Strafrechtsdogmatik nach Armin Kaufmann: Lebendiges und Totes in Armin Kaufmanns Normentheorie [1 ed.] 9783428491063, 9783428091065

"Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie" hat Armin Kaufmann seine 1954 erschienene Dissertation betite

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Strafrechtsdogmatik nach Armin Kaufmann: Lebendiges und Totes in Armin Kaufmanns Normentheorie [1 ed.]
 9783428491063, 9783428091065

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ANDREAS HOYER

Strafrechtsdogmatik nach Armin Kaufmann

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidbäuser em. on!. ProCe550r der Rechte an der Universität Hamburg

und Dr. Friedrich-Christian Schroeder ord. ProCe550r der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 100

Strafrechtsdogmatik nach Armin Kaufmann Lebendiges und Totes in Armin Kaufmanns Normentheorie

Von

Andreas Hoyer

DUßcker & Humblot · Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Hoyer, Andreas:

Strafrechtsdogmatik nach Armin Kaufmann : Lebendiges und Totes in Armin Kaufmanns Normentheorie I von Andreas Hoyer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Strafrechtliche Abhandlungen; N.F., Bd. 100) Zugl.: Kiel, Univ., Habil.-Schr., 1992 ISBN 3-428-09106-X NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-09106-X

e

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Inhaltsverzeichnis

KapitelA Vorstellung des Untersuchungsgegenstandes I

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1

11.

Rechtsdogmatik und Rechtsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

ill.

2

1.

Das klassische Verständnis von Dogmatik. . . .. ........ 2

2

Das hermeneutische Verständnis von Dogmatik . . . . . . . .. 5

3.

Die Möglichkeiten zu einer relativistischen Dogmatik. . .. 9

4.

Die "Basis-Dogmen" Armin Kaufmanns. . . . . .. ....... 11

Ausblick auf die folgenden Darlegungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13

KapitelB Vorstellung der Strafrechtsdogmatik Annin Kaufmanns I

11.

Folgerungen aus der Bindung des Strafrechts an das (Zwischen-) Ziel der Verhaltensbeeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 15

1.

Die Unterscheidung zwischen "Norm" und "Strafgesetz". 15

2

Die Unterscheidung zwischen "Verboten" und "Geboten" . 16

3.

"Finale Handlung" und "Handlungsßlhigkeit" .......... 17

Folgerungen aus der Bindung des Strafrechts an den (End-)Zweck des Rechtsgüterschutzes ......... ........................ 18

VI

Inhaltsverzeichnis

1.

2.

m.

IV.

V.

VI.

Die Stufenfolge der Wertungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 19 a)

Das Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . .. ........ 19

b)

Der Sachverhaltsunwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 19

c)

Der Aktunwert .... . . . . . . . . . .. ........... 20

Das Verhältnis von Aktunwert und Norm . . . . . . . . . . . .. 20

Von der Norm zur Pflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. 21

1.

Der Begriff der "Pflicht" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. 21

2.

Die Entstehungsvoraussetzungen einer "Pflicht" ....... 22 a)

"Normgültigkeitsbedingungen", "Handlungsfähigkeit" und "Tätermerkmale" .............. 22

b)

"Erlaubnissatz" und "Erlaubnis" ...... ...... 23

c)

Zwischenergebnis ......................... 25

Von der Pflicht zur Unterscheidung zwischen Unrecht und Schuld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 26

1.

Das "Unrecht" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 26

2.

Die "Schuld" ................................... 27

Die Aufreihung der Strafanspruchsvoraussetzungen zum Deliktsaufbau .............................................. 29

1.

"Unrecht" und "Schuld" im Deliktsaufbau . . . . . . . . . . . .. 29

2.

Die "Handlungsfähigkeit" im Deliktsaufbau . . . . . . . . . .. 29

3.

Die "Normgültigkeitsbedingungen" im Deliktsaufbau ... 30

4.

"Tatbestandsmerkmale" und "Reine Pflichbllerkmale" ... 30

5.

Der Deliktsaufbau insgesamt. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. 31

Vom Tatbestand zu den objektiven Strafbarkeitsbedingungen .... 32

1.

Der Erfolgseintritt als Unrechtsvoraussetzung . . . . . . . . .. 32

Inhaltsverzeichnis

2

VII.

VIll.

VII

Der Erfolgseinbitt im Deliktsautbau ................. 32

Von der Finalität zur Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit .......................................... 33

1.

Die Begriffe "Vorsatz" und "Fahrlässigkeit" . . . . . . . . . .. 33

2

Die Reichweite des Vorsatzbegriffs .................. 35

3.

Das finale Element in der Fahrlässigkeit .............. 35

Von der Finalität zur Unterscheidung zwischen Handlungen und Unterlassungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

36

1.

"Quasi-Vorsatz" und "Quasi-Fahrlässigkeit" ........... 37

2

Die Vomussetzungen für "Handlungsfähigkeit" ........ 38

3.

Der Begriff der "Unterlassung" ..................... 39

KapitelC Norm und Pflicht 1

Das dualistische Strafrechtskonzept Armin Kaufmanns ......... 40

11.

Die Konstruierbarkeit eines monistischen Stmfrechtskonzepts .... .42

1.

Die Notwendigkeit einer "Sanktion" ................. 42

2

Die Notwendigkeit einer "Rechtspflicht" .............. 43

3.

a)

Die Stellungnahme Armin Kaufmanns zur Notwendigkeit von Rechtspflichten. .. . .......... 43

b)

Kritik der Ausfühnmgen Armin Kaufmanns ... 44

c)

Die Implikationen eines Verzichts auf Rechtspflichten .......................... ..... 46

Einwände gegen ein alethisches Stmfrechtskonzept ...... 48

VIII

Inhaltsverzeichnis

a)

Die Unterscheidbarkeit von Strafrecht und rechtswidriger Nötigung. . . . . . .. ................ 49 aa)

Die Notwendigkeit einer Unterscheidung von Recht und Unrecht .. . . . . . . . . . .. 49

bb)

Unterscheidung anband des Geltungskriteriums . . . . . . . . . . . .. .......... 50 (1)

Das Problem des infiniten Regresses ................. 51

(2)

Das semantische Problem .... 52

b)

Historische Lehren aus dem nationalsozialistischen Unrechtsregime . . . .. .............. 53

c)

Der Rechtsnachteil"Strafbarkeit" und faktische "Bestrafung" ............................ 58 aa)

Der Begriff der "Strafbarkeit" ........ 58

bb)

Die Funktion von "Strafbarkeit" und "Bestrafung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 59

ce)

Die Zweistufigkeit des Begriffs der "Sanktion" . .. .................... 60

d)

Die Denknotwendigkeit einer Pflicht beim Strafverfolgungsorgan ......................... 61

e)

Die Unterscheidbarkeit von "Sanktion" und "Steuer" ................................. 63 aa)

Die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen "Sanktion" und "Steuer" ..... 64

bb)

Kriterien zur Unterscheidung von Steuerund Strafnormen . . . . .. . ............ 65

ce)

Unterscheidung anband der Verhaltensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 66

dd)

Methoden zur Unterscheidung von Steuer- und Strafnormen ............. 67

Inhaltsverzeichnis

ee)

f)

IX

Sinn und Zweck der Beschränkung des Notwehrprivilegs auf die Verhinderung rechtswidriger Angriffe. . . . . . . . . . . .. 69

Zur Notwendigkeit von Pflichten für die Wertebildung .................................. 70 aa)

Die Pflicht als zusätzliches Verhaltensmotiv ............................ 70

bb)

Die Stellung der Strafnorm in einem pflichtenzentrierten Strafrecht ........ 70

ce)

Die Funktion der Strafnorm im alethischen Strafrecht ........... . . . . . . .. 71

dd)

Zur Überlegenheit des pflichtenzentrierten Strafrechts bei der Wertebildung ... 72

ee)

Der Prozeß der Wertebildung . . . . . . . .. 73

11)

Wertebildung und Strafrecht .......... 75

gg)

Die Integrität der Pflicht bzw. des Rechtsguts als Werte. . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. 77

hh)

Ergebnis ......................... 78

ill.

Der Begriff der "Rechtspflicht" ............................ 79

IV.

Zusammenfassung des Kapitels ............................ 81

KapiteID Unrecht und Schuld 1

"Unrecht" und "Schuld" nach Armin Kaufmann. . . . . . . . . . . . . .. 82

ll.

Unrecht und Schuld im alethischen Verständnis ............... 84

1.

Unrecht im alethischen Verständnis .................. 84

2.

Schuld im alethischen Verständnis ................... 85

x

ill.

Inhaltsverzeichnis

a)

Die Bedeutung des alethischen Schuldbegriffs .. 85

b)

Einwände gegen den alethischen Schuldbegriff .. 85

Zur Unentbehrlichkeit von "Schuld" als Strafbarlceitsvoraussetzung ............................................... 88 1.

Schuld als Voraussetzung kriminalpolitisch sinnvoller Bestrafung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a)

Zur spezialpräventiven Nützlichkeit einer Bestrafung Schuldloser.......................... 91

b)

Zur generalpräventiven Nützlichkeit einer Bestrafung Schuldloser .......................... 92

c)

2

aa)

Negative Generalprävention .......... 93

bb)

Positive Generalprävention .......... 95

Schuldprinzip und Strafzweckmäßigkeitsüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 96

Schuld als Schranke der Kriminalpolitik . . . . . . . . . . . .. 100 a)

b)

c)

Schuld als einzige Schranke für Kriminalpolitik 101 aa)

Darstellung des Meinungsstandes ..... 101

bb)

Die Sozialschädlichkeit eines Verhaltens als Schranke für Kriminalpolitik .. 102

Schuld als zusätzliche Schranke für Kriminalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 107 aa)

Darstellung des Meinungsstands . . . .. 107

bb)

Die Entbehrlichkeit von Schuld zur Zügelung der Kriminalpolitik ....... 108

Das Schuldprinzip als Hüterin des Bestimmtheitssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 110 aa)

Darstellung des Meinungsstands ..... 110

Inhaltsverzeichnis

XI

bb)

Die kriminalpolitische Wirksamkeit von Strafrecht .................... 110

ce)

Das Schuldprinzip als Gefahr für den Bestimmtheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . .. 111

dd)

Das Schuldprinzip und die Willensfreiheit. . . . .. ................... 114

3.

Der Begriff der "Schuld" .......................... 119

4.

Zusammenfassung des Kapitels .................... 120

KapiteiE Tatbestandsmäßigkeit und Recbtswidrigkeit

L

ll.

Die Unterscheidung zwischen Tatbestands- und reinen RechtspflichbnerkInalen ...................................... 122

1.

Die Auffassung Armin Kaufmanns ........ . . . . . . . .. 122

2.

Reine PflichbnerkInale ohne Pflicht? . . . . . . . . . . . . . . .. 123

3.

Normgültigkeitsvoraussetzungen und reine Pflichtmerkmale ..................................... 125

Rechtfertigungsgründe als negative Geltungsvoraussetzungen der Norm ............................................. 127

1.

Die Auffassung Armin Kaufmanns .......... . . . . . .. 127

2

Rechtfertigungsgründe als negative Tatbestandsmerkmale? ..................................... 129

3.

Die Möglichkeit einer tatbestandsinternen Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130

4.

Die Möglichkeit einer tatbestandsintemen Erforderlichkeitsprüfung ................................... 131 a)

Die Auffassung Armin Kaufmanns. . . . . . . . .. 131

xn

Inhaltsverzeichnis

b)

5.

6.

7. ill.

Tatbestände als Präferenzrelationen zwischen zwei Verhaltensweisen. . . . . . .. ........... 132

Die Besonderheit eines Rechtfertigungsgrundes gegenüber Tatbestandsmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 136 a)

Gerechtfertigtes Verhalten relativ zu Verhaltensalternativen ............................. 137

b)

Tatbestandsloses Verhalten relativ zu Verhaltensalternativen ......................... 138

c)

Zur Ausgliederung gerechtfertigten Verhaltens aus dem Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 139

d)

Zur Ausgliederung von Rechtfertigungsgründen aus dem Tatbestand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 140

Die Abgrenzung von Tatbestandsmerkmalen und rechtfertigenden Umständen.... ...................... 141 a)

Das Abgrenzungskriterium ................ 142

b)

Notwehr und Notstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 143

c)

PflichtenkoUisionen ...................... 144

d)

Einwilligung und Einverständnis. . . . . . . . . .. 145

e)

Die behördliche Genehmigung ............. 147

t)

Erlaubtes Risiko und Sozialadäquanz ........ 149

Zusammenfassung ............................... 150

Tätermerkmale als Geltungsvoraussetzungen der Norm. . . . . . .. 151

1.

Die Auffassung Armin Kaufmanns ................. 151

2

Die Austauschbarlceit von Täter- und Verbaltensmerkmalen ........................................ 152

3.

Zur Tatbestandsfremdheit willensunabhängiger Umstände... .. . . .......... . . .. ... . ... . .. .. . ... 153 a)

Die Argumentation Armin Kaufmanns ....... 153

Inhaltsverzeichnis

4. IV.

xm

b)

Die Kritik Roxins ....................... 154

c)

Zur Willensunabhängigkeit von Tätermerkmalen . . . ... .. . . .. . . ... .. . . .. . . .. . .. . .. 156

Die Erheblichkeit von Tätermerkmalen für die Präferenzordnung ....................................... 157

Zusammenfassung des Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 160

KapitelF Vollendung und Versuch (bzw. Kausalität und Finalität)

1

Die Auffassung Armin Kaufmanns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 162

11.

Der Erfolgseintritt als Unrechtsvoraussetzung ............... 164

1.

Zur kriminalpolitischen Bedeutung des Erfolgseintritts .. 164

2

Zur Tatbestandsrelevanz des Erfolgseintritts .......... 166 a)

Die Argumentation Armin Kaufmanns ....... 167

b)

Die "Pflicht" als Basis der Argumentation Armin Kaufmanns ...................... 168

c)

Die Argumentation Armin Kaufmanns im Rahmen eines alethischen Strafrechts ....... 170

d)

Der Normzweck "Verhaltensmanipulation" und dessen Implikationen für die Tatbestandsrelevanz des Erfolgseintritts ............... 172 aa)

Die finalorientierte Norm ........... 173

bb)

Die kausalorientierte Norm ......... 173

ce)

Wirksamkeitsvergleich zwischen finalund kausalorientierter Norm ......... 173

XIV

Inhaltsverzeichnis

e)

t)

3.

4.

ill.

Der Normzweck "Rechtsgüterschutz" und dessen Implikationen für die Tatbestandsrelevanz des Erfolgsein tritts . . . . . . . . . . . . . .. 175 aa)

Der Begriff des Rechtsguts ......... 176

bb)

Das Wesen von "Rechtsgüterschutz" .. 178

ce)

Wirksamkeitsvergleich zwischen finalund kausalorientierter Norm . . . . . . . .. 178

Zwischenergebnis ........................ 180

Zur Gültigkeitsrelevanz des Erfolgseintritts .......... 181 a)

Die Rolle von Normgültigkeitsvoraussetzungen bei der Herausbildung und Einstufung von Rechtsgütern ............................ 182

b)

Das Bedürfnis nach Normgültigkeit beim bloßen Versuch ......................... 185 aa)

Die Rolle von Normgültigkeitsvoraussetzungen beim Rechtsgüterschutz ... 185

bb)

Die Rechtsgutsbeeinträchtigung beim bloßen Versuch. . . . . . ..... . .. . . .. 187

ce)

Normgültigkeit trotz Ausbleiben des Erfolgs ....................... 188

Ergebnis ...................................... 190

Das Unrechtsrelevante am Verwirlclichungswillen . . . . . . . . . . .. 190

1.

Das Tatbestandsrelevante am Verwirklichungswillen ... 191 a)

Zur positiven Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . .. 193

b)

Zur negativen Gefahrdung . . . . . . . . . . . . . . . .. 196

c)

Der Gefahrdungsgrad als tatbestandserheblicher linstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 197

d)

Zu~enfassung

....................... 199

Inhaltsverzeichnis

2

xv

Das Gültigkeitsrelevante am Verwirklichungswillen .... 200 a)

Die Funktion von Normgültigkeitsbedingungen 200

b)

Der rechtfertigende Notstand ............... 201

c)

Die Notwehr .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 205

cl)

aa)

Notwehr und Vemllltnismäßigkeit . . .. 205

bb)

Das Notwehrrecht als Sanktion. . . . .. 209

ce)

Die Grenzen des Notwehrrechts . . . . .. 211 (1)

Die Zweckmäßigkeit einer Ausübung des Notwehrrechts. 211

(2)

Die Beschränkungen bei der Einräumung des Notwehrrechts ................... 212

Einwilligung und behördliche Genehmigung .. 214 aa)

Der Grund für die Beachtlichkeit einer Zustimmung ................ 214 (1)

Die Dispositionsfreiheit als Gegengewicht zur Rechtsgutsbeeinträchtigung ....... 214

(2)

Das Vorliegen einer Rechtsgutsbeeinträchtigung trotz Zustimmung .............. 215

(3)

Die Dispositionsfreiheit als alleiniges Rechtsgut ........ 216

(4)

Die Dispositionsfreiheit als "Atom n innerhalb eines "Rechtsgutsmoleküls" ...... 218

bb)

Das Wesen der Dispositionsfreiheit als Rechtsgut ........................ 219

ce)

Die normbegrenzte Wirksamkeit einer Zustimmung ..................... 221

XVI

Inhaltsverzeichnis

dd)

IV.

(1)

Das biesige Konzept ..... .. 221

(2)

Das pflichtenzentrierte Konzept . . . . . . . . . . . . . . . .. 222

Zusammenfassung der erforderlichen Prüfungsschritte bei einer Zustimmung 224 (1)

Die Dispositionsmacht des Zustimmenden als eines der geschützten Rechtsgüter .... 224

(2)

Die Zustimmung im Delikts-

(3)

Schutzbedürftigkeit der Dispositionsfreiheit trotz Zustimmung .................... 227

aufbau ................... 225

Zusammenfassung des Kapitels .......................... , 228

KapiteiG Vorsatz und Fahrlässigkeit 1

Das Unrecht des Fahrlässigkeitsdelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 233

1.

Das Problem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 233

2

Potentielle Finalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 234

3.

a)

Potentielle und ontisch-reale Finalität ........ 235

b)

Potentielle Finalität und Rechtsgüterschutz ... 236

Armin Kaufmanns Fahrlässigkeitskonzept . . . . . . . . . .. 237 a)

Das fmale Element in der Fahrlässigkeit nach ArminKaufinann ........................ 237

b)

Inhaltlich neutrale oder unwertige Finalität. . .. 242

Inhaltsverzeichnis

4.

11.

ill.

aa)

Inhaltlich neutrale Finalität und Verhaltensbeeinflussung ... ............. 242

bb)

Inhaltlich neutrale Finalität und Rechtsgüterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 243

Fahrlässigkeit und inhaltlich unwertige Finalität. . . . . .. 245 a)

Das Unwertige an der Finalität eines Leichtsinnigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 245

b)

Das Unwertige an der Finalität eines Vergeßlichen oder Unachtsamen ................. 248 aa)

Armin Kaufmanns Auffassung ...... 248

bb)

Unrechtsvorverlegung und Fahrlässigkeit ............................ 248

5.

Fahrlässigkeit als relativ unwertige Finalität . . . . . . . . .. 250

6.

Die Elemente des Fahrlässigkeitstatbeslandes ......... 252 a)

Das Tatsachenwissen des Täters. . . . . . . . . . .. 252

b)

Die Erfolgsprognose des Täters. . . . . . . . . . . .. 252

Die Erfolgsprognose des Täters im Deliktsaufbau ............ 253 1.

Die Erfolgsprognose als Tatbeslandsmerkmal ......... 253

2

Die Erfolgsprognose des Täters als tatbeSlandsexteme Delikts voraussetzung ............................ 256

Die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit ........ .. 257 1.

2

Die Auffassung Armin Kaufmanns ................. 257 a)

Der Venneidewillen des Täters ............. 258

b)

Das Möglichkeitsbewußtsein des Täters ...... 259

Die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit anband der Normkennmis ........................ , 261 a)

2 Hoyer

XVII

Normkennulis als Tatbeslandsmerkmal ...... 262

XVIII

Inhaltsverzeichnis

b)

Normkenntnis als Normgültigkeitsbedingung . . 263 aa)

c)

Die Unterscheidung zwischen Normkenntnis und Unrechtsbewußtsein ...

263

bb)

Zur Notwendigkeit von Normkenntnis zwecks Normgültigkeit ............. 265

ce)

Zur Notwendigkeit von Gültigkeitskenntnis zwecks Normgültigkeit ...... 268

dd)

Zur Haftung bei Normunkenntnis .... 269

Die Voraussetzungen für verkannte Tatbestandsmäßigkeit .............................. 273 aa)

bb)

ce)

Zum Verkennen der Norm .......... 274 (1)

Das Fehlen von Unrechtsbewußtsein ............... 274

(2)

Das Fehlen von Gewißheit hinsichtlich der Norm ...... 274

(3)

Der Irrtum über Art und Schwere der Sanktion ....... 275

(4)

Gleichgültigkeit gegenüber der Norm. . . . . . . . . . . . . . . .. 278

Verkennen der Tatsituation als normativ geregelt .. . . . . . . . . . . . . . .. 279 (1)

Fehlvorstellungen über die Ausdrucksform einer Norm .. 279

(2)

Der Irrtum des Täters über die Folgen seines Verhaltens .. 282

Kenntnis der Handlungsmöglichkeiten ........................... 285 (1)

Das Verkennen bestehender Verhaltensalternativen . . . . .. 285

Inhaltsverzeichnis

(2) d)

e)

IV.

Gleichgültigkeit gegenüber Verhaltensalternativen . . . . .. 286

Gegenüberstellung der Kaufmannschen und der hiesigen Vorsatz/Fahrlässigkeitsabgrenzung ... 286 aa)

Parallelen ....................... 287

bb)

Differenzen ...................... 287 (1)

Vorsatz als Tatbestands- oder als Normgültigkeitsvoraussetzung. . . .. ............. 288

(2)

Vorsatz in bezug auf den tatbestandsmäßigen Erfolg oder in bezug auf den Erfolg "Tatbestands-Erfüllung" ........ 289

Kriminalpolitische Einwände gegen die hiesige Vor satz/Fahrlässigkeitsabgrenzung . . . . . . . . .. 291 aa)

Ungerechtfertigte Privilegierung von Rechtsblindbeit. .. . . .. . .. . . .. . .. .. 291

bb)

Ungerechtfertigte Privilegierung des Vermeidewillens .................. 293

Der Irrtum über die Rechtfertigung der Tat. . . . . . . . . . . . . . . . .. 296

1.

Armin Kaufmanns Auffassung .................... 296

2.

Der freiheitserweitemde Charakter von Rechtfertigungsgründen ...................................... 299

3.

Rechtfertigung als Privilegierung getroffener Entscheidungen . . . . . .. ................................ 300

4.

a)

Voraussetzungen ........................ 300

b)

Rechtsfolgen ............................ 301

Tatbestands- und rechtfertigungsbezogener Irrtum im Vergleich ......................... . . . . . . . . . . .. 302 a)

2*

XIX

Der Irrtum zuungunsten des Täters .......... 302

xx

Inhaltsverzeichnis

5. V.

Der Irrtum zugunsten des Täters ............ 303

c)

Der Sondercharakter von Rechtfertigungsgründen und dessen Niederschlag in der Irrtumslehre ............................ 306

Zwischenergebnis zu den Irrtumsfolgen .............. 308

Der Irrtum über normative Unrechtsmerkmale . . . . . .. ........ 309

1.

Der Begriff des normativen Unrechtsmerkmals . . . . . . .. 310

2

Der Irrtum zugunsten des Täters .................... 310

3.

Der Irrtum zuungunsten des Täters .................. 311

4.

5.

VI.

b)

a)

Die überwiegende Auffassung ............. 311

b)

Die Argumentation Burkhardts . . . . . . . . . . . .. 313 aa)

Zur Strafwürdigkeit bei Extensionsirrtümern . . . . . .. ................ 313

bb)

Zur Substituierbarkeit bei Extensionsirrtümern ........................ 315

ce)

Wahnhafte Parallelwertung und Rechtsgüterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 317

Die Parallelwertung bei deskriptiven Tatbestandsmerlc.malen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 318 a)

Die Parallelwertung als Teil des Tatbestandes . . 319

b)

Die auf den Tatbestand bezogene Parallelwertung ............................... 320

Die Voraussetzungen für eine Parallelwertung ........ 320 a)

Parallelwertung in bezug auf Tatbestandsmerlc.male . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 320

b)

Parallelwertung in bezug auf Rechtfertigungsmerkmale .............................. 325

Zusammenfassung des Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 328

Inhaltsverzeichnis

XXI

1.

Vorsatz- und Schuldtheorie im Vergleich ............. 328

2.

Die alethische Irrtumslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 329

KapitelH Handeln und Unterlassen 1

Die Auffassung Armin Kaufmanns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 331

11.

Der Gegenstand von Begehungs- und Unterlassungsnorm ...... 333

ill.

Das gemeinsame Element von Begehungs- und Unterlassungsnormen .............................................. 335

IV.

Begehungs- und Unterlassungsvorsatz ..................... 336

1.

Der "Quasi-Vorsatz" Armin Kaufmanns ............. 337

2

Der "Quasi-Vorsatz" bei den Begehungsdelikten ....... 339

3. V.

a)

Kriminalpolitik und Quasi-Vorsatz ......... . 340

b)

Kriminalpolitik und Mitbewußtsein ......... 342

Der einheitliche Vorsatzbegriff für Begehungs- und Unter lassungsdelikte ....................... ..... 344

Die Abgrenzung zwischen Begehungs - und Unterlassungsdelikten ............................................. , 345 1.

Der "Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit" .............. 346

2.

Das Energiekriterium ............................ 347

3.

Das Abgrenzungskriterium als Markierung einer Unrechts differenz ............................... 350

4.

Das Kausalitätskriterium Armin Kaufmanns .......... 350 a)

Der Begriff der Rechtsgutsbeeinträchtigung . .. 352

XXII

Inhaltsverzeichnis

b)

Das Kausalitätskriterium als Markierung einer Unrechts differenz ....................... 355

c)

Das Prinzip "Individualität" und das Prinzip "Solidarität" ............................ 356

d)

Das Ausmaß an verbleibender Verhaltensfreiheit als Strafmilderungsgrund bei Unterlassungen ................................. 359

e)

Handeln ohne Energieeinsatz ........... ;.. 361

t)

Verhaltensabgrenzung anband der Substitutionsmög lichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

5.

Der fließende Übergang vom Verbot zum Gebot. . . . . .. 364

6.

Zur Gegenüberstellung von Handlungen und Unterlass ungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

7.

a)

Das allmähliche Erforderlichwerden einer GarantensteIlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 367

b)

Zur Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Handlungen und Unterlassungen .... 370

Der alethische Begriff des "Handeins" . . . . . . . . . . . . .. a)

Das Unterlassungsdelikt .................. 372

b)

Die formale Abgrenzung von Begehungen und Unterlassungen ......................... 374

c)

Die Funktion des Handlungsbegriffs ......... 375

ce) VI.

371

aa)

Der ontologische Handlungsbegriff Armin Kaufmanns ................. 377

bb)

Ontologische Handlungslehren in anderen Wissenschaftsdisziplinen .... 379

Der juristische Handlungsbegriff . . . . . . . . . .. 382

Zusammenfassung des Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 384

Inhaltsverzeiclmis

XXIll

Kapitel J Zusammenfassung und Schlußbetrachtung L

Differenzen .......................................... 386

11.

Parallelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . 403

m.

Fazit ................................................ 407

Literaturverzeichnis

408

Sachverzeichnis

454

KapitelA Vorstellung des Untersuchungsgegenstandes

I. Einleitung

"Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie" hat Armin Kaufmann seine 1954 erschienene Dissertation betitelt, in der er die Erkenntnisse der Bindingsehen Normenlehre aufgreift und fortentwickelt, die Ungenauigkeiten Bindings aufzeigt und durch verbesserte Einsichten ersetzt In entsprechender Weise soll hier die Kaufmannsehe Lehre daraufhin überprüft werden, inwieweit ihre Bestandteile als "gültig" bzw. als "überholt", als "lebendig" bzw. als "tot" eingeschätzt werden müssen. Die "lebendigen" Anteile sollen dabei wiederum nicht nur herausgearbeitet, sondern zu neuen dogmatischen Erkenntnissen weiterverarbeitet und fortgeschrieben werden - so wie Armin Kaufmann die Bindingsehe Normentheorie i. S. der finalen Handlungslehre ausgewertet und argumentativ fruchtbar gemacht hat Wie in Armin Kaufmanns Auseinandersetzung mit Binding soll es also nicht nur um den Begriff der Norm gehen, sondern um die gesamte Strafrechtsdogmatik, die sich an den Normbegriff hängt und von ihm abhängt. Normlogik und Strafrechtsdogmatik werden somit -dem Ansatz Armin Kaufmann entsprechend 1 - als zwei miteinander "untrennbar verknüpfte" Arbeitsfelder aufgefaßt, wobei der Normbegriff im speziellen der dogmatischen Erkenntnis im übrigen lediglich das Fundament bereitet. Als Untersuchungsgegenstand wird deshalb nicht nur Armin Kaufmanns Normenlehre, sondern daran anschließend - dessen gesamte Strafrechtsdogmatik in Augenschein genommen. Dabei werden die nachfolgenden Kapitel zeigen, welche Modiflkationen an Armin Kaufmanns Normbegriff vorgenommen werden müssen, und welche dogmatischen Konsequenzen sich an diese Modif"tkationen heften: Die Beschäftigung mit dem Normbegriff Kaufmanns ist von daher nur Mittel zum Zweck, zu dem Zweck nämlich, Kaufmanns Strafrechtsdogmatik insgesamt "aufzuheben" (in welchem Sinne des Wortes auch immer). Angestrebt wird 1 Annin Kaufmann. Normentheorie. S. VII.

2

Kapitel A: Vorstellung des Untersuchungsgegenstandes

also eine Kritik der Strafrechtsdogmatik Annin Kaufmanns von ihren Grundlagen, d. h. von ihrem Normbegriff her. Der damit unterbreitete Vorschlag, sich mit Annin Kaufmanns Strafrechtsdogmatik zu befassen, bliebe allerdings formal und also an der Oberfläche haften' wenn nicht zugleich klargestellt würde, was in diesem Zusammenhang 00ter "Strafrechtsdogmatik", unter "Rechts dogmatik" überhaupt, begriffen, welche Materie mithin im weiteren als unter diesem Sprachzeichen zusammengefaßt gelten soll. Reichweite und Inhalt des Begriffs "Rechtsdogmatik" sind nämlich alles andere als unumstritten2 •

11. Rechtsdogmatik und Rechtsauslegung

1. Das klassische Verstttndnis von Dogmatik Nach der Defmition G. Husserls ist unter Rechtsdogmatik "die Wissenschaft von den Wesensvoraussetzungen des Rechts" zu verstehen 3 • Aufgabe der Rechtsdogmatik sei es demzufolge, "die Herausarbeiwng eines Systems reiner überzeitlicher Grundbegriffe, die eine Region apriorischer Möglichkeiten des Rechts bilden "4, in Angriff zu nehmen. Annin Kaufmann hat sich dieser Auffassung Husserls angeschlossenS : "Dogmen aufzustellen, die nicht die Prätention der Zeitlosigkeit in sich tragen ood nur - noch dazu ohne Authentizität - die Aussprüche eines Gesetzgebers interpretieren wollen, kann nicht die Aufgabe der Rechtswissenschaft, sondern nur diejenige einer philologisch versierten Gesetzeskunde sein. Dogmatik trägt ihren Namen nur zu Recht - und sie bewährt sich nur -, wenn sie die sachlogischen Zusammenhänge aufdeckt, die den Rahmen für jede materiale Regeloog abgeben". Eigentlich und einzig wissenschaftlich im juristischen Bereich ist damit für Annin Kaufmann nur die Rechtsdogmatik, d. h. das Bemühen um die Ermitt2 Dazu stellt Rottleuthner, Rechtswissenschaft als Sozialwissenschaft, S. 178, kritisch fest: "Dogmatische Sätze sind die, welche die Mehrheit der Iuristen für richtig hält". Ähnlich Alexy, Theorie der juristischen Argumenta tion, S. 318, der dogmatische Sätze u. a. dadurch charakterisiert sieht, daß die Mehrzahl der Iuristen sie "für dogmatisch hält". Struck, IZ 1975, 84 ff., kritisiert den dogmatischen Charakter der Diskussion über Dogmatik. 3 G. Busserl, Rechtskraft und Rechtsgeltung, S. V. 4 G. Busserl, a.a.O., S. V; vgl. auch Reimch, Die apriorischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts, S. 6 ff.; Dahm, Deutsches Recht, S. 79; Esser, Rechtswissenschaft, S. 780; lArenz, Methodenlehre, S. 108 ff.; Welzel, Vom Bleibenden und vom Vergänglichen in der Strafrechtswissenschaft, S. 361 f. S Armin Kaufmann, Normentheorie, S. IX f.

11. Rechtsdogmatik und Rechtsauslegung

3

lung transpositiver Vorgegebenheiten für das positive Recht. Der Erkenntnis und Verlmüpfung dieser unabänderlichen Voraus-Setzungen jedes Rechts gilt nahezu das gesamte Werk Armin Kaufmanns, der dabei scharf zwischen Rechtsdogmarik und -auslegung differenziert: Insoweit, als es der Rechtsdogmatik (ihrer AufgabensteIlung gemäß) gelungen sei, ein "überpositiv" und "übernational" konzipiertes "Modell der richtigen Regelung" zu entwerfen, verbleibe der Rechtsauslegung im Grunde nur die Prüfung "der Frage, inwieweit der Gesetzestext der Anwendung des als richtig erkannten Modells entgegensteht"6. Der so eröffnete Dualismus zwischen dogmatischer und interpretatorischer Tätigkeit auf dem Arbeitsfeld der Jurisprudenz, zwischen "echter" Rechtswissenschaft (= Dogmatik) und "bloßer" Gesetzeskunde (= Auslegung) 7 , kennzeichnet Armin Kaufmanns Verständnis von "Dogmatik" als klassisch. Dogmatik im klassischen Sinne beschäftigt sich eben mit Sätzen 8 , "die sich nicht mehr durch die Geschichte in Verlegenheit setzen" lassen9 , weil sie die "Prätention der ZeitIosigkeit in sich tragen" 10, jenen Sätzen, die als "Dogmen" bezeichnet werden (das griechische Verbum "dokein" besagt soviel wie "einleuchten"). Diese Dogmen inhaltlich aufzuzeigen, als gültig auszuweisen, systematisch zueinander in Beziehung zu setzen und dadurch Folgerungen aus ihnen abzuleiten, so wird - nicht nur in der Rechtswissenschaft, sondern gerade auch in der Theologie - das dogmatische Verfahren traditionsgemäß bescbriebenll .

Die Quelle, aus der ein bestimmter Satz die unumstößliche Dignität eines Dogmas bezieht, mag dabei von Wissenschaftsdisziplin zu -disziplin durchaus unterschiedlich sein: Für den Katholizismus entsteht ein Dogma aus der ausdrücklichen Verkündigung eines Satzes durch die Kirche als von Gott unmittelbar offenbart 12; der Protestantismus relativiert die Bedeutung der kirchlichen Verkündigung, indem er nur solche Sätze als Dogmen anerkennt, hinsichtlich derer Übereinstimmung zwischen kirchlicher Verkündigung und der in der Bibel bezeugten göttlichen Offenbarung besteht13 ; im Rahmen der Philosophie nennt Cicero einen Satz dann "Dogma", wenn er aufgrund der Autorität eines

6 Ders., Das Übernationale und Überpositive, S. HO.

7 Ders., Nonnentheorie, S. 9 C. 8 Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 312; Krawietz, ÖZöR 1972 (23), S. 55; ders. , Juristische Entscheidung und wiss. Erkenntnis, S. 223 C.; Ronleuthner, Rechtswis senschaft als Sozialwissenschaft, S. 176. 9 Ihering, Der Geist des römischen Rechts, S. 7. 10 Annin Kaufmann, Normentheorie, S. IX. II Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 48 C.; 91; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 54 C., 59. 12 Diekamp, Katholische Dogmatik, Bd I, S. 12; Bahner, Lex. Theo1. u. Kirche, Bd. 3, S. 439. 13 K. Barth, Die kirchliche Dogmatik, Bd. I. Teilbd. I, S. 280; Trillhaas, Dogmatik, S. 36, 41.

4

Kapitel A: Vorstellung des Untersuchungsgegenstandes

Lehrers von dessen Schülern angenommen wurde und fortan das einigende Rückgrat der so begründeten Schulrichtung bildetl4 • Unabhängig von den Verschiedenheiten der jeweiligen Quelle aber, aus der sich die "Dogmatisierung" eines bestimmten Satzes ableitet, das Ergebnis der so erfolgten "Dogmatisierung" des Satzes ist in jedem Falle dasselbe: Der Inhait des betreffenden Satzes beansprucht nunmehr (aufgrund seines DogmenCharakters) Anerkennung (als wahr und als verbindlich) und Befolgung l5 ; er wird unanfechtbare Prämis se, nicht mehr hinterfragbares Axiom, zeitlos-stabile Grundwahrheit, unverrückbare Ausgangsbasis und Orientierungspunkt allen weiteren Denkens. Um die Ermittlung von Sätzen mit einem derartig hohen Anspruch (Dogmen) geht es nach Armin Kaufmann auch der Rechtsdogmatik. Quelle der dogmatischen Qualität eines Satzes auf juristischem Gebiet soll dabei natürlich nicht dessen Übereinstimmung mit irgendeiner zeitlos-autoritativen Offenbarung, sondern eine andere Art von Übereinstimmung sein: Die Übereinstim mung des (deswegen so genannten) dogmatischen Satzes mit den zeitlosen Anteilen der Wirk lichkeit 16. Ein Dogma wäre demnach ein Satz, der sich auf zeitlos-vorhandene Strukturen innerhalb der Wirklichkeit bezieht. Ein Dogma wäre "wahr" (oder "lebendig" i. S. Armin Kaufmanns), wenn es eine tatsächlich zeitlos-vorhandene Wirklichkeitsstruktur zutreffend wiedergibt. Die Rechtsdogmatik hätte im Rahmen ihrer Aufgabenstellung aus der Gesamtmenge wahrer Dogmen diejenige Teilmenge herauszuarbeiten, die für rechtliche Regelungen bedeutsam sein könnte -bedeutsam jedenfalls insoweit, als jeder Gesetzgeber der Welt, sofern er wirklichkeitsgestaltend tätig werden will, seine Regelungen so setzen muß, daß sie nicht in Konflikt mit einem Dogma geraten, d. h. nicht am Widerstand einer dem Regelungsvorhaben entgegenstehenden irreversiblen ontischen Kategorie zu scheitern verurteilt sind. Die irreversibel vorhandenen ontischen Kategorien, mit denen sich die Rechtsdogmatik beschäftigt, bezeichnet Armin Kaufmann in Anlehnung an seinen Lehrer Hans Welzel 17als "sachlogische Strukturen" 18 für das Recht: Aus der Konsistenz ("Logik") des Gegenstandsbereichs (der "Sache") von Dogmen 14 Cicero, Acad., Bd. 11, S. 80.

15 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 15, 49; den. , Gadamer-Festschrift, Bd. 2, S. 319; den., Gesetz und Richterkunst, S. 14. 16 Vgl. Annin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 18 CC.; den., Normentheorie, S. IX C., 275; den., Das Übernationale und Überpositive, S. 107 Cf. 17 Vgl. Annin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 18 CC.; den., Normentheorie, S. IX C., 275; den., Das Übernationale und Überpositive, S. 107 Cf. 18 Wehei, Vom Bleibenden und vom Vergänglichen, S. 361; den., Naturrecht und Rechtspositivismus, S. 283 Cf.; Das neue Bild, S. XI.

11. Rechtsdogmatik und Rechtsauslegung

5

ergeben sich bestimmte Vorgaben für das Recht ("Strukturen")19. Zwar bestimme die Rechtsordnung "von sich aus, welche ontologischen Gegebenheiten sie wie bewerten und mit Rechtsfolgen verknüpfen will. Aber die Gegebenheiten selbst kann sie nicht ändern, wenn sie sie in Tatbeständen vertypt. Sie kann sie mit Worten bezeichnen, ihre Merkmale herausheben, aber sie selbst sind das gegenständlich Individuelle, das jeder möglichen rechtlichen Bewerbmg zugrunde liegt und das darum jeder möglichen rechtIi chen Regelung vorgegeben ist"20. Der Tatbestand könne das vorgegebene und logische Material nur "widerspiegeln", sprachlich und begrifflich umreißen. Diese begriffliche Deskription von ontischen Gegebenheiten sei aber kein "Erschaffen, Erzeugen oder Hervorbringen des Gegenstands, sondern nur das Erfassen von etwas, das auch vor aller Erkenntnis und unabhängig von ihr vorhanden ist" 21 .

2. Das hermeneutische VersUlndnis von Dogmatik Dieses Konzept einer so im Ontischen fundierten Dogmatik sieht sich jedoch im neueren Schrifttum grundsätzlicher Kritik ausgesetzt. Diese Kritik drückt

sich in dem Vorwurf aus, die Berufung auf den angeblichen Ewigkeitswert bestimmter rechtlich bedeutsamer "Erkenntnisse" (= der Gegenstände von Rechtsdogmen) laufe lediglich darauf hinaus, in pseudowissenschaftlicher Weise 22 ein gewisses subjektives Verständnis der Wirklichkeit mit der hehren Weihe unangreifbar-sakrosankter Wahrheit auszustatten 23. Das von der ontisch fundierten "klassischen" Dogmatik behauptete rein objekti ve Verständnis des Seinbereichs könne es mangels Trennbarkeit von verstehendem Subjekt und verstandenem Objekt gar nicht geben 24 . Dies ergebe sich nicht nur aus den Resultaten der quantentheoretischen Physik2S , sondern vor allem aus der neueren hermeneutischen Philosophie 26. 19 Wekel, 'Z1}tW 69, S. 635. 20 Welzel, Über Wertungen im Strafrecht, S. 27; vgl. auch Armin Kaufmann. Unterlassungsdelikte, S. 49 f.; den., Der dolus eventualis. S. 61 f. 21 N. Hartmann, Metaphysik der Erkenntnis, S. 1; Wekel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 104; den., 'Z1}tW 69, S. 635 f. 22 E. Schneider, DRiZ 1968, S. 47. 23 Adomo, Negative Dialektik, S. 67; Albert, Traktat über kritische Vernunft, S. 14; Gadamer, Hermeneutik und Historismus, S. 264; U. Neumann, Recbtsontologie, S. V, 1. 24 Nach Heidegger, Sein und Zeit, S. 12, wird "Dasein" durch "Verstehen" erst konstituiert, Verstehen arriviert also zum Existential. Indem "Verstehen" und "Dasein" synonym gesetzt werden, nimmt Hermeneutik den Charakter ei ner Fundamentalontologie an. V gl. auch Arthur Kaufmann, Zu einer ontologischen Grundlegung der juristischen Hermeneutik, S. 538 ff.; Jaspers , Philosophie, S. 586f.; Similis, AcP 172, S. 146. 2S V gl. überblickshalber Heisenberg, Die Entwicklung der Deutung der Quantentheorie, S. 412 ff.; Popper, Logik der Forschung, S. 172 ff.; Tietze, Kausalprobleme und Erkenntnisse der modemen Physik, S. 40 ff. 26 Vgl. grundlegend Schleiermacher, Hermeneutik und Kritik, S. 137 ff.; Di/Jhey, Entstehung der Hermeneutik, S. 317 ff.; Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 250 ff.

6

Kapitel A: Vorstellung des Untersuchungsgegenstandes

Danach soll schon der (von Nikolai Hartmann übernommene 27 ) Ausgangspunkt Welzels 28 und Annin Kaufmanns29 nicht zutreffen, wonach der juristische Tatbestand das unabhängig von ibm existente (= vorgegebene) ontische Material nur widerspiegele, sprachlich und begrifflich umreiße. Wirklichkeit (Objektbereich) und deren Erkenntnis (Subjektbereich) werden vielmehr als interdependent aufgefaßt: Jeder der beiden Bereiche erhalte seine Prägung aus dem jeweils anderen 30. Die Wirklichkeit sei zunächst nur ein amorphes "Konglomerat ungegliederter Fakten"31, ein massiver, unzugänglicher Block "Robmaterie" 32, der gerade infolge seiner Komplexität - mangels jeglicher Struktur, Ordnung und Abgrenzung - allenfalls staunend-orientierungslos betracb tel. so aber nicht in Erkenntnisse umgemünzt. d. h. eigentlich "erkannt", verstanden, werden könne. Ein tatsächliches Verständnis von der Wirklichkeit ergebe sich erst dann, wenn der Betrachter an die sonst stumm bleibende "Robmaterie" mit bestimmten subjektiven Orientierungspunkten, Ordnungskriterien und Erkenntniskategorien herantrete, wenn er die zunächst gestaltlose Wirklichkeit zergliedere, die ausgesonderten Spaltprodukte unter einen Begriff zusammenfasse und so sprechend, wiedererkennbar (d. h.: begreifbar) mache 33, wenn er Fragestellungen mit einer bestimmten Zielrichtung entwickle und damit die Fakten in relevante und irrelevante scheide, d. h. werte und gewich te. Jedes "Verständnis" eines Objekts setze damit dessen "Vor verständnis" durch ein Subjekt voraus 34 . Insofern sei auch kein erkenntnismäßiger Durchgriff zur objektiv existenten Welt des "Dings an sich" möglich, sondern bestenfalls eine intersubjektiv gültige (d. h. durch Konsens verschiedener Subjekte legitimierte) Sichtweise darüber zu erzielen, in welcher begrifflichen Zurichtung der

27 N. Hartmann, Metaphysik der Erkenntnis, S. I f. 28 Welzel, Über Wertungen im Strafrecht, S. 27. 29 Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 49 f.; ders., Der dolWl eventualis, S. 61 f. 30 Adorno, Negative Dialektik, S. 70; Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 290 f.; Arthur Kaufmann, Die Geschichtlichkeit des Rechts im Licht der Hermeneutik, S. 25 ff.; ders., Zu einer ontologischen Grundlegung der juristischen Hermeneutik, S. 545. 31 Arthur Ktmfmann, Problemgeschichte der Rechtsphilosophie, S. 116. 32 Ders., a.a.O., S. 116; ders., Zu einer ontologischen Grundlegung der juristischen Hermeneutik, S. 541; Hruschka, ARSP 50, S. 487. 33 VgJ. Lipps, Untersuchungen zu einer henneneutischen Logik, S. 131 f.: "Nicht stehen individuelle Gegenstände allgemeinen Begriffen gegenüber, sondern ... die Wirklichkeit den Begriffen, in denen sie gesichtet wird"; ähnlich auch Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 37 ff.; Historisches Wörterbuch der Philosophie: Bedeutung. 34 Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 254, 261 ff.; Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 136 ff.; F. MUller, Iuristische Methodik, S. 166 f.; Hassemer, Tatbestand und Typen, S. 105 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 98; ders., Logische Studien, S. 15.

11. Rechtsdogmatik und Rechtsauslegung

7

ontische Bereich zweckmäßigerweise aufzufassen sei 35. Es handele sich dabei aber originär um Wertungsfragen, die redlicherweise offenzulegen seien 36 • Demgegenüber versuche die klassische Dogmatik, mit dem achselzuckenden Hinweis auf das Bestehen angeblich unüberwindlicher (ontischer/metaphysischer) Vor-Gegebenheiten für das Recht sich der Notwendigkeit zu entheben, tatsächlich auf dem Wertungswege zustande gekommene Sachentscheidungen argumentativ zu legitimieren 37 : "Die Erkenntnis des Vorgegebenen bedarf keiner inhaltlichen Legitimation; sie legitimiert sich qua Erkenntnis selbst"38. Ontologiekritik bedeute daher stets, eine ins Ontologische entrückte Erkenntnis aus ihrer schein-heilig ontischen Aura 39 in das Feuer der argumentativen Auseinandersetzung, in den Diskurs zurückzuholen 4O • Die Auffassung Welzels 41 und Armin Kaufmanns42, derzufolge der Sache "Wirklichkeit" an und für sich eine bestimmte Logik immanent sei, welche zugleich strukturell-stoffliche Vorgaben für das Recht beinhalte, müsse somit vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Es seien umgekehrt strukturell-stoffliche Vorgaben für die Sache "Wirklichkeit" nötig, damit innerhalb dieser überhaupt von Logik die Rede sein könne. Aus der Subjekt-, Konsens- und damit Kultur- und Zeitabhängigkeit strukturell-stofflicher Vorgaben folge weiter, daß jedes Bestreben, ein bestimmtes Verständnis des ontischen Bereichs als absolut und zeitunabhängig-indisponibel auszumachen, von falschen Voraussetzungen ausgehe. Modernem Verständnis von Dogmatik gemäß könnten darum auch Dogmen nicht mehr als geschichtsübergreifend gültige Wahrheiten aufgefaßt43 werden.

35 Habermas, Erkenntnis und Interesse, S. 168, 176 ff.; Arthur Kaufmann, Zu einer ontologischen Grundlegung der juristischen Hermeneutik, s. 603; den., Rechtsphilosophie im Wandel, S. 231 Cf. 36 Engisch, Wahrheit und Richtigkeit, S. 22; Arthur Kaufmann, Zu einer ontologischen Grundlegung der juristischen Hermeneutik, S. 599; Esser, Dogmatik zwischen Theorie und praxis, S.534. 37 Wuchterl, Methoden der Gegenwartsphilosophie, S. 220, spricht von "systematisierten IlI\IOOnisierungsstrategien" . 38 U. Neumann, Rechtsontologie, S. v. 39 Dahm, Deutsches Recht, S. 159, spricht vom "Nimbus logischer Zwangsläufigkeit"; vgI. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 373 f.; Laren;., Methodenlehre, S. 43 Cf. 40 Similis, AcP 172, S. 144, spricht vom "Wagnis der argumentativen Begründung" zwecks Konsensherstellung; Alay, Theorie der juristischen Argumentation, S. 323, 334; Esser, Dogmatik zwischen Theorie und Praxis, S. 535 f. 41 Welzel, Über Wertungen im Strafrecht, S. 27. 42 Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 49 f.; den., Der dolus eventuaIis, S. 61 f. 43 Raiser, DRiZ 1968, 98.

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Kapitel A: Vorstellung des Untersuchungsgegenstandes

Die heutige Dogmatik verstehe sich vielmehr als "offen"44, durchlässig 45 , demokratisch 46 , wandel-47 und hinterfragbar 48, d. h. als flexibel 49 gegenüber etwaigen Neubeurteilungen; entsprechend seien Dogmen lediglich als ein Repertoire an vorläufigen Probiemlösungsvorschlägen50 oder heuristischen Prinzipien 51 zu verstehen. Vor diesem Hintergrund wird auch die von Armin Kaufmann aufgemachte klare Trennung von Rechtsdogmatik und -auslegung52 obsolet; die Auslegung des positiven Rechts stellt sich ja ebenfalls als Erarbeitung eines vorläufigen Problemlösungsvorschlags dar. Es ist daher ganz konsequent, wenn Rechtsdogmatik sich aus einem derartigen Verständnis heraus nur noch als "Interpretation der kodifizierten durch nicht-kodifizierte Rechtssätze"53 verstehen läßt, als ein Verfahren der gesetzesergänzenden Auslegung54. Rechtsdogmatik müsse dabei stets von dem ihr autoritativ vorgegebenen positiven Recht ausgehen55 , das es dann begrifflich-systematisch56 zu durchdringen gelte. Insofern lasse "Rechtsdogmatik" sich auch gleichbedeutend in "systematische Rechtswissenschaft"57 übersetzen, d. h. als eine bloße "Arbeitsmethode" auffassen, deren Ziel darin bestehe, verbindliche Texte (Gesetze und Urteile) darzustellen, zu erläutern, zueinander in Beziehung zu setzen und dadurch für die weitere Rechtsanwendung verfügbar zu machen 58. Die modeme Rechtsdogmatik habe mithin dem naiven 59, primitiven 60 , trivialen 61 , ja vulgären 62 Glauben an unumstößliche Dogmen abgeschworen 63, als archimedischen Punkt akzeptiere sie nur das positive Recht 64 (dieses aber auch vorbe44 Esser, Dogmatisches Denken im Zivilrecht, S. 123; Wieacker, Gadamer-Festschrift, S. 322, 335;Simitis, AcP 172, S. 142f. 45 Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 92. 46 Wieacker, Gadamer-Festschrift, S. 320 f. 47 Wieacker, Gadamer-Festschrift, S. 321.

48 A1exy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 325. AcP 172, S. 143. 50 Bachof, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts, S. 198; Wieacker, Gesetz und Richterkunst, S. 14; Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 91. 51 Esser, AcP 172, S. 126. 52 Esser, AcP 172, S. 126. 53 E. v. Savigny, Juristische Dogmatik und Wissenschaftstheorie, S. 108. 54 E. v. Savigny, Juristische Dogmatik und Wissenschaftstheorie, S. lOS. 55 Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 49,91; Raiser, DRiZ 1968, S. 98; Similis, AcP 172, S. 132. 56 A1exy, Theorie der Grundrechte, S. 23. 57 Bacho[, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts, S. 197; RaUer, DRiZ 1968, S. 98. 58 Esser, AcP 172, S. 97. 59 Esser, a.a.O., S. 102. 60 Esser, 8oa.O., S. 100. 61 Similis, AcP 172, S. 143 f. 62 Esser, AcP 172, S. 99. 63 RaUer, DRiZ 1968, S. 98. 64 Similis, AcP 172, S. 132. 49 Similis,

11. Rechtsdogmatik und Rechtsauslegung

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haltlos); fraglich könne nur sein, ob diese "undogmatische Dogmatik" überhaupt noch das Attribut "Dogmatik" verdiene oder nicht begrifflich zutreffender als Pragmatik 65 , SystematiJ(66 oder ZetetiJ(61 zu kennzeichnen wäre.

3. Die Maglichkeiten zu einer relativistischen Dogmatik In jedem Falle hätte diese "positivistische Wende" im Dogmatik-Verständnis zur Folge, daß die Rechtswissenschaft wieder auf jenes "erbärmliche Niveau" zurückfallen müßte, das J. v. Kirchmann ihr in seinem bekannten Vortrag aus dem Jahre 1848 mit drastischen Worten attestierte 68 : "Aus einer Priesterin der Wahrheit wird sie durch das positive Gesetz zu einer Dienerin des Zufalls, des Irrtums, der Leidenschaft, des Unverstands. Statt des Ewigen, Absolu ten, wird das Zufällige, Mangelhafte ihr Gegenstand. Aus dem Äther des Himmels sinkt sie in den Morast der Erde. Indem die Wissenschaft das Zufällige zu ihrem Gegenstand macht, wird sie selbst zur Zufälligkeit; drei berichtigende Worte des Gesetzgebers und ganze Bibliotheken werden zur Makulatur". Der Traum einer mathematisch-axiomatischen, vom positiven Gesetz emanzipierten Rechtswissenschaft i. S. v. Kirchmanns oder Armin Kaufmanns wäre ausgeträumt69 , die "klassische" Rechtsdogmatik insgesamt als "tot" zu betrachten 10. Einer näheren Kritik der Kaufmannschen Strafrechts dogmatik unter der ThemensteIlung, ihre "lebendigen" Anteile zu erkunden, bedürfte es nicht, wenn dogmatische Bemühungen i. S. Kaufmanns unabhängig von ihrem konkreten Inhalt ohnehin schon vom Grundsätzlichen her als aussichtslos zu qualifIZieren wären. Vor einer weiteren Beschäftigung mit der konkreten Gestalt und dem lebendigen Gehalt der Kaufmannschen Strafrechtsdogmatik muß daher die Bemltwortung der grundsätzlichen Frage stehen, inwieweit die Suche nach ontischen Vorgegebenheiten für das Recht (klassische Dogmatik) überhaupt Sinn macht: Präjudizieren bestimmte ontische Vorgegebenheiten die Wertungen, die dann zur Schaffung von "positivem Recht" führen - oder sind es gerade umgekehrt vorgegebene Wertungen, in deren Lichte dann etwaige ontische Gegebenheiten überhaupt erst erkennbar werden? Der Problematik aID angemessensten erscheint eine Lösung, die weder der OntOlogie noch der Wertung ein absolutes Primat einräumt und ebensowenig einen der beiden Gesichtspunkte zum bloßen Derivat des anderen degradiert. Einerseits vermag eine Sichtweise nicht zu überzeugen, die jedes begriffliche Ordnen (Begreifen) von Wirklichkeit als subjektiv-willkürlich und deswegen 65 Meyer-Cording, Recht und Staat, Bd. 428/429, S. 32. Bachof, Die Dogrnatikdes Verwaltungsrechts, S. 197; Raiser, DRiZ 1968, S. 98. 61 Viehweg , Rechtsdogrnatik und Rechtszetetik, S. 214. 68 v. Kirchmann, Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, S. 23, 25. 69 Wieacker, Gesetz und Richterkunst, S. 14. 10 Meyer-Cording, Recht und Staat, Bd. 428/429, S. 32. 66

3 Hoyer

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Kapitel A: Vorstellung des Untersuchungsgegenstandes

als beliebig austauschbar durch (ebenso willkürliche) gleichwertige (-wertlose) abweichende Auffassungen von Wirklichkeit diskreditierte. Eine derartig solipsistische Sichtweise würde übersehen, daß gesellschaftliches Miteinanderleben und -kommunizieren stets nur auf der Basis bestimmter "Nichtnegierbarkeiten" (Dogmen) funktionieren kann7l . Wo nicht gewisse Grund-Sätze als außerhalb jeder Kritik stehend erachtet werden, müßten nicht nur sämtliche Streitgespräche (mangels gemeinsamer Ausgangsbasis) ins Bodenlose abstürzen 72, Koexistenz und Kooperation gesellschaftlicher Subjekte setzen vielmehr generell das Bestehen und die Erwartung allseiti ger Akzeptanz gewisser regulativer Negationsverbote voraus. Eine "offene", d. h. gesetzeshörige, ihren eigenen stabilen gedanklichen Kern in Frage stellende Dogmatik 73 könnte ihrer positiven Funktion nicht mehr gerecht werden: die erforderlichen Negationsverbote so zu arrangieren, daß sich für eine auf diese Weise organisierte Gesellschaftsformation optimale Entfaltungsbedingungen ergeben 74. Die Etablierung eines bestimm ten anzuerkennenden Fundus kritiktabuisierter Sätze bleibt daher bezogen auf jede Gesellschaft (auch auf eine pluralistisch organisierte) unverzichtbar - erst dadurch entsteht aus bloßem "Chaos" überhaupt eine "Gesellschaft". Um kritikimmunisiert sein zu können, müssen die betreffenden Sätze aber darauf bestehen, sich auf ein vorgegebenes, indisponibles (also auch nicht durch das positive Recht modiflZierbares) An-Sich zu beziehen, auf empirische Gesetzmäßigkeiten also, welche die Autonomie der Subjekte durch die Macht der Faktizität begrenzen75 . Das Anliegen der klassischen Dogmatik, unverrückbare Strukturen im ontischen Bereich zu lokalisieren, läßt sich daher gerade (und jedenfalls) mit Hilfe einer pragmatischen Argumentation rechtfertigen. Andererseits darf aber auch die grundlegende Erkenntnis der hermeneutischen Philosophie nicht vernachlässigt werden, derzufolge die Wirklichkeit erst dadurch sprechend gemacht werden kann, daß sie unter einem bestimmten erkenntnisleitenden Gesichtspunkt inspiziert wird. Aussagen über die Wirklichkeit setzen demnach stets "Vor-Eingenommenheit"76 voraus, nämlich die aller Wirklichkeitserkenntnis vorangehende (und insofern dezisionistisch erfolgende) Festsetzung einer "Nullkoordinate" als Bezugspunkt für das zu entwikkelnde Erkenntnissystem. Erst aufgrund ihrer unterschiedlichen Relation zu

71 Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S. 1.5; WatzlawickIBeavinlJackson, Menschliche KOllllWnikation, S. 127. 72 Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 320; den., Theorie der Grundrechte, S. 44; Albert, Traktat über kritische Vernunft, S. 14; Pascal, Vom Geist der Geometrie, S. 19 ff. 73 Viehweg ,lherings &be, S. 214 f. 74 Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S. 1.5 f. 75 Arthur Kauf_n, Zu einer ontologischen Grundlegung der juristischen Hermeneutik, S. 604; den., Rechtsphilosophie im Wandel, S. 118; den., Beiträge zur juristischen Henneneutik, S. 89 ff.; U. Neumann, Rechtsontologie, S. 1. 76 Grundlegend zum henneneutischen Vorurteil Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 2.50 ff.; Euer, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 136 ff.

11. Rechtsdogmatik und Rechtsauslegung

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dieser Nullkoordinate lassen sich einzelne Wirklichkeitsphänomene voneinander abgrenzen und auf ihre Relevanz hin bewerten. Für eine ontisch fundierte, "klassische" Dogmatik folgt daraus, daß sie auf verwertbare Resultate aus dem ontischen Bereich erst hoffen darf, wenn sie zuvor ihre Betrachtung des Ontischen mit einem bestimmten erkenntnisleitenden Gesichtspunkt unterfüttert hat. Aus dem primär bestehenden, ontischen Chaos (das infolge seiner schillernden Unübersichtlichkeit letztlich unsichtbar bleibt) können ontische Strukturen erst herauspräpariert werden, nachdem zunächst ein strukturierendes Bewertungskrlterium entwickelt worden ist. Insofern trifft Stratenwerths Feststellung zu, daß die grundlegende Wertentscheidung der ontischen Einsicht nicht nachfolgt, sondern vorausgehtTI.

4. Die "Basis-Dogmen" Armin Kaufmanns Rechtsdogmatik im Wege einer Befragung des Ontischen, wie Armin Kaufmann sie vorschlägt, läßt sich daher nur betreiben, wenn vorher (dezisionistisch) die Fragestellung festgelegt worden ist, der die Befragung dienen, an der sie sich orientieren und unter der sie vonstatten gehen soll. Ohne die Vorgabe eines solchen erkenntnisleitenden Fixpunkts18 müßte die Welt des Ontischen unbegreitbar und damit unsichtbar bleiben, erst das Aufsetzen einer erkenntnisleitenden "Brille" läßt dogmatische Aussagen über sie möglich werden. Explizit wird eine derartige Erkenntnis bei Armin Kaufmann nicht thematisiert. Wenn Armin Kaufmann aber bei seiner Befragung des ontischen Bereichs dennoch so vielfaItige rechtlich bedeutsame Resultate zutage gefördert hat, so kann dies nur darauf beruhen, daß er seinen Untersuchungen implizit (bewußt oder unbewußt) doch gerade eine solche erkenntnisleitende Vorgabe zugrunde gelegt hat - und tatsächlich läßt sich eine derartige axiomatische Festlegung im Werk Armin Kaufmanns ausmachen. Sie wird immer dort angesprochen, wo Armin Kaufmann sich mit Wesen und Funktion von Recht (insbesondere Strafrecht) 19 und Staat beschäftigt: "Ich füge eine These hinzu: Aufgabe des Strafrechts ist der Schutz der Rechtsgüter des Bürgers und der Gemeinschaft. ... Die Strafrechtspflege ist damit wesentlicher Teil der Friedenssicherung als der allgemeinen Aufgabe des Staates" 80 • Hier liegen die weltanschaulichen Vorgaben, die Armin Kaufmann seiner Dogmatik zugrunde legt Der unaufhebbaren Subjektivität dieser Äußerungen (und damit sämtlicher Schlußfolgerungen aus ihnen) ist Armin Kaufmann sich dabei durchaus bewußt, wie sich zeigt, als er aus Bindings Postulat, Bestimmung des Rechts sei es, "die menschliche Freiheit im höchstmöglichen UmTI Stratenwerth, Natur der Sache, S. 20. 18 Stratenwerth, Natur der Sache, S. 20. 19 Zur entsprechenden Ableitung von Privatrechtssätzen aus der Ordnungsaufgabe der jeweiligen Einrichtung vgl. aIlgemein Esser, Grundsatz und Norm, S. 57, 101 f. 80 Armin Kaufmann, Die Aufgabe d~ Strafrechts, S. 263. 3*

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Kapitel A: Vorstellung des Untersuchungsgegenstandes

fange sicherzustellen"81, ableitet, Binding sei axiologisch "keineswegs voraussetzungslos"82 vorgegangen. Ebensowenig voraussetzungslos will folglich Annin Kaufmann selbst sein, wenn er dem Strafrecht die Verpflichtung zumißt, "das Zusammenleben von Menschen zu ordnen und zu gestalten"83, um "die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens", d. h. die Rechtsgüter84, zu schützen. Zwar ziele das Strafrecht auch darauf ab, die unverbrüchliche Geltung positiver Aktwerte zu erweisen und damit die Rechtstreue der Bevölkerung zu stützen (positive Generalprävention)85. Doch "der letzte Zweck, der durch das Erzeugen rechtstteuer Haltung erreicht werden soll", bestehe wiederum im "Schutz der Rechtsgüter" .86 Um diesem Zweck zu genügen, solle und müsse Recht eine "Wirkmacht"87 mit der Fähigkeit sein, "menschliches Verhalten zu beeinflus sen "88, zu steuem 89 und zu bestimmen 90. Mit diesen Bemerkungen umreißt Annin Kaufmann das erkenntnisleitende Prinzip seiner ontischen BetrachtlDlgen, also den AusrichtlDlgSplDlkt für seine gesamte Dogmatik: Strafrecht will Verhalten beeinflussen, um Rechtsgüter zu schützen. Erst von diesen beiden unkritisch (quasi als "Basis-Dogmen") hinzunehmenden Erkenntnisvorgaben aus beginnt "klassische" Dogmatik im Sinne Armin Kaufmanns möglich zu werden, lassen sich wesentliche und unwesentliche Wirldichkeitselemente voneinander scheiden, zeichnen sich Sachsttukturen ab, die im Sinne Stratenwerths 91 unlösbar mit dem gewählten (als solchem variablen) Wertgesichtspunkt verbunden scheinen. Eine Disziplin heißt demzufolge Dogmatik, wenn sie gewisse an und für sich willkürliche Sätze (BasisDogmen) als über jeder Kritik stehend erachtet und insoweit das Postulat wertfreien wissenschaftlichen Denkens aufgibt 92• 81 Binding, Normen, Bd. I, S. 52. 82 Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 279; vgl. auch

E. Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 309 f. 83 Armin Kaufmann, Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 41. 84 Ders., Die Aufgabe des Strafrechts, S. 264; vgl. Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 1; BVerfGE 45, 187,253 f. 85 Armin Kaufmann, a.a.O., S. 275, 288 f. in Anlehnung an Wekel, Über den substantiellen Begriff des Strafgesetzes, S. 229 ff. 86 Armin Kaufmann, La.O., S. 292. 87 Den., Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 41; ders., Unterlassungsdelikte, S.19. 88Den., Hans Weizeil11m Gedenken, S. 287. 89 Den., Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 40. 90 Den., Unterlassungsdelikte, S. 19 f. 91 Stratenwerth, Natur der Sache, S. 25. 92 Luhmann vergleicht die Funktion solcher Basis-Dogmen innerhalb der Rechtsdogmatik mit der Funktion von Bewußtseinskategorien innerhalb der kritischen Erkenntnistheorie Kants: Während die Basis-Dogmen die Bedingungen des juristisch Möglichen abstecken, grenzen die

III. Ausblick auf die folgenden Darlegungen

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Rechtswissenschaft (= klassische Dogmatik) kann daher mit Armin Kaufmann93 weiterhin als Suche nach den "absoluten Vorgegebenheiten" für das Recht verstanden werden: "Absolut" allerdings nicht (miß-)verstanden als "unabhängig von jeder Voraussetzung unverrückbar gültig", sondern (richtig) verstanden als "relativ zu einer bestimmten Voraussetzung unverrückbar gültig". "In der unaufhebbaren Relation von Wertgesichtspunkt und Sachstruktur findet die Jurisprudenz den Rückhalt, dessen sie als Wissenschaft bedarf"94. Dieses Zwischenergebnis markiert zugleich den Ausgangspunkt für die hier verfolgte ThemensteIlung: Nur für denjenigen, der Armin Kaufmanns BasisDogmen zu akzeptieren bereit ist, lohnt sich überhaupt eine weitere Auseinan de:rsetzung mit Armin Kaufmanns Strafrechtsdogmatik - und damit auch eine Rezeption der folgenden Kapitel dieser Arbeit. "Lebendiges" und "Totes n in Armin Kaufmanns Strafrechtsdogmatik können nämlich gerechterweise nur im Hin blick auf ihre Relation zu Armin Kaufmanns Basis-Dogmen untersucht und unterschieden werden. Als "lebendig" wäre dabei diejenige dogmatische Essenz zu qualifizieren, die sich aus den zugrunde gelegten Basis-Dogmen ableiten läßt; als "tot" wäre dagegen der Bereich an Sätzen zu diagnostizieren, dessen Gehalt sich nicht an den Basis-Dogmen fesunachen läßt. Da aber die dogmatische Grund entscheidung , Strafrecht als Mittel der Verhaltensbeeinflussung im Dienste des Rechtsgüterschutzes zu betrachten, sich auf den denkbar breitesten Konsens in Rechtsprechung und Literatur berufen kann 9S (eine über diesen Konsens hinausgehende Legitimation kann es aus denklogischen Gründen für kein Basis-Dogma jemals geben), läßt sich Dogmatik mit dieser Maßgabe immerhin solide betreiben.

m. Ausblick auf die folgenden Darlegungen Aufgabe der folgenden Darlegungen soll es somit sein zu klären, welchen ontischen Daten ein Strafrecht Rechnung tragen muß, das sich als Vehikel zur Bewirkung von Rechtsgüterschutz versteht,

Kategorien die Bedingungen des erkenntnismäßig Möglichen ein; vgl. Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S. 19 f.; Kam, Kritik der reinen Vernunft, S. 92 f.; J. Kraft, Vor fragen der Rechtssoziologie, S. 29 f. 93 Annin Kaufmonn, Namentheorie, S. IX f. 94 Stratmwerth, Natur der Sache, S. 30. 9S Vgl. BVerfGE 45, 187,253 f.; Rudolphi, SI{, vor § 1 Rn. 2; den., Honig-Festschrift, S. 167; &lin, JuS 1966, S. 381; SchlJnke-SchriJder-Lenckner, vor § 13 Rn. 8; JescMck, LI{, vor § 13 Rn. 5; MaurachIZipf, Allgemeiner Teil, Teilbd. I, S. 252; Wes.rels, Allgemeiner Teil, S. 2

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Kapitel A: Vorstellung des Untersuchungsgegenstandes

an welche Wirklichkeitsmuster ein Strafrecht anknüpfen muß, das sein Vorhaben, Verhalten zu beeinflussen, realisieren will. Die Beschäftigung mit diesen gewiß zentralen Fragestellungen soll in kritischem Nachvollzug der dazu vorliegenden dogmatischen Erkenntnisse Armin Kaufmanns in Angriff genommen werden. Zu diesem Ziel soll zunächst eine geraffte Gesamtdarstellung der konzeptionellen Inhalte gegeben werden, die Armin Kaufmann aus seinen Basis-Dogmen ableiten zu können vermeinte. Bei der daran anschließenden Überprüfung der von Armin Kaufmann ermittelten "Derivat-Dogmen" empfiehlt es sich, zunächst die direkt aus den Basis-Dogmen folgenden Aussagen Armin Kaufmanns in Augenschein zu nehmen, da sich bei deren Falsiftkation gegebenenfalls eine nähere Beschäftigung mit den von Armin Kaufmann benannten indirekten Folgesätzen des Basis-Dogmas erübrigen könnte (statt dessen könnten sich dann andere Folgesätze anbieten). Die Kapitelanordnung der folgenden Ausführungen wird diesem ökonomischen Gesichtspunkt demgemäß dadurch Rechnung zu tragen versuchen, daß sie jeweils von den grundle genderen zu den abgelegeneren Dogmen fortschreitet. Ein solches Programm macht es erforderlich, die komplexe Kaufmannsche Dogmenwelt in ihre einzelnen Segmente zu zerlegen, um sie isoliert voneinander kritisierbar (verifizierbar bzw. falsifizierbar) zu machen. Diese komplexitätsreduzierende Funktion bleibt im folgenden ebenfalls der Kapitelanordnung überantwortet, indem in deren Rahmen die gesamte zu inspizierende Dogmenwelt von deren Zen trum bis hin zur Peripherie kontinuierlich hinabverfolgt und in immer feinere Dichotomien untergliedert wird. Den Ausgangspunkt dieses Verfahrens aber bilden die erarbeiteten BasisDogmen Armin Kaufmanns, von denen sich die sämtliche Kapitel miteinander verbindende, erkenntnisleitende Fragestellung ableitet: Wie muß ein Strafrecht aussehen, das Verhalten beeinflussen will, um Rechtsgüter zu schützen.

KapitelB Vorstellung der Strafrechtsdogmatik Armin Kaufmanns

Ausgangspunkt der Überlegungen Armin Kaufmanns ist die Festlegung, daß das Strafrecht sich als der Versuch darstellt, den einzelnen mit den Mitteln des Rechts dazu zu bewegen, sein Verhalten an den Erfordernissen des Erhalts von Rechtsgütem auszurichten l . Endziel der Einrichtung "Strafrecht" ist also der Rechtsgüterschutz, Zwischenziel dabei die entsprechende Beeinflussung menschlichen Verhaltens. Aus diesen beiden grundsätzlichen Festlegungen leitet Armin Kaufmann folgende Erkenntnisse ab:

I. Folgerungen aus der Bindung des Strafrechts an das (Zwischen-)Ziel der Verhaltensbeeinflussung Menschliches Verhalten kann nach Armin Kaufmann mit rechtlichen Mitteln nur dadurch beeinflußt werden, daß dem Rechtsunterworfenen durch das Recht (1.) einerseits vorgeschrieben wird, wie er sich (nicht) verhalten soll (Festlegung des Sollensinhalts) 2 , (2.) andererseits nahegelegt wird, sich entsprechend (nämlich sollensgemäß) zu verhalten3 •

l. Die Unterscheidung zwischen "Norm" und "Strafgesetz" Der Rechtssatz, der den Sollensinhalt ausdrückt (vgl. 1.), heißt für Armin Kaufmann "Norm"4, während das "Strafgesetz" sich als derjenige Rechtssatz 1 Annin Kaufmann, Normentheorie, S. 279; ders., Unterlassungsdelikte, S. 19 f.; den., Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 40 f.; den., Die Aufgabe des Strafrechts, S. 263 f., 275,288 f., 292; den., Hans WeIzeI zum Gedenken, S. 287. 2 Den., Nonnentheorie, S. 66, 76. 3 Den., a.a.0., S. 230. 4 Den., a.a.0., S. 38 f., 49, 63.

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Kapitel B: Vorstellung der Strafrechtsdogmatik Armin Kaufmanns

präsentiert, der den Sollensadressaten zur Befolgung der Norm, d. h. zur seinsmäßigen Umsetzung des Sollensinhalts, veranlassen will (vgl. 2.)5. Die erwünschte Normbefolgung kann das Strafgesetz dabei nur dadurch bewirken, daß es denjenigen, der sich normkonträr verhält, rechtlich schlechter stellt als denjenigen, der sich normkonform verhält, d. h. indem es normkonträres Verhalten mit einer bestimmten als negativ empfundenen Folge, nämlich der Bestrafung, bedroht6. Hinter einem solchen Strafgesetz müssen dann wiederum sekundäre Normen stehen, denen gemäß bestimmte Straftverfolgungsorgane im Falle eines Bruchs der primären Norm die im Strafgesetz vorgesehenen Bestrafungsakte vornehmen sollen. Da die durch das Strafgesetz hergestellte Verlrnüpfung von Normbruch und Bestrafung die zuvorige Existenz einer (gebrochenen) Norm logisch voraussetzt, muß jedem vorhandenen Strafgesetz (mindestens) eine Norm zugrunde liegen 1. Indem diese Norm ihren Adressaten für bestimmte Situationen vorschreibt, wie sie sich darin jeweils (nicht) ver halten sollen, versucht sie, zu dem betreffenden Verhalten zu verpflichten, und kann (als gültiger Rechtssatz) demgemäß eine entsprechende rechtliche Verbindlichkeit bei ihren Adressaten zur Folge haben 8 • Unter einer "Norm" versteht Armin Kaufmann daher die Form, in der sich ein auf Pflichtbegründung gerichteter Rechtssatz ausdrückt 9 •

2. Die Unterscheidung zwischen "Verboten" und "Geboten" Normmaterie sei demgegenüber der Gegenstand, auf den sich der betreffende (auf Pflichtbegründung abzielende) Rechtssatz inhaltlich bezieht (das normierte Verhalten) 10. Je nach dem Anliegen, das der Rechtssatz an die Normmaterie heranträgt, lassen sich schließlich zwei Arten von Normen unterscheiden: Wird ein Verhalten vorzunehmen untersagt, so handelt es sich um ein Verbot; wird umgekehrt ein bestimmtes Verhalten vorzunehmen anbefohlen, so

5 Ders. , a.a.O., S. 230 ff. 6 Ders. , a.a.O., S. 230; ders. , Rechtspflichtbegriindung und Tatbestandseinschränkung, S. 278. 1 Ders., Normentheorie, S. 195 C.; den., Rechtspflichtbegriindung und TatbestandseinschränIrung, S. 278. 8 Ders., Rechtspflichtbegründung und Tatbestandseinschränkung, S. 278; Normentheorie, S. 48, 50, 74,76. 9 Ders. , Normentheorie, S. 48 C. 10 Ders., a.a.O., S. 102,240 C., 271; ders., Unterlassungsdelikte, S. 12 f.; ders., Rechtspflichtbegrundung und Tatbestandseinschränkung, S. 279 CC.

