürger sehen, dass sie sich besser nicht so verhalten sollten wie der bestrafte Verbrecher. Also ist die Strafzufügung zwar in erster Linie ein Eingriff in die Freiheit des Bestraften, sie enthält aber immerhin auch eine zweite Dimension als Eingriff in die Freiheit aller Bürger, denen durch die Zufügung einer Strafe plakativ untersagt wird, sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Die zweite Dimension der Strafzufügung als Eingriff in die Rechte aller Bürger ist zwar in mehrerlei Hinsicht nachrangig, aber hier, wo andere Überlegungen vielleicht schweigen, vermag sie sich Gehör zu verschaffen. Wenn man die Bestrafung eines Bürgers mit dem Argument rechtfertigt, die anderen müssten etwas lernen, rechtfertigt man gleichzeitig den Eingriff in die Freiheit dieser anderen mit dem gleichen Argument.

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Zu dieser Trennung oben D. II. 1. (S. 275 ff.).

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dd) Man kommt also zu dem Ergebnis, dass man sich von der positiven Generalprävention auch als Strafzufügungslehre zu verabschieden hat. Der Staat darf Zwang weder deswegen androhen, noch deswegen zufügen, um den Bürgern zu zeigen, was rechtlich oder moralisch richtig oder falsch ist. Wie schon oben [3. f) (S. 418 ff.)] betont wurde, bedeutet diese Ablehnung der positiven Generalprävention als normative Theorie der Rechtfertigung von Strafe nicht, dass sie nicht als deskriptive Theorie der Beschreibung und Erklärung der Strafe funktionieren könne. Jedoch können diese Wirkungen, die man feststellt, nicht zur Rechtfertigung der Strafe herangezogen werden. f) Vergeltung? aa) Eine altehrwürdige, intuitiv besonders einleuchtende Tradition rechtfertigt die Strafe aus einem naheliegenden Grund: dem der Gerechtigkeit. Strafe ist zuzufügen, weil dies der Gerechtigkeit entspricht: Das ist die Annahme, aus der die Vergeltungstheorie besteht, und die sich deshalb am besten eignet, als Definition dieser Theorie zu fungieren.1043 Diese Behauptung dürfte wohl auch den Kern anderer Umschreibungen treffen, wie etwa der Formulierungen, dass Strafe zugefügt werden müsse, weil sie ein kategorischer Imperativ sei,1044 weil sie der Täter verdiene,1045 weil sie Verdienst und Schicksal ausgleiche,1046 weil Schuld nach Strafe verlange.1047 Man könnte trotzdem fragen, ob nicht diese Definition insoweit zu präzisieren wäre, dass klar wird, dass man es nur dann mit einer Vergeltungstheorie zu tun hat, wenn Gerechtigkeit nicht bloß als Schranke, sondern auch als alleiniger Grund der Strafzufügung fungiert. Die Definition der Vergeltungstheorie würde demgemäß nicht bloß von der „Strafzufügung als der Gerechtigkeit entsprechend“ reden, sondern genauer heißen, dass Strafe zuzufügen ist, allein weil dies der Gerechtigkeit entspreche. Dieser Zusatz ist zum einem genauer, weil er präzisiert, was die Vergeltungstheorie von den sog. Vereinigungstheorien abgrenzt, nämlich der Verzicht darauf, neben der Gerechtigkeit andere Zwecküberlegungen als relevant anzuerkennen. Zum anderen ist er aber irreführend, da er, indem er nur auf die Gerechtigkeit, auf das Verdientsein der Strafe abstellt, 1043 Sehr ähnlich etwa H. Mayer, AT, S. 27; García-Pablos, Introducción4, S. 240; Mir Puig, PG7 § 3/3. 1044 Kant, Metaphysik der Sitten, A 196/B 226. 1045 Ashworth, Desert, S. 141; M. Moore, Closet Retributivism, S. 87, 91; ders., Moral Worth of Retribution, S. 104; ders., Justifying Retributivism, S. 153; J. Murphy, CrimLaw&Phil 1 (2007), S. 11. 1046 So die Formulierung von Nowakowski, Freiheit, Schuld, Vergeltung, S. 61. 1047 Art. Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 201 ff.; J. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), S. 227; so auch die Vergeltungsdefinition Quintons, Analysis 14 (1953–1954), S. 134.

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fälschlich suggeriert, die Schuld des Täters reiche für eine legitime Bestrafung aus. Selbsverständlich gibt es aber neben der Schuld andere Bedingungen einer legitimen Strafe: Man denke nur an den wegen Totschlags Angeklagten, dessen Täterschaft nur aufgrund eines unzulässigen unverwertbaren Beweisstückes erwiesen werden kann und der deshalb trotz klarer Schuld nicht legitim zu bestrafen ist.1048 Weil aber der Gewinn an Klarheit als um einiges größer zu veranschlagen ist, als die Gefahr der Irreführung – eine Gefahr, die nach der jetzigen Klarstellung sich noch um einiges verringert haben dürfte –, ist die den folgenden Überlegungen zugrundeliegende Definition der Vergeltungstheorie die, wonach man es dann mit einer Vergeltungstheorie zu tun hat, wenn man behauptet, die Strafzufügung sei legitim, allein schon weil sie der Gerechtigkeit entspreche. bb) (1) Dieser Begründung der Legitimität der Strafzufügung durch den alleinigen Hinweis auf ihre Gerechtigkeit stellte sich Feuerbach besonders kritisch entgegen. Sein Argument hört sich bekannt an: Der Staat sei nicht befugt, Gerechtigkeit auf Erden zu verwirklichen. Die Verwirklichung dessen, was schon Kant zum höchsten Gut erklärte – nämlich des Zusammentreffens von Glückswürdigkeit und Glückseligkeit1049 – sei als moralische Aufgabe letztendlich keine Sache des Staates.1050 Ohne einen diesseitigen Nutzen dürfe die diesseitige Institution des Staates – als „Gesellschaft zum Schutze der Rechte“ – keine Strafe zufügen wollen, denn „alle Rechte, die er besitzt, hat er nur um dieses Zwecks willen“.1051 Das Argument hört sich auch deswegen bekannt an, weil es Karriere gemacht hat. Man hat es in den letzten zweihundert Jahren immer wieder gegen Vergeltungstheorien eingesetzt. Von Feuerbach bis Oersted,1052 von Ihering1053 bis Liszt1054 und seinem Schüler Eb. Schmidt1055, und vor allem von der AE-Bewegung1056 bis heute – die Vergeltungstheorie wurde über Generationen Gegenstand wuchtiger Angriffe, bis sich in den 60er-Jahren ihre Ablehnung ziemlich weitgehend durchgesetzt hatte.1057 Damals nannte Roxin den Ge1048 Übersicht über die Lehre der Beweisverwertungsverbote bei Meyer-Goßner, Strafprozessordnung48, Einl Rn. 50 ff. 1049 So Kants Definition des höchsten Gutes, s. Kritik der reinen Vernunft A 810/B 838 ff. 1050 Feuerbach, Revision I, S. 26. 1051 Feuerbach, Revision I, S. 31. 1052 Oersted, Grundregeln, S. 4 ff. 1053 Jhering, Zweck I, S. 364. 1054 v. Liszt, Zweckgedanke, S. 161, 174; ders., Aufgaben und Methode, S. 297. 1055 Eb. Schmidt, ZStW 69 (1957), S. 370 Fn. 21, S. 374, der zu den Zeiten der Großen Strafrechtskommission in der Erneuerung des Vergeltungsgedankens einen Doktrinarismus sah, der die „harte Realität“ des Strafvollzuges und des Schicksals der Bestraften unbeachtet ließ. 1056 AE, S. 29. 1057 Bottke, Finalidades de la pena, S. 53; Cavaliere, Errore, etwa S. 258; Demetrio Crespo, Prevención general, S. 61 f.; Henkel, Die „richtige“ Strafe, S. 7 ff.; Hungria, Novos rumos, S. 284 ff.; Kindhäuser, Schuld und Strafe, S. 82; Lenckner, Strafe,

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danken, man könne durch die Zufügung eines Übels die Straftat tilgen, nur als durch einen Glaubensakt nachvollziehbar, und urteilte über die Vergeltungstheorie, diese sei „wissenschaftlich unhaltbar und kriminalpolitisch schädlich“;1058 Klug forderte den Abschied von Kant und Hegel.1059 Und heute sieht etwa Hassemer in der Folgenorientierung der Präventionstheorien ein Merkmal gegenwärtiger Rationalität, dessen Missachtung anachronistisch oder sogar verfassungswidrig sei,1060 während Schünemann harte Worte an die von ihm sog. „neoabsoluten Theorien“ richtet, die Worte nämlich, dass „jegliche Übelszufügung in einer säkularisierten Welt ohne einen durch sie zu erreichenden, diesseitigen Nutzen nicht begründet werden . . . kann“.1061 Aus Gründen der Genauigkeit kann man diesen zunächst einheitlich aussehenden Einwand in zwei voneinander unabhängige Einwände unterteilen. Der erste behauptet, jede Freiheitsbeeinträchtigung durch den Staat bedürfe des Hinweises auf einen Nutzen, auf gute Folgen, um gerechtfertigt zu werden. Gerechtigkeit allein genüge dafür nicht. Die Vergeltungstheorie kümmere sich gar nicht um Folgen, und gerade das sei an ihr zu beanstanden. Der zweite Einwand behauptet, dass Gerechtigkeit eine moralische Forderung sei. Ein Staat, der sich für befugt halte, allein nach der Gerechtigkeit zu handeln, verwische die gebotene Grenze zwischen Recht und Moral. Der Kürze halber wird der erste Einwand gelegentlich als Einwand der Folgenindifferenz, der zweite als Einwand des Rechtsmoralismus bezeichnet. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass sich allein diese zwei Einwände gegen die Vergeltungstheorie richten ließen.1062 Wohl waren sie – neben dem Schuld und Schuldfähigkeit, S. 21; Mir Puig, Introducción, S. 52; Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 14 f., 16; Neumann, Strafrechtsverständnis, S. 62; ders., Personale Rechtsgutslehre, S. 88; Polaino Navarrete, PG I5, S. 75; Schreiber, ZStW 84 (1982), S. 281, 290; Vogel, Nationalsozialismus, S. 98. Auch die klassische Schule bediente sich des Arguments, was weitgehend vergessen wurde: s. Merkel, Vergeltende Gerechtigkeit, S. 13; Beling, Vergeltungsidee, S. 2 f., 35 f. 1058 Roxin, Sinn und Grenzen, S. 5 (Glaubensakt); ders., MSchrKrim 56 (1973), S. 317 (Zitat); ders., ZStW 96 (1984), S. 644 f.; ders., Schuldprinzip im Wandel, S. 522; ders., Wandlungen der Strafzwecklehre, S. 702 f.; zust. Fragoso, Lições5, S. 278. Roxins Kritik war in Spanien so prägend, dass man ihn nicht einmal mehr zu zitieren braucht, um genau seine Argumente in derselben Reihenfolge zu wiederholen, s. Roca Agapito, Sistema de sanciones, S. 84 f. 1059 Klug, Abschied, S. 36 ff. 1060 Hassemer, Einführung2, S. 285 („Rechtfertigung über erwünschte Folgen ist ein Teil unserer Rationalität“); ders., JuS 1987, S. 264; ders., Sozialtechnologie, S. 332; ders., StV 2006, S. 323; zust. Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 202, 209. 1061 Schünemann, Aporien der Straftheorie, S. 330 (Zitat); fast wortgleich ders., Positive Generalprävention, S. 115; Kritik auch in dems., Entwicklung der Schuldlehre, S. 156 („Atavismus“); dems., Strafrechtsschuld, S. 551 f. 1062 Weitere Einwände etwa bei Walker, Desert, S. 157 ff.; ders., Modern Retributivism, S. 88 ff. (mangelnde, vor allem auf Metaphern abstellende Begründung); Schedler, The Monist 63 (1980), S. 185 ff.

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schon von Feuerbach ausgespielten Einwand, der besagte, die Vergeltungstheorie setzte Willensfreiheit voraus, diese sei aber zumindest zweifelhaft1063 – die geschichtlich wirksamsten, zu denen deshalb jede Vergeltungstheorie, die eine Überlebenschance haben will, als erstes etwas Überzeugendes sagen muss. Im Folgenden wird man sich aber dennoch nicht scheuen, gegen unterschiedliche Versionen der Vergeltungstheorie auch weitere Einwände zu erheben (b) In den letzten Jahrzehnten hat die Vergeltungstheorie beträchtlich an Anhängerschaft gewonnen, so dass man schon von einer „Renaissance der Vergeltungstheorie“ spricht.1064 Insbesondere zwei Autoren, nämlich Naucke und E. A. Wolff sowie die auf sie zurückgehende Schule, deren prominenteste Vertreter Köhler, Zaczyk und Kahlo sein dürften, scheinen von diesen Einwänden nicht sehr beeindruckt zu sein – so sehr, dass sie nicht einmal darauf antworten. Man beruft sich vielmehr auf die Unzulänglichkeiten der präventiven Gegenansicht, insbesondere darauf, dass sie den Täter in seiner Würde missachte und ihn instrumentalisiere, indem sie sich von der Strafe einen diesseitigen Nutzen erwarte.1065 Diese offensive Begründungsstrategie ist aber aus zwei Gründen unzureichend. Erstens lebt sie von einer untechnischen Anwendung des topos der Instrumentalisierung eines Menschen. Die Mühe, diese Wendung zu präzisieren,1066 hat man sich nicht gemacht; nicht einmal die Notwendigkeit der Präzisierung scheint man erkannt zu haben. Man kann aber nicht aus einem unscharfen Schlagwort ein zwingendes Argument ableiten, und das selbst dann nicht, wenn man autoritative Zitate von Kant und Hegel und sonst noch wem heranzieht. Präzisiert man aber das Instrumentalisierungsverbot, so wie es hier vorgeschlagen wurde, dann erhellt nicht mehr so automatisch, dass jede Theorie der Rechtfertigung der Strafzufügung, die sich auf Vergeltung beruft, den Menschen instrumentalisiere. Selbst wenn man das Instrumentalisierungsverbot so umfassend verstehen würde, wie es die neuen Vergeltungstheoretiker tun, selbst dann würde daraus nicht folgen, dass allein die Vergeltungstheorie richtig wäre. Die offensive Begründungsstrategie kann nur höchstens die Unrichtigkeit des angegriffenen, nicht aber die Richtigkeit des eigenen Standpunktes darlegen. Aus dem Argu1063 Zu Feuerbachs Ablehnung der Willensfreiheit oben B. I. 1. (S. 42 f.), zu seiner darauf gestützten Ablehnung der Vergeltung oben B. II. (S. 77 ff.). Heute statt aller Roxin, Sinn und Grenzen, S. 4. Auf Grundlage der hiesigen alltagsrealistischen Metaphysik [siehe oben D. II. 3. d), (S. 367)] ist das aber ein relativ leicht auszuräumender Einwand, mit dem wir uns nicht weiter befassen werden. 1064 Schünemann, Aporien der Straftheorie, S. 327; zust. Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 47; ders., Kritik, S. 228. 1065 Naucke, Generalprävention, insb. S. 14; E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), S. 798; Köhler, AT, S. 42, 45; Zackzyk, Gerechtigkeit, S. 217 Fn. 42; ders., Inselbeispiel, S. 77. 1066 Siehe oben C. III. (S. 177 ff.).

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ment würde deshalb nur folgen, dass die präventiven Theorien insgesamt widerlegt sind – was aber noch nicht bedeutet, dass die Vergeltungstheorie richtig ist. Es kann immer noch sein, dass die Strafe insgesamt illegitim ist. Eine positive Begründung ist deshalb erforderlich. Ob die von diesen Autoren vertretene Lehre vom Anerkennungsverhältnis hier weiter zu helfen vermag, ist später zu untersuchen (S. 474 ff.). cc) Die Einwände der Vergeltungstheoretiker überzeugen deshalb nicht. Es kommt auf ihre positive Begründung an, und darauf, ob sie den obigen Einwänden stand zu halten vermag. Das Präzisionsniveau der herkömmlichen Diskussion wird man aber um einiges steigern müssen, damit man einen Erkenntnisgewinn im Vergleich zu den Zeiten Feuerbachs oder zu der AE-Diskussion erzielen kann. Denn es gibt nicht nur eine Version der Vergeltungstheorie, sondern mehrere Versionen. Das ist bei einer so alten Theorie auch nicht überraschend. Hier wird deshalb eine Typologie der Vergeltungstheorien vorgeschlagen, die uns besser in die Lage versetzen wird, ihre relativen Ansprüche zu beurteilen. Diese Typologie wird hier nicht aus Lust an der Kombinatorik vorgeschlagen, sondern um die Aussagekraft der unterschiedlichen Theorieversionen und der gegen sie zu richtenden Einwände, insbesondere der zwei oben erwähnten, angemessener prüfen zu können. Wohl wäre es eher Sache derjenigen, welche die Vergeltungstheorie vertreten, derartige Klärungen einzuführen – und deshalb waren sie vor allem bei den früheren Vergeltungstheoretikern eine Selbstverständlichkeit.1067 Da aber Klarheit im Interesse aller Diskussionsteilnehmer sein dürfte, wird man sich der Aufgabe hier auch nicht entziehen. (1) Nicht nur Kant mit seiner Begründung aus dem kategorischen Imperativ hielt sich für einen Vergeltungstheoretiker. Auch Merkel, Binding und Nagler waren nach eigenem und nach ganz herrschendem Verständnis Anhänger dieser Theorie. Oben sahen wir aber, wie sehr ihre Formulierungen der positiven Generalprävention, also einer präventiven Theorie ähnelten.1068 Der Unterschied zur Strafzufügungstheorie Kants, welche die Legitimität der Strafe aus der Gerechtigkeit ableitete, diese aber allein aus sich selbst bzw. aus dem kategorischen Imperativ heraus begriff, liegt auf der Hand. Die sog. Klassische Schule

1067 Die ersten drei Versionen der Vergeltungstheorie, die man unten differenzieren wird, wurden zur Zeit des Schulenstreits sehr deutlich voneinander unterschieden, insb. unter den „Klassikern“, die dadurch den Moralismuseinwand entkräften wollten (Binding, Grundriss8, S. 205, 213 ff.; Beling, Grundzüge11, S. 5 unterscheidet dagegen genau wie hier, fügt aber eine fünfte Version der Vergeltung hinzu, die „dialektischlogische“, zu der er Hegels Theorie rechnet [geringfügig anders ders., Vergeltungsidee, S. 29 f., 50]. In Spanien bleibt diese Unterscheidung immer noch sehr beliebt, etwa Mir Puig, PG7 § 3/4 ff.). 1068 Siehe oben D. II. 3. f), (S. 411 f.).

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hielt zum einen doch die Strafzufügung deshalb für legitim, weil sie der Gerechtigkeit entsprach. Gerechtigkeit war für sie zum anderen aber kein intrinsischer Wert, sondern eher instrumentell wertvoll, nämlich als Mittel für etwas anderes, was allein intrinsisch wertvoll sei. Dass Kants Theorie eine Vergeltungstheorie ist, steht nicht zur Debatte. Die Frage ist deswegen zunächst einmal die, ob auch Theorien, welche die Struktur derjenigen der Klassischen Schule aufweisen, als Vergeltungstheorien anzusehen sind. Traditionell hat man diese Frage bejaht, ohne sehr auf den Unterschied zu achten. Neuerdings betont man den Unterschied und nennt deshalb derartige Theorien verkappt-präventiv.1069 Die besten Gründe dürften aber wohl dafür sprechen, bei einem weiteren Verständnis der Vergeltungstheorie zu bleiben, vorausgesetzt, man übersieht dabei den Unterschied nicht. Je nachdem also, wie man die Struktur des Gerechtigkeitsbegriffs versteht, ergeben sich zwei großen Gruppen von Vergeltungstheorien. Wird Gerechtigkeit als intrinsischer Wert begriffen, als etwas, dessen Beachtung schon für sich genommen als gut gilt, hat man es mit einer deontologischen Vergeltungstheorie zu tun. Kants Theorie ist dafür prototypisch, aber selbstverständlich nicht die einzige Version einer derartigen Theorie.1070 Der deontologische Gerechtigkeitsbegriff ist aber nicht der einzig mögliche. Er wird zwar in dieser Arbeit allgemein zugrundegelegt, und seit Kant erscheint er den meisten so evident, dass er sich fast pleonastisch anhört. Man darf aber nicht übersehen, dass es auch ein Verständnis der Gerechtigkeit gibt, das sie nicht als Selbstzweck betrachtet, als etwas, das schon an sich wertvoll ist, son1069 Bereits v. Liszt, Nachw. oben Teil D., Fn. 887; die Nationalsozialisten, die den Schulenstreit überwinden wollten auch dadurch, dass sie auf Ähnlichkeiten der streitenden Parteien hinwiesen, übersahen das nicht: v. Gemmingen, MSchrKrimPsych 24 (1933), S. 182; Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 27; Krüger, ZStW 55 (1936), S. 104; Larenz, ZfdKP 2 (1935), S. 28; Rauch, Klassische Strafrechtslehre, S. 27 ff.; in der Nachkriegszeit Nowakowski, Freiheit, Schuld, Vergeltung, S. 67, 86 f.; heute Frommel, Präventionsmodelle, S. 104 ff., 113; Hassemer, Sozialtechnologie, S. 330; ders., Positive Generalprävention, S. 30; ders., Darf der Staat bessern?, S. 225 f.; Naucke, ZStW 94 (1982), S. 552; ders., Aushöhlung, S. 488 Fn. 18; ders., Vorwort, S. V; ders., Funktionstüchtigkeit, S. 121, Fn. 80; Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 38; Seidl, Streit um den Strafzweck, S. 54, 69 f., 211 ff.: „unverkennbar, daß in Wirklichkeit die Generalprävention auf Umwegen zum obersten Strafzweck erhoben wird“; „echte Generalprävention“ sei das trotzdem noch nicht (S. 70); Streng, MSchrKrim 76 (1993), S. 159 Fn. 137; von einigen selbsternannten Vergeltungstheorien der nationalsozialistischen Zeit auch Seidl, Streit um den Strafzweck, S. 34. Umgekehrt meint Arthur Kaufmann, Jura 1986, S. 230; ders., Gerechte Strafe, S. 429 f., die positive Generalprävention sei weitgehend eine Vergeltungstheorie. Schöner Satz bei Oetker, GS 104 (1934), S. 26, gegen die Modernen: „Die reine Nützlichkeit regiert, bis der unermeßliche Schaden, der so gestiftet wird, zur Umkehr zwingt“. Es geht den Klassikern also um Schadensverhütung, mithin um Prävention! 1070 Siehe dazu gleich unten S. 465 und 467.

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dern als Mittel zu etwas Anderem, intrinsisch Wertvollem.1071 Einem solchen konsequentialistisch-instrumentellen Gerechtigkeitsbegriff entspricht eine konsequentialistische Vergeltungstheorie. Zur Klarstellung der Unterteilung sei nochmals gesagt, dass es letztlich nicht so sehr darauf ankommt, ob man die hier sogenannten konsequentialistischen Vergeltungstheorien lieber nicht unter den Vergeltungstheorien klassifiziert sehen will. Die Zuordnung hört sich nur aus dem Grunde wie eine contradictio in adjecto an, weil der Kreis der deutschen Autoren unter dem Einfluss Kants nicht mehr daran gewöhnt ist, sich eine Gerechtigkeit vorzustellen, die nur instrumentell wertvoll ist.1072 Wie betont geht auch die hiesige Untersuchung von diesem herrschenden, auf Kant zurückgehenden Verständnis der Gerechtigkeit aus. Aber man darf nicht übersehen, dass Kants Unterscheidung von Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit, von kategorischen und hypothetischen Imperativen, relativ jung ist, dass die Vergeltungstheorie hingegen schon lange davor vertreten wurde, ohne dieser Frage größere Beachtung zu schenken, und dass ein Verständnis der Vergeltungstheorie, das allein Lehren erfassen würde, für die Gerechtigkeit ein intrinsischer Wert ist, das meiste, was man seit jeher für eine Vergeltungstheorie gehalten hat, ausschließen würde.1073 Der hiesigen antireduktionistischen Einstellung [oben A. (S. 27)] würde es am besten entsprechen, das Selbstverständnis der Autoren, die sich für Vergeltungstheoretiker gehalten haben, zunächst für bare Münze zu nehmen und die Begründetheit ihrer Behauptungen weitgehend unabhängig von dieser Zuordnung zu überprüfen. Zusammengefasst lassen sich zunächst die Vergeltungstheorien in zwei große Gruppen unterteilen, je nachdem, ob man den für diese Theorien zentralen Begriff der Gerechtigkeit als etwas intrinsisch oder nur instrumentell Wertvolles versteht: im ersten Falle hat man eine deontologische, im zweiten eine konse1071 Bentham, Introduction, Chap. X § 40 Fn. b2; Mill, Utilitarianism, Kap. 5 (vor allem S. 77); Beling, Vergeltungsidee, S. 2: „Der Begriff der ,Gerechtigkeit‘ im alten Sinne ist hohl und stellt keinen Gegensatz gegen die ,Zweckmäßigkeit‘ dar“; Binding, Grundriss8, S. 225, der „Interessen, Bedürfnisse und Leidenschaften der Gesellschaft“ die „natürlichen Vermittler der Gerechtigkeit“ nennt, „welche die Realisierung derselben als eine nicht von Willkür und Zufall abhängige erscheinen lassen“. Auch Beccaria, Delitti, §§ II (am Ende), VII vertrat einen konsequentialistischen Gerechtigkeitsbegriff. Ihn unter die Vergeltungstheoretikern einzuordnen, hat man bekanntlich selten gemacht (soweit ersichtlich nur D. Young, Journal of Criminal Justice 11 [1983], S. 324, aus anderen Gründen als den eben genannten). 1072 Andere Sprachkreise haben deshalb keine Probleme mit der Vorstellung einer konsequentialistischen Vergeltungstheorie, vgl. z. B. Ezorsky, Punishment, S. XIX ff.; Nozick, Philosophical Explanations, S. 371; Tunick, Punishment, S. 162. In Deutschland sprach immerhin Gallas, Gründe und Grenzen, S. 4 von einer „relativen Vergeltungstheorie“. Siehe ferner die interessanten Überlegungen M. Moores, Justifying Retributivism, S. 155 ff. 1073 So aber konsequent Hepp, Darstellung1, S. 22, der meint, die absolute Straftheorie sei „zuerst durch Kant begründet“ worden. Anders die zweite Aufl. seines Buches, wo er bei Pythagoras und Aristoteles anfängt: Hepp, Darstellung I2, S. 6.

