Die fahrlässige Mittäterschaft: Ein Beitrag zur strafrechtlichen Zurechnungslehre auf der Grundlage eines finalen Handlungsbegriffs [1 ed.] 9783428520176, 9783428120178

Unachtsamkeiten sind an der Tagesordnung. Rechtsdogmatisch führt dies zu Schwierigkeiten, wenn mehrere Personen fahrläss

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Die fahrlässige Mittäterschaft: Ein Beitrag zur strafrechtlichen Zurechnungslehre auf der Grundlage eines finalen Handlungsbegriffs [1 ed.]
 9783428520176, 9783428120178

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 175

Die fahrlässige Mittäterschaft Ein Beitrag zur strafrechtlichen Zurechnungslehre auf der Grundlage eines finalen Handlungsbegriffs

Von

Erik Kraatz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ERIK KRAATZ

Die fahrlässige Mittäterschaft

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 175

Die fahrlässige Mittäterschaft Ein Beitrag zur strafrechtlichen Zurechnungslehre auf der Grundlage eines finalen Handlungsbegriffs

Von

Erik Kraatz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Klaus Geppert, Freie Universität Berlin Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Sommersemester 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 188 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-12017-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit setzt dort an, wo die mich inspirierende SchrotflintenEntscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 2001, 1075) ihren Leser zurücklässt, bei der erst kürzlich wieder viel diskutierten Frage nach einer Rechtsfigur „fahrlässige Mittäterschaft“. Die Arbeit wurde im Sommersemester 2005 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden zur Veröffentlichung auf den Stand vom Oktober 2005 gebracht. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Univ.-Prof. Dr. Klaus Geppert, der bereits in der frühen Phase des Studiums mein Interesse für das Strafrecht durch seine didaktisch gut aufbereiteten Veranstaltungen weckte und mich auch in der Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl immer mit Rat und Tat unterstützte. Zudem bin ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Axel Montenbruck durch seine extrem schnelle Erstellung eines Zweitgutachtens mit wertvollen Hinweisen, die ich für diese Veröffentlichung gerne berücksichtigt habe, sehr zum Dank verpflichtet, sowie der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freunde, Förderer & Ehemaligen der Freien Universität Berlin e.V. für ihren großzügigen Druckkostenzuschuß. Ganz herzlich möchte ich mich auch bei meiner Familie für ihre Unterstützung bedanken sowie bei meinen Freunden. Hervorzuheben sind hierbei die Rechtsreferendarin Angela Specht, die geprüfte Rechtskandidatin Diana Heilbronner und die Rechtsreferendare Jörn Hökendorf und Tibor Fedke, die Teilnehmer meiner privaten Arbeitsgemeinschaft, die mich juristisch wie menschlich seit meiner Studienzeit begleiten. Und schließlich geht mein besonderer Dank an Frau Yvonne Drohmann, die mein Herz erwärmte und wegen den notwendigerweise einsamen Stunden eines jeden Autors in bemerkenswerter Weise Rücksicht nahm. Ich widme diese Arbeit meiner Mutter, ohne deren Unterstützung in jeder Lebenslage es zu dieser Arbeit nie hätte kommen können. Berlin, im November 2005

Erik Kraatz

Inhaltsübersicht Einführung ................................................................................................................... 21 Erster Teil Bestandsaufnahme Erstes Kapitel:

31

Die historische Ermöglichung der fahrlässigen Mittäterschaft und ihre „Erfindung“.......................................................................... 31

Zweites Kapitel: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur............. 45 Drittes Kapitel: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum .......... 86 Zweiter Teil Grundlagen

149

Viertes Kapitel: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches............................................ 149 Fünftes Kapitel: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB ......................................... 214 Dritter Teil Folgerungen

249

Sechstes Kapitel: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte............................................................................................. 249 Siebtes Kapitel: Alternative Lösungswege für die Konstellationen fahrlässigen Zusammenwirkens .......................................................................... 296 Gesamtergebnis.......................................................................................................... 360 Schrifttumsverzeichnis .............................................................................................. 369 Sachverzeichnis .......................................................................................................... 408

Inhaltsverzeichnis Einführung ................................................................................................................... 21 Erster Teil Bestandsaufnahme

31

Erstes Kapitel Die historische Ermöglichung der fahrlässigen Mittäterschaft und ihre „Erfindung“

31

I. Die historische Zweispurigkeit der Miturheberschaft................................................. 32 II. Die Auflösung der Zweispurigkeit ............................................................................ 35 III. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs Braunschweigs vom 18.04.1855 .................. 37 IV. Die Ermöglichung der fahrlässigen Mittäterschaft durch den Gesetzgeber ............. 40 V. Wächters Herleitung der fahrlässigen Mittäterschaft ................................................ 42 Zweites Kapitel Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

45

I. Die Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft .......................................................... 45 1. Das Urteil des Königlichen Obertribunals in Strafsachen vom 26.01.1875 ........... 45 2. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts bis 1897 .................................................. 46 a) Der Täter- und Mittäterschaftsbegriff ................................................................ 46 b) Das Urteil des Reichsgerichts vom 19.11.1889 ................................................. 48 3. Die Rechtsprechung zur Zeit der „Interessentheorie“ von 1898 bis 1974............. 49 a) Der Täter- und Mittäterschaftsbegriff ................................................................ 49 b) Urteil des Reichsgerichts vom 14.06.1927 ........................................................ 51 c) Urteil des Reichsgerichts vom 31.08.1940......................................................... 53

10

Inhaltsverzeichnis d) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.10.1958 ................................................ 55 e) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.04.1960................................................. 56

4. Die Rechtsprechung seit 1975................................................................................ 58 a) Der „wertende“ Täter- und Mittäterschaftsbegriff ............................................. 59 b) Urteil des OLG Schleswig vom 27.04.1981 ...................................................... 60 c) Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 10.12.1984........................................ 61 d) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.07.1990 ................................................ 63 e) Urteil des schweizerischen Bundesgerichts vom 01.03.2000............................. 66 f) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.11.2000 ................................................. 68 5. Die Rechtsprechung deutscher Zivilgerichte zur (strafrechtlichen) fahrlässigen Mittäterschaft ......................................................................................................... 71 6. Zwischenergebnis .................................................................................................. 74 II. Alternative Lösungswege .......................................................................................... 75 1. Die Vorverlagerung des Fahrlässigkeitsvorwurfs .................................................. 76 a) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.01.1955................................................. 76 b) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.04.1960 ................................................ 77 c) Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 10.12.1984........................................ 77 d) Kritik ................................................................................................................. 78 2. Die Unterlassungslösung........................................................................................ 80 a) Urteil des Reichsgerichts vom 20.01.1930......................................................... 81 b) Urteil des Amtsgerichts Köln vom 23.03.1956.................................................. 82 c) Urteil des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 27.04.1990............................. 82 d) Kritik ................................................................................................................. 83 III. Fazit ......................................................................................................................... 84 Drittes Kapitel Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

86

I. Die ältere Lehre .......................................................................................................... 86 II. Der Täterbegriff der Tatherrschaftslehre als Ausgangspunkt der neueren Lehre .... 89 III. Die ablehnende Ansicht in der neueren Lehre und ihre Argumente......................... 90 1. Der Einheitstäterbegriff bei den Fahrlässigkeitsdelikten........................................ 91 a) Wortlaut ............................................................................................................. 92

Inhaltsverzeichnis

11

b) Wertung der §§ 26, 27 StGB ............................................................................. 94 c) Fehlende Tatherrschaft...................................................................................... 96 2. Verstoß gegen nullum crimen sine lege ................................................................. 98 3. Fehlender gemeinsamer Tatentschluss................................................................. 100 4. Verstoß gegen in dubio pro reo und Haftungsausdehnung................................... 102 5. Die Entbehrlichkeit der fahrlässigen Mittäterschaft............................................. 104 a) Die Vorverlagerung des Fahrlässigkeitsvorwurfs ............................................ 104 b) Die Unterlassungslösung ................................................................................. 105 6. Zwischenergebnis ................................................................................................ 109 IV. Die befürwortenden Ansichten im neueren Schrifttum.......................................... 110 1. Neuinterpretation der Mittäterschaft als objekte Zurechnung .............................. 111 a) Die Gemeinschaftlichkeit als objektiver Planzusammenhang bei Lesch und Derksen ............................................................................................................ 112 aa) Das Modell im Einzelnen........................................................................... 112 bb) Kritik ......................................................................................................... 114 b) Eschenbachs „systematische“ Herleitung ........................................................ 117 2. Die fahrlässige Mittäterschaft als Beteiligungsform mit eigenen Strukturelementen ........................................................................................................................ 118 a) Knauers Modell eines „gemeinsam objektiv zurechenbaren Verhaltens“ ........ 118 aa) Das Modell im Einzelnen........................................................................... 119 bb) Kritik ......................................................................................................... 120 b) Die fahrlässige Mittäterschaft als Ergebnis des Autonomieprinzips................ 121 aa) Autonomieprinzip und Folgenzurechnung bei Renzikowski...................... 122 bb) Das Verantwortlichkeitsprinzip bei Heribert Schumann............................ 124 cc) Michael Köhlers Modell der freien Subjekte.............................................. 124 dd) Kritik am Autonomieprinzip und seinen Auswirkungen auf die Täterlehre125 c) Die fahrlässige Mittäterschaft wegen gemeinschaftlicher Risikosteigerung bei Otto .................................................................................................................. 127 aa) Das Modell im Einzelnen........................................................................... 127 bb) Kritik ......................................................................................................... 130 d) Simone Kamms fahrlässige Mittäterschaft wegen notwendigen Zusammenwirkens............................................................................................................. 132

12

Inhaltsverzeichnis e) Die fahrlässige Mittäterschaft als Verletzung einer gemeinschaftlichen Sorgfaltspflicht bei Bettina Weißer.................................................................. 135 f) Sung-Ryongs Lösung über die Vergleichbarkeit vorsätzlichen und fahrlässigen Zusammenwirkens ...................................................................... 137 g) Die handlungstheoretische Fundierung der fahrlässigen Mittäterschaft .......... 139 aa) Überblick über die einzelnen Ansichten..................................................... 139 bb) Kritik ......................................................................................................... 141

3. Die „imaginäre Kollektivperson“ als Folge der fahrlässigen Mittäterschaftskonstruktionen ..................................................................................................... 144 V. Zwischenergebnis zum derzeitigen Stand der fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum ................................................................................................................ 146 Zweiter Teil Grundlagen

149

Viertes Kapitel Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

149

I. Bestimmung des methodischen Ansatzpunktes ........................................................ 151 II. Die Auslegung nach dem Begriffssinn.................................................................... 153 III. Die normtextorientierte Auslegung........................................................................ 155 1. Die Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs..................................................... 156 2. Die „Begehung“ der Tat....................................................................................... 157 a) Der kausale Handlungsbegriff als Grundlage objektiver und extrem subjektiver Täterlehre ................................................................................................... 161 b) Der finale Handlungsbegriff als Ausgangspunkt der Tatherrschaftslehre........ 164 aa) Die finale Handlungslehre und automatisierte Handlungen ....................... 165 bb) Die finale Handlungslehre und Unterlassungen......................................... 166 cc) Die finale Handlungslehre und die Fahrlässigkeit...................................... 168 c) Der soziale Handlungsbegriff .......................................................................... 172 d) Die personale Handlungslehre oder: Der Tatbestand als Grundkategorie des Strafrechts ........................................................................................................ 175 e) Eine Zurechnungslehre als Ersatz der Handlungslehre .................................... 177 f) Eigener Handlungsbegriff ................................................................................ 179

Inhaltsverzeichnis

13

aa) Das neurologische Handlungsmodell ......................................................... 180 bb) Der emotionsbedingt-finale Handlungsbegriff und die Unterlassungsdelikte .......................................................................................................... 186 cc) Der emotionsbedingt-finale Handlungsbegriff und die Fahrlässigkeit ....... 188 g) Folgerungen für einen eigenen Täterbegriff .................................................... 190 3. Zwischenergebnis und Wortlautgrenze ................................................................ 195 IV. Die teleologische Auslegung ................................................................................. 198 1. Der Täter als Rechtsgutsverletzungsverwirklicher............................................... 199 2. Die Abgrenzung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Rechtsgutsverletzung 200 V. Folgerung für den Täterbegriff und seine deliktsspezifische Anwendung .............. 204 1. Die Täterschaft bei Sonderdelikten ...................................................................... 204 2. Die Täterschaft bei eigenhändigen Delikten ........................................................ 207 3. Die Täterschaft bei den unechten Unterlassungsdelikten..................................... 208 VI. Ergebnis................................................................................................................. 212 Fünftes Kapitel Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

214

I. Das Wesen der Mittäterschaft................................................................................... 215 1. Die Mittäterschaft als Form der mittelbaren Täterschaft...................................... 215 2. § 25 Abs. 2 StGB als Zurechnungsnorm.............................................................. 217 3. Die Art der Zurechnung ....................................................................................... 221 a) Die mittelbare Zurechnung über eine „imaginäre Gesamtperson“ ................... 221 b) Die Modifikation der Tatbestände durch die Gesamttat .................................. 222 c) Tätigkeitsanrechnung....................................................................................... 222 II. Die Voraussetzungen einer Mittäterschaft............................................................... 223 1. Die gemeinsame Tatausführung........................................................................... 224 a) Die Qualität des Beitrags ................................................................................. 224 b) Die Kausalität des Beitrags.............................................................................. 226 aa) Der Diskussionsstand in Rechtsprechung und Literatur............................. 226 bb) Die additive Mittäterschaft ........................................................................ 229 cc) Die alternative Mittäterschaft ..................................................................... 231 dd) Der Perspektivwechsel aufgrund subjektiver Einplanung.......................... 232

14

Inhaltsverzeichnis c) Zeitpunkt des Beitrags ..................................................................................... 236

2. Der gemeinschaftliche Tatentschluss ................................................................... 237 a) Ein Tatentschluss als bloßer Einpassungsentschluss........................................ 239 b) Die Mittäterschaft als objektive Zurechnung................................................... 240 c) Der gemeinschaftliche Tatentschluss als Ergebnis normtextorientierter Auslegung ........................................................................................................ 241 d) Das Maß subjektiver Abstimmung .................................................................. 243 3. Jeder Mittäter muss Alleintäter sein können ........................................................ 248 Dritter Teil Folgerungen

249

Sechstes Kapitel Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte

249

I. Der Fahrlässigkeitsbegriff ........................................................................................ 249 II. Das arbeitsteilige Vorgehen .................................................................................... 254 III. Der gemeinschaftliche Tatentschluss ..................................................................... 257 1. Der Deliktserfolg als Anknüpfungspunkt des gemeinschaftlichen Tatentschlusses ........................................................................................................................ 258 2. Das Erfordernis eines deliktischen Sinnbezugs.................................................... 260 a) Parallele zur „Beihilfe durch eine neutrale Handlung“ .................................... 260 b) Der Hamburger Parkplatztausch-Fall............................................................... 262 c) Lösungsansätze ................................................................................................ 264 aa) Einschränkungen im objektiven Tatbestand............................................... 264 bb) Abgrenzung auf subjektiver Ebene ............................................................ 266 cc) Der deliktische Sinnbezug.......................................................................... 266 dd) Zwischenergebnis ...................................................................................... 269 3. Das Handlungsunrecht der Fahrlässigkeitstat ...................................................... 270 a) Vergleich zum Unterlassungsdelikt ................................................................. 271 b) Die Vorhersehbarkeit als Kern der Fahrlässigkeit ........................................... 272 c) Die Sorgfaltspflichtverletzung als Zeichen unerlaubten Risikos...................... 279 d) Absage an die „Maßstabsfigur“ ....................................................................... 281 e) Auswirkungen auf die fahrlässige Mittäterschaft............................................. 285

Inhaltsverzeichnis

15

IV. Die Mittäterschaft bei erfolgsqualifizierten Delikten............................................. 290 V. Ergebnis .................................................................................................................. 294 Siebtes Kapitel Alternative Lösungswege für die Konstellationen fahrlässigen Zusammenwirkens

296

I. Die Lösung der Kollegialentscheidungsfälle ............................................................ 299 1. Die vertikale Zurechnung..................................................................................... 300 a) Die Zurechnung bei vorsätzlichem Deliktserfolg............................................. 301 aa) Mittäterschaft ............................................................................................. 302 bb) Mittelbare Täterschaft kraft Irrtumsherrschaft .......................................... 304 cc) Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft ................................. 305 b) Die Zurechnung beim fahrlässigen Deliktserfolg ............................................ 315 aa) Die Zurechnung bei fahrlässigen Handlungsdelikten................................. 315 bb) Die Zurechnung bei fahrlässigen Erfolgsdelikten ...................................... 317 cc) Zwischenergebnis....................................................................................... 319 2. Die horizontale Zurechnung................................................................................. 319 a) Die Kausalität jeder einzelnen Ja-Stimme ....................................................... 320 aa) Lösung über die Lehre von der Kausalität in ihrer besonderen Gestalt ...... 323 bb) Lösung über die kumulative und alternative Kausalität ............................. 325 cc) Lösung über die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung........................ 331 dd) Lösung über die Lehre von der Inus-Bedingung........................................ 334 b) Einschränkung nach den Grundsätzen objektiver Zurechnung ........................ 340 aa) Lösung nach der Risikoerhöhungslehre ..................................................... 345 bb) Lösung nach der Vermeidbarkeitslehre ..................................................... 347 cc) Zurechnungsausschluss bei resignierenden Gremiumsmitgliedern ............ 348 c) Die eigentliche Problematik: Vorhersehbarkeit ............................................... 350 3. Ergebnis ............................................................................................................... 352 II. Die Lösung des Pandekten-Falles ........................................................................... 354 III. Die Lösung der Konstellationen notwendigen Zusammenwirkens am Beispiel des Einführungsfalles „Schmökel“ .......................................................................... 356 IV. Die Lösung der Fälle „unterbedingter Erfolge“ am Beispiel des „Rolling Stones“-Falles .......................................................................................................... 357

16

Inhaltsverzeichnis

Gesamtergebnis.......................................................................................................... 360 I. Auswirkungen der Täterlehre auf die fahrlässige Mittäterschaft .............................. 362 II. Auswirkungen der Mittäterschaftsdogmatik auf die fahrlässige Mittäterschaft ...... 364 III. Auswirkungen des Fahrlässigkeitsbegriffs auf die fahrlässige Mittäterschaft........ 365 IV. Auswirkungen auf die Rechtserheblichkeit fahrlässigen Zusammenwirkens ........ 366 Schrifttumsverzeichnis .............................................................................................. 369 Sachverzeichnis .......................................................................................................... 408

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. AcP a.F. AG Anh. Anm. Art. Aufl. BAK BayObLG BayVbl. BB BBG Bd. Beschl. BGBl. BGE BGH BGH (GS) BGHR BGHSt. BGHZ BSG BT-Ds. BVerfG BVerfGE bzw. CCC D. DAR

andere Ansicht Absatz Archiv für die civilistische Praxis alte Fassung Amtsgericht Anhang Anmerkung Artikel Auflage Blutalkoholkonzentration Bayerisches Oberlandesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Band Beschluss Bundesgesetzblatt Amtliche Sammlung der Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof, Großer Senat für Strafsachen BGH-Rechtsprechung Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundessozialgericht Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Constitutio Criminalis Carolina – Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. Digesten Deutsches Autorecht

18 DB ders. d.h. dies. DJZ DR EGMR Einf. EMRK etc. f. ff. FG Fn. FS GA GedS Gruchot GRUR GS h.M. HRR-Zeitschrift hrsg. i.S.v. i.V.m. JA JBl. JK JR Jura JuS JW JZ KG LG MDR MSchrKrim mwN NACr Niederschriften NJW NJW-RR NStE NStZ NStZ-RR NZV öStGB

Abkürzungsverzeichnis Der Betrieb derselbe das heißt dieselbe Deutsche Juristenzeitung Das Recht Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführung Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten et cetera folgende die folgenden Festgabe Fußnote Festschrift Goltdammers Archiv für Strafrecht und Strafprozess Gedächtnisschrift Gruchot – Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Der Gerichtssaal herrschende Meinung Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung herausgegeben im Sinne von in Verbindung mit Jurische Arbeitsblätter Juristische Blätter Jura-Kartei, Beilage der Juristischen Ausbildung Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht Landgericht Monatsschrift für Deutsches Recht Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform mit weiteren Nachweisen Neues Archiv des Criminalrechts Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht österreichisches Strafgesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis OGH OGHSt. OLG OLGSt. OWiG recht RG RGBl. RGSt. Rn. RStGB s. S. s.a. SeuffArch SJZ StGB StPO StV StVG StVO UrhG Urt. Var. Verf. vgl. VkBl. Vorbem. VRS WarnRspr. wistra WM WStG ZAkDR z. B. ZGR ZIP zit. ZStrR ZStW zust.

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Österreichischer Oberster Gerichtshof Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten schweizerische Zeitschrift „recht“ Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer Reichsstrafgesetzbuch siehe Satz, Seite siehe auch Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Schweizerische Juristen-Zeitung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidiger Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrs-Ordnung Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Urteil Variante Verfasser vergleiche Verkehrsblatt Vorbemerkungen Verkehrsrechts-Sammlung Warneyer, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen Wehrstrafgesetz Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für das Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend

Einführung „Nicht der Vorsatz, sondern die Fahrlässigkeit kennzeichnet den Menschen. Der Mensch ist ein fahrlässiges Wesen“ führte Karl Alfred Hall1 bereits 1954 aus und beschrieb damit ein Problem, das wir heutzutage mehr und mehr verspüren. Tagtäglich befinden wir uns in Situationen, die von Fehlentscheidungen und Unachtsamkeiten geprägt sind. Der Straßenverkehr ist hier eine gute Anschauung: Selbst der gewissenhafteste Kraftfahrer übersieht mal ein Verkehrsschild oder ein Hindernis und ärgert sich dann über seine eigene Unaufmerksamkeit. Arthur Kaufmann hat zu Recht festgestellt, dass es „reine Selbstgerechtigkeit“ wäre, „wenn jemand glaubte, ihm könne dergleichen nicht passieren“2. Dies war zwar schon früher so. Erst jedoch das Industriezeitalter und insbesondere unser hochtechnologisiertes Informations- und Dienstleistungszeitalter haben uns die Folgen deutlich vor Augen geführt. Obgleich der technische Fortschritt mit einer verbesserten Sicherheitstechnik verbunden und die Zeit endgültig vorbei ist, in der „das Leben ein stetes Risiko war“3, haben sich die Gefahren in drei Richtungen vergrößert: Es kann heutzutage bereits ein einzelner Handelnder (1) mit einer geringfügigeren (2) Sorglosigkeit eine Gefahr für eine größere Zahl (3) an potentiellen Opfern hervorrufen als zu Beginn der Technisierung.4 Flugzeugabstürze wegen Pilotenfehlern, Fährunglücke wegen fehlender Decksicherung, Bahnkatastrophen wegen fehlerhafter Weichenstellung, Reaktorunglücke wegen falscher Bedienung, einstürzende Flugzeugterminals wegen Statikfehlern und tödliche Verkehrsunfälle auf unseren Straßen wegen Selbstüberschätzungen sind Gegenstände unserer Nachrichtensendungen und werden fast schon als zum Alltag gehörend angesehen. Die Gesellschaft

______________ 1

Karl Alfred Hall, FS Mezger, 248. Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 162. 3 Auf die durch den technischen Fortschritt verbesserte Sicherheit verweisen Schünemann, GA 1995, 211 und Kuhlen, GA 1994, 360. 4 Ellen Schlüchter, Grenzen, S. 2 f. 2

22

Einführung

Ende des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts wird man daher zu Recht als „Risikogesellschaft“5 oder „Gesellschaft der Großgefahren“6 titulieren können. Die teilweise großen Personen- und Vermögensschäden lassen in den Medien und der Bevölkerung stets den Ruf nach Vergeltung laut werden, den Ruf nach dem Strafrecht. Dies mag erklären, wieso die in den Anfängen der deutschen Strafrechtsdogmatik als „Stiefkinder“7 und gar „Anomalie des Strafrechts“8 verschrienen Fahrlässigkeitsdelikte mehr und mehr an praktischer Bedeutung gewannen – teilweise wird den fahrlässigen Delikten ein Anteil von 50 % an allen begangenen Straftaten zuerkannt9 – und vermehrt Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen wurden. Man könnte fast meinen, die fahrlässigen Delikte seien von „Stiefkindern“ zu „Lieblingskindern der Strafrechtsdogmatik“ aufgestiegen10: Mit fast 1000 Entscheidungen in den letzten 50 Jahren11 und unzähligen Aufsätzen und Monographien12 hat der Fahrlässigkeitsbegriff an wissenschaftlichem Interesse gewonnen und dogmatisch eine „langsame Wanderungsbewegung“ von einer Schuldform „über die Rechtswidrigkeit in den Tatbestand durchgemacht“13. Der Gewinn an dogmatischer Klarheit oder auch nur eines Konsenses bezüglich einer einheitlichen Begriffsbildung und systematischen Integration ins Gesamtbild der Strafrechtsdogmatik ist aber dennoch klein geblieben: „Sowohl der genaue Inhalt des Fahrlässigkeitsbegriffs wie auch seine Integration in den Deliktsaufbau sind noch nicht abschließend geklärt und in Teilbereichen sehr umstritten“.14 Der Grund hierfür liegt weniger in Roxins Befund, der Fahrlässigkeitsbegriff könne (insbesondere auch vom Gesetzgeber) nicht hinreichend erfasst werden.15 Ein kurzer Blick in unser Nachbarland Österreich beschert uns eine tragfähige Definition in § 6 öStGB, die sich auch in § 18 Abs. 1 des Entwurfs eines ______________ 5 Dieser Ausdruck geht zurück auf die grundlegende Abhandlung von Ulrich Beck, Risikogesellschaft: auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a.M. 1986. 6 Evers, Kommune 6/1989, 33. 7 Schünemann, JA 1975, 435. 8 Stemann, GA 1857, 48. 9 Vgl. etwa Roxin, AT I, § 24 Rn.1, Schünemann, JA 1975, 435 sowie Joachim Kretschmer, Jura 2000, 267. 10 Schünemann, JA 1975, 435. 11 So Burkhardt in Eser/Hassemer/Burkhardt, Strafrechtswissenschaft, S. 144. 12 Eine gute Übersicht findet sich bei Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, Vor § 15 Rn. 105. 13 Alexandra Kremer-Bax, Verhaltensunrecht, S. 2. Zur historischen Entwicklung siehe Schünemann, JA 1975, 437 ff. 14 Lackner/Kühl, § 15 Rn. 35; zust. Duttge, JR 2004, 35 und Burkhardt in Eser/Hassemer/Burkhardt, Strafrechtswissenschaft, S. 144, der sogar von einem fehlenden nennenswerten analytischen Fortschritt in den vergangenen 70 Jahren ausgeht. 15 Vgl. Roxin, Strafrechtstheorie, S. 251: „Es ist noch keinem Gesetzgeber der Welt gelungen, die Fahrlässigkeit zufriedenstellend zu definieren.“

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Deutschen Strafgesetzbuchs von 196216 wiederfindet: „Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.” Vielmehr würde der Maßstab der geistigen und körperlichen Verhältnisse des Täters der deutschen Fahrlässigkeitsdogmatik ein praktisches Bedürfnis nehmen, welches sich in den Jahren fehlender gesetzlicher Definition etabliert hat: jenes der Unrechtszuweisung. Das überwiegende Fahrlässigkeitsverständnis in Deutschland ist geprägt von einem „doppelten Sorgfaltsmaßstab“: Fahrlässigkeit als Element des Tatbestandes wird bestimmt als objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit, wobei als Maßstab der Sorgfaltspflichten das Verhalten eines (imaginären) besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage des Täters herangezogen wird. Hätte dieser sich anders verhalten, wird dem Täter das Unrechtsurteil bescheinigt. Seine individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten sollen weitgehend erst auf der Ebene der Schuld im Rahmen der „subjektiven Sorgfaltspflichtverletzung“ bei der „subjektiven Vorhersehbarkeit“ eine Rolle spielen.17 So könne unter Zugrundelegung einer hypothetischen „Maßstabsfigur“ unabhängig von einer auch die Schuld erfordernden Strafbarkeit ein Unrechtsverursacher ausgemacht und dem Ruf des Volkes genüge getan werden. Diese Praxis ist dogmatisch freilich gefährlich. Nach dem Rechtssatz „ultra posse nemo obligatur“ kann von einem Bürger rechtlich nur verlangt werden, was dieser auch zu leisten im Stande ist. War es ihm aber unmöglich, die Folgen seines Handelns vorherzusehen, etwa weil er nicht über die notwendigen physikalischen Fähigkeiten verfügt, kann ihm dann ein Unrechtsvorwurf gemacht werden, nur weil ein Durchschnittsmensch in Physik besser aufgepasst und sein Verhalten diesen Kenntnissen angepasst hätte? Der Weg über die Maßstabsfigur scheint statt der Gerechtigkeit eher dem Ausmachen eines Sündenbocks zu dienen, deren ausschlaggebende Voraussetzungen für eine Strafbarkeit wegen fahrlässigen Delikts wieder in die Schuld verlagert wurden, wo sie früher bereits verortet waren. Besinnt man sich jedoch auf die Aufgabe des Strafrechts, angemessene Reaktionen auf menschliches Verhalten zu liefern, so wird man trotz der Folgen einer Tat der Umdeutung von Unglück in Unrecht ______________ 16

Dieser lautete: „Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und fähig ist, und deshalb nicht erkennt, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht“ (BT-Ds. IV/650, S. 14). 17 Vgl. etwa Herzberg, Jura 1984, 406 ff., Jescheck/Weigend, AT, S. 564 f., Armin Kaufmann, FS Welzel, 404 ff. und Wessels/Beulke, AT, Rn. 692.

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widerstehen und unfaire Verantwortungszuweisungen unterlassen müssen.18 Dies ist erst möglich, wenn man begreift, dass die derzeit überwiegend vertretene Fahrlässigkeitsdogmatik das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Straffälligkeit und Nichtstraffälligkeit umkehrt und jedem Verhaltensfehler, solange er einen deliktischen Erfolg nach sich zieht, erst einmal das Urteil des Unrechts verpasst. Nur ein verändertes, dem menschlichen Verhalten angepasstes Fahrlässigkeitsverständnis vermag zu verhindern, „dass der fragmentarische Charakter des Strafrechts entgegen Art. 103 Abs. 2 GG zur Totalität hin denaturiert“19. Mit dem derzeit zweifelhaften Fahrlässigkeitsbegriff stehen und fallen jedoch nicht nur die einzelnen fahrlässigen Deliktstatbestände, sondern gerade auch die Beziehungen der Fahrlässigkeit zu anderen Rechtsinstituten. Solange es nämlich noch nicht einmal gelingt, Klarheit über den Kern der Fahrlässigkeit – Substanz und Struktur des Verhaltensfehlers20 – zu erlangen, werden auch spezifische dogmatische Detailfragen streitig und ungeklärt bleiben. Ein wesentliches Beispiel hierfür ist die Anwendung der Beteiligungsformenlehre auf fahrlässige Delikte: Die erhöhten Gefahren durch individuelle Fehlleistungen haben nicht nur technische Sicherheitsvorkehrungen mit sich gebracht, sondern auch menschliche Sicherungen durch arbeitsteilige Organisationsstrukturen mit gegenseitiger Kontrolle: Die Verantwortlichkeit wird auf mehrere Schultern verteilt, um Kontrollinstanzen zu erhalten. Dies gilt speziell in größeren Unternehmen sowie Ämtern und Behörden. Kommt es hier zu deliktischen Erfolgen, weil sich mehr als ein Mensch im Hinblick auf den Erfolg fahrlässig verhalten hat, dann stellt sich die Problematik des fahrlässigen Zusammenwirkens mehrerer Personen, wie sie viele praktische Fälle – zum Teil ohne, dass es bemerkt wird – durchzieht. Dies sei am aktuellen „Fall Schmökel“21 verdeutlicht: S war wegen schwerwiegender Sexualdelikte, Körperverletzungen und Diebstählen zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und noch nach § 16 Abs. 3 DDR-StGB in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen worden. 1987 hatte er einen Ausgang zur Vornahme mehrerer versuchter Vergewaltigungen missbraucht und war 1990 vom Vormundschaftsgericht erneut als psychisch Kranker in eine Anstalt eingewiesen worden, da er wegen einer Persönlichkeitsstörung eine Gefahr für Leib und Leben anderer, insbesondere möglicher Partnerinnen sei. Nach mehreren vergeblichen und einem gelungenen Ausbruchsversuch, bei dem er aber wieder eingefangen werden konnte, wurde er nach einer Strafvollstreckung in die von L als Chefarzt geleitete Abteilung des Landeskrankenhauses Brandenburg eingewiesen. Obwohl die Stationsärztin zu besonderer Vorsicht gemahnt und bei S Fluchtgefahr erkannt hatte, ordnete ______________ 18

So zu Recht Ellen Schlüchter, Grenzen, S. 5 f. MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn.10. 20 So Duttge, JR 2004, 35. 21 BGHSt. 49, 1 ff. 19

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Oberarzt H im Einvernehmen mit L an, dass S unbeaufsichtigt ausgehen durfte. Beiden waren zwar die früheren Straftaten des S bekannt und sie wussten auch, dass S einen früheren Ausgang zu einer Vergewaltigung missbraucht hatte; sie hielten ihn aber für nicht therapiefähig. Von dem Spaziergang mit seiner Freundin kehrte S nicht zurück. Er hielt sich monatelang in Berlin verborgen und beging unter anderem acht mit gefährlichen Körperverletzungen, teils auch mit sexuellen Nötigungen einhergehende Raubüberfälle und zwei Morde zum Nachteil hochbetagter Frauen. Das Landgericht Berlin verurteilte S zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, stellte die Schwere der Schuld fest und ordnete die Sicherungsverwahrung an.

L und H dagegen waren vom Landgericht Potsdam noch freigesprochen worden, da es angesichts des geplanten Ausbruchs des S selbst bei rechtmäßigem (Alternativ-)Verhalten der beiden Ärzte möglicherweise zu den Straftaten durch S gekommen wäre.22 Der Bundesgerichtshof stellte demgegenüber klar, dass bei der Prüfung des rechtmäßigen Alternativverhaltens nur das sorgfaltswidrige durch das sorgfaltsgemäße Verhalten ersetzt werden dürfe, ansonsten aber der tatsächliche Geschehensablauf zu Grunde zu legen sei. Der geplante Ausbruch dürfe daher nicht hypothetisch mitberücksichtigt werden. Die Pflichtwidrigkeit der beiden Angeklagten – die Gewährung des Ausgangs entgegen § 15 Abs. 3 BbgPsychKG, der einen (unbeaufsichtigten) Ausgang nur erlaubt, „um das Behandlungsziel zu erreichen“ und wenn nicht die Gefahr besteht, dass die untergebrachte Person „die Möglichkeit der offenen Unterbringung missbraucht“ – sei daher sehr wohl ursächlich für die Rechtsgutsverletzungen geworden. Da H und L schließlich aufgrund der ihnen bekannten Lebensgeschichte des S die Begehung der Straftaten durch S auch hätten vorhersehen können, seien sie „fahrlässige Nebentäter neben S als vorsätzlich handelndem (Haupt-)Täter“. Doch letzteres ist keineswegs eindeutig. Das Ergebnis einer Alleintäterschaft eines jeden Arztes neben dem S ließe sich nur erreichen, wenn das „Begehen einer Straftat“ im Rahmen des § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB so weit verstanden werden könnte, dass es mit dem Wesen der Fahrlässigkeit korrespondierend jede Sorgfaltspflichtverletzung bei Vorhersehbarkeit zur Täterschaft stempelt. Einen derartigen Einheitstäterbegriff bei fahrlässigen Delikten vertritt zwar die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung23 und Lehre24, ohne jedoch auf die ______________ 22 LG Potsdam, Urt. v. 18.10.2002 - 23 KLs 1/02, zitiert nach Holger Schatz, NStZ 2003, 582. 23 Vgl. nur RGSt. 64, 316 (319) sowie OLG Schleswig-Holstein, OLGSt. StGB § 25 Nr.1: „Nach geltendem Recht sind Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe Begriffe, welche [...] einzig auf die Haftung für vorsätzliche Taten und Beteiligungsformen zugeschnitten sind“ (Hervorhebung bereits durch das Gericht). 24 Vgl. Roxin, AT I, § 24 Rn.27, SK-StGB/Hoyer, Vor § 25 Rn.4, Jakobs, AT, 21/110, Kühl, AT, § 20 Rn. 10, Bottke, GA 2001, 467 sowie Welzel, Strafrecht, S. 99.

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beiden Ansatzpunkte (Begehen einer Straftat und Wesen der Fahrlässigkeit) genauer einzugehen. Als Begründung findet sich zumeist lediglich der Hinweis darauf, dass Anstiftung und Beihilfe nach dem Wortlaut des Gesetzes nur vorsätzlich verwirklicht werden könnten, so dass jede fahrlässige Erfolgsverursachung eine Täterschaft zwingend bedeuten müsse.25 Zwingend ist dies jedoch in Wahrheit nicht, könnte man das Vorsatzerfordernis in den §§ 26, 27 StGB im Gegensatz zu § 25 StGB doch auch dahingehend verstehen, dass bei Vorsatzwie Fahrlässigkeitstaten gleichermaßen nach Täterschaft und Teilnahme abzugrenzen sei und bei Fahrlässigkeitsdelikten einzig Anstiftung und Beihilfe nicht strafbar seien.26 Im Beispielsfall könnte man zwar auch mit dieser Grundposition zu einer Täterschaft von H und L gelangen, wenn man die mittelbare Erfolgsverursachung in die Täterschaft mit einbezieht für jene Fälle, dass sich an das pflichtwidrige Verhalten des Erstverursachers vom Zweitverursacher unmittelbar begangene Rechtsgutsverletzungen anschließen, die in der Erstgefährdung bereits angelegt waren und durch deren Verbot auch vermieden werden sollten. Denn die Unterbringung des S diente der Abwendung von Gefahren für Leib und Leben der Bevölkerung, so dass durch die Gewährung von Ausgang diese Gefahren heraufbeschworen wurden und sich realisierten.27 Losgelöst vom Ergebnis im konkreten Fall zeigt sich hier die Fortführung der Problematik des Wesens der Fahrlässigkeit, potenziert durch „das dunkelste und verworrenste Kapitel der deutschen Strafrechtswissenschaft“, wie Kantorowicz28 einst die Beteiligungsformenlehre bezeichnete. Obgleich auf dieser letzten dogmatischen Ebene inzwischen viel Konsens zumindest im Schrifttum hin zur Tatherrschaftslehre gefunden wurde, variieren deren dogmatische Grundlagen und Einzelheiten noch immer beträchtlich29 und beeinflussen je nach Ansicht das Ergebnis zur Differenzierung von Täterschaft und Teilnahme beim Fahrlässigkeitsdelikt. Eine weitere Stufe auf der Problemleiter erklimmt zudem, wer nicht nur nach dem Verhältnis der Tatanteile der Ärzte im Verhältnis zu S fragt (Nebentäterschaft oder Teilnahme), sondern wer auch das Verhältnis der Tatanteile der Ärzte (H und L) untereinander untersucht. Hierzu findet sich – wie auch in ähnlichen Konstellationen in der Rechtsprechung zu verzeichnen ist30 – in der ______________ 25 So etwa Roxin, AT II, § 25 Rn.8, während er in Roxin, AT I, § 24 Rn. 27 (wie auch Kühl, AT, § 20 Rn. 10) noch auf eine Begründung gänzlich verzichtet. 26 In diese Richtung Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 107, Otto, Jura 1998, 411, und zuletzt ders., JK 9/04, StGB § 25 I/8. 27 Otto, JK 9/04, StGB § 25 I/8. 28 Kantorowicz, MSchrKrim 7 (1910/11), 306. 29 Man vergleiche nur die bei NK-StGB/Schild, §§ 25 ff. Rn. 164 ff. aufgeführten „Varianten der Tatherrschaftslehre“. 30 Vgl. nur RGSt. 61, 318 (hierzu ausführlich unten Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 3, b)) und aus jüngerer Zeit BGH, NStZ 2002, 421 ff. – Wuppertaler Schwebebahn.

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Entscheidung wie auch in den meisten Urteilsanmerkungen31 kein Wort. Einzig Otto32 spricht davon, dass „eine Mittäterschaft erörterungswürdig wäre“. Berücksichtigt man, dass Oberarzt H im Einvernehmen mit dem nach § 36 Abs. 4 S. 1 BbgPsychKG die Verantwortung tragenden Chefarzt L gehandelt hat, beide also zusammengewirkt haben, so scheint eine Mittäterschaft auf den ersten Blick tatsächlich naheliegend. Betrachtet man sich jedoch die Lehrbücher und Kommentare, so findet man hierin für die Mittäterschaft die Formel des „bewussten und gewollten Zusammenwirkens“ als Kurzform für ein arbeitsteiliges Zusammenwirken aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatplans.33 Wie sollten L und H nun aber gemeinschaftlich eine Straftat (fahrlässige Tötung der beiden Frauen und fahrlässige Körperverletzungen) geplant haben, wenn sie deren Erfolge doch gar nicht wollten. Tatplanung und Fahrlässigkeit scheinen sich auszuschließen34 und die fahrlässige Mittäterschaft bereits einen Widerspruch in der Begrifflichkeit selbst zu enthalten. Zudem vermag bereits jeder der beiden mangels gesetzlichem Zusammenwirkungserfordernis für sich alle Tatbestandsvoraussetzungen einer fahrlässigen Täterschaft zu erfüllen. Die Bezeichnung als „fahrlässiger nebentäterschaftlicher Nebentäter“ oder als „fahrlässiger mittäterschaftlicher Nebentäter“ erscheint so zweitrangig. Doch dies trifft keineswegs auf alle Konstellationen zu. Erwähnt sei hier nur eine Entscheidung des Schweizer Bundesgerichts aus dem Jahre 198735, welche unter der Bezeichnung „Rolling Stones“-Fall36 Berühmtheit erlangt hat und getrost als „leading case“ für die Problematik der fahrlässigen Mittäterschaft angesehen werden kann: Gegen 18.55 Uhr „bemerkten A und B auf der Rückfahrt von ihrer Waldhütte [...] neben der Straße am rechten Tössufer zwei große Steinbrocken, welche sie auf Anregung von A den dortigen Abhang bzw. einen überhängenden Felsen hinunterzurollen beabsichtigten. Da ihnen einerseits die örtlichen Verhältnisse bestens bekannt waren, sie insbesondere wussten, dass sich in jedem Bereich am Tössufer öfters Leute – vorwiegend Fischer – aufhielten, und ihnen andererseits bewusst war, dass mit den großen Steinen von ca. 52 kg bzw. über 100 kg Gewicht eine Person, die sich zufällig im ______________ 31 Holger Schatz, NStZ 2003, 581 ff. zur Entscheidung des LG Potsdam, Roxin, StV 2004, 485 ff., Ingeborg Puppe, NStZ 2004, 554 ff., Saglier, JZ 2004, 977 ff., Pollähne, JR 2004, 429 ff. und Ogorek, JA 2004, 356 ff. 32 Otto, JK 9/04, StGB § 25 I/8. 33 Siehe etwa Kühl, AT, § 20 Rn. 98 und Lackner/Kühl, § 25 Rn. 9. 34 So dann auch das Hauptargument gegen die fahrlässige Mittäterschaft, hierzu unten Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, II, 2, b. 35 BGE 113 IV, 58 ff. 36 Die Bezeichnung „Rolling stones“ wurde erstmals im Besprechungsaufsatz von Walder, recht 1989, 56 ff. verwandt, der hiermit seine Urteilsanmerkung überschrieb.

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Gefahrenbereich aufhält, getroffen werden könnte, ging B auf Vorschlag von A ein paar Schritte nach vorn gegen den Abgrund, um abzuklären, ob sich jemand unten am Abhang bzw. im Bereich des Tössufers aufhalte. Dabei rief er einmal laut hinunter, ob jemand unten sei, wobei er aber von seinem Standort aus das rechte Tössufer nicht einsehen konnte. Nachdem auf das Rufen niemand geantwortet hatte, kehrte B zu A zurück, behändigte den großen, über 100 kg schweren Stein und ließ ihn den Abhang hinunterrollen. Unmittelbar nachher rollte A den kleineren, ca. 52 kg schweren Stein ebenfalls hinunter. Es steht fest, dass der unter dem Abhang befindliche Fischer C von einem der beiden Steine tödlich getroffen wurde; jedoch konnte nicht geklärt werden, von welchem der beiden.“

Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung des A wegen fahrlässiger Tötung gemäß Art. 117 schweiz. StGB37 trotz der unsicheren Kausalität. Dies begründete es damit, dass es für eine fahrlässige Täterschaft ausreiche, dass der Täter bei Beachtung der ihm persönlich obliegenden Sorgfaltspflicht die Tatbestandsverwirklichung voraussehen und vermeiden könne, unabhängig davon, ob neben ihm ein anderer in ähnlicher Weise mitgewirkt habe. Hinsichtlich der Kausalität sei, da beide Täter gemeinsam die beiden Steine den Abhang herunterrollen lassen wollten und in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang auch gemeinsam durchgeführt hätten, nicht auf die Einzelbeiträge abzustellen, sondern darauf, „ob die Kausalität zwischen der gemeinsam vorgenommenen Gesamthandlung und dem eingetretenen Erfolg zu bejahen ist“38. Da insoweit einer der Steine kausal gewesen sei, sei auch das Verhalten des A kausal geworden und er daher einer fahrlässigen Tötung schuldig. Das hiermit verbundene Abstellen auf eine Gesamthandlung bei gemeinschaftlichem Entschluss und gemeinschaftlicher Ausführung beim Fahrlässigkeitsdelikt hat dazu geführt, dass das Urteil zumeist als Anerkennung einer fahrlässigen Mittäterschaft gedeutet wird.39 Das Gericht selber mochte sein Urteil anscheinend jedoch als Kausalitäts- oder Zurechnungslösung verstanden wissen40, erwähnt es doch den Ausdruck „Mittäterschaft“ oder „fahrlässige Mittäterschaft“ an keiner Stelle und hat schließlich in einem neueren Urteil (auch für sich) klargestellt, dass es eine fahrlässige Mittäterschaft mangels gemeinschaftlichen Tatplans als nicht möglich ansehe.41 Eine Kausalitätslösung erscheint indes rechtlich nicht durchführbar: Prüft man nämlich jeden Beteiligten einzeln, so lässt sich nicht sagen, ob A mit sei______________ 37

Dieser lautet: „Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.“ 38 BGE 113 IV, 58 (60). 39 So Walder, recht 1989, 56 (58), Donatsch, SJZ 1989, 109 f., Otto, Jura 1990, 47 und Ingeborg Puppe, GA 2004, 129 (130). 40 In diese Richtung auch Arzt, recht 1989, 72. 41 BGE 126 IV, 84 (88); hierzu unten Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 4, e).

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nem Herunterrollen des Steines (ohne die Vergewisserung eines gefahrlosen Ablaufs ohne jede Gefährdung oder Verletzung eines Menschen) für den Tod des C ursächlich geworden ist. Der tödliche Stein könnte schließlich auch von B stammen. Gleiches lässt sich bei der Prüfung des B feststellen, so dass eigentlich in dubio pro reo jeder der beiden hätte freigesprochen werden müssen. Diese Folge wäre einzig zu vermeiden, wenn man jedem der beiden die Tätigkeiten des jeweils anderen über die – in Art 26 schweiz. StGB stillschweigend vorausgesetzte – Mittäterschaft zurechnen würde. Weitere, praktisch sogar noch bedeutsamere Anwendungsfälle bilden die deliktischen Schädigungen durch die Ausführung von Beschlüssen kollegial organisierter Gremien. Große Wirtschaftsunternehmen werden in heutiger Zeit zumeist in der Form einer Aktiengesellschaft betrieben, mit einem Vorstand an der Spitze. Dieser gliedert sich in die Verantwortungsträger der einzelnen Teilbereiche des Unternehmens, das den Gefahren der Risikogesellschaft folgend arbeitsteilig organisiert ist. Werden vom Vorstand Mehrheitsentscheidungen getroffen, die zu für die Mitglieder vorhersehbaren deliktischen Erfolgen führen, stellt sich die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit etwa dafür, dass durch fehlerhafte Produkte Verbraucher geschädigt oder durch chemische Mischsubstanzen Gewässer verunreinigt werden. Da das deutsche Strafrecht nur natürliche Personen bestraft42, scheidet das Unternehmen selbst als Strafrechtssubjekt aus. Die Folgen müssen vielmehr den Entscheidungsträgern zugerechnet werden. Deren Verteidigungslinie ist aber vorprogrammiert: Entweder behaupten sie mangels gegenteiliger Beweismöglichkeiten, mit „nein“ gestimmt zu haben und überstimmt worden zu sein oder sie hätten zwar zugestimmt, der Beschluss sei aber mit so großer Mehrheit gefasst worden, so dass es keinen Unterschied gemacht hätte, ob sie mit „ja“ oder „nein“ gestimmt hätten. Ihr Stimmverhalten könne also hinweggedacht werden, ohne dass der Beschluss und damit der Schaden entfiele; sie seien daher für den Beschluss und dessen rechtsgutsverletzende Folgen nicht ursächlich geworden. Das in größeren Unternehmen und Verbänden vorherrschende Konglomerat aus Kompetenzaufteilung, geteilter Entscheidungsmacht und kooperativen Führungsmodellen wird angesichts Beweis- und Kausalitätsschwierigkeiten daher zu Recht als „Anonymisierung der Verantwortlichkeit“43 oder auch „organisierte Unverantwortlichkeit“44 bezeichnet. Getreu dem Motto: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. ______________ 42

Diese unbestrittene Ansicht ergibt sich nicht bereits aus einem Umkehrschluss aus § 14 StGB („auch“!), sondern aus dem sich aus §§ 25 I („begeht“), 8 StGB ergebenden Erfordernis der Handlungsfähigkeit, die bei juristischen Personen und Personenverbänden fehlt (vgl. grundlegend BVerfG, JZ 1967, 171 (172)). 43 Barbara Bock, Produktkriminalität, S. 76. 44 Otto, AT, § 21 Rn. 122 sowie Seelmann, Verantwortung, S. 122.

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Wen verwundert es da, dass in Zeiten von Bremer Vulkan45, Mannesmann46 und Karstadt47 der Ruf nach rechtlichen Regulierungen laut wird und aus Gerechtigkeitsempfindungen heraus nach Strafbarkeitsbegründungsmöglichkeiten gesucht wird. Nachdem der Bundesgerichtshof mit seinem „Lederspray“Urteil48 für vorsätzliche Schädigungen eine Mittäterschaft und damit Mithaftung aller Gremiumsmitglieder anerkannt hatte, ist demzufolge auch für den größeren Bereich fahrlässiger Schädigungen in der Literatur eine fahrlässige Mittäterschaft mit unterschiedlicher dogmatischer Begründung hergeleitet worden.49 Doch bei durchaus praktischem Bedürfnis einer Rechtsfigur fahrlässige Mittäterschaft dürfen die von der Fahrlässigkeit hereingetragenen Gefahren nicht außer Acht gelassen werden: Es kann stets nur um eine Bestrafung rechtlich Verantwortlicher gehen, nicht um die Zuweisung von Verantwortlichkeit an gewünschte „Sündenböcke“, die Presse und Bevölkerung ausgemacht haben. Im Mittelpunkt einer Untersuchung, die die Existenz der fahrlässigen Mittäterschaft behandelt, müssen daher das Gesetz und eine stringente Dogmatik stehen. In diesem Sinne sind es vor allem drei Problemkreise, nach deren Schnittmenge bei der fahrlässigen Mittäterschaft eigentlich gefragt wird, die aber in der derzeitigen Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum – wie in einer Bestandsaufnahme aufgezeigt werden soll – als weitgehend vorentschieden behandelt werden und so zu kurz kommen: Zum einen geht es um einen Täterbegriff, der fernab aller Theorien dem Gesetz zugrunde liegt und durch Auslegung statt praktischen Erwägungen zu ermitteln ist. Hierauf aufbauend erschließen sich einem Wesen und Voraussetzungen der Mittäterschaft. Schließlich geht es um die Fahrlässigkeit selbst, die Frage nach ihrem Wesen und ihre Vereinbarkeit mit den Mittäterschaftskriterien. Erst dann kann die Frage nach der fahrlässigen Mittäterschaft fernab jeden praktischen Zwängen und rein dogmatisch beantwortet werden. Nur so kann der Staat seine Rechtsstaatlichkeit auch im Zeitalter der Risikogesellschaft in praktisch überaus relevanten Fallkonstellationen wahren und glaubwürdig und strafrechtlich berechenbar bleiben.

______________ 45

BGH, wistra 2004, 341 = NStZ 2004, 559 ff. LG Düsseldorf, NJW 2004, 3275 ff. 47 Durch die Misswirtschaft des Vorstands, deren Mitglieder noch eine Millionenabfindung erhielten, geriet der Karstadt-Quelle-Konzern in Insolvenz-Nähe und legte 2004 ein Sanierungsprojekt auf Kosten der Mitarbeiter vor – alle Warenhäuser unter 8000 qm sowie alle Nebenbereiche sollten geschlossen oder verkauft werden. 48 BGHSt. 37, 106 ff. 49 Zu den einzelnen Konstruktionen unten Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, B, III. 46

Erster Teil

Bestandsaufnahme Erstes Kapitel

Die historische Ermöglichung der fahrlässigen Mittäterschaft und ihre „Erfindung“ Das fahrlässige Zusammenwirken mehrerer ist so alt wie die Menschheit. Bereits bei den alten Römern konnte man lesen (Pandect. LIX Tit. 2. Ziff. 11 § 4): „Si plures trabem deiecerint et hominem oppresserint, aeque veteribus placet omnes lege Aquilia teneri“50. Diese zivilrechtliche Haftung ist vor der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in diesem Sinne auch vom Reichsgericht in Zivilsachen so noch angewendet worden.51 In der Strafrechtswissenschaft entwickelte sich hingegen zunächst unabhängig vom römischen Recht eine eigene „fahrlässige Teilnahmelehre“, beginnend mit der Frage nach einer fahrlässigen Beihilfe, die später auch auf die Anstiftung übertragen wurde und in Art. 46 Abs. 2 des bayerischen Strafgesetzbuches von 181352 und § 90 des preußischen Strafgesetzbuchs von 182753 prominente befürwortende Kodifikationen fand.54 Berücksichtigt man, dass die Mittäterschaft ursprünglich im mit „Theilnahme“ überschriebenen Dritten Abschnitt des Strafgesetzbuchs zusammen mit der Anstiftung und der Beihilfe geregelt war, so war der Schluss hin zu einer fahrlässigen Mittäterschaft nicht fern. Bezeichnend hierfür ist eine schier selbstverständliche Feststellung Bindings ______________ 50

„Wenn Mehrere einen Balken herabwerfen und einen Sclaven zerquetscht haben, so haften sie, nach der Annahme der Alten, Alle nach dem Aquilischen Gesetz“ (zitiert nach Karl Eduard Otto/Bruno Schilling/Karl Friedrich Sintenis, Corpus Iuris Civilis I, S. 793). 51 RGZ 10, 140 ff. 52 „Wer aber durch Reden oder Handlungen eines andern gesetzeswidrigen Entschluss veranlasst, soll nach den Gesetzen über Fahrlässigkeit beurteilt werden.“ 53 „Wer unbeabsichtigt durch Reden oder Handlungen den Entschluss eines anderen zum Verbrechen veranlasst oder die Ausführung desselben befördert hat, der ist nach den Regeln über Fahrlässigkeit zu beurteilen.“ 54 Vgl. zur historischen Entwicklung der fahrlässigen Teilnahmelehre ausführlich Wuttig, Teilnahme, S. 1 ff.

1. Teil: Bestandsaufnahme

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aus dem Jahre 1919: „Ganz zweifellos – ich meine für Jeden, der Gesetze exakt auszulegen vermag – ist insoweit also eine fahrlässige Mittäterschaft gesetzlich anerkannt. Die Gegengründe wider die Möglichkeit dieser Annahme sind von einer geradezu unglaublichen dogmatischen Schwäche und so vollständig überlebt, dass ich nicht nötig zu haben glaube, darauf genauer einzutreten. Schon die Römer haben dies Verhältnis ja ganz richtig erkannt; zudem sind die Fälle der kulposen Mittäterschaft ja außerordentlich häufig.“55 Dennoch ist dieses Judiz keineswegs auf die heutige Zeit übertragbar. Dies zeigt bereits ein kurzer Blick in Kommentare und Lehrbücher. In diesen wird die Konstruktion der fahrlässigen Mittäterschaft nicht nur als ein mit dem geltenden Recht nur schwer zu vereinbarender Weg56 und daher nicht denkbar angesehen, könne man doch nicht bewusst und willentlich mit Bezug auf einen ungewollten bzw. unbemerkt in Gang gesetzten Nebenkausalverlauf zusammenwirken.57 Sondern die fahrlässige Mittäterschaft gilt auch – vor allem angesichts der hohen praktischen Bedeutung im Rahmen der Kollegialentscheidungen – als eines der derzeit am meisten umstrittenen Probleme der Täterlehre. Um das Ausmaß des Streits um die Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft jedoch vollständig erfassen zu können, bedarf es eines kurzen Blicks in die Ursprünge unserer Mittäterschaftsregelung, in seine Dogmengeschichte. Hierbei wird deutlich werden, dass es nicht etwa wie in Lehrbüchern und Kommentaren propagiert um einen reinen Theorienstreit geht, sondern vielmehr um das elementarste Handwerkszeug eines Juristen: die Auslegung der Mittäterschaftsnorm, auch wenn dies heutzutage im Theorien-Labyrinth der Täterlehre weitgehend in Vergessenheit geraten ist.

I. Die historische Zweispurigkeit der Miturheberschaft Historisch war im germanischen Rechtskreis eine fahrlässige Mittäterschaft jahrhundertelang undenkbar. Dies beruhte maßgeblich auf der einzigartigen, zweispurigen historischen Entwicklung der Mittäterschaft: Die deutsche Mittäterschaftsnorm beruht maßgeblich auf dem römischen Recht, das am Ende des Mittelalters fast vollständig nach Deutschland transferiert wurde (sogenannte Vollrezeption).58 Berücksichtigung fand hierbei, dass die alten Römer eine Mittäterschaft im heutigen Verständnis als allgemeine Betei______________ 55

Binding, Normen IV, S. 637 f. Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 115. 57 Vgl. nur Donatsch, SJZ 1989, 111. 58 Dies basierte neben der Rationalität des römischen Rechts auf der „Romidee“: Die deutschen Kaiser fühlten sich als Nachfolger der römischen und sahen deren Recht als ihres an. Vgl. hierzu Wesel, Geschichte, 14. Kap. Rn. 239. 56

1. Kap.: Die historische Ermöglichung der fahrlässigen Mittäterschaft

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ligungsform noch nicht kannten. Ihre vergleichbaren Rechtsformen der Beteiligung mehrerer betrafen ausschließlich Tötungsdelikte. Grundlage hierfür waren drei Digestenstellen, die die Haftung eines jeden Beteiligten an einem Raufhandel (rixa)59 – vergleichbar unserem heutigen § 231 StGB60 – und Beweisregeln61 hierzu betrafen. Hierbei wurde jedoch noch jeder wegen seiner eigenen Handlung bestraft – es galt eine „Singularhaftung“.62 Verallgemeinerte man diesen Gedanken, so war ein Miturheber (coauctor) jemand, der selbst alle Voraussetzungen eines Delikts trotz mehrerer Beteiligter bereits allein in seiner Person erfüllte. Passender wäre wohl der Begriff der „plures delinquentes“ gewesen, jener der Mehrtäterschaft.63 Hierneben entwickelte sich – maßgeblich unter dem Einfluss des Rechtsgelehrten Gandinus – für den Fall gemeinschaftlicher Tötung (societas delinquendi) eine solidarische Haftung für all jene, die am „communicato consilio“ beteiligt waren, am gemeinsamen Tatplan und Vorsatz.64 Auf den Arbeiten von Gandinus beruhten die Arbeiten von Schwarzenberg, dem Schöpfer der Bambergischen Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Bambergensis – CCB) von 1507, die Grundlage für die 1521 im Reichstag zu Worms wieder einsetzende Strafrechtsreform war65 und zu der für die Partiku______________ 59

Bei Paulus (D. 48.8.17) las man hierzu: „Si in rixa percussus homo perierit, ictus unius cuiusque in hoc collectorum contemplari oportet“ (in der Übersetzung von Karl Eduard Otto/Bruno Schilling/Karl Friedrich Sintenis, Corpus Iuris Civilis IV, S. 971: „Wenn ein Mensch im Gezänk [mit Mehreren] geschlagen worden und daran gestorben ist, so muss eines jeden der zu dem Ende Zusammenlaufenden ausgeführte Schlag in Erwägung gezogen werden“). 60 Zur Bezeichnung „Raufhandel“ für § 231 StGB: BGHSt. 14, 132 (134). 61 Bei Ulpian (D. 9.2.11.2) fand sich eine Verdachtsregel: „Sed si plures servum percusserint, utrum omnes quasi occiderint teneantur, videamus. et si quidem apparet cuius ictu perierit, ille quasi occiderit tenetur: quod si non apparet, omnes quasi occiderint teneri Iulianus ait [...]“ (in der Übersetzung von Karl Eduard Otto/Bruno Schilling/Karl Friedrich Sintenis, Corpus Iuris Civilis I, S. 792 f.: „Wenn aber Mehrere auf einen Sclaven losgeschlagen haben, so fragt es sich, ob Alle gleichsam als Todtschläger haften? Lässt sich ermitteln, durch wessen Schlag er gestorben ist, so haftet dieser als Todtschläger, wenn aber nicht, so haften, wie Julianus sagt, Alle als solche“). Julianus (D. 9.2.51.1) ergänzte: „Idque est consequens auctoritati veterum, qui, cum a pluribus idem servus ita vulneratus esset, ut non apparet cuius ictu perisset, omnes lege Aquilia teneri iudicaverunt“ (in der Übersetzung von Karl Eduard Otto/Bruno Schilling/Karl Friedrich Sintenis, Corpus Iuris Civilis I, S. 813: „Dies ist auch der Ansicht der Alten entsprechend, welche, wenn derselbe Sclav von Mehrerer so verwundet worden ist, dass sich nicht ermitteln lässt, durch wessen Schlag er eigentlich das Leben verloren hat, Alle als nach dem Aquilischen Gesetz haftend erachten“). 62 Bernhard Winter, Entwicklung, S. 23. 63 Hierzu Bernhard Winter, Entwicklung, S. 23. 64 Vgl. Heimberger, Teilnahme, S. 3. 65 Siehe zur Historie auch Marianne Fabian, Verabredung, S.3.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

largesetze wegweisenden Kodifikation der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Constitutio Criminalis Carolina – CCC) von 1532 führte. Daher überrascht es kaum, dass sich im ersten Teil des Art. 148 CCC eine Wiedergabe der gemeinschaftlichen Tötung fand66, die sich mit der Zeit verallgemeinerte und die passende Bezeichnung „Komplott“ erhielt.67 Im zweiten Teil des Art. 148 CCC war der Raufhandel in seiner vollständigen römischen Pracht kodifiziert.68 Diese Zweiteilung verfestigte sich in der Lehre, wie auch die Ansicht Johann Samuel Friedrich Böhmers als Vertreter der Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts zeigt: So sah er zwar eine Miturheberschaft in der gleichzeitigen physischen Tätigkeit mehrerer, während bei der Unterstützungshandlung des einen dieser nur Gehilfe war. Er wendete hierbei aber nur die Grundsätze des Raufhandels an. Hierneben trat er auch für eine Verallgemeinerung der gemeinschaftlichen Tötung ein und hielt die „conspirantes“ der „conspiratio plurium in delictum ad alterutro consummatum“ für gleich strafbar unter der Voraussetzung, dass „consensus conspirantium efficax“ gewesen sei (das heißt, dass ohne die Vereinbarung die Genossen die Tat nicht verübt hätten) und dass sich mit der conspiratio auch eine „cooperatio“ verbunden hätte, die Beteiligten also irgendwie am Verbrechen mitgewirkt hätten. Für letzteres sollte eine bloße Anwesenheit bei der Ausführung oder auch nur eine Hilfeleistung nach der Tat ausreichen.69 ______________ 66

„Item so etlich personen mit fürtgesetztem vnd vereynigtem willen vnd mut jemandt bösslich zu ermorden einander hilff vnd beistandt thun, die selben thätter alle haben das Leben verwirckt“ (zitiert nach Zoepfl, CCC, S. 243). 67 Hierzu ausführlich Wehrstedt, Komplott, S. 4 ff. 68 „So aber etlich person vngeschichts inn einem schlagen oder gefecht, beyeinander weren, eyander helffen, vnnd jemandt also on gnugsam vrsach erschlagen würde, So man dann den rechten thätter weiss, von des hand die entleibung geschehen ist, der soll als eyn todtschleger mit dem schwert zum todt gestrafft werden. Wer aber der entleibt, durch mer dann eynen die man wüst geuerlicher weiss tödtlich geschlagen, geworffen oder gewundt worden, vnnd man kündt nit beweisslich machen, von welcher sonderlichen handt vnd thatt er gestorben wer, So sein die selben, so die verletzung wie obsteht gethan haben, alle als todtschläger vorgemelter massen, zum todt zu straffen. Aber der ander beistender, helffer vnd vrsacher straff halber, von welchs handt obbestimbter massen der entleibt nit tödtlich verletzt worden ist, auch so eyner inn eyner auffrur oder schlagen entleibt würd, vnd man mocht keynen wissen dauon er als vorsteht verletzt worden wer, Sollen die vrtheyler bei den rechtsuerstaendigen vnd an enden vnd orten, wie hernach gemelt wirdet, radts pflegen, mit eröffnung aller vmbstende vnd gelegenheyt solcher sachen, souil sie erfarn künden, wann inn solchen fellen nach ermessigung mancherley vmbstende, dass nit alles zu schreiben vnderschiedlich zu vrtheylen ist.“ (zitiert nach Zoepfl, CCC, S. 243). 69 Johann Samuel Friedrich Böhmer, Meditiones, Art. 177 § 3 (S. 840 f.); hierzu Heimberger, Teilnahme, S. 150.

1. Kap.: Die historische Ermöglichung der fahrlässigen Mittäterschaft

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Geschaffen war so ein verhängnisvoller Januskopf der gemeinsamen Begehung der Straftat: Auf der einen Seite stand die rein objektive gemeinschaftliche Erfolgsverursachung im Sinne des Raufhandels, bei dem jedoch jeder nur (eventuell über Beweisvermutungsregeln) für seine eigene Handlung bestraft wurde – eine (nochmals: rein objektive) solidarische Haftung existierte gerade nicht. Auf der anderen Seite stand das rein subjektiv geprägte Komplott, bei dem jeder alleine für die Beteiligung am der Tat vorangegangenen gemeinsamen Tatplan bestraft wurde; der Umfang der objektiven Tatbeteiligung war hingegen unbedeutend, solange es nur eine gab. Beim Komplott war der objektive Beitrag also quasi nichts weiter als eine objektive Bedingung der Strafbarkeit. Für Fahrlässigkeitsdelikten, denen ein vorangegangener gemeinsamer Tatplan auf einen bestimmten Deliktserfolg bezogen fremd ist, war dies misslich: Ein Raufhandel war möglich, aber nur mit der Rechtsfolge einer Einzelhaftung; eine solidarische Haftung dagegen, wie wir heute auch die Mittäterschaft verstehen, konnte es in der Form des Komplotts nicht geben. Eine fahrlässige Miturheberschaft im Sinne einer solidarischen Haftung musste daher solange undenkbar bleiben, wie es nicht gelang, beide Teilnahmeformen zu vereinen. II. Die Auflösung der Zweispurigkeit Derartiges erreichte erstmals Feuerbach, der das Wesen des Komplotts darin erblickte, „dass mehrere durch gegenseitiges Versprechen wechselseitiger Hülfe die Begehung eines Verbrechen gemeinschaftlich beschließen und sich zu gemeinschaftlicher Ausführung desselben verbinden“. Hierbei würde „der Entschluss jedes Einzelnen bestimmt [...] durch die vertragsmäßig begründete Erwartung des Beistandes und der Mitwirkung aller übrigen“.70 Im Objektiven forderte er auch beim Komplott die Beteiligung eines jeden, da ihre Handlung ansonsten nicht „in so innigen Zusammenhang mit dem erfolgten Verbrechen“ stehen würde71. Das Komplott und die zufällige Miturheberschaft waren so dogmatisch auf die gleichen objektiven Füße gestellt und unterschieden sich nur noch im zusätzlichen Element der gegenseitigen Anstiftung. Diesem Konstrukt des Komplotts folgten lange Zeit Gesetzgeber72 und Lehre73, bis es aus______________ 70

Feuerbach, Lehrbuch, S. 90. Feuerbach, Kritik, S. 138 f. 72 So lautete Art.50 des bayerischen Strafgesetzbuchs von 1813: „Wenn zwei oder mehrere aus gemeinschaftlichem Interesse ein Verbrechen miteinander beschließen und sich zu dessen gemeinschaftlicher Ausführung durch Verabredung eines gegenseitigen Beistandes verpflichten, so ist diese Vereinigung ein Komplott.“ Dem folgten viele weitere Gesetzbücher: so wörtlich Art. 72 ff. des Oldenburger Strafgesetzbuches von 1814, Art. 74 f. des Strafgesetzbuchs für das Königreich Württemberg von 1839, Art. 57 des Kriminalgesetzbuchs für das Königreich Hannover von 1840, Art. 74 ff. des Strafge71

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1. Teil: Bestandsaufnahme

gehend von Stübels Kritik wieder verworfen wurde: Der Zusammenschluss mit einem anderen Verschwörer sei nicht zwingend der eigenen Bestimmung geschuldet, sondern erfolge vielfach nur, damit der andere den Plan nicht zur Aufdeckung bringe.74 Ein Fall der „wechselseitigen Anstiftung“ könne hierin nicht mehr erblickt werden, sei der erste doch bereits entschlossen und die Anstiftung eines bereits Entschlossenen (omni modo facturus) ein Widerspruch in sich.75 Eine Zusammenführung beider Formen ohne logische Brüche erfolgte daher erst unter der subjektiven Täterlehre. So bezeichnete Köstlin als Urheber denjenigen, „auf dessen subjektive Kausalität die Summe der den Erfolg bedingenden Momente als auf ihr unmittelbar bestimmendes Princip zurückgeführt werden muss“76. Eine Miturheberschaft liege vor bei einem Verhalten mehrerer Personen, wobei jeder sich selbst als Zweck der Handlung und die anderen als seine Mittel einsetzt.77 Dies sei in drei Formen denkbar: Der Entschluss des physischen Urhebers sei entweder ein Produkt des intellektuellen Urhebers78 (Anstiftung), eine gemeinsame Tätigkeit erfolge zufällig der Ausführung, bei dem sich jeder selbst Zweck ist sowie jeder den anderen für sich als Mittel einsetzt79 (zufällige Miturheberschaft), oder die Miturheberschaft liege in der Form des Komplotts vor. Während Köstlin allerdings dogmatisch noch von einer unvollkommenen gegenseitigen Anstiftung ausging80, war es erstmals Tittmann, der das Komplott als eine gegenseitige Beihilfe begriff: Wolle der Teilnehmer das Verbrechen als sein eigenes, so müsse er für sein eigenes Handeln als Urheber einstehen. Wolle er es dagegen zugleich als das des anderen Beteiligten, so hätten beide für das Verbrechen zu haften, wenn und weil jeder dem anderen eine bestimmte Hilfshandlung oder auch nur unbestimmt Hilfe zusage.81 Auf diese Weise war dogmatisch nachvollziehbar die Selbständigkeit des Komplotts aufgegeben und es der zufälligen Mittäterschaft von der Rechtsfolge her gleichgestellt. Der verbleibende Unterschied anfänglicher Verabredung und Verabredung zum Ausführungszeitpunkt wirkte sich nur noch beweistechnisch aus.82 ______________

setzbuchs Hessen-Darmstadt von 1842 sowie Art. 125 ff. des Strafgesetzbuchs Baden von 1845; vgl. hierzu Wehrstedt, Komplott, S. 58 ff. 73 Vgl. nur Eduard Henke, Handbuch I, § 42 (S. 276) und Jagemann, NACr 1851, 347. 74 Stübel, Teilnahme, S. 34; ähnlich Langenbeck, Lehre, § 89 (S. 249). 75 In diesem Sinne Bar, Lehre, S. 86 f. und Marianne Fabian, Verabredung, S. 6. 76 Köstlin, Revision, S. 460 f. 77 Köstlin, Revision, S. 521. 78 Köstlin, Revision, S. 521 ff. 79 Köstlin, Revision, S. 562 ff. 80 Köstlin, Revision, S. 544 ff. 81 Tittmann, Handbuch I, § 103 (S. 205); ebenso Theodor Reinhold Schütze, Teilnahme, S. 212 f. und Langenbeck, Lehre, § 90 (S. 250).