I. (Zwischen-)Ziel der Verhaltensbeeinf1ussung

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liegt statt dessen ein Gebot ll vor. Dementsprechend differenziert Armin Kaufmann denn auch zwischen Verbots- und Gebotsmaterie l2 •

3. "Finale Handlung" und "Handlungs!lJhigkeit" Da die Norm ihrer Zwecksetzung nach das Verhalten des Normadressaten beeinflussen will, muß sie von ihrer Verbots- bzw. Gebotsmaterie her auch auf das Vermögen der angesprochenen Normadressaten zur Steuerung ihres Verhaltens zugeschnitten sein 13. Soweit dem Normadressaten das Vermögen abgeht, das "Wann" und "Wie" seines Verhaltens zu steuern, kann die Norm ein solches "Wann" und ''Wie'' auch nicht erfolgreich (i. S. ihrer AufgabensteIlung) normieren (verbieten oder gebieten)14. Verhaltensnormierungen machen vielmehr erst dann einen Sinn, wenn der Nonnadressat einerseits überhaupt mit dem Vorliegen der Situation rechnet, auf die sich das "Wann" in der Nonnierung bezieht 15, und andererseits in dieser Situation auch zu einer Verhaltenssteuerung entsprechend dem "Wie" in der Normierung fähig wäre l6 • Als diejenige psychische Instanz, die allein dem Norm adressaten zu einer derartigen Steuerungsfähigkeit verhilft, macht Armin Kaufmann den "Verwirklichungswillen" aus 17. Darunter sei der zu einem Verhaltensentschluß führende Wille zu verstehen, dieses Verhalten als Mittel zur Verwirklichung eines zum Ziel gesetzten Zustands (Wirklichkeitsgestaltung) einzusetzen 18. Der Normadressat steuere folglich sein Verhalten, indem er einen solchen Verwirklichungswillen teils entwickle und verfolge, teils eben davon absehe l9 . Erst und nur das Vorkommen von Verwirklichungswillen als determinativem Faktor

11 Ders., Nonnentheorie, S. 284; ders., Unterlassungsdelikte, S. 2 f., 7, 257; ders., Methodische Probleme der Gleichstellung, S. 96. 12 Ders., Unterlassungsdelikte, S. 3, 14; ders., Rechtspflichtbegriindung und Tatbestandseinschränkung, S. 279 f. 13 Ders., Normentheorie, S. 106 f.; Hans Welzel zum Gedenken, S. 287; Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 41; Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 153 f. 14 Ders., Probleme rechtswissenschaftlichen Erkennens, S. 17 f.; ders., Das Übernationale und Überpositive, S. 109; ders., Unterlassungsdelikte, S. 3, 20. IS Ders., Unterlassungsdelikte, S. 100, 113, 123,125 f., 173. 16 Ders., a.a.O., S. 43, 104, 130 f., 310. 17 Ders., a.a.O., S. 3; ders., Nonnentheorie, S. 106. 18 Ders., Nonnentheorie, S. 152; ders., Der dolus eventualis, S. 67; ders., Unterlassungsdelikte, S. 73; ders., Unterlassung und Vorsatz, S. 118, 121. 19 Ders., Unterlassungsdelikte, S. 80; ders., Unterlassung und Vorsatz, S. 128 f.

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Kapitel B: Vorstellung der Strafrechtsdogmatik Annin Kaufmanns

begründe die normative Beeinflußbarkeit von Verhalten 20; wo ein Verhalten nicht durch Entwicklung und Verfolgung eines darauf gerichteten Verwirklichungswillens realisierbar wäre, könnten Gebote nichts ausrichten 21 , wo von einem Verhalten nicht durch Verzicht auf Entwicklung und Verfolgung eines darauf gerichteten Verwirklichungswillens abgesehen werden könne, bleibe ein Verbot fruchtlos 22. Normierungen eines Verhaltens, hinsichtlich dessen es an der Steuerungsfähigkeit fehle, verfehlten also selbst ihren Zweck. Steuerbares (d. h. auf der Grundlage eines "Verwirklichungswillens" zustande gekommenes) Verhalten definiert Armin Kaufmann als "fmales Handeln"23. Die Norm muß also bei der Ausgestaltung ihrer Verbots- bzw. Gebotsmaterie an die Fähigkeit des Normadressaten zu finalem Handeln anknüpfen - nur insoweit ist die (normativ) erstrebte Verhaltensbeeinflussung erreichbar24 . Im Rahmen ihrer Verbote muß sie finales Handeln untersagen, während sie im Rahmen ihrer Gebote umgekehrt fmales Handeln fordern muß2S.

ll. Folgerungen aus der Bindung des Strafrechts an den (End-) Zweck des Rechtsgüterschutzes

Die dargelegte Bindung der Norm an die finale Handlung gilt nicht nur für den rechtlich fundierten, sondern überhaupt für jeden auf Verhaltensbeeinflussung abzielenden (beispielsweise rechtswidrig nötigenden)" Sollenssatz26. Besonderheiten gerade für die Norm resultieren erst aus der Bindung des Strafrechts (und damit auch der Norm als seines Instruments) an das Ziel des Rechtsgüterschutzes.

20 Den., Probleme rechtswissenschaftlichen Erkennens, S. 18; den., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 154; den., Das Übernationale und Überpositive, S. 109. 21 Den., Unterlassungsde1ikte, S. 3. 22 Den., Normentheorie, S. 106 f. 23 Den., Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 41; den. , Unterlassungsdelilde, S. 3, 20,67; den., Unterlassung und Vorsatz, S. 119. 24 Den., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 154; den., Nonnentheorie, S. 102; den., Das Übernationale und Überpositive, S. 109. 25 Ders., Unterlassungsdelikte, S. 2 f., 7; ders., Methodische Probleme der Gleichstellung,

S.96. 26 Ders., Das Übernationale und Überpositive, S. 109; den., Hans Weizei zum Gedenken, S.287.

11. (End-)Zweck des Rechtsgiilerschutzes

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1. Die Stufenfolge der Wenungen a) Das Rechtsgut Der Norm logisch vorangegangen sein muß nämlich die Überlegung des Gesetzgebers, daß der Erlaß einer derartigen Norm für den Schutz von Rechtsgütern nützlich sein könne27• Eine derartige Überlegung des Gesetzgebers kann des weiteren wiederum nur stattfinden, wenn ihr bereits eine Festlegung darüber zugrunde liegt, welche Sach verhalte denn überhaupt als "Rechtsgüter" und mithin als schützens wert begriffen und (beim Normerlaß) in Bezug genommen werden sollen 28 • Ebenso wie also Strafgesetze logisch auf ihnen notwendig vorangegangenen Normen fußen müssen, so können Normen sich erst aus den ihnen notwendig vorangegangenen Wertentscheidungen ergeben 29• Der Norm muß also eine Entscheidung des Normgebers vorangegangen sein, bestimmte in der Wirklichkeit vorfmdbare Sachverhalte als "Rechtsgüter", d. h. als normativ schützenswert, weil originär wertvoll, einzustufen3O • Die auf diese Weise positiv aufgefaßten Sachverhalte formen Armin Kaufmann zufolge in ihrer Gesamtheit die soziale Ordnung des betreffenden Gemeinwesens aus 31. b) Der Sachverhaltsunwert Der genannte rechtsgüterkonstituierende und ordnungsstiftende Wertungsvorgang zieht aber zugleich und notwendig einen weiteren, davon abgeleiteten Wertungsvorgang nach sich: Aus ihrer Relation zu den (primär) positiv bewerteten Sachverhalten ergibt sich nämlich unaufbebbar eine bestimmte (sekundäre) Bewertung sämtlicher Ereignisse, die sich auf die Integrität derartiger Sachverhalte irgendwie auswirken 32. Ebenfalls positiv bewertet werden müßten dabei diejenigen Ereignisse, die die Integrität eines Rechtsguts vor Störungen bewahrten; zwingend negativ zu beurteilen seien dagegen diejenigen Ereignisse, die rechtsgutsbeeintrtichtigend wirkten, die also dafür ursächlich würden, daß als erhal tenswert empfundene Zustände gerade nicht erhalten blieben 33. Je nach dem förderlichen oder abträglichen Einfluß eines Ereignisses auf die Integrität eines Rechtsguts spricht Armin Kaufmann (in Anlehnung an Welzel) von Sachverhaltswerten und -unwerten als Ergebnis dieses sekundären (deri-

27 Den., Nonnenthecrie, S. 196. 28 Den., a.a.O., S. 69. 29 Den., a.a.O., S. 195 f. 30 Den. , a.a.O., S. 69. 31 Den., a.a.O., S. 70; den., Untedassungsdelikte, S. 1. 32 Den., Normenthecrie, S. 70; den., Unterlassungsdelikte, S. 1. 33 Den., Normentheme, S. 70; den., Unterlassungsdelikte, S. 1.

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Kapitel B: Vorstellung der Strafrechtsdogmatik Annin Kaufmanns

vierten) Wertungsvorgangs 34• Zu den Ereignissen, die als unwertig empfunden werden müßten, weil sie die Integrität eines Rechtsguts verletzten, könnten bei entsprechender Wirksamkeit auch menschliche Verhaltensweisen rechnen, die dann zu den Sachverhaltsunwerten zählten3s • c) Der Aktunwert Menschliches Verhalten lasse sich aber nicht nur nach seinen kausalen Auswirkungen für die Rechtsgüterwelt, sondern auch nach einem anderen Gesichtspunkt (positiv oder negativ) bewerten: nach seiner Finalität, d. h. danach, ob und inwieweit der hinter ihm stehende Verwirklichungswille auf die Verletzung (oder Bewahrung) eines Rechtsguts abziele oder einen derartigen Erfolg von seinen inneren Voraussetzungen her zumindest nahelege 36 • Je nachdem, ob das konkrete Verhalten in diesem Sinne final auf Rechtsgutsbewahrung oder -verletzung ausgerichtet erscheint, kommt nach Armin Kaufmanns Terminologie ein Aktwert bzw. -unwert zustande37 • Ein menschliches Verhalten ist danach aktunwertig (aktwertig), wenn es auf der Grundlage eines Verwirklichungswillens zustande kommt, der die Herbeiführung einer Rechtsgutsverletzung (-bewahrung) entweder vom Inhalt seiner Zielsetzung her (mit) umfaßt oder jedenfalls vom Modus seiner Zielverfolgung her erwartbar macht 38.

2. Das Verhltltnis von Aktunwert und Norm Die Verhaltensbewertung im Rahmen der tertiären Wertungs schicht knüpft also an die (unterbliebene/vorgenommene) Entwicklung und Verfolgung eines bestimmten Verwirklichungswillens, d. h. an die (Nicht-)Durchführung einer bestimmten fmalen Handlung i. S. Armin Kaufmanns, an 39 • Damit ist der Gegenstand dieses Werturteils, fmales Handeln (dessen Relation zum Rechtsgüterschutzanliegen abbildend), aber identisch mit dem Gegenstand, auf den die Norm (aus Gründen der Verhaltensbeeinflussung) bei der Festlegung ihres Sollensinhalts (ihrer Verbots- bzw. Gebotsmaterie) Bezug zu nehmen gehalten war. Tertiäres Werturteil und Norm fallen daher insoweit (in ihrer jeweiligen Bezogenheit auf finales Handeln) zusammen40 • Von ihrer Funktion und 34 Ders. • Normenthe S. Der Terminus "Pflicht" würde dann allerdings nicht mehr die innere Verbundenheit, das konkrete Sollen eines individuellen Normadressaten in einer bestimmten (zeitlich-räumlich fixierten) Situation kennzeichnen, er würde vielmehr für die Notwendigkeit stehen, sich zwecks Sanktioosvermeidung in spezifischer Weise verhalten zu müssen. Damit verlöre die Rechtspflicht zugleich ihre Stellung als das Primäre, Ursprüngliche, Bedingende, dem die Sanktion (im Zivilrecht die Haftung) als das Sekundäre, Abgeleitete, Bedingte nachgeordnet ist; die Rangverhälmisse kehrten sich vielmehr um: Die Rechtspflicht würde zum bloßen Derivat schrumpfen, zum Reflex gegen über der Sanktion degradiert 133 • Eine derartige modifizierte Verwendung des Pflichtbegriffs hat vor allem l34 Hans Kelsen vorgeschlagen 135: "Damit ist der Begriff der Rechtspflicht be131 SomlO, Juristische Grundlehre, S. 431; Laun, Satz vom Grunde, S. 295. 132 V gl. Kalinowslci, Einführung in die Nonnenlogik, S. 95. 133 Vgl. J. Binder, Zur Lehre von Schuld und Haftung, S. 226. 134 Vgl. aber auch Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 121 f., der konstatiert, daß der Begriff "Rechtspflicht" sich als "Jraktisch schwer entbehrlich" darstellL Es sei auch "kaum einzusehen, warum man nicht nach endgültiger Destruktion aller metaphysischen und magischen Vorstellungen, die im Bannkreis des Naturrechts" an den Begriff "Rechtspflicht" geknüpft waren, den Begriff "in ganz realistischem Sinne gebrauchen sollte, um einen klar definierten Sachverhalt kurz zu bezeichnen", S. 122. "Rechtspflicht" heißt für Geiger nichts anderes als "daß die Norm gilt", S. 123, wobei die Geltung einer Norm sich danach bemessen soll, inwieweit entweder das sanktionsbedrohte Verhalten vermieden wird oder aber auf dessen Nichtvermeidung dann auch tatsächlich die Vollstreckung der angedrohten Sanktion folgt, S. 159 ff. Vgl. auch SomlO, Juristische Grundlehre, S. 430 ff., der einem Verhalten attestiert, Gegenstand einer - "anethisch" zu

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Kapitel C: Nonn und Pflicht

stimmt Er steht in einem Wesenszusammenhang mit dem der Sanktion"I36. Ein Verhalten als "Inhalt einer Rechtspflicht" zu bezeichnen, besage nicht, daß es sich dabei um ein normativ "gesolltes Verhalten" handele, sondern nur, daß "eine Rechtsnorm an ein gegenteiliges Verhalten einen Zwangsakt als Sanktion" geknüpft habe 137 • Die Behauptung "ein Individuum ist rechtlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet" bedeute demzufolge nicht mehr und nicht weniger als die Feststellung, daß "sein gegenteiliges Verhalten zur Bedingung eines Zwangs akts normiert" worden sei l38 • Gegen diese defmitorische Umkehrung des Pflichtbegriffs zur alethisch verstandenen "Zwangspflicht" 139 lassen sich vom (norm)logischen Standpunkt her ebensowenig Einwände erheben, wie es von daher etwa zu beanstanden wäre, wenn ein von seiner Verfassung her entschieden antidemokratisch orien tierter Staat dennoch unter dem Staatsnamen "Demokratische Republik" aufzu treten für opportun erachtete. Daß dennoch im folgenden von der Möglichkeit, mit einem auf diese Weise zurechtgestutzten Pflichtbegriff dogmatisch weiter zu operieren, kein Gebrauch gemacht wird, beruht somit allein auf Gründen der semantischen Unmißverständlichkeit l4O ; Wer neuen Wein in alte Schläuche gießt, riskiert, daß später der angebotene Wein irrtümlich für alt erachtet

verstehenden· "Rechtspflicht" zu sein. wenn sich an seine Vornahme bestimmte aus einer Rechtsnonn hervorgehende Belastungen knüpfen. S. 431; ebenso NawiDsky. A1lg. Rechtslehre. S. 152. 135 VgI. überblickshalber Weinberger. Nonnentheorie als Grundlage der Jurisprudenz und Ethik, S. 189 ff.; Volanthen. Zu Hans Kelsens Anschauung über die Rechtsnonn. S. 12.22 ff. 136 H. Kelsen. Reine Rechtslehre. S. 121. 137 Ders .• a.a.O .• S. 120. 125; ders .• Allgemeine Theorie der Norm. S. 108; ders.• Hauptprobleme der Staatsrechtslehre. S. 348. 138 Den.• Reine Rechtslehre. S. 51 f.; ders.• Allgemeine Staatslehre. S. 51. Im Unterschied zum hiesigen Entwurf mag Kelsen auf das "Sollen" im Rahmen seines Systems allerdings nicht völlig verzichten: Rechtlich gesollt sei zwar nicht mehr das sanktionierte Verhalten. wohl aber noch die Sanktionszufügung. d. h. der normierte Zwangsakt als Reaktion auf das sanktionierte Verhalten; vgI. ders.• Reine Rechtslehre. S. 124. Kelsens Einschwenken auf diese "Kompromißlinie" setzt ihn aber zwangsläufig Einwänden von beiden Seiten aus: Wer "Sollen" und "Pflichten" im Rahmen der Sanktionsnormen akzeptiert. vermag kaum noch zu begründen. weshalb diese Denkfiguren dann nicht auch im Rahmen der Verhaltensnormen Verwendung finden können. Wer "Sollen" und "Pflichten" im Rahmen der Verhaltens normen dagegen ablehnt. vermag kaum noch einzusehen. weshalb die dafür verantwortlichen Argumente auf der Ebene der Sanktionsnonnen dann plötzlich gegenstandslos geworden sein sollen. 139 Hold von Femeck. Die Rechtswidrigkeil, I. S. 76: "Pflicht ist Zwang. und es bleibt in der Tat für den Begriff der Pflicht ... kein anderes Merkmal als das des Zwanges"; Knapp. System der Rechtsphilosophie. S. 193; Christian Thomasius. Fundamenta iuris naturae et gentium, 1.. 4.• § 60; kritisch zum Begriff der "Zwangspflicht" Wetzet. Naturrecht und Rechtspositivismus. S. 286; ders.• Gesetz und Gewissen. S. 301; den. • Naturrecht und mate riale Gerechtig keil, S. 162f.; ders. • Macht und Recht. S. 292. 140 Ebenso Schreiber. Der Begriff der Rechtspflicht, S. 153; Laun. Satz vom Grunde. S. 295f.

IV. Zusammenfassung des Kapitels

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wird141 . Es ist demnach nicht nur die herkömmlich als "Rechtspflicht" bezeichnete dogmatische Kategorie, sondern zugleich auch der Begriff "Rechtspflicht" selbst aus der Rechtsdogmatik hinauszubefördern.

IV. Zusammenfassung des Kapitels

Weiterhin innerhalb der Rechtsdogmatik verbleibt der Begriff der "Norm". Unter einer "Normnist der Sinn eines Rechtssetzungsakts zu verstehen, demzufolge fortan gelten möge, daß ein bestimmtes Verhalten zu bestimmten Nachteilen führt. Ob der betreffende Rechtssetzungsakt glückt, fortan also gilt, daß das normierte Verhalten zu den normierten Nachteilen führt, hängt davon ab, inwieweit die Voraussetzungen einer (ihrerseits gültigen) Inkorporationsregel erfüllt sind. Unter "Geltung" ist dabei zu verstehen, daß es dem Recht entspräche, wenn das normierte Verhalten zu dem normierten Nachteil führte. "Geltung" bezeichnet also die Tatsache, daß die normierte Folgebeziehung rechtens wäre, während "Wahrheit" bedeutet, daß diese Folgebeziehung der Fall ist Um eine Strafnorm handelt es sich, wenn die (auf ihre Geltung oder Wahrheit) zu begutachtende Folgebeziehung gerade in dem Zusammenhang zwisehen einem Verhalten und dem Nachteil "Strafbarkeit" besteht. Strafbarkeit meint dabei den Nachteil, daß für einen anderen ein Bestrafungsanreiz entsteht, d. h. ein Ameiz zur Durchführung bestimmter Zwangsakte. Ein Anreiz, auf bestimmtes Verhalten mit bestimmten Zwangsakten zu reagieren, bezieht sich dabei gerade auf "Bestrafung" (statt nur auf das Eintreiben einer Steuer), wenn die Norm in objektiv erkennbarer Weise lediglich auf die Erdrosselung von Verhaltensentschlüssen ausgerichtet erscheint (und nicht auch auf die Erzielung oder Umverteilung von Einnahmen). Die Androhung von "Strafbarkeit" und die Durchführung von "Bestrafung" machen zusammen das Sanktionensystem des Strafrechts aus, mittels dessen Verhalten im Interesse des Rechtsgüterschutzes zu beeinflussen versucht wird. Strafnormen, die nicht dieser Zielsetzung dienen, können kraft axiomatischer Vorgabe keine gültigen Strafrechtsnormen sein, eine Inkorporationsregel, die dennoch ihre Gültigkeit vorsähe, müßte ihrerseits also ebenso ungültig sein wie die betreffenden Strafnormen. Genau das sind - zusammengefaßt - die Grundaussagen des alethischen Strafrechts konzepts, das den folgenden Betrachtungen zugrunde gelegt wird und auf seine weiteren dogmatischen Implikationen untersucht werden soll.

141 Cathrein, Moralphilosophie, I, S. 494: "Von einer Pflicht reden, die keine sittliche oder Gewissenspflicht wäre, hieße von einem runden Viereck reden".

KapitelD Unrecht und Schuld

Der Verzicht darauf, die Rechtspflicht als zentrale dogmatische Kategorie zu akzeptieren, muß natürlich auch zu Rückwirkungen auf alle weiteren Überlegungen führen, die Armin Kaufmann an die Existenz einer Rechtspflicht knüpft und darauf aufbaut Dies gilt zunächst für die Stellung der Norm in der Strafrechtsdogmatik: Während die Norm sich für Armin Kaufmann als logisch unentbehrlicher Ursprung einer jeden Rechtspflicht darstellte und dementsprechend die (letztlich Pflichten erzeugende) An ordnung eines bestimmten Sollens zum Inhalt haben mußte 1, begnügt sie sich im Rahmen eines alethischen Strafrechts mit der Funktion, ein Altemativitätsverhältnis zwischen der Wahl gewisser Verhaltensformen (die demnach insofern weiterhin zur Wahloffenstehen, als sie nicht zum Gegenstand einer Unterlassungspflicht erstarrt sind, die Entscheidungsfreiheit mithin nicht "einkassiert" worden ist) und der Vermeidung damit verbundener Übelszufügungen zu kennzeichnen. Der Fortfall der "Pflicht" als Ausgangs- und Bezugspunkt dogmatischer Rechtssystematisierung zieht jedoch noch weit gravierendere Konsequenzen mit sich, denn auch das Kaufmannsche Verständnis von "Unrecht" und "Schuld" hängt auf das engste mit dem Pflichtbegriff zusammen.

I. "Unrecht" und "Schuld" nach Annin Kaufmann "Unrecht" ist für Armin Kaufmann nichts weiter als der Inbegriff für pflichtwidriges Verhalten 2 , setzt also das Vorliegen (1.) einer Rechtspflicht sowie (2.) eines Verhaltens im Widerspruch zu dieser Rechtspflicht voraus3 • "Schuld" meine demgegenüber, daß der Täter sich pflichtwidrig verhalten hat,

1 Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 48.

2 de~., a.a.O., S. 145, 156. 3 de~., a.a.O., S. 157.

I. "Unrecht" und "Schuld" nach Armin Kaufmann

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obwohl er sich durch die Pflicht zu deren Befolgung hätte motivieren lassen können4 . Der Be griff "Schuld" beinhalte demnach den Begriff des "Unrechts" 5, sei jedoch weiter als dieser, weil "Schuld" zusätzlich (über "Unrecht" hinaus) noch das Vorhandensein von Pflichtbefolgungsfahigkeit bezeichne6 • "Pflichtbefolgungsfähigkeit" fungiert bei Armin Kaufmann als Oberbegriff für zwei Fähigkeiten, nämlich (1.) der Fähigkeit, das Bestehen einer Rechtspflicht überhaupt erkennen zu können (Einsichtsmöglichkeit als intellektuelle Komponente der Pflichtbefolgungsfähigkeit), und (2.) der Fähigkeit, sich anband der erkannten RechtspfliCht dann ggf. auch willentlich zu pflichtkonformem Verhalten bestimmen zu können (Willensfreiheit als voluntative Komponente der Pflichtbefolgungsfähigkeit) 7 • Die Unterscheidung von "Unrecht" und "Schuld" sei hierbei sachlogisch vorgegeben 8 , da jedwede Feststellung zur Befolgbarkeit einer Pflicht deren Existenz iIIimer schon voraussetze, insofern nämlich, als sich die dafür notwendigen Feststellungen stets nur auf der Basis und in Relation zu einer als solcher bereits gegebenen Pflicht überhaupt treffen ließen9 ; erst nachdem ein Verhalten als pflichtwidrig (als "Unrecht") diagnostiziert worden sei, könne sinnvoll danach gefragt werden, ob diese Pflichtwidrigkeit (schuldhaft, d. h.) dadurch zustande gekommen ist, daß der Täter von einer vorhandenen Fähigkeit zur Befolgung der Pflicht keinen Gebrauch gemacht hat Die Kategorien "Unrecht" und "Schuld" werden von Armin Kaufmann mithin bezugnehmend auf den Begriff der Pflicht entwickelt, definiert und voneinander abgegrenzt. Die Aufgabe der nachfolgenden Ausführungen, die - dem vorherigen Abschnitt entsprechend - auf der Prämisse eines alethisch, d. h. pflichtfrei, konzipierten Strafrechts fußen, wird es demzufolge sein müssen, herauszuarbeiten, inwieweit die Gegenüberstellung von "Unrecht" und "Schuld" sowie deren Wesensbestimmung durch Armin Kaufmann auch auf der Grundlage dieser veränderten Ausgangsposition noch Tragfahigkeit für sich in Anspruch nehmen kann.

4 den., a.a.O., S. 176; den., Schuldfähigkeit und Verbotsirrtum, S. 82; den., Das fahrlässige Delikt, S. 146. 5 den., Normentheorie, S. 108; den., Die Funktion des Handlungsbegriffes im Strafrecht, S. 28; den., Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 42; den., Zum Stande der Lehre zum personalen Unrecht, S. 156. 6 den., Nonnentheorie, S. 160, S. 287; deTS., Unterlassungsdelikte, S. 138. 7 ders., Normentheorie, S. 163, 169, 172; ders., Unterlassungsdelikte, S. 139; den., Schuldfähigkeit und Verbotsirrtum, S. 83. 8 den., Normentheorie, S. 282 f.; deTS., Probleme rechts wissenschaftlichen F.ckennens, S. 19; den., Hans WeIzeI zum Gedenken, S. 286, 290. 9 Den., Nonnentheorie, S. 129, 141 f, 282; den., Zum Stande der Lehre vom personalen Recht, S.154.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

II. Unrecht und Schuld im alethischen Verständnis Wenn (Wld weil) strafrechtliche Normen lediglich bestimmte Verhaltensweisen mit bestimmten Konsequenzen (der Sanktion "Strafbarkeit") verknüpfen, ohne Rechtspflichten zur Entstehung zu bringen, lassen sich "Unrecht" und "Schuld" auch nicht mehr (wie Armin Kaufmann vorschlägt) in der Weise voneinander abheben, daß der Begriff "Unrecht" die Pflichtmäßigkeitl-widrigkeit eines Verhaltens bezeichnet, während der Begriff "Schuld" sich darüber hinaus zur Pflichtbefolgungsfähigkeitl-unfähigkeit des Verhaltensurhebers äußert. Da die Vokabel "Pflicht" zur Explikation des Wesens von "Unrecht" und "Schuld" nicht mehr zur Verfügung steht, muß sie im Rahmen der von Armin Kaufmann befürworteten Definitionen jeweils konsequent durch dasjenige substituiert werden, was im erarbeiteten alethisehen Strafrechtskonzept an die Stelle jener Vokabeln getreten ist. Gemäß dem oben Ausgeführten 10 wird die der Kaufmannsehen Dogmatik immanente Idee einer Verpflichtung im alethisehen Strafrechtskonzept auf das Bedrohtsein von einer Sanktion (namens "Strafbarkeit") zurückgeführt.

1. Unrecht im alethischen Verstllndnis Ein Verhalten v als "pflichtwidrig" zu bezeichnen, bedeutete damit - transformiert in alethische Sprechweise - daß seine Verwirklichung einer Rechtsnorm zufolge mit einer Sanktion S verknüpft ist, v -> S 11. Sofern innerhalb einer Rechtsordnung dieser Normsatz v -> S eine gültige Norm (g) ausdrückt, läßt sich v "rechtswidrig" kennzeichnen, das Vorliegen von v somit als "Unrecht" U begreifen: U =(v -> S)I + v. Der Terminus "Unrecht" stände in dieser Lesart stellvertretend (nicht mehr für pflichtwidriges, sondern) für Verhaltensweisen, die strafbar sein sollen, der Ausdruck "rechtswidrig" wäre demgegenüber mit "von Rechts wegen strafbar" identisch.

10 V g1. Kapitel C. 11. 2. 11 v. Wright, Deontische Logik und die Theorie der Bedingungen, S. 22; den., Normenlogik, S. 128; Andenon, The Logic of Decision and Action, S. 151 ff.; den., Mind 67, S. 100 ff.; Lenk, Symbolisierung bedingter Normsätze, S. 130; Bohnen, The Semiotic Status of Commands, S. 302 ff.; Prior, Formal Logic, S. 220 ff.

11. Unrecht und Schuld im aIethischen Verständnis

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2. Schuld im alethischen VerstlJlldnis Beträchtliche Modifikationen aus diesem Ansatz ergeben sich jedoch für Stellung und Inhalt des Begriffs der "Schuld". Während sich "Schuld" im Rahmen der Kaufmannschen Strafrechtsdogmatik dadurch auszeichnete, daß die vorhandene Fähigkeit zur Pflichtbefolgung ungenutzt geblieben (indem nämlich pflichtwidriges Verhalten verwirklicht worden)12 ist, muß in alethischer Diktion auf die Nichtanwendung einer anderen Fähigkeit abgestellt werden: Der Fähigkeit M (Motivierbarkeit), sich anband der Tatsache, daß Unrecht nur durch Vermeiden eines bestimmten Verhaltens v auszuweichen ist, zu eben diesem Vermeiden bestimmen zu lassen: M (v -> S)g. Sofern der Täter von dieser Fähigkeit trotz ihres Vorhanden seins keinen Gebrauch macht (indem er nämlich "Unrecht" verwirklicht), lädt er (alethisch reformuliert) "Schuld" Sch aufsieh: Sch =M (v -> S)g + U. Die Kategorie "Schuld" schlösse demnach - wie in der kaufmannschen Strafrechtsdogmatik 13 - diejenige des "Unrechts" in sich ein, obwohl sich beide jeweils in Forum lierung und Bedeutung verändert hätten. a) Die Bedeutung des alethischen Schuldbegriffs Daß es sich dabei nicht nur um einen (relativ bedeutungslosen) neuen Formulierungsmodus, sondern um einen materiell außerordentlich folgenreichen Bedeutungswandel handelt, mag zunächst noch nicht deutlich geworden sein. Diese Tatsache wird jedoch offenbar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die soeben originaltreu ins Alethische übersetzte "Schuld" im Strafrechtssystem ihre Stellung als Strafbarkeitsvoraussetzung (als Deliktskategorie i. S. von Armin Kaufmann 14) verlöre. Wenn "Unrecht" mit "von Rechts wegen strafbarem Verhalten" gleiChzusetzen wäre, und "Schuld" Unrecht lediglich als eine ihrer Komponenten -nebst M (v -> S)g - mit beinhaltete, dann läge strafbares Verhalten stets bereits komplett und abgeschlossen vor, ehe die Schuldfrage überhaupt gestellt und unabhängig davon, wie sie ggf. beantwortet wird. b) Einwände gegen den alethischen Schuldbegriff Diese Konsequenz ist auf der Basis einer originalgetreuen Transposition der "Schuld" Armin Kaufmanns ins Alethische logisch unausweichlich. Ihr läßt

12 Armin Kmtfmann, Normentheorie, S. 176; ders., Schuldfähigkeit und Verbotsirrtum, S. 82; ders., Das fahrlässige Delikt, S. 146. 13 Ders., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 156; ders., Die Funktion des Handlungsbegriffs, S. 28; ders., Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 42. 14 Ders., Normentheorie, S. 17, 196, 202.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

sich nur dadurch möglicherweise ausweichen, daß schon der Ausgangsbegriff "Schuld", bevor er einer Übersetzung ins Alethische unterzogen wird, inhaltlich abweichend definiert wird. Bevorzugte man nämlich anstatt des weiten (= unrechtsumfassenden) Schuldbegriffs Armin Kaufmanns einen engeren (die Unrechtsmerkmale ausklammernden, d. h. nur die spezifisch schuldrelevanten Umstände erfassenden) Schuldbegriff, so ließe sich das soeben aufgezeigte Dilemma (zumindest scheinbar) umschiffen: Schuld bestände dann (nur!) in der von Armin Kaufmann sogenannten Pflichtbefolgungsfähigkeit - unabhängig davon, welcher Gebrauch von dieser Fähigkeit gemacht wird. Im alethischpflichtfreien Strafrechtskonzept würde ein derartiger Schuldbegriff durch die Schreib weise Sch = M (v -> S)8 angemessen repräsentiert sein. Da in diesem Sinne "Schuld", d. h. Motivierbarkeit durch die Rechtsorm, vorliegen könnte, ohne daß zuvor "Unrecht" (von Rechts wegen strafbares Verhalten) realisiert worden sein müßte, setzte eine so gestutzte "Schuld" kein strafbares Verhalten mehr voraus und könnte dann auch wieder ihrerseits als Strafbarkeitsvoraussetzung in Betracht gezogen werden. Auf diese Weise würde sich die Begriffspyramide, innerhalb derer "Schuld" und "Unrecht" ihren Platz finden, allerdings gegenüber der kaufmannschen Strafrechtsdogmatik richtungsmäßig umkehren: Die "Schuld" rangierte nicht mehr als (unrechtseinschließender) Oberbegriff über dem "Unrecht", sondern "Unrecht" würde seinerseits - nebst weiteren spezifischen Unrechtsmerkmalen das Vorhandensein von "Schuld" (als Strafbarkeitsvoraussetzung) begrifflich mit beinhalten. Strafbar (und damit rechtswidrig) wäre dann nur ein Verhalten, das (u. a) "schuldhaft", d. h. im Besitz der Fähigkeit M vorgenommen wurde, sich anband der Rechtsnorm, daß v -> S, zur Vermeidung von v motivieren zu lassen - erst mit der Realisierung "schuldhaften" Verhaltens läge auch "Unrecht" U ins gesamt vor: U = (v -> S) + M (v -> S)8 + v. Das damit gekennzeichnete Deliktskonzept wirkt schon auf den ersten Blick ungewöhnlich; vor allem erweist es sich auf den zweiten Blick aber als logisch fehlerhaft und deshalb unhaltbar. Um dies zu zeigen, bedarf es lediglich des Rückgriffs auf das o. a. Argument Armin Kaufmanns l5 , aus dem sich die Gegenüberstellung von "Unrecht" und "Schuld" im Rahmen der kaufmannschen Strafrechtsdogmatik herleitet: Jedwede Frage nach der Befolgbarkeit einer Pflicht geht von deren rechtlicher Existenz immer schon aus, da sich nur relativ zu einer der Betrachtung bereits zugrundegelegten Pflicht überhaupt sinnvoll nach deren Befolgbarkeit fragen läßt; Pflichten entstehen also - weil 10-

15 Den., a.a.O., S. 129, 141 f., 282; den., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S.154.

11. Unrecht und SdlUld im alethischen Verständnis

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gisch vorgelagert - stets unabhängig von ihrer Befolgbarkeit bzw. Unbefolgbarlceil Innerhalb dieses Arguments braucht im wesentlichen lediglich die Variable "Pflicht" gegen die entsprechende alethische Größe "notwendige Straflosigkeitsbedingung" ausgetauscht zu werden, damit es im hier zu erörternden Problemzusammenhang bedeutsam wird: Jedwede Frage nach der Motivierbarkeit durch den Bedingungszusammenhang zwischen Verhalten und Straflosigkeit geht von der rechtlichen Existenz eben dieses Bedingungszusammenhangs immer schon aus, da sich nur relativ zu einem der Betrachtung bereits zugrundegelegten Bedingungszusammenhang überhaupt sinnvoll nach dessen Motivationskraft fragen läßt; der Bedingungszusammenhang zwischen Verhalten und weiterer Straflosigkeit entsteht also - weil logisch vorgelagert - stets unabhängig von seiner (Un-)Fähigkeit, auf etwaige Willensbildungsprozesse Einfluß nehmen zu können. Genau dieses Argument spricht aber entscheidend gegen die oben erwogene Formel U =(v -> S)g + M (v -> s)g + V • Danach, ob M (v -> S)g und demnach Schuld vorliegt, läßt sich nur fragen, indem der Bedingungszusammenhang (v -> S) selbst bereits als gültig angenommen wird. Eine Geltung des Inhalts, daß Strafbarkeit S sich nur durch eine bestimmte Verhaltensweise (- v) vermeiden läßt, liegt der angeführten Formel aber gerade nicht zugrunde; auch dann, wenn nicht - v, sondern + v realisiert wird, muß dies nicht stets den Verlust der Straflosigkeit zur Folge haben (= muß kein strafbares Verhalten, Unrecht U, zustande kommen), dafür wäre vielmehr zusätzlich noch die positive Beantwortung der Schuldfrage erforderlich. Im Rahmen der Schuldfrage wird also untersucht, ob der Täter sich von einem Bedingungszusammenhang hätte motivieren lassen kön nen, der selbst erst durch die Bejahung der Schuldfrage konstituiert wird. Genausogut (bzw. genausowenig) köoote nach der Sichtbarkeit eines Gegenstands gefragt werden, welcher erst unter der Voraussetzung entsteht, daß er sichtbar wird: Die Frage nach der Sichtbarkeit von Gegenständen, deren Existenz sichtbarkeitsbedingt ist, macht keinen Sinn, bleibt unauflösbar paradox und läßt sich infolge ihrer Zirkularität ebensowenig beantworten wie die Frage nach der Motivierbarkeit durch Bedingungszusammenhänge, die erst bei gegebener Motivierbarkeit überhaupt zur Entstehung gelangen könnten. Die Sichtbarkeit eines Gegenstan des verhält sich damit zu dessen Vorhandensein ebenso wie die Schuld zum Unrecht: Sie baut zwar auf diesem - als ihrer Grundlage - auf, baute ihre Grundlage aber nicht selbst mit auf, steht vielmehr dieser gegenüber auf einer anderen höheren Stufe (Metaebene). Damit muß aber die Einordnung von "Schuld" als (Unrechts- und mithin) Strafbarkeitsvoraussetzung innerhalb des alethischen Strafrechtskonzepts endgültig aufgegeben werden.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

In diesem Fortfall der "Schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung liegt ein wesentliches Ergebnis, das aus dem Übergang von einem dualistisch-pflichtgebundenen zu einem monistisch-alethischen Strafrechtskonzept konsequenterweise folgen muß. Im Rahmen eines dualistischen Strafrechts konnte der Verschiedenstufigkeit von "Unrecht" und "Schuld" dadurch Rechnung getragen werden, daß der Begriff "Unrecht" der Pflichtstufe zugeordnet wurde, der Begriff "Schuld" dagegen der Strafbarkeitsstufe angehörte: "Unrecht" bezeichnete dabei die Diskrepanz zwischen einem Verhalten und einer bestehenden Pflicht (Unrecht = pflicht widriges Verhalten), "Schuld" bezeichnete hingegen eine der notwendigen Voraussetzungen des Umschlagens von Pflichtwidrigkeit ("Un_ recht") in Strafbarkeit. Für ein alethisch-monistisches Strafrechtskonzept ist eine derartige Konstruktion ausgeschlossen: Da die Pflichtstufe hier wegfällt, die Kategorie "Unrecht" also selbst schon auf der Strafbarkeitsstufe erscheint und dort direkt Verhalten und Stratbarkeit miteinander verknüpft (Unrecht = von Rechts wegen strafbares Verhalten), bleibt für die "Schuld" kein Platz mehr, (ebenfalls) als Strafbarkeitsvoraussetzung aufzutreten. Wo Normsetzungen nur Pflichten konstituieren, deren Sanktionsbewehrung aber dem Strafgesetz überlassen, dort bleibt es möglich, allein die Sanktionierung, nicht aber das Vorliegen einer Pflichtverletzung (von "Unrecht") an "Schuld" zu binden. Wo Normsetzungen aber selbst, unmittelbar "anpackend", ein Verhalten strafbar stellen (zu "Unrecht" ausgestalten), dort fällt die "Schuld" aus dem System heraus; als "Unrechts-"(d. h. nunmehr Strafbarkeits-)Voraussetzung läßt sie sich nicht halten. Die "Schuld" begleitet somit die "Pflicht" insofern, als sie wie diese für das Zustandekommen eines Delikts nicht mehr erforderlich ist.

m. Zur Unentbehrlichkeit von "Schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung

Innerhalb eines alethischen Strafrechtssystems erscheint diese Schlußfolgerung als zwingend. Fraglich bleibt daher nur, ob sich aus dieser Tatsache Einwände gegen die Aus gangsbasis dieser Schlußfolgerung, also das alethische Strafrechtssystem selbst, ableiten lassen. Derartige Einwände besäßen Durchschlagskraft allerdings in jedem Falle nur insoweit, als "Schuld" zunächst als unentbehrlicher Bestandteil jedes "richtig" aufgebauten Strafrechtssystems erwiesen wird. Daß "richtig" konzipierte Strafrechtssysteme Schuldgesichtspunkte notwendig berücksichtigen müssen, läßt sich jedoch nur nachweisen, indem diese Notwendigkeit aus den zu Beginn dieser Arbeit 16 eingeführten Basisaxiomen hergeleitet wird, indem also eine dogmatische Vemachlässigung 16 Vgl. Kap. A. 11, 3.

III. Zur Unentbehrlichkeit von .,schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung

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etwaiger Schuldlosigkeit als im Widerspruch zu den richtungs weisenden Systemgrundlagen stehend aufgezeigt wird. Es muß demnach untersucht werden, ob der vorgegebene Strafrechtszweck, Rechtsgüterschutz mittels Verhaltensbeeinflussung zu bewirken, zur Beschränkung der Strafbarkeit auf schuldhaft (Un-)Tätige führt (= Schuldprinzip) oder auch die Strafbarkeit Schuldloser zu legiti mieren vermag. Als Veranstaltung zum Schutze von Rechtsgütern darf das Strafrecht in jedem Falle nur dort Sanktionen vorsehen, wo eine derartige SanktionSbedrOhlDlg tatsächlich dem Ziel des Rechtsgüterschutzes zugute kommen kann. Über diese erste Schranke hinaus muß etwaigen strafrechtlichen Eingriffsakten zwangsläufig (qua Axiom) die Daseinsberechtigung fehlen. Da das Strafrecht sein Anliegen, den Rechtsgüterschutz zu befördern, speziell dadurch verfolgt, daß es das Verhalten der Normunterworfenen zu beeinflussen versucht, ergibt sich für Sanktionsbedrohungen als zweite Schranke deren Eignung zur Beeinflussung von Verhaltensentschlüssen. Soweit daher von einer Sanktionsbedrohung nicht zu erwarten steht, daß sie zur Herbeiführung rechtsgutskonformer Verhaltensentschlüsse mindestens beiträgt, stellt diese sich als illegitimer Fremdkörper im Rahmen eines axiomatisch folgerichtig entwickelten Strafrechtssystems dar. Eine StrafbarsteIlung Schuldloser bliebe demzufolge ungültig, falls eine solche Sanktion als untauglich zur Förderung rechtsgutskonformer Verhaltensentschlüsse eingeschätzt werden müßte. Schuldlos handelnde Täter zeichnen sich tatsächlich qua definitione dadurch aus, daß ihnen die Fähigkeit abgeht, sich durch drohende Strafbarkeit (v -> S) zu sanktions vermeidendem Verhalten (- v) motivieren zu können. Daraus kann jedoch noch nicht geschlossen werden, daß also eine Bedrohung mit Strafbarkeit (v -> S) bei solchen normativ nicht ansprechbaren Tätern keinen (v vermeidenden) Sinn mache und damit zu unterbleiben habe. Denn selbst, wenn ein Täter perstinlich und momentan durch drohende Strafbarkeit nicht zu motivieren war, könnte es dennoch sinnvoll bleiben, diese Bedrohung sich auch auf den Täter be ziehen zu lassen. Nach Tatbegehung gilt es immerhin, die Hinzufügung weiterer rechtsgutsabträglicher Verhaltensweisen -sei es wiederum durch den Täter, sei es durch Dritte - künftig umso wirksamer auszuschließen. Wenn alSo etwa eine Bestrafung des schuldunfähigen Täters ihn selbst oder Dritte vel"stärkt dazu befähigte, in Zukunft von ähnlichen Verhaltensentschlüssen Abstand zu nehmen, dann wäre die Durchführung dieser Bestrafungsaktion strafzweckorientiert (sub specie Verhaltensbeeinflussung zwecks Rechtsgüterschutz) immerhin für sinnvoll zu erachten. Bestrafungsakte, die in diesem Sinne strafzweckmäßig erscheinen, könnten aber praktisch dadurch hintertrieben werden, daß kein Bestrafungsanreiz sich auf den betreffenden Fall bezieht, daß also wegen Schuldlosigkeit kein strafbares Verhalten vorliegt. Eine Rücksichtnahme auf die individuell-gegenwartige Nicht-Motivierbarkeit des Taters zur Tatzeit könnte also dazu führen, daß sonst zu erwartende, ge-

samt gesellschaftlich und zukunftsbezogen moti vationserlUJhende Bestrafungs-

akte (weil nicht durch Bestrafungsanreize gefördert) zu entfallen drohten. Die 8 Hoyer

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

Reizlosigkeit des Bestrafungsakts bei ausgebliebener Strafbarkeit hätte dann zur Folge, daß eine Etablierung des Schuldprinzips auf der Strafbarkeitsstufe bei der Strafzweckverfolgung effektivitätshemmend wirkte. Aus der Anbindung des Strafrechts an seine Axiome, die ihm eben eine solche Zweckverfolgung aufgeben, könnte somit die Geltung des Schuldprinzips als Strafbarkeitsvoraussetzung nicht abgeleitet werden - es sei denn, das Vorliegen von Schuld bedingte zugleich auch die Zweckmäßigkeit von Bestrafung. Wenn nämlich auch Bestrafung dort keine kriminalpolitisch sinnvolle Wirkung erwarten ließe, wo die ihr zugrundeliegende Tat schuldlos begangen worden ist, dann könnte die aufgezeigte Wirksamlceitseinbuße bei der Installation des Schuldprinzips auf Strafbarkeitsebene nicht auftreten: Die Berücksichtigung des Schuldprinzips als Strafbarkeitsvoraussetzung ließe (da zugleich Voraussetzung zweckmäßiger Bestrafung) nicht befürchten, sonst durchführbare, strafzweckförderliche Be strafungsakte ausschließen zu können. Primär ist deshalb zu klären, ob die Vornahme von Bestrafung in bezug auf schuldlos (Un-)Tätige übemaupt als kriminalpolitisch sinnvoll anzusehen wäre.

1. Schuld als Voraussetzung kriminalpolitisch sinnvoller Bestrafung Wenn auf ein Vemalten stets nur Strafbarkeit folgte, niemals aber auch tatsächliche Bestrafung, dann führte dies dazu, daß die Bedrohung mit Strafmrkeit von den Normunterworfenen zunehmend nicht mehr als in acht zu nehmendes Übel empfunden würde und deshalb die so ausgehöhlte Norm ihre Chance zur Begünstigung rechtsgutskonformer Verhaltensentschlüsse verlöre. Durch die tatsächliche Zufügung von Strafe kann also die soziale Realität der zur Bestrafung anreizenden Norm gestützt und bekräftigt, letztlich also auch auf diesem Wege mittelbar (nämlich mittels der Norm) Rechtsgüterschutz über Vemalteosbeeinflussung betrieben werden. Der konkrete Eingriff, der in der praktischen Realisierung eines Bestrafungsakts liegt, dient somit der Normstabilisierung und dadurch den Normzwecken; er ist folglich auch nur dort kriminalpolitisch sinnvoll, wo er zur Stabilisierung einer ihn fördernden Norm benötigt wird und so der Veminderung rechtsgutskonträrer Verhaltensentschlüsse zugute komml Ein solcher Hinderungseffekt kann nur Bestrafungsaktionen zugesprochen werden, deren Exekution nach prognostischer Einschätzung ihrer Wirkung künftig weniger rechtsgutskon träfe Verhaltensentschlüsse erwarten läßt, als dies bei einem Abstandnehmen von der Strafvollstreckung der Fall wäre. Die Bestrafung strafbaren Verhaltens dient somit strafrechtlichen Zwecken je nach der Einschlägigkeit präventiver Überlegungen: Die Umsetzung von "Strafbarkeit" in "Bestrafung" ist in der Weise und in der Höhe kriminalpolitisch sinnvoll, in der sie um zukünftiger Normeindrücklichkeit willen geboten ist; eine Berechtigung zur Förderung kriminalpolitisch sinnloser Bestrafungsaktionen

111. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung

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läßt sich dagegen aus dem (axiomatisch vorgegebenen) Strafrechtszweck, den Rechtsgüterschutz per Verhaltensbeeinflussung zu fördern, nicht ableiten.Wenn die Bestrafung Schuldloser sich daher in diesem Sinne als kriminalpolitisch - gemessen an den Strafzwecken -unproduktiv oder gar kontraproduktiv darstellte, dürfte sie in einem axiomatisch konsequent weitergedachten StrafrechtssysteDl. auch nicht (durch Bestrafungsanreize) gefördert werden. Die Bestrafung Schuldlo ser ist somit auf ihre Vereinbarkeit mit den verschiedenen Modi zu untersuchen, mittels derer das Strafrecht rechtsgutskontfäre Verhaltensmuster zurückzudrängen unternimmt: a) Zur spezialpräventiven Nützlichkeit einer Bestrafung Schuldloser Normzweckorientiert günstige Effekte auf den Bestraften selbst entfaltet eine Bestrafungsaktion, die den Bestraften dazu zu bewegen vermag, zukünftig eher als bisher von der Durchführung strafbarer Verhaltensweisen Abstand zu nehmen (Spezialprävention). Wer also auch ohne den Vollzug der angedrohten Strafe in (mindestens) gleichem Umfange zukünftig keine weiteren Straftaten zu begehen verspricht, bedarf aus spezialpräventiver Sicht einer solchen Bestra fung auch nicht. So wird etwa derjenige, der lediglich aus unvermeidbarer Unkenntnis hinsichtlich des mit einem bestimmten Verhalten verknüpften Nachteils dieses Verhalten realisiert hat ("Verbotsirrtum"), des tatsächlichen Durchlaufens der Bestrafung zwecks Bewerkstelligung seiner künftigen Straffreiheit nicht mehr bedürfen; es genügt insoweit seine Aufklärung über Geltung und Inhalt der verhaltenslenkenden Norm l7 • Auch in Fällen, in denen lediglich das Bedrängtsein von einer unverhofft entstandenen Bedrohungssituation existentiellen Charakters (entschuldigender Notstand) zur Zufluchtnahme in die Begehung einer Straftat geführt hat, kann die Wiederholungsgefahr als außerordentlich gering eingestuft werden und so das Strafbedürfnis (spezialpräventiv gewiChtet) entfallen 18. Des weiteren läßt sich auch überall dort, wo von der faktischen Ausgestaltung einer Sanktion her zu befürchten steht, daß ihre praktische Anwendung eher straftatbegünstigend als -unterbindend wirkt (Freiheitsstrafe bei hoffnungslos defizitärer Ausstattung der Haftanstalten), die Anwendungsentscheidung spezialpräventiv nicht rechtfertigen; es tritt auf diese Weise also notwendig eine "Dogmatisierung" der jeweils real existierenden Strafvollzugs verhältnisse ein 19.

17 Roxin, 'ZStW 96, S. 641, 659; den., Henkel-Festschrift, S. 188; ders., Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 34; zustimmend Heinitz, 'Z1)tW 83, S. 760; Gimbemal Ordeig, HenkelFestschrift, S. 164. 18 Rom, Henkel-Festschrift, S. 183; den., 'Z1)tW 96, S. 655; den., Bockelmann-Festschrüt,

S.283. 19 EllscheidlHassemer, S. 285; Baurmann, S. 259; Achenbach, Individuelle Zurechnung,

Verantwortlichkeit, Schuld, S. 140. 8·

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

Der Strafrechtszweck, den Rechtsgüterschutz mittels Verhaltensbeeinflussung zu fördern, führt schließlich dazu, aus mehreren alternativ anempfohlenen Bestraf1D1gsmögJichkeiten der Höhe, der Art und der Zusammensetzung nach jeweils die spezialpräventiv wirksamste Komposition herzurichten 20. Soweit keine der anempfohlenen Bestrafungsformen in diesem Sinne positive Wirkungen zu provozieren geeignet erscheint, oder jedenfalls ein anderer, außer straf rechtlich zur Verfügung stehender Reaktionsbehelf bessere Wirkungen erhoffen läßt, ist statt (bzw. auch neben) der Bestrafung zweckmäßigerweise von einer derartigen Maßregel Gebrauch zu machen21 ; so mag etwa bei krankhaft Bewußtseinsgestörten oder Willensschwachen ("Schuldunfähigen tt )22die Anwendung alternativer Präventionsstrategien (psychiatrische Behandlung) gegenüber einer Verwirklichung der Strafandrohung als vorzugswÜfdig einzuschätzen sein 23 . Auch bei gegenüber erzieherischen Einflüssen noch eher als gegenüber Bestrafung aufgeschlossenen Jugendlichen droht ein unflexibles bzw. 1ß1reflektiertes Heranziehen des von der Norm vorgesehenen Sanktionenkonglomerats (je nach dessen Zusammensetzung) spezialpräventiv 1D1fruchtbar zu blei ben24. b) Zur generalpräventiven Nützlichkeit einer Bestrafung Schuldloser Auch eine spezialpräventiv sinnlose (oder gar sinnwidrige) Bestraf1D1g kann jedoch aus einem anderen Blickwinkel heraus dennoch Sinn machen: wenn nämlich ihre Durchführung zwar nicht den zur Bestrafung anstehenden Straftäter persönlich, immerhin aber dritte Normunterworfene verstärkt zur Abstandnahme von der Begehung vergleichbarer Straftaten veranlassen kann 20 Rom, 'ZStW 96, S. 657. 21 Roxin, Bockelmann-Festschrift, S. 299; ders., MschrKrim 1973, S. 321 f.; ElscheidlHassemer, S. 288. 22 Vgl. G. Simmel, Einleitung in die Moralwissenschaft, 11., S. 213: "Es scheint mir nun kein Zweifel, daß ein Individuum eben dann zurechnungsiahig, verantwortlich ist, wenn die strafende Reaktion auf seine Tat bei ihm den Zweck der Strafe erreicht, sei dieser Zweck nun Besserung oder Abschreckung oder was immer"; NowaJcowski, RittIer-Festschrift, S. 74: "So werden dem Krankheitsbe griff die verschiedensten Umstände untergeordnet, weil man erkennt, daß es nicht gerecht wäre, einen Täter dieser Art und in dieser inneren und äußeren Situation für seine Tat zu bestrafen". 23 Vgl. Schlick, Fragen der Elhik, S. 162: "Die Frage nach den Verantwortlichen ist die Frage nach dem richtigen Angriffspunkt der Motive .... Es handelt sich wirklich nur darum zu wissen, wer zu bestrafen oder zu belehren ist, damit die Strafe oder die Lehre auch als solche wirken, ihren Zweck erreichen können .... Wir machen einen Geisteskranken nicht verantwortlich, weil er eben kein geeigneter Angriffspunkt für Motive ist. ... Wir versuchen ihm gegenüber nicht Motive zu setzen, sondern wir trachten ihn zu heilen"; vgl. auch Bockelmann-Volk, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 111; Rom, Bockelmann-Festschrift, S. 299; Gimbemat OrrJeig, Henkel-Festschrift, S.162. 24 Bmlrmann, S. 257 f.; Rom, Bockelmann-Festsduift, S. 299.

III. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als Stratbarkeitsvoraussetzung

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(Generalprävention). Demgegenüber kann ein Verzicht auf die Vorführung von Bestrafung bewirken, daß Dritte in geringerem Maße darum bemüht sind, die Realisierung von Straftaten zu vermeiden - sei es, weil die Nichtausführung der Strafandrohung in ihnen die Erwartung begründet, im Falle einer Straftatverwirklichung in ähnlicher Weise von letztendlicher Bestrafung verschont zu bleiben, die Norm also an Abschreckungskraft einbüßt (negative Generalprävention), sei es, weil durch die straflose Duldung eines zur Straftat deklarierten Verhaltens dieses in den Augen der Normunterworfenen enttabuisiert, die dementgegengerichtete Norm also in ihrer Beachtlichkeit und Vertrauenswürdigkeit diskreditiert zu werden droht (posi tive Generalprävention). Beide genannten Aspekte der Generalprävention müssen im folgenden auf ihre VereinlHkeit mit einer Bestrafung Schuldloser befragt werden. aa) Negative Generalprävention

Sub specie negativer Generalprävention kommt es zwecks Stabilisierung der Abschreckungskraft einer Strafnorm entscheidend darauf an, die normierte Strafbedrohung den Normunterworfenen gegenüber möglichst glaubwürdig erscheinen zu lassen, d. h. zu verhindern, daß die Bestrafungsanzeize bietende Norm "bloß auf dem Papier steht" und als nicht in acht zu nehmen empfunden wird. Jedes Absehen vom faktischen Vollzug der Bestrafung muß also der Gefahr gewärtig sein, bei Dritten die Erwartung gleicher Duldsamkeit aufkommen und die normierte Strafbarkeit zum kalkulatorisch (mehr oder weniger) zu vernachlässigenden Popanz verkommen zu lassen. Bestrafungsverzicht darf deswegen nur insoweit geübt werden, als die Herbeiführung eines derartigen Respektsverlusts für die Norm dadurch konkret nicht zu befürchten steht Genauso stellt sich beispielsweise die Situation in bezug auf die Straflosigkeit eines im unvermeidbaren "Verbotsirrtum" agierenden Straftäters c:tar25• Wenn nämlich ein Straftäter, dem die Normgeltung zur Zeit der Tatbegehung nicht bekannt war, deswegen freigesprochen wird, so "werden nicht deswegen die restlichen, über die Rechtswidrigkeit des Verhaltens informierten Bürger" dasselbe strafbare Verhalten vornehmen26 ; sie wüßten nämlich "daß diese Freispruchgruppe ... nicht die ihre ist, und daß das, was für die über die Rechtswidrigkeit sich Irrenden gilt, auf die sich nicht Irrenden keineswegs anwendbar ist. Mit anderen Worten ... : Daß den die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nicht bewußten Tätern keine Strafe auferlegt wird, verringert in nichts die hemmende Wirkung der Strafe denen gegenüber, die das Verbot kennen. Und in bezug auf die Bürger, welche sich eines bestimmten Verbots nicht bewußt sind", gelte: "Würde man den Grundsatz der Nichtrelevanz des unvermeidbaren Verbotsirrtums anerkennen, so würde die hemmende Wirkung der Strafe solchen Bürgern gegenüber nicht deswegen erhöht werden; denn da 25 Roxin, Henkel-Festschrift, S. 188. 26 Gimbemat Ordeig, Henkel-Festschrift, S. 165.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

diese Täter" bei der Straftatbegehung "nicht wissen, daß sie sich in einem Verbotsirrtumsfall befinden, würden sie ... auf der Grundlage" der Straflosigkeit verbotsirrtümlichen Verhaltens auch keinen Grund haben, sich anders zu verhalten" als sonst, d. h. etwa verstärkt Straftaten vorzunehmen21 . Entsprechendes trifft auch auf die Straflosigkeit geisteskranker Täter zu: "Generalprnventiv betrachtet, lockert die Straflosigkeit des Geisteskranken in keiner Weise die hemmende Wirkung der Strafe den Zurechnungsfähigen gegenüber. Diese identifizieren sich nicht mit jenen, sie wis sen sich anders geartet, und sie wissen daher auch, daß sie sehr wohl bestraft werden, falls sie genauso wie der krankhaft gestörte Täter handeln"28 (dasselbe läßt sich für die Straflosigkeit des Täters im entschuldigenden Notstand feststellen)29. Die Straffreiheit Schuldunfähiger oder im entschuldigenden Notstand Befindlicher muß aus generalpräventiver Sicht ledig lich zwei Einschränkungen unterworfen werden: Einerseits darf das Privileg der Straffreiheit nicht dazu ver leiten können, sich gezielt oder doch zumindest sorglos in einen solchen Zustand der Nicht-Mehr-Moti vierbarkeit durch Strafe zu begeben, um dort dann straflos Straftaten begehen zu können. Die Rechnung von Normunterworfenen, die auf diese Weise den Genuß von Straffreiheit und die Vorteile strafbaren Verhalten miteinander verbinden zu können glauben, darf aus kriminalpolitischen Gründen heraus nicht aufgehen. Es muß für diese Fälle der "actio libera in causa" mithin konstruktiv eine Bestrafungsmöglichkeit vorgesehen werden, um Effektivi tätsverluste in bezug auf die vor Straftaten abschreckende Wirkung der Norm vermeiden zu helfen. Andererseits darf das Privileg der Straffreiheit auch nicht dazu führen, daß Täter, denen aufgrund bestimmter Merkmale oder Umstände die Eigenschaft der Nicht-Mehr-Motivierbarkeit durch Strafe zu attestieren ist, dadurch quasi einen Freibrief für die straflose weitere Begehung von Straftaten ausgehändigt erhalten und diesen dann auch zur Begehung solcher Straftaten ausnutzen können' die sie ohne diesen Freibrief immerhin doch nicht begangen hätten. Von Bestrafung darf deshalb nicht bereits allein aufgrund des Vorhandenseins bestimmter Merlcmale (Geisteskrankheit) oder Umstände (Notstandslage) abgesehen werden, sondern lediglich dann, wenn neben (oder gar statt) dem Vorhandensein dieser Merkmale bzw. Umstände nicht etwa auch die Erwartung darauf fußender Straflosigkeit letztlich für die Straftatbegehung (mit-)kausal war.

21 Ders., a.a.O., S. 165. 28 Ders., a.a.O., S. 162 f.; vgl. auch ders., 'ZJltW 82, S. 404; Roxin, 'ZJltW 96, S. 656. 29 Roxin, 'ZJltW 96, S. 655; ders., Bockelmann·Festschrift, S. 283.

ill. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als Stratbarkeitsvoraussetzung

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bb) Positive Generalprävention

Sub specie positiver Generalprävention kommt es darauf an zu vermeiden, das "innere Kontrollgefüge der rechtstreuen Mitglieder der Gesellschaft"30 dadurch zu erschüttern, daß der normativ verhängten Strafbarlceit in gesellschaftlich nicht akzeptierter und daher von ihr nonnspeziflSCh nicht enttäuschungsfrei zu verarbeitender Weise faktisch nicht nachgegangen wird. Die Straflosigkeit etwaiger durch Strafe nicht motivierbarer Täter darf also nicht zu einer enttabuisierenden Desavouierung der normierten Strafbedrohung mit der sozialpsychologischen Folge führen, daß die Strafbedrohung als verbindliches und vertrauenswürdiges Gebahrensmodell und Orientierungsmuster für eigenes und die Erwartung fremden Verhaltens preisgegeben wird, die Straftat somit eine systemschädliche Infektionswirkung entfaltet 31 . Ein Verzicht auf die Umsetzung von Strafbarkeit in Bestrafung darf also nur stattfmden, wo dies keine Einbuße an Rechtstreue befürchten läßt., wo vielmehr die Straftat auch ohne Bestrafung normspezifisch enttäuschungsfrei verarbeitet werden kann und daher eine Realisierung der Strafbedrohung nicht vonnöten, ihr Ausbleiben ohne Irritationen tolerabel erscheint32. Als präventionsstrategisch bedenkenlos stellt sich eine Straflosigkeit beispielsweise von Triebtätem genau insoweit dar, als es der Medizin jeweils gelungen ist., Rezepte zu deren heilender Behandlung vorzulegen33: Die erlittene Enttäuschung, daß der (Trieb-)Täter sich anders verhalten hat., als nach der Norm zu erwarten stand, kann im Hinblick auf die nun einsetzende Behandlung besänftigt., braucht deshalb nicht durch der Norm entsprechende Bestrafungsakte abgefangen zu werden. Auch die Straflosigkeit unvermeidbar "verbotsirrtiimlich" handelnder Straftäter kann solange normneutral und damit systemkonform verkraftet werden, wie die Bedingungen an das Zugestehen von "Unvermeidbarkeit" hinreichend restriktiv gefaßt bleiben, so daß sie wegen ihrer Exzeptionalität in den Augen der Normunterworfenen die grundsätz liche Eindrücklichkeit der in der Norm enthaltenen Folgebeziehung nicht in Frage stellen können34 . Entsprechendes gilt für den entschuldigenden Notstand 3S , mit dem der "Verbotsirrtum" im übrigen noch ein weiteres Element gemein hat: 30 Haffke, GA 1978, S. 46; Gedtkrt, Das Dilemma des Justi7Bystems, S. 296 f. 31 Ja/cob8, Schuld und Prävention, S. 10, 32; Streng, 'ZStW 92, S. 653; Achmbach, Individuelle Zurechnung, Verantwortlichkeit, Schuld, S. 142 f.; Roxin, BockeImann-Festschrift, S. 300; NaH, H. Mayer-Festschrift, S. 223, 227. 32 blhmann, Rechtssoziologie, S. 53 ff.; Ja/cob8, Schuld und PräventiQII, S. 11, 14, 17,20 f., 24, 30,33. 33 blhmann, a.a.O., S. 47 f.; Ja/cob8, a.a.O., S. 11 f. 34 Roxin, Henkel-Festschrift, S. 188; dus., Bockelmann-Festschrift, S. 290; den., 'ZStW 96, S.659. 3S Ja/cobs, Schuld und Prävention, S. 14,21; Roxin, Henkel-Festschrift, S. 183; den., 'ZStW 96, S. 655; ders., Krimi nalpolitik und StrafrecbtssystelD, S. 34.

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Kapitel D: Umecht und Schuld

Der Straftäter bringt in beiden Fällen mit seiner Straftat keine prinzipiell ablehnende Haltung gegenüber einer Vermeidung strafbaren Verhaltens zum Ausdruck; er attackiert die Normintention nicht frontal, negiert sie nicht diametral, sondern handelt in einer Ausnahmesituati on aus kriminalpolitisch relativ ungefährlich anmutender Motivation heraus 36 • Soweit aber der Straftäter mit seinem Verhalten kein Beispiel für die praktische Irrelevanz der Norm abgibt, wird sich auch niemand ein Beispiel an ihm zu nehmen veraniaßt sein - für einen dementgegentretenden, beispielhaft statuierten, normstabilisierenden Bestrafungsakt besteht demzufolge (positiv-generalprnven tiv betrachtet) ebenfalls kein Anlaß.

c) Schuldprinzip und Strafzweckmäßigkeitsüberlegungen Die vorangegangenen Erörterungen haben versucht, Typen von Straftätern aufzuzeigen, bei welchen aus verschiedenen Gründen nicht anzunehmen ist, daß ihre Bestrafung im Hinblick auf die Vermeidung künftiger Straftaten Sinn macht. Soweit eine solche "Strafzwecklosigkeit" dabei für verbotsirrtümlich, schuldunfähig oder im entschuldigenden Notstand agierende Täter in Anspruch genommen wurde, handelt es sich um Tätergruppen, die auch bei Anwendung des Schuldprinzips möglicherweise von einer Bestrafung freizustellen wären (da ihre normative Motivierbarkeit zur Vermeidung von Straftaten aus unterschiedlichen Gründen eingeschränkt oder aufgehoben erscheint). Dennoch dürfen diese im Ergebnis bestehenden Parallelitäten nicht dahingehend (fehl)interpretiert werden, die Anwendung strafzweckorientierter Gesichtspunkte auf den Bestrafungsentscheid führe in bezug auf diesen letztlich doch zur untrodifizierten Berücksichtigung des Schuldprinzips37. Eine derartige Gleichsetzung würde sogar zweierlei verkennen, nämlich: (1.) daß Schuldprinzip und Kriminalpolitik tatsächlich in einander entgegen-

gesetzte Richtungen weisen. Während die Anbindung an das Schuldprinzip den strafverhängenden Normanwender zu einer retrospektiven Betrachtungsweise nötigt (um die persönliche normative Ansprechbarkeit des Täters zur Tatzeit in Erfahrung bringen zu können), zwingt die Beachtlichkeit kriminalpolitischer Belange ihn umgekehrt dazu, unter einem prospektiven Blickwinkel aufklärend tätig zu werden (um die Strafzweckmäßigkeit einer für die Zukunft zu initiierenden Betrafungsaktion abschätzen zu können)38.

36 Roxin, Henkel-Festschrift, S. 189; ders., Schaffstein-Festschrift, S. 116 f. 37 So aber SclUJnebom, 'ZStW 92, S. 694, der eine "schein hafte Eskamotierung des materialen Schuldgedankens" diagnostiziert; ähnlich auch Stratenwerth, Die Zukunft des strafrechtlichen Schuldprinzips, S. 33; auch Roxin, 'ZStW 96, S. 647, sieht Tendenzen zu einer "Rückkehr zum Schuldprinzip in präventiver Verkleidung". 38 Hassemer, Einführung in das Strafrecht, S. 223; Roxin, MschrKrim 1973, S. 322.

III. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als StrafbarkeitsvorausselZung

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(2.) daß Schuldprinzip und Kriminalpolitik sich im Rahmen ihrer vergangenheits- bzw. zukunftsbezogenen Situationsbegutachtung zudem auch mit ganz unterschiedlichen Gegenständen befassen. Während das Schuldprinzip bei der Feststellung von Schuld lediglich auf die normative Ansprechbarkeit des individuellen Ttlters (bei Begehung der Tat) abhebt, geht es der Kriminalpolitik darum, mit Hilfe des (noch bevorstehenden) Bestrafungsakts die normative Ansprechbarkeit stlmtlicher Normadressaten (und in diesem Rahmen auch, aber nicht nur des speziellen Täters) nach Möglichkeit zu optimieren 39. Die aufgeführten grundsätzlichen Diskrepanzen zwischen Schuldprinzip und Kriminalpolitik müssen sich - da in der Sache, nicht nur in der Formulierung liegend (vergangenheitsorientierte Einzelbetrachtung versus zukunftsorientierte Gesamtbetrachtung) zwangsläufig auch in der unterschiedlichen Entscheidung konkreter Fallkonstellationen wiederfmden und niederschlagen. So kann etwa die normative Ansprechbarkeit eines Täters, der aus sthenischen Affekten heraus handelt, in gleicher Weise herabgesetzt sein wie diejenige eines von asthenischen Antrieben beherrschten Täters: Sub specie Schuld müßte sich die Stratböhe beider demzufolge auch in gleichem Umfange (bis auf Null) reduzieren. Vom Standpunkt der Prävention aus gesehen, muß hingegen nach der Strafbedürftigkeit beider Täter gefragt und entsprechend differenziert werden: Das ungebremste Ausagieren aggressiver Impulse erscheint kriminalpolitisch gesehen weitaus gefährlicher, muß gesellschaftlich in erheblich nachhaltigerer Weise - per Bestrafung - tabuisiert werden als ein schwächliches Handeln in Verwirrung, Furcht oder Schrecken, das zur Nachahmung ohnehin kaum verführt4O • Aber auch innerhalb der aus Furchtsamkeit strafbar gewordene Täter legen sich prnventionstaktisch weitere Differenzierungen nabe: Täter, die mit der Wabl ihrer Rechtsstellung auch das Risiko berufsspeziflScher Risiken auf sich genommen haben (Feuerwehrleute, Rettungsschwimmer, Polizisten) mö~.en in der Stunde der Gefahr genauso von unüberwindlichen existentiellen Angsten überwältigt worden sein, wie dies ohne den Eingang eines solchen besonderen Rechtsverhältnisses passiert wäre. Dennoch sprechen gewichtige (zwar nicht schuldspezifische, aber eben doch) kriminalpolitische Überlegungen dafür, die Angst etwa des Feuerwehrmannes nicht per Strafausschluß zu prämieren: Wenn nämlich die gesellschaftlich dafür vorgesehenen Eingreiftrupps "sich den Gefahren, deren Bewältigung Aufgabe ihres Berufsstands ist, risikolos auf Kosten anderer entziehen könnten, hätte das gesamtgesellschaftlich äußerst schädliche FOlgen"41.

39 Noll, H. Mayer-Festschrift, S. 223; Jakobs, Schuld und Prävention, S. 24. 40 Roxin, Schaffstein-Festschrift, S. 117; den., Henkel-Festschrift, S. 189; den., BockelmannFestschrift, S. 183. 41 Den., Henkel-Festschrift, S. 183.

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Kapitel 0: Unrecht und Schuld

Es ist in diesem Sinne also nicht so sehr die Quantität eines tatursächlichen Antriebs, sondern mehr seine Qualität, seine kriminologische Infektionsfähig keit 42 , welche sich beim Bestrafungsentschluß (positiv oder negativ) auswirkt. Mit den Worten Foucaults43 : Ein Antrieb kann "die Wirkweise und die Kraft einer Entschuldigung haben, wenn er Eifersucht, Hartnäckigkeit, Treue manifestiert ... Dann und nur dann kann die Psychologie die Wirldichkeit des Verbrechens auflösen und von der Schuld freisprechen. Wenn das Verbrechen jene ... Werte nicht durchscheinen läßt, kann es ebenso determi niert sein ... Es verdient keine Nachsicht, es enthält nur Laster, Perversion oder Verbrechertum ... Der Grad der Determination einer Geste setzt also nicht die Verantwortlichkeit desjenigen fest, der sie ausführt. Im Gegenteil ist eine Handlung, je mehr sie ... ihre Wurzel in jenen Schmutzmotiven zu haben scheint, um so schuldbeladener. Man ist schuld, wenn man eine perverse Natur hat oder zum Laster erzogen worden ist ... So vollzieht sich ... eine Trennung des Wahnsinns, bei der auf der einen Seite ein seiner Perversion überlassener Wahnsinn verbleibt, den kein Determinismus je entschuldigen kann, während auf der anderen Seite ein Wahnsinn steht, der ... als umgekehrter, aber komplementärer Bestand die bürgerlichen Werte ausmacht. Dieser, und nur dieser Wahnsinn wird allmählich das Stadtrecht in der Vernunft erwerben oder vielmehr in den Intermittenzen der Vernunft In ihm wird sich die Verantwortlichkeit abschwächen, wird das Verbrechen gleichzeitig menschlicher und weniger strafbar werden. Man hält ihn für erklärbar, weil man ihn völlig von moralischen Optionen durchdrungen fmdet, in denen man sich wiederfmdet. .... Es gibt jedoch die andere Seite der Alienation .... Jener Wahnsinn ist weniger als der Wahnsinn, weil er absolut der moralischen Welt fremd ist und weil sein Delirium darin nur vom Bösen spricht. Während der erste Wahnsinn sich der Vernunft annähert, sich mit ihr vermengt und von ihr aus verstehen läßt, wird der andere in das äußerste Dunke zurückgeworfen. Dort entstehen jene ... bösen Wahnsinnsarten, die das moderne Bewußtsein nicht zu assimilieren vermochte und die den irreduzi bien Bodensatz der Unvernunft bilden, vor denen man sich nur in einer durch und durch negativen Weise, durch Ablehnung und absolute Verurteilung schützen kann". Man unterscheidet also "den guten und den bösen Wahnsinn ... , jenen, dessen konfuse Präsenz man am Rande der Vernunft, im Spiel der Moral und des schlechten Be wußtseins, der Zurechnungsfähigkeit und der Unschuld akzeptiert; und jenen Wahnsinn, auf den man das alte Anathema mit dem ganzen Gewicht der nicht wiedergutzumachenden Sünde zurückfallen lassen wird".