II. Die Straftheorie

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quentialistische Vergeltungstheorie. Um aber den Bedenken, die man gegen die Anerkennung eines konsequentialistischen Gerechtigkeitsbegriffs haben könnte, Rechnung zu tragen, wird hier auch das gleichbedeutende Begriffspaar einer echten und einer unechten Vergeltungstheorie eingeführt. (2) Die erste Unterteilung bezog sich auf die Struktur des Gerechtigkeitsbegriffs als einem primären bzw. fundamentalen oder einem sekundären bzw. abgeleiteten Begriff im Rahmen eines bestimmten normativen Systems. Die weitere Frage ist aber, welchem normativen System sich der Gerechtigkeitsbegriff zuordnen lässt. Ein normatives System i. S. eines Inbegriffs von Sätzen, die mit der Bewertung eines Verhaltens als richtig oder falsch bzw. gut oder schlecht bzw. gerecht oder ungerecht zu tun haben, sind etwa zunächst einmal das Recht und die Moral, dann auch die Religion und die Ästhetik. Die Gerechtigkeit kann sowohl eine Forderung des Rechts, als auch der Moral, der Religion oder der Ästhetik sein. Daraus ergeben sich weitere vier Versionen der Vergeltungstheorie: eine rechtliche, eine moralische, eine theologische und eine ästhetische Vergeltungstheorie. (3) Diese Unterscheidung führt quer durch die obige Unterscheidung zwischen deontologischen und konsequentialistischen Vergeltungstheorien hindurch. Eine Kombination beider Klassifikationsgesichtspunkte ergibt deshalb acht unterschiedliche Versionen der Vergeltungstheorie, in welche die verschiedenen bisher vertretenen Vergeltungstheorien aufgeteilt werden können. Der Verfasser bittet den Leser darum, nicht zu erschrecken, sondern sich etwas zu gedulden, um den methodischen Wert dieser Unterscheidungen für die kritische Bewertung der Ansprüche der Vergeltungstheorie beurteilen zu können. (a) Am bedeutsamsten dürfte wohl die rechtliche Vergeltungstheorie sein, nach der Gerechtigkeit eine Forderung des Rechts ist. Wird Gerechtigkeit als etwas begriffen, was schon an sich eine Verhaltensweise des Staates rechtfertigt, dann hat man es mit einer deontologischen rechtlichen Vergeltungstheorie zu tun. Eine solche Theorie vertraten zu Zeiten Feuerbachs Bergk und der zum Kantianismus bekehrte Stürzer, und heute dürfte sie wohl die Ansicht Nauckes, der angelsächsischen Unfair-Advantage-Theory, welche die Gerechtigkeit der Strafe darin begründet sieht, dass Strafe den nicht-fairen Vorteil, den der Verbrecher durch die Missachtung des Rechts erlangt, ausgleiche, Fletchers, der die Vergeltungstheorie auf dem Prinzip der Gleichheit begründet, und auch anderer heutiger Vertreter der Vergeltungstheorie sein.1074 1074 Bergk, Philosophie des peinlichen Rechts, S. 31, 33 ff., 63, 307 ff. („juridische Wiedervergeltung“); Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 96 f., 102 f., 114; Naucke, Wechselwirkung, S. 180 f., 196; ders., Kants Straftheorie, S. 70 ff.; ders., Aushöhlung, S. 491; zur Unfair-Advantage-Theory grdl. H. Morris, Monist 52 (1968), S. 478; so auch Finnis, Natural Law, S. 262 f.; v. Hirsch, Doing Justice, S. 47; einiges davon bei Kindhäuser, GA 1989, S. 497; dezidierter ders., Rechtsgüterschutz, S. 35 f.; auch der frühe J. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), S. 228, freilich mit

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Das Verständnis der Klassischen Schule, insbesondere das von Binding und Nagler, wonach es um die Gerechtigkeit der zugefügten Strafe gehe, Gerechtigkeit aber als Forderung des Rechts und als Mittel zur Verbrechensverhütung verstanden wird, verdeutlicht exemplarisch die konsequentialistische rechtliche Vergeltungstheorie. Viele, die der rechtlichen Vergeltungstheorie Sympathien entgegenbringen, tun dies aus dem Grund, weil die Theorien auf der Gegenseite, nämlich die Präventionstheorien, allgemein als freiheitsgefährdend angesehen werden. Man rügt an den Präventionstheorien, dass sie dazu neigen, die Freiheit der Bürger immer weiter einzuschränken. Die einzige Theorie, welche die Wucht des Strafrechts unter Kontrolle bringen könne, sei die Vergeltungstheorie.1075 Bedient man sich einer derartigen Argumentation, dann versteht man Gerechtigkeit nicht mehr als intrinsischen Wert, sondern als Mittel, wenn auch nicht als Mittel der Verbrechensverhütung – wie die klassische Schule – so doch als Mittel der Einschränkung der Staatsmacht. Es kommt nicht primär auf die Gerechtigkeit der Strafe an, sondern auf die Folgen eines der Gerechtigkeit verpflichteten Strafrechts für die Freiheit der Bürger, und insofern vertritt man eine konsequentialistische rechtliche Vergeltungstheorie. (b) Besonders wichtig erscheinen auch die moralischen Vergeltungstheorien, für die eine Strafzufügung schon legitim ist, wenn sie der Gerechtigkeit entspricht, und für die die Beachtung der Gerechtigkeit eine Forderung der Moral ist. Häufig hat man dies damit begründet, eine Gesellschaft ohne Moral breche in sich zusammen, sei eine dem Verfall ausgesetzte Gesellschaft, die deshalb am meisten darunter leide. Die Strafe soll dazu beitragen, dass dieser Zustand des moralischen Verfalls nicht erreicht wird. Eine derartige konsequentialistidem empirischen Vorbehalt, in einer Klassengesellschaft könne die Theorie keine Strafe rechtfertigen (zu seiner heutigen Ansicht ders., CrimL&Phil 1 [2007], S. 13 ff. und unten Teil D., Fn. 1089); krit. Burgh, Journal of Philosophy 79 (1982), S. 205 ff.; Hampton, Retribution, S. 384 ff. Fletchers Ansicht in ZStW 101 (1989), S. 803 ff., 810, 813 f. Zur neueren Vergeltungstheorie Deutschlands E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), S. 825; Kahlo, Unterlassung, S. 176 f.; Köhler, Strafrechtsbegründung, S 33 ff., 37; ders., Rechtsverhältnis, S. 35 ff.; ders., AT, S. 48 ff.; Zackzyk, Gerechtigkeit, S. 219. Wie die Lehre von Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, insb. S. 82 ff., 97 wonach der Bürger, der eine Straftat begeht, gegen eine Loyalitätspflicht der Erhaltung eines Zustands der Rechtlichkeit verstoße, einzuordnen wäre, ist zweifelhaft. Es handelt sich wohl eher um eine konsequentialistische rechtliche Vergeltungstheorie. 1075 So vor allem einige der heutigen Vergeltungstheoretiker, insb. Herzog, Prävention des Unrechts, S. 55 f. und passim; ferner Albrecht, Vergessene Freiheit, S. 70, wenn von „Sorge um die Freiheit“ als Inspiration der absoluten Straftheorie gesprochen wird; Killias, SchwZStr 100 (1983), S. 365; Zackzyk, Gerechtigkeit, S. 215. Anklänge auch bei Arthur Kaufmann, JZ 1967, S. 558, wenn er sagt, „es gibt kein freiheitlicheres Strafrecht als ein konsequentes Schuldstrafrecht“; in Amerika Gaylin/ Rothman, Introduction, S. xxxvi. In der Klassischen Schule taucht das Argument immerhin schon auf, s. etwa R. Schmidt, Aufgaben, 134 ff., 141; ders., Strafrechtsreform, S. 126; Nagler, Die Strafe, S. 577: „Gewährleistung von Bürgerfreiheit“; Oetker, GS 91 (1925), S. 324; übertrieben aber die Beurteilung Rauchs, Klassische Strafrechtslehre, S. 30, der hier den Schwerpunkt sieht.

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sche moralische Vergeltungstheorie dürfte wohl das Wesentliche in den Gedanken vieler so unterschiedlicher Denker wie Jellinek, Stephens, Welzel, Maurach und heutzutage Tunick wiedergeben.1076 Eine andere Form konsequentialistischer moralischer Vergeltungstheorie stellt nicht auf die guten Folgen der gerechten Strafe für die Gesellschaft, sondern auf ihre Folgen für den Täter ab: Dieser habe die Gelegenheit, sich moralisch mit seiner Tat auseinanderzusetzen, darüber zu reflektieren und sich mit dem Opfer, mit der Gesellschaft und mit sich selbst zu versöhnen. Auch die Sühnetheorie, die zwar in der deutschen Nachkriegszeit nach dem E 1962 nur eher vereinzelt, vor allem von Arthur Kaufmann, vertreten wurde, geschichtlich aber immerhin sehr wichtig war und im angelsächsischen Raum insbesondere von Duff durch Heranziehung kommunitaristischer Gedanken neu begründet wurde, ist eine Form der konsequentialistischen moralischen Vergeltungstheorie.1077 Dagegen gibt es diejenigen, welche die Gerechtigkeit als moralischen Eigenwert begreifen und die deshalb eine deontologische moralische Vergeltungstheorie vertreten. Diese Ansicht hat zwar in Deutschland erstaunlicherweise nicht so viele Vertreter, wie man vom Lande Kants erwarten dürfte,1078 aber dafür ist sie 1076 Zu Jellinek siehe die Nachw. oben Teil D., Fn. 869 und 870; Stephen, Liberty, Equality, Fraternity, S. 145, 150 ff.; Welzel, Strafrecht11, S. 1 ff., 238 ff.; Tunick, Punishment, S. 108, 162 ff. Bei Maurach sieht es auf den ersten Blick komplizierter aus: Zwar betont er häufig (etwa Schuld und Strafe, S. 19 f.), dass der Nutzen hinter der Vergeltung („Wesen der Strafe“) eine betont zweitrangige Rolle spiele und will im Inselbeispeil auch bestrafen (Nachw. oben Teil D., Fn. 115); an anderen Stellen (etwa in seiner Stellungnahme zur Todesstrafe) wiederum findet man Sätze wie folgende: „Wenn die Todesstrafe wirklich mit so einleuchtenden Funktionen zur Sicherung des Rechtsfriedens gestattet ist . . ., dann ist die Todesstrafe auch notwendig, und wenn sie notwendig ist, ist sie als Zweckinstitution des Rechts auch geboten“ (Todesstrafe, S. 25). Dort ist auch von der „Wiederherstellung der Majestät des an sich unverletzbaren Rechts“ (Todesstrafe, S. 26 f.) die Rede – eine klare Anspielung an die Binding’sche Tradition konsequentialistischer Vergeltungstheorien. Vgl. auch die Diskussion bei Teil D., Fn. 145. 1077 Zur Zeit des E 1962 Preiser, Recht zu strafen, S. 78 ff.; Jescheck, Menschenbild, S. 23 f.; danach Arthur Kaufmann, JZ 1967, S. 556 f.; ders., Jura 1986, S. 231; Röhl, Lebenslange Freiheitsstrafe, S. 168. Zur Theorie Duffs s. vor allem Punishment, Communication and Community, S. 107 ff.; ferner ders., Punishment, Expression and Penance, S. 329 ff.; ders., Desert and Penance, S. 164; ders., Punishment & Society 1 (1999), S. 36 ff.; und dazu Ellscheid, Straftheorie von Duff, S. 25 ff. I. Ü. ist die Sühnetheorie immer zu den absoluten Theorien gerechnet worden (z. B. Binding, Grundriss8, S. 210, 212; Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 22 ff.), was für die hiesige Terminologie der konsequentialistischen Vergeltungstheorie eine zusätzliche Bestätigung liefert. In dieser Arbeit wird man sich damit nicht ausdrücklich befassen. Ihr Individualmoralismus widerspricht den im rechtsphilosophischen Teil festgelegten Grenzen der Ausübung von Strafgewalt, s. oben C. II. (S. 124 ff.); zur Kritik etwa Eb. Schmidt, Strafzweck, S. 11 ff.; Roxin, AT4 I § 3/10. 1078 Vgl. doch Henke, Strafrechtstheorien, S. 25; wohl auch Tieftrunk, Untersuchungen, S. 88; fraglich dagegen J. S. Beck, Commentar zu Kant, trotz S. 452, wegen S. 450: „auf Uebertretungen der Gesetze werden Strafen bestimmt, damit keine Ver-

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im angelsächsischen Raum besonders stark. Ob Kant selbst dieser Theorie anhing, ist undeutlich: Es lässt sich nicht leicht klären, ob sich seine deontologische Vergeltungstheorie, die auf einen kategorischen Imperativ abstellt, auf die Moral oder auf das Recht beruft. Er ist schon in beidem Sinne verstanden worden.1079 Wir brauchen zu diesen Fragen keine Stellung zu beziehen, da wir auf andere Sprachräume verweisen können, um gewichtige andere Beispiele dieser Position vorzufinden. Ein gegenwärtiger Hauptvertreter ist der Moralphilosoph und Strafrechtler Michael Moore, der von intuitiven Moralurteilen ausgeht, die nach seiner Meinung nur unter der Annahme verständlich werden, dass die Bestrafung von Schuld einen intrinsischen Wert verkörpere.1080 Erwähnenswert ist auch Jean Hampton, die Vergeltung als Botschaft der Wahrheit versteht, als Bekräftigung des menschlichen Wertes des Opfers gegen dessen wahrheitswidrige Negierung durch den Täter.1081 In Italien hatte die Ansicht in Bettiol einen prominenten Vertreter, der meinte, dem Menschen als Wert an sich entspreche die Vergeltungsstrafe als Wert an sich: „Der Mensch ist nur zu retten, wenn der Gedanke der Vergeltungsstrafe zu retten ist“.1082 (c) Die theologische Vergeltungstheorie betrachtet die Strafzufügung als ein göttliches Gebot der Gerechtigkeit. Unter deutschen Strafrechtlern wird die Theorie seit langem nicht mehr vertreten, was aber nicht zu dem trügerischen Eindruck verleiten sollte, derartige Theorien seien unwichtig. Theologen üben in Diskussionen über das Strafrecht insbesondere in umstrittenen Bereichen wie etwa Abtreibung, Euthanasie und Todesstrafe eine aktive Rolle aus, und auch der intuitive Anklang, den die Vergeltungstheorie in der Öffentlichkeit findet, brechen existieren“ (Beck bekannte sich später unverhohlen zur Abschreckungstheorie, Nachw. oben Teil B., Fn. 75). 1079 Im ersten Sinne etwa der Zeitgenosse Weber, ArchCrimR Bd. VII St. II (1808), S. 236; hundert Jahre später Beling, Vergeltungsidee, S. 29 f.; im zweiten Sinne heute Zackzyk, Inselbeispiel, S. 83 f. Unter den Klassikern war eine differenzierende Ansicht verbreitet, wonach Kant in der Kritik der praktischen Vernunft eine moralische, in der Metaphysik der Sitten eine rechtliche Vergeltungstheorie vertrat (Binding, Grundriss8, S. 214, 215 f.; Beling, Grundzüge11, S. 5). In Spanien ist die Lesweise, wonach Kant eine moralische, Hegel eine rechtliche Vergeltungstheorie vertreten haben, sehr verbreitet (Demetrio Crespo, Prevención general, S. 58 f.; Mir Puig, PG7 § 3/5, 7). 1080 M. Moore, Closet Retributivism, S. 98 ff.; ders., Justifying Retributivism, S. 161 ff., 188. So versucht er, Vereinigungstheorien wie die hier vertretene dadurch in Schwierigkeiten zu bringen, dass er an den Fall eines Vergewaltigers denkt, der einen Unfall erleidet, demzufolge er jede sexuelle Begierde verliert, so dass keine Spezialprävention angesagt wäre und seine Nicht-Bestrafung vor der Gesellschaft erfolgreich – und mit geringeren Kosten als die Bestrafung – versteckt werden könnte, so dass auch keine Generalprävention erforderlich wäre (Closet Retributivism, S. 100 f.). Will man diesen Vergewaltiger trotzdem bestrafen, dann ist man ein Vergeltungstheoretiker, und Moore fordert dazu auf, den Schrank zu verlassen und sich als ein solcher zu offenbaren. 1081 Hampton, Retribution, S. 398; dies., ARSP-Beiheft 47 (1992), S. 12 f.; ferner dies., Liberalism, Retribution, Criminality, S. 175 f. 1082 Bettiol, Diritto Penale2, S. 507 ff., 516 (Zitat).

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dürfte zum Teil wohl mit einem theologischen Vorverständnis zusammenhängen – von der geschichtlichen Bedeutung der Theorie ganz zu schweigen. Geschichtlich war insbesondere die konsequentialistische theologische Vergeltungstheorie von Belang. Grundlage deren Verständnisses war vor allem der Gedanke, dass Gesellschaften, die nicht die Ungerechtigkeit bestrafen, Schuld auf sich laden und Gottes Rache auf sich ziehen.1083 Diese Ansicht spiegelt sich in griechischen Tragödien wie der des König Ödipus wieder, unter dessen Herrschaft Kreta wegen seines Vatermordes und seiner Blutschändung fast zugrundegeht, und hatte im Mittelalter einen Höhepunkt.1084 Sie wird noch heute vereinzelt von Theologen vertreten, wie z. B. von Künneth, der sein Plädoyer für die Todesstrafe darauf stützte, dass der Staat durch die vergeltende Strafe seine Amtsvollmacht ausübe, so dass er „das Richtschwert gemäß der Anordnung Gottes zum Schutze der menschlichen Existenzordnung gebraucht“.1085 Bis heute hört man von fundamentalistischer Seite Erklärungen von Katastrophen wie dem 11. September mittels des Hinweises, dies sei die Bestrafung Gottes für eine Gesellschaft, die Abtreibungen ungestraft zulasse. Eine andere Alternative wäre es, die Gerechtigkeit, die man als Gebot Gottes auffasst, als intrinsischen Wert zu verstehen und eine solchermaßen deontologische theologische Vergeltungstheorie zu vertreten. Die berühmtesten theologischen Vergeltungstheorien werden wohl diese Struktur haben, obwohl sie konsequentialistische Züge aufweisen, die auch diese Einordnung fragwürdig machen könnten. Vor allem Stahl sagte, der Staat sei zur rechtlichen Strafe „befugt und verpflichtet, weil es sein Wesen und seine von Gott ihm gesetzte Bestimmung und ertheilte Vollmacht ist, die äußere ethische Ordnung auf Erden zu handhaben“.1086 Und in der Nachkriegszeit sprach Pius XII von einem göttlichen Auftrag zur Wiederherstellung des verletzten Rechts durch die Strafe.1087 (d) Der Vollständigkeit unserer Typologie halber ist auch die ästhetische Vergeltungstheorie zu erwähnen, für welche die Forderung einer gerechten Bestrafung von Verbrechen letztlich eine ästhetische sei: unbestrafte Schuld ist in erster Linie unschön. Ein Beispiel für eine konsequentialistische ästhetische Vergeltungstheorie kann der Verfasser in der Geschichte der Strafrechtslehre nicht ausfindig machen; eine deontologische ästhetische Vergeltungstheorie hat aber 1083

Siehe Cottingham, Philosophical Quarterly 29 (1979), S. 243. Zur theologischen Vergeltungstheorie im Mittelalter siehe noch Nagler, Die Strafe, S. 159 ff., 169 ff.; Bruno, Direito Penal I3, S. 86. Dagegen soll nach Nagler, Die Strafe, S. 192 die Carolina von derartigen Einflüssen völlig frei sein. 1085 Künneth, Todesstrafe I, S. 56 ff.; ders., Todesstrafe II, S. 164 (Zitat); dazu zu Recht kritisch Baumann, Todesstrafe, S. 93. 1086 Stahl, Philosophie des Rechts II/2, S. 519; ähnlich Jarcke, Handbuch I, S. 240 ff.; Bekker, Theorie des Strafrechts I, S. 70 f., 77 ff. 1087 Pius XII, ZStW 66 (1954), S. 13 f.; ferner Nachw. bei Jescheck/Weigend, AT5, § 8 III 3. 1084

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kein geringerer als Leibniz vertreten, der die gerechte Strafe für eine Befriedigung der Weisen hielt, ähnlich wie sie auch eine schöne Musik oder eine gute Architektur zufrieden stelle.1088 (e) Dagegen ist die gelegentlich vertretene Rachetheorie, die in einigen modernen psychoanalystischen Straftheorien weiterlebt und im angelsächsischen Raum von Jeffrey Murphy neu begründet wurde,1089 keine Vergeltungstheorie, da sie Strafe nicht als Forderung der Gerechtigkeit begreift. Zu Recht wird die Verwandtschaft von Strafe und Rache von Vergeltungstheoretikern immer wieder bestritten.1090 Im Grunde ist die Rachetheorie nicht einmal eine Straftheorie im eigentlichen Sinn, denn sie liefert keine normative Begründung, wie legitime Strafe sein solle, sondern nur eine psychologische Erklärung, warum tatsächliche Strafe ist. dd) Diese Präzisierungen versetzen uns in die Lage, ein sachgerechteres Urteil über die Vergeltungstheorie auszusprechen. Zur Beruhigung des Lesers sei gesagt, dass sich die nachfolgende Kritik nicht auf jede der acht Vergeltungstheorien für sich beziehen wird. Es lassen sich vielmehr Blöcke bilden: (1) Fangen wir mit dem Leichtesten an, nämlich mit den theologischen und ästhetischen Vergeltungstheorien. Dass sich ein Rechtstaat nicht auf den Willen Gottes oder auf den Auftrag, das Schöne zu verwirklichen, berufen darf, um Zwang gegen einen Bürger zu legitimieren, liegt auf der Hand. Staatliche Machtausübung beruft sich auf den Namen der Bürger, nicht auf einen Auftrag der Gottheit oder der Schönheit. Dies dürfte zur Widerlegung aller theologischen und ästhetischen Vergeltungstheorien deontologischen Aufbaus genügen. Ferner entspricht der von den konsequentialistischen theologischen Vergeltungstheorien behauptete Zusammenhang zwischen unbestrafter Schuld und Gottesrache lange nicht mehr dem Alltagsverständnis einer entzauberten Gesellschaft,1091 so dass auch diese Form der Vergeltungstheorie heutzutage die Strafe nicht tragen kann.

1088 Leibniz, Théodicée, Première Partie, § 73; gegen eine Ästhetik der Leidzufügung durch Strafe Lombardi Vallauri, Ästhetik und Vergeltung, S. 103 f. 1089 Im 19. Jahrhundert Kapff, Bemerkungen, S. 7; einiges davon auch bei Lotze, Praktische Philosophie, S. 69, der immerhin am Recht zu Strafen aus diesem Grund zweifelt („Usurpation“); heute aus psychoanalytischer Sicht Streng, ZStW 92 (1988), S. 648 f.; im angelsächsischen Raum Murphy, Retributive Hatred, S. 355 ff. (inzwischen abgeschwächt in dems., CrimL&Phil 1 [2007], S. 14 ff.). 1090 Noch im 19. Jahrhundert Hegel, Grundlinien § 102; Köstlin, Neue Revision, S. 46 (für die Rache materiell gerecht, aber formell ungerecht ist); Joaquim Camargo, Direito penal, S. 181; unter den Klassikern Beling, Vergeltungsidee, S. 25; Lobe, LK2 S. 7; R. Schmidt Aufgaben S. 67 ff.; später Jescheck, Menschenbild, S. 23; Armstrong, Mind 70 (1961), S. 487; M. Moore, Closet Retributivism, S. 89. 1091 Zu diesem Begriff M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft5, S. 308.

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(2) Wenden wir uns jetzt den übrigen konsequentialistischen bzw. unechten Vergeltungstheorien zu, nämlich der rechtlichen und der moralischen konsequentialistischen Vergeltungstheorie. Zu diesen Theorien ist zunächst festzustellen, dass der Einwand der Folgendindifferenz sie nicht trifft: Sie berücksichtigen Folgen zwar nicht direkt, aber doch indirekt, da es bei ihnen letztlich nicht um die Gerechtigkeit um ihrer selbst willen, sondern um die Gerechtigkeit als Mittel zur Verbrechensverhütung geht. Sie weisen aber zwei Probleme auf, die sie dennoch unanehmbar machen. (a) Das erste Problem ist die Nähe bzw. gar die Quasi-Identität dieser Theorien zur positiven Generalprävention. Die konsequentialistische rechtliche Vergeltungstheorie unterscheidet sich nur unwesentlich von der rechtlichen positiven Generalprävention, ebenso wie sich die konsequentialistische moralische Vergeltungstheorie nur wenig von der moralischen positiven Generalprävention unterscheidet. Soll die Gerechtigkeit der Strafe den Bürgern einen Grund geben, sich rechtmäßig zu verhalten, versucht der Staat seinen Zwang dadurch zu legitimieren, dass er den Bürgern nicht nur klugheitsbezogene Gründe zum rechtmäßigen Verhalten angibt. Dagegen sprechen aber die oben dargelegten Erwägungen (3. f) [S. 398 ff.]), auf die zurückverwiesen werden kann. (b) Das zweite Problem ist viel gravierender. Die Zurückführung der Vergeltung, also einer sich zunächst deontologisch anhörenden Lehre, auf den Konsequentialismus, weist alle Probleme auf, die in dieser Arbeit wiederholt gegen eine konsequentialistische Begründung der Deontologie festgestellt worden sind: Vor allem erscheint es nicht mehr möglich, absolute Schranken staatlicher Machtausübung zu bestimmen. Beispielhaft: Ist die Gerechtigkeit der Strafe nur deshalb wertvoll, weil sich dadurch weitere Straftaten verhüten lassen, dann ist nicht einsichtig, wieso im oben erwähnten Sheriff-Fall von McCloskey der unschuldige Schwarze nicht hinzurichten wäre.1092 (c) Gegen die konsequentialistische moralische Vergeltungstheorie sind überdies noch zwei Erwägungen ins Feld zu führen: Erstens spitzt sich der zuletzt erwähnte, beiden Theorien anhaftende Mangel bei der konsequentialistischen moralischen Vergeltungstheorie in besonderer Weise zu, denn mit dieser Theorie ließe sich nicht einmal einsichtig machen, wieso sich etwa eine Verurteilung nicht auf ein unverwertbares Beweisstück, das die Schuld des Täters nachweist, soll stützen können. Denn die moralische Forderung, den Schuldigen zu bestrafen, wird schon in einem solchen Fall missachtet, und man fürchtet eine Einbuße an Prävention, wenn dieser Forderung nicht genügt wird. Man darf nicht übersehen, dass gerade derartige konsequentialistische moralisierende vergeltungstheoretische Erwägungen hinter vielem von dem stehen dürften, was die Rechtsprechung unter dem Schlagwort der Funktionstüchtigkeit der Strafrechts1092

Siehe bereits oben D. I. 4. b), (S. 244).

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pflege zusammenfasst.1093 Zudem hat die konsequentialistische moralische Vergeltungstheorie – im Unterschied zur konsequentialistischen rechtlichen Vergeltungstheorie – besondere Schwierigkeiten mit dem oben dargestellten Moralismuseinwand. Vereinfachend1094 kann man sagen, dass, wenn Gerechtigkeit nur eine Forderung der Moral, und nicht schon des Rechts ist, dann ist der an das Recht gebundene Staat nicht befugt, allein der Gerechtigkeit wegen zu handeln. (3) Übrig bleiben nur die deontologischen bzw. echten Vergeltungstheorien in ihren zwei Formen: der rechtlichen und der moralischen. Am besten gehen wir jetzt so vor, dass wir nicht die Theorien je für sich untersuchen, sondern die beiden allgemein gegen jede Vergeltungstheorie gerichteten Einwände, nämlich den Einwand der Folgenindifferenz und den Moralismuseinwand. (a) Der erste Einwand, gegen den sich jede deontologische Vergeltungstheorie anfällig macht, ist selbstverständlich derjenige der Folgenindifferenz. Selbst wenn die Verwirklichung der Gerechtigkeit um ihrer selbst willen ein Imperativ der Moral oder des Rechts wäre, wie könnte dann der Staat daran gebunden sein, allein darauf zu achten, und dabei das Ganze, was von seinem Handeln in der Welt herbeigeführt wird, zu ignorieren? Erst recht erscheint es absurd, dem Staat gerade dort einen Freibrief zur Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen seiner Handlungen zu erteilen, wo diese Handlungen unmittelbare greifbare Schädigungen seiner Bürger herbeiführen, wie es bei der Strafe der Fall ist. Dieser Einwand hat tatsächlich enorme intuitive Kraft, und wahrscheinlich ist es gerade ihm im Besonderen zu verdanken, dass der Kurswert der Vergeltungstheorie trotz einer festgestellten „Renaissance“ noch niedrig bleibt. Bei näherem Hinsehen scheint aber der Einwand weit weniger Gehalt aufzuweisen, als zunächst vorgestellt. Der Vertreter der Vergeltungstheorie könnte immer noch geltend machen, es wäre zirkelhaft, die Notwendigkeit einer nicht nur vergeltenden Theorie dadurch zu begründen, dass man auf die Notwendigkeit der Folgenberücksichtigung hinweist.1095 Denn das ist ein klassischer Fall dessen, was man – auf Englisch zurückgehend – begging the question nennt: Ob es auf Folgen ankommt, ist genau die Frage. Man kann die Behauptung des Ver-

1093 Zu diesem Begriff bereits oben C. III. (S. 137). Ob der konsequentialistischen moralischen Vergeltungstheorie diese Probleme kontingent oder notwendig anhaften, ist hier unwichtig. Eine Neigung, andere deontologische Schranken zu sprengen, kann man aber bei einer Lehre, welche die Verwirklichung der Gerechtigkeit als moralisches Gebot versteht, nicht übersehen. 1094 Man wird zu dem genauen Gehalt dieses Einwands und seiner Beziehung zu deontologischen rechtlichen und moralischen Vergeltungstheorien unten S. 473 f. zurückkehren. 1095 So auch J. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), S. 227; Wertheimer, Social Theory & Practice 3 (1975), S. 408 f.; M. Moore, Moral Worth of Retribution, S. 111.

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geltungstheoretikers, es komme nicht auf Folgen an, nicht mit einer schlichten Gegenbehauptung aus dem Wege räumen. Denn das ist zunächst einmal nichts anderes als die Behauptung, die entgegensetzte Theorie sei deshalb schlecht, weil sie nicht der eigenen Theorie entspreche. Der Einwand der Folgenindifferenz ist deshalb – entgegen der in Deutschland absolut herrschenden, bis auf Feuerbach zurückführbaren Ansicht – als solcher noch keine Widerlegung der deontologischen Vergeltungstheorie. Insoweit befindet man sich in einer Pattsituation, aus der nur mit zusätzlichen Erwägungen ein Ausweg zu finden sein wird. (b) Der zweite traditionelle Einwand gegen die Vergeltungstheorie, der nicht immer vom ersten Einwand der Folgenindifferenz getrennt wird, ist der Moralismuseinwand. Der Staat sei nicht befugt, einer moralischen Forderung wie der Gerechtigkeit Folge zu leisten. Aus diesem Grunde hat man seit Feuerbachs Zeiten immer wieder den Abschied einer jeden Vergeltungstheorie proklamiert. Welche Relevanz besitzt der Moralismuseinwand bezüglich beider Versionen der deontologischen Vergeltungstheorie, mit denen man es jetzt zu tun hat? Erst hier, vor dem Moralismuseinwand, erweist sich der wissenschaftliche Ertrag der Unterscheidung zwischen rechtlicher und moralischer Vergeltungstheorie. Denn nur diese letztere Version der Vergeltungstheorie hat der Moralismuseinwand letztlich im Visier. Eine rechtliche Vergeltungstheorie behauptet dagegen, Gerechtigkeit sei als hinreichender Grund für eine legitime Bestrafung keine Forderung der Moral, sondern durchaus eine Forderung des Rechts. Der Moralismuseinwand berührt die rechtliche Vergeltungstheorie deshalb nicht. Die oben festgestellte Pattsituation bezüglich der deontologischen Vergeltungstheorie engt sich mithin wegen des Ausscheidens der deontologischen moralischen Vergeltungstheorie ein. Was die deontologische rechtliche Vergeltungstheorie angeht, besteht sie aber weiterhin unverändert. (c) Das führt zu einem beachtlichen Zwischenergebnis: Es gibt eine Form der Vergeltungstheorie, nämlich die deontologische rechtliche Vergeltungstheorie, die den beiden traditionell gegen jede Vergeltungstheorie gerichteten Einwänden, nämlich der Rüge der Folgenindifferenz und der des Moralismus, stand halten kann. Folgenindifferenz kann man nicht einer Theorie entgegenhalten, welche die Prävention ablehnt, denn damit erklärt man die Prävention zum Maßstab, obwohl gerade das streitig ist. Und moralistisch in dem Sinne, dass sich das Recht in den Dienst der Moral zur Durchsetzung ihrer Forderungen stellt, ist nur die moralische Vergeltungstheorie. Die rechtliche versteht Gerechtigkeit als Forderung des Rechts, so dass sie auch dem zweiten Einwand entkommt. Bedeutet das also, dass den heutigen Vertretern der deontologischen rechtlichen Vergeltungstheorie Recht zu geben ist? Noch nicht: Es bedeutet nur, dass die üblichen Einwände noch nicht ausreichen, dass nach etwas Zusätzlichem zu

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suchen ist, das die Balance der Gründe im Sinne einer der beiden streitenden Parteien kippt. Dieses eine kann man nicht mehr auf dem Schlachtfeld selbst ausfindig machen, sondern nur auf neutralem, von beiden Parteien anzuerkennendem Boden, nämlich auf dem Boden unserer allgemeineren rechtsphilosophischen bzw. staatstheoretischen Erwägungen zum Verhältnis von Recht und Moral und von Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit. Dass man sich auf eine allgemeinere Ebene begeben muss, sehen schon viele der Autoren, die den Einwand der Folgenindifferenz durch einen Hinweis auf das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip und Verwandtes begründen.1096 Der Grundgedanke, von dem man ausging, war der Legitimationstitel moderner Staaten, die sich auf die Bürger berufen, also auf die Adressaten ihrer Machtausübung. Daraus leitete man die Bindung des Staates an zwei Sorten von deontologischen, also nicht zweckmäßigkeitsbezogenen Erwägungen, ab: an das Verbot, die Menschlichkeit der Bürger zu missachten, m. a.W., sie zu instrumentalisieren, und an das Verbot, sich für die Wahrnehmung seiner Aufgabe unwürdig zu machen. Diese beiden Gruppen deontologischer Erwägungen funktionierten aber nur als Schranken, als side constraints, die dem Staat in seiner Zweckverfolgung Grenzen setzen. Eine Zweckverfolgung wird dadurch nicht entbehrlich. Vielmehr ist eine zusätzliche konsequentialistische Begründung für staatliche Machtausübung unverzichtbar, und dies aus den Gründen, die man oben dargelegt hat, insbesondere deswegen, weil es erstens viele intuitiv einleuchtende staatliche Aufgaben gibt, die sich nur konsequentialistisch deuten lassen, und weil zweitens eine deontologische Begründung von positiven Handlungspflichten (und nicht nur von Unterlassungspflichten, wie es hier vertreten wurde) die Möglichkeit von Pflichtenkollisionen schafft, die der Funktion der Deontologie, Absolutes zu begründen, im Wege steht.1097 (d) Dieser Befund wird durch die alternative, von heutigen Vergeltungstheoretikern zunehmend vertretene rechts- und staatsphilosophische Lehre vom Anerkennungsverhältnis in Frage gestellt.1098 Nach dieser Lehre – die hier vereinfacht und grob wiedergeben wird – ist das Recht ein Anerkennungsverhältnis zwischen freien und gleichen Personen, die Straftat die Negation dieses Verhältnisses und damit des Rechts als Recht und die Strafe schließlich die Wiederher1096 Ein solcher Versuch, von einem strafrechtsexternen Standpunkt aus das schlagende Argument zu liefern, etwa bei Roxin AT I4, § 3/8; Schünemann, Aporien der Straftheorie, S. 330; Zipf, Kriminalpolitik, S. 37; in Spanien Cerezo Mir, Curso I6, S. 33; Mir Puig, Límites del normativismo, S. 340. 1097 Siehe oben C. II. (S. 131 ff.). 1098 E. A. Wolff, Kriminalunrecht, S. 140, 178 ff., 182 ff., 211 ff.; Köhler, Strafrechtsbegründung, S. 37 ff.; ders., Rechtsverhältnis, S. 25 ff.; ders., AT etwa S. 37 f.; Rath, Rechtfertigungselement, S. 395 ff.; ferner Nugel, Bagatellprinzip, S. 149 ff.; ähnlich auch Kahlo, Unterlassung, S. 229 f.; Kargl, Rechtsgüterschutz durch Rechtsschutz, S. 60 ff.; Seelmann, Respekt, S. 423 ff., insb. S. 432.