1. Kap.: Die historische Ermöglichung der fahrlässigen Mittäterschaft

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III. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs Braunschweigs vom 18.04.1855 In den einzelnen Länder-Strafgesetzbüchern verschwand das Komplott nach und nach. In § 43 des Strafgesetzbuchs von Braunschweig war es jedoch noch enthalten: „Mehrere, welche sich durch ausdrückliche oder stillschweigende Uebereinkunft zu gemeinschaftlicher Verübung eines Verbrechens verbinden, sollen nach folgenden Grundsätzen bestraft werden [...]“. Bestraft wurde man nicht für die gemeinschaftliche Ausführung, sondern für die bloße Übereinkunft. Nur so lässt sich eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Braunschweigs aus dem Jahre 185583 erklären, auf die die Anhänger der fahrlässigen Mittäterschaft gerne verweisen, sei es doch der einzige Fall gewesen, „in dem ein höheres Gericht [...] eine Mittäterschaft bei Fahrlässigkeitsvergehen angenommen“ habe.84 Ein Blick auf die Entscheidung und ihre Begründung könne daher „zum Ergebnis führen, dass das Bedenken gegen die fahrlässige Mittäterschaft im geltenden Strafgesetz keinen stabilen Boden hat“85. Zugrunde lag folgender Sachverhalt: Der Köthner Jörgen Ahrens fuhr „auf zwei hintereinander gebundenen, mit zwei Pferden bespannten leeren Torfwagen [...] auf der Chaussee [...]. Auf dem vorderen Wagen sitzend, hatte er die Leitung der Pferde dem auf demselben Wagen stehenden Taglöhner Bußmann [...] übergeben. Während die Pferde im langsamen Schritt gingen, fuhr der zwölfeinhalbjährige Sohn des Kothsassen Jäger [...] auf einem mit zwei Hunden bespannten Wagen an den beiden Torfwagen vorbei und ihnen voraus. Bußmann setzte darauf plötzlich die beiden Pferde, von denen nur das Sattelpferd einen Leitriemen und ein Gebiss hatte, das Handpferd aber nur mit einem Stricke an dem Leitpferde festgebunden war, durch fortwährendes Einschlagen mit der Peitsche in gestreckten Galopp, ereilte den Hundewagen, fuhr ihn über und zertrümmerte dadurch nicht bloß den Wagen, sondern verletzte auch den Knaben Jäger dergestalt am Kopfe, dass derselbe tot auf der Chaussee liegen blieb.“ Das Kreisgericht hatte Bußmann für schuldig erkannt, „den Knaben Jäger durch übermäßig rasches Fahren übergefahren und dadurch getötet zu haben, während er ______________ 82 Nahm man den Raufhandel in Form einer sich entwickelnden Schlägerei mit tödlichem Ausgang, so mussten diejenigen aus der Strafbarkeit wegen eines Tötungsdelikts ausscheiden, die nur eine Körperverletzung beabsichtigten sowie jene, die vor dem Eintritt des Erfolges freiwillig zurücktraten. In diesem Sinne aber jemandem nachzuweisen, dass er bis zum Schluss mit Tötungsvorsatz beteiligt war, gestaltete sich als fast unmöglich. Demgegenüber genügte für eine Haftung als Komplottant, dass eine Beteiligung an der Übereinkunft vorlag – eine deutliche Vereinfachung. Hierzu Tittmann, Handbuch, § 100 (S. 272 f.). 83 Oberster Gerichtshof Braunschweigs, Temme’s Archiv 4 (1857), 12 ff. 84 Weinberg, Teilnahme, S. 36 sowie Darstellung auf S. 19 f., wenngleich er selbst der fahrlässigen Mittäterschaft kritisch gegenübersteht. 85 Sung-Ryong, Analyse, S.8.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

diesen Erfolg mit Wahrscheinlichkeit voraussehen konnte“ und Ahrens, „an dieser Fahrlässigkeit des Angeklagten Bußmann durch stillschweigende Übereinkunft, indem er nämlich obgleich dazu befugt und selbst verpflichtet, dem raschen Fahren keinen Einhalt tat, teilgenommen zu haben, ohne dass er jedoch den eingetretenen Erfolg mit Wahrscheinlichkeit vorausgesehen oder ein Polizeiverbot übertreten hätte“.

Ahrens hatte sich gegen das Urteil gewehrt, drang hiermit aber nicht durch. Obwohl der Wortlaut der einschlägigen Mittäterschaftsnorm des Strafgesetzbuchs von Braunschweig86 nicht zu erkennen gibt, dass der Gesetzgeber auch nur daran gedacht hatte, die Grundsätze von der Täterschaft und Teilnahme an einem Verbrechen auf fahrlässige Handlungen anzuwenden87, sah das Gericht keine dogmatische Schwierigkeit hierin. Zwar könnte und dürfte nach dem Begriff der Fahrlässigkeit der eingetretene strafbare Erfolg von keinem der Teilnehmer beabsichtigt und nicht Gegenstand der ausdrücklichen oder stillschweigenden Übereinkunft gewesen sein. Auch bestünde der Erfolg vielmehr in dem „Mangel an Aufmerksamkeit oder Überlegung der Handelnden“, der der „Natur der Sache“ nach nur jedem Teilnehmer selbst angelastet werden könnte. Anstatt hieraus jedoch den zwingenden Schluss zu ziehen, dass jeder selbst hafte und es keine Mittäterschaft geben könne, heißt es überraschenderweise als Schluss, dass „die rechtliche Möglichkeit der Annahme einer vertragsmäßigen Theilnahme Mehrer an einer fahrlässigen Handlung oder Unterlassung mit verschiedenen Graden der Schuld an sich und nach Maßgaben der allgemeinen [...] über das Verhältnis der Strafbarkeit mehrer Mitschuldigen gegebenen Bestimmungen nicht zu bezweifeln und die Anwendung des § 43 des S.G.B. auf unvorsätzliche, von mehreren vertragsmäßigen Theilnehmern vollführte Vergehen gerechtfertigt ist.“88 Versucht man die Argumentation zu verstehen, die zu einer Verurteilung des Ahrens (als Mittäter der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen) führte, so fällt auf, dass das Gericht anfangs zwar als Argument anführt, dass eine Verabredung zu einer Handlung mit einem fahrlässigen Erfolg „der Natur der Sache nach Statt finden kann und häufig Statt findet“89. Ansonsten befasste sich das Gericht aber nur mit der Möglichkeit, ob beide Beteiligte einen unterschiedlichen Grad an Fahrlässigkeit aufweisen und damit eine unterschiedliche Strafe (Bußmann erhielt 13 Monate Gefängnis, Ahrens lediglich 4 Wochen) verdienen könnten. Dies wurde damit begründet, dass sich der Fahrlässigkeitsvorwurf gegen jeden Einzelnen selbst gerichtet hätte, wie insbesondere die Ausführun______________ 86

§ 43 des Strafgesetzbuchs von Braunschweig lautete: „Mehrere, welche sich durch ausdrückliche oder stillschweigende Uebereinkunft zu gemeinschaftlicher Verübung eines Verbrechens verbinden, sollen nach folgenden Grundsätzen bestraft werden [...]“ 87 Temme, Temme’s Archiv 4 (1857), Anm. 1 zu Nr. 758 (= S. 14 f.). 88 Oberster Gerichtshof Braunschweigs, Temme’s Archiv 4 (1857), 12 (13 f.). 89 Oberster Gerichtshof Braunschweigs, Temme’s Archiv 4 (1857), 12 (13).

1. Kap.: Die historische Ermöglichung der fahrlässigen Mittäterschaft

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gen zu den einzelnen Sorgfaltspflichten zeigen. So hätte Bußmann gegen die Pflicht zu sorgfaltsmäßigem Fahren verstoßen, Ahrens hingegen gegen die Pflicht, das regelwidrige Fahren aufgrund seiner Garantenstellung als Eigentümer des Fuhrwerks zu verhindern.90 Damit zeigt sich zwar, dass nach heutigem Verständnis kein Zusammenwirken an einer sorgfaltswidrigen Handlung erfolgte, sondern ein Zusammentreffen zweier fahrlässiger Handlungen, von denen jede für sich für den Tod des Jungen ursächlich war. 91 Doch der Oberste Gerichtshof Braunschweigs kann hiermit auch nur den jeweiligen Tatanteil des Einzelnen an der Tat beschrieben haben, auf den es beim Komplott wie bei einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach einigen Ansichten ankam. Die eigentliche Bestrafung knüpfte er vielmehr an eine stillschweigende Übereinkunft bezüglich der Verfolgung des Jägers an. Der Wortlaut der Komplottvorschrift § 43 des Strafgesetzbuchs von Braunschweig war hiernach sicher erfüllt. Dennoch hätte das Gericht das Gesetz näher prüfen müssen: Handelte es sich bei der Verfolgung tatsächlich um die Verübung eines Verbrechens? Oder in den heutigen Sprachgebrauch gewandt: War der gemeinschaftliche Tatentschluss auf eine Handlung mit einem deliktischen Sinnbezug bezogen? Nur in einem weiten Gesetzesverständnis ließe sich dies bejahen, wenn nämlich die Übereinkunft zur gemeinschaftlichen Verübung eines Verbrechens gleichbedeutend verstanden würde mit der Übereinkunft zu einer gemeinschaftlich verübten Handlung, die erst zu einem den Beteiligten jeweils einzeln anlastbaren fahrlässigen Erfolg führt. Damit haben wir bereits früh jene dogmatische Konstruktion kennen gelernt, die in der Literatur weit verbreitet ist und hier inzident erstmals anklingt: Für eine (fahrlässige) Mittäterschaft genüge, wenn sich der gemeinschaftliche Tatentschluss auf ein beliebiges Handlungsprojekt beziehe, das zu einer Rechtsgutsverletzung führe.92 Dennoch ist das Urteil weitgehend im Spiegel des damaligen (Vor-StGB-) Rechtsgeistes zu erblicken und sollte nur verdeutlichen, dass bei einer weiten Annahme einer subjektiven Vereinbarung durchaus eine fahrlässige Mittäterschaft nach damaligem Rechtsverständnis möglich war.

______________ 90 Vgl. hierzu die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs Braunschweigs, Temme’s Archiv 4 (1857), 12 (13). 91 In diese Richtung geht auch die Kritik von Temme, Temme’s Archiv 4 (1857), Anm. 1 zu Nr. 758 (= S. 14 f.), der vom Vorliegen zweier unabhängiger Straftaten ausgeht. 92 Hierzu ausführlich unten Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, II, 3, h.

1. Teil: Bestandsaufnahme

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IV. Die Ermöglichung der fahrlässigen Mittäterschaft durch den Gesetzgeber Trotz allen Fortschritts im Schrifttum erfolgte eine Einebnung der Miturheberschaft erst durch den Gesetzgeber, der das Komplott beerdigte93 und mit seiner Mittäterschaftsnorm eine fahrlässige Mittäterschaft ermöglichte: Während das Komplott in den Entwürfen für das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund aus dem Jahre 1827, 1833, 1836 und schließlich im Entwurf von 1843 in § 6594 noch enthalten war, fehlte eine entsprechende Vorschrift bereits im Entwurf von 1847. Dies beruhte darauf, dass das Wesen des Komplotts einzig in der Verabredung gesehen wurde.95 Während der Ausführung konnte die Mitwirkung verschiedener Art sein und verschiedener Funktion, so dass eine Abgrenzung zwischen Täter und Gehilfe in reiner Willkür oder Kasuistik verfallen müsste.96 Stattdessen sollte die Ausführung nach vorangegangener Verabredung nun von der Mittäterschaft umfasst werden und die Verabredung wie die in diesem Stadium wesensgleiche versuchte Anstiftung als eigenständiges Verbrechen aufgefasst werden97, wie es ursprünglich mit dem Mordkomplott auch der Fall war. Mit § 63 des Entwurfs wurde so lediglich das hochverräterische Komplott unter Strafe gestellt und fand Einzug in das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes von 1870.98 Die Miturheberschaft war in § 47 des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund geregelt: „Wenn Mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich ausführen, so wird Jeder als Thäter bestraft“. In dieser Fassung fand sie Einzug in das Reichsstrafgesetzbuch.99 Der Gesetzgeber sah es hierbei als überflüssig an, Bestimmungen mit dem Inhalt aufzunehmen, „ob und inwieweit die Mitwirkung eines Complottanten zu der That vor deren unmittelbarer Ausführung als eine Mitthäterschaft aufzufassen sei. Im einzelnen Falle wird die richterliche Prüfung sich darauf zu richten haben, ob nach Lage der Sache diese Thätigkeit als eine solche aufzufassen sei, daß sie sich als einen Theil gemein______________ 93

Für das „Mordkomplott“ (Reinhard Frank, StGB, § 49b Anm. I) kam diese Beteiligungsform durch das Republikschutzgesetz vom 26.03.1930 und die Verordnung vom 29.12.1932 (RGBl. 1932, S. 549) zwar wieder ins Strafgesetzbuch (§ 49b), blieb aber nur bis zur Grossen Strafrechtsreform in Kraft. 94 Dieser lautete: „Sind zwei oder mehrere Personen wegen der Verübung eines Verbrechens vorher übereingekommen, so ist jeder von ihnen, welcher auf irgend eine Art vor, bei oder nach der Ausführung mitgewirkt hat oder bei der letzteren nur gegenwärtig gewesen ist, als Miturheber des Verbrechens anzusehen, auf welches die Verabredung sich bezog.“ 95 Goltdammer, Materialien I, S. 287. 96 Goltdammer, Materialien I, S. 292 f. 97 Goltdammer, Materialien I, S. 291, 295. 98 Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes v. 08.06.1870, S. 195 ff. 99 Reichs-Gesetzblatt v. 14.06.1871, S. 136.

1. Kap.: Die historische Ermöglichung der fahrlässigen Mittäterschaft

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schaftlicher Ausführung und die That selbst hierdurch zugleich als eine gemeinschaftliche darstelle.“ Damit wurde das Kriterium der Gemeinschaftlichkeit zum wesentlichen Element. Berücksichtigte man den Eindruck der subjektiven Theorie auf das Gesetz, der sich auch in der Gesetzesbegründung100 wiederspiegelte, so schien „unter dem gemeinschaftlichen Handeln ein vorverständigtes begriffen werden zu müssen“101. Eine fahrlässige Mittäterschaft wäre vor diesem Hintergrund schwer begründbar, wie Friedrich Oskar Schwarze102 es in seinem Kommentar zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund verdeutlichte: „Jede Theilnahme setzt eine Beziehung des eigenen Wollens und Thuns auf das eines Andern, folglich auch ein Wissen um die Absicht des Andern voraus. Eine Mitthäterschaft an einem culposen Verbrechen giebt es daher nicht [...]“, vielmehr sei die Haftung für die Straftat „nach der Person jedes Einzelnen selbständig zu beurtheilen“. Indes hat die subjektive Sichtweise im Gesetzeswortlaut keinen konkreten Ausdruck gefunden103 und hat der Gesetzgeber so nicht geklärt, „ob ein zufälliges Zusammentreffen genüge, ob es nicht wenigstens ausreiche, wenn von den Mehreren nur Einer Kenntniß von den Anderen habe und ohne deren Vorwissen seine Thätigkeit als Glied der Kette in deren Thätigkeit einschiebe, ob ein gemeinschaftliches fahrlässiges oder ein gemeinschaftliches doloses und fahrlässiges Handeln ein gemeinschaftliches im Sinne des § 47 StGB a.F. sei“.104 Auf diese Weise war es nun durchaus möglich, „gemeinschaftlich“ als bloß äußerliches Zusammenwirken zu verstehen105 und so jedes fahrlässige Mitverursachen zum Erfolg zu umfassen, an das die Rechtsfolge einer solidarischen Haftung geknüpft würde. Wer es auslegungstechnisch wollte, konnte also nun die typischen Voraussetzungen der rixa unter § 47 StGB a.F. subsumieren und ______________ 100

Motive zu dem Entwurfe eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund (aus den Drucksachen des Reichstags 1870, Anlage zu Nr. 5), S. 64: „Während die Mitwirkung des Gehilfen sich dadurch kennzeichnet, daß sie die That selbst als die eines Dritten behandelt, zu welcher die Hilfe geleistet wird, ist die Mitwirkung des Mitthäters aus der Absicht entsprungen, die That als seine eigene, beziehentlich als die seiner Complicen zu unterstützen und zur Vollendung zu bringen. Nicht sowohl das Maß und die Bedeutung der Mitwirkung zu der That, als vielmehr die Absicht, aus welcher sie entsprungen, wird, nach wie vor, das wesentlich entscheidende Moment bilden.“ Vgl. hierzu Schwarze, StGB, S. 66: „Das Gesetzbuch hat mit der obigen Begriffsbestimmung durch ein argumentum a contrario die Eingehung eines Complotts den Vorbereitungshandlungen beigezählt und für straflos erklärt, – insoweit nicht das Gesetz im besonderen Theile einzelne Ausnahmen ausdrücklich statuiert.“ 101 Buri, GS 22 (1870), 282. 102 Friedrich Oskar Schwarze, StGB, S. 68. 103 Birkmeyer, Lehre, S. 87. 104 Buri, GS 22 (1870), 282. 105 So beispielsweise Wuttig, Teilnahme, S. 112 und Hepp, NACr 1846, 336 f.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

mit der Rechtsfolge der societas delinquendi belegen. Ob eine fahrlässige Mittäterschaft angenommen werden sollte, hing damit ganz von der Normauslegung und dem jeweils zugrundeliegenden Täterverständnisses ab.

V. Wächters Herleitung der fahrlässigen Mittäterschaft Hierbei überrascht es, dass mit Carl Georg von Wächter ein Vertreter der zum Zeitpunkt des Reichsstrafgesetzbuches weitgehend vertretenen subjektiven Täterlehre in seiner wegweisenden Abhandlung über „Die Busse bei Beleidigungen und Körperverletzungen nach dem heutigen gemeinen Recht“ aus dem Jahre 1874106 die Rechtsidee einer fahrlässigen Mittäterschaft gebar107: „Wenn aber Mehrere mit einander handeln und dadurch eine culpose Verletzung begehen, so läßt sich doch in der That die Miturheberschaft Derjenigen nicht in Abrede ziehen, aus deren Handlung die Verletzung gleichmäßig hervorging oder deren That ein unzertrennliches Ganze bildet, welches die Verletzung zur Folge hatte. Eine Theilnahme bei culposen Vergehen ist hiernach gar wohl denkbar.“ Obgleich die Möglichkeiten für eine derartige Herleitung aus dem Gesetz nun endlich gegeben waren, war seine dogmatische Herleitung erstaunlicherweise doch eine ganz andere: Sein gesetzlicher Anknüpfungspunkt war nicht § 47 StGB a.F., sondern § 231 StGB a.F. mit seiner solidarischen Haftpflicht bei der Buße: § 231 (1) In allen Fällen der Körperverletzung kann auf Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine an denselben zu erlegende Buße erkannt werden. (2) Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus. (3) Für diese Buße haften die zu derselben Verurteilten als Gesamtschuldner.

Carl Georg Wächter schloss aus dem Gesetzeswortlaut, dass die Verurteilten „in allen Fällen der Körperverletzung“ „als Gesamtschuldner“ haften würden. Dies führe dazu, dass, „wenn Mehrere wegen einer gemeinsam verübten Körperverletzung in Busse verurtheilt wurden, sie solidarisch für die Busse haften, ______________ 106

Carl Georg Wächter, Busse, S. 61 f. Zwar hatte Hepp, NACr 1846, 337 bereits 1846 geschrieben, dass auch „diejenigen, welche durch gemeinschaftliches culposes Wirken eine unbeabsichtigte Tötung begingen, Miturheber der That“ seien. Hierbei war er aber vom reinen Wortlaut des Miturhebers ausgegangen, der all jene umfasse, welche zusammen mit anderen ein Verbrechen verübten. Erst Carl Georg Wächter ging von der Miturheberschaft im Sinne einer Mittäterschaft aus, wie wir sie in der heutigen Zeit verstehen. 107

1. Kap.: Die historische Ermöglichung der fahrlässigen Mittäterschaft

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mögen sie den Erfolg absichtlich oder blos aus Fahrlässigkeit herbeigeführt haben.108 Mit der Erstreckung auch auf fahrlässige Körperverletzungen wendete er sich mit einer grundsätzlichen Argumentation gegen eine zum damaligen Zeitpunkt weit verbreitete Ansicht, wonach „jede Theilnahme eine Beziehung des eigenen Wollens und Thuns auf das eines Anderen, folglich ein Wissen um die Absicht des Anderen“ voraussetze und eine Erstreckung der Miturheberschaft und damit des § 231 StGB a.F. auf fahrlässige Körperverletzungen nicht möglich sei.109 Bedurft hätte es einer umfassenden Auseinandersetzung mit diesem Streitpunkt im Rahmen des § 231 StGB a.F. freilich nicht, wie sich aus dem Normcharakter ergibt: Die Norm war ausweislich des Absatzes 2 (Ausschluss eines „weiteren“ Entschädigungsanspruches) ein reiner „Entschädigungsanspruch bürgerlichrechtlicher Natur“, der nur im Rahmen des Strafverfahrens (vergleichbar dem erst 1943 eingeführten Adhäsionsverfahren) festgesetzt wurde.110 Als zivilrechtlicher Schadensersatz wollte die Norm dem Verletzten damit aber nur den ihm entstandenen Schaden von den an der Tat Beteiligten ausgleichen. Ob der Schädiger hierbei mittelbarer Täter oder Anstifter, Mittäter oder Gehilfe oder auch nur Nebentäter war, interessierte die Norm nicht – alle hafteten gleichermaßen als Gesamtschuldner.111 Dann hätte bei Fahrlässigkeitstaten eine Befriedigung des Opfers aber auch über die Annahme einer bloßen Nebentäterschaft erfolgen können – eine fahrlässige Mittäterschaft war nicht zwingend erforderlich. Carl Georg Wächter sah sich dennoch zu grundsätzlichen Erwägungen genötigt, einerseits weil er selber § 231 StGB a.F. als „Combination von Privatstrafe und Schadensersatz“ verstand112 und andererseits, da er gegen die Vielzahl der ablehnenden Literaturstimmen große Bedenken hegte und deren Ansicht als „im Widerspruche mit der Natur der Sache und mit unserem positivem Recht“ ansah.113 So stellte er die Behauptung auf, dass wenn „Mehrere mit einander handeln und dadurch eine culpose Verletzung begehen“, sich „in der That die Miturheberschaft Derjenigen nicht in Abrede ziehen“ lasse, aus deren Handlung die Verletzung gleichmäßig hervorging oder deren That ein unzertrennliches Ganze bildet, welches die Verletzung zur Folge hatte“.114 Zum Beleg der ______________ 108

Carl Georg Wächter, Busse, S. 63. So Friedrich Oskar Schwarze, StGB, S. 256, Oppenhoff, StGB, § 231 Anm. 5 und August Geyer, Holtzendorffs Handbuch III, S. 550 Fn. 7. 110 RGSt. 9, 223 (225 f.), RGSt. 15, 352 (353), RGSt. 24, 397 (398), RGSt. 31, 334 (335) und RGSt. 44, 294 (296). 111 Vgl. RGSt. 9, 223 (227) sowie LK/Hans Joachim Hirsch, 9. Aufl. 1974, § 231 Rn.6, 19. 112 Carl Georg Wächter, Busse, S. 63. 113 Carl Georg Wächter, Busse, S. 61. 114 Carl Georg Wächter, Busse, S. 61. 109

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1. Teil: Bestandsaufnahme

praktischen Auslegung des Begriffs „gemeinschaftlich“ bildete er einen inzwischen vielzitierten115 Fall, dem zu Recht ein „ewiges Leben als Schulbeispiel“116 beschieden wurde: „Wenn z.B. drei Personen einen schweren Balken ergreifen und ihn mit einander vom Dach eines Hauses auf die Straße werfen, ohne die Vorübergehenden zu warnen, und der Balken einen Vorübergehenden verletzt: so haben sie doch in der That mit einander in gleicher Weise eine culpose Körperverletzung verübt.“117 Wächter verdeutlichte damit, wie trotz einer subjektiven Tätersicht eine fahrlässige Mittäterschaft möglich ist: Er ließ es nämlich für eine Miturheberschaft generell ausreichen, wenn jemand bei einem Verbrechen in der Absicht mitwirkte, es auch als seine Tat zu begehen und die Tat der anderen in seine Berechnung mit einbezog – einen gemeinsamen Entschluss hielt er nicht für jede Mittäterschaft für erforderlich.118 Es genügte daher, wenn das Bewusstsein zur Begehung mit einem anderen auf ein sorgfaltswidriges Verhalten bezogen war, was beim gemeinsamen Herabwerfen des Balkens gegeben sei.119 Das fehlende Erfordernis eines gemeinschaftlichen Entschlusses war es, das diese Übertragung der Anforderungen ermöglichte und Wächter einen Verdienst zukommen ließ, den er selbst seinen Lesern gegenüber nicht kenntlich machte: Die erstmalige Übertragung eines zivilrechtlichen Grundsatzes aus den Pandekten (D. 59.2.11.4) ins Strafrecht. Trotz aller historischer Ansätze zur Miturheberschaft und den Bemühungen zur Vereinigung von Komplott und Raufhandel in der Lehre und der letztlich endlich geschaffenen Auslegungsmöglichkeit durch den Gesetzgeber sind die Wurzeln der fahrlässigen Mittäterschaft also (in einem veränderten Mittäterschaftsverständnis und) im alten römischen Recht zu suchen, im „berühmten Pandektenbeispiel“120. ______________ 115

Erwähnt wird er bei unter anderem im älteren Schrifttum bei Bintz, Teilnahme, S. 11, Exner, FG Frank I, 572, Schacht, Zusammenwirken, S. 3, Weinberg, Teilnahme, S. 26 und Liszt/Eberhard Schmidt, Lehrbuch I, S. 337 sowie im neueren Schrifttum bei Otto, AT, § 21 Rn. 117, ders., Jura 1990, 49, Ingeborg Puppe, GA 2004, 145, Jakobs, GA 1996, 265, Kühl, AT, § 20 Rn. 116b, Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 15 Rn. 76, Schmidhäuser, StuB AT, 10/69, Küpper, GA 1998, 526, Donatsch, SJZ 1989, 109, Schaal, Verantwortlichkeit, S. 223, Murmann, Nebentäterschaft, S. 24 und Stefan Pfeiffer, Jura 2004, 521, wobei Carl Georg Wächter jedoch fast nie als Urheber des Beispiels angegebene wird, vielmehr zumeist Exner oder auch Otto. 116 Weinberg, Teilnahme, 1904, S. 19; ähnlich Bintz, Teilnahme, S. 11: „das sich gleich einer ewigen Krankheit forterbende Beispiel“. 117 Carl Georg Wächter, Busse, S. 61. 118 Carl Georg Wächter, Strafrecht, S. 250. 119 Carl Georg Wächter, Busse, S. 61 f. 120 Weinberg, Teilnahme, S. 17.

Zweites Kapitel

Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur Dennoch hat sich die Rechtsprechung seit der Einführung des Reichsstrafgesetzbuchs gegenüber diesen Vorgaben stets unbeeindruckt gezeigt. Ausgehend von einem rein subjektiven Täter- und Mittäterschaftsverständnis war eine fahrlässige Mittäterschaft schließlich kaum denkbar, wie es die Entwicklung der Täterlehre und die Entscheidungen zu entsprechenden Sachverhaltskonstellationen in der Rechtsprechung verdeutlichen.

I. Die Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft 1. Das Urteil des Königlichen Obertribunals in Strafsachen vom 26.01.1875 Die Rechtsprechung hat sich bereits früh ausdrücklich gegen die Möglichkeit einer fahrlässigen Mittäterschaft ausgesprochen, wie bereits der Leitsatz der Grundsatzentscheidung des Königlichen Obertribunals aus dem Jahre 18751 zeigt: „Bei Fahrlässigkeitsvergehen kann von einer Mittäterschaft, Anstiftung oder Theilnahme keine Rede sein. Dagegen ist da, wo die unglückliche Folge durch das zusammentreffende fahrlässige Verhalten Mehrerer verursacht ist, Jeder [als selbständiger Täter] strafbar“. Zugrunde lag folgender Sachverhalt: A hatte dem M fahrlässigerweise die Weisung erteilt, eine Weiche umzustellen. Dieser tat es, obwohl auch er hätte erkennen können, dass es hierdurch zu einem Zusammenstoß zweier Züge kommen konnte, wie es letztlich geschah. A wandte sich gegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger Herbeiführung der Verletzungen der Fahrgäste2, da es eine Anstiftung zu einer fahrlässigen Tat nicht gebe.

Das Obertribunal wies das Rechtsmittel zurück, da sich aus den Urteilsgründen ergebe, dass die Vorinstanz die dem Mitangeklagten M gegebene Anre______________ 1 Königliches Obertribunal in: Die Rechtsprechung des Königlichen Obertribunals in Strafsachen Bd. 16 (1875), S. 76 f. Die Entscheidung wird im Streit um eine fahrlässige Mittäterschaft kaum beachtet, einzig Weinberg, Teilnahme, S. 36 erwähnt sie. 2 Aus dem Urteil ergibt sich leider nicht, ob Menschen nur verletzt oder auch getötet wurden, so dass hier nur allgemein von „Verletzungen“ gesprochen sei.

46

1. Teil: Bestandsaufnahme

gung sowie das Umstellen der Weiche durch M als jeweils selbständige fahrlässige Handlungen gewürdigt hatte, die gemeinsam den Zusammenstoß der Züge herbeigeführt hätten. Hierin sei zu Recht „ein zusammentreffendes fahrlässiges Verhalten beider Angeklagter“ gesehen worden, nicht aber – wie gerügt – ein gemeinschaftliches Ausführen einer fahrlässigen Straftat3, was letztlich der wegweisende Leitsatz belegt.

2. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts bis 1897 a) Der Täter- und Mittäterschaftsbegriff Auch unter dem Reichsstrafgesetzbuch blieb eine fahrlässige Mittäterschaft aus Sicht der Rechtsprechung undenkbar. Dies beruht maßgeblich auf der rein subjektiven Täterlehre, die das Reichsgericht seit seinem Bestehen stets verwendete. Der Grund für dieses Verständnis ist maßgeblich in der historischen Entwicklung Mitte des 19. Jahrhunderts zu sehen: Nachdem in der Naturrechtslehre am Anfang des 18. Jahrhunderts (Pufendorf und Johann Samuel Friedrich Böhmer) und in der Zeit der Aufklärung (Feuerbach, Kleinschrod, Tittmann) Täterschaft und Teilnahme noch objektiv nach der „Verschiedenartigkeit der Causalität des Handelnden für den gesetzwidrigen Erfolg“4 unterschieden wurden, setzte sich langsam die Gewissheit durch, dass eine Verschiedenheit der Kausalität nicht vorliege. Auf dieser Grundlage war eine Hinwendung zu einer subjektiven Unterscheidung nur folgerichtig.5 In der Literatur werden hierbei Köstlin und von Buri zumeist als Begründer der subjektiven Ansicht genannt.6 Obgleich beide nur den Stamm des in der Mitte des 19. Jahrhunderts schnell wachsenden Baumes „subjektive Täterlehre“ bildeten, dessen Wurzeln lange zurückreichen, hat vor allem von Buri viel für den Fortgang der subjektiven Sichtweise getan und als Reichsgerichtsrat die Anfänge der Rechtsprechung des Reichsgerichts wesentlich mitgeprägt: Auf der Grundlage von Stübel7 vertrat er die Ansicht, dass die Mitwirksamkeit des Urhebers und des Gehilfen von gleicher kausaler Bedeutung sei.8 Der

______________

3 Königliches Obertribunal in: Die Rechtsprechung des Königlichen Obertribunals in Strafsachen Bd. 16 (1875), 76 (77). 4 Feuerbach, Lehrbuch, Überschrift des § 44 (S.80). 5 Zur historischen Entwicklung Bernhard Winter, Entwicklung, S. 60 ff. 6 So beispielsweise von Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 38). 7 Dieser hatte 1828 geschrieben, dass objektiv betrachtet „auch derjenige Urheber eines Ereignisses“ sei, „in dessen Handlung nicht die allein wirkende, sondern bloß eine mitwirkende Ursache desselben liegt“ und „man jede der mehreren Handlungen, welche wirkende Ursachen des Erfolges sind, als die Ursache des ganzen Erfolges annehmen“ müsse (Stübel, Theilnahme, S. 98 ff.).

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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Unterschied könne daher nur subjektiv in der Weise bestehen, dass der Gehilfe B „den strafbaren Erfolg nur will, wenn ihn auch [Täter] A als einen strafbaren will, und ihn nicht will, wenn ihn auch A nicht will, dass er also auf den Hinzutritt seiner Wirksamkeit zu derjenigen des A nur unter der Voraussetzung reflektiert, A werde den Erfolg als einen strafbaren herbeizuführen beabsichtigen.“ Maßgeblich sei damit, dass der Gehilfe seinen Willen in das „Verhältnis der Abhängigkeit“ zu dem Willen des Täters bringe, den er als herrschenden ansehe.9 Dieses Abgrenzungskriterium prägte nachdrücklich die ersten Entscheidungen des Reichsgerichts. So hieß es etwa in der ersten Grundsatzentscheidung des Reichsgerichts zur Mittäterschaft: „Der Mittäter beteiligt sich also an der Tat als an seiner eigenen, animus auctoris, der Gehilfe als an der eines anderen.“10 Diese bis heute gültige Grundaussage wurde kurz darauf dahingehend erläutert, „dass der Gehilfe nur einen von demjenigen des Täters abhängigen Willen haben darf, er also seinen Willen denjenigen des Täters dergestalt unterwirft, dass er es ihm anheim stellt, ob die Tat ur Vollendung kommen solle oder nicht. Im Gegensatz zu diesem abhängigen Willen des Gehilfen erkennt hingegen der Mittäter einen den seinigen beherrschenden Willen nicht an.“11 Diese rein subjektive Abgrenzung erforderte für den Gehilfen, „dass er eine urheberische Wirksamkeit zu der seinigen hinzutreten“ lassen wollte, so dass er selbst keine Handlung vornehmen dürfte, die den Tatbestand allein verwirklicht.12 Hiermit wahrte die Abgrenzung die Beziehung zum objektiven Tatbestand: Wer alle Tatbestandsmerkmale in sich vereinigte, ordnete seinen Willen niemandem unter, sondern herrschte als Täter. Im Gegensatz zur weiteren Entwicklung kann dem Anfang der rein subjektiven Täterlehre also keineswegs der Vorwurf gemacht werden, sich vom Boden des Gesetzes entfernt zu haben. Bedeutsam ist daher, dass selbst bei dieser subjektiven Theorie quasi mit objektiver Bodenhaftung bereits eine fahrlässige Mittäterschaft dogmatisch ausgeschlossen war: Eine Mittäterschaft erforderte, dass die Straftat nach dem Willen des Täters unter seiner Mitwirksamkeit verwirklicht werden sollte. Wollte der Täter jedoch eine Straftat mit anderen verwirklichen, so hatte er den tatbestandlichen Erfolg in seinen Willen zwingend mit aufzunehmen.13 Jeder Wille zur ______________ 8

Buri, ZStW 2 (1882), 252 f. Buri, ZStW 2 (1882), 254. 10 RGSt. 2, 160 (163). 11 RGSt. 3, 181 (182). Auch der Bundesgerichtshof hat dieses Abhängigkeitskriterium vereinzelt aufgegriffen (etwa BGH bei Holtz, MDR 1954, 529). 12 Buri, Kausalität, S. 126; aus der Rechtsprechung: RGSt. 14, 28 (31). 13 Vgl. RGSt. 23, 196: „Die gemeinschaftliche Ausführung einer That [...] erfordert ein thatsächliches Zusammenwirken mehrerer Beteiligter, und zwar ein derartiges, dass 9

48

1. Teil: Bestandsaufnahme

gemeinschaftlichen Ausführung beinhaltete demnach den Willen zur Tat und ihren Erfolg. Die Aufnahme des Erfolges als möglicher Folge seines Tuns in den Willen des Täters kennzeichnete und kennzeichnet noch immer die Grenze, ab der die Fahrlässigkeit verlassen ist und der Eventualvorsatz beginnt.14 Und damit: Jede Mittäterschaft setzte zwingend einen Vorsatz des Mittäters voraus! Oder anders ausgedrückt: Mit ihrer rein subjektiven Täterlehre hatte die Rechtsprechung in Auslegung des § 47 StGB a.F. die Komplottlehre (mit ihrer Unanwendbarkeit auf Fahrlässigkeitsdelikten) wieder zum Leben erweckt.15

b) Das Urteil des Reichsgerichts vom 19.11.1889 Dies verdeutlicht auch die erste (indirekte) Stellungnahme des Reichsgerichts von 188916, der folgender Sachverhalt zugrunde lag: W und A hatten „einen schwer beladenen Arbeitswagen vom Hofe eines Hauses in der Potsdamerstraße zu Berlin, W ziehend, A stoßend, nach der Straße geschafft. Bei dem Überschreiten des Thorweges geriet der Wagen auf dem abschüssigen Pflaster ins Rollen und stieß gegen einen auf der Straße vorüberfahrenden Wagen der Pferdeeisenbahn. Der Scheerbaum des Arbeitswagens traf hierbei den Kutscher des Pferdeeisenbahnwagens H gegen den Hinterkopf und verursachte eine leichte Kontusion.“ A und W sind jeweils wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden. A legte hiergegen Revision ein, da der bei der Staatsanwaltschaft eingegangene Strafantrag des Verletzten sich nur gegen W gerichtet hätte.

Die fahrlässige Körperverletzung gegenüber H war nach § 232 Abs. 1 StGB a.F. – wie heute nach § 230 Abs. 1 StGB – nur auf Antrag zu verfolgen. Nach der heutigen Regelung der §§ 77 ff. StGB bezieht sich ein Strafantrag auf die gesamte prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO17 sowie auf alle an ihr Beteiligten. Er ist einzig – wenn der Verletzte dies wünscht – nach § 77b Abs. 3 StGB teilbar und beschränkbar auf bestimmte Taten oder Personen18. Früher führte ein Strafantrag demgegenüber nach § 63 S. 2 StGB a.F. zu einer Strafverfolgung „gegen sämmtliche an der Handlung Betheiligte (Thäter und Theilnahmer), sowie den Begünstiger, auch wenn nur gegen eine dieser Personen auf ______________

der gesamte Tatbestand in ihren Willen aufgenommen ist, dass sie die zusammenwirkende Thätigkeit gewollt haben.“ 14 RGSt. 26, 242 (243). 15 Bindokat, JZ 1979, 435. 16 RGSt. 20, 54 ff. 17 BGHSt. 33, 114 (116), KG, JR 1956, 352 (353) und Tröndle/Fischer, § 77 Rn. 27. 18 Vgl. nur BGHSt. 19, 320 (321), bei der die entführte Frau den Strafantrag beschränkte auf „den Mann, der mich im Wagen unsittlich berührte”. Siehe auch MeyerGoßner, § 158 Rn. 19 ff.

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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Bestrafung angetragen worden ist.“ Diese frühere Unteilbarkeit des Strafantrags sollte die Verfolgung der an der Tat Beteiligten nicht ins Belieben des Verletzten stellen. Eine Bestrafung des A war somit nur möglich, wenn sich der Strafantrag gegen W auch auf ihn bezog, er also ein „Beteiligter“ an der Handlung war. Auf den Vorwurf des A, er sei kein Mittäter und damit kein Beteiligter gewesen, ging das Reichsgericht nicht ein. Es begründete die Zurückweisung der Revision vielmehr unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte damit, dass dem Klammerzusatz „(Thäter und Theilnehmer)“ eine Beschränkung auf die Mittäterschaft (§ 47 StGB a.F.), Anstiftung (§ 48 StGB a.F.) und Beihilfe (§ 49 StGB a.F.) nicht zu erkennen sei. § 63 StGB a.F. erfasse mit dem „Beteiligten“ damit auch „diejenigen Fälle, in welchen mehrere Personen ohne den zur Teilnahme (im Sinne der §§ 47 – 49) erforderlichen Vorsatz durch ihr Zusammenwirken den gesetzwidrigen Erfolg herbeiführen“19. Eine derartige Interpretation war unausweichlich, da das Gericht eine fahrlässige Mittäterschaft stillschweigend abgelehnt und eine Nebentäterschaft angenommen hatte, aber dennoch wohl bestrebt war, beide Täter zu bestrafen.20 An dieser Entscheidung zeigt sich damit bereits zweierlei: zum einen die tendenzielle Ablehnung einer fahrlässigen Mittäterschaft durch das Reichsgericht und zum anderen bereits ihr Bemühen, in diesen Fällen durch Hilfsüberlegungen doch eine Strafbarkeit herbeizuführen.

3. Die Rechtsprechung zur Zeit der „Interessentheorie“ von 1898 bis 1974 a) Der Täter- und Mittäterschaftsbegriff Der dogmatische Widerspruch zwischen der Täterlehre der Rechtsprechung und einer fahrlässigen Mittäterschaft vertiefte sich mit dem Übergang zur strengsten Form der Animus-Lehre, der sogenannten „Interessentheorie“21, der mit einer wenig beachteten22 Entscheidung aus dem Jahre 1898 eingeleitet wurde: Das Reichsgericht entschied, dass ein Vollstreckungsschuldner mittelbarer Täter eines Verstrickungsbruchs sei, obwohl seine Ehefrau die tatbestandliche Wegnahmehandlung ausführte, da eine mittelbare Täterschaft auch möglich sei, wenn „der andere bewusst rechtswidrig handelt, aber doch des selb______________ 19

RGSt. 20, 54 (55); ebenso RGSt. 49, 432 (433). Vgl. zu dieser rechtlichen Bewertung Weinberg, Teilnahme, S. 20 und Sung-Ryong, Analyse, S. 20. 21 Vgl. Roxin, AT II, § 25 Rn. 19. 22 Vgl. die Nachweise bei Sax, JZ 1963, 333 Fn. 38. 20

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1. Teil: Bestandsaufnahme

ständigen Täterwillens entbehrt“.23 Nicht mehr die Willensunterordnung, sondern der „Grad des eigenen Interesses am Erfolg“ sollte „vornehmlich“ entscheiden, ob jemand die Tat als eigene wolle oder nicht.24 Dies fand seinen Höhepunkt in der „Badewannen-Entscheidung“, der äußersten Konsequenz der subjektiven Theorie: A hatte das neugeborene Kind ihrer Schwester mit deren Einwilligung nach der Geburt in der Badewanne ertränkt und wurde dennoch nur als Gehilfe angesehen, da sie kein eigenes Interesse am Erfolg und damit keinen Täterwillen gehabt habe.25 Obgleich diese Entscheidung „absolut ergebnisorientiert“ war26, blieb auch der Bundesgerichtshof nach einem kurzen Lichtblick27 auf dieser Linie. Dies verdeutlichte nicht zuletzt die „Stachynskij-Entscheidung“, in der er den die Tötung zweier russischer Emigranten auf Befehl des Ministeriums für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR eigenhändig ausführenden Killer nur als Gehilfen bestrafte.28 So diagnostizierte Schwalm im Rahmen der Verhandlungen zur Großen Strafrechtsreform 1955 zu Recht: „Auch die Senate des BGH arbeiten mit der animus-Formel, überwiegend auch mit der Konsequenz, dass bei voller Verwirklichung des Tatbestandes in eigener Person, wenn nur ein animus socii dahinterstehe, eine Gehilfenschaft und keine Täterschaft bestehe. Das ist ein Faktum, mit dem wir zu rechnen haben.“29 Entstanden war das „systematisches Dach“30 der Urheberschaft, unter dem Täterschaft wie Teilnahme vereinigt wurden als zwei nebeneinander stehende Unterformen, unterschieden einzig durch die subjektive Einstellung. Die bereits 1871 abgeschaffte Urheberlehre31 war so verdeckt wieder eingeführt worden ______________ 23 RGSt. 31, 80 (82); ebenso RGSt. 44, 69 (71), wonach eine mittelbare Täterschaft trotz eigenhändiger Tatausführung eines voll Verantwortlichen in Betracht komme, wenn dieser „aus subjektiven Gründen nicht als Täter verurteilt werden kann“, weil er ohne Täterwillen handelte. 24 RGSt. 74, 84 (85). 25 RGSt. 74, 84 (85). 26 Hartung, JZ 1954, 430 hatte das Beratungsgeheimnis gelüftet und klargestellt, dass es dem Senat nur darum ging, die Todesstrafe für die Schwester der Kindesmutter zu vermeiden. Roxin, BGH-Wiss-FG IV, 181 spricht in diesem Zusammenhang gar von einem „Rechtsprechungsnotstand“. 27 In BGHSt. 8, 70 ff. hatte der Bundesgerichtshof die Tatbestandsverwirklichung als „ein erhebliches Beweisanzeichen“ bezeichnet und sich in seinem Leitsatz ausdrücklich gegen das Urteil im Badewannen-Fall gestellt. In die gleiche Richtung ging das Urteil BGHSt. 11, 268 (272): Mittäterschaft, weil „auch [...] an der Tatherrschaft beteiligt“; ähnlich auch BGHSt. 14, 123 (124) sowie BGHSt. 16, 12 (15). 28 BGHSt. 18, 87. 29 Schwalm, Niederschriften II, S. 89. 30 Sax, JZ 1963, 334. 31 Hierzu Theodor Reihold Schütze, Teilnahme, S. 21 ff. und Sax, JZ 1963, 333 Fn. 35.

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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und der Täterbegriff der Rechtsprechung endgültig von der gesetzgeberischen und naturalistischen Grundform – Täter ist, wer die Tat ausführt – abgelöst. Er wurde zur verfassungsrechtlich bedenklichen Möglichkeit, „Täterschaft und Teilnahme zu beliebig austauschbaren Begriffen zu machen“32, zu einer Art „Zauberformel“33: Abrakadabra – und an der Tötung unzähliger Juden waren in der NS-Zeit beteiligt: „Ein Täter und 60 Millionen Gehilfen“34. Grundlage der Entwicklung war neben gewünschten Ergebnissen ein kleiner Denkfehler: Wer eine Tat im eigenen Interesse vollführt, ordnet seinen Willen niemandem unter, sondern maßt sich über den betätigten Willen des Täters die Begehung der Tathandlung zu.35 Diese Formel ist aber gerade nicht umkehrbar, d. h. wer nicht im eigenen Interesse tätig wird, ist dadurch nicht notwendig Gehilfe, da sein Wille dennoch – vor allem wenn er die Tat eigenhändig vollführt – herrschend bleibt. Dennoch hat sich die Rechtsprechung hierzu entwickelt, weg vom unschuldigen (weil mit dem Gesetz noch zu vereinbarenden) subjektiven Kind hin zu einer umfassenden, vom Gesetz gelösten reinen Interessenabwägung. Diese Ablösung der subjektiven Sicht von objektiven Erfordernissen änderte am Mittäterschaftsverständnis des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs in seinen Anfängen wenig. Maßgeblich blieb die „innere Willensrichtung“ der Beteiligten36: „Jeder von ihnen muss seine eigene Tätigkeit durch die Handlungen des oder der Genossen vervollständigen und durch dieses Zusammenwirken den ganzen Erfolg der Tat herbeiführen wollen.“37 Hieran fehlt es gerade bei fahrlässigen Delikten, so dass eine fahrlässige Mittäterschaft weiterhin unmöglich blieb.

b) Urteil des Reichsgerichts vom 14.06.1927 Zweifel hieran konnte hegen, wer sich eine missverständliche Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 192738 besah: ______________ 32 Wessels/Beulke, AT, Rn. 515. Erstaunlich ist auch die selbstkritische Äußerung in BGH, JR 1955, 304 (305), wonach die Formulierung, eine Tat „als eigene“ zu wollen, eine „missverständliche Wendung“ sei, da diese „Willensrichtung keine innere Tatsache“ darstelle, „die der Tatrichter bindend feststellen“ könne. 33 Eduard Dreher, NJW 1970, 217 f. 34 Vgl. Jürgen Baumann, NJW 1963, 561. 35 Buri, ZStW 2 (1882), 261 und Buri, GS 19, 280. 36 BGHSt. 6, 248 (250), BGHSt. 14, 123 (129) sowie BGHSt. 14, 123 (129). 37 BGH, JR 1955, 304 (305). 38 RGSt. 61, 318 ff.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

Die beiden Angeklagten waren Inhaber einer Fabrik, die im Dachgeschoss eines Lagerhauses eine Wohnung erstellt hatten. Diese ließen sie von der Familie M beziehen, obwohl die hierfür notwendige ordnungsrechtliche Genehmigung nicht vorlag und wegen der bestehenden Feuergefährlichkeit auch nicht erfolgt wäre. Die Familienmitglieder kamen zu Tode, nachdem vermutlich ein Dritter fahrlässig oder vorsätzlich einen Brand in dem Lagerhaus verursacht hatte, da Sicherheitsvorkehrungen und mögliche Fluchtwege nicht bestanden. Gegen ihre Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung hatten die Angeklagten vorgebracht, der Ursachenzusammenhang sei durch die Brandverursachung eines Dritten bzw. den Bezug der Wohnung auf eigenes Risiko unterbrochen worden.

Dem folgte das Reichsgericht nicht und führte aus, dass „die Angeklagten durch ihr Verhalten – der Schaffung einer gefahrbedrohenden Lage – eine Ursache für den rechtswidrigen Erfolg gesetzt haben“, ohne die es nicht zum Brand und damit zum Tod der Familienmitglieder gekommen wäre, der von den Angeklagten in Gang gesetzte Ursachenverlauf also fortgewirkt hätte.39 Da „die Angeklagten [...] den konkreten Ursachenverlauf bei Anwendung der gebotenen und ihnen möglichen Aufmerksamkeit [hätten] vorhersehen können“ und sie aufgrund ihrer eigenen Pflichtwidrigkeit sich nicht darauf berufen könnten, dass die Familie das Risiko der eigenen Verletzung und Tötung erfasst und selbst übernommen hätte, hätte auch ein „Verschulden der Angeklagten“ vorgelegen.40 Eine derartige Bejahung der Strafbarkeit trotz möglicher eigenverantwortlicher Selbstgefährdung ist jedoch nicht nur zweifelhaft.41 Das Reichsgericht ließ auch zwei grundlegende Fragen unbeantwortet: Einerseits klärte es nicht, wer die Wohnung unmittelbar erstellte und ob dies auf Veranlassung einer oder beider Angeklagten geschah (Frage der vertikalen Zurechnung im Unternehmen42). Zum anderen ließ das Gericht auch das Verhältnis der Handlungen der beiden Angeklagten zueinander im Unklaren. Es sprach nur davon, dass beide Angeklagte „einen“ Ursachenverlauf geschaffen hätten, nicht jeweils einen und dass beide den Erfolg hätten vorhersehen können, nicht aber dass sie ihn jeweils (jeder für sich) hätten vorhersehen können. Diese gemeinsame Fahrlässigkeitsprüfung bei jedem Punkt, selbst beim Verschulden (!) lässt den Ein______________ 39

RGSt. 61, 318 (319 f.). RGSt. 61, 318 (321 f.). 41 Kritisch vor allem Köhler, JW 1927, 2804 f. in seiner Urteilsanmerkung (Abweichung von „der Auffassung des täglichen Lebens“: „Diese Auffassung hätte zur Folge, dass derjenige, welcher einen Fallschirm konstruiert, dessen nicht unbedingte Zuverlässigkeit ihm und dem Piloten nicht unverborgen bleibt, wegen vorsätzlicher Tötung zu strafen wäre, wenn der Pilot den Sprung gleichwohl wagen will, aber dabei tödlich abstürzt.“) , auch wenn er noch auf der Ebene der Kausalität argumentiert, statt auf jener der objektiven Zurechnung. 42 Hierzu ausführlich unten Dritter Hauptteil, Sechstes Kapitel, I, 1. 40

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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druck entstehen, das Gericht hätte die Fabrikinhaber als eine Person behandelt, als „imaginäre Kollektivperson“, wie die Mittäterschaft in der Literatur teilweise verstanden wird.43 Auf der anderen Seite ist dies aber nicht unbedingt zwingend, kann das Gericht doch auch von einer Nebentäterschaft ausgegangen sein und die Angeklagten nur wegen vergleichbarer Maßstäbe zusammen behandelt haben. Dies würde von einem Selbstverständnis der Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft zollen, das vor dem Hintergrund der subjektiven Täterlehre nur allzu verständlich wäre.

c) Urteil des Reichsgerichts vom 31.08.1940 Diese letzte Interpretation bestätigte sich 1940 mit der ersten ausdrücklichen Stellungnahme des Reichsgerichts zur fahrlässigen Mittäterschaft44: Die drei Angeklagten waren für die Wartung eines Schleppers zuständig. Dennoch unterließen sie notwendige Arbeiten und ließen das Schiff bei schlechten Witterungsbedingungen auslaufen. Der Schlepper sank und die Besatzung kam ums Leben. Ob hierbei ein Verschulden des Kapitäns mitgewirkt hatte, wie die Angeklagten es behaupteten, ließ sich nicht mehr feststellen.

Das Reichsgericht bestätigte einerseits die Verurteilungen durch das Landgericht Hamburg wegen fahrlässiger Gefährdung der Schifffahrt nach den mit der Strafrechtsnovelle vom 28.06.193545 geänderten §§ 315, 316 StGB a.F.46, dem

______________ 43

In diesem Sinne deuten die Mittäterschaft etwa Jakobs, AT, 22/19, Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 49 Rn. 12, Seelmann, Verantwortung, S. 9 sowie Renzikowski, Täterbegriff, S. 101. Hierzu ausführlich unten Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, II, 3, i. 44 RGSt. 74, 273 ff. = DR 1940, 2061. 45 RGBl. 1935 I, S. 839. 46 Diese lauteten: § 315. (1) Wer die Sicherheit des Betriebs einer Eisenbahn oder Schwebebahn, der Schiffahrt oder der Luftfahrt durch Beschädigen, Zerstören oder Beseitigen von Anlagen oder Beförderungsmitteln, durch Bereiten von Hindernissen, durch falsche Zeichen oder Signale oder durch ähnliche Eingriffe oder durch eine an Gefährlichkeit einem solchen Eingriff gleichkommende pflichtwidrige Unterlassung beeinträchtigt und dadurch eine Gemeingefahr herbeiführt, wird [...] bestraft. [...] (3) Gemeingefahr bedeutet eine Gefahr für Leib oder Leben, sei es auch nur eines einzelnen Menschen, oder für bedeutende Sachwerte, die in fremdem Eigentum stehen oder deren Vernichtung gegen das Gemeinwohl verstößt. § 316. (1) Wer fahrlässig eine der in § 315 Abs.1 bezeichneten Taten begeht, wird [...] bestraft. [...]

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1. Teil: Bestandsaufnahme

Herzstück der Entscheidung, das auch einzig in der Amtlichen Sammlung abgedruckt ist.47 Zum anderen nahm es aber auch an, dass die Unterlassungen der Angeklagten für den Tod der Besatzungsmitglieder jeweils ursächlich gewesen seien, da sie nicht hinzugedacht werden könnten, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele. Ein eventuelles schuldhaftes Verhalten des Kapitäns hätte hieran nichts geändert, da der Ursachenzusammenhang selbst beim vorsätzlichen Verhalten Dritter nur dann unterbrochen würde, „wenn infolge dieses vorsätzlichen Handelns der Erfolg überhaupt nicht mehr auf das Tun des Täters zurückzuführen ist“48, also fortwirke. Überraschend heißt es dann sogar als Folgerung: „Deshalb hat das LG ohne erkennbaren Rechtsirrtum annehmen können, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines jeden der Angekl. weder durch das Mitverschulden eines der Mitangekl. noch durch das Verhalten des Kapitäns Z. ausgeschlossen wird.“ Hiermit nimmt die Rechtsprechung erstmals Stellung zur fragwürdigen Kausalität bei der Verpflichtung mehrerer zu sorgfaltsgemäßem Verhalten. Zumindest für den Bereich des Unterlassens wird eine Ursächlichkeit eines jeden bejaht, auch wenn das Argument der fehlenden Unterbrechung des Kausalverlaufs wenig überzeugend ist. Durchschlagender wäre hier eher das Argument des Bundesgerichtshofs im Politbüro-Urteil gewesen: Die Beurteilung der „Quasi-Kausalität“ erfolge nach normativen Kriterien. Eine derartige müsse dann aber von einem rechtmäßigen Verhalten der anderen Garanten ausgehen, insoweit das Recht von der Befolgung seiner Regeln auszugehen habe.49 Diese Kausalitätsproblematik hatte das Landgericht Hamburg noch damit zu umgehen versucht, dass es die Angeklagten „des gemeinschaftlichen fahrlässi______________ 47

Die Angeklagten hatten vorgebracht, eine Verurteilung setze die Beeinträchtigung der Sicherheit der „Schifffahrt“ im Ganzen voraus. Hiergegen sprach jedoch zweierlei: Zum einen verdeutlichte die Amtliche Begründung den Schutz jedes einzeln aufgeführten Beförderungsmittels; zum anderen umfasste bereits die Fassung des alten § 323 StGB a.F. das „Stranden eines Schiffes“ und dieser Schutzbereich sollte durch die Gesetzesänderung nicht eingeschränkt, sondern sogar noch ausgeweitet werden (vgl. RGSt. 74, 273 (273 f.); hierzu Hans Wolfgang Schmidt, NJW 1963, 1861 ff.). Nach heutigem Recht wäre im Verhalten der Angeklagten ein gefährlicher Eingriff im Sinne des § 315 Abs. 1 Nr. 4, VI, 13 Abs. 1 StGB zu erblicken, insoweit die Unterlassung notwendiger Reparaturen bei einer entsprechenden Verpflichtung einen ebenso gefährlichen Eingriff darstellt – vgl. OLG Hamburg, NZV 1997, 237, SK/Horn, StGB, § 315 Rn.8; § 315b Rn.15 und Lackner/Kühl, § 315 Rn.6; aA hingegen Tröndle/Fischer, § 315 Rn. 12 mit der Annahme einer Beschädigung (Nr. 1) durch Unterlassen. 48 RG, DR 1940, 2061, insoweit in RGSt. 74, 273 ff. nicht abgedruckt. Vgl. zu einem derartigen „anknüpfenden Verhalten eines Dritten“: RGSt. 69, 44 (47), BGHSt. 4, 360 (361 f.) sowie BGH, NJW 2001, 1802 (1804). 49 BGH, JZ 2003, 575 (580 f.) nach Sofos, Mehrfachkausalität, S. 263.

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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gen Handelns“ für schuldig sprach und damit wegen einer fahrlässigen Mittäterschaft.50 Hierauf hatte das Reichsgericht (endlich eindeutig) klargestellt: „Das ist rechtlich verfehlt, zu einem ,gemeinschaftlichen‘ Tun oder Unterlassen (§ 47 StGB) gehört ein b e w u s s t e s und g e w o l l t e s (also vorsätzliches) Bewirken der tatbestandsmäßigen Handlung. Fahrlässiges Handeln mehrerer kann nicht in diesem Sinne gemeinschaftlich sein.“51

d) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.10.1958 Dieser Sichtweise folgte der Bundesgerichtshof erstmals mit einer erstaunlicherweise in der Literatur wenig beachteten Entscheidung52: Der Angeklagte K war als Fahrdienstleiter-Beihilfe (sog. Zugmelder) bei der Deutschen Bundesbahn beschäftigt. Eines Tags kam es bei Nebel zu Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Zugverkehrs und die Züge NT 3780 und P 1414 stießen – mit entsprechenden Personenschäden verbunden – zusammen. Ein strafrechtlicher Vorwurf wurde nicht nur dem die Dienstgeschäfte führenden Zugdienstleiter L gemacht, sondern auch dem K. Dieser hätte, nachdem er um 7.01 Uhr die Rückblockung des Zuges NT 3780 wahrgenommen hatte, den L darauf hinweisen müssen, dass P 1414 jetzt ausfahren könnte. Die Anwesenheit dieses Zuges auf Gleis 2 hätte er wie L aus dem Zugmeldebuch erkennen können, so dass sich ihm die Notwendigkeit einer Erinnerung des Fahrdienstleiters förmlich hätte aufdrängen müssen. Seine Pflicht, den Fahrdienstleiter durch „Beobachtung, Mithören und Mitdenken“ zu kontrollieren und über entgangene Tatsachen zu informieren, hätte sich aus den entsprechenden Fahrdienstvorschriften (FV) ergeben, nach denen Fahrdienstleiter und FahrdienstleiterBeihilfe nicht getrennt nebeneinander arbeiten, sondern die ineinander übergreifende Tätigkeiten ausübten und sich gegenseitig zu ergänzen hätten. Insbesondere nach § 2 Abs. 2 S. 3 FV hätten die im Betriebsdienst tätigen Beamten mit vereinten Kräften dahingehend zu streben, Unregelmäßigkeiten hintan zu halten.

Diese Rechtsansicht des Landgerichts teilte der Bundesgerichtshof nicht. Zwar handele es sich bei den Fahrdienstvorschriften nicht um Rechtsvorschriften im Sinne des § 337 Abs. 2 StPO, auf deren Verletzung eine Revision gestützt werden könnte. Das Revisionsgericht sei aber nur insoweit an die Auslegung des Landgerichts gebunden, wie die Auslegung nicht selbst gegen Verfah______________ 50

Wiedergabe des Urteilssatzes bei RG, DR 1940, 2061. RG, DR 1940, 2061 (Hervorhebung bereits durch das Gericht), insoweit in RGSt. 74, 273 ff. nicht abgedruckt. 52 Der Sachverhalt ist aus den Entscheidungsgründen rekonstruiert worden, da er in VRS 16 (1959), 53 ff. nicht abgedruckt ist. 51

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1. Teil: Bestandsaufnahme

rensrecht oder anerkannte Auslegungsgrundsätze verstoße.53 So hätte das Landgericht § 2 Abs. 2 S. 3 FV zur ergänzenden Auslegung nur insoweit berücksichtigen dürfen, als es Sinn und Zweck der Aufgabenteilung zwischen dem Fahrdienstleiter und der Fahrdienstleiter-Beihilfe zulassen würden. Hierbei hätte es erwägen müssen, ob der dreistündige Wechsel der Dienstgeschäfte zwischen Fahrdienstleiter und Fahrdienstleiter-Beihilfe nicht gerade bezweckte, diesen im Hinblick auf die vorhergehende oder nachfolgende besonders anstrengende und verantwortungsreiche Tätigkeit als Fahrdienstleiter zu entlasten.54 An einer derart weiten „Unterstützungspflicht“ sei daher zu zweifeln. Oder dogmatisch: K habe keine Garantenstellung dafür besessen, den Fahrdienstleiter zu überwachen. Interessanter als diese Unterlassungsfrage ist jedoch das Verhältnis der Tatbeiträge von L und – eine Strafbarkeit vorausgesetzt – K, zu dem es kurz feststellend heißt: „Bei Fahrlässigkeitstaten kommt keine Mittäterschaft (§ 47 StGB), wohl aber Nebentäterschaft in Betracht“55.

e) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.04.1960 Dieser nur am Rande erfolgten Äußerung des Bundesgerichtshofes folgte zwei Jahre später die Entscheidung, die im Schrifttum mehr Beachtung fand und gar (wie dargelegt: fälschlicherweise) als einzige ausdrückliche Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft gilt56. Im siebten Leitsatz heißt es: „Eine Teilnahme im Sinne eines einverständlichen Zusammenwirkens mehrerer in der Form der Mittäterschaft oder der Beihilfe gibt es bei der Fahrlässigkeitstat nicht; daher ist jeder, der schuldhaft zum Erfolgseintritt beigetragen hat, als selbständiger Täter (sog. Nebentäter) zu bestrafen.“57 Zugrunde lag folgender Sachverhalt: K, G, H und P traten „nach dem Genuss von Alkohol auf dem nur für zwei Personen zugelassenen Motorroller des Angekl. K eine Fahrt von R nach W an. Die Vier hatten wie folgt Platz genommen: H kauerte sich unmittelbar hinter der Lenkstange auf den ,Mitteltunnel‘ des Motorrollers, indem er sich am oberen Rand des vorderen Schutzbleches festhielt; hinter ihm saßen auf dem durchgehenden, 60 cm langen Sitz K (als Fahrer des Rollers), G und P, dieser am hinteren Rande der Sitzfläche. Damit alle auf ______________ 53

Vgl. hierzu BGHSt. 31, 314 (316). BGH, VRS 16 (1959), 53 (55). 55 BGH bei Martin, DAR 1959, 67, insoweit in VRS 16 (1959), 53 ff. nicht abgedruckt. 56 So Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 75; vgl. auch Tröndle/Fischer, § 25 Rn. 5a. 57 BGH, VRS 18 (1960), 415 (416). 54

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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dem Roller Platz fanden, rückten die Angekl. und P einverständlich so eng wie nur möglich zusammen; soweit sie nicht Halt an der Lenkstange (K) oder am vorderen Schutzblech (H) fanden, hielt sich einer am anderen fest.“ Sie nahmen hierbei nur deshalb zu viert auf dem Motorroller Platz, „weil sie wegen der vorgerückten Stunde so schnell und bequem wie möglich nach Hause kommen wollten. Eine der Abfahrt vorausgegangene Auseinandersetzung mit drei Burschen von R hatte damit geendet, dass K einen von ihnen zu Boden geworfen und getreten hatte, worauf dieser ,aufgab‘. Die Angekl. befanden sich also nicht auf der Flucht vor drohender Gefahr“, als K mit etwa 40 km/h dem Dorfausgang von R zufuhr. „Dort kam ihm ein Lkw entgegen. Als er diesem, angeblich geblendet, nach rechts auswich, rutschte der Motorroller infolge der Überbesetzung58 seitlich ab. K verlor die Herrschaft über das Fahrzeug, so dass die vier auf die Straße stürzten, der ganz hinten sitzende P zuerst und am heftigsten. Außer K wurden alle verletzt, P so schwer, dass er [vier Tage später] starb.“

Bei genauem Studium des Sachverhalts fällt die Ausführlichkeit zur Feststellung der Gründe für das Fahren zu Viert auf. Dem lag eine erfolgreiche Revision gegen ein erstes Landgerichtsurteil zugrunde, in dem der Bundesgerichtshof die Annahme eines entschuldigenden Notstandes wegen einer Flucht vor den Burschen nicht ausgeschlossen und Teile des Urteils aufgehoben hatte.59 Aufgrund der neuerlichen Feststellungen war K vom Landgericht wegen Überladung eines Kraftfahrzeugs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung und G und H jeweils wegen Beihilfe zur Überladung eines Kraftfahrzeugs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung verurteilt worden. Die Verurteilung des Fahrers K wegen fahrlässiger Tötung begegnete wegen seiner Eigenschaft als Fahrer des Rollers und der hiermit verbundenen Pflicht, sich um die Sicherheit seiner Mitfahrer zu bemühen, bereits in der ersten Revisionsentscheidung keinerlei Bedenken. Gegen ihre Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung hatten sich indes die anderen Mitfahrer, allen voran der Angeklagte G gewandt. Er hatte vorgebracht, bereits auf dem Roller gewesen zu sein, als K die anderen mitnahm, so dass ihm einzig ein Unterlassen vorgeworfen werden könnte, bei dem es aber an der Rechtspflicht gefehlt hätte. Diese Bedenken, die der Bundesgerichtshof anfangs noch hatte60, räumte das Landgericht in seinem zweiten Urteil damit aus, dass G wie die anderen Angeklagten aufgerückt wäre und es P so ermöglichte, an der Fahrt teilnehmen zu können. Hier-

______________ 58

Hierzu wurde festgestellt: „Das Eigengewicht des Rollers betrug 130 kg, die zulässige Belastung 165 kg, das zulässige Gesamtgewicht also 295 kg. P wog 90 kg; das Gewicht der drei Angekl. hat das LG mit je 65 kg angesetzt“ (BGH, VRS 18 (1960), 415 (416)). 59 BGH, VRS 17 (1959), 277 ff. Hierzu zählte auch die Verurteilung eines jeden Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung, da durch die Mitfahrt ein jeder in die eigene Körperverletzung als mögliche Folge des erkennbar gefährlichen Verhaltens eingewilligt hätte. 60 BGH, VRS 17 (1959), 277 (278).