Nicht jede Verringerung der normativen Ansprechbarkeit (Schuld) aufgrund des Vorhandenseins besonderer Tatantrie be führt also zu einer entsprechenden Reduktion der Strafzweckmäßigkeit; dies gelingt vielmehr nur den kriminalpo-

42 Streng, 11)tW 92, S. 642. 43 M. Foucault, Wahnsinn und Gesellschaft, S. 476 ff.

1II. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung

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litisch weniger gefährlich erscheinenden Tatantrieben44(dem "guten" Wahnsinn im Sinne Foucaults). Umgekehrt beruht aber auch nicht jede Reduktion der Strafzweckmäßigkeit auf einer entsprechenden Minderung der Schuld infolge außergewöhnlicher Motivationserschwernisse. Da die Kriminalpolitik ihren Blick nicht zurück (zur Schuldfrage), sondern nach vorne (zwecks Prävention) zu richten hat4s, kann auch die Betrafung eines zur Tatzeit motivatorisch unbeeinträchtigten (schuldhaft handelnden) Normadressaten sich als strafzweckorientiert überflüssig oder gar kontraproduktiv präsentieren. Eine derartige Konstellation könnte vorliegen, wenn weder spezialpräventive Aspekte (angesichts veränderter persönlicher Umstände sind vom Täter ohnehin keine Straftaten mehr zu befürchten; angesichts realer Defizite im Strafvollzug läßt eine Bestrafung eher ent- als resozialisierende Effekte erwarten) noch general präventive Überlegungen (der Täter hat sich sowohl äußerlich - durch freiwillige Wiedergutmachungsleistungen - als auch innerlich - durch Reue - von seiner vormaligen Tat distanziert, sich so dem Normzweck unterworfen und damit das Bedürfnis nach Normstabilisierung per -praktizierung entfallen lassen) für einen tatsächlichen Vollzug der normativ nahe gelegten Bestrafung argumentativ noch ins Feld geführt werden können 46• Insgesamt führt also die Instrumentalisierung des Bestrafungsakts im Dienste der Verfolgung kriminalpolitischer Belange nicht zu einer Reetablierung des Schuldprinzips zurück. Gerade eine solche Verfolgung kriminalpolitischer Belange (gerichtet auf Verhaltensbeeinflussung im Interes se des Rechtsgüterschutzes) geben aber die beiden anfänglich akzeptierten 47 Grundaxiome dem Strafrecht im allgemeinen und damit (da zum Betrieb von Strafrecht zuge44 V gl. F. Kaufmann, Die philosophischen Grundprobleme der Lehre von der Strafrechtsschuld, S. 72: "Der Begriff der Schuld ist aufs engste verknüpft mit demjenigen des Strafzwecks. Man nimmt in der Regel dann und nur dann das Bestehen von Schuld an, wenn man eine Bestrafung für nötig hält, und nimmt dann eine schwerere Schuld an, wenn man eine schwerere Bestrafung für richtig hält"; den., a.a.O., S. 118: "Im Sinne der Spezialprävention wird offenbar die Bestrafung einer Person dort zu entfallen haben, wo aufgrund der Kenntnis ihrer psychischen Eigenarten anzunehmen ist, daß hierdurch die gewünschte Umschichtung ihrer Motive nicht erzielbar ist". 45 Wer "mit Vernunft sich vornimmt, einen zu strafen, der bestraft nicht um des begangenen Unrechts willen, denn er kann ja doch das Geschehene nicht ungeschehen machen, sondern des 1l1künftigen wegen, damit nicht ein andermal wieder, weder derselbe noch einer, der diesen bestraft gesehen hat, dasselbe Unrecht begehe", Platon, Protagoras, S. 19 f. 46 Der von Kant angeführte Insel-Beispielsfall ("Selbst wenn sich eine bürgerliche Gesellschaft mit aller Glieder Einstimmung auflöste - z.B. das eine Insel bewohnende Volk beschlösse, auseinandermgehen und sich in alle Welt 111 zerstreuen - müßte der letzte im Gefängnis befindliche Mörder vorher hingerichtet werden, damit jedem das widerfahre, was seine Taten wert sind", Metaphysik der Sitten, S. 333) ist also - genau umgekehrt als von KollI vorgeschlagen - im Sinne von Straflosigkeit zu lösen, denn nur die (kriminalpolitisch) "notwendige Strafe ist gerecht", v. üszt, Der Zweckgedanke im Strafrecht, S. 161. 47 Vgl. Kap. A, 11., 3.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

hörig) auch dem Bestrafungsakt im speziellen vor. Die beiden strafrechtlichen Grundaxiome als einzig anzunehmende Aus gangsbasis für dogmatische Argumentation vermögen die Sinnhaftigkeit des Schuldprinzips nicht zu belegen, sondern nur zu widerlegen: Die Anwendung des Schuldprinzips auf den Bestrafungsvorgang führt einerseits zu illegitimen (vom Strafrechtszweck her nicht gedeckten) Straffestsetzungen, andererseits zu effektivitätsmindernder (vom Strafrechtszweck her nicht angezeigter) Straflosigkeit Auf der Basis der genannten Grundaxiome läßt sich eine Berucksichtigung des Schuldprinzips JUr den Bestrafungsakt demnach nicht begtiinden.

2. Schuld als Schranke der Kriminalpolitik Dies bedeutet gemäß den obigen Ausführungen aber zugleich, daß auch der

Eintritt von Strafbarkeit nicht von Schuldgesichtspunkten abhängig gemacht werden darf: Wo Bestrafung kriminalpolitisch sinnvoll erscheint. wäre es straf-

zweckwidrig, ihre Durchführung dadurch zu blockieren, daß Schulderfordernisse zum Hemmschuh für Strafbarkeit (und damit auch für Bestrafung als praktisches Eingehen auf Strafbarkeit) erhoben werden. Wo Bestrafung kriminalpolitisch verfehlt wäre, bedarf es zur Erzielung von Straflosigkeit nicht einer Beschränkung der Strafbarkeit (mittels des Schuldprinzips), es genügt vielmehr, den strafbarkeitskonstituierenden Bestrafungsanreiz sich nur auf kriminalpolitische sinnvolle Bestrafungsakte beziehen zu lassen. Auf diese Weise bleibt Strafbarkeit stets unbetiihrt davon, ob Bestrafung zweckmäßig erscheint - sofern jeglicher Bestrafungsakt zwecklos anmutete, kann dem allein auf zweckmlißige Bestrafungsakte ausgesetzten Bestrafungsanreiz nur eben praktisch nicht nachgegangen werden (ähnlich wie bei faktischen Bestrafungshin dernissen); der Anreiz selbst (Strafbarkeit) entfällt dadurch nicht. er verfällt lediglich. Die Berücksichtigung des Schuldprinzips als Voraussetzung für Strafbarkeit trägt damit zur Förderung der Strafzwecke jedenfalls nicht bei, ist ihr zum Teil sogar abträglich. In einem Strafrecht, dessen axiomatisch vorgegebene Aufgabe gerade darin besteht, der Förderung von Strafzwecken zu dienen (Verhaltensbeeinflussung im Interesse des Rechtsgüterschutzes zu betreiben), muß das Schuldprinzip somit funktionslos bleiben. Wenn sich die Unentbehrlichkeit des Schuldprinzips damit schon nicht aus den vorgegebenen Axiomen ableiten läßt, dann bleibt zu dessen Rettung nur noch ein Weg ersichtlich: Die Eröffnung eines zusätzlichen Strafrechtsaxioms 48 , demzufolge das Strafrecht Rechtsgüter nur im Einklang mit dem Schuldprin zip zu schützen berufen ist. Eine derartige Korrektur an den Grund48 SchUnemann, Die Funktion des Schuldprinzips, spricht entsprechend von einem "Grundprinzip katexochen", S. 153.

111. Zur Unentbehrlichkeit von ,$chuld" als StrafbarkeitsvorausselZUng

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lagen des Strnfrechtssystems vorzunehmen, wäre logisch natürlich möglich. Ob sie axiologisch sinnvoll wäre, ist eine zweite Frage. Ihre Bejahung setzt (den obigen Bemerkungen entsprechend) einen Nachweis dafür voraus, daß aus einer Mißachtung des Schuldprinzips zwangsläufig gesellschaftlich unakzeptable Ergebnisse resultieren müßten. In diese Richtung zielende Sachargumente sollen im folgenden auf ihre Haltbarkeit überprüft werden. a) Schuld als einzige Schranke für Kriminalpolitik aa) Darstellung des Meinungsstandes

Besonders ernst zu nehmen sind zunächst die aus dem Ideal des liberalen Rechtsstaats abgeleiteten Bedenken gegen eine Preisgabe des Schuldprinzips. "Eine einseitige und isolierte Verfolgung präventiver Zwecke durch rechtliche Institutionen müßte unweigerlich zu einer untolerierbaren Beeinträchtigung anderer gesellschaftlicher Ziele führen: Der Schaden, den ein allein an dem Kriterium der kriminal politischen Effektivität ausgerichteter Mitteleinsatz verursachen würde, wäre ungleich größer als sein Nutzen"49. Strafbarkeit bzw. Bestrafung ohne Rücksicht auf Schuld mute nämlich "ungerecht"50 an und müsse dadurch die "für ein rechtsstaatliches Strafrecht schlechthin fundamentale Wertestruktur zerstören" 51. Dieser (Flur-)Schaden resultiere daraus, daß präventive Überlegungen "zwar die zweckrationale Nützlichkeit, nicht aber die wertrationale Vertretbarkeit von Strnfe zu begründen vermögen" 52. So müsse etwa auf ein von einem Hangverbrecher begangenes Bagatellde-

likt, falls nicht mehr die Schuld, sondern allein die kriminalpolitische Gefähr-

lichkeit des Täters Grundlage der Bestrafung wäre, mit drakonischer Strnfe reagiert werden. Gleiches gelte bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung im Straßenverkehr, deren unachtsamer Nicht-zur-Kenntnisnahme - auch wenn sie im Einzelfall nur zu einer harmlosen Geschwindigkeitsüberschreitung geführt habe - aus generalpräventiven Gründen doch mit exemplarischer Härte entgegenzutreten für nötig erachtet53 werden könne. Es bedürfe also in beiden Fällen einer Korrektur der Kriminalpolitik mittels des Schuldprinzips, um die jeweils rechtsstaatlich gebotenen Ergebnisse herleiten zu können: "Die Kriminalstrnfe muß in einer Weise legitimiert werden können, die ihre Zufügung gegenüber dem einzelnen Bürger und die darin häu-

49 Ro:cin, JuS 1966, S. 382.

so Burkhardt, GA 1976, S. 340. 51 Schflnemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 171.

52 Schilnemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 171. 53 Ro:cin, MschrKrim 1973, S. 319.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

fig liegende Zerstörung der sozialen Existenz dieses einzelnen als eine auch ihm gegenüber vertretbare und gerechte Maßnahme erscheinen läßt"54. Diese Aufgabe vermöge nur das Schuldprinzip zu erfüllen, indem es das individuelle Freiheitsinteresse des Täters gegenüber dem staatlichen Stratbedürfnis zur Geltung brin ge und so die Verhältnismäßigkeit kriminalpolitischer Maßnahmen gewährleiste 55 ; das Schuldprinzip stelle sich insofern als "ein rechtsstaatlich unentbehrliches Mittel zu Begrenzung der staatlichen Strafgewalt"56 dar. Kriminalpolitik und Schuldprinzip müßten demnach als zwei einander konterkarierende, disparate Phänomene57 gesehen werden und als Konträrbegriffe beide Platz im selben Strafrechtssystem finden. Indem die Schuld als limitierendes Element den Strafzwecken (wenn auch auf Kosten kriminalpolitischer Effizienz) entgegengestellt werde58 , erfülle sie die ihr überantwortete Funktion als "unübersteigbare Schranke der Kriminalpolitik"59. Die so gekennzeichnete Position läßt sich als eine Art "Zwei-SchrankenTheorie" in bezug auf die Grenzen möglicher Stratbarkeit verstehen. Kriminalpolitisches Strafbedürfnis und schuldabgeleitete Stratberechtigung sollen einander wechselseitig beschränken60 • Die Macht der Argumente, die für diese Zwei-Schranken-Theorie (wie angeführt) vorgebracht worden sind, hat bei ihrer Gegnern Spuren hinterlassen: Zwecks Domestizierung kriminalpolitischen Wildwuchses lasse sich tatsächlich die Einführung einer zusätzlichen, dysfunktionalen Kategorie gegenüber allzu forschern Präventionsfanatismus nicht vermeiden; statt des Schuldprinzips sei dafür allerdings der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Hilfe zu ziehen61 . bb) Die Sozialschädlichkeit eines Verhaltens als Schranke ftIr Kriminal politik

Nach einem Substitut für Schuld als Damm gegen ungebremste Kriminalpolitik zu fahnden, bedeutet aber, den Verfechtern des Schuldprinzips in ihrem argumentativen Ausgangspunkt beizutreten: der Behauptung nämlich, daß ein ersatzloser Verzicht auf das Schuldprinzip die Gefahr zügellosen Wütens einer 54 SchUnemann. Die Funktion des Schuldprinzips. S. 171. 55 Rom. "l1itW 96. S. 645 f.; ders.• BockelmaDn-Festschrift, S. 296; Muiioz Conde. GA 1978. S. 71; Rudolphi. SK, Vcx § 19. Rn. la.

56 Roxin. JuS 1966. S. 385.

57 Schiinebom. "l1itW 88, S. 362; ders., "l1itW 92, S. 688, 695; Jescheck, ZStW 93, S. 25;

Burthardt, GA 1976, S. 325. 58 SclUJnebom. "l1itW 92, S. 695, 697; Zid, "l1itW 89. S. 711. 59 v. Listt, Die deterministischen Gegner der Zweckstrafe. S. 61. 60 Besonders deutlich Roxin, "l1itW 96, S. 654. 61 ElJscheid/Hassemer, Strafe ohne Vorwurf, S. 283 ff.;NoU, H. Mayer-Festschrift, S. 220.

III. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung

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von allen rechtsstaatlichen Bindungen entfesselten Strafzweckverfolgung heraufbeschwörte. Tatsächlich verzeichnet ein solches Horrorgemälde rücksichtslos um sich schlagender, nur mühsam (speziell durch das Schuldprinzip) zu disziplinierender Kriminalpolitik jedoch das Strafrechtskonzept, vor dem es warnen zu müssen glaubt Innerhalb dieses Strafrechtskonzepts steht ja lediglich zur Debatte, Strafbarkeit (Bestrafungsanreize) sich auch auf kriminalpolitisch sinnvolle Bestrafungsakte erstrecken zu lassen, denen kein schuldhaftes Verhalten zugrundeliegt. Damit ist aber weder gesagt, daß jedes Verhalten strafbar gestellt werden darf, noch das Strafbarkeit sich auf stJmtliche kriminalpolitisch sinnvolle Bestrafungsakte erstrecken darf. Das "Ungetüm" der Kriminalpolitik bleibt vielmehr stets an den Ketten liegen, an die auch die Eröffnung von "Strafbarkeit" gebunden ist: Deren Reichweite (und rechtsstaatliche Verläßlichkeit) ist demnach präziser zu eruieren. Es geht mithin um die Ermittlung des Rahmens, innerhalb dessen das Strafrecht Verhalten allenfalls strafbar machen, d. h. Unrecht im oben bezeichneten Sinne konstituieren, kann. Indem das Strafrecht an ein Verhalten die Sanktion "Strafbarkeit" knüpft (daran Bestrafungsanreize knüpft), definiert es die (allgemeinen Geschäfts-) Bedingungen, unter denen künftig das betreffende Verhalten allein noch realisiert werden kann, nämlich gegen Inkaufnahme der Konsequenz "Strafbarkeit" (Bestrafungsanreize für Strafverfolgungsorgane). Das Strafrecht stellt also den Vorteilen, die in der Vornahme des nunmehr strafbaren Verhaltens liegen (oder davon ausgehen), gewisse Nachteile gegenüber, erhebt quasi einen "Preis" für das Sich-Zuführen dieser Vorteile. Bei der Festlegung dieses Preises kann es für das Strafrecht (qua axiomatischer Vorgabe) nur ein Kriterium geben: den Preis in seinem "Ob" und "Wie" jeweils so fixieren, wie es der Verfolgung seines Anliegens, Rechtgüterschutz zu betreiben, in maximalem Umfange zuträglich erscheint62 • Die Möglichkeit, sich für die Vornahme eines bestimmten Verhaltens (v) zu entscheiden, darf also nur insoweit (per Bestrafungsanreizen) unattraktiv gemacht werden, wie diese Attraktivitätseinbuße in stärkerem Maße güterschützend als - beeinträchtigend wirkt. Falls die Freiheit dazu, v zu wählen, in der Güterrangordnung höher angesiedelt wäre, als dies für die von v zu befürchtenden Schäden gilt, liefen jede auf v ausgesetzte Sanktion den Zielen des Rechtsgüterschutzes zuwider. Sofern dagegen die Freiheit zur Durchführung von v in ihrer Wertigkeit hinter den Gefahren zurückbleibt, die ihr Gebrauch mit sich brächte, käme ein Bestrafungsanreiz (von seinem "Ob" her) dem Ziel des Rechtsgüterschutzes zugute.

62 Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 367 Cf.; Baurmann, Schuldlose Dogmatik, S. 226.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

Auf welchen konkreten Bestrafungsakt sich dieser Anreiz bezieht, bestimmt sich dann nach dem Ausmaß der festgestellten Wertigkeitsdifferenz: Je deutlicher die güterbewertende Kosten-Nutzen-Differenz ausfällt, desto drastischer müßte ein Nachteil sein, der dieses Verhältnis in den Augen des Normadressaten im Rahmen dessen persönlicher Vorteils-Nachteil-Abwägung reproduzieren wollte. Der seinem Gegenstand nach "optimale" Bestrafungsanreiz (zwecks Beförderung des Rechtsgüterschutzes) wäre genau derjenige, dem es gelänge, die gesamt-gesellschaftsbezogene Güterabwägung maßstabsgetreu in die individuell-selbstbezogene Gewinn-Verlust-Rechnung des Normadressaten hinüberzuspiegeln. Bezöge sich der Anreiz auf eine niedriger festgemachte Übelszufügung, wären gesellschaftlich unerwünscht viele Realisierungen von v zu befürchten, bezöge sich der Anreiz auf eine zu hoch bemessene Übelszufügung, beschränkte dies umgekehrt die Freiheit zur Vornahme von v in einem Umfange, der nicht mehr vom Zweck der Maßnahme (dem Rechtsgüterschutz) her legitimiert erschiene. Da allerdings der persönliche Nutzen von v individuellkonkret (für jeden einzelnen Normadressaten und bezogen auf jeden einzelnen SaChverhalt) verschieden sein mag, tut das Strafrecht gut daran, sich bei der Festlegung von Strafbarkeit einen gewissen Spielraum zu belassen, um damit auch überdurchschnittlich ausgeprägte Nutzeffekte motivatorisch kompensieren zu können. Bei der Fixierung des Strafrahmens, auf den sich der Bestrafungsanreiz bezieht, muß das Strafrecht schließlich auch die Nachteiligkeit des Eintritts von Strafbarkeit selbst gewichten: Je nach Intensität des Bestrafungsanreizes, praktischer (ln-)Effektivität des Strafverfolgungssystems und Empfindlichkeit des anvisierten Bestrafungsakts kommt drohender Strafbarkeit mehr oder weniger Bedeutsamkeit innerhalb der Entschließungsprozesse von Normadressaten zu. In der Ausgestaltung des Bestrafungsanreizes fließen demzufolge Einschätzungen

1. 2. 3. 4.

der gesellschaftlichen Nützlichkeit von v, der gesellschaftlichen Nachteiligkeit von v, der individuell-konkreten Nützlichkeit von v und der individuell-konkreten Nachteiligkeit einer bestimmten für v zu komponierenden Strafbedrohung

mit ein und zusammen. Im anzustrebenden Idealfall schlagen sie sich dort in einem Bestrafungsanreiz nieder, für den gilt:

das Überwiegen von Position 2. gegenüber Position 1. entspricht dem Überwiegen von Position 4. gegenüber Position 3. (2. : 1. =4. : 3.). Das Interesse der Allgemeinheit am Ausbleiben eines bestimmten Verhaltens (Position 2.) bzw. einer bestimmten Freiheitseinschänkung (Position 4.)

IIl. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als StrafbarkeitsvorausselZUng

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wird also schon bei der Installation des Bestrafungsanreizes mit ausgemessen und in diesen mit eingeschmolzen - je nach seinem Ausmaß prägt es den Strafrahmen, auf den sich der Anreiz bezieht, im Ergebnis mehr oder weniger ausschlaggebend. Es ist deshalb unzutreffend zu behaupten, daß im Rahmen des hiesigen Strafrechtskonzepts general- oder spezialpräventive Belange dazu verleiten könnten, auch bei bloßen Bagatelldelikten mit exorbitanter Bestrafung zu reagieren. Die kriminalpolitische Sinnhaftigkeit eines (innerhalb des Strafrahmens angesiedelten) Zwangsakts wird erst und nur als zustltzliche Bedingung bedeutsam, die jener Zwangsakt erfüllen muß, damit sich der Bestrafungsanreiz auch auf ihn bezieht. Daneben muß der betreffende Zwangsakt aber eben immer auch die Bedingungen erfüllen, die soeben dargestellt wurden: Ein Bagatelldelikt zeichnet sich dadurch aus, daß das gesellschaftliche Interesse an seiner Verbinderung (Position 2.) relativ gedämpft ausfällt, so daß im Gegenzug auch die für eine solche Tat zu arrangierende Strafbedrohung (Position 4.) auf eher moderater Höhe angesiedelt werden kann (und dann - mangels darüber hinausgehenden Hinderungsinteresses - auch dort angesiedelt werden muß). Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedarf es mithin auch nicht der gesonderten Einführung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als dysfunktionalem Prinzip zwecks Korrektur der aus dem Rechtsgüterschutzaxiom ableitbaren Konsequenzen. Die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wird vielmehr bereits durch das RechtsgU terschutzaxiom selbst gewährleistet63, liegt in diesem Axiom mit aufgehoben: Strafrechtlicher Rechtsgüterschutz bedeutet - so von Liszt 64 - "Rechtsgüterschutz durch Rechtsgüterverletzung", ist also schon von innen her dysfunktional organi siert und gerade infolge dieser Dysfunktionalität gezwungen, die Schutzwürdigkeit (SW) etwaiger Opfer sowie das Freiheitsinteresse (FI) potentieller Täter gegeneinander abzu wägen und (nur) den Überschuß von SW gegenüber PI in eine entsprechende Strafbedrohung zu übersetzen. Noch weniger als der axiomatischen Installation des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedarf es zur Inau guration des Abwägungsprinzips allerdings des Schuldgrundsatzes, dessen Verankerung nicht nur (wie die des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes) funktionslos, sondern sogar funktionsfremd erschiene. Es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise das "Anders-HandelnKönnen des Täters zur Tatzeit" ein Kriterium bei der Gewichtung von Opferoder Täterinteressen sein sollte - das Übel "Rechtsgutsverlust" kann dem Opfer von schuldfähigen und schuldunfähigen Tätern gleich empfmdlich zugefügt werden, das Übel "Strafbarlceit" beeinträchtigt schuldfähige Täter nicht weniger 63 Vgl. Noll, H. Mayer-Festschrift, S. 227 f.; Gimbernat Ordeig, ZStW 82, S. 395 f.; Baurmann, Schuldlose Dogmatik, S. 246 ff. 64 v. Liszt, Der Zweckgedanke im Strafrecht, S. 161.

9 Hoyer

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

elementar als schuldunfähige. Wenn aber das Gewicht der abzuwägenden Opfer- und Tätergüter schuldunabhängig identisch bleibt, dann muß auch das Resultat ihrer Abwägung, ausgedrückt in arithmetisierten Stratbarkeitsquanten, schuldunabhängig identisch ausfallen. Schuldhafte und schuldlose Verhaltensverwirklichungen müssen damit in gleicher Weise und Höhe zu "Strafbarkeit" führen. Wer diese Gleichsetzung von Schuldhaftigkeit und Schuldlosigkeit im Rahmen der Stratbarkeitsvoraussetzungen für "ungerecht"65 oder für "wertrational unvertretbar"66 erachtet, verkennt den Begriff der "Strafbarkeit": Stratbarkeit besteht lediglich darin, daß (durch ein bestimmtes Verhalten) ein Anreiz zu Bestrafungsakten mit bestimmten Eigenschaften ausgelöst wird. Um des Rechtsgüterschutzes willen darf dieser Anreiz sich nur auf kriminalpolitisch sinnvolle Bestrafungsakte innerhalb eines (der Verhaltensschädlichkeit entsprechend) begrenzten Strafrahmens beziehen. Sieht eine Norm darüber hinausgehend Anreize auch in bezug auf Bestrafungsakte vor, denen die genannten Eigenschaften fehlen, so dient sie insoweit nicht dem Rechtsgüterschutz, erfüllt also nicht die Gültigkeitsvoraussetzungen einer (ihrerseits gültigen) Inkorporationsregel. Sieht eine Norm dagegen Bestrafungsanreize nur in bezug auf kriminalpoli tisch sinnvolle Bestrafungsakte und nur innerhalb eines "gerechten" Strafrahmens vor, so steht ihrer Gültigkeit nichts mehr im Wege. Mit der Vornahme des strafbedrohten Verhaltens wird dann Unrecht verwirldicht, d. h. es entspräche dem Recht, wenn aufgrund des betreffenden Verhaltens ein Anreiz zu Bestrafungsakten mit den normierten Eigenschaften entstünde. Ist kein konkreter Bestrafungsakt ersichtlich, der alle erwarteten Eigenschaften aufweist (etwa kriminalpolitisch sinnvoll erscheint), so kann dem ausgesetzten Bestrafungsanreiz eben praktisch (durch Vornahme eines bestimmten Bestrafungsakts) nicht nachgegangen werden, der Anreiz selbst, mithin die Stratbarkeit, bleibt davon unberührt. Daß eine auf diese Weise ausgelöste Stratbarkeit bei Schuldlosen weder als "ungerecht"67 noch als "wertrational illegitim"68 abgelehnt werden muß, läßt sich anband eines Beispiels demonstrieren: Wenn zum Schutze eines ausländischen Staatsgastes die Bevölkerung mittels eines Absperrseils von dem im Autokorso vorbeifahrenden Politiker di stanziert wird, so wären sicher keine Bedenken gegen eine polizeiliche Eingriffsgrundlage zu erheben, welche etwaige diese Absperrvorrichtung nicht respektierende Bürger bei drohender Gefahr für den Staatsgast aus der Sperrzone hinauszubefördern ermächtigte. Eine solche

65 Burlhardt, GA 1976, S. 340. 66 Schf1nemann, Die Funktion des SchuldJrinzips, S. 171. 67 Burkhardt, GA 1976, S. 340. 68 Schf1nemann, Die Funktion des SchuldJrinzips, S. 171.

III. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung

107

Eingriffsennächtigung nähme auf ihrer Rechtsfolgenseite aber genausowenig Rücksicht auf die Schuldhaftigkeitl-Iosigkeit potentieller Täter, wie eine Bestrafungsanreize setzende Strafnonn dies muß. Sowohl das Hinausbefördern aus dem Sperrbezirk als auch das Durchführen von Bestrafung dürfen jeweils nur im Rahmen ihrer präventiven Zweckhaftigkeit (sub specie StaatsgastschutzlRechtsgüterschutz) nach Maßgabe der interessengewichtenden Nonn stattfinden - dies gewährleistet die "Gerechtigkeit" eines eventuellen Eingreifens. In beiden Fällen läßt sich die wertrationale Vertretbarkeit eines präventiven Eingriffs schuldunabhängig herleiten, nämlich insofern (und insoweit), als mit dem Betreten des nonnabgeschirmten Areals (im direkten oder übertragenen Sinne) gesellschaftlich anerkannten Interessen (betreffend die Unversehrtheit des StaatsgastsI der Rechtsgüterwelt) zuwidergehandelt und die Gefahr einer weiteren Eskalation begründet worden ist (einer Gefahr, die allein durch den ermächtigten Akt eindämmbar erscheint). Strafbarkeit ohne Schuld kann von daher akzeptiert werden, die sie konstituierenden Bestrafungsanreize dürfen sich freilich nur auf krimi nalpolitisch zweckmäßi ge Bestrafungsakte beziehen. b) Schuld als zusätzliche Schranke für Kriminalpolitik aa) Darstellung des Meinungsstands

Daraus ergibt sich jedoch sogleich der nächste Einwand gegen das insoweit entfaltete Strafrechtskonzept: Jedenfalls innerhalb des Strafrahmens soll das Ausmaß von "Bestrafung" danach doch offenbar allein nach präventiven Gesichtspunkten festgelegt werden; dies sei aber bedenklich. Zwar möge sich die Berücksichtigung der Interessen potentieller Täter bei der Komposition von Strafbarkeit rahmenmindemd auszuwirken. Bei der Ausschöpfung dieses Rahmens stehe dann aber der Kriminalpolitik kein weiterer hemmender Faktor mehr entgegen. Dem Täterinteresse an der Nichtsanktionierung möglicher Verhaltensfonnen werde bereits innerhalb des strafrahmenkonstituierenden Abwägungsprozesses seinem Gewicht entsprechend Rechnung getragen; indem es aber in das Abwägungsergebnis sub specie Strafrahmen eingehe, habe sich seine Bedeutsamkeit für die daran anschließenden weiteren Abwägungsschritte quasi "verbraucht". Bei der Fixierung von Bestrafung innerhalb des Strafrahmens bedürfe es jedoch wiederum eines antinomischen Prinzips zur Krimi nalpolitik69 • Sonst drohe beispielsweise einem Delinquen ten im Kindesalter volle Ausschöpfung des Strafrahmens, wenn dieser etwa zum Zeitpunkt seines späteren Strafprozesses (mit wachsender Reife) spezialpräventiver Einwirkung zugänglich und

69 Schönebom, ZStW 88, S. 362; leseheck, ZStW 93, S. 25; Zipf, ZStW 89, S. 711. 9'

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

bedürftig geworden sei70• Des weiteren könne auch dann, wenn die Feststellung von Schuld im Prozeß an Beweisschwierigkeiten scheitere, ein Präventionsbedürfnis (zwecks Verhinderung verbreiteter Spekulation auf Beweisnot) unzweifelhaft bejaht werden müssen und so einer Bestrafung des Täters Vorschub lei sten71. In beiden Fällen sei der Staat aber nur im Rahmen und in Höhe retrospektiv festgestellter Schuld zur Bestrafung berechtigt. Zwecks Vermeidung einer allein kriminal politisch motivierten Umwandlung von Strafbarkeit in Bestrafung bedürfe es mithin einer Institutionalisierung des Schuldprinzips als Sperre innerhalb dieses Umwandlungsprozesses. bb) Die Entbehrlichkeit von Schuld zur ZUgelung der Kriminalpolitik

Einer derartigen Ableitung des Schuldprinzips liegt jedoch ein Mißverständnis der Rolle zugrunde, die kriminalpolitische Überlegungen bei der Umwandlung von Strafbarkeit in Bestrafun.s spielen. Durch den Vorgang der Bestrafung soll lediglich der tatsächliche Ubelscharakter von Strafbarkeit in den Augen der Normadressaten unterstrichen werden, auf daß mit Rücksicht auf dieses Übel in Zukunft von strafbarem Verhalten verstärkt Abstand genommen werde. Soweit der Übelscharakter von Strafbarkeit keiner bestärkenden Veranschaulichung bedarf, braucht eine derartige Veranschaulichung strafrechtlich demnach auch nicht angereizt zu werden, darf Strafbarkeit sich auf entsprechende Bestrafungsakte also nicht beziehen. Wenn also ein zur Tatzeit normativ nicht ansprechbarer Straftäter etwa später im Strafprozeß durchaus resozialisierungsfähig und -bedürftig erscheint, dann läßt sich seine Bestrafung damit nicht rechtfertigen: Es bedarf in seinem Falle nicht der Bestrafung, um klarzumachen, daß weitere Straftatbegehungen tatsächlich Bestrafung zur Folge haben könnten. Falls der Täter in Zukunft dennoch erneut strafbares Verhalten befürchten läßt, beruhte dies nicht darauf, daß der Übelcharakter von "Strafbarkeit" nicht nachdrücklich genug (mittels Strafvollzugs) unterstrichen wurde; dies zu vermeiden, aber ist allein der Zweck von Bestrafung. Im Rahmen des Bestrafungsvollzugs soll der Täter ja nicht etwa einer unfreiwilligen Gehirn wäsche mit dem Ziel zukünftiger Immunisierung gegen strafbares Verhalten unterzogen werden 72, dem Täter soll vielmehr weiterhin die Möglichkeit belassen bleiben, zwischen der Realisierung strafbaren Verhaltens und der Vermeidung von Strafbarkeit gemäß seinen persönlichen Präferenzen frei wählen zu können; es soll ihm lediglich mit Hilfe der Bestrafung (falls erforderlich) die Nachteiligkeit der erstgenannten Ent70 Butiharclt , GA 1976, S. 336. 71 SchUnemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 177; Butiharclt, GA 1976, S. 338. 72 Vgl. Bentham, Grundsätze der Civil- und Criminalgesetzgebung, 11, S. 153: "Kinder, Blödsinnige, Verrückte, kann man sie gleich durch Belohnungen und Drohungen bis zu einern gewissen Punkt führen, haben doch keine so genügend klare Vorstellung von der Zukunft, als daß sie durch künftige Strafen mruckgehalten werden könnten".

1II. Zur Unentbehrlichkeit von •.schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung

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scheidungsaltemative verdeutlicht und so seine Entscheidungsfmdung im weiteren beeinflußt werden. Mit "Bestrafung" soll demnach kein (zwar nur aus Anlaß und im Rahmen von "Strafbarkeit" eröffneter, von der Methodik her aber selbständiger) zweiter Weg der Straftatverhinderung (neben der Motivationssteuerung durch die normierte Strafbarkeit) beschritten werden, es soll lediglich die motivatorische Beachtlichkeit der normierten Strafbarkeit selbst stabilisiert werden. Die BestraflDlg erfüllt somit nur eine Hilfsfunktion gegenüber der Strafnorm, von der ihre präventive Stoßkraft dabei somit auf zweierlei Weise gebändigt wird: einerseits dadurch, daß zu Bestrafung nur in den Grenzen des normierten Strafrahmens angereizt wird (quantitative Akzessorietät), andererseits dadurch, daß zu Bestrafung nur zwecks Beglaubigung einer bestehenden Norm angereizt wird (finalistische Akzessorietät)73. Die kriminalpolitische Aufgabe von Bestrafung liegt also darin, die Beachtlichkeit der Strafbedrohung durch deren Verwirklichung zu untermauern - soweit diese Aufgabe nicht auf dem Spiel steht. bedarf es keiner Bestrafung und darf zu Bestrafung mithin auch nicht angereizt werden.

Aber auch die Fälle, bei denen die für diese Aufgabensteilung entscheidenen Umstände prozessual nicht eindeutig festgestellt werden können (Zweifelsfälle), lassen sich von der nunmehr gewonnenen Basis aus lösen: Die Beachtlichkeit einer Strafnorm droht durch die Anwendung des indubio-pro-reo-Grundsatzes auf solche Zweüelsfälle umso stärker destabilisiert zu werden, je eher künftige Straftäter dadurch ihrerseits auf Beweisnot zu spekulieren ermutigt werden. Wenn der Strafrahmen normativ so hoch angesiedelt wocden ist. daß auch unter Einbeziehung der in praktischen Beweisschwierig keiten liegenden Chancen eine Straftatbegehung unvorteilhaft (weil überwiegend riskant) erscheint. dann bedarf es keiner weiteren Veranschaulichung der Strafbedrohung, Entscheidungen contra reum können unterbleiben. Je milder aber die vom Straftäter schlimmstenfalls zu gewärtigende Strafe relativ zu etwaigen Tatvorteilen ausfällt. desto dringlicher schiebt sich das Bedürfnis in den Vordergrund, die Ernsthaftigkeit jedenfalls dieser Strafbedrohung (per Bestrafung) zu unterstreichen, d. h. Effizienzdefizite bei der Strafverfolgung (etwa durch Ausweitung des Justizapparates, aber auch durch Entscheidungen contra reum) zu beseitigen. Eine Rechtsordnung kann sich aber durch entsprechend souveräne Wahl der Strafrahmen (und sorgfältige Aufklärungsarbeit) stets den Luxus einer Etablierung des in-dubio-pro-reo-Grundsatzes gönnen, ohne daß dies dem hier entwickelten präventionsorientierten Bestrafungskonzept widerspräche. Einer Einführung des Schuldprinzips bedarf es also auch insoweit nicht.

73 Gimbemal Ordeig. 'Z1itW 82. S. 396.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

c) Das Schuldprinzip als Hüterin des Bestimmtheitssatzes aal Darstellung des Meinungsstands

Die Unverzichtbarkeit des Schuldprinzips läßt sich jedoch möglicherweise unter Hinweis auf die mangelnde Präzision präventiver Zweckmäßigkeitsabschätzungen erweisen74 . Es sei "eine bis heute ungelöste Frage, unter welchen Bedingungen das Strafrecht generalpräventiv wirkt bzw. wie weitgehend man die Sanktionierungsrate senken und auf Strafe verzichten kann, bevor die notwendige generalpräventive Wirksamkeit des Strafrechts zerstört wird"7s. Niemand vermöge mit auch nur einigermaßen fundierter Argumentation dazu Stellung zu nehmen, wann Bestrafung etwa zur Erhaltung von Rechtstreue erforderlich sei 76 . Auch eine empirische Bestätigung spezialpräventiver Straftheorien stehe nach wie vor aus 77, es sei beispielsweise durchaus (noch) nicht erwiesen, daß Sanktionen gegenüber Schuldunfähigen in jedem Falle motivatorisch ohnmächtig bleiben müßten; immerhin lasse sich auch das Verhalten von Kindern und sogar von Tieren per Nachteilsandrohung bzw. -zufügung häufig er folgreich beeinflussen78. Angesichts der also zu konzedierenden, nahezu vollständigen Kenntnislosigkeit über das "Ob" und "Wie" der Wirksamkeit etwaiger Sanktionen bedürfe Bestrafung" neben der bis heute nicht endgültig geklärten präventiven Nützlichkeit" eines weiteren anerkannten Legitimationsprinzips, "als das lediglich die Schuld in Betracht kommt" 79. bb) Die kriminalpolitische Wirksamkeit von Strafrecht

Tatsächlich muß dieser Argumentation zugestanden werden, daß über die präventive Wirkung von Bestrafung kaum gesichertes Material existiert, daß insoweit also mit Hypothesen gearbeitet werden muß80. Die Bereitschaft, diese Hypothese zu akzeptieren, ist allerdings schlechthin strafrechtskonstituierend,

74 Muiioz Conde, GA 1978, S. 70; Horn, SI(, § 46 Rn. 26. 75 Schilnemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 173.

76 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 287 ff.; MUller-Dietz, Strafbegriff und Strafrechtspflege, S. 91 ff.; Ouo, Generalprävention und externe Verhaltenskontrolle, S. 129 ff.; Horn, SK, § 46 Rn. 30; Kaiser, Kriminologie, S. 130 ff.; Vanberg, Verbrechen, Strafe und Abschreckung, S. 37 ff.; Opp, Soziologie im Recht, S. 207 ff. 77 Kaiser, Kriminologie, S. 137 ff.; Henkel, Die "richtige" Strafe, S. 48; Horn, SI(, § 46 Rn. 27; Albrechl, 'lBtW 97, S. 838; Hartung, SpeziaIpräventive Effektivitätsmessung, S. 123 ff. 78 Stralenwerth, Die Zukunft des strafrechtlichen Schuldprinzips, S. 36; Schönebom, 'lBtW 88, S. 351; Burkhardt, GA 1976, S. 336. 79 Schilnemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 174. 80 Roxin, Bockelmann-Festschrift, S. 300.

III. Zur Unentbehrlichkeit von ,.schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzllng

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kann also auch durch eine Hinzufügung des Schuldprinzips nicht überflüssig gemacht werden: Strafrecht zeichnet sich bereits qua axiomatischer Begriffsfestlegung dadurch aus, daß es sich als Instrumentarium zur Bewerkstelligung von Rechtsgüterschutz definieren läßt. Sofern und soweit Verhaltensformen gesetzlicherseits mit Nachteilen verknüpft werden, ohne daß dies dem Rechtsgüterschutz irgendwie zugute kommen könnte, begründeten derartige Gesetze eben kein Strafrecht, sondern allenfalls eine andere Form von Recht, möglicherweise aber auch lediglich Strafunrecht. Die Hypothese abzulehnen, daß vom "Strafrecht" präventive Effekte ausgehen, bedeutete also, auf Strafrecht selbst verzichten zu müssen; daran kann auch eine etwaige Berücksichtigung des Schuldprinzips nichts ändern. ce) Das Schuldprinzip als Gefahr ft1r den Bestimmtheits satz

Eine Einführung des Schuldprinzips kann die Schwierigkei ten, die sich aus der Nichterweislichkeit der genannten systemtragenden Hypothese ergeben, daher nicht reduzieren, droht sie vielmehr sogar noch zu potenzieren. Denn den Wissenslücken, die hinsichtlich der präventiven Wirksamkeit strafrechtlicher Maßnahmen einzuräumen sind, korrespondieren mindestens ebenso eklatante Wissenslücken, welche hinsichtlich der Voraussetzungen von "Schuld" bestehen 8t • Selbst unter den Befürwortern des Schuldprinzips ist nämlich anerkannt, daß sich Schuld i. S. eines realen Anders-Handeln-Könnens des individuellen Täters zur Tatzeit prozessual niemals nachweisen läßt82 • Ein derartiger Nachweis erforderte nämlich streng genommen stets, daß die reale Tatsituation exakt reproduziert und ein Proband mit genau der Psyche des Täter zur Tatzeit dort experimentell beobachtet werden könnte (und sich dann anders als der Täter zur Tatzeit veIhielte)83. Da die künstliche Herstellung derartiger tatähnlicher Versuchsbedingungen praktisch ausscheidet, muß auch bei der Feststellung von Schuld mit Hypothesen und Generalisierungen nachgeholfen werden: Es wird auf das potentielle Anders-Handeln-Können eines theoretischen Konstrukts anstelle des Täters

81 Achenbach, Individuelle Zurechnung, Verantwortlichkeit, Schuld, S. 145. 82 Roxin, 'ZStW 96, S. 643; den., JuS 1966, S. 378; Bockelmann, 'ZStW 75, S. 372; Rudolphi,

Unrechtsbewußtsein, S. 22; Engisch, Die Lehre von der Willensfreiheit, S. 23 f.; SchIJnemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 160; Schreiber, NStZ 1981, S. 51; Anhur Kaufmann, JZ 1967, S. 560; Nowakowski, Rittler-Festschrift, S. 57; GlJppinger, Die gegenwärtige Situation der Kriminologie, S. 21 f.;Mangakis, 'ZStW 75, S. 519. 83 Engisch, Die Lehre von der Willensfreiheit, S. 23 f.; LangelUddekelBresser, Gerichtliche Psychiatrie, S. 288 ff.; dies•. Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit, S. 25 f.; Gimbernat Ordeig, Henkel-Festschrift, S. 154; Rudolphi, SK, Vor § 19 Rn. 1; SchiJnke-SchriJder-Lencmer, Vor § 13 ff. Rn. 109.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

abgestellt, eines charakterlich durchschnittlich strukturierten Homunculus 84, der sodaIm mit denselben motivatorischen Handicaps wie der Täter belastet wird. Falls bezogen auf diese rein ftktive Denkftgur die Prognose aufgestellt werden kann, daß sie in der Tatsituation sämtliche motivatorischen Erschwernisse erfolgreich zwiickzuweisen und sich zu straflosem Verhalten durchzukämpfen in der Lage gewesen wäre, so wird die gleiche Fähigkeit auch vom realen Täter in der konkreten Tatsituation erwartet. An die Stelle eines individuellen tritt somit ein generelles Anders-Handeln-Können, an die Stelle eines psychologisch-deskriptiven ein normativ-askriptiver Schuldbegriff85 • Zentrales Moment dieses Schuldbegriffs ist die auf ein irreales (zudem selbst theoretisch ziemlich unpräzise umrissenes) Kunstgebilde bezogene Verhaltensprognose, eine Spekulation, welche sich aufgrund ihrer ftkti ven Ausgangsbasis prinzipiell weder veriftzieren noch falsifIZieren läßt. Daß gerade ein derartig vages, nahezu beliebig einsetzbares Institut wie das so verstandene Schuldprinzip den befürchteten präventiven Auswüchsen ggf. Einhalt gebieten können sollte, muß bereits von daher bezweifelt werden. Zum einen erscheint schon die Befürchtung präventiver Auswüchse, gegen die das Schuldprinzip konkret schützen zu können vorgibt, unbegründet. Die Bestrafung von Geisteskranken, Kindern oder gar Tieren macht schon aus kriminalpolitischer Perspektive keinen Sinn, da die Zufügung eines Nachteils den so "Bestraften" nicht dazu befähigen könnte, künftig frei und eigenverantwortlich die Vorteile strafbaren Verhaltens gegenüber denen der Straflosigkeit abzuwägen; in der Veranschaulichung und Vergegenwärtigung dieser zur Wahl gestellten Alternativiät und nicht in der blinden Konditionierung wehrloser Opfer besteht aber der einzig legitime Zweck von Bestrafung. Zum anderen und vor allem aber stehen auch die Grundlagen des Schuldprinzips selbst so unsicher, daß sie einem präventionsorientierten Bestrafungskonzept kaum Halt und Stütze gewähren können - den befürchteten Risiken eines mit neu entwickelter Statik ausgestatteten Gebäudes läßt sich ja auch nicht dadurch begegnen, daß das Gebäude zudem auch noch auf schwaItkendem Fundament plaziert wird. Die empftndlichste Schwachstelle bei der Entwicklung des Schuld prinzips liegt dabei schon in dessen methodischem Ausgangspunkt verborgen, der Konstruktion eines "generalisierten" Durchschnittstyps (0), der sich mit der

84 v. Liszt/Schmidt, S. 225 f.; KrUmpelmann, ZStW 88, S. 31 f.; Hassemer, Einführung in das Strafrecht, S. 215 f.; EIlscheidlHassemer, S. 270; Henkel, Larenz-Festschrift (1973), S. 25; Rudolphi, SK, Vor § 19 Rn. 1. 85 Haffte, GA 1978, S. 45: "Es geht also ... nicht um Schuldfeststellung, sondern um Schuldzuschreibung" ; Ja Icobs , Schuld und Prävention, S. 19 f., 31 f.; Schreiber, Der Nervenarzt 48, S. 245; Achenbach, Individuelle Zurechnung, Verantwortlichkeit, Schuld, S. 150; Geddel1, Das Dilemma des Justizsystems, S. 294.

III. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung

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vom Täter (T) individuell zu bewältigenden motivatorischen Gemengelage (gebildet aus den situationsbeteiligten Impulsen und Umständen) konfrontiert sieht. Wenn D es (vermutlich) geschafft hätte, sich unter den erkennbaren Motivationsbedingungen (dennoch) für strafloses Verhalten zu entscheiden, T sich aber (tatsächlich) nicht entsprechend motiviert hat, dann bieten sich für dieses Auseinanderklaffen zwei Erklärungen an: entweder T hat einfach die Erwartung enttäuscht, auch er konkret werde die generell (nämlich für D) immerhin mögliche Motivationsleistung erbringen (können), oder aber T hatte eben doch mit anderen (unerkannt gebliebenen oder falsch gewichteten) Motivationseinflüssen zu kämpfen als denen, die für D in Rechnung gestellt wurden. Das Schuldprinzip bedient sich dabei der erstgenannten Erklärungsvariante und wirft dem T folglich sein Versagen zur "Schuld" vor; es komme für den Schuld vorwurf deshalb auch nicht darauf an, ob T anders handeln konnte (als er tatsächlich gehandelt hat), sondern allein darauf, daß von T ein anderes HandeIn erwartet werden konnte (als es tatsächlich realisiert wurde): Mit Hilfe dieser Normativierung des Schuldvorwurfs versucht das Schuldprinzip sich vor einer Stellungnahme zum Problem der Willensfreiheit quasi "herumzudrükken"86 - die Erwartbarkeit eines Anders-Handeln-Könnens bleibt unabhängig von deren individuell-psychologischer Einlösbarkeit (durch sie stützt sich vielmehr nur auf ihre generell-behauptete Einlösbarkeit (durch D).

n,

Die beabsichtigte Flucht vor der Determinismus/lndeterminismusStreitfrage gelingt jedoch nur scheinbar, nämlich bei unkritischer Verwendung der erstgenannten Erklärungsvariante. Für einen überzeugten Deterministen verstände sich aber gerade die Richtigkeit des zweitgenannten Erklärungsmodells von selbst: Jeder Verhaltensentschluß ist danach die zwangsläufige Resultante des hic et nunc vorfindbaren motivatorischen Kräftefelds, nicht Ausdruck aktiver subjektiver Gestaltungsmacht, sondern unentrinnbarer Ausfluß einer entsprechend vorstrukturierten motivatorischen Gefällelage. Wo eine bestimmte motivatorische Strömung T dabei in eine andere Richtung mit sich reißt, als dies (angeblich) bei D der Fall gewesen wäre, dort müssen eben auch die T bewegenden Strömungsverhältnisse anders geartet gewesen sein, als sie für D (gedanklich) reproduziert werden konnten. Von den gleichen motivatorischen Kräften beeinflußt, müßten sich nämlich alle Verhaltensurheber (T wie D) gleich verhalten, unterschiedliches Verhalten lasse sich stets auf Unterschiede in der Art und Stärke der involvierten Tatmotive zurückführen. Könnte man den D exakt in das real den T einbettende motivatorische Kräfteparallelogramm hineinversetzen, so müßte sich jener auch exakt wie dieser verhalten. Bei (theoretisch möglicher, praktisch allerdings nicht erreichbarer) lückenloser Kenntnis sämtlicher T86 Roxin, Bockelmann-Festschrift, S. 297 f.; Muiioz. COMe, GA 1978, S. 70; Engisch, Die Lehre von der Willensfreiheit, S. 65; Bockelmann, 'li)tW 75, S. 384; ders.-Volk, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 109 f.; Rudolphi, Unrechtsbewußtsein, S. 29; Schreiber, Der Nervenarzt 48, S.244ff.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

determinierender Motivationsfaktoren und bei T -adäquater Gewichtung dieser Positionen ergäbe deren maßstabsgetreuer Transfer auf 0 daher genau T-identisches Verhalten. T könnte durch sein Verhalten dann aber auch keine unter Bezugnahme auf 0 begründbaren, andersgerichteten Erwartungen enttäuschen, wenn er sich in der Tatsituation genauso verhielte, wie es in motivatorisch identischer Lage mit dem 0 geschehen wäre; ein zur Schuld vorwerfbares "Versagen" kommt also gar nicht erst zur Entstehung. Es ist demnach unzutreffend, daß sich durch die Normati vierung des Schuldbegriffs eine Widerlegung des Determinismus für die Vertreter des Schuldprinzips erübrigen ließe. Wer (statt nach dem Anders-Handeln-Können des Täters zur Tatzeit allein) nach dem Anders-Handeln-Können einer artifiziellen Maßfigur fahndet, umschifft das Determinismus-Problem nicht, sondern versetzt es lediglich: Sofern sämtliche Verhaltensurheber tatsächlich bloß Spiel bälle der sie bewegenden (motivatorischen) Faktoren und Gegenfaktoren wären, fehlte es nämlich (nicht nur am individuellen Anders-Handeln-Können des Täters zur Tatzeit, sondern ebenso) am Anders-Handeln-Könnenjeglichen Ersatz-Spielballs, der (an Stelle des Täters) denselben (= nach Art, Richtung und Stärke identischen) einander widerstreitenden Faktoren und Gegenfaktoren ausgesetzt wäre81 • dd) Das Schuldprinzip und die Willensfreiheit

Für einen Vertreter des Schuldprinzips ergibt sich somit unausweichlich die Schwierigkeit, Argumente zur Verfügung stellen zu müssen, um die grundsätzliche Existenz menschlicher Willensfreiheit (als generellem Ausgangspunkt aller individuellen Differenzierungen nach schuldlos und schuldhaft) außer Zweifel stellen zu können. Der Versuch, menschliche Willensfreiheit naturwissenschaftlich-empirisch nachzuweisen, ist dabei mangels Rekonstruierbarkeit der Tatsituation notwendig zum Scheiten verurteilt -selbst wenn ausnahmsweise einmal alle sonstigen Tatumstände exakt reproduzierbar erschienen, die Täterpsyche zur Tatzeit wird sich längst irreversibel verflüchtigt haben 88. Angesichts dieses Befunds verbleibt dem Apologeten des Schuldprinzips allein der Ausweg, die indeterministische Position mit geisteswissenschaftlichnormativ ausgerichteten Bekenntnissen plausibel zu machen. So rechnet beispielsweise Schünemann das Überzeugtsein von menschlicher Willensfreiheit zu jener "elementaren Schicht mindestens der abendländischen Kultur, deren Preisgabe nur in dem Falle der Auflösung der Kultur insgesamt denkbar wäre"89. In allen indogermanischen Sprachen spiegele sich (angeblich im Ge-

81 JaJcobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rdnr. 17f25. 88 Engisch, Die Lehre von der Willensfreiheit, S. 23 f. 89 SchUnemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 163.

III. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung

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gensatz zur Sprache der Hopi- und Navajo-Indianer) eine indeterministische "Weitsicht, die von dem handelnden Subjekt und damit in letzter Konsequenz von dessen Handlungsfreiheit geprägt ist und hinter die man infolgedessen überhaupt nicht zurückgehen kann, solange diese Sprachstrukturen unsere Gesellschaft beherrschen" 90. Indem der Determinismus den Menschen vom Podest eines aktiv und frei gestaltenden Subjekts in das Piedestal eines erduldenden, vom bloßen Geschehen unterjochten Objekts hinabstoße, negiere er jedoch nicht nur - formal "elementare Strukturen unserer gesellschaftlichen Kommunikation"91, sondern vor allem auch - material- eine zentrale Errungenschaft zivilisatorischen Fortschritts, nämlich die Idee menschlicher Würde 92 und Freiheit "Die Reduzierung der Schuld auf den zweckrationalen Aspekt der Strafbedürftigkeit eliminiert jedoch das eigentlich Humane aus dem Begriff des Strafrechts und damit aus der Strafe .... Denn die Legitimation der Strafe in Freiheit und Vernunft des Straftäters und nicht in schlichter Prävention bezieht die Strafe unmittelbar auf die Würde der Person. Ihre Achtung ist aus dem Akt des Bestrafens nicht wegzudenken, soll dieser nicht zugleich seine Legitimation verlieren" 93. Zudem müsse eine deterministische Weltanschauung logisch dazu führen, daß die Gewährleistung allgemeiner Handlungsfreiheit - weil ohnehin unerreichbar - als Zielvorstellung staatlichen Handelns fallengelassen werde. Gerade in einer "wesentlich durch einen utilitaristischen, hedonistischen Geist geprägten Zeit"94 verdiene daher die humanitätsgewährleistende Bedeutung des Schuldprinzips um so entschlossener hervorgehoben zu werden - zumal jegliche Limi tierung präventionsfixierter Strafrechtsarithmetik dem Täter allenfalls zugute kommen könne 95 , auch wenn dabei nicht alle, sondern möglicherweise nur gewisse, besonders gut nachfühlbare Begrenztheiten eines subjektiven Freiheitsspieiraumes Berücksichtigung fanden. Die dargestellte Deduktion der Willensfreiheit aus dem Postulat menschenwürdiger Behandlung kann sich geistesgeschichtlich immerhin auf Hegels Rechtsphilosophie berufen: "Der Verbrecher hat die Verletzung, die ihm widerfährt, selbst anerkannt, denn in seiner als eines Vernünftigen Handlung liegt, daß sie für allgemein und ein Gesetz durch sie aufgestellt ist, unter welches er also als unter sein Recht subsumiert werden darf'96. Indem man also den Ver-

90 Ders., a.a.O., S. 164. 91 Ders., a.a.O., S. 166. 92 Roxin, 'li3tW 96, S. 650; Rudolphi, SK, Vor § 19 Rn. 1. 93 Otto, GA 1981, S. 491; vgl. auch Stratenwerth, 'ZStW 91, S. 922. 94 I Otto, a.a.O., S. 490; auch Burkhardt, GA 1976, S. 324 und Glissei, JA 1975, S. 323 f. brandmarken den aIethischen Schuldbegriff als aI17l1 utilaristisch bzw. pragmatisch. 95 Roxin, MschrKrim 1973, S. 320. 96 Heget, Vorlesungen über Rechtsphilosophie, I, Naturrecht und Staatswissenschaft, § 54.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

brecher tatsächlich verletzt (= bestraft), "erkennt man ihn als Vernünftigen, seinen Willen als Gesetz, man tut ibm also sein Recht, ... weil seine Handlung die eines Freien ist"97. Indem man aber auf diese Weise nur diejenigen als menschenwürdig, als der Vernunft teilhaftige Subjekte ansieht, deren Wille als "frei" respektiert wird, findet zugleich eine stillschweigende Ausgrenzung der "Unvernünftigen", der für schuldunfähig Erachteten also, statt: Wenn der Wille etwa eines Geisteskranken - weil unfrei gebildet - für strafrechtlich unbeachtlich erklärt wird (nämlich keine Bestrafung nach sich zieht), dann hieße dies doch wohl (im Sinne der von Hegel initiierten Lehre), daß der Anspruch des Kranken auf Achtung seiner Menschenwürde und auf Anerkennung seiner Subjektqualität bestritten wird. Ein Staat, der allen seinen Bürgern die Wohltat menschenwürdiger Behandlung widerfahren lassen möchte, müßte demzufolge die Differen zierung von Schuldfähigen und -unfähigen gerade verwerfen und statt dessen auch Schuldunfähige strafbar machen. Eben dies aber ergibt sich (nicht aus dem Schuldprinzip, sondern) aus dem hier skizzierten aletbischen Strafrechtskonzept. Strafrechtsnormen sehen danach vor, daß durch bestimmte Verhaltensweisen für bestimmte Strafverfolgungsorgane ein Anreiz dazu entsteht, aus der Menge der im Strafrahmen erfaßten Bestrafungsakte einen kriminalpolitisch sinnvollen tatsächlich vorzunehmen. 98 Ein solcher Anreiz soll von Schuldfähigen und -Unfähigen gleichermaßen ausgelöst werden, sobald sie das in der Norm für strafbar erklärte Verhalten realisieren - einer Norm, die sub specie Menschenwürde ebensowenig Anlaß zu Bedenken gibt, wie etwa die Eingriffsermächtigung im oben99 angeführten Staatsgastbeispiel, die bei Betreten der abgesperrten SchutzZOlle ja gleichfalls nicht nach Schuldgesichtspunkten unterscheidet Jeweils (durch die Strafrechtsnomt wie durch die polizeiliche Eingriffsermächtigung) versucht der Staat lediglich zu veranlassen, daß Eindringlinge bei Bedarf aus dem sicherheitsempfindlichen Bereich wieder hinausbefördert werden. Jeweils ermächtigt also der Staat nicht dazu, auf etwaige Eindringlinge beliebig Zugriff zu nehmen (um sie so - wie eigenwertIose Schachfiguren - zur Beförderung ihnen fremder Ziele zu instrumentalisieren), sondern sie insofern und insoweit in Anspruch zu nehmen, wie das der Abwehr einer durch ihr Verhalten geschaffenen Eskalationsgefahr dient. Dem Täter droht somit - unabhängig von seiner Schuldunfähigkeit - in keinem Falle eine Herabwardigung zum rechtlosen Objekt ibm aufoktroyierter kriminalpolitischer Bestrebungen, sondern lediglich eine Wardigung danach, ob seine Bestrafung einem durch ihn als Rechtssubjekt selbst ausgelOsten kriminalpolitischen Bedarf abhelfen könnte. Wo der Täter keinen entsprechenden Bedarf erzeugt hat bzw. dieser jedenfalls

97 Hegel, Vorlesungen über Rechtsphilosophie, I, Naturrecht und Staatswissenschafts, § 54.

98 Vgl. Kap. D. III. 2. a) bb).

99 Vgl. Kap. D, 11, 2., a), bb).

111. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung

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nicht mittels Bestrafung abgedeckt werden kann, besteht staatlicherseits kein Interesse an seiner Bestrafung - nicht weil der Täter (mangels Rechtssubjektivität) ihrer nicht "würdig" wäre, sondern weil sie in seinem Falle (mangels kriminalpolitischer Perspektive ebenso) funktionslos scheinen müßte (wie die Bestrafung eines NiCht-Straftäters). Im Rahmen dieser Konstruktion bleibt also die Würde des Schuldfähigen wie des -unfähigen in bezug auf die Strafbarkeits- wie die Bestrafungsfrage unbestritten; eine Anerkennung der Willensfreiheit und letztlich des Schuldprinzips kann dem nichts hinzufügen (soweit dem Täter auch Willensfreiheit und Schuld zugesprochen wird, führt dies zu keinem anderen Ergebnis als eine unmodiflZiert präventive Betrachtung), sie droht im Gegenteil die Menschenwürde des Täters ihrerseits zu mißachten (soweit speziell dem Täter Willensfreiheit und Schuld abgesprochen wird, bleibt dem Täter eine Respektierung als vernünftiges Subjekt gerade vorenthalten), indem sie ihn zum außerhalb der Strafrechtsordnung behandelbaren ObjektlOO degradiert. Es kann auch nicht zugegeben werden, daß mit der Verbannung von Schuld und Willensfreiheit das Humane als das eigentlich und einzig Schützenswerte aus dem Strafrecht verschwände lOl • Strafrechtlich schützens werte Güter (Rechts güter) können durchaus auch unter Absehen von menschlicher Willensfreiheit noch in gleichem Umfange ausgemacht werden 102 • Gerade derjenige, der dem Kräftespiel motivatorischer Strömungen und Gegenströmungen hilflos ausgeliefert wäre, besitzt ein elementares Interesse daran, ihm unliebsame Strömungsverhältnisse nach Möglichkeit schon an der Entstehung gehindert zu sehen; die Gewährleistung allgemeiner Handlungsfreiheit behielte ihren Wert als regulatorisches Instrument zur Fernhaltung etwaiger vom Betroffenen nicht gebilligter (und auch von gegenläufigen Interessen Dritter nicht geforderter) Einflußnahme auf den sonst bei ihm ablaufenden Motivationsprozeß.

Einer in diesem Sinne verstandenen allgemeinen Handlungsfreiheit

(= Freiheit von mißbilligter Motivationsmanipulation) steht das Festhalten an

Willensfreiheit sogar eher entgegen: Das Verhalten als freie Willkürtat statt als notwendiges Resultat einander widerstreitender Motivationsstränge zu interpretieren, erlaubt stets, der unbequemen Frage nach der regulativen HersteIlbarkeit anderer Motivationsverhältnisse auszuweichen. Solange täterschaftliche Willensfreiheit behauptet werden kann, "besteht kein Anlaß zur Selbstkritik des SYStems"I03, kein gesellschaftlicher Veränderungs- bzw. Handlungsbedarf. "Vermag man sich einzureden, das Verhalten sei ein Einbruch des absoluten,

100 Rcmn, MschrKrim 1973, S. 320; ders., ZStW 96, S. 651; Stratenwerth, Die Zukunft des Schuldprinzips, S. 27 C. 101 So aber Otto, GA 1981, S. 494, 497. 102 GimbernaJ Ordeig,ZStW 82, S. 386 C.; MuiiCYl. Conde, GA 1978, S. 66. 103 EllscheidlHassemer, S. 276.

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Kapitel D: Unrecht und Schuld

d. h. vom gesellschaftlichen Kontext losgelösten, Bösen, so ist es leichter, einen Trennungsstrich zwischen der Ge sellschaft und dem Verbrecher zu ziehen, Licht und Schatten einseitig zu verteilen, eine heile Ordnung dort zu sehen, wo in Wirklichkeit eine Reproduktion des Bösen eingerichtet ist" 104 . Die Behauptung von Willensfreiheit ermöglicht so eine Individualisierung der Tatverantwortung zwecks kollektiver EntlastunglOS - falls darin nicht so gar, wie Nietzsche annimmt, ihr eigentlicher Sinn 106 besteht: "Die Lehre vom Willen ist wesentlich erfunden zum Zweck der Strafe, d. h. des Schuldig-Finden-Wollens.... Die Menschen werden frei gedacht, um gerichtet, um gestraft werden zu können: folglich mußte jede Handlung als gewollte, der Ursprung jeder Handlung im Bewußtsein liegend gedacht werden"101. Die alethische Strafrechtskonzeption verweigert sich jedenfalls einer derartigen Verschleierungstechnik; daß das Strafrecht damit des "speziftsch humanen Elements" 108 verhstig gehen könnte, kann ernsthaft nur derjenige befürchten, der Verschleierung stall nüchterner Aufklärung als eigentliche Aufgabe humaner Strafrechtsdogmatik begreifen möchte 109 . Schließlich läßt sich die Unumgänglichkeit indeterministischen Denkens auch nicht aus deren kommunikationsstruktureUer Vorgegebenheit ableiten I 10: Mäße man sprachlichen Usancen tatsächlich eine derartige realitätskonstituierende Bedeutung bei, müßte man konsequenterweise auch heute noch trotz Kopernikus der gesellschaftlichen Verbindlichkeit des naturwissenschaftlich längst widerlegten, sprachlich aber lebendig gebliebenen 111 , ptolemäisch-geozentrischen Weltbilds huldigen, eine Konsequenz, die selbst Schünemann kaum zu ziehen bereit sein dürfte. Wenn Althergebrachtes und daher volkstümlich gewordenes Gedankengut sachlich zunehmend fragwürdig zu werden beginnt, dann mag die Peak tikabilität einer von diesem Gedankengut durchsetz ten 104 EllscheidlHassemer, S. 276. lOS Jakobs, Schuld und Prävention,

S. 13; den., Strafrecht Allgemeiner Teil, Rdnr. 17/21;

HajJ1ce, GA 1978, S. 46; Streng, 'ZStW 92, S. 658. 106 VgI. Kohlrauschs berühmtes Wort vom individuellen Anders-Können als "staatsnotwendiger Fiktion", Sollen und Können, S. 26. 101 F. NietvJche, Götzendämmerung, S. 977. !O8 Otto, GA 1981, S. 491.

109 VgI. Schilnemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 184 ff., wo der Dogmatik empfohlen wird, sich mit "einer wertfreien Analyse des deskriptiven Sachverhalts" zu begnügen, anstalt "die vom Gesetzgeber durch die Verwendung deskriptiver Begriffe geschaffene Insel der Gewißheit in das diffuse Meer der vom Gesetzgeber nicht mehr ausdrücklich formulierten ... abstrakten Wertgrundsätze zurückzustoßen". 110 So aber Schilnemann, Die Funktion des Schuldprinzuips, S. 163 ff. 111 Besonders plastisch der Schlager "Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt ... "; vgI. aber auch die Wendungen "die Sonne ist aufgegangen", "die Sonne scheint auf die Erde herab", "die Sonne geht im Westen unter", "die Sterne betreten ihre Himmelsbahn".

1II. Zur Unentbehrlichkeit von ,,schuld" als Strafbarkeitsvoraussetzung

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epistemologischen Fortschritts bedeutete, derartiges Gedankengut allein aufgrund seiner sprachlichen Realität unreflektiert auch wissenschaftlich zu perpetuieren. Dies gilt auch für eine praktische Wissenschaft wie die Jurisprudenz, die mithin ernsthafte Zweifel an der Willensfreiheit nicht vernachlässigen darf. Nicht zu überzeugen vermag demgegenüber der Einwand Schü nemanns, das (in der Theorie beobachtbare) Wissensdefizit über das Bestehen von Willensfreiheit stehe deren Anerkennung in der Strafrechtspraxis ebensowenig entgegen, wie das (in der Theorie beobachtbare) WissensdefIZit über das Wesen des "Dings an sich" den praktischen Betrieb einer Kläranlage erübrige l12 • Der Betreiber einer Kläranlage braucht sich, um deren Nützlichkeit zu begründen, nicht auf irgendwelche Aussagen zum Kantsehen 113 "Ding an sich" zu stützen, sondern kann statt dessen auf ihre Tauglichkeit zur Befriedigung eines unabhängig vom Ding an sich bestehenden Bedarfs verweisen - ebenso sollte auch das Strafrecht seine Legitimation nicht von irgendwelchen Aussagen zur Willensfreiheit abhängig machen, sondern auf seine Taug lichkeit zur Beförderung des Rechtsgüterschutzes gründen. Das Abstellen auf eine so unsichere Existenz wie die des "Dings an sich" bzw. der Willensfreiheit kann allenfalls daran hindern, der jeweils gestellten Aufgabe (AbwasserklärungIRechtsgütersicherung) gerecht werden zu können. Das von Schünemann angeführte pragmatische Argument spricht also gerade dagegen, die Willensfreiheit (und damit letztlich auch das Schuldprinzip) zu einem Eckpfeiler des Strafrechtssystems aufzuwerten: Die Unentscheidbarkeit des Streits zwischen Determinismus und Indeterminismus läßt es sinnvoll erscheinen, weder der einen noch der anderen Lehre systemtragende Funktionen zu überantworten, d. h. aber zugleich, auf eine Axiomatisierung des (willensfreiheitsabhängigen) Schuldprinzips zu verzichten.

3. Der Begriff der "Schuld" Der vom alethischen Strafrechtskonzept vorgezeichnete Rahmen bedarf somit keiner Korrektur: Die Kategorie "Schuld" erweist sich (wie das Element der "Pflicht") als verzichtbar, an ihre Stelle treten kriminalpolitische Erfordernisse. Wenn insbesondere 114 Jakobs demgegenüber wenigstens am Begriff der "Schuld" festhalten und diesem Begriff lediglich eine präventionsorientierte

112 SchUnemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 166. 113 VgJ. Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 13 f., 16. 114 VgJ. aber etwa auch ExIIer, Das Wesen der Fahrlässigkeit, S. 8; Eh. Schmidl, SchwZStr 45, S. 204 f.; Noll, H.-Meyer-Festschrift, S. 223, S. 225; Hassemer, Einführung in das Strafrecht, S. 19: "Das Schuldurteil bringt nicht mehr zum Ausdruck, daß der Täter sich vergaugen hat, sondern vor al1em, daß man etwa Sinvol1es mit ihm anfangen kann im Strafvol1zug".

Kapitel D: Unrecht und Schuld

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Bedeutung unterschieben will ("Schuld wird durch Generalprnvention ... begrundet und nach dieser Prävention bemessen ... Schuld als Derivat der Generalprävention ... " 115), so ist (wie hinsichtlich der "Pflicht") auf die dadurch provozierte Gefahr einer Verwischung und Verwirrung der Fronten hinzuweisen. Im Interesse terminologischer Deutlichkeit sollte sachlichen Differenzen daher auch auf linguistischer Ebene ihre Widerspiegelung nicht verweigert werden, denn gerade im Ausmaß des von ihr eröffneten Differenzierungspotentials (= der Möglichkeiten, sachlichen Differen zen zu sprachlichem Ausdruck zu verhelfen) bewährt sich "Sprache" als funktionstüchtig. Statt der "Schuld" soll deshalb künftig die "Strafzweckmäßigkeit" ihren Platz im (alethischen) Strafrechtssystem finden.

4. Zusammenfassung des Kapitels Die innerhalb dieses Kapitels vorgenommene weitere Ausformung des alethischen Strafrechtskonzepts läßt sich damit folgendermaßen zusammenfassen: Da die Setzung einer Norm nicht mehr (wie bei Armin Kaufmann) bestimmte Verhaltensformen (v) zur Pflicht macht, sondern sie mit Strafbarkeit bedroht, kann auch "Unrecht" fortan nicht mehr als Verstoß gegen eine Rechtspflicht, sondern als von Rechts wegen strafbares Verhalten verstanden werden. "Strafbarkeit" bezeichnet dabei den (durch v ausgelösten) Anreiz dazu, einen Bestrafungsakt mit bestimmten Eigenschaften zu realisieren. Zu diesen Eigenschaften gehören im Rahmen einer dem Rechtsgüterschutz dienenden Norm einerseits eine bestimmte ProportionaliUJt (StrajhtJhe), andererseits eine bestimmte EjfektiviUtt (Straftweckmttßigkeit) des betreffenden Bestrafungsakts. Sub specie StrajhlJhe darf sich Strafbarkeit nur auf Bestrafungsakte beziehen, deren Nachteilhaftigkeit sich zu dem persönlichen Vorteil, den der Täter durch v erzielt, genauso verhält, wie die gesamtgesellschaftliche Nachteilhaftigkeit von v zu dessen gesamtgesellschaftlicher Vorteilhaftigkeit steht; die täterbezogene Kosten-/Nutzen-Bilanz darf also ungünstigsten falls die entsprechende gesellschaftliche Rechnungspostensaldierung maßstabsgetreu abbilden. Sub specie Straftweckmttßigkeit darf sich Strafbarkeit nur auf Bestrafungsakte beziehen, deren Ausführung notwendig erscheint, um für die Zukunft den Übelscharakter von Strafbarkeit in den Augen der Normadressaten zu unterstreichen. Soweit kein kriminalpolitisches Bedürfnis dafür erkennbar ist, das Nachteilige des Zustands "Strafbarkeit" demonstrativ herauszuheben oder jedenfalls zu stabilisieren, entfällt also die Strafzweckmäßigkeit eines Bestrafungsakts, so daß Strafbarkeit sich auf solche Bestrafungsakte nicht beziehen darf. Nur Normen, die weder zu uberproportional bemessener noch zu kriminalpolitisch ineffektiver Bestrafung anreizen, dienen dem Rechtsgüterschutz und können inso115

JaJcobs, Schuld und Prävention, S. 9, 33.

III. Zur Unentbehrlichkeit von •.schuld" als Strafbarkeitsvorausselzung

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fern galtig sein; nur Verhaltensweisen, die in galtigen Normen strafbedroht werden, sind von Rechts wegen strafbar und verwirklichen insofern Unrecht. Ob darüber hinaus auch praktisch die Möglichkeit besteht, dem normierten Bestrafungsanreiz durch Vornahme eines entsprechenden Bestrafungsakts nachzukommen, betrifft hingegen nicht mehr die Strafbarkeit, sondern nur noch die Bestrafung. Täter, in bezug auf die kein Bestrafungsakt strafzweck mäßig erscheint, machen sich also zwar einer gültigen Norm zufolge strafbar (da sich ein Anreiz zu strafzweckmäßiger Bestrafung auf ihr Verhalten bezieht), ohne daß sich diese Strafbarkeit aber in Bestrafung ummünzen ließe (da eine strafzweckmäßige Bestrafungsmöglichkeit in bezug auf sie nicht ersichtlich ist). Bestrafung stellt sich vielmehr nur dann als dasjenige Verhalten dar, zu dem Strafbarkeit veranlassen will, wenn sie sowohl innerhalb des normierten Strafrahmens liegt als auch strafzweckmäßig erscheint. Dazu ist jedoch ebensowenig Schuld (i. S. Armin Kaufmanns) erforderlich, wie "Unrecht" eine Pflichtverletzung voraussetzt.

10 Hoyer

KapitelE Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

J. Die Unterscheidung zwischen Tatbestandsund reinen Rechtspßichtmerkmalen

1. Die Auffassung Armin Kaufmanns Für Armin Kaufmann definiert "Unrecht" sich als der Inbegriff für "pflichtwidriges Verhalten"l, während "Rechts widrigkeit" die Eigenschaft eines Verhaltens bezeichne, pflichtwidrig zu erscheinen2 • Ein Verhalten sei pflichtbzw. rechtswidrig (bilde also "Unrecht"), wem es (1)

(2)

sich als normwidriger Umgang mit der Fähigkeit zum normierten Verhalten (Handlungsfähigkeit) darstelle3 , obwohl der Verhaltensurheber die geforderten Tätermerkmale aufweise 4 und auch keinen Erlaubnissatz zu seinen Gunsten anführen k~.