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stellung des Verhältnisses und deshalb auch der Rechtlichkeit. Das liegt auch nahe: Wenn die Schlacht zwischen der (rechtlichen deontologischen) Vergeltungstheorie und ihren Gegnern auf dem neutralen Boden der allgemeinen Rechts- und Staatsphilosophie zu schlagen ist, warum dann nicht eine allgemeinere Theorie anbieten, die Raum für die Vergeltung hat? Aber auch dieser Weg ist nicht erfolgversprechend. Diese sich als allein deontologisch verstehende Lehre hat nicht nur mit den beiden gerade erwähnten Problemen einer rein deontologischen Theorie zu kämpfen, nämlich ihrem Unvermögen, eine überzeugende Erklärung für intuitiv legitime konsequentialistische Staatsaufgaben zu liefern, und ihrer Schwierigkeit, nach der Zulassung deontologisch begründbarer Handlungsgebote die Absolutheit bestimmter Verbote, etwa des Instrumentalisierungsverbots, noch zu retten, ohne in einem System unvollkommener Pflichten zu enden, die alle auf gleicher Ebene stehen und miteinander verrechnet, also abgewogen werden können. Zusätzlich hat diese Theorie das Problem, dass sie für die Eigentümlichkeit des Staatshandelns, die es gebietet, ihm besondere Legitimitätsanforderungen entgegenzustellen, völlig unempfindlich ist. Das Anerkennungsverhältnis findet nämlich zunächst nicht zwischen Bürger und Staat, sondern zwischen Bürger und Bürger statt, ist also ein privates, und kein öffentliches Verhältnis. Somit übersieht diese Lehre, dass der Staat über die Bürger Macht ausübt, dass er behauptet, dies legitim zu tun, und dass er diese Behauptung durch das Vorzeigen eines bestimmten Legitimitätstitels untermauert. Aus dieser Situation entstehen für den Staat besondere Pflichten, den Adressaten seiner Machtausübung gegenüber Rechenschaft abzulegen, von denen sich eine Lehre, die von einem unspezifischen, nicht notwendig staatsbezogenen Anerkennungsverhältnis spricht, keinen Begriff machen kann. Mit anderen Worten: Eine Theorie, die von einem Anerkennungsverhältnis ausgeht, postuliert eine Symmetrie von beiderseitigen Rechten und Pflichten, die zwar im Verhältnis von Bürgern untereinander, nicht aber im Verhältnis vom Staat zum Bürger besteht. Die asymmetrische Machtverteilung und die asymmetrischen Rechenschaftspflichten, die zwischen Staat und Bürger herrschen, werden von der Anerkennungslehre nicht theoretisch verarbeitet. Auf den Punkt gebracht: Die Lehre vom Anerkennungsverhältnis macht sich über den Staat keine Gedanken. Zum anderen begibt sich diese Lehre in die Gefahr dessen, was wir oben als Individualmoralismus bezeichnet haben, nämlich in die Gefahr einer allein nicht-konsequentialistischen Begründung von Freiheitseinschränkungen der Bürger. Auf Grundlage der Annahme, dass der Bürger sehr wohl dazu gezwungen werden dürfe, seinen Mitbürgern Anerkennung zu schenken, ist der Weg geebnet zur Postulierung beliebiger rein deontologischer Handlungspflichten, d.h. von Handlungspflichten, die keinen Bezug zu einer Verletzung oder Gefährdung eines Rechtsgutes aufweisen. Maßstäbe also, die nur den Staat binden sollten,

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binden nach der Lehre vom Anerkennungsverhältnis die Bürger, was eine bedenklich illiberale Moralisierung durch rechtlichen Zwang darstellt.1099 Im Besonderen Teil sind der oben bereits en passant kritisierte normative bzw. normativ-faktische Ehrbegriff und der juristische Vermögensbegriff die folgerichtige Konsequenz dieser Lehre.1100 (e) Im Rahmen der hier zugegebenermaßen nur skizzenhaft angebotenen Staatstheorie, in der Gerechtigkeit nur als Schranke fungiert, sind Zwecke, also konsequentialistische Zustände, zur Legitimierung des Staatshandelns unentbehrlich. Die alternative von einigen Vergeltungstheoretikern vorgeschlagene Anerkennungslehre erscheint aus mehreren Gründen nicht tragfähig. Damit muss auch der deontologischen rechtlichen Vergeltungstheorie eine Absage erteilt werden, was zu dem Gesamtfazit berechtigt, dass keine einzige der acht hier herausgearbeiteten Versionen der Vergeltungstheorie befriedigen kann. Der von Feuerbach vertretenen allgemeinen Einstellung, wonach die Vergeltungstheorie der Vergangenheit angehöre, ist somit – wenn auch aus anderen, durchaus subtilen Gründen – beizupflichten. ee) Zuletzt eine kleine exegetische Frage. Feuerbachs allgemeines Verhältnis zu Kant haben wir im ersten Abschnitt näher untersucht. Jetzt geht es um die spezifische Frage nach dem Verhältnis seiner Strafzufügungstheorie zu Kants Straftheorie. Wiederholt hat man in Feuerbach einen teilweise Vergeltungstheoretiker gesehen,1101 und dafür stützte man sich insbesondere auf zwei Erwägungen: erstens auf Stellen, in denen sich Feuerbach ausdrücklich auf Kants Straftheorie und auf Wendungen wie „kategorischer Imperativ“ bezog,1102 zweitens auf die strenge Forderung Feuerbachs, die gesetzlich vorgesehene Strafe ohne Zögern bei jedem Verbrechen zuzufügen, quia peccatum, weil verbrochen wurde. Die ersten Erwägungen können aber das Ergebnis schon von vornherein nicht tragen, da die Kant’schen Wendungen auch als Ausfluss der rhetorischen Schreibweise Feuerbachs deutbar sind.1103 Um herauszufinden, ob sie mehr sind als bloße Rhetorik, erscheint es erforderlich, die zweite Erwägung näher zu prüfen.

1099 Siehe die Bedenken von Hörnle, Anstößiges Verhalten, S. 83, gegen eine ähnliche Lehre, die schon mangelnden Respekt als Grundlage einer Bestrafung ansieht: Es ist zwar respektlos, bei einer Beerdigung unpassend gekleidet zu sein, kriminell ist das aber nicht. 1100 Siehe oben C. II. (S. 126 ff.). 1101 Nachw. oben Teil D., Fn. 1033. 1102 Etwa Feuerbach, Revision I, S. 146; ähnlich ders., BpRW Teil I St. II (1798), S. 22, S. 41 f. Zu diesen Stellen siehe oben B. I. 1. (Fn. 150), B. II. (Fn. 287 und S. 84 f.). 1103 In diesem Sinne E. Baumgarten, GS 81 (1913), S. 124, Fn. 1; zur Rhetorik Feuerbachs aufschlussreich R. Schmidt, GS 81 (1913), S. 245.

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Kann schon die Zufügung der Strafe quia peccatum genügen, um eine Theorie als Vergeltungstheorie zu charakterisieren? Wir haben oben die Vergeltungstheorie als die Lehre definiert, nach welcher Strafe allein deshalb zugefügt wird, weil sie der Gerechtigkeit entspreche. Von der Gerechtigkeit ist bei Feuerbach aber nirgendwo die Rede, weder von der Gerechtigkeit als intrinsischem noch ihrer als instrumentellem Wert. Es geht ihm allein um die Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung, also um eine Zweckmäßigkeitsüberlegung, und – wie oben ausgearbeitet wurde – um die Wahrung der Strafgesetzlichkeit, die trotz ihres deontologischen Status nicht das gleiche bedeutet wie Gerechtigkeit. Der Hinweis auf die Bestätigung der Wirklichkeit der Androhungen würde schon ausreichen, um den Abstand zu Kant und den deontologischen Vergeltungstheorien zu charakterisieren, bei denen es um die Gerechtigkeit um ihrer selbst willen geht. Aber nicht einmal als konsequentialistischer Vergeltungstheoretiker könnte Feuerbach gelten, da bei ihm Gerechtigkeit auch nicht als Zwischenstadium zur Zweckmäßigkeit relevant wird. Ferner bemisst Feuerbach die Strafe nicht nach der Freiheit zum Andershandeln, was wohl dem gängigen Verständnis der Gerechtigkeit am ehesten entsprechen würde, sondern nach der Gefährlichkeit der Tätermotivation. Dennoch könnte man alle diese Punkte zugeben, und immerhin meinen, die hier vertretene allein gerechtigkeitsbezogene Definition der Vergeltungstheorie sei unzureichend und durch die Strafzufügung quia peccatum zu ergänzen oder sogar zu ersetzen. Dem ist aber zu entgegnen, dass nach einer solchen Definition sogar Strategien der selektiven Unschädlichmachung, wie das berüchtigte three-strikes-and-you-are-out Californiens, wonach man ohne Rücksicht auf die Gerechtigkeit nach drei Verurteilungen lebenslänglich in Haft bleibt,1104 zu Vergeltungstheorien würden. Nur unter einem dergestalt gelockerten, wissenschaftlich kaum ergiebigen Vergeltungsbegriff könnte man die Theorie Feuerbachs subsumieren wollen. Letztlich also fußt die Identifizierung von Feuerbachs Strafzufügungstheorie mit der Vergeltungstheorie Kants entweder auf vereinzelten überspitzten Sätzen Feuerbachs oder auf einem verfehlten Verständnis der Vergeltungstheorie. Feuerbachs Strafzufügungstheorie ist zum einen keine deontologische Vergeltungstheorie, aber zum anderen auch keine konsequentialistische und somit überhaupt nicht als Vergeltungstheorie charakterisierbar.1105

1104

Dazu mit Nachw. oben D. II. 4. d), (S. 452). So auch Bauer, NArchCrimR 1827, S. 465 f.; ders., Warnungstheorie, S. 73 ff., S. 182 ff.; ders., Straftheorien, S. 100 ff., 114 ff. der selbst die Zufügung der Strafe als Akt reiner Gerechtigkeit verstehen will und hierin einen Unterschied zwischen seiner Theorie und derjenigen Feuerbachs sieht. 1105

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5. Rechtsgrund der Strafandrohung: niemandes Rechte werden berührt a) Feuerbachs Argument An Feuerbachs Argumentation wird man sich wohl erinnern. Die Strafandrohung bezwecke allgemeine Abschreckung. Die Verfolgung dieses Zwecks sei aber nicht rechtlich unzulässig, denn sie berühre niemandes Rechte.1106 b) Beurteilung aa) Das Argument erscheint verblüffend einfach,1107 und ist es zum Teil auch. Trotzdem enthält es etwas Verdächtiges, da es zu behaupten scheint, die Strafandrohung sei völlig harmlos. Das wird um so gravierender, als später der Rechtsgrund der Strafzufügung – die Einwilligung bzw. die vorherige Androhung durch ein Gesetz – einen Hinweis auf die harmlose Androhung enthält. Schon Feuerbachs Zeitgenosse Henke brachte diese Sorgen auf den Punkt: „Um euch einen Rechtsgrund für die Zufügung der Strafe zu erschleichen, stellt ihr die Drohung Anfangs als eine bloß leere, als eine solche dar, die ja ganz unschuldig sei, und Niemanden ein Haar krümme. Wenn es aber darauf ankommt, einen Verbrecher etwa am Leben zu strafen, so schiebt ihr unvermerkt der leeren Androhung eine reale unter, indem ihr die Vollziehung der Todesstrafe eben durch die vorausgegangene Androhung rechtfertigt.“1108 bb) Letztlich setzt das allzu einfach erscheinende Argument zumindest eine weitere verdeckte Prämisse voraus. Diese Prämisse übernimmt die Last der Erklärung, wieso die Androhung eines Übels für die Vornahme eines Verhaltens niemanden, der das Verhalten jetzt nicht mehr ungestraft begehen darf, in seiner Freiheit beeinträchtige. Drei Alternativen bieten sich an, die alle für sich allein ausreichend wären, und die alle auch von Feuerbach vertreten wurden. Ihre Ausarbeitung wird uns in die Lage versetzen, das Richtige und das Falsche in Feuerbachs Lehre vom Rechtsgrund der Strafandrohung zu beurteilen. (1) Eine erste mögliche Zusatzprämisse wäre die Rechtsverletzungslehre. Denn das Recht eines anderen verletzen darf man per definitionem nicht rechtmäßig. Niemand hat das Recht, das Recht eines anderen zu verletzen, sonst 1106 Feuerbach, Revision I, S. 49; ders., Anti-Hobbes, S. 221; ders., Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 95; nur etwas unterschiedlich Lehrbuch14, § 17, wo ein zweiter Rechtsgrund hinzukommt, „die Notwendigkeit, die Rechte aller zu sichern“. 1107 In den Worten Vormbaums, Einführung, S. 46: mit dieser Legitimierung „tut Feuerbach sich leicht“. 1108 Henke, Strafrechtstheorien, S. 62. Krit. ferner Grolman, Begründung, S. 13; Hepp, Darstellung II/12, S. 224, 266 (Henke ausdrücklich zust.); heute Jakobs, Staatliche Strafe, S. 21 f.; Naucke, Funktionstüchtigkeit, S. 118 f.

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gäbe es keine Verletzung. Also folgt schon per definitionem, dass die Androhung eines Übels für den Fall der Begehung einer Rechtsverletzung in kein Recht eingreift. Lässt man aber nicht nur Verletzungen, sondern auch Gefährdungen als Straftaten zu, und stellt man nicht mehr auf subjektive Rechte, sondern auf Rechtsgüter ab, erscheint die Selbstverständlichkeit, mit der Feuerbach die Harmlosigkeit von Strafandrohungen behauptete, nicht mehr nachvollziehbar. Denn werden auch Gefährdungen als Straftaten anerkannt, wie man es richtigerweise tun muss und auch seit jeher immer getan hat,1109 dann besteht keine Gewähr mehr dafür, dass man nicht durch ein Verbot in das Recht eines Bürgers eingreift. Auch die Wahrnehmung eines Rechts kann gefährlich sein, so dass der Gesetzgeber in Versuchung kommen kann, sie zu verbieten und damit in ein Recht einzugreifen. Und während ein Recht per definitionem nicht rechtsgemäß verletzt werden kann, können es Güter durchaus, etwa im Falle eines rechtfertigenden Notstandes, wo man allgemein von Erhaltungsgut und Eingriffsgut spricht.1110 (2) Eine andere Möglichkeit wäre es, das Argument auf einem Rechtsbegriff Kant’scher Prägung zu stützen, der das Recht als Abgrenzung von Freiheitssphären betrachtet und diese Freiheitssphären auf private Handlungen von Bürgern untereinander bezieht.1111 Das hätte zwei Folgen, die für Feuerbachs Argument mittragend, aber nicht gerade stimmig sind. (a) Die erste Folge wäre die, dass eine Handlung des Staates, die durch ein Gesetz die Überschreitung dieser Freiheitssphäre oder die Rechtsverletzung zu etwas Verbotenen erklärt, nur deklaratorische und keine konstitutive Bedeutung hätte. Verbotenes war schon vor dem staatlichen Verbot verboten, und Grund dafür waren die vorstaatlichen Rechte der Bürger untereinander. Diese Ansicht verkennt aber die durchaus konstitutive Leistung der Positivität des Rechts. Bei Straftaten, die nicht zu den sog. natürlichen Verbrechen bzw. mala in se zählen, dürfte dies auf der Hand liegen. Aber selbst bei diesen natürlichen Verbrechen gibt es Abgrenzungsprobleme, die sich nicht völlig vorpositiv, nur durch einen Hinweis auf den Rechtsbegriff und auf die vorstaatliche 1109

Siehe oben D. II. 2. (S. 338 ff.). Diese Ausdrucksweise geht auf Küper, JZ 1976, S. 516 zurück (so Roxin, AT I4, § 16/46 Fn. 68). Natürlich könnte man noch sagen, hier gäbe es schon Güter, nur noch keine Rechtsgüter. Eine derartige Redeweise würde aber der Notwendigkeit, beim Notstand eine umfassende Interessensabwägung vorzunehmen, in der die konfligierenden Güter eine vorrangige Rolle spielen, nicht hinreichend Rechnung tragen. 1111 Letztlich sind beide Prämissen miteinander verbunden: ein Kant’scher Rechtsbegriff endet ohne Brüche in einer Lehre von subjektiven Rechten als Schutzgegenstände von Strafandrohungen. Angesichts dessen, dass man eine solche Lehre vertreten kann, ohne dem Kant’schen Rechtsbegriff beizupflichten, werden die Prämissen getrennt ausgearbeitet. 1110

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Verteilung von Freiheitssphären, regeln lassen. Man denke etwa an die Frage, ob zur Notwehr auch eine Verhältnismäßigkeit zwischen dem angerichteten und dem zugefügten Schaden zu verlangen sei, oder überhaupt an die Frage, ob sich vorsätzliche Tötungen durch Notwehr rechtfertigen lassen.1112 Angesichts dessen kann man nicht behaupten, das Eingreifen des Staates berühre und ändere die Freiheitssphären der Bürger nicht. Ein zweites Problem ist die Verkennung der spezifischen Eingriffsdimension eines Verbotes, das nicht nur ein Verhalten verbietet, sondern dies unter Androhung einer Strafe tut. Es macht durchaus einen Unterschied, ob man etwas nicht tun darf, weil es falsch ist bzw. weil es die Freiheitssphäre des Nachbars verletzt, oder weil daraus schlimme Folgen für den, der sich so verhält, erwachsen. Nur im ersten Fall, wo das Verbot nur moralbezogene Gründe zum Handeln angibt und sozusagen nur an das Gewissen der Verbotsadressaten appelliert, könnte eine so einfache Überlegung wie diejenige Feuerbachs eine – wenn auch nur begrenzte – Überzeugungskraft erlangen. Die Belegung der verbotenen Handlungsweise mit Nachteilen, die klugheitsbezogene Gründe zur Befolgung des Verbotes anbieten wollen, geht aber darüber weit hinaus und bedarf einer dementsprechend weiterreichenden Rechtfertigung. (b) Ein weiteres Problem, das mit dem gerade angesprochenen eng verwandt ist, ist folgendes: Weil der Blick auf Handlungen von gleichrangigen Privaten gerichtet ist, kommt der Handlung des Staates, die eine schon davor verbotene Handlung mit einer Strafe belegt, aus dieser Perspektive keine Relevanz zu. Es verhält sich diesbezüglich ähnlich wie bei der bereits kurz kritisierten Lehre vom Anerkennungsverhältnis. Diese Blickverengung erscheint also zunächst aus denselben Gründen kritikabel, wie diese Lehre es war: Man verkennt nämlich, dass der machtbesitzende und sich Legitimität zusprechende Staat unter strengeren Rechtfertigungsanforderungen steht als der Bürger, der machtlos ist und auch nicht behauptet, im Namen anderer zu sprechen. Zusätzlich ist zu beachten, dass der Schluss vom Verbot, dass A dem B etwas antut, zur Befugnis des C, in das Geschehen einzugreifen, um A auf seine Freiheitsbeschränkungen zu verweisen, nicht begründet ist. Die Tatsache, dass ein Mensch nicht das Recht hat, einem anderen etwas anzutun, verleiht einem Dritten noch nicht automatisch das Recht zu intervenieren. Dieses Eingriffsrecht des Dritten bedarf einer gesonderten Begründung. Beispielhaft: Weiß der Arbeitgeber C, dass sein Arbeiter A ein untreuer Ehemann ist, darf er noch lange nicht zugunsten der Ehefrau B eingreifen und A mit der Entlassung drohen, falls er seine Lebensweise nicht ändere. Als Arbeitgeber hat er noch kein Recht, sich um dieses fremde Rechtsverhältnis zu kümmern, selbst wenn seine Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen wäre, um das Recht der schwächeren Frau zu schützen. 1112

Zu diesen beiden Fragen umfassend Roxin, AT I4, § 15/83 ff.

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(3) Ein dritter Ausweg wäre, das Argument auf einen Freiheitsbegriff zu stützen, der sich auf den homo noumenon bezieht. Dem heutigen Vorverständnis nach erscheint die Behauptung, dass ein gesetzliches Verbot keine Freiheit einschränke, einigermaßen befremdlich. Das ist aber nur der Fall, weil man implizit von einem empirischen, psychologisierenden Freiheitsbegriff ausgeht, wonach Freiheit darin besteht, alles tun zu können, was man zu tun begehrt. Die Freiheit des homo noumenon ist demgegenüber anders: Sie bezieht sich nicht auf einen empirischen, psychologisierend verstandenen Willen, sondern auf den apriorischen vernünftigen Willen. Freiheit bedeutet nach einem solchen Verständnis die Möglichkeit, alles zu tun, was ein vernünftiger Mensch tun will. Nach einer solchen Klarstellung erscheint das Argument tatsächlich schlüssig: ein vernünftiger Mensch will etwa nicht morden oder vergewaltigen. Also greift man durch das Verbot derartiger Handlungen in seine Freiheit überhaupt nicht ein. Dieser implizite Rückgriff auf den homo noumenon bleibt aber suspekt, und dies aus den Gründen, die oben [C. III. (S. 170 ff.)] bei der Untersuchung des Gehalts der Selbstzweckformel dargelegt wurden, nämlich aufgrund ihrer Leere und ihrer Manipulierbarkeit. Der Begriff des homo noumenon erschien deshalb leer, weil er auf einen vernünftigen Willen hinweist, so dass Maßstäbe für diese Vernünftigkeit erforderlich erscheinen, bevor man weiß, was der homo noumenon denn alles will. Die Manipulierbarkeit des homo noumenon liegt deshalb auf der Hand. Ein advocatus diaboli könnte sogar behaupten, letztlich wolle der vernünftige Mensch nichts anderes, als alle Strafgesetze seines Staates zu befolgen. Daraus würde folgen, dass kein Strafgesetz in die Freiheit eingreifen könnte. cc) Der gravierendste Fehler des von Feuerbach vorgeschlagenen Rechtsgrunds der Strafandrohung ist aber, dass dieser kaum mehr als ein unerfülltes Versprechen zu sein scheint. Als Kantianer, der Legitimität nicht auf Nützlichkeit reduzieren wollte, musste Feuerbach neben den konsequentialistischen Zwecken der Strafandrohung zugleich einen deontologischen Rechtsgrund dafür angeben. Der Rechtsgrund, den er angab, ist aber einer, der gegenüber konsequentialistischen Zweckerwägungen kaum einen eigenständigen Gehalt aufzuweisen vermag.1113 Man fragt sich, ob ein Strafrecht, das nur Rechts- bzw. Rechtsgutsverletzungen und -gefährdungen verhindern will, ein Interesse daran haben kann, eine Handlung zu verbieten, die nicht in die Freiheit eines anderen eingreift. Wie bei jeder konsequentialistischen Erwägung spielt die Perspektive der anderen, also der Inhaber der zu schützenden Rechte oder Güter, die entscheidende Rolle, und die Perspektive des Täters kommt nur als Gegeninteresse in Betracht.

1113

Vgl. auch Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 109.

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dd) (1) Die Überlegungen Feuerbachs erscheinen deshalb aus mehreren Gründen unzulänglich. Trotzdem hat Feuerbach eines richtig gesehen, nämlich dass der Hinweis auf den Nutzen zur Rechtfertigung einer staatlichen Handlung, die schwere Folgen für die Bürger hat, nicht ausreicht. Es sind zudem absolute deontologische Schranken zu beachten, die sich jenseits eines jeden konsequentialistischen Kalküls stellen. Diese Einsicht Feuerbachs darf nicht verloren gehen. Wichtiger als seine unbefriedigende Antwort auf die Frage nach dem nicht-konsequentialistischen Rechtsgrund der Strafandrohung ist es, dass er dazu kam, die Frage überhaupt zu stellen. Eine befriedigende Antwort müsste alle oben ausgearbeiteten Probleme vermeiden: Erstens sollte sie nicht mit einer Gefährdungsdelikte anerkennenden Rechtsgutstheorie unverträglich sein, ferner dem konstitutiven und freiheitseingreifenden Charakter von positiven strafbewehrten Verboten Rechnung tragen und nicht zuletzt auch berücksichtigen, dass der Staat unter besonders strengen Legitimitätsanforderungen steht, denen er durch einen Hinweis auf das private Verhältnis zwischen den Bürgern nicht genügen kann. Am wichtigsten aber ist, dass sie einen gegenüber konsequentialistischen Zwecküberlegungen eigenständigen Gehalt aufweisen sollte. (2) Aufgabe der Lehre vom Rechtsgrund der Strafandrohung ist es deshalb, den oben ausgearbeiteten deontologischen Schranken staatlichen Handelns bei der Rechtfertigung von Strafandrohungen ein Stimmrecht zu verschaffen. Feuerbachs Antwort ist also nicht nur wegen der gerade dargelegten Gründe unzulänglich, sondern nicht zuletzt auch deswegen, weil sie davon ausgeht, ein einziger Gesichtspunkt könnte schon genügen. Denn letztlich muss die Vielzahl der Schranken, die für das Staatshandeln allgemein gelten, auch von der konkreteren staatlichen Handlung der Androhung einer Strafe eingehalten werden. Eine geschlossene Lehre vom Rechtsgrund bzw. von den deontologischen Schranken der Strafandrohung lässt sich kaum anbieten. Vielmehr ist immer ein offener Katalog von Schranken zu beachten, von denen man an dieser Stelle nur die wichtigsten erwähnen wird. Die Schranken, die auf der Strafandrohungsebene am wichtigsten erscheinen, sind die Schranke der Proportionalität und der Strafgesetzlichkeit. Weil man sich mit beiden schon vorher befasst hat, wird man sich jetzt eher einer dritten Gruppe von Schranken zuwenden, die insbesondere bei Vorverlagerungen relevant werden: etwa der Schranke der Beachtung des Kerns der Privatsphäre der Bürger.1114 Erschöpft sich ein Verhalten in einem Kontakt, der im engsten Kreis der Familie und nächster Freunde stattfindet, dann ist selbst die angebliche Gefährlichkeit des Verhaltens für ein bestimmtes Gut noch kein hinreichender Grund, das Verhalten unter ein strafbewehrtes Verbot zu stellen. Deshalb genügt 1114

Hierzu grundlegend, aber trotzdem zu weitgehend Jakobs, wie Teil D., Fn. 948.