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1. Teil: Bestandsaufnahme

durch wird die Argumentation des Landgerichts deutlich: Den Mitfahrern wurde vorgeworfen, dass sie „einverständlich“61 und – nachdem sie sich „stillschweigend einigten“ – „durch die festgestellte Art der Benutzung des Motorrollers ,nach Art von Mittätern‘ einen Zustand der Gefahr für (sich und) die anderen Mitfahrenden begründeten“.62 Das „gemeinschaftliche Platznehmen“ hätte durch die sich ihnen aufdrängende Gewichtsüberlastung dazu geführt, dass K die Herrschaft über den Roller verlor und P zu Tode kam. Hiergegen hatte die Revision vorgebracht, es sei ein „unlösbarer Widerspruch“, dass die Mitfahrer mit diesen Begründungen „nach Mittäterart“ hinsichtlich der fahrlässigen Tötung für schuldig gesprochen wurden, gleichzeitig aber nur wegen Beihilfe zur Überladung eines Kraftfahrzeugs. Dies wies der Bundesgerichtshof zurück „Die Darlegung, die Angekl. hätten durch ihr gemeinschaftliches Platznehmen und Mitfahren auf dem Motorroller nach Art von Mittätern, nämlich gemeinsam und bewusst und gewollt, einen Zustand der Gefahr begründet, der schließlich zum Tode P’s führte, bezieht sich auf das Vergehen nach § 26 Nr.3 StVG [a.F.]63; dieses haben die Angekl. vorsätzlich begangen, K als Führer des Kraftfahrzeugs in (eigenhändiger) Täterschaft, G und H als Gehilfen. Damit ist die tateinheitliche Verurteilung aller drei Angekl. als Täter der an P begangenen fahrlässigen Tötung durchaus vereinbar. Der Fahrlässigkeitsvorwurf stützt sich darauf, dass jeder der Angekl. an der als unerlaubt und gefährlich erkannten Fahrt ,in der fahrlässigen Hoffnung‘ teilnahm, ,es werde schon nichts geschehen‘.“64 Schließlich gipfelt die Argumentation in den vorangestellten Leitsatz, dass alle Angeklagten bezüglich der Fahrlässigkeitstat Nebentäter seien.65

4. Die Rechtsprechung seit 1975 Mit dem 2. Strafrechtsreformgesetz vom 13.7.1973 hatte der Gesetzgeber dann zum 1.1.1975 durch die Klarstellung in § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB – Täter sei, wer die Tat selbst begeht – der streng-subjektiven Theorie in begrüßens______________ 61

BGH, VRS 18 (1960), 415 (416) im Rahmen des Tatbestandes. BGH, VRS 18 (1960), 415 (419). 63 Heute ist dies eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 24 StVG i.V.m. §§ 49 Abs. 1 Nr. 20 und 22, 21 Abs. 1 Nr. 1, 23 Abs. 1 S.2 StVO, so dass es diesbezüglich auf § 14 OWiG ankäme. 64 BGH, VRS 18 (1960), 415 (421). 65 Ob dies dogmatisch aufrechterhalten werden kann, soll hier bei der grundsätzlichen Meinungsübersicht der älteren Rechtsprechung noch nicht, sondern erst an späterer Stelle erörtert werden. 62

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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werter Weise den Boden entzogen.66 Es bedurfte so einer Rückbesinnung auf den objektiven Boden des Tatbestandes. Eine derartige führte dennoch nicht dazu, dass die Rechtsprechung einer fahrlässigen Mittäterschaft dogmatisch näher kam, da sich vor allem in der Grundhaltung zum Täterbegriff nur wenig änderte:

a) Der „wertende“ Täter- und Mittäterschaftsbegriff So versucht der Bundesgerichtshof die gesetzlich notwendige Einbeziehung objektiver Aspekte bis heute dadurch zu erreichen, dass er zwar im Grundsatz noch immer von der subjektiven Willensrichtung des Täters ausgeht. Im Rahmen einer umfassenden, der Revisionskontrolle weitgehend entzogenen67 wertenden Betrachtung bezieht er dann aber zugleich nicht nur den Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, sondern auch die objektiven Aspekte des Umfangs der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft bzw. den Willen zur Tatherrschaft mit ein68 (sog. „normative Kombinationslehre“ bzw. „eingeschränktsubjektive Animus-Theorie“69). Trotz einer mehr objektiven Ausrichtung ermöglicht die Weite dieser wertenden Betrachtung aber (leider) noch immer Entscheidungen auf rein subjektiver Basis, die objektive Aspekte nur sporadisch mit beinhalten, wie vereinzelte „Rückfälle“ in der Rechtsprechung belegen. 70 Diese verbliebene subjektive Prägung verdeutlicht sich auch weiterhin im Mittäterschaftsbegriff: Mittäter ist, wer aufgrund eines gemeinsamen Tatplans ______________ 66 Ebenso Roxin, TuT, S. 548, ders., JuS 1973, 335, SK-StGB/Hoyer, § 25 Rn. 30 sowie Herzberg, ZStW 99 (1987), 52 f. Vgl. hierzu auch die Begründung zum Entwurf von 1962, BT-Ds. IV/650, S. 147: „Diese begriffliche Bestimmung macht deutlich, dass, wer die Tat selbst begeht [...], stets Täter ist, und nicht etwa wegen fehlenden Täterwillens Teilnehmer sein kann, wie in der Rechtsprechung früher bisweilen angenommen wurde.“ 67 BGH, StV 1998, 540 und BGH, NStZ-RR 2002, 74. 68 Vgl. BGH, StV 1983, 501, BGH, NStZ 1990, 130, BGH, StV 1998, 540, BGH, NStZ-RR 2001, 148, BGH, NStZ 2002, 200 (201), BGH, NStZ 2003, 253 (254) und jüngst BGH, NStZ-RR 2005, 71. 69 Zur Begrifflichkeit: Geppert, JK 95, § 25 II/10. 70 Vgl. nur BGH, NStZ 1995, 122 mit krit. Anm. Geppert, JK 95, § 25 II/10. Trotz der Annäherung der subjektiven an die objektive Sicht der Rechtsprechung ist der Streit um den Täterbegriff daher noch weit entfernt, als „überholt“ zu gelten (so aber Küpper, GA 1986, 449; ähnlich Küpper, Grenzen, S. 138 und Seelmann, JuS 1980, 572). Gefolgt werden kann auch nicht Roxin, BGH-Wiss-FG IV, 184, nach deren Ansicht das Abstellen auf die „innere Willensrichtung“ nur noch terminologischer Natur sei, um eine Anrufung des Großen Senats zu vermeiden.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

nach seiner Willensrichtung „nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint“71. Die hierzu vorzunehmende wertende Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände bezieht zwar auch die genannten objektiven Aspekte mit ein, aber nur, sofern diese auch von der Vorstellung des jeweiligen Beteiligten umfasst sind.72 Es bleibt damit nach wie vor bei der Mittäterschaft als einer gemeinsamen Tatausführung „auf der Grundlage gemeinsamen Wollens“73. Ist aber die interne Willensrichtung der Beteiligten weiterhin das maßgebende Moment, so hat sich in der Rechtsprechung in den letzten 130 Jahren im Ergebnis wenig verändert. Von kleineren Modifikationen abgesehen ist der Grundtenor der Gleiche geblieben: Über die Annahme der Mittäterschaft entscheidet weiterhin der jeweilige Wille, den eigenen tatbestandsverwirklichenden Beitrag als Teil der (gewollten) Straftat aller zu wollen. Eine fahrlässige Mittäterschaft ist daher aus der Sicht der Rechtsprechung weiterhin undenkbar, wie es auch neuere Beispiele aus der Rechtsprechung verdeutlichen:

b) Urteil des OLG Schleswig vom 27.04.1981 Sprachlich so deutlich wie im „Motorroller“-Fall hat der Bundesgerichtshof eine fahrlässige Mittäterschaft zwar nie wieder abgelehnt, sondern geht seither vielmehr stillschweigend von der Nichtexistenz dieser Rechtsfigur und einer zwingenden Nebentäterschaft aus. Dagegen finden sich ausdrückliche Stellungnahmen noch in verschiedenen Urteilen der Obergerichte. Mit am bekanntesten ist hierbei der „Streichholz-Fall“ des OLG Schleswig74, der quasi als deutscher „Rolling Stones-Fall“ angesehen werden könnte: „Im Rahmen eines gemeinsamen Diebesvorhabens gelangten der Angekl. und der frühere Mitangekl. S in eine Fabrikationshalle. Dort scheuten sie sich, die elektrische Beleuchtung einzuschalten. Um sich in dem dunklen Raum orientieren zu können, zündeten sie Streichhölzer an. Diese warfen sie nach Gebrauch, jedoch noch brennend weg. Durch ein von den Angekl. brennend weggeworfenes Streichholz wurde Dralon______________ 71

BGH, StV 1998, 540; ähnlich BGHSt. 37, 289 (291), BGH, NStZ 2002, 200 (201) sowie BGH, NStZ 2005, 229. 72 So ausdrücklich BGH, NStZ-RR 2003, 265 (267) und BGH, NStZ-RR 2004, 40 (41). 73 BGH, NStZ-RR 2004, 40 (41). 74 OLG Schleswig, NStZ 1982, 116 f. mit krit. Anm. Geilen, JK, StGB § 13/2.

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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stoff in Brand gesetzt. Das Feuer griff auf andere Ballen über und erfasste Teile der Holzdecke. Wer das Streichholz geworfen hat, konnte nicht festgestellt werden.“

Dies ist gerade jene klassische Konstellation einer Mitwirkung an fahrlässigem Verhalten bei unsicherer Kenntnis von der Kausalität eines jeden Beteiligten, für deren Lösung die Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum mitentwickelt wurde. Hinsichtlich eines jeden Täters ließ sich der Kausalitätsnachweis nicht führen, da sich nicht ausschließen ließ, dass der jeweils andere das entscheidende Streichholz weggeworfen hatte, das den Brand verursachte. Dogmatisch wäre dem nur durch eine Tätigkeitszurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB beizukommen, indem jedem das Wegwerfen des jeweils anderen zugerechnet würde. Das Amtsgericht hatte noch dahingehend argumentiert, dass die Handhabung mit den Streichhölzern zur Erleuchtung des Tatorts erfolgte und damit „in einer Lage, in dem das Tun des einen auch dem Willen und Ziel des anderen entsprach“75. Das Oberlandesgericht Schleswig verwarf diesen Ansatz ohne nähere Begründung und ohne Verweis auf ähnlich gelagerte Rechtsprechungsfälle: „Allein dadurch, dass beide Täter offenbar mit gegenseitiger Billigung die Fabrikationshalle mit Zündhölzern ausleuchteten und diese jeweils achtlos fortwarfen, ohne dass festgestellt wird, wessen Zündholz den Brand verursacht hat oder dass etwa von beiden geworfene Streichhölzer zusammen ursächlich dafür waren, kann der Vorwurf der Brandstiftung durch fahrlässiges Handeln nicht begründet werden. Denn bei fahrlässigen Delikten scheidet eine Mittäterschaft aus.“76

c) Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 10.12.1984 Einen vergleichbaren Fall hatte das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein77 zu entscheiden, das sich als einziges Gericht ausführlicher mit dem derzeitigen Meinungsbild zur fahrlässigen Mittäterschaft beschäftigte. Umso unverständlicher ist, dass dieses Urteil im Schrifttum selbst bei eingehenden Abhandlungen zur fahrlässigen Mittäterschaft keinerlei Erwähnung findet. Zugrunde lag folgende Sachverhaltsfeststellung: Die beiden Angeklagten hatten „im Rahmen ihres gemeinsam betriebenen Schrotthandels die alten landwirtschaftlichen Geräte angekauft und zum Abtransport auf ______________ 75

Dies wird wiedergegeben bei OLG Schleswig, NStZ 1982, 116 (117). OLG Schleswig, NStZ 1982, 116. 77 OLG Schleswig-Holstein, OLGSt. StGB § 25 Nr. 1, wobei sich der Sachverhalt aus der ausführlicheren Darstellung der 9. Ergänzungslieferung von 1985 ergibt, erstaunlicherweise aber nicht mehr aus der Fassung von 1991. 76

62

1. Teil: Bestandsaufnahme

Grund gemeinsamen Entschlusses mit Hilfe eines Schweißbrenners unter [...] höchst brandgefährlichen Umständen an Ort und Stelle zerlegt. Sie beide haben die Schweißarbeiten einvernehmlich zusammenwirkend unter Missachtung jeglicher Sicherheitsvorkehrungen, insbesondere unter Verletzung der einschlägigen Vorschriften der Brandverhütungsverordnung [...], begonnen und ausgeführt.“ Dabei waren Funken entstanden, die „das trockene Gras und Unkraut hinter dem Schuppen zum Glimmen gebracht“ haben und damit den Schuppen in Brand setzten. Durch wessen Verhalten der Funken entstanden ist, ließ sich nicht aufklären. Aller Rechtsprechung zum Trotz hatte die Strafkammer des Landgerichts die beiden Angeklagten wegen mittäterschaftlich begangener fahrlässiger Brandstiftung zu Geldstrafen von jeweils 450 EUR verurteilt.

Das Oberlandesgericht trat dem dogmatisch entgegen, ließ die Straffestsetzung aber bestehen: Zwar lasse sich unter den Wortlaut der gemeinschaftlichen Begehung durchaus auch ein fahrlässiges Zusammenwirken subsumieren, bei dem an die Stelle des gemeinsamen und vorsätzlichen Handelns auf den Erfolg hin „die gemeinsame Vornahme einer gefahrträchtigen Handlung unter beiderseitiger Voraussicht oder Voraussehbarkeit des schädlichen Erfolges“ treten würde. Die Folge wäre auch ein sachgerechtes Ergebnis, dass jedem Beteiligten die Möglichkeit nehmen würde, sich durch bloßen Verweis auf die mögliche Ursächlichkeit des jeweils anderen zu entlasten. Letztlich sei die „Entwicklung der Teilnahmestrafbarkeit“ aber anders verlaufen: Rechtsprechung und Literatur hätten eine Mittäterschaft bei Fahrlässigkeitstaten stets mit der Argumentation verneint, „dass angesichts der andersartigen Struktur der Fahrlässigkeitstat“ jeder nur als Täter hafte, wenn er durch die Verletzung einer Sorgfaltspflicht vorhersehbar und vermeidbar selbst einen tatbestandsmäßigen Erfolg herbeigeführt habe.78 Obgleich durch die Formulierung, die Rechtsprechung habe sich mit diesem Argument „zufrieden gegeben“, eine gewisse Skepsis deutlich wurde, zweifelte das Oberlandesgericht am Ergebnis nicht. Hierhinter stand der Gedanke, gleichwohl eine nebentäterschaftliche fahrlässige Brandstiftung eines jeden begründen zu können. Jeder Angeklagte hätte unter Missachtung jeglicher Sicherheitsvorkehrungen eine gefährliche Handlung vorgenommen, die den Brand hätte hervorrufen können.

______________ 78

OLG Schleswig-Holstein, OLGSt. StGB § 25 Nr. 1 mit vielen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur.

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

63

d) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.07.1990 In einer Entscheidung aus dem Jahre 199079 hatte der Bundesgerichtshof dann erstmals ausführlich80 zu den dogmatischen Problemen einer strafrechtlichen Produktverantwortlichkeit Stellung bezogen, so dass dieses „LedersprayUrteil“ ohne Übertreibung als „leading case“81 auf diesem Gebiet bezeichnet werden kann.82 Aber auch zur fahrlässigen Mittäterschaft musste sich der Bundesgerichtshof erneut positionieren. Der komplexe Sachverhalt war etwa wie folgt: Die W-GmbH befasste sich unter anderem mit der Herstellung von Schuh- und Lederpflegeartikeln. Dazu gehörten auch Ledersprays, die – abgefüllt in Treibgasdosen – zum Versprühen bestimmt waren und der Pflege dienten. Vertrieben wurden diese Produkte unter anderem durch die Tochterfirmen E-GmbH und S-GmbH, wobei das Produkt „E“ über den Lebensmittelhandel und Produkt „S“ über den Schuh- und Lederfachhandel vertrieben wurden. „Ab dem Spätherbst 1980 gingen bei der Firmengruppe Schadensmeldungen ein, in denen berichtet wurde, dass Personen nach dem Gebrauch von Ledersprays der bezeichneten Marken gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten hatten. Diese Beeinträchtigungen äußerten sich zumeist in Atembeschwerden, Husten, Übelkeit, Schüttelfrost und Fieber. Die Betroffenen mussten vielfach ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, bedurften oftmals stationärer Krankenhausbehandlung und kamen in nicht seltenen Fällen wegen ihres lebensbedrohlichen Zustands zunächst auf die Intensivstation. Die Befunde ergaben regelmäßig Flüssigkeitsansammlungen in den Lungen (Lungenödem).“ Erste interne Firmenuntersuchungen ergaben eine Rezepturänderung des Wirkstoffteils Silikonöl, die rückgängig gemacht wurde, sowie eine Änderung des Fluorharzherstellers, der wieder gewechselt wurde – ohne Erfolg, die Schadensmeldungen gingen weiter. So kam es am 12.05.1981 zu einer Sondersitzung der Geschäftsführung, an der die Geschäftsführer ______________ 79 BGHSt. 37, 106 ff. = NJW 1990, 2560 ff.; das Urteil der Vorinstanz LG Mainz findet sich bei Schmidt-Salzer, Entscheidungssammlung, Nr. IV.3.22 (Lederspray I). 80 Ein erstes Urteil des BGH zu diesem Themenkomplex erfolgte bereits mit BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung Nr. 5, die rechtliche Argumentation beschränkte sich aber auf zustimmenden Formulierungen zur Sicht der Vorinstanz. Vgl. hierzu auch den umfassenden Contergan-Beschluss des LG Aachen, JZ 1971, 507 ff. 81 Hassemer, JuS 1991, 253. 82 Dies wird nicht zuletzt deutlich durch die Vielzahl der Urteilsbesprechungen, Anmerkungen, Beiträge und Abhandlungen – ohne den Anspruch der Vollständigkeit –: Ingeborg Puppe, JR 1992, 30 ff., Beulke/Bachmann, JuS 1992, 737 ff., Samson, StV 1991, 182 ff., Kuhlen, NStZ 1990, 566 ff., Schmidt-Salzer, NJW 1990, 2966 ff., Brammsen, Jura 1991, 533 ff., ders., GA 1993, 97 ff., Hirte, JZ 1992, 257 ff., Bernd-Dieter Meier, NJW 1992, 3193 ff. sowie die ausführliche Abhandlung zu den einzelnen dogmatischen Problemen von Weißer, Kausalitätsprobleme bei der strafrechtlichen Würdigung pflichtwidriger Kollegialentscheidungen, 1996.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

der W-GmbH, die Angeklagten S, Dr. Sch, R und O teilnahmen wie ihr „Chefchemiker“, der Angeklagte Dr. B. Dieser meinte, nach den bisherigen Untersuchungen hätte sich keine toxische Eigenschaft feststellen lassen, weshalb kein Anlass für eine Rückrufaktion bestünde. Vielmehr sollten Warnhinweise angebracht und externe Untersuchungen in Auftrag gegeben werden. „Diesem Vorschlag schloss sich die Geschäftsführung an. Einigkeit bestand darüber, dass die Anordnung eines Vertriebsstopps, einer Rückruf- oder auch Warnaktion nur dann in Betracht zu ziehen sei, falls die noch ausstehenden Untersuchungen einen ,echten Produktfehler‘ oder ein ,nachweisbares Verbraucherrisiko‘ ergeben sollten. Im Anschluss an die Sitzung wurden die Angekl. W und D umfassend informiert. W war damals Geschäftsführer der Firma S-GmbH, D bekleidete dieselbe Stelle in der Firma E-GmbH. Beide machten sich die in der Sitzung getroffene Entscheidung jeweils für ihren Verantwortungsbereich zu Eigen. In der Folgezeit kam es zu weiteren Gesundheitsschäden nach der Verwendung von Ledersprays der bezeichneten Marken. Auch bei den neuerlichen Untersuchungen gelang es nicht, eine bestimmte Substanz als schadensauslösend zu identifizieren.“ Erst nach Interventionen vom Bundesgesundheitsamt und vom Gesundheitsministerium kam es zu einem Verkaufsstopp sowie zu einer Rückrufaktion, „ohne allerdings völlig auf die Weiterverwendung der in den zurückgerufenen Produkten enthaltenen Rezepturen zu verzichten.“ Den Angeklagten wurden zum Vorwurf gemacht, zahlreichen Benutzern des Sprays teils durch Unterlassung einer Rückrufaktion, teils durch Weiterproduktion und – vertrieb körperliche Schäden (gefährliche Körperverletzung in der Form der lebensgefährdenden Behandlung) zugefügt zu haben, teils bedingt vorsätzlich, teils fahrlässig.

Das Urteil enthält eine Vielzahl an Problemschwerpunkten, die zum Verständnis der hier einzig interessierenden Problematik der Verantwortlichkeit der Geschäftsführer wegen fahrlässiger Körperverletzung kurz erwähnt, aufgrund des begrenzten Platzes aber nicht ausführlich behandelt werden können: So sei es für den Kausalitätsnachweis irrelevant, dass nicht vollständig geklärt werden konnte, wie die körperlichen Schäden bei den Verbrauchern verursacht wurden, da die Feststellung genüge, dass die inhaltliche Beschaffenheit des Produkts und damit dessen Vertrieb überhaupt ursächlich war (sogenannte „generelle Kausalität“).83 Aufgrund des Inverkehrbringens der gefährlichen Produkte und des damit verbundenen Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz hätte zudem eine Pflicht der angeklagten Geschäftsführer zu einem Rückruf und damit eine Garantenstellung bestanden. Dass ihnen die Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens nicht bewusst gewesen sei, sei irrelevant, da im pflichtwidrigen Verhalten noch nicht der Ansatzpunkt eines

______________ 83

BGHSt. 37, 106 (111 ff.); zu diesem Problemkreis Heribert Schumann, JZ 1989, 433 und Kuhlen, NStZ 1990, 567.

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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Fahrlässigkeitsvorwurfs liegen müsse, die Schaffung einer Gefahrenlage genüge.84 Mit dieser Garantenpflicht korrespondierte zwar die grundsätzliche Handlungspflicht der Geschäftsleitung zum Rückruf der gesundheitsgefährdenden Produkte. Hinsichtlich der Beschlussfassung galt jedoch das Prinzip der Gesamtgeschäftsführung und -vertretung (§ 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG), so dass ein Rückruf durch einen einstimmigen Beschluss hätte erfolgen müssen. Es erscheint daher fraglich, ob es einem einzigen Geschäftsführer möglich gewesen wäre, einen Rückruf herbeizuführen oder er sich darauf berufen kann, dass es zu einem einstimmigen Beschluss angesichts anderer „Nein“-Stimmen eh nicht gekommen wäre. Hier liegt der Kern der Entscheidung. Hinsichtlich der vorsätzlichen gefährlichen Körperverletzung leitet der Bundesgerichtshof die Ursächlichkeit eines jeden Geschäftsführers über die Zurechnungsregel des § 25 Abs. 2 StGB her, da der Beschluss gemeinschaftlich gefasst worden sei, wodurch alle zu Mittätern geworden seien. Eine Mittäterschaft könnte schließlich auch erst während der Tat durch ein Einverständnis entstehen.85 Hinsichtlich der fahrlässigen Körperverletzungen stellte der Bundesgerichtshof hingegen auf eine reine Kausalitätsbetrachtung für jeden einzelnen Geschäftsführer ab: Ausgangspunkt sei der Grundsatz der kumulativen Kausalität, wonach bei der Erfolgsherbeiführung erst durch die Beiträge mehrerer jeder Beitrag ursächlich sei. In dieser Weise sei „jeder, der es trotz seiner Mitwirkungskompetenz unterlässt, seinen Beitrag dazu zu leisten, eine Ursache dafür, dass die gebotene Maßnahme unterbleibt; innerhalb dieses Rahmens haftet er für die sich hieraus ergebenden tatbestandsmäßigen Folgen [...]. Dabei kann er sich nicht damit entlasten, dass sein Bemühen, die gebotene Kollegialentscheidung herbeizuführen, erfolglos geblieben wäre, weil ihn die anderen Beteiligten im Streitfalle überstimmt hätten. Von seiner strafrechtlichen Mitverantwortung wäre er nur befreit, wenn er alles ihm Mögliche und Zumutbare getan hätte, um den gebotenen Beschluss zu erwirken.“86 Ließe sich über diesen Weg aber bereits die Ursächlichkeit eines jeden Geschäftsführungsmitglieds bejahen, so müsste dies für die vorsätzliche wie fahrlässige Tat gleichermaßen gelten. Unabhängig von grundsätzlichen Zweifeln an der Mittäterschaftslösung hinsichtlich der vorsätzlichen Körperverletzungen (Tatplan erst bei der Ausführung? Anerkennen einer sukzessiven Mittäterschaft bezüglich W und D?) hätte es diesen Umweg also nicht bedurft. Wieso die

______________

84 BGHSt. 37, 106 (119); krit. Kuhlen, NStZ 1990, 568 und Sowada, Jura 2003, 242, die auf eine ex ante-Betrachtung verweisen; ausführlich hierzu Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 38 ff. 85 BGHSt. 37, 106 (129). 86 BGHSt. 37, 106 (131 f.).

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1. Teil: Bestandsaufnahme

Argumentation des Bundesgerichtshofs zweigleisig erfolgte, bleibt unklar. Festzuhalten ist für unsere Problematik jedoch, dass der Bundesgerichtshof statt der Annahme einer fahrlässigen Mittäterschaft stillschweigend von deren Nichtexistenz ausgegangen ist und stattdessen die „Lösung“ über die Kausalitätsdogmatik gesucht hat.

e) Urteil des schweizerischen Bundesgerichts vom 01.03.2000 Auch wenn diese Arbeit nicht den Anspruch erhebt, eine Rechtsvergleichung auf dem Gebiet der strafrechtlichen Täterlehre beim Fahrlässigkeitsdelikt zu unternehmen, so darf doch die Darstellung zweier Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichtes nicht fehlen, ohne die jede Abhandlung zur fahrlässigen Mittäterschaft nur unvollständig wäre. Eine ist der besonders anschauliche „Rolling Stones“-Fall, der bereits in der Einführung ausführlich geschildert wurde. Der andere ist eine Entscheidung aus dem Jahre 2000, mit der das schweizerische Bundesgericht die Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft ohne dogmatischen Druck im konkreten Fall (quasi nebenbei) mit klarer Argumentation ablehnte. Zugrunde lag folgender, an eine kurz zuvor gefällte Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs87 erinnernder Sachverhalt: X und Y hatten gemeinsam einen Gebrauchtwagenhandel eröffnet. Kurz darauf beschlossen sie, Versicherungsbetrügereien zu begehen: Y sollte Verkehrsunfälle mit Dritten provozieren, an denen ihn aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten kein Verschulden treffen sollte und der zur Zahlung der vollen Entschädigungssumme durch die jeweils gegnerische Versicherung führen sollte. Die Aufgabe von X bestand dagegen in der Regelung der Finanzangelegenheiten bezüglich des Ankaufs der bei den Unfällen verwendeten Gebrauchtwagen sowie im Mitplanen der Unfälle. Auf diese Weise wurden 60 Unfälle von Y provoziert, die in einer großen Mehrzahl zu Entschädigungszahlungen der jeweils gegnerischen Versicherung führte. Mit seinem Urteil verwarf das Gericht die Nichtigkeitsbeschwerde des X gegen seine Verurteilung wegen gewerbsmäßigem Betrugs und grober Verletzung der Verkehrsregeln (Art.90 des schweizerischen Straßenverkehrsgesetzes (SVG)88).

Besonders letzteres mutet aus deutscher Rechtssicht seltsam an: Zwar ist anerkannt, dass das verkehrsfeindliche Einsetzen seines Fahrzeugs trotz äußerlich ______________ 87

BGH, StV 2000, 22. Dieser lautet: „(1) Wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft. (2) Wer durch eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in kauf nimmt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft). 88

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

67

verkehrsgerechtem Steuern einen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr darstellt (§ 315b Abs. 1 StGB).89 Gleichermaßen gelten die Verkehrsdelikte jedoch förmlich als Paradefall eines eigenhändigen Delikts, bei dem eine Mittäterschaft als unmöglich zurückgewiesen wird, wenn nicht alle unmittelbar selbst handeln.90 Gerade diese Sichtweise wird vom schweizerischen Bundesgericht nicht geteilt, wie der Leitsatz es verdeutlicht: „Mittäter einer groben Verletzung von Verkehrsregeln kann auch sein, wer das Fahrzeug nicht selbst gelenkt hat; so im Besonderen derjenige, welcher die im Zusammenhang mit Versicherungsbetrügen von Fahrzeuglenker verschuldeten Verkehrsunfälle mitgeplant und gewollt hat.“91 Die Begründung hierfür wird letztlich darin gesehen, dass Art. 90 SVG vom Wortlaut her eine mittäterschaftliche Begehung nicht ausschließe, genauso wie bei den Tötungs- und den Körperverletzungsdelikten, bei denen ein Mittäter aber auch nicht das Fahrzeug mit steuern müsste.92 Zuvor waren noch andere, in der Literatur vertretene Erklärungsmodelle diskutiert worden. Hierzu zählte auch jenes von Rehberg. Er vertritt die Ansicht, dass Art. 90 SVG keinen Unterschied zwischen einer vorsätzlichen und einer fahrlässigen Begehung mache. Das zeige, dass das entscheidende Kriterium zur Bestimmung der Täterschaft nicht im Beherrschen des Geschehens gesehen werden könne, sondern in der Verletzung der Pflichten, die mit dem Führen eines Fahrzeugs verbunden sind. Hierdurch werde eine Erweiterung des Täterkreises auch auf den Leiter im Hintergrund möglich.93 Dem vermochte das Bundesgericht nicht zu folgen und kam dabei zu dem hier einzig interessierenden obiter dictum: „En effet, la notion de coauteur présuppose que celui-ci collabore intentionnellement et de manière déterminante avec d'autres personnes à la décision de commettre une infraction, à son organisation ou à son exécution, au point d'apparaître comme l'un des participants principaux. La coactivité suppose une décision commune, mais qui n'est pas nécessairement expresse […]. Par conséquent, la coactivité par négligence n'est pas concevable.“94 ______________ 89

Vgl. BGH, StV 2000, 22. Vgl. nur LK/Peter König, § 315b Rn. 92. 91 BGE 126 IV, 84. 92 BGE 126 IV, 84 (90). 93 Rehberg, FG Schultz, S. 72 ff. 94 Die Entscheidung ist leider nur in französischer Sprache abgefasst, vom Leitsatz in drei Sprachen abgesehen, so dass hier nur eine eigene Übersetzung wiedergegeben werden kann: „In der Tat setzt eine Mittäterschaft voraus, dass mit anderen Personen bewusst zusammengewirkt wird an dem Entschluss zur Gesetzesverletzung, ihrer Planung oder ihrer Ausführung, um als einer der Täter zu erscheinen. Die Mittäterschaft erfordert einen gemeinsamen Entschluss, wenngleich dieser nicht ausdrücklich erfolgen muss [...]. Folglich ist eine Mittäterschaft bei Fahrlässigkeit nicht denkbar.“ 90

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1. Teil: Bestandsaufnahme

f) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.11.2000 Demgegenüber sei der derzeitige Umgang des Bundesgerichtshofs mit Konstellationen der fahrlässigen Mittäterschaft anhand eines neueren Falles aus dem Jahre 2000 aufgezeigt, der vor allem wegen anderer dogmatischer Probleme eine erhöhte Aufmerksamkeit in der Strafrechtswissenschaft erlangt hat. In der als „Schrotflinten-Fall“ bekannt gewordenen Entscheidung ging es um folgende Konstellation95: „Der Angekl. G erlitt bei einer Schlägerei [...] erhebliche Verletzungen am linken Knie, [...] an deren Folgen in Form von Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der Angekl. noch im Zeitpunkt der späteren Tat litt. Für diese Verletzungen hielt er das spätere Tatopfer M für verantwortlich, an dem er sich dadurch rächen wollte, dass dieser ebenfalls verletzt werden sollte mit Folgen, die er selbst erlitten hatte. Dabei verfolgte er den Plan, M die beabsichtigten Verletzungen an den Beinen durch einen Schrotschuss beibringen zu lassen. Er besprach dies mit dem Angekl. S, der schließlich den Angekl. C zur Durchführung des Anschlags gewinnen konnte. Als der Angekl. S dem Angekl. C das spätere Opfer zeigte, erkannte der Angekl. C, dass M bei dem geplanten Angriff ein standfester und gefährlicher Gegner sein würde. Der Angekl. G hatte zur Durchführung der Tat eine Schrot-Doppelflinte mit abgesägten Läufen erworben.“ Entsprechend dem gefassten Tatplan lockte der Angekl. C mit der Waffe in seiner Jacke M unter dem Vorwand eines illegalen Zigarettengeschäfts zu einem Treffpunkt in der Nähe eines Waldrands. Er entschloss sich, „zum Zweck der Durchführung des Tatplans M zunächst einen unerwarteten schweren Faustschlag zu ______________

Ähnlich deutlich urteilte bereits das Obergericht Zürich in seinem Urteil vom 24.09.1971 im Fall der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Spadin und Lutz: Lutz und Spadin tranken zusammen viel Alkohol. Als sie sich um 4 Uhr nachts auf den Weg zu anderen Gaststätten machten, überließ Lutz das Steuer seines Wagens dem Spadin. Nach dem Besuch mehrerer Gaststätten gelangten beide nach Zürich, wo Spadin (1,6 Promille; Lutz hatte eine BAK von 1,4 Promille) mit den linken Rädern auf eine Traminsel geriet und dabei die Fußgängerin Zörgiebel anfuhr, die schwer verletzt wurde. Das Bezirksgericht Zürich hatte Spadin wegen fahrlässiger Körperverletzung, Fahrens im angetrunkenen Zustand und Fahrens ohne Fahrausweis verurteilt und Lutz wegen Gehilfenschaft zum Fahren im angetrunkenen Zustand und fahrlässiger (schwerer) Körperverletzung. Letzteres begründete das Bezirksgericht damit, dass Lutz sich durch die Überlassung seines Fahrzeugs einer Mittäterschaft der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht hätte: Beim Entschluss, nach Zürich zu fahren, hätte Lutz maßgebend mitgewirkt und während der ganzen Fahrt nie eingegriffen (wiedergegeben bei BGE 98 IV, 11 (14)). Dem widersprach das Obergericht und sprach Lutz vom Vorwurf der fahrlässigen (schweren) Körperverletzung frei: Mittäterschaft erfordere ein vorsätzliches Handeln (wiedergegeben bei BGE 98 IV, 11 (14)). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft stellte das Bundesgericht dann aber klar, dass Lutz für sich ein (Allein-)Täter der fahrlässigen Körperverletzung sei (BGE 98 IV, 11 (14 ff.). 95 BGH, NJW 2001, 1075 ff.

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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versetzen und ihn zu Fall zu bringen. Danach wollte er ihm mit der Schrotflinte in das Knie schießen. Er setzte deshalb mit geballter rechter Faust zu einer blitzschnellen schlagartigen Drehung an. Um den gegen ihn gerichteten Angriff zu stoppen, versetzte M mit dem Totschläger dem Angekl. C einen wuchtigen schweren Schlag auf den Kopf, der diesen etwa in Schädelmitte traf und eine sofort stark blutende Wunde verursachte. Der Angekl. C wurde durch den Schlag völlig überrascht, kam zu Fall und blieb auf dem Rücken liegen. Unmittelbar danach sah er M, den Totschläger in der Hand und erneut zum Schlag ausholend, auf sich zustürzen mit den Worten: ,Du Schwein, Dich bring ich um‘. Der Angekl. C verspürte Todesangst und zog die Schrotflinte aus seiner Jacke. M versuchte vergeblich, die Waffe wegzutreten. Der Angekl. C nahm sie in beide Hände, drückte ab und traf M aus einer Entfernung von ca. 30 cm in die Brust. M brach zusammen und verblutete kurz darauf noch am Tatort.“

Im Mittelpunkt der Entscheidung stand zwar die Frage einer Einschränkung des Notwehrrechts des Angeklagten C wegen einer „sonst wie vorwerfbaren“ Notwehrprovokation, die der Bundesgerichtshof unter ausdrücklicher Ablehnung der in Parallele zur „actio libera in causa“ entwickelten „actio illicita in causa“96 über die Drei-Stufen-Lehre löste97 und letztlich mangels Ausweichund bloßer Schutzwehr von einer Rechtfertigung des C nach § 32 StGB ausging. Neben der versuchten schweren Körperverletzung in Form der dauernden Gebrauchsunfähigkeit eines wichtigen Körpergliedes (Knie), zu der mit dem Ausholen des Schlages unmittelbar angesetzt worden sei98, bejahte das Gericht jedoch überraschenderweise auch eine fahrlässige Tötung durch das Locken in den Wald und das Ausholen zum Schlag. Zwar erkannte der Bundesgerichtshof selbst, dass „ein und dieselbe Handlung [...] nicht sowohl rechtmäßig als auch rechtswidrig“ sein könne. Dem mochte er dadurch entgehen, dass er auf ein „vor dieser Handlung liegendes rechtswidriges Verhalten“ abstellte.99 Damit erkennte er jedoch nicht nur praktisch die actio illicita in causa an, sondern stellte auch auf ein Vorverhalten ab, das zu keinem Erfolgsunrecht geführt hatte: Unabhängig von der Pflichtwidrigkeit des Lockens in den Wald und Ausholen zum Schlag mit dem Plan eines anschließenden Schusses ist der tatbestandsmäßige Erfolg letztlich doch durch einen durch Notwehr gerechtfertigten Schuss eingetreten.100 Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung hätte damit nicht erfolgen dürfen. ______________ 96

Diese wird etwa angenommen von Schmidhäuser, StuB AT, 6/82 f., Arzt, FS Schaffstein, S. 83 und Jürgen Baumann, MDR 1962, 349. 97 BGH, NJW 2001, 1075 (1076). 98 Kritisch hierzu Eisele, NStZ 2001, 418. 99 BGH, NJW 2001, 1075 (1076). 100 Dies kritisieren auch Roxin, JZ 2001, 667 f., Engländer, Jura 2001, 536 f. und Christian Jäger, JR 2001, 514.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

Nur dadurch, dass sie dennoch erfolgt ist, ist die Entscheidung hinsichtlich der Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft bedeutsam geworden: So hat der Bundesgerichtshof neben dem Angeklagten C auch die Mitangeklagten M und S jeweils wegen versuchter schwerer Körperverletzung und fahrlässiger Tötung verurteilt. Im Rahmen der Prüfung hat das Gericht hierbei zwischen den einzelnen Angeklagten nicht differenziert, sondern die Angeklagten stets zusammen geprüft. Hierbei sprach er hinsichtlich des abweichenden Geschehensablaufs davon, dass bei der Ausführung durch C kein „Exzess“ vorgelegen und in der Übergabe der Tatwaffe ein „mittäterschaftlicher Tatbeitrag des Angekl. G“ gelegen hätte.101 Diese Ausführungen scheinen sich auf den Vorsatzvorwurf nicht zu beschränken, heißt es doch im Rahmen der Verurteilung der Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung, dass die Gefahr aufgrund des Vorverhaltens vorgelegen hätte, „weil nach dem gemeinsamen Tatplan M an eine einsam gelegene Stelle unter dem Vorwand eines illegalen Zigarettenverkaufs gelockt“ und ihm dann der Schuss versetzt werden sollte.102 Hiermit hätten „die Angeklagten [...] die Ursache“ dafür gesetzt, dass am Ende der Tod des M stand. Der Vorwurf geht also dahin, dass die Angeklagten nach einem gemeinschaftlichen Plan gemeinschaftlich die Gefahr einer tödlichen Verletzung gesetzt hatten, obwohl sie erkannten, dass M standfest und gefährlich sein würde. Die hierauf gestützten Verurteilungen sind nur haltbar, wenn man auf C und G einzeln abstellt, hatten diese doch nur bei der Vorbereitung mitgeholfen und erscheint eine Zurechnung des Todeserfolges fraglich. Die Begründung des Bundesgerichtshofes ließe sich einzig bei der Annahme einer fahrlässigen Mittäterschaft aufrechterhalten103, die der Bundesgerichtshof aber angesichts der vorangegangenen Rechtsprechung ausdrücklicher hätte annehmen müssen. Gemeint war daher eine Mittäterschaft hinsichtlich der versuchten schweren Körperverletzung und eine fahrlässige Nebentäterschaft von C sowie M und S. Bei M und S wurde hierbei der gleiche Sorgfaltsverstoß festgestellt, was die gemeinsame Prüfung der beiden aus Darstellungsgründen rechtfertigte. Dennoch hätte der Bundesgerichtshof seine dogmatischen Erwägungen deutlicher kenntlich machen können, ob sie für ihn nun eine Selbstverständlichkeit waren oder nicht.

______________ 101

BGH, NJW 2001, 1075 (1076 f.). BGH, NJW 2001, 1075 (1076). 103 So weist Utsumi, Jura 2001, 540 als Vertreter der fahrlässigen Mittäterschaft darauf hin, dass er unter Anwendung der fahrlässigen Mittäterschaft zum gleichen Ergebnis bei gleicher Argumentation gekommen wäre. 102

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

71

5. Die Rechtsprechung deutscher Zivilgerichte zur (strafrechtlichen) fahrlässigen Mittäterschaft Diese Rechtsprechungslinie zur heutzutage schon selbstverständlichen Verneinung der fahrlässigen Mittäterschaft hat Verzweigungen paradoxerweise zur zivilrechtlichen Judikatur, die sich – dem Grundsatz der Rechtseinheit folgend – auch mit der Behandlung dieses vornehmlich strafrechtlich behandelten, wenngleich gesellschaftlichen Phänomens beschäftigt hat. Vor der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs hatte das Reichsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1883 zwar noch römisch-rechtlich entschieden104: In einer Pulverfabrik hatten die beklagten Eigentümer sowie ihre Untergebenen Sicherheitsvorschriften missachtet, so dass es zur Explosion kam und die Gebäude des Klägers beschädigt wurden. Das Reichsgericht hatte einen Anspruch aus der lex Aquilia unter Verweis auf jene Pandektenstelle bejaht, wonach beim Tod eines Sklaven durch von mehreren beigebrachten Verletzungen jeder Verletzer haften müsse, auch wenn nicht festgestellt werden könne, dass gerade er die tödliche Verletzungen dem Sklaven zugefügt hatte.105 Würde man in derartigen Fällen den Beweis der Ursächlichkeit des Einzelbetrags fordern, „so würde die Rechtsverfolgung nahezu ausgeschlossen sein“106. Mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch trat jedoch auch § 830 Abs. 1 BGB in Kraft: „Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich“. Die sprachliche Nähe zu § 25 Abs. 2 StGB ist offensichtlich, so dass bereits das Reichsgericht107 die Formulierung des bewussten und gewollten Zusammenwirkens aufgegriffen und der Bundesgerichtshof schließlich klargestellt hat: „Die Begriffe der Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe in § 830 BGB sind im echten strafrechtlichen Sinn zu verstehen“.108 Eine Mittäterschaft erfordere daher einen gemeinschaftlichen verbrecherischen Willen und die Beteiligung an der Ausführung der Tat. Nur dann sei eine Verantwortlichkeit eines jeden für den Gesamterfolg gegeben.109 Mangels gemeinschaftlichen Willens bei fahrlässigen Delikten könne nach weitgehend ständiger Rechtspre______________ 104

RGZ 10, 140 ff. Pandect. LIX Tit. 2. Ziff. 11 § 4; siehe hierzu auch oben die Einführung zu diesem Kapitel. 106 RGZ 10, 140 (143). 107 RGZ 58, 357 (359) und RG, SeuffArch 64 (1909), 453 (455); vgl. auch RG, Gruchot 67 (1925), 187 (188). 108 BGH, VersR 1967, 471 (473) im Anschluss an BGHZ 8, 288 (292); ebenso BGHZ 63, 124 (126), BGHZ 89, 383 (389), BGH, NJW 1984, 1226 (1228) und BGH, NJW 1998, 377 (381 f.); vgl. auch Palandt/Sprau, § 830 Rn. 3. 109 RG, Gruchot 67 (1925), 187 (188). 105

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1. Teil: Bestandsaufnahme

chung – von einem älteren Oberlandesgerichts-Urteil110 und den Entscheidungen zweier Landgerichte111 abgesehen – eine fahrlässige Mittäterschaft bei mehreren in Bezug auf den Erfolg fahrlässig handelnden Tätern entsprechend der strafrechtlichen Judikatur nicht vorliegen.112 Doch dieses Bekenntnis zur strafrechtlichen Linie hilft selbst vor dem Hintergrund der Rechtseinheit für unsere strafrechtliche Untersuchung weniger, als es zunächst den Anschein hat. Zum einen verfolgen, wie es im Schrifttum immer wieder eingewandt wird113, Strafrecht und Zivilrecht unterschiedliche Zwecke und Funktionen. Dies zeigt sich daran, dass es im Zivilrecht statt einer reinen Verantwortlichkeit auch um die Schadenstragung im Innenverhältnis bei mehreren Verantwortlichen sowie im Außenverhältnis maßgeblich auch darum geht, ob der Mittäter oder der Geschädigte das Insolvenzrisiko der anderen Mittäter tragen soll. Unabhängig von dieser grundsätzlichen Überlegung beruht die Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft durch die Zivilgerichte jedoch wesentlich auf der Systematik des § 830 BGB. In § 830 Abs. 1 S. 2 BGB heißt es schließlich ergänzend: „Das gleiche [gesamtschuldnerische Haftung] gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.“ Die gesamtschuldnerische Haftung wird damit auf jene Fälle ausgedehnt, in denen nicht die gemeinschaftliche Handlung aller, sondern die Handlung eines von mehreren Beteiligten den Schaden herbeigeführt hat, jeder der Beteiligten diese Handlung begangen haben kann und in der Person eines jeden Beteiligten alle Tatbestandsvoraussetzungen mit Ausnahme der Ursächlichkeit vorliegen würden, die Ursächlichkeit sich aber nicht nachweisen lässt.114 Mit dieser im Strafrecht fehlenden Norm hatte der Gesetzgeber gerade jene Fälle des Raufhandels vor Augen, bei denen ein Beteiligter den Tod findet, ohne dass sich nachweisen lässt, wer den tödlichen Schlag ausgeführt hat.115 Hiermit wurde ein Haftungstatbestand gerade für die Fälle zweifelhafter Kausalität bei der Beteiligung mehrerer geschaffen, für die im strafrechtlichen Schrifttum die fahrlässige Mittäterschaft entwickelt worden ist. ______________ 110

OLG Hamburg, DR 1912, Nr. 1001. LG Ravensburg, VersR 1955, 368 und LG Hamburg, MDR 1962, 651. 112 BGHZ 61, 351 (354), BGHZ 63, 124 (126), BGH, VersR 1967, 471 (473), BGH, NJW 1972, 40 (41), OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 281, OLG Koblenz, NJW-RR 2004, 528 (529), LG Gießen, NJW-RR 1995, 281; im Ansatz bereits RG, WarnRspr. Zivilrecht 1915, § 830 Nr. 1 (S. 100). 113 Vgl. hierzu Weckerle, Verantwortlichkeit, S. 65 sowie Erwin Deutsch, JZ 1972, 106. 114 Palandt/Sprau, § 830 Rn. 7. 115 Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich II, S. 738; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs II, S. 606. 111

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

73

Das Deliktsrecht hat so ein gestaffeltes System: Der Alleintäter haftet nach dem Deliktstatbestand direkt. Bei Anstiftung und Beihilfe – wobei zumindest eine gewisse Förderungskausalität entsprechend der strafrechtlichen Grundsätze erforderlich ist116 – haften Anstifter und Gehilfe neben den Tätern gesamtschuldnerisch über § 830 Abs. 2 BGB. Bei gemeinschaftlichem Handeln haftet jeder unabhängig von der Ursächlichkeit seines Beitrags117 für den Gesamterfolg über § 830 Abs. 1 S. 1 BGB; hierfür hatte das Reichsgericht den Ausspruch geprägt: „Die Gemeinschaft des Willens erzeugt die gemeinschaftliche Verursachung“118. Lässt sich schließlich nicht sagen, ob ein Erfolg von einer bestimmten Person oder von mehreren gemeinschaftlich verursacht wurde, kommen aber mehrere Personen als Verursacher in Betracht, die alle die Haftungsvoraussetzungen erfüllen würden, so haften auch sie gesamtschuldnerisch über § 830 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese „Beweisregel“ oder „Vermutung der Ursächlichkeit“ des Gesetzes119 kann – freilich im Gegensatz zu § 830 Abs. 1 S. 1 BGB und § 830 Abs. 2 BGB – durch den Nachweis fehlender Ursächlichkeit von jedem Beteiligten entkräftet werden.120 So bleibt sichergestellt, dass der über allem schwebende Grundsatz des deutschen Deliktsrechts gewahrt bleibt: Es gibt keine Haftung für fremde deliktische Schädigungen.121 Dieses System würde durchbrochen, wenn in den Fällen des Zusammenwirkens mit fahrlässigem Erfolg, von dem nicht geklärt werden kann, wer ihn konkret verursacht hat, eine Haftung wegen gemeinschaftlichen Handelns über § 830 Abs. 1 S. 1 BGB bejaht würde. So würde man § 830 Abs. 1 S. 2 BGB nicht nur weitgehend seines Anwendungsbereichs berauben, sondern auch einen Fall unsicherer Kausalität des Einzelnen zu einer Haftung ohne Gegenbeweis erheben und so den Grundsatz des deutschen Deliktsrechts in vielen ______________ 116

Vgl. nur BGHZ 63, 124 (130). Die zivilgerichtliche Rechtsprechung geht wie die strafgerichtliche davon aus, dass eine Mitursächlichkeit für den Gesamterfolg nicht zwingend erforderlich ist, so etwa BGHZ 8, 288 (294), BGHZ 17, 327 (333) und zuletzt OLG Koblenz, NJW-RR 2004, 528 (529); hiergegen Bydlinski, AcP 158 (1959/60), 410 ff. mit Hinweis auf zivilrechtliche Besonderheiten. 118 RG, Gruchot 51 (1907), 990 (994). 119 Die Rechtsprechung hat § 830 Abs. 1 S. 2 BGB lange Zeit als „Beweisregel“ (BGHZ 55, 86 (92)) oder eine „Vermutung der Ursächlichkeit“ gesehen (BGHZ 33, 286 (292)), versteht die Regelung nun aber dahingehend, dass sie „neue abgewandelte Haftungstatbestände“ schaffe (BGHZ 72, 355 (358); ähnlich BGHZ 67, 14 (17 f.) und BGH, NJW 1994, 932 (934)). 120 Vgl. nur Palandt/Sprau, § 830 Rn.11. 121 Im Anschluss an das gemeine Recht und das preußische Recht hat das Bürgerliche Gesetzbuch streng am Schuldprinzip festgehalten, wonach eine Ersatzpflicht nur bei eigenem Verschulden eintritt (Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich II, S. 736). Vgl. hierzu auch Staudinger/Belling/EberlBorges, § 831 Rn.1. 117

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1. Teil: Bestandsaufnahme

Fällen durchbrechen. Das strukturierte Haftungssystem bei mehreren deliktischen Schädigern sowie das gesamte Deliktsrecht würden hierdurch aus den Angeln gehoben.122 Gerade das Normengefüge des § 830 BGB ist es somit maßgeblich, dass die Fälle fahrlässiger Mittäterschaft weitgehend unter § 830 Abs. 1 S. 2 BGB fallen lässt, so dass für eine Subsumption unter das „gemeinschaftliche Begehen“ des § 830 Abs. 1 S. 1 BGB verständlicherweise kein Raum bleibt. Dies wird bei allen strafrechtlichen Bezügen immer wieder übersehen123 und führt dazu, dass trotz sprachlichen Bezugs in der zivilrechtlichen Rechtsprechung nicht unbedingt eine Unterstützung der strafrechtlichen Verneinung der fahrlässigen Mittäterschaft gesehen werden kann. Als einzig verwendbares Argument verbleibt, dass der Gesetzgeber im Zivilrecht eine bestimmte Regelung getroffen hat, um die Fälle gemeinschaftlichen fahrlässigen Verursachens einer Rechtsgutsverletzung trotz zweifelhafter Einzelkausalität zu regeln und er dies dahingehend getan hat, dass er jeden für sich als Haftenden (strafrechtlich ließe sich von Nebentätern sprechen) ansieht.

6. Zwischenergebnis Festzuhalten bleibt: Die Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft durch die Rechtsprechung ist aufgrund deren Täter- und Mittäterschaftsverständnis zwingend. Die Argumente, die die Rechtsprechung hierfür liefert, fallen eher dürftig aus und beschränken sich auf kurze Rechtsbehauptungen oder Erläuterungen. Es kann Simone Kamm daher nicht verübelt werden, wenn sie der Rechtsprechung vorwirft, sie habe die fahrlässige Mittäterschaft nur kurz erwähnt und ______________ 122

Hierauf weisen einzig Kreutziger, Haftung, S. 130 und Staudinger/Belling/EberlBorges, § 830 Rn. 17 hin. 123 Ein gutes Beispiel hierfür ist der legendäre „Knallerbsen“-Fall des Reichsgerichts (RGZ 58, 357 ff.), der auch im strafrechtlichen Schrifttum (vgl. nur Roxin, TuT, 2. Aufl. 1967, S. 534) als Beispiel fahrlässiger Mittäterschaft behandelt wird: In einer Wirtschaft hatten Mitglieder einer Kegelgesellschaft mit Knallerbsen geworfen. Eine davon hatte die Klägerin in das rechte Auge getroffen, die daraufhin alle sechs Mitglieder der Kegelgesellschaft wegen einer gemeinschaftlichen unerlaubten Handlung verklagte. Das Reichsgericht bestätigte die Verurteilung der Gesellschaftsteilnehmer auf der Grundlage einer „Beteiligung“ nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB, da diese Vorschrift vorsätzliches Vorgehen verlange. Dieses Urteil ist im Schrifttum vielfach fälschlich dahingehend gewertet worden, das Reichsgericht hätte eine fahrlässige Mittäterschaft anerkannt und hierfür ein gemeinschaftliches fahrlässiges Verursachen des Erfolges ausreichen lassen (so etwa Staudinger/Belling/Eberl-Borges, § 830 Rn.16 und Deutsch, JZ 1972, 105). Dabei hatte das Reichsgericht mit diesem Urteil bereits im Jahre 1904 die Problematik richtig durchschaut.

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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ohne weitere dogmatische Begründung verworfen.124 Doch der fehlende Begründungsaufwand beruht darauf, dass die Frage nach der Existenz der fahrlässigen Mittäterschaft eben mehr ist als eine Rechtsanwendung mit praktischen Erwägungen. Es ist ein Problem des deutschen Strafrechts, das sich im Grenzbereich mehrerer dogmatisch noch nicht abschließend geklärter Grundsatzfragen bewegt. Die Gründe für eine Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft liegen daher derart tief, dass sie für die Rechtsprechung bereits zu einem derartigen Selbstverständnis geworden sind, dass sie kaum bis gar nicht ausdrücklich erwähnt werden: Obwohl sich der Täterbegriff über die Jahre modifiziert hat, hat sich an der subjektiven Grundhaltung seit 1871 nichts geändert. Verlangt man darauf aufbauend für die Mittäterschaft eine subjektiv geprägte Gemeinschaftlichkeit im Sinne eines gemeinsamen Wollens, so war eine fahrlässige Mittäterschaft bereits von vornherein „begrifflich undenkbar“125, wäre sie doch stets einem „schwarzen Schimmel“ gleichgekommen.

II. Alternative Lösungswege Stattdessen geht die Rechtsprechung bei mehreren „Beteiligten“ an einer fahrlässigen Tat grundsätzlich von einer Nebentäterschaft aus. Eine derartige bedingt aber, dass jeder für eine Strafbarkeit alle hierfür notwendigen Voraussetzungen allein in seiner Person erfüllt. Problematisch ist eine Bestrafung aller damit in denjenigen Fällen, in denen etwa die Kausalität eines jeden Einzelnen fraglich ist – die klassische Konstellation, für die die fahrlässige Mittäterschaft im Schrifttum gerade erst entworfen wurde. So wären im „Rolling Stones“-Fall (wie in der Einführung angedeutet) beide Steinewerfer freizusprechen, lässt sich doch für keinen mit Sicherheit sagen, dass er mit dem Hinabrollen seines Steines für den Tod des Fischers ursächlich gewesen ist. Eine fahrlässige Mittäterschaft hätte dieses Dilemma vermieden. Mag man diese dogmatisch auch ablehnen, so sieht es selbst die Rechtsprechung als „durchaus sachgerecht“ an, dass „bei gemeinsam-unachtsamem schadensstiftendem Verhalten der eine Beteiligte, was Ursächlichkeit und Haftbarkeit angeht, nicht entlastend auf den anderen Beteiligten verweisen“ kann „(et vice versa), sofern nur für jeden Beteiligten die subjektiv-individuelle Vorhersehbarkeit im Rahmen des gemeinsamen Handelns festgestellt werden kann“ 126. Um dies auch ohne die fahrlässige Mittäterschaft noch erreichen zu können, bieten sich noch zwei alternative dogmatische Wege an, die von der Rechtsprechung in einzelnen Konstellationen bereits eingeschlagen worden sind:

______________ 124

Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 70. Herzog, GS 28 (1876), 322. 126 OLG Schleswig-Holstein, OLGSt. StGB § 25 Nr.1. 125

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1. Teil: Bestandsaufnahme

1. Die Vorverlagerung des Fahrlässigkeitsvorwurfs Zum einen könnte man den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht mehr an das Hinabrollen des Steines und damit an die unmittelbar letzte Verletzungshandlung anknüpfen, sondern sie vorverlagern auf die Beteiligung an dem „Spiel Hinabrollen von Steinbrocken“. Derartiges hat der Bundesgerichtshof bereits in anderen Konstellationen angenommen127:

a) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.01.1955 Geradezu typisch für diese Konstruktion ist jener Fall aus dem Jahre 1955128, in dem der Bundesgerichtshof diesen Weg erstmals beschritten hat: Nach einem Gaststättenaufenthalt überredete K (1,5 Promille) den Angeklagten zu einer Wettfahrt auf ihren Krafträdern. K bekam einen Vorsprung, der Angeklagte näherte sich mit seinem stärkeren Kraftrad von hinten. K fuhr Schlangenlinien. Beide stürzten beim Überholmanöver, der Angeklagte, weil er zu dicht am Bordstein war, K aus unerfindlichen Gründen. Der Angeklagte brachte K in die Gaststätte und holte einen Arzt, dann fuhr er nach Hause. K verstarb an den Unfallfolgen.

Neben der Unfallflucht, um deren Auslegung es vor dem Hintergrund abweichender Urteile der einzelnen Senate weitgehend ging129, ist hier besonders die Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung von Bedeutung. Zutreffend hat der Bundesgerichtshof zwar ausgeführt, dass nach der weiten Bedingungstheorie an der Ursächlichkeit des Verhaltens des Angeklagten, ohne den es zur Wettfahrt und damit zum konkreten Tod nicht gekommen wäre, nicht zu zweifeln ist. Der Bundesgerichtshof hatte zudem aber auch eine sorgfaltspflichtwidrigen Herbeiführung des Todeserfolges bejaht: Zwar sei nicht auszuschließen, dass der Tod durch einen eigenen Fahrfehler des K von ihm selbst verursacht worden sei. Der Fahrlässigkeitsvorwurf sei aber bereits durch ______________ 127 Vgl. neben den dargestellten Konstellationen neuerdings auch BGH, NStZ 2005, 446 f.: Eine Mutter, die mit Freunden Alkohol trank und Zigaretten rauchte, ließ ihre Kinder allein, die umkamen entweder aufgrund eines Schwelbrandes durch Zigarettenglut oder durch ein Zündeln des Sohnes. Der Bundesgerichtshof erblickte die Sorgfaltspflichtverletzung nicht im Alleinlassen der Kinder ohne Aufsicht, sondern bereits im Rauchen mit den Freunden trotz herumliegenden Papiers. 128 BGHSt. 7, 112 ff. Zu einer um die Selbstverletzung eines Beteiligten gekürzten Konstellation siehe Hans-Ludwig Günther, JuS 1988, 386 ff. Vgl. auch den jüngst entschiedenen Wettfahrtsfall des schweizerischen Bundesgerichts, SJZ 2004, 397 ff. 129 Hierzu BGHSt. 7, 112 (115 ff.).

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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die Teilnahme an der Wettfahrt als „gemeinsamer gefährlicher Tätigkeit“ gegeben130.

b) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.04.1960 Ähnlich hatte der Bundesgerichtshof auch in seiner (oben bereits ausführlich dargestellten) Motorroller-Entscheidung argumentiert131: Auf dem Motorroller hatten zu viele Fahrgäste Platz genommen hatte, so dass durch ein Umstürzen des Rollers bei der Fahrt ein Mitfahrer getötet wurde. Der Bundesgerichtshof verurteilte nicht nur den Fahrer, sondern auch alle anderen Fahrgäste jeweils wegen fahrlässiger Tötung. Zwar gebe es keine fahrlässige Mittäterschaft, aber: Jeder habe durch seinen (fahrlässigen) Beitrag beim gemeinschaftlichen Platznehmen auf dem Motorroller die anderen und damit auch das Opfer dazu gebracht, ebenfalls Platz zu nehmen.

c) Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 10.12.1984 Eine vergleichbare Argumentation findet sich schließlich im Urteil des OLG Schleswig von 1984132: Obwohl sich nicht feststellen ließ, welcher Angeklagte mit seinem Schweißbrenner den brandauslösenden Funken produziert hatte, verurteilte das Gericht beide wegen fahrlässiger Brandstiftung: Jeder Angeklagte hätte unter Missachtung jeglicher Sicherheitsvorkehrungen eine gefährliche Handlung vorgenommen, die den Brand hätte hervorrufen können. Obwohl das Gericht zutreffend verlangte, dass gerade auf dieser Sorgfaltspflichtverletzung eines jeden der schädliche Erfolg ursächlich beruhen müsse (Pflichtwidrigkeitszusammenhang)133, begründete es diesen Zusammenhang letztlich wieder mit dem gemeinschaftlichen Zusammenwirken. Dieses hätte dazu geführt, dass „einer nicht ohne den anderen gehandelt“ hätte, die Angeklagten also „nur zusammen den Abtransport und vorher das Zerlegen der gekauften Maschinen bewerkstelligen“ wollten; „in diesem gewollten Zusammenwirken lag jedenfalls ein ursächlicher Beitrag jedes Beteiligten für den Brand“.134 ______________ 130

BGHSt. 7, 112 (115). BGH, VRS 18 (1960), 415 (423); hierzu ausführlich Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 3, e. 132 OLGSt. StGB § 25 Nr. 1; hierzu bereits Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 4, c. 133 Hierzu Kretschmer, Jura 2000, 273 ff., MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 161 ff. sowie Sch/Schr/Cramer, § 15 Rn. 173 ff. 134 OLG Schleswig-Holstein, OLGSt. StGB § 25 Nr.1. 131

78

1. Teil: Bestandsaufnahme

d) Kritik Vor allem diese letzte Formulierung des Oberlandesgerichts SchleswigHolstein verdeutlicht das widersprüchliche Vorgehen bei der Vorverlagerung des Fahrlässigkeitsvorwurfs: Der für die Täterschaft notwendige Ursächlichkeitsnachweis soll zwar nicht über § 25 Abs. 2 StGB durch ein gemeinschaftliches fahrlässiges Herbeiführen des Erfolges geführt werden. Vielmehr wird die Kausalität eines jeden durch seinen Beitrag zu dem Handlungsprojekt „gemeinsames Schweißen“ geführt, das zum Brand führte. So oder so, die Kausalität eines jeden Einzelnen liegt im gemeinschaftlichen fahrlässigen Schweißbrennen bzw. in den anderen Fällen in der gemeinschaftlichen fahrlässigen Wettfahrt oder im gemeinschaftlichen fahrlässigen Platznehmen auf dem Motorroller. So wird eine Nähe zur fahrlässigen Mittäterschaft erreicht, die bei gleicher dogmatischer Folge nur deren Namen nicht trägt.135 Der Vorwurf von Simone Kamm136, mit der Vorverlagerung hätte das jeweilige Gericht als Konsequenz seiner Ausführungen gleich eine fahrlässige Mittäterschaft in Erwägung ziehen müssen, ist daher nicht leicht von der Hand zu weisen. Einerseits ist zumindest dem fahrlässigen Erfolgsdelikt zwar immanent, dass der Pflichtwidrigkeitszusammenhang an ein der Verletzung vorgelagertes Verhalten angeknüpft werden kann, sofern dieses nur ursächlich für den Erfolgseintritt wurde. Aus diesem Grunde wird insbesondere eine fahrlässige actio libera in causa für überflüssig gehalten, da das sorgfaltswidrige Verhalten bereits nach normaler Dogmatik im Sichberauschen erblickt werden könne.137 Eine Vorverlagerung führt jedoch anderseits zumeist gerade dazu, dass jeder bestraft wird, unabhängig davon, ob er tatsächlich Erfolgsunrecht begangen hat oder nicht. Eine der eigentlichen Handlung vorgelagerte Handlung wird es schließlich immer geben: Einem Gerangel, durch das von einem der Streithähne ein unbeteiligter Fußgänger verletzt wird, kann die „Verabredung zum Kampf“ vorausgegangen sein, dem Inbrandsetzen eines Hauses durch einen Sylvesterknaller die Vereinbarung von Jugendlichen, die restlichen Knallkörper unter den Gruppemitglieder aufgeteilt zu verbrauchen oder dem Verletzen eines Barbesuchers durch eine Kegelkugel die Verabredung mehrerer Personen, auf der Kegelbahn zu spielen. Stets wären alle einer fahrlässigen Tat schuldig: Alle Streithähne, alle Gruppenmitglieder oder eben die alte Oma, die der Kegelkugel nachsah, die ihr Enkel bei seinem ersten Wurf nach hinten fallen ließ. Oder wenn im „Rolling Stones“-Fall das Besteigen des Berges bereits verboten gewesen wäre, würde diese „gemeinschaftliche“ Pflichtverletzung, ohne die es

______________ 135

Hierzu Hans-Ludwig Günther, JuS 1988, 387, der von einer „verkappten“ fahrlässigen Mittäterschaft spricht. 136 Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 77. 137 BGHSt. 42, 235 (236 f.) sowie ausführlich Otto, BGH-Wiss-FG IV, 126 f.

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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nicht zum Hinabrollen der Steine gekommen wäre, ausreichen, um auch denjenigen zu verurteilen, der den tödlichen Stein nicht herunter gerollt hat? Dies mag zeigen, dass die Vorverlagerung mit zwei grundsätzlichen dogmatischen Problemen fertig werden muss, bevor sie einen sinnvollen Lösungsweg darstellen kann: (1) Einerseits wird durch die Vorverlagerung die Kausalität des Einzelnen für die von einer Person verursachte rechtswidrige Folge (einer rollt einen Steinbrocken hinab und tötet einen Menschen) auf die Kausalität des Einzelnen für die von allen verursachte rechtswidrige Folge (die Beteiligung am „Spiel“ ist kausal dafür, dass durch das Hinabrollen beider Steinbrocken ein Mensch getötet wird!) ausgedehnt. Diese Ausweitung der Haftung bedarf der Rechtfertigung. In einer stillschweigenden Einigung zur gemeinschaftlichen Handlungsvornahme kann man diese nicht erblicken, ohne die fahrlässige Mittäterschaft doch wieder anzuerkennen. Zudem würde eine mittäterschaftliche Haftung dann bereits eintreten, wenn die Beteiligten eine beliebige Handlung bewusst und gewollt gemeinschaftlich ausführen, die mit – für beide fahrlässigen – Folgen verbunden ist. So war etwa im Wettfahrt-Fall die grundsätzliche Teilnahme an der Wettfahrt im Gegensatz zu früher138 nicht explizit verboten. Sie konnte allenfalls einen Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltsnorm des § 1 Abs. 2 StVO darstellen, wonach jeder Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten hat, dass kein anderer geschädigt wird. Ein konkreter Verkehrsverstoß oder auch nur ein konkretes, über die Beteiligung hinausgehendes gefährliches Verhalten des Angeklagten konnte nicht festgestellt werden. Der Bundesgerichtshof ließ also die abstrakte Gefährlichkeit einer nächtlichen Wettfahrt nach Alkoholgenusses als pflichtwidrigen Umstand ausreichen, der zu einer Verletzung auch der Fahrer selbst führen konnte. Damit wird jedoch ein an sich zulässiges Verhalten des Angeklagten, bei dem weder ein alkoholisiertes noch zu schnelles Fahren festgestellt werden konnte, nur wegen seiner abstrakten Gefährlichkeit zu einer pflichtwidrigen. Jede Autofahrt wäre hiernach eine Pflichtwidrigkeit, da der Straßenverkehr trotz Einhaltung aller Sorgfaltsnormen ein nicht unerhebliches Maß an Gefährlichkeit in sich birgt. (2) Zum Zweiten führt die mit der Vorverlagerung verbundene Erleichterung beim Ursächlichkeitsnachweis des Beitrags eines jeden Einzelnen zu einer bedenklichen Haftungsausweitung; selbst die Geburt des Täters ist schließlich eine Ursache für seine späteren Straftaten. Diese Weite wird im Schrifttum zu Recht durch die objektive Zurechnung begrenzt und so sicher gestellt, dass der Täter nur für die Risikoverwirklichung bestraft wird, die durch die Handlung ______________ 138

§ 31 KraftfahrzeugVO vom 10.05.1932, RGBl. I, 201.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

des Täters auch geschaffen oder erhöht worden ist.139 Bedarf es aber einer unmittelbaren Verletzungshandlung, so stellt die bloße Beteiligung an der gemeinschaftlichen Handlung eine bloß mittelbare Risikoschaffung dar. Die fehlende Unmittelbarkeit ist für den Fall des gemeinsamen Besteigen des Berges offensichtlich (mit der Folge eines fehlenden Pflichtwidrigkeitszusammenhangs), das Gleiche gilt aber auch für die Vereinbarung des „Spiels Steinerollen“, für die Vereinbarung der Wettfahrt vor dem tödlichen Unfall, für das Platznehmen auf dem Motorroller oder für die Vereinbarung eines gemeinsamen Kegelabends. Der Erfolgszurechnung zu dem an diesem Handlungsprojekt Beteiligten steht daher stets das Verantwortungsprinzip entgegen, wonach jeder sein Verhalten nur darauf einzurichten hat, dass er selber (unmittelbar) keine Rechtsgüter verletzt.140 Begeht der unmittelbare Täter die Tat nämlich freiverantwortlich, so fallen deren Folgen auch alleine in seinen Verantwortungsbereich und kann (im Grundsatz) ausschließlich er hierfür haftbar gemacht werden. Dies wäre nur dann anders, wenn über die einzelnen Verantwortungsbereiche hinaus eine Zurechnung erfolgen könnte. Die naheliegendste Rechtfertigung hierfür wäre auch hier wieder jene über die Mittäterschaft, die nach der Rechtsprechung aber gerade ausscheidet.141 Man dreht sich mit dieser Lösungsvariante also im Kreis.