Wenn die unter (1) zusammengefaßten Umstände insgesamt vorlägen, so lasse sich von "Tatbestandsmäßigkeit" sprechen 6 , d. h. es liege ein normwidriger (Nicht-)Einsatz vorhandener Handlungsfähigkeit vor. Aber erst aus dem Erfülltsein auch der unter (2) hinzugefügten "reinen Rechtspflichtmerkmale" resultiere letztlich die Rechtswidrigkeit des (zuvor nur normwidrigen) Verhaltens, entstehe mithin "Unrecht"7. Die negative Bewertung eines Verhal tens als "rechtswidrig" stützt sich für Armin Kaufmann so wiederum auf eine zweistufige Begründung: einerseits auf die Normwidrigkeit dieses Verhaltens, anderer1 Anrrin Kaufmann, Nonnentheorie, S. 145. 2 Den., a.a.O., S. 147, 184. 3 Den., a.a.O., S. 132, 140, 158 C., 180; den., Unterlassungsdelilde, S. 7 C, 13. 4 Den., Normentheorie, S. 134, 143, 148, 154. 5 Ders., a.a.O., S. 158, 248, 250, 256; den., Rechupflichtbegründung und Tatbestandseinschränkung, S. 278. 6 Den., Nonnentbeme, S. 158 C.; den., Unterlassungsdelilde, S. 13 C., 35. 7 Den., N S,

oder nur als notwendiges Element innerhalb eines größeren Umständekomplexes (30 b, c, v) auftritt, der insgesamt als hinreichende Bedingung für S fungiert, 30 b, c, V -> S. Nach Armin Kaufmanns Auffassung sollen zur Bejahung von "Pflichtwidrigkeit" (= Strafbarkeit) noch weitere Voraussetzungen (die "reinen Rechtspflichbnerlanale") neben der Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens vonnöten sein l2 • Wenn man dieser Auffassung folgt, dann müßte der korrekt formulierte Bedingungszuswrnmnenhang a, b, c, V -> S lauten, während v allein noch nicht S auszulösen in der Lage wäre.

8 Ders., Nonnentheorie, S. 158; den., Unterlassungsdelikte, S. 11, 15; tiers., Tatbestandseinschränkung und Rechtfertigung, S. 52. 9 Ders., Tatbestandseinschränkung und Rechtfertigung, S. 47; tiers., Die Funktion des Handlungsbegriffs, S. 28. 10 Vgl. Kapitel C. 11. 2. 11 Vgl. Kapitel D. III. 2. a) bb). 12 Annin Kaufmann, NlXIIlCntheorie, S. 154, 158 f.; den., Unterlassungsdelikte, S. 11 ff. 10'

124

Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

Nun ist die Strafrechtsnonn auch tatsächlich nicht dazu gezwungen, sämtliche v-Realisierungen - gleich unter welchen Begleitumständen vollzogen - ausnahmslos mit S zu bedrohen; sie muß v allein noch nicht zur hinreichenden Bedingung für "Strafbarkeit" erheben, kann vielmehr die Auslösung dieser Konsequenz einem qualifizierten Umstände komplex (a, b, c) neben v vorbehalten, so daß S erst ein tritt, wenn auch dieser Umständekomplex einmal vollständig vorliegt Aber auch im Rahmen einer solchen Nonnfonnulierung findet sich die kaufmannsche Differenzierung zwischen Tatbestandsmerkmalen und sonstigen Pflichtverletzungsvoraussetzungen ("reinen Pflichtmerkmalen"13) noch nicht wieder. Denn unabhängig davon, welche materiellen Substrate für a, b, c jeweils eingesetzt werden, sie bezeichnen stets nur mit v gleichrangige, wie v in die Nonn integrierte "Pflichtverletzungs-"(Strafbarkeits-)Voraussetzungen. Eine Dichotomie zwischen nonnwidrigkeitserheblichen Fakten (Tatbestandselementen) und nonnextern bleibenden 14 (und deshalb "reinen"), pflichtwidrigkeitsbegründenden Fakten läßt sich auf dieser Basis nicht durchführen, sämtliche Fakten fungieren vielmehr unterschiedslos als nonnintern berücksichtig te (d. h. "unreine") Stratbarkeitsvoraussetzungen. Dies läßt sich schon erweisen, indem eine spezielle Variable v' zwecks Bezeichnung des Sachverhalts "Verwirklichung von v unter den Umständen a, b, c" eingeführt wird: Die Nonn regrediert dadurch auf ihre knappste Form, v'->S, ihr Tatbestand (v') wirft sich im Gegenzuge zur einzigen Strafbarkeitsvoraussetzung auf: ("Reine") Strafbarkeitsvoraussetzungen außerlullb der Nonn lassen sich also nicht dadurch installieren, daß v innerlullb der Nonn auf die Rolle einer (nur) notwendigen (statt hinreichenden) Strafbarkeitsvoraussetzung beschränkt wird.

Vielmehr könnten etwaige reine Strafbarkeitsvoraussetzungen ihren Platz allenfalls außerhalb der Nonn finden - als Voraussetzungen dafür, daß die mit (v -> S) formulierte Norm zum System "Recht" gehört. Mit anderen Worten: 15(v -> S) "gilt" nur unter der Voraussetzung, daß die reinen Stratbarkeitsbedingungen (a, b, c) sich eingefunden haben. Für sämtliche "reinen" Stratbarkeitsvoraussetzungen (r) ließe sich damit feststellen: Wenn r vorliegt. dann gilt (g) die Nonn, daß die Realisierung von v zu S führt. 13 Ders., kuog, S. 277.

Normentheorie, S. 158; ders., Rechtspflichlbegriindung und Tatbestandseinschrän-

14 Ders., Unterlassungsdelikte, S. 11. 15 Vgl. Kapitel C. III. 4.

I. Tatbestands- und reine Rechtspflichtmerkmale

125

r -> (V -> S)g.

Demgegenüber wäre bei "unreinen" Strafbarkeitsvoraussetzungen (u) zu konstatieren: Es gilt die Norm, daß - wenn u vorliegt - die Realisierung von v zu S führt. (u, V -> S)B. Der Formulierungsunterschied zwischen den beiden Varianten 16 erscheint einigermaßen gering, seine materielle Tragweite ist dies jedoch möglicherweise nicht. Im Rahmen der zweiten Formulierung tritt u nämlich einfach als zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung gleichstufig neben v innerhalb der Norm auf; innerhalb der ersten Formulierung aber bewegt sich r gegenüber v auf einer höheren Stufe: Der Normsetzungsakt unterwirft hier (nur) v einer Regelung (durch Aufstellung der Folgebeziehung v -> S), r dagegen befindet sich mit dem Normsetzungsakt auf derselben (Meta-)Ebene, indem es (wie der Normsetzungsakt, aber anders als v) die Geltung der genannten Folgebeziehung selbst mitherbeiführt. sich also von außen her mit der Norm befaßt. Reine Strafbarkeitsbedingungen treten mithin anders als Tatbestandsmerkmale nicht normimmanent in Erscheinung -sie fungieren statt dessen als normextem angesiedelte Geltungsvoraussetzungen des betreffenden Bedeutungsinbalts. Die von Armin Kaufmann empfohlene Distinktion zwischen Tatbestandsund "reinen Pflichtmerkmalen" bei der Unrechtsbegründung 17 ließe sich somit alethisch durchaus reproduzieren - wobei dann jedoch infolge des modifizierten Unrechtsbegriffs (wie aufgezeigt18) etwaige "Normgeltungsvoraussetzungen" an die Stelle der "reinen Pflichtmerkmale" träten.

3. NormgUltigkeitsvoraussetzungen und reine Pjlichtmerkmale Die Existenz tatbestands vorgelagerter Gültigkeitsvoraussetzungen einer Norm anerkennt allerdings auch Armin Kaufmann im Rahmen seiner Straf-

16 Die Unterscheidung der beiden Regelungsmuster findet sich auch bei v. Wright, Norm und Handlung, S. 168 f.; den., An &say in Deontic Logic, S. 77 f.; den., Mind 65 (1956), S. 507 ff.; StegmIJller, Hauptströmungen der Gegen wartsphilosophie, 11, S. 159, 163 f.; Lenk, Zur logischen Symbolisierung bedingter Normsätze, S. 113 ff., differenziert tenninologisch zwischen material und deontisch bedingten Normsätzen; v. Kutschera, Einführung in die Logik der Normen, Werte und Entscheidungen, S. 24 ff.; den., Normative Präferenzen und bedingte Gebote, S. 153; Weinberger, Studien zur Normenlogik, S. 166,257; Hintiklra, Quantifiers in Deontic Logic, S. 15 ff.; den. , Some main Problems of Deontic Logic, S. 77 ff. 17 Annin Kaufmann, Normentheorie, S. 158 f.; den., Rechtspflichtbegriindung und Tatbestandseinschränkung, S. 278.

18 Vgl. Kap. E. I 2.

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

rechtsdogmatikl9. Er versteht darunter die Gesamtheit der Umstände, die darüber entscheidet, ob eine Norm zu den Bestandteilen des Rechts gerechnet werden kann20 • Die Intention des Begriffs "Gültigkeitsvoraussetzung" bei Armin Kaufmann deckt sich also durchaus mit der hier gekennzeichneten; im Rahmen der Begriffsextention zeigen sich jedoch signifIkante Unterschiede. Während Armin Kaufmann die "reinen Pflichtmerkmale" neben (Tatbestand und) Normgültigkeitsvoraussetzungen plaziert21 , stellt sich für das alethische Strafrechtskonzept lediglich die Frage, ob ein konkretes unrechtsbe gründendes Merkmal nun den Tatbestands- oder den Normgültigkeitsvoraussetzungen unterftUlt, eine dritte Möglichkeit verbleibt insoweit nicht. Der dargestellte Unterschied ergibt sich aus der andersartigen Rolle, die die Norm bei Armin Kaufmann gegenüber dem alethischen Strafrechtskonzept spielt Nach alethischem Verständnis beinhaltet die Norm unmittei bar, daß mit der Verwirklichung bestimmter Umstände (der Tatbestandsmerkmale) die Konsequenz "Strafbarkeit" verknüpft ist; gültig ist eine solche Norm, wenn die normierte Verknüpfung zum Recht gehört, d. h. wenn die Gültigkeitsvoraussetzungen vorliegen. "Gültigkeitsvoraussetzung" einer Norm ist demnach jedes Element, das der Bedeutung "auf Tatbestandsverwirldichung fOlgt Strafbarkeit" zur Rechtszugehörigkeit verhilft. Damit kann der Eintritt von "Strafbarkeit" rechtlich aber gar nicht mehr von anderen Kautelen als denen abhängen, daß erstens der normierte Tatbestand erfüllt und zweitens die Norm gül tig ist. Alle nicht im Tatbestand aufgeführten, zusätzlichen Voraussetzungen dafür, daß der Eintritt von Strafbarkeit rechtens erscheint, geraten nämlich unweigerlich zu Gültig keitsvoraussetzungen der Norm. Für Armin Kaufmann beinhaltet die Norm dagegen zunächst nur ein "generelles Sollen", das sich erst bei Vorliegen zusätzlicher Momente (der "reinen Pflichtmerlcmale") zur konkreten "Pflicht" zuspitzt22 • Die Gültigkeitsvoraussetzungen der Norm entscheiden deshalb für Armin Kaufmann auch nur darüber, ob jenes "generelle Sollen" rechtens wird und lassen damit noch Raum für weitere Pflichtvoraussetzungen. Indem aber anstelle der Kaufmannschen Dichotomie von Pflichtmäßigkeit und -widrigkeit diejenige von Strafbarkeit und -losigkeit gesetzt wird, entfällt auch die Unterscheidung zwischen "generellem Sollen" und "konkreter Pflicht". Die Norm zielt nicht auf Pflichtbegründung ab und beinhaltet demnach auch kein "Sollen" (weder ein generelles noch ein konkretes), sie verknüpft vielmehr lediglich das Vorliegen eines bestimm-

19 Annin Kaufmann, Rechtspflichtbegriindung und Tatbestandseinschränlrung, S. 187 ff. 20 Ders., a.a.O., S. 278. 21 Ders.• a.a.0., S. 287. 22 Ders., a.a.O., S. 278; ders., Nonnentheorie, S. 128 ff.; ders, Unterlassungsdelikte, S. 7 ff.; ähnlich Zie1inski. Handlungs- und Erfolgsunrecht, S. 235 ff.

ß. Rechtfertigungsgriinde als negative Geltungsvoraussetzungen der Norm

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ten Verhaltens mit der rechtlichen Konsequenz "Strafbarkeit". Ob der Eintritt von "Strafbarkeit" rechtmäßig ist. hängt zujedem Zeitpunkt allein von der vollständigen Verwirklichung sämtlicher rechtlich vorgesehenen Strafbarkeitsvoraussetzungen ab, von einer Zuspitzung "genereller Strafbarkeit" zu "konkreter Sttafbarkeit" zur sprechen, macht daher keinen Sinn. Dementsprechend entfällt aber im Rahmen eines alethischen Strafrechtskonzepts auch der Sinn einer Unterscheidung zwischen norm- und pflichtwidrigkeitsbegründenden Umständen: Rechtlich zu begründen bleibt allein noch die Strafbarkeit - und diese Aufgabe nimmt bereits die (gültige) Norm wahr. Strafbarkeit ist demnach (schon) dann rechtens, wenn einerseits die normierten (vertatbestandlichten) Strafbarkeitsvoraussetzungen erfüllt sind und andererseits die Norm gültig ist (die Gültigkeitsvoraussetzungen vorliegen); für eine dritte Kategorie rechtsnotwendiger Sttafbarkeitsvoraussetzungen (wie etwa die "reinen Pflichtmerkmale") findet sich daneben kein Raum mehr. Ob allerdings die von Armin Kaufmann sogenannten "reinen Pflichtmerkmale" ihrem Inhalt nach nun in den Tatbestand eingehen oder zu den Gültigkeitsbedingungen der Norm gehören, ist damit noch offen. Armin Kaufmann hat konkret das Nichteingreifen besonderer Erlaubnissätze und das Vorliegen besonderer Täterqualitäten innerhalb des Deliktsaufbaus unter den Begriff der "reinen Pflichtmerkmale" zusammengefaßt23 und dadurch von den Tatbestandsmerkmalen abgesondert. Ob die von Kaufmann für diese Absonderung angeführten Argumente zu überzeugen vermögen, muß nunmehr im einzelnen untersucht werden - ohne aber insoweit aus dem Blickfeld zu verlieren, daß im Rahmen alethischer Systematisierung als Alternative zur Tatbestandszugehörigkeit eines Merkmals nur dessen Rubrizierung als Normgültigkeitsbedingung, nicht als "reines Pflichtmerkmal", in Betracht gezogen werden kann.

ß. Rechtfertigungsgründe als negative Geltungsvoraussetzungen der Norm 1. Die Auffassung Armin Kaufmimns Wenn das Vorliegen eines bestimmten Umstands u (oder einer bestimmten Gesamtheit von Umständen) dazu führt, daß die Realisierung eines sonst (= falls u fehlte) von Rechts wegen strafbaren Verhaltens v in diesem konkreten Zusammenhang straflos bleiben soll, dann kann diese Wirkung von u in zweierlei (unterschiedlicher) Weise erklärt werden: einerseits dadurch, daß u als ein 23 Armin XtJlIfmonn, Normentheorie, S. 158; den., Rechtspflichtbegriindung und Tatbestandseinschränkung, S. 278.

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

sogenanntes negatives Tatbestandsmerkmal aufgefaßt wird (= ein Merkmal, dessen Erfülltsein die Tatbestandsmäßigkeit ausschließt), andererseits dadurch, daß u als eine sogenannte negative Normgeltungsvoraussetzung begriffen wird (= eine Voraussetzung, deren Erfülltsein die Geltung der Norm aufhebt). Welche der beiden Interpretationen zutrifft, entscheidet sich Armin Kaufmann zufolge 24 danach, ob v als Reaktion auf u stets und unbedingt oder nur dann straflos bleiben soll, wenn es die erforderliche (Anti-)Reaktion auf u darstellt. Im erstgenannten Fall handele es sich bei u um ein (negati ves) Tatbestandsmerkmal, im zweitgenannten Fall dagegen um ein "reines Pflichtmerkmal" (nach hiesigem Verständnis: um eine Normgeltungsbedingung), das Gegenstand eines Erlaubnissatzes bzw. Rechtfertigungsgrundes25 sei. Die Scheidung von Tatbestands- und Rechtfertigungselementen vollziehe sich also über das Erforderlichkeitsprinzip 26. Soweit das Vorliegen von u die Implikation v -> S in jedem Falle durchbrechen solle, lasse sich dieser Regelungswunsch ohne Schwierigkeiten innerhalb des Tatbestands verwirklichen: statt v müsse dort lediglich die Variable v' eingesetzt werden, wobei v' stellvertretend für "die Realisierung von v trotz Fehlens von u" stehe27 ; die (gültige) Norm laute dann schlicht: v' -> S, der Einführung normexterner Geltungsbedingungen bedürfe es dabei nicht. Falls das Vorliegen von u die Implikation v -> S dagegen nur durchbrechen solle, soweit v als Antireaktion auf u auch erforderlich sei, entfalle die Möglichkeit eine adäquaten norminternen Regelung: Die Straflosstellung von v erfolge hier nur unter der Bedingung, daß v als normativ vergleichsweise am geringsten mit Strafe bedrohte Gegenreaktion auf u erscheine; ein solcher Vergleich lasse sich aber nur auf der Grundlage bereits normiener Strafbedro hungen überhaupt anstellen 28 , v -> S müsse deshalb (um zu Vergleichen mit anderen Normen herangezogen werden zu können) gegen über u präexistent sein, so daß u nur als Rechtfertigungselement in Betracht komme. Wenn ein bestimmter Umstand straflosigkeitsauslösende Relevanz bezogen auf v nur in den durch das Erforderlichkeitsprinzip gezogenen Grenzen besitze,

24 Ders., Normentheorie, S. 254 f., 286; ders., Tatbestandseinschränkung und Rechtfertigung, S. 54; ders., Rechtspflichtbegründung und Tatbestandseinschränkung, S. 281. 25 Ders., Normentheorie, S. 249 ff., 256. 26 Ders., a.a.O., S. 254 f., 286; ders., Tatbestandseinschränkung und Rechtfertigung, S. 54; ders., Rechtspflichtbegründung und Tatbestandseinschränkung, S. 281. 27 Armin Kaufmann, Rechtspflichtbegründung und Tatbestandseinschränkung, S. 280 ff., spricht insoweit von "gegenläufigen Handlungsumschreibungen" bzw. von einer negativen Umschreibung der Normmaterie, Normentheorie, S. 252. 28 Ders., Normentheorie, S. 254 f., 286; ders., Tatbestandseinschränkung und Rechtfertigung, S.55.

11. Rechtfertigungsgriinde als negative Geltungsvoraussetzungen der Nonn

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so ktJnne es sich dabei normlogisch also nicht bloß um ein Tatbestandsmerlcmal (auch kein negativ formuliertes) handeln; die Unterscheidung zwischen Tatbestands- und ReChtsfertigungsmomenten gründe sich demnach in deren unterschiedlicher Qualität und nicht allein in unterschiedlichen Formulierungsmodi (positivlnegativ)29.

2. Rechtjertigungsgrunde als negative Tatbestandsmerkmale ? An diesen Ausführungen überzeugt aus dogmatischer Sicht zunächst einmal,

daß ein etwaiges Abheben besonderer Rechtfertigungselemente gegenüber dem

Tatbestand sich jedenfalls nicht mit deren andersartiger (negativer) sprachlicher Abfassung legitimieren läßt. Daß sich strafbarkeitserhebliche Merkmale einerseits positiv, andererseits negativ formulieren und entsprechend (ihrer Formulierung nach) voneinander abgrenzen lassen, ist zwar (ebenso banal wie) unbestreitbar. Mit dem Erweis der Maglichkeit einer derartigen Abgrenzung ist aber noch nicht gesagt, daß von dieser Abgrenzungsmöglichkeit innerhalb eines dogmatischen Systems auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden mUßte. Innerhalb einer rechtsdogmatischen Untersuchung stellt sich die Aufgabe, ausgehend von den gegebenen axiomatischen Voraussetzungen bestimmte Folgerungen als unausweichlich zu erweisen 30. Auch die Dogmatisierung denkbarer Distinktionen rechnet mit zu diesen Folgerungen und kann ihre Berechtigung daher noch nicht aus der bloßen Möglichkeit, sondern erst aus der Zwangslliujigkeit ihrer Vornahme beziehen. Logisch mögliche Differenzierungen dürfen normlogisch ihren Niederschlag nur dort finden, wo sie sich als axiologisch notwendig ausweisen lassen. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen positiv und negativ formulierten Strafbarkeitsvoraussetzungen muß die Suche nach einem solchen Ausweis aber ihrer Natur nach schon deswegen scheitern, weil sie lediglich auf dem Kriterium der sprachlichen Form und damit auf einer Zufälligkeit 31 autbaut. Die Teilmenge der stratbariceitsrelevanten Umstände (TMI) läßt sich nämlich von der Teilmenge der strafbarkeitsneutralen Umstände (TMV innerhalb der Gesamt menge aller denkbaren Umstände (GM) stets wahlweise entweder durch positive sprachliche Charakterisierung - indem ein entsprechend eng (auf TM 1) umgrenzter Begriff verwendet wird - oder durch negative sprachliche Attribu ierung -indem ihre Nichtzugehörigkeit zur Teilmenge der strafbarkeitsneutralen innerhalb der Gesamtmenge aller Umstände (GM - TM 2) erfaßt wird - separieren. Positives und negatives "Ausmeißeln" der Stratbarkeitsmaterie stellen sich als logisch gleichwertige, untereinander beliebig austauschbare Verfahrensweisen zwecks Erzielung desselben Ergebnisses dar, weisen also nicht auf materi29 Ders., Tatbestandseinschränkung und Rechtfertigung, S. 50. 30 V g1. Kapitel A 11. 3. 31 Armin Kaufmann, Tatbestandseinschränkung und Rechtfertigung, S. 50.

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

eil erhebliche Diskrepanzen zwischen den letztlich bezeichneten Substraten hin -schon gar nicht auf Diskrepanzen, denen unter dem Gesichtspunkt des (axiomatisch vorgegebenen) Strafrechts zwecks, Rechtsgüterschutz mittels Verhaltensbeeinflussung zu betreiben, irgendeine Bedeutsamkeit zukäme. Wenn die Strafbarkeitsvoraussetzungen innerhalb eines Strafgesetzes zum Teil positiv, zum Teil negativ herausprnpariert werden, dann kann diese unterschiedliche formale Kennzeichnung zwar theoretisch dazu dienen, einer (parallel dazu verlaufenden) materialen Andersartigkeit dieser Umstände Ausdruck zu verleihen. Auch in diesem Fall müßten sich dogmatische Überlegungen aber damit befassen, diese material begründete Andersartigkeit herauszuarbeiten und offenzulegen - wozu es wiederum des Rekurses auf die axiomatische Ausgangsbasis bedürfte. Die Eröffnung tatbestandsextemer Sonderkategorien (wie etwa die der "Rechtfertigungsgründe") läßt sich somit stets nur durch den Nachweis legitimieren, daß es ihrer im Hinblick auf die konkret abgesonderten Elemente auch bedarf, daß also diese Elemente (aus axiomatisch abgesicherten Granden) nicht sinnvoll in den Tatbestand integriert werden können. Soweit dieser Nachweis nicht gelingt, gibt es dogmatisch keinen Anlaß dazu, eine Rubrik mit dem Titel "Rechtfertigungsgründe" überhaupt aufzumachen.

3. Die MtJglichkeit einer tatbestandsinternen VerhliltnismlJj3igkeitsprUfung Aus diesem Grunde scheidet nicht nur eine Differenzierung von Tatbestands- und Rechtfertigungsmerkmalen anband des Kriteriums der positiven/negativen sprachlichen Abfassung des betreffenden Merlcmals aus, sondern - wie Armin Kaufmann ausdrücklich hervorhebt32 - ebenso eine nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorgehende Differenzierung. Sicher ist es logisch miJglich, zunächst darauf abzustellen, ob von einem Verhalten v rechtsgutsspezifisch negative Effekte ausgehen und erst anschließend danach zu fragen, ob diese negativen Effekte durch demgegenüberstehen de positive Auswirkungen von v (über-)kompensiert werden. Es ist aber nicht normlogisch zwingend, daß diese zweistufig abschichtende Betrachtungsweise in einer entsprechenden Zweistufigkeit der Deliktskategorien (Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit) ihren Niederschlag finden muß. Wenn das Strafrecht in bezug auf ein Verhalten v, soweit es unter bestimmten Umständen realisiert wird (v' darstellt), der Bewertung Ausdruck verleihen will, daß insoweit die Saldieru~g von negativen und positiven Verhaltensfolgen (jedenfalls) keinen negativen Uberhang mehr übrig läßt, kann es schon auf eine tatbestandliche StrafbarsteIlung von v' verzichten - und muß nicht erst einen zu weit gefaßten Tatbestand (v -> S) schaffen, um diesen dann auf einer späteren Ebene (durch Rechtfertigungsgründe) wieder einzuschränken (v' -> -S). 32 De~., Ncrmentheorie, S. 254; zustimmend 7ieIinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 226.

11. Redltfertigungsgrilnde als negative Geltungsvoraussetzungen der Norm

131

Zweck Optimierung des Rechtsgüterschutzes erscheint es zwar notwendig, rechts gutsbezogen gegenläufige Verllaltens implikationen (gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) gegeneinander abzuwägen; dies kann jedoch schon im Rahmen der VorUberlegungen zur Normsetzung (auf der von Armin Kaufmann so bezeichneten Bewertungsebene33) erfolgen, nötigt also bestenfalls zur SpezifIZierung der Tatbe stands voraussetzungen, nicht zur Einführung einer zusätzlichen Deliktsstufe.

4. Die M(jglichkeit einer tatbestandsinternen ErforderlichkeitsprUfung a) Die Auffassung Armin Kaufmanns Den Bedarf nach einer solchen zusätzlichen Deliktsstufe versucht Armin Kaufmann deshalb auch auf andere Weise darzutun, indem er nämlich mit dem Erforderlichkeitsprinzip argumentiert34• Sich mit dieser Argumentation aus einanderzusetzen, bedeutet die Fragen zu beantworten, 1.) was das Erforderlichkeitsprinzip (im Rahmen des Strafrechts) inhaltlich meint. 2.) welchem (axiomatisch ableitbaren) Strafrechtszweck seine Berücksichtigung dient und 3.) auf welche Weise diese Berücksichtigung (strafrechtssystematisch) ggf. erfolgen kann. Zu 1.) Zur Wahrung eines bedrohten Interesses erforderlich ist stets nur die Handlung, die den von ihr ausgehenden "Ertrag" an Interessenwahnmg mit dem geringstmöglicben "Aufwand" an Interessenaufopferung bewerkstelligt. Das zu wahrende bzw. geopferte Interesse kann dabei im Strafrecht - als einer Institution im Dienste des Rechtsgüterschutzes - nur ein solches am Schutze von Rechtsgütern sein, so daß das Erforderlichkeitsprinzip im Strafrecht bedeutet (fordert), einen bestimmten Ertrag an Rechtsgüterschutz möglichst "ökonomisch" zu erzielen.

33 Annin Kaufmann, a.a.o., s. 69 ff., 74 C.; den., Unterlassungsdelikte, S. 19; den., Hans Welzel zum Gedenken, S. 287. 34 Den., Normentheorie, S. 254 C., 286; den., Tatbe~eiDSchränlrung und Rechtfertigung, S. 54 C.; ders., Rechtspflichtbegründung und Tatbestandseinschränkung, S. 281; insoweit zustimmend Jalwbs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 133; Hirsch, Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, S. 253, 277, 323; Zielinski, Handlungs-und &folgsunwert, S. 225; Horn, SK, § 226 a Rn. 2.

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

Zu 2.)

Indem das Sttafrecht nur die (zum Schutz von Rechtsgütern) erforderliche Interessenverletzung straflos stellt, versucht es demnach, jeglichen Ertrag an Interessenwahrung mit geringstmöglichem Aufwand (an Rechtsgutsbeeinträchtigung) ansteuern zu lassen. Die Berücksichtigung des Erforderlichkeitsprinzips im Stqürecht dient also dazu, unnötige Rechtsgutsverletzungen zu vermeiden und entspricht so dem (axiomatisch vorgegebenen 35) Strafrechtszweck, Rechtsgüterschutz zu betreiben.

Zu 3.) Fraglich bleibt damit nur, ob die Straflosstellung allein der erforderlichen Interessenwahrungshandlung (= die Berücksichtigung des Erforderlichkeitsprinzips) sich - wie Armin Kaufmann meint 36 - tatsächlich erst auf einer zweiten dem Tatbestand nachgeschalteten Regelungsebene verwirklichen läßt. Armin Kaufmann begründet seine Auffassung wie folge Wenn das Strafrecht Rechtsgutsbeschädigungen dadurch zu minimalisieren suche, daß es Interessenwahrungen nur mit geringstmöglichem Aufwand (an RechtsgutsschädJichkeit) gestatte, dann müsse es auch die Maßstäbe mitliefern, anband derer sich der mit den verschiedenen möglichen Interessenwahrungshandlungen verbundene Aufwand miteinander vergleichen lasse. Derartige Vergleichsmaßstäbe fixiere aber erst der Straftatbestand (v -> S), indem das von ihm auf v ausgesetzte "Ob" und "Wieviel" an Strafbarkeit (S) die legislatorische Einschätzung der Rechts guts schädlichkeit von v (des mit v verbundenen Aufwands) widerspiegele 37 • Die Tatbestandsaufstellung gehe der (Möglichkeit zur) Erforderlichkeitsprüfung daher notwendig voran 38. b) Tatbestände als Präferenzrelationen zwischen zwei Verhaltensweisen Dieser Argumentation liegt die Annahme Armin Kaufmanns zugrunde, der Gesetzgeber müsse seiner Bindung an das Erforderlichkeitsprinzip gerade dadurch Rechnung tragen, daß er dessen Inhalt zum Gegenstand eines selbständigen, eigens dafür geschaffenen Rechtssatzes erhebe, beispiels weise in der 35 Vgl. Kap. A 113. 36 Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 254 f., 286; den., Tatbestandseinschränkung und Rechtfertigung, S. 54 f.; ders., Rechtspflichtbegriindung und Tatbestandseinschränkung, S. 281; insoweit zustimmend JaJcobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 133; Hinch, Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, S. 253, 277, 323; Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 225; Horn, SK, § 226 a Rn. 2. n Amrin Kaufmann, Normenthecxie, S. 254; tiers., Tatbestandseinschränkung und Rechtfertigung,S.55. 38 Den. , Normentheorie, S. 286.

11. Rechtfertigungsgründe als negative Geltungsvoraussetzungen der Norm

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Form tlWer einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff auf menschliches Leben mit der mildest verfügbaren (mindestens gleich geeigneten) Verhaltensalternative abwehrt, macht sich nicht strafbar tl39 . Die Anwendbarkeit eines derartigen Rechtssatzes setzte in der Tat voraus,

daß der Gesetzgeber zuvor eine Rangfolge unter den denkbaren Verhaltensal-

ternativen ersichtlich (und verbindlich) gemacht hat, anhand derer sich die tlMilde-tlFrage überhaupt erst beantworten läßt. Aus der Unentbehrlichkeit dieser Rangfolge-Vorgabe40 leitet Armin Kaufmann daher ab, daß es Tatbestände geben müsse, die für verschiedene Verhaltensalternativen verschiedene Sanktionen vorsehen, so daß sich umgekehrt proportional zur Empfindlichkeit der verschiedenen Sanktionen eine tlMilde-tlSkala für die damit jeweils bedrohten Verhaltensalternati ven erstellen läßt

ergibt, daß Vt milder ist als v2. Tatsächlich ist der Gesetzgeber jedoch nicht gezwungen, dem Erforderlichkeitsprinzip gerade in der von Armin Kaufmann favorisierten, expliziten Form Geltung zu verschaffen. Er kann das Erforderlichkeitsprinzip vielmehr auch bereits selbst bei der Tatbestandsabfassung implizit mitberücksichtigen und -verarbeiten, indem er, statt die verschiedenen Verhaltensalternativen gesondert unter Strafe zu stellen, nur das Bevorzugen der einen (von ihm als härter eingestuften) relativ zur anderen (von ihm für milder erachteten) Alternative sanktioniert: tlWenn Du es vorziehst, einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff auf menschliches Leben durch Tötung statt durch (genauso wirksame) körperliche Mißhandlung des Angreifers abzuwehren, wirst du mit S bestrafttl. Der Gesetzgeber stellt hier nicht erst (im Tatbestand) eine verbindliche tlMilde-tlRangfolge auf und befiehlt zustttzlich dann deren Anwendung auf einer zweiten Deliktsstufe (im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung), sondern er legt die tlMilde-tlRangfolge intern (auf der Bewertungsebene41 ) fest und wendet sie bei der Tatbestandsaufstellung (als der ersten und einzigen Deliktsstufe) sogleich selbst an (durch Relationierung der verschiedenen Verhaltensalternati ven). Beide Regelungsmodi berücksichtigen das Erforderlichkeits prinzip letztlich mit gleicher Stringenz. Es gilt für das Erforderlichkeitsprinzip daher insoweit dasselbe wie für das Verhälblismäßigkeitsprinzip: Ebenso wie hinsichtlich der

39Vgl. § 32StGB. 40 Armin Kaufmann. Talbestandseinschränkung und Rechtfertigung. S. 55. 41 Ders.• Ncrmenthecrie. S. (f.) ff.• 74 f.; ders .• Unterlas sungsdelikte. S. 19; Jers .• Hans WeIzeI zum Gedenken. S. 287.

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

Verhälblismäßigkeit (WO Armin Kaufmann dies anerkennt42 ) kann das Strafrecht auch hinsichtlich der Erforderlichkeit die tatsächlichen Bedingungen, unter denen ein Verhalten v dem betreffenden Prinzip genügt, bereits in den Tatbestand mit aufnehmen. Bezüglich der Verhälblismäßigkeit bedeutete das, v nur unter der Voraussetzung (tatbestandlich) strafbar zu stellen, daß von ihm nicht bestimmte (abschließend aufgeführte) Schutzeffekte ausgehen. Im Hinblick auf die Erforderlichkeit müßte die tatbestandliche Strafbedrohung von v zusätzlich noch unter die Kauteie gestellt werden, daß vergleichbare Schutzeffekte sich nicht mit bestimmten anderen (enumerativ benannten) Mitteln (mindestens) ebenso wirksam wie mit v herbeiführen ließen. Die Strafbedrohung knüpft dann sogleich nur an (die Teilmenge derjenigen) Verhaltensformen (aus der Gesamtmenge aller im übrigen tatbestandsmäßigen v's) an, deren Realisierung bestimmte Schutzwirkungen entweder nicht erwarten läßt (womit dem Verhälblismäßigkeitsprinzip Genüge getan wäre) oder zu deren Realisierung jedenfalls bestimmte Verhaltensalternativen mit gleicher Schutzwirkung zur Verfügung stehen (womit auch das Erforderlichkeitsprinzip tatbestandsintegriert wäre). Ein beispielhafter (von einer Norm formulierter) Tatbestand könnte in diesem Sinne etwa lauten: "Wer das Verhalten v vollzieht, ohne daß damit eine Schutzwirkung w einhergeht, oder jedenfalls, obwohl sich wauch durch eine der Verhaltensalternativen a, b oder c herstellen ließe, muß mit Strafbarlceit rechnen". Es läßt sich daher entgegen Armin Kaufmann 43 nicht behaup ten, daß jedes dem Erforderlichkeitsprinzip entsprechende Strafrecht zwangsläufig eine Rechtfertigungs- neben (hinter) der Tatbestandsebene vorsehen muß. Das Strafrecht ist vielmehr weder durch das Erforderiichkeits- noch durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip dazu veranlaßt, zunlJchst (im Rahmen der Tatbestandserrichtung) sämtliche Verhaltensweisen isoliert zu betrachten, um dann anschließend (innerhalb der Rechtfertigungsprüfung) anband der tatbestandlich gesetzten Maßstäbe über die Vorzugswürdigkeit der einen oder anderen Verhaltensal ternative zu entscheiden, sondern kann selbst schon im Rahmen der Tatbe standse"ichtung die verschiedenen Verhaltensalternativen einander gegenüberstellen und (nur) das (nicht durch w begründete) Bevorzugen der einen gegenüber der anderen überllaupt strafbar stellen.

Im Ergebnis läßt sich damit feststellen, daß weder die formal-mögliche Unterscheidung zwischen sprachlich positiv und negativ ausgedrückten Strafbarkeitsvoraussetzungen noch die materiell-notwendige Unterscheidung zwischen positiv und negativ bewerteten Verhaltens/olgen bzw. zwischen positiv (weil schonend wirkenden) und negativ (weil unnötig rigide wirkenden) bewerteten Verteidigungs mitteln eine entsprechende dogmatische Unterscheidung legiti42 Den., Nonnentheorie, S. 254; zustimmend 7ieIinski, Handlungs- und Frl'olgsunwert, S. 226. 43 Annin Kaufmann, a.a.0., S. 255; den., Rechtspflichtbegriindung und Tatbestandseinschränkung, S. 283.

11. Rechtfertigungsgriinde als negative Geltungsvoraussetzungen der Nonn

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miert. In allen drei Fällen kennzeichnen die aufgezeigten Unterschiede lediglich einen logisch mtJglichen Differenzierungsmodus, vennögen nonnlogisch aber nicht zu entsprechender Differenzierung zu ntJtigen. Mag der Gesetz geber bei der Anordnung der Strafbarkeitsvoraussetzungen regelungstechnisch (so komplizierend) verfahren, wie er will, dogmatisch beachtliche Diskrepanzen wird er dadurch nicht schaffen können. Vier Rechtssätze wie die folgenden R I: "Wer einen anderen Menschen tötet, löst SI aus", R2: "Wer einen anderen Menschen körperlich mißhandelt, löst S2 aus", R 3: ''Wer einen rechtswidrigen Angriff abwehrt, macht sich nicht strafbar", R4: "Wenn der Angriff auf die mildest mögliche Weise abgewehrt wird, gehtR3 gegenüberRI undR2 vor"44, lassen sich problemlos zu einem einzigen Rechtssatz komprimieren, nämlich R5: "Wer es vorzieht, einen anderen Menschen zu töten, anstatt ihn körperlich zu mißhandeln, ohne dadurch einen rechtswidrigen Angriff wirksamer abwehren zu können, löst (S I - S2) aus". Der erstgenannte Regelungsmodus läßt Strafbarlceitsbedrohungen und Straflosigkeitsgewährungen miteinander konfligieren und benötigt deshalb (zur Auflösung des gerade erst selbst geschaffenen Regelungskonflikts) die Einführung einer besonderen Vorrangregelung sowie (um das anzuwendende "Milde"Kriterium überhaupt erst handhabbar zu machen) die Abfassung blickvereng ter, jedes Verhalten isoliert in einer eigenen Nonn erfassender Tatbestände; der zweitgenannte Regelungsmodus schneidet dagegen schon die Strafbarkeitsbedrohung "knapper" und venneidet dadurch sowohl jeden Regelungskonflikt (mitsamt darauf reagierender Vorrangregel) als auch das Bedürfnis nach diversen, sämtliche Verhaltensaltemativen zerhackenden (d. h. Zusammenhänge kappenden) Tatbeständen. Die normierten StrafbedrohWlgen brauchen, statt an vereinzelt betrachtete Verhaltensweisen (Körperverletzungen, Tötungen, etc.) anzuknüpfen, sich lediglich auf "Präferenzrelationen" (Körperverletzungen gegenüber Tötungen, etc.) zu beziehen, um das Erforderlichkeitsprinzip vertatbestandlichen zu können. So gesehen betrifft auch der Normsatz R r "Wer einen anderen Menschen tötet, löst SI aus"

44 Den., Norrnentheorie, S. 248 ff., 256; Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 228 ff., 252.

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

nur eine Grundform möglicher Präferenzrelationen, nämlich konkret die Entscheidungsalternative zwischen einem Verhalten namens "Tötung eines anderen Menschen" und bloßer Untätigkeit R I birgt insofern die Aussage, daß derjenige, der eine Tötung t gegenüber bloßer Untätigkeit u bevorzugt, mit S I zu rechnen hat Aus R I (bezogen auf Tötungen t) und R2 (bezogen auf Körperverletzungen k) läßt sich dann durch einfache Umrechnung der durch die Normen arrangierten Präferenzrelationen von t und kjeweils zum gemeinsamen Nenner u eine dritte (qualifizierte) Norm R3 des Inhalts ermitteln: "Wer t gegenüber k vorzieht, muß mit SI - S2 rechnen". Auf diese Weise läßt sich letztlich ein vielfaItiges und umfassendes Geflecht aus miteinander verrechenbaren (und wieder neu zusammensetzbaren) Präferenzrelationen ermitteln, welche die Strafbarkeitsvoraussetzungen konzise und abschließend (unter Einbeziehung von Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsprinzip) benen nen. Armin Kaufmanns Hoffnung, mittels des Elements der Erforderlichkeit dartun zu können, daß Tatbestands- und Rechtfertigungsebene notwendig voneinander zu separieren sind, stellt sich also als unbegründet, eine tatbestandsinterne Verarbeitung des Erforderlichkeitsprinzips hingegen als möglich heraus. Zur Erzielung dieses Effekts bedarf es lediglich einer Uminterpretation des Tatbestandsbegriffs: Unter einem "Tatbestand" wird fortan der Voraussetzungsteil (v) einer normierten Folgebeziehung (v -> S) verstanden, bei der v Gedoch kein einzelnes, für sich - absolut - betrachtetes Verhalten mehr darstellt, sondern) eine Präferenzrelation zwischen zwei Verhaltensalternativen (ax und ax+ 1) repräsentiert ("wer Verhaltensalternative ax gegenüber Verhaltensalter native a x+ I vorzieht, ohne daß der Umstand u vorliegt, löst S aus"). Wenn man in diesen Tatbestand für den Umstand u etwa die (gegenüber ax+l) gesteigerte Eignung von a x zur Erzielung einer bestimmten Schutzwirkung (Gefahrenabwehr) einsetzte, so wäre dem Erforderlichkeits- ebenso wie dem Verhältnismäßigkeitsprinzip innerhalb des Tatbestands Genüge getan; die Einführung einer Rechtfertigungsstufe erübrigte sich insoweit.

5. Die Besonderheit eines Rechtfertigungsgrundes gegen aber Tatbestandsmerkmalen Dieses Ergebnis berechtigt jedoch noch nicht dazu, die dogmatische Einheitlichkeit sämtlicher Strafbarkeitsvoraussetzungen vorschnell zuzugeben, d. h. auf die Unterscheidung zwischen Tatbestands- und Rechtfertigungselementen gänzlich zu verzichten. Es muß vielmehr nach anderen Gesichtspunk ten (als dem Erforderlichkeitsprinzip) gefahndet werden, anband derer die angesprochene Unterscheidung sich möglicherweise als unausweichlich erweisen ließe. Diese Gesichtspunkte müßten sich dadurch auszeichnen, daß sie die vorgeschlagene TatbestandsbeSChreibung "Bevorzugen der Verhaltensalternative ax gegenüber der Verhaltensal ternative ax+ 1, ohne dadurch einen zusätzlichen

11. Rechtfertigungsgriinde als negative Geltungsvoraussetzungen der Nonn

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Schutzeffekt w elZielen zu können" als inakzeptabel erscheinen ließen. Eine Nonn, dergemäß das nicht durch w begründete BevolZugen (» von a x gegenüber ax+l Strafbarkeit (SI) auslöst, soll dabei abkÜlZungsweise geschrieben werden als d. h. "Wer ein nicht von w begleitetes a x gegenüber a x+l vorzieht, macht sich in Höhe von SI strafbar". Hinter einer solchen Norm stünde die (Verhaltens-)Bewertung des Gesetzgebers, daß ax+l gegenüber a x-w die vorzugswÜfdige, weil güterschonender anmutende Verhaltensaltemative darstellt und ax-w insofern (per Strafanknüpfung) relativ zu a x+1 entsprechend zu benachteiligen ist ax+ 1 selbst mag vom Gesetzgeber wiederum im Vergleich zu einem dritten zur Wabl stehenden Alternativverhalten a x+2 als unzuträglich eingestuft und deshalb relativ zu diesem mit Strafbarkeit (SV belegt werden, Ilx+l > ax+2 -> S2' usw., bis zu einem (oder mehreren) sämtlichen anderen Verhaltensalternativen gegenüber vorrangigen ax+n am absoluten Ende der Vedlaltenshierarchie.

a) Gerechtfertigtes Verhalten relativ zu Verhaltensaltemativen Unklar bleibt im Rahmen einer solchen Hierarchie jedoch der Standort von Verhaltensformen, deren StrafwÜfdigkeit gegenüber Verhaltensaltemativen durch den mit ihnen einhergehenden Zuwachs an Schutzwirkung aufgehoben erscheint. Einerseits kann etwa eine Tötung (ax)' die im Gegensatz zu einem rechtsgutsschonender wirkenden Alternativverhalten (a x+1) einen rechtswidrigen Angriff abzuwehren (w zu elZielen) in der Lage ist (axW), relativ zu a x+l straflos vorge zogen werden. Andererseits kann es aber im Interesse möglichst umfassender Handlungsfreiheit zugleich sinnvoll erscheinen, den Täter auch nicht gegen dessen Willen zur Abwehr des Angriffs (d. h. zu a xW) zu nötigen, so daß auch das BevolZugen von ax+l gegenüber a xw nicht durch Strafbarkeit unterbunden (zur "Pflichtwidrigkeit" im Sinne Armin Kaufmanns erhoben) werden muß; axW wird dann normativ gegenüber a x+ 1 weder eine vor- noch eine nachrangige Posi tion eingeräumt Schließlich prägt die Norm aber auch kein gleichrangiges Verhältnis zwischen axw und ax+l aus, denn im Unterschied zu a x+l kann a xw (bei entsprechender Gewichtigkeit von w) auch relativ zu (den im Vedlältnis zu a x+l höherstufigen) a x+2 ... aHn noch straflos bevorzugt werden. Das Eigentümliche an der Bevorzugung von a xW liegt somit darin, daß es bei entsprechendem Zuwachs an Schutzwirkung (w) gegenüber sämtlichen rechts11 Hoyer

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

gutsschonender anmutenden (aber w-verfehlenden) Verhaltensaltemativen (straflos) bevorzugt werden kann, aber keinem gegenüber (bei Strafbarkeit) bevorzugt werden muß. Um diese Eigentümlichkeit an einem Beispiel klarzumachen: Angenommen, der Täter besäße lediglich die Wahl zwischen einer Tötungs- und einer Körperver letzungshandlung. (1)

(2)

Bevorzugte er die Tötungshandlung, ohne dadurch einem rechtswidri gen Angriff wirksamer als mit der Körperverletzung begegnen zu können' so machte er sich strafbar (bei umgekehrter Wahl wäre er straflos geblieben). Bevorzugte er dagegen die Tötungshandlung, weil er dadurch einen rechtswidrigen Angriff wirksamer abwehren kann als mit der Körperverletzung, so bliebe er genauso straflos, wie wenn er sich umgekehrt entschieden hätte.

Die/akJische Veränderung der Tatsituation von (1) zu (2) (d. h. der der Tötung nunmehr zukommende Schutzeffekt w) wirkt sich also rechtlich nur dahingehend aus, daß die für (1) geltende Präferenzrelation für (2) nicht mehr gilt, ohne sich aber in der Richtung umzukehren. Die Auswirkungen von w bleiben also beschränkt - eine Beschränkung, welche bezogen auf andere Strafbarkeitsvoraussetzungen nicht zu beobachten ist:

b) Tatbestandsloses Verhalten relativ zu Verhaltensalternativen Angenommen nämlich, der Täter besäße lediglich die Wahl zwischen der Beschädigung und der unbefugten Ingebrauchnahme eines Kfz's. (1)

(2)

Bevorzugte er die Sachbeschädigung, ohne daß es bezogen auf deren Objekt an den Fremdheitsvoraussetzungen fehlte, so machte er sich strafbar (bei umgekehrter Wahl wäre er straflos geblieben). Bevorzugte er dagegen die Sachbeschädigung, weil deren Objekt im Unterschied zu dem der Gebrauchsanmaßung eine herrenlose und keine ihm fremde Sache darstellte, so bliebe er zwar wieder straflos, hätte sich aber bei umgekehrter Entscheidung strafbar gemacht

Hier hat sich also die faktische Veränderung der Tatsituation von (1) zu (2) (d. h. die der Sachbeschädigung zu grunde liegende modifizierte Eigentumslage) rechtlich in einer uneingeschränkten Richtungsumkehr bezogen auf die Präferenzrelation ausgewirkt. Der Verhaltensweise "Beschädigung einer herrenlosen Sache" wird demnach vom Normensystem offenbar ein bestimmter Standort innerbalb der Präferenzordnung (oberhalb der Gebrauchsanmaßung) zugewiesen; für die Verhaltensweise "Tötung eines anderen Menschen, um dadurch

11. Rechtfertigungsgriinde als negative Geltungsvoraussetzungen der Norm

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einen bestimmten Schutzeffekt w zu erzielen" (axW) trifft dies (bezogen auf die Verhaltensalternativen ax+l ... ax+n) hingegen nicht zu. Dies findet seine Erklärung jedoch nicht darin, daß es im einen Fall um eine Sachbeschädigung, im anderen Fall (axW) um eine Tötungshandlung geht; an die Stelle der Sachbeschädigung ließe sich vielmehr ohne weiteres auch (in Anlehnung an das bekannte Beispiel von Welzel 45 ) die Tötung einer Mücke setzen: Zwar ließe sich die Tötung einer Mücke ebenso wie die eines rechtswidrigen Angreifers straflos gegenüber der körperlichen Mißhandlung eines Vnbeteiligten bevorzugen; bei umgekehrter Präferenzsetzung ließe sich die körperliche Mißhandlung aber nur relativ zur Angreifer-, nicht zur Mückentötung straflos bevorzugen. Während der Sachverhalt "Mücke als Opfer der Tötung" die Präferenzordnung konstruktiv mit ausprägt (ihr nämlich ein bestimmtes Gefälle verleiht), gibt der Sachverhalt "Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs als Folge der Tötung" (axW ) der Präferenzordnung keine eindeutige Ausrichtung. a x w besitzt vielmehr innerhalb der normativ aufgestellten Verhaltenshierarchie ax+l' w ••• ax+n -w überhaupt keine feste Position, ist nämlich zu keiner Verhaltensalternative ay a xW -> S gelten), nachrangig (sonst müßte ax W > a y -> S gelten) oder auch nur gleichfan gig (sonst müßten ay_l > axw -> S sowie axw > ay+l -> S gelten). c) Zur Ausgliederung gerechtfertigten Verhaltens aus dem Tatbestand Die Tatsache, daß sich Verhaltensalternative a x (Tötung eines Menschen) gegenüber sämtlichen im übrigen rechtsgutsschonender wirkenden Verhaltensformen ax + 1 ... ax+n durch den allein mit ihm verbundenen Schutzeffekt w (Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs) auszeichnet, führt somit nur dazu, daß die Wahl zwischen a xw und jedem einzelnen Glied der Präferenzkette ax+l-w ••• ax+n -w in beide Richtungen (straflos) freisteht, gliedert aber a xW selbst nicht (an bestimmter Stelle) in die Präferenzkette mit ein. Wenn a x w aber nicht als besonderes Glied irgendeiner normierten Präferenzrelation (weder als bei Strafe zu bevorzugende noch als bei Strafe hintanzustellende Verhaltensweise) in Erscheinung tritt, dann befaßt sich die tatbestandskonstituierende Norm offenbar nicht eigens mit a xw.

45 Wekel, ZStW 67, S. 210 C.; de",., Das deutsche Strafrecht, S. 81.

"*

Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

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Aus einem am Rechtsgüterschutz interessierten Regelungsprogramm läßt sich a xwandererseits jedoch nicht einfach ausklammern. Dies zeigt sich, wenn die Verhaltensweise axweinmal nicht mit rechtsgutsschonenderen (ax+ 1 ... llx+n)' sondern mit rechtsgutsschädlicheren (ax-l ... ax-l) Verhaltensweisen konfrontiert wird: Angenommen, a xW bezeichnet eine Körperverletzung, die zur Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs (zu w) geeignet ist, während ax-l die angriffsneutrale Tötung eines Unbeteiligten meint. Eine rechtsgüterschutz betreibende Norm stellte für diesen Fall die Bevorzugung von ax-l gegenüber axW (genauso wie gegenüber a x-W) strafbar, während umgekehrt die Bevorzugung von axW gegenüber ax-l straflos bliebe. Die Norm mutete sich also zu, eine Verhaltensform a xW relativ zu allen rechtsgutsschädlicher wirkenden Verhaltensalternativen (ax-l ... a x-n ) in die normierte Präferenzordnung miteinzubinden, relativ zu allen rechtsgutsschonender wirkenden Alternativen (ax+l ... ax+n) aber darauf zu verzichten, entsprechende Präferenzrelationen aufzustellen. Während a xW nämlich gegenüber rechtsgutsschädlicher wirkenden Alternativen denselben Rang erhielte wie axw, scheint ihm gegenüber rechtsgutsschonender wirkenden Alternativenjeglicher Rang (auch ein mit ax-widentischer) vorenthalten bleiben zu sollen. Ein derartig differenzierendes normatives Regelungsprogramm läßt sich jedoch nicht widerspruchsfrei verwirklichen: Indem a xW (bei Strafbarkeit S l) gegenüber ax-l vorzuziehen ist, tritt es (da auf die Bevorzugung von ax-l gegenüber a x+n die Strafbarkeit Sn steht) mittelbar auch in Relation zu a x+n 46, erhielte also eine Stellung innerhalb der Präferenzordnung, die es gerade nicht erhalten soll. Das intendierte Regelungsprogramm, a xw (1)

einerseits (wie ax-W ) gegenüber ax-l ... ax-n in Präferenzrelationen hineinzubegeben,

(2)

andererseits (anders als a x-W ) gegenüber ax+l ... ax+n aus Präferenzrelationen heraus zuhalten,

läßt sich also innerhalb der Norm nicht realisieren, ohne die Kompatibilität sämtlicher Präferenzrelationen untereinander, d. h. die Einheitlichkeit der Präferenzordnung (und damit letztlich der Rechtsordnung insgesamt), aufzugeben. d) Zur Ausgliederung von RechtfertigungsgfÜnden aus dem Tatbestand Soll das Regelungsprogramm umgesetzt werden, ohne das Präferenzgefüge in sich unstimmig zu machen, bietet sich nur eine Lösung an: Zunächst muß die Norm axW durch Konstituierung der erwUnschten Präferenzrelationen in die 46 Die Richtung dieser Präferenzrelation ergibt sich aus dem relativen Gewicht von SI und Sn llIeinander.

11. Rechtfertigungsgriinde als negative Geltungsvoraussetzungen der Nonn

Präferenzordnung voll integrieren, anschließend müssen dann sämtliche

141

uner-

wanschlen Relationen, in die a xW innerhalb der Präferenzordnung infolge seiner

dortigen Dislozierung zwangsläufig gerät, rechtlich außer Kraft gesetzt werden. Zunächst muß axW also innerhalb des Präferenzgefüges dieselbe Rolle eingeräumt werden wie a x·w (um die erwünschte Vorrangigkeit von a xw und a x·w gegenüber ax-l ... a x -n herzustellen), sodann müssen alle Präferenzrelationen, die nur für a x·w, nicht aber für axw, bestehen sollen, für a xw ersatzlos ungültig gemacht werden.

Für die Präferenzrelationen begründende Norm erübrigt sich damit die Notwendigkeit, zwischen a xw und a x·w differenzieren zu müssen; die Norm begnügt sich statt dessen damit, v -> S zu bedeuten, wobei v entweder für die Bevorzugung von ax gegenüber a y oder von a y gegenüber a x steht. Die auf diese Weise normativ errichtete Präferenzordnung wird sodann um diejenigen Präferenzrelationen "gelichtet", die zwar aufgrund der normativen Anordnung zustande gebracht worden sind, aber nicht rechtsgültig sein sollen. Im Rahmen dieses zweiten Regelungsscbritts werden diejenigen Präferenzrelationen quasi "gekappt", denen für a xw keine Geltung zukommen soll. Normativ begründete Präferenzrelationen bleiben also nur dann rechtsgültig, wenn a xW nicht vorliegt, wenn sie also nicht von der Normgültigkeitsbedingung axW wieder außer Kraft gesetzt werden. Der Tatbestand, definiert als Inbegriff einer normativ strafbewebrten Präferenzrelation 47, benennt demnach nicht sämtliche rechtlich notwendigen Strafbarlceitsvoraussetzungen; hinzukommen muß vielmehr, daß auch die für die betreffende Präferenzrelation aufgestellte Normgültigkeitsbedingung -a xW erfüllt ist. Innerhalb der Gesamtheit aller Strafbarkeitsvoraussetzungen muß mithin dogmatisch zwingend eine Zweiteilung vorgenommen werden, nämlich diejeni ge zwischen norminbaltlichen und normgeltungsrelevanten Elementen, d. h. zwischen Tatbestands- und Rechtfertigungsmomenten.

6. Die Abgrenzung von Tatbestandsmerkmalen und rechtfertigenden Umstanden Die Frage ist nun, anband welchen Kriteriums sich generell über die Zuordnung eines Umstands zur Tatbestands- oder zur Rechtfertigungsstufe entscheidenläßt

47 Vgl.

Kap. E. 11 4. b).

142

Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

a) Das Abgrenzungskriterium Als ausschlaggebend dafür, axW der Rechtfertigungsebene vorzubehalten, stellt sich rückblickend das Regelungspro gramm dar, a xW gegenüber sämtli eben rechtsgutsschonender wirkenden Verhaltensalternativen (ax+l ... aHn) weder eine vor- noch auch nur eine gleichrangige Stellung im Präferenzgefüge einräumen zu wollen. a xW sollte relativ zu jedem Glied der Kette a x+1 ... ax+n bevorzugt werden können, aber nicht müssen, mithin lediglich freigestellt, nicht nahegelegt werden. Gerade in diesem Punkte unterschied a xW sich von tatbestandsrelevanten Umständen wie der "Herrenlosigkeit einer beschädigten Sache" oder der "Zugehörigkeit eines getöteten Objekts zur Gattung der Mükken". Die zuletzt genannten Sachverhalte verhelfen den betreffenden Tathandlungen (der Sachbeschädigung bzw. der Mückentötung) zu einem (entsprechend begünstigten) widerspruchsfrei und klar definierten Rang gegenüber sämtlichen in Betracht kommenden Verhaltensalternativen innerhalb der Präferenzhierarchie, wobei sich Ausrichtung und Gefälle innerhalb der Hierarchie aus den jeweiligen (für jedes Verhalten relativ zu bloßer Untätigkeit festgesetzten) Strafhtrkeitsquanten ablesen lassen. Strafbarkeitsbedeutsame Umstände, die (im Unterschied zu Tatbestandselementen) keine eindeutige und umfassende hierarchische Einordnung der vor ihrem Hintergrund vollzogenen Tathandlungen (mehr) zulassen, sondern sich nur abgesondert von der Präferenzhierarchie betrachten lassen, stellen sich demgegenüber als Rechtfertigungselemente dar. Sachverhaltsvariationen zwischen der Beschädigung einer herrenlosen statt einer fremden Sache sowie zwischen der Tötung einer Mücke statt eines Menschen schlagen sich in entsprechenden Rangverschiebungen nieder, lassen sich also hierarchieimmanent erfassen und betreffen deshalb den Tatbestand, während das für die anderen Variationen nicht zutrifft: Die unbegründete (= nicht durch Erzielung eines besonderen Schutzeffekts begründete) Tötung steht gegenüber einer Körperverletzung zwar noch in eindeutigem Rang verhältnis (ist dieser gegenüber nämlich nur bei Strafbarkeit zu bevorzugen), die begründete (= einen erhöhten Schutzeffekt erzielende) Tötung läßt sich im Präferenzgefüge jedoch nicht mehr unterbringen; sie kann gegenüber einer Körperverletzung ebenso wie gegenüber bloßer Untä tigkeit gleichermaßen straflos bevorzugt wie verworfen werden, ihre Straflosigkeit folgt damit nicht aus ihrem (begün stigten) Rang, sondern aus ihrem Ausrangiertsein. Verallgemeinernd läßt sich demnach feststellen: Rechtfertigende Umstände sind solche, deren Hinzutreten nur zur (relativen) Freistellung der dadurch gekennzeichneten Verhaltensweise führen soll (d. h. dazu, daß diese VerhaltensDlÖg lichkeit gegenüber einer anderen sowohl straflos bevorzugt als auch straflos vernachlässigt werden kann), nicht aber zu deren (relativer) Bes serstellung innerhalb der Präferenzränge.

11. Rechtfertigungsgriinde als negative Geltungsvoraussetzungen der Norm

143

b) Notwehr und Notstand Daraus folgt, daß güterschutzförderliche Effekte, die das eine gegenüber dem anderen Verhalten auszeichnen, diesem gegenüber stets dann Rechtferti gungskraft haben, wenn die Herbeiführung des gesteigerten Schutzeffekts dem Täter lediglich freigestellt, nicht bei Strafbarkeit nahegelegt werden soll. Die erhöhte Eignung eines Verhaltens zur Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs oder einer gegenwärtigen Gefahr fmdet demnach solange erst auf der Rechtfertigungsebene Berücksichtigung, wie die (Verhaltens-)Freiheit des Täters, auf eine Angriffs- bzw. Gefahrabwendung auch (straffrei) verzichten zu können, von der Rechtsordnung höher bewertet wird als die auf dem Spiel stehende Schutzeffektssteigerung. Will die Rechtsordnung die Angriffs- bzw. Gefahrenabwehr in die freie Disposition des Täters stellen, so wird sie dem von ihr geachteten Freiheitsin teresse des Täters dadurch Rechnung tragen, daß sie die betreffende Schutzeffektssteigerung lediglich zur Rechtfertigung führen läßt; die tatbestandsmäßige Präferenzrelation kehrt sich dann in ihrer Richtung nicht um (verlangt nicht die Bevorzugung des Abwehrverhaltens), sondern wird statt dessen nur ersatzlos aufgehoben, rechts ungültig gestellt. Bewertet die Rechtsordnung (aus bestimmten Erwägungen heraus) die Entscheidungsfreiheit des Täters hingegen nicht als derart schutzwürdig (sondern als gegenüber dem erstrebten Schutzeffekt vernachlässigenswert), wird sie dem Täter die Herbeiführung des Schutzeffekts, d. h. die dazu geeignete Verhaltensalternative, per Strafbedrohung nahezulegen versuchen (i. S. Armin Kaufmanns zur "Pflicht" machen). Dem Täter steht dann die gegenteilige Entscheidung nicht mehr (uneingeschränkt) frei, ihm wird vielmehr durch Aufstellung einer neuen, umgekehrten Präferenzrelation (welche nunmehr auf die Erzielung des gesteigerten Schutzeffekts abzielt, statt rechtsgüterneutrales Verhalten zu begünstigen) ein bestimmter Entschluß mit Hilfe der Strafbedrohung mehr oder weniger vorteilhaft ausgekleidet, "schmackhaft" gemacht. Die Schutzeffektszunahme, die mit der Vornahme des einen (relativ zur Vornahme eines anderen) Verhaltens verbunden ist, wird in diesem Falle schon tatbestandsimmanent mit verrechnet, führt nämlich zur Normierung einer auf diese spezielle (veränderte) Konstellation zugeschnittenen, bewertungskongruent (umgekehrt) ausgeriChte ten Präferenzrelation. Ob die jeweils zwischen zwei Verhaltensweisen bestehende Präferenzrelation nur die relative Güterschädlichkeit der beiden Verhaltensweisen zueinander erfaßt oder auch ihre relative Güterschutzförderlichkeit mitverarbeitet, hängt davon ab, ob dem Täter die Wahrnahme einer Schutzfunktion (durch Umkehrung der Präferenzrelation) anempfohlen oder aber (durch Aufhebung der Normgültigkeit) anheimge stellt bleiben soll; welcher der beiden Regelungsmodalitäten sich die Rechtsordnung bedient, richtet sich nach dem Wert, den sie der Entschließungsmöglichkeit des Täters einräumen will, die Wahrnahme der betreffenden Schutzfunktion zu verweigern. Als maßgebliches Abgrenzungskriterium zwischen Tatbestands- und Rechtfertigungselementen tritt

144

Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

damit nicht - wie von Armin Kaufmann vorgeschlagen48 - das Erforderlichkeitsprinzip in Erscheinung (dessen explizite Berücksichtigung sich durch das Operieren mit Präferenzrelationen erübrigt), die Abgrenzung hat sich vielmehr an dem Ausmaß an Entscheidungsfreiheit zu orientieren, das dem potentiellen Täter strafrechtlich jeweils belassen bleiben soU. c) Pflichtenkollisionen Es kann demzufolge auch nicht zu den sog. "Pflichtenkollisionen" kommen 49, deren Entstehen im Rahmen der Kaufmannschen Strafrechtsdogmatik vorprogrammiert ist. Derartige "Pflichtenkollisionen" entfallen innerhalb des alethischen Strafrechtskonzepts nicht nur mangels Existenz von "Pflichten", sie entfallen darüber hinaus auch mangels der Möglichkeit von Normkollisionen. Wenn beispielsweise ein Vater (V) sich in der Situation befindet, wahlweise nur eines seiner beiden vom Ertrinken bedrohten Kinder (K 1, K2) retten zu können, dann kollidierten nach Armin Kaufmann die beiden Normen, daß K 1 und daß K2 gerettet werden sollen, miteinander. Der Entstehung zweier Rechtspflichten könnten allenfalls zwei Rechtfertigungsgründe entgegenwirken, denen zufolge statt K 1 auch K2 bzw. statt K2 auch K 1 gerettet werden darf. Da K 1 zu vernachlässigen zwecks Rettung von K2 und K2 zu vernachlässi gen zwecks Rettung von K 1 jeweils erforderlich is~ wäre V letztlich zur Rettung keines seiner beiden Kinder mehr vetpflichtet Ubrig bliebe in beide Richtungen ein bloßes Dürfen, so daß V sich selbst dann nicht strafbar machte, wenn er keines seiner beiden Kinder zu retten untemähme 50 • Um dies zu vermeiden, müßte V zur kumulativen Rettung beider Kinder verpflichtet werden, obwohl er beiden Rettungspllichten nur alternativ nachkommen kann. V besäße dann keine Möglichkeit mehr zu verhindern, daß er Unrecht verwirklicht

Im alethischen Strafrecht werden dagegen nicht zwei voneinander unabhängige "Pflichten" begründet, die dann später irgendwo zum Ausgleich gebracht 48 Ders., Normentheorie, S. 254 f.; den., Tatbestandseinschränkung und Rechtfertigung, S. 54 f.; den., Rechtspflichtbegründung und Tatbestandseinschränkung, S. 281. 49 Vgl. dazu Gallas, Mezger-Festschrift, S. 311 ff.; Hruschka, Larenz-Festschrift (1983), S. 257 ff.; KUper, Grund- und Grenzfragen der rechtfertigenden Pflichtenkollision im Strafrecht, S. 108 ff.; Otto, Pflichtenkollision und Rechtswidrigkeitsurteil, S. 108 ff.; v. Weber, Kiesselbach-Festschrift, S. 233 ff.; Mangakis, 'ZStW 84, S. 447 ff. 50 Dieser Konsequenz kann auch nicht ausgewichen werden, indem die tatslJchÜCM Rettung eines Kindes zur V ttausset zung dafür erhoben wird, daß auf die Rettung des anderen Kindes verzichtet werden darf. Dadurch geriete nämlich die Tätigung eines Verhaltens zur Vorbedingung für dessen Erlaubtsein; einem pflichtwidrigen Verhalten gelänge es dann, rückwirkend seine eigene Pflichtwidrigkeit zu heilen - was ebenso paradox erschiene, wie wenn ein Wirkungsereignis nachträgich sein eigenes Bewirktsein (von einer bestiIlIJIten Ursache) aufheben könnte.

11. Rechtfertigungsgriinde als negative Geltungsvoraussetzungen der Norm

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werden müssen, sondern es besteht von Anfang an zwischen jeweils zwei Verhaltensweisen nur eine einzige Präferenzrelation, deren Richtung und Gefälle durch das Ausmaß an Strafbarkeit relativ zu einfacher Untätigkeit bestimmt wird (bei Identität des Bestrafungsanreizes kommt nicht einmal diese eine Präkrenzrelation zustande, so daß beide zur Wahl stehenden Verhaltensweisen relativ zueinander tatbestandslos bleiben). Nur auf der von Armin Kaufmann so genannten Bewertungsebene 51 können Kollisionen auftreten, auf der Ebene der Norm hingegen hat die Rechtsordnung derartige Wertungskollisionen zur Einheit der (jeweils einschlägigen) Präferenzrelation zusammengeschmolzen. Ein Retten von K 1 auf Kosten von K 2 ist daher ebenso tatbestandslos wie das umgekehrte Vorgehen - während einfache Untätigkeit relativ zu beiden Rettungsmöglichkeiten tatbestandsmäßig ausfiele (so daß Strafbarkeit aus doppeltem Grunde einträte). d) Einwilligung und Einverständnis Der damit gekennzeichnete Differenzierungsmodus zwischen Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit bewährt sich jedoch nicht nur bei Güterkolli sionen (wie aufgezeigt), sondern läßt sich (wie nunmehr aufzuzeigen ist) auch bei Einwilligungserklärungen fruchtbar handhaben. So bildet etwa die in eine Rechtsgutsbeeinttäch tigung einwilligende Erklärung des Verfügungsberechtigten - entgegen der Auffassung Armin Kaufmanns 52 - dann einen Rechtfertigungsgrund, wenn das konsentierte Verhalten aufgrund dieser Erklärung gegenüber einer sonst (= ohne diese Erklärung) vorzugswücdigen Alternative zwar straflos vorgezogen werden kann, aber nicht muß (rechtfertigende Einwilligung). Falls die Rechtsordnung an eine solche Einwilligungserldärung hingegen die Konsequenz eines rangmäßigen Aufcükens in der Präferenzhierarchie knüpft, liegt statt dessen nur ein (negatives) Tatbestandsmerkmal vor (tatbestands ausschließendes Einverständnis). Von welcher der beiden Regelungsmöglichkeiten eine Rechtsordnung Gebrauch macht, bestimmt sich ebenfalls nicht nach gesetzgeberischer Willkür, sondern nach (norm-) logischen Gesichtspunkten: Wenn beispielsweise einem bedrängten Täter lediglich noch die Wahl zwischen der Begehung einer Körperverletzung mit und einer Sachbeschädigung ohne Einwilligung des Verletzten verbliebe (wobei ohne die Einwilligung - wie der Vergleich der jeweiligen Strafmaße ergibt - die Sachbeschädigung vorzuziehen wäre), dann entscheidet die dogmatische Rubrizierung der Einwilligungserldärung darüber, ob der Täter, will er straflos bleiben, einseitig die Körperverletzung wählen muß oder 51 Armin Kaufmann, Nonnentheorie, s. 69 Cf., 262, 271; ders., Unterlassungsdelikte, S. 19; den., Hans Weizei zum Gedenken, S. 287. 52 Den., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 155; den., Rechtspflichtbegriindung und Tatbestandseinschränkung, S. 282; ebenso SchmidhlJu.ser, Engisch-Festschrift, S. 452; Roxin, ZStW 85, S. 100 C.; Rudolphi, ZStW 86, S. 87 C.

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

(frei) wählen kann; im Interesse des Inhabers der zu beschädigenden Sache läge es, wenn unter diesen Umständen (bei Strafe) die Bevorzugung der Körperverletzung nahegelegt würde, dem Interesse des potentiellen Täters entspräche es dagegen, ihm nicht gegen seinen Willen eine bestimmte Handlung (die Körperverletzung) aufzunötigen, sondern "freie Hand" zu lassen. Die vom Gesetzgeber favorisierte (Tatbestands- oder Rechtfertigungs-)Lösung hängt in ihrer Legitimation somit davon ab, ob sie sich als Ergebnis einer sachgemäßen Abwägung zwischen zwei Rechtsgütern betrachten läßt: dem Integritätsinteresse des Eigentümers auf der einen und der Verhaltensfreiheit des Täters, keine Körperverletzung begehen zu müssen, auf der anderen Seite. Je nachdem etwa, welche gesellschaftliche Wertigkeit der konkret zur Disposition stehenden Verhaltensfreiheit des Täters jeweils zugemessen werden soll, erschiene teils der "freiheitliche" Rechtfertigungsweg als vorzugswürdig (so etwa in bezug auf die Freiheit, keine Gesundheitsschäden hervorrufen zu müssen), teils die dirigistische Tatbestandslösung (so etwa in bezug auf die Freiheit, sich keine fremden Sachen aufdrängen lassen zu müssen) zumutbar. Fehl gehen deshalb auch die in der Literatur5 3 angestellten Erwägungen, im Falle einer Einwilligung empfehle sich die Tatbestandslösung, da hier (im Gegensatz zur Lage bei Güterkollisionen) ohnehin nur eine "scheinbare" Rechtsgutsverletzung vorliege. Zwar mag die Interessensphäre des Einwilligenden von einer konsentierten Gutsverletzung nur "scheinbar" berührt werden; die Interessensphäre des Einwilligungsadressaten jedenfalls wäre von einer Privilegierung der Tatbestandslösung "echt" berührt. Die Abgrenzung von Einwilligung und Einverständnis ist damit weder überflüssig noch orientiert sie sich an den vom Einwilligenden preisgegebenen Interessen; sie trägt vielmehr dem Wert der (konkret betroffenen) Verhaltensfreiheit des Täters Rechnung. Wenn dem Täter das von der Einwilligung umfaßte Verhalten relativ zu abweichenden Verhaltensmöglichkeiten freigestellt, nicht aber (per Strafandrohung) aufgedrängt werden soll, dann muß die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund wirken - obwohl weder das Erforderlichkeitsnoch das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu dieser dogmatischen Lokalisierung nötigen.

53 Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 25; ders., Welzel-Festschrift, S. 449; ders., ZStW 85, S. 100 C.; Rudolphi, ZStW 86, S. 87 C.; Zipf, Einwilligung und Risikoübemahme, S. 28 ff.; Maurachnipf, Allgemeiner Teil, I, S. 219 C.; Horn, SK, § 226 a Rn. 2; SchmidJriJuser, Engisch-Festschrift, S. 452; ders., Lehrbuch Allgemeiner Teil, S. 267 CC.; ders., Studienbuch Allgemeiner Teil, S. 113 ff.; Kientzy, Der Mangel am Straftatbestand infolge Einwilligung, S. 65; Kahne, TZ 1979, S. 242; Weigend, ZStW 98, S. 60 f.

11. Rechtfertigungsgriinde als negative Geltungsvoraussetzungen der Norm

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e) Die behördliche Genehmigung Entsprechendes wie für die Einwilligung gilt für die - besonders im Umweltstrafrecht - bedeutsame behördliche Erlaubnis. Nach Armin Kaufmann 54 steht sie dem Tatbestand (da mit diesem nicht über das Erforderlichkeitsprinzip verbunden) nicht als Rechtfertigungsgrund gegenüber, sondern geht ihm als Gültigkeitsvoraussetzung der Norm voraus. Diese Schlußfolgerung fußt jedoch auf zwei argumentativen Grundlagen, die im Rahmen der obigen Erörterungen beide als nicht tragfähig dargestellt wurden: Erstens55 zwingt nicht das Erforderlichkeitsprinzip dazu, Tatbestands- und Rechtfertigungselemente voneinander zu scheiden (dem Erforderlichkeitsprinzip konnte durch das Abstellen auf Präferenzrelationen noch tatbestandsimmanent Genüge getan werden), sondern das Freiheitsinteresse des Täters, welches unter bestimmten Umständen eine ersatzlose Entbindung des Täters von sonst zu berücksichtigenden Präferenzrelationen erzwingt (ohne daß ihm sogleich wieder andere, umgekehrt ausgerichtete Präferenzrelationen aufgezwungen werden dürfen). Zweitens 56 stellt das Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgtünden sich stets als Normgeltungsvoraussetzung dar (als Bedingung dafür, daß eine Tatbestands-Verwirklichung rechtswidrig ist), so daß die Schlußfolgerung, die behördliche Erlaubnis sei Normgültigkeitsvoraussetzung und deshalb kein Rechtfertigungsgrund, von unzutreffenden Antinomien ausgeht Auch die behördliche Erlaubnis wäre vielmehr ein Rechtfertigungsgrund, wenn sich ihre strafrechtliche Wirkung in der Freistellung des (nunmehr) erlaubten Verhaltens relativ zu dessen (bei fehlender Erlaubnis zu bevorzugenden) Alternativen erschöpfte (als bloße Zurücknahme der Strafbedrohung darstellte) und nicht (in einer anderen Strafnorm) auf die Begründung einer umgekehrten Präferenzrelation abzielte. Auch insoweit kommt es darauf an, ob dem Täter trotz der Erlaubnis die Freiheit verbleiben soll, statt des (nunmehr) erlaubten dennoch ein anderes (rechtsgutsbeeinträchtigendes) Verhalten vorzuziehen. Dabei sind zwei unterschiedliche Typen der behördlichen Erlaubnis zu unterscheiden: einerseits der Fall, in der hinter der qua Erlaubnis aufgehobenen Präferenzrelation ohnehin lediglich (kontroll-)"technische" Gründe standen (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt), andererseits der Fall, in der hinter der aufgestellten Präferenzrelation eine "echte", materiell-begründete Verhal-

54 Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 251; den., Rechtspflichtbegründung und Tatbestandseinschränkung, S. 281 f., 288. 55 Vgl. Kapitel E. 11. 4. b). 56 Vgl. Kapitel E. I. 2.