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für die Strafbarkeit einer versuchten Anstiftung oder einer Verbrechensverabredung nach § 30 I StGB noch nicht, dass drei enge Freunde beim Biertrinken vor dem Fernseher zusammen beschließen, ein Ausländerwohnheim in Brand zu setzen, selbst wenn aus diesem Beschluss durchaus eine erhöhte Gefährlichkeit für das Gut ausgeht, als vom internen Beschluss eines Einzeltäters.1115 Geht es aber nicht um enge Freunde, sondern nur um bloße Bekannte, dann erscheint die höchstpersönliche Sphäre des Täters nicht mehr tangiert, so dass sich erst hier ein Verbot auch deontologisch rechtfertigen ließe. Die zuzugebenden Schwierigkeiten, den genauen Gehalt dieses abwägungsfesten Kerns der Privatsphäre auszuarbeiten, sind noch kein Grund, auf ihn zu verzichten. Auch anderswo ist die Relevanz der Überlegung ja schließlich eingesehen worden, nämlich bei den Beleidigungen im engsten Familienkreis, die nach allgemeiner Überzeugung straflos sind.1116 Ein derartiges Verständnis vom Rechtsgrund der Strafandrohung vermeidet alle Probleme, die bei den Erwägungen Feuerbachs festzustellen sind. Es setzt weder eine Lehre vom Schutz subjektiver Rechte voraus, noch eine Lehre, die nur das Verletzungsdelikt als legitimierbare Deliktsstruktur kennt. Es nimmt ferner die Tatsache, dass strafbewehrte Verbote ein Eingriff in die Freiheitsphäre der Bürger sind, ernst, und noch mehr die Tatsache, dass es um einen staatlichen Eingriff geht. Und es weist durch den Rückgriff auf die allgemeineren staatstheoretischen Überlegungen zu den Schranken des Staatshandels einen eigenständigen deontologischen Gehalt auf, der sich nicht in Konsequentialismus auflösen lässt. ee) Auf kriminalpolitischer Ebene ergibt sich daraus die Aufforderung an den Gesetzgeber, sich bei einer Kriminalisierung nicht nur im Rahmen konsequentialistischer Erwägungen der Nützlichkeit zum Schutze eines bestimmten Rechtsguts zu bewegen, sondern dabei auch und insbesondere daran zu denken, ob nicht eine Schranke überschritten wird. Insbesondere reichen konsequentialistische Erwägungen der ultima ratio, des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der praktischen Konkordanz nicht aus, um darzulegen, dass eine Strafandrohung legitim ist. Auf dogmatischer Ebene erweist sich die von Roxin1117 begründete Lehre von der objektiven Zurechnung als das für die Berücksichtigung deontologischer Schranken taugliche Institut. Es reicht nicht aus, dass die Handlung eine Gefahr schafft, damit sie verboten werden kann: die von ihr geschaffene Gefahr muss

1115

So der ähnliche Sachverhalt in BGHSt 44, 99. Nachw. zu dieser auch von der Verfassungsrechtsprechung anerkannten Ansicht oben Teil D., Fn. 656. 1117 Grundl. Roxin, Zurechnung, S. 123 ff.; zum heutigen Stand seiner Lehre Roxin, AT I4, § 11/44 ff. 1116

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außerdem noch rechtlich missbilligt sein.1118 In aller Regel hat man sich bei dieser rechtlichen Missbilligung mit einem Hinweis auf eine (konsequentialistische) Abwägung zwischen Rechtsgüterschutzinteresse und allgemeinen Freiheitsinteressen begnügt.1119 Das ist nicht falsch, aber unzureichend: Eine Gefahr kann nur rechtlich missbilligt sein, wenn man zusätzlich zu einer gegen die Handlungsfreiheit sprechenden Interessenabwägung noch darlegen kann, dass das Verbot nicht in den unabwägbaren Kern der Privatsphäre der Bürger eingreift. Sonst bestünde die Freiheit eines Bürgers nur solange, wie die anderen kein hinreichend starkes Interesse daran haben, dass er seine Freiheit nicht mehr ausübt.1120 Ein Beispiel für die dogmatische Anwendung dieser Erwägungen liefert die schon erwähnte Beleidigung im engsten Familienkreis: Obwohl man darüber diskutiert, ob man es hier mit einem Tatbestandsausschluss oder mit einer Rechtfertigung zu tun hat,1121 bestätigen die hiesigen Überlegungen die Ansicht, wonach es um eine Tatbestandsfrage geht, nämlich um die Frage nach der Konturierung des objektiven Handlungsunwerts durch die von der objektiven Zurechnung verlangte unerlaubte Gefahrschaffung. ff) Als Ergebnis ist deshalb zu sagen, dass Feuerbachs Antwort auf die Frage nach dem Rechtsgrund der Strafzufügung aus mehreren Gründen unbefriedigend ist. Feuerbachs Verdienst ist hier vielmehr, die Frage überhaupt gestellt zu haben und die Strafandrohung erst dann für legitim zu erklären, wenn sie zusätzlich zur Erreichung oder Förderung konsequentialistisch verstandener Zwecke erster und zweiter Ordnung auch deontologische Schranken beachtet. Diese Schranken sind auf der Verbotsebene vor allem die Gesetzlichkeit, die Proportionalität und die Achtung des Kerns der Privatsphäre der Bürger. 6. Rechtsgrund der Strafzufügung: Einwilligung des Verbrechers in die Strafe? a) Feuerbachs Theorie zum Rechtsgrund der Strafzufügung kennen wir schon aus Teil B dieser Abhandlung. Kern dieser Theorie ist der Gedanke, dass der Bürger, der eine Tat begeht, gegen deren Vornahme ein Gesetz eine Strafe androht, nicht nur die Tat, sondern auch die Strafe will – weshalb Feuerbach zunächst sagte, dass der Verbrecher in die Strafzufügung einwillige.1122 Um ein Siehe Roxin, AT I4, § 11/65 ff.; Greco, Imputação, S. 37 ff. m. w. Nachw. Z. B. Frisch, Vorsatz, S. 139; Kuhlen, Produkthaftung, S. 94; Luzón, Curso, S. 504, 643; Roxin, Finalität, S. 245; ders., AT I4, § 11/66; Schünemann, JA 1975, S. 575; Rudolphi, SK6 vor § 1/62; Wolter, GA 1977, S. 265. Nachw. zur älteren Lehre bei Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 298 ff. 1120 Diese Gedanken habe ich versucht, andernorts näher auszuarbeiten: Greco, Imputação, S. 38 ff. Wichtige Vorgänger waren Wolter, GA 1991, S. 550; ders., GA 1996, S. 209 f.; Köhler, AT S. 185 ff.; Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 52 ff., 83 ff. 1121 Für Tatbestandsausschluss etwa Wasmuth, NStZ 1995, S. 101; Wolff-Reske, Jura 1996, S. 186 f.; für Rechtfertigung Otto, BT7, § 32/52. 1118 1119

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Zitat zu wiederholen, das wir schon im rechtsgeschichtlichen Teil anführten: Der Staat dürfe die Strafe vollziehen, „aus eben dem Grunde . . . aus welchem ich das Recht habe, die Erfüllung eines eingegangenen gültigen Vertrags zu fordern“.1123 Feuerbachs Gedanken blieben nicht ohne Widerspruch.1124 Man bestritt vor allem, dass der Verbrecher tatsächlich in seine Bestrafung einwillige, und erklärte das Gerede von einer Einwilligung zu einer bloßen Fiktion. Das veranlasste Feuerbach zunächst zu einer Abschwächung bzw. Präzisierung des Einwilligungsbegriffs, der nicht psychologisch im Sinne eines Billigens oder Gutheißens, sondern normativ im Sinne einer durch die Kenntnis der Strafandrohung bedingten rechtlich notwendigen Einwilligung in die Strafzufügung zu verstehen sei.1125 Schon in der ersten Auflage seines Lehrbuchs war aber von einer Einwilligung nicht mehr die Rede. Rechtsgrund der Zufügung einer Strafe sei bloß die Tatsache ihrer vorherigen Androhung durch ein Gesetz.1126 Feuerbachs Einwilligungslehre ist eine Theorie darüber, was man heute den materiellen Schuldbegriff nennt.1127 Denn Aufgabe der Einwilligungstheorie ist die Rechtfertigung der Strafe dem Bestraften, und nicht mehr der Gesellschaft, gegenüber. Der Bestrafte hat nicht nur den Anspruch darauf zu erfahren, warum er bestraft wird, sondern auch, warum gerade er bestraft wird. Die übliche Antwort darauf lautet: weil Du das Merkmal X aufgewiesen und Dich deshalb vorwerfbar verhalten hast. Feuerbach benutzt den Ausdruck „Schuld“ zwar nicht, nicht nur, weil er noch nicht gebräuchlich war,1128 sondern wegen seines mora1122

Feuerbach, Revision I, S. 53 ff.; ders., Hochverrath, S. 33. Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 293. 1124 Insb. Klein, Anti-Hobbes, S. 168 f.; dann ders., ArchCrimR Bd. I St. II (1798), S. 105; ders., ArchCrimR Bd. II St. I (1799), S. 122; Grolman, Begründung, S. 13 ff.; ders., BpRW Teil I St. III (1799), S. 215 f. Zu Kleins Kritik auch Mumme, Klein’s Auffassung, S. 41, zu Grolmans Kritik Cattaneo, Grolmans Humanismus, S. 74 ff. Die Einwilligungslehre ebenfalls ablehnend Oersted, Grundregeln, S. 141; Bauer, Warnungstheorie, S. 83; Hepp, Darstellung II/12, S. 225 f., 263; Joaquim Camargo, Direito Penal, S. 183; heute Jakobs, Staatliche Strafe, S. 22; Naucke, Funktionstüchtigkeit, S. 119. 1125 Feuerbach, Über Strafe als Sicherungsmittel, S. 95, S. 97 ff.: „rechtlich nothwendige Einwilligung“ (S. 95). Eigentlich taucht diese eher normativierende Formulierung schon 1797, also vor der Revision, zum ersten Mal auf (ders., BpRW Teil I St. II [1798], S. 23), trotzdem wird die Entpsychologisierung der Einwilligung erst in der zuerst zitierten Stelle in der Polemik gegen Grolman klar. 1126 Feuerbach, Lehrbuch14, § 17 (schon die erste Aufl. 1801, § 21); ferner Döring, Feuerbachs Straftheorie, S. 26 ff. 1127 Zu diesem Begriff etwa Roxin, AT I4, § 19/19. Um Achenbachs, Schuldlehre, S. 2 ff. berühmte Unterscheidung zu Grunde zu legen, geht es bei der Einwilligungstheorie um die Schuldidee, also weder um die Strafbegründungs-, noch um die Strafzumessungsschuld. 1128 Denn er wurde gelegentlich benutzt, etwa Almendingen, Imputation, S. 52; Thibaut, Beyträge, S. 41, 58 (übersehen von Zackzyk, ARSP-Beiheft 74 [2000], S. 103). 1123

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lisierenden Tons: „Bei der bürgerlichen Strafbarkeit . . . (ist) von der moralischen Schuld oder dem moralischen Verdienst nicht die Rede“.1129 Das darf uns aber nicht daran hindern, hier Parallelen zu ziehen und damit klar zu kennzeichen, mit welchen Konkurrenten die Einwilligungstheorie Feuerbachs würde kämpfen müssen, wenn sie sich nach zweihundert Jahren dazu entschlösse, einen Platz an der Sonne zu verlangen. b) aa) Eine Arbeit, die sich um das Lebendige in Feuerbachs Straftheorie kümmern will, kann wahrscheinlich mit der Einwilligungstheorie wenig anfangen. Kaum eine andere Lehre Feuerbachs erscheint so kontraintuitiv und widersinnig wie seine Einwilligungstheorie. Das spiegelt sich auch in ihrer dogmengeschichtlichen Entwicklung wieder: Trotz gewichtiger Vorgänger1130 hatte sie kaum Nachfolger,1131 und selbst Feuerbach verließ sehr früh das sinkende Schiff. Alles spricht zunächst dafür, dass man die Einwilligungstheorie zu einem strafrechtsgeschichtlichen Kuriosum erklärt und sich wichtigeren Gedanken Feuerbachs zuwendet. Dieser voreilige Schluss wird hier indes nicht gezogen. Im Gegenteil: hinter Feuerbachs Einwilligungslehre steht der ernsthafte Versuch, etwas zu erfassen, das zum hier herausgearbeiteten Kern seiner liberalen Theorie gehört. Es gilt jetzt, das versäumte und nicht deutlich genug von ihm herausgestellte Ziel seiner Bemühungen explizit zu machen und anschließend über einen Kandidaten nachzudenken, der zum einen dieses Ziel erreichen und zum anderen die Schwierigkeiten der Einwilligungslehre vermeiden kann.

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Feuerbach, Revision I, S. XXII. Grotius, De iure, Liber II, Caput XX, § II 2. Ein Vorgänger war zunächst auch Klein, Grundsätze, § 13 (der sofort zum Kritiker der Lehre wurde, s. oben Teil D., Fn. 1124). 1131 Immerhin ähnlich Stelzer, Lehrbuch, S. 68 und Bergk, ArchCrimR Bd. II St. III (1800), S. 146, 149. Knappes zur Position dieser Autoren auch oben B. I. 1. Fn. 86. Einige Generationen später vertrat aber Hegel, Grundlinien, § 100 Zusatz, eine ähnliche Theorie, die aber unter seinen strafrechtlichen Anhängern nur geteilte Zustimmung fand (dafür Köstlin, Neue Revision, S. 777; dagegen Abegg, Lehrbuch, S. 72 f.) und ähnliche Einwände auf sich zog, wie früher Feuerbach (Hepp, Darstellung I2, S. 183 [„fingierter Wille, fingierte Einwilligung“]; heute Maultzsch, Jura 2001, S. 88). Vgl. zur Wendung der Strafe als Recht des Verbrechers Lesch, Verbrechensbegriff, S. 84 ff.; Ramb, Strafbegründung, S. 43 ff.; Seelmann, ARSP 79 (1993), S. 229, der hier eine Weiterentwicklung der Einwilligungslehre sieht. Eine gewisse Neubelebung finden Einwilligungsmodelle bei gegenwärtigen angelsächsischen Autoren: H. Morris, Monist 52 (1968), S. 479; und vor allem Nino, Philosophy & Public Affairs 12 (1983), S. 297 ff.; ders., Philosophy & Public Affairs 15 (1986), S. 183 ff.; in Deutschland Hossenfelder, Liberalismus als Naturrecht, S. 143 ff.; Koriath, Positive Generalprävention, S. 67. Anders, aber auch ähnlich J. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), S. 224, 228; Schmidtchen, Prävention und Menschenwürde, S. 247, 260, 271 f. mit Fn. 81 (wichtiger Unterschied: die Einwilligung wird im Urzustand, also vom rationalen Ich geleistet, und nicht durch die Tat); dazu krit. Alan Goldman, Philosophy & Public Affairs 9 (1979), S. 43. 1130

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bb) Was Feuerbach mit der Einwilligungstheorie versuchen wollte, wird klarer, wenn man sich eine Situation wie die folgende vor Augen führt: A zweifelt, ob das Verhalten, das er auszuführen vorhat, bedenkliche Rechtsfolgen für ihn haben kann oder nicht. Er holt Auskunft bei einem Rechtsanwalt ein, dessen Antwort sich einigermaßen überraschend anhört: Strafbar mache sich A durch das Verhalten zwar nicht, doch begehe er zweifellos eine Ordnungswidrigkeit. A denkt, wahrscheinlich werde er sowieso nicht entdeckt, und wenn er Pech habe, könne er mit den Rechtsfolgen der Begehung einer Ordnungswidrigkeit schon leben. Er begeht die fragwürdige Tat, die eigentlich aber doch eine strafbare war.1132 Auf die Frage nach der Strafbarkeit des A hält die herrschende Meinung eine bejahende Antwort parat. Man fragt nicht, ob A’s Irrtum vermeidbar war, denn dieser Irrtum wird als irrelevanter Strafbarkeitsirrtum eingestuft.1133 Gegenstand des Unrechtsbewusstseins sei nicht die Strafbarkeit, sondern das Unrecht, also die Tatsache, dass die Handlung gegen die Rechtsordnung als Ganze verstößt. Darüber irrte A nicht, denn es war ihm vollkommen klar, eine Ordnungswidrigkeit zu begehen. Man muss sehen, was diese Antwort für Implikationen hat. Sie bedeutet, dass man jemanden bestraft, auch dann, wenn diese Person nicht wissen konnte, dass sie sich strafbar macht. Es reicht aus, wenn sie wissen konnte, dass sie Unrecht begeht. Das bedeutet, Furcht vor Strafe bzw. Klugheit reicht dem Staat als Motiv bzw. als Grund der Rechtsbefolgung nicht aus. Eine Strafe wird zugefügt, obwohl man ihr hätte entkommen können, wenn man die Gelegenheit bekommen hätte, vor ihr überhaupt Furcht zu haben. Der Staat verlangt also von den Bürgern, dass sie dem Recht folgen, weil dies richtig ist. Und falls der Bürger diesen Ansprüchen nicht genügt, dann darf er, der Staat, gegen diesen Bürger auch seine schärfste Waffe einsetzen, selbst wenn der Bürger dies nicht hat vorhersehen und deshalb in diesem Sinn vermeiden können. Das erscheint aus zwei Gründen als ein Problem. Erstens ist das, wie oben schon dargelegt wurde [3. f) (S. 398 ff.)], ein unzulässiger Individualmoralismus. Der Bürger hat das Recht zu bestimmen, welche Gründe er zu seinen Motiven macht. Ein Staat, der sich darüber hinwegsetzt, setzt sich gleichzeitig über die Autonomie des Bürgers hinweg. Gerade dieser Gedanke, dass der Bürger das Recht hat, kein tugendhafter Mensch, sondern nur ein Egoist zu sein,1134 dass er ein distanziertes Verhältnis zur Rechtsordnung pflegen darf, kommt in der herrschenden Lehre vom Verbotsirrtum zu kurz. Der Bürger hat das Recht, Stra-

1132 Ein ähnlicher wirklicher Fall aus der italienischen Rspr. wird von Felip i Saborit, Error Iuris, S. 124 besprochen. 1133 BGHSt 11, 263 (266); Tröndle/Fischer, StGB54, § 17/3, mit w. Nachw. 1134 Siehe oben C. II. (S. 124 ff.).

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fen bloß aus dem Grund vermeiden zu wollen, weil er sie als Übel vermeiden will. Zweitens kann man sich nicht dem Eindruck entziehen, dass es an einer hinreichenden Rechtfertigung der Strafe dem Bestraften gegenüber noch fehlt. Dies ist erst recht der Fall, wenn man unter einer solchen Rechtfertigung mit Schünemann versteht, „dass dem Betroffenen nur das widerfährt, was er voraussehen und vermeiden konnte, also sich selbst zuzuschreiben hat“.1135 Denn die Strafe trifft ihn aus seiner Sicht wie ein zufälliger Schicksalsschlag. Im Fall des A ist der Umstand, dass er wusste, eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, allein für seine Verantwortung als ordnungswidrig Handelnder relevant. Daran, dass er von der Strafbarkeit weder wusste, noch davon wissen konnte, ändert diese Tatsache nichts. Die Legitimierung der Bestrafung dem Bestraften gegenüber wird schon dadurch als geleistet angesehen, dass er sich außerhalb der Grenzen des Rechts gestellt hat. Derjenige, der die Norm missachtet, gilt nicht mehr als gekränkt, wenn ihm etwas Unangenehmes passiert – selbst dann nicht, wenn er dieses Unangenehme nicht vorhersehen und also insoweit nicht vermeiden konnte. Diese Probleme sind den Kritikern des herrschenden Standpunkts, die den Verbotsirrtum nicht auf das allgemeine Unrecht der Tat, sondern auf deren Strafbarkeit beziehen, nicht völlig entgangen.1136 Nur hat man die Schlüssigkeit des herrschenden Konzepts unterschätzt. Man glaubte, es mit einem sektoriellen Problem der Lehre vom Verbotsirrtum zu tun zu haben, obwohl es eigentlich um eine zwingende Konsequenz des herrschenden Schuldbegriffs geht, der sich in allen seinen heutzutage vertretenen Formen höchstens auf das Unrecht, nicht aber auf die Strafbarkeit der Tat bezieht. Schuld ist Vorwerfbarkeit, heißt es seit Frank,1137 und der Vorwerfbarkeit setzt sich der Täter – wenn man nur formal bleibt und noch von den einzelnen materiellen Schuldbegriffen abstrahiert1138 – schon dann aus, wenn ihm der Normappell nicht zum Motiv wird. Feuerbachs Einwilligungstheorie verkörpert die Bemühung, dieser individualmoralistischen Versuchung, welche die Freiheit des Bürgers allein mittels einer deontologischen Erwägung einschränkt,1139 nicht zu erliegen. Der Bürger müsse in die Strafe eingewilligt haben, damit sie ihm gegenüber gerechtfertigt ist. Er darf also weiterhin ein Egoist sein. Nur darf er nicht wollen, den vorhersehbaren Folgen seiner eigenen früheren Entschlüsse zu entkommen. Für das eigene unkluge Verhalten trifft einen aber selbst die Schuld. Ziel von Feuerbachs Einwilligungslehre ist mit anderen Worten der Verzicht auf eine Bewertung der Mora1135 1136 1137 1138 1139

Schünemann, Entwicklung der Schuldlehre, S. 155. Nachw. unten Teil D., Fn. 1214. Frank, Schuldbegriff, S. 11. Dazu im einzelnen unten S. 495 ff. Dazu oben C. II. (S. 124 ff.).

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lität der Bürger, das alleinige Abstellen auf Ansprüche individueller Klugheit. Der Staat der Einwilligungslehre beschränkt sich darauf, klugheitsbezogene Gründe für rechtskonformes Verhalten mittels Strafe durchzusetzen. Derjenige, der sich strafbar macht, muss die Strafe in einem gewissen Sinne doch gewollt haben, und das ist der Grund, weshalb er sich nicht beschweren darf. Er hätte in erster Linie nicht die Tat, sondern die Strafe vermeiden können. Für seine Bestrafung ist er in einem gewissen Sinne selbst verantwortlich – selber schuld. Nun sieht man, an welcher Stelle die Einwilligungslehre zu kurz greift. Wenn man den Einwilligungsbegriff streng psychologisch versteht und nicht normativ verflüchtigt, wie es Feuerbach ursprünglich vertrat und wie ihn auch seine Kritiker verstanden, dann enthält die Einwilligungslehre die Annahme, dass man nur die vorgesehenen, aber nicht schon die vorhersehbaren Folgen seiner Entschlüsse tragen muss. Das ist aber eine nicht zu rechtfertigende Verkürzung des Geltungsbereichs der Klugheit. Unklug kann man auch sein, wenn man etwas Schlechtes nicht vorhersieht, das man hätte vorhersehen können. Man denke an den, der sich erkältet, weil er von der Gewittervorhersage als einziger nichts mitbekam, oder an den, der den Termin seines Vorstellungsgesprächs vergessen hat und deshalb die Stelle nicht bekommt. Selber schuld, denkt man – nicht als moralischer Vorwurf, sondern als Feststellung mangelnder Klugheit. cc) Erst ein Verständnis von Schuld, das nicht mehr dem Täter vorwirft, sich vom Falschen bestimmt haben zu lassen, liefert das liberale Pendant zu einer Strafandrohungstheorie, die nicht von den Bürgern verlangt, dass sie sich von der Richtigkeit ihres Verhaltens bestimmen lassen. Moralbezogene Gründe sind nur vom Staate, nicht aber von den Bürgern zu beachten; nur das Verhalten des Staates, nicht aber das der Bürger ist rechtlich daran zu messen, inwieweit es moralbezogene Gründe beachtet. Das ist die liberale Weisheit hinter Feuerbachs Strafandrohungstheorie, die auch auf der Ebene der Strafzufügung nicht verloren gehen sollte. Beide Formulierungen, die Feuerbach für den Rechtsgrund der Strafzufügung anbietet, sind dieser liberalen Grundüberzeugung verpflichtet. Die Einwilligung in die Bestrafung macht ebenso wenig wie der Hinweis auf die vorherige Androhung der Strafe durch ein Gesetz dem Täter zum Vorwurf, dass er sich nicht vom Gebot des Rechts hat motivieren lassen. Vielmehr begnügen sich beide Theorien mit der Feststellung, dass der Täter wusste oder wissen konnte, welche unerwünschten Folgen sein Verhalten für ihn herbeiführen würde. Jetzt ist es Sache des Täters, sich mit dem abzufinden, was ihm zukommt. Unsere Aufgabe ist es nun, für diesen richtigen Kerngedanken die passende Form zu finden. Denn die beiden Versuche Feuerbachs kann man nicht für geglückt halten: Nicht nur treffen sie nicht das Wesentliche, ihre Formulierung führt vielmehr in die Irre. Die Rede von einer Einwilligung ist aus mehreren Gründen nicht zu empfehlen, von denen nur einige bisher erwähnt worden sind.

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Erstens ist es schwer, der psychologisierenden Konnotation des Ausdrucks zu entkommen. Eine eigentliche Einwilligung in die Bestrafung liegt außer im Falle Raskolnikows nicht vor, und eine „rechtlich nothwendige“ Einwilligung ist als solche keine mehr. Dies wird zweitens durch die kanonische Benutzung dieses Wortes in der Strafrechtsdogmatik belegt: Dort wird nach herrschender Meinung dann von einer Einwilligung gesprochen, wenn sowohl die in die Rechtsgüter des Einwilligenden eingreifende Handlung als auch der Erfolg dieser Handlung gewollt sind.1140 Drittens erweckt die Rede von einer Einwilligung den Eindruck, als ob der Gesetzgeber dem Bürger die Wahl überlassen würde, eine Straftat zu begehen oder nicht.1141 Viertens führt die Fixierung der Einwilligung auf den Willen zu dogmatischen Ungereimtheiten, wenn es darum geht, den Gehalt der Fahrlässigkeit, insbesondere der unbewussten Fahrlässigkeit, auszuarbeiten. Wie gesehen hat die Jagd nach dem Vorsatz in der Fahrlässigkeit Feuerbach und seinen Anhänger Almendingen lange beschäftigt.1142 Auch die Wendung von der vorherigen Androhung durch ein Gesetz erscheint unbefriedigend. Sie führt nicht so in die Irre wie die Einwilligungslehre. Ihr fehlt aber dasjenige, was eine Schuldlehre kennzeichnen soll: der Bezug zum Täter. In der Schuldlehre geht es um die Rechtfertigung der Strafe dem Täter gegenüber. Die vorherige Androhung einer Strafe durch ein Gesetz ist demgegenüber eine Handlung des Staates, und sonst nichts. Was dabei nicht erwähnt wird, ist der Beitrag des Täters zur Konstituierung seiner Schuld. Den Schlüssel zur Formulierung eines Schuldbegriffs in der liberalen Tradition Feuerbachs liefert die Unterscheidung zwischen klugheitsbezogenen und moralbezogenen Gründen zur Beachtung einer Norm. Der Fehler der herrschenden Ansicht ist, dass sie den Täter deshalb für strafbar erklärt, weil er den Normbefehl missachtet. Allein die Tatsache, dass ein bestimmtes Verhalten unrichtig war, sollte schon Grund genug sein, es nicht vorzunehmen. Dagegen verzichtet eine liberale Theorie darauf, dem Staat eine derartige moralische Autorität zuzusprechen, und erkennt ihm nur die Befugnis zu, dem Bürger klugheitsbezogene Gründe zur Beachtung des Rechts vorzulegen. Hat sich der Bürger trotz staatlicher Bekanntmachung dieser Gründe durch eine gesetzliche Strafandrohung für die Missachtung der Norm entschlossen, dann ist das einzige, was ihm der Staat vorhalten kann, dass er unklug war. Dies deutet schon auf die hier vorgeschlagene Formulierung hin: Strafrechtliche „Schuld“ ist strafbezogene Unklugheit. Klugheit wird hier im Hobbes’schen Sinn verstanden, als Inbegriff von Anforderungen, die man zur Förderung des eigenen Wohls befolgen soll.1143 Als klug 1140 1141 1142

Siehe statt aller Roxin, AT I4, § 13/78. So bereits Grolman, Begründung, S. 238 und Bauer, Warnungstheorie, S. 83. Siehe oben B. I. 2. c), S. 64 f.

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oder unklug werden hier in erster Linie Handlungen bewertet.1144 Klug ist die Handlung, die das eigene Wohl des Handelnden am Besten fördert bzw. die einer Regel entspricht, welche dieses Wohl am besten fördert.1145 Dieser Hobbes’sche Begriff ist moralisch neutral; sein philosophischer Gegensatz ist der Aristotelische Klugheitsbegriff, der Klugheit als eine Tugend, als phronesis versteht, die nicht mehr auf das Wohl des Handelnden bezogen wird, sondern auf das objektiv Gute.1146 Die hiesige Festlegung auf einen Hobbes’schen Begriff hängt damit zusammen, dass eine liberale Theorie dem Staat nicht erlaubt zu bestimmen, worin das Wohl des Bürgers bestehe. Diese Verantwortung wird jedem Bürger selbst überlassen. Der Bürger ist es, der für sich bestimmen darf, was er für sich als vorzugswürdig ansieht. Das Wohl des Handelnden bildet deshalb den Bezugspunkt der Klugheitsbewertung. Man könnte weiter fragen, worin dieses Wohl besteht. Mit der Antwort auf diese Frage muss man aber sehr vorsichtig sein. Der Begriff des Wohls muss notwendig formal bleiben, damit man keinem illiberalen Paternalismus Vorschub leistet, der sich über die Entscheidungen und Ansichten der Bürger bezüglich ihres eigenen Wohls hinwegsetzt. Eine Antwort, die informativ genug ist, um keinen Platz mehr für Fragen übrig zu lassen, ist deshalb notwendig eine schlechte Antwort. Trotzdem lässt sich innerhalb dieses engen Rahmens ein Begriff einführen, der weiter helfen kann. Dieser Begriff ist der des Lebensplans. 1143 Hobbes, Leviathan, Chap 3 (S. 22 f.); auch Kant, Grundlegung, BA 42: „Geschicklichkeit in der Wahl der Mittel zum eigenen Wohlsein“; Adam Smith, Theory of Moral Sentiments, Part VI, Sect. I (S. 310); Bentham, Introduction, Chap. 17, § i Nr. 6; dazu Reinhard Brandt, Klugheit bei Kant, S. 108. Im Sinne dieses Klugheitsbegriffs heute Bricker, Journal of Philosophy 77 (1980), S. 382 f.; T. Ebert, Phronêsis, S. 181 f.; Koller, Klugheit I, S. 271; ders., Klugheit II, S. 222. Hier ist von „Anforderungen“ die Rede, weil sich dieses Wort zweideutig sowohl direkt auf Akte als auch auf Regeln beziehen kann, so dass man offen lassen kann, ob die Struktur prudentieller Rationalität eine akt- oder regelkonsequentialistische sein wird. Zu Problemen des Regelkonsequentialismus oben Teil C., Fn. 87. 1144 Anders Bricker, Journal of Philosophy 77 (1980), S. 381: klug seien primär Personen, und nur sekundär einzelne Handlungen. 1145 Vgl. zu dieser Zweideutigkeit oben Teil D., Fn. 1143. 1146 Gleiche Entgegensetzung, wenn auch i. d. R. nicht mit der hiesigen Bezeichnung, schon bei Adam Smith, Theory of Moral Sentiments, Part VI Sect. I (S. 310 und 316: „superior prudence“); heute bei Kersting, Klugheit, S. 7 (Machiavelli an der Stelle von Hobbes); Koller, Klugheit I, S. 270; ders., Klugheit II, S. 222; Luckner, Moral und Technik, S. 237 ff.; Marten, Klugheit zum Guten, S. 155, 162 („kluge Klugheit“ vs. „instrumentelle Klugheit“); Mertens, Kluge Handlungen, S. 223 („Klugheit“ vs. „Gerissenheit“). Zum Aristotelischen Klugheitsbegriff eingehend T. Ebert, Phronêsis, S. 165 ff., zu dessen Geschichte Kersting, Staatsmann, S. 33 ff.; zu dessen Übernahme durch Thomas Kersting, Staatsmann, S. 36; C. Horn, Klugheit bei Thomas, S. 42 ff.; zur Geschichte des Hobbes’schen Begriffs Reinhard Brandt, Klugheit bei Kant, S. 102 ff. Im Sinne des Aristotelischen Begriffs vor allem MacIntyre, After Virtue, S. 154; ferner Oderberg, Moral Theory, S. 51; Marten, Klugheit zum Guten, S. 155 ff.; wohl auch Kersting, Klugheit, S. 10 f. und Luckner, Moral und Technik, S. 250, 251 ff.