2. Die Unterlassungslösung Neben der Mittäterschaft würden die Zurechnungsfragen gelöst, wenn man den strafrechtlichen Vorwurf nicht an ein Tun, sondern an ein Unterlassen knüpfen würde. Dann wäre etwa im „Rolling Stones“-Fall der eine Steineroller unmittelbar verantwortlich, weil er den tödlichen Stein hinabgerollt hat und der andere, weil er es unterlassen hat, den aktiven Täter hieran zu hindern.

______________ 139

91 ff.

Zur objektiven Zurechnung übersichtlich Sch/Schr/Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn.

140 Hierzu Kühl, AT, § 4 Rn. 85, Roxin, AT I, § 11 Rn. 111 und Sch/Schr/Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101/101a. 141 Zweifelhaft ist daher auch die Verurteilung der beiden Hintermänner im „Schrotflinten-Fall“ (BGH, NJW 2001, 1075), die dem Erstverursacher nur die Möglichkeit zur Ausführung der Tat gaben; hierzu Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 4, f.

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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a) Urteil des Reichsgerichts vom 20.01.1930 Eine derartige Argumentation wurde erstmals in einer auch aus anderen dogmatischen Gründen vielbeachtete Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1930142 bedeutsam: Die Brüder Josef und Paul Z. „fuhren in dunkler Nacht auf unbeleuchteten Fahrrädern auf der Landstraße, und zwar Paul Z. rechts, Josef Z. schräg links hinter ihm, etwa in der Mitte der Straße. An einer Wegegabelung stieß das Rad Josef Z’s, der wegen Wind und Regens mit gesenktem Kopfe fuhr, mit dem entgegenkommenden Fahrrade des Landwirts K. zusammen, das gleichfalls nicht beleuchtet war. K stürzte vom Rad, blieb einige Zeit besinnungslos liegen, erhob sich dann, fiel gleich darauf in den Straßengraben; er konnte sich aber, nachdem die Angeklagten ihn aufgerichtet und sich entfernt hatten, das Rad schiebend oder auf ihm fahrend, noch etwa 2 km fortbewegen; dann kam er vom Wege ab, fiel in einen Mühlgraben und ertrank“ in dem 75 cm tiefen Gewässer, da er aufgrund des durch den Unfall erlittenen Schädelbruchs mit Blutaustritt im Gehirn, der für sich alleine wahrscheinlich bereits zum Tode ausgereicht hätte, stark benommen war. Josef ist wegen fahrlässiger Tötung und Zuwiderhandlung gegen die Straßenverkehrsordnung verurteilt worden, Paul nur wegen der Übertretung der Straßenverkehrsordnung. Gegen den Freispruch bezüglich der fahrlässigen Tötung richtete sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die argumentierte, dass Josef sein Fahrrad pflichtwidrig nicht beleuchtet und dadurch den auch für ihn als Folge hiervon voraussehbaren tödlichen Zusammenstoß seines Bruders mit K. mitverursacht hätte.

Dem folgte das Reichsgericht nicht.143 Es gestand der Revision zwar zu, dass das Berufungsgericht nicht festgestellt hatte, ob nicht Josef im Scheine der Laterne seines Bruders den entgegenkommenden K. erblickt und infolgedessen ihn nicht angefahren hätte. Letztlich hätte es aber – insoweit das Reichsgericht in der fehlenden Beleuchtung ein Unterlassen erblickte144 – an der „Rechtswidrigkeit der Unterlassung“ gefehlt, also an der Garantenpflicht. Paul hätte so wie jeder Verkehrsteilnehmer nicht die Rechtspflicht gehabt, „seinen Bruder auf der

______________ 142

RGSt. 63, 392. Die Möglichkeit einer fahrlässigen Mittäterschaft erörterte es hierbei nicht. Und das aus gutem Grund, ist doch diese Rechtsfigur in dieser Sachkonstellation selbst unter ihren Anhängern umstritten: Während einige annehmen, die Brüder hätten „die gefährliche Fahrt ,gemeinschaftlich ausgeführt‘“ (so Exner, Festgabe Frank I, 585 f. und Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 71), bezweifeln andere dies, da jeder auf seinem Fahrrad saß und alleine fuhr (vgl. etwa Sung-Ryng, Analyse, S.27). 144 Kritisch hierzu (zu Recht) Otto, Jura 2000, 550, da von Paul durch das Fahren ohne Licht ein Kausalverlauf begründet worden ist, so dass ein positives Tun vorlag. 143

82

1. Teil: Bestandsaufnahme

Fahrt zu begleiten, dessen Rad und Fahrbahn zu beleuchten und dadurch ihn und K auf einander aufmerksam zu machen“.145

b) Urteil des Amtsgerichts Köln vom 23.03.1956 Beschritten wurde der Weg über die vom Reichsgericht noch nur angedachte Unterlassungskonstruktion erstmals durch das Amtsgericht Köln in einer für die Anhänger der fahrlässigen Mittäterschaft klareren Fallgestaltung dieser Rechtsfigur: Ein Monteur hatte in einem Raum über einem Plexiglaswaren-Lager Schweißarbeiten auszuführen. Mit dem Schweißen beauftragte er einen sechzehnjährigen, angelernten Arbeiter, der erst seit einem Dreivierteljahr Schweißarbeiten ausführte. Während des Schweißens fielen Schweißperlen durch ein Bodenloch in den Lagerraum und entzündeten dort lagernde Waren.

Den angeklagten Monteur verurteilte das Amtsgericht Köln wegen fahrlässiger Brandstiftung. Zwar hätte der Sechzehnjährige die Arbeiten ausgeführt, hierdurch hätte ihn aber nur ein „Mitverschulden“ getroffen: „Wenn der Monteur die Arbeit auch – da sie verhältnismäßig einfach gewesen sein mag – von dem Arbeiter verrichten ließ, musste er zuvor dafür sorgen, dass alle Sicherungsmaßnahmen getroffen waren. Das hat er versäumt; deshalb hat er sich durch seine Unterlassung der fahrlässigen Brandstiftung schuldig gemacht.“146

c) Urteil des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 27.04.1990 Dieser Vorgehensweise folgte auch das Bayerische Oberlandesgericht147 in einer weiteren Entscheidung zur fahrlässigen Brandstiftung bei unsicherer unmittelbarer Verursachung durch einen der Beteiligten: ______________ 145 RGSt. 63, 392 (394). Diese Erwägung wird im Schrifttum (wie auch die vorliegende Entscheidung) als Standardbeispiel für die Figur des Schutzzwecks der Norm erörtert, die eine Erfolgszurechnung ausschließe: Die in § 17 StVO vorgesehene Pflicht zur ordnungsgemäßen Beleuchtung des Fahrrades diene der Vermeidung von Unfällen dadurch, dass der Verkehrsteilnehmer andere Verkehrsteilnehmer und Hindernisse besser erkennt oder selbst gesehen wird, nicht aber, dass andere Verkehrsteilnehmer besser gesehen werden, vgl. Roxin, AT I, § 11 Rn.73, Jescheck/Weigend, AT, S. 586 sowie Wessels/Beulke, AT, Rn. 182; vgl. auch Ingeborg Puppe, GA 2004, 145. 146 AG Köln, BB 1957, 1018. 147 BayObLG, NJW 1990, 3032 = NStE Nr. 2 zu § 309 StGB.

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

83

„Nach einer Tour durch verschiedene Lokale begaben sich die Angekl. zu einem ihnen bekannten unbewohnten Wochenendhaus, um dort weiter zu feiern. Sie drangen durch ein eingeschlagenes Fenster in das Haus ein. Im Wohnzimmer entzündeten sie eine oder mehrere Kerzen. Später verließen sie das Wohnzimmer, um sich im Obergeschoss umzuschauen. Als sie nach ca. 10-15 Minuten in das Wohnzimmer zurückkehrten, stellten sie fest, dass der dort am Boden liegende Teppich sehr stark brannte und die Flammen ca. 2 m hoch schlugen. Beide Angekl. glaubten, ein Löschen sei sinnlos. Sie flüchteten daraufhin. Das Haus brannte vollständig nieder.“ Wer von beiden Angeklagten eine oder mehrere Kerzen angezündet hatte, ließ sich nicht mehr feststellen. Das Jugendschöffengericht hatte beide Angeklagte daher vom Vorwurf der fahrlässigen Brandstiftung in Anwendung des Zweifelssatzes freigesprochen.

Dem vermochte das Oberlandesgericht nicht zu folgen: Nach der Verordnung zur Brandverhütung müssten Beleuchtungsgeräte so beschaffen sein, dass sie keinen Brand verursachen könnten. Hiergegen sei angesichts der kurzfristigen Brandentstehung eindeutig verstoßen worden. Zwar ließe sich nicht aufklären, wer dies tat, wohl aber, dass die Angeklagten die Kerze oder die Kerzen in übereinstimmendem Willen als ihre Beleuchtungsquelle nutzten. Da eine Kerzenbenutzung „grundsätzlich gefährlich“ sei, hätte hieraus eine Garantenpflicht eines jeden bestanden, „bei Verlassen des Zimmers das ihm Zumutbare zu tun, dass in seiner Abwesenheit kein Brand entsteht“.148

d) Kritik So verführerisch er auch ist, der Wechsel von der Tun- auf die Unterlassungsebene bedarf eine Rechtfertigung in zweierlei Richtungen, die gerne übersehen werden: Zum einen kann dieser Schwenk nicht beliebig gemacht werden, sondern gilt es zwischen beiden Begehungsformen grundsätzlich abzugrenzen, worin der strafbare Vorwurf tatsächlich besteht.149 Zum Zweiten bedarf eine Unterlassungshaftung nach § 13 Abs. 1 StGB einer Garantenstellung des Täters, den anderen an seiner strafbaren Handlung zu hindern. Diese kann höchstens in der Verabredung der gemeinschaftlichen Handlung liegen: der Verabredung des „Spiels Steinerollen“, dem Aufstellen der Kerzen im Wohnhaus, dem Übertragen der Aufgabe an den Lehrling. Vor allem die ersten beiden Fälle zeigen, dass sich die Unterlassungslösung von jener der Vorverlagerung des Fahrlässigkeitsvorwurfs kaum unterscheidet: Der Strafrechtsvorwurf beruht auf dem der unmittelbaren Tat vorgelagerten Hand______________ 148 149

BayObLG, NJW 1990, 3032. Hierzu zuletzt Geppert, JK 4/04, StGB § 13/38.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

lung, nur dass bei der Vorverlagerungslösung hieran unmittelbar der Fahrlässigkeitsvorwurf geknüpft wird, während bei der Unterlassungslösung hieran nur die Garantenstellung für das nachfolgende Unterlassen geknüpft wird. Hinsichtlich der Garantenstellung aus Ingerenz stellt sich damit bei der Unterlassungslösung das gleiche Problem wie oben: Ist es mit den Zurechnungsgrundsätzen vereinbar, den Ansatzpunkt der Strafbarkeit vorzuverlagern? Wie allgemein bei der objektiven Zurechnung wird auch speziell zur Ingerenz vertreten, dass zur Vermeidung einer uferlosen Weite nicht jede Gefahrschaffung genügt, sondern nur die Schaffung einer nahen (adäquaten) Gefahr.150 In diesem Sinne hatte das OLG Schleswig in der vergleichbaren Konstellation des gemeinsamen Wegwerfens von Streichhölzern eine Garantenstellung aus Ingerenz verneint151: Ein pflichtwidriges Vorverhalten könne nur dann eine Garantenstellung begründen, wenn es die nahe Gefahr des Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt habe; „erst die generelle Eignung des Vorverhaltens zur Herbeiführung eines bestimmten Schadens ergibt die Pflicht zu seiner Verhinderung“152. In der Handhabung mit den Streichhölzern könne kein Vorverhalten in diesem Sinne gesehen werden, da in diesem bereits die eigentliche verletzende Handlung zu erblicken sei. Gleiches gelte für das Anzünden der Streichhölzer, die aber nur eine abstrakte Gefährlichkeit begründen würden, ohne dass sich hieraus eine unmittelbare Gefahrenquelle ohne weiteres Zutun oder Unterlassen etwa der Beaufsichtigung ergeben würde; es sei daher nur „ein nicht verselbständigungsfähiger Teilakt“ des unvorsichtigen Wegwerfens selbst.153

III. Fazit Festzuhalten bleibt: Die Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft durch die Rechtsprechung ist aufgrund ihres Täter- und Mittäterschaftsverständnisses zwingend und folgerichtig. So einig sich die Gerichte in diesem Punkt aber sind, so zerstritten sind sie, wenn eine Nebentäterschaft mangels nachweisbarer Einzelkausalität nicht durchgreifen kann: Neben dem Weg über eine Unterlassungskonstruktion und dem in der dogmatischen Begründung zweifelhaften ______________ 150 Vgl. BGH, NJW 1998, 1568 (1573), BGH, NStZ 1998, 83 (84), BGH, NJW 2000, 2754 (2756) sowie Sch/Schr/Stree, § 13 Rn. 34. 151 OLG Schleswig, NStZ 1982, 116 – hierzu Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 4, b; vgl. auch RGSt. 63, 392 – hierzu ausführlich Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, II, 2, a. 152 OLG Schleswig, NStZ 1982, 116; in diesem Sinne auch Sch/Schr/Stree, § 13 Rn.34. 153 OLG Schleswig, NStZ 1982, 116 (117).

2. Kap.: Die Beurteilung einschlägiger Sachverhalte in der Judikatur

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Weg über eine Modifikation der Kausalität eines jeden Einzelbeitrags durch das schweizerische Bundesgericht wird überwiegend der Weg über eine fahrlässige Nebentäterschaft unter einer Vorverlagerung des Unrechts- und Schuldvorwurfs beschritten. Hierbei werden einerseits die auftretenden Kausalitätsprobleme durch eine nicht zu strenge Kausalitätsbetrachtung unter den Teppich gekehrt154 und bleiben andererseits dringende Zurechnungsfragen ungelöst. Die unterschiedlich beschrittenen alternativen Lösungswege zeigen, dass zutrifft, was Renzikowski (aufgrund seiner Argumentation wohl ungewollt) treffend formulierte: „In Deutschland hätten beide Angeklagte dagegen durchaus auf einen Freispruch hoffen können [...].“155 Denn die beiden Steineroller hätten vor deutschen Gerichten zwar mit einer Bestätigung der Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft, aufgrund der möglichen Umgehungskonstruktionen nicht aber unbedingt mit einem Freispruch rechnen können; sie hätten allenfalls auf einen hoffen können. Eine berechenbare Rechtsprechung sieht anders aus! Es ist daher dringend geboten, die Rechtsprechung auf eine einheitliche dogmatische Linie zu führen. Ob hierbei allerdings einer der aufgezeigten alternativen Lösungswege oder doch der einfachere Weg einer Anerkennung der fahrlässigen Mittäterschaft gegangen werden soll, kann (nach einer Einbeziehung der im Schrifttum diskutierten dogmatischen Erwägungen) nur zweierlei zeigen: ein konsequentes Herausarbeiten der sich aus dem Gesetz ergebenden Voraussetzungen einer Täterschaft und Mittäterschaft und deren Kreuzen mit den (noch zu bestimmenden) Voraussetzungen der Fahrlässigkeit.

______________ 154 So auch der Vorwurf von Ingeborg Puppe, JR 1992, 34, wenngleich speziell auf die Kollegialentscheidungsfälle bezogen. 155 Renzikowski, Täterbegriff, S. 2.

Drittes Kapitel

Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum Im Gegensatz zur Rechtsprechung sind im Schrifttum zur Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft während der letzten 135 Jahre Meinungsumschwünge zu verzeichnen, die einer Sinuskurve gleichkommen. Es finden sich einerseits Aussagen wie dass eine Mittäterschaft bei fahrlässigen Taten „bekanntlich“ möglich1 und für das Gegenteil „kein triftiger Grund“ zu erblicken2 sei oder auch dass die Mittäterschaftsnorm zumindest „analog“ auf „ein einverständlich von Mehreren begangenes Fahrlässigkeitsdelikt“ anwendbar3 sei. Zum anderen heißt es heutzutage zumeist, dass die Konstruktion der fahrlässigen Mittäterschaft ein mit dem geltenden Recht nur schwer zu vereinbarender Weg4 und daher nicht denkbar sei, könne man doch nicht bewusst und willentlich mit Bezug auf einen ungewollten bzw. unbemerkt in Gang gesetzten Nebenkausalverlauf zusammenwirken.5 Der dogmatische Grund für den Sinneswandel vor allem gegen Mitte des letzten Jahrhunderts von einer Zustimmung hin zu einer überwiegenden Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft drängt sich nach dem Vorstehenden förmlich auf: die Entwicklung auf dem Gebiet des Täterbegriffs, die auf den Mittäterschaftsbegriff durchschlug und je nach Ansicht eine fahrlässige Mittäterschaft dogmatisch ermöglichte oder unmöglich machte.

I. Die ältere Lehre Die ältere Lehre griff im Gegensatz zu Carl Georg Wächters Herleitung und der Sicht der Rechtsprechung die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit auf, den Begriff der Gemeinschaftlichkeit im Rahmen des § 47 StGB a.F. rein objektiv als gemeinsame Verursachung zu verstehen und so eine fahrlässige Mittäterschaft zu ermöglichen.

______________ 1

Mezger, Wege, S. 32. Exner, FG Frank I, 572 f. 3 Mezger, Lehrbuch, S. 422. 4 Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 115. 5 Vgl. nur Donatsch, SJZ 1989, 111. 2

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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Ausgangspunkt war ein aufsteigendes Kausalitätsdogma durch das Aufstreben des naturalistischen Denkens in den Naturwissenschaften vor allem ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts6, das in die Täterlehre übertragen wurde: Die Person, in deren Willen und Handlung die hinreichende Ursache für die Verbrechensverwirklichung liege, sei der Urheber, der „auctor“. Die Mitwirkung des Gehilfen (socius) dagegen bestehe nur in der Erleichterung der an sich schon möglichen Wirksamkeit des Urhebers oder der Hinwegräumung von Hindernissen.7 Während der Gehilfe also nur eine positive Bedingung setze oder eine negative vernichte, sei Täter, wer die nach dem gesetzlichen Tatbestand erforderliche Ausführungshandlung begehe.8 Diese „formal-objektive Theorie“9 war bis weit in die Dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts herrschend im Schrifttum und lag sogar dem Strafrechtsentwurf von 1925 zugrunde10. Hiervon ausgehend wurde die Mittäterschaft definiert als „gemeinsame Begehung der Ausführungshandlung“, als gemeinschaftliche Verursachen des Erfolges, wobei jeder einen Teil der Ausführungshandlung vornehmen müsse.11 Der Begriff der Gemeinschaftlichkeit wurde so in der Tat zum bloßen gemeinschaftlichen Verursachen. Wer in den fahrlässigen Deliktstatbeständen ein rein objektives Verursachen des Erfolges durch eine sorgfaltswidrige Handlung erblickte, musste so zwangsläufig zur Annahme einer fahrlässigen Mittäterschaft kommen.12 Zu keinem anderen Ergebnis kamen aber auch jene, die im Begriff „gemeinschaftlich“ oder zumindest im „Ausführen“ ein subjektives „Bewusstsein vom Zusammenwirken“ sahen, sofern mehrere eine Handlung vornahmen, deren strafrechtswidrige Wirkungen sie zwar nicht voraussahen, aber doch hätten ______________ 6

Vgl. Welzel, Naturalismus, S. 22 ff. Feuerbach, Lehrbuch, S.92; ebenso Binding, Grundriss, S. 149, 162 ff. 8 In diesem Sinne Beling, Lehre, S. 408 ff., Dohna, Aufbau, S. 59 f., Reinhard Frank, StGB, Dritter Abschnitt Anm. II, Hippel, Strafrecht II (1930), S. 435 ff., 453, Liszt/Eberhard Schmidt, Lehrbuch I, S. 326 ff., Arthur Wegner, AT, S. 249 ff. und Zimmerl, ZStW 49 (1929), 41 ff. 9 Die Begrifflichkeit stammt von Birkmeyer, VDA II, S. 21 und ist passend: Die Theorie ist objektiv, da sie die Abgrenzung nach dem äußeren Geschehen vornimmt, unabhängig von Willen und Interessen des Handelnden und formal, weil sie bei der Abgrenzung auf den jeweiligen besonderen Tatbestand rekurriert und nach ihm eine Ausführungshandlung festlegt, wo die Täterschaft endet und ab wo allenfalls Teilnahme in Betracht kommt, hierzu Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn.35 und Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 75. 10 Vgl. hierzu Wegner, AT, S. 250. 11 Hippel, Strafrecht II, S. 453, Mezger, Lehrbuch, S. 421 und Reinhard Frank, StGB, § 47 Anm. I und II. 12 Vgl. Binding, Grundriss, S. 152. 7

88

1. Teil: Bestandsaufnahme

voraussehen können und müssen13: Wenn beispielsweise zwei Handwerksburschen beim Abkochen ihres Mittagsmahls durch Unvorsicht den Brand einer Scheune verursachten, so hätten sie „gemeinschaftlich den Platz gewählt, gemeinschaftlich das Holz zusammengetragen, gemeinschaftlich es angezündet“, warum also hätten sie nicht auch die Tat„gemeinschaftlich ausgeführt“ (§ 47 StGB a.F.)?“14 Sofern die Rechtsprechung beide wegen Nebentäterschaft bestrafen wollte, stünde sie nach Binding nämlich vor „der unmöglichen Auflösung des einen in fahrlässiger Mittäterschaft begangenen Verbrechens in eine Anzahl von in Eintäterschaft begangenen!“15. Nur einige wenige der Stimmen aus dem früheren Schrifttum erkannten die fahrlässige Mittäterschaft nicht an. Neben jenen, die der Rechtsprechung mit ihrer subjektiven Abgrenzung (auch bei der Mittäterschaft) folgten16, sind aus dem Lager der objektiven Theorie Schacht, der einen Gleichlauf der §§ 47-49 RStGB erzielen wollte17, und Eberhard Schmidt zu nennen, der für die Mittäterschaft ein „Bewusstsein des Zusammenwirkens mit den übrigen Mittätern“ verlangte, das er ausweislich seiner Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft beim „Balken-Beispiel“ auf den Erfolgseintritt bezog.18

______________ 13 So Binding, Normen IV, 631 ff., Mezger, Wege, S. 32, ders., Lehrbuch, S. 422, Reinhard Frank, StGB, § 47 Anm. III, Kohlrausch/Lange, § 47 Anm. III, Exner, FG Frank I, 572 f., Weinberg, Teilnahme, S. 27 ff., Berolzheimer, Teilnahme, S. 49 und Bintz, Teilnahme, S. 10 ff. 14 Exner, FG Frank I, 572 f. Ein gutes Beispiel findet sich auch bei Bintz, Teilnahme, S.13: A und B verfügten über einige chemische Kenntnisse, die sie nutzen wollten, um den gemeinsamen Freund C an einer geplanten Reise zu hindern. So vereinbarten sie, dass A den Speisen des A eine Portion gelbes Blaulaugensalz und B (zur Vorsicht) den Speisen noch eine Dosis Weinsteinsäure versetzen sollte, Mittel, die jeweils nur leichtes Unwohlsein verursachten. C starb nach dem Essen jedoch, da die beiden Freunde vergessen hatten, dass beide Mittel verbunden das schnell wirksame Gift Blausäure erzeugten. Hierzu vertritt Bintz die Ansicht, dass der Tod das Resultat einer gemeinschaftlichen Handlung gewesen sei und A und B daher als Mittäter erscheinen würden. 15 Binding, Grundriss, S. 152 Fn.2. 16 So geht etwa Buri ganz im Sinne der Rechtsprechung auf der Grundlage eines subjektiven Täterbegriffs beim fahrlässigen Zusammenwirken von einer Nebentäterschaft aus, vgl. Buri, GS 28 (1876), 169 f. und 191 ff. sowie Buri, GS 22 (1870), 288. 17 Schacht, Zusammenwirken, S. 37, da er wegen der Ablehnung fahrlässiger Anstiftung und Beihilfe dem Teilnahmesystem keinen „bedenklichen Riss“ verpassen wollte. 18 Liszt/Eberhard Schmidt, Lehrbuch I, S. 336 f.

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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II. Der Täterbegriff der Tatherrschaftslehre als Ausgangspunkt der neueren Lehre Der Wandel hin zu einer überwiegenden Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft vollzog sich zusammen mit der generellen täterschaftlichen Erkenntnis, dass die dogmatischen Schwierigkeiten rein objektiver (einseitige Ausrichtung am Erfolgseintritt, Unmöglichkeit der mittelbaren Täterschaft)19 und rein subjektiver Täterkriterien (willkürliche Abgrenzung, Widerspruch zu § 25 Abs. 1 S. 1 Var. 1 StGB) nur durch eine Kombination objektiver wie subjektiver Kriterien überwunden werden könnten. Der ehemalige Senatspräsident am Reichsgericht Lobe war der erste, der die Täterqualität nach subjektivobjektiven Merkmalen bestimmte: Subjektiv forderte er eine den Willen begleitende und seine Richtung gebende Vorstellung dahin, „den Erfolg durch seine vom Willen ausgelöste Handlung herbeizuführen, den Erfolg also zu wollen“; objektiv müsste die vom Willen ausgelöste Handlung „in ihrer Ausführung tatsächlich vom Willen beherrscht und gelenkt werden“. Kriterium der Herrschaft sei der „animus domini [...] in Verbindung mit dem entsprechenden wirklichen dominare bei der Ausführung.“20 Unabhängig von ihm kam auch Welzel, ausgehend von einem finalen, auf ein Ziel fixierten Handlungsbegriff, zu einem vergleichbaren Täterbegriff: Welzel maß hierzu einerseits dem Willen des Einzelnen eine „gestaltende Funktion“ bei, die Tat herbeizuführen. Zum anderen legte er der Finalität aber auch eine objektive Bedeutung in der Weise bei, dass nur das erfolgte äußere Geschehen zeigen könne, dass die Tat wirklich (objektiv) das Werk des Täters sei.21 Beide gelten als Begründer der sogenannten Tatherrschaftslehre, die von Roxin als „Zentralgestalt der Täterschaftslehre“22 in seinem wesentlichen Werk über „Täterschaft und Tatherrschaft“ gefördert und zur „führenden Stellung in der Wissenschaft“23 gebracht wurde: Als Täter wird seither in der Lehre überwiegend derjenige bezeichnet, der nach Art und Gewicht seines objektiven Tatbeitrages und aufgrund seiner Willensbeteiligung das tatbestandsmäßige Geschehen in den Händen hält, das Ob und Wie der Tatbestandsverwirklichung also in einer Weise beherrscht, dass der Erfolg als das Werk zumindest auch seines zielstrebig lenkenden, die Tat gestaltenden Willens erscheint.24 Er ist ______________ 19

Vgl. hierzu nur Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 76. LK/Lobe, 5. Aufl. 1933, Einl. S. 123. 21 Welzel, ZStW 58 (1938), 543. 22 Schild, Täterschaft, S. 5. 23 Jescheck/Weigend, AT, S. 652. 24 In diesem Sinne Roxin, TuT, S. 127 ff., LK/ders., § 25 Rn. 7 ff., Welzel, Strafrecht, S. 99, Herzberg, TuT, S. 7 f., Jakobs, AT, 21/35 ff., Jescheck/Weigend, AT, S. 652 und Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 84 ff. 20

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1. Teil: Bestandsaufnahme

„Zentralgestalt des Geschehens“25, während die Teilnehmer als bloße Randfiguren erscheinen. Diese Änderung des Täterbegriffs in der Lehre gegen Mitte des 20. Jahrhunderts schlug auf die Mittäterschaft durch und veränderte so die Sicht zur fahrlässigen Mittäterschaft maßgeblich. Mittäterschaft wurde nunmehr verstanden als funktionelle Tatherrschaft durch ein arbeitsteiliges Zusammenwirken aller Beteiligter auf der Grundlage eines übergreifenden subjektiven Tatplans, so dass jeder durch seinen (wesentlichen) Tatanteil das Gesamtgeschehen mitbeherrschen kann.26 Hierbei wird die in die Mittäterschaft getragene „objektivsubjektive Sinneinheit“27 des Täterbegriffs noch einmal deutlich: Es bedarf objektiv eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens auf der Grundlage eines subjektiv gefassten gemeinschaftlichen Tatplans, so dass der Einzelne subjektiv das Geschehen willentlich mitbeherrschen könne. Gerade die subjektiven Elemente sind es daher, die an einer möglichen Übertragbarkeit dieser Kriterien auf Fahrlässigkeitsdelikte zweifeln lassen.

III. Die ablehnende Ansicht in der neueren Lehre und ihre Argumente Dies verdeutlicht jene überwiegende Zahl an Autoren im neuen Schrifttum28, die auf der Grundlage der Tatherrschaftslehre eine fahrlässige Mittäterschaft mit Argumenten ablehnen, die denen der überwiegend subjektiv geprägten Rechtsprechung zum Teil gar gleichen. So können die einzelnen Argumente dogmatisch vertieft und die Front gegen die fahrlässige Mittäterschaft in Recht______________ 25

Grundlegend zu diesem Begriff Roxin, TuT, S. 25. Hierzu ausführlich Roxin, AT II, § 25 Rn. 188 ff. 27 Jescheck/Weigend, AT, S. 652. 28 Hierzu zählen – zum Aufzeigen der Breite der Sicht bewusst alphabetisch aufgelistet: Arzt, recht 1988, 72, Bindokat, JZ 1979, 436 f., Bockelmann/Volk, AT, S. 204, Bottke, GA 2001, 467 und 473, ders., Täterschaft, S. 22 ff., Deutscher/Körner, wistra 1996, 333 f., Donatsch, SJZ 1989, 110 ff., Sonja Dreher, JuS 2004, 18, Gropp, AT, § 10 Rn. 82a, Hans-Ludwig Günther, JuS 1988, 386, Hartung/Serwe, Strafrecht, S. 71 f., Hauf, AT, S. 92, Heine, ZStrR 2001, 28, Herzberg, TuT, S. 73 f., Hoyer, GA 1996, 160 ff., Jescheck/Weigend, AT, S. 676 f., LPK-StGB/Kindhäuser, Vor § 25 Rn. 45 f., Kretschmer, Jura 2000, 268 Fn. 10, Küpper, Grenzen, S. 138, Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 103, Mitsch, JuS 2001, 109, NK-StGB/Schild, §§ 25 ff. Rn. 226 ff. sowie § 25 Rn. 100, Ingeborg Puppe, GA 2004, 131 ff., Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 115 ff., Seebald, GA 1964, 172, Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 15 Rn. 80, Tröndle/Fischer, § 25 Rn. 5a, Walder, recht 1989, 57, ders., FS Spendel, 363 ff., Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 90, Welzel, Strafrecht, S. 99 und ders., ZStW 58 (1938), 501 und 538 ff. 26

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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sprechung und Lehre einer eingehenden kritischen Würdigung unterzogen werden.

1. Der Einheitstäterbegriff bei den Fahrlässigkeitsdelikten Ein erster grundlegender Einwand betrifft bereits die grundsätzliche Übertragung der differenzierten Regelung der §§ 25 ff. StGB auf die fahrlässigen Delikte, wie es auch im Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein kurz anklingt: „Nach geltendem Gesetz sind Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe Begriffe, welche – jedenfalls nach der augenblicklich vorherrschenden Meinung – einzig auf die Haftung für vorsätzliche Taten und Beteiligungsformen zugeschnitten sind.“29 Mit den §§ 25 ff. StGB hat sich der deutsche Gesetzgeber entsprechend der historischen Entwicklung30 des deutschen Strafrechts im Gegensatz zu einigen ausländischen Strafrechtssystemen31 in begrüßenswerter Weise gegen ein Einheitstätersystem und für eine Aufteilung der Beteiligten in Täter und Teilneh-

______________ 29

OLG Schleswig-Holstein, OLGSt. StGB § 25 Nr. 1. Die Differenzierung in Täter und Teilnehmer war ein Werk der italienischen Strafrechtswissenschaft, von wo aus sie Einzug hielt in Art. 107, 148, 177 CCC, die als Vorbild für deutsche Strafrechtskodifikationen war. Die deutsche Dreiteilung stammt in dieser Aufteilung (Täter-Anstifter-Gehilfe) aus Art. 60 des französischen Code pénal von 1810, von wo aus er vermittelt über das preußische Strafgesetzbuch von 1851 Einzug in das deutsche Strafrecht fand; vgl. zur historischen Entwicklung Maiwald, FS Bockelmann, 344 ff. und Jescheck/Weigend, AT, S. 646. Aufgrund dessen wollen Küpper, Grenzen, S. 138 und Bockelmann, Untersuchungen, 111 die Unterscheidung nach den einzelnen Beteiligungsformen gar als „durch die Natur der Sache vorgezeichnet“ ansehen. 31 Normiert ist die Einheitstäterlehre etwa in Österreich (§ 12 StGB: „Nicht nur der unmittelbare Täter begeht die strafbare Handlung, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder sonst zu ihrer Ausführung beiträgt.“), Italien (Art. 110 Codice Penale in der Übersetzung von Riz, Codice Penale, S. 89: „Nehmen mehrere Personen an derselben strafbaren Handlung teil, so unterliegt jede von ihnen der für diese angedrohten Strafe, vorbehaltlich der Bestimmungen der folgenden Artikel.“), Dänemark (§ 23 Abs. 1 S.1 des dänischen Bürgerlichen StGB: „Die für eine Straftat geltende Strafnorm findet auf alle Anwendung, die durch Anreizung, Rat oder Tat daran teilgenommen haben.“) und Norwegen (§ 58 Abs. 2 S. 1 StGB: „Haben mehrere zu einem strafbaren Zwecke zusammengewirkt und ist die Mitwirkung eines einzelnen entweder im wesentlichen durch seine Abhängigkeit von einem anderen der Beteiligten veranlasst worden oder im Verhältnis zu der andrer von geringer Bedeutung gewesen, so kann in Hinsicht seiner die Strafe unter das angedrohte Mindestmaß oder auf eine mildere Strafart herabgesetzt werden.“ Diese Strafzumessungsvorschrift verdeutlicht, dass die Tatbestandsbeschreibungen auch Teilnehmer erfassen sollen, auch wenn der Richter dies in Auslegung im Einzelfall ermitteln soll, vgl. Andenaes, Strafrecht, S. 308 ff.). 30

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1. Teil: Bestandsaufnahme

mer entschieden: Nur mit der Begrenzung auf eine täterschaftliche Begehung der Tatbestandshandlung lässt sich die verfassungsrechtlich-notwendig strenge Tatbestandsmäßigkeit umsetzen; eine Täterschaft bei jeder Erfolgsherbeiführung würde die Tathandlungsbeschreibungen in die Verursachung von Rechtsgutsverletzungen umdeuten und so unter Ausdehnung der Strafbarkeit die rechtsstaatlich wohlerwogenen Tatbestandsgrenzen aufheben.32 „Wir sind auf dem sonnigen Gipfel der Dogmatik angelangt und brauchen auf den nebligen Sumpf der Einheitstäterschaft nur einen kurzen Abschiedsblick zu werfen“, hatte Volk33 daher einst prosaisch geschrieben. Umso verwunderlicher ist es daher, wieso die Fahrlässigkeitsdelikte im Sumpf verenden sollen. Für sie wollen nämlich viele Autoren die Dreiteilung nicht mittragen und einen Einheitstäterbegriff annehmen.34 Die hiermit verbundene Verneinung einer fahrlässigen Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB, der nicht anwendbar wäre, ist offensichtlich.35 Für die so grundsätzliche Zweiteilung der Täterlehre werden verschiedene Argumente vorgebracht:

a) Wortlaut Zunächst soll für dieses Verständnis der Wortlaut streiten, wonach die Strafbarkeit an eine fahrlässige „Verursachung“ eines missbilligten Erfolges anknüpft sei. So ordne beispielsweise § 222 StGB an, dass bestraft wird, wer „den Tod eines Menschen verursacht“ oder § 229 StGB, wer „die Körperverletzung ______________ 32 In diesem Sinne Roxin, AT II, § 25 Rn.3, LK/Roxin, Vor § 25 Rn.6 ff., Jakobs, AT, 21/6, Jescheck/Weigend, AT, S. 645 f., Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn.11, Lackner/Kühl, Vor § 25 Rn.1 und Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem §§ 25 ff. Rn. 12. Für ein Einheitstätermodell plädieren dagegen Kienapfel, NJW 1970, 1826 f., ders., NJW 1971, 123 f., Schilling, Verbrechensversuch, S. 115 ff. und Schwalm, FS Engisch, 551. Hierfür sind in den Beratungen zur Großen Strafrechtsreform bereits Krille, Niederschriften II, S. 98 f. und Stackelberg, Niederschriften II, S. 100 eingetreten. 33 Volk, FS Roxin, 563. 34 Roxin, AT I, § 24 Rn.27, ders., AT II, § 25 Rn. 8, ders., FS Tröndle, 178, Jakobs, AT, 21/110, Welzel, Strafrecht, S. 99, ders., ZStW (1938), 537 f., Gössel, GA 2004, 723, Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 102 f., Schmidhäuser, Lb AT, 14/9, Kühl, AT, § 20 Rn. 10, SK-StGB/Hoyer, Vor § 25 Rn.4, Küpper, Grenzen, S. 138 und Bottke, GA 2001, 467; einschränkend Jescheck/Weigend, AT, S. 654 f., die lediglich bei bewusster Fahrlässigkeit eine Aufgliederung für möglich halten, sie wegen anderer ausschlaggebender Kriterien aber nicht durchführen. 35 Nur mit Unglauben betrachtet kann daher auf den ersten Blick Roxins jüngste Aussage, der Einheitstäterbe-griff stünde einer fahrlässigen Mittäterschaft nicht entgegen (Roxin, AT II, § 25 Rn. 8).

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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einer anderen Person verursacht“. Die vergleichbaren Vorsatzdelikte würden hingegen das Töten eines Menschen oder das körperliche Misshandeln bzw. Schädigen der Gesundheit bestrafen. Zudem würden die Normen des deutschen Strafrechts fahrlässiges Verhalten ohne Verwendung der Ausdrücke „Täter“ oder „Teilnehmer“ kriminalisieren. Hieraus wird geschlossen, dass der Gesetzgeber hiermit zum Ausdruck bringen wollte, dass jede Art der Mitverursachung durch eine sorgfaltswidrige Handlung für die Begründung einer Fahrlässigkeitstäterschaft ausreiche, sei sie nach Vorsatzmaßstäben auch bloßes Verleiten oder Fördern der Tat.36 Fahrlässigkeitstäter seien „Straftat-Verursacher“37. Zwingend ist dies jedoch keineswegs. Zum einen verwendet der Gesetzgeber auch bei Vorsatzdelikten den Ausdruck „Täter“ nicht, sondern spricht nur von einem „Wer“. Die sich hieran anschließende Frage nach Täterschaft und Teilnahme ergibt sich zwangsläufig aufgrund des Klammerprinzips aus dem Allgemeinen Teil. Betrachtet man zum Zweiten die im Strafgesetzbuch vorkommenden Fahrlässigkeitsdelikte – die erfolgsqualifizierten Delikte einmal aussparend –, so hat der Gesetzgeber lediglich in 25 von 44 Delikten das Wort „verursacht“ verwendet.38 Unter diesen sind weiterhin noch viele Delikte, bei denen die fahrlässige Erfolgsherbeiführung nicht ausreicht, sondern tatbestandlich noch die Vornahme einer ganz konkreten Handlung gefordert wird (etwa das „Hindernis bereiten“ bei § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 StGB), durch die der Erfolg gerade herbeigeführt worden sein muss. Als reine Verursachungstatbestände verbleiben damit nur 3 Delikte (nochmals: von 44 Delikten): §§ 222, 229 und § 340 Abs.2 i.V.m. § 229 StGB. Dies sind gerade jene Delikte, die wegen ihrer Häufigkeit in der Lebenswirklichkeit für Beispiele verwendet werden und so jenen ersten Eindruck (Fahrlässigkeitsdelikte sind reine Verursachungsdelikte) bestimmen, der trügt.39 So hatte bereits Goltdammer40 ausge______________ 36

Bottke, Täterschaft, S. 23 ff., Bottke, GA 2001, 467, Welzel, ZStW 58 (1938), 501, Wolfgang Krauss, Täterschaft, S. 22 und Alwart, JuS 1979, 356; eingeschränkt auch Schmidhäuser, Lb AT, 14/9, Herzberg, TuT, S. 100 und Roxin, FS Tröndle, 178. 37 Bottke, GA 2001, 467. 38 Das Wort „verursacht“ kommt vor in §§ 97 Abs. 2, 222, 229, 283 Abs. 4 Nr. 2, 306 d Abs. 1, 306 d Abs. 2, 306 f Abs. 3, 307 Abs. 4, 308 Abs. 5, 308 Abs. 6, 312 Abs. 6 Nr. 1, 312 Abs. 6 Nr. 2, 315 Abs. 5, 315 Abs. 6, 315a Abs. 3 Nr. 1, 315a Abs. 3 Nr. 2, 315b Abs. 4, 315b Abs. 5, 315c Abs. 3 Nr. 1, 315c Abs. 3 Nr. 2, 318 Abs. 6 Nr. 1, 318 Abs. 6 Nr. 2, 319 Abs. 3, 319 Abs. 4, 340 Abs. 3 i.V.m. 229 StGB, nicht jedoch in §§ 109e Abs. 5, 138 Abs. 3, 163 Abs. 1, 261 Abs. 5, 283 Abs. 5, 283 b Abs. 2, 311 Abs. 3, 316 Abs. 2, 317 Abs. 3, 323a Abs. 1, 324 Abs. 3, 324a Abs. 3, 325 Abs. 3, 325a Abs. 3, 326 Abs. 5, 327 Abs. 3, 328 Abs. 5, 329 Abs. 4, 345 Abs. 2 StGB. 39 Bezeichnend für die sich hieraus ergebende geringe Durchschlagkraft des Wortlautarguments ist die Begrenzung, die ein Großteil der auf den Wortlaut abstellenden Autoren vornehmen. Veranschaulicht sei dies an Roxins Formulierung: „Der Gesetzgeber stellt, wie schon der Wortlaut des Gesetzes nahe legt (§§ 222, 229 StGB), bei reinen Erfolgsdelikten die fahrlässige Verursachung als solche unter Strafe und lässt nirgends

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1. Teil: Bestandsaufnahme

führt, dass der Wechsel in der gesetzlichen Ausdrucksweise auch darin begründet sein könnte, jeweils die unmittelbare Täterschaft treffend zu kennzeichnen: das Wort „töten“ bezeichne etwa das Tun desjenigen, dessen Handlungen „direkt auf diesen Erfolg gerichtet sind“ und bei denen eine „unmittelbare Verbindung zwischen Absicht und dem Erfolg“ besteht. Mit der Formulierung der Verursachung des Todes werde dagegen dem fehlen dieser Verbindung Rechnung getragen. Die fehlende Aussagekraft des Wortes „verursacht“ verdeutlicht auch § 325a Abs. 1 StGB. Bei diesem Vorsatzdelikt wird jede Verursachung eines gesundheitsschädlichen Lärms beim Betrieb einer Anlage bestraft. Dennoch richtet sich die Frage nach der Täterschaft nicht entsprechend dem Wortlautargument nach dem Einheitstäterprinzip sondern unstreitig nach den allgemeinen Regeln der §§ 25 ff. StGB.41 Fahrlässige Deliktstatbestände unterscheiden sich von Vorsatzdelikten also allein im rein subjektiven Bereich: Sie fordern auch bestimmte Handlungsweisen und täterspezifische Merkmale (wie das des Amtsträgers oder staatlichen Beauftragten bei § 97 Abs. 2 StGB) zur Bestrafung. Sollte dennoch jede geartete Erfolgsverursachung ausreichen, so würden nicht nur diese Tatbestandsanordnungen umgangen und der Täterbegriff bei den Fahrlässigkeitsdelikten in verfassungswidriger Weise von seiner Tatbestandsbezogenheit gelöst. Handlungen, die im Vorsatzbereich bloße Beihilfehandlungen mit der obligatorischen Strafmilderung des § 27 Abs. 2 S. 2 StGB wären, würden zudem zu fahrlässigen Täterhandlungen „heraufgestuft“. Das wohlüberlegte Teilnahmesystem mit seinen Abstufungen würde so umgangen.42

b) Wertung der §§ 26, 27 StGB Ein weiteres Argument für den Einheitstäterbegriff im Fahrlässigkeitsbereich wird systematisch aus den §§ 26, 27 StGB hergeleitet. Diese umfassen nach ______________

erkennen, dass er bestimmte fahrlässige Verursachungen unter dem Gesichtspunkt der ,Teilnahme‘ von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ausnehmen will“ (Roxin, FS Tröndle, 178, Paragraphenbezeichnung angepasst; vergleichbar Herzberg, TuT, S. 100, Schmidhäuser, Lb AT, 14/9 und Seier, JA 1990, 344). Man könnte hieraus die Konsequenz ziehen, dass einzig bei fahrlässigen Erfolgsdelikten der Einheitstäterbegriff gelten würde, ansonsten jedoch nicht. Dies wird in der Tat etwa vertreten von Herzberg, TuT, S. 100 und Seier, JA 1990, 344. 40 Goltdammer, GA 15 (1867), 17. 41 Sch/Schr/Stree/Heine, § 325a Rn.16. 42 So Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 107, Otto, Jura 1998, 411, Eschenbach, Jura 1992, 643 und Luzon Pena/Diaz y Garcia Conlledo, FS Roxin, 599.

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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ihrem eindeutigen Wortlaut nur vorsätzliche Verwirklichungen. Hieraus wird im Umkehrschluss abgeleitet, dass das Gesetz bei den Fahrlässigkeitsdelikten auf eine Abstufung zwischen Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe verzichtet habe und alle fahrlässigen Tatbestandsverwirklichungen einheitlich als Täterschaft ansehe, so dass auch jede fahrlässige Bestimmungs- oder Förderungshandlung eine fahrlässige Täterschaft begründen könne.43 Wenn also beispielsweise A in einer Wirtsstube unvorsichtigerweise ein geladenes Gewehr hängen lässt, mit dem B später vorsätzlich den C erschießt, so könne A wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden.44 Eine gewisse Plausibilität ist dem Argument nicht abzusprechen: Wenn es keine Teilnahmeformen gibt, kann es nur einen Einheitstäterbegriff geben. Einzig dem Argument fehlt die letzte logische Konsequenz. Dies beruht auf einem Zirkelschluss in der Argumentation, der von den Vertretern dieser Sichtweise nicht gesehen wird. So bedingt die Tatherrschaftslehre einen restriktiven Täterbegriff, wonach die §§ 26, 27 StGB die Strafbarkeit von Beteiligten über jene des (nur mit Tatherrschaft möglichen) täterschaftlichen Begehens einer Straftat ausdehnt.45 Diesem Täterbegriff zufolge ist nicht bereits jeder Verursachungsbeitrag für eine täterschaftliche Bestrafung ausreichend, sondern eben nur ein den materiellen Erfordernissen des § 25 StGB genügendes Verhalten. Ein fahrlässiges Bestimmen oder Fördern der Tat hingegen wäre kraft eines Umkehrschlusses aus der gesetzlichen Norm straflos46 (wie es auch hinsichtlich der Straflosigkeit der versuchten Beihilfe im Hinblick auf § 30 Abs. 1 StGB praktiziert wird). Anders wäre dies nur bei der Annahme des von Mezger47 und Eberhard Schmidt48 entwickelten extensiven Täterbegriffs. Hiernach sollte Täter jeder sein, der „den Erfolg des gesetzlichen Straftatbestandes verursacht, [...] soweit nicht besondere Vorschriften entgegenstehen“49. Derartige Vorschriften wären gerade die §§ 26, 27 StGB mit der Folge, dass ihnen strafbarkeitseinschränkende Funktion zukäme und jedes Verhalten Täterschaft begründen würde, sofern nicht die §§ 26, 27 StGB tatbestandlich erfüllt wären.50 Nur ______________ 43 Jakobs, AT, 21/111, Roxin, AT II, § 25 Rn.8, ders., FS Tröndle, 178, LK/Roxin, § 25 Rn. 217 f., § 26 Rn. 65; Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 112 und Mitsch, JuS 2001, 109; so zu § 47 StGB a.F. bereits Schacht, Zusammenwirken, S. 37 und Seebald, GA 1964, 172. 44 LK/Roxin, § 25 Rn. 218. 45 Vgl. nur Roxin, AT II, § 25 Rn. 4 ff. und LK/Roxin, Vor § 25 Rn. 9 ff.. 46 In diese Richtung Otto, JuS 1974, 705 und Eschenbach, Jura 1992, 643. 47 Mezger, Lehrbuch, S. 410 ff. 48 Eberhard Schmidt, FG Frank II, 117 ff. 49 BGHSt. 3, 4 (5). 50 So vertreten von RGSt. 74, 21 (23), BGHSt. 3, 4 (5), Eberhard Schmidt, FG Frank II, 117 ff., Mezger, Lehrbuch, 415 f., Richard Lange, Täterbegriff, S. 37 ff., Bockelmann, Untersuchungen, S. 76.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

hiernach wäre jeder fahrlässige Verursachungsbeitrag mangels einschreitender einschränkender Teilnahmenorm ein täterschaftlicher. Es wird damit stillschweigend mit dem extensiven Täterbegriff ein anderes Tätersystem für die Fahrlässigkeitsdelikte bereits vorausgesetzt, um eine entsprechende Zweiteilung des Tätersystems gerade erst dogmatisch begründen zu können. Dieser Zirkelschluss würde nur vermieden, wenn der teilweise zu lesende Satz „Der Begriff der fahrlässigen Teilnahme (Anstiftung und Beihilfe) hat im geltenden Recht keinen Platz“51 in der Weise fundiert wäre, dass eine fahrlässige Anstiftung oder eine fahrlässige Beihilfe bereits dogmatisch undenkbar wäre. Dem ist jedoch nicht so. Dies hat nicht nur der historische Gesetzgeber mit § 20 Abs. 1 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken von 187052, sondern auch der heutige Gesetzgeber mit § 19 des Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen)53 und nicht zuletzt Roxins obiges Beispiel mit der liegen gelassenen Schusswaffe verdeutlicht. Hier kann man auch urteilen, A habe eine bloße Hilfstätigkeit vorgenommen, die im vorsätzlichen Falle unter § 27 StGB fallen würde, so dass sein Verhalten mangels vergleichbarer Fahrlässigkeitsregelung straffrei bleibe. Es kann also keine Rede davon sei, dass bereits „gesetzestechnisch bei den Fahrlässigkeitsdelikten das Modell des Einheitstäters gilt“54.

c) Fehlende Tatherrschaft Im Mittelpunkt für eine Differenzierung von Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten bereits auf der Ebene des Täterbegriffs steht schließlich mit der Tatherrschaft das tragende Prinzip der derzeit überwiegend vertretenen Täterlehre, das als bei fahrlässigen Delikten nicht existent angesehen wird. ______________ 51

Els, NJW 1972, 1477; ähnlich Mitsch, JuS 2001, 109. Dieser lautet (BGBl. des Norddeutschen Bundes 1870, 339 (343 f.)): „Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit einen Anderen zur Veranstaltung eines Nachdrucks veranlaßt, hat die im § 18 festgesetzte Strafe verwirkt [...], und zwar selbst dann, wenn der Veranstalter des Nachdrucks nach § 18 nicht strafbar [...] sein sollte.“ 53 In diesem heißt es (BGBl. 1990 I, 2507 (2512)): „(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer 1. Atomwaffen [...] entwickelt, herstellt, mit ihnen Handel treibe, von einem anderen erwirbt oder einem anderen überlässt, einführt, ausführt [...], 1a. einen anderen zu einer in Nummer 1 bezeichneten Handlung verleitet oder 2. eine in Nummer 1 bezeichnete Handlung fördert. [...] (4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr.1 fahrlässig oder in den Fällen des Absatzes 1 Nr.1a oder 2 leichtfertig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.“ 54 So Kudlich, Unterstützung, S. 391. 52

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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Die Fahrlässigkeit zeichne sich (vor allem bei unbewusster Fahrlässigkeit) durch eine fehlende Beziehung des Handelnden zum Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs aus, den er nicht verwirklichen wolle, so dass nicht von einer zweckbewussten Lenkung des Gesamtgeschehens und damit von einer Tatherrschaft ausgegangen werden könne.55 Wie es mit der formal-objektiven Theorie falsch gewesen sei, „finale Tatbestände mit den fahrlässigen Tatbeständen in das Prokurestesbett der Verursachungstatbestände zu pressen“, so sei es daher unter der Tatherrschaftslehre falsch, für vorsätzliche und fahrlässige Tatbestände den gleichen Täterbegriff aufstellen zu wollen. Die fahrlässige Täterschaft stelle vielmehr „eine Täterschaft ganz eigener Art“ dar und habe „mit der im Mittelpunkt der Dogmatik stehenden finalen Täterschaft nichts zu tun.“56 Erscheint eine Abschichtung der einzelnen Beteiligungsformen beim Fahrlässigkeitsdelikt so als unmöglich, so würde sich hieraus ein grundlegender Einwand gegen die fahrlässige Mittäterschaft ergeben: Besteht beim Fahrlässigkeitsdelikt keine Herrschaft des Geschehens, so kann es auch keine funktionelle Mitbeherrschung des Geschehens, wie die Mittäterschaft nach der Tatherrschaftslehre gekennzeichnet ist, geben. Diese Argumentation erscheint auf den ersten Blick zwingend und folgerichtig. Letzteres impliziert aber den eigentlichen Kern: Diese Begründung für den Einheitstäterbegriff und gegen ein differenziertes System, das auch eine fahrlässige Mittäterschaft umfassen würde, steht und fällt mit dem Täterbegriff. So folgt die fehlende Tatherrschaft aus der grundsätzlichen Erwägung eines zwingenden subjektiven Elements, das aus dem finalen Handlungsbegriffs als Grundpfeiler abgeleitet wird. Der vor allem von Roxin57 propagierten Offenheit der Tatherrschaftslehre entsprechend ist dies aber nicht das einzig denkbare Fundament. So könnte man die Tatherrschaft durchaus auch als bloße Ausprägung der objektiven Zurechnung ansehen, die Vorsatz- wie Fahrlässigkeitsdelikten gemein sei – eine Tatherrschaft wäre dann unproblematisch auch beim Fahrlässigkeitsdelikt denkbar.58 Zum anderen kann eine Argumentation an der Finalität ansetzen. Eine derartige kennt die fahrlässige Handlung auch, handelt doch kein Mensch ziellos in der Welt, sondern gehirngesteuert zur Erreichung eines Zieles. Einzig bei der ______________ 55 LK/Roxin, § 25 Rn. 217, Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 102, Lackner/Kühl, Vor § 25 Rn. 2, Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 15 Rn. 77 und Welzel, ZStW 58 (1938), 538. 56 Welzel, ZStW 58 (1938), 538; ähnlich Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 102 und Küpper, Grenzen, S. 138. 57 Roxin, AT II, § 25 Rn. 12 und ders., TuT, S. 528 ff. 58 So etwa Luzon Pena/Diaz y Garcia Conlledo, FS Roxin, 577 und Eschenbach, Jura 1992, 644.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

Fahrlässigkeit ist dieses kein gesetzlich verbotenes Ziel. Nichtsdestotrotz könnte hierin eine gemeinsame Fundierung gesehen werden, die einen alle Deliktsarten umfassenden Täterbegriff erlaubt. Selbst wer ein derartiges bestreitet, da die Finalität durch einen strafrechtlich erheblichen Sinn geprägt sein müsse59, der kann der Fahrlässigkeit im Gegenzug einen subjektiven Tatbestand in der Weise bescheinigen, „dass der Handelnde von den Bedingungen des eingetretenen Erfolgs einen tatbestandsrelevanten Ausschnitt kennt, von dem nach Bewertung der Rechtsordnung eine intolerable Gefahr (,unerlaubtes Risiko‘) ausgeht“60. Dies hätte zur Folge, dass auch bei Fahrlässigkeitsdelikten das Unrecht „durch rechtlich missbilligte, weil auf einen (das unerlaubte Risiko begründenden) Unwertsachverhalt gerichtete Finalität begründet“ würde und zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten eine homogene Struktur bestünde.61 Diese wenigen Andeutungen mögen genügen, um zu verdeutlichen, dass mit leichten Nuancen im Täterbegriff fahrlässige Delikte erfasst oder ausgeschlossen und einem vollständig anderen System unterworfen werden könnten, einem Einheitstäterbegriff, gegen den die Tatbestandsmäßigkeit sowie Gerechtigkeitserwägungen streiten. Vor allem letztere könnten dazu führen, ein eigenes verzweigtes System der Beteiligungsformen notfalls mit abweichenden Kriterien aufzustellen. Die Grundlage hierfür hat Roxin geschaffen, indem er die Tatherrschaft als Täterkriterium auf die Herrschaftsdelikte begrenzt und auf Pflichtdelikte und eigenhändige Delikte erst gar nicht anwenden möchte.62 Erst Recht könnte dies für fahrlässige Delikte gelten, so dass die fehlende Tatherrschaft dann eher eine „Selbstverständlichkeit“63 wäre, die einem dualen System aber nicht notwendig im Wege stünde. Welcher Weg zu beschreiten ist und welche Durchschlagskraft damit dieser zentrale Einwand gegen die fahrlässige Mittäterschaft zukommt, kann nur eine genaue Analyse des dem Gesetz zugrunde gelegten Täterbegriffs entscheiden.

2. Verstoß gegen nullum crimen sine lege Neben grundsätzlichen täterschaftlichen Erwägungen wird überwiegend die Anerkennung einer fahrlässige Mittäterschaft als Verstoß gegen den aus Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 7 Abs. 1 EMRK folgenden Grundsatz des nullum ______________ 59

Gallas, Beiträge, S. 18 f. Struensee, JZ 1987, 60; zust. Heribert Schumann, StV 1994, 111. 61 Heribert Schumann, StV 1994, 111. 62 Hierzu ausführlich Roxin, TuT, S. 352 ff. 63 Vgl. Otto, Jura 1990, 48, Roxin, TuT, S. 695 und Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 70. 60

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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crimen, nulla poena sine lege skripta angesehen (auch wenn dies ausdrücklich nur selten in dieser Schärfe formuliert wird64): Nach § 15 StGB ist ein fahrlässiges Verhalten nur dann strafbar, wenn das Gesetz es ausdrücklich mit Strafe bedroht. Mit dieser Norm beseitigte der Gesetzgeber die für den Täter unsichere Rechtslage, wonach eine Bestrafung wegen fahrlässigen Verhaltens auch ohne besondere Anordnung strafbar sei, „wenn sich ein entsprechender Wille des Gesetzgebers aus dem Zusammenhang der Bestimmungen oder aus dem Grund und Zweck der einzelnen Norm mit Sicherheit ergibt“65, und stellte sie auf verfassungsrechtliche Füße. Dies gilt für die einzelnen Tatbestände im gleichen Maße wie für Versuch, Beteiligung und den Versuch der Beteiligung.66 Aus der fehlenden Nennung fahrlässigen Verhaltens in § 25 Abs. 2 StGB könnte daher geschlossen werden, dass eine fahrlässige Mittäterschaft nicht dem Strafgesetz unterfalle.67 Hiergegen lässt sich zwar nicht vorbringen, § 25 Abs. 2 StGB umfasse mit dem Ausdruck des „Begehens“ dem Wortlaut nach auch das Unterlassungsdelikt nicht, obwohl die Existenz des mittäterschaftlichen Unterlassungsdelikts unstreitig anerkannt wird68. Denn das „Begehen“ ist vom Gesetz ausweislich § 9 Abs. 1 StGB als Oberbegriff für ein Tun oder Unterlassen gewählt worden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Bestimmungen des Allgemeinen Teils vor die Klammer gezogene Vorschriften sind, die auf die einzelnen Deliktstatbestände Anwendung finden. So ist § 25 StGB in die einzelnen Tatbestände hereinzulesen an jeder Stelle, wo der „wer“ als Tatsubjekt erwähnt wird. So würde der Tatbestand einer in Mittäterschaft begangenen fahrlässigen Tötung etwa – die Anwendung des § 25 Abs. 2 StGB auf fahrlässige Delikte unterstellt – lauten: „Verursachen mehrere gemeinschaftlich durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen, so wird jeder mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Hierdurch wird deutlich, dass dem § 15 StGB durch die Strafandrohungen der fahrlässigen Deliktstatbestände genüge getan ist und er einer fahrlässigen Mittäterschaft nicht im Wege stehen kann.69 ______________ 64 Einzig Walder, recht 1989, 57 spricht dies so klar aus; vgl. aber auch Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 115: fahrlässige Mittäterschaft „ein mit dem geltenden Recht schwer vereinbarer Ausweg“. 65 BGHSt. 6, 131 (132); ähnlich bereits RGSt. 49, 116 (118). 66 BT-Ds. IV/650, S. 128. 67 So ausdrücklich nur von Bettina Weißer, JZ 1998, 233 f. und dies., Kausalitätsprobleme, S. 148 f. angedacht, wenngleich zu Recht verworfen. Die Gegner der fahrlässigen Mittäterschaft begnügen sich dagegen mit dem abstrakten Hinweis, dass die fahrlässige Mittäterschaft mit dem geltenden Recht zwar konstruierbar, mit dem geltenden Recht aber nicht vereinbar sei, ohne dies näher zu begründen, vgl. nur Tröndle/Fischer, § 25 Rn. 5a. 68 Vgl. nur Sch/Schr/Cramer/Heine, § 25 Rn. 77 und Tröndle/Fischer, § 25 Rn. 7c. 69 Vgl. Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 148 f., die dies andeutet.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

3. Fehlender gemeinsamer Tatentschluss Schwerer zu widerlegen ist demgegenüber der Zentraleinwand, der sich am häufigsten in den einzelnen Darstellungen findet: das Fehlen eines gemeinsamen Tatentschlusses. Als Grundlage der mittäterschaftlichen Haftung wird ein Wollen der arbeitsteiligen Tatbestandsverwirklichung gefordert, ein gemeinsamer Tatentschluss, aus dem sich die „Funktion“ des Beitrags eines jeden ergebe und der so das Zusammenwirken zum Taterfolg trage.70 Da zur Begehung einer Fahrlässigkeitstat aber das Nichtwollen der Tatbestandserfüllung gehöre, fehle es beim Zusammenwirken mehrerer bei dieser Deliktsart am fehlenden Tatentschluss als entscheidendem Moment, so dass eine fahrlässige Mittäterschaft zwangsläufig ausscheiden müsse.71 Das bei Fahrlässigkeitstaten einzig mögliche Bewusstsein gemeinschaftlicher Gefahrschaffung sei hierzu ein aliud, das eine Zurechnung über § 25 Abs.2 StGB nicht begründen könne.72 Dieses Argument erscheint vom Ausgangspunkt der Tatherrschaftslehre aus gesehen folgerichtig und schlüssig. Gerade aus diesem Umstand heraus sei es aber auch „am einfachsten zu widerlegen“, wie Bettina Weißer73 es formuliert. Versuchen wir es: Die Mittäterschaft setzt ein „gemeinschaftliches Begehen einer Straftat voraus“, wobei letzteres der Formulierung des § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB entspricht, so dass man auch von „gemeinschaftlicher (Allein-)Täterschaft“ sprechen könnte. Versteht man nach der Tatherrschaftslehre unter der Täterschaft aber die Tatbestandsverwirklichung bei der Innehabung von Tatherrschaft und sieht diese als eine Synthese eines objektiven (Tatbestandsverwirklichung) und eines subjektiven Elements (Wille zur Tatbestandsverwirklichung) an, so muss sich das Element der Gemeinschaftlichkeit auf beide Teilmomente beziehen. Dies erklärt einerseits die verlangten Mittäterschaftsvoraussetzungen der gemeinschaftlichen Tatbestandsverwirklichung in Form eines arbeitsteiligen Vorgehens und des gemeinschaftlichen Willens zur Tatbestandsverwirklichung in Form eines gemeinsamen Tatplans. Es verdeutlicht aber auch, dass die Mittäterschaft wie ein Baukastensystem auf dem Täterbegriff aufbaut und ihre Erfordernisse mit dem vertretenen Täterbegriff stehen und fallen. Unter dieser Prämisse könnte gegen das Argument des fehlenden gemeinschaftlichen Tatentschlusses von den Anhängern der fahrlässigen ______________ 70 LK/Roxin, § 25 Rn. 173, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 82, Jescheck/Weigend, AT, S. 678, Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 83. 71 Arzt, recht 1988, 72, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 90, Jescheck/Weigend, AT, S. 676 f., Gropp, AT, § 10 Rn. 82a, Bockelmann/Volk, AT, S. 204, LPK-StGB/Kindhäuser, Vor § 25 Rn. 45 f., Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 116, Bottke, GA 2001, 470 sowie Kretschmer, Jura 2000, 268 Fn. 10. 72 Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 116. 73 Bettina Weißer, JZ 1998, 232.

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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Mittäterschaft das Gleiche vorgebracht werden wie gegen jenes der fehlenden Tatherrschaft: die Imkompatibilität der Fahrlässigkeitselemente mit den Elementen der (funktionellen) Tatherrschaft sei eine Selbstverständlichkeit, die nur zum Ausdruck bringe, dass die Täterschaft beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht mit Vorsatzkriterien begründet werden könne.74 Während es bei der Vorsatztat um die wissentliche und willentliche Tatbestandsverwirklichung gehe, gehe es beim Fahrlässigkeitsdelikt um die sorgfaltspflichtwidrig herbeigeführte, ein Strukturunterschied, der sogar beibehalten werden müsse bei der Entwicklung von fahrlässigen Täter- und Mittäterkriterien, um nicht gegen die Gesetzessystematik zu verstoßen.75 Dieser Einwand, der erneut eine Entwicklung des dem Gesetz zugrunde liegenden Täterbegriffs als unentbehrlich erscheinen lässt, wäre jedoch nur dann zwingend und das Fehlen des gemeinschaftlichen Tatentschlusses nur dann selbstverständlich, wenn das Gesetz „in § 25 Abs. 2 StGB nur ein gemeinschaftliches, nicht notwendig aber dessen Vorsätzlichkeit“76 verlangen würde. Oder anders ausgedrückt: wenn das Erfordernis eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses alleine aus dem normtextorientierten Bezug des Gemeinschaftskriteriums zum Begehen folgt und nicht aus dem Gemeinschaftsbegriff selbst. Demgegenüber ist bereits früher vertreten worden, dass nur ein einverständliches Zusammenwirken die Annahme einer Gemeinschaftlichkeit rechtfertigen könne, so dass auch Vertreter des formal-objektiven Täterbegriffs teilweise zwar nicht dem Begehen (nach heutiger Terminologie), wohl aber dem Gemeinschaftsbegriff ein subjektives Kriterium zusprachen: Es liege in dem Bewusstsein, dass sich die eigene Tätigkeit mit einer fremden verbinde und durch eine fremde ergänzt werde.77 Diese Feststellung weist bereits eine erstaunliche Nähe zur Formulierung der Rechtsprechung auf, nach der durch den gemeinschaftlichen Tatplan der eigene Tatbeitrag eines jeden Mittäters derart in die gemeinschaftliche Tat eingefügt werde, „dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint“78. Hiermit wird deutlich, dass gerade in dieser subjektiven Komponente der eigentliche Grund für die allseits propagierte „Handlungsanrech______________ 74 So Otto, Jura 1990, 48, Roxin, AT II, § 25 Rn. 242, Bettina Weißer, JZ 1998, 232, dies., Kausalitätsprobleme, S. 146, Riedo/Chvojka, ZStrR 2002, 158, Ransiek, ZGR 1999, 643 und Heribert Schumann, StV 1994, 110 f. 75 Bettina Weißer, JZ 1998, 230 (232). 76 Roxin, AT II, § 25 Rn. 242. 77 So etwa Weinberg, Teilnahme, S. 33 f.; vgl. nunmehr auch Roxin, AT II, § 25 Rn. 190: „Die Notwendigkeit eines gemeinsamen Tatplans folgt zunächst aus dem Gesetz; denn die in § 25 Abs. 2 geforderte ,Gemeinschaftlichkeit‘ der Tatbegehung setzt die Willensübereinstimmung der Mittäter voraus.“ 78 BGHSt. 37, 289 (291); ähnlich BGHSt. 6, 248 (249) und BGHSt. 8, 393 (396).