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

tensbewertung stand (repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt). Zur erstgenannten Fallgruppe rechnet etwa die Strafbarkeit von Grenzübertritten, ohne sich durch einen Paß über die Person ausgewiesen zu haben, zur zweitgenannten Fallgruppe die Strafbarkeit von Abwassereinleitungen, welche die Nutzbarkeit eines Gewässers beeinträchtigen. Das sog. präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt stellt sich alethisch betrachtet als eine behördlich aufhebbare Präferenzrelation dar, welche überhaupt nur normiert wurde, um der Behörde die vorherige Überprüfung von abstrakt gesehen gütergefährlichen Verhaltensweisen zu ermöglichen. Die normierte Präferenzrelation (der Erlaubnisvorbehalt) basiert hier also nicht auf einer konkreten Negativbewertung des hintanzustellenden Verhaltens (relativ zum vorzugswürdigen), so daß erst die (nach Kontrolle erteilte) Erlaubnis die betreffenden Verhaltensweisen (wieder) in das Verhältnis zueinander stellt, das ihnen materiell-konkret gesehen (gemessen an ihren tatsächlichen Auswirkungen auf die Güterwelt) von Anfang an zukam. Insofern soll also beim präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt das zunächst (um einem Kontrollbedürfnis nachkommen zu können) "verzeichnete" Präferenzgefüge durch die Erlaubniserteilung wieder zurechtgerückt, bewertungskongruent ins Lot gebracht werden. Die auf ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ergangene Erlaubnis stellt also die materiell-korrekt aufgebaute Präferenzhierarchie erst ihrerseits her und muß demnach strafrechtsdogmatisch als tatbestandserheblich (statt als bIo ßer Rechtfertigungs grund) eingeschätzt werden. Anders stellt sich die Sachlage hingegen beim sog. repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt dar: Alethisch betrachtet erfolgt die Normierung der (aufhebbaren) Präferenzrelation hier, um den unterschiedlich erheblichen Auswirkungen der betreffenden Verhaltensweisen auf die Güterwelt Rechnung zu tragen. Wenn mit dem danach hintanzustellenden Verhalten jedoch nicht nur schädliche Auswirkungen, sondern zugleich bestimmte außerordentliche Nutzeffekte für die Gesellschaft verbunden sind, kann sich um des Rechtsgüterschutzes willen eine Aufhebung der bewertungsinkongruenten Präferenzrelation empfehlen. Sofern dem potentiellen Täter andererseits (aus Respekt gegenüber seiner Verhaltensfreiheit) die Herbeiführung dieses Nutzeffekts auch nicht (durch Strafbedrohung) nahegelegt werden soll, bleibt es bei der Aufhebung der alten - unter Verzicht auf die Begründung einer neuen - Präferenzrelation. Das Präferenzgefüge kehrt sich infolge der auf ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt erteilten Er laubnis nicht um; der Dispens wirkt damit als bloßer Rechtfertigungsgrund57 •

57 Daß die behördliche Genehmigung bei präventiven Verboten tatbestandsausschließend, bei repressiven Verboten hingegen rechtfertigend wirkt, entspricht im Ergebnis der h. L.; vgl. etwa Schönke-Schrikler-Lenckner, Vor § 32 Rn. 61; Jescheclc, Lehrbuch Allgemeiner Teil, S. 330 C.; Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 380; Blei, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 156.

11. Rechtfenigungsgrilnde als negative Geltungsvoraussetzungen der Norm

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oErlaubtes Risiko und SoziaJadäquanz Je respektabler die Entscheidung etwaiger Täter erscheint, das erlaubte Verhalten (unter Inanspruchnahme von Verhaltensfreiheit) trotz der Erlaubnis vermeiden zu wollen, desto eher wird sich eine Rechtfertigungskonstruktion empfehlen, je stärker dem Täter dagegen eine Bevorzugung gerade des erlaubten Verhaltens (wegen dessen GüterverUäglichkeit) nahegelegt werden soll, desto näher liegt eine Verwendung der Tatbestandslösung. Die Straflosstellung "erlaubt riskanten" bzw. "sozial adäquaten" Verhaltens vollzieht sich demzufolge auch bereits im Tatbestand und nicht erst auf der Rechtfertigungsebene58 : Entscheidungen der Art, statt einer ubiquitären, gesellschaftlich akzeptierten Risikomarge lieber eine konkrete RechtsgutsbeeinUächtigung herbeiführen zu wollen, sollen vom Täter (infolge des vergleichsweise harmlosen Charakters der erstgenannten Alternative) eben gerade nicht ohne eigene Blessuren getroffen werden können; sozialadäquates Verhalten muß demnach im Präferenzgefüge verbleiben, d. h. (zu Lasten des Täters) tatbestandsimmanent zu begünstigen sein. Überhaupt erhellen die vorangegangenen Ausführungen, daß die landläufige Auffassung 59 nicht zutrifft, es liege im (vernünftigen) Interesse des Täters, seine Strafbarkeit möglichst frühzeitig (schon im Tatbestand, statt erst per Rechtfertigung) verneint zu sehen - ohne also erst mit dem "Kainsmal" der Tatbestandsmäßigkeit gebrandmarkt zu werden. Die Frage, auf welcher formalen Deliktsstufe etwaige stratbarkeitsrelevante Umstände ggf. Berücksichtigung fmden, wird dem Täter als solche ausgesprochen sekundär erscheinen, von materiellem Interesse wird für ihn allein sein, ob und inwieweit bestimmte Umstände sich auf seine Stratbarkeit auswirken: In dieser Beziehung läßt aber die

58 So auch Anilin Kaufmann, Die Rechtswidrigkeit im Zivil-und Strafrecht, S. 42 f.; ders., Das fahrlässige Delikt, S. 138; ders. , Objektive Zurechnung beim Vorsatzdelikl, S. 267 f. Zur Solialadäquanz vgl. Hirsch, Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, S. 286; ders., ZStW 74, S. 87; Welzel, Studien rum System des Strafrechts, S. 142, 150 ff.; den., Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikt, S. 327, 333; Samson, SK Vor § 32 Rn. 5; Roxin, Klug-Festschrift, S. 303 ff.; Jescheck, Lehrbuch Allgemeiner Teil, S. 226; SchiJnJce-SchriJder-Lmckner, Vor § 32 Rn. 107 a;Dreher-TriJndie, Vor § 32 Rn. 12; Maurach-Zipf, Strafrecht Allgenaner Teil, I, S. 215. Zum erlaubten Risiko vgl. Jakobs, Studien zum Fahrlässigkeitsdelikt, S. 88 f.; ders., Strafrecht Allgemeiner Teil, Rdnr. 7(39 - 41; Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 160; Wekel, Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte, S. 327, 333 ff.; ders., Das deutsche Strafrecht, S. 132; Engisch, DlT-Festschrift, I, S. 417 f.; Stratenwerth, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rdnr. 344; Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S. 26f.; Schllnemann, JA 1975, S. 439 f.; Blei, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 300; GaUas, ZStW

67, S. 26. 59 Vgl. etwa Schaffstein, ZStW 72, S. 378; Dahm, ZStW 57, S. 270 ff.; ders., Verbrechen und Tatbestand, S. 68 f.; dagegen schon v. Dohna, ZStW 60, S. 292.

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

Rechtfertigungslösung ihm den größeren Entscheidungsspielraum (da sie das Präferenzgefüge "lichtet", statt es nur umzupolen). Die Zuordnung von Sachverhaltselementen entweder zum Tatbestand oder zur Rechtfertigung geschieht damit weder zufällig noch an Äußerlichkeiten orientiert. Sie erweist sich vielmehr als in der Sache begründet: Strafrecht als Veranstaltung zum Schutze von Rechtsgütern ist gehalten, auch die ReChtsgüter eventueller Täter bei der Regelungsstrukturierung ihrer Wertigkeit entsprechend mit zu gewichten und mit abzuwägen. Soweit sich von daher die Rechtfertigungslösung als vorzugs würdig erweist (indem sie relativ zur Tatbestandslösung mehr Täterinteressen wahrt als gegenläufige Interessen ungeschützt läßt), heftet an jeder anderen Lösung der Makel axiomatischer Illegitimität Ein axiomatisch folgerichtig organisiertes Strafrecht führt demgegenüber zur Differenzierung von Tatbestands - und Rechtfertigungselementen entsprechend dem Wert der Täterfreiheit, nach Belieben jede der zur Wahl stehenden Verhaltensalternativen (straflos) bevorzugen zu können.

7.ZUsanvne~assung

Die vorstehenden Ausführungen zur Existenz und Ausgrenz barkeit besonderer RechtfertigungsgfÜllde gegenüber der tatbestandskonstituierenden Normmaterie lassen sich damit insgesamt folgendermaßen zusammenfassen: Unrecht wird durch das (kumulative) Vorliegen einerseits der norminternen Strafbarkeits-(Tatbestands-)Voraus setzungen, andererseits der normexternen Gültigkeitsbedingungen konstituiert. Zu den Normgeltungsbedingungen sind notwendigerweise (auch) die Rechtfertigungsgründe zu zählen, wobei sich diese Notwendigkeit allerdings weder aus dem Verhälmismäßigkeits- noch (entgegen Armin Kaufmann) aus dem Erforderlichkeitsprinzip herleiten läßt. Beide genannten Grundsätze lassen sich nämlich noch tatbestands immanent mitberücksichtigen: Das Verhälmismäßigkeitsprinzip durch entsprechend (güterbewahrende Verhaltensweisen ausklammernde) restriktiv gefaßte Verlla1tensbescbreibungen, das Erforderlichkeitsprinzip durch (Um-)Deutung der Tatbestände als (strafbewehrte) Präferenzrelationen (d. h. als normierte Voraussetzungsteile dafür, daß die Bevorzugung des einen gegenüber dem anderen Verbalten strafbar macht). Nicht mehr im Rahmen des Tatbestands läßt sich hingegen das Regelungsziel verwirklichen, das Hinzutreten bestimmter Umstände nur in Form einer Straflosstellung des dadurch gekennzeichneten Verhaltens (relativ zu sonst vorzugswardigen Verhaltensalternativen) zu Buche schlagen zu lassen, ohne damit aber zugleich umgekehrte Prttferenzrelationen aufstellen zu wollen. Sollen nämlich verschiedene Tatbestände untereinander ein in sich stimmiges Präferenzgefüge bilden, dann muß jedes Verhalten relativ zu (seinen) sämtlichen

III. Tätennerkmale als Geltungsvoraussetzungen der Norm

151

Alternativen einen eindeutigen Rang innerhalb der Präferenzhierarchie erhalten: Für Verhaltensweisen, die unter gewissen Umständen verschiedenen, untereinander ungleichrangigen Alternativen gegenüber jeweils straflos bevorzugt werden können sollen, ist eine solche Rangbestimmung aber nicht möglich. Umstände, deren Vorhandensein die von ihnen geprägte Verhaltensweise in eine derartige "Unschärferelation" zu ihren Alternativen setzen, müssen deshalb normintem (im Rahmen der Tatbestandsebene) bedeutungslos bleiben; sie lassen sich von daher nur (im Rahmen der Rechtfertigungsebene) als Normgeltungs bedingungen auffassen. Unter einem Rechtfertigungsgrund ist daher ein Umstände komplex zu verstehen, der (lediglich) zur ersatzlosen Elimininaton (nicht aber zur Neukonstitution) einer normierten Präferenzrelation führt. Die Normierung einer neuen, umgekehrten Präferenzrelation (als Reaktion auf Umstände, die die Güterschädlichkeit eines Verhaltens mindern/aufheben) muß überall dort unterbleiben, wo die Wertigkeit der Täterfreiheit, sich trotz der betreffenden Umstände (straffrei) gegen das dadurch nahegelegte Verhalten entscheiden zu können, einer StrafbarsteIlung dieser Entscheidung entgegensteht. In der (den Täter privilegierenden) Etablierung bloßer Rechtfertigungsgründe (statt negativer Tatbestandsmerkmale) äußert sich der gesellschaftliche Respekt vor der Entscheidung des Täters, das (nur) "gerechtfertigte" Verhalten trotz aller dafür sprechenden Gründe lieber vermeiden zu wollen. Die "intolerante" Tatbestandslösung empfiehlt sich hingegen überall dort, wo dem Täter gerade eine be stimmte Verhaltenswahl (qua strafbewehrter Präferenzrelation) aufgedrängt werden soll.

ID. Tätermerkmale als Geltungsvoraussetzungen der Norm

1. Die Auffassung Armin Kaufmanns Nach den Rechtfertigungsgründen stellen sich die Tätermerkmale für Armin Kaufmann als zweite Untergruppe innerhalb der "reinen Ptlichtmerkmale" dar 60 • In alethischer Sprechweise lautete demnach die These Armin Kaufmanns' daß die Tätermerkmale zu denjenigen Strafbarkeitsvoraussetzungen gehören, die nicht erst im Normsatz (N: v -> S) ausgesprochen werden, sondern schon die Gültig keit der Norm selbst bedingen. Das Erfülltsein der Tätermerk male kennzeichne also keine Besonderheit des strafbedrohten Verhaltens (v), sondern eine Besonderheit der Norm, nämlich die nur beschränkte Gültigkeit

60 Armin Kaufmann, Nonnentheorie, S. 158; den., RechtspflichtbegrüDdung und Tatbestandseinschränkung, S. 278.

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

der von ihr umfaßten (inhaltlich unbeschränkten) Folgebeziehung (v -> S); Armin Kaufmann spricht demzufolge von "besonderen Normen"61.

2. Die Austauschbarkeit von Ttlter- und Verhaltensmerkmalen Nun läßt sich allerdings jedes Tätermerkmal logisch in eine entsprechend qualifizierte Verhaltensbeschreibung uminterpretieren. Wenn nämlich die Norm, daß v -> S, nicht für jedermann G), sondern nur für einen speziellen Täteckreis (t) gelten (g) soll, so läßt sich dieses Regelungsvorhaben ebensogut über eine Geltungsbedingung verwirklichen, t

-> (v -> S)8,

d. h. "für alle Angehörigen des Täterkreises t gilt, daß die Realisierung des Verhaltens v in Höhe von S strafbar ist", wie tatbestandsimmanent ausführen: Ausgangspunkt der Strafbedrohung darf dazu dann nur nicht einfach v (z. B. irgendeine Tötung), sondern muß gerade yl (z. B. eine trotz t-Zugehörigkeit begangene Tötung) sein, j -> (v t -> S)8,

d. h. "für jedermann gilt, daß die Realisierung des Verhaltens "v trotz t-Zugehörigkeit" in Höhe von S strafbar ist". Angenommen, es gäbe ein spezielles Verb namens "Töhten", welches das von einem t-Zugehörigen (etwa einem Amtsträger) begangene "Töten" bezeichnete; eine Norm, die lediglich beabsichtigte, die von t-Zugehörigen verübten Tötungen zu unterbinden, könnte als besondere Norm (i. S. Armin Kaufmanns) lauten: "Für alle Amtsträger gilt, daß Tötungen zur Strafbarkeit führen", sie könnte aber auch als Jedermann-Norm formuliert werden als: "Für jedermann gilt (= es gilt), daß Töhtungen zur Strafbarkeit führen". Sämtliche Kennzeichnungen besonderer Täterqualitäten können mithin gleichzeitig als Beschreibungen eigenständiger Verhaltensmuster gelesen, aufgefaßt und ausgedrückt werden62 ; ob die Rechtsordnung sich zur Einordnung 61 Ders., Normentheorie, S. 134, 143, 148. 62 Das Phänomen der Janusköpfigkeit beinahe sämtlicher Merkmale hat schon Annin Kauf·

mann, Normentheorie, S. 137 f., 155, 242; ders., Unterlassungsdelikte, S. 305 f. gesehen. Kauf mann glaubt jedoch immerhin an die theoretische Konstruierbarkeit "reiner Tätermerkmale", Rechtspflichtbegriindung und Tatbestandseinschränkung, S. 284, und versucht diese Möglichkeit mit einem Beispiel (einem Verbot an alle männlichen Angehörigen des Jahrgangs x, die Bundesrepublik zu verlassen) zu belegen. Da sich aber anstelle der Handlungsbeschreibung "Verlassen der Bundesrepublik" ohne weiteres eine speziellere, eigens kreierte Handlungsbeschreibung setzen

III. Tatennerkmale als Geltungsvoraussetzungen der Norm

153

des strafbarkeitsrelevanten Moments der "Amtsträgereigenschaft" eines Tätermerkmals oder einer Verhaltensspeziflkation bedient. scheint seinen Ursprung mehr in sprachlichen Zufälligkeiten als in dogmatischen Zwangsläufigkeiten zu finden. Der Gesetzgeber besitzt zwar sicher die Möglichkeit. die tatbestandlichen Verhaltensbeschreibungen so weit zu fassen, daß sich anschließend die Notwendigkeit herausstellt, die normierten Präferenzrelationen für gewisse Tätergruppen (bei Nichterfülltsein der Tätermerkmale) normextern wieder außer Kraft zu setzen; da aber der Gesetzgeber stets auch die Möglichkeit besitzt. seine Regelungsintention schon im Rahmen eines entsprechend restriktiv abgefaßten Tatbestands paßgerecht umzusetzen, ist zunächst kein Bedarf für die Einführung einer zusätzlichen dogmatischen Kategorie in bezug auf Tätermerkmale ersichtlich. Auf den Nachweis eines solchen Bedarfs käme es aber gerade an, denn Ziel einer rechtsdogmatischen Arbeit kann es nicht sein, möglichst zahlreiche, logisch zwar durchführbare, materiell aber unnötige Distinktionen zu treffen, es muß ihr vielmehr darum gehen, aus der Unzahl verunklarender Distink tionen diejenigen herauszulesen, die - in Armin Kaufmanns Worten63 - "zwingenden Notwendigkeiten" axiomatisch folgerichtiger Rechtssystematisierung Rechnung tragen.

3. ZUr Tatbestandsfremdheit willensunabhlingiger UmsULnde Daß hinter der dogmatischen Sonderbehandlung spezieller Tätermerkmale sachlogische Notwendigkeiten stehen, läßt sich also nur aufzeigen, indem die vorgeschlagene Sonder behandlung im Hinblick auf den Strafrechtszweck, Rechtsgüterschutz mittels Verhaltensbeeinflussung betreiben zu wollen, als unverzichtbar dargetan wird. Entsprechend gestaltet sich denn auch Armin Kaufmanns Argumentation: a) Die Argumentation Armin Kaufmanns Verhalten lasse sich strafrechtlich nur dadurch beeinflussen, daß an die menschliche Fähigkeit zur fmalen Steuerung des Kausalprozesses angeknüpft werde64; das Recht könne also nichts anderes versuchen, als durch Ge- und Verbote (alethisch gesprochen: durch Strafbedrohungen) den Verwirkliließe (etwa "Desertion aus der Bundesrepublik"), die gerade das Verlassen der Bundesrepublik durch männliche Angehörige des Jahrgangs x bezeichnete, vennag das Kaufmannsehe Beispiel nicht m überzeugen: Die Strafbarstellung von "Desertionshandlungen" gälte wiederum für jedermann, der diese Handlungsbeschreibung erfüllL 63 Armin Kaufmann, Nonnentheorie, S. IX. 64 Ders., Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 41; ders., Hans WeIzeI mm Gedenken, S. 287. 12 Hoyer

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

chungswillen potentieller Täter auf bestimmte Ziele hin- bzw. von bestimmten Zielen wegzulenken6s • Die strafrechtliche Norm bemühe sich demgemäß um eine Beeinflussung des finalen Verwirklichungswillens, wende sich deshalb (nur) an diesen und mache (nur) seine Entäußerungen zu ihrem Gegenstand66• Sachverhaltselemente, auf deren Herstellung sich kein entsprechender Verwirklichungswille beziehen könne, dürften von daher nicht Gegenstand einer Strafrechtsnonn sein. Genau um solche Sachverhaltselemente handele es sich aber bei den Tätermerkmalen, denn diese seien zur Tatzeit entweder (schon) erfüllt oder (blieben weiterhin) unerfüllt, der Verwirklichungswille beziehe sich (während der Tat) in jedem Falle nicht auf sie67 • Sofern sich eine Vorschrift lediglich an einen bestimmten Täterlcreis wenden wolle, könne ein derartiges Regelungsvorhaben deshalb nicht innerhalb der (nur die Gestaltung des Verwirklichungswillens bezweckenden) Nonn - tatbestandsimmanent - realisiert werden, sondern allein normextern - im Rahmen einer Geltungsbedingung der Norm68 - in Angriff genommen werden. Eine "besondere Norm" i. S. Armin Kaufmanns69 lautete daher (alethisch formuliert): "Für alle Zugehörigen eines bestimmten Täterkreises gilt, daß die (Nicht-) Entäußerung eines bestimmten Verwirklichungswillens als Konsequenz Strafbarkeit in einer bestimmten Höhe nach sich zieht". Aus dem (per Axiom vorgegebenen 70) Strafrechtsziel der (am Rechtsgüterschutzanliegen orientierten) Verhaltensbeeinflussung folgert Armin Kaufmann mithin, daß Tätermerkmale - dogmatisch betrachtet - keine Tatbestandse1emente, sondern allenfalls Nonngeltungsbedingungen (alethisch umformuliert71 ) sein könnten.

b) Die Kritik Roxins Die Schlüssigkeit dieser argumentativen Deduktion wird nunmehr zu beleuchten sein. Roxin wendet gegen die vorgeführte 'Beweiskette ein, daß sie dem menschlichen Verwirklichungswillen einen Status einräume, der diesem tatsächlich nicht zukomme72 : Strafrechtliche Normen brauchten durchaus nicht allein den (in bestimmter Weise ausgeprägten) Verwirklichungswillen zu ihrem Gegenstand und Anknüpfungspunkt zu machen, sie könnten vielmehr daneben 6S De1'$., Unterlassungsdelikte, S. 20; ders., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S.154. 66 Ders., Normentheorie, S. 104,281,284; de1'$., UnterJ.sungsdelikte, S. 20. 67 Ders., Normentheorie, S. 152, 158. 68 Armin Kaufmann spricht hier von "reinen Pflichtmerkmalen", Normentheorie, S. 158. 69 Ders., LLO., S. 134, 137 ff., 148. 70 Vgl. Kap. Aß 3. 71 Vgl. Kap. E. I 2, 3. 72 Roxin, Offene Tatbestände und Rechtspßichtmerkmale, S. 74.

III. Tätennerkmale als Ge\tungsvoraussetzungen der Nonn

155

auch willensunabhängige Vorgegebenheiten der Tatsituation inhaltlich mitberücksichtigen 73. Außer den Tätermerkmalen existierten nämlich noch diverse weitere Tatumstände, die einerseits keiner willentlichen Verwirklichung bedürften, andererseits aber für das Rechtsgüterschutzinteresse wesentlich seien. So unterlägen etwa bei einem Diebstahl sowohl Fremdheit als auch Beweglichkeit und sogar der Sachcharakter eines weggenommenen Gegenstands keiner willentlichen Gestaltung im Rahmen der Tat, dennoch lasse sich die tatbestandliche Relevanz dieser situativen Daten innerhalb einer am Rechtsgüterschutz orientierten Norm nicht bestreiten74. Wenn es für die Tatbestandszugehörigkeit eines Elements aber (ohnehin) nicht ausschließlich auf dessen willentliche Herstellbarkeit ankomme, dann entfalle zugleich jeder Grund dafür, gerade die Tätermerkmale (für die nichts anderes gelte) deswegen aus dem normierten Tatbestand auszugliedern. Roxin spielt in seiner Argumentation also das eine strafrechtliche Axiom (ReChtsgüterschutz) gegen das andere (VerhaltenSbeeinflussung) aus: Sub specie RechtsgUter schutz müßten norminhaltlich auch solche Umstände auftauchen' die sub specie Verhaltensbeeinjlussung unergiebig (weil nicht per Verwirklichungswillen steuerbar) erschienen. Wer jedoch - wie Roxin - die beiden Axiome in ein Konträrverhältnis zueinander setzt, übersieht, daß Strafrecht Rechtsgüterschutz gerade durch Verhaltensbeeinflussung betreiben will, die genannten Zwecke also nicht unverbunden nebeneinander und schon gar nicht antipodisch gegeneinanderstellt, sondern aufeinander bezieht. Das Bemühen um Verhaltensbeeinflussung ist nicht Selbstzweck, sondern nur Zwischenziel, eingespanntes Mittel auf dem Wege zum Endziel "Rechtsgüterschutz". Auf der anderen Seite soll das Ziel "Rechtsgü terschutz" nicht auf jede zweckdienliche Weise verfolgt werden, sondern nur über das Mittel "Verhaltensbeeinflussung", d. h. nur in den Grenzen, innerhalb derer sich Verhalten überhaupt manipulieren läßt. Das Strafrechtsinstrument "Norm" darf deshalb aus axiomatischen Gründen nur soweit (aktiv) Verhaltensbeeinjlußbarkeit zu betreiben versuchen, wie (passiv) Verhaltensbeeinjlussung angelegt ist. Die Beeinflußbarkeit von Verhalten setzt aber (Verhaltens-)Steuerungsfähigkeit voraus - und Verhaltenssteuerung geschieht über den Verwirklichungswillen. Verhaltensweisen, deren Vollzug nicht von einem entsprechenden Verwirklichungswillen abhängt, lassen sich (seitens des Täters) weder zielgerichtet bewerkstelligen noch vermeiden und demzufolge auch durch Strafbedrohungen (seitens der Norm) weder herbei - noch hinwegmanipulieren. Die Norm kann ihren (Zwischen-)Zweck "Verhaltensbeeinflussung" also nur durch Manipulation des Verwirldichungswillens erreichen - und nur die Beeinflussung des Verwirklichungswillens ist folglich auch vom Normzweck "Verhaltensbeeinflussung"

73 Den;. , a.a.O., S. 73. 74 Den;. , a.a.O., S. 73. 12'

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Kapitel E: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

her gedeckt. Ginge es der Norm daher tatsächlich - wie Roxin meint 7S - um mehr als um die Manipulation eben des Verwirklichungswillens, dann stellte sie sich insoweit als axiomatisch illegitim dar. Diese Konsequenz vor Augen faßt Armin Kaufmann die Tätermerkmale als tatbestandsfremd au(16 - weil durch deren Erhebung zur Strafbarkeitsvoraussetzung kein auf ihre Erfüllung gerichteter Verwirklichungswille erzeugt oder unterbrochen werden solle. Im Gegensatz zu Roxin gelangt Armin Kaufmann also zu der Erkenntnis, daß die Norm (ihrem Zweck entsprechend) nur auf den Inhalt des Verwirklichungswillens (und aber den Verwirklichungswillen auf das vom Willen erfaßte Geschehen) Einfluß zu nehmen versuchen dar(17.

c) Zur Willensunabhängigkeit von Tätermerkmalen Die Umsetzung dieser Erkenntnis durch Armin Kaufmann bleibt aber zweifelhaft. Es fragt sich nämlich, ob dabei nicht der normativ beeinflußbare Inhalt des Verwirklichungswillens im Ergebnis zu gering veranschlagt wird. Zwar trifft es zu, daß der Verwirklichungswille des Täters während der Tat keine spezielle Ausrichtung auf eine Erfüllung der (ohnehin bereits gegebenen und insofern gar nicht mehr zu verwirklichenden) Tätermerkmale erfährt (und davon also normativ auch nicht abgehalten zu werden braucht). Aber der Verwirklichungswille kann sich doch durchaus auf eine Realisierung des Gesamtgeschehens "ein Amtsträger begeht eine Körperverletzung" beziehen. Genauso wie der Verwirklichungswille des Täters ohne weiteres das Geschehen "ein Amtsträger erleidet eine Körperverletzung" ansteuern kann (obwohl die Amtsträgereigenschaft des Opfers bereits vorliegt und insofern gar nicht mehr verwirklicht werden kann), so mag er auch die Amtsträgerqualität des Angreifers ("ein Amtsträger begeht eine Körperverletzung") mitumfassen. Der Wille des Täters muß sich nämlich auf eine Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Geschehens beziehen, nicht auf die Verwirklichung jedes einzelnen Merkmals. Natürlich lassen sich die der Tathandlung bereits vorgegebenen Wirklichkeitssegmente (etwa die Tätermerkmale oder die Konsistenz des Tatobjekts) im Rahmen der Tat nicht mehr eigens verwirklichen, für den Tatbestand insgesamt gilt dies jedoch nicht. Der Tatbestand muß in diesem Sinne als eine Art "Drehbuch" verstanden weIden, das die Inszenierung eines bestimmten Geschehens beschreibt (beispiels weise des Films "Ein Amtsträger begeht eine Körperverletzung"); jeder Beteiligte, der bei der Inszenierung des Dreh buchs (der Filmproduktion) eine der dort aufgeführten Rollen übernimmt, wirkt an 7S Den. , LLO., S. 73. 76 Armin Kaufmann, N S) überhaupt gilt (d. h. durch die Normgeltungsbedingungen); neben norminternen und -externen Strafbarkeitsvoraussetzungen ist ein drittes Element nicht denkbar.

79 Vgl. Kapitel E. 11. 4. b).

IV. Zusammenfassung des Kapitels

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Normintern wird Strafbarkeit davon abhängig gemacht, ob eine bestimmte Verhaltensform gegenüber einer zur Wahl stehenden Verhaltensalternative bevorzugt wird; Tatbestände sind somit als strafbewehrte Präferenzrelationen aufzufassen. Umstände, deren Hinzutreten zur Begrün dung neuer, veränderter Präferenzrelationen führen soll, müssen demnach im Tatbestand Berücksichtigung fmden. Umstände, deren Hinzutreten lediglich normierte Präferenzrelationen außer Kraft setzen soll, bleiben demgegenüber bloße Normgeltungsvoraussetzungen; das Erfülltsein einer Normgeltungsvoraussetzung führt also (anders als das Erfülltsein eines Tatbestandsmerkmals) immer zu einer Erweiterung des täterspezifischen Entscbeidungsspielraums. Aus diesem Grunde müssen Tätermerkmale (weil sie den Ent scbeidungsspielraum des Täters verengen sollen) als Tatbestandsmerkmale begriffen werden, während Rechtfertigungsgründe (weil sie dem Täter eine zusätzlicbe straffreie Verhaltensmöglichkeit verschaffen sollen) als (Un-)Gültigkeitsvoraussetzungen der Norm auftreten müssen. Sowobl über die Stellung der Täter- als aucb über die der recbtfertigenden Elemente entscbeidet also der Wert, den die Rechtsordnung der Verbaltensfreiheit des Täters einräumt. Die Entscbeidung fällt allerdings in unterscbiedlicber Ricbtung aus: Während der reduzierte Wert der Verhaltensfreiheit des qualifizierten Täters zur Tatbestandsintegration des entsprecbenden Merkmals veranlaßt, führt der überwiegende Wert der tätereigenen Verhaltensfreiheit bei den Recbtfertigungsgründen gerade umgekehrt zu deren Tatbestandsextemität

Kapitel F Vollendung und Versuch (bzw. Kausalität und Finalität)

Gemäß dem bisher Erarbeiteten zeichnet sich die Strafrechtsnorm ihrer Struktur nach dadurch aus, daß in ihr ein bestimmtes Verhalten (v) mit einer rechtlich nachteilhaften Konsequenz namens "Strafbarkeit" (S) verbunden wird. Diese Erkenntnis bezieht sich aber eben nur auf die logische Struktur, die äußere Form der Strafrechtsnorm, besagt also noch nichts über deren Inhalt. Um nähere Aufschlüsse auch zum Norminhalt zu gewinnen, käme es darauf an, die Eigenschaften des Verhaltens v zu benennen, mit denen sich die Norm beschäftigt (indem sie daran eine Sanktion knüpft).

I. Die Auffassung Annin Kaufmanns Ausgangsbasis bei der Beantwortung dieser Frage muß wiederum das strafrechtsgrundlegende Axiom sein, demzufolge die Strafrechtsnorm sich um Verhaltensbeeinflussung zwecks Rechtsgüterschutz zu bemühen hat: Das sanktionierte Verhalten muß also ein solches sein, auf das bezogen manipulative Anstrengungen im Interesse des Rechtsgüterschutzes Sinn machen; sonst stellte sich die normierte Sanktionierung als strafrechtsaxiomatisch illegitim dar. An dieser Stelle setzt die Argumentation Armin Kaufmanns ein: Wer (wie das Strafrecht) Verhalten manipulieren wolle, müsse sich (1) an eine verhaltenslenkende Instanz wenden, die (2) zudem manipulativen Einflüssen zugänglich seP. Als eine derartige Instanz empfehle sich allein der menschliche Verwirklichungswille, da dessen Bildung sowohl über das Zustandekommen von Verhalten entscheide (= 1) als auch mittels strafrechtlicher Normen beeinflußt werden könne (= 2)2. "Natürlicher Ansprechpartner" der Norm könne demgemäß nur der verhaltenstragende Verwirklichungswille sein - indem 1 Annin Kaufmann, Nonnentheorie, S. 106; deTS., Unterlassungsdelikte, S. 3; ders., Hans Weizei zum Gedenken, S. 287. 2 Ders., Normentheocie, S. 106 f.; ders., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 153 f.

I. Die Auffassung Armin Kaufmanns

163

nämlich das von ibm getragene Verhalten entweder "geboten" oder "verboten" werde Ge nachdem, ob der Verwirklichungswille von seinem Inhalt her dem Rechtsgüterschutz zu- oder abträglich erscheint) 3 • Für die Normrelevanz eines Verhaltens sei mithin nicht dessen objektive Rechtsgüterverträglichkeit (sein "Erfolgs unwert"), sondern die subjektive des hinter ibm stehenden Verwirklichungswillens (sein "Handlungsunwert") maßgeblich4 • Dies bedeutet (in Armin Kaufmanns Worten), daß "der Erfolgseintritt keine notwendige Bedingung der Normübertretung, d. h. der TatbestandsIDäßigkeit oder Rechtswidrigkeit, sondern Bedingung der Strajbarkeit"5 ist, während "der Handlungsunwert ganz generell nicht nur ein konstitutives Element des Unrechts unter mehreren ist, sondern ... Handlungsunrecht oder Unterlassungsunrecht schlechthin das Unrecht menschlichen Verhal tens ausmachen" 6 • Ob dem Täter die Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs gelinge (und seine Tat so zur "Vollendung" gelange) oder mißlinge (und seine Tat so im Stadium des "Versuchs" steckenbleibe), sei für das Vorliegen einer Norm- bzw. Pflichtwidrigkeit bedeutungslos, entscheide vielmehr allenfalls über deren Strafbarkeit 7 • Den dargestellten Ausführungen Armin Kaufmanns liegt dessen bereits behandelte 8 Vorstellung zugrunde, die Norm konstituiere zunächst lediglich eine Pflicht, während erst ein zweiter Rechtssatz (das "Strafgesetz") für etwaige Pflichtverstöße ("Unrecht") i. S. Armin Kaufmanns dann ggf. "Strafbarkeit" festsetze. Auf der Basis einer solchen dualistischen Systematik läßt sich die Kaufmannsche Differenzierung zwischen (Norm- bzw.)Pflichtwidrigkeitsvoraussetzungen einerseits und sonstigen Strafbarkeitsvoraussetzungen andererseits immerhin diskutieren; der Erfolgseintritt mag innerhalb dieser Dichotomie durchaus als pflichtexterne ("objektive") Strafbarkeitsbedingung eingeordnet werden müssen. Im Rahmen des hier entwickelten und zugrunde gelegten monistischen Strafrechtssystems 9 entfällt jedoch die Kategorie "Pflicht" und damit auch die

3 Den., Nonnentheorie, S. 104; den., UnterJassungsdelikte, S. 3; ders., Methodische Probleme der Gleichstellung, S. 96. 4 Ders., Zum Stande der Lehre vom personalen Umecht, S. 153, 160 f.; ders., Hans Weizei rum Gedenken, S. 287; ders., Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 43; ders. , Die Dogmatik des AIternativentwurfs, S. 244. 5 Den., Zum Stande der Lehre vom personalen Umecht, S. 168. 6 Den. , a.a.O., S. 169. 7 Ders., a.a.O., S. 168. 8 V gl. Kapitel C. 11. 2. a) I b). 9 V gl. Kapitel C. 11. 2. e).

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

Zwischenstufe besonde rer (qualifizierter) Pflichtwidrigkeitsvoraus setzungen; die Norm läßt unmittelbar auf die Realisation ihrer Voraussetzungen die Konsequenz "Strafbarkeit" folgen. Die Kaufmannsche These, der Erfolgseintritt entscheide lediglich über die Strafbarkeit, nicht aber über Norm- und Pflichtwidrigkeit ("Unrecht")lO, läßt sich daher so nicht halten: Indem der Erfolgseintritt über die Strafbarkeit entscheidet, betrifft er bereits das Unrecht, weil "Unrecht" terminolo gisch nichts anderes bedeutet als "Verwirklichung der in einer gültigen Norm vorgesehenen Strafbarkeitsvoraussetzungen"11. Von dieser alethischen Ausgangsposition her können sich bezogen auf den Erfolg dann allenfalls noch die Fragen stellen, (1) ob dessen Eintritt überhaupt als Unrechtsvoraussetzung Berücksichtigung verdient oder gar ver langt und (2) wie (an welcher Stelle) eine etwaige Berücksichtigung ggf. vorzunehmen wäre - innerhalb (als Tatbestandsvoraussetzung) oder außerhalb (als Gültigkeitsvoraussetzung) der Norm. Beiden Fragen soll im folgenden näher nachgegangen werden.

11. Der Erfolgseintritt als Unrechtsvoraussetzung

1. Zur kriminalpolitischen Bedeutung des Erfolgseintritts Nach Armin Kaufmanns Auffassung empfiehlt sich grundsätzlich "die Gleichbehandlung von Vollendung und beendetem Versuch"12, d. h. bei vollständiger Entäußerung eines subjektiv-rechtsgutskonträr ausgerichteten Verwirldichungswillens soll es für die Sanktion auf den zusätzlichen Eintritt eines objektiv-rechtsgutskonträr ausfallenden Erfolgs regelmäßig nicht mehr ankommen (" ... liegt es somit nahe, von der fakultativen Strafmilderung beim beendeten Versuch keinen oder doch nur spärlichen Gebrauch zu machen"13). Immerhin gibt aber schon Armin Kaufmann zu bedenken, daß "der Eindruck der Tat auf den Täter selbst und dessen Sühnebereitschaft ungleich größer ist, wenn der Erfolg wirklich eingetreten ist"14. Erst der Erfolgseintritt vermöge nämlich häufig dem Täter augenfällig zu machen (so Hom 15), "wie recht der Gesetzgeber hatte, gerade diese Handlung zu verbieten" (alethisch: unter Strafe zu stellen) - mit dem Ergebnis, daß der "Täter mit einer besonderen Aussicht 10 Armin Kaufmann. Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 168. Vgl. Kapitel D. 11. 1. 12 Armin Kaufmann. Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht. S. 161; vgl. auch den .•

II

Die Dogmatik des Alternativentwurfs. S. 244. 13 Den.• Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 161. 14 Den.• Das fahrlässige Delikt, S. 148. 15 Horn. Konkrete Gefährdungsdelikte. S. 101.

11. Der Erfolgseintritt als Unrechtsvorausset2llng

165

auf therapeutischen Erfolg der Strafe zugeführt werden"16 könne. Die Bereitschaft des Täters, sich per Strafe resozialisieren zu lassen, nehme deshalb tendenziell parallel zur Erfolgsmächtigkeit seiner Tat zu, eine Bereitschaft, welcher der Staat mit tatsächlicher Bestrafung entsprechend unterstützend entgegenkommen müs se17. Der Erfolgseintritt läßt sich auf diese Weise jedoch nicht nur als ein spezialpräventiv relevantes Datum erweisen, nach Zielinski18 kommt ihm vielmehr darüber hinaus auch aus generalpräventiver Sicht eine maßgebliche Funktion zu. Im Erfolgseintritt verselbständige sich das Verbrechen als ein soziales Phänomen, das die bloße Unrechtshandlung überdauere und einen bestimmten Eindruck bei einer Vielzahl von Menschen hinterlasse 19; je nachhal tiger das geschehene Unrecht sich aber der Allgemeinheit bemerkbar mache, desto mehr wachse deren Verunsicherung und damit auch das Bedürfnis, auf diese manifest gewordene Provokation der Rechtgemeinschaft mit Sanktionen zu reagieren 20.

So diskutabel diese Argumente zur spezial- und generalpräventiven Bedeutsamkeit des Erfolgseintritts ihrem Inhalt nach auch erscheinen mögen 21, so wenig belegen sie andererseits jedoch gerade dessen Rolle als Unrechtsvoraus setzung. Selbst wenn es nämlich zuträfe, daß der Erfolgseintritt die Strafnützlich- und -bedürftigkeit in präventiver Hinsicht zu steigern imstande ist, so beträfe diese Erkenntnis doch nur die Zweckmäßigkeit tatsächlicher Bestrafung (Strafzweckmäßigkeit), nicht aber die Voraussetzungen rechtmäßiger "Strafbarlceit" . Wie oben ausgeführt wurde22 , sind Strafbarkeit und Bestrafung scharf voneinander zu unterscheiden: Während "Bestrafung" die tatsächliche ZufUgung eines bestimmten Zwangsakts meint, bezeichnet "Strafbarkeit" den Nachteil, durch ein Verhalten zu derartiger Bestrafung Anreiz zu geben. Bestrafungsanreize (Strafbarkeit) erscheinen dabei nur proportional zur GUterfeindlichkeit des in Bezug genommenen Verhaltens rechtens, tatsächliche Zwangsakte (Bestra16 Den., a.a.O., S. 101. 17 Den., a.a.O., S. 100 ff. 18 Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 205 ff. 19 Den., a.a.O., S. 208.

20 Den., a.a.O., S. 207, 209. 21 KindhlJuser, Gefährdung als Straftat, S. 192, bringt gegen die von Kaufmann und Hom behauptete spezialpräventive Bedeutsamkeit des Erfolgseintritts vor, daß es allenfalls 211 einer Strafmildemng führen könne, wenn der &folg eintrete und den Täter beeindrucke. Damit wird aber das Kaufmannsche Argument verkannt: Es geht nicht darum, ob der Täter sich von (den Folgen) seiner Tat beeindmckt zeigt, sondern darum, ob er eine Bestrafung seiner Tat (aufgrund deren Folgen) als legitim empfindet, d h. "Sühnebereitschaft" entwickelt. 22 Vgl. Kapitel C. 11. 3. e).

166

Kapitel F: VoIlendung und Versuch

fung) nur proportional zur Veranschaulichungsbedurftigkeit des Übels "Strafbarkeit" zweclaniJßig 23• Infolgedessen bemißt sich die Legitimität von" Strafbarkeit" (Unrecht) danach, ob konkret das strafbar gestellte Verhalten güterfeindlich (und deshalb verhinderungswürdig) erscheint, die Zweckmäßigkeit von" Bestrafung" hingegen danach, ob zukUnjtiges strafbares Verhalten dadurch wirlcsamer verhindert werden kann. Überlegungen zur Strafempfänglichkeit des Täters bzw. zum Strafverlangen der Allgemeinheit bezweifeln nicht die Güterfeindlichkeit erfolglosen Verhaltens, sie zielen vielmehr auf eine Effektuierung des Sanktionseinsatzes zwecks Unterbindung weiterer Straftaten ab, d. h. sie thematisieren die Opportunität einer UmsetzWlg von Strafbarkeit in Bestrafung. Daß es sich bei der Berücksichtigung des Erfolgausbleibens um eine Strafzweckmäßigkeitsfrage handelt, spricht Zielinski deutlich aus, wenn er feststellt: "Ob der Staat von seinem an sich bestehenden Strafanspruch überhaupt oder nur teilweise Gebrauch macht, das hängt nicht zuletzt davon ab, welche Auswirkungen auf die Rechtsgemein schaft von der Handlung ausgingen" 24. Die Existenz eines "an sich bestehenden Strafanspruchs", alethisch gesprochen also von "Strafbarkeit", wird hier bereits anerkannt, das Ausbleiben des Erfolgs soll ohne Einfluß auf die Strafbarkeit bleiben. Ebenso wie die (üblicherweise unter dem Begriff "Fehlen von Schuld" zusammengefaßten) motivatorischen Hindernisse auf dem Wege zur Vermeidung eines bestimmten Verhaltens unterfallen auch die (üblicherweise unter dem Begriff "Fehlen des Erfolgseintritts" zusammengefaßten) objektiven Hindernisse auf dem Wege zur Verwirklichung eines bestimmten Verhaltens im Rahmen des Deliktsautbaus der Prüfungsstufe "Strafzweckmäßigkeit einer BestrafWlg" .

2. ZUr Tatbestandsrelevanz des Erjolgseintritts Dieses Ergebnis darf jedoch nicht vorschnell akzeptiert werden. Es fußt vielmehr auf einer noch - nunmehr - zu hinterfragenden Voraussetzung: daß nämlich jegliches Erfolgsausbleiben allenfalls bezogen auf die Verhinderung künftiger Straftaten, d. h. präventionsorientiert, Bedeutung erlangen kann, die Güterfeindlichkeit des konkret erfolglos gebliebenen Verhaltens aber in keinem Fall zu berühren vermag. Für die Güterfeindlichkeit eines Verbal tens soll es der Auffassung Armin Kaufmanns folgend25 (wie dargelegt) lediglich auf die Konsistenz des Verwirklichungswillens ankommen, die den Verhaltensurheber zu seinem Verhalten treibt, d. h. auf die zugrundeliegende Finalstruktur. Eine irgendwie objektiv zu konstatierende Gütergefährlichkeit (oder gar 23 V gl. Kapitel D. III. 2. a) I b). 24 Zielinski. Handlungs- und Eri'olgsunwert, S. 2fJl. 25 Armin Kaufmann. Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht. S. 153. 160. 169; ders .• Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 43.

11. Dec Erlolgseintriu als Unrechtsvoraussetzung

167

-schädlichkeit) des Verhaltens sei demgegenüber nicht zu fordem 26, ein Kausalgesetz zwischen Verhalten und Güterschaden müsse also tatsächlich nicht einmal im Ansatz existieren. a) Die Argumentation Armin Kaufmanns Die Begründung, die Armin Kaufmann für diese Auffassung anführt, läßt sich in einem Satz zusammenfassen: Wer (wie das Strafrecht) zielgerichtet Verhalten beeinflussen will (beim Strafrecht: i. S. des Rechtsgüterschutzes), der muß darauf hinwirken, daß der finale Verwirklichungswille (als die menschliche Verhaltenssteuerungsinstanz) sich der erwünschten Zielrichtung gemäß (beim Strafrecht: gütererhaltend) ausrichtet27 - indem er Verhalten mit inhaltlich unerwünschtem Verwirklichungswillen diskriminiert (Armin Kaufmann: "verbietet") bzw. Verhalten mit inhaltlich erwünschtem Verwirklichungswillen privilegiert (Armin Kaufmann: "gebietet"). Diese Begründung gilt es, auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. Nicht zu beanstanden ist dabei sicher, daß (1)

menschliches Verhalten über den Verwirklichung willen gesteuert wird, und somit (2) das Strafrecht, soweit es menschliches Verhalten beeinflussen will, auf den Verwirklichungswillen Einfluß zu nehmen sich bemühen muß, wobei (3) es seine Bemühungen darauf richten muß, (a) entweder (destruktiv) zu verhindern oder (b) umgekehrt (konstruktiv) zu bewirken, daß ein bestimmter Verwirlclichungswille sich betätigt, (c) je nachdem, was die Wahrnahme von Rechtsgüterschutz erforderlichmacht

Das Problem liegt nun aber gerade in der Konkretion dieser zuletzt genannten Wendung "je nachdem, was die Wahrnahme von Rechtsgüterschutz erforderlich macht". Für Armin Kaufmann erfordert es der Rechtsgüterschutz, daß die NOtm sich bei der Willensbeein flussung an der Inhaltlichkeit des jeweiligen Verwirldichungswillens (an dessen Finalstruktur) orientiert28 : Die Betätigung eines güterfeindlich gesonnenen Verwirklichungswillens müsse "verboten" (al26 Den., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 161 f., 168; ders., Die Dogmatik des Alternativentwurfs, S. 244. Tl Den., Nocmentbeorie, S. 106 f.; den., Unterlassungsdelilcte, S. 3; ders., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 153 f.; den., Hans WeizeI zum Gedenken, S. 287. 28 Den. , Normentheorie, S. lOS ff.; ders., Unterlassungsdelilcte, S. 3, 20; den. , Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 153 f.; den., Hans Welzel zum Gedenken, S. 279, 287; den., Die Funktion des Handlungsbegriffs, S. 30.

168

Kapitel F: Vollendung und Versuch

ethisch ausgedrückt seine Bevorzugung unter Strafe gestellt) werden, die Betätigung eines auf Güterwahrung bedachten Verwirklichungs willens demgegenüber "geboten" (alethisch gesprochen: seine Hintanstellung unter Strafe gestellt) werden 29. Ein denkbarer Anknüpfungspunkt der NOlm wären statt dessen aber auch die

Auswirkungen des jeweiligen Verwirklichungs willens (dessen Kausalstruktur): Die Betätigung eines güterschädigend wirksamen Willens müßte dann normativ unattraktiv, die Betätigung eines güterwahrend wirkenden Willens normativ at-

traktiv gemacht werden 30 • Für eine nach Kausalitätsgesichtspunkten differenzierende Ausrichwng von "Strafbarkeit" spräche immerhin, daß Rechtsgüterschutz im Ergebnis schließlich darin besteht, den Eintritt bestimmter Erfolge (namens "Rechtsgutsverletzungen") nach Möglichkeit zu verhindern - an dieser Zielsetzung gemessen könnten die kausalen Folgen eines etwa zu betätigenden Verwirklichungswillens möglicherweise durchaus interessanter und (ziel-)relevanter erscheinen als seine fmale Ausrichwng. b) Die "Pflicht" als Basis der Argumentation Armin Kaufmanns Mit Armin Kaufmanns pfIichtenorientiertem Strafrechtskonzept 31 ließe sich eine derartige kausalbezogene Betrachtungsweise freilich nicht vereinbaren: Die Wirkungen, die sich aus der Betätigung eines bestimmten Verwirklichungswillens (unter Umständen) ergeben, liegen zum Zeitpunkt der betreffenden Betätigung jedenfalls immer noch - nur -in der Zukunft (und lassen sich vom Tatzeitpunkt her allenfalls mit mehr oder weniger großer Gewißheit prognostizieren). Das normierte generelle Sollen und letztlich die konkrete VerhaltenspfIicht vom Eintritt derartiger zukünftiger Wirkungen abhängig zu machen, 29 Zur [maIen Handlungs- bzw. Unrechtslehre vgl. insbesondere auch Welzel, Um die finale Handlungslehre, S. 9 ff.; den., Das neue Bild des Strafrechts, S. 1 ff.; den., Das deutsche Strafrecht, S. 33 ff.; den., Naturalismus und Wertphilosophie, S. 108 ff.; den., Strafrecht und Philosophie, S. 4 f.; den., Kausalität und Handlung, S. 19 ff.; den., Studien 1llm System des Strafrechts, S. 143 ff.; den., Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte, S. 14 ff.; den., Vom Bleibenden und vom Vergänglichen, S. 347 ff.; Hinch, 'ZStW 93, S. 844 ff.; den., Die Lcltre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, S. 329; Niese, Finalität, Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 8 ff.; Busch, Modeme Wandlungen der Verbrechenslehre, S. 7 ff.; Schaffstein, MDR 1951, S. 196; den., Welzel-Festschrift, S. 562; Stmlenwerth, SchwZStr 81, S. 181 ff.; ders., Strafrecht Allgenr.iner Teil, Rn. 147 ff.; 7ielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 128 ff.; Hom, Konkrete Oefährdungsdelikte, S. 78 ff.; den., SI{, § 46 Rn. 47. 30 Beling, Lehre vom Verbrechen, S. 9,17; RmJbTJICh, Da: Handlungsbegriff, S. 129 f.; v.liszJScJrmidt, Lehrbuch des Strafrechts, § 28; Mezger, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 91 ff.; den., Rittler-Festschrift, S. 119; den., OS 89, S. 250; Engisch, Kohlrausch-Festschrift, S. 161; ders., DJT-Festschrift, I, S. 416; den., Rittler-Festschrift, S. 176; Baumann/Weber, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 191 f. 31 Vgl. Kapitel C. I.

11. Der Erlolgseintritt als Unrechtsvoraussetmng

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hieße deshalb, das Sollen und die Pflicht selbst der Zukunft vorzubehalten. Wo erst der Erfolgseintritt Sollen und Pflicht zur Entstehung bringt. dort entstehen Sollen und Pflicht eben auch erst mit Erfolgseintritt. d. h. aber zu spät. um Bildung und Betätigung des dafür ursächlichen Verwirklichungswillens noch beeinflussen zu können. Da das Strafrecht jedoch Verhalten manipulieren will, muß das verhaltensmanipulati ve Instrument (nach Armin Kaufmann: die Pflicht) schon zum Zeitpunkt der Verhaltensvornahme verfügbar sein; hinkt die Pflichtentstehung dem (per Pflicht zu beeinflussenden) Verhalten hinterher, so wäre sie unfähig, ihre verhaltenssteuemde Funktion zu erfüllen. Zum Zeitpunkt des Erfolgseintritts gälte zwar von Rechts wegen, daß das vorangegangene Verhalten an sich nicht stattfinden sollte - doch dieses "Sollen" ginge mangels Erfüllbarkeit infolge Unmöglichkeit ins Leere. Zum Zeitpunkt der Verhaltensrealisierung aber ließe sich bestenfalls die künftige Entstehung einer Pflicht erwarten -doch es wäre zu diesem Zeitpunkt eben gerade nichts von Rechts wegen gesollt. gälte mithin keine entgegenstehende Pflicht. Die bloße Prognostizierbarkeit einer Pflicht ist ein reinfaktisches Phänomen, vermag aber keine Rechtspflicht zur vorweggenommenen Orientierung an einer gegenwärtig (noch) gar nicht existierenden Rechtspflicht zu begründen - nur bestehende Pflichten verpflichten. Vertritt man daher (wie Armin Kaufmann) einen Normbegriff, der dieser die Errichtung von Pflichten zum Anliegen macht. so können die Auswirkungen eines betätigten Verwirklichungswillens (irgendein Erfolgseintritt) nicht Anknüpfungskriterium der Norm sein; die Pflicht entstände sonst stets zu spät, um noch (wie erstrebt) Verwirklichungswillen mitgestalten zu können. Es war deshalb naheliegend, daß Armin Kaufmann die Norm (statt auf die Auswirkungen) auf die Inhaltlichkeit des betreffenden Verwirklichungs willens Bezug nehmen ließ, denn nur auf diese Weise konnte schon zum Zeitpunkt des zu beeinflussenden Verhaltens ein Sollen, eine Pflicht, hergeleitet werden; 32 so rechtfertigte sich die Ersetzung eines kausalen durch das fmale Unrechtskonzept33 .

32 Horn, SI(, § 46 Rn. 47. 33 Es ist verbreiteter, von kausaler und finaler Handlungslehre m sprechen, als kausale und finale Unrechtslehre munterscheiden. Armin Kaufmann, Die Funktion des Handlungsbegriffs, S. 30, stellt aber m Recht fest, "daß die eigentlichen dogmatischen Entscheidungen in der Unrechts lehre fallen, nicht in der Handlungslehre. Überhaupt wird der ganze modeme Streit der Handlungstheorien verständlich erst vor dem Hintergrund der Unrechtslehre", auf der aufbauend sich dann eine "Entsprechung zwischen Unrechts- und Handlungslehre leicht nachweisen"lasse. 13 Hoyer

170

Kapitel F: Vollendung und Versuch

c) Die Argumentation Armin Kaufmanns im Rahmen eines alethischen Strafrechts Diese Rechtfertigung könnte aber aufgrund der vorangegangenen 34 Bemühungen um die Entwicklung eines alethischen, "entpflichteten" Strafrechtsmodells brüchig werden. Grundlegend für dieses Modell ist dessen "Monismus": Es wird nicht - "dualistisch" - zunächst eine Pflichtnorm konstruiert, um sodann etwaige Verletzungen der Pflichtnorm ("Unrecht") mittels einer zweiten Rechtssetzung unter Strafe zu stellen, sondern davon ausge gangen, daß die Norm selbst und unvermittelt die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens meint. "Strafbarkeit" stellt sich in diesem Lichte nicht als gerechte Reaktion aufpflichtwidriges Verhalten (auf "Unrecht" i. S. Armin Kaufmanns) dar, sondern als der Preis, der in einer Norm an die Verwirklichung des strafbedrohten Verhaltens geknüpft wird. Während Armin Kaufmann demzufolge für (sein) "Unrecht" logisch eine

sclwn bestehende Pflicht benötigte, damit dieser Pflicht überhaupt zuwiderge-

handelt werden konnte, entfällt dieses Dilemma für das alethische Strafrechtskonzept. Da dem Normadressaten diesem Konzept zufolge zu keinem Zeitpunkt irgendein Verhalten zur Pflicht aufgegeben gewesen sein muß, um Strafbarkeit begründen zu können, braucht eine derartige Pflicht natürlich auch zum Zeitpunkt der strafbarkeitsbegründenden Verhaltensvornahme nicht bestanden zu haben. "Unrecht" im alethischen Sinne resultiert nicht aus dem ZuwideIhandeln gegen eine (bereits) bestehende Rechtspflicht, sondern aus der Realisation sämtlicher in einer gültigen Rechtsnorm benannten Strafbarkeitsvoraussetzungen. Von daher ist für alethisches "Unrecht" auch lediglich erforderlich, daß die

Strajbarkeitsvoraussetzungen als solche bereits benannt waren, bevor sie

(vollständig) erfüllt wurden. Um auf Verhaltensentschlüsse vor deren Verwirklichung Einfluß nehmen zu können, reicht dies auch. Gemessen am Ziel der Verhaltensbeeinflussung wäre ein Normsatz wie "sobald Dein Verhalten Erfolge zeitigt, sollst Du es unterlassen!" daher sicher verfehlt; die auf den Weg gebrachte Pflicht griffe dafür stets zu spät. Ein Normsatz wie "sobald Dein Verhalten Erfolge zeitigt, tritt Strafbarkeit ein" wäre hingegen (norm-)logisch nicht zu beanstanden; die Komponenten (a) Furcht vor drohender "Strafbarkeit" und (b) Kenntnis der Voraussetzungen für "Strafbarkeit" sind zusammengenommen durchaus dazu imstande, Verhaltensentschlüsse rechtzeitig im gewünschten Sinne umzudirigieren. Der Normadressat wäre, um "Strafbarkeit" zu vermeiden, gezwungen, im Wege einer Prognose die voraussichtlichen Auswirkungen einer Betätigung seines Verwirklichungswillens abzuschätzen und, falls diese Auswirkungen

34 Vgl. Kapitel C.lI. 2. c).

11. Der Erfolgseintritt als Unrechtsvoraussetmng

171

normrelevant erscheinen, sein Vorhaben fallenzulassen. Wenn die Norm ihre Sttafbedrohung davon abhängig stellte, daß das betreffende Vorhaben zum EIl tritt eines güterabträglichen Erfolgs führt, dann kann sie auf diese Weise Rechtsgüter schutz betreiben, Rechtsgüterschutz durch Verhaltensmanipulation (bewirkt über eine Beeinflussung des Verwirklichungswillens), wie es ihr per Axiom 3S als Aufgabe aufgetragen wurde. Im Ergebnis ließe sich dann eine kausale Unrechtslehre -entgegen Armin Kaufmanns Auffassung - mit den axiomatischen Vorgaben ebensogut vereinbaren wie die von Armin Kaufmann bevorzugte fmale Unrechtslehre. Während im Rahmen der Kaufmannschen Konzeption - ins Alethische gewendet - die Inhaltlichkeit des Verwirklichungswillens von der Norm aufgegriffen und zum Anknüpfungspunkt für "Strafbarkeit" erhoben wird, wird dieselbe Funktion im Rahmen einer kausalorientierten Konzeption von der Erfolgsur sächlich keit des Verwirklichungswillens wahrgenommen. Das Ausbleiben des Erfolgs (nach kausaler Betrachtung unrechts-, d. h. strafbarkeitsrelevant) spielt für das finale Unrechtsmodell erst innerhalb der Strafzweckmäßigkeitsprufung (der "Schuld" im Kaufmannschen Verständnis) eine Rolle, wirkt sich also auf die "Strafbarkeit" nicht aus.

Spiegelbildlich dazu vermag das Fehlen eines erfolgsbezogenen Verwirklichungswillens (nach fmaler Betrachtung unrechts-, d. h. strafbarkeitsrelevant) bei Zugrundelegung (allein) kausaler Gesichtspunkte das Unrecht nicht zu berühren, für die Strafzweckmäßigkeit (traditionell: "Schuld") kann dieses Defizit allerdings nicht außer Betracht bleiben: Wenn der Täter die Erfolgsursächlichkeit seines Tuns selbst bei bestem Willen nicht voraussehen konnte, dann wird ihm (spezialpmventiv) auch der Vollzug von "Bestrafung" nicht dazu verhelfen können, sich in künftigen Fällen anders zu verhalten, dann erschüttert eine Nicht-Bestrafung (positiv-generalpräventiv) weder die Rechtstreue der insoweit verständnisvollen Rechtsgemeinschaft noch gibt sie (negativ-generalpmventiv) Dritten, die in Voraussicht eigener Erfolgsursächlichkeit handeln, dazu Anlaß, ebenfalls auf Straffreiheit zu vertrauen. Kausale und fmale Unrechtslehre weisen dem Inhalt und den Auswirkungen eines betätigten Verwirklichungswillens somit genau umgekehrte Standorte innerhalb des Deliktsaufbaus zu, und der Kaufmannsche Pflichtgedanke kann (da im alethischen System obsolet) nicht als Argument herangezogen werden, um für die eine oder andere Lehre den Ausschlag zu geben. Es lassen sich statt dessen sogar noch weitere, kombiniert kausal-finale Unrechtsvarianten neben die erörterten, "rein durchgeführten" Lehrefl stellen: So könnte die Norm bei der Anordnung von "Strafbarkeit" etwa darauf abheben, ob Inhalt und Auswirkungen des jeweils zu betätigenden Verwirklichungswillens kumula-

35 Vgl. Kapitel A. 11. 3. 13*

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

tiv 36 - oder alternativ - rechtsgüterfeindlich erscheinen; das Wesen der Entität "Pflicht" spräche (weil bedeubmgslos) zumindest nicht gegen eine solche dualistische Unrechtskonzeption. Im Rahmen derartig gemischter Konzeptionen ließe sich dann zwischen dem Erfolgs- und dem Intentions unwert eines Verwirklichungs willens unterscheiden, wobei Unrecht entweder nur aufgrund des Zusammenwirkens beider Unwertskomponenten oder bereits aufgrund des Vorliegens einer Unrechtskomponente zustande käme. Damit ergibt sich aber hier das Problem, pflichtunabhängige Maßstäbe aufzuzeigen, die es gestatteten, einer der denkbaren Unrechtskonzeptionen den Vorzug zu verleihen. Derartige Maßstäbe müßten ihren Ursprung wiederum in der einzig zulässigen argumentativen Ausgangsbasis finden, im Axiom nämlich, daß die Veranstaltung "Strafrecht" darauf abzielt, Verhaltensmanipulation (vgl. d) im Interesse des Rechtsgüterschutzes (vgl. e) zu betreiben37 • d) Der Normzweck "Verbaltensmanipulatioo" und dessen Implikationen für die Tatbestandsrelevanz des Erfolgseintritts Zwar wurde oben 38 bereits festgestellt, daß auch eine an den Folgen eines betätigten Verwirklichungswillens anknüpfende Strafnorm prinzipiell Verhaltensentschlüsse zu beeinflussen vermag. Immerhin könnten sich aber quantitative Differenzen zwischen der manipulativen Wirksamkeit einer kausal- und einer finalorientierten Strafbarkeitsbedrohung ausmachen lassen. Erwiese sich tatsächlich eine der beiden Unrechtslehren am Ziel der Verhaltensmanipulation gemessen als effektiver, dann müßte ein diesem Ziel axiomatisch verpflichtetes Strafrecht ihr nämlich (gerade aufgrund dieser axiomatischen Bindung) den Vorzug gewähren. Es ist deshalb erforderlich, die Möglichkeiten einer Norm, Verhaltensentschlüsse zu beeinflussen, näher zu durchleuchten und insbesondere zu untersuchen, inwieweit kausale bzw. finale Unrechtslehre diese Möglichkeiten letztendlich ausschöpfen. Die Norm kann mit ihrer Strafbedrohung nur insoweit den Verwirklichungswillen (und damit Verhalten) beeinflussen, wie ein Normsatz das gemeinte, strafbedrohte Verhalten in einer Form beschreibt, die es dem potentiellen Täter ermöglicht, das von ihm erwogene Verhalten im Rahmen seiner Willensbildung lDlter diese Beschreibung zu subsumieren. Solange es dem potentiellen Täter nicht gellDlgen ist, das konkret von ihm erwogene Verhalten als zur Gattung der im Normsatz aufgeführten Verhaltensweisen gehörig zu erfassen, kann ihn die normierte Strafbedrohung (selbst wenn er sie kannte) nicht beein36 Vgl. Krauß, 'Z}jtW 76, S. 61 C.; Lampe, Das personale Unrecht, S. 210; Stratetrwerth, Schaffstein-Festschrift, S. 182 Cf.; ders., Schw'Z}jtr 79, S. 255; Samson, SI{, vor § 32 Rn. 5; SchUnemann, JA 1975, S. 511 C. 37 Vgl. Kapitel A. ß. 3. 38 Vgl. Kapitel F. 11. 2. c).

11. Der Erlolgseintrilt als Unrechtsvoraussel2llng

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drucken; sie betrifft sein Verhalten vermeintlich gar nichL Um verhaltensmaniputativ erfolgreich wirken zu können, müssen dem Täter also subsum tionsfähige Verhaltensdeskriptionen vorgegeben werden. aa) Die finalorientierte Norm

Eine Norm, die ihre Strafbedrohung an die Inhaltlichkeit eines zur Betätigung anstehenden Verwirklichungswillens knüpft, wird dieser Forderung uneingeschränkt gerecht: Sie baut auf den individuellen ontologischen und nomob gischen Annahmen des Täters auf, d. h. auf verhaltensursäch lichem Material, das dem Täter gerade deswegen geläufig ist, weil es originär subjektiv, in seinem eigenen Kopf beheimatet ist. Wenn die Norm daher ein Verhalten, dem eine bestimmte Fmalstruktur zugrunde liegt, mit Stratbarkeit bedroht, so kann die Kenntnis der damit bedeuteten Folgebeziehung Einfluß auf die Willensbildung etwaiger Normadressaten ausüben. bb) Die kausalorientierte Norm

Für eine Norm., die ihre Stratbedrohung an die objektiven Auswirkungen eines zur Betätigung anstehenden Verwirldichungswillens heftet, ergeben sich insoweit mehr Schwierigkeiten: Sie baut auf objektiven Momenten auf, d. h. auf Tatsachenmaterial, das dem potentiellen Täter (jedenfalls) zur Tatzeit möglicherweise unbekannt war und dann auch seinen Willensbildungsprozeß zwangsläufig unberührt lassen mußte. Die Kennblis der Norm kann den Normadressaten zwar zu einer zukunfts gerichteten Folgenabschätzung und auf diese Weise auch dazu bewegen, Abstand von einem Vetbalten zu nehmen, das ein allzu hohes Stratbarkeitsrisiko in sich birgt; insoweit kann es demzufolge zu einer Modifikation seines Verwirklichungswillens kommen. ce) Wirksamkeitsvergleich zwischen fmal- Wld kausalorientierter Norm

Bei der Beurteilung der willensbeeinflussenden Kraft einer kausalorientierten Strafbarkeitsandrohung muß aber zwischen den (drei) Fällen unterschieden werden, daß die vom Normadressaten aufgestellte Prognose zu dem Ergebnis führt, eine Herbeiführung des normrelevanten Erfolgs durch das erwogene Verhalten erscheine ausgeschlossen, immerhin möglich (mit allen denkbaren Abstufungen zwischen 1 % und 99 % Wahrscheinlichkeit), oder sogar gewiß. Soweit der Normadressat von seinem Tatsachenwissen her die Möglichkeit einer Erfolgsursächlichkeit seines Verhaltens für ausgeschlossen erachtet, wird eine ursllchlichkeitsorientierte ebensowenig wie eine am Ursächlichkeitswillen

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

orientierte Strafbedrohung dazu imstande sein, den Verwirklichungs willen des Täters umzuformen. Hält aber der Normadressat aufgrund seiner prognostischen Berechnungen den Erfolgseintritt (ebenso wie ein Erfolgsausbleiben) für mehr oder weniger weitgehend möglich, dann wird sich die Kenntnis einer kausalorientierten Strafbedrohung in seinem Motivationsprozeß folgendermaßen niederschlagen: "Realisierte sich die Möglichkeit Erfolgseintritt, so ergäbe sich vielleicht der erstrebte Tatvorteil, jedenfalls aber der Nachteil Stratbarkeit; realisierte sich die Alternative Erfolgsausbleiben, so blieben zwar vielleicht auch die erstrebten Tatvorteile, jedenfalls aber der rechtliche Nachteil Strafbarkeit aus". Bei einem (von ihm für möglich erachteten) Scheitern seiner Tat schnitte der Täter also unter Zugrundelegung einer kausalbezogenen Strafbedrohung schlimmstenfalls "plus-minus-Null" ab - anders als bei einer finalbezogenen Strafbedrohung: Da die finalorientierte Norm ihre Strafbedrohung allein an die Konsistenz des betätigten Verwirklichungswillens, hier also die auf den Erfolgseintritt gerichtete Möglichkeits vorstellung, heftet, schnitte der Täter bei einem Scheitern seiner Tat entschieden mit einem "Minus" (ohne zureichende Kompensation) ab; die Begehung der Tat wird also für den Täter insgesamt (der ja auch die von ihm anerkannte Möglichkeit eines Fehlschlagens der Tat in seine Kosten-/Nutzenabwägung mitgewichten muß) weniger attraktiv. Nur im Grenzfall absoluter subjektiver Gewißheit des Täters bezüglich des Erfolgseintritts wird der Täter die Implikationen eines Scheiterns seiner Tat motivatorisch vernachlässigen - insoweit wird der Täter mithin von einer kausalorientierten Strafbedrohung ebensosehr (bzw. -wenig) beeindruckt werden wie von einer finalorientierten. Innerhalb der großen Bandbreite bloßer Möglichkeitsvorstellungen aber erweist sich eine finalbezogene Strafbedrohung gegenüber einer kausalbezogenen als um so überlegener in ihrer willensbeeinflussenden Eindrücklichkeit, je unsicherer der Täter hinsichtlich des nur für möglich gehaltenen Erfolgseintritts bleibt. Eine kausalorientierte Norm müßte dieses Wirksamkeitsdeftzit durch höhere Strafbarkeitsquanten (relativ zur finalorientierten Norm) auszugleichen versuchen - und zwar durch um so höhere, je unwahrscheinlicher dem Täter der Erfolgseintritt anmutet. Um dies anband eines Beispiels klarzumachen: Ein Täter, der sich der angestrebten Wegnahme als Ergebnis seines Verhaltens gewiß war, möge sowohl nach kausal- als auch nach fmalorientierter Norm mit Strafbarkeit in Höhe von 10 Jahren bedroht sein. Ein Täter, der die angestrebte Wegnahme demgegenüber nur mit 10 %iger Wahrscheinlichkeit erwartet hätte, bräuchte bei fmaler Orientierung auch nur in Höhe von einem Jahr (10 % von 10 Jahren) stratbar gemacht zu werden, ohne daß sich der Motivationseffekt verringerte die Strafbarkeitshöhe könnte motivationsneutral direkt proportional zur Aussicht des Täters auf die vollendungsabhängigen Tatvorteile sinken. Bei kausaler Orientierung müßte die Stratbarkeitshöhe dagegen unabhängig von der Er-

11. Da- Erfolgseintritt als Unrechtsvoraussetzung

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folgsprognose stets konstant (bei 10 Jahren) bleiben, um den Täter motivatorisch gleich stark beeindrucken zu können - parallel zur geringeren Wegnahmechance nähme ja schon das Strafbarkeitsrisiko ab (= die Straflosigkeitschance zu), so daß nicht zusätzlich auch noch die Strafbarkeitshöhe absinken dürfte. Während also die kausalorientierte Norm hier 10 Jahre Strafbarkeit anordnen müßte, begnügte sich die finalorientierte Norm mit einem Jahr: Die Differenz in Höhe von neun Jahren drückt das fallbezogene Effizienzdefizit der kausalgegenüber der fmalorientierten Norm arithmetisch korrekt aus. Die finale Unrechts lehre vermag also dem axiomatisch vor gegebenen Ziel "Verhaltensmanipulation" mit geringerem Aufwand an Sanktionierung und normativer Reglementierung Genüge zu tun als die kausale. Mit anderen Worten: Die verschärfte Freiheitseinschränkung, die eine kausalorientierte gegenüber einer fmalorientierten Norm zur Erzielung desselben verhaltensmanipulativen Effekts vornehmen muß, läßt sich nicht durch Rekurs auf das Ziel "Verhaltensmanipulation" rechtfertigen; sie erweist sich insofern (gemessen an diesem Axiom) als illegitim. e) Der Normzweck "Rechtsgüterschutz" und dessen Implikationen für die Tatbestandsrelevanz des Erfolgseintritts Das endgültige Urteil über die kausale Unrechtslehre ist damit freilich noch nicht gesprochen; diese könnte nämlich zur Wahmahme von Rechtsgüterschutz besser geeignet erscheinen als finale Unrechtskonzeptionen. Falls eine kausalorientierte tatsächlich erfolgreicher als eine finalorientierte Norm den letztendli chen Strafrechts zweck "Rechtsgüterschutz" zu befördern imstande wäre, dann müßte dieser Vorteil den Ausschlag zu ihren Gunsten geben: Auch der (festgestellte) erhöhte Aufwand bei der Handhabung des Strafrechtsmittels "Verhaltensmanipulation" als eines bloßen Instruments im Dienste der Zweckverfolgung (der Verfolgung des Selbstzwecks "Rechtsgüterschutz") müßte dann in Kauf genommen werden. Tatsächlich scheint die kausale Unrechtslehre für sich in Anspruch nehmen zu können, dem Schutzbedürfnis des Rechtsguts vollauf zu entsprechen. Indem sie beispielsweise die Strafbarkeit eines Verhaltens ausschließlich daran koppelt, ob dieses Verhalten zu einem Güterschaden führt oder nicht, bedroht sie nur güterschädliches und zugleich jedes güterschädigende Verhalten mit Strafbarkeit. An einer derartigen Kongruenz zwischen Normzweck und Normerfolg scheint es bezogen auf die finale Unrechtslehre zu fehlen: Nicht jedes subjektiv güterfeindliChe Verhalten ist auch objektiv einen Güterschaden zu bewirken imstande, nicht jedem objektiv güterschädlichen Verhalten liegt umgekehrt ein gleichgerichteter Verwirklichungswille zugrunde zwischen dem Schutzbedürfnis des Rechtsguts und dem, was die f'male Un-

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

rechtslehre unter Strafe stellt, ergeben sich demzufolge häufig erhebliche Diskrepanzen. Dennoch wäre es verfrüht, aus diesen Bemerkungen schon die Schlußfolgerung ableiten zu wollen, eine kausalorientierte Norm verfolge den (ihr axiomatisch vorgegebenen) Zweck "Rechtsgüterschutz" also adäquater und durchgängiger, als eine finalorientierte Norm dies vermöge. Eine derartige Schlußfolgerung setzte vielmehr zunächst eine gründliche Analyse dessen voraus, was das Axiom "die Strafrechtsnorm bezweckt Rechtsgüterschutz" inhaltlich eigentlich besagt aa) Der Begriff des Rechtsguts

Den Zusammenhang zwischen Norm und Rechtsgut hat schon Armin Kaufmann eingehend analysiert 39 ; seine Überlegungen haben ihn dazu veranlaßt, eine Art "Stufenfolge" detjenigen Wertungen zu skizzieren, die jeder Normsetzung zwangsläufig voranzugehen hätten. Bevor eine Norm Rechtsgüterschutz bewirken könne, bedürfe es zunächst einer Festle gung der schützens werten (des Schützens werten) Sachverhalte, d. h. der Rechtsgüter 40• Es komme also zur positi ven Bewertung eines bestimmten Seinsausschnitts dahingehend, daß er "sein solle"41. Aus dieser positiven Wertung resultiere logisch eine daraus abgeleitete (sekundäre) Wertung, derzufolge alle Ereignisse, die jenes primär Sein-Sollende beeinträchtigen (Verletzungsursachen), ihrerseits nicht sein sollen42 . Eine derartige Negativbewertung verletzungskausaler Ereignisse müsse schließlich (tertiär) auch eine Negativbewertung jeglichen Verhaltens zur Folge haben, das sich um die Herstellung derartiger Verletzungsursachen immerhin bemUhe43 • Genau dieses aufgrund seiner Finalittlt negativ bewertete Verhalten werde dann zum Regelungsgegenstand der Norm, welche das Nicht-Sein-Sollen eines Verhaltens demgemäß zu dessen Nicht-Tun-Sollen ummÜDze 44 • Die angesprochenen drei Werturteile lägen logisch notwendig jedem normierten Tun-Sollen zugrunde 4s, ihr Inhalt lasse sich aus der Richtung des normierten Tun-Sollens rückschließen 46. Da alles, was aus einer Rechtsnorm abzulei ten 39 Annin Kaufmann, Nonnenlheorie, S. 67 ff. 40 Ders., a.a.O., S. 69; der8., Unterlassungsdelikte, S. 1. 41 Der8., Normentheorie, S. 69. 42 Ders., a.a.O., S. 70; ders., Unterlassungsdelikte, S. 2. 43 Der8., Normentheorie, S. 71. 44 Ders., a.a.O., S. 75, 77, 281; vgI. N. Hartmonn, Ethik, S. 171: "Das Sollen in diesem Sinne ist nicht das Tun-Sollen, das sich an ein Wollen des Subjekts wendet. Es ist nur ein ideales oder reines Sein-Sollen. Daraus, daß etwas an sich wertvoll ist, folgt noch nicht, daß jemand es tun soll; es bedeutet aber wohl, daß es sein soll"; zur Bedeutung der Unterscheidung zwischen Sein-Sollen und Tun-Sollen für die deontische Logik vgI. v. Wright, Nonnenlogik, S. 26. 4S Annin Kaufmann, a.a.O., S. 70,74 f., 77, 196,262. 46 Ders., a.a.O., S. 196,262.