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Unter einem Lebensplan wird hier der Inbegriff der Handlungen verstanden, die man vor hat, im Verlaufe seines ganzen Lebens zu begehen und die für das Gelingen dieses Lebens konstitutiv sind.1147 Bezugspunkt des Wohls eines Handelnden und deshalb der für ihn geltenden Klugheitsanforderungen ist ein so verstandener Lebensplan. Man beachte, dieser Begriff ist ebenfalls kein aristotelischer, tugendethisch aufgeladener Begriff, sondern auch er ist moralisch neutral. Es gibt moralisch höher- und tieferstehende Lebenspläne, Lebenspläne bleiben sie alle im genau gleichen Sinn. Der Begriff ist so formal, dass er nicht einmal voraussetzt, dass man sich tatsächlich Gedanken über die ferne Zukunft macht, dass man gar ein klares Bild eines zu erreichenden Zieles vor Augen hat, wie etwa der Maler, der bei jedem Pinselstrich seiner epischen Schlachtszene an seine Skizze im Kleinformat denkt. Konstitutiv für einen Lebensplan im hiesigen Sinn ist nur dreierlei: erstens das Bewusstsein, dass die eigene Identität zeitüberdauernd ist, mit anderen Worten, dass die Person, die heute handelt, identisch ist mit derjenigen, die morgen, in zehn Jahren oder bis zu ihrem Todestag handeln wird;1148, 1149 zweitens, das Bewusstsein, dass die jetzt zu begehende Handlung die Möglichkeit der Begehung künftiger Handlungen beeinflussen kann;1150 drittens das Bewusstsein, dass gewisse Handlungen für das Gelingen des eigenen Lebens zentral sind,1151 so dass etwa der Entschluss, morgen Pizza zu essen, kein Verhältnis zum Lebensplan aufweist, denn keiner betrachtet sein Leben als gelungen, weil er eine Pizza weniger oder mehr gegessen hat.

1147 Bereits Kant bezog die Klugheit auf das Lebensganze, wie Reinhard Brandt, Klugheit bei Kant, S. 108 f. m. Nachw. treffend hervorhebt; heute vor allem Nagel, Possibility of Altruism, S. 47 ff. und passim, mit seiner Theorie der Zeitunabhängigkeit von Gründen (dazu kritisch Kraut, Philosophical Review 81 [1972], S. 353 ff.). Hilfreich und weiterführend zu dem Begriff des Lebensplans Rawls, Theory of Justice, S. 358 ff.; auch Koller, Klugheit I, S. 279; Sturma, Klugheit der Person, S. 195 ff. Wie sich die hiesigen Überlegungen zu denjenigen dieser Autoren verhalten, wird hier offen gelassen. Krit. Larmore, Life Plan, S. 246 ff.; B. Williams, Persons, S. 12 f. 1148 Die Fähigkeit zur Gegenwartstranszendierung wurde auch von klassischen Vertretern des Hobbes’schen Klugheitsbegriffs als zentral herausgearbeitet, s. Adam Smith, Theory of Moral Sentiments, Part VI Sect. I (S. 314); dazu Chwaszcza, Tugend der Selbsterhaltung, S. 80; heute Koller, Klugheit I, S. 279, der genau wie hier das „Bewußtsein der eigenen zeitlichen Kontinuität“ zur Voraussetzung eines Lebensplans erklärt; Sturma, Klugheit der Person, S. 192 f.; T. Ebert, Phronêsis, S. 184, der hier den Unterschied von Klugheit und Gerissenheit sieht. 1149 Damit berührt man das umstrittene philosophische Problem der personalen Identität (dazu umfassend M. Nida-Rümelin, Blick von innen, passim). Hier wie sonst gilt unsere alltagsrealistische Metaphysik [siehe oben D. II. 3. d), (S. 367)], so dass man ungestört davon ausgehen kann, es bestehe zumindest vom Zeitpunkt der Geburt bis zu dem des Todes eine mit sich selbst identische Person. 1150 Zum Zukunfsbezug kluger Handlungen ausführlich Mertens, Kluge Handlungen, S. 216 ff. 1151 So auch Mertens, Kluge Handlungen, S. 222, der allerdings den Begriff des Gelingens gleich ethisch färbt (S. 223); ähnlich Koller, Klugheit I, S. 279 („kohärente Vorstellung vom eigenen Guten“).

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Mit anderen Worten: eine Garantie dafür, dass man seinen Lebensplan verwirklicht, indem man alles macht, was man vorhat, gibt es in einer Welt, die kein Paradies ist, nicht. Lebenspläne sind Projekte, die scheitern können. Sache der Klugheit ist es, die Anforderungen auszuformulieren, deren Befolgung die Wahrscheinlichkeit des Gelingens des eigenen Lebensplans erhöht. Wenn sie auch für den Erfolg des Lebensplans nicht bürgen kann, liefert die Klugheit dafür etwas Anderes, vielleicht mindestens genau so Wichtiges, eine Garantie. Folgt man nämlich den Anforderungen der Klugheit, dann hat man prinzipiell keinen Grund, sich im Fall des Scheiterns Vorwürfe zu machen.1152 So lässt sich eine Beziehung zwischen dem Begriff der Klugheit und dem der Verantwortung bewerkstelligen. Fehlschläge, die man nicht einmal durch Beachtung der bestehenden Klugheitsanforderungen hätte vermeiden können, fallen einem prinzipiell nicht zu Last. War dagegen der Fehlschlag durch kluges Verhalten vermeidbar, dann ist man prinzipiell für das Scheitern verantwortlich. Hier ist von „prinzipiell“ die Rede, da nicht behauptet wird, Missachtung der Klugheit sei eine notwendige oder hinreichende Bedingung der Verantwortung für sich ergebende, durch kluges Verhalten vermeidbare schlechte Folgen. Behauptet wird nur, dass ein Staat, der die Bürger nicht durch Zwang moralisieren will, darauf verzichten muss, ihre Verantwortung nach anderen Maßstäben festzulegen. Die hiesigen Klärungen versetzen uns trotz ihrer zugegebenen Vorläufigkeit und Präzisierungsbedürftigkeit schon in die Lage zu verstehen, inwiefern die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung unklug ist, und was strafrechtliche Schuld im nicht-moralistischen Sinn genauer bedeutet. Strafe ist ein sinnliches oder kommunikatives Übel. Als solches stellt Strafe eine Gefährdung für so gut wie jeden Lebensplan dar. Gleichgültig, was man in seinem Leben verwirklichen will, welche zentralen Handlungen man vor hat zu begehen – Strafe trägt dazu bei, dass dieses Vorhaben scheitert. Eine Strafe kann ein großes Hindernis sein, die zukünftigen Handlungen zu begehen, die man zu begehen vorhat. Es ist deshalb eine Anforderung der Klugheit, strafbedrohte Verhaltensweisen zu vermeiden, denn die Begehung derartiger Verhaltensweisen kann eine Strafe nach sich ziehen. Diese Strafe trifft morgen dieselbe Person, die heute die Straftat begangen hat; und das tut sie zum Teil als Folge einer Handlung, welche die Person selbst vorgenommen hat und für die sie deshalb verantwortlich ist. dd) Strafrechtliche Schuld bedeutet also strafbezogene Unklugheit: Es geht also nicht darum, dass der Täter sich zum Falschen entschlossen hat, sondern darum, dass er die voraussehbaren Folgen seiner Entschlüsse selber tragen muss. Der Schuld-„vorwurf“ ist nichts anderes als die Feststellung, der Täter hätte das, was ihm zukommt, bei gebührender Klugheit vermeiden können.

1152

Rawls, Theory of Justice, S. 371; dagegen Larmore, Life Plan, S. 267.

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b) Feuerbach bezog die Schuld auf die Strafe und verzichtete auf den Anspruch, an den Täter einen Vorwurf zu richten.1153 Heutzutage ist der Schuldvorwurf nahezu unangefochten, ebenso der damit verbundene Bezug der Schuld auf das Verbot. Wann die Richtungsänderung stattfand, ist eine eigenständige strafrechtsgeschichtliche Frage, die einer eigenständigen Untersuchung vorbehalten bleiben muss. Die Geschichte der Moralisierung des Schuldbegriffs in dem Sinne, dass er seinen Klugheitsbezug verliert und zu einem Vorwurf wird, ist noch nicht geschrieben worden und wird auch hier nicht zu schreiben sein.1154 Hier wird man sich vielmehr mit der Benennung einiger Meilensteine auf diesem Weg begnügen müssen. Schon beim zeitgenössischen, von Kant beeinflussten Vergeltungstheoretiker Stürzer wird – in einer verblüffenden Vorwegnahme Bindings – deutlich ausgesprochen, dass sich die Schuld des Täters nicht auf das Strafgesetz, das die Strafe bestimmt, sondern auf das Rechtsgesetz, das das Verbot bestimmt, zu beziehen habe.1155 Man sollte vielleicht betonen, dass v. Liszt – trotz seiner täterstrafrechtlich inspirierten Betonung des Gesinnungsmoments – die Zurechnungsfähigkeit als „normale Bestimmbarkeit durch Motive“ definierte, und diese Motive wohl als Furcht vor der Strafe, und nicht als Respekt vor der Norm verstand.1156 Vielleicht liefert die gedankliche Welt der Klassischen Schule, die vor allem unter dem Zeichen von Bindings Normentheorie stand, den Entstehungsrahmen, auf den der bis in unsere Zeiten überlieferte normative Schuldbegriff zurückführbar ist. Das obrigkeitsstaatliche Verständnis der Klassischen Schule ist uns schon hinreichend bekannt: Vor allem begriff man Vergeltung als Mittel der Wahrung der Staatsautorität und den Staat als eine „ethische Lebensmacht“,1157 so dass seine Festlegung, ein bestimmtes Verhalten dürfe nicht sein, jedem einzelnen Bürger schon einen mittels Strafe durchsetzbaren Grund gebe, das Verhalten zu unterlassen. Das Verhalten, das die Norm nicht einhält, obwohl dies dem Täter möglich ist, stelle die Autorität des Befehlenden in Frage und sei

1153 So auch der Einwilligungstheoretiker Nino, Philosophy & Public Affairs 12 (1983), S. 300. 1154 Weder Achenbach, Schuldlehre, S. 19 ff. noch Stübinger, Schuld, Strafrecht und Geschichte, S. 204 ff. nutzten die im Rahmen ihrer geschichtlichen Studien zur Entwicklung des Schuldbegriffs sich bietende Gelegenheit, dieses Problem zu klären. 1155 Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 101, 124; sehr ähnlich auch Thibaut, Beyträge, S. 52 f., 57. 1156 Betonung der Gesinnung bei v. Liszt, Zunkunft des Strafrechts, S. 16; ders., Deterministische Gegner, S. 56, 57; ders., Revision des Strafgesetzbuches, S. 377, 381, 383, 386 ff. Zum Begriff der Zurechnungsfähigkeit vgl. ders., Deterministische Gegner, S. 43, zum Klugheitsbezug der Zurechnungsfähigkeit S. 44 („Strafe“ biete „nur dem Geistesgesunden gegenüber Aussicht auf Erfolg“). Es kann sein, dass ich hier zu viel in Liszts Worte hinein lese. 1157 Beling, Vergeltungsidee, S. 51.

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deshalb vorwerfbar.1158 Deshalb beziehe sich die Schuld allein auf die Normwidrigkeit, und nicht auf die Strafbarkeit des Verhaltens.1159 Viel spricht für die Vermutung, dass die Normentheorie, welche die Norm als „reinen, unmotivierten, insbesondere nicht durch Strafandrohung motivierten Befehl“ 1160 begreift, hinter dem normativen Schuldbegriff steht. In der herrschenden Schuldlehre, vor allem wenn sie mit der weit verbreiteten Vereinigungstheorie der Zweckmäßigkeit durch Gerechtigkeit verbunden wird, erkennt man also das Walten der Staatsräson: Der Staat ist an das Richtige gebunden, weil es vorteilhaft ist, der Bürger dagegen, weil es richtig ist. Feuerbach wollte beide, Staat und Bürger, nur an das Vorteilhafte binden, den Klassikern entsprach diese Sichtweise nur teilweise, nämlich nur bzgl. des Staates. Dieser Ansicht bleiben wir bis heute verhaftet. Ein rechtsstaatliches Verständnis, das den Staat an deontologische Schranken bindet, jeden Individualmoralismus aber ablehnt, muss die klassische Auffassung auf den Kopf stellen. Das bedeutet ein partielles Zurück zu Feuerbach, wenn es um den Bürger geht. c) Der genaue Gehalt dieser Behauptungen soll jetzt im Vergleich mit den sonstigen in der Lehre vertretenen Schuldbegriffen verdeutlicht werden. Ziel ist es zu zeigen, inwiefern die Lehre von der Schuld als strafbezogene Unklugheit als liberale Theorie besser abschneidet als die Konkurrenz. Als Spielarten des sog. normativen Schuldbegriffs, wonach Schuld ein Vorwurf bzw. Vorwerfbarkeit sei, verstehen sie sich als Parteien im Streit um den Grund für diesen Vorwurf. Demgegenüber wird eine Lehre, die sich als Erbin der Einwilligungstheorie Feuerbachs betrachtet, entweder ganz auf den Vorwurf verzichten, oder ihn so verwässern, dass von ihm wenig mehr als das Wort übrig bleibt. Dazu kehren wir gleich zurück. aa) Das Spannungsverhältnis zu einem liberalen Verständnis, das dem Staat kein Recht zuspricht, seinen Bürgern durch Zwang moralbezogene Gründe zum rechtmäßigen Verhalten kundzugeben, ist schon in der altehrwürdigen Lehre von der Schuld als Anders-Handeln-Können zu sehen.1161 Nach dieser Lehre macht man sich eines Verbrechens schuldig, weil man bei zumutbarer persönlicher Anstrengung die Tat hätte vermeiden können. Warum ein Anders-Handeln-Können so etwas wie eine Schuld begründet, muss man präzisieren. Ich kann vielleicht vermeiden, am nächsten Sonntag ins Kino zu gehen, mache mich aber nicht schuldig, wenn ich doch hingehe. Das

1158

So sehr deutlich Beling, Vergeltungsidee, S. 53, 62 ff. Repräsentativ Traeger, Zeitliche Herrschaft, S. 355 ff. 1160 Binding, Handbuch, S. 164. 1161 Heute Bacigalupo, Principios5, S. 108; Cairoli Martinez, Culpabilidad, S. 426; Asada, Schuld, S. 522, 530; Gracia Martín, Fundamentos, S. 148 f., 151; Pinto de Albuquerque, Culpa, S. 86; ferner die Nachweise in den folgenden Fn. 1159

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„Anders“ bei der Lehre vom Anders-Handeln-Können ist gleichbedeutend mit „richtig“. Man handelt schuldhaft, weil man sich falsch verhalten hat, obwohl man hätte anders, nämlich richtig, handeln können. Mit anderen Worten: Die Tatsache, dass ein Verhalten falsch war, soll schon ein hinreichender Grund gewesen sein, es zu unterlassen, so dass der Staat sich darauf berufen darf, um Strafe zu verhängen. Selbst wenn man die Analyse differenzierter gestaltet, ändert sich an diesem Ergebnis nichts. Für unsere Zwecke kann man zwei Versionen der Theorie unterscheiden, je nachdem, ob die Moral oder das Recht dafür zuständig sind, die Richtigkeit und Falschheit eines Verhaltens zu bestimmen. Eine der prominentesten moralischen Theorien des Anders-Handeln-Könnens war diejenige von Arthur Kaufmann, der die Schuld als sittliche Schuld begriff, nämlich als „freie, selbstverantwortliche Entscheidung gegen eine erkannte sittliche Pflicht“1162 bzw. als „bewusste Willensentscheidung gegen das Veto, das sich in der Vorstellung von der sicheren oder möglichen Herbeiführung eines unerlaubten Erfolgs (im weitesten Sinne) ankündigt“.1163 Eine rechtliche Theorie, die allein auf die Übertretung eines rechtlichen Verbotes abstellt, wird u. a. von Schünemann vertreten.1164 Aber sogar die rechtliche Theorie des Anders-Handeln-Könnens geht davon aus, dass schon die Tatsache, dass etwas widerrechtlich ist, ein durch Strafe einklagbarer Grund ist, es nicht zu tun. Mit anderen Worten: Auch die rechtliche Theorie des Anders-Handeln-Könnens geht von einer moralbezogenen i. S. von nicht allein klugheitsbezogenen Theorie dessen aus, worin die Beachtung einer Rechtsvorschrift bestehe. bb) Die eben formulierten Einwände sind entsprechend auf die Theorie, die im Unrechthandeln trotz normativer Ansprechbarkeit den materiellen Gehalt der Schuld sieht, und die vor allem von Roxin vertreten wird, übertragbar.1165 Denn diese Lehre unterscheidet sich von der eben untersuchten vor allem durch ihr Dahinstellen der Frage nach der Willensfreiheit. Man erwartet aber eine Motivierung des Täters durch den Normbefehl, und nicht erst durch die Sanktionsandrohung, womit ihm kein Recht zugebilligt wird, sich allein deshalb rechtmäßig zu verhalten, um die strafrechtliche Sanktion zu vermeiden.

1162 Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip, S. 129; später anders, vgl. ders., Jura 1986, S. 229: „bewußte und gewollte Entscheidung zum Unrecht“. 1163 Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip, S. 153. Siehe ferner BGHSt 2, 194 (200); Welzel, Persönlichkeit und Schuld, S. 206, 208; ders., ZStW 67 (1955), S. 198 („Dabei ist der Inhalt des Schuldprinzips in Recht und Ethik grundsätzlich gleich“); Lange, SchwZStr 70 (1955), S. 394; Gracia Martin, Fundamentos, S. 155: „Was den Täter zum Verzicht auf die schädliche Handlung bewegen kann . . . ist vor allem das Begreifen ihres sozial-ethischen Sinngehaltes“; s. ferner S. 159, 160, 161 ff., 202, 212. 1164 Schünemann, Funktion des Schuldprinzips, S. 163 ff.; ferner Hirsch, ZStW 106 (1994), S. 751; Köhler, AT, S. 348 ff.; Torio Lopez, ADPCP 38 (1985), S. 290. 1165 Roxin, AT I4, § 19/36 ff.

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cc) Was die Liberalität anbelangt, geht es der Lehre von der Schuld als rechtswidriger Gesinnung um einiges schlimmer. Diese Lehre, die in Feuerbachs Gegnern Ernst-Ferdinand Klein und Grolman vergessene Vorgänger hatte,1166 wurde insbesondere in der Modernen Schule zur eigenständigen Theorie des materiellen Schuldbegriffs entwickelt,1167 und von dort gelangte sie sowohl zu ihren nationalsozialistischen 1168 als auch zu ihren zahlreichen heutigen Vertretern.1169 Nach dieser Lehre liefert die Tatsache, dass jemand, der gegen die Strafandrohung verstößt, eine rechtswidrige Gesinnung aufweist, einen Grund, um gegen ihn eine Strafe zu verhängen. Strafe sei dem Bestraften gegenüber legitim, weil dieser eine rechtswidrige Gesinnung aufweise. Die übrigen, z. T. durchaus bestehenden sonstigen Probleme dieser Lehre – etwa die Unklarheit des Gesinnungsbegriffs1170 oder die Bezüge der Theorie zu täterstrafrechtlichem Gedankengut1171 – sind demgegenüber nebensächlich. Das Problem dieser Lehre ist, dass sie nicht das Recht des Bürgers anerkennt, selbst zu bestimmen, welche Gründe ihn zum rechtstreuen oder rechtswidrigen Verhalten motivieren, und das Recht gegebenenfalls nur aus Eigennutz zu beachten. dd) Lehren, welche die Schuld nicht mehr auf die Tat, sondern auf die Gesamtpersönlichkeit des Täters beziehen, etwa im Sinne einer Persönlich1166 Klein, ArchCrimR Bd. VII, St. III (1810), S. 343 ff.; Grolman, Begründung, S. 35, 120 ff., 145 ff. 1167 v. Liszt, Lehrbuch21/22, S. 152; v. Liszt/Schmidt, Lehrbuch26, S. 231. In v. Liszt, Lehrbuch12/13, S. 159 tauchte das Wort „Gesinnung“ noch nicht auf; gleichbedeutend heißt es, das Schuldurteil sei „rechtlich-soziale Mißbilligung der That und des Thäters“ und sei je nachdem zu graduieren, ob „die That mehr oder weniger Ausdruck der bleibenden Eigenart des Täters ist“); Eb. Schmidt, Strafzweck, S. 21; ders., ZStW 67 (1955), S. 192; ders., ZStW 69 (1957), S. 385. Davor aber Radbruch, ZStW 24 (1904), S. 348; Hegler, ZStW 36 (1915), S. 222 Fn. 121. 1168 Dahm, Gemeinschaft und Strafrecht, S. 11; ders., ZStaW 95 (1935), 288; Gallas, Rechtsgutsverletzung, S. 65; Schaffstein, Pflichtverletzung, S. 119 ff.; wobei die nationalistisch orientierten Autoren Unrecht und Schuld ineinander eingehen ließen, s. vor allem Schaffstein, Pflichtverletzung, S. 132 ff. 1169 Grundlegend für die Nachkriegszeit war Gallas, ZStW 67 (1955), S. 30, 45; s. ferner ders., Pflichtenkollision, S. 323 f.; Jescheck, ZStW 98 (1986), S. 11; Jescheck/ Weigend, AT 5, § 39 II 1; Lenckner/Eisele, in Schönke/Schröder27 Vorbem §§ 13 ff./ 119; Schmidhäuser, Lehrbuch2, § 10/3 ff.; ders., Studienbuch2, § 7/6; ders., Gesinnungsethik, S. 89 ff.; in Österreich Moos, Positive Generalprävention, S. 288. 1170 Roxin AT I4, § 19/24 rügt dessen Leere. Es dürfte sich aber vielmehr so verhalten, dass das Kriterium gerade wegen seines bedenklichen Inhalts abzulehnen ist. 1171 So jüngst Hirsch, Gegenwärtige Schuldlehre, S. 313 ff. Ihre heutigen Vertreter vestehen sie zwar einzeltatbezogen, s. Gallas, ZStW 67 (1955), S. 45: Gesinnung sei „nicht eine dauernde Artung des Täters“; ders., Pflichtenkollision, S. 324; Schmidhäuser, Lehrbuch2, § 10/3, 8 f.; ders., Studienbuch2, § 7/6 spricht von vorwerfbarer Einzeltatgesinnung (ferner ders., Gesinnungsethik, S. 94); Jescheck/Weigend, AT5 § 38 II 5: „Was vorgeworfen wird, ist natürlich immer die Tat und nicht allein die Gesinnung“. Die Modernen sahen es aber anders: Für Eb. Schmidt „involviert diese Auffassung sowohl Einzeltat- wie Lebensführungsschuld“ (Strafzweck, S. 21; ders., ZStW 69 [1957], S. 385).

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keits-,1172 einer Charakter-,1173 einer Lebensführungs-1174 oder einer Lebensentscheidungsschuld,1175 wie sie heute nur noch vereinzelt vertreten werden, haben erst recht keinen Platz in der Straftheorie. Unabhängig davon, dass sie häufig nicht viel mehr darstellen dürften als einen „mühsam verhüllten Kunstgriff, um präventive Notwendigkeit doch noch notdürftig mit dem Schuldgedanken zu versöhnen“,1176 liegt ihr tieferes Problem in ihrem Strafrechtsmoralismus im konkreteren Sinne ihrer individualbezogenen tugendethischen Züge. Ein Staat, der über die Gesamtpersönlichkeit seiner Bürger Urteile fällt, muss die Förderung der Tugend der Bürger als seine Zuständigkeit verstehen. Das überschreitet aber die Grenzen, die liberalen Staaten auferlegt sind.1177 ee) Eine interessante neue Schuldlehre versucht – hier vereinfachend wiedergegeben – aus der Teilnahme der Bürger am demokratischen Normgebungsverfahren ihre Bindung an die Beachtung der Normen, die als Ergebnisse dieses Verfahrens entstehen, abzuleiten.1178 Diese Lehre vermengt zwei Fragen, die man hier streng auseinanderzuhalten versucht. Sie ist eine Antwort auf die Frage nach dem Bestehen der Autorität des Staates, wobei man unter Autorität die Befugnis eines Subjekts versteht, moralbezogene Gründe zur Befolgung seiner Befehle bloß deshalb zu produzieren, weil sie von ihm stammen.1179 Es 1172

Heinitz, ARSP 22 (1928/1929), S. 274 ff.; ders., ZStW 63 (1951), S. 69 ff. Engisch, ZStW 61 (1942), S. 172 ff.; ders., ZStW 66 (1954), S. 359 ff.; ders., Willensfreiheit2, S. 45 ff.; Welzel, Persönlichkeit und Schuld, S. 210 ff. 1174 Mezger, ZStW 57 (1938), S. 688 f.; Eb. Schmidt, ZStW 69 (1957), S. 372, 386; ähnlich in Portugal Correia, Direito Criminal I, S. 63; in Italien Ranieri, Colpevolezza, S. 124. 1175 Bockelmann, Täterstrafrecht II, S. 153; existentialistisch gedeutet bei Figueiredo Dias, Liberdade, culpa, direito penal, S. 160 f. und passim; ders., Consciência da ilicitude, S. 178 ff.; ders., ZStW 95 (1983), S. 237 ff.; eine Variante, die sich auf die „personale Identität“ des Bestraften mit seinem früheren Selbst als Verbrecher gründet, bei Androulakis, ZStW 82 (1970), S. 514 ff. 1176 So Stratenwerth, Zukunft, S. 44. Dies wird bestätigt durch die früher beliebte Beteuerung, auch Gefährlichkeit könne ein Schuldmoment sein (grdl. Grünhut, MSchrKrimPsych-Beiheft 1 (1926), S. 87 ff.; ferner ders., ZStW 47 [1927], S. 88; Heinitz, ZStw 63 [1951], S. 73; Eb. Schmidt, SchwZStr 45 [1931], S. 210, 236; ders., ZStW 69 [1957], S. 387 und 394 Fn. 71). 1177 Siehe oben C. II. (S. 124 ff.). Kritisch auch Hungria, Culpabilidade, 478 ff.; Otto, GA 1981, S. 483; Roxin, Schuldausschluss, S. 242 f.; ders., AT4 I § 19/29 ff. 1178 K. Günther, Schuld und kommunikative Freiheit, S. 253 ff.; ferner ders., Jahrbuch für Recht und Ethik 2 (1994), S. 144; ders., Personenbegriff, S. 99 f.; ders., Verantwortlichkeit in der Zivilgesellschaft, S. 480 ff.; Kindhäuser, ZStW 107 (1995), S. 718 ff., 725 f.; ferner ders., Schuld und Strafe, S. 91 (noch etwas anders ders., Rechtsgüterschutz, S. 33: Schuld als „Mangel an Gerechtigkeitssinn“); ähnlich Alcácer Guirao, Doxa 25 (2002), S. 172 ff. Gegen den hiesigen Vorwurf der Moralisierung aber Reyna Alfaro, RBCC 45 (2003), S. 112 f. Tavares wendet diese Ansicht auf die Situation in Lateinamerika an, und kommt zum Ergebnis, dass die Schuldzuschreibung in derartigen Gesellschaften voller exkludierter Menschen nicht legitim ist (RBCC 24 [1998], S. 154 ff.). Zur diskurstheoretischen Begründung des Strafrechts s. noch Vogel, Strafgesetzgebung, S. 110 ff. 1173

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mag durchaus sein, dass der Staat eine solche Autorität besitzt und dass die Bürger prima facie moralisch verpflichtet sind, den staatlichen Befehlen Folge zu leisten. Das wurde hier weder bestritten, noch bejaht. Immerhin, von dieser Frage nach dem Bestehen der Autorität des Staates und einer moralischen Verpflichtung der Bürger zum Rechtsgehorsam muss die Frage unterschieden werden, ob der Staat die Beachtung seiner Autorität und dieser moralischen Verbindlichkeit mit Zwang durchsetzen darf. Dass dies zwei unterschiedliche Fragen sind, dürfte einleuchten, sobald man an andere Beispiele moralischer Verpflichtungen denkt, deren Missachtung keineswegs Zwang rechtfertigt. So mag die Frau ihrem Mann gegenüber moralisch (und sogar rechtlich) zur Treue verpflichtet sein; das verleiht ihm aber noch nicht das Recht, ihr einen Keuschheitsgürtel anzulegen. Mit anderen Worten, auch dieser Theorie haftet der bei den anderen Theorien festgestellte Fehler an: Auch sie geht davon aus, der Staat dürfe dem Bürger moralbezogene, und nicht nur klugheitsbezogene Gründe für rechtmäßiges Verhalten durch Zwang auferlegen. ff) Auch neuere, aus dem „kritischen“ Lager lateinamerikanischer Strafrechtsdogmatik entsprungene Schuldlehren enthalten mehrere Probleme. Als Beispiele dafür nehme man Fernandez und Zaffaronis Gedanken: Nach ersterem handele nur derjenige schuldhaft, der an den Vorteilen des vom Staate bezweckten Rechtsgüterschutzes teilnehme, so dass derjenige, der umgekehrt in einer Situation sozialer Marginalisierung lebe, kaum schuldhaft handeln könne;1180 und letzterer denkt, je größer der persönliche Beitrag zur eigenen Selektierung durch die strafrechtlichen Kontrollinstanzen war, desto größer die Schuld.1181 Diese Lehren begehen vor allem den Fehler, ein vordogmatisches, sogar vorstrafrechtliches Problem, das wir deshalb unter den Vorbedingungen der Strafe lozierten,1182 innerhalb der Strafrechtsdogmatik bewältigen zu wollen. Zudem scheinen sie allzu viel Klassenkampfdenken in sich zu tragen, was gerade nicht zu einem Staat, der im Namen aller sprechen sollte, passt.1183 gg) Dagegen bietet der sog. funktionale Schuldbegriff, der Schuld als Derivat der Generalprävention versteht,1184 keine Lehre der deontologischen Rechtfertigung der Strafe dem Täter gegenüber, sondern eben den Verzicht darauf, diese 1179

Siehe oben Teil C., Fn. 270. Fernández, Principio de culpabilidad, S. 65. 1181 Zaffaroni, Penas perdidas, S. 264 ff.; ders., RBCC 28 (1999), S. 66 ff.; Zaffaroni/Alagia/Slokar, PG § 43 I 8 ff. Sein Schlagwort ist die Lehre von der Schuld als Strafanfälligkeit („culpabilidad por la vulnerabilidad“). 1182 Vgl. oben D. I. 3. (S. 217) und D. II. 4. b), (S. 433). 1183 Siehe oben D. II. 4. b), (S. 433). 1184 Jakobs, Schuld und Prävention, S. 3 ff.; ders., Das Schuldprinzip, S. 7 ff.; ähnlich Achenbach, Individuelle Zurechnung, S. 140 ff., 144; Gómez-Jara Díez, Rechtstheorie 36 (2005), S. 330; Streng, ZStW 92 (1980), S. 656 f.; ders., ZStW 101 (1989), S. 286 ff. 1180

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Frage überhaupt zu stellen, und das Aufgehen dieser Frage in der Frage nach dem Zweck der Strafzufügung.1185 Immerhin ist der Ertrag dieses Gedankens aus einem Grund nicht zu leugnen: Er stellt bloß, was viele auch und gerade unter seinen Kritikern implizit vertreten, wenn sie sich für eine Prävention durch Gerechtigkeit aussprechen.1186 hh) Als Fazit des kursorischen Theorievergleichs ist festzuhalten, dass der Grundgedanke der Einwilligungslehre Feuerbachs durchaus konkurrenzfähig erscheint. Die meisten der heutzutage vertretenen Gedanken zum materiellen Schuldbegriff weisen entweder moralistische Züge auf in dem Sinne, dass sie dem Staat das Recht zusprechen, vom Bürger mittels Strafe zu verlangen, sich nicht allein durch Furcht bzw. Klugheit motivieren zu lassen, oder sie sind belastet durch zusätzliche Makel, die sie wenig hinnehmbar machen. e) Einige Klärungen sind dennoch am Platze, um die noch allzu skizzenhaft vorgestellte Lehre von der zurechenbaren Unklugheit näher auszuarbeiten. Das bedeutet nicht, dass man in der vorliegenden Arbeit eine vollständige Schuldlehre wird anbieten können. Die hiesigen Erörterungen bleiben vielfach programmatisch und entwicklungsbedürftig. aa) Der erste klärungsbedürftige Punkt ist das Verhältnis der hier vorgeschlagenen Theorie zum Vorwurfscharakter der strafrechtlichen Schuld seit dem Übergang vom psychologischen zum sog. normativen Schuldbegriff Franks. Man könnte nämlich mit Arthur Kaufmann der Meinung sein: „Dummheit, das ist oft bemerkt worden, ist vielleicht ein Unglück, aber sie begründet keine Schuld“.1187 Wie kann man jemandem vorwerfen, sich unklug verhalten zu haben? Führt das nicht zu einer völligen Entleerung des Schuldbegriffs? Diese Fragen sind berechtigt. Unberechtigt ist es aber, sie als Bedenken zu betrachten. Ein richtiger Schuldvorwurf lässt sich nach der hier vertretenen Lehre tatsächlich nicht mehr begründen. Das ist aber aus den Gründen, die schon oben hinreichend dargelegt wurden, als Liberalisierung gut zu heißen. Dem ist hier nur anzufügen, dass der Vorwurfscharakter der Schuld noch aus einem weiteren Grunde suspekt erscheint, nämlich wegen seines unklaren Verhältnisses zum Vorwurfscharakter der Strafe. Wir haben die Strafe als eine staatliche Reaktion gegen eine angebliche Straftat definiert, und diese Reaktion besteht auch aus einem physischen oder kommunikativen Übel. Es ist sehr unklar, wie die Schuld als Vorwurf eine rechtsstaatliche Voraussetzung von Strafe sein kann, die häufig entweder wesentlich oder allein ein Vorwurf ist. Dagegen ist nach der Lehre von der Schuld als strafbezogene Unklugheit das Verhältnis der Schuld zur Strafe klar: Nur die Strafe verkörpert einen Vorwurf. Dieser 1185 1186 1187

Nachw. zur Kritik oben Teil D., Fn. 184. Vgl. die Nachw. oben D. I. 4. b), (S. 234 ff.). Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 149.