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1. Teil: Bestandsaufnahme

nung“79 liegen kann: Jeder Mittäter will, dass der andere einen Teil der zur Zielerreichung notwendigen Handlungen unternimmt und überlässt sie ihm. Jeder Mittäter instrumentalisiert den anderen zur Vervollständigung der für die Tatbestandsverwirklichung notwendigen Handlung, oder in den Worten von Ransiek: Jeder „will, dass der andere ihn ,vertritt‘, und der andere will ihn auch ,vertreten‘“.80 Entsprechend der Instrumentalisierung bei der mittelbaren Täterschaft, die den Grund für die Zurechnung fremden Verhaltens bildet, kann auch bei der Mittäterschaft die bewusste Instrumentalisierung – wenngleich hier mit dem Wissen des anderen – den Grund der erweiterten Haftung bilden. Der gemeinschaftliche Tatentschluss wäre dann das „die Klammer, die die einzelnen Teilstücke zum Ganzen zusammenfügt“81 und aus mehreren Tätern eine Gemeinschaft werden lässt. Angesprochen ist so mit dem Hauptargument des fehlenden gemeinschaftlichen Tatentschlusses nicht nur der Täterbegriff an sich, sondern zugleich das Wesen der Mittäterschaft, so dass es tieferer dogmatischer Analysen nicht nur des Täter- sondern auch des Mittäterschaftsbe-griffs bedarf, um beurteilen zu können, ob eine fahrlässige Straftat auch gemeinschaftlich begangen werden kann.

4. Verstoß gegen in dubio pro reo und Haftungsausdehnung Mit dem Argument des fehlenden gemeinschaftlichen Tatentschlusses eng verbunden sind noch zwei Einwände, die verschieden vorgetragen werden, letztlich aber den gleichen Kern treffen: So hat einerseits besonders Herzberg82 für die Fälle zweifelhafter Kausalität wie den „Rolling stones“-Fall oder den „Kerzen“-Fall vorgetragen, die Annahme einer fahrlässigen Mittäterschaft in diesen Konstellationen verstoße gegen den Grundsatz in dubio pro reo. Zwar mag im Einzelfall ein gemeinsames Unternehmen vorliegen wie das gemeinsame „Spiel mit den Felsblocken“ oder der gemeinsame Einbruch bei Kerzenschein. Hinsichtlich des ungewollten Unrechtserfolgs schaffe das gemeinsame Unternehmen aber keine Solidarität, die einzig eine wechselseitige Zurechnung als vertretbar erscheinen ließe. Zur ______________ 79 Vgl. nur NK/Schild, §§ 25 ff. Rn. 286 ff. Die bewusst gesetzten Anführungszeichen beruhen darauf, dass dem Strafrecht nach hiesigem Verständnis ein finaler Handlungsbegriff zugrunde liegt. Die durch die Finalität zum Ausdruck kommende subjektive Komponente wird aber nicht zugerechnet, sondern nur die äußere Tätigkeit, so dass der Begriff „Tätigkeitsanrechnung“ wohl besser passen würde. 80 Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 70. 81 Jescheck/Weigend, AT, S. 674. 82 Herzberg, TuT, S. 73.

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Verdeutlichung bildet er einen Extremfall: „Zwanzig Menschen veranstalten im Wald eine gemeinsame Schießübung ohne ausreichende Sicherheitsvorkehrungen. Sollen alle wegen fahrlässiger Tötung strafbar sein, wenn einer einen Spaziergänger tödlich trifft?“ Dem vergleichbar ist die Argumentation Roxins83 zu einer mit der fahrlässigen Mittäterschaft verbundenen unzulässigen Haftungsausdehnung. Dies verdeutlicht er an folgendem Fall: „Fünf junge Leute wollen sich einen Spaß machen, indem sie in regelmäßigen Abständen je eine Patrone auf den Fußweg legen. Sie hoffen, dass Fußgänger darauf treten und sich über den Knall erschrecken. Dabei bedenken sie leichtsinnigerweise nicht, dass die explodierende Patrone auch Verletzungen hervorrufen kann. Ein Passant tritt prompt auf eine Patrone und trägt einen Schaden am Fuß davon. Es kann nicht ermittelt werden, wer die Patrone gelegt hatte, die den Unfall herbeigeführt hat.“ Roxin argumentierte hier im Gegensatz zu seiner heutigen Auffassung84 noch, dass alle Beteiligte nicht wegen fahrlässiger Körperverletzung bestraft werden könnten, da die bloße Gefährdung durch das Hinlegen der „Knallfrösche“ für sich genommen nicht strafbar sei und nicht unter den Verletzungstatbestand der fahrlässigen Körperverletzung subsumiert werden könne. Allein durch das Umschlagen in einen Verletzungserfolg könne aus dieser straflosen bloßen Gefährdungshandlung nicht eine (hinsichtlich der Kausalität nicht nachweisbare) strafbare Verletzungshandlung werden. Anders zu entscheiden hieße eine mit dem Schuldprinzip nur schwer zu vereinbarende „unerträgliche Haftungsüberdehnung“ hinzunehmen. Herzberg ist vorgeworfen worden, die Reichweite des Wortes „Gemeinschaftlichkeit“ ohne nähere Begründung nur auf Vorsatztaten beschränkt zu haben85, und Roxin, dass seine Ansicht auf das Vorsatzdelikt übertragen für die Mittäterschaft nur die geteilte Ausführungshandlung der klassischen Teilnahmetheorie übrig ließe.86 Doch letztlich bringen beide nur einen zentralen Punkt zum Ausdruck, der in der Kritik untergeht: Jeder Mensch haftet grundsätzlich nur für sein eigenes Verhalten. Wo liegt die Rechtfertigung, in diesen Konstellationen auch für fremdes Verhalten eine strafrechtliche Haftung zu begründen? Eine derartige könnte wegen des Gesetzlichkeitsprinzips nur in § 25 Abs. 2 StGB gesehen werden, wozu aber deren Voraussetzungen erfüllt sein müssten. Aus diesem Grunde stellt sich entgegen Bindokat die Problematik bei der Vorsatztat gerade nicht. Hier ist es wohl der gemeinschaftliche Tatentschluss, der eine Haftungsbegründung zu schaffen vermag und damit letztlich die gesetzliche Formulierung der „gemeinschaftlichen“ Begehung. Befürworter einer fahr______________ 83

Roxin, TuT, 2. Aufl. 1967, 533 f. Roxin, TuT, S. 695 und ders., AT II, § 25 Rn. 241 f. 85 So etwa Sung-Ryong, Analyse, S. 92. 86 So Bindokat, JZ 1979, 436. 84

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1. Teil: Bestandsaufnahme

lässigen Mittäterschaft müssen demgegenüber erst den dogmatischen Beweis antreten, dass eine Gemeinschaftlichkeit im Sinne des Gesetzes auch bei fahrlässigen Delikten möglich ist.

5. Die Entbehrlichkeit der fahrlässigen Mittäterschaft Ein weiteres Argument fußt auf der philosophischen Grundlage von „Ockam’s razor“: „Pluralitas non est ponenda sine necessitate“87. Hieraus wird das allgemein in der Wissenschaft geltende Ökonomieprinzip abgeleitet, wonach ohne Not keine neuen Konzepte eingeführt werden sollten. Einer fahrlässigen Mittäterschaft bedarf es danach nicht, wenn sie Sachverhaltskonstellationen dogmatisch zu erfassen sucht, obwohl diese mit den bereits vorhandenen strafrechtlichen Figuren bereits angemessen gelöst werden können. Die hierzu vertretenen alternativen Lösungswege gleichen jenen der Rechtsprechung und sind daher grundsätzlich den gleichen Einwänden ausgesetzt88:

a) Die Vorverlagerung des Fahrlässigkeitsvorwurfs In diesem Sinne wird weitgehend vertreten, im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte könne bereits jeder einen mitursächlichen Beitrag leistende Beteiligte als Nebentäter bestraft werden.89 Dies kann freilich nur gelten, sofern jeder die Voraussetzungen einer fahrlässigen (Allein-)Täterschaft in seiner Person erfüllt. Dies wird zwar zumeist der Fall sein, gestaltet sich aber problematisch in eben jenen Fällen der zweifelhaften Kausalität, für die die fahrlässige Mittäterschaft von ihren Befürwortern entwickelt worden ist. Eine stringente Fahrlässigkeitsprüfung müsste hier wegen des Zweifelssatzes zu einem Freispruch der Beteiligten gelangen. Dies mag man als spezielles Kausalitätsproblem verstehen90. Man kommt aber nicht umhin einzusehen, dass mit der Kausalitätsdog-

______________

87 Dies gilt als häufigste Formulierung, vgl. Joachim Ritter/Karlfried Gründer, Wörterbuch, S. 1094 f. 88 Vgl. hierzu oben die Darstellung der alternativen Lösungswege für das fahrlässige Zusammenwirken – Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, II. 89 So Ingeborg Puppe, GA 2004, 129, Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 103, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, §§ 22 Rn. 74, § 29 Rn. 90, Jescheck/Weigend, AT, S. 676 f., Lackner/Kühl, § 25 Rn. 13, NK-StGB/Schild, §§ 25 ff. Rn. 229, Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 116, Donatsch, SJZ 1989, 113 und Hans-Ludwig Günther, JuS 1988, 386f. 90 Vgl. LK/Roxin, § 25 Rn. 223.

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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matik allein bestimmte Fälle nicht zu einer Strafbarkeit führen können. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich den an eine entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs91 angelehnten „Wettfahrt“-Fall von Hans-Ludwig Günther92 ansieht: A und B machen mit ihren Motorrädern eine Wettfahrt mit überhöhter Geschwindigkeit. Bei einer schwer einsehbaren Kurve wird so ein Junge, der die Straße überqueren wollte, erfasst und stirbt. Wer von beiden das Kind angefahren hat, kann die Staatsanwaltschaft nicht klären. Hans-Ludwig Günther möchte diesen Fall derart lösen, dass er im Wege einer unechten Wahlfeststellung die denkbaren Sachverhaltskonstellationen durchprüft. Hinsichtlich jener Variante, dass der geprüfte Fahrer gerade den Jungen nicht angefahren hat, stellt Hans-Ludwig Günther sodann auf die Beteiligung an der Wettfahrt ab und deutet dies als eigenes pflichtwidriges Verhalten, so dass beide (einzeln) für den Tod haften würden.93 Zum einen setzt Hans-Ludwig Günther hiermit stillschweigend voraus, dass die Beteiligung an der Wettfahrt den Tod kausal herbeigeführt hat, da der erfolgreiche Täter eine gefährliche Wettfahrt ohne den anderen nicht vorgenommen hätte.94 Zum anderen erkennt er selbst den bereits gegen die entsprechende Rechtsprechung erhobenen Vorwurf einer „verkappten fahrlässigen Mittäterschaft“. Denn mit der Vorverlagerung des Fahrlässigkeitsvorwurfs von der Verursachungshandlung (Unfall) auf die Beteiligung an der Wettfahrt wird die Haftung letztlich auf ein beliebiges gemeinschaftliches Handlungsprojekt geknüpft. Die Rechtfertigung für ein derartiges Genügenlassen einer nur mittelbaren Erfolgsverursachung sucht man bei Hans-Ludwig Günther wie auch bei der Rechtsprechung allerdings vergebens. Es bleibt daher dabei, dass die Vorverlagerung des Fahrlässigkeitsvorwurfs die „Schwäche der Äquivalenztheorie“, den „regressus ad infinitum“, bewusst ausnutzt, um den „Teufel mit dem Beelzebub“ auszutreiben95 und zu gewünschten Ergebnissen zu gelangen.

b) Die Unterlassungslösung Zum Zweiten wird auch im Schrifttum versucht, die fahrlässige Mittäterschaft durch die Garantenstellung als Zurechnungsgrund für den Erfolg in Fäl______________ 91 BGHSt. 7, 112, hierzu ausführlich Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, II, 1, a. Ein ähnlicher Fall hat sich jüngst auch in der Schweiz abgespielt, wenngleich das schweizerische Bundesgericht, SJZ 2004, 397 ff. aufgrund der Umstände noch einen Eventualvorsatz bejahte und so zur Problematik der fahrlässigen Mittäterschaft gelangte. 92 Hans-Ludwig Günther, JuS 1988, 386. 93 Hans-Ludwig Günther, JuS 1988, 387. 94 Kritisch hierzu Sung-Ryong, Analyse, S. 102. 95 Brammsen/Hanno Kaiser, Jura 1992, 38.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

len zweifelhafter Kausalität überflüssig zu machen. Es sei schließlich gerade die Aufgabe des Unterlassungsdelikts, bestimmte Begründungs- und Beweisprobleme auf der Grenze zwischen Tun und Unterlassen auszugleichen.96 Wie bei der Lösung über die Vorverlagerung des Fahrlässigkeitsvorwurfs wird so die strafrechtliche Haftung an das vor der Verletzung liegende gemeinsame Projekt angeknüpft, allerdings nicht als sorgfaltswidriges kausales Tun, sondern indem aus diesem Gesamtprojekt eine Garantenpflicht abgeleitet wird, bei gemeinsamem gefährlichen Tun notwendige Sicherungsvorkehrungen zu treffen. Komme es dennoch zu einem Verletzungserfolg, so sei deren Missachtung und damit auch jedes (nicht notwendig für den Erfolg kausales) Verhalten ausreichend. Zur Verdeutlichung bildet Walder als wesentlicher Verfechter dieser Sichtweise verschiedene Beispiele, von denen hier nur ein dem Pandektenbeispiel nahe kommender Fall herausgegriffen sei: „Zwei Dachdecker, A und B, in einer Unternehmung zusammengeschlossen, decken auftragsgemäß und arbeitsteilig ein fremdes Haus ab, wobei sie, jeder allein, defekte Ziegel über den Dachrand auf den nicht voll überblickbaren Vorplatz des Hauses hinunterwerfen, ohne Vorsichtsmaßnahmen ergriffen zu haben. Ein Passant wird verletzt. Doch ist unbekannt, ob dies durch einen Wurf von A oder B geschehen ist.“97 Man könne daher nicht bestimmt sagen, ein bestimmter Dachdecker habe die Verletzung des Passanten verursacht. Wohl aber sei derjenige, der mit einem anderen einen derartigen Auftrag ausführe, als Garant aus Vertrag gehalten, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, wenn dies nach den Umständen angezeigt sei. Dies gelte nicht nur bezüglich seines eigenen Handelns, sondern zugleich auch bezüglich des Handelns des anderen, mit dem er zusammen die gefährliche Handlung ausführe.98 Inhalt und Umfang der Sicherheitsmaßnahmen würden hierbei durch die für den jeweiligen Rechtskreis bestehenden Sicherheitsvorschriften konkretisiert. Hätte daher nur einer das Dach abgedeckt, so sei das Unterlassen von Vorsichtsmaßnahmen evident und könnte dem Dachdecker strafrechtlich zur Last gelegt werden. „Warum sollte die gleiche ,Unterlassung‘ (auch ohne besondere Regeln) als Grundlage einer Ingerenz nicht genügen, wenn zwei oder mehr Personen gemeinsam die risikoreiche Aufgabe erfüllen, eine bestimmte, personenbezogene natürliche Kausalität aber nicht nachweisbar ist?“99 Die als rhetorisch gedachte Frage mag man einfach beantworten: Weil bei ersterem eine nachweisbare Kausalität besteht! Gerade diesen Kausalitätsnach______________ 96 Walder, FS Spendel, 366 ff., ders., recht 1989, 57 ff. und Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 116. 97 Walder, FS Spendel, 365. 98 Walder, recht 1989, 58. 99 Walder, FS Spendel, 368 f.

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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weis zu umgehen ist aber das Ziel der Unterlassungskonstruktion. Den dogmatischen Bruch dieses Ansatzes zeigt in Ergänzung obiger Einwände zur Rechtsprechungssicht100 aber nichts besser, als die letzte Frage. Das Wort „Unterlassung“ ist hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt, weil Walder sehr wohl weiß, dass wenn nur ein Dachdecker ohne das Treffen ausreichender Sicherungsvorkehrungen das Dach abdeckt und die Ziegel auf den Vorplatz wirft, der strafrechtliche Vorwurf in der dennoch erfolgten Vornahme der Arbeiten und damit in einem Tun bestünde. Bei den Fahrlässigkeitsdelikten erfolgt so ohne nähere Erläuterung ein Wechsel von der Tun- auf die Unterlassensebene. Dieser hätte einer Rechtfertigung bedurft. Diese scheint Walder gerade im Wesen der Fahrlässigkeit zu erblicken, ist sein Selbstverständnis doch anders nicht erklärbar. Definiert man etwa die Fahrlässigkeit als Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, so drängt sich einem in der Tat zwingend ein „Unterlassungsmoment“ einer jeden Fahrlässigkeit auf101 – jeder Fahrlässigkeitstäter handele nicht nur, sondern unterlasse Schutzvorkehrungen. In diesem Sinne wäre aber – wie Röhl es jüngst annahm – „jede Fahrlässigkeit eine Unterlassung pflichtgemäßen Handelns“ 102 und es gäbe keine fahrlässige Normverletzung durch positives Tun103. Dem Täter würde ein Unterlassen vorgeworfen, obwohl er gerade nicht untätig geblieben ist, sondern einen Kausalverlauf handelnd in Gang setzte. Dies mag eine jüngeren BundesgerichtshofEntscheidung104 verdeutlichen: Ein Arzt hatte sich jahrelang nicht den notwendigen Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen unterzogen. Seine Hepatitis BInfektion blieb ihm so unbekannt. Er operierte weiter Patienten, von denen er zwölf Patienten mit der Krankheit ansteckte. Sicher hat der Arzt die Vornahme notwendiger Untersuchungen als Vorsichtsmaßnahme zum Schutz auch der Patienten versäumt. Der Ansteckungsvorgang beruhte aber maßgeblich darauf, dass er dennoch Patienten operierte. Liegt hierin nun ein Tun oder ein Unterlassen? Würde man ein Unterlassen annehmen, so könnte man dies gleichfalls im Vorsatzbereich tun: So hat der Arzt, dem seine ansteckende Krankheit bekannt ist und der eine mögliche tödliche Verletzung seines Patienten durch die von ihm trotz der Krankheit vorgenommene Operation billigend in Kauf nimmt, gleichfalls notwendige Sicherungsmaßnahmen gegen eine Infektion des Patien______________ 100

Vgl. hierzu oben Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, II, 2. Ein derartiges vertreten Radbruch, ZStW 24 (1904), 346 f., Jescheck, ZStW 77 (1965), 145, Roxin, ZStW 74 (1962), 415, Boldt, ZStW 68 (1956), 354 ff., Niese, Finalität, S. 62 und Welp, Tun, S. 119. 102 Röhl, JA 1999, 900 f. 103 Röhl, JA 1999, 604. 104 BGH, JR 2004, 33 f. mit Anm. Geppert, JK 4/04, StGB § 13/38. 101

108

1. Teil: Bestandsaufnahme

ten unterlassen. Ist er daher wegen Totschlags durch Unterlassen zu bestrafen? Man sieht schon: Jede Straftat könnte in eine Unterlassungstat umgedeutet und so § 13 StGB ins Gegenteil verkehrt werden. Dies wird nur vermieden, wenn man erkennt, dass jeder Straftat eine Vermeidungsmöglichkeit innewohnt und daher eine Abgrenzung von Tun und Unterlassen hiervon unabhängig sein muss.105 Es gilt dogmatisch vielmehr, was bereits Nowakowski schrieb106: „Die Fahrlässigkeit ist demnach nicht auf die Unterlassung der objektiven Sorgfalt, sondern auf das Eingehen des unerlaubten Risikos zu beziehen.“ Auch bei den Fahrlässigkeitsdelikten verbleibt es so bei der herkömmlichen Abgrenzung von Tun und Unterlassen. Diese liegt darin, dass der Mensch entweder eine Bewegung ausführt und damit die Außenwelt beeinflusst oder er eine bestimmte Bewegung unterlässt. Hieraus folgt zwingend das rechtliche Abgrenzungskriterium, das inzwischen in der Literatur vorherrschend ist: Hat der Täter durch positiven Energieeinsatz einen schädigenden Kausalverlauf in Richtung auf das Angriffsobjekt tatbestandsmäßig in Gang gesetzt, hat er die Tat durch aktives Tun begangen; nur wenn sich dies nicht feststellen lässt, hat er ein Unterlassen begangen.107 Entsprechendes hat der Bundesgerichtshof mit einem „trefflichen Judiz“108 im obigen Hepatitis-Beispiel auch klargestellt: „Dass der Angeklagte pflichtwidrig davon absah, sich Kontrolluntersuchungen zu unterziehen, begründet hingegen nur den für das Fahrlässigkeitsdelikt elementaren Sorgfaltspflichtverstoß. Diese ,Unterlassungskomponente‘ – die bei Fahrlässigkeitsdelikten häufig im Unterlassen von Sorgfaltsvorkehrungen besteht – ist hier wesensnotwendig mit dem fahrlässigen aktiven Tun verbunden und ändert nichts am aktiven Begehungscharakter der Verhaltensweise, sondern ist dieser immanent“.109 Gleiches gilt im obigen „Dachdecker“-Fall. Die Fahrlässigkeit schafft hier also für sich keinen Grund, um auf die Unterlassungsebene zu wechseln. Solange eine Rechtfertigung aber nicht ersichtlich ist, bleibt es bei dem Vorwurf, „dass zur Umgehung des Beweisproblems ein Begehungsdelikt in ein Unterlassungsdelikt ,umgedeutet‘ wird.“110 ______________ 105

Gegen das „Unterlassungsmoment der Fahrlässigkeit“ daher zu Recht Roxin, AT I, § 24 Rn.12, Jakobs, AT, 9/6 und Wessels, JZ 1967, 450. 106 Nowakowski, JZ 1958, 337. 107 Otto, Jura 2000, 550, Otto, AT, § 9 Rn.2, LK/Jescheck, Vor § 13 Rn. 90, Geppert, JK 4/04, StGB § 13/38, Jescheck/Weigend, AT, S. 603, SK-StGB/Rudolphi, Vor § 13 Rn. 7 und Welzel, Strafrecht, S. 203. 108 Duttge, JR 2004, 37. 109 BGH, JR 2004, 33 (34). 110 Bettina Weißer, JZ 1998, 236; ähnliche Kritik wegen der Vorwerfbarkeit des Verhaltens bei Renzikowski, Täterbegriff, S. 291 und Sung-Ryong, Analyse, S. 106 f.:„verwirrender Kunstgriff“.

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

109

Hinzu müsste außerdem noch eine Garantenstellung treten, die einzig in einem pflichtwidrigen Vorverhalten gesehen werden könnte. Aufgrund der einschneidenden Folge einer Garantenstellung bedarf es jedoch einschränkend mit dem pflichtwidrigen Vorverhalten der Schaffung einer nahen und spezifischen Gefahr – eine (anfängliche) abstrakte genügt nicht.111 So könnte man etwa im „Rolling Stones“-Fall in der „Anregung“ des A vor dem Herunterrollen der Steinbrocken ein pflichtwidriges Vorverhalten von ihm erblicken. Dieses wäre aber einerseits auf A begrenzt. Denn allein aus dem Mitmachen des B ihm eine Garantenpflicht aufzulegen, geht eindeutig zu weit. Ihn trifft vielmehr nur die Pflicht, sich nicht an der von A geplanten Gefährdung zu beteiligen. Macht er es trotzdem, hat er für diese Pflichtverletzung und damit für sein eigenes Tun einzustehen.112 Aber auch A kann wegen Unterlassens nur schwer zur Verantwortung gezogen werden, würde man doch sonst durch eine bloße „Anregung“ Garantenpflichten zur Verhinderung eigenverantwortlichen Verhaltens fremder Personen auferlegen.113 Sei es nun mangels einer bereits vorliegenden Pflicht zur Vornahme der möglichen Handlung, sei es mangels einer Garantenstellung, Walders Ausführungen haben uns gegenüber der obigen Kritik an der Unterlassungslösung der Rechtsprechung nicht weitergeführt: Die Fälle zweifelhafter Kausalität bei Fahrlässigkeitsdelikten mit mehreren Beteiligten lassen sich mit der Unterlassungskonstruktion (generell) nicht sachgerecht lösen und die fahrlässige Mittäterschaft von ihrem Anspruch her nicht überflüssig erscheinen.

6. Zwischenergebnis Paradoxerweise hat sich damit das von den Befürwortern der fahrlässigen Mittäterschaft als am leichtesten zu widerlegende Argument als am schlagkräftigsten erwiesen: das Fehlen eines gemeinsamen Tatentschlusses. In ihm liegt der Grund für ein „gemeinschaftliches Begehen“ und damit für die von § 25 Abs. 2 StGB angeordnete solidarische Haftung. Ein vergleichbares Ergebnis über eine Begehungs-Nebentäterschaft sowie über eine UnterlassungsTäterschaft zu konstruieren, scheint demgegenüber nach derzeitiger Dogmatik ihrer Vertreter zum Scheitern verursacht, da sie dogmatische Strukturen überdehnen, um vermeintlich sachgerechte Ergebnisse zu bewerkstelligen. Es ist ______________ 111

Sch/Schr/Stree, § 13 Rn. 34 und Struensee, FS Stree/Wessels, 156; vgl. auch OLG Schleswig, NStZ 1982, 116 (117) – hierzu oben Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 4, b). 112 Vgl. Bindokat, JZ 1979, 436. 113 An der Ingerenz-Garantenstellung in derartigen Konstellationen zweifeln Kühl, AT, § 20 Rn. 116b und Bettina Weißer, JZ 1998, 236.

110

1. Teil: Bestandsaufnahme

aus diesem Grund verständlich, dass diejenigen, die mit einem Zweifelsfreispruch aller Beteiligten im Extremfall nach eigener Gerechtigkeitsanschauung nicht leben können, versucht sind, Auswege zu finden. Hierfür verbleibt ihnen nur noch die Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft. Der Weg über diese kann aber nur erfolgreich sein, wenn es ihren Anhängern gelingt, dogmatisch sauber zu begründen, wie auch an einem fahrlässigen Delikt im Sinne des Gesetzes ein „gemeinschaftliches“ Begehen möglich ist.

IV. Die befürwortenden Ansichten im neueren Schrifttum In den letzten Jahren ist ein Wandel zu verzeichnen, der unabhängig von der im Schrifttum kaum noch bestrittenen Tatherrschaftslehre hin zu einer Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft114 weist. Hierbei wird der Gemeinschaftlichkeitsbegriff in einer Weise verstanden, die durchaus als „Revolution in der Lehre von der Mittäterschaft“115 bezeichnet werden kann. Anschaulich wird diese Entwicklung in der Lehre Roxins, der bis vor kurzem eine fahrlässige Mittäterschaft grundsätzlich noch ablehnte116, sie nun unter Einfluss seines Doktoranden Knauer117 aber für „angemessener“ hält, auf das Bedürfnis der Rechtsfigur bei Gremienentscheidungen verweisend.118 Der hierbei derzeit vor allem bei Großunternehmen mit multipler Arbeitsteilung zu verzeichnende Grundsatz der „organisierten Unverantwortlichkeit“, bei der sich ______________ 114

Diese wird im neueren Schrifttum – in bewusst alphabetischer Reihenfolge – anerkannt von Brammsen, Jura 1991, 537 f., Brammsen/Hanno Kaiser, Jura 1992, 41, Dencker, Kausalität, S. 177 ff., Eschenbach, Jura 1992, 644, Hilgendorf, NStZ 1994, 563, Jakobs, GA 1996, 265, Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 175 ff., Knauer, Kollegialentscheidung, S. 181 ff., Michael Köhler, AT, S. 540, Kuhlen, BGH-Wiss-FG IV, 670, Küpper, GA 1998, 519 (527), Ernst-Joachim Lampe, ZStW 106 (1994), 693, Lesch, Problem, S. 272 ff., ders., JA 2000, 78, Luzon Pena/Diaz y Garcia Conlledo, FS Roxin, 605, MüKo-StGB/Joecks, § 25 Rn. 243, Otto, AT, § 21 Rn. 114 ff., ders., FS Maurach, 104, ders., Jura 1990, 48 ff., ders., FS Spendel, 276 ff., ders., Jura 1998, 412, Stefan Pfeiffer, Jura 2004, 525, Ransiek, ZGR 1999, 643 ff., ders., Unternehmensstrafrecht, S. 67 ff., Renzikowski, Täterbegriff, S. 288 ff., Riedo/Chvojka, ZStrR 2002, 160 ff., Teresa Rodriguez Montanés, FS Roxin, 326, Roxin, AT II, § 25 Rn. 241 f., ders., TuT, S. 695, Schaal, Verantwortlichkeit, S. 221 ff., Schmidhäuser, StuB AT, 10/69, ders., Lb AT, 14/30, Steffen Schneider, Risikoherrschaft, S. 272 ff., Heribert Schumann, StV 1994, 110 f., SK-StGB/Hoyer, § 25 Rn. 154, Sung-Ryong, Analyse, S. 286 f., Utsumi, Jura 2001, 538 ff., Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 146 ff., dies., JZ 1998, 230 ff. und Wessels/Beulke, AT, Rn. 507. 115 Ingeborg Puppe, GA 2004, 129. 116 LK/Roxin, § 25 Rn. 221, wo er sie nur bei fahrlässigen Pflichtdelikten anerkannte. 117 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 181 ff. 118 Roxin, AT II, Rn. 241.

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

111

jeder Verantwortungs(teil-)träger hinter der Pflichtwidrigkeit seines jeweiligen Kollegen zu „verstecken“ sucht und der nicht zuletzt durch den „Esser-Prozess“ auch in der Öffentlichkeit wieder in den Blickpunkt geraten ist, mag die Hauptmotivation darstellen, diese Strafbarkeitslücke mit der fahrlässigen Mittäterschaft zu lösen.119 Reine Zweckmäßigkeitserwägungen können aber dieser Rechtsfigur nicht zum Durchbruch verhelfen, solange es nicht gelingt, einen hinreichend präzisen Begriff fahrlässiger Gemeinschaftlichkeit zu bilden. Derartiges ist zwar vielfach versucht worden. Nicht zuletzt der Umstand, dass es hierzu fast ebenso viele Varianten wie Vertreter der fahrlässigen Mittäterschaft gibt, verdeutlicht, dass sich noch vieles „im Fluss“120 befindet und bislang erst das Fundament steht, auf dem die Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft errichtet werden soll. Ist dieses Fundament aber nicht überzeugend genug und bröckelt bereits, wird es nie zu einem lange stehenden Gebilde kommen, sondern sind sämtliche Versuche von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die einzelnen befürwortenden Ansichten sind daher vor allem auf ihr Verständnis der Gemeinschaftlichkeit hin zu untersuchen.

1. Neuinterpretation der Mittäterschaft als objekte Zurechnung Die dogmatischen Begründungsstränge für eine fahrlässige Mittäterschaft gehen einerseits in die Richtung, dass die Mittäterschaft generell Vorsatz- wie Fahrlässigkeitsdelikte gleichermaßen erfasse. Hierzu wird versucht, die Mittäterschaft generell auf rein objektive Beine zu stellen. Das gemeinschaftlich subjektive Element wird als Ergebnis einer „naturalistisch-psychologisierenden Fehldeutung der Mittäterschaft“121 bezeichnet, die auf einem abzulehnenden finalistischen Verständnis beruhe. Der Wille einer Person werde so als subjektiv-naturalistisch bestimmte Willkür eines empirischen Triebwesens interpretiert statt als objektiv-normativ definierter Wille einer vernünftigen Person.122 Dies habe Auswirkungen auf die Interpretation des die Einzelakte mehrerer Täter zusammenfassenden Gesamtwillens.

______________ 119

Diese Überlegungen als Grund der fahrlässigen Mittäterschaft finden sich bei Otto, Jura 1990, 50, Mitsch, JuS 2001, 109, Bettina Weißer, JZ 1998, 238 sowie Ransiek, ZGR 1999, 645; vgl. auch Luzon Pena/Diaz y Garcia Conlledo, FS Roxin, 605. 120 So die Einschätzung von Roxin, AT II, § 25 Rn. 242. 121 Lesch, ZStW 105 (1993), 272. 122 Lesch, ZStW 105 (1993), 277 und ders., JA 2000, 74.

112

1. Teil: Bestandsaufnahme

a) Die Gemeinschaftlichkeit als objektiver Planzusammenhang bei Lesch und Derksen Bereits sehr früh ist im Schrifttum in diesem Sinne auf ein subjektives Element bei der Mittäterschaft gänzlich verzichtet worden. Eine Mittäterschaft ergebe sich vielmehr aus der objektiven Ergänzung der Beiträge aller Beteiligten.123 Dieser Gedanke ist in jüngerer Zeit von den Schülern Jakobs, Lesch124 und Derksen125, wieder aufgegriffen worden, die hiermit ihren Lehrer sogar überzeugen konnten.126

aa) Das Modell im Einzelnen Den Ausgangspunkt dieses Modells bilden die Ansichten Hegels, in dessen Sinne der „Gesamtwille“ „entpsychologisiert“ verstanden werden müsse.127 Hegel hatte vom Strafzweck her argumentiert, dass die Strafe als Reaktion auf ein Unrecht den durch ihn entstandenen materiellen Schaden nicht kompensiere könne – dies sei dem Zivilrecht überlassen.128 Der für das Strafrecht relevante Schaden bestünde vielmehr in der „Verletzung des Rechts als Recht“129. Der Täter, der einem anderen Menschen das Leben nehme, bringe hiermit zum Ausdruck, „dass es erlaubt sei zu töten“130. Mit der Strafe wolle das Recht diese in der Tat liegende Leugnung der Verbindlichkeit einer Norm als solche ächten und das Vertrauen in die Verbindlichkeit der Norm und ihre Beachtung durch die Mitmenschen wieder herstellen – die Strafe sei also ein „demonstrativsymbolischer Widerspruch zur demonstrativ-symbolischen Bedeutung der Straftat“131. Liege das Unrecht damit in einem „Weltentwurf des Täters bezüg______________ 123 124

ff.

125

Vgl. Hippel, Strafrecht II, S. 439 f., 452 ff. Lesch, Problem, S. 272 ff., ders., ZStW 105 (1993), 271 ff. und ders., JA 2000, 73

Derksen, GA 1993, 163 ff. Jakobs nahm noch ein abgeschwächtes subjektives Element in Form eines sogenannten Einpassungsentschlusses an (Jakobs, AT, 21/43). Inzwischen folgt er Lesch und Derksen darin, dass es einzig eine Frage der objektiven Zurechnung sei (Jakobs, GA 1996, 258). 127 Lesch, ZStW 105 (1993), 278, ders., Problem, S. 273 und ders., JA 2000, 74. 128 Hegel, Grundlinien, § 98 (S. 93). 129 Hegel, Grundlinien, § 97 (S. 93) und § 99 (S. 94 f.); ebenso Schütze, Teilnahme, 80. 130 Lesch, ZStW 105 (1993), 279. 131 Lesch, ZStW 105 (1993), 273 f.; ähnlich Jakobs, AT, 2/5 und Lesch, Problem, S. 248 f. 126

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

113

lich der Geltung von Normen“132, so werde zwar sein leugnender, „besonderer Wille“ gegenüber der Geltung einer Norm bestraft.133 Strafrecht könne jedoch nie ein bloßes Gesinnungsstrafrecht sein. Jeder deliktische Wille müsse durch einen Akt in der Außenwelt zur Realität werden. Der besondere Wille sei daher „nichts anderes als [...] die in der Handlung objektivierte Desavouierung der Norm durch den Täter“.134 Es komme daher auf keine Innerlichkeit an135, sondern nur auf die durch den Willen in die Außenwelt gelangte objektiv sichtbare Straftat. Werde die Tat von mehreren begangen, so könne sich der die einzelnen Akte in einen „Planzusammenhang“ 136 stellende „Gesamtwille“ ebenfalls nur aus der „objektiv-sozialschädlichen Bedeutung der Tat“ ergeben137 und nicht aus einer subjektiven Übereinstimmung. Genügen müsse vielmehr die objektive „Einbettung“ des Einzelnen in einen „ganz bestimmten – eben deliktisch definierten – sozialen Kontext“138 und der hiermit verbundenen „Bezogenheit jedes Aktes auf den jeweils anderen“.139 Nicht die reale Existenz einer Übereinstimmung im Subjektiven sei so das die Beteiligten verbindende Element, sondern die objektiv-kommunikative Beziehung eines jeden Aktes af die anderen, so dass die den Tatbestand verwirklichende Gesamtheit aller Akte der Mittäter als jene einer Organisation von ihrem sozialen Bedeutungsgehalt her erscheinen.140 Durch diese Einbettung ins Ganze stelle jeder die Geltung der verletzten Norm in Frage und begehe so ein zu sanktionierendes Unrecht.141 Strenggenommen wird hiermit jedoch nicht die Existenz eines gemeinsamen Tatplanes geleugnet, sondern einzig die Sichtweise seiner Bestimmung. Dies wird deutlich, wenn Lesch schreibt, dass „der maßgebliche Willensfehler [...] nicht aus einer täterinternen Perspektive als ,Wollen des Nicht-sein-Sollenden‘ (z.B. als Wollen einer Tötung), sondern aus einer täterexternen Perspektive als nicht dem Sollen entsprechendes und folglich ,nicht-sein-sollendes-Wollen‘ (z.B. als Wollen eines Verhaltens, das sich im Hinblick auf eine Tötung als pflichtwidrig bzw. unerlaubt riskant darstellt) definiert“ werde.142 Diesen zu bestimmen sei der Blickwinkel eines die einzelnen Akte beobachtenden „Betrachters“ einzunehmen und von ihm aus eine Würdigung der Verhaltensweisen ______________ 132

Lesch, ZStW 105 (1993), 274. Hegel, Vorlesungen, S. 308 und 310. 134 Lesch, ZStW 105 (1993), 285. 135 Jakobs, GA 1996, 265. 136 Lesch, ZStW 105 (1993), 282 und ders., Problem, S. 275. 137 Lesch, ZStW 105 (1993), 273. 138 Lesch, JA 2000, 77 und Derksen, GA 1993, 172. 139 Derksen, GA 1993, 172; vgl. auch Jakobs, GA 1996, 264. 140 Lesch, ZStW 105 (1993), 294, ders., JA 2000, 77 und Derksen, GA 1993, 172. 141 Derksen, GA 1993, 175. 142 Lesch, ZStW 105 (1993), 294. 133

114

1. Teil: Bestandsaufnahme

vorzunehmen.143 Auf diese Weise erfolge die Haftungszuschreibung des Gesamterfolges an den einzelnen Beteiligten als Mittäter, wenn sein Beitrag nach objektiver Wertung als Teil einer „koordiniert-ineinandergreifenden Organisation“144 erscheine. Oder kurz: Die Zuschreibung der Haftung für den Gesamterfolg würde zu einem weiteren Moment der objektiven Zurechnung.145 Eine mittäterschaftliche Begehung wäre in diesem Sinne bei Vorsatz- wie auch Fahrlässigkeitsdelikten möglich. Im berühmten Pandektenfall etwa hätten alle Beteiligte aus objektiv-sozialer Sicht die fahrlässige Verletzung arbeitsteilig organisiert, indem sie das unerlaubt riskante Verhalten in Form des unvorsichtigen Hinauswerfens des Balkens in gemeinsamer Organisation bewerkstelligt hätten.146

bb) Kritik Bereits der Grundsatz ruft jedoch Kritik hervor, auch wenn dieser nicht gleich sichtbar wird. Es ist jedenfalls nicht die Rechtsfigur der objektiven Zurechnung. Diese ist in letzter Zeit immer weiter aufgebläht worden und verstellt so auch hier nur den Blick auf den eigentlichen Angelpunkt dieses Mittäterschaftsmodells: den sozialen Handlungsbegriff. Nicht von ungefähr ist die Ansicht früher vor allem von Eberhard Schmidt vertreten worden, der mit seinem Werk „Der Arzt im Strafrecht“ versucht hatte, ärztliche Handlungen mit Heilungstendenz aus dem Kreise tatbestandlicher Handlungen herauszunehmen, indem er für das Vorliegen einer Handlung auf den sozialen Bedeutungsgehalt abstellte. 147 Nichts anderes bedeutet es, wenn die Vertreter der Ansicht von der Mittäterschaft als objektiver Zurechnung das Vorliegen einer Mittäterschaft auf den sozialen Bedeutungsgehalt einer jeden Handlung abstellen. Dies wird besonders deutlich in einer Formulierung Leschs: „Aber auch die gemeinschaftliche Handlung ist eine soziale Handlung und als solche nicht der individuellen Sinnstiftung der handelnden Subjekte überlassen: Es geht hier [...] allein um den sozialen Bedeutungsgehalt, der aus dem kausalen Außenweltgeschehen zu erschließen ist.“148

______________ 143

Derksen, GA 1993, 171. Lesch, ZStW 105 (1993), 283 und Derksen, GA 1993, 175. 145 Lesch, ZStW 105 (1993), 271, ders., JA 2000, 78 und Jakobs, GA 1996, 258. 146 Jakobs, GA 1996, 265 sowie Lesch, JA 2000, 78. 147 Eberhard Schmidt, Arzt, S. 72 ff.; vgl. auch ders., FS Engisch, 345 ff. 148 Lesch, ZStW 105 (1993), 271 (294). 144

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

115

Mit dieser Deutung einer Handlung als „sozialerhebliches menschliches Verhalten“149 steht und fällt dieses Mittäterschaftsmodell. Versucht man die Sozialerheblichkeit näher in Worte zu fassen, so merkt man schnell, dass man es eigentlich mit einer „Leerformel“ zu tun hat150, die aufgrund ihrer Unbestimmtheit genügend Spielraum für eine subjektive Sicht von Seiten des Betrachters und damit des Richters lassen würde. Der gesetzliche Bestimmtheitsbegriff geriete hierdurch in Gefahr. Zudem kann ein Sachverhalt sich nach außen hin als mehrdeutig darstellen. Wenn beispielsweise von zwei Beteiligten der eine das Opfer verletzt, der andere es tötet, so kann allein der tatsächliche Ablauf keine Auskunft darüber geben, ob der Todeserfolg dem ersten Beteiligten zuzurechnen ist.151 Sein Verhalten ist sozial genauso als Verletzungshandlung erklärbar wie auch als Vorbereitung für die Tötungshandlung. Was er wirklich mit der Handlung wollte, was bezweckt war, kann nur subjektiv interpretiert werden.152 Lesch empfiehlt in diesen Konstellationen, auf den „Gesamtkontext des Geschehens, insbesondere auch auf etwaige vorherige Interaktionen zwischen den Akteuren abzustellen“.153 Kommt es damit letztlich doch wieder darauf an, ob die Beteiligten bereits miteinander kommunizierten in fraglichen Fällen, warum sollte man dann aber nicht gleich auf eine Vereinbarung der Beteiligten gehen anstatt „den unfruchtbaren Umweg einer objektiven Zurechnung zu versuchen“?154 In den Kopf eines Menschen kann man zwar nicht hineinschauen, dies ist klar. Die Existenz eines bestimmten Willens lässt sich zwangsweise nur über Akte in der Außenwelt feststellen. Dies ist aber kein Grund, das objektive Indiz zum Kriterium zu erheben und so eine gesetzlich geforderte subjektive Verknüpfung von Handlungen durch ein objektives Kriterium zu ersetzen. Dies wird neben mehrdeutigen Tatbestandserfüllungen eines einaktigen Delikts auch deutlich bei mehraktigen Delikten. Nehmen wir den Raub als Schulbeispiel hierfür: Da der Räuber die Nötigungshandlung in Zueignungsabsicht vornehmen muss, muss sein Nötigungsziel die Wegnahme der zuzueignenden Sache sein. Der Raubtatbestand verlangt daher eine finale Verknüpfung von Nötigung und Wegnahme, eine Wegnahme nur bei Gelegenheit der Nötigungshandlung kann nicht genügen.155 Schlägt nun einer der Mittäter das Opfer nie______________ 149 So insbesondere Eberhard Schmidt, FS Engisch, S. 339 ff., ders., Arzt, S. 72 ff., Jescheck, FS Eberhard Schmidt, 153, Wessels/Beulke, AT, Rn. 93 sowie Hauf, AT, S. 20 f. 150 Vgl. Hans Joachim Hirsch, ZStW 93 (1981), 853 und Otto, AT, § 5 Rn. 36. 151 Küpper, ZStW 105 (1993), 302. 152 Vgl. Ingelfinger, JZ 1995, 708. 153 Lesch, ZStW 105 (1993), 283. 154 Ingelfinger, JZ 1995, 708. 155 Vgl. nur BGH, NStZ-RR 2002, 304 (305) mit Anm. Geppert, JK 4/03, StGB § 249/8 und BGH, NStZ 2004, 152 mit Anm. Geppert, JK 7/04, StGB § 249/9.

116

1. Teil: Bestandsaufnahme

der und nimmt der andere die Brieftasche an sich, so mag dies vom ersten gewollt oder noch nicht einmal eingeplant gewesen sein. Ohne eine Ermittlung des subjektiv-finalen Elements lässt sich dies aber nicht ermitteln. Lesch schreibt, hier müsse der Deliktstyp bzw. „das komplette Quantum der Tatbestandsverwirklichung“ bereits vor dem ersten Akt fixiert gewesen sein. Eine erst nachträgliche Verknüpfung sei (wegen der Deliktsnatur) undenkbar.156 Ähnlich formuliert es Jakobs, der gar zwischen einaktigen und mehraktigen Geschehen die Mittäterschaftserfordernisse differenziert und bei letzteren einen gemeinsamen Tatentschluss als „notwendig“ für die täterschaftliche Haftung jedes Einzelnen bezeichnet.157 Diese Einschränkungen beruhen darauf, dass sich bei mehraktigen Delikten der soziale Sinngehalt der ersten Handlung eben erst mit Vornahme des zweiten Aktes bestimmen lässt, aber dennoch eine bestimmte Wertung des ersten Aktes in Bezug auf den zweiten Akt erfordert wird. Ob ein Niederschlag einen Raub darstellt, ergibt sich erst mit der Wegnahme. Ohne Niederschlagen mit Wegnahmevorsatz (und Zueignungsabsicht) ist es eben kein Raub. Die Richtigkeit von Welzels Feststellung, dass der Handlungswille das äußere Geschehen präge158, zeigt sich hier besonders und damit die Unentbehrlichkeit der finalen Handlungslehre gegenüber der sozialen zumindest in diesem Bereich. Kommt man bei zweiaktigen Delikten aber ohne ein erforderliches subjektives Element bei der Erfüllung der einzelnen Akte durch verschiedene Personen gerade nicht aus, so würde dieses Zugeständnis den gesetzlichen Begriff der Gemeinschaftlichkeit spalten und die Mittäterschaftserfordernisse vom (einoder mehraktigen) Deliktstyp abhängig machen. Für eine derartige Differenzierung gibt der Gesetzestext nichts her. Ganz im Gegenteil. § 25 Abs. 2 StGB verlangt ein „gemeinschaftliches“ Begehen. Unter Hinweis auf eine ältere Ansicht Roxins159 wird zwar behauptet, der Gemeinschaftsbegriff weise „noch so viel Struktur auf, als dass von hier aus die Willensabstimmung sich als ein für die Gemeinschaft Essentiales aufzeigen ließe“160. Bei nur objektiven Bezügen der einzelnen Handlungen zueinander wäre es aber möglich, mehrere unabhängig voneinander erfolgende Handlungen wegen der „Kumulation individueller Entwürfe“161 zu einer Mittäterschaft zu verbinden, oder: auch ein Nebeneinander als ein Miteinander im Sinne der Gemeinschaftlichkeit des § 25 Abs. 2 StGB anzunehmen. Schon legt ein „ge______________ 156

Lesch, Problem, S. 277. Jakobs, AT, 21/42. 158 Welzel, Bild, S. 4 ff. und ders., Strafrecht, S. 34. 159 Roxin, JA 1979, 520: „Das Merkmal des ,gemeinschaftlichen Begehens‘ bezeichnet nicht einen inneren Willen, sondern ein objektives Geschehen in der Außenwelt.“ 160 Derksen, GA 1993, 164. 161 Derksen, GA 1993, 173. 157

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

117

meinschaftliches Begehen“ aber eine kommunikative Abstimmung der Mittäter nahe, „weil überhaupt nur bei einer allseitig bewussten Koordination des Verhaltens von einem Gemeinschaftswerk die Rede sein kann“162. Erst eine subjektive Übereinstimmung schafft ein „Bewusstsein gemeinsamer Planverwirklichung“163 und kann so auch deren Grenzen abstecken. Eine rein objektive Betrachtungsweise würde also den Wortlaut des § 25 Abs. 2 StGB überdehnen und den Kreis der Mittäterschaft hierüber hinaus ausdehnen. Dies stellt eine unzulässige Analogie dar.

b) Eschenbachs „systematische“ Herleitung Einen weiteren Versuch zur Erfassung der fahrlässigen Mittäterschaft über die objektive Zurechnung hat Eschenbach unternommen, indem er die durch § 25 Abs. 2 StGB bewirkte Zurechnung fremden Verhaltens mit der objektiven Zurechnung als grundlegendem Element der Tatbestandslehre zur Eingrenzung der uferlosen Kausalität in Beziehung setzt: Das Gesetz regele einerseits die unmittelbare Begehungstäterschaft in § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB und daneben mit der mittelbaren und Mittäterschaft Fälle, bei denen jemand vom Gesetz als Täter angesehen wird, obwohl der unmittelbar tatbestandsverwirklichende Handlungsakt von einem (dazwischentretenden) Dritten stammt. Diese Vorschriften wären überflüssig, wenn § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB jede kausale Tatbestandsverwirklichung erfassen würde. Die Alleintäterschaft sei daher auf den Fall zu begrenzen, dass jemand in eigener Person die letzte, den Tatbestand verwirklichende Handlung vornehme. Betrachte man einen Mittäter, so könne ihm trotz möglicherweise kausalem Akt ein Erfolg nicht objektiv zugerechnet werden, wenn er nicht die letzte Handlung selbst ausgeführt habe. § 25 Abs. 2 StGB würde nun dieses Zurechnungshindernis beheben und sei daher im Tatbestandsaufbau im Merkmal der objektiven Zurechnung verwurzelt.164 Dies ermögliche eine Übertragung der Mittäterschaft auch in den Fahrlässigkeitsbereich. Auf diesen würde § 25 StGB entsprechend der oben bereits geäußerten Kritik an der Einheitstäterlösung schließlich grundsätzlich im gleichen Maße einwirken. Denn beiden gemeinsam sei die Grundvoraussetzung, dass im Rahmen der Erfolgsdelikte der Erfolg objektiv zurechenbar sein müsse. Sei Teil der Zurechnung aber das auch aus § 25 Abs.2 StGB abgeleitete Haftungssystem ______________ 162

Bloy, GA 1996, 430; ähnlich Roxin, AT II, § 25 Rn. 190, Küpper, GA 1998, 526 und Knauer, Kollegialentscheidung, S. 148 f. 163 Bloy, GA 1996, 431. 164 Eschenbach, Jura 1992, 640 f.

118

1. Teil: Bestandsaufnahme

für das Einstehenmüssen fremder (letzter) Handlungen, so könne auch hier eine Haftungszuschreibung über § 25 Abs. 2 StGB erfolgen.165 Der Weg ist einfach: Da § 25 Abs. 2 StGB als Ergebnis seiner Anwendung eine Zurechnung vorsehe und es eine Erfolgszurechnung auch im Fahrlässigkeitsbereich gebe, müsse es auch eine Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich geben, geprägt durch eine Zurechnung. Der Zirkelschluss der Ansicht blieb aber unbemerkt: Um eine Zurechnung über § 25 Abs. 2 StGB herzuleiten, wird damit argumentiert, dass § 25 Abs. 2 StGB von seiner Rechtsfolge her eine Erfolgszurechnung vorsehe, die es auch im Fahrlässigkeitsbereich gebe. Eine Zurechnung erfolge also über die Mittäterschaft, da diese eine Zurechnung bewirken könne, die auch im Fahrlässigkeitsbereich möglich sei. Eine ausdrückliche Prüfung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich aber auch erfüllt sind, damit die Haftungszurechnung überhaupt erst eingreifen kann, sucht man hingegen bei Eschenbach vergebens.

2. Die fahrlässige Mittäterschaft als Beteiligungsform mit eigenen Strukturelementen Konträr zu diesem ersten Grundansatz einheitlicher Mittäterschaftsvoraussetzungen verhält sich das Gros der befürwortenden Autoren, die es als Selbstverständlichkeit begreifen, dass die unterschiedlichen Deliktsstrukturen vorsätzlicher und fahrlässiger Straftaten sich auch in Strukturunterschieden bei der jeweiligen Mittäterschaftsnorm niederschlagen. Alles andere sei eine unzulässige Übertragung der für den Vorsatzbereich entwickelten Kriterien, die dazu führen würde, dass die gesetzliche Vorsatz- / Fahrlässigkeitssystematik durchbrochen würde.166 Wie aber die gegenüber der vorsätzlichen Mittäterschaft abweichenden Strukturen der fahrlässigen Mittäterschaft aussehen und mit § 25 Abs. 2 StGB in Einklang gebracht werden sollen, hierüber sind sich die einzelnen Anhänger der fhrlässigen Mittäterschaft alles andere als einig.

a) Knauers Modell eines „gemeinsam objektiv zurechenbaren Verhaltens“ Ein erster Ansatz stammt von Knauer, der in seiner grundlegenden Abhandlung zur Problematik der Kollegialentscheidung im Strafrecht einzig die fahr______________ 165

Eschenbach, Jura 1992, 644. So Otto, Jura 1990, 48, ders., Jura 1998, 412, Roxin, AT II, § 25 Rn. 242 und Bettina Weißer, JZ 1998, 232. 166

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

119

lässige Mittäterschaft im Sinne der Lehre von Derksen und Lesch als „gemeinsam objektiv zurechenbares Verhalten“167 begreift, während er an den gängigen Strukturelementen einer Mittäterschaft festhalten möchte:

aa) Das Modell im Einzelnen Ausgehend von der Verteidigungsratsentscheidung aus dem Jahre 1994168 und der Lederspray-Entscheidung169 wertet Knauer das Abstimmungsverhalten eines jeden Gremiumsmitglieds als Form der Mittäterschaft aufgrund eines stillschweigenden Einverständnisses der Abstimmenden bezogen auf die Abgabe des Votums als gemeinsamen Tatbeitrag.170 Der Zusammenschluss der einzelnen Täter bewirke für das betroffene Rechtsgut eine Potenzierung der Verletzungsgefährlichkeit und damit eine über die Risikoschaffung des Einzelnen hinausgehende weitere Risikosteigerung hinsichtlich des Erfolges.171 Grundlage sei bei vorsätzlicher Mittäterschaft ein „gemeinschaftliches Bewusstsein der Beteiligten“, wie es in der gesetzlichen Normierung der „gemeinschaftlichen Begehung“ zum Ausdruck komme: „Denn um eine Tat ,gemeinschaftlich‘ zu begehen, bedarf es eines ,Miteinander‘ und nicht eines bloßen ,Nebeneinander‘; es muss also ein Bewusstsein über das arbeitsteilige Zusammenwirken zwischen den Beteiligten bestehen.“172 Hierin liege das „subjektive Pendant“ zur objektiven gemeinschaftlichen Beherrschen der Tat und damit ein „Grundbaustein für die [aufgrund der Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge] kausalitätsersetzende Funktion der Mittäterschaft“173. Bei fahrlässigen Delikten könne dagegen der gemeinsame Tatplan wegen der Strukturverschiedenheit der beiden Deliktsformen nicht das „Verbindungselement“ bilden.174 Dies bedeute aber nicht, dass hier mangels eines „FüreinanderEinstehen-Wollens“ nur ein Nebeneinander möglich sei.175 Dies wäre eine unzulässige Übertragung der Vorsatzkriterien und eine Vernachlässigung des Fahrlässigkeitsunrechts. Das Unrecht bestünde nämlich nicht allein in der Vornahme einer sorgfaltswidrigen Handlung, wie das Fehlen eines fahrlässigen ______________ 167

Knauer, Kollegialentscheidung, S. 195. BGHSt. 40, 218 (232 ff.). 169 BGHSt. 37, 106 ff. – vgl. hierzu oben Erster Hauptteil, Zweites Kapitel I, 4, d). 170 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 163, 166 f. 171 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 156 f. 172 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 148. 173 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 149. 174 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 192. 175 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 183, 192 f. 168

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1. Teil: Bestandsaufnahme

Versuchs zeige.176 Es werde vielmehr allein durch die Lehre von der objektiven Zurechnung ausgefüllt und erhalte damit eine besondere Betonung in Bezug auf das Erfolgsunrecht177. Unter dem Gesichtspunkt der Gefahrerhöhung für das betroffene Rechtsgut genüge daher, wenn die Verursachung auf mehreren Schultern verteilt würde.178 Wenn also ein Passant eine vielbefahrene mehrspurige Straße überquere und nach dem Überqueren der ersten Spur auf der Trennmarkierung wartet, um den in die gleiche Richtung fließenden Verkehr auf der zweiten Spur passieren zu lassen und hierbei von zwei Fahrzeugen, von denen eines auf der ersten und eines auf der zweiten Spur fährt, erfasst und in der Mitte zwischen beiden Fahrzeugen tödlich zerquetscht wird179, so könne man ebenfalls sagen, dass beide den Passanten „gemeinschaftlich“ getötet hätten. Durch ihre jeweilige Pflichtverletzung hätten sie zusammen die Gefahr des Todes für den Passanten erhöht, unabhängig davon, ob sie sich dessen bewusst gewesen sein oder nicht.180 Dieses Beispiel verdeutliche, dass das „Verbindungselement“ beider Handlungen auch nur rein objektiver Natur sein könne und die fahrlässige Mittäterschaft damit von einem subjektiven Element, sei es auch nur definiert als Bewusstsein des Zusammenwirkens, völlig losgelöst sei. Fahrlässige Mittäterschaft bedeute daher, „dass sich die durch mehrere gemeinschaftlich geschaffene unerlaubte Gefahr im Erfolg realisiert hat“.

bb) Kritik Die Fundierung der fahrlässigen Mittäterschaft auf der objektiven Zurechnung erscheint verlockend, stellt die Mittäterschaft nach herkömmlichen und richtigen Verständnis doch selbst eine Form der Zurechnung dar. Die Folgen (und damit die hiergegen zu richtende Kritik) kommen hierbei aber dem bereits abgelehnten Modell einer einheitlichen Mittäterschaft auf der Basis nur der objektiven Zurechnung nahe: Mit der Zurechnung wird abgestellt auf ein rein äußerliches Geschehen, in dem ein Erfolg rückblickend durch mehrere herbeigeführt worden ist. Jeder, der sorgfaltspflichtwidrig handelte, schuf ein Risiko für das betroffene Rechtsgut. Addiert man dieses streng mathematisch, gelangt man zwangsläufig zu einer erhöhten Gefahr. Jeder von mehreren verursachte Erfolg wäre damit ein mittäterschaftlich verursachter. Jeder Mitverursachungsbeitrag würde so unabhängig von seiner fehlenden Alleinursächlichkeit für den

______________ 176

Knauer, Kollegialentscheidung, S. 193. Knauer, Kollegialentscheidung, S. 195; nach Roxin, AT I, § 24 Rn. 10 ff. 178 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 195. 179 So der Beispielsfall bei Knauer, Kollegialentscheidung, S. 193. 180 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 199. 177

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

121

Erfolg ausreichen, um dem den Beitrag Leistenden über § 25 Abs. 2 StGB auch freiverantwortliche Handlungen anderer Mitverursacher zuzurechnen und jeden als Täter zu bestrafen. Die hierin liegende Strafbarkeitsausdehnung über § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB hinaus bedarf einer Rechtfertigung. Knauer hat selbst hergeleitet, dass diese in einer Solidarisierung zweier Täter zu sehen sei, die gemeinsam ein Rechtsgut angreifen und so die Gefahr der Rechtsgutsverletzung steigern. Auf diesen „Grundbaustein“ der Mittäterschaft würde man aber verzichten, wenn jedes geschaffene unerlaubte Risiko erfolgsursächlich würde, nur weil ein unabhängig hiervon geschaffenes anderes unerlaubtes Risiko zur Gefahrrealisierung führe. Dass auch Knauer dies so nicht gemeint haben kann, zeigt er mit seiner Einschränkung, dass eine fahrlässige Nebentäterschaft „nur“ dann in Betracht komme, wenn „die Beteiligten die sich im Erfolg realisierenden Gefahren gänzlich unabhängig voneinander, also nicht arbeitsteilig geschaffen haben“.181 Den Solidarisierungsgrund soll also eine Arbeitsteilung bilden. Wie kann man aber eine Arbeit aufteilen und Verursachungsbeiträge auf mehrere Schultern verteilen, ohne zumindest im Bewusstsein zu sein, dass mehrere Schultern existieren. Verzichtet man auf das Bewusstsein, wird die „Arbeitsteilung“ zur bloßen „Beteiligung mehrerer“182. Jede Verursachung durch mehrere Personen würde eine Mittäterschaft bedeuten, die Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich also neben der Alleintäterschaft zur einzigen Beteiligungsform verkommen mit dem Bonus, dass die Kausalität in der Fahrlässigkeitsdogmatik gänzlich keine Rolle mehr spielen würde. Jede Sorgfaltspflichtverletzung würde strafbar sein, wenn sie auch nur irgendwie unter Ergänzung fremder Pflichtverletzung zu einem Erfolg geführt hätte. Mit einer „gemeinschaftlichen Begehung“ hätte die fahrlässige Mittäterschaft nichts mehr gemein. Ohne ein solidaritätsschaffendes subjektives Element kann die Mittäterschaft damit nicht existieren, wodurch die obige Herleitung bestärkt wird, dass bereits der Gemeinschaftsbegriff ein subjektives Kriterium verlangt.

b) Die fahrlässige Mittäterschaft als Ergebnis des Autonomieprinzips Auf dieses subjektive Kriterium gehen jene Autoren näher ein, die bei der (Re-)Formulierung183 eines Tatherrschaftsbegriffs das Prinzip der Selbstverantwortung als Kehrseite der Handlungsfreiheit in das Zentrum stellen und die Alleintäterschaft so entsprechend Eschenbachs Vorbringen als die Vornahme ______________ 181

Knauer, Kollegialentscheidung, S. 199. Knauer, Kollegialentscheidung, S. 195. 183 Hiervon spricht ausdrücklich Renzikowski, Täterbegriff, S. 77. 182

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1. Teil: Bestandsaufnahme

der letzten Handlung ansehen, erweitert durch die mittelbare Täterschaft und vor allem auch die Mittäterschaft. Dies führt zur paradoxen Konsequenz, dass unter Berufung auf das Autonomieprinzip einige Autoren im Gegensatz zu den Gegnern des Prinzips zu einer Haftungserweiterung im Fahrlässigkeitsbereich durch eine Anerkennung der fahrlässigen Mittäterschaft gelangen.

aa) Autonomieprinzip und Folgenzurechnung bei Renzikowski In diesem Sinne hat insbesondere Renzikowski seine Täterlehre aufgebaut. Er beruft sich auf das Grundgesetz, aus dem sich ein auf Freiheit und Selbstverantwortung beruhendes Menschenbild ergebe. Unterstützt würde dies durch den Rechtsgüterschutz, der jedem Individuum einen „Bereich rechtlich garantierter Freiheit“ zuweise, der gegen Eingriffe von außen geschützt werde.184 Auf der anderen Seite folge aus dem gegenseitigen Rechtsgüterschutz in einer Gesellschaft, dass der Einzelne für die Folgen der Wahrnehmung seiner ihm garantierten Freiheit und seiner Rechtsgüter die Verantwortung trage. Er sei zwar autonom, könne also frei entscheidend handeln. Hierzu gehöre aber auch, sein Verhalten an rechtlichen Maßstäben auszurichten.185 Diese würden auf diesen Bereich bezogene normative Verhaltensnormen enthalten, die bei Nichtbefolgung eine Haftung nach sich ziehen würden. Der Mensch sei daher grundsätzlich nur für eigenes Handeln verantwortlich.186 Dem trage § 25 StGB Rechnung. Die Selbstverantwortung als Kehrseite der Handlungsfreiheit stehe einer Überwälzung der Verantwortlichkeit auf andere grundsätzlich entgegen, so dass der „Prototyp der Folgenzuständigkeit“ in einer eigenhändigen Tatbestandsverwirklichung liege, die in § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB im Sinne der formal-objektiven Täterlehre zu sehen sei.187 Die Autonomie des Handelns ziehe also – rechtstheoretisch wie normativ – ein Regressverbot nach sich. Für die mittelbare Täterschaft folge hieraus, dass sie ausscheide, wenn der Vordermann autonom gehandelt habe, unabhängig davon, wie der Hintermann auf den Vordermann eingewirkt habe.188 Die Mittäterschaft könne ebenfalls mit Hilfe des Autonomieprinzips an sich nicht erklärt werden. Halte etwa C das Opfer fest, damit D es schlagen kann, begingen beide gemeinschaftlich eine Körperverletzung, obwohl D autonom gehandelt habe. Diese Durchbrechung des Regressverbots bedinge die konstitu______________ 184

Renzikowski, Täterbegriff, S.67 f. Renzikowski, Täterbegriff, S. 72. 186 Renzikowski, Täterbegriff, S. 68 f. 187 Renzikowski, Täterbegriff, S. 70 f. 188 Renzikowski, Täterbegriff, S. 74. 185

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

123

tive Regelung des § 25 Abs. 2 StGB. Hierin liegt aber nur dann eine „Erweiterung“ des Autonomieprinzips (wie Renzikowski es annimmt) und nicht gar eine Aufhebung, wenn die grundsätzliche Autonomiekonstruktion bestehen bliebe. Dies erreicht Renzikowski dadurch, dass er die Mittäterschaftsregelung – wie selbstverständlich – als Begründungsnorm für ein Kollektiv ansieht, das „tatbestandsmäßig handelt“ und dem das gemeinsame Werk als Ganzes primär zugerechnet werde.189 Das autonome Setzen der letzten Ursache werde damit vom Individuum auf das Kollektiv verlagert und so das Regressverbot nur auf das Verhältnis der Handlung des Kollektiv zu der eines Dritten bezogen: „Das autonome Setzen der letzten Ursache durch das Kollektiv versperrt die Zurechnung zu jedem, der vorher seinen Beitrag geleistet hat.“190 Die Haftung des Einzelnen ergebe sich so nicht für seinen eigenen Tatanteil, sein eigenes Handeln, sondern für die Beteiligung an der Personengemeinschaft, soweit sein Beitrag hierfür – wenn auch als geringer Beitrag –191 fördernd sei. Hierdurch folge aber, dass es bei der Mittäterschaft nicht mehr auf die Vornahme der letzten Handlung durch ein Individuum ankomme. Eine derartige freiverantwortliche Handlung schließe so gerade den zuvor geleisteten Beitrag eines anderen Beteiligten nicht mehr aus, so dass eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme nach der Tatherrschaft nicht möglich sei. Es komme vielmehr nur auf das qualitative Gewicht des jeweiligen Beitrags an.192 Hierdurch eröffnet sich die Möglichkeit einer fahrlässigen Mittäterschaft: Für die fahrlässig herbeigeführte Rechtsgutsverletzung hafte derjenige, dem das gefährliche Verhalten zugerechnet werden könne.193 Nehme ein Mittäter mit anderen nach einem gemeinsamen Plan ein „gemeinsames Handlungsprojekt“ vor, bei dem jeder Beteiligte die Gefährlichkeit des Gesamtprojekts erkennen konnte, dann würde die so gebildete imaginäre Gesamtperson eine „Gesamttat“ begehen, die den Tatbestand eines fahrlässigen Delikts verwirklicht. Dieser deliktische Erfolg werde zunächst der imaginären Kollektivperson und dann jedem an ihr Beteiligten zugerechnet. Eine kausale Verknüpfung zwischen dem Erfolg und dem jeweiligen Tatbeitrag des Einzelnen sei also nicht erforderlich, damit jeder Beteiligte am Handlungsprojekt wegen fahrlässiger Mittäterschaft für den Gesamterfolg hafte.194

______________ 189

Renzikowski, Täterbegriff, S. 101 ff. Renzikowski, Täterbegriff, S. 103. 191 Renzikowski, Täterbegriff, S. 101. 192 Renzikowski, Täterbegriff, S. 104. 193 Renzikowski, Täterbegriff, S. 284. 194 Renzikowski, Täterbegriff, S. 288 f. 190