11. Dec Fnolgseintritt als Unrechtsvoraussetmng

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sei, seinerseits Rechtscharakter trage47 , rechneten die legislatorischen Werturteile ebenso zmn Recht wie die darauf fußende Norm48 . In bezug auf den hier interessierenden Zusammenhang zwischen Norm und Rechtsgut unterscheidet Armin Kaufmann also zwei Rechtssätze: der eine (das positive Werturteil) "betrifft bzw. schafft die sog. Rechtsgüter"49 (z. B. daß menschliches Leben sein soll), der andere (die Norm) betrifft bzw. regelt dagegen ein Verhalten (z. B. daß Du nicht töten sollst). Gegenstand der nun folgenden Kritik dieser Ausführungen soll dabei nicht (mehr) das Normverständnis Armin Kaufmanns sein; in dieser Hinsicht sind bereits oben (aus alethischer Perspektive heraus 50) die erforderlichen Modifikationen vorgenommen worden (der Normsatz lautet danach: "Wer tötet, macht sich strafbar"). Kritikwürdig erscheint an dieser Stelle vielmehr der Rechtsgutsbegriff Armin Kaufmanns. Es soll in diesem Rahmen zwar nicht bezweifelt werden, daß beispielsweise einer Tötungen behandelnden Norm das Werturteil des Gesetzgebers vorausgegangen sein muß, menschliches Leben solle (unverletzlich) sein. Bezweifelt werden muß jedoch, daß dieses bloße Werturteil bereits Rechtsgü ter "betrifft bzw. schafft"51 - welche dann (anschließend!) nur noch normativ zu schützen sind. Wie Armin Kaufmann selbst zutreffend feststellt 52, rekrutiert der Rechtscbarakter des Werturteils, daß menschliches Leben sein soll, erst aus der logischen Ableitbarkeit des Werturteils aus einer gültigen Norm. Wenn aber erst die Norm die subjektive Bewertung, daß menschliches Leben sein soll, zmn objekti ven Rechtsbestandteil erhebt, dann kann es auch erst die Norm sein, die aus dem (für "gut" befundenen) Gegenstand der zunächst nur subjektiven Bewertung, dem "menschlichen Leben", einen Gegenstand (ein "Gut") des objektiven Rechts macht, d. h. ein Rechtsgut konstituiert. Die bloße unverbindliche positive Bewertung eines Sachverhalts, sei es durch wen auch immer (etwa auch durch "den Gesetzgeber"), "betrifft bzw. schafft"53 noch kein Rechtsgut, soodern bestenfalls ein Motiv, einen Anlaß zur zukünftigen Schaffung positivierter Rechtsnormen. Die Norm schafft sich dann gegebenenfalls ihr Rechtsgut selbst - indem (und sofern) sie nämlich rechtlich schützt54 .

47 Den., a.a.O., S. 262; vg\. Radbruch, Der Handlungsbegriff, S. 27 Cf.; Welzel, über Wertungen im Strafrecht, S. 27 f. 48 Annin Kaufmann, a.a.0., S. 262 f. 49 Den., a.a.0., S. 69. SO V gI. Kapitel C. 11. 2. b) I c). 51 So aber Armin Kaufmann, Normentheorie, S. (1). 52 Den., a.a.0., S. 262. 53 Den. , a.a.O., S. 69. 54 VgI. v. liszt-Schmidl, Lehrbuch des Strafrechts, S. 4: "Nicht die Rechtsordnung erzeugt das Interesse, sondern das Leben; aber der Rechtsschutz erhebt das Lebensinteresse zum Rechts gut"; den., ZStW 3, S. 19; den., ZStW 6, S. 673; den., ZStW 8, S. 137; Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 2112: "Rechtsgut wird ein Gut dadurch, daß es rechtlichen Schutz genießt".

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

bb) Das Wesen von "RechtsgUterschutz"

Vom (bei Armin Kaufmann angelegten 55) Primat des Rechts guts gegenüber der Norm ist also überzugehen zum Primat der Norm gegenüber dem Rechtsgut Nur das Geschütztsein durch eine gültige Norm qualiflZiert das geschützte Gut zum Rechtsgut; d. h. wo (solange) keine Norm gilt. läßt sich auch nicht von Rechtsgütern als deren Derivat sprechen; es gibt keine Rechtsgüter jenseits der Normen bzw. über die Normen hinaus. Die Aussage "Strafrechtsnormen bezwecken Rechtsgüterschutz" ist demnach sachlich identisch mit der Formulierung auszudrücken: "Strafrechtsnormen bezwecken dadurch, daß sie schützen, Gütern zum Status eines Rechtsguts zu verhelfen". Wenn kausale und finale Unrechtslehre hier daran gemessen werden sollen, inwieweit sie die (ihnen axiomatisch abverlangte) Leistung "Rechtsgüterschutz" erbringen, dann muß diese Erkenntnis zum Wesen des Rechtsgüterschutzes (und zur Rechtsgutsqualittlt eines Gegenstands) allerdings ins Quantitative gewendet werden: Bei der (per Normschutz erfolgenden) Umwandlung von Gütern in Rechtsgüter kommt es darauf an, jedem Gut einen seiner Wertigkeit entsprechenden Status (Rang) innerhalb der zu formierenden Rechtsgüterwelt zu verschaffen, d. h. den normativen Schutz wertigkeitsgemäß abzustufen. Vorzugwürdig wäre demnach die Unrechtslehre, der es eher gelänge, mittels des von ihr vorgeschlagenen Norminhalts eine wertigkeitsadäquate Rechtsgüterhierarchie zu produzieren (die Güterhierarchie zu reproduzieren). Ein Rechtsgut ist hierarchisch dabei um so höherrangig eingruppiert (d. h. das Recht ist um so interessierter am Bestand des geschützten Guts), je kompletter (intensiver und extensiver) es durch Normen rechtlich geschützt wird. Der Normschutz besteht - dem bisher Entwickelten folgend - aber genau darin, daß ein bestimmtes Verhalten (v) in einer gültigen Norm mit einer Sanktion (S) verbunden wird. Die Rangigkeit eines Rechtsguts resultiert also daraus, wie umfassend es durch Anzahl und Auswahl der normativ sanktionierten v's rechtlich abgeschirmt ist. und wie hoch innerhalb der normierten v-Sanktionierung die Position S angesiedelt worden ist ce) Wirksamkeitsvergleich zwischen fmal- und kausalorientierter Norm

Die Höhe der Position S und die Anzahl der sanktionierten v's sind für kausale und finale Unrechtslehre gleichermaßen disponibel. Ausschlaggebend für das Resultat des Vergleichs der beiden Lehren muß also sein, ob eher die Kri terien der kausalen oder der finalen Unrechtslehre für die Auswahl der sanktionierten v's einen wertigkeitsentsprechenden Aufbau der Rechtsgüterrangfolge gewährleisten. Dieser Frage soll im folgenden anband eines Beispiels nachgegangen werden: Angenommen, es existierte einerseits ein ausgesprochen

55 Armin Kaufmann, Nonnentheorie, S. 74, 77.

11. Der Frlolgseintritt als Unrechtsvorausset21lng

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hochwertiges, dafür aber relativ verletzungsresistentes Gut, andererseits ein weniger wertvolles, dafür aber besonders verletzungssensibles Gut Innerhalb der Rechtsgüterhierarchie müßte nun das erstgenannte Gut seiner Höherwertigkeit entsprechend auch den bevorzugten Rang eingeräumt erhalten, d. h. normativ besser umhegt werden. Die finale Unrechtslehre, die bei der Stratbarstellung eines Verhaltens auf den diesem zugrunde liegenden Verwirklichungswillen abstellt, ist dazu ohne weiteres imstande: Sie würde für die Betätigung eines auf die Verletzung des höherwertigen Guts gerichteten Verwirkli chungswillens einfach eine strengere Sanktion vorsehen als für die Betätigung des auf die Verletzung des minderrangigen Guts gerichteten Verwirklichungswillens. Bei Anwendung der kausalen Unrechtslehre ergäben sich hier hingegen Ungereimtheiten: Da die Stratbarkeit jedes Verhaltens danach unter dem Vorbehalt der Verletzungsursächlichkeit des Verhaltens erfolgte, bezöge sich die wesentlich umfassendere Stratbarstellung auf eine Verletzung des anfälligeren Guts - mit der Konsequenz, daß das geringerwertige Gut zum höherrangigen (weil besser geschützten) Rechtsgut erwüchse. Um diese Verzerrung zurechtzurücken, wäre die kausale Unrechtslehre dazu gezwungen, am Strafrahmen herumzumanipulieren; dies führte jedoch wiederum zu Normen, die sich am (axiomatisch aufgegebenen) Ziel der Verhaltensbeeinflussung gemessen als illegitim darstellten: Entweder müßte die Beeinträchtigung eines vergleichs weise verletzungsresistenten Guts mit überdimensionaler Strafbarkeit geahndet werden (überdimensional im Verhältnis zu einem Stratbarkeitsmaß, das zur Verhaltensbeeinflussung bereits genügen würde) oder aber die Strafbedrohung auf die Verletzung eines überaus anfälligen Gutes müßte weit hinter dem Maß zuIÜckbleiben, das zur Begründung eines Motivs zur Verhaltensvermeidung erforderlich schiene. Die kausale Handlungslehre leidet also sub specie Rechtsgüterschutz gegenüber der finalen Unrechtslehre an EffektivitätsdeflZiten. Da sie "Stratbarkeit" vom Eintritt einer Wirkung abhängig macht, tendiert sie dazu, Güter, welche rasch "Wirkung zeigen" (weil sie verletzungsanfaIlig sind), innerhalb der Rechtsgüterskala "überzubewerten", nämlich so intensiv zu schützen, daß diese Güter eine ihnen nicht zukommende Plazierung innerhalb der Rechtsgüterrangliste einzunehmen beginnen. Die Dignität der Rechtsgüter spiegelte dann letztlich nicht mehr die Wertigkeit, sondern insoweit die Kränklichkeit der ihnen zugrundeliegenden Güter wider. Gemäß den obigen Ausführungen 56 heißt "Rechtsgüterschutz" aber, Güter (per Normschutz) in den Status von Rechtsgütern zu übersetzen; dem Anliegen des Rechtsgüterschutzes am ehesten gerecht wird danach eine Normgestaltung, die diese Übersetzung "maßstabsgetreu"

56 Vgl. F. 11. 2. e) bb).

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Kapitel F: Vollendung und Vt'ZSUch

vornimmt, die also die Güte auf der Wertungs ebene in entsprechende Güte auf der Rechtsebene ("Rechts güte") umwandelt. Zu einer exakten Transformationsleiswng in diesem Sinne ist jedoch allein die finale Unrechtslehre imstande, da sie den Nonnschutz nicht nach objektiven Erfolgen (und damit auch nicht nach der Erfolgsanfälligkeit eines Guts) ausrichtet. Die objektive Verletzungsimmunität eines Guts ist für die fmalitätsbezogene Norm ebensowenig ein Grund, von "Strafbarkeit" abzusehen, wie die objektive Hypersensibilität eines Guts einen Anlaß dafür bildet, den Normschutz auszuweiten. Statt dessen knüpft die finalorientierte Strafbarkeitsbedrohung lediglich an den (Un-)Wert dessen an, worauf sich der Verwirklichungswille eines potentiellen Täters bezieht. Auch bezogen auf relativ verletzungsresistente Güter - derentwegen eine kausalorientierte Norm also nur einige wenige (verletzungsursächliche) Verhaltensweisen strafbar stellte - ist die Spannbreite der von Verletzungswillen getragenen Verhaltensweisen, die eine finalorientierte Norm pönalisierte, prinzipiell unbegrenzt. Die finale Unrechts lehre vermeidet es demnach, den Wert von Gütern bei deren Verrechtlichung durch Rücksichtnahme auf ihre objektiv unterschiedlichen Schutzbedürfnisse zu verzeichnen. Auf diesem Wege gelangt sie zu einer wertigkeitsentsprechenden Wiedergabe der Gütestufenfolge im Rahmen der Rechtsgütestufenfolge. Das bedeutet zugleich, daß die fmale Unrechtslehre den Zweck, Rechtsgüter zu schützen (den Status eines Guts in denjenigen eines Rechtsguts hinüberzuspiegeln), präziser erfüllt als dies eine kausalsichtige Betrachtungsweise vermag. Eine Lehre aber, die den vorgegebenen Axiomen vollständiger gerecht wird als konkurrierende Lehren, erscheint (eben aus axiomatischen Gründen heraus) als vorzugswütdig. t) Zwischenergebnis

Im Ergebnis kann Armin Kaufmann damit in der Feststellung 57beigepflichtet werden, daß bei der Normierung eines Verhaltens nur der diesem zugrundeliegende Verwirldichungswille und nicht der diesem nachfolgende Kausaiprozeß ausschlaggebend sein darf. Der Normsatz N: v -> S meint daher mit der Variablen v die (Nicht-)Betätigung eines bestimmten Verwirldichungwillens, nämlich eines solchen, der nach Auffassung des Normsetzers relevant für den Bestand von Gütern wäre. Die Begrandung, die hier für die Richtigkeit der fmalen Unrechtslehre erarbeitet wurde, weicht freilich von der Kaufmannschen Deduktion ab. Während Armin Kaufmann kausalorientierten Normenjegliche Fähigkeit zur Verhaltens57 Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 20; ders., Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 41; den., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 153; den., Hans WeIzeI 21lIIl Gedenken, S. 287.

11. Der Erfolgseintritt als Unrechtsvoraussetmng

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beeinflussung und damit zum Rechtsgüterschutz bestreitetS8 , wird hier nur die BegrenZlheit dieser Fähigkeiten behauptet. Armin Kaufmann leitete seine Auffassung daraus ab, daß (1.) die Norm Verhalten manipuliere, indem sie Pflichten beinhalte, und daß daher (2.) die Pflichten, um Verhalten beeinflussen zu können, schon zum Zeitpunkt der Verhaltenstätigung bestanden haben müßten und dann nicht mehr von zukünftigen Entwicklungen des Kausalstrangs abhängig sein dürften. Mit dem Fortfall des ersten BegrUndungsschritts im Rahmen des hier vertretenen alethischen Strafrechtskonzepts entfällt auch die Zwangsläufigkeit des zweiten Begriindungsschritts und demnach zugleich die der (auf die Unhaltbarkeit der kausalen Unrechtslehre bezogenen) Schlußfolgerung. Tatsächlich erscheint auch eine kausalorientierte Norm sowohl zur Verhaltensbeeinflussung als auch zum Rechtsgüterschutz imstande; allerdings erfüllt sie beide Aufgaben schlechter als eine fmalorientierte Norm: die Aufgabe "Verhaltensbeeinflussung" deswegen, weil eine kausalorientierte Strafbedrohung dem potentiellen Täter bei einem Scheitern seiner Tat immerhin das Privileg der Straflosigkeit vergönnte (wodurch der Motivationsdruck zur Tatvermeidung geringer ausfällt); die Aufgabe "Rechtsgüterschutz" deswegen, weil eine kausalorientierte Strafbedrohung die Rechtsgüter in ein falsches (nicht wertigkeitsadäquates) Verhältnis zueinander setzt (indem sie das verletzungsanfalligste Gut rechtlich am stärksten schützte und damit zum obersten Rechtsgut hoch dekorierte). Die (axiomatisch folgerichtig entwickelte) Norm stützt "Strafbarkeit" also allein auf die Betätigung eines bestimmten Verwirklichungswillens, d. h. auf den bloßen Versuch. Eines darüber hinausgehenden Erfolgseintritts, der Tatvollendung, bedarf es zur Normierung von "Strafbarkeit" dagegen nicht

3. ZUr GUltigkeitsrelevanz des Erfolgseintritts Die Frage nach der Relevanz des Erfolgseintritts für das alethische Strafrechtskonzept ist mit dieser (negativen) Feststellung allerdings noch nicht beantwortet; dazu wäre vielmehr zusätzlich noch eine positive Einordnung des Ereignispaares "Eintritt bzw. Ausbleiben eines Erfolgs" vonnöten. Wie oben ausgeführt wUfdeS9,läßt sich über den Hinweis auf die Bedeutsamkeit des Erfolgseintritts für präventive, kriminalpolitische Belange allenfalls eine Berücksichtigung von Erfolgsgesichtspunkten im Rahmen der Strafzweckmäßigkeitsprüfung (traditionell als "Schuld" bezeichnet) rechtfertigen. Bevor aber die Zweckmäßigkeit einer Umsetzung von "Strafbarkeit" in "Bestrafung" überhaupt problematisiert werden darf, ist (weil logisch vorrangig) zunächst erschöpfend zu untersuchen, ob überhaupt "Strafbarkeit" (als Grundlage einer S8 Den., Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 41; den., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 154. S9 V gl. Kapitel F. 11. 1.

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Kapitel F: Vollendung und Va-such

solchen Umsetzung) vorliegt. Mit den soeben angestellten Überlegungen wurde zwar begrundet, daß der Erfolgseintritt als Stratbarkeitsvoraussetzung innerhalb der Norm, d. h. im Tatbestand, keine Rolle spielen kann, als normexteme Stratbarkeits-, d. h. Normgeltungsvoraussetzung, kommt der Erfolgseintritt jedoch nach wie vor in Betracht. a) Die Rolle von Normgültigkeitsvoraussetzungen bei der Herausbildung und Einstufung von Rechtsgütern Die Gesichtspunkte, aufgrund derer Normen davon absehen müssen, ein Verhalten wegen seiner Wirkungen zu vertatbestandlichen, sind für Normgeltungsvoraussetzungen jedenfalls nicht ohne weiteres einschlägig. Normen kOlUlten nämlich im Sinne der oben60 vorgeführten Argumentation nur deswegen nicht kausalbezogen ausgelegt sein, weil sonst die von ihnen konstituierte Statushierarchie der Rechtsgüter nicht der zu verrechtlichenden Wertehierarchie der Güter entspräche. Wenn Normgeltungsbedingungen die normativ begrundete Statushierarchie der Rechtsgüter ohnehin nicht zu modiftzieren imstande wären, dann spräche zunächst nichts dagegen, ihnen eine kausalbezogene Blickrichtung vorzubehalten (das Ausbleiben des Erfolgs könnte dann zur Ungül tigkeit der Norm führen). Es muß deshalb der Frage nachgegangen werden, in welcher Weise und mit welchem Ergebnis Normgeltungsbedingungen bei der Ausgestaltung der Rechts güterwelt mitwirken. Ausgangspunkt der im vorigen Kapitel61 eröffneten Unterscheidung zwischen Tatbestands- und Normgeltungsvoraussetzungen war die These, Tatbestände seien als normierte Präferenzrelationen zu verstehen, strafwürdigkeitserhebliche Umstände, die nicht zur Umpolung einer sonst normierten Präferenzrelation führen sollten, könnten nur außer halb der Norm (als deren Geltungsvoraussetzungen) Berucksichtigung fmden. Die Normen stellen also sämtliche zur Wabl stehenden Verhal tenstypen mittels Diskriminierung jeweils einer Wahlmöglichkeit in ein umfassendes Geflecht von Präferenzrelationen zueinander, d. h. sie konstituieren eine PrtJjerenzhierarchie der Verhaltenstypen. Gleichzeitig und auf dieselbe Weise konstituieren sie aber, wie in diesem Kapitel62 aufgezeigt wurde, auch eine Statushierarchie der RechtsgUter. Indem und (nur) soweit die Norm ein Verhalten (v) mit Strafbarkeit (S) verknüpft, wird das Gut, das von der normierten v-Sanktionierung profitiert, zum Rechtsgut. Setzt man dabei für "v" die Bevorzugung der einen gegenüber der anderen Vechaltensaltemative ein63, dann ergibt sich die Erkenntnis: Die durch sämtliche Normen konstituierte Präferenzhierarchie der Verhaltensweisen zieht eine 60 Vgl. Kapitel F. 11.2. e) ce). 61 Vgl. Kapitel E. 11. 5. 62 Vgl. Kapitel F. 11. 2. e) ce). 63 Vgl. Kapitel E. 11. 4. b).

11. Der Erfolgseintritt als Unrechtsvoraussetzung

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Statushierarchie der Rechtsgüter nach sich, innerhalb derer dasjenige Rechtsgut den höchsten Rang einnimmt, das am stärksten von der Struktur der Verhaltenshierarchie begünstigt wird. Normgeltungsvoraussetzungen können (infolge ihrer Stellung außerhalb der Norm) und sollen an der Ausgestaltung und Ausrichtung der Verbaltenshierarchie nicht konstruktiv beteiligt sein; sie bedingen lediglich destruktiv von auBen her die Gültigkeit normierter Präferenzrelationen, ohne diese durch neue (etwa umgekehrte) zu ersetzen. Klärungsbedürftig erscheint daher, ob bereits diese - negati ve - Eigenschaft der Normgeltungsbedingungen sich in einer Modiilkation der normierten Rechtsgutshierarchie niederzu schlagen in der Lage ist Aufgrund ihrer ausschließlich destruktiven Wirksamkeit sind Normgeltungsbedingungen jedenfalls außerstande dazu, ihrerseits Rechtsgüter hinzuzurekrutieren; dazu bedürfte es der Begründung sanktionsbewehrter Präferenzrelationen, d. h. der positiven Wahrnahme von Schutzaufgaben zugunsten eines Guts. Normgeltungsbedingungen führen allerdings zu einer Beschränkung des seitens der Norm in Angriff genommenen Rechtsgüterschutzes, da sie die zwecks Rechtsgüterschutz installierte (normierte) Rechtsfolge "Strafbarkeit" unter bestimmten Umständen nicht rechtens werden lassen. Die Rechtsgüterhierarchie könnte sich durch die Schutzbeschränkung aber nur dann verschieben, wenn nunmehr (aufgrund der Normgeltungsbedingungen) bisher höher eingestufte Rechtsgüter Rangverluste innerhalb der Rechtsgüterhierarchie erlitten. Dies steht jedoch tatsächlich nicht zu befürchten: Wenn die Norm (N 1), dergemäß die Bevorzugung von v 1 gegenüber v 2 strafbar ist, unter eine bestimmte Normgeltungsbedingung (NGB 1) gestellt wird, dann folgt daraus ja nicht, daß das von NI geschützte Rechtsgut (RGl) dadurch auf den Rang des von v2 betroffenen Interesses regredierte. Der besondere Schutz von RGI äußerte sich dann vielmehr gerade darin, daß es immerhin des Ausbleibens von NGB 1 bedarf, um VI straflos gegenüber v2 bevorzugen zu können. Ein Gut, das nur bei Vorliegen einer behördlichen Erlaubnis (Einwilligung, Notwehr- bzw. Notstandslage) von Rechts wegen straffrei beeinträchtigt werden kann, genießt doch (weiter) rechtlichen Schutz - insofern nämlich, als die Möglichkeit zur straffreien Gutsbeeinträchtigung an die Erlaubniserteilung gebunden bleibt. Indem die Gültigkeit von NI unter eine Bedingung gestellt wird, kommt es nicht etwa zu einer Gleichstellung des von v2 begünstigten Rechtsguts (RG2> mit dem von VI begünstigten Rechtsgut (RG 1); RGI bleibt statt dessen weiterhin gegenüber RG2 privilegiert, nämlich durch eine (allerdings nur bedingt gültige) Strafbedrohung geschützt. Die Installation einer Normgeltungsbedingung substituiert lediglich die Privilegierung von RG 1 aufgrund einer unbedingt gültigen Strafbendrohung durch die Privilegierung aufgrund einer bedingt gültigen Strafbedrohung; an der Privilegierung selbst ändert sich dadurch nichts, die normierte Rechtsgüterhierarchie bleibt unangetastet

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

Nur im Einzelfall - bei Ausbleiben einer installierten Normgeltungsbedingung (Ungültigkeit der Norm) - bleibt ein ansonsten rechtlich geschütztes Gut einmal rechtlich ungeschützt. Auf die Würde und den Rang des betreffenden Rechtsguts wirkt sich diese Schutzlosigkeit infolge NormungUltigkeit genausowenig aus, wie das für eine Schutzlosigkeit infolge Normunanwendbarkeit der Fall wäre. Auch wenn ein Naturereignis (statt eines normierten menschlichen Verhaltens) güterbeeinträchtigend zu werden droht, bleibt der gefahrdete Gegenstand doch ein rechtlich geschütztes Gut (ein Rechtsgut), solange und soweit zu seinen Gunsten nur überhaupt irgendwelche Verhaltensweisen Unrecht darstellten (den Tatbestand einer Norm erfüllten). Dasselbe trifft für Normgeltungsbedingungen zu: Auch wenn unter den konkreten Umständen die Norm zur Ungültigkeit verurteilt ist, so bleibt der attackierte Gegenstand doch ein rechtlich geschütztes Gut (ein Rechtsgut), solange und soweit zu seinen Gunsten nur überhaupt irgendwelche Verhaltensweisen Unrecht darstellten (die Gültigkeitsbedingungen einer Norm erfüllten). Das konkrete Ausbleiben einer Normgel tungsbedingung bleibt also ohne Einfluß auf den Anspruch eines (ansonsten) rechtlich geschützten Gegenstands, sich als "Rechtsgut" bezeichnen zu dürfen. Lediglich Gegenstände, zu deren Gunsten nicht einmal eine bedingt gültige Norm Strafbarkeit verheißt, werden rechtlich unter keinerlei Umständen geschützt, scheiden also aus dem Kreis der Rechtsgüter aus. Im übrigen ergibt sich aber die Rechtsgüte eines Gegenstands aus dessen Begünstigung durch jedenfalls bedingt gültige Normen - wobei etwaige Gültigkeitsbedingungen diese Begünstigung eben nur bedingen, nicht autbeben. Die Reichweite der Begünstigung (der Rang eines Rechtsguts) läßt sich dabei aus den Prajerenzrelationen dieser bedingt gültigen Normen ablesen, nicht aus deren GUltigkeitsbedingungen, welche statt dessen ausschließlich darüber befinden, inwieweit trotz Erfülltsein einer normierten Präferenzrelation Unrecht aus bleibt. Damit läßt sich als Ergebnis festhalten: Da Normgeltungsbedingungen keine neuen Präferenzrelationen und kein verändertes PräferenzgefaIle begründen, tragen sie auch nichts zur Begründung neuer Rechtsgüter oder einer veränderten Rechtsgüterhierarchie bei. Ihr Fehlen führt vielmehr lediglich dazu, daß trotz Verwirklichung einer normierten Präferenzrelation, d. h. trotz Angriffs auf ein nonnativ geschütztes (Rechts-)Gut, letztlich doch kein Unrecht entsteht. Wenn Normgeltungsvoraussetzungen am Transfer von Gütern in Rechtsgüter aber ohnehin nicht partizipieren, dann erübrigt sich insoweit auch das (gegen die kausale Unrechtslehre gerichtete) Argument, jede normative Berücksichtigung des Erfolgseintritts drohe die zu erbrin gende Transferleistung zu gefährden, verzerre nämlich die wertigkeitsgetreu zu konstruierende Rechtsgüterhierarchie. Damit ist nicht erwiesen, daß Normgeltungsvoraussetzungen Erfolgsgesichtspunkten Rechnung tragen mUssen, es steht aber nunmehr immerhin genausowenig fest, daß sie es nicht dUrjen. Ob der Erfolgseintritt zur Nonngeltungsvoraussetzung gemacht zu werden verdient, bleibt daher noch zu klären.

11. D« Erfolgseintritt als UnredItsvoraussetzung

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b) Das Bedütfnis nach Normgültigkeit beim bloßen Versuch Bedingte der Erfolgseintritt die Gültigkeit der Strafnonn, so träte er mittelbar (über die Nonn disponierend) doch als Voraussetzung dafür in Erscheinung, daß von Rechts wegen Strafbarkeit (Unrecht) eintritt, allerdings als normexterne, auf Wirkungen abstellende und insofern "objektive" StrafbarkeitsvOrauSsetzlDlg im Gegensatz zu den nonnintemen, auf den Verwirklichungswillen abstellenden lDld insofern "subjektiven" Tatbestandsmerlanalen. Eine derartige Rolle als objektive "Bedingung der Strafbarkeit" 64 hat beachtenswerterweise schon Annin Kaufmann dem Erfolg zu spielen zugebilligt mit der ErwäglDlg, der Erfolgseintritt vermöge als sinnfälliger (Augenscheins-) Beweis für die Strafwürdigkeit eines Verhaltens "den Eindruck der Tat auf den Täter selbst und dessen Sühnebereitschaft" immerhin außerordentlich zu steigern 6S • Der Hinweis auf die kriminalpolitische Bedeutung des Ereignisses "Erfolgseintritt" bildet jedoch keine tragfähige Grundlage für die SchlußfolgerlDlg, es fungiere also als objektive Strajbarkeitsvoraussetzung . Die Frage, ob und in welcher Fonn bzw. Höhe die Zufügung von Sanktionen im Hinblick auf die Verhinderung künftiger Straftaten Sinn macht, erlangt vielmehr erst im Rahmen der Strafzweckmäßigkeitsprüfung Bedeutung. Der Eintritt in die Prüfung, auf welchen konkreten Bestrafungsakt sich von Rechts wegen ausgelöste Strafbarkeit nun praktisch allein bezieht (nämlich auf strafzweckmäßige Bestrafungsakte), setzt ausgellJste Strafbarkeit immer schon voraus; der Erfolg kÖllnte von daher bestenfalls noch die Stellung einer objektiven StrafzweckmLtßigkeitsvoraussetzung für sich reklamieren. Soll der Erfolg dagegen bereits über das rechtliche Entstehen von Strafbarkeit - als Nonngeltungsbedingung - mitentscheiden, muß dieser Anspruch anders als mit bloßen präventiven Nützlichkeitsaspekten untermauert werden. aa) Die Rolle von NormgUltigkeitsvoraussetzungen beim RechtsgOterschutz

Als Basis für einen solchen Anspruch kommt wiederum nur der (das Strafrecht qua Axiom verpflichtende) Rechtsgüterschutzgedanke 66 in Betracht. Wenn der Komplex "Strafrecht" insgesamt dem Rechtsgüterschutz zugute kommen soll, dann kann dies nicht nur für die inhaltliche Gestaltung strafrechtlicher Nonnen, sondern muß ebenso für die Auswahl der maßgeblichen Nonngeltungsvoraussetzungen zutreffen. Norminterne und -externe Strafbarkeitsvoraussetzungen bewirken zusammen, daß die Bevorzugung eines bestimmten Verhaltens rechtlich zum Eintritt des Nachteils "Strafbarkeit in bestimmter Höhe" führt. Die Konsequenz "Benachteiligung eines Verhaltens" erfährt aber nur dann eine Legitimation aus der Vorgabe "Rechtsgüterschutz", wenn gerade 64 Armin Kaufmann. Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 168. 6S Dm.• Das fahrlässige Delikt, S. 148. 66 Vgl. Kapitel A. 11. 3. 14 Hoyer

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

das (deswegen) benachteiligte Verhalten dem Interesse am Rechtsgüterschutz zuwiderläuft. Soweit also nicht schon die Norm selbst Verhalten nur in dem Rahmen benachtei ligt. der durch das Interesse am Rechts güterschutz markiert wird. muß diese Beschränkung von den Normgeltungsvoraussetzungen durchgeführt werden - indem sie die Norm in entsprechendem Umfange außer Kraft setzen. Es muß deshalb danach gefahndet werden, in welchem Punkte die Norm, daß v -> S, über das verfolgte Ziel, Rechtsgüterschutz zu beuciben, hinausschießt; genau dort und dadurch lassen sich die dogma tisch unverzichtbaren Normgeltungsvoraussetzungen lokalisieren. Gemäß den obigen Ausführungen 67 erfüllen Normen im Rahmen des Rechtsgüterschutzes die Funktion, durch die Gewährung von "Schutz" das Rechtsgut als solches erst zu konstituieren. Der "Schutz" besteht dabei in der per Sanktions bedrohung versuchten Einflußnahme auf die Fassung eines VerwirklichungswiUens. Jeder Sachverhalt. zu dessen Gunsten eine Norm sanktioosandrohend auf den VerwirklichungswiUen einzuwirken unternimmt. wird dabei gerade aufgrund dieser Begünstigung zum normierten Schutzgut. Wenn eine Norm beispielsweise androht, daß jedes Bevorzugen eines auf Körperverletzung abzielenden Verhaltens gegenüber einem bestimmten Alternativverhalten Strafbarkeit herbeüührt. dann wird die körperliche Integrität dadurch zum Schutzgut der Norm. Sofern die beucffende Norm rechtlich dann jedenfalls bedingte Gültigkeit zugestanden erhält. quali fiziert sich das Schutzgut "körperliche Integrität" darüber hinaus auch zum Rechtsgut. Daß die Normgültigkeit unter einer Bedingung steht. hindert die im übrigen gültige Norm also nicht daran, ihr Schutzgut zum Rechtsgut hochzuschützen. Nun mag das Tatverhalten aber den subjektiv (vom Täter) mit ihm angesUCbten Erfolg (Bewirkung einer Körperverletzung) objektiv deutlich verfehlt haben; der Täter hat dann zwar den Tatbestand der finalorientiert konzipierten Norm erfüllt. das von der Norm geschützte Rechtsgut ist aber unverletzt aus dieser Tatbestandsverwirklichung hervorgegangen. Gemessen an der Art und Weise, in der Normen dem Rechtsgüterschutz dienen, mag die Norm, daß jenes Verhalten Strafbarkeit nach sich zieht, trotz Ausbleibens einer Rechtsgutsverletzung sogar als erforderlich (im Interesse einer wertigkeitsadäquaten Ausstat tung und Durchstrukturierung der Rechtsgüterwelt) angesehen werden müssen; zu klären bleibt aber, ob diese Norm gemessen an der Art und Weise, in der Nonngeltungsbedingungen dem Rechtsgüterschutz dienen, auch in Geltung versetzt zu werden verdient, d. h. ob das strafbedrohte Verhalten letztlich auch Unrecht ausbilden soll. Die Bedingtheit der Normgeltung wirkt sich - wie ausgefütnt6 8 - nicht auf den (allein der Norm überantworteten) Prozeß der Herausbildung und Einstu-

67 Vgl. Kapitel F. 11. 2. e) bb). 68 V gl. Kapitel F. 11. 3. a).

11. Der Fnolgseintritt als UnrechtsvOOlUSselmng

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fung von Rechtsgütern aus; Normgültigkeitsbedingungen bauen vielmehr, indem sie die Norm zu immerhin bedingter Gültigkeit gelangen lassen, bereits auf den normativ vorgefertigten Schutzgütern auf und lassen deren Erstarken zu Rechtsgütern zu. Während die Norm also Rechtsgüter (aus Gütern) schafft, fragen NormgültigkeitsbedinglIDgen nur danach, ob die geschaffenen Rechtsgüter denn auch der Normgültigkeit im konkreten Fall zu ihrem Schutz bedürfen, ob also die Realisierung des Tatverhaltens um des Rechtsgüterschutzes willen wirklich den Eintritt von Sttafbarkeit erforderlich macht und damit legitimiert. Bei der Beantwortung dieser Frage können die Normgeltungsbedingungen sich auf die ihnen (normativ) vorgegebenen Wertungen stützen: "Rechtsgüter" sind die durch (bedingt gültige) Normen begünstigten Güter; "geschützt" werden sollen diese Güter mittels BegünstiglIDg im normativ gewährten Umfange. Die Bedeutung, daß v -> S, erscheint deshalb um des Rechtsgüterschutzes willen nur dort legitimiert, wo v der normierten Güterbegünstigung zuwiderläuft; die Norm darf aus Gründen des Rechtsgüterschutzes auch nur insoweit den Filter der Norm geltungsvoraussetzungen passieren, als v gerade diese normierte Güterbegünstigung zunichte macht. Zu den Normgeltungsbedingungen muß demzufolge das Vorliegen sämtlicher Sachverhaltsumstände gerechnet werden, von denen es abhängt, ob und inwieweit v die normierte Güterbegünstigung durchbricht bb) Die Rechtsgutsbeeinträchtigung beim bloßen Versuch

Unter dieser Perspektive ist auch das Ereignis "Eintritt einer Rechtsgutsver letzung" darauf zu untersuchen, ob es die Gültigkeit der Norm, daß v -> S, bedingt. Das Ausbleiben einer Rechtsgutsverletzung trotz v-Vornahme beträfe die Gültigkeit einer Norm nur dann, wenn v sich in Anbetracht seiner Folgenlosigkeit nicht (mehr) als Vereitelung der normierten Begünstigung eines Guts verstehen ließe. Tatsächlich gestattet das Verletzungsausbleiben einen solchen Schluß jedoch nicht. Der Begünstigungseffekt, den die finalorientierte Norm, daß v -> S, einem Gut zufließen läßt, besteht ja darin, daß per Strafbedrohung dem Täter eine bestimmte (subjektiv rechtsgutskonforme) Ausgestaltung seines Verwirklichungswillens nahezulegen versucht wird. Der von einer Norm ausgehende Begünstigungseffekt ist also bereits dann ausgeblieben, wenn der Verwirkli chungswille des Täters trotz der Norm nicht die ihm normativ nahegelegte Gestalt annimmt. Das normativ geschaffene Rechtsgut mag zwar trotz Realisierung von v letztlich intakt bleiben. Es verdankt seine fortdauernde Integrität dann aber nicht der Norm und deren Begünstigungswirkung, sondern normfremden Umständen. Die Norm hat ihren Zweck, dem Gut einen zusätzlichen Schutz (per rechtsgutskonformer AusformlIDg des Verwirklichungswillens) zu verschaffen, verfehlt; das Gut war vielmehr - als gäbe es die Norm gar nicht auf die Stabilität normexterner Sicherungssysteme angewiesen. Von der Norm 14*

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

ist also kein Rechtsgüterschutz ausgegangen, dem Rechtsgut gelang es lediglich' schutzunabhängig weiterzubestehen. Das Rechtsgut ist mit anderen Worten durch v zwar nicht verletzt, durch die normierte Strafbedrohung andererseits aber auch nicht geschützt worden. v lief also dem mit der Normsetzung verfolgten Ziel, Güter zu schützen (und sie dadurch zu Rechtsgütern zu qualifizieren), zuwider. Wenn es auch auf der einen Seite zutrifft, daß das Rechtsgut aufgrund normunabhängiger Faktoren gegen v immerhin hinreichend geschützt war, um das Normversagen unverletzt überstehen zu können, so trifft es doch auf der anderen Seite auch zu, daß das Rechtsgut zwischenzeitlich wegen des Normversagens vollständig der Tragfähigkeit normunabhängiger Schutzfaktoren ausgeliefert war. Während das Rechtsgut ohne v also doppelt gesichert gewesen wäre (nämlich durch die Norm sowie durch normunabhängige Faktoren), so schmolz infolge v die eine der beiden Sicherungen (der von der Norm angestrebte, zusätzliche Schutzeffekt) durch, so daß letztlich nur die einfache Sicherung (durch norm unabhängige Schutzmechanismen) verblieb; das Rechtsgut wurde durch die Realisierung von v somit zwar nicht verletzt, aber eben doch partiell verunsichert, nämlich einer Instanz überantwortet, auf die es nach dem Willen der Norm nicht (mehr) angewiesen sein sollte. Trotz Ausbleibens eines Verletzungserfolgs ist also die Norm mit ihrem Schutzanliegen gescheitert, die mit der normierten Strafbedrohung errichtete, vorgelagerte Schutz barriere wurde durch v aufgehoben, das Rechtsgut in seinem Existenzkampf auf die dahinterstehende außer-(vor-)rechtliche, faktische Schutzbarriere zurückgeworfen. Wenn normativer Rechtsgüterschutz in der Installation eines normierten Sicherungs systems zugunsten bestimmter Gegenstände (die dadurch zu Rechtsgütern geadelt werden) besteht, dann überwindet jeder Versuch bereits dieses normierte Sicherungssystem, schaltet eine güterschützende Vorrichtung aus. Es wird also Güterschutz eliminiert und so das Rechtsgut partiell desintegriert. ce) Normgilltigkeit trotz Ausbleiben des Erfolgs

Im Sinne der obigen Ausführungen69, denenzufolge es nur dann Recht sein darf, daß v -> S (die entsprechende Norm nur dann gelten darf), wenn v normierten Güterschutz durchbricht, läßt sich der Erfolgseintritt also nicht als Normgeltungsbedingung begreifen; auch bei einer erfolglosen v-Vornahme entfällt vielmehr der mit der Strafbedrohung verfolgte, erweiterte (in rechtliche Dimensionen ausgedehnte) Güterschutz, wird das zu schützende Gut dementsprechend in seiner Daseinsgewißheit erschüttert. Den Erfolgseintritt zur Normgeltungsbedingung zu machen, bedeutete demzufolge, rechtlich zu tolerieren, daß ein Rechtsgut in Abhängigkeit von der Haltbarkeit normunabhängi69 Vgl. Kapitel F. 11. 3. b) aa).

11. Der Erlolgseintritt als Unrechtsvoraussetzung

189

ger Sicherungssysteme gerät; gerade in der Beseitigung (bzw. jedenfalls Verminderung) dieser Abhängigkeit besteht aber das Ziel normativen Rechtsgüterschutzes. Das Axiom "Strafrechtsnormen bezwecken Rechtsgüterschutz" wurde oben70 übersetzt in die Formel "Strafrechtsnormen bezwecken, Güter zu Rechtsgütern zu machen - indem sie sie schützen". Normatives "Schützen" besteht dabei in der Hinzu fügung einer rechtszugehörigen Schutzbarriere (mittels der Strafbedrohung) zu bloß faklisch wirkenden Schutzmechanismen, welche einen Gegenstand (möglicherweise) ohnehin umgeben. "Rechtsgut" ist demzufolge jeder Gegenstand insoweit. wie ihn eine rechtszugehörige Schutzbarriere umgibt. sein Fortbestand also von Rechts wegen nicht bloß faktisch wirkenden Schutzeinrichtungen anheimgegeben wird. Die von der Norm errichtete Schutzbarriere besteht aber darin, daß der Verwirklichungswille potentieller Täter (durch die Bedrohung von v mit S) beeinflußt zu werden versucht wirddamit das Fortbestehen des Guts sich künftig nicht (mehr) allein der (normunabhängig erhofften) güterkonformen Gestalt täterunabhängiger Tatsachen, sondern (schon) der (normativ angestrebten) gutskonformen Gestalt des tätereigenen Verwirklichungswillens verdankt. Der axiomatisch vorgegebene Satz "Strafrechtsnormen bezwecken Rechtsgüterschutz"71 besagt deshalb nichts anderes als die Feststellung "Strafrechtsnormen bezwecken, daß zugunsten bestimmter Güter (die dadurch zu Rechtsgütern geraten) nur gutskonformer Verwirklichungswille betätigt wird". Die Gutskonformität eines Verwirklichungswillens bemißt sich dabei nicht nach dem Vorhandensein normunabhängiger Bestandssicherungen (sonst hinge das Rechtsgut gerade entgegen dem Normimpetus doch wieder von vorrecht lichen Umständen ab), sondern - unter Abstraktion von normunabhängigen Sicherungssystemen - nach der Inhaltlichkeit des Verwirklichungswillens selbst; nur auf diese Weise entsteht ein zweites, eigenständiges, normativ konstituiertes Sicherungssystem. Die Norm, daß v -> S, verdient es daher nur insoweit. mittels einer Normgeltungsbedingung außer Kraft gesetzt zu werden, als sonst die inhaltliche Guts in konformität des hinter v stehenden Verwirklichungswillens überzeichnet würde. Der Eintritt oder das Ausbleiben irgendeines täterunabhängigen (objektiven) Erfolgs kann damit als Normgeltungsbedingung nicht in Betracht kommen, die innere Konsistenz des hinter dem normierten Verhalten stehenden Verwirklichungswillens wird durch derartige objektive Momente weder positiv noch negativ irgendwie angesprochen.

70 Vgl. Kapitel F. 11. 2. e) bb). 71 Vgl. Kapitel A.II. 3.

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

Man mag eine erfolgsunabhängig vorliegende Straftat bei Eintritt eines bestimmten Erfolgs als "vollendet", bei Ausbleiben desselben Erfolgs als "lediglich versucht" apostrophieren; am materiellen Vorliegen einer Straftat vermögen derartige Etikettierungen weder etwas hinzu- noch etwas hinwegzudeu teIn. Es bleibt daher dabei, daß Erfolgsgesichtspunkte allenfalls für die Strafzwecknt4Pigkeitsfrage, traditionell kategorisiert also im Rahmen der "Schuld"n, Bedeutung gewinnen können - als spezial- oder generalpräventiv erhebliche Daten nämlich 73.

4. Ergebnis Stratbarkeit kommt von Rechts wegen in jedem Falle erfolgsunabhängig zustande; auch als "objektive Strafbarkeitsbedingung" i. S. Armin Kaufmanns74 besitzt der Erfolgseintritt keine Funktion. Die von Armin Kaufmann für seine Ansicht ins Feld geführten kriminalpolitischen Argumente75 rechtfertigen Kaufmanns Schlußfolgerung zwar im Rahmen seines, nicht aber im Rahmen eines alethischen Strafrechtssystems: "Objektive Stratbarkeitsbedingungen" sind - alethisch betrachtet - (anders als bei Armin Kaufmann76) gerade nicht unrechtsextern angesiedelt; soll der Erfolgseintritt nur unrechtsextern eine Rolle spielen (wie Kaufmann es für richtig erachtet17), dann kann das nur außerhalb der Strafbarkeits-, d. h. innemalb der Schuld prüfung geschehen - wobei der Begriff der "Schuld" (divergierend zu Armin Kaufmanns Verständnis 78) die Zweckmäßigkeit einer Bestrafung bezeichnet.

111. Das Unrechtsrelevante am VerwirklichungswiUen Unrechtsintem kommt es allein auf die innere Konsistenz des verhaltensursächlichen Verwirklichungswillens an; in diesem Rahmen sorgen Normen und ihre Geltungsbedingungen (einander ergänzend) dafür, daß im Ergebnis jedes Verhalten Unrecht nur bis zu dem Grade ausbildet, der der inhaltlichen Gü72 Vgl. Kapitel D. III. 1. c). 73 Vgl. Kapitel F. 11. 1. 74 Armin Kaufmann, Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 168. 75 Ders. , Das fahrlässige Delikt, S. 148. 76 Ders., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 168. 17 Ders., a.a.O., S. 161 f., 168 f.; ders., Die Rechtswidrigkeit im Zivil- und Strafrecht, S. 43; ders., Die Dogmatik des Altemativentwurfs, S. 244. 78 Ders., Nonnentheorie, S. 160, 182, 184,287; ders., Unterlassungsdelikte, S. 138 f.; ders., Probleme rechtswissenscbaftlichen Erkennens, S. 18; ders., Schuldfähigkeit und Verbotsirrtum, S. 82; ders., Das fahrlässige Delikt, S. 146.

III. Das Unrechtsrelevante am Verwirldichungswillen

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terinkonformität des dieses Verhalten tragenden Verwirklichungswillens entspricht. Ob ein die Güterkonformität eines Verwirldichungswillens betreffender Gesichtspunkt schon in der Norm (als Tatbestandsmerkmal) oder erst als Normgel tungsbedingung Berücksichtigung findet. bestimmt sich dabei nach dem oben Ausgeführten 79: Soll ein bestimmter Gesichtspunkt also die Hierarchie der zu präferierenden Verhaltensweisen (und damit auch die der geschützten Rechtsgüter) mitprägen, dann muß er innerhalb des Tatbestands seinen Platz imden; soll er hingegen nur die Verwirklichung einer bereits vertatbestandlichten Präferenzrelation (und damit auch eine Recbtsgutsvenmsicherung) straflos stellen, dann muß er als Normgeltungsbedingung eingeordnet werden.

1. Das Tatbestandsrelevante am Verwirklichungswillen Sofern der Täter seiner Willensbildung beispielsweise bestimmte Tatsachenannahmen zugrunde legt. deren Richtigkeit er selbst nur für mehr oder weniger wahrscheinlich hält. kann dies als ein Gesichtspunkt angesehen werden, der die Güterinkonformität des letztlich zustande gekommenen Verwirklichungswillens zu modifizieren geeignet ist. Faßt nämlich der Täter den Entschluß, ein Verhalten v zu realisieren, so ist der dafür verantwortliche Verwirklichungswille innerlich anders beschaffen, je nachdem, welches ontologische und nomologisehe Hintergrund-(Un-)Wissen zu dieser Entschlußfassung führte. Basierte der Entschluß auf einem Kenntnisstand, der eine Gutsverletzung als Folge von v (nahezu) gewiß erscheinen läßt. muß dem entsprechend geprägten Verwirklichungswillen des Täters sub specie Güterkonformität mit mehr strafrechtlicher Entschlossenheit entgegengetreten werden, als wenn der Täter sich kaum Tatsachen vorstellt. welche die Schlußfolgerung von v auf den Eintritt einer Gutsverletzung auch nur entfernt rechtfertigen. Es geht bier wohlbemerkt nicht um eine Konfrontation der Tätervorstellung mit der objektiven Realität Ob insoweit Übereinstimmung vorliegt oder fehlt. ist normativ uninteressant. da bei v-Vornahme in jedem Fall das normativ installierte Gütersicherungssystem (das Güter erst zu Rechtsgütern aufwertet) durchbrochen wäre, das Rechtsgut also, seines rechtlichen Schutzes beraubt. wieder in jenes Stadium vorrechtlicher Verunsicherung zurückfiele, aus dem es mittels seiner normativen Umbegung gerade herausgehoben werden sollte 80. Es geht des weiteren auch nicht einfach um die subjektive Wabrscheinlichkeitsprognose, die der Täter im Hinblick auf den Eintritt bestimmter Erfolge als Resultat seines Verhaltens vor der Tat erstellt haben mag: Ins Blaue hinein entwickelte Hoffnungen bzw. Befürchtungen des Täters, die nicht einmal in dessen persönlichem Tatsachenwissen irgendeine rationale Grundlage finden, dürfen normierte Präferenzrelationen rechtlich weder aushebein noch intensi.79 Vgl. Kapitel E. ß. 6. a). 80 Vgl. Kapitel F. ß. 3. b) bb).

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

vieren können; im Interesse des Rechtsgüterschutzes kann der Norm schließlich an der Prämierung unerschütterlich optimistischer Grundhal tungen ebensowenig gelegen sein wie an der pauschalen Maßregelung mehr defaitistisch gestimmter Naturelle. Wenn die beiden Täter Tl und T2 aus demselben Fundus ontologischer und nomologischer Daten ganz divergierende Erwartungen ableiten, dann mag diese Tatsache psycho logisch aussagekräftig sein, normlogisch bliebe sie hingegen belanglos. Das Ausmaß an Verunsicherung, in die ein Verwirklichungswille das von seiner Betätigung betroffene Rechtsgut hineinstürzt, hängt nicht von der willkürlich entwickelten, persönlichen Zuversicht des jeweiligen Täters ab, sondern davon, welche Erwartungshal tung angesichts der vom Täter eruierten Faktizitäten und Gesetzmäßigkeiten objektiv nahegelegt wurde, d. h. davon, ob und inwieweit Zuversicht bei einer "rechenfehlerfreien" VernetzlDlg dieser Daten wirklich angezeigt erscheint Die Norm ist also allein an der objektiv-inhaltlichen Aussagekraft der vom Täter subjektiv angenommenen Daten interessiert, nicht an deren objektivem Realgehalt oder an den subjektiven Schlußfolgerungen, die der Täter selbst aus "seinen" Daten gezogen hat. Die Bedingungen, unter denen ein konkretes Datenkonglomerat von der Norm als inhaltlich aussagekräftig bewertet wird, müssen dabei aus dem axiomatisch vorgegebenen Normzweck abgeleitet werden: Die Norm will durch Errichtung eines normativen Sicherungssystems verhindern, daß Güter in ihrer Integrität allein der Zuverlässigkeit faktischer Sicherungssysteme ausgeliefert sind (d. h. die Norm will "Rechtsgüterschulz betreiben"81). Inhaltlich aussagekräftig sind Daten für die Norm daher insoweit, als sie das Rechtsgut von der (Un-)Richtigkeit ihrer selbst (vom Realgehalt der datierten Tatsachen) abhängig machen. Das Gut kann dabei logisch in zweierlei RichtlDlg vom Realgehalt bestimmter Daten (d. h. von der objektiven Realität) abhängig werden: einerseits dahingehend, daß das Gut nur bei realer Unrichtigkeit, andererseits dahingehend, daß das Gut nur bei realer Richtigkeit dieser Daten intakt bliebe. Drückt der Täter beispielsweise eine vermeintlich geladene Pistole in Richtung auf ein von ihm anvisiertes Opfer ab, so wird das Rechtsgut "Leben" in seinem Bestand darauf angewiesen, daß die Vorstellung des Täters, mit einer geladenen Pistole umzugehen, sich als irrig erweist. Setzt der Täter hingegen ein von ihm als menschenleer eingeschätztes Wohngebäude in Brand, so wird das Rechtsgut "Leben" darauf angewiesen, daß die Vorstellung des Täters, es mit einem menschenleeren Gebäude zu tun zu haben, sich als zutreffend erweist. Im erstgenannten Fall mag man das Tatverhalten als positiv 82 gefährlich bezeichnen (das 81 Vgl. Kapitel F. 11. 3. b) bb). 82 Der Begriff der positiven Gefahr meint dabei etwas durchaus anderes als der Begriff der konJcrelDJ Gefahr. Unter einer konkreten Gefahr wird üblicherweise ein irgendwie schadensgeneigter Zustand innerhalb der objektiven Realität verstanden; positiv gefährlich ist dagegen auch jeder noch so untaugliche Versuch (vgl. das Beispiel). Die Schadensneigung ergibt sich hier schon aus

III. Das Uorechtsrelevante am VerwirklichungswiIlen

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Rechtsgut wird der Gefahr ausgesetzt, daß die Realität der Tätervorstelltmg positiv entsprechen könnte), im zweitgenannten Fall als negativS 3 gefährlich einstufen (das Rechtsgut wird der Gefahr ausgesetzt, daß die Realität der Tätervorstellung negativ widersprechen könnte). Jeweils aber wird das Gut durch die Tat der Tragfähigkeit des fakti schen Sicherungssystems "objektive Realität" ausgesetzt und insofern gefährdet. Beim "positiven Gefährdungsversuch" muß das Gut infolge der Tat die Gefahr einer gegenüber dem Verwirklichungswillen gleich gearteten Realität tragen, beim "negativen Gefährdungsversuch" die Gefahr einer gegenüber dem Verwirklichungswillen andersartigen Realität. Die Entschärfung dieses "Gleich-li bzw. "Andersartigkeitsrisikos" wird jeweils der normunabhängigen tatsächlichen Realität überlassen, der durch die Norm errichtete Schutzschild ist durch die Tat jeweils durchbrochen, Rechtsgüterschutz also zunichte gemacht worden. Allerdings existieren sowohl innerhalb der positiven als auch innerhalb der negativen Gefährdungen verschiedene Einschränkungen und Abstufungen, je nachdem, ob lDld inwieweit ein Gut durch die Tat der Schutztauglichkeit faktisch-realer Instanzen anheimfällt. Diesen Einschränkungen und Abstufungen soll im folgenden detaillierter nachgegan gen werden. a) Zur positiven GefährdtDlg Je alarmierender es für ein Rechtsgut wäre, wenn der vom Täter angenommene Datenkranz die tatsächliche Realitäts struktur zutreffend abbildete, desto dringlicher wird das Rechtsgut darauf angewiesen, daß die Realität objektiv eben anders - wehrhafter - als vom Täter vorgestellt strukturiert ist Die Tragfähigkeit des normunabhängigen Sicherungssystems "objektive Realität" wird daher um so stärker strapaziert, je gefährlicher es für das Rechtsgut anmutete, wenn objektive und subjektive Realität - Datiertes und Datum - miteinander konform gingen. Eine Norm, der es darum geht, Güter nicht der Schutztaugder subjektiven Tatsachenvorstellung des Täters, insofern als das Rechtsgut unter einer entsprechenden Realitätsbescbaffenheit litte. 83 Der Begriff der "negativen Gefährdung" erscheint präziser als der (eingebürgerte) Begriff der "abstrakten Gefahr": Strafbar gestellt wird nicht die Herstellung eines generell ger-ahrlichen Zustands (namens "abstrakte Gefahr"), sondern eines Irrtumsrisikos (das Rechtsgut wird auf die Richtigkeit der täterlichen Lagebeurteilung ange wiesen). Es geht also nicht um den Eintritt eines rein äußerlichen Erfolgs, sondern um die Möglichkeit einer Diskrepanz zwischen innerlicher (vom Täter angenommener) und äußerlicher Lage. Demnach muß nicht unbedingt die objektive Tawchenlage als irgendwie ("abstrakt") gefährlich erkannt werden, sondern die subjelaive TatsQchenvor stellung des Täters - gefährlich insofern, als das Rechtsgut unter ihrer Unrichtigkeit litte (deshalb: "negative Gefährdung"); Statt von "abstrakten" wäre daher besser von "negativen" Gefährdungsdelikten zu sprechen, um jene Normen zu bezeichnen, welche lUch negative (und nicht nur positive) Gefährdungen mit Strafbarkeit bedrohen.

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

lichkeit des normunabhängigen Sicherungssystems "objektive Realität" auszuliefern (sondern sie zu Rechtsgütern zu machen, d. h. mit einem normativen Schutzmantel zu umgeben), muß also auf Willensbetätigungen um so heftiger reagieren, je hoffnungsloser ein Gut durch sie darauf angewiesen wird, daß die hinter ihnen stehende subjektive Realität objektiv nicht existiert Läßt daher das Tatsachenwissen des Täters, das seine subjektive Realität konstituiert, ohnehin (d. h. selbst wenn es mit der objektiven Realität übereinstimmte) eine Rechtsgutsverletzung nicht oder nur ganz entfernt befürchten, dann wird das normunabhängige Sicherungssystem "objektive Realität" entsprechend geringfügiger oder gar nicht in Anspruch genommen. In den bekannten "ErbonkelfaIlen"84 kommt es deswegen nicht darauf an, ob der Neffe, der seinen Onkel zur Flugreise überredet, davon den Tod des Onkels mehr oder weniger intensiv erhofft oder gar (aufgrund unerschütterlichen Gottvertrauens) für irgendwie wahrscheinlich erachtet; die Willensbetätigung des Neffen muß vielmehr straflos bleiben, solange ihm einerseits geläufig ist, daß die Absturzgefahr bei Flugreisen gene rell doch nach wie vor als statistisch einigermaßen marginal einzuschätzen ist, und solange er andererseits keine Tatsachen zu kennen vermeint, die konkret in diesem Falle eine andere Erwartung zu begründen in der Lage wären. Ein Strafbedürfnis entfallt hier mangels subjektiver Realien, welche - lägen sie vor - für das Rechtsgut ernsthaft bedrohlich erschienen; das Rechtsgut wird also nicht darauf verwiesen, daß die vom Täter entwickelte Tatsachenvorstellung sich als objektiv konträr zur Realität (als "irrig") erweist, der Verwirklichungswille ist statt dessen schon von seinen eigenen Voraussetzungen her harmlos, braucht somit nicht erst durch das außerhaJb seiner selbst liegende Sicherungssystem "objektive Realität" entschärft zu werden. Auch dort, wo der Täter quasi "ins Blaue hinein" Annahmen zur (gefahrlichen) Realitätsbeschaffenheit entwickelt hat (der Neffe etwa ohne irgendwelche Anhaltspunkte gerade die vom Erbonkel zu frequentierende Fluglinie als besonders absturzanfaIlig einstuft), ist bereits der betätigte Verwirldichungswille in sich unschlüssig aufgebaut, bleibt also das Rechtsgut nicht nur aufgrund der objektiven, sondern schon aufgrund der subjektiven Realitätsstruktur weitgehend gesichert. Je folgerichtiger der Täter also aus von ihm unternommenen Beobachtungen das Bild einer güter gefährlichen Realität erschlossen hat, desto vollständiger gerät das Integritätsinteresse des Rechtsguts in Abhängigkeit von der Wehrhaftigkeit einer objektiv anders beschaffenen, güterbegünstigenden Realität; das Anliegen der Norm, dem Gut diese Abhängigkeit durch 84 VgI. dazu Annin Kcmfmann, Objektive Zurechnung beim Vorsatzdelikt, S. 268; Roxin, Honig-Festschrift, 11, S. 136 f.; ders., Klug-Festschrift, S. 311; Well.el, Das deutsche Strafrecht, S.56; Otto, NIW 1980, S. 422; Wolter, GA 1977, S. 271 f.;ders., Objektive und personale Zurechnung, S. 79; Jescheck, LI(, vor § 13 Rn. 61; ders., LehrOOch des Strafrechts, S. 258; Rudolphi, SK, vor § 1 Rn. 62; SchiJnke-SchriJder-Eser, vor § 13 Rn. 93.

111. Das Unrechtsrelevante am Verwirklichungswillen

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Einführung einer zusätzlichen (nonnativen) Sicherung zu ersparen (= Rechtsgüterschutz zu betreiben), wird entsprechend umfassender durchkreuzt. Je abstruser, unlogischer, lückenhafter und lächerlicher der Täter umgekehrt aus etwaigen Beobachtungen auf eine gütergefährliche Realität geschlossen hat, desto mehr verdankt sich der Fortbestand des Rechtsguts solchen inneren "Webfehlern" bei der Willensrekrutierung (untauglicher Versuch 85) und nicht erst einer widerspen stigen Realität bei der Willens umsetzung. Es ist in allen diesen Fällen also keine Eigenschaft der "objektiven" (täterverltußerlichten), sondern eine Eigenschaft der "subjektiven" (täterverinnerlichten) Realität, welche ein folgerichtig aufgebautes Strafrecht bei der Unrechtsbegründung berücksichtigen muß: die Eigenschaft nämlich, von ihren eigenen inneren Voraussetzungen her den Eintritt einer Rechtsgutsverletzung mehr oder weniger schlüssig erwartbar zu machen; die subjektive Erfolgsprognose speziell des Täters entscheidet darüber genausowenig wie der objektive Erfolgseintritt selbst. Mag deshalb der Täter den Erfolg noch so in ständig von nicht einmal mehr subjektiv der Realität zugehörigen, vielmehr realitätstranszendierenden, "irrealen" Mächten erhoffen, auf vermeintlich realitätsinvnanente Mächte läßt sich eine derartige Hoffnung jedenfalls nicht stützen (selbst der Täter tut dies nicht). Der Fortbestand des Rechtsguts hängt beim "irrealen Versuch"86 gar nicht davon ab, wie sich die objektive Realität tatsächlich ausnimmt - so daß auch der Nonnzweck nicht in Frage gestellt wird, durch VorschaItung eines rechtlichen Sicherungssystems zu verhindern, daß Güter in den bedrohlichen Zustand alleiniger Angewiesenheit auf die objektive Realität geraten. Zielt der Täter dagegen mit realen, wenngleich untauglichen Mitteln (etwa einer ungeladenen Pistole) auf eine Rechtsgutsverletzung ab, so gerät das angegriffene Rechtsgut dadurch jedenfalls in Abhängigkeit davon, daß der Täter in bezug auf die Tauglichkeit seines Tatmittels geirrt hat. Allein die im Eintritt dieser Irrtumsabhängigkeit liegende abstrakte Gefahr vermag die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs zu legitimieren.

85 Vgl. dam Roxin, JuS 1973, S. 330; Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 47; Sax, JZ 1976, S. 432 C.; Dicke, JuS 1968, S. 159; G6ssel, GA 1971, S. 227 C.; Maurach-G6ssel, Strafrecht Allgemeiner Teil, 11, S. 29; Jakobs, Lehrbuch Allgemeiner Teil, S. 610; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, S. 477; Stratenwerth, Lehrbuch Allgemeiner Teil, Rn. 690; Wesseis, Strafrecht Allgemeiner Teil, I, S. 182; Rudolphi, SK, § 22 Rn. 23, § 23 Rn. 7; Vogler, LK., § 23 Rn. 35; SchiJnkeSchr6der-Eser, § 22 Rn. 60 CC., § 23 Rn. 14 Cf.; Dreher-TriJndle, § 23 Rn. 6; Lackner, § 23 Anrn. 3 b. 86 Roxin, JuS 1973, S. 331; GiJssel, GA 1971, S. 233 C.;Alwart, Strafwürdiges Versuchen, S. 201 Cf.; Blei, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 232; Wessels, Strafrecht Allgemeiner Teil, I, S. 183; Vogler, LK, § 22 Rn. 137; Rudolphi, SK, § 23 Rn. 8; SchlJnke-SchriJder-Eser, § 23 Rn. 13; DreherTrlindIe, § 23 Rn. 5; Lackner, § 22 Anrn. 2 b, cc.

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

b) Zur negativen GefährdlIDg Während die positive Gefährdung sich dadurch auszeichnet, daß sie das Rechtsgut der Gefahr aussetzt, auf eine dem Verwirklichungswillen entsprechende Realität zu stoßen (Gleichartigkeitsrisiko), muß das Rechtsgut bei einer negativen Gefährdung befürchten, eine dem VerwirklichlIDgswillen widersprechende Realität anzutreffen (Andersartigkeitsrisiko). Setzte der Täter beispielsweise ein Gebäude in Brand, um dessen Bewohner zu töten, so litte das Rechtsgut "Leben" unter einer Gleichartigkeit der Realität gegenüber der Tätervorstellung (planmäßiger Tatablaut); setzte der Täter das Gebäude in Brand, weil er es für menschenleer hält, so litte das Rechtsgut "Leben" unter einer Andersartigkeit der Realität gegenüber der Tätervorstellung (Anwesenheit von Menschen im Gebäude) - im erstgenannten Fall beinhaltete das Tatverhalten also eine positive, im zweitgenannten Fall eine negative Gefährdung. Demgemäß gilt für die negative Gefährdung in vielerlei Beziehung dasselbe wie für die positive Gefährdung - nur eben mit umgekehrtem Vorzeichen. Aufgrund dieses "Umkehrprinzips" läßt sich zur negativen Gefährdung daher feststellen (in den Klammem werden nochmals, spiegelbildlich zugeordnet, die bereits erarbeiteten Aussagen zur positi ven Gefährdung aufgeführt): Je alarmierender es für ein Rechtsgut wäre, wenn der vom Täter unterstellte Datenkranz die tatsächliche Realitätsstruktur unzutreffend (zutreffend) abbildete, desto dringlicher wird das Rechtsgut darauf angewiesen, daß die Realität objektiv eben genauso wehrhaft wie (anders - wehrhafter - als) vom Täter angenommen strukturiert ist. Die Tragfähigkeit des normunabhängigen Sichertmgssystems "objektive Realität" wird daher um so stärker strapaziert, je gefährlicher es für das Rechtsgut anmutete, wenn objektive und subjektive Realität - Datiertes lIDd Datum - sich zueinander konträr verhielten (miteinander konform gingen). Eine Norm, der es darum geht, Güter nicht der Schutztauglicbkeit des normunabhängigen Sicherungssystems "objektive Realität" auszuliefern (sondern sie zu Rechtsgütern zu machen, d. h. mit einem normativen Schutzmantel zu umgeben), muß also auf Willensbetätigungen um so heftiger reagieren, je hoffnlIDgsloser ein Gut durch sie darauf angewiesen wird, daß die hinter ihnen stehende subjektive Realität objektiv auch (nicht) existiert. Läßt daher das Tatsachenwissen des Täters, das seine subjektive Realität konstituiert, ohnehin, d. h. selbst wenn es von der objektiven Realität abwiche (mit der objektiven Realität übereinstimmte), eine Rechtsgutsverletzung nicht oder nur ganz entfernt befürchten, dann wird das normunabhängige Sichertmgssystem "objektive Realität" entsprechend geringfügiger oder gar nicht in Anspruch genommen. Wer ein vermeintlich menschenleeres Wohnhaus anzündet, bringt die Rechtsgüter "Leib lIDd Leben" vollständig in Abhängigkeit davon, daß der Umstand "menschenleer" tatsächlich vorliegt, eine von der Tätervorstellung abweichende Realität hinsichtlich dieses Umstands ließe sonst dramatische Konsequenzen befürchten. Sofern es der Täter hingegen unterlassen hätte, ein Wohnhaus anzuzünden, wären etwaige Irrtümer des Täters hinsichtlich des Umstands "menschenleer" in jedem Fall folgenlos geblieben. Je

IlI. Das Uorechtsrelevante am Verwirklichungswillen

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zahlreicher die Umstände sind, hinsichtlich derer der Täter sich (noch) irren kann, ohne daß das Rechtsgut dadurch (schon) Schaden nähme, auf desto "mehr Schultern" verteilt sich das Andersartigkeitsrisiko, das Rechtsgut wird dementsprechend von jedem einzelnen Umstand immer unabhängiger, die Entschärfung der Tat durch das Sicherungssystem "objektive Realität" immer müheloser. Auch dort, wo der Täter seine Annahmen zur (gefahrlosen) Realitätsbeschaffenheit mit besonderer Sorgfalt gettoffen bat, d. h. zu außerordentlich schlüssigen Ergebnissen gelangt ist, erscheint das Rechtsgut nicht nur aufgrund der objektiven, sondern schon aufgrund der subjektiven Realitätsbeschaffenheit weitgehend gesichert. Je folgerichtiger und lückenloser der Täter aus von ihm unternommenen Beobachtungen das Bild einer güterungefährlichen Realität erschlossen hat, als desto vernachlässigenswerter kann das verbleibende Restrlsiko einer anders beschaffenen Realität eingeschätzt werden 87; das Bestreben der Norm, Güter nicht ungewappnet der Realität auszusetzen, sondern sie durch Heranziehung auch des Verwirklichungswillens normativ abzusichern (d. h. selbst Rechtsgüterschutz zu betreiben), hat immerhin partiell Erfolg gehabt, der Vecwirklichungswille sich an der Sicherung des Rechtsguts immerhin beteiligt. Je oberflächlicher und voreiliger der Täter dagegen von unzureichenden und lückenhaft vorgenommenen Beobachtungen auf eine güterungefährliche Realität geschlossen hat, desto kompletter verweigert sich der Verwirklichungswille des Täters dem Güterschutzanliegen, läßt sich von der Norm nicht dazu einspannen, verdankt sich der Fortbestand des Guts ggf. ausschließlich der güterfreundlich strukturierten täterunabhängigen (objektiven) Realität88 • Vertraut der Täter in irrationaler Weise auf das höchst ungewisse Eingreifen güterbegünstigender Umstände oder vertraut er gar auf irreale güterbe günstigende Umstände, dann wird das Rechtsgut letztlich auf den Status zurückgestoßen, den es vorrechtlich einstmals innehatte: den Status eines ("einfachen") lediglich faktisch (nicht aber normativ) mehr oder weniger (un-)zuverlässig abgeschirmten Guts. c) Der Gefährdungsgrad als tatbestandserheblicher Umstand Der Grad, bis zu dem ein Verwirklichungswille das Heil eines Rechtsguts vom Vorhandensein einer ganz speziellen (sei es von einer der Tätervorstellung gegenüber gleichartigen, sei es von einer der Tätervorstellung gegenüber an87 VgI. eramer, Der Vollrauschtatbestand, S. 68 C.; SchUnemann, JA 1975, S. 797 f.; Hom, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 22 f., 94 f.; ders., SI{, vor § 306 Rn. 17; Arthur Kaufmann, JZ 1963, S. 432; SchrlJder, ZStW 81, S. 16 f.; Rudolphi, Maurach-Festschrift, S. 59 f.; Brehm, Zur Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte, S. 38 ff.; Bohnert, JuS 1984, S. 182; Hoyer, Eignungsdelikte, S. 41 f. 88 VgI. auch BGHSt 26, S. 121, 124 f.; BGH NStZ 1982, S. 420 f.; BGH NStZ 1985, S. 408 f.; BGH MDR 1986, S. 864f.; überblicltsweise HomIHoyer, JZ 1987, S. 966f.

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

dersartigen) objektiven Realitätsbeschaffenheit abhängig werden läßt, markiert somit zugleich den Grad, bis zu dem die Norm den von ihr verfolgten Zweck, "Rechtsgüter8Chutz" zu inszenieren, verfehlt. Das von einem Verhalten herbeigeführte Ausmaß an "Realitätsabhängigkeit" eines Rechtsguts kann deswegen nicht ohne Einfluß auf das "Ob" und "Wieviel" an Strafbarkeit bleiben - je geringer die Realitätsabhängigkeit, in die ein Rechtsgut hineinversetzt wird, desto geringer das verbleibende Strafbarkeitsbedürfnis (sowie vice versa).

Im Extremfall kann die bewirkte Abhängigkeit so rudimentär ausfallen (weil der Täter seinen Verletzungswillen so eklatant unschlüssig, seine Sicherungsvorkehrungen so lückenlos überzeugend aufgebaut hat), daß das Verhalten keinerlei rechtliche Benachteiligung mehr "verdient", das Freiheitsinteresse des Täters vielmehr im Vergleich zum Interesse an einer Verhinderung (auch) dieser Restabhängigkeit als überwiegend wahrenswert erscheint. Steht der Täter konkret in der Situation, zwischen einem solchen, nur peripher und einem anderen. sehr intensiv realitäts anweisenden Verhalten wählen zu müssen, so läge es im Sinne der (normativ zu verfolgenden) Idee "Rechtsgüterschutz" , wenn der Täter hier (bei Gleichwertigkeit der bezogenen Güter) allenfalls gegen "Strafbarkeit" das zweitgenannte Verhalten bevorzugen könnte. Das von der Tat geschaffene Quantum an Realitätsabhängigkeit eines Guts muß also (ebenso wie die Wertigkeit des Guts) dafür ausschlaggebend sein können, daß eine strafbewehrte Präferenzrelation überhaupt zustande kommt - und in welche Richtung sie ggf. zustande kommt Die Tatfrage, inwieweit ein Verwirklichungswille die Integrität von Gütern der objektiven Realität überantwortet (statt selbst einen Beitrag zur Intalethaltung zu leisten), soll das Präferenzgefälle also (positiv) mitausprägen und nicht nur bereits normierten Präferenzrelationen (negativ) die Geltung vorenthalten können. Ob der Täter von zwei ihm möglichen Verhaltensweisen die eine oder die andere zwecks Strafvermeidung bevorzugen muß, hängt also nicht nur vom Wert der jeweils tatbetroffenen Rechtsgüter ab, sondern auch davon, mit welcher SchlUssigkeit die TatsachenvorsteUungen des Täters jeweils den Eintritt (bzw. das Ausbleiben) einer Rechtsgutsverletzung erwartbar machen. Die von einem Verhalten herbeigeführte Abhängigkeit stellt sich somit als ein normintem (als Tatbestandsvoraussetzung) und nicht erst -extern (als Normgeltungsvoraussetzung) zu berücksichtigendes Faktum dar: Die Bevorzugung eines Verhaltens VI gegenüber einem Verhalten v2 ist in einer Norm insoweit strafbar zu stellen. vI> v2 -> S, als das von VI herbeigeführte Produkt aus Realitätsabhängigkeit (RA 1) und Wertigkeit (W 1) eines Guts das von v2 herbeigeführte entsprechende Produkt (RA2 x W 2) der Größe nach übertrifft, (RAI xWI»(RA2 xW2) ->(VI >v2 ->S).