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Vorwurf ist aber nur eine schon von vornherein festliegende reale Eigenschaft der Strafe, die ernst zu nehmen ist, damit eine staatliche Handlung, welche diese Eigenschaft aufweist, nur unter bestimmten besonders engen Voraussetzungen vorgenommen werden kann. Jetzt bietet sich die Gelegenheit, die oben [D. II. 1. (S. 298 f.)] offen gelassene Frage, ob sich mehr als ein deklaratorischer Vorwurf rechtfertigen lässt, zu beanworten. Deklaratorisch war der „Vorwurf“ bzw. die Missbilligung, der schon allein aus der Tatsache folgt, dass ein Staat – also ein Machtsystem, das für sich Legitimität beansprucht und vorgibt, im Namen aller zu sprechen – jemanden für den Täter einer Straftat erklärt. Schon eine von einer solchen Autorität vorgenommene Feststellung hat Missbilligungscharakter. Geht aber der Staat noch einen Schritt über diese Feststellung hinaus, formuliert er ein Urteil etwa des Inhalts: „Sie sollten Sich schämen“, dann hat man es mit dem zu tun, was wir konstitutiven Vorwurf bzw. Missbilligung genannt haben. Es dürfte klar sein, dass die konstitutive Missbilligung, die von den meisten unter denen, die auf die kommunikative Dimensionen des Strafbegriffs aufmerksam machen, vertreten wird, mit einem Begriff von strafrechtlicher Schuld zusammenhängt, der über den hiesigen klugheitsbezogenen Schuldbegriff weit hinaus geht. Mit der Ablehnung derartiger Begriffe und dem hier vertretenen Schuldbegriff entfällt jede Legitimierung einer derartigen konstitutiven Missbilligung.1188 Denn eine solche „pharisäerhafte Ueberhebung über den Verbrecher“ – um die schönen Worte v. Liszts zu gebrauchen1189 – ist keinem Richter erlaubt. bb) Hier sind zwei Worte zum Verhältnis der hiesigen Schuldlehre zur Problematik der Willensfreiheit angebracht. Feuerbach war, wie gesehen, ein Gegner der Willensfreiheit. Die Willensfreiheit sei ein Begriff der Moral, der im Recht nichts zu suchen habe.1190 Trotzdem erscheint es unklar, ob die Figur der Einwilligung, also des mit seiner Bestrafung übereinstimmenden Willens des Täters, nicht doch verkappt auf die Willensfreiheit abstellt. Denn eine wirksame Einwilligung muss in einem gewissen Sinne doch freiwillig erfolgen. Immerhin könnte Feuerbach noch sagen, Freiwilligkeit bedeute im Rahmen der Einwilligungslehre nur Freiheit von Zwang und Irrtum, und keineswegs die philosophisch umstrittene Freiheit des Willens.

1188 Die (übrigens nicht sehr deutlichen und immerhin dürftigen) Einwände Hassemers/Ellscheids, Strafe ohne Vorwurf, S. 266 ff., insb. 279 gegen das Tadelelement des Strafurteils betreffen wohl nur die hier sog. konstitutive Missbilligung. Denn die von ihnen berfürwortete Verhängung von Maßregeln mit der Begründung, der Täter habe einem sozialethisch fundierten Anspruch nicht genügt (S. 280), sind deklaratorische Missbilligungen im hiesigen Sinne. 1189 v. Liszt, Deterministische Gegner, S. 45. Freilich sind Liszt Gründe andere als unsere, nämlich sein Determinismus. 1190 Siehe Nachw. oben B. I. 1. (S. 42 f.) und B. II. (S. 77 ff.).

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Inwiefern die hier skizzierte Lehre auf die Willensfreiheit angewiesen ist, erscheint noch nicht klar. Der hier vertretene alltägliche Realismus hätte zwar keine Bedenken, die Willensfreiheit zu bejahen und die darüber bestehende philosophische Diskussion weitgehend zu ignorieren – bis auf die Positionen, die eben auf einem ähnlichen alltagsrealistischen Standpunkt stehen.1191 Ob aber die hiesige auf die Klugheit abstellende Schuldlehre die Willensfreiheit als Prämisse voraussetzt, wird hier trotzdem offen bleiben. cc) Gegen die hiesige Theorie wird man vermutlich einen Vorwurf richten, den man schon gegen Feuerbach zu seinen Zeiten ausgesprochen hatte. Der Vorwurf besteht darin zu behaupten, auch der Erpresser gebe durch seine Todesdrohung seinem Opfer einen klugheitsbezogenen Grund, ihm das Geld zu übergeben. Wehrt sich aber das Opfer, gibt das dem Erpresser kein Recht, die Drohung wahr zu machen und sein Opfer zu töten. „Wenn also der Gesetzgeber sagt: wer einem Andern eine Stecknadel entwendet, soll mit dem Tode bestraft werden, so soll sich derjenige, welcher sich dieses Versehens schuldig gemacht hat, nicht beklagen, wenn diese Strafe an ihm vollzogen wird“.1192 Die vorherige Ankündigung eines Übels reicht noch nicht aus, um das Recht zur Zufügung dieses Übels zu begründen.1193 Dieser Einwand verkennt aber, dass die Lehre von der strafbezogenenen Unklugheit keineswegs verspricht, eine hinreichende Bedingung der legitimen Strafe anzugeben, sondern nur eine notwendige. Legitim ist nur die Strafe, die sämtliche von der Straftheorie genannten Voraussetzungen erfüllt. Im Beispiel der Stecknadel würde keine Todesstrafe vollzogen werden können, weil eine Stecknadel zu geringfügig ist, um als strafrechtliches Rechtsgut zu zählen; weil das Gesetzlichkeitsprinzip es verbietet, mehr zu kriminalisieren, als man später bestrafen will und kann, und es keinem Polizisten oder Gericht zugemutet werden kann, kostbare Zeit mit der Entwendung einer Stecknadel zu verbringen; weil die Todesstrafe gegen die Schranke des Instrumentalisierungsverbotes verstößt; schließlich weil die Androhung einer derart schweren Strafe für die Wegnahme einer Stecknadel gegen die Proportionalitätsschranke verstößt.1194 1191

Einige Nachw. oben Teil D., Fn. 715. v. Bothmer, Der Begriff der Strafe, S. 52. 1193 Gegen Feuerbach Stürzer, Zustand des Criminalwesens, S. 107 ff.; Henke, Strafrechtstheorien, S. 62; Bauer, Warnungstheorie, S. 83; Abegg, Strafrechtstheorieen, S. 68; und in der gegenwärtigen angelsächsischen Diskussion Alexander, Philosophy & Public Affairs 15 (1986), S. 179 ff.; Burgh, Journal of Philosophy 79 (1982), S. 199 f.; Alan Goldman, Philosophy & Public Affairs 9 (1979), S. 55; ders., Law & Philosophy 1 (1982), S. 64 f.; ders., Deterrence Theory, S. 84; Thornton, ARSP-Beiheft 47 (1992), S. 88. Die Ansicht Alexanders, The Monist 63 (1980), S. 208 ff. wonach es für die Präventionstätigkeit vor allem auf einwilligungsverwandte Überlegungen ankomme, und nicht auf Proportionalität, scheint eine Bestätigung dieses Einwandes zu enthalten. 1194 Der Sache nach ähnlich die Zurückweisung dieses Einwands durch Hepp, Darstellung II/12, S. 223 f.; Bauer, Straftheorien, S. 22 f. 1192

II. Die Straftheorie

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Zu dem Beispiel des Erpressers ließe sich Ähnliches sagen. Hier würden viele sonstige Voraussetzungen einer legitimen Zwangsausübung fehlen, die man alle auch namentlich erwähnen könnte. Das soll dem Leser aber erspart bleiben, um statt dessen auf einen anderen Punkt hinzuweisen, zu dem das Beispiel Anlass gibt. Das, was den Staat vom Erpresser unterscheidet, ist die Anerkennung und Beachtung absoluter deontologischer Schranken. Der Staat verlangt vom Täter aber nicht, dass er dies auch so sieht. Der Staat verzichtet darauf, dem Täter zu sagen, worin er sich vom Erpresser unterscheidet und insbesondere auch darauf, auf diesen Unterschied hinzuweisen, um mehr Handlungsbefugnisse für sich zu beanspruchen. Er begnügt sich damit, sich anders zu verhalten. Will der Täter im Staat weiterhin nur einen Erpresser sehen, ist das sein Problem. Der Staat wird ihn nicht aus diesem Grund benachteiligen. Die Lehre von der Schuld als strafbezogene Unklugheit entbehrt nicht den anderen von der Straftheorie benannten Voraussetzungen einer legitimen Strafe. Die diesbezüglichen Einwände erweisen sich bei näherer Betrachtung allesamt als unberechtigt. dd) Dass die Einwilligungstheorie Feuerbachs eine zumindest indirekte Verwandtschaft zur Sozialvertragslehre aufweist, ist schon mehrfach betont worden.1195 Zwar ist die maßgebliche Einwilligung hier nicht die, die im Urzustand geäußert wird, sondern die Einwilligung durch die Begehung einer strafbedrohten Tat. Die Verwandtschaft aber bleibt erhalten, weil beide, Sozialvertragslehre wie Einwilligungslehre, voluntaristische Verpflichtungstheorien darstellen, mit anderen Worten, beide gehen davon aus, der Wille eines Subjekts sei eine Quelle rechtlicher und moralischer Verpflichtungen. Dass die Einwilligungstheorie aber die Sozialvertragslehre voraussetzt, scheint nicht zwingend zu sein. Um so weniger erscheint eine Lehre, die nicht mehr auf den Willen, sondern nur auf Klugheit abstellt, von der Sozialvertragslehre abhängig. ee) Eine letzte klärungsbedürftige Frage betrifft das Verhältnis des hier verteidigten Schuldbegriffs zu präventiven Erfordernissen. Feuerbachs Lehren messen der Schuld kaum einen gegenüber der Prävention eigenständigen Gehalt zu.1196 Das ist für die spätere Form der Theorie, die von der vorherigen gesetzlichen Androhung der Strafe als Rechtsgrund der Strafzufügung spricht, offensichtlich. Wird die Strafe nicht gesetzlich angedroht, tritt nach Feuerbach die erwünschte präventive Abschreckungswirkung nicht ein. Auch nach der ursprunglichen Auffassung des Rechtsgrunds der Strafzufügung als einer Einwilligung des Täters besteht zwischen Schuld und Prävention weitgehende Harmonie: Derjenige, der in die Strafe einwilligen kann, ist derjenige, der für die Abschreckungswirkung der Strafe empfänglich ist, der von der Strafandrohung 1195 Z. B. Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 16; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 151. 1196 Siehe bereits C. II. (S. 231) und D. I. 4. b) (S. 231).

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

motiviert werden kann. Einwilligung in die Bestrafung bedeutet insoweit, dass man, trotz diesbezüglichen Könnens, nicht von der Strafandrohung motiviert wird. Derjenige, der nicht in seine Bestrafung einwilligt, ist derjenige, der von der Strafandrohung nicht motiviert werden konnte, gegen den jede Bestrafung also nutzlos wäre. Daher sprechen einige Autoren davon, dass für Feuerbach die Schuld nichts anderes sei als Abschreckbarkeit.1197 Das ist für eine Lehre, die der Strafzufügung nicht mehr einen konsequentialistischen Zweck, sondern einen deontologischen Rechtsgrund, oder besser: eine deontologische Schranke, geben soll, zumindest suspekt. Feuerbachs Schuldlehre verfehlt in ihren beiden Ausprägungen die ureigenste Aufgabe einer Lehre vom Rechtsgrund einer Zwangsmaßnahme: die Festlegung der sonstigen nichtkonsequentialistischen Bedingungen der Legitimität dieser Maßnahme. Würde die hier vorgeschlagene Umformung der Theorie, die aus den Gedanken Feuerbachs ihre Inspiration schöpft, nicht diesbezüglich besser verfahren, wäre dies schon ein Anlass zur Vermutung, dass man die Lehre vom Rechtsgrund der Strafzufügung noch nicht angemessen formuliert habe. Dem ist aber nicht so. Denn die hier vorgeschlagene Theorie der Schuld als strafbezogene Unklugheit weist einen gegenüber präventiven Überlegungen durchaus eigenständigen Gehalt auf. Zwar trifft es zu, dass vor allem derjenige, der in der Lage ist, Gründe der Klugheit zu erwägen und in seinen Entscheidungen zu berücksichtigen, empfänglich ist für die in der Strafandrohung verkörperte Verhaltensanforderung. Man darf aber nicht übersehen, dass Generalprävention i. S. der allgemeinen Nicht-Begehung von Straftaten eine Wirkung ist, die auf der Makroebene stattfindet, ohne irgendeinen Bezug zu einem Individuum. Das bedeutet, dass es – von der Makroebene aus betrachtet – sinnvoll sein kann, auch Personengruppen eine Strafe anzudrohen und zuzufügen, selbst wenn nicht zu erwarten ist, dass man auf das Verhalten dieser Personen einwirken werde.1198 Diese Einsicht hat uns dazu verholfen, mit dem Problem des nicht-abschreckbaren Terroristen, der trotzdem intuitiv zu bestrafen ist, klar zu kommen.1199 Zum Teil wird er bestraft, weil man sich von der Androhung noch immerhin eine, wenn auch begrenzte, präventive Wirkung verspricht. Im Wesentlichen bestraft man ihn aber, damit niemand denkt, er könne sich mit dem Hinweis, ein fanatischer Terrorist zu sein, Straffreiheit erkaufen. Generalpräventiv könnte es also durchaus geboten sein, auch geisteskranke, unvermeidbar über das Unrecht ihrer Tat irrende oder sich in Notsituationen nach § 35 StGB befindliche Personen deshalb zu bestrafen, damit niemand auf 1197

So z. B. Abegg, KJdRW 1845, S. 296; Grünhut, Feuerbach, S. 110. Das übersehen die Autoren, die das Verbot der Bestrafung eines Unschuldigen aus der Abschreckungstheorie und ihren verhaltenssteuernden Ansprüchen ableiten wollen, z. B. Hoerster, GA 1970, S. 277; Vanberg, Abschreckung, S. 10. 1199 Siehe oben D. II. 3. e), (S. 391 ff.). 1198

II. Die Straftheorie

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den Gedanken kommt, sich auf diese Situationen zu berufen und dadurch straffrei zu werden. Das bedeutet nicht, dass in diesen vom Gesetz anerkannten sog. Entschuldigungsgründen keine Präventionsüberlegungen einfließen. Es bedeutet aber sehr wohl, dass derartige Überlegungen nicht tauglich sind, um den Kerngehalt dieser Entschuldigungsgründe zu erklären, d.h. ihrem eigentlichen Entschuldigungsgehalt gerecht zu werden. Die im Gesetz vorgesehenen Entschuldigungsgründe sind genauer besehen mit Roxin als Verantwortlichkeitsausschließungsgründe zu betrachten,1200 die aus einem allein deontologisch begründbaren Kernbereich von Schuld im Sinne von strafbezogener Unklugheit und einem durch Überlegungen konsequentialistischer Art auszufüllenden Randbereich bestehen. Das Verhältnis von Kern- und Randbereich ist bei jedem Verantwortlichkeitsausschließungsgrund unterschiedlich: In einigen Fällen ist der schuldbezogene Kernbereich besonders weit, so dass für den präventiven Randbereich nur Präzisierungsfragen übrig bleiben, in anderen verhält es sich gerade umgekehrt. Man wird gleich noch darauf zurück kommen.1201 Man könnte aber fragen, worin genau der eigenständige deontologische Gehalt des hier vertretenen Schuldbegriffs bestehe. Er besteht darin, dass die Klugheit als Fähigkeit, sich nach dem Vorteilhaften zu richten und das Unvorteilhafte zu vermeiden, sich nicht auf sich selbst stützt, sondern auf die Fähigkeit des Menschen angewiesen ist, sich Lebenspläne zu schmieden und Bemühungen einzusetzen, diese Pläne zu verwirklichen. Diese Fähigkeit ist eine genuin menschliche. Daraus folgt, dass ein Staat, der dies außer Acht lassen und auf die Lebenspläne der Menschen einwirken würde, ohne die Sicht der Bürger mitzuberücksichtigen, ohne der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich die Menschen längerfristige Pläne machen, das Menschsein der Menschen antasten und damit gegen die deontologische Schranke des Instrumentalisierungsverbots (im engeren Sinne) verstoßen würde. Der nach der Lehre von der strafbezogenen Unklugheit zu bestimmende Schuldbegriff weist also einen deontologischen Eigengehalt auf, der sich nicht auf konsequentialistische Überlegungen der Abschreckbarkeit reduzieren lässt.1202 Die Schuld wirkt deshalb mit den Worten Roxins nur als Begrenzung, nicht als Begründung der Strafe bzw. die Schuld ist eine notwendige, aber keine hinrei1200

Für Nachw. vgl. oben D. I. 4. b), (S. 247 f.). Unten S. 506 ff. 1202 In dem Sinne, dass dies eine wichtige Anforderung an jeden adäquaten Schuldbegriff darstellt, auch Roxin, siehe oben Teil D., Fn. 191; ferner Bock, ZStW 103 (1991), S. 646; García Arán, ADPCP 41 (1988), S. 90; Hirsch, ZStW 106 (1994), S. 758; Neumann/Schroth, Neuere Theorien, S. 27; Otto, GA 1981, S. 491; Schöneborn, ZStW 88 (1976), insb. S. 362, trotzdem mit einem Rückfall in die „(Spezial-) Prävention durch Gerechtigkeit“ (S. 363); Schünemann, Entwicklung der Schuldlehre, S. 158, 176; Stratenwerth, Zukunft, S. 31, 42, 45; Zipf, ZStW 89 (1977), S. 711; wohl auch Burkhardt, GA 1976, S. 341. 1201

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

chende Bedingung der Strafe,1203 oder – jetzt in der hier bevorzugten Terminologie – Schuld ist allein eine deontologische Schranke der Zweckverfolgung durch Strafe. Roxins Einsicht, dass dem Schuldbegriff nur die Eigenschaft der Einseitigkeit (keine Strafe ohne Schuld), und nicht der etwa von Arthur Kaufmann vertretenen Zweiseitigkeit (keine Schuld ohne Strafe) zukomme,1204 wird von den hiesigen Überlegungen hochgehalten. f) Die eben gestellte Frage legt das Letzte, womit man sich noch beschäftigen müsste, nahe: den Nachweis der dogmatischen Leistungsfähigkeit des hier vorgeschlagenen Schuldbegriffs. Dogmatische Begriffe müssen nicht nur gut begründet werden, sie müssen auch in der Lage sein, unsere Einsicht in das geltende Recht zu verbessern, und dies in überlegenerem Maße als die Konkurrenz. Es muss deshalb gezeigt werden, dass ein klugsheitsbezogener Schuldbegriff in Feuerbach’scher Tradition den Gehalt einzelner Entschuldigungsgründe z. T. überzeugender zu erklären vermag, als die sonst in der Literatur vorzufindenden Schuldbegriffe. Die Einzelheiten müssen freilich späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben, so dass die jetzigen Erwägungen nur kursorisch-skizzenhaften Charakters sind. aa) Bezüglich der Schuldunfähigkeit schafft es die hiesige Ansicht, einige Regelungen unseres Gesetzes, die den traditionellen Ansichten einige Schwierigkeit bereiten, reibungslos verständlich zu machen. So setzt das Gesetz als Mindestalter für die Strafbarkeit die feste Grenze von 14 Jahren. Einige wollen darin eine unwiderlegliche Vermutung sehen,1205 andere sprechen schlichtweg von einer Fiktion.1206 Der Hinweis auf eine fehlende präventive Bestrafungsnotwendigkeit1207 trifft noch nicht das Wesentliche, denn der Grund, weshalb wir das Kind nicht bestrafen, liegt nicht primär im Nachteil, der für uns daraus erwachsen könnte bzw. darin, dass es keinen Nachteil darstellt, das Kind nicht zu bestrafen, sondern schon in der Achtung der Rechte des Kindes selbst. Die Schwierigkeit der gängigen Ansichten, welche die Schuld auf das Unrecht der Tat und nicht erst auf die Strafe beziehen, liegt auf der Hand: „Die Lebenserfahrung lehrt, dass größere Kinder meistens sehr wohl wissen, das Einwerfen von Fensterscheiben, das Stehlen usw. sei unerlaubt“.1208 Was dem Kind fehlt, ist nicht diese Erkenntnis, sondern die Fähigkeit, die Auswirkungen einer Bestrafung auf ihren Lebensplan und also auf ihren Erfolg als Menschen einzuschätzen. Richtigerweise dürfte es bei Kindern unter 14 Jahren bereits am Bewusstsein der eigenen zeitlichen Identität und erst recht an der Beeinflussbar1203 1204 1205 1206 1207 1208

Sie oben Teil D., Fn. 193. Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 202. E 1962, S. 137. Lange, LK10 § 19/2. So Roxin, AT I4, § 20/50. Roxin, AT I4, § 20/50.

II. Die Straftheorie

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keit der künftigen Handlungen durch die heutigen fehlen. Die meisten Kinder können sich weder realistisch vorstellen, was sie in 20 Jahren für Menschen sein werden, und noch weniger sind sie dazu in der Lage zu fragen, was sie zu tun und zu lassen haben, damit sie dieses Ziel erreichen oder zumindest nicht völlig verfehlen. bb) Auch für den entschuldigenden Notstand liefert die klugheitsbasierte Schuldlehre weiterführende Erkenntnisse. Vor allem erscheint der Ausschluss der Entschuldigungswirkung in § 35 I 2 unverständlich für eine Konzeption, die auf den psychischen Druck abstellt.1209 Die besondere Gefahrtragungspflicht, die gelegentlich als Grund der Einschränkung angesprochen wird,1210 ist nur eine inhaltsleere Wiederholung dessen, was man schon aus der Lektüre des § 35 I 2 weiß.1211 Die strafzweckbezogene Erklärung1212 kann zwar darlegen, warum es in unserem Interesse liegt, den Täter in solchen Situationen zu bestrafen, nicht aber einsichtig machen, warum man dem Täter kein Unrecht antut, wenn man ihn bestraft.1213 Dagegen hat die hiesige Ansicht keine vergleichbaren Schwierigkeiten: Grund des Versagens der Entschuldigung bei Vorliegen eines besonderen Rechtsverhältnisses ist die Tatsache, dass derjenige, der sich für eine Karriere als Polizist, Soldat oder Feuerwehrmann entscheidet, einen Lebensplan verfolgt, der in einem nicht unwesentlichen Teil aus der Konfrontation mit Gefahren für Leib, Leben und Freiheit besteht. Man tut diesem Bürger deshalb kein Unrecht, wenn man ihn nach seinem eigenen Lebensplan behandelt und ihm die Konfrontation mit der Gefahr zumutet. Entsprechendes ließe sich hinsichtlich der Fällen der Selbstverursachung der Gefahr sagen: Die nicht anders abwendbaren Gefahren, die man durch eigenes Verschulden herbeiführt, muss man selbst beseitigen, ohne Aufopferung fremder Güter bzw. ohne in fremde Lebenspläne einzugreifen. Diese Pflicht ist nichts anders als die Kehrseite der Anerkennung des Rechts jedes einzelnen Bürgers auf freie Gestaltung seines individuellen Lebensplans. Die hiesige Lehre kann auch erklären, warum der Personenkreis, dem eine entschuldigende Notstandshilfe zugute kommen kann, auf Angehörige und nahe stehende Personen beschränkt ist: denn die Beeinträchtigung von Leben, Leib oder Freiheit einer solcher Person kann als BeZu Recht kritisch Roxin, AT I4, § 22/36. Hirsch, LK11 § 35/47; Rudolphi, SK7 § 35/11. 1211 Ähnliche Kritik bei Roxin, AT I4, § 22/38. 1212 Roxin, AT I4, § 22/35; Jakobs, AT2 § 20/12 ff. („Zuständigkeit“); Müssig, MK § 35/40 ff.; ähnlich Timpe, Strafmilderungen, S. 304 ff.; ders., JuS 1985, S. 35. 1213 Eigentlich ist die Kritik an Roxins Ansicht komplexer, da er im Unterschied zu den anderen in der vorherigen Fn. Genannten einen präventionsunabhängigen Schuldbegriff vertritt. Man würde sagen müssen, dass auch sein Schuldbegriff des „Unrechthandelns trotz normativer Ansprechbarkeit“ (Roxin, AT I4, § 19/36 ff.) keine Rechtfertigung einer Bestrafung dem Bestraften gegenüber anbietet, aus den Gründen, die man oben erwähnt hat (vgl. oben S. 496), und dass der Hinweis auf präventive Vorteile daran nichts ändern kann. 1209 1210

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

einträchtigung des Lebensplans des Täters selbst angesehen werden. Lebenspläne können auch altruistische Komponenten enthalten, weil Beziehungen zu anderen für ein gelungenes Leben mitkonstitutiv sind. Ob auch die übrigen Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands auf die hier skizzierte Lehre zurückführbar sind, muss einer weiteren Untersuchung vorbehalten bleiben. cc) Beim Verbotsirrtum liegen die Auswirkungen des hier vertretenen Schuldbegriffs am nächsten. Vor allem liefert die hiesige klugheitsbezogene Schuldlehre eine Bestätigung für die gelegentlich vertretene Ansicht, wonach nicht schon das allgemeine Unrecht der Tat, sondern erst deren Strafbarkeit als Gegenstand des Unrechtsbewusstseins gelten könne.1214 Denn der Täter hat das Recht, den Rechtsbefehl nur aus Angst vor Strafe oder aus anderen egoistischen Motiven zu achten. Aber auch der Begriff der Vermeidbarkeit des Irrtums würde vom hiesigen Standpunkt aus neue Konturen erhalten. Vor allem wären alle nicht egoistischen Gesichtspunkte, bei deren Vorliegen man die Vermeidbarkeit des Irrtums darlegt, wie vor allem die sog. Gewissensanspannung1215 oder das Bewusstsein des Verstoßes gegen die Sittenordnung1216 bzw. der Sozialschädlichkeit der Tat1217 revisionsbedürftig. Wenn ihnen überhaupt eine Relevanz zugesprochen werden darf, dann ausschließlich aus der Erwägung heraus, dass die Wahrscheinlichkeit des Bestehens einer Bestrafungsgefahr gerade in derartigen Konstellationen besonders nahe liege. Ob sich ein derartiger Satz tragfähig begründen lässt, muss wiederum einer eigenständigen Untersuchung vorbehalten werden. Der Verfasser bekundet schon jetzt seine diesbezügliche Skepsis und spricht auch die Hoffnung aus, man könne aus den hier niedergelegten Prämissen eine Vermeidbarkeitslehre entwickeln, die den vermeidbaren Irrtum aus seinem beklagten „Schattendasein“1218 herausrettet. dd) Umgekehrt verhält es sich beim Notwehrexzess (§ 33): Hier hat man es mit einem Verantwortungsausschließungsgrund zu tun, der nur in sehr geringem Maße auf Schulderwägungen beruht.1219 Sein schuldbezogener Kern könnte höchstens eine Strafmilderung begründen: Auch vor dem Unrecht muss der 1214 Bacigalupo, Princípios, S. 307 f., mit der noch nicht ausreichenden Begründung, Strafunrecht besitze eine besondere Qualität; Felip i Saborit, Error Iuris, S. 126 f.; Haffke, Rückwirkungsverbot, S. 157, 161 ff.; Laubenthal/Baier, GA 2000, 207 ff.; Schroeder, LK11, § 17/7; ähnlich Köhler, AT S. 403; Groteguth, Norm und Verbots(un)kenntnis, S. 135 f., wenn auch mit dunkler Argumentation. Auf halbem Weg bleibt Neumann, NK2 § 17/21 stehen, der auf die Kenntnis der Sanktionierbarkeit abstellt. Im Sinne der h. M. etwa BGHSt 2, 194; Roxin, AT I4, § 21/52 ff.; in Spanien klassisch Córdoba Roda, Conocimiento de la antijuridicidad, S. 99; in Brasilien Munhoz Netto, Ignorância da antijuridicidade, S. 20 f.; 1215 BGHSt 2, 201; zust. Jescheck/Weigend, AT5, § 41 II 2 b; krit. Roxin, AT I4, § 21/46. 1216 Jescheck/Weigend, AT5, § 41 II 2 b. 1217 Roxin, AT I4, § 21/58. 1218 Krümpelmann, GA 1968, S. 136.