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1. Teil: Bestandsaufnahme

bb) Das Verantwortlichkeitsprinzip bei Heribert Schumann Ein vergleichbares Konzept vertritt Heribert Schumann in seinem Werk zum strafrechtlichen Handlungsunrecht, in dem er auf das Prinzip der Selbstverantwortung der anderen als Kehrseite zum Autonomieprinzip jedes Einzelnen abstellt. Dies führe zur selbstverständlichen Konsequenz, „dass der Verantwortungsbereich jedes Einzelnen sich grundsätzlich auf sein eigenes Handeln beschränkt und nur unter besonderen Umständen auch dasjenige anderer mitumfasst“195. Jeder habe sein Verhalten damit nur so zu steuern, dass es für verantwortungsbewusst Handelnde durch Ingangsetzen von Naturkausalität nicht zur Gefahr werde. Auf mögliche Mitverursachungen – nicht jeden gehe alles an196 – brauche er nicht zu achten, so dass er auch nur verantwortlich sein könne für Rechtsverletzungen, die ausschließlich in seine „Zuständigkeit“ fielen.197 Jede Erweiterung der Haftung auch für fremdes Tun bedürfe daher besonderer Gründe.198 Ein Grund liege nach § 25 Abs. 2 StGB in der planmäßigen, arbeitsteiligen Verwirklichung eines die Ursache des tatbestandlichen Erfolgs enthaltenen Vorhabens. Zwar entspreche dies beim Vorsatzdelikt einem arbeitsteiligen Vorgehen aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses als tragendem Element der Gemeinschaftlichkeit. Ein subjektives Element weise jedoch auch die fahrlässigen Delikte in dem Sinne auf, dass „der Handelnde von den Bedingungen des eingetretenen Erfolgs einen tatbestandsrelevanten Ausschnitt kennt, von dem nach Bewertung der Rechtsordnung eine intolerable Gefahr (ein unerlaubtes Risiko)“ ausgehe199. Jeder, der in Kenntnis des Plans am Handlungsprojekt mitwirke, handle in Kenntnis der Fakten, die die Erfolgsursachen bildeten und das missbilligte Risiko begründeten, so dass es für eine gemeinschaftliche Tatbegehung genüge, „wenn der Erfolg ,außerplanmäßig‘ eintritt und das gemeinsame Handlungsprojekt insoweit lediglich sorgfaltswidrig ist“.200

cc) Michael Köhlers Modell der freien Subjekte Michael Köhler vertritt mit einer idealistischen Philosophie201 ein dem Autonomieprinzip ebenfalls vergleichbares Konzept: Der Alleintäter werde noch als ______________ 195

Heribert Schumann, Handlungsunrecht, S. 6. So bereits Jakobs, ZStW 89 (1977), 30. 197 Heribert Schumann, Handlungsunrecht, S. 6. 198 Heribert Schumann, Handlungsunrecht, S. 42. 199 Heribert Schumann, StV 1994, 106 (111) unter Zitierung von Struensee, JZ 1987, 60. 200 Heribert Schumann, StV 1994, 111. 201 So die Wertung von Roxin, AT II, § 25 Rn. 178. 196

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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zweckhafter Verursacher des objektiven Geschehens durch die Tat bestimmt. Dieser „Grundbegriff des personalen Unrechts“ werde erweitert durch den „Verhaltenszusammenhang zwischen freien Subjekten“202: Solange das Handeln eines Menschen in seiner Maximenbildung frei und selbstbestimmt bleibe, könne es dem anderen nicht zugerechnet werden. Dies ändere sich erst, wenn das Handeln des anderen nicht nur bedingt, sondern formend miteingeschlossen werde. Erfolge dies durch eine wechselseitige Mitbestimmung und –gestaltung im Rahmen einer „Willensvereinigung“, so machten die Beteiligten die Tat sich gleichermaßen zum Zweck. Ihre jeweils zweckbezogenen Tathandlungen setzten sich so wechselseitig als Mittel ein, dass sich jeder Beteiligte jeweils die Tätigkeit des anderen zunutze mache. Hierin liege der Grund für die Zurechnung der ganzen Tat an jeden Beteiligten.203 Eine derartige kollektive Leistung aufgrund einer wechselseitig-bestimmten Entschlussgemeinschaft sei auch bei Fahrlässigkeitsdelikten derart „begrifflich möglich“, dass gemeinschaftlich handelnd eine verbotene Verletzungsgefahr geschaffen werde, die sich dann verwirkliche.204

dd) Kritik am Autonomieprinzip und seinen Auswirkungen auf die Täterlehre Allen vorgenannten Ansichten zugrunde liegt ein jeweiliges Verständnis des Autonomieprinzips, das zum Grundprinzip des Strafrechts und der Täterlehre erhoben wird. Eine derartige Funktion kann ihm aber nicht zukommen. Zwar scheint die Willensfreiheit eine Berücksichtigung der Freiverantwortlichkeit eines jeden verursachend zum Erfolg Beitragenden gerade zu fordern. So hat etwa Heribert Schumann205 ausführt: „Denn mit pflichtwidrigem Handeln anderer und mit ,Verschulden gegen sich selbst‘ ist nicht nur tatsächlich in großem Umfang zu rechnen, sondern es müsste, wenn man von der Willensfreiheit des Menschen ausgeht, auch als jederzeit möglich und vorhersehbar gelten, da freies menschliches Handeln sich anders als Naturkausalität letztlich exakter Berechenbarkeit entzieht“. Dies sind starke Worte, die durch das Schuldprinzip bestätigt zu werden scheinen. Doch dies geschieht nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten fragt man sich einerseits zu Recht, wieso menschliches Verhalten weniger kalkulierbar sein soll als Naturphänomene wie eine Flutwelle, die den ahnungslosen ______________ 202

Michael Köhler, AT, S. 488 f. Michael Köhler, AT, S. 491, 513. 204 Michael Köhler, AT, S. 540, jedoch auch darauf hinweisend, dass das geltende Recht dies anders sehe, insoweit die Fahrlässigkeitstatbestände ihrerseits nicht nach Beteiligungsformen differenzieren würden. 205 Heribert Schumann, Handlungsunrecht, S. 5. 203

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1. Teil: Bestandsaufnahme

Fischer überrascht. Menschen können, wenn man bei ihnen nur den richtigen Punkt trifft, aufgrund ihrer Emotionalität in ganz bestimmte Richtungen gelenkt werden. Dies zeigt sich vor allem bei Kleinkindern, Schuldunfähigen und nur beschränkt Schuldfähigen aufgrund von § 21 StGB. Kann man aber beispielsweise Kinder für seine Zwecke einsetzen, so ist nicht einzusehen, wieso dies keine mittelbare Täterschaft begründen soll. Dies sieht auch die überwiegende Zahl der Anhänger des Autonomie-Gedankens so. Renzikowski beispielsweise schreibt, dass es nicht einzusehen sei, wieso bei einem vermindert Schuldfähigen keine mittelbare Täterschaft vorliegen solle.206 Dies hat auch der Gesetzgeber so gesehen, der in der Gesetzesbegründung zu § 25 StGB in der Fassung seit 1975 ausgeführt hatte: „Wer sich in diebischer Absicht eine fremde Sache durch ein Kind zutragen lässt, ist ebenso ein Dieb, wie wenn er die Sache mit eigener Hand weggenommen [...] hätte.“207 Dies leuchtet ein. Dennoch käme man bei strenger Anwendung des Autonomieprinzips zu einer anderen Lösung. Denn das Kind ist doch, ob schuldfähig oder schuldunfähig, „ein an sich freies Subjekt“208, das genauso wie ein Geisteskranker durch seinen „natürlichen Willen“ mit einem Rest an Autonomie handelt.209 Eben jenes Dilemma, dass Autonomie nicht nur fehlen oder vorhanden sondern auch abgestuft sein kann, steht der Anwendung als Universalprinzip entgegen.210 Welche Anstrengungen es vor diesem Hintergrund bedarf, das Autonomieprinzip zu retten und dennoch zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen, verdeutlichen eindrucksvoll Maria-Katharina Meyers Ausführungen zur mittelbaren Täterschaft bei organisierten Machtapparaten211: Der unmittelbare Schütze sei zwar grundsätzlich autonom handelnd Ihm würden aber bei einer Einbindung in organisierte Machtapparate „spezifische Hemmungsgründe“ fehlen, weil die etwaige Weigerung eines zur Ausführung Bestimmten die Tötung durch einen beliebigen anderen nicht beeinträchtige. Die Realisierung des Tatentschlusses beim unmittelbar Handelnden funktioniere so „wie ein Naturkausalismus“ und damit letztlich unfrei. Dass das Recht dies anders sehe und ihn als voll Verantwortlichen bestrafe, solle außer Betracht bleiben, da dies am „normativen Aspekt der Handlungsfreiheit“ liege.212 Vergleichbare Probleme zeigen sich etwa beim sich im vermeidbaren Verbotsirrtum befindlichen Werkzeug, bei dem Renzikowski gleichfalls eine mittelbare Täterschaft annimmt, da ______________ 206

Renzikowski, Täterbegriff, S. 87. BT-Ds. IV/650, S. 149. 208 Michael Köhler, AT, S. 506. 209 Roxin, AT II, § 25 Rn. 174. 210 Vgl. Roxin, AT II, § 25 Rn. 177. 211 Zu deren Anerkennung BGHSt. 40, 218 (236 f.), 45, 270 (296), BGH, NJW 1998, 769 und Roxin, TuT, S. 242 ff. 212 Maria-Katharina Meyer, Ausschluss, S. 101 ff.; hierzu zu Recht kritisch Küper, JZ 1986, 223 und Ulfrid Neumann, GA 1985, 476 f. 207

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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derjenige, der sein Verhalten nicht richtig anhand von Normen bewerten könne, nicht autonom handele.213 Dies widerspricht jedoch dem Gesetz, der den Tatmittler gerade als voll verantwortungsfähigen, freien Menschen wegen vorsätzlicher Straftat ansieht.214 Dies verdeutlicht, dass das Autonomieprinzip nicht geeignet ist, im Bereich der Täterschaft und Teilnahme ein taugliches Abgrenzungskriterium zur Verfügung zu stellen. Hierzu ist es ein zu unbestimmtes, bloßes „Leitbild“, dessen Inhalt wie aufgezeigt der jeweiligen Sachfrage „chamäleonhaft“ anpassbar ist.215 Veranschaulicht wurde dies bislang zwar an Beispielen zur mittelbaren Täterschaft, es wird aber gerade auch bei der Mittäterschaft relevant: So ist das Ergebnis der Anwendung des Autonomieprinzips, dass ihre Anhänger zur Rettung des Prinzips bei der Mittäterschaft auf eine imaginäre Kollektivperson ausweichen müssen, weg von ihrem Ausgangspunkt der freien Individuen, hin zu einem reinen Kunstprodukt ohne eigene Rechtspersönlichkeit und ohne eigene Willensfreiheit.

c) Die fahrlässige Mittäterschaft wegen gemeinschaftlicher Risikosteigerung bei Otto Einen dogmatisch leicht anderen Weg beschreitet Otto, der sich in der Nachkriegszeit als erster ausführlich und detailliert mit dem Problembereich der fahrlässigen Mittäterschaft beschäftigt hat und heutzutage zu Recht als einer der „engagiertesten“216, wenn nicht „der wirkungsvollste Vorkämpfer fahrlässiger Mittäterschaft“ 217 gilt.

aa) Das Modell im Einzelnen Seinem Ausgangspunkt zufolge sei Täter zunächst diejenige Person, der ein bestimmtes Ereignis als ihr Werk zugerechnet werde.218 Die Zuordnung erfolge durch die bereits bekannten sozialen Phänomene von Täterschaft und Teilnahme, die vom Gesetzgeber jedoch durch Akzentuierungen und der Bildung ______________ 213

Renzikowski, Täterbegriff, S. 81. Hierzu Roxin, TuT, S. 664. 215 Küper, JZ 1986, 229. 216 Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 153. 217 Roxin, TuT, S. 694 Fn. 532. 218 Otto, Strafbarkeit, S. 5. 214

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1. Teil: Bestandsaufnahme

besonderer Voraussetzungen strukturiert werden könnten.219 Der Täter sei also der Verantwortliche für die Tatbestandsverwirklichung, weil er allein oder arbeitsteilig mit anderen das „Ob“ und „Wie“ der Tatbestandsverwirklichung bestimmt und die Rechtsgutsverletzung verwirklicht habe.220 Die Haftung für eine Rechtsgutsverletzung werde jedoch immer durch die Gefahr vermittelt, auf der sie beruhe. Ein Erfolg werde so letztlich einer Person dann als ihr Werk zugerechnet, wenn sie die Gefahr begründet oder erhöht habe, die sich im Erfolg realisiert habe221, sie also auf den Täter als „Steuerungssubjekt“222 zurückzuführen sei. Bei mehreren Beteiligten ginge es daher um eine Positionsbestimmung im sozialen Raum derart, wem als primär Verantwortlichen die Entscheidung über das „Wie“ und „Ob“ der Tat zukomme und wer als sekundär Verantwortlicher vom Entschluss zur Tatplanrealisierung eines anderen abhängig sei.223 Als Ausgangspunkt sieht auch Otto das Verantwortungsprinzip, wonach jede Person grundsätzlich nur für ihr eigenes Verhalten verantwortlich sei und nicht das Verhalten anderer, solange sich durch deren Handeln nicht ein Risiko verwirkliche, das bereits in der „Erstgefährdung“ angelegt sei.224 Dies gelte auch beim Fahrlässigkeitsdelikt, wie die Konstellation fahrlässiger Mitverursachung fremder Selbstgefährdung oder -verletzung zeige, bei der die Eigenverantwortlichkeit des Opfers die Haftung des fahrlässigen Mitverursachers ausschließen soll. Allerdings müsste beachtet werden, dass der Täter der Fahrlässigkeitsdelikte zwar gleichfalls „als Steuerungssubjekt des tatbestandlich erfassten sozialen Sinngehalts“ erscheinen könne, er sich aber dadurch vom Vorsatztäter unterscheide, dass er das Geschehen nicht bewusst auf einen Erfolg hin steuere.225 Dies führe zur Selbstverständlichkeit, bei der Täterbestimmung nicht auf die Kriterien für die Vorsatzdelikte zurückgreifen zu können. Ausgangspunkt müssten vielmehr „die allgemeinen täterschaftskonstituierenden Kriterien“ sein.226 Beziehe man das Täterkriterium der Steuerung des Geschehens auch hier auf die Begründung oder Erhöhung der sich im Erfolg realisierenden Gefahren, so sei Täter eines Fahrlässigkeitsdelikts jede Person, „die vermeidbar (steuerbar) unter Verletzung einer sie im Hinblick auf den Schutz der Rechtsgüter Dritter treffenden Sorgfaltspflicht Gefahren für Rechtsgüter anderer begründet oder ______________ 219

Otto, AT, § 21 Rn. 4 f. Otto, AT, § 21 Rn. 24. 221 Otto, FS Spendel, 278; vgl. auch Otto, Jura 1998, 412. 222 Otto, AT, § 21 Rn. 112. 223 Otto, AT, § 21 Rn. 24, 112. 224 Otto, AT, § 6 Rn. 48 ff. und § 21 Rn. 113. 225 Otto, Jura 1987, 258 und ders., Jura 1990,49. 226 Otto, AT, § 21 Rn. 116 sowie ders., Jura 1998, 412. 220

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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erhöht hat, deren spezifische Risiken sich in der Verletzung dieser Rechtsgüter realisieren“227. Diese Verantwortung könne bei arbeitsteiligem Vorgehen die beteiligten Personen auch gemeinsam treffen, so dass auch die Rechtsfigur der Mittäterschaft beim Fahrlässigkeitsdelikt „möglich und sinnvoll“ sei.228 Beim Begehungsdelikt sei sie gekennzeichnet durch eine arbeitsteilige Begründung oder Erhöhung einer sich im Erfolg realisierenden Gefahr durch eine „gemeinschaftliche Pflichtverletzung“, bei der die „gemeinschaftliche Verantwortung für ein Risiko“ bestünde, die Verantwortung für die Vermeidung eines bestimmten Erfolges also mehrere Personen gemeinsam treffe.229 Zu diesem objektiven Kriterium müsse ein dem Tatplan bei der vorsätzlichen Mittäterschaft entsprechendes subjektives Kriterium hinzutreten, das im „Bewusstsein der Beteiligten über das arbeitsteilige, der gemeinsamen Steuerung unterliegende Vorgehen bei der Gefahrbegründung oder -erhöhung“ liege.230 Beim Unterlassungsdelikt dagegen liege die gemeinschaftliche Risikoverwirklichung im gemeinsamen pflichtwidrigen Unterlassen trotz gleicher Garantenpflicht231 aufgrund des gemeinsamen Bewusstseins („Übereinkunft“), gemeinsam eine sie treffende Pflicht nicht zu erfüllen. Obwohl Otto das Bewusstsein sogar als das „wesentliche tatsächliches Element der Mittäterschaft durch Unterlassen im Fahrlässigkeitsbereich“ bezeichnet232, möchte er für den praktisch wichtigsten Fall – die fahrlässige Mittäterschaft in Wirtschaftsunternehmen – hierauf sogar verzichten. So werde zwar der „Schritt hin zu einer rein normativen Begründung der Mittäterschaft im Bereich der fahrlässigen Unterlassungsdelikte“ gegangen233, bei der es genüge, dass jeder seine Sorgfaltspflicht unabhängig von dem anderen Garanten verletze, solange beide Sorgfaltspflichten nur dem Schutz des gleichen Rechtsguts dienten. Das Ergebnis wäre eine Erweiterung des Rahmens gemeinschaftlicher Haftung durch eine Mittäterschaftsfigur im Fahrlässigkeitsbereich, die im Vorsatzbereich zwar keine Entsprechung finde234, die aber als normatives Produkt „sachgerecht“

______________ 227

Otto, Jura 1990, 49. Otto, AT, § 21 Rn. 114; anders noch ders., JuS 1974, 704. 229 Otto, Jura 1987, 258, ders., FS Maurach, 104, ders., AT, § 21 Rn. 117, ders., FS Spendel, 282 sowie ders., Jura 1990, 49. Vgl. auch Brammsen/Hanno Kaiser, Jura 1992, 38 f. 230 Otto, FS Spendel, 282, ders., Jura 1998, 412, ders., AT, § 21 Rn. 117 sowie ders., Strafbarkeit, S.9. 231 Otto, Jura 1990, 49; ähnlich deutlich zum Verhältnis der Garantenpflichten ders., FS Spendel, 283: „eine sie treffende Pflicht”, also eine gemeinsame, gleiche Pflicht. 232 Otto, AT, § 21 Rn. 119. 233 Otto, FS Spendel, 283 und ders., AT, § 21 Rn. 119. 234 Otto, Jura 1998, 412, ders., AT, § 21 Rn. 121 sowie ders., Jura 1990, 50. 228

130

1. Teil: Bestandsaufnahme

wäre, um in Unternehmen eine mittäterschaftliche Verantwortung zu begründen.235 Kurz zusammengefasst: „Wer daher im bewussten, arbeitsteiligen Zusammenwirken mit anderen [durch Tun oder Unterlassen sie gemeinschaftlich treffende Garantenpflichten] Gefahren begründet oder erhöht, die sich – vorhersehbar – im Erfolg realisieren, ist gemeinschaftlich für den Erfolg verantwortlich. Diese Personen haften als Mittäter.“236 Aufgrund der Zuschreibung gemeinsamer Verantwortung für die arbeitsteilig begründete Gefahrenlage würden so beispielsweise im „Rolling Stones“-Fall beide Beteiligten für den unabhängig davon haften, ob feststehe oder nicht feststellbar sei, wer den tödlichen Stein gerollt habe.237

bb) Kritik Die Lehre Ottos ist wesentlich vom praktischen Bedürfnis der Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft geprägt. Sie soll vor allem in Bereichen der organisierten Unverantwortlichkeit in Unternehmen zu sachgerechten Ergebnissen führen, indem jedem Geschäftsführer bei Beschlüssen der verteidigende Einwand eines zweifelhaften Kausalitätsnachweises bezogen auf seine Einzelhandlung abgeschnitten werden soll. Hierzu stellt er sein Modell fahrlässiger Mittäterschaft auf zwei Beine: ______________ 235 Otto, Jura 1990, 50, ders., AT, § 21 Rn. 122 und ders., Jura 1998, 412. Dies veranschaulicht er am kleinen Beispiel des Theaterdirektors D, der dafür verantwortlich ist, dass die Löschanlage des Theaters mit Wasser gefüllt ist. Der Feuerwehrmann F hat dagegen die Aufgabe, die Anlage zu bedienen. Als eines Tages ein Brand ausbricht, ist F betrunken und daher nicht in der Lage, die Anlage in Betrieb zu setzen. Bei dem Brand kommt X zu Tode. Später stellt sich heraus, dass der Brand durch Ingangsetzen der Anlage nicht verhindert worden wäre, da diese am betreffenden Tage nicht mit Wasser gefüllt war. Nach grundsätzlichen Erwägungen zur fahrlässigen Mittäterschaft im Unterlassungsbereich sei deren Ablehnung hier eigentlich zwingend, habe zwischen D und F, die zwar beide sorgfaltspflichtwidrig handelten, doch weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Vereinbarung bestanden. Sehe man hingegen in der Gefahrensituation eine gemeinsame Verantwortung von D und F begründet, der sie nur „quasi arbeitsteilig“ gerecht werden konnten, und fasse man so beide wegen gemeinsamer Verantwortung für das Rechtsgut zu einer Einheit zusammen, so ergebe sich die Möglichkeit, beide für den Erfolg haften zu lassen, vgl. Otto, AT, § 21 Rn. 119 ff.; einschränkend dagegen noch Otto, Jura 1987, 258, wo eine Mittäterschaft bezüglich der fahrlässigen Tötung aufgrund gemeinsamer Verantwortungspositionen noch als nur „diskutabel“ bezeichnet wurde. Vgl. hierzu auch den Beispielsfall bei Otto, FS Spendel, 283 f. 236 Otto, FS Spendel, 282, ders., Jura 1998, 412 sowie ders., AT, § 21 Rn. 117. 237 Otto, Strafbarkeit, S. 13.

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

131

(1) Ein Bein ist der Rekurs auf die Risikoerhöhungslehre. Hierdurch erreicht er, dass der strafrechtliche Vorwurf auf die Gefahrbegründung reduziert bleibt. Das zur Verletzung folgende Geschehen brauche dagegen nicht unbedingt beherrscht zu werden. So gelangt Otto in Teilbereichen zu einer Vorverlagerung des Strafbarkeitsvorwurfs: Nicht erst die das Rechtsgut verletzende Handlung sei eine strafbare täterschaftliche Handlung, sondern bereits die ein bloßes Risiko für das Rechtsgut hervorrufende oder ein solches Risiko erhöhende Handlung. Zum anderen wird so der strenge Kausalitätsnachweis zurückgedrängt. Während § 229 StGB ausdrücklich davon spricht, dass der Täter die Körperverletzung verursacht haben muss, würde nach der reinen Risikoerhöhungslehre eine mögliche Risikobegründung genügen, ohne dass auch die Verletzung kausal das Werk des Täters sein müsste.238 Zwar müsste sich nach Otto das begründete oder erhöhte Risiko im Erfolg tatsächlich realisiert haben. Durch das Ausreichen einer Risikoerhöhung wird dem möglichen Täter aber gerade der Einwand genommen, dass das Risiko sich auch verwirklicht hätte, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte. Gleiches ergibt sich im Unterlassungsbereich, wo die fehlende Minderung des Risikos für eine Haftungszuschreibung genügen soll, wenn sich das Risiko nur im Erfolg realisieren habe. Dass dieser Erfolg selbst bei richtigem Verhalten eingetreten wäre, also auch wenn der Täter risikomindernd tätig geworden wäre, wird dem Täter hier gleichermaßen abgeschnitten.239. Hierdurch erlangt der Gedanke der Gefahrerhöhung bzw. Gefahrminderung zweifellos bereits selbst eine „kausalitätsersetzende Funktion“240, die ansonsten erst von der Mittäterschaft erreicht wird. (2) Hinzu tritt als zweites Bein seines Ansatzes die Anknüpfung an vorhandene soziale Strukturen, in die das Verantwortungsprinzip eingebunden wird. Das Abstellen auf Anschauungen und Wertungen in der Bevölkerung führt aber zu einem Hinwenden der eigenen Dogmatik zu den praktischen Bedürfnissen. Hierunter leidet die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit der Strafbarkeit, die die Existenz konkreter Voraussetzungen bei gesetzlichen Generalklauseln verlangt241, wie es Ottos Formulierungen eindrucksvoll zeigen: Eine fahrlässige Mittäterschaft soll vorliegen bei einer gemeinschaftlichen Begründung oder Erhöhung eines Risikos mittels eines arbeitsteiligen Vorgehens. Unabhän______________ 238 So die strenge Risikoerhöhungslehre, wie sie von Roxin, ZStW 74 (1962), 433 f. und ders., AT I, § 11 Rn. 83 begründet wurde. Vgl. hiergegen nur Jakobs, AT, 7/100 ff. und MüKo-StGB/Georg Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 284 ff. 239 Aus diesen Gründen ist die Anwendbarkeit der Risikoerhöhungslehre im Unterlassungsbereich unter den Anhängern dieser Lehre umstritten: für eine Anwendbarkeit votieren Otto, AT, § 9 Rn. 101, SK-StGB/Rudolphi, Vor §§ 13 ff. Rn. 16 und Stratenwerth, FS Gallas, 237 f.; dagegen Schünemann, StV 1985, 233. 240 MüKo-StGB/Georg Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 288. 241 Hierzu BVerfGE 71, 108 (114 ff.), BVerfGE 73, 206 (234 f.), BVerfGE 75, 329 (340 ff.) sowie zuletzt BVerfG, NJW 2003, 1030 f.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

gig davon, dass er wie selbstverständlich ein Erkennen der Gefahr nicht verlangt, so fehlt es doch an Ausführungen, ob hiernach wirklich jedes Verhalten ausreichen soll oder ob dieses zumindest einen deliktischen Sinnbezug aufweisen muss. Mit dieser Zielbestimmung gemeinschaftlichen Handelns hat er sich nicht auseinandergesetzt.242 Vergleichbares zeigt sich hinsichtlich der subjektiven Komponente: Otto bezeichnet das gemeinschaftliche „Bewusstsein“ der Beteiligten über die gemeinsame Steuerbarkeit als dem Tatplan im Vorsatzbereich entsprechendes Kriterium. Wollte man hingegen eine Parallelität erreichen, so hätte es näher gelegen, einen Tatentschluss zu verlangen, arbeitsteilig zu handeln. Gegenüber einer derartigen Einigung stellt ein bloßes Bewusstsein ein Minus im subjektiven Bereich dar, das einer Rechtfertigung bedurft hätte. Auf diese wartet man aber vergeblich. Letztlich wird dies auch im Unterlassungsbereich bei der „normativen“ Fundierung deutlich: Hier fasst Otto zwei nebeneinander für den Nichteintritt eines tatbestandlichen Erfolges verpflichtete und unabhängig voneinander handelnde Personen zu einer Einheit zusammen, ohne dass es eine Verabredung zwischen beiden gegeben hat. Hiermit vertauscht er die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB mit dessen Rechtsfolge. § 25 Abs. 2 StGB verlangt eine „gemeinschaftliche Begehung“, die bei einem Nebeneinander jedoch gerade nicht mehr vorliegt. Es ist damit zu beklagen, was Simone Kamm als Anhängerin der fahrlässigen Mittäterschaft zutreffend trotz Lobes ob der Detailliertheit von Ottos Ausführungen zutreffend feststellte: „Ein allzu ergebnisorientierte Denken könnte hier zu einer Vernachlässigung dogmatischer Gesichtspunkte geführt haben.“243

d) Simone Kamms fahrlässige Mittäterschaft wegen notwendigen Zusammenwirkens Am Element der Risikosteigerung orientiert sich auch der Ansatz von Simone Kamm in ihrer Dissertation zur fahrlässigen Mittäterschaft244, wobei sie den Schwerpunkt auf eine Solidarisierung aufgrund objektiver Kriterien setzt: Den Ausgangspunkt der eigenen Begründung der Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft sah sie zu Recht in der Frage, ob die Solidarhaftung des § 25 Abs. 2 StGB auch bei fahrlässigem Zusammenwirken gerechtfertigt sei.245 Zwar bedürfe es mangels Strafbarkeit der fahrlässigen Anstiftung oder Beihilfe ______________ 242

Vgl. hierzu die Kritik von Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 134 f. Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 142. 244 Simone Kamm, Die fahrlässige Mittäterschaft, Berlin 1999. 245 Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 175 ff. 243

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

133

und damit mangels einer „Strafbarkeitszwischenstufe“ zwischen fahrlässiger Täterschaft und Straflosigkeit eines erhöhten Begründungsbedarfs für eine Anwendung der strafbarkeitserweiternden Funktion des § 25 Abs. 2 StGB.246 Dieser Grund für eine Anwendung der Norm liege einerseits in den Besonderheiten des Zusammenwirkens, denen Rechnung zu tragen sei247, und andererseits (und maßgeblich) in der durch die Abstimmung der Tatbeiträge bestehenden „erhöhten Gefährlichkeit für die geschützten Rechtsgüter“248. Dieses Vorhandensein vermehrter Gefahren für ein Rechtsgut beim Zusammenwirken mehrerer Personen treffe auf Vorsatz- wie auf Fahrlässigkeitstaten zu, so dass in bestimmten Fallkonstellationen eine Gleichbehandlung des Zusammenwirkens an Vorsatztaten und an Fahrlässigkeitsdelikten anzunehmen sei.249 Auf der einen Seite sei Täter des Fahrlässigkeitsdelikts, „wer eine objektive Sorgfaltspflicht verletzt hat“250. Auf der anderen Seite verlange die Mittäterschaft die „Erforderlichkeit des Zusammenwirkens zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges“251. Beide Erfordernisse zusammen ergäben die Voraussetzungen der fahrlässigen Mittäterschaft: Zwar sei kein die Solidarität begründender gemeinsamer Tatentschluss möglich. Das entsprechende „Verbindungselement“ sieht Simone Kamm so aufgrund der Strukturverschiedenheit von vorsätzlichen und fahrlässigen Delikten252 im rein objektiven Bereich fundiert: im „objektiven Umstand der Notwendigkeit des Zusammentreffens der einzelnen Verhaltensweisen zur Herbeiführung bzw. Verhinderung des Erfolgs“.253 Dies verlange beim Begehungsdelikt für das „gemeinschaftliche Begehen“ nur, dass „der Einzelne einen aktiven Tatbeitrag erbracht haben muss, der dann erst im Zusammentreffen mit dem Tatbeitrag eines anderen Beteiligten geeignet war, den Taterfolg herbeizuführen“. Beim Unterlassungsdelikt dagegen würde zu einer fahrlässigen Mittäterschaft nur die Nichtvornahme einer Handlung führen, „welche selbst im Fall seines Aktivwerdens den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs nur dann hätte verhindern können, wenn auch andere Garanten ihrer Pflicht zum Tätigwerden nachgekommen wären“.254 Dennoch sei das Kriterium nicht zu eng auszulegen und erfasse – aufgrund des Gedankens der Risikosteigerung – auch jene Fälle, in denen wie bei einer Wettfahrt oder einem

______________ 246

Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 187. Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 178. 248 Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 179. 249 Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 190 f. 250 Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 194. 251 Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 195. 252 Vgl. ihre Begründung bei Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 204. 253 Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 199. 254 Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 202. 247

134

1. Teil: Bestandsaufnahme

Gremium mehr Beteiligte mitwirken, als es erforderlich gewesen wäre.255 Eine Kausalität jedes Einzelbeitrags sei dagegen entbehrlich.256 Auf der anderen Seite bedeute die klar objektive Ausrichtung dieser Rechtsfigur nicht den völligen Verzicht auf subjektive Elemente. Da der Einzelne für das Verhalten anderer zur Verantwortung gezogen werden soll, sei zumindest das Bewusstsein erforderlich, bestimmte Handlungen bzw. Unterlassungen gemeinsam zu begehen. Hierbei müssten dem einzelnen Beteiligten auch die Umstände bewusst sein, die die Situation geschaffen hätten, in der der ungewollte Erfolg allein durch das Zusammentreffen der jeweiligen Verhaltensweisen verwirklicht wurde. Eine bloße Erkennbarkeit dieser Umstände genüge dagegen nicht.257 Diese hauptsächlich objektive Sichtweise Simone Kamms steht und fällt mit dem von ihr entworfenen Kriterium der Notwendigkeit eines objektiven Zusammenwirkens zum Erfolg, durch das sie die Solidarität herbeiführen möchte. Dieses vermag nicht zu überzeugen, wie es nicht zuletzt Simone Kamms eigene Ausführungen zum subjektiven Moment der fahrlässigen Mittäterschaft belegen: Den Grund für die objektive Solidaritätsbegründung sieht Simone Kamm darin, dass das Zusammenwirken mehrerer nicht notwendig einen gemeinschaftlichen Zweck haben müsste und daher auch nicht den Sinn haben könnte, dass die Aktionen des einen auch für den anderen wirkten. Mit dem abgeschwächten Bewusstseinselement erkennt sie dann aber doch an, dass es darauf ankomme, subjektiv übereinstimmend eine Handlung vorzunehmen, etwa im Pandektenbeispiel gemeinsam den Balken herunterzuwerfen. Wieso diese sich gerade auf die gemeinschaftliche Handlung beziehende Komponente eine Solidarität nicht herzustellen vermag, hätte daher näherer Betrachtung bedurft. Zum anderen indiziert das objektive Element der Notwendigkeit des objektiven Zusammenwirkens zum Erfolg, dass jeder Einzelbeitrag selbst (mit-)kausal für den Erfolg sein müsste. Dieses Erfordernis lehnt sie bei der Mittäterschaft selbst aber rigoros ab, wie ihre Ausführungen etwa zu den Fällen eines Mehrheitsbeschlusses mit „Überbeteiligung“ zeigen: Wenn mehr Geschäftsführer als notwendig mit „Ja“ stimmen, seien dennoch alle Mittäter, da sie das Risiko für eine Rechtsgutsverletzung erhöht hätten.258 Damit setzt sie sich in einen Widerspruch: Wie kann ein Beitrag, der gar nicht kausal und damit auch nicht erforderlich war, dennoch „notwendig“ sein? So wird deutlich, dass die „Notwendigkeit“ nichts weiter darstellt als eine leere Worthülse. Jede gemeinschaftliche Risikoerhöhung soll genügen, wie ______________ 255

Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 203. Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 207 f. 257 Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 199 f. 258 Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 203. 256

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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Otto es in seinem Modell vertreten hat. Doch in der Risikoerhöhung alleine kann gerade kein Abgrenzungskriterium zwischen Täterschaft und Teilnahme gesehen werden, begründen doch auch Anstiftungshandlungen und Hilfeleistungen ein erhöhtes Risiko für das betroffene Rechtsgut259. Es hätte daher eines weiteren solidaritätsstiftenden Moments zur Begründung einer Mittäterschaft bedurft. Außer einer missverständlichen Umformulierung des Ansatzes von Otto vermag die Ansicht Simone Kamms damit kein neues Begründungsschema und keine neuen dogmatischen Erkenntnisse zu liefern.

e) Die fahrlässige Mittäterschaft als Verletzung einer gemeinschaftlichen Sorgfaltspflicht bei Bettina Weißer Eine im Ergebnis zu den Ansichten von Otto und Simone Kamm vergleichbare Mittäterschaftskonstruktion hat auch Bettina Weißer entwickelt, die mit ihrer Doktorarbeit zur Lederspray-Entscheidung260 eine grundlegende Erörterung zur fahrlässigen Mittäterschaft ablieferte, die sie jüngst weiterentwickelte261 zu einem zumindest in sich stimmigen Bild. Ihr Ausgangspunkt ist ebenfalls die Erkenntnis, dass zwar strukturelle Unterschiede zwischen dem Vorsatz- und dem Fahrlässigkeitsdelikt bestünden, diese aber nicht zur Ablehnung der auch praktisch notwendigen fahrlässigen Mittäterschaft führen würden.262 Ihre Herleitung ist hierbei streng dogmatisch: Als Norm des Allgemeinen Teils sei § 25 Abs. 2 StGB vom Wortlaut her neutral gehalten und erlaube damit eine Anwendbarkeit auch auf fahrlässige Delikte, wie insbesondere der Vergleich zu §§ 26, 27 StGB zeige, bei denen das Vorsatzerfordernis ausdrücklich genannt sei.263 Bilde damit § 25 Abs. 2 StGB die gesetzliche Grundlage, so komme es darauf an, die geforderte Gemeinschaftlichkeit mit den Kriterien der allgemeinen Fahrlässigkeitsdogmatik auszufüllen. Objektiv müsste die Beteiligten die maßgebliche Sorgfaltspflicht in gleicher Weise treffen. Nur wenn sie für die Verletzung derselben Sorgfaltspflicht zur Rechenschaft gezogen würden, könne es sich um die gemeinsam begangene Straftat im Sinne des Gesetzes handeln und nur dann könne die Sorgfaltspflichtverletzung gemeinschaftlich ______________ 259

Vgl. die Kritik von Bloy, GA 2000, 394 f. Bettina Weißer, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme bei der strafrechtlichen Würdigung pflichtwidriger Kollegialentscheidungen, Berlin 1996. 261 Bettina Weißer, JZ 1998, 230 ff., vgl. insbesondere S. 237 Fn. 61: „Insofern handelt es sich um eine Weiterführung der [in der bisherigen Abhandlung] erarbeiteten Ansätze, die über die dort noch vertretene Ansicht hinausgeht.“ 262 Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 146. 263 Bettina Weißer, JZ 1998, 233. 260

136

1. Teil: Bestandsaufnahme

erfolgen.264 So werde zugleich verhindert, dass bei Sonderdelikten eine mittäterschaftliche Haftung auch Beteiligte ohne Innehabung der Sonderpflicht treffe. An dieser gemeinschaftlichen Sorgfaltspflichtverletzung müsste zwar nicht jeder einen ursächlichen Beitrag für den Erfolg geleistet haben.265 Um aber gegenüber der Nebentäterschaft ein höheres Maß an Verbundenheit zu erreichen, müsste bei den Beteiligten zudem subjektiv ein entsprechendes Bewusstsein bestehen. Hierzu zähle einerseits das Wissen, dass sie gemeinsam mit den anderen derselben Sorgfaltspflicht unterlägen.266 Zum anderen müsse sich das die Mittäter verbindende Element des gemeinschaftlichen Bewusstseins in Parallele zum Tatplan bei den Vorsatzdelikten neben der Gemeinschaftlichkeit auf ein willentliches Handeln mit den anderen beziehen. Zwar wollten die Beteiligten den Erfolg nicht verursachen und hatten möglicherweise noch nicht einmal das Bewusstsein, eine Gefahr durch das gemeinschaftliche Verhalten zu begründen. Sie müssten aber das Bewusstsein haben, zusammen zu handeln.267 Mit diesen Kriterien gelingt es Bettina Weißer zwar, ohne Rekurs auf die Risikoerhöhungstheorie vergleichbare Kriterien wie Otto aufzustellen und dies durch eine gemeinschaftliche Sorgfaltspflichtverletzung bei subjektiver Gemeinschaftlichkeit als Konkretisierung des gesetzlich geforderten gemeinschaftlichen Begehens einer (!) Straftat auf den ersten Blick auch in dogmatisch sauberer Weise. Betrachtet man die Ausführungen jedoch näher, so verbleiben auch bei dieser Konstruktion Zweifel: So erläutert es Bettina Weißer wie Otto nicht, wieso der Willensübereinstimmung im Sinne eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses im Vorsatzbereich das „Weniger“ des Bewusstseins im Fahrlässigkeitsbereich entsprechen soll. Zum anderen lässt es Bettina Weißer wie Otto ungeklärt, ob im Rahmen des bewussten Zusammenwirkens jedes der Beteiligten genügen soll oder ob ein deliktischer Sinnbezug zu fordern ist. Hinzu kommt der mit der Begehung einer fahrlässigen Tat von Bettina Weißer stillschweigend vorausgesetzte Umstand, dass eine Sorgfaltspflicht teilbar sei, sich also an mehrere Adressaten richten kann. Ob sie nicht doch vielmehr einer Sonderpflicht ähnlich jener bei den Sonderdelikten entspricht, so dass bereits durch die eigene persönliche Missachtung der Pflicht ein jeder für sich allein ein Handlungsunrecht verwirklicht, hätte näherer Beachtung bedurft, da ihre Konstruktion ansonsten wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen würde. ______________ 264

Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 147 und dies., JZ 1998, 236. Bettina Weißer, JZ 1998, 239: „Errungenschaft“ der fahrlässigen Mittäterschaft, dass es auf den Einzelkausalitätsnachweis nicht ankomme; anders wohl noch dies., Kausalitätsprobleme, S. 156. 266 Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 147 und 156 sowie dies., JZ 1998, 237. 267 Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 156 und dies., JZ 1998, 236 f. 265

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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f) Sung-Ryongs Lösung über die Vergleichbarkeit vorsätzlichen und fahrlässigen Zusammenwirkens Eine besondere Lösung entwickelte jüngst Sung-Ryong, der sich wesentlich mit dem Hauptgegenargument des Fehlens eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses auseinander setzte. Hierzu verglich er die jeweils subjektiven Komponenten beim Vorsatz- mit den subjektiven Komponenten beim Fahrlässigkeitsdelikt.268 Er gelangte zum Ergebnis, dass der „Wille zur Tatbestandsverwirklichung“ ein Kriterium der Absicht darstelle269, die für das Vorhandensein des Tatentschlusses aber ohne zwingende Notwendigkeit sei270, insoweit dolus directus zweiten Grades genüge. Dieser werde definiert als ein trotz Kenntnis oder Voraussicht willentliches Tätigwerden, wobei der Täter alles in seinen Verwirklichungswillen aufnehme, was er sich als die notwendige und sichere Folge seines Verhaltens vorstelle, auch wenn ihm die eine oder andere Auswirkung seines Tuns „an sich unerwünscht“ sein möge.271 Diese Vorsatzform sei somit im Gegensatz zur Absicht gerade nicht auf den tatbestandlichen Erfolg als Handlungsziel gerichtet, sondern primär auf einen anderen (außertatbestandlichen) Erfolg, der kein strafbarer sein müsse272: „Wenn der Täter im Hinblick auf ein außertatbestandliches Ziel handelt (z.B. Räumungsarbeit im BalkenHerabwerfen-Fall), wobei er sich als sicher vorgestellt hat, dass jemand durch seine Handlung verletzt werden würde und der Erfolg in der Realität wie vorgestellt eintritt, wird er eben nach h.M. als Vorsatztäter behandelt. Dementsprechend liegt es nahe, dass es keinen Unterschied zwischen vorsätzlichen (Wissentlichkeit und dolus eventualis) und fahrlässigem Delikt im Hinblick auf die voluntative und kognitive Struktur der auf die Hauptfolge als eigentliches Ziel gerichteten Handlung gibt. Lediglich [...] in dem unterschiedlichen Wissensgrad bezüglich [dem tatbestandlichen Erfolg als] der Nebenfolge wird die Grundlage der unterschiedlichen Zurechnung ersichtlich.“273 Gebe es somit keinen tatsächlichen Willen zur Tatbestandsverwirklichung in der Wissentlichkeit als Erscheinungsform des Vorsatzes, sondern erschließe sich diese einzig aus dem Handlungswillen und der Handlung beim Wissen von dem tatbestandlichen Umstand274, so könne auch die Gemeinschaftlichkeit im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB nur darin bestehen, „dass man mit anderen arbeitsteilig im Hinblick auf irgendeinen Erfolg gemeinsam handelt, gleichgültig ob es ______________ 268

Sung-Ryong, Analyse, S. 215 ff. Sung-Ryong, Analyse, S. 223. 270 Sung-Ryong, Analyse, S. 229. 271 Sung-Ryong, Analyse, S. 230 f. 272 Sung-Ryong, Analyse, S. 231 f.. 273 Sung-Ryong, Analyse, S. 233. 274 Sung-Ryong, Analyse, S. 235. 269

138

1. Teil: Bestandsaufnahme

sich um einen tatbestandlichen oder außertatbestandlichen Erfolg handelt“275. Das bewusste und gewollte Zusammenwirken als subjektive Komponente der vorsätzlichen Mittäterschaft bestünde daher aus zwei Bezugspunkten: Einerseits hätten die Mittäter das Bewusstsein gemeinschaftlichen Begehens, also dass sie aufgrund gemeinsamen Plans mit anderen zu einem wie auch immer gearteten Ziel zusammenwirkend handeln. Zum anderen bestünde auch das Bewusstsein bezüglich aller die individuelle Tatbestandsverwirklichung ausmachenden Umstände.276 Die unterschiedlichen Funktionen dieser besten Bezugspunkte zeigten sich in den Folgen ihres Fehlens: „Wenn das Bewusstsein der Gemeinschaftlichkeit beim einzelnen Beteiligten fehlt, scheidet die Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB aus. Wenn hingegen nur das Bewusstsein der Tatbestandsverwirklichung fehlt, handelt der Beteiligte bewusst oder unbewusst fahrlässig. Dennoch kann der hinsichtlich des Erfolgseintritts nicht bewusst Beteiligte mit anderen gemeinschaftlich handeln, wenn er sich mit anderen nur zu einer gemeinsamen Handlung entschlossen hat und arbeitsteilig handelt.“277 Ein struktureller Unterschied zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Zusammenwirken im Sinne gemeinschaftlichen Begehens bestünde nicht278, so dass eine fahrlässige Mittäterschaft anzuerkennen sei. Sie liege im Bewusstsein gemeinschaftlichen Handelns bei Leistung eines dem gemeinsamen Plan hierzu entsprechenden (nicht notwendig für den Erfolg kausalen) Beitrags.279 Sung-Ryongs Ansicht ist insoweit zuzugestehen, dass sie von der „Finalität als Minimalvoraussetzung“ der Strafbarkeit ausgeht280 und die sich bei der vorsätzlichen Mittäterschaft vereinigenden subjektiven Komponenten zutreffend herausarbeitet. Genauerer Analyse hätte dann aber der nächste Schritt bedurft, die Trennung beider Komponente mit den Folgen des Fehlens des Bewusstseins der tatbestandsverwirklichenden Umstände. Handlungstheoretisch ist ein gemeinschaftliches Handeln im Sinne eines auf einen bestimmten, außertatbestandlichen Erfolg hinzielendes Zusammenwirken selbstverständlich möglich. Hierzu hätte es keiner eingehenden Erörterung bedurft. Die entscheidende Frage ist aber, ob gerade hieraus jeder der am Handlungsprojekt Beteiligten zur Verantwortung für den gemeinschaftlich herbeigeführten Erfolg gezogen werden kann. Oder anders ausgedrückt: Genügt jedes irgendwie geartete Zusammenwirken auf ein deliktfremdes Ziel oder sind hier zur Vermeidung einer zu weiten (Mittäterschafts-)Haftungsausdehnung einengende Krite______________ 275

Sung-Ryong, Analyse, S. 262. Sung-Ryong, Analyse, S. 272. 277 Sung-Ryong, Analyse, S. 272. 278 Sung-Ryong, Analyse, S. 276. 279 Sung-Ryong, Analyse, S. 286 f. 280 Sung-Ryong, Analyse, S. 245. 276

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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rien zu berücksichtigen? Bejaht man letzteres, so werden beide subjektiven Komponenten untrennbar. Denn erst das Bewusstsein einer Tatbestandsverwirklichung würde dem Bewusstsein gemeinschaftlichen Handelns seinen deliktischen und damit strafbaren Sinn geben und zu einer Mittäterschaftshaftung führen. Auf Ausführungen hierzu wartet man auch bei Sung-Ryong vergebens.

g) Die handlungstheoretische Fundierung der fahrlässigen Mittäterschaft Mit diesem letzten (nun schon mehrfach angesprochenen) Problemkreis setzen sich einige Autoren näher auseinander, die sich nicht unbedingt um eine dogmatisch fundierte Herleitung der fahrlässigen Mittäterschaft bemühen, sondern auch vor dem Hintergrund eines praktischen Bedürfnisses der fahrlässigen Mittäterschaft jeweils ein Handlungsmodell hierfür entwerfen. Der Grundgedanke ist stets derselbe: Mehrere Personen handeln gemeinschaftlich mit dem Bewusstsein, dass sie arbeitsteilig vorgehen, und verursachen hierdurch eine Sorgfaltspflichtverletzung, die zum tatbestandsmäßigen Erfolg führt.

aa) Überblick über die einzelnen Ansichten In diesem Sinne nimmt etwa Kuhlen eine fahrlässige Mittäterschaft dort an, „wo mehrere in dem Bewusstsein der Gefährlichkeit ihres Tuns zusammenwirken, mögen sie (oder einzelne von ihnen) auch darauf vertrauen, dass der tatbestandliche Erfolg letztlich ausbleibt (also nicht bedingt vorsätzlich, sondern lediglich bewusst fahrlässig handeln)“281. Joecks formuliert es dagegen so: „Wenn mehrere Personen planvoll zusammenarbeiten, um eine erkannte Gefahr zu schaffen, dann näherte sich der Sachverhalt aber so sehr der Mittäterschaft in Form alternativer Tatbeiträge, dass es gerechtfertigt ist, von einer gemeinschaftlichen Tat zu sprechen.“282 Riedo/Chvojka wollen eine der fahrlässigen Mittäterschaft entsprechende Rechtsfigur der „Unsorgfaltsgemeinschaft“ annehmen, wenn zwei oder mehrere Personen ein gemeinsames Ziel haben, gemeinsam zur Zielverwirklichung vorgehen und hierbei „in Verletzung einer ihnen gemeinsamen Sorgfaltspflicht ______________ 281 282

Kuhlen, BGH-Wiss-FG IV, 670. MüKo-StGB/Joecks, § 25 Rn. 243.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

in rechtswidriger Weise einen gesetzlich verpönten, vermeidbaren und voraussehbaren Nebenerfolg“ verursachen.283 Für Stefan Pfeiffer setzt eine fahrlässige Mittäterschaft „notwendig die Verabredung und Durchführung eines gefährlichen gemeinsamen Handlungsprojekts voraus, wobei bei jedem Beteiligten ein objektiv gleichwertiger Sorgfaltspflichtverstoß vorliegen muss“284. Steffen Schneider, der grundsätzlich vom Autonomiegedanken her die Tatherrschaft als Konkretisierung des die Verantwortlichkeit begründenden Verantwortungsprnzips ansieht und für die fahrlässigen Delikte auf die „Herrschaft über das erfolgsriskante Geschehen“ (sogenannte Risikoherrschaft) abstellt285, haftet „analog zur Vorsatzdogmatik“ jeder als Mittäter, „der mit einem anderen bewusst und gewollt unerlaubt erfolgsriskant zusammenwirkt“: „Alle Mittäter müssen ein gemeinsam gewolltes Projekt vereinbaren. Jeder Mittäter muss einen nach dieser Vereinbarung das Projekt mitbeherrschenden und auch sonst der Verabredung entsprechenden Tatbeitrag erbringen. Dieses Projekt muss nach objektivem auf den aus der Verabredung folgenden Tatumstandskenntissen aller Beteiligten beruhenden Urteil unerlaubt riskant gewesen sein.“286 Für Alexander Schaal, Heribert Schumann, Küpper und Ransiek liege eine Mittäterschaft beim Fahrlässigkeitsdelikt schließlich in der bewussten und gewollten Ausführung eines gemeinsamen Handlungsprojektes, das eine pflichtwidrige Erfolgsherbeiführung nach sich ziehe.287 Streitig innerhalb dieser rein handlungstheoretischen Überlegungen ist der Inhalt des gemeinschaftlichen Handlungszieles, auf das Otto und Bettina Weißer wie dargelegt ja nicht näher eingegangen sind288: Alexander Schaal möchte zur Vermeidung einer Ausuferung der Verantwortlichkeit an die Verabredung des Projektes hohe Anforderungen in dem Sinne stellen, „dass die Beteiligten jene tatsächlichen Umstände zum Gegenstand ihres gemeinsam gewollten Handlungsprojektes machen, die nach rechtlicher Würdigung den Sorgfaltsverstoß ausmachen“; die Beteiligten müssten sich also „ein Verhalten wechselsei______________ 283

Riedo/Chvojka, ZStrR 2002, 161 f. Stefan Pfeiffer, Jura 2004, 526. 285 Steffen Schneider, Risikoherrschaft, S. 90 und 234 f. Seine Ansicht verdeutlicht damit auch, wie sehr die einzelnen Ansätze einer fahrlässigen Mittäterschaft miteinander verwoben sind und wie schwierig eine entsprechende Systematisierung fällt. 286 Steffen Schneider, Risikoherrschaft, S. 289. 287 Heribert Schumann, StV 1994, 111, Küpper, GA 1998, 527, Schaal, Verantwortlichkeit, S. 226, Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S.70 sowie ders., ZGR 1999, 644. 288 Siehe hierzu oben Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, IV, 2, c), bb) und Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, IV, 2, e). 284

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

141

tig zusagen, das in der verabredeten Form pflichtwidrig ist“289. Die Mehrzahl der anderen Autoren geht dagegen weitgehend von einem „außerplanmäßigen“ Tatentschluss aus, indem sie ein beliebiges gemeinschaftliches Handlungsziel genügen lassen.290 Dogmatisch hergeleitet wird dies aus dem Haftungsgrund für fremdes Verhalten über § 25 Abs. 2 StGB: „Der eine will, dass der andere für ihn handelt und dass dieser andere auch für den einen handeln will. Jener will, dass der andere ihn ,vertritt‘, und der andere will ihn auch ,vertreten‘.“ Sei dies aber der Zurechnungsgrund, so könne der Inhalt des gemeinschaftlichen Handlungsziels keine Rolle spielen, solange nur jeder den anderen (warum auch immer) handlungsmäßig vertreten wolle.291

bb) Kritik Zwingend ist Letzteres jedoch nicht. So ist bei der Behandlung neutraler Handlungen als Beihilfe anerkannt, dass eine Strafbarkeit erst dort beginnt, wo die Hilfeleistung einen bestimmten deliktischen Sinnbezug aufweist.292 Berücksichtigt man, dass die Mittäterschaft gegenüber der Beihilfe die schwerere Beteiligungsform darstellt, so scheint es fragwürdig, diese Einschränkung nicht auch im Rahmen der Mittäterschaft zu fordern. Dies erkennt etwa Steffen Scneider, wenn er für das Handlungsprojekt verlangt, dass es „nach objektivem Urteil unerlaubt erfolgsriskant“ sein müsse293, ohne jedoch hinreichend konkret darauf einzugehen, wie dies sowohl bei bewusst fahrlässigem wie unbewusst fahrlässigem Verhalten möglich sein soll. Hierüber hinaus bestehen Bedenken im Hinblick auf die sich hierdurch entwickelnden Folgen für das Wesen der Mittäterschaft. Diese liegen in einer Interpretation der Gemeinschaftlichkeit als Kollektiv(fehl)leistung, als „Gesamttat“.294 Eine Deutung der Mittäterschaft in diesem Sinne geht wesentlich auf die „hochabstrakten Überlegungen“295 Denckers zurück: Die einzelnen ______________ 289

Schaal, Verantwortlichkeit, S. 226. Heribert Schumann, StV 1994, 111, Küpper, GA 1998, 527, Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S.70, ders., ZGR 1999, 644, Riedo/Chvojka, ZStrR 2002, 161 f., die hierbei anführen, dass es sich selbst um einen illegalen Zweck handeln könnte. 291 Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S.70 und ders., ZGR 1999, 644 f. 292 Vgl. nur LK/Roxin, § 27 Rn. 17 ff., ders., FS Miyazawa, 513 ff., Jakobs, AT, 24/17 f., Georg Freund, AT, § 10 Rn. 138 und 157, Ransiek, wistra 1997, 46 sowie das Schweizer Bundesgericht: BGE 119 IV, 289 (294). 293 Steffen Schneider, Risikoherrschaft, S. 289. 294 Dies bemerken Renzikowski, Täterbegriff, S. 288 und Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 180; vgl. auch Schaal, Verantwortlichkeit, S. 219 sowie Sung-Ryong, Analyse, S. 281 ff., der sogar bewusst Denckers Terminologie übernimmt. 295 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 174. 290

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1. Teil: Bestandsaufnahme

Deliktstatbestände des Besonderen Teils regelten ausweislich ihrer Formulierungen wie z.B. „wer [...] tötet“ Individualdelikte, deren tatbestandsmäßige Erfüllung von einem Täter erfüllt werden müsste, um einschlägig zu sein. Die mittäterschaftliche Verwirklichung der Tatbestände müsste vor diesem Hintergrund (Art. 103 Abs. 2 GG!) an sich straflos sein. § 25 Abs. 2 StGB konstituiere nun aber das „Haftungsprinzip Gesamttat“296 in der Weise, dass sie die Individualtatbestände durch Bildung entsprechender Gesamttatbestände auf Fälle des gemeinschaftlichen Begehens erstrecke. Etwa: „Diejenigen, welche einen Menschen töten, ohne Mörder zu sein, werden als Totschläger [...] bestraft.“297 Jeder Gesamttatbestand sei hierbei ein rein objektiver, müsse doch zwischen dem Plan und der Entschlossenheit der Planausführung unterschieden werden: Das Handlungsprojekt, das herkömmlich als Tatentschluss bezeichnet werde, gehöre nicht zum subjektiven Tatbestand und könne wie beim Individualdelikte (dort: etwa initiiert von einem Anstifter) von einen Dritten stammen. Subjektive Anforderungen würden hingegen nur auf der Ebene der einzelnen Teiltat eines jeden Beteiligten verlangt. Mit diesen füge sich der Einzelne in das Gesamtprojekt ein und rechtfertige so die Zurechnung der Ergebnisse kollektiven Tuns zum Einzelnen.298 Dass unter diesen Voraussetzungen über die Gesamttat – ob nun als solche oder als Handlungsprojekt bezeichnet – eine fahrlässige Mittäterschaft „unschwer möglich“299 wäre, ist einleuchtend. Hierbei zweifelhaft ist jedoch zunächst die rein objektive Ausrichtung für die Konstituierung des Gesamtprojekts als die Teiltaten ordnendes Gebilde. Denn hiermit wird die von § 25 Abs. 2 StGB geforderte Gemeinschaftlichkeit nicht konkretisiert, sondern aufgegeben. Dies mag ein von Dencker selbst präsentiertes „Schulbeispiel“ für die Mehrfachkausalität verdeutlichen300: „Wenn man z.B. Koch und Kellner ,unabhängig‘ voneinander ,je x mg Strychnin‘ in des Gastes Suppe rühren lässt, ,fügt‘ sich das immerhin in den als ordnend vorgegebenen Organisationsablauf der Gaststätte.“ Könne das Gesamtprojekt nachgewiesen werden, so seien Koch und Kellner „in Wirklichkeit Mittäter“. Den „Organisationsablauf der Gaststätte“ als Gesamttatprojekt aufzufassen, befremdet jedoch zu Recht, wäre aber eine konsequente Folge der bereits weiten Fassung des Gesamttatprojekts. Dieses so zu formulieren, dass sich eine Verbindung der nicht kausalen Teiltaten ergibt und sie so für den Erfolg als kausal zu betrachten, erscheint problemlos. So sieht ein „Organisationsablauf der Gaststätte“ zumeist nicht nur die ______________ 296

Dencker, Kausalität, S. 142. Dencker, Kausalität, S. 144 ff. 298 Dencker, Kausalität, S. 155 ff. 299 Dencker, Kausalität, S. 177. 300 Dencker, Kausalität, S. 227. 297

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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Existenz von Koch und Kellner vor, sondern auch die Anwesenheit von Stammgästen, die man so leicht zu Mittätern erheben könnte.301 Zudem käme man mit dem „Haftungsprinzip Gesamttat“ nicht umhin, § 25 Abs. 2 StGB als eine Zurechnungsnorm aufzufassen, die dem Einzelnen die Ergebnisse des kollektiven Tuns zurechnet.302 Betrachtet man die Gesamttatformulierung „Diejenige, welche [...] töten“, so ist dies folgerichtig, heißt es doch nicht „wer mit anderen zusammen [...] tötet“. Der Gesamttatbestand ist darauf ausgelegt, dass mehrere zusammen etwas tun. Einer allein kann dann aber nur bestraft werden, wenn er einen Teilakt leistet und ihm die Gesamtprojektergebnisse (also die Folgen der einzelnen Handlungen der anderen) zugerechnet werden. Nur so kann einer „gemeinschaftlich“ etwas begehen. Alleine erfüllt er den Gesamttatbestand nicht. Gleiches gilt für den Individualtatbestand. Hier wie dort muss dem Einzelnen das Tätigwerden der anderen beteiligten oder dessen Ergebnisse zugerechnet werden. Daher ist nicht ersichtlich, welchen Sinn es dann aber bringen soll, einen Gesamttatbestand analog zum Individualtatbestand zu formulieren, den der Einzelne erst tatbestandlich erfüllt, wenn ihm (im Ergebnis) die Tätigkeiten der anderen zugerechnet werden und dann den Einzelnen „wie“ den Verwirklicher des Individualtatbestandes anzusehen, anstatt dem Einzelnen beim gemeinschaftlichen Begehen gleich die Tätigkeiten der anderen zuzurechnen und ihn „als“ Täter des Individualdelikts zu bestrafen. So würde auch Art. 103 Abs. 2 GG im Gegensatz zur Lehre von der Gesamttat gewahrt, spricht das Gesetz doch ausdrücklich von einer Bestrafung der Mittäter „als“ Täter und von einer Bestrafung „wie“ den Täter des Individualdelikts. Das Gesamttatmodell kann so nur als kriminalpolitischer Vorschlag für eine Revision des Strafrechts begriffen werden.303 Dogmatisch lässt sich dem nur entgehen und die Handlungsmodelle zur Erklärung der fahrlässigen Mittäterschaft aufrecht erhalten, indem man die Gesamttat als bloßen Bezugspunkt der rechtlichen Beurteilung ansieht, die den Deliktstatbestand verwirklicht, also die „Gesamttat“ quasi als „Täter“. Das Handlungsprojekt würde dann die Straftat begehen. Die Folge wäre eine Zurechnung des Erfolges nicht unmittelbar an die Beteiligten selbst, sondern vermittelt über das Handlungsprojekt und damit letztlich über ein „durch die mittäterschaftliche Verbundenheit entstehendes Kollektiv“304. ______________ 301

Vgl. die Kritik von Sofos, Mehrfachkausalität, S. 155. Dencker, Kausalität, S. 229 und 254. 303 Dies sieht Dencker, Kausalität, S. 143 f., 161 und 259 Fn. 25 selbst. Er rechtfertigt sein Vorgehen jedoch mit der Behandlung des hinter § 25 Abs. 2 StGB erkennbaren Zurechnungsprinzips statt einer Anwendung des § 25 Abs. 2 StGB (Dencker, Kausalität, S. 176). 304 Bettina Weißer, JZ 1998, 238. 302

144

1. Teil: Bestandsaufnahme

3. Die „imaginäre Kollektivperson“ als Folge der fahrlässigen Mittäterschaftskonstruktionen Bei der Gesamtschau der Ansichten der Anhänger einer fahrlässigen Mittäterschaft hat sich trotz oftmals verschiedenem dogmatischen Ausgangspunkt eines herauskristallisiert: Wer nicht auf rein objektive Kriterien oder auf das gesetzlich bedenkliche Risikoerhöhungsprinzip abstellt, kommt kaum umhin, als vermittelnde Erfolgszurechnungsebene eine „imaginäre Kollektivperson“ zu fordern, die zunächst alle Deliktsmerkmale in sich vereint und das primäre Zurechnungsobjekt des strafrechtlichen Unwerturteils darstellen würde.305 Erst in einem zweiten Schritt würde eine Erfolgszurechnung an den einzelnen erfolgen, gegründet auf seine Einbindung in das gemeinschaftliche Handeln als „Gesamtorganismus“. Jeder sei so zwar nicht selbst verantwortlich, ihn treffe aber über die imaginäre Kollektivperson eine „solidarische Kollektivhaftung für das Ganze“306. Dieser zweistufigen Zurechnung bedürfen etwa jene Ansichten, die vom Autonomieprinzip ausgehen, um das von ihnen vertretene Regressverbot vom Verhältnis zwischen einzelnen Individuen auf das Verhältnis der Kollektivperson zu einem Dritten zu beziehen und eine Mittäterschaft überhaupt zu ermöglichen.307 Aber auch die handlungstheoretischen Ansätze oder die Ansicht von Sung-Ryong, der letztlich auch ein Handlungsprojekt zur Erklärung benötigt308, bedürfen eines derartigen Rechtskonstrukts. Wer die Bestandsaufnahme zur fahrlässigen Mittäterschaft sorgfältig verfolgt hat, dem wird diese Dogmatik bekannt vorkommen: Es handelt sich um nichts weiter als eine Wiederbelebung der alten Komplottlehre.309 Dies wird deutlich, wenn man sich die Beschreibung des Komplotts durch Berner310 anschaut: Das Komplott sei eine „Verbindung“ von „atomistisch Getrennten“ mit der „Verwandlung der vielen verbündeten Willen zu Einem Gesamtwillen“ und der „Constituierung der vielen zusammengetretenen Subjecte zu Einem Subject für die einheitlich auszuführende Handlung“. Jedes Subject sei „Träger jenes Einen Subjectes“ und trage bei zum Gesamterfolg. Allein die Beteiligung an der Ver-

______________ 305

In diesem Sinne deuten die Mittäterschaft Jakobs, AT, 22/19, Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 49 Rn.12, Gössel, GA 2004, 723 f., ders., Jura 2004, 697, Seelmann, Verantwortung, S.9, Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 12 Rn. 77, Renzikowski, Täterbegriff, S. 101, Manfred Heinrich, Rechtsgutszugriff, S. 287 und Joerden, Strukturen, S. 78 f. 306 Lesch, Problem, S. 194. 307 Vgl. die obige Kritik an den Autonomieansätzen – Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, IV, 2, b), dd). 308 Hierzu Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, IV, 2, f). 309 Zur Komplottlehre siehe bereits oben Erster Hauptteil, Erstes Kapitel, I und II. 310 Berner, Lehre, S. 422.

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

145

abredung führte so unabhängig vom jeweiligen Beteiligungsakt eines jeden Beteiligten zur vollen Haftung für die Tat aller. Kaum anders wird die Haftung über die „imaginäre Kollektivperson“ gestrickt, bei der es auch nur auf eine Beteiligung an der Gesamthandlung ankommen soll und nicht auf eine Beteiligung eines jeden direkt am Erfolg. Diese Abstrahierung von den Mittätern auf eine imaginäre Kollektivperson ohne Anknüpfung an den eigenen Tatbeitrag ist in der Tat verlockend. Auf die Handlung des Einzelnen käme es nicht mehr an und damit auch nicht darauf, ob sein Verhalten allein für den Erfolg kausal geworden ist oder nicht. Die dogmatischen Möglichkeiten verdeutlicht Ernst-Joachim Lampes folgerichtige Interpretation der Mittäterschaft als „funktional organisiertes Unrechtssystem”311: Es werde durch den Zusammenschluss der Individuen eine „neue Qualität des Handelns“ geschaffen (das sog. „Solidarhandeln“), das über das isolierte Einzelhandeln hinausgehe. Begründet werde so „im Wege der Rückkoppelung eine neue Art der Verantwortlichkeit [...], die ,System‘verantwortung, die, über die Verantwortung für das eigene Tun hinaus, das Verhalten der anderen systematisch verbundenen Mittäter einschließt – etwa die Verantwortung für den strafbaren Versuch des Systems, für die Vollendung der strafbaren Tat durch das System usw.“312 Jedes Systemmitglied hafte für die Tat des Systems. Der Systemgedanke lässt die gewollte Assoziation zur Verantwortlichkeit in einem Unternehmen zwingend erscheinen. Jedes Vorstandsmitglied würde als Mittäter der Kollektivperson Vorstand für alle Deliktsverwirklichungen der Aktiengesellschaft einstehen müssen, jeder Geschäftsführer für die mit den anderen Geschäftsführern abgestimmte Entscheidung, Chemikalienrückstände in den Fluss zu leiten. Insbesondere das dogmatische Problem der Kollegialentscheidungen wäre gelöst. So schreibt dann auch Otto, dass die „Möglichkeit, die Beteiligten als ,Einheit‘ zu begreifen, [...] eine ,normative Begründung der Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich‘ und damit das Ende der ,organisierten Unverantwortlichkeit‘ in Unternehmen“ begründe.313 Mögen die Ergebnisse einer derartigen Lehre kriminalpolitisch auch gewollt sein, so ist sie doch contra legem. Dies verdeutlicht eine kleine Parallele zum Gesellschaftsrecht besonders gut: Die Figur der Haftung für die Tat der Kollektivperson ohne Berücksichtigung des eigenen Ursachenanteils erinnert an die akzessorische Haftung nach § 128 HGB – die Gesellschafter haften für die Schulden der Gesellschaft nur wegen ihrer Eigenschaft als Gesellschafter. Wie nicht zuletzt die Übertragung dieses Haftungssystems auf die Gesellschaft

______________ 311

Ernst-Joachim Lampe, ZStW 106 (1994), 690. Ernst-Joachim Lampe, ZStW 106 (1994), 690. 313 Otto, AT, § 21 Rn. 122. 312

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1. Teil: Bestandsaufnahme

bürgerlichen Rechts gezeigt hat314, setzt dies eine Rechtsfähigkeit der Gesamtperson voraus. Oder auf die strafrechtliche Terminologie übertragen: eine Verantwortungsfähigkeit, eine Schuldfähigkeit. Der Gesetzgeber hat sich aber mit dem Erfordernis der Begehung einer Straftat (§ 25 Abs. 1 StGB) und damit der Handlungsfähigkeit bewusst gegen eine Verantwortlichkeit juristischer Personen entschieden, denen selbst keine Handlungsfähigkeit zukommt315 (Sie können nur durch ihre Organe handeln!), und damit gegen die primäre Zurechnung an verselbständigte Personenmehrheiten entschieden und hieran bis heute festgehalten.316 Selbst wer darauf verweisen mag, es sei ein bloßes Gedankenspiel, eine Imagination, setzt sich zumindest zu § 29 StGB in Widerspruch. Hiernach ist jeder Beteiligte ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen allein nach seiner Schuld zu bestrafen, eine Zurechnung fremder Verantwortlichkeit ist somit nicht möglich, wie es die Anhänger der imaginären Kollektivperson teilweise sogar selbst zugeben.317 Binding ist daher nur zuzustimmen, als er schrieb: „So wird klar: ein Gesamtsubjekt im Rechtssinne für ein in Mittäterschaft begangenes Verbrechen ist undenkbar.“318

V. Zwischenergebnis zum derzeitigen Stand der fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum Im Schrifttum wird seit der grundlegenden Habilitationsschrift Roxins zur Täterschaft und Tatherrschaft bei der Bestimmung der Täterschaft auf das objektive Kriterium der Beherrschung des Geschehens abgestellt. Obgleich von der objektiven Seite erklärbar, lehnt die überwiegende Ansicht eine fahrlässige Mittäterschaft mangels Tatherrschaft ab. Der Grund hierfür reicht tief, bis ins Fundament der Tatherrschaftslehre. Obgleich Roxin den finalen Handlungsbe______________ 314 Die einzelnen Entwicklungsstufen hin zu einer teilrechtsfähigen Gesellschaft zumindest bei einer Außengesellschaft waren BGHZ 146, 341, BGH, ZIP 2001, 1713, BGH, WM 2002, 958, BGH, NJW 2003, 1043, BGH, NJW 2003, 1445, BGH, NJW 2003, 1803 sowie BGH, JZ 2004, 681. 315 Vgl. BVerfG, JZ 1967, 171 (172). 316 Vgl. Abschlussbericht der Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems, März 2000, hrsg. v. Bundesministerium der Justiz, 190 ff.: Die Einführung einer strafrechtlichen Unternehmensverantwortlichkeit sei „ein Weg in ein anderes Strafrecht“. 317 So räumt Joerden, Strukturen, S. 79 f. ein: „Ein logischer Schluß von der Verantwortlichkeit des Kollektivs, das ja selbst lediglich eine gedankliche Konstruktion ist, auf die volle Verantwortlichkeit auch jedes einzelnen Mitglieds des Kollektivs dürfte freilich nicht möglich sein. Es bleibt insofern bei einem Postulat.“ 318 Binding, Abhandlungen I, 301; vgl. auch Kritik bei Schilling, Verbrechensversuch, S. 64 und Dencker, Kausalität, S. 165 f.