III. Das Unrechtsrelevante arn Verwirldichungswillen

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Von zwei Verhaltensweisen legt der Tatbestand also stets diejenige Verhaltensalternative nahe, für die das Produkt aus Gefährdungsgrad (bemessen auf der Grundlage der vom Täter angenommenen Tatsachen) und gefährdetem Welt niedriger ausfällt Es läßt sich daher auch nicht generalisierend feststellen, daß etwa der Täter normativ stets eher zur Vermeidung einer positiven als zur Vermeidung einer negativen Gefährdung anzuhalten ist. Ein Täter beispielsweise, der voll trunken am Sttaßenverkehr teilnimmt, weil er eine güterbegünstigende Realitätsstruktur (menschenleere Sttaße, unkomplizierte Sttaßenfühnmg, etc.) für gegeben erachtet, versetzt die von einem etwaigen Beurteilungsfehler betroffenen Güter damit in nahezu unabgemilderte Realitätsabhängigkeit (der Lagebeurteilung des Täters kann angesichts seiner Volltrunkenheit kaum vertraut werden) - während ein Täter, der seinem Verletzungsplan gänzlich unmotiviert angenommene, güterungünstige Gesetzmäßigkeiten zugrunde legt, im wesentlichen schon an der Unschlüssigkeit seines eigenen Verletzungsplans (statt erst an der Realität) scheitert; die (am Rechtsgüterschutz interessierte) Norm wird ihre Rechtsfolge (Strafbarkeit) bezogen auf diese beiden Verhaltensweisen demzufolge auch nur an die Bevorzugung der negativen gegenüber der positiven Gefährdungskonzeption - und nicht umgekehrt - knüpfen. d) Zusammenfassung Normativer Rechtsgüterschutz bedeutet also, Güter durch Sanktionsandrohungen unabhängig davon zu stellen, ob potentielle Täter die objektive Realität (un-)richtig beurteilen. "Rechts-"güter sind daher Güter, zu deren Schutz das faktische Sicherungssystem "objektive Realität" normativ entlastet (durch normativen Schutz ergänzt) wurde; der Schutz des Guts (und damit seine Statuienmg zum Rechtsgut) besteht gerade in der normativen Entlastung der "objektiven Realität". Ein Verhalten, welches trotz der Norm das Sicherungssystem "objektive Realität" weiterhin belastet, vereitelt somit den Normzweck, Rechtsgüterschutz zu betreiben. Je stärker die Belastung der objektiven Realität ausfällt, desto vollständiger gerät die Vereitelung von Rechtsgüterschutz. Je stärker die bevorstehende Belastung der objektiven Realität auszufallen drohte, desto höher muß die Norm daher - am Rechtsgüterschutz orientiert - ihre vorbeugende Sanktionsandrohung ansiedeln. Je stärker ein bevorstehendes Verhalten relativ zu einem anderen eine Mehrbelastung der objektiven Realität herbeizu führen drohte, desto entschiedener muß schließlich eine normierte Präferenzrelation (festgelegt und) strafbewehrt werden. Tatbestandserheblich ist also weder die Verletzungsursächlichkeit noch auch nur die konkrete Gefahrlichkeit eines Tatverhaltens, sondern allein, inwieweit dieses Tatverhal ten auf der Grundlage der vom Täter angenommenen Tatsachen eine Rechtsgutsverletzung nach sich zu ziehen droht Der Tatbestand erfaßt Verhaltensweisen damit in Reaktion auf die abstrakte Gefährlichkeit, die diesen nach dem Tatsachenbild des Täters zukommt.

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

Mit dem so Resümierten wäre zur Art und Weise, in der Normen dem Rechtsgüterschutz dienen, und zum notwendigen Inhalt von Normen, damit sie (auf diese Weise) dem Rechtsgüterschutz dienen, alles Erforderliche gesagt. Offen bleibt allerdings noch die Beantwortung der entsprechenden Frage für die Geltungsbedingungen einer Norm.

2. Das GUltigkeitsrelevante am Verwirklichungswillen Zu den Geltungsbedingungen einer Strafrechtsnorm gehören -dem oben Ausgeführten zufolge 89 - sämtliche Gesichtspunkte, deren Hinzutreten zwar das sonst bestehende Präferenz- und damit Rechtsgutsgefüge nicht (positiv) mitprägen, wohl aber strafbewehrte Präferenzrelationen (negativ) außer Kraft setzen und dadurch das normativ geschützte Gut rechtmäßig angreifbar machen soll. a) Die Funktion von Normgültigkeitsbedingungen

Im Regelfall wird es allerdings dem Strafrechtszweck, Rechtsgüterschutz zu betreiben, eher zuwiderlaufen, wenn aufgrund eines Normdispens Rechtsgüter straffrei angreifbar gemacht werden. Das Involviertsein zusätzlicher, normativ ausgeblendeter Gesichtspunkte kann aber dazu führen, den mit Strafbarkeit bedrohten Rechtsgutsangriff in ein derart verändertes Licht zu rücken, daß die normativ in Aussicht gestellte Strafbarkeit auf ihn nicht mehr (vollständig) paßt Für diese "Überreaktion" auf einen Rechtsgutsangriff seitens der Norm zeichnet dabei der Umstand verantwortlich, daß die Norm, um potentiellen Tätern zu sätzliche Verhaltensfreiheit zu verschaffen, bestimmten Angriffsspezifikationen, die den Angriff relativ zu konkurrierendem Verhalten als nicht mehr (so) güternachteilig erscheinen lassen, innerhalb der vertatbestandlichten Präferenzrelation keine Beachtung geschenkt hat. Indem die Norm sich so einer umfassenden Würdigung der Güternachteiligkeit eines Verhaltens verschlossen hat, kann es sein, daß sie im Ergebnis strafbewehrte Präferenzrelationen aufstellte, die fälschlich von einer gesteigerten Gütemachteiligkeit des strafbedrohten Verhaltens (relativ zum statt dessen empfohlenen) ausgehen. Das norminterne Überzeichnen der Gütemachteiligkeit eines Verhaltens, das sich in der (Höhe der) normierten Strafandrohung niederschlägt, muß normextem (sei tens der Normgeltungsbedingung) korrigiert werden - indem der Norm die Geltung insoweit verweigert wird, das Erfülltsein der Tatbestandsmerkmale also nicht zur Rechtswidrigkeit des betreffenden (tatbestandsmäßigen) Verhaltens führt. Erst die Existenz von Normgeltungsbedingungen gewährleistet also, daß nur ein güter unverträgliches Bevorzugen der einen gegenüber der anderen Verhaltensaltemative Unrecht ausbildet - und nur entsprechend seiner Güterun verträglichkeit Unrecht ausbildet. 89 Vg!. Kapitel F. 11. 3. b) aa).

IIl. Das Uorechtsrelevante am Verwirldichungswillen

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Ob lDld inwieweit ein Sachverhalt von einer Rechtsordnung als "Gut" begriffen wird (lDld insofern als Bezugspunkt bei einer GüterverträglichkeitspriiflDlg in Betracht kommt), ergibt sich dabei aus der Gesamtheit aller jedenfalls bedingt gültigen Normen, da deren Funktion ja gerade darin besteht 90, Güter maßstabsgetreu in den Status von Rechtsgütern zu übersetzen. Je nachdem, wie umfassend (der Richtung nach) und wie nachdrücklich (dem Strafbarkeitsmaß nach) ein Sachverhalt von Rechtsnormen mit normativem Schutz umgeben wurde, wird er offenbar von der RechtsordnlDlg für n gut", für ein "Gut" beflDlden - und demgemäß rechtlich geschützt Außerbalb jedenfalls bedingt gültiger Normen und über diese hinaus erkennt die Rechtsordnung anscheinend keine schützenswerten Einheiten, anders wäre die zu beobachtende tatsächliche Normabstinenz, d. h. der Verzicht auf normativen Schutz, nicht zu erklären. Die einzelne Norm mag sich damit begnügen, das Bevorzugen einer Körperverletzung gegenüber folgenlosem Nichthandeln mit Strafe zu bedrohen, ohne mitzuberücksichtigen, daß durch die Körperverletzung menschliches Leben verteidigt wird. Innerhalb einzelner Präferenzrelationen kann es also dazu kommen, daß (infolge Blickverengung auf nur einige der sub specie Güterverträglichkeit erheblichen Gesichtspunkte) bestimmte situativ beteiligte Güter schutzlos ausgehen. Von der Summe aller Rechtsnormen erhält jedoch jedes Gut den normativen Schutzmantel angelegt, der ihm angesichts seiner Güte zusteht (bezogen auf den soeben angeführten Beispielsfall: Andere Normen versäumen es durchaus nicht, das menschliche Leben so intensiv und extensiv zu schützen, daß diesem letztlich eine Führungsposition innerhalb der Rechtsgüterhierarchie einzunehmen gelingt). Die von der Einzelnorm aufgestellte Präferenzrelation basiert dann aufgrund des beschränkten Horizonts der in sie eingegangenen Gesichtspunkte nicht auf entsprechend ausgeprägten Präferenzinteressen der Rechtsordnung, wie sie sich aus dem von der Normengesamtheit errichteten Rechtsgutssystem ablesen lassen; in der Beseitigung derartiger Dissonanzen liegt infolgedessen die Aufgabe der NormgeltungsbedinglDlgen. Normgeltungsbedingung ist damit jeder Umstand, dessen Fehlen eine Einzelnorm insoweit zur Ungültigkeit verurteilt, wie diese sonst dem von einer Normengesamtheit verfolgten Schutzinteresse zuwiderliefe. Diese Defmition soll im folgenden anband verschiedener Typen von Normgültigkeitsbedingungen veranschaulicht werden. b) Der rechtfertigende Notstand Wenn ein tatbestandsmäßiges Verhalten beispielsweise nicht nur den normierten Schutz eines Guts beeinträchtigt, sondern zugleich auch die Überlebenschancen eines anderen (zum Rechtsgut hoch-)normierten Guts begünstigt, dann beeinflußt diese Tatsache das Schutzinteresse der Rechtsordnung: Je gewichtiger die Güterbegünstigung relativ zur Güterbeeinlrächtigung ausfällt, de90 VgI. Kapitel F. 11. 3. e) bb). 15 Hoyer

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

sto mehr tendiert das verbleibende Stratbarkeitsbedürfnis gegen Null. Der damit angesprochene rechtfertigende Notstand führt also zur UngUltigkeit der Norm, sein Fehlen bedingt demzufolge die GUltigkeit der Norm. Das Schutzinteresse der Rechtsordnung entfällt beim rechtfertigenden Notstand infolge Kompensation, die normierte Stratbedrohung bleibt ungültig, weil normintern ausgeklammerte Gesichtspunkte dies (normextern) verlangen. Die "Ausklammerung" derartiger für das Schutzinteresse erheblicher Gesichtspunkte aus der Norm geschieht dabei im Interesse des Täters zwecks gesteigerter Eröffnung von Verhaltensfreiheit; ihr liegt keine andere Qualität jener ausgeklammerten Gesichtspunkte zugrunde. Normexternalisierte Gesichtspunkte sind damit von derselben stofflichen Beschaffenheit wie norminternali sierte, sie beziehen sich auf dieselben Güter und auf dasselbe Interesse an deren Schutz. Als normintern verfolgtes Schutzinteresse wurde aber oben 91 das Ziel beschrieben, Güter davor zu bewahren, in ihrem Fortbestand auf eine bestimmte (relativ zur TätervorstellWlg gleich- bzw. andersartige) Realitätsstruktur angewiesen zu sein. Die Norm stellt demzufolge auch nur Verhaltensweisen strafbar, die in diesem Sinne zu einer Desintegration von Gütern führten. Aufgrund ihrer identischen Konsistenz muß es sich auch bei den Normgel b.JIlgs bedingWlgen um Umstände handeln, welche den desinte grierenden Charakter des strafbar gestellten Verhaltens beeinflussen -nämlich (um kompensationsfähig zu sein) wieder aufheben. Eine Normungültigkeit infolge Kompensation setzt also voraus, daß die einerseits bewirkte (im Tatbestand erfaßte) Güterdesintegration durch entsprechende Güterreintegration auf der anderen Seite wieder ausgeglichen worden ist92 •

91 Vgl. Kapitel F. 11. 3. b) bb). 92 § 34 StGB fordert für eine Notstandsrechtfertigung, daß "das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt". Bei bloßer Gleichwertigkeit beider Redttsgüter scheint demnach eine Rechtfertigung entfallen zu sollen -obwohl doch auch in diesem Falle die Rechtsgüterwelt sich (per Saldo) durch die Tal nicht schlechter steht als ohm die Tal. Annin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 137, akzeptiert dieses Ergebnis. Vom Axiom des Güterschutzes her gesehen vermag es jedoch nicht zu überzeugen, daß die Bevcaugung eines Verhaltens VI gegenüber v2 mit Strafbarkeit bedroht wird, ohne daß das Güter-Gesamtinteresse bei umgekehrter Wahl besser gewahrt worden wäre (für einen Strafunrechtsausschluß bei bloßer Gütergleichwertigkeit auch GUn/her, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 328). Die Tatsache, daß das gerettete Redttsgut - im Gegensalz zum verletzten - sich unabhängig von (und vor) der Tal bereits in Gefahr befand, verschlägt dabei nichts: Wert und Schutzwürdigkeit des zuvor geflihrdeten (nunmehr geretteten) Rechtsguts können nicht schon allein aufgrund der Bedrohung als reduziert aufgefaßt werden -sonst müßte bei "Pf1ichtenkollisionen" stets das weniger stark geflihrdete Rechtsgut bevorzugt gerettet werden. Auch mit einem Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens, das "immer berührt wird, wenn ein drohender Schaden auf ein unbeteiligtes drittes Gut abgewälzt wird" (vgl. Schönke&hriider-Lenckner, § 34 Rn. 35), kann hier nicht argu mentiert werden: Daß eine Schadensabwen -

1Il. Das Unrechtsrelevante am Verwirklichungswillen

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Güter erscheinen dabei als des integriert, wenn sie vom Täter aus dessen Schutzpotential entlassen und der täterunabhängigen Realität überantwortet werden, sie werden demgegenüber reintegriert (so daß Kompensation eintritt), wenn sie vom Täter in sein Schutzpotential übernommen und der täterunabhängigen Realität entrückt werden. Ist beispielsweise von einem bestimmten Verhalten unter Zugrundelegung der vom Täter angenommenen Tatsachen nicht nur zu erwarten, daß es bestimmte Güter schädigt, sondern auch, daß es andere Güter vor Schädigungen bewahrt, so wird mit diesem Verhalten Güterschutz nicht nur vereitelt, sondern auch wahrgenommen. Ebenso wie die Vereitelung von Güterschutz daran gemessen wird, in wieweit die Integrität des Guts von einer bestimmten Realitätsstruktur abhl1ngig gemacht wird, ebenso muß demnach auch die Wahmahme von Güterschutz danach quantifiziert werden, inwieweit das geschützte Gut von einer bestimmten Realitätsstruktur unabhtJngig gestellt wird. Während somit die (tatbestandsmäßige) Destruktion von Güterschutz darin besteht, daß Güter einem erhöhten Gleich- bzw. Andersartigkeitsrisiko ausgesetzt werden, zeichnet sich umgekehrt die (rechtfertigende) Rekonstruktion von Güterschutz dadurch aus, daß Gütern eine verbesserte Gleich- bzw. Andersartigkeitschance verschafft wird. Normungültigkeit in folge Kompensation (= Rechtfertigung infolge Notstands) erfordert deshalb nicht, daß das Täterverhalten objektiv nützlich für

dung als Störung des Rechtsfriedens empfunden wird, beruht erst auf einem Recht, welches derartige Abwälzungsaktionen sanktioniert, kann diese Sanktionierung also selbst nicht rechtfertigen. Daß derjenige, der seine eigenen bedrohten Interessen auf Kosten unbeteiligter Drittinteressen wahrt, zivilrechtlich auf Schadensersatz haftet, steht auf einem anderen Blatt und entspricht den Grundsätzen einer gerechten Verteilung des Individual schadens. Für die strafrechtliche Haftung entscheidet jedoch nur der angerichtete Sozialschaden -und an einem solchen fehlt es, wenn dem (auf der einen Seite zu beklagenden) Individualschaden auf der anderen Seite ein (mindestens) gleichwertiger Güternutzen gegen übersteht. In bezug auf § 34 StGB besteht deswegen im Grunde nur die Wahl, entweder achselzuckend dessen partielle Unvereinbarkeit mit dem Güterschutzanliegen zu konstatieren oder aber die folgende Rechtsauslegung zu akzeptieren: Mit dem geforderten wesentlichen Oberwiegen des geschützten gegenüber dem beeinträchtigten Interesse meint das Gesetz kein absolutes, sondern nur ein relatives Überwiegen; d. h. das geschützte Interesse muß rela tiv zum beeinträchtigten soweit überwiegen, daß kein milderes Altemativvemalten ein deutlicheres Überwiegen für sich reklamieren könnte. Es wäre dann also weder notwendig noch hinreichend, daß VI absolut gesehen mehr Nutzen als Schaden hervocgebracht hat, v 1 müßte mehr Nutzen als Schaden vielmehr in dem Maße hervorgebracht haben, indem dies für irgendein milderes A1ternativvemalten der Fall ist. Diese Relativierung der Wesentlichkeitsforderung des § 34 StGB kann im Extremfall zum Verzicht auf jegliches (in absoluten Zahlen gerechnete) Überwiegen bei der Tatrechtfertigung führen - ebenso wie die Relativierung der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 11 GG im Extremfall auch Grundrechtsrestriktionen auf Null (in absoluten Zahlen gerechnet) gerechtfertigt erscheinen läßt; vgl. BVerGE 47, S. 357 f.; MaunzlDUriglHerzog/Schok, Art. 1911, Rn. 2 Cf.; Maunz-Zippelius, Staatsrecht, S. 157; Hesse, Verfassungs recht, S. 133 f.; Haberle, Die Wesensgehaltsgarantie, S. 58 Cf.; BGH DVBI. 1953, S. 370, 371; BGHSt 4, S. 375, 377. 15*

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

normativ geschützte Güter ausfälle Ob ein Verhalten erfolgreich oder vergeblich die Rettung eines Rechtsguts betreibt, ist gemessen am Anliegen des Strafrechts gleichgültig. Der Täter ist vielmehr auch dann gerechtfertigt, wenn er sich eine Notstandslage nur irrig vorstellt (entsprechendes muß für andere Normgeltungsbedingungen zutreffen). Strafrechtlicher Güterschutz bezweckt nämlich, die (zum Rechtsgut emporgeschützten) Güter gegenüber dem Risiko abzuschirmen, daß der Täter die Realität zutreffend (Gleichartigkeitsrisiko) bzw. unzutreffend (Andersartigkeitsrisiko) beurteilt. Der Intention des Strafrechts ist also schon dann (und auch nur dann) Genüge getan, wenn der Täter das Rechtsgut unter Zugrundelegung seiner Realitlttsvorstellung besserstellt, denn bereits dadurch eröffnet er dem Gut eine (durch Normungültigkeit) zu begrüßende Gleichartigkeitschance. Ob eine solche Gleichartigkeitschance zur vollständigen Kompensation und damit zum gänzlichen Fortfall des normativ verankerten Präferenzinteresses führt, ergibt sich aus der (normativ fixierten) Rangigkeit des vom Täter (subjektiv) geschützten Rechtsguts sowie aus dem Grad der diesem Gut (subjektiv) zuteil gewordenen Lageverbesserung93 • Jener Grad kann sich allerdings - um weder die willkürliche Zu versicht des Täters zu honorieren, noch dessen intuitiven Defaitismus zu sanktionieren - wiederum (wie bei der Tatbestandsmäßigkeit94) nur aus einer verobjektivierten Verknüpfung der vom Täter angenommenen Daten herleiten; "Rechenfehler" des Täters bzw. Erwartungsoder Befürchtungshaltungen, die sogar subjektiv unmotiviert erscheinen, müssen mangels Belang für das tatsächliche Güterschutzinteresse dafür außer Betracht bleiben. Von Bedeutung für das Ausmaß der herbeigeführten Lageverbesserung ist hingegen die objektive Stringenz, mit der sich aus den vom Täter angenommenen Daten bestimmte Schlußfolgerungen aufdrängen 9s : Erscheinen die vom Täter ermittelten Tatsachen wenig aussagekräftig im Hinblick auf das Bestehen einer Rettungsmöglichkeit, dann muß auch die vom Täter eröffnete Gleichartigkeitschance eher gering veranschlagt werden; sie läßt daher das tatbestandlich verbriefte Präferenzinteresse auch nur zum Teil entfallen, so daß eine Restgültigkeit der Norm (und damit zugleich ein Restunrecht der Tat) verbleibt 96 • Leidet der Täter also unter Verfolgungsängsten, ohne auch nur den

93 VgI. Lmckner, Der rechtfertigende Notstand, S. 90 ff.; Samson, SK, § 34 Rn. 10; DreherTriJndle, § 34 Rn. 8; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, S. 324 f.

94 V gI. Kapitel F. 111. 1. 9S SclU1nke-SchriJder-Lenckner, § 34 Rn. 29. 96 Auch bei vollständiger Schadenskompensation kann eine Notstandsrechtfertigung allerdings entfallen, wenn den geretteten Rechtsgutsinhaber eine besondere "Gefahrtragungspflicht" (sei es aufgrund seiner beruflichen Stellung, sei es aufgrund seiner Verantwortlichkeit für die Gefabrentstehung) trim. Anstatt von einer Gefahrtragungs-"Pflicht" kann im alethischen Sinne dann allerdings nur von einer partiellen Schutzlosstellung des betroffenen Rechtsguts die Rede sein. Diese SchutzlossteIlung kann entweder darauf beruhen, daß der Rechtsgutsinhaber in die Gefahrtragung bei seiner Amt5übemahme konldudent eingewilligt hat (:rum Wesen der Einwilligung als

III. Das Unrechtsrelevaote am Verwirklichuogswilleo

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Anschein einer Verfolgung schlüssig belegen zu können, so bleibt sein Vorgehen gegen die vermeintlichen Verfolger rechtswidrig, läßt nämlich keine Verbessenmg der tatsächlichen Lage erhoffen. c) Die Notwehr Während die Normungültigkeit beim Notstand auf kompensations spezifischen Überlegungen fußt, gründet sie bei der Notwehr auf sanlctionsspezifischen Erwägungen. Bei der auf Notwehr beruhenden Rechtfertigung kommt es nicht darauf an, ob der Täter durch sein Verhalten per Saldo, bezogen auf den Gesamtbestand von Rechtsgütem, eine Verbessenmg herbeiführt oder insoweit jedenfalls den status quo wahrt; Notwehr kann vielmehr auch Verhaltensweisen rechtfertigen, deren rechtsgüterbelastende ihre rechtsgüterschützenden Aus wirkungen um ein Vielfaches übertreffen97 • Dennoch wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur ganz überwiegend der Versuch unternommen, die Notwehr irgendwie auf den etwähnten Grundsatz der Kompensation zurückzuführen. Die auf ihre Triftigkeit zu untersuchende Argumentation98 lautet dabei inhaltlich stets folgendermaßen: aa) Notwehr und Verhllltnismäßigkeit

Zwar setze Notwehr zugestandenermaßen nicht voraus, daß schon bei einfacher Gegenüberstellung der (innerhalb der Notwehrsituation) beteiligten 1ndividualrechtsgüter eine vollstllndige Kompensation der tatbestandsmäßigen Güterbeeinträchtigung durch eine entsprechende Güterbegünstigung festgestellt werden könne. Jedoch falle auf der Seite des begünstigten Rechtsguts zusätzlich noch die mitverteidigte Geltung der Rechtsordnung ins Gewicht, so daß der Verteidiger im Ergebnis durch seine Notwehrhandlung zwei Rechtsgüter schütze (das gerettete Individualrechtsgut sowie die Geltung der Rechtsordnung), hingegen nur eines verletze (das Individualrechtsgut des Angreifers); die beiden geschützten Positionen zusammengenommen seien aber regelmäßig durchaus dazu imstande, die zugleich eingetretene Rechtsgutsverletzung ausreichend zu kompensieren. Mit dem hier entwickelten alethischen Sttafrechtskonzept läßt sich diese Argumentation natürlich nicht vereinbaren: Durch die Vornahme eines rechtswid-

Rechtfertiguogsgrund vgl. Kapitel F. III. 2. d), oder darauf, daS der Rechtsgutsinhaber für ein bestimmtes gefahrursichliches Verbahen insoweit sanktioniert werden 5011 (zur Bedeuttmg des Sanklionsgedankens im Rahmen der Rechtferti gung siebe sogleich). 97 SclrlJrrh-Schrikler-Lencwr, f 32 Rn. 1; Sanuon, SK, f 32 Rn. 1; MauraclrlZipf, Strafrectt AIIgemeinec Teil, I, S. 342 f. 98 Lencwr, GA 1961, S. 309; dem., GA 1968, S. 3 f.; Ro;;c;n, 'Z1?JtW 75, S. 566 f.; Schrikler, JuS 1973, S. 158.

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

rigen Angriffs wird, alethisch betrach tet, nämlich keineswegs (neben dem Individualrechtsgut auch noch) die Geltung der Rechtsordnung erschüttert. Es werden vielmehr lediglich die Voraussetzungen für eine normativ festgesetzte Sanktion verwirklicht. Mit einem rechtswidrigen Verhalten verletzt der Angrei fer also nicht die (Geltung der) Rechtsordnung, sondern verhilft ihr lediglich zur Anwendung, die Norm wird also nicht gebrochen, sondern praktisch 99 • Das einzige Gut, das der Täter durch seine Straftat verteidigt, ist demnach das vom Angriff betroffene, normativ geschützte (= geschaffene) Individualrechtsgut des Angegrüfenen; dieses muß aber bei der Notwehr anerkanntermaßen nicht gleichwertig gegenüber dem verletzten Angreiferrechtsgut sein. Innerhalb eines alethischen Strafrechtssystems zerfällt die von der herrschenden Lehre eingeführte Abwägungsgröße "Geltung der Rechtsordnung" also ins Nichts und kann schon deswegen für Kompensationszwecke nicht mit herangezogen werden.

Innerhalb eines pflichtenorientierten Strafrechtskonzepts - wie es Armin Kaufmann entwickelt hat - mag es zwar Sinn machen, eine Straftat als unvereinbar mit der Rechtsordnung anzusehen, unvereinbar nämlich mit den innerhalb ihrer begründeten Rechtspflichten. Ein kompensationsfähiges Rechtsgut resultiert aus dieser Tatsache aber noch nicht. Zweifel an der oben 100 angeführten Argumentation ergeben sich jedenfalls auch dann, wenn man die Existenz von "Rechtspflichten" im Sinne Armin Kaufmanns einmal unterstellt: Zunächst ist schon unklar, weshalb die "Geltung der Rechtsordnung", d. h. die Einhaltung von Rechtspflichten, als zusätzliches Rechtsgut selbständig neben das verteidigte Individualrechtsgut treten können sollte. Sinn einer Rechtspflicht kann es nicht sein, selbstherrlich ihre eigene Einhaltung zu schützen befriedigte sie nämlich tatsächlich lediglich ein von ihr selbst erzeugtes Schutzbedürfnis, dann bedürfte es ihrer nicht. Armin Kaufmann zufolge soll der Sinn einer Rechtspflicht deshalb schon qua definitione "extrovertiert" sein, indem festgeschrieben werde, daß ein ihr vorgegebenes, individuelles Rechts-

99 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 118 C.: "In der Bezeichnung als 'Un-'Recht, RechtsWidrigkeit', Rechts-'Bruch' oder Rechts-Verletzung' drückt sich der Gedanke einer Negation des Rechts aus, die Vorstellung von etwas, das außerhalb des Rechts oder gegen dieses steht, das die Existenz des Rechtes bedroht, unterhricht oder gar aufhebt. Diese Vorstellung ist irreführend ... (S. 119) Wenn eine bestimmte Ordnung ein bestimmtes Verhalten nur dadurch gebietet, daß sie an sein Gegenteil eine Sanktion knüpft, ... dann zeigt sich, daß das Unrecht nicht ein außerhalb des Rechts und gegen dieses stehender, sondern ein innerhalb des Rechts stehender, von diesem bestimmter Tatbestand ist, daß sich das Recht seinem Wesen nach gerade auf ihn und ganz besonders auf ihn bezieht. Wie alles, so kann auch das Un-Recht juristisch nur als Recht begriffen werden. Wenn von rechtswidrigem Verhalten gesprochen wird, so ist damit das den Zwangsakt bedingende, wenn von rechtmäßigem Verhalten gesprochen wird, das gegenteilige, den Zwangsakt vermeidende Verhalten gemeint". 100 V gl. den Beginn dieses Abschnitts.

III. Das Unrechtsrelevante am Verwirldichungswillen

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gutsobjekt in einer konkreten Tatsituation nicht angegriffen werden solle 101. Als bloßes Schutzinstrument im Dienste präexistenter Güter vermag die Rechtspflicht geschützten Objekten aber eben nur Schutz, keine "Güte" hinzuzufügen. RechtspfliChten stellen daher weder ein Gut dar, noch stellen sie es her, schon von daher erscheint ihre Abwägungsrelevanz fraglich. Selbst wenn man schließlich sowohl die Existenz von Rechtspflichten als auch deren Charakter als "Nebenrechts gut" anerkennte, so fehlte dem daraus erwachsenden Faktor "Einhaltung von Rechtspflichten" doch die Kompensationseignung im Rahmen der Notwehrprüfung. Zwar kann es so sein, daß die Verteidigungshandlung neben dem Individualrechtsgut die den Angreifer treffende Rechtspflicht vor Verletzungen bewahrt (indem die bevorstehende Realisierung pflichtwidrigen Verhaltens unterbunden wird). Das bedrohliche, pflichtwidrige Verhalten kann zur Zeit der Verteidigungshandlung aber ebensogut bereits vollständig vorgelegen und nur der Erfolgseintritt noch ausgestanden haben - daß eine Gefahrenabwehr auf Kosten des Angreifers dann plötzlich wegen Unverhältnismäßigkeit als rechtwidrig einzustufen sein soll (weil keine Rechtspflicht mehr zur Wahrung ansteht), will aber auch die herrschende Lehre im Ergebnis nicht akzeptieren: Sie versucht vielmehr unter Hinweis auf das noch ausstehende "Erfolgsunrecht" dennoch zur Notwehrrechtfertigung des Abwehrverhaltens zu gelangen l02 • Es soll hier sogar davon abgesehen werden, daß auf der Grundlage der obigen Ausführungen eine unrechtserhebliche Bedeutung des Erfolgseintritts ohnehin nicht zugegeben werden kann. Auch wenn man dies nämlich anders sehen wollte, so bestünde die Unrechtszunahme vom bloßen Tatversuch zur -vollendung jedenfalls nur im tatsächlichen Eintritt der Individualrechtsgutsbeeinträchtigung l03 - deren Unwert aber wird bei der Kompensationsprüfung sowieso schon mitveranschlagt und kann nun nicht (unter dem Titel "Erfolgsunwert") noch ein zweites Mal zu Buche schlagen. Der Gesichtspunkt, daß mittels der Verteidigungshandlung (auch) eine Rechtspflichtverletzung seitens des Angreifers verhindert wird, vermag aber selbst in den Fällen, in denen die Verteidigungshandlung "rechtzeitig" stattfindet, die Notwehrregelung nicht zu erklären. Daß der Verteidiger mit seinem tatbestandsmäßigen Abwehrverhalten nicht auch seinerseits (wie der Angreifer) eine Rechtspflichtverletzung zu verwirklichen droht, ist ja erst eine Folge der Einräumung des Notwehrrechts, kann also nicht zugleich den Grund für die Einräumung des Notwehrrechts abgeben lO4 • Versucht man das Notwehrrecht

101 Annin Kaufmann, Normentheorie, S. 128, 131,282. 102 Wekel, Das deutsche Strafrecht, S. 85; Stratenwerth, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 422; Baumann-Weber, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 298; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, S. 307; Wessels, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 93; Dreher-TrDndle, § 32 Rn. 10. 103 Krauß, 'ZStW 76, S. 63; Sanuon, SK, vor § 32 Rn. 5. 104 VgI. Hoyer, JuS 1988, S. 89.

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hingegen zu begrunden, so muß man die Existenz dieses Rechtsinstituts zunächst einmal hinwegdenken und dann, bezogen auf die verbleibende, notwehrlose Lage, angeben, weshalb sich von hier aus die Installation des Notwehrrechts empfiehlt. Bei Abstraktion von der Existenz des Notwehrrechts stellt sich aber die Verteidigungshandlung als genauso pflichtwidrig dar, wie die Angriffshandlung es ohnehin ist. Der Verteidiger ersetzt mit seinem tatbestandsmäßigen Verhalten lediglich eine pflichtwidrige Rechtsgutsbeeinträchtigung (die vom Angreifer intendierte) durch eine andere ebenso pflicht widrige, möglicherweise sogar intensivere Rechtsgutsbeeinträchtigung (die gegenüber dem Angreifer vorgenommene); die Rechtsordnung steht sich dadurch nicht besser. Die herrschende Deduktion, daß der Verteidiger neben seinem Individualrechtsgut auch die Rechtsordnung wahre (hingegen nicht verletze) und daher das Notwehrrecht "verdiene", beruht somit schlicht auf einem ZirkelSChlußlOS : Daß der Verteidiger mit seinem Verhalten die Rechtsordnung nur wahrt und nicht auch verletzt, ergibt sich erst aus einem bereits geschaffenen Notwehrrecht, legitimiert dessen Inhalt also nicht l06 • Der Aspekt "Geltung der Rechtsordnung" erweist sich damit als nicht kompensationsfähig: Er wäre, wenn überhaupt beachtlich, dann jedenfalls nicht nur einseitig zugunsten, sondern ebenso zu Lasten des Verteidigers zu berücksichtigen, so daß im Rahmen einer Interessenabwägung letztendlich doch allein das Gewicht der beteiligten Individualrechtsgüter über das Abwägungsergebnis entschiede. Überwiegt dabei das (von der Verteidigungshandlung betroffene) Rechtsgut des Angreifers gegenüber dem verteidigten Rechtsgut, dann läßt sich kompensationsgedanklich nicht mehr begründen, weshalb die tatbestandsmäßige Verteidigungshandlung dennoch straflos zu stellen sein sollte -insbesondere auch nicht unter Heranziehung der Posten "Geltung der Rechtsordnung" bzw. "Wahrung von Rechtspflichten". Um mit dem Axiom des Rechtsgüterschutzes zu harmonisieren, muß die Einräumung des Notwehrrechts (= der Möglichkeit, straffrei wertvollere zugunsten weniger wertvoller Individualrechtsgüter opfern zu können) auf irgend eine Weise doch dem Rechtsgüterschutz zugute kommen -sonst wäre das Notwehrrecht axiologisch illegitim.

105 Ders., a.a.O., S. 89. 106 Bei konsequenter Fortführung des dargestellten Zirkel schlusses müßte die herrschende Lehre auch eine Verteidi gungshandlung auf Kosten der Rechtsgüter Dritter statt nur des Angreifers für gerechtfertigt erachten: Auch in diesem Falle müßten zugunsten des Verteidigers der Wert sowohl des angegriffenen Individualrechtsguts als auch der ge wahrten Rechtspflicht berücksichtigt werden, zu seinen Lasten dagegen nur das Individualrechtsgut des verletZlen Dritten (eine Rechtspflicht wäre durch die Verteidigungs handlung infolge Notwehr ja nicht beeinträchtigt).

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bb) Das Notwebrrecht als Sanktion

Läßt sich das Notwehrrecht nicht kompensationsspezifisch legitimieren, dann möglicherweise - unter Anknüpfung an einen früher (bei der Entwicklung

des a1ethischen Strafrechtskonzepts) bereits angerissenen Gedanken - sanktioosspezifisch. Dem auf die Vornahme von v ausgesetzten rechtlichen Nachteil wurde in den obigen Ausführungen 101 der Titel "Sanktion" verliehen, wenn die normierte Nachteilsanknüpfung in objektiv erkennbarer Weise lediglich bezweckt, jede v-Vornahme rücksichtslos zu erdrosseln, nur um "Steuern" sollte es sich dagegen handeln, wenn normativ (jedenfalls auch) bezweckt ist, sich mit der Nachteilsanknüpfung an v-Vornahmen eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen. Dem Interesse daran, jede v-Vornahme vollständig zu erdrosseln, dient auch die Einräumung des Notwehrprivilegs, der rechtlichen Möglichkeit also, das Angreiferverhalten (trotz unzureichender Güterkompensation) straffrei unterbinden zu können. Die Existenz des Notwehrrechts stellt sich also als zusätzliche Sanktion gegenüber dem Angreifer dar, vergleichbar den Bestrafungsanreizen, die dazu bestimmt sind, die Strafverfolgungsorgane zur Nachteilszufügung gegenüber dem Angreifer zu veranlassen. Das dem Notwehrrecht Eigentümliche ist demnach gerade die Loslösung von kompensatorischer Verhältnismäßigkeit -entgegen der herrschenden Auffassung, die unter Beschwörung angeblich mitverteidigter "Rechtspflichten" das Notwehrrecht dem Kompensationsprinzip interpretatoriSCh einzuverleiben versucht Damit wird aber verkannt, daß gerade das Strafrecht eben nicht (umfassend) unter der Domäne des Kompensationsprinzips steht Es würde doch auch niemand auf den Gedanken verfallen, daß ein Täter, der eine Freiheitsberaubung von einer Woche begangen hat, deswegen auch nur zu maximal einwöchiger Freiheitsstrafe verurteilt werden darf. Die den Täter treffende Strafbarkeit soll das Maß an gesellschaftlicher Schädlichkeit des Tatentschlusses auf den Täter bezogen individuell reproduzieren 108 , für die Strafbarkeitshöhe spielt also insbesondere auch die Entkommenschance des Täters und der von ihm erstrebte persönliche Tatvorteil eine Rolle, die tatangemessene Sanktion mag deswegen weit höher als bei einer Woche (sieben Tagessätzen) liegen. Die (kompensationsspezifische) Verhältnismäßigkeit zwischen (dem Opfer) zugefügter und (vom Täter) zu erleidender individueller Rechtsgutsbeeinträchtigung wird also abgelöst durch eine andersgeartete (sanktionsspezifISChe) Verhältnismäßigkeit zwischen sozial- und täterbezogener Nachteilhaftigkeit des Tatentschlusses; dem Täter wird die Tatbegehung mittels der Sanktionsbedrohung genauso unattraktiv ausgestaltet, wie sie, aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive heraus beurteilt, ohnehin anmutet. Strafrecht beginnt mithin erst dort, wo es nicht mehr allein um "Kompensationsgerechtigkeit" (um Schadensersatz), sondern auch um "Sanktionsgerechtigkeit" geht.

ß. 3. d) dd). 108 Vgl. Kapitel D. Iß. 2. a) bb).

101 Vgl. Kapitel C.

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Für das "Wieviel" des rechtlichen Nachteils wurde soeben demonstriert, worin Sanktions-(im Unterschied zu Kompensations-)gerechtigkeit besteht. Für das "Ob" eines rechtlichen Nachteils verwirklicht (erst) das Notwehrrechtjenes Prinzip der Sanktionsgerechtigkeit (im Unterschied zum rechtfertigenden Notstand, der lediglich auf Kompensationsgerechtigkeit abzielt 100 ): Dem tatbestandsmäßig handelnden Verteidiger bleibt der normativ festgesetzte Nachteil "Strafbarkeit" von Rechts wegen erspart (durch "Verungültigung" der Norm), auch wenn die Verteidigungs handlung keine vollständige Güterkompensation erzielt Umgekehrtes vollzieht sich beim Angreifer: Ihm wird der tatbestandIich geschaffene Schutz gegen eine Verteidigungshandlung vorenthalten, auch wenn diese kompensatorisch unzureichend ausfällt. Dem Verteidiger wird ein tatbestandlich vorgesehener Nachteil (Strafbarkeit) abgenommen, dem Angreifer ein tatbestandIich nicht vorgesehener Nachteil (Beschränkung des strafrechtlichen Schutzes) zugefügt - beide Vorgänge widersprechen dabei der Kompensations-, entsprechen aber der Sanktions gerechtigkeit. Ein rechtlicher Nachteil, der aus Gründen der Sanktionsgerech tigkeit auferlegt wird, besitzt aber eben Sanktionscharakter, d. h. die Einräumung des Notwehrrechts gegenüber dem Verteidiger stellt sich als Sanktion 110 gegenüber dem Angreifer dar 111 •

Nur auf diese Weise - und nicht über eine Güterabwägung -läßt sich auch begründen, daß Notwehr lediglich gegenüber dem Angreifer und nicht gegenüber Dritten geübt werden darf112: Es hat eben allein der Angreifer die Sanktion, entgegen dem Kompensationsprinzip straffrei in seinen Rechtsgütern ver-

100 Vg1. Kapitel F. III. 2. b).

110 Vgl. ebenso Locke, Two Treatises of Government, S. 343 f.; Pufendorf, Oe iure naturae et gentium, S. 257 - 260; Abegg, Un tersuchungen, S. 113; Kästlin, Strafrecht AUge meiner Teil, S. 76; Geyer, Lehre von der Notwehr, S. 43. 111 In JuS 1988, S. 92 ff., habe ich zwar ebenfalls schon die herrschende Explikation des Notwehrrechts (mit ähnlicher Begründung wie hier) abgelehnt, selbst aber versucht, die Notwehrregelung auf eine Art gegenseitigen Vertrag zurückzuführen: Inhalt dieses Vertrages sei es, daß den Staat eine Verpflichtung zur Erbringung von "Rechtsgüterschutz" nur insofern und insoweit treffe, als der zu Schützende (quasi als Gegenleistung) seinerseits auf rechtswidrig-schuldhaftes Verhalten verzichte. Die erst hier zugrunde gelegte alethische Rechtsinterpretation hat aber zur Folge, daß auch jeder gegenseitige Vertrag sich lediglich als ein Gebilde darstellt, aufgrund dessen das Ausbleiben einer zugesagten Leistung bestimmte rechtliche Nachteile nach sich zöge. Das soeben referierte Vertrags modell lautet daher, alethisch reformuliert: Der Staat kann "Rechtsgüterschutz" insofern und insoweit vorenthalten, als der zu Schützende sich einer gültigen Sanktions bewehrung zuwider-("rechtswidrig")verhalten hat und seine Sanktionierung kriminalpolitisch sinnvoll (= "Schuld" gegeben) scheint. Sämtliche Differenzen zwischen früherem Vertragsmodell und jetziger Konzeption resultieren also aus der nunmehr vollzogenen alethischen Wende. Daß diese Differenzen materiell-rechtlichen und nicht nur terminologischen Otarakter besitzen, wird im folgenden (vgl. Fußnote 116) zu zeigen sein. 112 V g1. fußnote 106.

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letzt werden zu können, rechtlich "verdient"; der angegriffene Verteidiger dagegen übt, indem er die verdiente Sanktion zufügt, grundsätzlich 113 keine andere Funktion aus, als sie etwa ein Strafvollzugsorgan innehat. ce) Die Grenzen des Notwebrrechts

Will man die Grenzen des Notwehrrechts eruieren, braucht man daher lediglich die oben 114 bereits erarbeiteten Grundsätze zur Zulässigkeit von "Strafbarkeit" und "Bestrafung" im Hinblick auf eine Notwehrlage zu konkretisieren und zu modifizieren: Ebenso wie einen Straftäter von Rechts wegen der Nachteil (namens "Strafbarkeit") trifft, im Rahmen bestehender Strafzweckmäßigkeit straffrei bestraft werden zu können, ebenso erleidet der rechtswidrige Angreifer von Rechts wegen den Nachteil (namens "Notwehrrecht"), im Rahmen bestehender Verteidigungszweckmäßigkeit (vgl. 1) straffrei verletzt werden zu können (vgl. 2). (1) Die ZweckmlJßigkeit einer Ausabung des Notwehrrechls

Die Strafzweckmäßigkeitsfrage bezieht sich allerdings auf die Vermeidung zukanjtiger Straftaten, es geht also darum, daß nach Möglichkeit nicht erneut rechts widrig ein Risiko für ein geschütztes Gut geschaffen wird. Die Verteidigungszweckmäßigkeitsfrage bezieht sich dagegen auf die Abwehr eines gegenwanigen Angriffs, es geht also darum, daß gerade das dem Angriff innewohnende Risiko für ein Rechtsgut nach Möglichkeit reduziert wird. Dementsprechend ist Strafzweckmäßigkeit gege ben, sofern eine UmmÜDZung ausgelöster "Strafbarkeit" in tatsächliche "Bestrafung" zukanjtig verstärkten Normrespekt erwarten läßt. Verteidigungszweckmäßigkeit liegt hingegen vor, sofern eine Ummünzung des ausgelösten "Notwehrrechts" in tatsächliche "Notwehrhandlungen" gegenwanig verbesserte Verteidigungschancen erwarten läßt. Während also für die Strafzweckmäßigkeitjene Kriterien maßgeblich sind, die traditioneller weise unter dem Posten "Schuldhaftigkeit" geführt werden (denn "Schuld" entscheidet darüber, inwieweit eine Bestrafung Präventionskraft entfaltet llS ), gilt dies für die Verteidigungszweckmäßigkeit nicht: Die Verteidigungshandlung soll (nicht verhindern, daß künftige Risiken geschaffen werden, sondern) lediglich verhindern, daß gegenwärtige Risiken sich verwirklichen dies aber kann gegenüber einem schuldlosen ebenso wie gegenüber einem

113 _ mit dem Unterschied allerdings, daß ein Vollzugsbeamter zur Sanktionszufiigung "verpflichtet" (d. h. zwecks Venneidung eigener Sanktionierung angehalten), der Verteidiger dagegen zur Sanktionsverfügung nur berechtigt (d. h. seIhst Sanktionen gegenüber freigestellt) wird. 114 Vgl. Kapitel D. m. 2. a)/l». 115 V gl. Kapitel D. III. 1.

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

schuldhaften Angreifer gelingen 116. Der Gebrauch von der Möglichkeit, den Angreifer straffrei verletzen zu können, erscheint schon dann verteidigungszweckmäßig, wenn sich dadurch die Überlebenschancen des angegriffenen Rechtsgutsobjekts erhöhen. Noch genauer, nämlich unter Berücksichtigung der Erkenntnis ausgedrückt, daß Tatbestände als Präferenzrelationen zu interpretieren sind 117 : Die normativ strafbar gestellte Bevorzugung der Verhaltensaltemative v2 gegenüber VI (z. B. einer schweren gegenüber einer einfachen Körperverletzung) läßt sich als zweckdienlich im Sinne einer Rechtsgutsverteidigung auffassen, wenn das angegriffene Rechtsgutsobjekt sich durch v2 (die schwere Körperverletzung) umfassender verteidigt sieht als (hypothetisch) durch v I (die einfache Körperverletzung). In dieser Formel ist zugleich das Erforderlichkeitsprinzip aufgehoben (es ist stets das mildeste Verteidigungsmittel zu ergreifen, es sei denn, ein härteres Verteidigungsmittel gewährleistete bessere Rettungschancen). Dagegen findet das Prinzip kompensatorischer Verhältnismäßigkeit keine Anwendung auf das Notwehrrecht 1l8 • Im Unterschied zum Notstand braucht also bei der Notwehr die Verbesserung der Reuungschancen aufgrund von v2 relativ zu v I nicht (mindestens) ebenso groß auszufallen wie die (ver tatbestandlichte) Zunahme des Beeintr(Jchtigungsrisikos aufgrund von v2 relativ zu VI. Bezogen auf den Zweck "Verteidigung" ist eben jede Verbesserung der Verteidigungschancen sinnvoll, nicht nur die kompensatorisch zureichende. Der Gebrauch des Notwehrrechts (die Notwehrhandlung), also seine Umsetzung in tatsächliche Verteidigung (quasi die "Bestrafung"), muß somit lediglich Uberhaupt zur effektiveren Verteidigung des angegriffenen Rechtsgutsobjekts geeignet erscheinen, Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte kommen hier nicht zum Tragen. (2) Die BeschriJnkungen bei der EinriJumung des Notweh"echts

Sie schlagen sich allerdings nieder bei der Einr(Jumung des Notwehrrechts, also der Frage, unter welchen Umständen (der Notwehrlage) und in welchem 116 Anderer Ansicht Schmidhl1user, Engisch-Festschrift, S. 450 f.; ders., Honig-Festschrift, S. 194; Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 317 f.; 0110, 'Z};tW 87, S. 576 f.; Haas, Notwehr und Nothilfe, S. 236; Krause, GA 1979, S. 332 f.; in JuS 1988, S. 95 f., habe auch ich vertreten, daß der Angriff "schuldhaft" begangen worden sein muß, um das Notwehrrecht auszulösen. Diese Auffas sung fußte jedoch noch auf dem ethisierenden Schuldbegriff. Setzt man "Schuld" (alethisch) mit "Strafzweckmäßigkeit" gleich, dann erhält man wieder die hier vertretene Ansicht: Eine Umsetzung der Notwehrbefugnis in eine Notwehrhandlung ist eben unter anderen Voraussetzungen (bezogen auf die Abwehr eines gegerrwiJrtigen Angriffs) strafzweckmäßig als eine Umsetzung von "Strafbarkeit" in tatsächliche "Bestrafung" (bezogen auf das Unterbleiben kUnftiger Straftaten). 117 V gl. Kapitel E. 11. 4. b). 118 Vgl. Kapitel F. III. 2. c) aa).

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Umfang die Sanktion "Notwehrrecht" (quasi die "Strafbarkeit") konkret ausgelöst sein soll. Auch insoweit brauchen lediglich die zur Sanktion "Strafbarkeit" entwickelten Grundsätze 119 auf das Notwehrrecht transponiert zu werden. Hinsichtlich der Sanktionshöhe ist es also nicht nötig, die dem Angreüer gegenüber straffrei mögliche Rechtsgutsverletzung auf das Maß zu begrenzen, das der Angreifer selbst jemandem zuzufügen sich anschickt. Wie bei der "Strafbarkeit" geht es auch beim "Notwehrrecht" nicht um kompensations-, sondern um sanktionsspezifische Verbältnismäßigkeit. Dem Angreifer dürfen deshalb zu Verteidigungszwecken Rechtsgutsverletzungen bis zu einer Empfmdlichkeit zugefügt werden, welche die Sozialschädlichkeit seines Angriffs individuell-maßstabsgetreu bei ihm reproduziert. Die Eröffnung des Notwehrrechts, d. h. die Schutzlosstellung rechtswidriger Angreüer, soll potentielle Täter dazu veranlassen, von rechtswidrigen Angriffen im Hinblick auf das ihnen drohende Übel (eben jene Schutzlosstellung) abzusehen; das Übel darf also nicht intensiver ausfallen, als das Präventionsbedürfnis der Gesellschaft ausgeprägt ist. Dignität des angegfÜfenen Rechtsguts und Gefährlichkeit des AngfÜfs beeinflussen natürlich die Sanktionshöhe, die notwendig ist, um dem potentiellen Täter seine Tat ihrer Sozialge fährlichkeit an gemessen unschmackhaft zu machen. Aber es gibt im Rahmen sanktionsspezi fischer Verhältnismäßigkeit eben auch noch andere zu berücksichtigende Faktoren (die im Rahmen kompensatorischer Verhältnismäßigkeit keinen Platz hätten): Je niedriger der potentielle Täter sein persönliches Tatrisiko bzw. je höher er seine persönlichen Tatvorteile bewertet, desto mehr an "Sanktion" bedarf es, um ihn dennoch von seiner Tat abzuhalten -das Notwehrrecht muß entsprechend umfassender gewährt werden, umfassender insbesondere, als wenn es einfach um Schadenskom pensation zu tun wäre. Andererseits bleibt aber die Reichweite des Notwehrrechts doch nicht gren zenlos: Ebenso wie "Strafbarkeit" fmdet auch die SChutzlosstellung eines Angreüers durch das Notwehrrecht ihre Schranke in den erörterten 120 Grundsätzen der Sanktionsgerechtigkeit. Dagegen ergibt sich aus einer etwaigen "Schuldlosigkeit" des Angriffs keine Negation des Notwehrrechts l21 • "Schuld" bildet rechtlich genausowenig eine Voraussetzung der Sanktion "Strafbarkeit", wie sie es demzufolge für die Sanktion "Notwehreröffnung" ist. Unter der Bezeichnung "Schuld" fumiert - wie ausgeführt122 -lediglich die kriminalpolitische Zweckmäßigkeit eines Bestrafungsakts; bezogen auf das Notwehrrecht meint sie deshalb nicht mehr als die Geeignetheit der Notwehrhandlung zur

119 Vgl. Kapitel D. III. 2. a) bb). 120 Vgl. Kapitel D. III. 2. b) bb). 121 Roxin, 'Z})tW 93, S. 82 Cf.; Wagner, Individualistische oder überindividualistische Notwehrbegründung, S. 52; Hirsch, Dreher-Festschrift, S. 215 Cf.; Spendei, LK., § 32 Rn. 62 f.; Schilnke-SchriJder-Lencwr, § 32 Rn. 24; l.ac1cner, § 32 Anm. 2 d. 122 V gl. Kapitel D. III. 3.

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Vergrößerung der Verteidigungs chancen relativ zu einem milder wirkenden Altemativverhalten (Verteidigungszweckmäßigkeit). Die Schranken des Notwehrrechts sind somit in bezug auf schuldlos und schuldhafte Angriffe identisch. Für den Angreifer darf das (ihm gegenüber bestehende) Notwehrrecht jeweils kein größeres Übel darstellen, als der Angriff es für den Angegriffenen bildet d) Einwilligung und behördliche Genehmigung aa) Der Grund für die Beachtlichkeit einer Zustimmung

Wie die Notwehr können den obigen Darlegungen 123 zufolge auch Einwilligung und behördliche Erlaubnis Rechtfertigungskraft entfalten, d. h. zur Ungültigkeit der Strafnorm führen. Die genannten drei Rechtfertigungsgründe gleichen sich zudem darin, daß sie (im Unterschied zum Notstand l24 ) nicht Ausdruck des Kompensationsprinzips sind. Sie beruhen also nicht darauf, daß die (im Tatbestand erfaßte) Risikobegrundung durch eine mindestens gleichwertige Chanceneröffnung für ein Rechtsgut ausgeglichen wird, sondern darauf, daß die tatbestandsmäßige Risikobegrundung aufgrund eines hinzutretenden Umstands (zwar unkompensiert bestehen bleibt, jedoch immerhin) als "zulässig" (d. h. als straffrei möglich) eingestuft werden kann. (1) Die Dispositionsfreiheit als Gegengewicht zur RechtsgutsbeeintriJchtigung

Daß die Notwehrrechtfertigung sich nicht als Ergebnis einer entsprechenden Güterabwägung, sondern als durch Sanktionierung betriebene Prävention gegenüber Angriffen darstellt, wurde soeben 125 erörtert. Einwilligung und behördliche Erlaubnis tragen ebensowenig dem Kompensations gedanken Rechnung. Fehlerhaft wäre es insbesondere, die seitens des Einwilligenden bzw. der Behörde betätigte Dis positionsfreiheit als gewahrtes und insofern kompensations geeignetes Rechtsgut auszugeben 126 • Der einwilligende Rechtsgutsinhaber bzw. die genehmigende Behörde verfolgen mit ihrer Willensbekundung ja regelmäßig nicht direkt das Interesse, es möge gerade zur Verletzung des ihnen zur Disposition obliegenden Rechtsguts kommen; sie stellen die Ausführung der Verletzungshandlung vielmehr lediglich frei. Es kann zwar vorkommen, daß diese Güterpreisgabe um eines dahinterstehenden Effekts willen (etwa zwecks Erzielung einer Gegenleistung) geschieht, aber es muß eben nicht so sein: Einwilligung respektive Erlaubnis mögen auch der Gleichgültigkeit ge123 Vgl. Kapitel E. 11. 6. d)/e). 124 Vgl. Kapitel F. m. 2. b). 115 Vgl. Kapitel F. 2. c). 126 So aber Noll, Rechtfertigungsgründe, S. 74 C.; ders., ZStW 77, S. 15; Geppert. ZStW 83, S. 952 C.; Jescheclc. Lehrbuch des Strafrechts, S. 339; Hirsch, LI{, voc § 32 Rn. 105.

m.

III. Das Unrechtsrelevante am Verwirldichungswillen

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genüber dem Schicksal des bezogenen Rechtsguts entsprungen sein, eine Rechtfertigung infolge Kompensation schiede dann jedenfalls aus. (2) Das Vorliegen einer Rechtsgutsbeeintrllchtigung trotz Zustimmung

Hier trotzdem eine Rechtfertigung anzunehmen, wäre nur möglich, wenn die Strafwürdigkeit der Tat aus einem anderen (nicht kompensationsspezifischen) Grunde eben doch fortgefallen wäre. Durch die Tat wird aber immerhin ein Gut der Gefahr ausgesetzt, daß die Realitätsvorstellung des Täters zur Zeit der Tat zutrifft (Gleichartigkeitsrisiko) bzw. gerade nicht zutrifft (Andersartigkeitsrisiko) - genau darauf hat die Norm mit ihrer Vertatbestandlichung des Verhaltens reagiert127 • In Kompensationsfällen bedeutete eine (nicht-)zutreffende tätereigene RealitätsvorsteIlung allerdings nicht nur ein Risiko, sondern zugleich auch eine (mindestens ebenbürtige) Chance für den Erhalt eines anderen Rechtsguts; die Strafwürdigkeit der Tat entfällt deswegen, man spricht von "rechtfertigendem Notstand". In Notwehrfällen bedeutete eine (nicht-)zutreffende tätereigene Realitätsvorstellung nicht nur ein Risiko für ein Rechtsgut, sondern zu gleich auch eine Chance, eine verwirkte Sanktion zuzufügen; es fehlt also auch hier an einer Strafwürdigkeit der Tat, d. h. die Gültigkeit der Norm entfällt, der Täter erscheint infolge Notwehr als gerechtfertigt. Mit Blick auf Fälle der Einwilligung bzw. der behördlichen Erlaubnis muß danach gefragt werden, ob noch ein dritter Aspekt - neben Kompensation und Sanktion - die Kraft besitzt, in (nicht-) zutreffender tätereigener Realitätsvorstellung mehr als nur ein Risiko für den Erhalt eines Rechtsguts aufscheinen zu lassen. Im Rahmen der Suche nach diesem dritten strafwürdigkeitsautbebenden Aspekt sollen die dafür einschlägigen Institute "Einwilligung" und "behördliche Erlaubnis" der Einfachheit halber unter dem Begriff der "Zustimmung" 128 zusammengefaßt werden. Auf welche Weise auch immer eine derartige Zustimmung die Strafwürdig keit der Tat beseitigt, sie vermag jedenfalls nichts daran zu ändern, daß die Tat zumindest auch ein Risiko für den Erhalt eines Rechtsguts beinhaltet - sonst hätte schon nicht der Tatbestand einer (bedingt) gültigen Norm erfüllt sein dürfen. Denn eine solche Norm bezweckt ja gerade, Güter gegen bestimmte (Gleich- bzw. Andersartigkeits-)Risiken abzuschirmen und sie dadurch zu Rechtsgütern umzufunktionieren. Jede Tatbestandsverwirklichung besteht deshalb schon defmitionsgemäß in der Durchbrechung von Rechtsgüterschutz - indem nämlich der vertatbestandlichte Schutzwall, der seitens der Norm um das Gut gelegt wurde (und dieses zum Rechtsgut qualifizierte), überwunden worden ist. Jede Tatbestandsverwirklichung verweist das Rechtsgut in seiner Inte127 Vgl. Kapitel F. III. 1. 128 Vgl. §§ 182 ff. BGB. wo "Zustimmung" zum Oberbegriff für die vorherige (Einwilligung) und nachträgliche (Geneh migung) Konsenserldärung legaldefiniert wird.

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grität auf außerrechtliche Gegebenheiten und riskiert dessen Integrität damit in soweit. Das gilt auch für konsentierte Tatbestandsverwirklichungen, da auch diese tatbestandliche Schutzanstrengungen aushebein und insofern den normativ installierten Rechtsgüterschutz zunichte machen. Wenn aber jede Tatbestandsverwirklichung trotz Zustimmung weiterhin rechtsgüterbeeinträchtigend bleibt, dann muß immerhin erst einmal begründet werden, inwiefern eine Straflosigkeit des Täters mit dem Güterschutzaxiom in Übereinstimmung gebracht werden kann. Wer beispielsweise den Körper eines anderen mit dessen Einwilligung verletzt, beeinträchtigt damit das tatbestandlich ge schützte Rechtsgut "körperliche Integrität", ohne im Gegenzuge irgendein anderes Rechtsgut vor sonst drohendem Schaden zu bewahren. Trotzdem zur Straflosigkeit des Täters zu gelangen, scheint hier nicht möglich, ohne damit dem Güterschutzaxiom zu widersprechen. (3) Die Dispositionsfreiheit als alleiniges Rechtsgul

Dieser Widerspruch läßt sich auch durch die Erwägung nicht ausräumen, das gegenüber Körperverletzungshandlungen geschützte Rechtsgut sei tatsächlich gar nicht die körperliche Integrität, sondern die Dispositionsbefugnis des Verletzten über seinen Körper; diese aber werde wegen der Einwilligung von der Tat nicht berührt. 129 "Rechtsgut" einer Norm ist entsprechend den obigen Ausführungen 130 jedes durch die Existenz der Norm begünstigte Gut. Durch die Strafbar stellung von Körperverletzungen wird aber der menschliche Körper begünstigt - und daß dieser als "Gut" empfunden wird, auch wenn der Verletzte in seine Mißhandlung eingewilligt hat, belegt schon die Einordnung der Willensäußerung des Verletzten als Einwilligung statt als bloßes Einverständnis: Das Interesse potentieller Täter, das konsentierte Verhalten VI trotz Zustimmung des potentiellen Opfers nicht in weiterem Umfang (gegenüber alternativen Verhaltensmustern) bevorzugen zu müssen als ohne diese Zustimmung, wird bei der Einwilligung respektiert, beim Einverstandnis hingegen vernachlässigt. Kann Täter T sich etwa aus bestehender Lebensgefahr nur dadurch retten, daß er entweder Opfer 01 mit einem Faustschlag oder Opfer 02 mit einem Messerstich niederstreckt, so verwirklicht er normalerweise nur bei Bevorzu gung des Messerstichs Unrecht. Hat 02 im Gegensatz zu 01 der Körperverlet129 So aber SchmidhiJuser, Lehrbuch Allgemeiner Teil, Rn. 8/124, der von der "autonomen Herrschaft des Berechtigten" spricht; ders., Studienbuch Allgemeiner Teil, Rn. 5/107 ff.; ders., Engisch-Festschrift, S. 452; Zipf, Einwilligung und Risikoübemahme, S. 28 ff.; Roxin, ZStW 85, S. 100 f.; ders. , Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 25; ders. , Welzel-Festschrift, S. 449; &dolphi, ZStW 86, S. 87 f.; Kahne, JZ 1979, S. 242; Kientzy, Der Mangel am Straftatbe stand, S. 65. 130 Vgl. Kapitel F. 11. 2. e) aa).

III. Das Unrechtsrelevante am Verwirldichungswillen

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zung zugestimmt, so bedeutet dies nicht, daß T jetzt den Messerstich bevorzu gen muß, um sich straffrei zu retten, sondern nur, daß er zwischen Faustschlag und Messerstich nunmehr frei wählen kann. Die Zustimmung des 02 verschiebt also nicht den Tatbestand, betrifft vielmehr allein die Rechtfertigungsebene und stellt sich damit als Einwilligung dar. Kann T dagegen die angesprochene Lebensgefahr nur dadurch abwenden, daß er sich entweder eine geringwertige Sache des 01 oder eine höherwertige Sache des 02 zueignet, so wirkt sich eine (nur) von 02 erteilte Zustimmung zur Zueignung bereits auf der Tatbestandsebene aus. T muß aufgrund der Zustimmung die höherwertige Sache nutzen, um sich straffrei zu retten, während er ohne die Zustimmung umgekehrt hätte wählen müssen; die Zustimmung verschiebt also den Tatbestand und stellt sich damit als Einverständnis dar. Die Freiheit eines Täters, auf konsentierte Messerstiche verzichten zu wollen, scheint der Rechtsordnung demnach offenbar anerkennenswerter als die Freiheit, nicht an konsentierten Zueignungen mitwirken zu wollen. Im Einwilligungs-Fallläßt die Rechtsordnung dem Täter nämlich die Möglichkeit straffreier Bevorzugung eines milderen gegenüber dem konsentierten Verhalten (die Einwilligung verschafft dem Messerstich keinen anderen Stellenwert innerhalb der Präferenzskala), im Einverständnis-Fall kann der Täter dagegen das konsentierte Verhalten (die Zueignung der höherwertigen Sache) nur gegen Strafbarkeit relativ zur anderen Zueignungsmöglichkeit hintanstellen (die Präferenzrelation kehrt sich durch das Einverständnis um). Die Dispositionsfreiheit des jeweils zustimmenden Tatbetroffenen bleibt aufgrund der Zustimmung in beiden Fällen gleich unberührt. Wenn dennoch die Entscheidung "Verzicht auf konsentierte Messerstiche" von der Rechtsordnung weitreichender toleriert wird als die Entscheidung "Verzicht auf konsen tierte Zueignungen", kann diese Ungleichbehandlung nur damit erklärt werden, daß das Ausbleiben von Körperverletzungen auch bei vorhandenem Konsens für die Rechtsordnung offen bar noch einen gewissen Restwert behält, der dem Ausbleiben konsentierter Zueignungen abgeht Dieser Restwert reicht zwar nicht mehr hin, dem potentiellen Täter umgekehrt das Hintanstellen der konsentierten Körperverletzung gegenüber dem Alternativverhalten bei Strafe nahezu legen (das wäre nur zulässig, wenn der genannte Restwert nicht nur den Unwert des zu bevorzugenden Alternativverhaltens, sondern zudem auch noch den Unwert der mit der Strafandrohung beim Täter angerichteten Freiheitseinbuße abzudecken in der Lage wäre); er genügt aber immerhin dazu, das Hintanstellen der konsentierten Körperverletzung gegenüber dem Alternativverhalten /Ur nicht strafwurdig zu erachten (= für ebensowenig strafwürdig wie die umgekehrte Verhaltenswahl, da für die Strafbarkeit der getroffenen Verbaltenswahljeweils der Wert der damit betätigten, tätereigenen Verhaltensfreiheit spricht). Der Restwert, der dem Ausbleiben einer konsentierten Körperverletzung somit zukommt, kann aber nur im Erhalt der körperlichen Integrität selbst liegen: Die Integrität des menschlichen Kör16 Hoyer

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Kapitel F: Vollendung und Versuch

pers stellt sich im Gegensatz etwa zur Zueignungsimmunität von Sachen (bzw. zum Unbetreten-Bleiben einer Wohnung) daher als ein "Gut" sui generis dar. Entsprechend seiner "Güte" ist dieses Gut seitens einer Norm in Wahrnehmung deren AufgabensteIlung maßstabsgetreu in ein Rechtsgut übersetzt worden. (4) Die Dispositionsfreiheit als "Atom" innerhalb eines "RechtsgutsmolekUls"

Allerdings kommt körperlicher Integrität allein - wie soeben dargelegt - nur eine gewisse "Restgüte" zu, die nicht dazu ausreicht, das Bevorzugen von konsentierten Messerstichen gegenüber unkonsentierten Faustschlägen unter Strafe zu stellen. Damit das Bevorzugen des Messerstichs gegenüber dem Faustschlag Unrecht darstellt, bleibt es deshalb unverzichtbar, daß durch den Messerstich neben der körperlichen Integrität noch ein zweites Gut verletzt wird, ein Gut, dessen Wert erst zusammen mit dem der körperlichen Integrität das erforderliche wertspezifische Übergewicht gegenüber den vom Faustschlag betroffenen Gütern herstellt: Erst hier tritt die Dispositionsfreiheit des Verletzten hinsichtlich seiner körperlichen Integrität ins Spiel. Die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität sowie der Dispositionsbefugnis des Verletzten durch einen Messerstich überwiegt die Beeinträchtigung der beiden entsprechenden Güter durch den Faustschlag. Beeinträchtigte der Messerstich dagegen allein die körperliche Integrität (wegen der Zustimmung aber nicht die Dispositionsbefugnis des Verletzten), so reicht deren Wert gerade noch hin, den Wert des vom Faustschlag betroffenen Güterpaars (körperliche Integrität sowie Dispositionsfreiheit) insoweit zu kompensieren, daß die Bevorzugung des Faustschlags gegenüber dem Messerstich noch kein Unrecht ausbildet (ebensowenig wie die umgekehrte Präferenz). Körperliche Integrität und Dispositionsbefugnis über den Körper erscheinen der Rechtsordnung daher beide als Gut und werden von ihr demgemäß entsprechend ihrer Wertigkeit zu verschiedenen Rechtsgütern ausgestaltet. Da aber die Güte jedes der beiden Elemente für sich gesehen zu schwach ausgeprägt vorliegt, um bereits in dieser Vereinzelung eine bestimmte Strafnorm (wie § 223 StGB) tragen zu können, werden sie als Konglomerat geschützt l3l ; erst das kumulative Betroffensein beider Rechtsgüter legitimiert die normierte Strafbarkeit, qualifIZiert mithin das dafür verantwortliche Tatverhalten als (seiner ihm eingeräumten Präferenzstellung) entsprechend strafwürdig. Normen, deren Gültigkeit durch das Nichtvorliegen einer Zustimmung bedingt ist, zeichnen sich also dadurch aus, daß sie zum Schutze zweier Rechtsgü ter dienen: einerseits dem Gegenstand, auf dessen Beeinträchtigung sich die Zustimmung bezieht, andererseits der Dispositionsbefugnis des Zustimmenden

131 Stratenwerth, 1StW 68, S. 42 ff.; ders., Lehrbuch Allgemeiner Teil, Rn. 367 C.; Arzt. Willensmängel bei der Einwilligung, S. 46; Samson, SK, VS ausgedrückt werden, sondern müßte K NZ als Tatbestandsmerkmal mitaufführen, N: v, KNZ -> S. Da der Exponent NZ (innerhalb der Variablen KNZ) aber wiederum die gesamte Bedeutung des Normsatzes N: v, KNZ_>S symbolisierte, müßte der Täter nicht nur v, sondern zudem auch KNZ als strafbarkeitsrelevant erkannt haben: v, KV. KNZ ->s -> S. Der neue, nochmals erhöhte Exponent NZ führte wiederum dazu, daß Strafbarkeit auch Kenntnis von der Strafbarkeitsrelevanz der Kenntnis über die Strafbarkeitsrelevanz von Normkenntnis voraussetzte, uSW.; nicht nur die vom Täter mitzubringenden Kenntnisse wäre infinit, auch die Norm selbst wäre es,

III. Die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit

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Strafbarkeit setzte also eine unendliche Anzahl von Feststellungen voraus - und ließe sich damit letztlich nie feststellen. b) Normkenntnis als Normgültigkeitsbedingung Wenn sich somit die Normkenntnis auch nicht als (norminternes) Tatbestandsmerkmal einordnen läßt. so könnte sie doch als normexterne Unrechts-, d h. Gültigkeitsvoraussetzung der Norm in Betracht kommen. Die Norm ließe sich dann weiter einfach durch: v->S formalisieren, gälte (g) aber eben nur bei Normkenntnis KNZ, d. h. wenn der Täter zur Zeit der Tat um den normierten Zusammenhang zwischen v und S auch wußte, KNZ -> (v-> S)g. Verbalisiert besagt diese Formel, daß auf die Kenntnis der Norm "auf ein bestimmtes Verhalten folgt Strafbarkeit" die Gültigkeit dieser Norm folgt (so daß das normierte Verhalten ggf. von Rechts wegen Strafbarkeit auslöste). Der Exponent NZ bezeichnete innerhalb der benannten Formel nur die zur Norm erhobene Bedeutung, daß v zu S führt, nur hierauf bräuchte sich also auch die Kenntnis des Täters zu beziehen, um der Norm zur Gültigkeit zu verhelfen. Gemäß den obigen Ausführungen wird die Bedeutung, daß v zu S führt, dadurch zur Norm erhoben, daß bezogen auf sie ein Rechtssetzungsakt erfolgt. Normkenntnis setzt demnach lediglich voraus, daß der Täter die Bedeutung "v -> S" als Gegenstand eines tatsächlich erfolgten Rechtssetzungsakts identifiziert. Der Täter muß also erkannt haben, daß die Bedeutung, zwischen v und S bestehe ein Zusammenhang, zum Gegenstand eines Rechtssetzungsakts (d. h. zum normierten Zusammenhang) aufgeworfen worden ist Der soeben dargestellte infinite Regreß bliebe innerhalb eines derartigen Regelungsmodus aus, nonnlogische Bedenken wären damit ausgeräumt. aa) Die Unterscheidung zwischen Normkenntnis und Unrechtsbewußtsein

Der angesprochene Regelungsmodus führte allerdings nicht dazu, daß Strafbarkeit durch das Vorhandensein von Unrechtsbewußtsein bedingt erscheint. Die normexteme Unrechtsvoraussetzung KNZ bezeichnete vielmehr lediglich das Vorhandensein von Normkenntnis, nicht von Unrechtskenntnis. Um Unrecht verwirklichen zu können, muß der Täter also nur wissen, daß eine Norm gesetzt worden, nicht daß sie (aufgrund dieser Setzung) zur GUltig keit gelangt ist. Unrecht erforderte also zwar eine gUltige Norm, aber keine Kenntnis von der Normgültigkeit - Normgültigkeit erforderte demgegenüber sowohl eine tatslJchliche Normsetzung als auch KeMtnis von dieser Setzung.