III. Das Lebendige und das Tote

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kluge Bürger in der Lage sein, die schlimmen Folgen seiner Entscheidungen für seine Lebenspläne einzuschätzen und sich so steuern, dass er diese Folgen vermeidet. Verwirrung, Furcht oder Schrecken schließen die Unklugheit nicht aus, denn das Leben ist von plötzlich eintretenden, unangenehmen Situationen nicht frei, und man muss doch in der Lage sein, mit ihnen zurechtzukommen oder die Folgen des Versagens zu tragen. Der Gesetzgeber erkennt aber, dass es widersinnig wäre, knappe Ressourcen gerade zum Schutze desjenigen auszugeben, der die Konfliktsituation durch sein bloßes rechtmäßiges Verhalten hätte vermeiden können,1220 und dass ferner die Einengung der Straffreistellung auf Fälle asthenischer Affekte die Missbrauchsanfälligkeit sehr gering macht. Aus der Sicht des Gesetzgebers kommt es auf diese Erwägungen konsequentialistischer Art für die Zubilligung einer Straffreistellung kraft Notwehrexzess an, und deshalb enthält dieser sog. Entschuldigungsgrund von echter Entschuldigung fast gar nichts.

III. Das Lebendige und das Tote: Gesamtwürdigung der Straftheorie Feuerbachs „. . . in den entscheidenden Fragen nach Sinn und Zweck der Strafe besteht der lebhafteste Streit und wir können nicht behaupten, dabei über die Erkenntnisse der Antike weit hinaus gekommen zu sein“. Ein Anliegen der vorliegenden Arbeit war es zu zeigen, wie wenig dieser Satz Eduard Drehers1221 stimmt, um wie viel die Strafrechtswissenschaft in 200 Jahren reicher geworden ist, aber gleichzeitig auch, wie viel man von der Vergangenheit noch lernen kann. Nachdem wir die einzelnen Behauptungen der Straftheorie Feuerbachs je für sich untersucht haben, fehlt nurmehr eine zusammenfassende Würdigung des Gesamtunternehmens. Hier lassen sich zwei Ebenen unterscheiden, zunächst eine konkretere, die mit den Sätzen der Theorie zu tun hat, und dann eine allgemeinere, der es um die der Theorie zugrundeliegenden Annahmen geht, also um ihren „Geist“ – wenn man die Benutzung eines derart unklaren Wortes ausnahmsweise gestattet. Auf der konkreteren Ebene der von der Theorie vertretenen Sätze ist überraschend, wie gut die Theorie nach zweihundert Jahren noch immer abschneidet. Das bedeutet nicht, dass Präzisierungen und Ergänzungen nicht von Nöten Hierzu grdl. Roxin, Notwehrexzeß, S. 116 ff.; ders., AT I4, § 22/69, dessen strafzweckbezogene Argumentation eher positiv-generalpräventiv und spezialpräventiv verläuft. 1220 Hinter dem Notwehrexzess steht also ein gutes Stück Viktimodogmatik. Zur Viktimodogmatik vgl. zuletzt Schünemann, System des strafrechtlichen Unrechts, S. 61 ff.; ders., Ultima ratio, S. 30 ff. 1221 Dreher, Schlechte Gewissen, S. 54. 1219

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

seien, aber schon, dass selbst diese Präzisierungen und Ergänzungen in aller Regel nicht den von Feuerbach gesteckten Rahmen verlassen müssen. Feuerbachs analytisch-ausdifferenzierter Aufbau der Straftheorie ist bis heute unübertroffen und unbedingt anschlussfähig: Hervorzuheben sind hier erstens seine klare Unterscheidung zwischen dem Begriff der Strafe und ihren Rechtfertigungsvoraussetzungen, dann die Bezeichnung der beiden rechtfertigungsbedürftigen strafbezogenen staatlichen Handlungen, nämlich der Androhung und der Zufügung einer Strafe, und drittens seine Sonderung konsequentialistischer („Zwecke der Strafe“) und deontologischer Voraussetzungen („Rechtsgründe der Strafe“) der gerechtfertigten Strafe. Und auch die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Sätze seiner Straftheorie enthält bis heute viel Wertvolles, das es in neuen Formulierungen ehrenvoll aufzubewahren gilt. Seinen Strafbegriff, der allein auf die Zufügung eines körperlichen Übels abstellte, haben wir um die Zufügung kommunikativer Übel bzw. um Missbilligungsurteile ergänzt; seinen psychologisierenden Abschreckungsbegriff haben wir funktional im Bezug auf die Gründe zum Handeln, die man dem Bürger durch das strafbewehrte Verbot vermitteln will, modifiziert; und seine Lehre von der Schuld als Einwilligung haben wir durch einen Hinweis auf die strafbezogene Unklugheit neu konzipiert. Aber auch diese von uns eingeführten Neuerungen tragen ihre Feuerbach’sche Herkunft auf der Stirn. Wichtig ist ferner, dass Feuerbachs strenges Verständnis der Strafgesetzlichkeit zutreffend ist, obwohl man heute kaum mehr Willens ist, ihm das zuzuerkennen. Feuerbachs Theorie bleibt also auf der konkreteren Ebene weitgehend lebendig. Erst jedoch die allgemeinere Ebene der grundlegenden Annahmen, die nicht immer explizit gemacht werden, liefert den Schlüssel zu einer Gesamtwürdigung der Theorie Feuerbachs. Es ist schon wiederholt darauf hingewiesen worden, dass Feuerbachs Theorie als großangelegte Bemühung zu lesen ist, dem Gesetzlichkeitsprinzips eine feste Grundlage zu verleihen. Das bringt Schreiber auf den Punkt, wenn er hier den „wahren Kern seiner Theorie“ erkennt und behauptet, dass ihr strafrechtliches Moment „sekundärer Natur“ sei.1222 Wir haben oben gesehen, welche Mühe sich Feuerbach gibt, die Gesetzlichkeit aus seiner Lehre vom Zweck der Strafandrohung zu folgern, und wie er sich der Gesetzlichkeit als Kriterium zur Richtigkeit seiner Theorie bedient. Ein Hauptergebnis der hiesigen Untersuchung war aber, dass dieses Projekt, die Gesetzlichkeit aus den Erfordernissen der Abschreckung zu begründen, gescheitert ist. Nicht fernliegend wäre deshalb die Frage, ob Feuerbachs Theorie trotz der Richtigkeit vieler einzelner Behauptungen nicht „im Geiste“ tot sei, da

1222 Schreiber, Gesetz und Richter, S. 105, 111. Siehe noch Bopp, Nulla poena, S. 59; Ehret, Gesetzlichkeitsprinzip, S. 41; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 19; Ranft, Individualschutz, S. 208 f.; Eb. Schmidt, Geschichte, S. 239 f.

III. Das Lebendige und das Tote

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ihre zentrale Annahme, nämlich die Gesetzlichkeit, nicht die theoretische Rolle spielen kann, die ihr Feuerbach zugewiesen hatte. Gelegentlich ist die Niederlage in einem einzelnen Kampf die Bedingung für den Sieg im gesamten Krieg. Feuerbachs Fehlschlag, die Gesetzlichkeit aus der Abschreckung abzuleiten, ist nichts anderes als ein Sonderfall der in dieser Studie wiederholt festgestellten und als unzureichend kritisierten Bemühung, Gerechtigkeit auf Zweckmäßigkeit bzw. Deontologie auf Konsequentialismus reduktionisch zurückzuführen, als ob Gerechtigkeit und Deontologie nicht auf ihren eigenen Beinen stehen könnten, als ob nur konsequentialistische Zweckmäßigkeit das Prädikat des „Rationalen“ verdiente. So argumentierte man gegen die Todesstrafe, sie schrecke nicht ab; gegen die Folter, sie kläre nicht auf; gegen Schuldübersteigerungen, sie seien präventiv kontraindiziert; gegen Bestrafung von Individualmoralismen, sie schützten keine Rechtsgüter; gegen einen unmenschlichen Strafvollzug, er könne nicht resozialisieren. Dadurch aber, dass Feuerbach an der Gerechtigkeit und der Deontologie festhält, obwohl seine konsequentialistische Begründung schwankend ist, dass er Entschiedenheit zeigt, wo seine Argumente ihm weitgehende Zurückhaltung empfehlen, dass er vom Kategorischen spricht, obwohl er nur das Hypothetische belegt, liefert er den indirekten Nachweis dafür, dass es auch ihm letztlich darauf nicht ankommt, dass die Gesetzlichkeit auf die Abschreckung ebenso verzichten darf wie die Gerechtigkeit auf die Zweckmäßigkeit. Gleiches lässt sich von unserer Ablehnung der Todesstrafe und der Folter, der Schuldübersteigerungen, des Individualmoralismus und eines inhumanen Strafvollzuges sagen. Dass konsequentialistische Argumente in der Legitimierung der Strafe eine Rolle spielen müssen, ist nicht die Frage. Es war vielmehr ein Hauptertrag unserer Überlegungen zum Verhältnis von Recht und Moral im Strafrecht, dass man die Freiheit der Bürger nicht einschränken darf, ohne zumindest einen guten konsequentialistischen Grund dafür angeben zu können, und dass hierin nichts anderes liegt, als die für die liberale Tradition konstitutive Ablehnung des Individualmoralismus im Strafrecht (C II [S. 124 ff.]). Es fragt sich aber, wieso man sich die Mühe geben musste, dem Staat konsequentialistische Argumente vorzulegen, warum er gewisse Verbote, die man auch deontologisch begründen konnte und dies auch z. T. schon getan hatte, achten musste. Denn es kann kein bloßer Zufall sein, dass man sich immer wieder einer konsequentialistischen Argumentation bediente, selbst dort, wo sie nicht einmal prima facie einschlägig zu sein scheint. Man könnte unterschiedliche Vermutungen aufstellen. Eine erste wäre eine erkenntnistheoretische mit leicht ästhetischem Einschlag. Man fühlt sich unzufrieden mit dem Verweis darauf, etwas dürfe schlechthin nicht getan werden. Die Frage nach dem Warum wird schnell zu der Frage, was ist das Schlechte, das dadurch gemieden, das Gute, das dadurch gefördert wird. So drängen sich Strategien auf, Deontologie doch auf Konsequentialismus, sei es auch auf einen

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D. Strafrechtsphilosophischer Teil

indirekten, zurückzuführen. Dahinter könnten erkenntnistheoretisch-ästhetische Werte, vor allem derjenige der Einfachheit, stehen. Eine Theorie, die alles auf ein einziges Prinzip zurückführt, scheint etwas für sich zu haben, scheint den Dingen bis auf den Grund gegangen zu sein. Trotzdem sahen wir, dass das nicht geht, dass bei einem konsequentialistischen Reduktionismus gerade die Aspekte verloren gehen, auf die es ankommt. Werden die Strafgesetzlichkeit, das Verbot der Folter, der Todesstrafe oder des Individualmoralismus mit – sei es auch indirekten – Zweckmäßigkeitserwägungen begründet, dann sind diese Schranken überwindbar, sobald man die Zweckmäßigkeit dieser Überwindung glaubhaft darlegen kann. Dass die Alleinherrschaft konsequentialistischer Logik aus diesem Grund unangemessen wäre, dürfte schon hinreichen, um die Unbegründtheit des erkenntnistheoretischen Vereinheitlichungsinteresses darzulegen. Und was die ästhetischen Dimensionen anlangt, so ist zu sagen, dass eine Theorie, die für die Nuancen und Unterschiede der von ihr wiederzuspiegelnden Realität empfänglich ist, die sie als Unterschiede hin- und als solche auch ernstnimmt, auch einen Schönheitswert verkörpert. Voraussetzung ist dabei nur, dass man sich nicht mit einem eklektizistischen anything goes begnügt, sondern dass man genau festlegt, welche Erwägungen an welchen Stellen maßgeblich sind. Vielleicht käme man einen Schritt weiter, wenn man nach einer politischen Erklärung des konsequentialistischen Reduktionismus suchte. Eine politische Erklärung wäre der pessimistische Hinweis auf die Machthörigkeit und den Technokratismus der Juristen, die ihr Wissen in den Dienst der Macht stellten. Das dürfte die Interpretation Nauckes sein, der sogar bestreitet, dass Feuerbach ein liberaler Jurist gewesen ist. Feuerbach gehe es demnach um Verbrechensbekämpfung, seine Gesetzlichkeitslehre sei eine Lehre effektiver Verbrechensbekämpfung.1223 Diese Erklärung hat zwei Probleme. Erstens schießt sie über das Ziel weit hinaus, da sie zu einer Ablehnung nicht nur des konsequentialistischen Reduktionismus, sondern einer jeden konsequentialistischen Erwägung führt, auch dort, wo diese passt. Sie muss deshalb gegenüber dem Appell des Inselbeispiels2, in dem die gerechte Bestrafung die Auflösung der Gesellschaft mit sich bringt, taub bleiben, sie darf sich nicht etwa des ultima-ratio-Grundsatzes oder 1223 Naucke, Beccaria I, S. 15 („Feuerbach gehört teilweise in die Tradition des nicht-humanen Strafrechts“), S. 24 f.; ders., Normales Strafrecht, S. 80; auch Frommel, Präventionsmodelle, S. 152: „Feuerbach war also gewiß kein Theoretiker des Rechtsstaats“; Pott, KritV 82 (1999), S. 93 f. Auch Beccaria (s. Naucke, Beccaria I, S. 13 ff.) wird aus denselben Gründen neben Feuerbach und Liszt (ders., ZStW 1982, S. 533 ff.) in eine Linie gestellt mit dem Kolonial- (ders., Kolonialstrafrecht, S. 281 ff.), dem Kriegs- (ders., Strafrecht des 1. Weltkrieges, S. 300) und dem NSStrafrecht (ders., Analogieverbot, S. 305 f., 333 ff.; ders., NS-Strafrecht, S. 366 ff.). Dadurch werden wichtige Unterschiede eingeebnet. Vormbaum, in dessen Deutungen der Einfluß Nauckes klar zu erkennen ist (vor allem Einführung, S. 32 ff., 37), zeigt indes mehr Verständnis für das Anliegen der Aufklärungsjuristen und versteht sie weitgehend im hier vertretenen Sinne, vgl, Einführung, S. 34: die Mächtigen hörten am ehesten auf Zweckmäßigkeitsargumente.

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der Rechtsguts- oder der Rechtsverletzungslehre bedienen, sie muss die ganzen Fortschritte, die man tatsächlich mittels konsequentialistisch begründeter Argumente erreicht hat, entweder verkennen oder negativ uminterpretieren.1224 Das zweite Problem ist ferner, dass sie an der Oberfläche stecken bleibt, weil sie nicht das Charity-Principle anzuwenden sucht. Sie erkennt richtig, dass zwischen konsequentialistischer Begründung und absoluter Schranke immer eine Lücke bleibt, fragt sich aber nicht, wieso scharfsinnige Denker beide vertreten konnten und insbesondere nicht bereit waren, an der Absolutheit der Schranke trotz der häufig unübersehbaren brüchigen und lückenhaften Begründung festzuhalten. Die naheliegendste Erklärung dürfte deshalb eine dritte sein, die sich, wie die zweite auch, auf politischer Ebene bewegt, aber gleichzeitg von Ehrfurcht und Bewunderung vor den Bemühungen unserer liberalen Tradition getragen ist. Man hat immer wieder versucht, absolute Schranken auf indirekte Zweckverfolgungen zurückzuführen, weil die Sprache der Zwecke die Sprache der Macht, die Sprache der Staatsräson ist. Im Grunde haben wir es mit einer Instanz des alten Problems zu tun, dass der Philosoph kein König ist, dass Wissen und Macht nur äußerst selten in derselben Person vereint sind. Die Tatsache, dass man als Philosoph kein König ist, muss man genau so hinnehmen wie die Tatsache, dass der König nicht zum Philosophen wird. Nun versucht man als drittbeste Alternative, den König zu beeinflussen, ihn davon zu überzeugen, dass er das, was der Philosoph sagt, in seinen Entscheidungen zumindest mitberücksichtigen muss. Den Weg zu dieser Beeinflussung sieht man seit Platon in der Sprache der Zwecke. Das dürfte der tiefere Grund sein für die unter Strafrechtlern als fortschrittlich geltende Redeweise von der „Rationalisierung“ des Strafrechts, wobei man unter „Rationalisierung“ nichts anders, als effektive Zweckverfolgung versteht. Der Philosoph verspricht dem König, dessen Machtausübung rationaler, effektiver zu machen. Das, was die eben abgelehnte zweite Interpretation übersieht, ist, dass der Philosoph sein Selbstbild als nur der Wahrheit verpflichteter Philosoph dadurch nicht zu verraten glaubt. Er befindet sich vielmehr in derselben Situation wie der große Schriftsteller, der ein Buch für Kinder schreiben will und dabei glaubt, einiges einfacher formulieren, anderes sogar weglassen zu müssen, um nicht die Aufnahmefähigkeit der Adressaten überzubelasten und dadurch den Anschluss zu ihnen völlig zu verlieren. Die hiesige Erklärung verschafft auch Zugang zu der eigentlich problematischen Dimension des herrschenden konsequentialistischen Reduktionismus. Man könnte zunächst fragen, ob in einer Welt, in der es keine wirklichen Könige mehr gibt, sondern nur das Parlament, es tatsächlich noch sinnvoll ist, den philosophischen Ratgeber des Königs spielen zu wollen. Entspricht die Ar1224

So auch die postmoderne Aufklärungskritik, s. oben D. II. 2. (S. 325 ff.).

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gumentation, die Feuerbach bzgl. des Gesetzlichkeitsprinzips entwickelt, nicht einem Muster, das in heutiger Zeit, in der Monarchien durch parlamentarische Demokratien weitgehend abgelöst sind, nicht mehr passt? Kann der Wissenschaftler nicht vor dem Parlament auf die Sprache des Vorteilhaften verzichten und sich bloß der Sprache des Richtigen bedienen? Es gibt vieles, was für die parlamentarische Demokratie spricht. Eines spricht aber nicht für sie, wie wir sie empirisch kennen, und das ist, dass ihre Entscheidungen überhaupt rationaler getroffen werden als die einer Monarchie.1225 Wenn der Hinweis auf das Vorteilhafte schon als notwendig angesehen wurde, um den Anschluss zum König sicher zu stellen, dann scheint das erst recht so zu sein in einer Gesellschaft, in der die große Masse die Macht besitzt und dabei womöglich noch nicht einmal bereit ist, nach dem Vorteilhaften zu streben. In einer Demokratie gewinnt die Sprache der Zweckmäßigkeit in aller Regel eine zusätzliche moralische Rechtfertigung, die ihr in guten Monarchien fehlt, nämlich die, wonach die Masse viel gefährlicher ist, wenn sie ihre Macht nur nach ihren Leidenschaften und nicht nach Zweckmäßigkeitsüberlegungen ausübt. Das Problem liegt woanders, einerlei, ob der König ein König oder ein demokratisches gewähltes Parlament ist. Es liegt in der Eigendynamik der Staatsräson. Die Sprache der Macht, durch die man den König zu verführen suchte, ist selber mächtig und kann einen selbst verführen. Das ursprüngliche Anliegen, den König durch überlegenes Wissen zu lenken, geht unmerklich verloren, und irgendwann fängt man an, nach denselben Maximen zu handeln, die der König seit ehedem befolgte. Auch Feuerbach bietet einen Beleg dafür an: Die Abschreckungstheorie, die dem König die Vorteile der Strafgesetzlichkeit klar vor Augen führen sollte, begründete auch harte Strafen. Die Rechtsverletzungslehre, die den Individualamoralismus und seine Vorteile verdeutlichen sollte, führte zur allgemeinen Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen nach dem BayStGB. Der Philosoph begeht den naiven Fehler, die Macht zu unterschätzen, sie nur in ihrer physischen Dimension wahrzunehmen und dabei zu übersehen, dass sie zuerst klug sein musste, bevor sie mächtig wurde. Also erweist sich die Sprache der Zweckmäßigkeit nur von zweifelhafter Zweckmäßigkeit, wenn es darum geht, die Staatsmacht davon zu überzeugen, dass sie sich bändigen soll. Aber das tiefere Problem liegt nicht darin, dass die Sprache der Macht von zweifelhafter Wirksamkeit ist. Das eigentliche Problem ist vielmehr, dass der Philosoph, der sich allein der Sprache der Macht bedient, seiner eigentlichen Berufung, seinem Dienst am Richtigen, nur zur Hälfte entgegenkommt. Denn es reicht nicht aus, dass der König nur deshalb das Falsche unterlässt, weil das

1225 Und das entgegen einiger Varianten des Modells der sog. deliberativen Demokratie, wonach die Demokratie deshalb vorzugswürdig sei, weil das in ihr verkörperte freie Deliberationsverfahren die relativ größte Wahrscheinlichkeit eröffne, dass man zur Wahrheit komme (so z. B. Misak, Truth, Politics, Morality, S. 155).

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vorteilhaft ist, wie ihn der Philosoph – sei es auch mit guten Absichten – belehrte. Erhebt man den Anspruch, als König im Namen aller zu sprechen, dann ist man daran gebunden, das Richtige aus den richtigen Gründen zu tun. Der Philosoph, der den König davon zu überzeugen versucht, dass dieser nicht schon an das Richtige, sondern nur an das Vorteilhafte gebunden ist, dass es im Grunde deshalb nicht so schwer ist, das Richtige zu tun, verhält sich wie der große Schriftsteller, der seine Kinderbücher so schreibt, dass seine Leser sich beim Lesen nur vergnügen, und sich dabei denkt, es sei besser, dass die Kinder überhaupt lesen. Der Schriftsteller sollte sich genauso wenig wundern, wenn sich seine Leserschaft angenehmeren Beschäftigungen zuwendet und kaum je wieder ein gutes Buch aufschlägt, wie sich der Philosoph wundern sollte, wenn der König gerade dort, wo sich das Richtige und das Vorteilhafte nicht decken, das letztere bevorzugt. Der Philosoph, der nur die Sprache der Macht spricht, vernachlässigt wie jener Schrifsteller seinen Bildungs- und Aufklärungsauftrag. Der Schriftsteller erkennt seinem Leser das Recht zu, sich nur schnell zu vergnügen und ewig ein Kind zu bleiben, der Philosoph erkennt der Macht das Recht zu, nur nach Vorteilen zu suchen und ewig nur Macht zu bleiben. Der Auftrag des Philosophen ist hier, klar darauf zu bestehen, dass Macht kein Recht schafft, dass das Recht nicht nur Vorteilhaftes verlangt und dass man sich als Macht schämen sollte, nur Macht, und kein Recht zu sein. *** Die Frage nach dem Lebendigen und dem Toten in Feuerbachs Straftheorie ist deshalb in dem Sinne zu beantworten, dass die Theorie lebendiger ist, als es sich ihr Schöpfer je hätte denken können. Denn gerade die Prämissen, die implizit das zentrale Ergebnis seiner Argumentation tragen, nämlich die Strafgesetzlichkeit als ein kategorischer Imperativ, und die er nicht klar hat aussprechen können – diese Prämissen, wonach es kategorische, allein gerechtigkeitsbezogene Imperative gibt, die sich nicht auf hypothetische Forderungen der Klugheit zurückführen lassen und die den im Namen des Bürgers sprechenden Staat binden, erweisen sich als das Wertvollste, was Feuerbach uns gerade durch sein heroisches Scheitern lehren kann.

Zusammenfassung 1. Feuerbachs Theorie (B. I.) vom psychologischen Zwang ist als ein Bündel konkreterer Theorien zu verstehen. Sie enthält eine Theorie vom Begriff der Strafe (Zufügung eines Übels wegen einer Rechtsverletzung); eine Theorie vom Zweck der Strafandrohung (allgemeine Abschreckung); eine Theorie vom Zweck der Strafzufügung (Bestätigung der Wirklichkeit der Androhung); eine Theorie vom Rechtsgrund der Strafandrohung (keine Rechte werden dadurch angetastet) und vom Rechtsgrund der Strafzufügung (vor allem die Einwilligung des Verbrechers in die Bestrafung). Feuerbach leitet aus seinen straftheoretischen Annahmen wichtige Konsequenzen ab: das Gesetzlichkeitsprinzip, seine Lehre vom strafbaren Verhalten (Rechtsverletzungen), seine Verbrechenslehre und darin vor allem seinen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsbegriff, seine Strafzumessungslehre und das von ihm vertretene Sanktionensystem. 2. Ein klassischer Streit in der Feuerbach-Forschung kreist um die Frage nach dem Verhältnis Feuerbachs zu Kant (B. II.). Die tragende Prämisse des Streits, nach der die Philosophie Kants nur Raum für eine einzige Straftheorie habe, wird hier in Frage gestellt. Im Ergebnis heißt es, sowohl die Straftheorie Feuerbachs, als auch die Straftheorie Kants seien „Kantsche“ Straftheorien. 3. Einhellig wird angenommen, Feuerbachs Psychologie (B. III.) gehe vom Modell eines rational-kalkulierenden Täters aus, eine Lesart, die die Arbeit auf mehreren Ebenen zu widerlegen versucht. Vielmehr steht Feuerbach auf dem Boden der anti-rationalistischen Assoziationspsychologie. 4. Im rechtsphilosophischen Abschnitt werden zwei grundlegende Fragen behandelt: die Unterscheidung von Recht und Moral und die Selbstzweckhaftigkeit des Menschen. Feuerbach vertrat eine strikte Trennung von Recht und Moral (C. II.), aus der er viele seiner strafrechtlichen Positionen, wie z. B. seine Ablehnung der Vergeltungstheorie, ableitete. Die Arbeit bemüht sich um eine differenzierende Position, nach der Erfordernisse der Moral dann relevant sind, wenn es um die Bewertung staatlichen Verhaltens geht, nicht aber hinsichtlich bürgerlichen Verhaltens. Diese für den Staat verbindlichen Erfordernisse der Moral sind deontologisch (und nicht konsequentialistisch) nach dem Modell der von Nozick beschriebenen „side constraints“ zu konzipieren. 5. Das zweite im rechtsphilosophischen Teil behandelte Thema ist die Begründung und vor allem die Konkretisierung des Verbots, einen Menschen als bloßes Mittel zu gebrauchen [sog. Instrumentalisierungsverbot (C. III.)]. Es

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wird dargelegt, dass man auf den topos nicht verzichten darf, und zu seiner Konkretisierung wird ein komplexes Argumentationsverfahren vorgeschlagen. Dieses berücksichtigt vor allem das Betroffensein eines grundlegenden Aspekts menschlicher Existenz, und verlangt eine genaue Beschreibung und Ausarbeitung der Dimensionen, in denen dieser durch eine bestimmte Handlung negiert wird. Konsequentialistische Überlegungen dürfen hier erneut keine Rolle spielen. Anschließend wird das Instrumentalisierungsverbot in mehreren einzeln verbotenen Behandlungsformen spezifiziert, vom Verbot der Todesstrafe bis zum Verbot des Täter- und Gesinnungsstrafrechts. 6. Mit dem umfangreichen strafrechtsphilosophischen Teil ist der eigentliche Kern der Arbeit erreicht (D.). Eine Straftheorie wird als Inbegriff der Bedingung legitimer Strafen definiert. Sie ist eine normative Theorie, die jeder Stellungnahme über die Strafe zumindest stillschweigend zugrunde liegt (D. I. 2.). 7. Die abolitionistische These, wonach das Strafrecht illegitim sei und sich deshalb Überlegungen zur Straftheorie nicht lohnten, wird nach der Einführung mehrerer Differenzierungen in Frage gestellt (D. I. 3.). 8. Die Straftheorie ist formell zweigliedrig aufzubauen: Als erster legitimierungsbedürftiger staatlicher Eingriff ist die Strafandrohung zu nennen, als zweiter die Strafzufügung, die deshalb nach dem Vorbild Feuerbachs durch unterschiedliche Überlegungen gerechtfertigt werden müssen [D. I. 4. a)]. Dementsprechend spielen materiell bei Legitimierung der Strafe auch zwei Sorten von Erwägungen eine Rolle: konsequentialistische und deontologische Gründe, m. a.W. Zwecke und Schranken [side constraints, D. I. 4. b)]. 9. Der nullum-crimen-Satz wird entgegen Feuerbach nicht konsequentialistisch aus der Abschreckungstheorie abgeleitet, sondern deontologisch als eine Komponente der Bändigung und Zivilisierung von Herrschaft begriffen [D. I. 4. c)]. 10. Der Begriff der Strafe wird klar von ihren Rechtfertigungsvoraussetzungen getrennt (D. II. 1.). Die Arbeit versucht den Streit um den Begriff der Strafe auf methodischer Ebene zu lösen, indem sie ein neues Prinzip, den sog. „methodischen Pessimismus“, postuliert. Demnach ist bei der Bestimmung des Gegenstandes einer Rechtfertigungstheorie darauf zu achten, dass die Merkmale, die das Rechtfertigungsbedürfnis begründen, nicht unterschlagen werden. Die Strafe wird aus pessimistischer Perspektive definiert als vom Staat verhängtes, besonders schweres Übel körperlicher oder kommunikativer Art, als objektive Reaktion auf eine angenommene Straftat. Innerhalb des kommunikativen Übels wird zwischen einer deklaratorischen und einer konstitutiven Missbilligung differenziert: Erstere sei schon dann gegeben, wenn der Staat die Begehung einer Straftat durch eine Person verbindlich feststellt, während die Zweite einen über diese Feststellung hinausgehenden Vorwurf beinhalte. Da bereits die