3. Kap.: Lösungsansätze zur fahrlässigen Mittäterschaft im Schrifttum

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griff inzwischen aufs Schärfste ablehnt319, kann er nicht verhehlen, dass er im Fundament noch immer enthalten ist, so wie Welzel ihn einst schuf: Jeder Mensch hat ein Ziel, das das jeweilige Handeln bestimmt und ihm seinen (subjektiven) Sinn gibt. Diese subjektive Komponente ist es, die viele Stimmen im Schrifttum stört und zu einem ersten Zentralvorwurf bringt: Bei fahrlässigen Delikten gebe es keine Tatherrschaft. Eine Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme sowie einzelner Täterschaftsformen im Fahrlässigkeitsbereich sei so gänzlich unmöglich. Doch verdeutlicht dieser Einwand nur die Eingangsthese: Die erste Grundentscheidung beim Ob und Wider einer fahrlässigen Mittäterschaft fällt früh: beim Täterbegriff. Je nachdem wie dieser zu bilden und wie insbesondere die Finalität menschlichen Handelns hierin ihren Platz findet und sich mit der Fahrlässigkeit verträgt, wird bereits die erste Weiche gestellt. Die zweite hängt an einem unmittelbaren Folgeproblem. Steht fest, welche Anforderungen an eine Täterschaft zu stellen sind, kann der Weg bereitet werden für eine Solidarität in der Täterschaft. Bislang wird dieses verbindende Element weitgehend in einem (subjektiven) gemeinschaftlichen Tatplan gesehen. Bereits die Begrifflichkeit verdeutlicht, wieso es viele Gegner der fahrlässigen Mittäterschaft hieran scheitern lassen: Wie soll eine Tat geplant werden, wenn sie fahrlässig abläuft? Dem versuchen viele Autoren mit einem überwiegend objektiven Verständnis der Gemeinschaftlichkeit zu umgehen. Doch diesen Weg scheint § 25 Abs. 2 StGB selbst zu versperren: Denn erst die subjektive Finalität gibt einem äußeren Handeln seinen Sinn. Hierzu auf ein gemeinschaftliches Handlungsprojekt abzustellen, vermag die Problematik nur insoweit zu umgehen, als nunmehr ein subjektiv-gemeinschaftlicher Handlungsplan vorhanden sein muss. Alle Versuche zur Begründung der fahrlässigen Mittäterschaft müssen aber scheitern, solange eine entscheidende Frage nicht dogmatisch konsequent beantwortet wird: Worauf soll sich das gemeinschaftliche Planen denn beziehen, auf den Taterfolg oder die Tathandlung? Sollte die Antwort „Erfolg“ lauten, können nur diejenigen Autoren zur Bejahung der Rechtsfigur kommen, die ein anderes Verständnis von der Mittäterschaft an den Tag legen, jenes vom archaischen „mitgegangen, mitgehangen“. Solange die gesetzliche Anknüpfung an die Handlung eines Täters und damit die Handlungsfähigkeit des Rechtssubjekts das System der ausschließlichen Strafbarkeit natürlicher Personen in unserem Strafrecht hochhält, erscheint einzig der Weg gehbar, auf die letzte Frage mit „Handlung“ zu antworten. In diesem Sinne finden sich dann auch die meisten Modelle fahrlässiger Mittäterschaft: Gemeinschaftlich begangen wird ein Handlungsprojekt, eine Tat, bei der fahrlässig ein Erfolg eintritt. Doch wenn bereits die gemeinschaftliche Ausführung eines an sich erlaubten Handlungsprojektes ausreicht, worin liegt dann noch der Grund für eine solidarische Haftung? Oder anders ausgedrückt: Kann

______________ 319

Vgl. nur Roxin, AT I, § 8 Rn. 19 ff.

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1. Teil: Bestandsaufnahme

§ 25 Abs. 2 StGB wirklich zu einer Strafbarkeitserweiterung führen, nur weil mehrere gemeinschaftlich eine neutrale Handlung ausführen und nicht einer alleine? Oder: Ist die Mittäterschaft an die Planung zumindest einer mit einem deliktischen Sinn versehenen Handlung gebunden? Soviel über die fahrlässige Mittäterschaft bislang auch geschrieben wurde, man hat das Gefühl, es sind mehr Fragen geblieben, als dass welche beantwortet worden sind. Während die einen standhaft den Gegensatz von Vorsatz und Fahrlässigkeit proklamieren, übertreffen sich die anderen nur so mit dogmatischen Modellen, wie die neue Rechtsfigur dogmatisch gebildet werden könne. Denn über ihren praktischen Nutzen bestehen kaum Zweifel: Neben den vereinzelt gebliebenen Rechtsprechungsfällen wird die fahrlässige Mittäterschaft besonders zur Lösung der Kollegialentscheidungsproblematik herangezogen, wie sie im „Lederspray“-Urteil akut wurde: Liegt die Verantwortung nicht in einer, sondern gleichberechtigt in Händen eines Entscheidungsgremiums und fällt dieses fahrlässig einen in seiner Ausführung rechtsgutsverletzenden Beschluss, so soll kriminalpolitisch die Bestrafung der Gremiumsmitglieder nicht daran scheitern, dass eine Mittäterschaft nicht begründet werden kann. Die Folge wäre jene „unternehmerische Unverantwortlichkeit“, wie sie von vielen als einer der drängensten Probleme unseres Wirtschaftsstrafrechts angesehen wird. Doch dieser praktische Nutzen kann nicht Maßstab für die Entscheidung einer rechtlichen Problematik sein. Das Strafrecht hat sich vielmehr der modernistischen Versuchung zu widersetzen, durch eine Überdehnung strafrechtlicher Begriffe „unbequeme Strafbarkeitsvoraussetzungen solange herunterzudefinieren“, bis sie funktional für die strafrechtliche Produktverantwortung geworden sind.320 Rechtliche Probleme wie jenes um die Rechtsfigur einer fahrlässigen Mittäterschaft können nur dogmatisch gelöst. Hierbei sind die wesentlichen Weggabelungen abzuschreiten: Vom Täterbegriff (4. Kapitel) über die hieraus folgenden Mittäterschaftskriterien (5. Kapitel) hin zu ihrer Kreuzung mit den Elementen der Fahrlässigkeit und der Beantwortung der Frage nach der Existenz einer fahrlässigen Mittäterschaft (6. Kapitel).

______________ 320

Hassemer, Produktverantwortung, S. 70 ff.

Zweiter Teil

Grundlagen Viertes Kapitel

Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches „Es kommt also [...] auf die Grundsätze der Teilnahmelehre an. Ach, wenn wir nur solche Grundsätze hätten!“1 verzweifelte Dreher einst vor einem der wohl umstrittensten Gebiete unseres Strafrechts. Kantorowicz bezeichnete es gar als „das dunkelste und verworrenste Kapitel der deutschen Strafrechtswissenschaft“2: die Täterlehre. Erst in jüngerer Zeit hat etwa Roxin die letzte, von ihm geteilte Aussage wieder zurückgenommen.3 Dem mag man insoweit zustimmen, als sich die Tatherrschaftslehre in der Literatur immer weiter verfestigt hat und selbst die Rechtsprechung mit der Aufnahme objektiver Kriterien die Tatherrschaft mit in ihre ansonsten subjektiv geprägte Wertung aufgenommen hat. Doch die weithin vertretene Geltung der Tatherrschaftslehre zumindest im Schrifttum ist hart erkauft. So bildlich anschaulich der von ihr geprägte Täterbegriff als Zentralgestalt des Handlungsgeschehens auch ist, er bildet nichts weiter als ein „Leitprinzip“, einen „wertenden Differenzierungsmaßstab“, der erst anhand der realen Gegebenheiten „schrittweise entfaltet und konkretisiert werden“ muss.4 Das hiermit verbundene Erfassen aller denkbarer Sachverhaltskonstellationen bringt eine Offenheit mit sich, die die Täterschaft als „abstrakten Oberbegriff“ erscheinen lässt5, als bloßen „Zauberhut“, in den Wertungsmaßstäbe hineingelegt werden, nur um dann in wertender Betrachtung jedes gewünschte Kaninchen (Täter oder Teilnehmer) herauszuziehen.6 So verwundert es kaum, dass unter dem Deckmantel eines einheitlichen Täterbegriffs ______________ 1

Eduard Dreher, MDR 1964, 337. Kantorowicz, MSchrKrim 7 (1910/11), 306; so übernommen von Roxin, TuT, S.1. 3 Roxin, TuT, S. 645. 4 Roxin, AT II, § 25 Rn. 12. 5 So Roxin, TuT, S. 655 selbst. 6 So die Kritik von Georg Freund, AT, § 10 Rn. 47. 2

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2. Teil: Grundlagen

viele unterschiedliche Akzentuierungen entwickelt worden sind und sich mehr objektiv geprägte7 und eher subjektive8 Strömungen finden. Der Streit ist daher noch lange nicht ausgestanden, er geht nur in tieferen Regionen um die Details weiter und wird von hier aus in alle Winkel der Täterlehre getragen. Dies zeigt sich insbesondere auch an der Form der Mittäterschaft. Hier ist die arbeitsteilige Tatbegehung maßgeblich dadurch geprägt, dass die Tatherrschaft bei mehreren liegt. Ob der Einzelne einen zur Tatbestandserfüllung notwendigen Akt beisteuert, um auch das Geschehen mitzubeherrschen, hängt so von Wertungen ab, die der Rechtsanwender vornehmen muss. Die Frage nach einer mittäterschaftlichen Verbundenheit auch bei fahrlässigen Delikten stellt hier nur ein anschauliches Anwendungsbeispiel dar. Betrachtet man die einzelnen Darstellungen zum Täterbegriff in Kommentaren, Lehrbüchern und Abhandlungen, so fällt einem sogleich die Behandlung der verschiedenen Theorien und Untertheorien mit ihren jeweiligen Argumenten ins Auge. Das Gesetz und vor allem die Methodik scheinen hingegen (leider) mehr und mehr in Vergessenheit geraten zu sein. Dabei vermag keine Einschlägigkeit einer Theorie die Täterschaft zu begründen, ist das Denken des modernen Juristen doch in erster Linie am Gesetz ausgerichtet9 und auszurichten. Ein Tatbeteiligter ist nicht Täter, weil er Tatherrschaft besitzt, sondern weil er die Anforderungen erfüllt hat, die das Gesetz an täterschaftliches Verhalten stellt. Um nicht gleichfalls den Fehler zu begehen, sich im „Labyrinth der Teilnahmelehre“10 auf der „Spielwiese des Theorienstreits“11 zu verlaufen, ist eine streng methodische Bestimmung vorzunehmen:

______________ 7

Die Anhänger der objektiv akzentuierten Tatherrschaftslehre stellen verstärkt auf die Tatbestandsverwirklichung ab und gehen hierbei von sozialen wie normativen Strukturen aus, statt den finalen Handlungsbegriff als Kern der Lehre zu akzeptieren; vgl. Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 84 ff. und Roxin, TuT, S. 307 ff. 8 Die subjektiv akzentuierte Tatherrschaftslehre sieht demgegenüber den wesentlichen Aspekt in der „Gestaltung der Tat durch den planvoll steuernden Verwirklichungswillen“ und damit im finalen Handlungsbegriff, auch wenn das Vorliegen des steuernden Wille objektiv bestimmt werden soll; vgl. Welzel, ZStW 58 (1939), 542 f., ders., Strafrecht, S. 100 sowie Bockelmann/Volk, AT, S. 177 f. 9 Fikentscher, Methoden IV, S. 129 und Engisch, Einführung, S. 43 ff. und 178. 10 Birkmeyer, VDA II, S.1. 11 Schmidhäuser, FS Stree/Wessels, 345.

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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I. Bestimmung des methodischen Ansatzpunktes Der Täterbegriff ist ein Rechtsbegriff.12 Zu dessen Sinnermittlung existieren zwei grundsätzliche Methoden: Zum einen können die sinnbestimmenden Kriterien außerhalb des Gesetzes gesucht werden. In diesem Sinne war die Anfangszeit des Strafgesetzbuchs etwa geprägt von einer naturalistischen Kausalitätslehre, wonach jeder Täter war, der eine Bedingung zum strafrechtlichen Erfolg setzte.13 Ebenso führte die in den Dreißiger Jahren unter der Führung Welzels auftretende Erkenntnis, dass der Gesetzgeber nichts frei schöpfe, sondern nur Deskriptionen von sachlogisch vorgegebenen Strukturen vornehme14, zu einer Berücksichtigung rechtsfremder Gesichtspunkte: von in der realen Welt verfestigten sozialen Beziehungen der beteiligten Personen zueinander15. Zu unterscheiden seien daher der Rechtssatz (die „Norm“), der in der realen Welt vorbestimmt imperativ ein bestimmtes Verhalten fordere, vom Strafgesetz. Dieses bilde die soziale Wirklichkeit nur ab und belege die Normübertretung entweder mit Strafe oder erkläre sie für straffrei.16 Die hiermit vorausgesetzte Verwurzelung der einzelnen Beteiligungsformen in unserer Gesellschaft unabhängig von jeder gesetzlichen Regelung verdeutlicht auch ein Blick in die Etymologie: Das mitteldeutsche Wort „stiften“ hatte von jeher die Bedeutung „gründen, ins Werk setzen“. Es galt lange Zeit im Sinne von „(ein Kloster) gründen“ und wurde erst dann ins Weltliche übertragen, wo ihm seit dem 16. Jahrhundert unter der Bezeichnung „anstiften“ die Bedeutung „verursachen, anrichten, verleiten“ zukommt.17 Genauso existierte bereits lange vor dem Strafgesetzbuch das Wort „Gehelfen“ mit unserer heutigen Bedeutung18. Der Begriff „Täter“ existierte ursprünglich sogar nur als „Übeltäter“ und wurde erst im 15. Jahrhundert im Sinne von demjenigen, der etwas tut, hiervon befreit.19 So sehr der Gesetzgeber mit dem Strafrecht aber auch bereits vorhandene gesellschaftliche Phänomene aus Gründen des Rechtsgüterschutzes beschreibt, regelt und lenkt, ein reines Abstellen auf naturwissenschaftliche Aspekte, dem ______________ 12

So ausdrücklich erstmals Eberhard Schmidt, FG Frank II, 113. So Buri, Kausalität, S. 102 und Birkmeyer, Lehre, S. 5. 14 Welzel, Bild, S. 6 und ders., FS Niedermeyer, 289 f.; ihm folgend etwa Hardwig, GA 1954, 353 ff., Richard Lange, Täterbegriff, S. 67 ff. und Dahm, Tätertyp, S. 54 f. 15 So ausdrücklich Hardwig, GA 1954, 355. 16 Binding, Normen I, S. 42, 45. 17 Duden, Herkunftswörterbuch, 2001, S. 814. 18 Duden, Herkunftswörterbuch, 2001, S. 338. 19 Duden, Herkunftswörterbuch, 2001, S. 838. 13

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2. Teil: Grundlagen

„volkstümlichem Täterbilde“20 oder dem konkreten „sozialen Bedeutungs- und Zurechnungsgehalt“ der Tat21 würde zu einer wertenden Gesamtbetrachtung der Tat ohne feste Konturen führen, die Art. 103 Abs. 2 GG widersprechen würde. Um eine gesetzliche Fixierung des Täterbegriffs und damit das Zugeständnis an den Gesetzgeber, soziale Seinskonturen regelnd zu verändern, kommt man so nicht herum. Erst indem „die Strafrechtsdogmatik Grenzen setzt und Begriffe bildet, ermöglicht sie eine sichere und berechenbare Anwendung des Strafrechts und entzieht es der Irrationalität, der Willkür und der Improvisation“22. Um eine „Synthese sinnerfassender und zwecksetzender Betrachtungsweise“23 und so eine Heranziehung vor allem normativer Aspekte kommt man nicht herum. In diese Richtung ging maßgeblich das normativ-teleologische Denken ab den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, wonach jeder Täter sei, „der eine Tatbestandsverwirklichung, und damit (materiell gesprochen) eine Rechtsgutsverletzung rechtswidrig und schuldhaft bewirkt“24. Das zu schützende Rechtsgut mag bei den einzelnen Deliktstatbeständen zwar klar zu Tage treten. Begreift man den Täterbegriff aus systematischen Gründen (Regelung im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs!) aber als abstrakte Beteiligungsform mit einer Geltung für alle Delikte, bedarf er eines abstrakten Sinns. Dieser kann nicht allein über deliktsspezifische Rechtsgutsüberlegungen gelöst werden. Dies zeigt nur etwas, was in der Methodenlehre unstreitig ist: Eine gesetzliche Sinnermittlung ist mehr als die Frage nach dem Regelungszweck. Die gesetzliche Methodenlehre stellt vielmehr verschiedene Auslegungsmethoden zur Sinnermittlung eines Rechtsbegriffs zur Verfügung25, die in ihrer Gänze bemüht werden müssen und im Folgenden auch bemüht werden sollen, um den dem Gesetz zugrunde liegenden Täterbegriff dogmatisch nachvollziehbar extrahieren zu können.

______________ 20

So der Ansatz von Dahm, Tätertyp, S. 54 f; ähnlich Geerds, GA 1965, 218, der die Beteiligungsformen als „kriminalphänomenologische Tattypen“ begreift. 21 Hardwig, GA 1954, 355 f. 22 Gimbernat Ordeig, ZStW 82 (1970), 405. 23 Roxin, TuT, S. 19. 24 Eberhard Schmidt, FG Frank II, 117; in diese Richtung auch Liszt/Eberhard Schmidt, Lehrbuch I, S. 335 Anm. 16, Mezger, Lehrbuch, S. 444 und Hippel, Strafrecht II, S. 455 f. 25 Vgl. zu den geläufigen vier Auslegungscanons Larenz, Methodenlehre, S. 208 ff., Bydlinski, Methodenlehre, S. 436 ff., Zippelius, Methodenlehre, S. 42 ff. und Engisch, Einführung S. 63 ff.

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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II. Die Auslegung nach dem Begriffssinn Es zählt zu den anerkannten Auslegungsregeln, dass die juristische Begriffsbestimmung mit dem Wortsinn beginnt, der Feststellung, wie der Begriff im Sprachgebrauch verstanden wird.26 Hierbei werden unter dem Topos „Wortlaut“ zwei verschiedene normtextorientierte Sinnermittlungsweisen vermischt, deren Trennung nur selten herausgearbeitet wird27: die Auslegung anhand der Sprachbedeutung des reinen Begriffs und jener anhand der Sprachbedeutung des Begriffs in seiner Stellung des Normtextes, seiner Beziehung im Satzgefüge sowie des Kontextes der Regelung. Zwar bedienen sich beide Methoden der Sprachbedeutung des Begriffs, aber „der Unterschied zwischen einer Argumentation, die sich dogmatischer Begriffe als technischer Werkzeuge bedient, und einer Argumentation, die sich auf die Eigengesetzlichkeit begrifflichsystematischer Zusammenhänge stützt, ist ein Unterschied ums Ganze.“28 Beide Methoden seien daher auch hier unterschieden und mit der Auslegung des Begriffsinns als aus dem philosophischen Naturrecht entstammende früheste Grundform eines methodisch bewussten Argumentierens begonnen: Obwohl die frühere Begriffsjurisprudenz29 nur noch als methodologischer „Prügelknabe” dient30, ist das Rechtsleben noch immer geprägt von rein begrifflichen Sinnbestimmungen und den Zwängen der Sprache, vornehmlich im Zivilrecht31, aber auch im Strafrecht32. Betrachtet man unter diesem Gesichts______________ 26 Larenz, Methodenlehre, S. 208, Zippelius, Methodenlehre, S. 45 und Wank, Begriffsbildung, S. 19. 27 Vgl. Haverkate, Normtext, S. 8 ff. 28 Ulfrid Neumann, ZStW 99 (1987), 569 Fn. 6. 29 Sie schloss Unklarheiten in der Subsumption dadurch, dass sie den Rechtsstoff in Begriffe fasste und durch Auffinden von Gemeinsamkeiten diese Begriffe wieder miteinander kreuzte, so dass schließlich eine Begriffspyramide entstand durch rein logische Deduktion, die eine Subsumption des Sachverhalts unter Begriff wie unter geltendes Recht ermöglichte. Zur Begriffsjurisprudenz siehe nur Bydlinski, Methodenlehre, S. 109. 30 Johann Edelmann, Entwicklung, S. 26; ähnlich Bydlinski, Methodenlehre, S. 109. 31 Klassisches Beispiel ist die reichsgerichtliche Bestimmung des Begriffs „Eisenbahn“, RGZ 1, 247 (251 f.): „Ein Unternehmen, gerichtet auf wiederholte Fortbewegung von Personen oder Sachen über nicht ganz unbedeutende Raumstrecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz, Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtsmassen, beziehungsweise die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist, und durch diese Eigenart in Verbindung mit den außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Naturkräften (Dampf, Elektrizität, thierischer oder menschlicher Muskeltätigkeit, bei geneigter Ebene der Bahn auch schon der eigenen Schwere der Transportgefäße und deren Ladung usw.) bei dem Betriebe des Unternehmens auf derselben eine verhältnismäßig gewaltige (je nach den Umständen nur in bezweckter Weise nützliche, oder

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2. Teil: Grundlagen

punkt die Begriffe Täter, Anstifter und Gehilfe, so erscheint eine für alle relevanten strafrechtlichen Fälle gültige Differenzierung zwischen ihnen schwer auffindbar. Man schlage ein beliebiges Lexikon auf: Als „Täter“ wird „derjenige bezeichnet, der eine strafbare Handlung begangen hat“33, als Anstifter derjenige, der zu einer mit Strafe bedrohten Handlung verleitet34 und als Gehilfe, wer wissentlich bei einem Vergehen oder Verbrechen Hilfe leistet35. Mehr als die gesetzlichen Fundierungen scheinen nicht gewonnen – die Rechtssprache hat längst die Umgangssprache geprägt und angepasst. Dennoch unternahm Bottke36 1992 den wagemutigen Versuch, zur Erlangung eines „Bausteins eines gemeineuropäischen Straftatsystems“ die einzelnen Beteiligungsformen umgangssprachkonform zu interpretieren mittels deskriptiver Semantik und sinnverdichtender Analyse dessen, „was wir meinen, wenn wir jemanden in vorrechtlicher Rede als Täter bzw. ,oder‘, ,acteur‘, ,autore‘ etc. bezeichnen“37: Der Täterbegriff sei nicht der Oberbegriff für alle tatbeteiligten Tatverursacher, sondern „auf denjenigen Tatverursacher zugeschnitten, der das Tatgeschehen tut oder macht“. Hieraus ergebe sich einerseits zwingend die Absage an den Einheitstäterbegriff.38 Zum anderen folge, dass der Täter „im Geschehen stehen“, also die Macht haben müsse, „das Geschehen zu gestalten, es machtvoll [zu] machen“. Täter sei damit derjenige, der „Gestaltungsherrschaft hat und wissentlich ausübt“.39 In der deutschen Sprache sei zudem eine Tatbestandsbezogenheit der Gestaltungsherrschaft angelegt, da es unmöglich sei, „zwischen Täterschaft und Herrschaft einerseits und dem machtvoll gemachten, beherrschten und bewerkten Geschehen keine Relation herzustellen“40. So lobenswert der Versuch eines gemeineuropäischen, strafrechtlichen Systems in Zeiten globalen Zusammenwachsens in Europa auch ist, so sehr zeigt er ______________

auch Menschenleben vernichtende und die menschliche Gesundheit verletzende) Wirkung zu erzeugen fähig ist.“ Vgl. zu weiteren Beispielen zur reinen Wortlautauslegung RG, JW 1919, 105, BGH, DB 1956, 277 und BGH, NJW 1976, 698. 32 Vgl. nur die Auslegung des Verkehrszeichens „Bei Nässe“ in Verbindung mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung durch BGH, NJW 1978, 652: „Da nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine bloße Feuchtigkeit noch nicht darunter fällt, kann die Fahrbahn nur dann als nass bezeichnet werden, wenn sich auf ihrer Oberfläche erkennbar eine, sei es auch nur dünne, Wasserschicht gebildet hat. Die Fahrbahn muss insgesamt mit einem Wasserfilm überzogen sein.“ 33 Z.B. Bertelsmann Universal Lexikon, 2001, S. 907. 34 Bertelsmann Universal Lexikon, 2001, S. 48. 35 Bertelsmann Universal Lexikon, 2001, S. 98. 36 Bottke, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft, Heidelberg 1992. 37 Bottke, Täterschaft, S. 12. 38 Bottke, Täterschaft, S. 24 ff. 39 Bottke, Täterschaft, S. 35. 40 Bottke, Täterschaft, S. 37.

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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die erwarteten Schwächen einer rein begrifflichen Auslegung auf: Es ist zwar selbstverständlich, dass Strafgesetze mehr akzeptiert würden, wenn sie zu „Volkslesebüchern“ würden. Hierdurch würden sie aber auch ihren verfassungsrechtlichen Sinn als allgemeingültiges Gesetz verlieren. Denn es gibt bereits in einer Sprachgemeinschaft nicht nur eine Umgangssprache, die Begriffsinhalte produziert. Sie ist vielmehr selbst Inbegriff „einer Fülle regionaler, beruflicher, schichtenspezifischer und sonstiger Bereichssprachen“41, aus der nicht eine besondere herausgegriffen werden kann, um für das ganze nationale Strafrecht Gültigkeit vor den anderen zu beanspruchen. Eine ausschließlich an der Umgangssprache orientierte Auslegung muss zwangsläufig zu einer Beliebigkeit führen, der man nur mit empirischen Erhebungen, sogenannten Wortfelduntersuchungen, Herr werden könnte.42 Die Folge wäre ein eklatanter Widerspruch zum Grundprinzip nulla poena sine lege: Ein Verbrecher könnte in einem Bundesland als Täter, im anderen als Gehilfe verurteilt werden, nur weil sein Tatanteil von der Mehrheit der Bevölkerung aufgrund der unterschiedlichen Moralvorstellungen – erinnert sei das in Deutschland herrschende NordSüd-Gefälle – anders bewertet würde. Eine klare Bestimmtheit der Strafe läge nicht länger vor. Dies zeigt vor allem die allein am Sprachgebrauch ausgelegte Interpretation der Mittäterschaft als „Mitgestalten aller“ anhand eines kleinen Beispiel: „Gestalter“ der Inszenierung des „Jahrhundert-Rings“ in Bayreuth wären bei rein sprachlicher Interpretation „nicht etwa Patrice Chereau, schon gar nicht Richard Wagner, dafür aber jeder Beleuchter und jeder Bühnenarbeiter, der während der Aufführung Kulissen geschoben hat!43“ Dies verdeutlicht die Lebensfremdheit eines rein juristisch-begrifflichen Weges. Die Lösung eines juristischen Problems ist vielmehr maßgeblich im Bereich juristischer Wertungen zu suchen.

III. Die normtextorientierte Auslegung Diese Wertungen werden vom hierzu verfassungsrechtlich legitimierten Gesetzgeber vorgenommen und in den einzelnen Rechtsnormen fixiert. Nur durch eine kontextbezogene Analyse von Wortbedeutung, Satzzusammenhang und den vornehmlich rechtlichen Kontexten muss und kann das (quasi versprachlichte) Wirklichkeitsverständnis des Gesetzgebers extrahiert werden. Man merkt schnell, dass so die gemeinhin als systematische Auslegung benannte ______________ 41

Lesch, GA 1994, 113. Vgl. die Kritik von Eduard Dreher, NJW 1970, 1802 zu BGH, NJW 1970, 1279. 43 Lesch, GA 1994, 125. 42

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2. Teil: Grundlagen

Methode in die Wortlautauslegung mit einfließt und diese ergänzt, „insoweit sie den nahtlosen Übergang zum Verständnis einzelner Ausdrücke und Sätze zum Verständnis verschiedener Begriffs- und Satzzusammenhänge herstellt“.44 Mit § 25 StGB gibt uns der Gesetzgeber diesbezüglich eine Legaldefinition nicht nur der einzelnen Täterschaftsformen, sondern auch der Täterschaft schlechthin an die Hand: Täter ist, „wer die Straftat [...] begeht.“ Die Bedeutung dieser Formulierung im strafrechtlichen Kontext zu bestimmen, ist an sich die Aufgabe jeder Rechtsanwendung im Bereich der Teilnahmelehre und damit jener methodische Akt, der uns inzwischen von Theorien abgenommen wird.

1. Die Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs Eine Sinnermittlung der gesetzlichen Täterdefinition ergibt zunächst, dass eine Täterschaft nur auf eine konkrete Tat („die Straftat“) gerichtet sein kann. Diese Tatbestandsbezogenheit ist selbstverständlich, umfassen die Normen des unter der Begriffsjurisprudenz entwickelten Allgemeinen Teils doch nur jene Eigenheiten, die allen Delikten (oder zumindest vielen) eigen sind und daher als abstrakte Gemeinschaftsbefehle vor die Klammer gezogen wurden. Die Täterschaft ist daher als Bestandteil jedes Deliktes zu verstehen und damit als Teil des Unrechtstatbestandes ein „Stück der Lehre vom Tatbestand“45. Bei einer Entkoppelung würde ihr „jeder Orientierungspunkt“ fehlen.46 Als logische Konsequenz könnte man formulieren, dass eine abstrakte Bestimmung der Täterschaftskriterien nicht möglich, die Beteiligungsformenlehre vielmehr ein Bestandteil des Besonderen Teils sei. So ging etwa Beling davon aus, dass jedes Strafgesetz selbst sage: „strafbar ist nach mir jeder, dessen Verhalten dem hier ausgeprägten gesetzlichen Tatbestand entspricht, also z.B. als ,Tötung eines Menschen‘ erscheint. Und wenn das der Fall ist, so ist jeder, einerlei ob er isoliert dasteht oder andere neben sich hat, die gleichfalls so tatbestandsmäßig gehandelt haben, eben als Täter zu bestrafen.“ 47 Der Teilnehmerbegriff falle dem Gesetzgeber dann „von selbst in den Schoß“, kennzeichne dieser doch eine Erweiterung der Verantwortlichkeit für eine Tat, obwohl das an den Tag gelegte Verhalten nicht tatbestandlich war. Es werde nur aufgrund seiner „immerhin vorhandenen tatbestandlichen Beziehung halber als Erscheinungsform irgendwie einer an das jeweils in Frage kommende Einzelgesetz angelehnten“ Strafbarkeit unterworfen, als „Zweitverantwortlichkeit“. ______________ 44

Mittenzwei, Rechtsverständnis, S. 241. Jescheck/Weigend, AT, S. 643. 46 Welzel, Strafrecht, S. 100. 47 Beling, Methodik, S. 94. 45

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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Diese einfache Folgerung würde jedoch nicht nur den inzwischen überwundenen extensiven Täterbegriff wieder einführen und die (nochmals: die Wirklichkeit nur beschreibenden und regelnden) Rechtsbegriffe „Täter“, „Anstifter“ und „Gehilfe“ zu reinen Schöpfungen des Gesetzgebers erheben, zu „vom Gesetz gebildete Seinsformen“48. Es würde auch § 25 StGB mit seinem in abstrakten Begriffen festgelegten Beteiligungsformenmodell widersprechen. Denn das Gesetz selbst sieht den Täterbegriff zwar auch als Teil eines jeden Tatbestandes, aber zugleich als vor die Klammer gezogenen abstrakten und allgemeingültigen Begriff. Methodisch lässt sich dies damit begründen, dass § 25 StGB überall dort mit seiner (abstrakten) Bedeutung einzufügen ist, wo die einzelnen Deliktstatbestände von einem „Wer“ sprechen, lediglich modifiziert durch deliktsspezifische Täteranforderungen (wie z. B. die Amtsträgereigenschaft in den §§ 331 ff. StGB), die sich aus der Tatbestandsbeschreibung ergebende Eigenhändigkeit eines Delikts (wie z. B. bei den Verkehrsdelikten wie § 315c StGB) oder auch im Falle der Unterlassungsdelikte durch das ergänzende Erfordernis einer Garantenstellung, dessen „elementarste Funktion“ in der Festlegung des Kreises der potentiellen Täter liegt.49 Inhaltlich stellt uns diese Zweispurigkeit aber vor ein offensichtliches Problem: Die Kriterien des Täterbegriffes müssen einerseits konkret genug sein, um § 25 StGB nicht der Beliebigkeit preiszugeben und andererseits auch flexibel genug, um Erfolgs- wie Tätigkeits-, Begehungs- wie Unterlassungs- und Vorsatz- wie Fahrlässigkeitsdelikte zu erfassen. Roxin hat eine derart allgemeingültige Sinnbestimmung bereits als unmöglich bezeichnet.50 Die weitere Auslegung wird zeigen, ob er Recht behalten und eine differenzierte Sinnbestimmung des Täterbegriffs notwendig sein wird.

2. Die „Begehung“ der Tat Gegenüber der „Straftat“ findet sich der Begriff der „Begehung“ noch nicht lange im Gesetz. Es war vielmehr in seinen Anfängen geprägt vom Grundbegriff des „Ausführens“, der sich in einer Vielzahl von Normen fand, so auch in ______________ 48

August Finger, Strafrecht, S. 546. Arzt, JA 1980, 556 f. 50 Vgl. Roxin, TuT, S. 656: Sofern man eine „Ableitung aller Formen der Täterschaft aus einem anscheinend als exakt definiert vorgestellten Oberbegriff in ,logischsystematischer Folgerichtigkeit‘ beharrt“, verlange man „Unmögliches“. Vgl. auch Roxin, TuT, S. 531 ff., wo er den Versuch einer Deduktion aus einem abstrakten Oberbegriff als gescheitert bezeichnet. 49

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2. Teil: Grundlagen

den Bestimmungen für Mittäterschaft und Versuch. Die Mittäterschaftsnorm (§ 47 StGB a.F.) lautete etwa: § 47 StGB a.F. Wenn mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich ausführen, so wird jeder als Täter bestraft.

Vier Paragraphen vorher hieß es bereits: § 43 StGB a.F. (1) Wer den Entschluss, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder Vergehens enthalten, betätigt hat, ist, wenn das beabsichtigte Verbrechen oder vergehen nicht zur Vollendung gekommen ist, wegen Versuches zu bestrafen. […]

Mit der „Ausführung“ war im Rahmen des § 43 StGB a.F. die Vornahme der Tatbestandshandlung des einzelnen Delikts gemeint.51 Dies ermöglichte einen herrlichen systematischen (und damit Normtext-)Schluss: Mittäterschaft als gemeinschaftliche Ausführung bedeutete eine gemeinschaftliche Vornahme der Tatbestandshandlung. Der Gehilfe dagegen war nicht an der Tatbestandshandlung beteiligt, sondern er nahm nur eine Vorbereitungs- oder bloß unterstützende Handlung vor.52 Einer derartigen Argumentation hat der Gesetzgeber seit 1975 den Boden entzogen; das Wort „Ausführung“ ist aus beiden Vorschriften gewichen. Dafür wurde der Begriff „Begehung“ zum strafrechtlichen Grundbegriff, verwendet in einer Vielzahl von Paragraphen.53 Der Täter „begeht“ eine Straftat, der Gehilfe leistet hierzu nur Hilfe. Der Begriffswechsel ging hierbei auf den Vorschlag eines Sachbearbeiters des Justizministeriums zurück, der diesen so begründete: „Der Ausdruck ,begehen‘ ist dem Ausdruck ,ausführen‘ vorgezogen worden, weil dieser auf die Eigenhändigkeit hindeutet.“54 Eine sachliche Änderung sollte hiermit also nicht unmittelbar verbunden sein. Obwohl es auf den ersten Blick anders aussieht, trifft diese Einschätzung nicht nur zu, sondern die aktuelle Gesetzesfassung verdeutlicht den bisherigen Normtextschluss sogar noch. Das „Begehen“ wird bereits früh definiert:

______________ 51

Vgl. Hippel, Strafrecht II, S. 398 ff., Reinhard Frank, StGB, § 43 Anm. II 2 a) (= S. 86) und August Finger, Strafrecht, S. 545. 52 Vgl. Hippel, Strafrecht II, S. 453 f. und August Finger, Strafrecht, S. 545. 53 Vgl. im Allgemeinen Teil §§ 2 Abs. 2 und 4, 3, 5, 6, 7, 8, 9, 13 Abs. 1, 16 Abs. 1, 17, 20, 25 Abs. 1 und 2, 32 Abs. 1, 35 Abs. 2, 53 Abs. 1 und im Rahmen des Besonderen Teils z.B. §§ 102 Abs. 1, 129 Abs. 1, 165, 221 Abs. 2 Nr. 1, 224 Abs. 1, 244 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 2, 260 Abs. 1 StGB. 54 Vorschläge und Bemerkungen der Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums zum Thema Täterschaft und Teilnahme, Niederschriften II, Anhang 38 (40).

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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§ 8 StGB Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.

Der Sinn der Vorschrift soll zwar maßgeblich darin liegen, dass das Rückwirkungsverbot und das Gebot der Bestimmtheit von Strafgesetzen (§ 1 StGB) als Bezugspunkt die Handlung des Täters (und nicht den teilweise erst lange später eintretenden Taterfolg) erhalten, bei der der Täter bereits die rechtlichen Folgen seines Handelns voraussehen sowie sein Verhalten danach ausrichten können muss.55 Hierneben liefert die Vorschrift aber Maßgebliches zum Täterbegriff: Zum einen bestätigt sie, dass der Täter eine Handlung in Bezug auf die Straftat vornimmt, während der Gehilfe eine Handlung in Bezug auf seinen Teilnahmeakt vornimmt und nicht zur Haupttat, die vielmehr nur der außer Betracht zu bleibende Erfolg seines Beitrages ist.56 Zum anderen zeigt § 8 StGB, „dass die Tatbestände des Individualrechtsgüterschutzes ihrem Unrechtsgehalt nach einen Handelnden voraussetzen“57. Dies belegt auch § 25 StGB selbst, der die Zurechnung einer Deliktsverwirklichung (sei es ein deliktischer Erfolg wie der Tod eines Menschen im Rahmen des § 212 StGB oder die Hilfeleistung zugunsten eines Straftäters bei § 257 StGB als schlichte deliktische Tätigkeit) zu einem konkreten Menschen bewirkt.58 Der Grund hierfür besteht in der Missachtung des von der Norm als Teil der Regelung des gesellschaftlichen Lebens ausgesprochenen Verbots. Verbote können aber niemals weiter reichen als die Fähigkeit des Menschen, diese auch einzuhalten und ihre Handlungen entsprechend anzupassen. Ausweislich § 15 StGB bestraft das Gesetz daher nur ein (vorsätzliches oder fahrlässiges) Handeln, das den Tatbestand als Beschreibung einer menschlichen Handlung in abstrakten Begriffen59 verwirklicht (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Durch die Entsprechung der abstrakten Verhaltensbeschreibung werden die Handlung zur (Straf-)Tat und der Handelnde zum Täter. Der Inhalt des Handlungsbegriffs begrenzt so die Reichweite strafrechtlicher (Täter-) Zurechnung und wurde zwangsläufig zu einem der größten Zankäpfel der Strafrechtswissenschaft. In den Fünfziger und Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts kam die Qualifizierung als „Kausalist“ oder „Finalist“ gar dem Gegensatz „katholisch“ oder „evangelisch“ gleich. Erst in den letzten Jahren ist ob des fehlenden Konsenses bezüglich eines Handlungsbegriffs aus der Sicht ______________ 55

Vgl. nur LK/Gribbohm, § 8 Rn.2 und SK-StGB/Hoyer, § 8 Rn.2. MüKo-StGB/Ambos/Ruegenberg, § 8 Rn. 6 und LK/Gribbohm, § 8 Rn. 14 ff. 57 Maiwald, FS Bockelmann, 363. 58 Diese Zurechnungsfunktion des § 25 StGB wird leider im Schrifttum kaum in dieser Deutlichkeit ausgesprochen. 59 Tröndle/Fischer, Vor § 13 Rn. 2. 56

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2. Teil: Grundlagen

vieler Autoren eine Resignation eingetreten. Überschriften wie „Der lange Abschied vom Handlungsbegriff“60 oder „Hat oder hatte der Handlungsbegriff eine Funktion?“61 prägen seither die literarische Landschaft. Die Funktion der Handlung als „Kern des Strafrechts und der Straftat“, in dem wie im Kern einer Frucht alle Grundinformationen für die aus dem Kern zu wachsende Pflanze enthalten sind und aus dem bei einem richtigen Handlungsbegriff die Elemente der Straftat deduktiv erschlossen werden könnten62, wird bezweifelt. Die Suche nach dem richtigen Handlungsbegriff sei den „Bemühungen um den Stein der Weisen“ gleich zu setzen: Sie hätte „fast alle Elemente der modernen Verbrechenslehre mitgestaltet“, nicht aber die Erkenntnis über die Sache selbst: den Handlungsbegriff. Diese Kritik verdeutlicht aber nur, dass sich die Strafrechtswissenschaft seit ewigen Zeiten derart unter der Herrschaft eines Königsgeschlechts „Handlung“ befindet, dass alle dogmatischen Entwicklungen, alle Errungenschaften der letzten Jahrzehnte die Spuren des jeweiligen Regenten tragen. So kommt es nicht von ungefähr, dass jede Täterschaftslehre als Grundbaustein ihren Handlungsbegriff hat, der als den Tatbeständen vorgelagerter (und damit wertfreier) Oberbegriff für sämtliche Erscheinungsformen strafrechtlichen Verhaltens (Klassifikations- bzw. Grundelement)63 die einzelnen Verbrechensstufen miteinander verbindet (Verbindungselement)64 und alles ausschließt, das von vornherein als tatbestandsmäßige Handlung nicht in Betracht kommt (Grenzelement bzw. Abgrenzungsfunktion)65. Es verbleibt so dabei, was Arthur Kaufmann einst zutreffend schrieb: „Ohne eine – wenn vielleicht auch gänzlich unreflektierte – Vorstellung vom Wesen der Handlung kann man weder strafen noch Strafrecht lehren, und man hat es auch nie getan.“66 Das mit dem jeweils gefundenen Handlungsbegriff über die Jahrzehnte hinweg noch nicht der Stein der Weisen gefunden wurde, entbindet uns daher nicht davon, den Handlungsbegriff als Grundbaustein des Strafrechts zu bestimmen, von dem aus Täterschaft und Teilnahme abgeleitet werden können.

______________ 60

Hohmann, Personalität, S. 240. Jürgen Baumann, GedS Armin Kaufmann, S. 181. 62 In diesem Sinne Gropp, AT, § 4 Rn. 23. Bei ihm findet sich auch eine instruktive Darstellung der Auswirkungen der jeweiligen Handlungsbegriffe auf den Verbrechensaufbau (Gropp, AT, § 4 Rn. 27 ff.). 63 Seit Radbruch, Handlungsbegriff, S. 71 ff. gehört es zur gesicherten Erkenntnis, dass die Handlung einen Oberbegriff zu verkörpern habe. 64 Vgl. zu dieser Funktion Roxin, AT I, § 8 Rn. 3 und Maihofer, Handlungsbegriff, S. 7 f. 65 Roxin, AT I, § 8 Rn. 4 und Maihofer, Handlungsbegriff, S. 9; hiergegen Herzberg, GA 1996, 5 ff., der die Ausgrenzungsfunktion erst der Tatbestandswertung zubilligt. 66 Arthur Kaufmann, FS Hellmuth Mayer, 81. 61

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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a) Der kausale Handlungsbegriff als Grundlage objektiver und extrem subjektiver Täterlehre Unter dem Einfluss der Naturwissenschaften hatte sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auch in der Strafrechtslehre zunächst ein „mechanisches Weltbild“ durchgesetzt, dass jede einen Kausalverlauf in der Außenwelt verursachende Körperbewegung zur Handlung machte: Handlung sei die „Tätigkeit des Menschen oder die Bewegung seiner körperlichen oder intellektuellen Kräfte, durch welche Ursachen in Wirklichkeit gesetzt“ werden.67 Der so gebildete kausale Handlungsbegriff kommt der forensischen Praxis entgegen, da es hiernach genügt, die bloße Ursächlichkeit festzustellen68. Er erfüllt zudem die ihm abverlangte Grenzfunktion, indem er durch das Erfordernis der „Willentlichkeit“ Nicht-Handlungen ausscheidet69. Durch letzteres ist er sogar maßgeblich geprägt. Gerade dies verursacht aber auch seine offensichtlichen Schwächen, die auch offenbaren, warum die auf ihm aufgebauten Beteiligungsformenlehren notwendig versagen mussten: Wo Unrecht zur reinen Verursachung wird, bleibt jede Art der Wertung auf der Strecke.70 Denn bloße Kausalität ist nur deshalb (ausweislich des Science-Fiction-Films „Matrix 2“) die einzige unumstößliche Konstante des Universums, weil sie frei von allen wertenden Bezügen ist und nur das reine Abhängigkeitsverhältnis von Ursache

______________ 67 So bereits Luden, Abhandlungen II, S. 215; in diesem Sinne auch Liszt, Lehrbuch, S. 102 ff.: Handlung als „willkürliche Verursachung oder Nichthinderung einer Veränderung in der Außenwelt“, Beling, Lehre, S. 17: „ein vom Willen getragenes menschliches Verhalten [...], einerlei, wohin der es meisternde Wille zielte“ sowie Spiegel, DAR 1968, 283 f. 68 Gropp, AT, § 4 Rn. 31. 69 Gropp, AT, § 4 Rn. 32; ebenso Roxin, AT I, § 8 Rn. 12. 70 Dieser Kritikpunkt wird zumeist an dem (verfehlten) Beispiel der Beleidigung gezeigt: Die Beleidigung wird von den Kausalisten als „Erregung von Schallwellen und den dadurch in einem anderen hervorgerufenen Wahrnehmungen und Vorstellungen“ bezeichnet (Liszt, Lehrbuch, S. 103). So lächerlich die Formulierung für die Kritiker auch sein mag (vgl. Roxin, AT I, § 8/16, Jescheck/Weigend, AT, S. 205 sowie Gropp, AT, § 4 Rn. 34), so wird doch keiner von ihnen bestreiten können, dass ohne die geschilderten Vorgänge eine Beleidigung nicht ausgesprochen und vernommen werden kann. Zwar verlangt eine Beleidigung tatbestandlich eine Ehrverletzung beim Betroffenen (vgl. nur Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 8 f.) und damit einen wertenden Aspekt. Der Handlungsbegriff soll aber lediglich sagen, ob ein bestimmtes Verhalten eine Handlung ist, nicht auch, ob dies eine „tatbestandliche Handlung“ darstellt. Dies ist unbestritten ein (wertender) Subsumptionsakt. So stimmig der Vorwurf einer „blinden Kausalität“ auch ist, das hierzu zumeist vorgetragene Beispiel ist verfehlt.

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2. Teil: Grundlagen

und Wirkung kennt – sie ist „blind“71. Ihr fehlen daher zwei wesentliche Eigenschaften für einen Handlungsbegriff als Grundpfeiler des Strafrechts: Zum einen kann der kausale Handlungsbegriff bestimmte Deliktsformen nicht erfassen und muss so als Oberbegriff versagen72: Dies zeigt sich etwa beim Versuch, bei dem das spezifische Unrecht neben dem objektiven Gefährdungsmoment in dem rechtsgutsverletzenden Willen liegt: Das folgenlose Schütten von Arsen statt Zucker in den Kaffee eines anderen ist etwa strafrechtlich solange unbedeutend, wie der Schüttende dies nicht vorsätzlich macht, um den anderen zu töten. Zwar gelangt die kausale Handlungslehre zum zutreffenden Ergebnis einer Handlung (Bewegung des Armes und der Hand), sie bietet aber keine Angriffsfläche für die spätere Unrechtsbewertung. Eine vergleichbare Schwäche existiert bei den sonstigen subjektiven Elementen wie Absichten, die erst im Bereich der Schuld relevant werden könnten, oder bei den Unterlassungsdelikten, bei denen der Täter einem Willensimpuls folgend einen laufenden Kausalprozeß nicht verändert – mangels nach außen dringender Muskelanspannung müsste die kausale Handlungslehre bei letzterem entgegen § 13 StGB zu einer Straflosigkeit gelangen. Zum Zweiten fehlt es dem kausalen Handlungsbegriff an einem Verbindungselement: Sämtliche Verhaltensweisen werden in Kausalvorgänge umgedeutet, ohne dass die Kausalität selbst ein Substrat zur Ableitung der Straftatelemente besitzt. Dies wird besonders bei der Schuld deutlich. Sie soll maßgeblich geprägt sein durch den Vorsatz, den „subjektindividuellen Bezug der Handlung auf den Erfolg“, obwohl aus einer irgendwie gearteten Muskelbewegung „nicht die Spur einer Erkenntnis eigener Verantwortung erwachsen“ kann.73 Denn allein die Tatsache, dass etwas geschehen ist, kann dem Täter wohl kaum zum persönlichen Vorwurf gereichen. Diese beiden Unzulänglichkeiten schlugen auf die auf dem kausalen Handlungsbegriff beruhenden Täterbegriffe durch: Dies ist einerseits der formellobjektive Täterbegriff, wonach jede tatbestandliche Verursachung des deliktischen Erfolges eine Täterschaft begründen sollte.74 Die Betonung der reinen Verursachung führte zwangsläufig dazu, dass auf diese Weise die mittelbare Täterschaft kaum erklärt werden konnte, nahm hier doch das „menschliche Werkzeug“ die tatbestandliche Handlung vor und nicht der Hintermann. Das ______________ 71 Welzel, Strafrecht, S. 33; ebenso Jescheck/Weigend, AT, S. 219 f. und LK/Jescheck, Vor §§ 13 ff. Rn. 27. 72 Ebenso Jescheck/Weigend, AT, S. 220, Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 27, Gropp, AT, § 4 Rn. 37 sowie Hohmann, Personalität, S. 245. 73 Vgl. Hohmann, Personalität, S. 244 f. 74 Zur Abhängigkeit von der kausalen Handlungslehre siehe Reinhard Frank, StGB, Dritter Abschnitt Anm. II (=S. 104 f.) und Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 75. Vgl. zur Ansicht selber bereits Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, I.

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Täuschen des Vordermannes wird kaum eine Handlung sein, die man etwa als „töten“ qualifizieren könnte.75 Zum anderen wurde die Mittäterschaft zur arbeitsteiligen Vornahme der Ausführungshandlung – ein Bandenchef im Hintergrund konnte nie Mittäter sein, obwohl die Tat ohne seine Leitungsfunktion nie zur Verwirklichung gelangt wäre.76 Nicht besser ergeht es der streng subjektiven Theorie, die als (dogmatisches) „Kind der Äquivalenztheorie“77 ebenfalls auf dem kausalen Handlungsbegriff aufbaute: Bedeute die Handlung die kausale Veränderung der Außenwelt durch eine Bewegung, so würde unter Geltung der Äquivalenztheorie jede die Tatbestandsverwirklichung mitverursachende Handlung objektiv für eine Täterschaft genügen. Eine Mittäterschaft als Mitverwirklichung der Ausführungshandlung wäre so zwischen zwei Menschen möglich, von denen einer dem anderen nur einen Rat erteilt oder deren Handlung gefördert hätte. Rein objektiv würden zwischen einem Täter, einem Anstifter und einem Gehilfen also keine Unterschiede bestehen. Als Folge könne die Abgrenzung nur rein subjektiv vorgenommen werden danach, ob der Täter die Tat mit Täterwillen (animus auctoris) als eigene wolle oder nur mit Teilnehmerwillen (animus socii) tätig werden wollte.78 Die hierdurch ermöglichte willkürliche Begründung der Täterschaft und Teilnahme losgelöst von jedem objektiven Tatbestandselement beruht maßgeblich auf dem fehlenden Verbindungselement des kausalen Handlungsbegriffs, das die objektiven und subjektiven Kriterien zusammengehalten hätte. Indem der kausale Handlungsbegriff also verkannte, dass der Mensch die Wirklichkeit nicht irgendwie kausal verändert, sondern durch eine schöpferische Leistung gestaltet, wurden er und seine beiden (bezeichnenderweise völlig verschiedenen) „Kinder“ in der Täterlehre zu „blutleeren Gespenstern“79, die zu Recht vertrieben wurden.

______________ 75

Zu dieser Kritik vgl. Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 37, Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 53 und Wessels/Beulke, AT, Rn. 511. 76 Ebenso Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 74 und Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 53. Vgl. hierzu noch ausführlich Zweiter Hauptteil, Fünftes Kapitel, II, 1, c). 77 Historisch ist die Vaterschaft der Äquivalenztheorie hingegen zweifelhaft, da die Äquivalenztheorie 1858 durch Glaser entwickelt wurde, bereits dreißig Jahre zuvor aber die Wurzeln der subjektiven Theorie liegen, vgl. Birkmeyer, VDA II, S. 18. 78 Vgl. zu dieser Theorie oben Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 2 und 3. Zur Herleitung über den kausalen Handlungsbegriff vgl. Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 38 und Küpper, GA 1986, 438. 79 Vgl. Beling, Lehre, S. 17.

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2. Teil: Grundlagen

b) Der finale Handlungsbegriff als Ausgangspunkt der Tatherrschaftslehre Die Verbindung objektiver und subjektiver Kriterien erreichte erst die Erkenntnis, dass der Mensch ein handelndes Wesen ist, das die Wirklichkeit durch seinen planvoll steuernden Verwirklichungswillen schöpferisch gestaltet. Ein derartiges Verständnis der Handlung hatte bereits Aristoteles, der als treibende Kraft allen Handelns das Begehrungsvermögen und das Denkvermögen eines Menschen ansah: „Alles Begehren ist auf einen Zweck gerichtet, das wird zum Ausgangspunkt für das praktische Denken, und das letzte, wobei das praktische Denken in der Überlegung der Mittel halt macht, bildet dann den Ausgangspunkt für das Handeln.“80 In der deutschen Strafrechtslehre bescherte erst in den Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts Welzel vor dem Hintergrund der „realistischen Lehre vom Sein“ des Philosophen Nicolai Hartmann mit seinem „Schichtenmodell des realen Seins“ und unter Verwertung von Erkenntnissen der neueren Psychologie über den Ablauf seelischer Akte81 dem finalen Handlungsbegriff seine zentrale Rolle, die er jahrzehntelang einnahm.82 So verstand auch Welzel die menschliche Handlung als „sinn-intentional“83, oder entsprechend Nicolai Hartmanns Begrifflichkeit: als „final“.84 Die Kausalität als Grundgesetz der Natur könne der Mensch zwar nicht umgehen, er müsse sie als Wahrheit hinnehmen und sich auf sie einlassen.85 Indem er sie begreift, könne der Mensch aber im Wege eines „rückläufigen Prozesses“ vom gesetzten Erfolg entgegen des Kausalverlaufs zur Ursache denken und die erforderlichen Handlungsmittel bestimmen. Unter denen entscheide er sich dann aufgrund seiner Erfahrungen unter Berücksichtigung möglicher Hauptund Nebenfolgen für das erfolgsversprechendste Mittel. Sodann vollziehe der Mensch in umgekehrter Richtung den eigentlichen Akt der Zweckrealisation in der Wirklichkeit und setze die vorher ausgewählten Handlungsmittel (Kausal______________ 80

Aristoteles, Seele, S. 111. Leiten ließ sich Welzel hierbei neben Nicolai Hartmann, Grundlegung, S. 36 ff. und 139 ff. von Hönigswalds „Denkpsychologie“; so zum Ausgangspunkt seiner Lehre Welzel, Bild, S. IX. 82 Zu ihren Anhängern zählen neben Welzel unter anderem Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 6 Rn. 9, Stratenwerth, FS Welzel, 289 ff., Armin Kaufmann, ZStW 70 (1958), 64 ff., Hans Joachim Hirsch, ZStW 93 (1981), 831 ff. und ZStW 94 (1982), 239 ff., Küpper, Grenzen, S. 44 ff., Struensee, JZ 1987, 53, Niese, Finalität, S. 19 ff., ders., JZ 1956, 457 f., Weidemann, GA 1984, 408 ff., Weinberger, FS Klug I, 199 ff. sowie zivilrechtlich Erwin Deutsch, FS Welzel, S. 227 ff.). 83 Welzel, ZStW 51 (1931), 712. 84 Der Begriff der Finalität erscheint bei Welzel erstmals in seinem Werk über Naturalismus, soll zu jenem der Sinnintentionalität aber bedeutungsäquivalent sein; vgl. Welzel, Naturalismus, S. 79 und ders., JuS 1966, 423. 85 Welzel, ZStW 51 (1931), 705; so bereits Nicolai Hartmann, Grundlegung, S. 15. 81

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faktoren) planmäßig in Gang.86 Finale Tätigkeit sei also „ein bewusst vom Ziel her gelenktes Wirken“: „Da die Finalität auf der Fähigkeit des Willens beruht, in bestimmtem Umfange die Folgen des kausalen Eingreifens vorauszusehen und dadurch dieses zur Zielerreichung hin planvoll zu steuern, ist der zielbewusste, das kausale Geschehen lenkende Wille das Rückgrat der finalen Handlung. Er ist der Steuerungsfaktor, der das äußere Kausalgeschehen überdeterminiert und es dadurch zur ziellenkenden Handlung macht.“87 Diese Umweltgestaltung sei es, die den Menschen ausmache, seine Taten kennzeichne und ihn vom Tier unterscheide, ja ohne die man von einer menschlichen Daseinsweise nicht mehr sprechen könne.88 Der handelnde Mensch trete in den Mittelpunkt, seine finalistische Beziehung zur Tat werde zum wichtigen Anknüpfungspunkt für gesetzgeberische Wertungen: Der Täter verwirkliche nicht nur objektiv die Tatbestandsverwirklichung, sondern er beherrsche diese subjektiv zugleich mit seinem zweckgerichteten Willen. Täter sei also derjenige, welcher durch zweckbewusste Lenkung des Kausalgeschehens auf den tatbestandsmäßigen Erfolg hin Herr über die Tatbestandsverwirklichung ist. Nur die Kombination objektiver und subjektiver Kriterien mache so die Täterschaft aus.89

aa) Die finale Handlungslehre und automatisierte Handlungen Neben dem bereits eingangs angedeuteten ontologischen Ausgangspunkt Welzels90 geht die Kritik gegen die finale Handlungslehre primär dahin, dass ______________ 86 Welzel, Strafrecht, S. 34 f.; vgl. auch die interdisziplinäre Schau von Küpper, Grenzen, S. 48 ff. zur Verifizierung des Ablaufs. 87 Welzel, Strafrecht, S. 33 f., ders., ZStW 51 (1931), 719 und ders., Handlungslehre, S. 7. In der Überdetermination wird häufig ein „Spiegelbild des kausalen Geschehens“ gesehen. Dieser Ausdruck wurde hier bewusst weggelassen, da er die Sache nicht trifft. Mit ihm „rollt man gleichsam den Handlungsablauf von hinten nach vorn auf“ (Niese, Finalität, S. 10), da Finalität nicht Abbild, sondern „gestaltendes Element“ (Weidemann, GA 1984, 419 Fn. 37) ist. 88 So Roxin, ZStW 74 (1962), 524 und Niese, JZ 1956, 458. 89 So erstmals LK/Lobe, 5. Aufl. 1933, Einl. S. 123, der als Kriterium der Herrschaft den „animus domini in Verbindung mit dem entsprechenden wirklichen dominare bei der Ausführung“ bezeichnete. 90 Vgl. zur Kritik nur Roxin, ZStW 74 (1962), 516: „Wenn der Gesetzgeber etwa die fahrlässigen Taten aus dem Kriminalstrafrecht herausnehmen würde, müsste sich der Handlungsbegriff sogleich ändern.“ Dies beruht jedoch auf einem Denkfehler: Mit dem Handlungsbegriff geht es darum, in einer Vorstufe das reale Geschehen zu erfassen. Ob hiermit ein Normverstoß verbunden ist, ist erst sekundär auf der Ebene der rechtlichen Bewertung zu klären. Selbst wenn jedes fahrlässige Verhalten vom Gesetzgeber für

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2. Teil: Grundlagen

sie nicht jede Tat bei jeder Deliktsform umfassen könne. Denn es gebe Verhaltensweisen, die dem „Idealbild der Finalsteuerung“ gerade nicht entsprächen. Hierzu werden zunächst „automatisierte Handlungen“91 gezählt: Zum Beispiel kennt jeder sicher den Zustand der Übermüdung, trotz dessen man morgens mit dem Wagen zur Arbeit fährt, wie man es jeden Morgen zu tun pflegt. Einmal angekommen wundert man sich dann häufig, wie man hierher gekommen ist. Die Bewegungen im Wagen (lenken, schalten) für die morgendliche Strecke sind so einprogrammiert, dass sie alltäglich in einem Automatismus abgespult werden. Doch dass uns unsere Handlungsweisen in ihrer Sinnhaftigkeit nicht bewusst werden, ändert nichts daran, dass es sich auch bei automatisierten Verhaltensweisen um finale Handlungen handelt, nämlich um die „schnellsten willentlichen Handlungen“92, die es gibt. Sie spielen sich nur auf einer geringeren Bewusstseinsstufe ab, was durchaus von Vorteil sein kann und sogar gewollt ist.93

bb) Die finale Handlungslehre und Unterlassungen Schwerwiegender ist dagegen der Vorwurf, die finale Handlungslehre könne Unterlassungen nicht sachgerecht erfassen. Denn das Wesen der Unterlassung sei es gerade, dass der Täter gerade nicht eingreife, um das Opfer zu retten, er keine Bewegung vollziehe in der Realität. Ein Nichtstun bewirke aber nichts, es sei ein „ontologisches Nichts“. Wo es auch keine ontologische Kausalität gebe (nicht umsonst spricht man bei Unterlassungstaten von „Quasi-Kausalität“ oder „hypothetischer Kausalität“94), könne es aber auch keine „final überdetermi-

______________

straffrei erklärt würde, bliebe das fahrlässige Verhalten eine Handlung, die allerdings nicht strafbar wäre. Die Wertfreiheit des finalen Handlungsbegriffs würde vielmehr erst aufgegeben, wenn der Handlungswille mit dem Tatbestandsvorsatz identisch wäre, was Roxin, ZStW 74 (1962), 525 den Finalisten unterstellt. Diese Identität ist von ihnen aber niemals behauptet worden. Vielmehr ist auch nach der finalen Handlungslehre der Vorsatz die auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Finalität und damit ein Rechtsbegriff, während die reine Finalität wertfrei bleibt (vgl. Welzel, Strafrecht, S. 64, Hellmuth Mayer, FS Hellmuth Weber, 145 und Niese, JZ 1965, 459). Dies gilt im gleichen Maße für den dolus eventualis, denn in der Finalität als Handlungswille sind im Wege des Informationsprozesses im menschlichen Gehirn vor der Entscheidung für eine bestimmte Handlung die möglichen Nebenfolgen einer Handlung durchaus mitberücksichtigt. 91 Kritisiert von Roxin, AT I, § 8 Rn. 24, ders., ZStW 74 (1962), 522 und Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 13 Rn. 69. 92 Spiegel, DAR 1968, 285. 93 Auf diese Weise wird nämlich das Gehirn weniger in Anspruch genommen und kann gleichzeitig andere Vorgänge betreuen. Vgl. hierzu Hans Joachim Hirsch, ZStW 93 (1981), 861 und Stratenwerth, FS Welzel, 289. 94 Vgl. hierzu nur LK/Jescheck, § 13 Rn. 17 und Jescheck/Weigend, AT, S. 618 ff.

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nierte Kausalgebung“ geben – sein Wille sei hier gerade nicht Steuerungsfaktor des Geschehens.95 Ließe man den Kausalnexus auf die Finalität durchschlagen, so müsste man etwa von einer „Quasi-Finalität“ sprechen, der Möglichkeit der finalen Steuerung der Verhinderung des Geschehensablaufes.96 Die Frage nach einer Handlung des Täters müsste daher lauten, ob es ihm möglich gewesen wäre, zweckgerichtet den Erfolg zu verhindern. Der Gegensatz von Finalität und Quasi-Finalität (finalem Eingreifen und bloß möglichem finalen Eingreifen) zeigt jedoch, dass so sehr man Elemente der aktuellen Finalität in der Quasi-Finalität auch sucht, „ontologisch gesehen [...] die Unterlassung, da sie ja die Unterlassung einer Handlung ist, selbst keine Handlung“ ist97. Sie steht zur Handlung wie a zu non-a, wie Position und Negation.98 Dies führt zu einer völligen Herauslösung der Unterlassung aus dem Bereich der (finalen) Handlung99, und einem Verständnis des Unterlassungsdelikts als einer neben der Handlung stehenden selbständigen Erscheinungsform der Straftat, die eigenen, die Gegebenheiten des Begehungsdelikts umkehrenden Regeln folgt.100 Die Folge wäre eine Zweiteilung des Systems. Für den auf dem finalen Handlungsbegriff aufbauenden Tatherrschaftsbegriff bedeutet dies, dass dieser die Unterlassungen nicht umfassen kann. So wenden in der Tat auch nur wenige Stimmen im Schrifttum den Tatherrschaftsgedanken auf Unterlassungsdelikte an.101 Die meisten sehen sich dagegen konsequent gezwungen, auf einen anderen Differenzierungsmaßstab auszuweichen.

______________ 95 Dies wird kritisiert von Roxin, AT, § 8 Rn. 19, Jescheck/Weigend, AT, S. 221 Fn. 17, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 13 Rn. 80, Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 30 und Wessels/Beulke, AT, Rn. 92; aA Alexander Böhm, Rechtspflicht, S. 26, nach dem das Unterlassen „steuernd in das Getriebe der Welt“ eingreife. 96 So Küpper, Grenzen, S. 57, ähnlich Welzel, Strafrecht, S. 200 und Gallas, ZStW 67 (1955), 42 Anm. 81. 97 Welzel, Strafrecht, S. 200. 98 Radbruch, Handlungsbegriff, S. 140 ff., Welzel, Strafrecht, S. 31 f. und 200 f. und Hans Joachim Hirsch, ZStW 93 (1981), 851 f. 99 Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 13 Rn. 82. 100 Welzel, Strafrecht, S. 31 f. und 200 f.; ähnlich Hans Joachim Hirsch, ZStW 93 (1981), 851 f. und Gropp, AT, § 4 Rn. 45. 101 Dies vertreten einzig Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 108 ff., Stree, GA 1963, 8 und Schünemann, Grund, S. 377 und Kielwein, GA 1955, 227.