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Kapitel G: Vorsatz und Fahrlässigkeit

Irrtümer des Täters über die Gültigkeit der Norm beträfen demnach nicht das Unrecht selbst, sondern allenfalls die Zweckmäßigkeit einer Bestrafung wegen verwirklichten Unrechts. Erhöbe man das Unrechtsbewußtsein hingegen zur Unrechtsvoraussetzung, so ergäben sich wieder die aufgezeigten normlogischen Kalamitäten: Hinge Unrecht davon ab, daß der Täter sämtliche unrechtsbegrüDdenden Umstände nicht nur erfüllt, sondern auch in ihrer unrechtsbegründenden Bedeutung erkannt hat, dann müßte der betreffende Täter auch um die unrechtsbegründende Bedeutung seines Wissens um die unrechtsbegründende Bedeutung der übrigen Unrechts voraussetzungen gewußt haben - und um die unrechtsbegründende Bedeutung wiederum dieses Wissens, usw. Unrechtsbewußtsein kann somit nur im Rahmen der Schuld-(Strafzweckmäßigkeits-)Prüfung zum aussagekräftigen Datum werden: Einem Täter, der die rechtliche Konsequenz "Strafbarkeit" bewußt auf sich genommen hat, wird deren faktischer Übelscharakter nachhaltiger demonstriert werden müssen, als einem Täter, der die von ihm verwirklichte Straftat ohnehin nie begangen hätte, wenn ihm deren rechtliche Konsequenzen bewußt gewesen wären; im zweitgenannten Fall motivierte schon Aufklärung über die Norm dazu, derartige Straftaten in Zukunft tunlichst zu vermeiden. Zur Behandlung bloßer "Sanktions-"(Verbots-)Irrtümer, d. h. zu Fällen fehlenden Sanktions-(Unrechts)Bewußtseins, sind bereits oben 91 (ausführlicher) die hier nur kurz repetierten Betrachtungen angestellt worden. An dieser Stelle geht es aber um etwas anderes, nicht um Unrechts-, sondern um Nonnunkenntnis, der Täter irrt mithin nicht (nur) über die GUltigkeit, sondem (schon) über das Gesetztsein einer Norm. Zwar muß stets, wenn eine Norm gUltig ist, notwendigerweise auch eine Norm gesetzt worden sein, umgekehrt ist aber das Erfolgtsein einer Normsetzung noch keine hinreichende Bedingung für die Gültigkeit der gesetzten NOIID. Dazu ist vielmehr zusätzlich erforderlich, daß auch der Komplex an Bedingungen erfüllt ist, der über das rechtliche "Glücken" des betreffenden Rechtssetzungsakts entscheidet, d. h. darüber, ob bei Verwirklichung des normierten Tatbestands tatsächlich (im Sinne der Norm) Unrecht eintritt. 92

Das Vorhandensein von Normkenntnis könnte demnach - wenngleich tatbestandIich uninteressant - doch mehr darstellen als eine bloße Strafzweckmäßigkeitsvoraussetzung, nämlich Normgültigkeitsbedingung, d. h. Unrechtsvoraussetzung, sein. Indem (nur) die Normkenntnis (und nicht das Unrechtsbewußtsein) zur Debatte steht und diese wiederum (nur) als Normgültigkeitsbedingung (und nicht als Tatbestandsmerkmal) zur Debatte steht, bleibt zunächst jene normlogisch unauflösbare Aporie aus, die oben mit dem Stichwort "infini-

91 Vgl. Kapitel D. III. 1. 92 Vgl. Kapitel C. III. 4. und E. I. 3.

III. Die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit

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ter Regress" umschrieben wurde; als normexterne Unrechtsvoraussetzung kann "Normkenntnis" damit durchaus in Betracht gezogen werden. Mit dem Erweis der logischen DurchfUhrbarkeit einer solchen Einordnung wäre allerdings für sich gesehen noch wenig gewonnen. Dogmatisch überzeugend erschiene die erwogene Verankerung von Normkenntnis als Normgültigkeitsbedingung vielmehr erst, wenn sie sich, ausgehend von den vorangestellten Strafrechtsaxiomen, auch als normlogisch zwangslttujig erweisen ließe. Um diesen Nachweis muß es daher im folgenden gehen. bb) Zur Notwendigkeit von Nonnkenntnis zwecks Normgültigkeit

Wenn einem Täter bei seiner Verhaltenswahl das Bewußtsein fehlte, dadurch eine Norm zu erfüllen, dann verringert sich durch diesen Irrtum natürlich nicht das Risiko, das ggf. mit der betreffenden Verhaltenswahl hervorgerufen wird. Ein Verhalten, das unter Zugrundelegung der vom Täter angenommenen Tatsachen riskant erscheint (und deswegen in einer Norm geregelt wurde), bleibt riskant, gleich, ob der Täter die auf dieses Verhalten gemünzte (normierte) Verhaltensbeschreibung zu verwirklichen glaubt oder nicht. Mit der Aufstellung der Strafnorm reagiert der Normgeber auf dieses Risiko, die Höhe des vorgesehenen Strafübels muß sich (außer am Wert des riskierten Rechtsgutsobjekts) an der Intensität dieses Risikos orientieren. Letztendlich muß die Strafbedrohung so eindrücklich ausfallen, daß sich die gesellschaftliche Unattraktivität des strafbedrohten Verhaltens (die sich aus Objektgüte und Risikodichte errechnet) in Form von persönlicher Unattraktivität beim potentiellen Verhaltensurheber widerspiegelt Falls für den Verhaltensurheber aus dem zu normierenden Verhalten auch ein persönlicher Nutzen zu erwarten steht, muß der drohende Nachteil diesen Nutzeffekt überkompensieren - und zwar soweit überkompensieren, daß wieder Kongruenz zwi schen gesellschaftlicher und persönlicher Wertschätzung in bezug auf jenes Verhalten eintritt Dem Normadressaten bleibt die Entscheidung zwischen riskantem und vorzugswürdigem Verhalten also freigestellt, die Wahl der erstgenannten Alternative wird ihm nur (mittels der Strafbedrohung) entsprechend ihrer gesellschaftlichen Unwertigkeit sozusagen "vergällt". Die Norm schlägt ihrem Adressaten somit quasi zwei verschiedene "Geschäfte" zur Auswahl vor: Einerseits das Geschäft, mit dem riskanten Verllalten einen bestimmten Sondernutzen anzustreben, dafür aber auch mit dem Sondernachteil "Strafbarkeit" zu "bezahlen", andererseits das Geschäft, auf einen derartigen Sondernutzen zu verzichten, dafür aber auch weiterhin Straffreiheit zu genießen. Indem der Täter bei einer solchen Konstellation (um irgendeines Sondernutzens willen) das riskantere Verhalten realisiert, statt das vorzugswürdige zu wählen, hat er die Norm (ihren Tatbestand) schon verwirklicht, denn

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Kapitel G: Vorsatz und Fahrlässigkeit

genau an derartige Verhaltensentscheidungen knüpft die Nonn ihre Strafbedrohung, genau derartige Verhaltensentscheidungen will sie beeinflussen. Mit der Vornahme des riskanteren Verhaltens hat der Täter aber noch nicht notwendig auch die Annahme des ihm seitens der Nonn offerierten Geschäfts "Sondernutzen gegen Strafbarkeit" erklären wollen, denn dazu wäre zusätzlich noch (neben der tatst1chlichen Nonnerfüllung) erforderlich, daß dem Normadressaten auch bewußt war, die Nonn zu erfüllen. Bei fehlendem Nonnerfüllungsbewußtsein stellt sich demgegenüber das Problem, ob der Täter sich dennoch an das (ihm normativ unterbreitete) Geschäft "Sondemutzen gegen Strafbarkeit" gebunden fühlen muß. Besonders plastisch wird dieses Problem, wenn die entsprechende zivilrechtliche Konstellation betrachtet wird: Ein Marktschreier stellt, indem er seine Waren zu einem bestimmten Preis ausruft, seine Zuhörer vor die Alternative, entweder das ihnen unterbreitete Kaufangebot - durch Heben der Hand zu akzeptieren (d. h. das Geschäft ''Ware gegen Kaufpreis" abzuschließen) oder aber davon Abstand zu nehmen (d. h. das Geschäft "Verzicht auf die Ware gegen Freiheit von Kaufpreisverpflichtungen" zu wählen). Wenn ein bestimmter Auktionsteilnehmer nun, ohne aktuelles Kaufin teresse zu besitzen, seine Hand hebt, um einen Bekannten zu grüßen 93, so legt er genau das Verhalten an den Tag, an das die Auktionsbedingungen den Nachteil "Kaufpreisverpflichtung" geknüpft haben, ohne sich allerdings dieser Tatsache bewußt zu sein - es liegt nur "Handlungswille" vor, am rechtsgeschäftlichen "Erklärungsbewußtsein" fehlt es jedoch94. Innerhalb der Zivilrechtsdogmatik ist es unumstritten, daß der fragliche Auktionsteilnehmer sich letztlich an dem Geschäft "Ware gegen Kaufpreis" nicht festhalten zu lassen braucht: Der Kaufvertrag ist entweder (mangels Erklärungsbewußtseins) schon nicht zustandegekommen95oder aber (infolge Inhaltsirrtums) jedenfalls anfechtbar 96 • Ähnlich, wie ein "Käufer" ohne Erklärungsbewußtsein keinen Kaufpreisanspruch gegen sich gelten lassen muß, könnte auch ein "Täter" ohne Nonnerfüllungsbewußtsein keinen Strafanspruch gegen sich gelten lassen müssen. "Anspruch" bedeutet aber im alethischen Sinne nur, daß der Vollzug bestimmter

93 Das Beispiel ist dem vielzitierten "Trierer Weinversteigerungsfa\l" nachgebildet. 94 Zu den Begriffen vgl. etwa Larrm:l., BGB, AIlgemeiner Teil, S. 354 ff.; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, S. 222 ff.; Kramer, MÜDchener Kommentar, Vor § 116 Rn. 7, 12. 95 ThieIe, JZ 1969, S. 407; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 427 f.; deTS., NJW 1974, S. 528; Fabricius, JuS 1966, S. 8; Staudinger-Dilcher, Vor § 116 Rn. 126 f.; Schubert, JR 1985, S. 16; Fratz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 469 f. 96 Bydlinski, Privatautonomie, S. 162 ff.; deTS., JZ 1975, S. 4 f.; Gudian, AcP 169, S. 233 ff.; Larenz, Methode der Auslegung, S. 82 ff.; deTS., BGB, Allgemeiner Teil, S. 356; Brax, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, S. 50 ff.; BGHZ 91, S. 324, 329 f.; BGH WM 1989, S. 650, 652.

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tatsächlicher Inanspruchnahmehandlungen (KaufpreisklagelBestrafung) für den Anspruchsinhaber von Rechts wegen attraktiver wird. Der Ungültigkeit des Kaufvertrags (bei fehlendem Erklärungsbewußtsein) entspräche also die Ungültigkeit der Strafnorm (bei fehlendem Normerfüllungs bewußtsein). Die angesprochende Parallele zur Rechtsgeschäftslehre muß sich natürlich für ein pflichtenzentriertes Strafrechts konzept (wie dem von Armin Kaufmann entworfenen) verbieten. Ein Straftäter besitzt dort eben nicht dieselbe (eingeschränkte) Freiheit, einen Tatbestand zu verwirklichen (nämlich gegen Inkaufnahme von "Strafbarkeit"), wie sie einem Auktionsteilnehmer zur Verfügung steht, der sich Marktware verschaffen will (nämlich gegen Einräumung von Kaufpreisansprüchen). Im Rahmen eines pflichtenzentrierten Strafrechts geund verbietet die Norm unbedingt, statt daß sie Bedingungen anbietet. Dem Normadressaten wird jeder Entscheidungsspielraum beschnitten und bestritten, er "soll", was die Norm ihm aufgibt - und er soll es unabhängig von jeglicher Strafbedrohung. Die Strafbedrohung markiert also nicht die Grenzen von Entscheidungsfreiheit, sie reagiert vielmehr auf deren Überschreitung, d. h. auf "Unrecht". Einer Aktion kann also Unrechts charakter auch dort zukommen, wo es an einer darauf bezogenen strafgesetzlichen Reaktion (in Form einer Strafbedrohung) fehlt. Bleibt Unrecht aber sogar davon unberührt, daß es tatsachlieh an Strafgesetzen fehlt, dann muß dies erst recht gelten, wenn der Normunterworfene sich ein solches Fehlen nur vorstellt. Etwas anderes folgt jedoch aus dem hier vorgestellten alethischen Strafrechtskonzept "Unrecht" bedeutet darin nicht mehr und nicht weniger, als daß von Rechts wegen "Strafbarkeit" eintritt, setzt also die Gültigkeit einer Strafnorm einerseits schon voraus, begnügt sich andererseits aber auch damit - unter Verzicht auf eine dem Strafgesetz vorgelagerte Rechtspflicht. Während das pflichten zentrierte Strafrecht Armin Kaufmanns somit das Strafgesetz unrechts systematisch für überflüssig erachtet, stuft das alethische Strafrecht umgekehrt gerade den Pflichtgedanken unrechts systematisch als obsolet ein. Indem die alethische Norm den Täter aber mit Pflichten verschont, beläßt sie ihm seine Entscheidungsfreiheit und begnügt sich damit, ihm (per Strafbedrohung) bestimmte Entscheidungen nahezulegen oder unattraktiv zu machen. Die drohende Strafbarkeit versteht sich im Rahmen eines solchen Konzepts als Preis zwecks Regulierung der Nachfrage nach einer bestimmten Entscheidungsalternative und erfüllt insofern genau die Funktion, die im privatrechtlichen Verkehr etwa der Kaufpreis einnimmt. Ebenso wie ein Verkäufer sein Angebot so abzufassen sich bemüht, daß sich der Kunde für das vom Verkäufer gewünschte Verhalten (pro Vertragsschluß) entscheidet, so nutzt auch der Normgeber dasselbe Instrument, um die Entscheidungen des Normadressaten in die vom Normgeber gewünschte Richtung (pro Güterschutz) zu dirigieren. Und ebenso wie von einer Angebotsannahme im Privatrecht nur die Rede sein kann, wenn der "Annehmende" sich des Angebots als solchem überhaupt bewußt war, so akzeptiert auch der Adressat einer Strafnorm deren Angebot, sich (lediglich) gegen Strafbarkeit in bestimmter 19*

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Kapitel G: Vorsatz und Fahrlässigkeit

Weise betätigen zu können, nur, wenn er die Strafnorm als solche überhaupt kannte. Zum Abschluß eines (zivil-/strafrechtlichen) Geschäfts gehört also stets die Kenntnis des Annehmenden, daß in bezug auf den Inhalt des abzuschließenden Geschäfts ("Leistung gegen Preis"/"Verhalten gegen Strafbarkeit") bereits ein Angebot (mittels Willenserldärung/Normsetzungsakt) abgegeben worden ist. ce) Zur Notwendigkeit von Gültigkeitskenntnis zwecks Normgültigkeit

Daß der Normadressat darüber hinaus (neben der Setzung) auch die Galligkeit der Strafnorm kannte, wäre hingegen für eine wirksame Annahme nicht erforderlich - auch im Zivilrecht wird ja eine Willenserklärung nicht dadurch unverbindlich, daß der Erklärte sie dafür hält. Wer etwa ein Kaufangebot in der irrtümlichen Vorstellung akzeptiert, der vereinbarte Vertrag werde infolge Formnichtigkeit, wegen Sitten- oder Gesetzeswidrigkeit ohnehin keine Wirksamkeit erlangen, führt dadurch nicht die Unwirksamkeit des Vertrags herbei, muß sich am abgeschlossenen Vertrag vielmehr festhalten lassen.

Der Erklärende hat insoweit erklärt, was er erklären wollte, und vereinbart, was er vereinbaren wollte. Wenn nach der Ansicht eines an der Vereinbarung Beteiligten "der Rechtsverbindlichkeit der Vereinbarung kraft Bestimmung der Rechtsordnung ein Unwirksamkeitsgrund entgegensteht", während dieser Unwirksamkeitsgrund in Wahrheit "nicht gegeben ist", so bleibt eine solche einseitige Fehleinschätzung unbeachtlich, da lediglich "der Tatbestand der Mentalreservation erfüllt ist"97. Wer eine Zahlungszusage erteilt, mag zwar darauf spekulieren, daß die Rechtsordnung dieser Zusage die Anerkennung versagt, es kann aber nicht allein diese Spekulation sein, infolge derer der betreffenden Zusage dann tatsächlich die rechtliche Anerkennung vorenthalten bleibt; Spekulationen als solche stellen noch keinen Prämierungs(Unwirksamkeits-)Grund dar, verschaffen keinen Anspruch auf ein Aufgehen der Spekulation, erfolgen vielmehr naturgemäß stets auf eigenes Risiko. Will der Zusagende dieses Risiko nicht eingehen, muß er von der (spekulativen) Zusage selbst absehen - andernfalls setzt er sich mit seinem eigenen willentlichen Verhalten in Widerspruch. Dieselben Gesichtspunkte treffen für eine Spekulation im strafrechtlichen Bereich zu: Wer bewußt den (Annahme-)Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, mag zwar darauf spekulieren, daß die Rechtsordnung dieser Norm die Gültigkeit versagt; es kann aber nicht allein diese Spekulation sein, infolge derer die betreffende Norm dann tatsächlich ihre Rechtsgültigkeit einbüßt; sonst hinge der Bestand der RechtsOrdnung vom jeweiligen Votum des Normunterworfenenab. 97 Flume, Allgemeiner Teil, 2. Bd., S. 93.

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Oldurch, daß der Täter sich für ein Verhalten entscheidet, von dem er weiß, daß es normativ mit Strafbarkeit bedroht wird, realisiert er bewußt den "Annahmetatbestand", ebenso wie es ein Auktionsteilnehmer durch das Heben seiner Hand bewerkstelligt - jeweils hat ein "Geschäftspartner" zum Ausdruck gebracht, daß seinem Willen zufolge ein bestimmtes Verhalten bestimmte Rechtsfolgen auslösen soll ("Angebot"), und jeweils ist das betreffende Verllalten willentlich und in Kenntnis des" Angebots" verwirklicht worden ("Annahme"). Jeweils mag der" Annehmende" auch hoffen, erwarten oder darauf vertrauen, daß sein Verhalten letztlich das "angebotene Geschäft" doch nicht rechtswirksam zustandebringen werde (etwa wegen vermeintlicher Gesetzeswidrigkeit der Auktion bzw. Verfassungswidrigkeit der Norm). Durch sein Verhalten hat er jedoch immerhin seine weitere Straflosigkeit bewußt und freiwillig von der Frage der Geschäfts- (Norm-)Gültigkeit abhängig gemacht. Wer sich aber willentlich in Abhängigkeit zur Geltungsfrage begibt, liefert keinen Grund dafür, ihm diese selbst gewählte Abhängigkeit rechtlicherseits dennoch zu ersparen (indem die Rechtsordnung zur Disposition des Rechtsunterworfenen gestellt wird). Es liefe im Gegenteil dem strafrechtlichen Interesse am Rechtsgüterschutz zuwider, dem Täter das Risiko von Fehlbeurteilungen der Gelmngsfrage abzunehmen: Je weniger der Täter nämlich damit rechnen muß, für Fehlbeurteilungen der Geltungsfrage haftbar gemacht zu werden, desto mehr wird er (im Vertrauen auf seine persönliche - negative - Stellungnahme zur Gelmngsfrage) tatbestandsmäßiges Verhalten zu riskieren geneigt sein. Der seine Abhängigkeit von der (Norm- bzw. Geschäfts-)Geltung akzeptierende Täter wird daher aus Gründen des Rechtsgüterschutzes an seinem eigenen "Akzept" festgehalten; hätte er das damit verbundene Risiko von Fehlbeurteilungen nicht übernehmen wollen (als inakzeptabel empfunden), so hätte er das tatbestandsmäßige Verhalten eben vermeiden müssen (und können); andernfalls setzte er sich mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch. Er unterscheidet sich insofern auch von einem Täter, dem schon die Setzung (statt nur die Gelmng) einer Norm nicht bekannt ist, dem also bereits die Abgabe des Geschäftsange bots und damit auch die Bedeutung seines Verhaltens als Angebotsannahme verborgen bleibt Ein solcher Täter entscheidet sich nicht dafür, ein durch die eigene Gültigkeit bedingtes Geschäft abzuschließen - so daß es fraglich erscheint, inwieweit er dennoch als Vertragspartei eines rechtsgültigen Geschäfts zu behandeln ist dd) Zur Haftung bei Normunkenntnis

Im Zivilrecht wird dem Anspruchsgegner bei einer derart gestalteten Sachlage zumindest (falls nicht bereits das Vorhandensein einer Annahmeerklärung verneint wird) die Möglichkeit zugestanden, sich (durch Anfechmng) vom irr-

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Kapitel G: Vorsatz und Fahrlässigkeit

tiimlich zustandegebrachten Geschäft wieder zu lösen98 • An die Stelle der vertraglichen Bindung kann dann zwar eine Schadensersatz verpflichtung treten, in jedem Falle wäre aber ein etwaiger (Vertrauens-)Schaden maximal bis zur Höhe des bei Geschäftswirksamkeit gültigen Entgelts zu erstatten99 • Übertragen auf das Strafrecht bedeutete dieser Modus, daß das Tatunrecht bei Normunkenntnis maximal noch dem Tatunrecht bei Normgültigkeit entspricht, in concreto aber eben auch geringer aus-(oder sogar vollständig ent)fallen kann. Daß eine derartige (begrenzte) Privilegierung von Normunkenntnis auch im Rahmen des Strafrechts sachangemessen erschiene, läßt sich mit dem Hinweis auf das Zivilrecht aber nicht dartun, es bedarf dazu vielmehr einer eigenständigen strafrechtlichen Argumentation unter Rekurs auf die bekannten Strafrechtsaxiome. Zwecks Verhaltensmanipulation bedroht die Norm jedes gesellschaftsschädliche Verhalten mit dem Maß an Strafbarkeit, das dessen Gesellschaftsschädlichkeit individuell reproduziert. Die Strafbedrohung ist also normativ so festzulegen, daß die Negativdifferenz zwischen gesellschaftlicher Verhaltensnützlichkeit und -schädlichkeit sich in einer entsprechenden Negativdifferenz zwischen täterspezifischer Verhaltensnützlichkeit und -strafbarkeit wiederfindet. Ein Täter, der nicht weiß, daß ein bestimmtes Verhalten normativ strafbar gestellt wird, kann sich von der normierten Strafbedrohung weder beeindrucken noch beeinflussen lassen, ihre Höhe macht in bezug auf ihn (da er sie ohnehin nicht erkennt) keinen Sinn, befördert nämlich nicht die angestrebte Verhaltensmanipu lation. Wenn allerdings jeder Täter, dem es an Tatbestandskenntnis fehlt, allein schon deshalb von jeglicher Strafbarkeit verschont bliebe, so wäre zugleich jeglicher Antrieb vom Täter genommen zu überprüfen, ob Tatbestandsverwirkli chung (nicht doch) droht. Gerade dort, wo die Rechtsgleichgültigkeit am ausgeprägtesten erscheint und es daher am häu figsten an Tatbestandskenntnis mangelt, müßte am ehesten Straflosigkeit Platz greifen1oo •

98 Vgl. Kapitel G., Fn. 95 und 96. 99 So § 122 I BGB, der - je nach dogmatischem Ausgangspunkt bei der Beurteilung der Fälle mangelnden Erklärungs bewußtsein - entweder direkt oder analog (vgl. etwa Canaris, Vertrauenshaftung, S. 537; Frotz, Verkehrsschutzim Vertretungsrecht, S. 471) angewandt wird. 100 Dieser Gesichtspunkt pflegt geradezu als Standardargu ment gegen sämtliche vorsatztheoretischen Erwägungen ins Feld geführt zu werden, vgl. Welzel, NJW 1953, S. 329: "Hier bewährt sich wieder die Schuldtheorie, wogegen die Vorsatztheorie, nach der das Bewu&sein der Pflichtwidrig keit ein Vorsatzerfordernis sein soll, den sozial Gleichgültigen und Rücksichtslosen, dem die Pflicht zur Hilfe leistung als rechtlich erhebliche Sozial pflicht gar nicht zu Bewußtsein kommt, straflos lassen muß"; vgl. ders., MDR 1952, S. 587;Annin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 140 11.; Jakobs, Strafrecht AlIgemeiner Teil, Rdnr. 19/14; Wessels, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 126; Radhruch, SJZ 1947, S. 634; Eberhard Schmidt, SJZ 1950, S. 836; Rudolphi, SK, § 17 Rn. 2 a;

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Je stärker dagegen der Täter damit rechnen muß, bei irrtümlicher Tatbestandsverwirklichung dennoch den Nachteil "Strafbarkeit" auf sich zu ziehen, desto eingehender wird er sich (aus Eigeninteresse) mit der Irrtumsfrage vor seiner Tat immerhin auseinandersetzen, möglicherweise auf diesem Wege sogar letztlich Tatbestandskennmis gewinnen (und deshalb von seiner Tat Abstand nehmen). Der verhaltensmanipulative Effekt einer Norm fällt also entschieden beträchtlicher ins Gewicht, wenn fehlende Tatbestandskennmis nicht sogleich die Gültigkeit der Norm dispendiert. Je dringlicher der Täter dazu veranlaßt werden soll, sich vor der Tat noch (weiter) mit der Frage drohender Tatbestandsverwirklichung zu befassen, desto vollständiger muß die normierte Strafbedrohung trotz fehlender Tatbestandskennmis rechtens bleiben, desto weniger darf die Norm bei fehlender Tatbestandskennmis ihrer Gültigkeit entkleidet werden. Die volle Normgeltung (rechtlich unverminderte Strafbedrohung) muß zunächst den Täter treffen, der den normierten Zusammenhang von persönlichem Tamutzen und Strafbarkeit bei seiner Tatentscheidung positiv berücksichtigt hat - ein solcher Täter nimmt, indem er hier das strafbar gestellte Verhalten wählt, das ihm normativ angebotene Geschäft willensmängelfrei an. Von diesem Extrempunkt aus muß die Normgeltung umso vollständiger aufrechterhalten bleiben, je stärker sich der Täter noch dazu angehalten fühlen soll, die Einschlägigkeit der normierten Strafbedrohung für seine Tat wirklich auszuschließen, d. h. je sorgloser der Täter bislang die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens verkannt hat Die Normgeltung kann dagegen umso vollständiger aufgegeben (das Unrecht reduziert) werden, je sorgfältiger der Täter eine Tatbestandsverwirkli chung durch sein Verhalten bereits ausgeschlossen hat, je weniger es also Sinn macht, dem Täter noch zusätzliche Impulse in diese Richtung vermitteln zu wollen. Zusätzliche Impulse machen beispiels weise dort keinerlei Sinn mehr, wo der Täter ohnehin bereits alle seine Möglichkeiten ausgeschöpft hat, zu ei-

BGHST 2, S. 194,206: "Ebensowenig können der Überzeugungstäter und der zu sittlichen Regungen nicht mehr fähige, abgestumpfte ... Gewohnheitsverbrecher wegen vorsätzlicher Tatbegehung zur Verantwortung gezogen werden, weil sie beide von ihrer rechtsfeindlichen Grundhaltung aus gar nicht zum Bewußtsein der Rechtswidrigkeit ihres Tuns zu gelangen vermögen". Auf die kriminalpolitischen Schwierigkeiten, die sich - umgekehrt - ergeben, wenn man die von Welzel vertretene Schuldtheorie auf die Delikte Rechtsblinder anwendet, weist Horn, Verbotsirrtum und Vermeidbarkeit, S. 85, hin: Wenn Weizei sich für unverminderte Strafbarkeit damit begnügt, daß dem Täter die Tatbestandsverwirklichung "erkennbar" (vgl. Wekel,IZ 1956, S. 241) war (statt insoweit zu fordern, daß der Täter die Tatbestandserfüllung nicht verkannt hat), dann bewirkt dies keine erleichterte Strafbarkeit Rechtsblinder, denn "wer das spezifische Unrecht seines Handlungsprojekts nicht kennt, kann es nur unter der Voraussetzung erkennen, ... daß er zumindest für möglich hält, Unrecht zu tun ... Fehlt es an dieser Voraussetzung, so ist Unrechtserkennbarkeit psychologisch ausgeschlossen" (Horn, Verbotsirrtum und Vermeidbarkeit, S. 167). Letztlich wäre für unverminderte Strafbarkeit also doch die positive Vorstellung der Möglichkeit tatbestandsmäßigen Verhaltens erforderlich - eine Vorstellung, über die der Rechtsblinde gerade nicht verfügt.

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Kapitel G: Vorsatz und Fahrlässigkeit

ner korrekten Antwort auf die Frage der Tatbestandsverwirklichung zu gelangen. Je näher nun der Täter diesem Stadium rückt. d. h. je kompletter er sämtli che ihm verfügbaren Aufklärungsmöglichkeiten (sub specie Tatbestandserkenntnis) bereits erfolglos in Anspruch genommen hat. zu desto weniger Anstrengungen braucht er noch motiviert zu werden, und desto marginaler erscheint die Wegstrecke, zu deren Zurücklegung ihm noch Impulse gegeben werden müssen: Die Normgeltung entfällt zunehmend, das Unrecht verflüchtigt sich. Es ist in einem solchen Fall tatsächlich nicht erst die StrafzweckmlJßigkeit, sondern schon die Strafbarkeit der Tat in Zweifel gestellt. Für die entsprechende Konstellation im Zivilrecht ist dies anerkannt Der Auktionsteilnehmer ohne Erklärungsbewußtsein (vgl. das oben angeführte Weinversteigerungsbeispiel) braucht schon keinen Zahlungsanspruch 101 gegen sich gelten zu lassen (mangels Annahme oder infolge Anfechtung 102), es fehlt somit nicht erst an der Vollstreckbarkeit eines solchen Anspruchs. Vergleichbar liegt es im Strafrecht: Der Täter, dem bei der Tatbestandsverwirklichung das Bewußtsein gefehlt hat. ein normativ angetragenes Geschäft ("Verhaltensvorteile gegen Strafbarkeit") anzunehmen, braucht schon keinen Anspruch l03 gegen sich gelten zu lassen, (nach Strafzweckmäßigkeitsgesichtspunkten) bestraft werden zu können, es fehlt also nicht erst an der Zweckmäßigkeit einer Anspruchsdurchsetzung (in Form tatsächlicher Bestrafung). Der angesprochene Willensmangel des Täters betrifft nämlich nicht allein die Frage, ob dessen "Bestrafung" notwendig erscheint, um den Übelscharakter von "Strafbarkeit" zu unterstreichen, er wirft vielmehr bereits die Frage auf, ob überhaupt "Strafbarkeit" notwendig erscheint, um "Verhaltensmanipulation" zu betreiben. Eine Norm, deren Einschlägigkeit der Täter (nach Einsatz aller ihm zu Gebote stehenden Erkenntniskräfte) für ausgeschlossen erachtet. vermag die Verhaltensentschlüsse dieses Täters aber tatsächlich nicht mehr mitzuprngen (geschweige denn umzuprngen), es hier von Rechts wegen zu "Strafbarkeit" kommen (d. h. die Norm gelten) zu lassen, führte sub specie "Verhaltensmanipulation" zu nichts, wäre strafrechtsaxiomatisch betrachtet mithin illegitim. Die Situation, in der sich ein Täter ohne Tatbestandskenntnis befindet, ist von daher keine andere als die eines Tieres, das sich ähnlich beein trächtigend in bezug auf das geschützte Rechtsgut verhält: Nicht nur Bestrafung

101 Alethisch gesprochen: die Rechtsordnung reizt nicht einmal zu sozialvertrlJglicher Inanspruchnahme des Anspruchsgegners an. 102 V gl. Kapitel G, Fn. 95 und 96. 103 Alethisch gesprochen: die Rechtsordnung reizt nicht einmal 1lI stra/zweckmaßiger Bestrafung des Straftäters an.

III. Die Unt&Scheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit

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("Schuld"), sondern schon Strafbarkeit ("Unrecht") muß ausscheiden, wo Entscheidungsprozesse per Strafrechtsnorm beeinflussen zu wollen, nicht (mehr) in Betracht kommt. Der Unterschied zwischen Tier und normerfülhmgsunklDldigem Täter liegt lediglich darin, daß der Strafbarkeitsausschluß beim Tier mit Rücksicht auf die zu erwartende Fruchtlosigkeit jeglicher Norm schon auf der Tatbestandsebene realisiert werden kann, während dies bei menschlichen Erkennblislücken nicht möglich wäre; die Kenntnis der Norm zur TatbestandsvoraussetzlDlg zu erheben, hieße - wie ausgeführt 104 - unlösbare normlogische Widersprüche zu produzieren. Normlogisch unproblematisch wäre es dagegen, die Normgültigkeit (statt die TatbestandsverwirklichlDlg) davon abhängig zu stellen, inwieweit der Täter es ausgeschlossen hat, mit seinem Verhalten einen Tatbestand zu erfüllen. Tatbestandsirrtümer hätten auf diese Weise noch nicht notwendig sogleich fehlende Normgeltung zur Folge, dem Täter bliebe also ein Anreiz dazu, sich in der Frage der Tatbestandsmäßigkeit nicht mit vorschnellen Antworten oder gar mit Gedankenlosigkeit zu begnügen, sondern insoweit Umsicht und Einsatz walten zulassen. Je gründlicher und ernsthafter dann der Täter die Frage der Tatbestandsmäßigkeit tatsächlich eruiert (ohne dabei zu positiven Resultaten zu gelangen), desto mehr erschöpft er zugleich sein Reservoir an ihm (noch) verbleibenden Aufklärungsmöglichkeiten - und desto marginaler kann demzufolge auch der normative Anreiz zur Ausschöpfung dieses Restreservoirs ausfallen; die Normgeltung sinkt entsprechend (ggf. bis auf Null). Als Normgeltungsbedingung fungierte danach das Nichtverkennen der Tatbestandsmäßigkeit des eigenen Verhaltens, bzw. (reziprok formuliert) der Intum über die Tatbestandsmäßigkeit führte zur NormlDlgültigkeit. c) Die VoraussetzlDlgen für verkannte Tatbestandsmäßigkeit Tatbestandsverwirklichung kann dabei in dem Maße als "verkannt" angesehen werden, in dem der Täter seine Möglichkeiten, die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens zu erkennen, ohne Erfolg ausgeschöpft hat Ein Verhalten ist dabei tatbestandsmäßig (i. S. der obigen AusführungenlOS), wenn der Täter mit ihm eine normierte Präferenzrelation verwirklicht hat. Der Täter muß sich also für die eine von zwei zur Auswahl stehenden Verhaltensweisen (v 1) entschieden haben, während die Norm auf der Basis der Tatsachenvorstellungen des Täters die Bevorzugung der ande ren Verhaltensweise (v2) zur StrafiosigkeitsvoraussetzlDlg erhoben hat. Verkannte Tatbe-

104 Vgl. Kapitel G. III. 2. a). 105 Vg1. Kapitel E. ll. 5.

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Kapitel G: V eine Präferenzrelation normiert worden ist, er muß vielmehr die ihm konkret in der Tatsituation verfügbaren Verhaltensmöglichkeiten v 1 und v2 auch als normativ geregelte wiedererkennen. Dazu ist allerdings nicht erforderlich, daß der Täter den konkreten Normsatz gekannt haben muß, durch dessen Äußerung die normierte Regelung erlassen worden ist. Er muß vielmehr lediglich erkannt haben, was durch den geäußerten Normsatz ausgedrückt worden ist, dessen Bedeutung also, d. h. die Norm. Im Sinne der obigen Ausführungen ist nämlich streng zwischen dem Normsatz (als der Ausdrucksform für eine Norm) und der Norm selbst (als der Bedeutung eines Normsatzes) zu unterscheiden. Ein und dieselbe Norm kann demnach durch unterschiedliche Normsätze sprachlich unterschiedlich entwickelt werden117 , je nachdem, wie der Normsatz die verschiedenen normativ erheblichen Daten voneinander abgrenzt, welche Sprachzeichen er für sie verwendet und inwieweit er sie etwa unter einem Oberbe griff zusammenfaßt Die Norm, nämlich die Bedeutung des Normsatzes l18 , ändert sich durch derartige Modifikationen nicht - ebenso wenig also das, was Gegenstand von Normkenntnis zu sein hätte. Im Zivilrecht ist es dementsprechend nicht erforderlich, daß der Akzeptant das ihm gegenüber abgegebene Angebot juristisch korrekt (etwa) als Werklie-

117 V gl. Ale:ty, Theorie der Grundrechte, S. 43. 118 Den., a.a.O., S. 43; Ross, a.a.O., S. 34; c./o. Weinberger, S. 20,108.

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Kapitel G: Vorsatz und Fahrlässigkeit

furungsofferte identifIZiert; ein solcher Werklieferungsvertrag kommt vielmehr willensmängelfrei bereits dadurch zustande, daß dem Akzeptanten immerhin zu Bewußtsein gekommen ist, überhaupt ein Vertragsangebot mit bestimmtem Inhalt anzunehmen1l9 . Entsprechend muß auch ein Täter, der aus einem fremden Kfz die Reifenluft abläßt, nicht gewußt haben, daß er damit (mit der Bevorzugung dieses Verhaltens gegenüber realisierbaren Alternativen) gerade den Tatbestand einer "Sachbeschädi gung" verwirklicht; eine in voller (normativ festgelegter) Höhe strafbare Sachbeschädigung kommt vielmehr schon dadurch zustande, daß dem Täter immerhin zu Bewußtsein gekommen ist, überhaupt das niedriger eingestufte Glied einer Präferenzrelation zu bevorzugen. Weiß der Täter also, daß sein "Reifenluft-Ablassen" relativ zu irgendeiner Verhaltensalternative normativ mit Nachteilen verknüpft wird, so behält die Sachbeschädigungsnorm in bezug auf ihn ihre Gültigkeit. Das bloße Mißlingen der formalen Etikettierung schadet nicht (= falsa demonstratio non nocet120 ), solange die Vertrags partner nur in der Sache handelseinig waren. Zwei übereinstimmende Willenserklärungen in diesem Sinne liegen aber schon vor, wenn einerseits die vom Täter vorgenommene Verhaltensentscheidung in einer Norm mit einem Listenpreis verknüpft worden ist (Angebot), und andererseits dies dem Täter bei seiner Verhaltensentscheidung auch bewußt war (Annahme). Ohne Einfluß auf den Vertrags schluß bleibt es dagegen, ob der Täter den akzeptierten Listenpreis zudem unter einen bestimmten Begriff ("Strafbarkeit") subsumiert oder auf einer bestimmten Höhe 121 angesiedelt gesehen hat. Ob einem Täter auch der Normsatz bekannt ist, spielt für Normkenntnis mithin keine Rolle, solange nur die Norm selbst bekannt ist (mag der Täter die Norm sprachlich für sich auch anders ausdrücken, als es der Normsatz unternimmt). Und von der Norm braucht wiederum nur bekannt gewesen zu sein, daß eine bestimmte Verhaltensentscheidung mit Nachteilen bedroht ist (mag sich der Täter auch andere oder geringere Nachteile vorgestellt haben). Der eben 122 beispielhaft angeführte Reifenluft-Entleerer erfaßt daher die Sachbeschädigungsnorm durchaus korrekt, sein Wissens mangel betrifft lediglich den Normsatz, nicht die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens.

119 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, S. 53. 120 RGZ 99, S. 147 f. ("Haakjöringsköd-Fall"); BGHZ 20, S. 109, 110; 71, S. 243, 247; BGH JR 1984, S. 192 f. m. Anm. Schubert; NJW 1988, S. 200, 202; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 302 ff.; lAren;., Methode der Auslegung, S. 78 ff.; den;., BGB, Allgemeiner Teil, S. 338 f.; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 327; Erman-Brox, § 133 Rn. 17; PalandtHeinrichs, § 133 Anm. 4 b; KrlJger-Nieland/ZiJller, RGRK, § 133 Rn. 7. 121 Vgl. Kapitel G. III. 2. c) aa) (3). 122 Vgl. Kapitel G. III. 2. c) bb) (1).

III. Die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit

281

Für Normkenntnis genügt somit. daß der Täter zwei in der konkreten Tatsituation ihm mögliche Verhaltenswei sen als in einer normierten Präferenzrelation zueinander befindlich erfaßt hat. Inwieweit dem Täter das gelingt. hängt allerdings auch von dem Normsatz ab, der die fragliche Präferenzrelation sprachlich zum Ausdruck bringt. Zwar wird jeder Normsatz, unabhängig von seiner linguistischen Form, stets dieselbe Bedeutung aufweisen, nämlich eine Norm bezeichnen, die sich mit folgenden Worten fixieren läßt "Wer Strafbarkeit vermeiden will, darf auf der Basis bestimmter Tatsachenvorstellungen das Verhalten VI nicht gegenüber dem Verhalten v2 bevorzugen". Von der linguistischen Form des Normsatzes kann jedoch immerhin seine Verstandlichkeit und damit unter Umständen auch die Gültigkeit seines Inhalts abhängen; diesen Inhalt bildet aber die Norm. Aufgrund der Art und Weise, in der ein Normsatz abgefaßt ist. kann es demnach zu Fehlvorstellungen über die Tatbestandsmäßigkeit einer Verhaltensentscheidung kommen. Die Norm, die das erwähnte 123 Reifenluftablassen strafbar stellt. kann beispielsweise sowohl durch einen Normsatz expliziert werden, der das Beschädigen als "fremd" zu bezeichnender Sachen behandelt. als auch durch einen Normsatz, der die zivilrechtlichen Eigentumsvoraussetzungen selbst aufführt. dafür dann aber den Begrüf "fremd" vermeidet. In bezug auf den Bedeutungsinhalt des Normsatzes, d. h. auf die explizierte Norm, entfaltet der dargestellte Formulierungsunterschied keine Auswirkungen: Jeweils darf der Täter, will er straflos bleiben, auf der Basis bestimmter ("Fremdheit" nahelegender) Tatsachenvorstellungen keine Bescbädigungshandlungen vomehmen 124 • Für die Geltung der (inhaltlich unveränderten) Norm kommt es jeweils darauf an, ob der Täter seine Tatsachenvorstellungen als solche im Sinne der Norm (als Anknüpfungspunkt einer normierten Präferenzrelation) identifiziert bat. Welche Tatsachenvorstellungen die Norm nun aber im Sinne hat, wird der Täter häufig nur anband des jeweiligen Normsatzes ermitteln können. Bei einem Normsatz, der undefiniert den BegfÜr "fremd" verwendet. stellt sich dem Täter die Aufgabe zu ermitteln, welche Tatsachen mit dem Wort "fremd" bezeichnet werden, bei einem Norm satz, der die Fremdheitsvoraussetzungen einzeln aufzählt. stellt sich dem Täter dieselbe Aufgabe bezogen auf die Worte, welche Fremdheitsvoraussetzungen aufzählen. Die "objektiv" vom Normsatz umschriebenen Tatsachen ("objektiv" insofern, als sie die normativ gemeinten sind) bleiben zwar unbeeinflußt davon, inwieweit der Täter sie subjektiv auch als umschrieben (normativ gemeint) ausmacht; immerhin kann dem Täter aber je nach Normsatz die Aufgabe unterschiedlich schwerfallen (und schwergemacht werden), die "objektiv" umschriebenen (normativ gemeinten) Tatsachen

123 VgI. Kapitel G. III. 2. c) bb) (1). 124 Zu den Folgen eines Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale (wie "fremd") vgI. unter

V. 20 Hoyer

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Kapitel G: Vonatz und Fahrlässigkeit

auch als solche (als normativ gemeint) subjektiv zu erkennen. Davon, inwieweit dem Täter die Schlußfolgerung vom Normsatz zur Norm gelingt, hängt jedoch - sofern dem Täter die Norm nicht schon aus anderen Quellen geläufig war - seine Normkennmis und somit letztlich auch die Normgültigkeit maßgeblich mit ab. (2) Der Imum des Tlllers aber die Folgen seines Verhaltens

Erst hier, in diesem Zusammenhang, erhält schließlich die persönliche Erfolgsprognose des Täters ihren eigentlichen Standort - und nicht, wie Armin Kaufmann meinte l2S , schon im subjektiven Tatbestand. Daß diese Standortdifferenz von Bedeutung ist, begründet sich aus dem oben 126 entwickelten Tatbestandsverständnis im Sinne normierter Präferenzrela tionen. Wenn bei der Ausrichtung derartiger Präferenzrelationen darauf abgestellt würde, inwieweit ein TlJter von seinem Verhalten die eine oder die andere Konsequenz erwartet, so führte dies dazu, daß die Norm gefährliche gegenüber ungefährlichen Verhaltensweisen (per Strafbedrohung) zu bevorzugen anriete. Der Täter im zitierten Erbonkelfall l27 beispielsweise machte sich strafbar, wenn er seinem Erbonkel nicht besser eine begrenzte Körperverletzung zufügte, anstalt ihn auf die vermeintlich lebensgefährliche Augreise zu schicken (an weiteren verfüg baren Verhaltensalternativen möge es fehlen). Da das Verleiten eines anderen zu einer Augreise tatsächlich (auch unter Zugrundelegung der vom Täter angenommenen "Basistatsachen") keinerlei Risiken beinhaltet, liefe es aber dem normativ beabsichtigten Güterschutz geradezu zuwider, dem Täter trotzdem bei Strafbarkeit nahezulegen, dann doch eher eine (real gefährliche) Körperverletzungshandlung vorzunehmen. Eine Rücksichtnahme auf die persönliche Erfolgsprognose des Täters innerhalb der normierten Präferenzrelationen drohte somit nicht nur (negativ), den Täter bei der Evokation güterspezifischer Risiken ungeschoren zu lassen, sie müßte ihn sogar umgekehrt (positiv) dazu veranlassen.

Derartige Ungereimtheiten bleiben vermieden, wenn die Frlolgsprognose des Täters nur über die Gültigkeit (anstatt über den Inhalt) der Norm entscheidet. Die Norm selbst gründet ihre Präferenzrelation dann auf einer objektiven Erfolgsprognose (basierend allerdings auf den Tatsachenvorstellungen des Täters), variiert ihre Reaktion also danach, inwieweit es taUtiChlich gefährlich wäre, wenn die Tatsachenvorstellungen des Täters zuträfen. Die Präferenzrelation zwischen einer Körperverletzung und dem Überreden zu einer Augreise verläuft daher unverändert zugunsten des letzteren Verhaltens. Die subjektive 125 Anni" Kaufmann. Nonnentheorie. S. 158; de"".• Die Reform des deutschen Strafrechts. S.247. 126 VgJ. Kapitel E. 11. 4. b). 127 Vgl. Kapitel G. 11. 1.

III. Die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit

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Gefahrlichkeitsüberschätzung durch den Täter kehrt das sonst (bei korrekter Gefahrabschätzung) bestehende Präferenzgefälle dann nicht mehr um (wie es bei einer tatbestandlichen Berücksichtigung der Erfolgsprognose des Täters der Fall wäre), sondern läßt es intakt: Das Verleiten zur Flugreise bleibt deshalb weiterhin tatbestandslos, das Bevorzugen der Körperverletzung weiterhin strafbedroht und nicht zwecks Strafvermeidung anempfohlen. Indem der Täter jedoch das vermeintlich weni ger schädliche gegenüber dem vermeintlich lebensgefährlichen Verhalten bevorzugt, mag er sich subjektiv in Übereinstimmung mit der normierten Präferenzordnung zu verhalten glauben, also die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens verkennen. Die gesetzgeberischen Möglichkeiten, Normen ihren Adressaten bekanntzumachen, sind nämlich hier ähnlich beschränkt, wie im oben 128 angeführten Beispiel der Beschädigung einer "fremden" Sache. Entweder der Normsatz begnügt sich damit, "gefährlichere" und "weniger gefahrliche" Verhaltensweisen zueinander in Beziehung zu setzen, oder aber er benennt im einzelnen die Voraussetzungen, unter denen ein Verhalten als "gefährlicher" anzusehen ist als das andere. Der Bedeutungsinhalt beider Normsätze, d. h. die Norm, verschiebt sich dabei nicht: Strafbedroht wird jeweils derjenige, der die Körperverletzung gegenüber dem Verleiten zur Flugreise bevorzugt, nicht derjenige, der sich umgekehrt entscheidet Auf der Grundlage des erst genannten Normsatzes wird der Täter im Erbonkelfall aber annehmen, daß die Norm eine Präferenzrelation zugunsten der Körperverletzung statuiert. Seine eigenwillige persönliche Erfolgsprognose wird ihn zu dem Ergebnis kommen lassen, mit dem Verleiten zur Flugreise das "gefahrlichere" Verhalten zu realisieren, mit der Körperverletzung jedoch allen normierten Nachteils bedrohungen entgehen zu können. Weil der Täter seine eigene Realitätsvorstellung prognostisch fehlinterpretiert, wird ihm verborgen bleiben, daß sein Verleiten zur Flugreise zu den Verhaltensmustern gehört, welche der Normsatz mit dem Begriff "weniger gefährlich" umschreibt und deren Hintanstellen hinter eine Körperverletzung sich somit als normativ strafbedroht darstellt. Hätte der Normsatz hingegen den Begriff "Verleiten zur Flugreise" für das entsprechende Verhalten benutzt (anstatt dafür das Abstractum "ungefährliches Verhalten" zu wählen), so wäre die nicht nachvollziehbare Gefährlichkeitsprognose des Täters ohne Auswirkungen geblieben; die Praktizierung einer derart kasuistischen Bezeichnungstechnik für sämtliche zu verzeichnenden Verhaltensweisen müßte aber das (dazu erforderliche) Normsatzvolumen so aufblähen, daß Normkenntnis zu erzielen nahezu unmöglich erschiene. Ganz ausgeschlossen werden kann die Relevanz der persönlichen Erfolgsprognose des Täters ohnehin nicht: Selbst wo der Normsatz das "Verleiten zur Flugreise" ex-

128 Vgl. Kapitel G. III. 2. c) bb) (2). 20'

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Kapitel G: Vorsatz und Fahrlässigkeit

plizit nennt, muß der Täter immerhin diesen Erfolg (das Verleiten, nicht dessen Folgen) als Konsequenz seines Willensakts vorausgesehen haben. Wie der Normsatz das von ibm gemeinte Verhalten auch beschreibt, extrem kasuistisch oder auf hohem Abstraktionsniveau zusammenfassend, dem Normadressaten bleibt in keinem Falle die Beurteilung erspart, ob die von ibm konkret erwogene Willensanstrengung nun zu der im Normsatz beschriebenen Verhaltensentäußerung führen wird oder nicht. Schlägt dem Normadressaten diese Erfolgsprognose aber fehl, so wird er seine Verbaltensentscheidung nicht als die vom Normsatz gemeinte erkennen, d. h. die normative Regelung ihrem Gegenstand nach verkennen. Fehlt dem Täter aus diesem Grunde bei seinem Verhalten das Bewußtsein, eine normierte Präferenzrelation zu erfüllen, so läßt sich sein Verhalten auch nicht als Annahme eines ibm normativ unterbreiteten (Geschäfts-)Angebots verstehen, die Gültigkeit der betreffenden Norm wäre infolgedessen in Frage gestellt Je nachdem, inwieweit der Täter seine Möglichkeiten, zu einer korrekten Erfolgsprognose (und auf diesem Wege zu korrekter Normerkenntnis) zu gelangen, ausgeschöpft hat, entfällt die Gültigkeit der Norm, stellt also tatbestandsmäßiges Verhalten sich nicht mehr als rechtswidrig dar. Armin Kaufmann ist demnach beizupflichten, wenn er die persönliche Erfolgsprognose des Täters als unrechtsbedeutsam auffaßt129 • Diese Bedeutsamkeit entfaltet sich jedoch (entgegen Armin Kaufmann l3O ) noch nicht im Tatbestand der Norm (normintern), sondern erst in bezug auf die Gültigkeit der Norm (normextern). Die normierte Präferenzrelatioo kehrt sich aufgrund einer unmotivierten Erfolgsprognose des Täters somit nicht um, sondern verliert von Rechts wegen nur ihre Strafbewebrung. Ein Verleiten des Erbonkels zur Flugreise bliebe daher stets - unabhängig von Prognosefehlern des Täters - tatbestandslos, ein Bevorzugen der Körperverletzung demgegenüber stets tatbestandsmäßig, etwaige Prognosefehler des Täters beseitigten allenfalls die Rechtswidrigkeit erfolgter Tatbestandsverwirklichung, vermögen Rechtswidrigkeit und Tatbestandsverwirklichung selbst aber nicht zu begründen. Eine Verbaltensentscheidung, die sogar auf der Basis der tätereigenen Realitätsvorstellungen ungefährlich erscheint, kann der Täter also jederzeit straffrei treffen, gleichgültig, welche Erwartungen er subjektiv an diese Entscheidung knüpfen mag; derartige Phantasien beinhalten keine Gefährdung der Güterintegrität und dürfen aus diesem Grunde auch keine normative Reaktion auslösen.

129 Annin Kaufmann. Normentheorie. S. 158; ders., Unterlassung und Vorsatz, S. 111. 130 Ders.• Die Reform des deutschen Strafrechts. S. 247.

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ce) Kenntnis der Handlungsmöglicbkeiten

(1) Das Verlcennen bestehender Verhaltensalternativen Ein Irrtum über die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens kann sich schließlich noch daraus ergeben, daß der Täter eine ihm vom Normsatz gekennzeichnete Verbaltensalternative der konkreten Tatsituation nicht als gegeben erkennt. So könnte etwa ein Normsatz seinem Adressaten mitteilen, daß dieser, sofern er einen anderen in Lebensgefahr schweben sehe, zwecks Strafvermeidung besser "rettend eingreife", statt "winkend zuzuschauen". Die Formulierung "rettend eingreifen" bezeichnet dabei ein ganz bestimmtes Vorgehen des Täters, je nachdem, wie die Tatsituation konkret beschaffen ist (beispielsweise das Zuwerfen eines Rettungsringes). Wenn nun der Täter diese konkrete Verhaltensmöglicbkeit zur Zeit der Tat nicht als gegeben diagnostiziert, läßt sich sein Von-ibr-Absehen auch nicht als eine Entscheidung zugunsten der alternativen Verbaltensmöglichkeit (der Zuschauerrolle) auffassen. Wer keine Wahl zu haben glaubt, wählt eben auch nicht dadurch, daß er sich in das scheinbar Unvermeidliche fügt. Er verwirklicht dann zwar den Tatbestand der Norm, braucht sich aber an dem normativ vorgeschlagenen Geschäft "Nichtrettung gegen Strafbarkeit" rechtlich nicht festhalten zu lassen.

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Auch hier drängt sich die Parallele zum Zivilrecht förmlich auf: Wer einen Kaufvertrag abschließt, weil er meint, (z. B. aufgrund eines Vorvertrags) keine andere Wahl zu besitzen, kann seine Leistung (den Vertragsschluß) kondizieren, wenn der angenommene Kontrahierungszwang (z. B. wegen Formnichtigkeit des Vorvertrags) tatsächlich nicht bestand 131. Das abgeschlossene Rechtsgeschäft wäre nicht Ausdruck der privatautonomen Gestaltungsmacht beider Vertragsparteien. Für das Strafrecht läßt sich feststellen: Durch eine Strafbedrohung, welcher der Täter unentrinnbar ausgeliefert zu sein glaubt, kann keine Verhaltensmanipulation betrieben werden, ihre Gültigkeit dennoch aufrechterhalten zu wollen, müßte deshalb axiomatisch illegitim erscheinen.

131 VgJ. § 81211 BGB; siehe dazu Lieb, Münchener Koounentar, § 812 Rn. 310, während ReuterlMartinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 119, diesen Fall über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu lösen vorschlagen; Larenz., Schuldrecht, Besonderer Teil, S. 57l f.: War einem

Gläubiger "durch ein wirksames verpflichtendes Leistungsgesch1ft grundlos eine Forderung bestellt, so hat er in ihre Aufhebung (durch Erlaß) zu willigen"; Heimann-Trosien, RGRK, §812 Rn. 3; Pabmdt-Thomas, § 812 Anm. 4 a; RGZ 118, S. 358, 360.

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(2) GleichgUltigkeit gegenUber VerhaltensaltemaJiven

Allerdings kann von einem Täter, der eine Verhaltensentscheidung trifft, nicht erwartet werden, daß er sich zuvor stets sämtliche Verhaltensalternativen vergegenwärtigt, die ihm jeweils theoretisch zur Verfügung ständen. Es entscheidet sich auch derjenige zugunsten der einen Verhaltensaltemative (beispielsweise einer Tötung), dem diese Möglichkeit so sehr am Herzen liegt, daß er alterna tive Entscheidungsmöglichkeiten gar nicht erst in Betracht zieht. Die dogmatische Erfassung dieser Fallgruppe bereitet jedoch innerhalb des bisher entworfenen Systems ohnehin keine Schwierigkeiten mehr: Eine (positive) Entscheidung des Täters zugunsten von Tatbestandsmäßigkeit soll danach ja nicht einmal erforderlich sein, um der Norm zur Gültigkeit zu verhelfen. Die Normgültigkeit soll vielmehr allein davon abhängen, inwieweit der Täter sich (vergeblich) darum bemüht hat, eine derartige Tatbestandsmäßigkeit (oe gativ) zu vermeiden. Entsprechend kann dann für Normgültigkeit aber auch nicht ausschlaggebend sein, inwieweit der Täter eine normativ begünstigte Verhaltensalternative als verfügbar (positiv) erkannt, sondern inwieweit er sie als unverfüg bar (negativ) ausgeschlossen hat. Der (einem Ertrinkenden zuschauende) Täter muß sich zwecks Normgültigkeit also nicht etwa die VerjUgbarkeit, sondern darf sich lediglich nicht die UnverjUgbarkeit eines Rettungsrings vorgestellt haben. Ein Täter, der über die Existenz von Verhaltensalternativen (zum Zuschauen) überhaupt nicht reflektiert, hat diese damit auch nicht ausgeschlossen. Indem er sich in Kenntnis der normierten Präferenzrelation (zwischen Retten und Zuschauen) kurzerhand für das normativ strafbar gestellte Verhalten (das Zuschauen) entscheidet, hat er das ihm normativ angebotene Geschäft "Verhaltensvornahme gegen Strafbarkeif' nicht nur angenommen, sondern auch annehmen wollen; andernfalls wäre sein Verzicht darauf, nach Alternativen Ausschau zu halten, unerklärbar. Je weniger der Täter über Alternativen zur (ihm vorschwebenden) Normerfüllung nachsinnt, desto kompletter muß ihm das Vorhanden sein von Normerfüllungswillen bescheinigt werden; je weitgehender der Täter das Bestehen derartiger Alternativen ausgeschlossen hat, desto mehr empfindet er die ihm unvermeidlich scheinende Normerfüllung als Zwang, desto weniger findet also eine willentliche Entscheidung pro Normerfüllung statt; die Norm verliert entsprechend kontinuierlich an Gültigkeit, das Tatunrecht vermindert sich. d) Gegenüberstellung der Kaufmannschen und der hiesigen VorsatzlFahrlässigkeitsabgrenzung Es lassen sich damit zwei unterschiedlich schwere Formen rechtswidrigen Verhaltens voneinander absondern: tatbestandsmäßiges Verhalten bei voller Normgültigkeit und tatbestandsmäßiges Verhalten bei reduzierter Normgültig keit. Volle Normgültigkeit liegt vor, wenn der Tatbestand der Norm erfüllt wurde, ohne daß der Täter dies als vermieden angesehen hätte. Die Normgül-

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tigkeit reduziert sich demgegenüber um so deutlicher, je mehr Aufwand der Täter betrieben hat, bevor er eine Tatbestandsverwirklichung als vermieden ansah; das Unrecht der Tat sinkt entsprechend. Will man den beiden damit in der Sache umrissenen Straftatsfonnen eine sprachliche Bezeichnung zukommen lassen, so empfähle sich dafür die (als Redeweise) eingebürgerte Unterscheidung von "Vorsatztaten" einerseits und "Fahrlässigkeitstaten" andererseits. Die Bedeutung, die sich hinter den Bezeichnungen "Vorsatz" und "Fahrlässigkeit" verbirgt, wäre freilich eine andere als die ihnen von Annin Kaufmann zugedachte; zugleich lassen sich in diesem Zusammenhang aber auch bemerkenswerte Bedeutungsparallelitäten ausmachen: aa) Parallelen

Während Annin Kaufmann unter "Vorsatz" den tatbestandsmltßigen Verwirklichungswillen versteht132 , wird derselbe Begriff hier für den "Tatbestandsverwirklichungswillen" verwendet; "Fahrlässigkeit" kommt dementspre-

chend bei Annin Kaufmann in Betracht, wo der Verwirklichungswille des Täters allein noch nicht tatbestandsmltßig aus/tlllt 133 , nach dem hier vertretenen Fahrlässigkeitsansatz wäre dafür nötig, daß der Verwirklichungs wille des Täters nicht die Tatbestandsmltßigkeit um/aßt. Nach Annin Kaufmann zeichnet sich der Fahrlässigkeitstäter positiv dadurch aus, daß er nicht das (gemäß einer "Sorgfaltsnonn") Erforderliche zur Vermeidung des tatbestandsmtlßigen Er/olgs unternommen hat134 , hier wird dem Fahrlässigkeitstäter zur Last gelegt, daß er nicht das (in Anbetracht seiner Möglichkeiten) Erforderliche zur Vermeidung eines Tatbestandsirrtums in Angriff genommen hat. Sowohl bei Armin Kaufmann 135 als auch nach der hiesigen Systematik stellt das Vorhandensein von Vorsatz oder Fahrlässigkeit sich als notwendige Unrechts(Strafbarkeits-)Voraussetzung dar, betrifft also nicht erst die Schuld-(Bestrafungs -)Frage; "Vorsatz" konstituiert dabei jeweils die schwerere Unrechtsform l36 • bb) Differenzen

Damit wären allerdings nicht nur die Ähnlichkeiten zwischen der Kaufmannschen Vorsatz- bzw. Fahrlässigkeitskonzeption und der hier entwickelten benannt, sondern zugleich auch die Differenzen gekennzeichnet. Annin Kauf-

132 Armin Kaufmann, Der dolus eventualis, S. 59.

133 Den., Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, S. 166. 134 Den. , a.a.O., S. 167 f.; den.• Das fahrlässige Delikt, S. 144 f. 13S Ders., Nonnentheorie, S. 158; den., Der dolus eventualis, S. 74; tkrs., Das fahrlässige Delikt, S. 138. 136 Den. , Unterlassung und VIXSatz, S. 111.

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mann zufolge wird vorsätzliches Verhalten allein aufgrund der subjektiven Erwartungen, die sein Urheber mit ihm verbindet, normativ untersagt137 (strafbar gestellt). Zwei Täter T I und T2 mögen über exakt dasselbe Tatsachenwissen hinsichtlich der Realität verfügen, sie mögen etwa beide wissen, daß sie mit einer bestimmten (hohen) Geschwindigkeit bei Nebel auf der Autobahn fahren für Armin Kaufmanns Tatbestand bildet dies keinen Anlaß, der identischen Tatgefährlichkeit mit identischen Strafbedrohungen Rechnung zu tragen, entscheidend ist für ihn vielmehr auch die subjektive Prognose, die der Täter aufgrund seines Tatsachenwissens in der Tatsituation anstellt. Befürchte Tl in dieser Lage einen Verkehrsunfall, ohne seilt Fahrverhalten deswegen umzustellen, so sei er strenger strafbedroht als T2, wenn dieser auf störungsfreien Verkehrsfluß vertraue. Dagegen, daß Tl hier härter bestraft wird als T2, sollen keine Einwände erhoben werden (schließlich hatte T I es auf der Basis seiner Befürchtun gen auch leichter als T2, die Normeinschlägigkeit zu erkennen). Beanstandet werden muß aber, daß dieses Ergebnis bei Armin Kaufmann im Rahmen des Tatbestands 138 angesteuert wird. (1) Vorsatz als Tatbestands - oder als Normgaltigkeitsvoraussetzung

Sicher kann strafrechtlich nicht außer acht gelassen werden, daß verschiedene Täter aus irrationalen Gründen bei identischem Ausgangswissen zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen gelangen können, derartige Irrationalismen des Talers dürfen aber nicht zu Irrationalismen der Norm führen. Das Prekäre an der von Armin Kaufmann vorgeschlagenen Tatbestandslösung liegt nämlich darin, daß sie nicht nur die HOhe des Unrechts betrifft, sondern zugleich die Richtung, innerhalb dessen es zustande kommen kann: Diese Kon sequenz beruht auf dem oben 139 erarbeiteten Tatbestaridsverständnis im Sinne strafbewehrter Präferenzrelationen. Wenn das Verhalten von Tl empfmdlicher mit Strafe bedroht wäre als das von T2, dann erfüllte Tl mit seinem Verhalten nicht nur mehr Präferenzrelationen als T2. Aufgrund der veränderten Stellung des Tatverhaltens innerhalb der Präferenzhierarchie könnten für Tl relativ zu bestimmten Verhaltensalternativen vielmehr sosar genau umgekehrt verlaufende Präferenzrelationen bestehen wie für T 2. Uberschätzte etwa T I die Gefährlichkeit des Tatverhaltens, so wäre ihm die Bevorzugung demgegenüber tatsächlich gefährlicherer Verhaltensalternativen nicht nur (durch Straflosig137 Den., a.a.0., S. 111: "Mit dem Begriff 'Vorsatz' wird zweierlei bezeichnet: zum einen ein psychischer Befund (Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung), zum anderen die schwerere Unrechtsart (für die Finalisten) ... Beide Aussagen stehen natürlich im engsten Zusammenhang, soll doch gerade der psychische Befund 'Vorsatz' die schwerere Unrechtsart 'Versatzdelikt' tragen". 138 Ders., Die Reform des deutschen Strafrechts, S. 247. 139 VgI. Kapitel E.

III. Die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit

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keil) freigestellt, sondern (durch Strafbedrohung) geradezu aufgezwungen. Unterschätzte auf der anderen Seite T2 das im Tatverhalten liegende Gefahrlichkeitspotential, so könnte er das Tatverhalten nicht nur straflos gegenüber tatsächlich weniger gefährlichem Alternativverhalten bevorzugen, sondern dürfte zwecks Strafvermeidung gar nichts anderes tun. Dem Täter stände also die Möglichkeit zur Rechtsgutsbeein trächtigung jeweils nicht nur straflos offen, sie würde ihm vielmehr darüber hinaus strafrechtlich ausgesprochen anempfohlen. Ein derartiges Vorgehen widerspräche aber den Belangen des Rechtsgüterschutzes, olme zur Wahrung der Täterbelange angezeigt zu sein. Dem Interesse des Täters, seinen Irrtum über die Gefährlichkeit des Tatverhaltens nicht unberücksichtigt zu lassen, genügt es (entspricht es sogar viel eher), auf der Grundlage eines solchen Irrtums die normierte Strafbedrohung als ungültig zu betrachten, anstatt darauf entgegengesetzte Strafbedrohungen normativ neu zu errichten. Prognostiziert der Täter auf der Basis seiner TatsachenvorsteUungen demnach fehlerhaft, so betrifft dieser Irrtum entgegen Armin Kaufmann l40 nicht schon den Tatbestand und dessen Erfülltsein. Soll ein derartiger Irrtum dennoch für das Unrechtsvolumen (die Strafbarkeit) mitentscheidend sein (wie es der Auffassung Armin Kaufmanns entsprichtI41 ), so läßt sich das nur über eine Normgültigkeitsbedingung sicherstellen (wie es dem hier entworfenen Konzept entspricht). "Vorsatz" ist also kein Tatbestandsmerkmal innerhalb einer galtigen Norm, sondern Bedingung /Ur die Gültigkeit einer Norm, deren Tatbestand vorsatzunabhl1ngig erfüllt ist. Vorsatz- und Fahrlässigkeitsunrecht resultieren aus der Verwirldichung desselben Tatbestands derselben Norm aufgrund desselben riskanten Verhaltens; sie unterscheiden sich erst darin, daß die erfüllte Norm nur bei Vorsatz uneingeschrtlnkJ, bei Fahrlässigkeit hingegen nur eingeschrankJ in Gültigkeit erwächst. (2) Vorsatz in bezug auf den latbestandsmilßigen Erfolg oder in bezug auf den Erfolg 'Tatbestands-ErfUllung"

Daß ein Fehler in der Erfolgsprognose tatsächlich unrechtsrelevant ist, ergibt sich aus dessen Bedeutung für die Funktion der Norm: Der Versuch, Ver haltensentschlüsse zu beeinflussen, indem bestimmtes Verhalten als individuen nachteilhaft präsentiert wird. erscheint nur insoweit aussichtsreich, als diese Präsentation zur Zeit der Tat überhaupt in die Entschlußfassung miteinbezogen werden konnte. Je weniger diese Möglichkeit im Hinblick auf den konkreten Täter gegeben war, als desto sinnloser muß nicht erst das Bestrafen, sondern schon das Bedrohen mit Strajbarkeit eingestuft werden. 140 Annin Kaufmann, Die Referg 1966

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Abstrakte Gefährdungsdelikte Konkrete Ungeflihrlichkeit 197 § 216 als abstraktes Geflihrdungsdelikt 228 actio libera in causa 94 Affekttat 97 Aktwert/-unwert 20 Alethisches Strafrechtskonzept 48,61, 81,84,88,103,170,267 Begehungsdelikte im formellen Sinne 375, 377, 385,402 Vorrangigkeit gegenÜber Unterlassungsdelikten 375 Delikt 29 Determinismus 113 ff. Dogma 3 f., 44 Dogmatik 2 ff., 49, 78 Dolus eventualis 35 Einwilligung 145 f., 393 Abgrenzung zum Einverständnis 145 f., 216 f., 219, 225, 23lf., 394 Dispositionsfreiheit als geschÜtztes Rechtsgut 214 ff. Doppeltes Rechtsgut bei Einwilligung 218 f., 226 f. Rechtsgutsverletzung trotz Einwilligung 215 f., 394 Entscheidungsfllhigkeit 336 f., 401 Erfolg 32, 169 Erfolgsunwert 163 ff, 404

Erfolgseintritt und Prävention 164 f., 190,230,256,396,404 Erfolg als Geltungsvoraussetzung der Norm 182 ff., 230 Irrtum Über Erfogseintritt 282 ff., 288 ff., 405 Erfolgsprognose des Täters 252 ff., 259 ff., 282 ff., 396, 404 Erforderlichkeit 24 f., 128,131 ff., 296,306,390 Erlaubnis 23 Erlaubtes Risiko 149 Erlaubnistatbestandsirrtum 203 ff., 292, 296 ff., 302 ff., 309, 329, 399 f. ErlaubnislErlaubnissatz 23 Fahrlässigkeit 33 f., 35 f., 238 ff., 287, 292,329,337 Fahrlässigkeit als potentielle Finalität 234 ff. Übernahme-Fahrlässigkeit 243, 249f. Quasi-Fahrlässigkeit 38, 405 f. Fahrlässigkeit als unwertige Finalität 245 ff. Fahrlässigkeit als relativ unwertige Finalität 250 ff. Abgrenzung zum Vorsatz 257 ff., 286 ff. negativer Fahrlässigkeitsbegriff 339, 398 GarantensteIlung 350, 369 f., 372 f., 401

Sachregister

Gebot 16 f., 34, 37 f., 263, 331 ff., 388 im utilitaristischen Sinne 366, 388,402,406 Gefährdung, positive 192 ff. negative 196 f. Geltung einer Norm 50 ff., 58, 81, 387 Geltungsbedingungen einer Norm 22, 50 f., 125 ff., 201, 390 Erfolg als Geltungsbedingung einer Norm 182 ff., 230 Rechtfertigung als negative Geltungsbedingung einer Norm 147, 150, 161,304,310, 390,404 Vorsatz als Geltungsbedingung einer Norm 263, 266 ff., 271 ff., 288 f., 329, 339, 398 f., 405 Genehmigung, behördliche 147 f., 214ff., 393 Handlung, fmale 18,20,33 f., 167 f., 331 f. kausale 168, 171, 173 f. ohne Energieeinsatz 361 f. ontologischer Handlungsbegriff 378 ff. juristischer Handlungsbegriff 371 f., 375 f., 382 f., 402 f., 407 Handlungsfähigkeit 22, 38 f., 332 f., 335, 400 fmale Handlungslehre 168 ff., 173 f., 180 f., 228 f., 378 f. Handlungsunwert 163 Hermeneutik 5 ff. in dubio pro reo 108 f. Irrtum über Tatbestandsmäßigkeit 273 f., 281 f., 290 f., 308 f., 329 über rechtfertigende Umstände 203 ff., 292, 296 ff., 302 ff., 309, 329, 399 f.

455

über Strafrahmen/-höhe 275 ff., 329, 397 bei Ungewißheit 274 f., 292 bei Gleichgültigkeit 278 f., 286,291 f., 340 f., 397 über Erfolgseintritt 282 ff., 288 ff. über Handlungsfähigkeit 285 über NormgOltigkeit 263 f., 278 f., 274, 304 f., 329,397 über normative Tatbestandsmerkmale 310 ff., 329 f. Subsumtionsirrtümer 280, 31Off. Mitbewußtsein 342 ff. Norm 15 f., 21, 47, 58, 60 f., 81 f., 387 NormlNormsatz 47 f., 279 NormlPflicht 41 ff., 70 ff. Wirksamkeit einer Norm 58, 387 Notstand, rechtfertigender 143, 201 ff., 393 entschuldigender 91, 94 ff. Notwehr 143,205 ff., 231, 299, 392 f. gegenüber Schuldlosen 211 ff. Verhältnismäßigkeit bei der Notwehr 205 ff., 212 ff., 393 Parallel wertung in der Laiensphäre 311 bei normativen Tatbestandsmerkmalen 311, 320 ff., 398 bei deskriptiven Tatbestandsmerkmalen 318 ff., 398 bei rechtfertigenden Umständ en 325 ff. Pflicht 22, 79 f., 387 Voraussetzungen einer Pflicht 22ff. Pflichtmerkmale, reine 31, 122ff.,390 Pflichtenkollision 144 f., 392 Prävention, Spezial- 91 f. negative General- 93 f.

456

Sachregister

positive General- 95 Beweisbarkeit von Prävention 11Of. Erfolgseintritt und Prävention 164 f., 190, 230,256,396,404 Rechtfertigungsgrilnde 23, 127 ff., 142 RechtfertigungsgrOnde als Geltungsbedingungen einer Nonn 147,150,161,304,310,390, 404 Unterschiedliche Wirkung von Rechtfertigungsgrilnden und Tatbestandsmerkmalen 142 f., 149 ff., 157, 161,299 ff., 307, 391,403 Irrtum Ober rechtfertigende Umstlnde 203 ff., 292, 296 ff., 302 ff., 309, 329, 399 f. Rechmgut19,177,l99 Rechmgüterschutz 11 f., 15, 41,77 f., 103, 105 Verhaltensbeeinflussung zwecks Rechmgüterschutz 11 f., 15, 155, 386 Rechmgüterschutz durch Nonnen 187 ff., 192 ff., 199, 229,233,243,388 Enmtehung von Rechmgütem 176 ff., 186,229,388 Rang eines Rechmgum 178, 201,388 gescheiteter RechmgOterschutz beim Versuch 187 ff., 230, 314,395 Rechmwidrigkeit 26,84,122 Sachlogische Strukturen 4 f., 235 f., 383 Sachverhalmwertl-unwert 19 f. Sanktion 42 f., 61, 69 Schuld 27 f., 83, 85, 88 Voraussetzungen fUr Schuld 28,83 Schuldfähigkeit 92, 94 f.

Schuldprinzip 101 ff., 114 ff., 389,403 Schuld und Prävention 90 ff., 96 ff.,403 Schuld als Schranke gegenüber Prävention 107 ff. Schuldtheorien 305, 328 f. Sorgfalmnonn 36 Sozialadäquanz 149 Strafbarkeit 59,62 f., 81, 106, 120, 123,387 und Strafzweckmäßigkeit 165 f., 256, 389 als Entgelt 267,397 Strafhöhe 104 f., 120,257, 265, 270, 387 f. Strafrahmen 104 Strafbarkeimbedingungen, objektive 33 Strafzweck 108 f., 112 Strafgesetz 15 f., 41, 387 Abgrenzung zum Steuergesetz 67ff. Strafzweckmäßigkeit 120 Tatbestand 31,122,136,273,359 Verhältnis zwischen Tatbestandsmäßigkeit und Rechtfertigung 130 ff., 142 f. Tatbestandsmerkmale, negative 128 ff., 296 f., 306,391 Tatbestandsmerkmale, normative 310 als Präferenzrelation 135 ff., 141,150,157,161,390 Irrtum über Tatbestandsmäßig keit 273 f., 281 f., 290 f., 308 f.,329 Irrtum über nonnative Tatbestandsmerkmale 310 ff., 329 f. Tätennerkmale 151 ff., 158 ff., 399 f. Unrecht26,82,84,88, 120, 122, 150, 160,389,403 Gesinnungsunrecht 254 f. Erfolgsunrecht 163 ff., 404

Sachregister

Handlungsunrecht 163 relativer Unrechtsbegriff 347 Unrechtsbewußtsein 263 f., 268 f., 274, 325, 328, 397 Unterlassung 39 f., 332 Abgrenzung gegenÜber aktivem Tun 345 ff. Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit 346 f. Energieaufwand 347 ff. Kausalität 351 ff., 401 Substitutionsmöglicbkeiten 359ff. fließender Übergang zu aktivem Tun 362 ff., 384, 401 f. Strafmilderung 369 Echte und unechte Unterlassungsdelikte 374,377 Unterlassungsdelikte im formellen Sinne 372 ff., 377, 385, 402,407 Quasi-Vorsatz bei Unterlassungsdelikten 38, 337 f., 406 Verbot 16, 34, 331 ff. im utilitaristischen Sinne 366, 388,402,406 Verbotsirrtum 91,93,95 f., 204 Verhalten 333 Verhältnismllßigkeit 130 Vermeidewille 258 f., 293 ff., 405

457 Versuch, untauglicher 194 f. irrealer 195 als abstraktes Gefährdungsdelikt 195,199 gescheiterter RechtsgÜterschutz beim Versuch 187 ff., 230,314,395 Verwirklichungswille 17 f., 20, 35 ff., 154 ff., 162, 164,332 Relevanz bei Fahrlässigkeits delikten 240 f. Vorsatz 33 ff.,287 als Geltungsbedingung einer Norm 263, 266 ff., 271 ff., 288 f., 329, 339, 398 f.,4 05 Quasi-Vorsatz bei Unterlassungsdelikten 38, 337 f., 405 f. Quasi-Vorsatz bei Begehungsdelikten 339, 341 f., 344,385,

406 Vorsatztheorie 261 ff., 270, 305,328,340 Vorsatzbegriff, negativer 291, 329, 338 ff., 385, 398 Abgrenzung zur Fahrlässigkeit 239, 257 ff., 286 ff., 295, 336 Vorwerfbarkeit 27 f. Wertebildung durch Strafrecht 75 ff. Werturteile im Strafrecht 19 ff., 176, 388 Willensfreiheit 113 ff.