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deklaratorische Missbilligung rechtfertigungsbedürftig ist, reicht sie für den Strafbegriff aus. 11. Feuerbachs Rechtsverletzungslehre wird mit ihrer wichtigsten heutigen Konkurrentin, der Rechtsgutslehre, verglichen (D. II. 2.). Vor allem das beliebte rechtsgeschichtliche Argument, sich auf das Erbe der Aufklärung zu berufen, wird entkräftet, da sich sowohl Kontinuitäten als auch Diskontinuitäten feststellen lassen. Auch die verbreitete Idealisierung der Aufklärung als goldenes Zeitalter wird in Frage gestellt. Der Beitrag beider Lehren zur Liberalisierung des Strafrechts wird als bescheiden eingeschätzt, weil Lehren, die den Gegenstand strafrechtlichen Schutzes bestimmen, konsequentialistische Struktur haben, und es nicht möglich ist, deontologische Schranken wie ein Moralismusverbot auf konsequentialistische Erwägungen zurückzuführen. Beide Theorien sind nach alledem gleich liberal, so dass die herrschende Rechtsgutslehre aus pragmatischen Gründen vorzuziehen ist. 12. Beim Zweck der Strafandrohung (D. II. 3.) wird zwischen einem psychologischen und einem funktionalen Abschreckungsbegriff unterschieden [D. II. 3. b)]. Ersterer versteht unter Abschreckung die „Hervorbringung von Furcht“, der Zweite geht mehr von der liberalen Intuition aus, die es dem Staat verbietet, seine Bürger durch Strafe moralisch zu lenken. Abschreckung ist demnach das Vorgeben eines Klugheitsgrundes, damit sich jemand in einer gewissen Weise verhalte. Das vorgeschlagene Abschreckungsmodell setzt nur eine äußerst sparsame Psychologie voraus, deren ganzer Inhalt sich in der Annahme erschöpft, dass Gründe zu Motiven werden können. Im Anschluss an Feuerbach wird Abschreckung als Zweck der Strafandrohung verstanden [D. II. 3. c)]. Empirische Einwände werden aus der Perspektive des hier sog. „alltäglichen Realismus“ entkräftet, der behauptet, das Recht fuße auf der sozialen Wirklichkeit, wie sie auch im Alltag erlebt werde, so dass den Sozialwissenschaften kein Monopol über die Bestimmung der Reichweite des Wirklichen zukommen könne. Im Alltag findet nämlich die Annahme, dass Gründe zu Motiven werden können, weitgehende Bestätigung [D. II. 3. d)]. Einige der gängigen normativen Einwände sind dagegen ernst zu nehmen. Die Übereinstimmung von Abschreckung und Proportionalität ist höchstens eine empirisch-kontingente, so dass keine reine, sondern eine deontologisch eingeschränkte Abschreckungstheorie vertreten werden kann [D. II. 3. e)]. Die positive Generalprävention wird deshalb abgelehnt, weil sie eine Form der Erziehung durch Zwang und Strafe ist, so dass im Grunde dasselbe Argument, das man gegen die zwangsweise Resozialisierung erheben kann, hier einschlägig wird [D. II. 3. f)]. 13. Auch der Zweck der Strafzufügung (D. II. 4.) wird nach dem Vorbild Feuerbachs bestimmt. Die von Feuerbach vertretene „Kategorizität“ der Strafzufügung ist aber keine Folge von Abschreckungsanforderungen, sondern der Strafgesetzlichkeit. Aus Feuerbachschem Gedankengut führt kein Weg zum moder-

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nen, flexiblen und opportunitätsdurchtränkten Strafrecht – was keine Schwäche, sondern ein Vorzug der Theorie ist [D. II. 4. a)]. Auch die dunkle Kategorie der Dunkelziffer, deren argumentativen Gehalt die Arbeit näher untersucht, ändert nichts an diesem Befund [D. II. 4. b)]. Im Gefolge Feuerbachs werden sowohl die Resozialisierung als auch die Unschädlichmachung abgelehnt. Erstere verträgt sich weder mit der Gesetzlichkeit noch mit der Autonomie der Bürger ([D. II. 4. c)], letztere weder mit dem Reaktionscharakter der Strafe, noch mit dem Gesetzlichkeitsprinzip ([D. II. 4. d)]. Die positive Generalprävention wird erneut, diesmal als Strafzufügungszweck, abgelehnt [D. II. 4. e)], so dass sich die Arbeit am detailliertesten mit der vielfach für überholt gehaltenen Vergeltungstheorie befasst [D. II. 4. f)]. Die Klarheit der Diskussion soll durch die Einführung einiger zum Teil vergessener Unterscheidungen gesteigert werden. Trotzdem bietet keine Vergeltungstheorie – auch nicht die Variante, die von der Wiederherstellung des gestörten Anerkennungsverhältnisses ausgeht – eine gangbare Alternative an. 14. Beim sog. Rechtsgrund der Strafandrohung (D. II. 5.) ist Feuerbachs Argumentation, nach der niemandes Rechte durch Strafandrohungen berührt werden, aus mehreren Gründen abzulehnen, vor allem aber, weil sie kaum deontologischen Gehalt aufweist. 15. Zuletzt setzt sich die Arbeit mit dem von Feuerbach vorgeschlagenen Rechtsgrund der Strafzufügung, also mit seiner Lehre, nach der der Verbrecher in die eigene Bestrafung einwillige, m. a.W.: mit seinem Schuldbegriff, auseinander (D. II. 6.). Hinter dieser Lehre steht das liberale Anliegen, vom Täter keine Rechtskonformität aus moralischen Gründen zu verlangen, sondern sich schon mit Konformität aus Klugheit zu begnügen. Die Bezeichnung als Einwilligung stellt aber eher einen missglückten Versuch, diesen Befund auszudrücken, dar, so dass ein neuer Schuldbegriff im Feuerbachschen Geiste vorgeschlagen wird: Schuld ist als strafbezogene Unklugheit zu verstehen. 16. Die Gesamtwürdigung (E. I.) der Theorie Feuerbachs fällt erwartungsgemäß differenziert aus. Die Theorie ist in ihrer formalen Struktur bis heute unübertroffen, in ihren inhaltlichen Annahmen dagegen vielerlei ergänzungsbedürftig. Ihr Hauptfehler ist es aber gewesen, die Strafgesetzlichkeit, eine deontologische Schranke, konsequentialistisch begründen zu wollen. Es stellt sich deshalb die Frage, warum derartige konsequentialistische Begründungen von Deontologischem so häufig in der Strafrechtswissenschaft der letzten 200 Jahren wiederkehren – warum sagt man etwa, die Todesstrafe dürfe nicht sein, weil sie nicht abschrecke, die Folter dürfe nicht sein, weil sie nicht zur Wahrheitsfindung tauge, übermäßige Strafen dürften nicht sein, weil sie desintegrierend wirkten usw., statt dass man sich einer deontologischen Sprache bedient. Grund für diese immer wieder zu treffende Argumentationsstruktur ist vermutlich, dass die Strafrechtswissenschaft durch zweckorientierte Sprache kommunikativen

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Anschluss zu den Machthabern sucht – wie der Philosoph zum König – denn die Sprache der Zwecke ist die Sprache der Macht und Staatsräson. Nur kann diese Sprache die wahren Gründe, die die liberale Tradition zur Postulierung absoluter Schranken bewegt haben, nicht wiedergeben. Die Strafjuristen sollten deshalb aufhören, Deontologie auf Konsequentialismus zurückzuführen, weil sie sich dadurch in der Eigendynamik der Staatsräson verfangen, die vor allem dazu führt, Unverfügbares verfügbar zu machen.

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Sachwortverzeichnis Abolitionismus 207 ff. (Beurteilung), 425 ff. (Dunkelziffer), 445 Fn. 1003, s. auch Anarchismus, Dunkelziffer Abschreckungstheorie, s. Generalprävention, negative, s. Generalprävention, durch Zufügung Absprachen, prozessuale 422 abstrakte Gefährdungsdelikte 197 (und italienische Strafrechtsdogmatik), 338 ff. (und materieller Verbrechensbegriff) Abwägung 136 f., 199 f., s. auch Deontologie, Konsequentialismus, Schranken Agent provocateur 430 Alltagssprache 38, 274 f. (Feuerbachs Methode), 278 ff. (Beurteilung) Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuchs 250 (und Schuld als Schranke), 251 (Notwendigkeit der Strafe), 283 (Strafbegriff), 313 (und Rechtsgutstheorie), 416, 444 (und Resozialisierung), 459 (und Vergeltungstheorie) Analogieverbot 268 – bei Feuerbach 53 Anarchismus 129 Fn. 78, 131, 173 f., 213 ff., 499 Androhung s. Strafe, Androhung der Anerkennungsverhältnis 474 ff. Apriori 133 f., 151 ff., 155 ff., s. auch Schranken, Apriorizität der Assoziationspsychologie 98 ff. Aufklärung – und Auslegungsverbote 425 Fn. 935 – und Geschichtsfeindlichkeit 22 Fn. 11 – und Rationalismus 89 ff. – und Liberalismus 322 ff.

– und Szientismus 105 ff. Auslegungslehre bei Feuerbach 52 f. Autonomie 124 ff., s. auch Deontologie und individuelles Verhalten Bagatellstraftaten 353 f., 424 f. Begriffsjurisprudenz 213 Fn. 42 (begrifflicher Abolitionismus), 276, 279, s. auch Etikettenschwindel, methodischer Pessimismus Bestechungsdelikte 337 f. Betrug 126 f., 476 Bettiol 117, 468 Biographisches zu Feuerbach 31 f. Delicta extraordinaria s. natürliche Verbrechen Deliktsstruktur 306 Fn. 437, 347 ff. Demokratie 160 (und Pluralismus), 192 (und Instrumentalisierungsverbot), 257 f. (und Strafgesetzlichkeit), 514 (und Staatsräson) Deontologie – Begriff 120 Fn. 62 – bei Kant 85 ff. – und Moralbegriff 120 f. – und Verhalten des Individuums 122 f., 126 ff., 190 – und Verhalten des Staates 128 ff., 168, 177 ff., 192 f., 264 ff. s. auch Instrumentalisierungsverbot, Konsequentialismus, Rechtsgrund, Schranken, Diversion 422 Drogenbesitz 125 f., 126, 346 ff., 430 Dunkelziffer 422, 425 ff.

Sachwortverzeichnis Ehre – und Beleidigungen im engsten Familienkreis 350, 484 – als Rechtsgut S. 126 f. Fn. 73, 190 Fn. 322, 476 Ehrenstrafe 72, 73, 190 Einwilligung – bei Beccaria 183 ff. – Beurteilung 140 f., 231, 484 ff. – bei Feuerbach 46 f., 52 – als Rechtfertigungsgrund und die guten Sitten 170 Fn. 27 – bei Köstlin 440 s. auch Schuld, Rechtsgrund der Strafzufügung Empirie s. Straftheorie und Empirie Entwurf 1962 118, 346 (Bestrafung der Homosexualität), 238 ff., 283 (Strafbegriff), 292 Fn. 385 (u. objektive Bedingungen der Strafbarkeit), 296 (schuldübersteigernde Strafen) Essentialismus 149 ff., 195 ff., 280 ff. Etikettenschwindel 213 Fn. 42 (und Abolitionismus), 276 f., 288, 302, 450 Fahrlässigkeit 64 f. Feindstrafrecht 68 Fn. 233, 330 f. (und Aufklärung), 167 (und Instrumentalisierung), 175 (und Verwirkung), 251 Fn. 208 (und Notwendigkeitsargumente) Feminismus 125 Fn. 67 (und Bestrafung der Freier), 160 (und Pluralismus), 226 Fn. 83 (und Abolitionismus), 310 f., 348 f. (und Pornographie) Ferrajoli 141, 324, 355 Fleischesverbrechen s. Sittlichkeitsdelikte Folter 69 Fn. 240 (Aufhebung in Bayern), 133 f. (apriorisches Verbot), 131 ff., 179 Fn. 290, 233 (ausnahmeunfähiges Verbot), 134 f. (Unterlassungspflicht), 140 f., 231 f. (bei Beccaria), 140 f., 186 (bei Feuerbach), 153 ff., 179, 201 (Verbot der Folter als Beispiel echter moralischer Erkennt-

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nis), 176 Fn. 282 (u. Verwirkung), 186 (Begriff), 200 f. (und Verfassung), 329 (bei Chr. Wolff) Freiheit – als Staatszweck 35 f., 40 – und Determinismus 41 ff., 77 ff., 81 ff., 104 f., 105 f., 368, 501 f. – als Maßstab der Zurechnung bzw. Schuld 65 ff., 77 ff., 81 ff., 109 s. auch Schranken Freiheitsstrafe 188 f. – lebenslange 187 f. Funktionalismus s. Konsequentialismus Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege 137, 471 f. Generalprävention – durch Strafzufügung 45 f., 69 f., 161, 420 ff. – negative – Begriff 356 ff., 361, Begründung 357 ff., 362 ff., Einwände 363 ff., 377 ff., Liberalität 357 ff., und Menschenbild 41 ff., 87 ff., 378 ff., und Proportionalität 381 ff., und Psychologie 44 f., 87 ff., 98 ff., 356 ff., 360, 362, 369 f. – bei Feuerbach 34 ff. – positive 240 (als Versöhnung von Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit), 283 f. (und Strafbegriff), 396 ff. (als Strafandrohungszweck), 453 ff. (als Strafzufügungszweck), Gesetzlichkeitsprinzip – Begründung 253 ff. – bei Feuerbach 49 ff., 253 – und Spezialprävention 441, 451 – und Strafprozessrecht 422 ff. s. auch Analogieverbot, Legalitätsprinzip, Staatskriminalität, Verjährung, Glaukons Frage 16 f., 142 f., 510 ff. Große Strafrechtskommission s. Entwurf 1962 Grundrechte 136 f., 141 f., 197, 199 f., 229

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Sachwortverzeichnis

Habermas 148, 152 Harm-principle 112, 305, 306 Fn. 437 Hegel-Schule 104, 104 Fn. 450 (gegen die Psychologie Feuerbachs), 236 f. (Versöhnung von Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit), 283 f., 285 (Strafbegriff), 321 Fn. 506 (Ablehnung der Rechtsverletzungslehre), 409 ff. (und positive Generalprävention), 440 f. (und Resozialisierung) Heiligkeit des Lebens 127 Hirnforschung 368, s. auch Willensfreiheit Höffe 142, 195 Hoerster 148, 152 Homo noumenon 41 ff., 169 ff. Homosexualität 118 Fn. 58, 126, 346, 347 f., s. auch Sittlichkeitsdelikte Inselbeispiel 74, 85, 233 f., 239 Fn. 145, 274, 512 Instrumentalisierungsverbot 160 ff. – bei Feuerbach 45, 161 – Inhalt 177 ff. – bei Kant 74, 163 – und Menschenbild 169 ff., 178, 195 f., 378 ff. – und positive Generalprävention 401 f., 455 f. – als Schranke erster Stufe 265 – und Schuldprinzip 505 – und Vergeltungstheorie 461 f. – und Willkürverbot 311 f. s. auch Deontologie, Konsequentialismus, Schranke Integrationsprävention s. Generalprävention, positive Inzest 126, 352, s. auch Sittlichkeitsdelikte Kant – Verhältnis zu Feuerbach 35 ff., 41 ff., 73 ff., 476 ff., s. auch Deontologie,

Instrumentalisierungsverbot, kategorischer Imperativ, Vergeltungstheorie Kategorischer Imperativ – bei Kant 163 – Schranken als ~ 131, 515 – Staatsbegründung als ~ 36 f. – Strafe als ~ 55, 73 f., 83 ff., 458, 476 ff. – Strafgesetzlichkeit als ~ 264 ff. s. auch Deontologie, Folter, Instrumentalisierungsverbot, Kant, Schranke, Todesstrafe; Vergeltungstheorie Klassische Schule 165, 167 (Bindings Ablehnung des Instrumentalisierungsverbot), 237, 241 ff. (Prävention durch Gerechtigkeit), 241 ff., 412 (und Nationalsozialismus), 281 (Strafbegriff), 411 ff., 462 f., 466 (und positive Generalprävention bzw. rechtliche Vergeltung), 438, 444 (und Resozialisierung), 494 f. (und normativer Schuldbegriff) Klugheit – und Abschreckung 357 ff. – Begriff 490 – und Lebensplan 491 ff. – und Schuld 487 ff., 493 s. auch Konsequentialismus Konfiskation 189 Konsequentialismus – Begriff 120 Fn. 62 – Verhältnis zur Deontologie 16 ff. (Einführung), 28 (Anti-Reduktionismus), 136 ff. 140 ff., 252 (Zweck und Schranken), 230 ff. (im Strafrecht), 253 ff. (und Strafgesetzlichkeit), 510 ff. (Schlussbemerkungen) – Regelkonsequentialismus vs. Handlungskonsequentialismus 131 Fn. 85 – in der Staatstheorie 136 – im Strafrecht 231 ff., 512 f. – Vorrang bei Feuerbach 138 ff., 230 f., 503 f. s. auch Deontologie, Folter, Inselbeispiel, Kategorischer Imperativ, Not-

Sachwortverzeichnis wendigkeit der Strafe, Schranke, Todesstrafe, Utilitarismus, Zweck körperliche Züchtigung s. Leibesstrafe Kriminologie, kritische, s. Abolitionismus, s. auch Straftheorie und Empirie Labelling approach 225 Fn. 83, s. auch Abolitionismus, Dunkelziffer Lebensplan 190, 491 ff. Leibesstrafe 72, 73, 186 f. Legalitätsprinzip 422 ff. Liberalismus 23, 27, 178 f. (Autorität der liberalen Tradition), 111 ff., 313 f., 343 ff. (und Sittlichkeitsdelikte), 124 ff. (und Individualamoralismus), 183 f. (und unverfügbare Rechte), 250 ff. (und Notwendigkeit der Strafe), 296 (und Misstrauen zum Staat), 322 ff. (und Aufklärung), 333 ff. (und Rechtsgutsoder Rechtsverletzungslehre), 356 ff. (und Abschreckungsbegriff), 382 ff. (und Proportionalität), 403 ff. (und positive Generalprävention), 443 ff. (und Resozialisierung), 487 ff., 495 ff., 500 f. (und Schuldbegriff) Lockspitzel s. agent provocateur Logischer Empirismus 145 ff., 149 f. Mala in se s. natürliche Verbrechen Mangel am Tatbestand 53 Maßregel 301 ff., 450 Mauerschützen s. Staatskriminalität Menschenbild, s. Aufklärung und Rationalismus, Generalprävention – negative, Instrumentalisierungsverbot, Nationalsozialismus Menschenwürde s. Instrumentalisierungsverbot Metaphysikkritik 148 ff., s. auch Apriori Methode – historisch-analytische 21 ff., 203, 252, 265, 269, 511 ff. – Pessimismus als 287 ff. s. auch Alltagsprache

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Milderungsrecht 54 ff., 273 f., 331, 386, 422, s. auch Kategorischer Imperativ, Strafe als ~ Missbilligung 190, 298 f., 303, 494, 500 f. – und Strafbegriff 282 ff., 297, 298 f., 303 s. auch Generalprävention – positive Moderne Schule 231, 251, 353 (Liszts Zweckdenken), 243 (Grünhuts Ablehnung des Nationalsozialismus), 251 (und Notwendigkeit der Strafe), 272 (Gesetzlichkeit als magna charta), 281, 283 (Strafbegriff), 323, 331 (und Aufklärung), 413 (und Schulenstreit), 413 f., 416 (und positive Generalprävention), 416, 443 ff. (und Resozialisierung), 449 (und Unschädlichmachung), 459 (und Vergeltungstheorie), 494 (und normativer Schuldbegriff), 494, 497 (und Gesinnungsschuld) Moral s. Trennung von Recht und Moral Nationalsozialismus 113 ff., 312, 316 (und Moralismus, Rechtsgutslehre bzw. Pflichtverletzung), 221 (und Selektivität), 241 ff. (und Konsequentialismus), 241 ff., 412 (und Klassische Schule), 255 f. (und Strafgesetzlichkeit), 323 (und Aufklärung), 380 (und Menschenbild), 381 (und Abschreckung), 414 f. (und positive Generalprävention), 444 f. Fn. 1002 (und Resozialisierung), 497 (und Gesinnungsschuld) Natur der Sache s. Essentialismus Naturrecht 58 f., 194 ff., 206 f., 308 ff., s. auch Verfassungsrecht natürliche Verbrechen 49 ff., 308, 479 f. Naturzustand s. Staatstheorie Nebenzwecke 47 f., 69, 435 Fn. 957, 447 f. Nonkognitivismus 143 ff., 194, 210 „nothing works“ 442 Nötigung und Gewaltbegriff 260, 294 Notstand, entschuldigender 507 f. Notwehrexzess 393, 508 f.

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Sachwortverzeichnis

Notwendigkeit der Strafe 250 f., s. auch Konsequentialismus objektive Bedingungen der Strafbarkeit 291 ff. objektive Zurechnung 350, 483 f. Öffentlichkeit der Strafzufügung 69, 70, 190, 447 ökonomische Analyse des Strafrechts 95 Fn. 398, 221 Fn. 72, 246 Fn. 181, 354, 360, 365, 386 f. Opportunitätsprinzip 422, s. auch Legalitätsprinzip Ontologie s. Essentialismus Pessimismus, methodischer 287 ff. Pflichtverletzungslehre 113 f., 312 Platon 142 f. (Glaukons Frage), 284 (Strafe als Medizin der Seele) Pluralismus 158 ff. Poena extraordinaria s. Milderungsrecht Pönitentiartheoretiker 104, 285, 296, 439 f., 443 Polizeidelikte s. Sittlichkeitsdelikte Pornographie 123, 160, 310 f., 348 f. praktische Konkordanz s. Abwägung, Grundrechte Privatsphäre 200 Fn. 357, 349 ff., 482 ff. Proportionalität 68, 267, 381 ff., 442, 482 Prostitution 125, 126, 346 Psychologie – alltägliche 107, 359 f., 360, 369 ff. – kognitive 106, 369 s. auch Generalprävention, negative, und Psychologie, Assoziationspsychologie, psychologische Zwangstheorie – Rezeption 48 – Darstellung 34 ff. – Konsequenzen 49 ff. – Zusammenfassung 49, 202, 516 s. auch Generalprävention, negative

Rational-choice Modell s. Generalprävention, negative, und Psychologie Räuberbande 128 ff., 265 ff., 311 f. Rawls 130, 141 f., 148, 152, 195, 245, 269 Rechtliches Gehör 192 Rechtsgrund 40, 46, 138 ff., 478 ff. – der Strafandrohung 46 (bei Feuerbach), 139, 478 ff. (Beurteilung) – der Strafzufügung 46 f. (bei Feuerbach), 140, 484 ff. (Beurteilung) Rechtsgutslehre 111 f., 303 ff. – u. kollektive (Schein-)Rechtsgüter 293 f., 314, 333 ff. Rechtspositivismus s. Naturrecht Rechtsverletzungslehre – bei Feuerbach 56 ff. – Beurteilung 303 ff. Regelbeispiele 290 f. Resozialisierung 435 ff. Schranke 131 ff., 230 ff., 248 ff., 264 ff., 274, 349 ff. – Apriorizität 133 f., 155 ff. – Ausnahmslosigkeit 132 ff., 274 – Begriff 136, 252 – Bezeichnung 136, 138 – Gesetzlichkeit als ~ 264 – Proportionalität als ~ 384 ff., 482 – Schuld als ~ 503 ff. – als unverfügbare Rechte 183 f. – als Unterlassungspflichten 134 ff. s. auch Deontologie, Konsequentialismus, Rechtsgrund, Zweck Schuld 43 f., 46 f., 484 ff. – Begriff 490 – und Prävention 246 f., 499 f., 503 ff. – und Verantwortlichkeitslehre Roxins 247 ff., 505 s. auch Einwilligung, Freiheit, Klugheit, Rechtsgrund der Strafzufügung, Schranke, Strafzumessung, Willensfreiheit Schuldfähigkeit 506 f.

Sachwortverzeichnis Scuola Positiva 115 f. Sicherungsverwahrung 213 Fn. 42, 277 f., 301 f. side constraints s. Schranke Sittlichkeitsdelikte 56 f. (bei Feuerbach), 111 f., 313 f. (und Rechtsgutslehre), 343 ff. (Stellungnahme), s. auch Drogenbesitz, Homosexualität, Inzest, Privatsphäre, Prostitution Sowjetisches Strafrecht 116 f. Sozialschädlichkeitslehre Amelungs 305 Fn. 437 Sozialvertrag 34 ff. (bei Kant und Feuerbach), 184 (und Beccarias Kritik an der Todesstrafe), und 503 (Schuld als Unklugheit), s. auch Staatstheorie Spezialprävention s. Resozialisierung, Unschädlichmachung Staatsräson 114 ff., 495, 513 ff. Staatskriminalität 198, 271 f., 273 Staatstheorie – Begriff 138, 203 – bei Feuerbach 35 ff. – bei Kant 86 f. – und Legitimitätstitel des Staates 128 ff., 265 ff. – und Vorbedingungen der Strafe 216 f., 434 Strafbarkeitsbewusstsein 60, 62 f., 487 f., 508 Strafe – Androhung der ~ s. Zweck der Androhung, Rechtsgrund der Androhung – Begriff der ~ 38 ff. (bei Feuerbach), 274 ff. (Beurteilung), 303 (Zusammenfassung) – als Grundrechtseingriff 229, 480 – Vollzug der ~ 69 ff. – Zufügung der ~ s. Zweck der Zufügung, Rechtsgrund der Zufügung Straftheorie – Aufbau 227 ff. – als Inbegriff der Bedingungen legitimer Strafe 203 ff.

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– und Empirie 204, 205 f., 359 f., 365 ff. (alltäglicher Realismus) – und Vorbedingungen der Strafe 216 f., 434 Strafzumessung 65 ff., 77 ff., 81 ff., 109 – bei Feuerbach 65 ff. – und Tatproportionalität 442 Täterstrafrecht 68, 190, 497, s. auch Tugendethik Theodizee 205, 288 Tiefenpsychologie 225 Fn. 83 Todesstrafe 69 (Verhängungsmethode), 70 ff. (Feuerbachs Ansicht und damalige Diskussion), 116 (und Scuola Positiva), 140 f., 181 ff., 232, 449 (bei Beccaria), 167 (bei Klee), 169, 171 f., 183 ff. (und Einwilligungsargument), 180 ff., 233 (Stellungnahme), 241 f. (und Klassiker bzw. Nationalsozialisten), 329 (bei Christian Wolff), 330 f. (bei Hommel), 380 (bei Rousseau), 418 (und positive Generalprävention), 443 f. (und Resozialisierung), 469 (und theologische Vergeltungstheorie). Tötungsverbot und Heiligkeit des Lebens 127 Trennung von Recht und Moral 57, 65 ff., 77 ff., 109 ff., 342 ff., s. auch Deontologie, Konsequentialismus, Schranke Tugendethik 120 Fn. 62 (Begriff), und individuelles Verhalten (123 ff., 190, 490 f., 497), und Staatsverhalten 130 f., s. auch Deontologie, Konsequentialismus, Trennung von Recht und Moral Ultima-ratio Prinzip 268, 512, s. auch Notwendigkeit der Strafe Unklugheit s. Klugheit Unrechtsbewusstsein s. Strafbarkeitsbewusstsein Unschädlichmachung bei Feuerbach 39 (bei Feuerbach), 449 ff. (Beurteilung) Utilitarismus 132 Fn. 85, s. auch Konsequentialismus

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Sachwortverzeichnis

Verbotsirrtum 167, s. auch Strafbarkeitsbewusstsein Verbrechensbegriff, materieller, s. Rechtsgutslehre, Rechtsverletzungslehre, Pflichtverletzungslehre Verbrechenslehre 59 ff. Vereinigungstheorie 237 f., 247, 281, 415 Verfall, erweiterter 278 Verfassungsrecht 58 f., 196 ff., 206 f., 309, s. auch Grundrechte, Naturrecht Vergeltungstheorie 233 ff., 458 ff. – und Anerkennungsverhältnis 474 ff. – bei Kant 73 f., 233 f., 468 – und psychologische Zwangstheorie 476 ff. – und Rache 470 Verhältnismäßigkeit s. Abwägung, Konsequentialismus Verjährung, nachträgliche Fristverlängerung 271, 294 Vermögensstrafe s. Konfiskation

Verwirkung 174 ff., 188 Vorsatz 60 ff., 167 Wesensargumente s. Essentialismus Wesensgehaltslehre 199 Willensfreiheit s. Freiheit und Determinismus Züchtigungsstrafe s. Leibesstrafe zufällige Absichten s. Nebenzwecke Zweck – Begriff 138, 252 – erster und zweiter Ordnung 303 f. – der Strafandrohung 40 ff., 45 (bei Feuerbach), 355 ff. (Beurteilung) – der Strafzufügung 45 (bei Feuerbach), 420 ff. (Beurteilung) s. auch Konsequentialismus, Nebenzwecke, Schranke Zweck an sich selbst s. Instrumentalisierungsverbot