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cc) Die finale Handlungslehre und die Fahrlässigkeit Ein weiteres Problem, welches sich schon in der Übersicht der Argumente in der Literatur gegen die fahrlässige Mittäterschaft gezeigt hat, ist die vielseitig behauptete fehlende Umfassung der Fahrlässigkeit durch die finale Handlungslehre. Die Folge für den auf der Finalität aufbauenden Tatherrschaftsbegriff wäre plastisch: Bei der Fahrlässigkeit kann es keine Tatherrschaft geben, so dass bei Fahrlässigkeitsdelikten eine Trennung nach den einzelnen Täterschaftsformen nicht möglich wäre.102 Grund genug, uns diesen Einwand genauer anzuschauen: Bei der Fahrlässigkeit habe der Täter einen Erfolg nicht angestrebt. Der Erfolg sei nur eingetreten, weil der Täter bei der finalen Steuerung seiner Handlung das gebotene Mindestmaß finaler Steuerung nicht eingehalten habe, er also nachlässig war. Realfaktoren bewirkten den Erfolg dort, wo der Täter andere Verhaltensweisen final hätte steuern müssen.103 Anders ausgedrückt: Der Erfolg wurde nicht kausal angestrebt, er wurde „angerichtet“.104 Die Fahrlässigkeit sei als Sorglosigkeit damit quasi das Gegenteil der Zwecktätigkeit, so dass sie die „spezifische Schwäche der finalen Handlungslehre“105 sei, deren Behandlung stets einen besonderen Platz einnahm in den Schriften ihrer Anhänger. Es war daher nicht übertrieben, dass Arthur Kaufmann schrieb: „Die Geschichte der finalen Handlungslehre ist eine Geschichte ihrer mannigfaltigen und immer wieder abgewandelten Versuche, das fahrlässige Delikt zu erfassen.“106 So deutete Welzel die Fahrlässigkeit anfangs noch rein kausal als „objektiv bloße Verursachungen, deren Anstoß von einem Willensakt ausgeht“107. Er war hierbei – wie er später einräumte108 – noch vom Kausaldogma geblendet, das für die Finalität als Überdetermination der Kausalität Einfluss haben sollte. Er war so auf der Suche zwischen Handlung und Erfolg, die in der Finalität liegen müsse. Von dieser Fehlannahme konnte er sich „nur zögernd“ befreien109: Die nächste Etappe der „Jagd nach der Finalität in der Fahrlässigkeit“110 war die „potentielle Finalität“. Hierzu knüpfte Welzel an eine von La______________ 102

Hierzu oben Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, III, 1, c). Blei, Strafrecht I, S. 74; ähnlich Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 13 Rn. 74. 104 Blei, Strafrecht I, S. 74 105 Jescheck, ZStW 93 (1981), 16 f.; ebenso kritisch zur Erfassung der Unterlassung Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 13 Rn. 74 ff., Arthur Kaufmann, FS Hellmuth Mayer, 88 f. und 94 sowie ders., JuS 1967, 146. 106 Arthur Kaufmann, FS Hellmuth Mayer, 94. 107 Welzel, ZStW 58 (1939), 559. 108 Welzel, NJW 1968, 427. 109 So ausdrücklich Welzel, NJW 1968, 428. 110 Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 166. 103

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renz111 entwickelte Deutung der Fahrlässigkeit als individuelle Erkennbarkeit des Erfolges und der Möglichkeit der Vermeidung an: Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikte seien zwei völlig eigenständige Handlungsformen, die nur verbunden würden durch das Element der Finalität als der Fähigkeit des Menschen, „Geschehensabläufe in bestimmen Grenzen zu steuern und zu beherrschen“.112 Während die Finalität bei der vorsätzlichen Handlung als wirkliche Zwecktätigkeit (aktuelle Finalität) auftauche, sei sie bei der fahrlässigen eine „mögliche Finalität“ (potentielle Finalität).113 Zur Verdeutlichung dieses Ansatzes sei ein kleines Beispiel von oben aufgegriffen114: Ein Herzchirurg infizierte sich für ihn unerkannt mit dem Hepatitis B-Virus und steckte bei Operationen Patienten hiermit an. Dies hätte er vermeiden können, wenn er sich den vorgeschriebenen Kontrolluntersuchungen unterzogen hätte, bei denen seine Infektion erkannt worden wäre. Da der Chirurg bei den Eingriffen seine Infektion nicht kannte, vollzog er die Operationen lediglich mit dem Ziel der Heilung oder des Ausführens der Operation, nicht aber mit jener der Gesundheitsschädigung. Erfolgsverhindernd wäre der Gang zur entsprechenden Kontrolluntersuchung gewesen, unbestritten eine finale Handlung. Er hätte den Erfolg also mit der potentiell finalen Handlung des Unterziehens der Kontrolluntersuchungen steuern können. Doch man merkt, dass der Gedankengang nicht nur Fahrlässigkeitsdelikte sachwidrig in Gebotsdelikte umdeutet115, sondern auch noch immer versucht, den Erfolg mit einzubeziehen, indem bei Fahrlässigkeitsdelikten auf seine möglich finale Vermeidung abgestellt wird. Auf ein deliktisches Erfolgsziel kommt es bei der fahrlässigen Handlung jedoch gerade nicht an, „vielmehr allein auf die Art und Weise der Steuerung und Lenkung der Handlung“.116 Die Kritik ließ daher nicht lange auf sich warten, sie kam sogar aus dem eigenen Lager, vom Finalisten Niese: „Finalität ist ein Seinssachverhalt, der entweder ,ist‘ oder ,nicht ist‘. Deshalb ist [...] mögliche Finalität keine Finalität.“117 Es sei schließlich eine „Binsenweisheit“, dass das, was nur möglich ist, nicht ist und daher nichts ontologisch Vorgegebenes sein könnte.118 ______________ 111

Larenz, Zurechnungslehre, S. 75 ff. Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 6 Rn. 8. 113 Welzel, ZStW 51 (1931), 719 Anm. 30 und Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 6 Rn. 8. 114 BGH, BGH, JR 2004, 33 f. mit Anm. Geppert, JK 4/04, StGB § 13/38., vgl. hierzu auch oben Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, III, 5, b). 115 So die Kritik von Hans Joachim Hirsch, FS Lampe, 518. 116 Welzel, Strafrecht, S. 131. 117 Niese, Finalität, S. 43; ebenso Roxin, AT I, § 8 Rn. 20 und Hohmann, Personalität, S. 258. 118 Niese, Finalität, S. 43. 112

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Welzel griff daher unter ausdrücklicher Aufgabe der potentiellen Finalität119 den Deutungsversuch Nieses auf, der darlegte, dass es auch bei einer fahrlässigen Tat eine finale Handlung gebe, nämlich jene, die zum fahrlässigen Erfolg führe. 120 Sowohl bei Vorsatz- wie auch beim Fahrlässigkeitsdelikt gebe es die gleiche Finalität, gerichtet auf das Erreichen eines bestimmten Handlungszieles. Der Unterschied bestünde nur darin, dass bei Vorsatzdelikten die Finalität auf die Verwirklichung eines Tatbestandes gerichtet sei („böse Finalität“), die den Vorsatz bilde, bei den Fahrlässigkeitsdelikten dagegen auf ein vom Tatbestand unabhängiges Handlungsziel („gute Finalität“): Vorsatz sei Finalität, aber nicht jede Finalität sei Vorsatz, weil es eine Menge menschlicher Zielsetzungen gebe, die rechtlich irrelevant und nicht verboten seien.121 Die missliche „Doppelung des Handlungsbegriffs“122 bei der Fahrlässigkeit scheint verschwunden und dem Handlungsbegriff diesbezüglich ein tragfähiges Grundelement gegeben. Doch bezog sich die Finalität nun bei fahrlässigen Delikten auf ein Ziel, das den Erfolg der Fahrlässigkeitstat gar nicht beinhaltete, von dem aus die betreffende Handlung also gerade nicht ihren Sinngehalt erhalten und an die sich somit auch nicht die strafrechtlichen Wertungen des Unrechts und der Schuld anschließen konnten – sie sei schlichtweg „rechtlich irrelevant“.123 Dies wird von den Finalisten nicht verhehlt – ganz im Gegenteil. So spricht Niese vom Vorsatz als rechtlich relevanter Finalität, während die Fahrlässigkeitstatbestände eine „rechtlich missbilligte Erfolgsverursachung durch eine in ihrer Finalität nicht missbilligte Handlung“ erfassen würden, also Handlungen mit strafrechtlich irrelevanter Finalität124. Welzel sprach gar davon, das Ziel sei “völlig gleichgültig“.125 Aber damit würde der methodische Ansatz der finalen Handlungslehre preisgegeben. Betrachten wir hierzu ein von Welzel selbst gebildetes Beispiel: Eine Krankenschwester setzt ihrem Patienten eine Spritze, wobei sie die Spritze versehentlich mit Gift gefüllt hatte. Nach Welzel hätte die Krankenschwester zwar eine finale Injektionshandlung begangen, aber keine finale Tötungshandlung.126 Die Unhaltbarkeit scheint auf der Hand zu liegen: Wieso könne das, was als Handlung nur eine Injektion ist, unter dem Gesichtspunkt des Unrechts ______________ 119

Welzel, Lehrbuch, 3. Aufl. 1954, S. IV und 28 ff. Niese, Finalität, S. 53 ff. und ders., JZ 1956, 460; ebenso Hans Joachim Hirsch, ZStW 93 (1981), 857 ff. und Weidemann, GA 1984, 410. 121 Niese, Finalität, S. 56 und ders., JZ 1956, 460. 122 Weidemann, GA 1984, 410. 123 So Roxin, AT I, § 8 Rn.21, Arthur Kaufmann, JuS 1967, 150 und ders., FS Hellmuth Mayer, 95. 124 Niese, Finalität, S. 56 ff. sowie ders., JZ 1956, 460. 125 Welzel, NJW 1968, 428. 126 Welzel, Strafrecht, S. 36. 120

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und der Schuld zur Tötung werden? Und wenn der Krankenschwester das Gift nun untergeschoben wurde, sie also keine Sorgfaltspflichtverletzung begangen hätte, hat sie den Patienten dann überhaupt nicht getötet, sondern ihm nur eine Injektion verabreicht?127 Bei konsequenter Denkweise müsste man als Finalist die Frage bejahen und könnte eine Tötung dann nur noch als blind-kausale Verursachung feststellen. Dies verdeutlicht, dass ein völliger Verzicht auf die Relevanz der Finalität dahin geht, wo die kausale Handlungslehre schon immer war – es reicht, wenn der Täter irgendetwas gewollt hat.128 Um dies zu verhindern, relativierte Welzel seine Aussage: „Bei [den Fahrlässigkeitsdelikten] ist die Zielsetzung strafrechtlich irrelevant; relevant sind vielmehr nur die Mittelauswahl und der Mitteleinsatz, weil der Täter bei ihnen bestimmte Nebenfolgen nicht berücksichtigt hat, die er hätte berücksichtigen sollen, m. a. W., weil ihre Vornahme unsorgfältig war [...].“129 Fahrlässiges Handeln widerspreche also einer Gebotsnorm, im Willen hiergegen konstituiere sich der relevante Teil der Finalität. Der Täter handele fahrlässig, indem er bei Rot über die Ampel fahre, ohne nachzusehen, dass es keinen Querverkehr gebe oder indem er Ziegel vom Dach werfe, ohne den Bürgersteig abzusperren. Dieser „ohne-zu-Komponente“ komme die eigentlich unrechtsbegründende Funktion bei den Fahrlässigkeitsdelikten zu.130 In unserem Beispielsfall etwa operiert der Chirurg, ohne zuvor zu einer Kontrolluntersuchung zu gehen. So einleuchtend das klingt, so fatal sind die Folgen: Hätte der Chirurg seinen Patienten vorsätzlich getötet, läge die finale Handlung im Durchführen der Operation. Im Falle der Fahrlässigkeit soll die finale Handlung nun im Unterlassen einer vorherigen Kontrolluntersuchung liegen. Damit scheint eine einheitliche Basis des Handlungsbegriffs für Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten endgültig verlassen. Aus der Zweiteilung des finalen Handlungsbegriffs in Handlung durch Tun und Handlung durch Unterlassen wurde eine Drei- und bei Kombination der Formen letztlich eine Vierteilung, wie sie Stratenwerth/Kuhlen131 als Anhänger der finalen Handlungslehre mit ihrer Differenzie-

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Arthur Kaufmann, FS Hellmuth Mayer, 95. Vgl. Roxin, AT I, § 8 Rn. 21, Jakobs, AT, 9/8 Fn. 12 und Struensee, JZ 1987, 55 f.: „Nieses Unternehmen endet also mit einer vollständigen Kapitulation des finalen Handlungsbegriffs vor der Fahrlässigkeit.“ 129 Welzel, JuS 1966, 424 und ders., Bild, S. 11. 130 Vgl. Zielinski, Handlungsunwert, S. 171 ff. und Krümpelmann, FS Bockelmann, S. 446, der die Einführung des „ohne-zu“- Rechtspflichtmerkmals gar als einen der „fruchtbarsten Ansätze der neueren Fahrlässigkeitsdogmatik“ bezeichnet. 131 Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 6 Rn. 9. 128

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2. Teil: Grundlagen

rung nach den „Grundunterscheidungen der Straftat“ tatsächlich vertreten. Das scheint das Ende eines das System tragenden finalen Handlungsbegriffs.132

c) Der soziale Handlungsbegriff Obwohl die Tatherrschaftslehre auf der finalen Handlungslehre errichtet wurde, sind aufgrund dieser Unzulänglichkeiten bei breitem Zuspruch zur Tatherrschaftslehre immer wieder Versuche unternommen worden, die Tatherrschaftslehre von ihrem Fundament abzukoppeln und sie auf eine neue handlungstheoretische Basis zu stellen. Tatherrschaft als „In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehens“ zeichnet sich aus durch eine Beherrschung der Ausführungshandlung aufgrund eines beherrschenden Willens, der nach außen hin wirksam geworden ist. Die Tatherrschaft steht so für ein Konglomerat von Verursachung (Tatbestandsverwirklichung durch den Täter) und Finalität (beherrschender, gestaltender Wille), wobei bei mehreren Verursachungsbeiträgen wertend zu entscheiden ist, wer die Tat (zumindest mit-)gestaltet hat und wem die Tat daher als „sein Werk“ zugerechnet werden kann. Der Maßstab der wertenden Zurechnung ist es, um den gestritten wird. Die finale Handlungslehre versucht diese Zurechnung allein vom ontologischen Standpunkt einer individualpsychischen Antizipation und Gestaltung der Kausalverläufe zu leisten. Hierin wird zumeist die Ursache für die dogmatischen Schwächen der finalen Handlungslehre gesehen. Denn es werde nur die Individualperson isoliert betrachtet, anstatt den Menschen auch als „Sozialperson“ zu sehen, als welcher er sich in die ihm von anderen Menschen vorgegebene Lebens- und Handlungsmustern und damit in die ihn gleichsam einschließend-aufnehmende Umwelt einfüge. Die Überschreitung der ihn so zugedachten gesellschaftlichen Rolle zum Funktionieren eines friedlichen, gemeinschaftlichen Zusammenlebens der Menschen sei es nämlich, was den wahren Unwert einer Straftat ausmache. Aufbauend auf der von Welzel selbst entwickelten Lehre von der Sozialadäquanz133 wird so die „soziale Inadäquanz“ zum wesentlichen Bestandteil der Handlung erhoben und so ein „sozialer Handlungsbegriff“ geprägt: Die Handlung sei „sozialerhebliches menschliches Verhalten“.134 ______________ 132 Die vorsichtige Formulierung verdeutlicht bereits, dass dies nicht tatsächlich das Aus der finalen Handlungslehre ist, wie es unten noch ausführlich dargelegt werden wird. 133 Welzel, Strafrecht, S. 55 f. 134 Begründet wurde der Handlungsbegriff von Eberhard Schmidt, Straftat, S. 2 f. und ders., Arzt, S. 75, wobei er bemüht war, ärztliche Handlungen mit Heiltendenz bereits vom Makel der Tatbestandsmäßigkeit zu befreien. Zu den weiteren Anhängern zählen Jescheck, FS Eberhard Schmidt, 153, Jescheck/Weigend, AT, S. 222 ff., Blei, Strafrecht

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Das Verhalten könne in der Ausübung von Zwecktätigkeit (Element der Finalität bei vorsätzlichen Begehungsdelikten), der reinen Verursachung (Element der Kausalität bei fahrlässigen Delikten) oder in einer Untätigkeit trotz einer bestimmten gesellschaftlichen Handlungserwartung (bei Unterlassungsdelikten) liegen, so dass die Handlung auch als „jede Antwort des Menschen auf eine erkannte oder wenigstens erkennbare Situationsanforderung durch Verwirklichung einer ihm nach seiner Freiheit zu Gebote stehenden Reaktionsmöglichkeit“135 bezeichnet werden könnte. So werde ein Kompromiss zwischen einer rein ontologischen und einer normativen Sinngebung geschaffen, der die soziale Wirklichkeit mit all seinen personalen, finalen, kausalen und normativen Aspekten umfasse136 und so einen alle Formen der Straftat umfassenden Oberbegriff schaffe. Verbindendes Kriterium sei die „soziale Relevanz“ eines jeden Verhaltens, das „das Verhältnis des Einzelnen zu seiner Umwelt betrifft und diese durch seine Auswirkungen berührt“137. Die verbreitete Akzeptanz dieser Lehre beruht in der Erfassung von vorsätzlichem wie fahrlässigen Verhalten durch Tun wie Unterlassen unter dem gemeinsamen Dach der „Sozialrelevanz“, ohne dass dem Dach ein anderer, inhaltlicher oder praktischer Wert zukommt. Dies wirkt sich auf die so begründete Tatherrschaftslehre aus, dass die Anhänger der sozialen Handlungslehre keinerlei Probleme haben, die Tatherrschaftslehre auch auf Unterlassungsdelikte138 und Fahrlässigkeitsdelikte zu beziehen und letztendlich eine fahrlässige Mittäterschaft zu bejahen139. Wegen dieses Verbindungselements regt sich kaum Widerspruch gegen die soziale Handlungslehre. „Operation gelungen, Patient tot!“ möchte man jedoch ausrufen. Denn der eigene Anspruch eines alle Deliktsformen umfassenden Oberbegriffs ist erkauft um den Preis einer verhängnisvollen Konturlosigkeit, wie nicht zuletzt die verschiedenen Ansätze zeigen: So wird die Handlung auch bezeichnet als „Verhaltensweisen mit sozialer Sinnhaftigkeit“140, als „sozialerhebliches menschliches Verhalten, das die Antwort des Menschen auf die ihm zu Gebote stehenden Handlungsmöglichkeiten bedeutet und ihn in seiner mit______________

I, S. 74, Engisch, FS Kohlrausch, S. 164, Wessels/Beulke, AT, Rn. 93 sowie Maihofer, FS Eberhard Schmidt, 1961, 156 ff. 135 Jescheck, FS Eberhard Schmidt, 151. 136 Gropp, AT, § 4 Rn. 57, Bloy, ZStW 90 (1978), S. 633 und Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 33/34. 137 Jescheck/Weigend, AT, S. 224. 138 So etwa Jescheck/Weigend, AT, S. 640 und Wessels/Beulke, AT, Rn. 734. 139 Vgl. nur Wessels/Beulke, AT, Rn. 507; die Differenzierung nach Beteiligungsformen halten auch Jescheck/Weigend, AT, S. 654 f. zumindest für den Bereich bewusster Fahrlässigkeit für möglich, sehen sich dann aber einer angeblich abweichenden gesetzlichen Wertung entgegen, nach der jedes ursächliche Verhalten täterschaftlich sei. 140 Eberhard Schmidt, Arzt, S. 75.

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menschlichen Rolle in Erscheinung treten lässt“141 oder als „das willkürliche Bewirken objektiv bezweckbarer Folgen seitens eines Menschen“142. Man kann so zwar von Ansichten mit einem gemeinsamen Nenner sprechen kann, aber bezweifeln, ob es die „soziale Handlungslehre“ als Lehre überhaupt gibt.143 Was ist zudem eine „Antwort des Menschen auf die ihm zu Gebote stehenden Handlungsmöglichkeiten“? Wie definiert man eine „nach seiner Freiheit zu Gebote stehende Reaktionsmöglichkeit“? All diese Formulierungen sind nichts weiter als „verbale Leerformeln“, die zu allgemein gehalten sind, um als Anknüpfungspunkt für konkrete gesetzliche Wertungen zu dienen.144 Konkretisierungen vermag erst der Gesetzgeber zu geben mittels Ausgestaltung der strafrechtlichen Verbotstatbestände: „Ein Verhalten wird dadurch als sozial erheblich eingestuft, indem es tatbestandlich vertypt ist. Es ist tatbestandsmäßig, weil es sozial unerträglich und damit Sozialerhebliches ist.“145 Der hierin enthaltene Zirkelschluss ist augenscheinlich: Aus „A ist B, weil B = C“ folgt „B = C, weil B A ist“. Oder: Die Ursache der Bewertung als Handlung ist das Ergebnis des Schlusses aus der Bewertung eines Verhaltens als Handlung. Am Beispiel: Eine Gewässerverunreinigung ist sozialerheblich, da der Gesetzgeber in § 324 StGB festlegt, dass dies so ist. Eine Handlung, an die § 324 StGB anknüpfen kann, liegt mit dem Schütten der Chemikalien in das Gewässer auch vor, denn dieses ist ja sozialerheblich. Diese Zirkularität könnte man nur vermeiden, indem man die ein Verhalten zu einem sozialerheblichen Verhalten erhebenden Kriterien aus der Unrechtsund Schuldebene bereits in den Handlungsbegriff hineinlesen würde. Dies würde allerdings zu einer Verlagerung von Straftatelementen und einer Belastung des Handlungsbegriffs führen, durch die nichts gewonnen würde146, außer vielleicht einer schleichenden Rückkehr in alte Zeiten: Handlung als Synonym für das Verbrechen.147 Das sozialerhebliche menschliche Verhalten mag damit zwar einen Oberbegriff bilden, nicht aber auch einen „sachlichen“148, der ein ganzes Strafrecht tragen könnte. Hauptanwendungsfall des Kriteriums der Sozialerheblichkeit ist und bleibt vielmehr die Handlung, die zwar tatbestandlich, aber auch sozial sinnvoll ist, ______________ 141

Jescheck, FS Eberhard Schmidt, 151. Engisch, FS Kohlrausch, S. 164. Zu weiteren Formulierungen vgl. die Auflistung bei Wessels/Beulke, AT, Rn. 91. 143 Ebenso kritisch Blei, Strafrecht I, S. 74, Otter, Funktionen, S. 74 und Hohmann, Personalität, S. 270: „Die soziale Handlungslehre gibt es also nicht.“ 144 Ebenso Hans Joachim Hirsch, ZStW 93 (1981), 853 und Otto, AT, § 5 Rn. 36. 145 Gropp, AT, § 4 Rn. 60. 146 Vgl. Otto, AT, § 5 Rn. 36 und Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 13 Rn. 87. 147 Vgl. hierzu den historischen Überblick bei Roxin, AT I, § 8 Rn. 8. 148 Hans Joachim Hirsch, ZStW 93 (1981), 855; ähnlich Roxin, AT I, § 8 Rn. 30. 142

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wie eben der ärztliche Heileingriff, der trotz des Erfolges der Heilung mit dem Zwischenschritt der Körperverletzung durch den Eingriff verbunden ist. So sehr sich die Lehre auch bemüht, sie kann ihrer Herkunft (Sozialadäquanz) nicht entfliehen – sie bleibt eine Zurechnungslehre, die auf der Ebene des Handlungsbegriffs verfrüht erfolgen würde.

d) Die personale Handlungslehre oder: Der Tatbestand als Grundkategorie des Strafrechts Andere Stimmen im Schrifttum legen aufgrund dieser Unstimmigkeiten der sozialen Handlungslehre den Blick wieder mehr auf das Individuum Täter. Bereits Welzel hatte die Täterschaft als das „personale Aktionszentrum des Unrechts“ beschrieben149, dann aber das Gewicht für die Zuschreibung von Täterschaft auf die Finalität gelegt. Roxin verlagerte dies und legte den Schwerpunkt auf die Tat als Ausdruck der täterlichen Persönlichkeit: Handlung sei alles, „was sich einem Menschen als seelisch-geistiges Aktionszentrum zuordnen lässt“150. Der personale Handlungsbegriff würde so schlicht als „Persönlichkeitsäußerung“ begriffen, in die subjektive Zielsetzungen und objektive Wirkungen, persönliche, soziale, rechtliche und andere Wertungen einfließen würden, die erst zusammen den Bedeutungsgehalt erschöpften.151 So könnte sowohl vorsätzliches wie fahrlässiges Handeln und selbst die unbewusst fahrlässige Unterlassung als dem Subjekt zurechenbare Äußerung von seiner Persönlichkeit verstanden werden.152 ______________ 149

Welzel, Strafrecht, S. 81. Roxin, AT I, § 8 Rn. 44; ähnlich Arthur Kaufmann, FS Hellmuth Mayer, 116, der die Handlung als eine „verantwortliche, sinnhafte Gestaltung der Wirklichkeit mit vom Willen beherrschbaren (dem Handelnden daher zurechenbaren) kausalen Folgen (im weitesten Sinn)“ bezeichnet, hierbei aber das Unterlassen nicht erfassen würde (vgl. zur Kritik an dieser Definition bei Roxin, AT I, § 8 Rn. 47 und Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 36) sowie Hohmann, Personalität, S. 298: Die „Handlung als personal konstituierte, daher intentional verfasste Strukturierung rechtlicher Wirklichkeit, abstrahiert die materialen Bedingungen des Verhältnisses vom Individuum und dem von ihm in Selbstvollzug reflektierten Kontext intersubjektiv-substantieller Eingebundenheit.“ 151 Roxin, AT I, § 8 Rn. 51. 152 So Roxin, AT I, § 8 Rn. 50 und Gropp, AT, § 4 Rn. 71; aA Jescheck/Weigend, AT, S. 222, nach denen eine Unterlassung bei Unkenntnis der Gefahrenlage kaum als Persönlichkeitsäußerung verstanden werden könnte. Hierbei wird aber übersehen, dass die Persönlichkeitsäußerung das Ergebnis eines umfangreichen Abwägungsprozesses ist, der bei entsprechender Ausgestaltung auch die unbewusst nachlässige Unterlassung 150

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2. Teil: Grundlagen

Diese Universalität beruht darauf, dass die seelisch-geistigen Akte des Menschen, die zu einem zweckhaften Gestalten führen (nochmals: ohne die eine Tatherrschaftslehre nicht leben kann!), dem Bereich der Ontologie entrissen und als wertend-normativ verstanden würden. Es wäre das, was Gallas einst in seinem Gutachten zur Strafrechtsreform so eindrucksvoll schilderte153: Der Täter verwirkliche den Tatbestand, wobei er durch seinen Willen „objektivgestaltend auf die Wirklichkeit einwirkt“154. Diese Finalität sei aber kein ontologischer Anknüpfungspunkt für die gesetzgeberischen Wertungen, sondern die Finalität sei in den Tatbestand als jeweils zusätzliche gesetzliche Voraussetzung hereinzulesen. Verlange § 212 StGB etwa ein Töten, so müsse dieses durch ein „Programm“ des Täters erfolgt sein, das nach seinen Vorstellungen geeignet gewesen sei, den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen. Oder vereinfacht ausgedrückt: Die eigentliche grundlegenden Systemkategorie des Strafrechts sei nicht der Handlungsbegriff, sondern der Unrechtstatbestand.155 Dies erlaube es gerade, die Finalität von ihren Schwierigkeiten (Unterlassen und Fahrlässigkeit) zu lösen und sie wertend durch das gesamte Tatbild zu bestimmen.156 Nennt man den Maßstab der zu verlangenden Finalität für eine Täterschaft „Tatherrschaft“, so wäre jene normative Tatherrschaftslehre gefunden, wie sie insbesondere Roxin praktiziert: Das Kennzeichen eines derartigen „Handlungsbegriffs“ wäre ein bloßer wertoffener Maßstab, der an der Wirklichkeit konkretisierend zu entfalten sei und der erst in der Fülle seiner Ausprägungen das Phänomen „Handlung“ erkennen ließe.157 Diese Formulierung begegnet einem konsequent in Roxins Werken ein zweites Mal, bei der Beschreibung der Tatherrschaft: Diese sei ein bloßes (inhaltsleeres) Leitprinzip, „das erst im Durchgang durch den gesamten Rechtsstoff zu inhaltlich konkreten Bestimmungen ausgearbeitet werden“ könnte und so je nach Deliktstyp und Täterschaftsform differenzierte Täterschaftsmerkmale ergeben würde.158 Die hiermit verbundene Offenheit für alle Deliktsformen ist zwar zu begrüßen. Auf der anderen Seite geraten Wertungsaspekte in den Mittelpunkt, die noch nicht einmal näher klassifiziert werden. Es entsteht ein Wertungsrahmen, bei dem jeder Rechtsanwender seine Vorstellungen von Recht und Gesetz einfließen lassen und so zu einer Verurteilung kommen kann oder auch nicht. Es stünde zu befürchten, dass mit dem Recht allgemein so umgegangen würde wie

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etwa alleine wegen des gesellschaftlichen Pflichtenbezugs zu einem rechtlich-relevanten Ausdruck der Persönlichkeit stempeln kann. 153 Gallas, Beiträge, S. 86 ff. 154 Gallas, Beiträge, S. 86. 155 So Gallas, Beiträge, S. 30 und Roxin, AT I, § 8 Rn.42, der seinen personalen Handlungsbegriff nur aus theoretischem Interesse entwickelt habe. 156 Gallas, Beiträge, S. 89. 157 Roxin, AT I, § 8 Rn. 74. 158 LK/Roxin, § 25 Rn. 36 und ders., TuT, S. 123 ff.

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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mit Unterlassungstaten vor der Kodifizierung des § 13 StGB. Diesen Rechtszustand reiner richterlicher Wertung hatte Bockelmann einst zutreffend beschrieben als einen „verderblichen Perfektionismus [...], der dahin strebt, jedes irgendwie unmoralische Verhalten auf dem Wege der Bestrafung wegen unechter Unterlassungsdelikte zu pönalisieren“159. Denn es würden mit einem normativen Handlungsbegriff nicht nur unscharfe Rechtsbegriffe und offene Wertmaßstäbe und damit letztlich eine Konturlosigkeit geschaffen, die sich das Strafrecht vor dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht leisten kann, schon gar bei ihrem Grundbaustein. Es würde auch die äußerste Strafrechtsgrenze verschwinden: die reale Handlungsmöglichkeit als äußerste Grenze der Zurechenbarkeit als „Menschenwerk“. Diese Probleme würden sich durch die gesetzliche Normierung der Täterschaft als einer Tatbestandsverwirklichung durch eine Handlung in der Täterschaft fortsetzen, die als wackeliges Haus auf dem schiefen Fundament stünde. Roxins Lehre verdeutlicht dies wie nichts anderes am deutlichsten.

e) Eine Zurechnungslehre als Ersatz der Handlungslehre Ähnlichen Einwendungen sehen sich auch jene ausgesetzt, die „die Fäden des Systems“ bei der Zurechnung „zusammenlaufen“ sehen, in der „alle Einzelmomente des Rechts in ihrer Verknüpfung vorangelegt“ seien und die so die Einheit des Systems des Strafrechts bewerkstellige. Nicht auf die Handlungslehre, sondern auf die Zurechnung auf Grund verwirklichter Rechtspflichtverletzung sei als Zentrum des Strafrechts abzustellen.160 Ausgehend von der personalen Unrechtslehre wird der Schutz der Rechtsgüter dadurch als garantiert angesehen, dass „die Rechtsnormen Achtung vor den ______________ 159

Bockelmann, Niederschriften II, S. 277. In diese Richtung Otto, AT, § 5 Rn. 37 ff., ders., ZStW 87 (1975), 554 ff. und 567, Hardwig, JZ 1969, 462, und Reyes, ZStW 105 (1993), 127. Ähnlich versteht sich auch die sogenannte negative Handlungslehre, nach der die Handlung ein „vermeidbares Nichtvermeiden in Garantenstellung“ sei, konstituiere doch gerade das Unterlassungsdelikt „das reine Bild dessen“, „was die Tatbestandserfüllung schlechthin ausmacht“ (Herzberg, JZ 1988, 573 ff., modifiziert in ders., GA 1996, 10 Fn. 18). Zum entscheidenden Täterkriterium würde „das Verabsäumen der Selbsthemmung“. Doch hiermit wird der eigentliche Kern deutlich: Der aktive Täter, der als Gestalter der Wirklichkeit den Kausalverlauf in Gang setzt, würde stilisiert zum „mehr oder weniger hilflosen Opfer unabänderbarer Geschehensabläufer“, als Nebendarsteller und nicht „Regisseur und Hauptdarsteller“ (Zentralgestalt) (in diesem Sinne bereits Brammsen, JZ 1989, 73). Dies mag verdeutlichen, dass der Täter hiernach nicht durch seine Handlung zum Täter würde, sondern weil ihm die Täterqualität normativ wegen seiner Nichthemmung zugerechnet würde. 160

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2. Teil: Grundlagen

Rechtsgütern begründen, festigen oder sicherstellen“161. Das Strafrecht wird „als gesellschaftlicher Kontrollmechanismus“ angesehen, dass „an zwischenmenschlichen Beziehungen, an der Art und Weise, in der sich das Leben des Menschen in Gesellschaft abspielen soll“, interessiert sei.162 Um jedem Individuum in unserer Gesellschaft die Entfaltung bestimmter Aktivitäten zu erlauben, sei es daher das Wesen der Gesellschaft, „die Grenzen der Macht des Einzelnen abzustecken, dem Einzelnen seine Machtsphäre und Unverletzlichkeit dieser Machtsphäre zu garantieren“163 und dem Einzelnen so eine zur Erfüllung seiner sozialen Rolle bestimmte Rolle zuzuerkennen, eine gesellschaftliche „Organisationszuständigkeit“164. Nur wenn jeder seiner Rolle entspreche, sei ein harmonisches gesellschaftliches Zusammenleben möglich, so dass jede soziale Rolle mit Handlungserwartungen der anderen verbunden sei. Deren Enttäuschung störe die Gesellschaft und werde als Unrecht angesehen.165 Der Grund der Zurechnung eines strafrechtlichen Geschehens zu einer Person als sein (täterschaftliches) Werk wird damit in der vermeidbaren166 Verletzung einer Handlungserwartung durch ein Subjekt gesehen. Ein derartiges Grundelement könnte zwar ebenfalls sämtliche Deliktsgruppen erfassen, gibt es doch in allen Deliktstypen Handlungserwartungen und Erwartungsenttäuschungen. Dies ist besonders deutlich auf dem Fahrlässigkeitsbereich: Jeder Mensch erwartet, dass der andere nicht in einer Weise nachlässig ist, dass die eigenen Rechtsgüter gefährdet oder gar verletzt werden. Er verlangt vielmehr, dass auch der andere die Grenzen des erlaubten Risikos nicht überschreitet und keine Sorgfaltspflichtverletzung begeht. Dies würde für eine andere Person wie für ein durch mehrere Personen ausgeführtes Projekt gelten. Wenn im Pandektenbeispiel zwei Personen einen Balken auf den Boden werfen, so erwartet jeder Fußgänger, dass sie dies nicht unsorgfältig in einer Weise zusammen tun, dass er verletzt würde. Wieso Otto als wesentlicher Verfechter dieser Zurechnungslehre als Grundelement des Strafrechts und damit der Täterschaft zum Vorreiter auch der fahrlässigen Mittäterschaft wurde, wird hier deutlich. So bedeutsam die objektive Zurechnung in letzter Zeit für das Strafrecht auch geworden ist, so wird eine abstrakte Zurechnungslehre doch niemals als Grundpfeiler des Strafrechts bestehen können. Sie lässt einfach als wertende ______________ 161

Otto, ZStW 87 (1975), 546. Reyes, ZStW 105 (1993), 116. 163 Otto, ZStW 87 (1975), 551. 164 Jakobs, GedS Armin Kaufmann, 284 ff.; ähnlich ders., AT, 7/4a f. 165 Otto, ZStW 87 (1975), 551 und 558, Jakobs, Handlungsbegriff, S. 31 sowie Reyes, ZStW 105 (1993), 116, 118 und 124. 166 Vgl. zur Vermeidemöglichkeit als Grundbedingung der Zurechnungslehre Brammsen. JZ 1989, 76. 162

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Kategorie außer Acht, „dass die soziale Praxis zwischen den Personen nicht eine Welt vermiedener und/oder nicht-vermiedener Zustände und Geschehensabläufe hervorbringt, sondern [...] sinnhaft gestaltete [...] Realität“167. Diese Grenze hatte bereits Hegel gesehen und nicht umsonst geschrieben: „Diese [anderen Folgen], als der Handlung nicht angehörend, können ihr nicht zugerechnet werden“168. In diesem Sinne erkennen auch die Vertreter der Zurechnung als Grundkategorie des Strafrechts an, dass das Strafrecht „Veränderungen der äußeren Welt, die auf menschliches Verhalten zurückzuführen sind“, behandelt169 und die Zurechnung so auf menschliches Verhalten bezogen ist. In erster Linie bleibt daher die finale Handlung des Einzelnen als Anknüpfungspunkt einer rechtlichen Wertung, die erst bestimmt, ob ein bestimmter Deliktserfolg einer Person als täterschaftliches Werk zugerechnet wird oder nicht. Ohne einen Handlungsbegriff wäre die Zurechnung daher freischwebend in der Luft, ein Nichts. Der eigentliche Sinn der Zurechnungslehre liegt somit in der Einschränkung der Verantwortlichkeit für eine Handlung. Hiermit mag die Zurechnung im Erdgeschoss des Hochhauses Strafrecht sein, die Handlung bildet aber bereits das Fundament.

f) Eigener Handlungsbegriff Die wertenden Handlungsbegriffsansätze haben verdeutlicht, dass es eine Kombination von Wertung und Ontologie schwerlich geben kann. Die Wertungskomponente würde die ontologische Seite immer in einer Weise dominieren, dass von dieser kaum etwas übrig bliebe. Strafrecht mit seiner Aufgabe, ein friedliches Miteinadersein der Menschen zu ermöglichen, setzt hierfür aber ein Mindestmaß an Affinität zwischen dem Gegenstand und dem Instrument der Regelung voraus, so dass auf die ontologische Komponente nicht verzichtet werden kann. Wir können festhalten: Die Handlungslehre ist ein rein ontologisches Problem. Der mit ihm verbundene Handlungsbegriff ist in erster Linie als eine dem Tatbestand vorgelagerte Rechtsfigur der Realität verbunden, dem Wesen des Menschen, durch den er Menschenunmögliches ausschließt und sicherstellt, dass nur reale menschliche Werke sanktioniert werden. Nur auf dieser Grundlage kann es gelingen, einen Handlungsbegriff und darauf aufbauend einen Täterbegriff zu konstruieren, der mehr ist als ein inhaltsleerer Oberbegriff. ______________ 167

Kahlo, Unterlassung, S. 54. Hegel, Vorlesungen, § 118 (=S. 360). 169 Reyes, ZStW 105 (1993), 123. 168

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2. Teil: Grundlagen

Hierzu müssen wir über unseren Stolz hinweg uns auf das Gebiet einer anderen Wissenschaft begeben, der Neuropsychologie als Lehre vom Verständnis menschlichen Denkens und dessen Umsetzung.

aa) Das neurologische Handlungsmodell In der Neuropsychologie war es neben Erkenntnissen aufgrund verschiedener Gehirnkrankheiten eine verwunderliche Versuchsbeobachtung, die den Ablauf menschlicher Handlungen wesentlich vorangetrieben hat: 1965 wollten die deutschen Wissenschaftler Kornhuber und Deecke experimentell mit einem Elektronenenzephalogramm (EEG) den Zusammenhang zwischen willkürlichen Hand- und Fußbewegungen erforschen. Hierbei stellten sie fest, dass das EEG bereits etwa eine Sekunde vor der Handlung ein Wellenmuster auswies.170 Libet171 konnte dies nicht glauben und versuchte einen abgeänderten (berühmt gewordenen) Versuchsaufbau: Versuchspersonen wurden darauf trainiert, in einer Zeit von 3 Sekunden zu irgend einem Zeitpunkt den Entschluss zu fassen, einen Finger der rechten Hand oder die rechte Hand ganz zu beugen. Der Beginn der Reaktion wurde über das Elektrohymogramm gemessen. Dabei blickten die Versuchspersonen auf eine mit einer Periode von 2,56 Sekunden rotierende Uhr. Die Versuchspersonen sollten sich den Ort des Zeigers merken, als sie sich zur Bewegung entschlossen; in einer anderen Versuchsreihe genügte es, sich zu merken, ob sie sich vor oder nach dem Stop der Rotation entschlossen. Das Ergebnis überraschte. Bereits 550-250 Millisekunden vor dem subjektiven Willensentschluss feuerten im Gehirn in präziser Abstimmung mit dem die Bewegung auslösenden Signal Neuronen, die von zentralen, aktionsvorbereitenden Programmen kontrolliert werden und signalisierten so eine bestimmte motorische Handlung auszuführen (sog. Bereitschaftspotential).172 Dies konnte nur eines bedeuten, wie Libet/Gleason/Wright/Pearl es eingestanden: „Since onset of RP regularly begins at least several hundreds of milliseconds before the appearance of a reportable time for awareness of any subjective intention or wish to act, it would appear that some neuronal activity associated with the eventual performance of the act has started well before any (recallable) conscious initiation or intervention could be possible. Put another way, the brain evidently ,decides‘ to initiate or, at the least, prepare to initiate the act at a time before there is any reportable subjective awareness that such a decision has ______________ 170

Vgl. Volker Lange, www.morgenwelt.de/wissenschaft/9902-gehirn.htm. Libet/Gleason/Wright/Pearl, Brain 106 (1983), 623 ff. 172 Vgl. hierzu Gerhard Roth, Fühlen, S. 437 ff., ders., Das Gehirn und seine Wirklichkeit, S. 307, Heinrich Reichert, Neurobiologie, S. 139 und Kandel/Schwartz/Jessell, Neurowissenschaften, S. 547. 171

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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taken place. It is concluded that cerebral initiation even of a spontaneous voluntary act, of the kind studied here, can and usally does begin unconsciously.”173 Diese Versuchsergebnisse sind zwar immer wieder kritisiert worden.174 Neben vergleichbaren Ergebnissen von Haggard und Eimer175 bestätigen aber vor allem verschiedene Befunde hirnkranker Menschen – insbesondere ParkinsonPatienten176 –, dass endlich die „ewige Frage“177 nach Determinismus178 und Indeterminismus179 beantwortet scheint. So formulierte der Direktor am MaxPlanck-Institut für Psychologische Forschung Prinz einprägsam: „Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun.“180 Viel wichtiger als diese Erkenntnis ist aber die mit diesem neurologischen Befund einhergehende Möglichkeit, den Ablauf der menschlichen Handlung ziemlich genau zu beschreiben: Der Mensch nimmt seine Umwelt über die Sinnesorgane wahr, etwa visuell durch die Retina. Von hier laufen unterschiedliche Aspekte des Seheindrucks zu Zentren des limbischen Systems, insbesondere zur Amygdala (dem „Mandelkern“), die für die Steuerung von Emotionen zuständig ist. Die Amygdala beeinflusst das vegetative Nervensystem und sorgt damit etwa bei einem Angsteindruck für den bekannten Angstschweiß oder eine Erhöhung der Herzfrequenz.181 Zugleich leitet sie die Informationen zum ventralen Striatum, auch Nucleus accumbens („anliegender Kern“) genannt, das zum ventralen Pallidum im Zwischenhirn projiziert, der zum Thalamus projiziert. Der Thalamus leitet die Signale seinerseits zum orbitofrontalen und cingulären Cortex und schließlich zurück zum ventralen Stratum. In dieser ventralen Schleife werden unsere Wünsche, Pläne und Motive festgelegt und ein Handlungsziel gefasst oder fallengelassen. ______________ 173

Libet/Gleason/Wright/Pearl, Brain 106 (1983), 640. So zuletzt Pauen, Illusion, S. 200 ff., Reinelt, NJW 2004, 2792 f. und Burkhardt, FS Eser, 88. 175 Haggard/Eimer, Brain Research 126 (1999), 128 ff. 176 Hierzu Gerhard Roth, FS Lampe, 50. 177 Heinrich Henkel, Einführung, S. 254. 178 Zu den Anhängern eines festgelegten menschlichen Verhaltens aufgrund vorangegangener Gegebenheiten zählen Hume, Treatise, S. 546, Gerhard Roth, Fühlen, S. 427 ff., Lackner, FS Kleinknecht, S. 248 ff., Burkhard, FS Lenckner, 3 ff., Danner, Willen, S. 13, Woesner, NJW 1965, 1250 und zuletzt auch anhand der aktuellen neurologischen Befunde Anja Schiemann, NJW 2004, 2059. 179 Insbesondere im strafrechtlichen Schrifttum ist die Anhängerschaft eines „freien Willens“ verbreitet: vgl. nur Bockelmann, ZStW 75 (1963), 387, LK/Jähnke, § 20 Rn.8, Schmidhäuser, Lb AT, 6/24, Eduard Dreher, ZStW 95 (1983), 370, ders., Willensfreiheit, S. 396, Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 110 sowie Tiemeyer, ZStW 105 (1993), 486 und 501. 180 Zitiert nach Volker Lange, www.morgenwelt.de/wissenschaft/9902-gehirn.htm. 181 Roth, Fühlen, S. 273. 174

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2. Teil: Grundlagen

Das Striatum (Streifenkörper) ist hierbei von Bedeutung für die Kontrolle der Informationsverarbeitung.182 Der Thalamus verarbeitet hingegen die sensorischen Informationen.183 Beide Instanzen werden hierbei vom sogenannten limbischen System beeinflusst. Zu diesem System gehören Kerngebiete im Mittelhirn (Ventrale Tegmentale Areal, Zentrale Tegmentale Höhlengrau), Kerngebiete im Zwischenhirn (ventrale Pallidum, die Mammillarkörper, die Habenula sowie Kerne des Thalamus und der Hypothalamus) sowie Gebiete im Endhirn (wie den orbitofrontalen und cingulären Cortex, die Amygdala und das ventrale Striatum). Das limbische System besitzt so über die Amygdala ein „stark rückgekoppeltes System zum Erkennen emotionsgeladener Szenen und Gegenstände“184 und mit dem orbitofrontalen Cortex eine Bewertungsinstanz für die registrierten Eindrücke über den Hippocampus einen Zugriff auf die Gedächtnisinhalte. So kann das System Belohnungsereignisse registrieren und auf neue drängen („Wahrnehmungen induzieren Handlungstendenzen“).185 Mit Belohnung ist hierbei die Erzeugung oder Aufrechterhaltung positiver, lustvoller und daher eben als Belohnung wirkender Gefühlszustände gemeint. Wie Untersuchungen gezeigt haben, führt die Aufnahme schmackhafter Nahrung oder deren bloße Anblick durch die Aktivität von Neuronen im Hypothalamus zu einer Freisetzung von Neuromodulatoren im mesolimbischen System, insbesondere von dem Stoff Dopamin186, der als Signal zur Freisetzung des Belohnungsstoffs dient, einem hirneigenen Opiat187. Aufgrund einer Bewertung der Geschehnisses und deren Abgleich mit dem emotionalen Gedächtnis188 kommt es so zur Entwicklung von Handlungszielen. Die Eindrücke der Sinnesorgane laufen zudem neben dem kurzen Weg zum limbischen System parallel einen längeren Weg zu den entsprechenden Arealen im Cortex, wie zum Beispiel zu den temporalen und parietalen visuellen Cortexarealen. Im (präfrontalen) Cortex erfolgt dann unter Einbeziehung des hier verwalteten Arbeitsgedächtnisses die sachlich-analytische Bewertung der Seheindrücke. Diese kann sich durchaus konträr zum Ergebnis des emotionalen limbischen Systems verhalten. So kommt es zum idealen Zusammenspiel: Die Seheindrücke gelangen schnell in das limbische System und bewirken dort in Notsituationen, dass der Nucleus accumbens über die dorsale Schleife und den prämotorischen und motorischen Cortex mittels des Dopaminsignals unmittelbar die notwendigen ______________ 182

Kandel/Schwartz/Jessell, Neurowissenschaften, S. 559. Roth, Fühlen, S. 95. 184 Roth, Fühlen, S. 250. 185 Roth, Fühlen, S. 246 und 412. 186 Roth, Fühlen, S. 297 f. 187 Roth, Fühlen, S. 301. 188 Vgl. hierzu Roth, Fühlen, S.252, 282. 183

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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Muskeln intervenieren kann. Dies ermöglicht eine („reflexartige“) Reaktion auf Eindrücke innerhalb von 30 Millisekunden189 und sichert so unser Überleben in brenzligen Situationen. Erst danach gelangen die sensorischen Eindrücke über die Parallelbahnen in das basale Vorderhirn, das als „Zentrum für Aufmerksamkeitssteuerung“ uns die Eindrücke bewusst werden lässt, und die anderen Regionen des Cortex, die die Situation streng logisch durchdenken. Deren Ergebnisse ergänzen die bereits zuvor im limbischen System getroffenen emotionalen Erkenntnisse und ausgearbeitete Handlungsziele. Kommt es zu Widersprüchen, so wird die ventrale Schleife mehrfach durchlaufen (das Ergebnis also unter emotionaler und sachlicher Analyse mehrfach betrachtet), wobei mit steigender Bedeutung des „Problems“ das emotionale System gewinnt.190 Haben wir uns so durch unser „Bewertungssystem im Dienste der Verhaltenssteuerung“191 für ein Handlungsziel „entschieden“, geht es nur noch um die Planung der Details, um das Wann und Wie. Hierzu liefert der präfrontale Cortex (insbesondere der präfrontale Assoziationscortex als eines der drei Assoziationsfelder in der Großhirnhemisphäre192) Informationen für die Anpassung an komplexe Anforderungen und Erwartungen der sozialen Umwelt193. Mit diesen abgeglichen erfolgt die eigentliche planerische Entscheidung in den Basalganglien, die tief im Innern des Großhirns liegen und die unter anderem das Striatum, die Substantia nigra und den Nucleus accumbens beherbergen.194 Für ihren Planungsprozess sind die Basalganglien prädestiniert. Denn sie haben nicht nur Eingänge aus einer Vielzahl kortikaler wie somatoper Regionen195, sondern auch einen direkten Zugriff auf die Gedächtnisinhalte196 und vermögen so ein Muster von Bewegungsvorgängen in Abhängigkeit zum anvisierten zu erstellen und es an das Ziel anzupassen. So kommt es zur Ausgestaltung eines Bewegungskommandos, das an die prämotorischen und motorischen corticalen Gebiete weitergegeben wird197, allerdings erst nach einem Dopaminsignal von der Substantia nigra zum dorsalen Striatum, das die sogenannte dorsale Schleife (bestehend aus Basalganglien und motorischen, prä- und supplementär-

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Roth, Fühlen, S. 379. Roth, Fühlen, S. 322 und 425; vgl. auch ders., Gehirn, S. 305. 191 Roth, Fühlen, S. 322. 192 Kandel/Schwartz/Jessell, Neurowissenschaften, S. 354. 193 Kandel/Schwartz/Jessell, Neurowissenschaften, S. 552 f. und Heinrich Reichert, Neurobiologie, S. 166 ff. 194 Diese Bedeutung zeigen Untersuchungen an Parkinson-Patienten, die schließlich völlig unfähig werden, sich willentlich zu bewegen. Die Ursache hierfür ist ein Mangel an dem Neurotransmitter Dopamin, das schließlich nahezu aus dem Gehirn verschwindet. Die Folge ist eine Degeneration dopaminerger Neuronen in der Substantia nigra. Vgl. Kandel/Schwartz/Jessell, Neurowissenschaften, S. 559. 195 Dudel/Menzel/Schmidt, Neurowissenschaft, S. 211. 196 Roth, Fühlen, S. 418 sowie ders., Gehirn, S. 306. 197 Kandel/Schwartz/Jessell, Neurowissenschaften, S. 552 f. 190

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2. Teil: Grundlagen

motorischen Cortexarealen)198 instruktiv oder permissiv „freischaltet“. Hier besteht für das limbische System über seinen Zugriff auf die Substantia nigra eine letzte Einwirkmöglichkeit, um sicherzustellen, dass die ausgewählte Handlung der emotionalen Ausrichtung entspricht und förderlich ist.199 Nach der endgültigen Freischaltung wird das symmetrische Bereitschaftspotential im supplementär-motorischen Areal und dem davor liegenden präsupplementär-motorischen Areal aufgebaut, gefolgt vom lateralisierten Bereitschaftspotential, das die Aktivität des motorischen Cortex widerspiegelt.200 Dieser sendet als „motorisches Befehlszentrum“ den Befehl an die motorischen Zentren des Hirnstammes, in denen alle motorischen Befehle abgestimmt und an das Rückenmark weitergesandt werden. So gelangt das Signal letztlich an die Motoneuronen („gemeinsame Endstrecke“)201, die die jeweiligen Muskeln intervenieren. Parallel zu diesen hierarchischen Strukturen laufen Informationen in parallelen Übertragungskanälen zurück, so dass etwa das Cerebellum im Kleinhirn über diese Informationen eine jeweilige Anpassung der motorischen Programme vornehmen kann.202 Dieses Handlungsmodell verdeutlicht uns zweierlei: Neuropsychologisch erfahren wir einerseits, dass unser Gehirn zumeist schon für uns entschieden hat, bevor uns ein Problem und seine Handlungsmöglichkeiten bewusst werden.203 Zum anderen wurde die zentrale Stellung der emotionalen Instanz deutlich, so dass nicht von ungefähr behauptet wird, dass wir von unseren Emotionen beherrscht werden204. Wird das hierfür zuständige limbische System beschädigt, so werden wir beispielsweise unfähig, eine falsche Strategie beim Glücksspiel anzupassen und verlieren alles, obwohl wir die Einsicht in die falsche Strategie durchaus hatten – eine Verletzung des für Gefühle und Emotionen zuständigen Systems führt also zu Unvernunft!205 Des-

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Roth, Fühlen, S. 418. Roth, Fühlen, S. 425. 200 Roth, Fühlen, S. 380 und 418. 201 Kandel/Schwartz/Jessell, Neurowissenschaften, S.504. 202 Kandel/Schwartz/Jessell, Neurowissenschaften, S. 549. 203 Krit. hierzu Burkhardt, FS Eser, 82 ff. aufgrund eigener Empfindungen zum Freiheitserleben und einer Vorverlagerung des Bewusstseins der Handlungsmöglichkeiten (etwa durch Bereitstellung zum Libet-Experiment). Hierbei verkennt er aber, dass es nicht darum geht, den Menschen als willensloses Lebewesen mit reinem Automatismus zu entlarven, sondern den Ablauf der menschlichen Handlungsentscheidungen zu beschreiben. 204 Vgl. hierzu zuletzt Klaus Bachmann, GEOWissen 2003, 24 ff. und Ochmann, Stern 2003, 96 ff. 205 Roth, Fühlen, S. 262 f. 199

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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cartes „Ich denke, also bin ich“ ist Damasios „Ich fühle, also bin ich“206 gewichen.207 Strafrechtlich hat die Erkenntnis fehlender Willensfreiheit zwar schwerwiegende Auswirkungen auf die Begriffe der Schuld (die der Bundesgerichtshof auf ein freies Anders-Handeln-Können stützt)208 und der Strafe209 sowie auf einzelne Deliktsbereiche wie die Mordmerkmale.210 Man muss die Willensfreiheit aber dennoch als wissenschaftlich indizierte Realität begreifen und den Handlungsbegriff als Begrenzung des menschlich Möglichen hiernach bilden. So hat die Realität aufgezeigt, dass jedem menschlichen Handeln ein Handlungsziel vorausgeht, so dass der finale Handlungsbegriff die Seinsstruktur der ______________ 206

So der Titel von Damasios Grundsatzarbeit „Ich fühle, also bin ich, Die Entschlüsselung des Bewusstseins“, 4. Aufl., München 2003. 207 Bewusst bin ich mir des hiermit verbundenen Angriffs auf die Vernunft und damit auch auf das von der Kirche propagierte freiheitliche Menschenbild. Eine Vernunft wird mit der Annahme fehlender Willensfreiheit jedoch nicht gänzlich geleugnet. Denn der Mensch denkt über die corticalen Strukturen analytisch und sammelt und bewertet Informationen, die für seine praktischen Reaktionen von Bedeutung sind: Sie vermitteln ihm seine Stellung in der Welt und lassen ihn subjektiv Pflichtregungen und ein Gewissen empfinden, wenngleich diese subjektive Vernunft mit der reinen Vernunft Kants nicht deckungsgleich ist (vgl. Heinrich Henkel, Einführung, S. 247 ff. 208 Vgl. BGHSt. 2, 194 (200 f.), so dass im Grunde alle Menschen nur „vermindert schuldfähig“ sein müssten (so Fritz Bauer, Verbrechen, S. 19). Der Gesetzgeber hat jedoch mit §§ 19 ff. StGB normativ gewertet, dass jeder, der nicht die Voraussetzungen der dort geregelten Voraussetzungen erfüllt, als voll schuldfähig anzusehen ist – man kann von einer „staatsnotwendigen Fiktion“ (Gallas, Beiträge, S. 99; ebenso Woesner, NJW 1965, 1252) oder einem normativen Schuldbegriff sprechen; ebenso Roxin, ZStW 96 (1984), 648, Figueiredo Dias, ZStW 95 (1983), 242 f. und Hochhuth, JZ 2005, 748 sowie in diese Richtung auch Jakobs, ZStW 117 (2005), 255 ff., der von einer normativen Soll-Person als Adressat der Normen spricht, von der das Individuum zu unterscheiden sei. Leider erlaubt der begrenzte Platz im Rahmen dieser Arbeit kein ausführlicheres Eingehen auf diese hochspannende Grundsatzfrage. 209 Folge für die Bestrafung ist, dass aus dem Vierklang der Strafzwecke ein Dreiklang wird, fällt doch die Sühne in sich zusammen und gewinnt die Prävention mehr an Bedeutung. Die Gesellschaft muss nicht nur vor dem Täter geschützt werden, sondern der Täter muss auch durch die Bestrafung für die Zukunft anders motiviert werden. Vgl. Singer, Spektrum der Wissenschaft, Dossier 2/2002, 45. 210 Im Rahmen der niedrigen Beweggründe führte der BGH, NStZ 2004, 34 im Anschluss an BGHSt. 28, 210 (212) etwa wieder aus: „Spielen bei der Tat gefühlmäßige oder triebhafte Regungen, wie es die festgestellten Motive Verärgerung, Wut und Rache sind, so muss sich der Tatrichter in aller Regel damit auseinandersetzen, ob der Angeklagte in der Lage war, sie gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (Hervorhebung durch den Verf.). Beherrschen aber gerade die Emotionen unser Handeln, so ist derartiges nicht möglich. Vgl. hierzu auch BGE 80 IV, 234 und BGE 82 IV, 6.

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2. Teil: Grundlagen

Handlung durchaus zutreffend umschrieben hat.211 Während Aristoteles jedoch noch das „Begehrungsvermögen“ als treibende Kraft bei der Bildung des Handlungsziels gesehen hatte212, stellte Welzel den gestaltenden menschlichen Willen in den Mittelpunkt.213 Wir sehen nun, dass Aristoteles bereits Recht hatte: Die Handlungsziele werden maßgeblich emotional besetzt mit dem internen Begehren einer Belohnung. Aber noch ein wesentliches Element des Handlungsbegriffs haben wir kennen gelernt: Neben der Finalität wird jede Handlungsweise charakterisiert durch einen Informationsprozess im Vorfeld des Entschlusses in der ventralen Schleife, wie ihn bereits Weinberger214 zu Recht in den Mittelpunkt stellte. So können wir nun einen Handlungsbegriff fixieren: Handlung ist jede auf einem emotional-sachlichen Abwägungsvorgang beruhende (emotionsbedingt) finale (Muskel-)Bewegung. Ob dieser eventuell noch anzupassen ist, müssen die beiden rechtlichen Prüfsteine für einen derartigen Handlungsbegriff als Grundpfeiler eines ganzen Strafrechts zeigen: die Unterlassungs- und die Fahrlässigkeitsdelikte.

bb) Der emotionsbedingt-finale Handlungsbegriff und die Unterlassungsdelikte Handlungsbegriffe haben sich mit den Unterlassungsdelikten immer schwer getan. Dies liegt an der grundsätzlichen Verschiedenheit von Tun und Unterlassen und dem gleichzeitigen Auftrag an jeden Handlungsbegriff, als Grundelement jeder Deliktsform zu fungieren. Zur Lösung trägt hier das Wesen des § 13 StGB bei: Diese Norm knüpft bei der Regelung der unechten Unterlassungsstraftat an den „Täter oder Teilnehmer, der den Erfolg durch ein Tun herbeiführt“ an. Sie bezeichnet also die Voraussetzungen, unter denen der Unterlassende dem aktiv Handelnden tatbestandsmäßig gleichsteht.215 Ein Unterlassen, das für sich nicht einen ein Tun verlangenden Tatbestand erfüllen würde, wird so über § 13 StGB zu einer tatbestandsmäßigen Handlung. Oder dogmatisch: § 13 StGB statuiert eine „straf______________ 211 So bereits Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 30 ff., wobei die Nachrufe auf den finalen Handlungsbegriff gar als „verfrüht” bezeichnet werden. 212 Aristoteles, Seele, S. 112 f. 213 Welzel, Strafrecht, S. 34, ders., JuS 1966, 424, ders., NJW 1968, 426 vgl. auch Hohmann, Personalität, S. 251. 214 Weinberger, FS Klug I, 199 ff. 215 Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuches nach Beschlüssen der Grossen Strafrechtskommission, 1958, S. 21 (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. auch Eberhard Schmidt, Niederschriften II, S. 267: „Die sogenannte Unterlassung soll unter Gesichtspunkten der Tatbestandsmäßigkeit dem positiven Tun gleichgeordnet werden.“

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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begründende Analogie“216 zu jenen Delikten, die in ihrer Tatbestandsbeschreibung ein Tun verlangen. Würde eine Gleichstellung bereits auf der Handlungsebene erfolgt sein, wäre § 13 StGB schlichtweg überflüssig. Soweit die normativen Ansätze eines Handlungsbegriffs also versucht haben, mit Wertungen das Nichterfassen des Unterlassens über die Finalität zu überwinden, haben sie faktisch § 13 StGB bereits vor den Tatbestand gezogen und beruhen so auf einer „zu früh angesetzten Normativierung“217. Auf der dagegen primär zu betrachtenden ontologischen Ebene halten sich weiterhin Radbruchs berühmte Worte: „Die Unterlassung hat also nicht nur die Merkmale Wille, Tat und Kausalität zwischen beiden nicht mit der Handlung gemein, sie erschöpft sich vielmehr gerade darin, sie zu verneinen. Besäße sie an Stelle jener Merkmale andere positive Merkmale, so wäre noch Hoffnung, sie mit der Handlung unter einen Hut zu bringen. So aber lassen sich, so wahr man nicht Position und Negation, a und non-a unter einen Oberbegriff bringen kann, auch Handlung und Unterlassung nicht unter einen solchen zusammenbiegen, er nenne sich nun Handlung im weiteren Sinne, menschliches Verhalten, oder wie immer sonst!“218 Recht hat Radbruch hierbei aber nur mit einer Sache: Das Nichtstun hat in der Tat keine Handlungsqualität, es ist ein ontologisches Nichts. Anders sieht es aber aus, wenn man konkret „etwas“ nicht tut.219 Der Vater, der seinen ertrinkenden Sohn nicht rettet, tut nicht einfach nichts durch das Herumliegen am Strand. Er tut etwas Konkretes nicht, nämlich nicht die Rettung seines Sohnes. Die Konkretisierung erfolgt hierbei innerlich. Nur wenn der Täter sich bewusst ist, eine bestimmte Handlungsmöglichkeit mit bestimmten Folgen zu besitzen, läuft der gleiche Informationsprozess ab wie bei einer aktiven finalen Handlung – die Überprüfung der Folgen und Nebenfolgen und ihre wertungsmäßige Besetzung im limbischen System bis hin zu einem Entschluss, wenngleich der Gestalt, den Bewegungsapparat des Körpers nicht in Gang zu setzen. Dies zeigt das gemeinsame Substrat von „etwas tun“ und „etwas unterlassen“: das „etwas“ als finaler Geschehenssteuerung.220 Am Beispiel: Ist der Sohn am Ertrinken, verbleiben dem Vater zwei konkrete Handlungsmöglichkeiten: retten oder nicht retten. Das Retten ist zweifelsohne eine Handlung, bestehend aus einem Bewe______________ 216 Welzel, Niederschriften XII, S. 94: „Wir treiben hier in Wahrheit eine strafbegründende Analogie [...]“. 217 Küpper, Grenzen, S. 57. 218 Radbruch, Handlungsbegriff, S. 140. 219 Vgl. hierzu Bengen, Systematik, S. 99. 220 Welzel, Strafrecht, S. 204 f. und Küpper, Grenzen, S. 57; krit. Hohmann, Personalität, S. 267: Als „bloße Innerlichkeit“ tauche die Handlungsmöglichkeit bei Bewusstsein der Folgen der Tat „in der ontologischen Welt nicht als Realität auf“.

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2. Teil: Grundlagen

gungsablauf der Muskeln, angetrieben von Gehirnaktivität, zielend auf die Rettung. Das Liegenbleiben ist auch eine Handlung: Bewusstes Liegen, final darauf angelegt, den Sohn nicht zu retten. Bei jeder Entscheidung (einzugreifen oder nicht einzugreifen) hat der Täter mehrere Handlungsmöglichkeiten, die beide durch den gleichen innerlichen Denkprozess mit dem Ausdruck der Finalität gewählt und ausgeführt werden können. „Unterlassen“ ist also in Wahrheit nicht eine Negation einer Handlung, es ist eine „Handlungsalternative“, eine „alternative Handlung“221.222 Wir können daher nun formulieren: Handlung ist jede auf einem emotionalsachlichen Abwägungsvorgang beruhende (emotionsbedingt) finale Bewegung oder Nichtbewegung.

cc) Der emotionsbedingt-finale Handlungsbegriff und die Fahrlässigkeit Die angebliche Kapitulation des finalen Handlungsbegriffs vor den Fahrlässigkeitsdelikten hat seine Ursache sogar in den Ausführungen Welzels und Nieses selbst, die zwar zu Recht erkannten, dass es auch bei Fahrlässigkeitsdelikten mit der sorgfaltswidrigen Handlung eine finale Handlung gebe. Sie bezeichneten deren Finalität wegen ihrem deliktsfremden Bezugspunkt aber als „rechtlich irrelevant“ und spielten ihren Kritikern so in die Hände. Tatsächlich nämlich liegt eine Finalität mit gleicher rechtlicher Relevanz vor wie bei jeder anderen Deliktsform: Der Willensinhalt des Täters kann nämlich für das Maß der Sorgfaltswidrigkeit mitbestimmend sein. Greifen wir etwa auf unser Beispiel mit dem Arzt zurück, der wegen der Versäumung von Kontrolluntersuchungen mit unerkannter Infektion operiert: Wäre seine Finalität gerichtet auf das Operieren und Heilen rechtlich irrelevant, so wüsste man noch nicht einmal, ob der Chirurg den Patienten willentlich verletzen oder gar töten wollte; denn seine Handlungsziele betrachten sollten wir ja nicht. Nur die angeblich ______________ 221

Vgl. Röhl, JA 1999, 603 f.; ebenso im Ergebnis Eberhard Schmidt, Niederschriften II, S. 277: § 13 müsste „in einem Abschnitt über die strafbare Handlung gleich an den Anfang gestellt werden [...]“, Tröndle/Fischer, Vor § 13 Rn. 4 sowie Kahlo, Unterlassung, S. 14 f. In diese Richtung ist auch die Rechtsprechung zu deuten, wenn der Bundesgerichtshof etwa vom „aktiv handelnden Täter“ spricht (so BGH, NStZ 2004, 94), der ansonsten ein „weißer Schimmel“ wäre. 222 Die verbleibenden Zweifel, unter einem Handeln auch ein Unterlassen zu fassen, sind wohl eher sprachlicher Natur, insoweit etwa bei §§ 8, 9 StGB oder Art. 7 EMRK dem Handeln ein Unterlassen an die Seite gestellt wird, obwohl hiermit nur „körperliche Tätigkeit“ (vgl. zu §§ 8, 9 StGB: RGSt. 23, 155 (156 f.) und Schwalm, Niederschriften II, S. 273) und nicht der Handlungsbegriff gemeint ist.

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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irrelevante Finalität wird zum entscheidenden Anknüpfungspunkt für die Wertungsebenen von Unrecht und Schuld. Dies verdeutlicht nicht zuletzt auch die Unterscheidung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit, dem Grenzbereich zwischen beiden Deliktsformen. Fahrlässigkeit soll vorliegen, wenn der Täter auf den Nichteintritt des Erfolges vertraut hat, während er sich beim Eventualvorsatz mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts abgefunden, er den Erfolg also billigend in Kauf genommen hat.223 Betrachtet man den Vorsatz als Wissen um die Elemente des objektiven Tatbestandes und den Willen, diesen zu verwirklichen, so zeigt sich, dass sich die Unterscheidung im Wollensmoment abspielt. Mit den Begrifflichkeiten der finalen Handlungslehre gesprochen nimmt der Täter bei der Auswahl der Handlungsmittel in Bezug auf den angestrebten Zweck Nebenfolgen mit ins Blickfeld und handelt dennoch. Der Unterschied zum fahrlässigen Delikt, bei dem der Täter von den Muskelbewegungen her das Gleiche vollzieht, liegt einzig in dem der Handlung vorangegangen Informationsprozess: Der Täter nimmt eine fehlerhafte Bewertung eines bestimmten Umstandes vor und erhält damit (wegen der gedächtnisgestützten Besetzung eines jeden Umstandes) eine abweichende emotionale Haltung gegenüber dem letztlich deliktischen Erfolg.224 Diese „emotionale Komponente“, die Nowakowski sogar zum dritten Element des Vorsatzes erheben möchte225, ist gerade ein entscheidender Bestandteil der Finalität. Auch auf den Unrechtsgrad wirkt sich die Finalität bei den Fahrlässigkeitsdelikten aus, wie insbesondere die erfolgsqualifizierten Delikte verdeutlichen. Man vergleiche nur folgende zwei Handlungen: Die Finalität von Täter 1 war bei der Ausführung eines Schlages auf die Körperverletzung gerichtet, dennoch erliegt das Opfer ungewollt sogar den Folgen des Schlages. Täter 2 dagegen wollte das Opfer noch nicht einmal schlagen und hatte es nur versäumt, die Faust rechtzeitig abzustoppen; so traf er das Opfer, das für ihn voraussehbar durch die Wucht nach hinten fiel, sich den Kopf aufschlug und starb. Beide Körperverletzungen haben den Tod verursacht, den der Täter nicht wollte. Beide Täter haben eine fahrlässige Tötung begangen. Bei beiden war der Tod nicht Teil der Finalität. Dennoch wird der erste Täter härter bestraft (nämlich auch nach § 227 StGB), weil seine Finalität überdies noch den Vorsatz auf die Körperverletzung aufwies. Die Finalität, so wenig sie bei Fahrlässigkeitsdelikten den tatbestandlichen Erfolg auch enthält, so bestimmt sie doch Unrechtscharakter und mitunter auch ______________ 223

Zu dieser Abgrenzung Kühl, AT, § 5 Rn. 43 ff. und Sch/Schr/Cramer/SternbergLieben, § 15 Rn. 72 ff. 224 Nowakowski, JZ 1958, 337. 225 Nowakowski, JZ 1958, 337.

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2. Teil: Grundlagen

Unrechtsschwere.226 Rechtlich relevanter kann eine Finalität nicht sein. Die vom Täter vorgenommene (sorgfaltswidrige) finale Handlung bildet so bei den Vorsatz- wie den Fahrlässigkeitsdelikten den Anknüpfungspunkt für das gesetzliche Unwerturteil. Bestraft wird also nicht eine fahrlässige Tötungshandlung, sondern beispielsweise „finales Linksabbiegen mit zu geringem Abstand vor dem herannahenden Motorradfahrer“.227 Diese Sichtweise wird vom Gesetzgeber sogar noch bestätigt: So heißt es in § 15 StGB „fahrlässiges Handeln“. Hiermit wird verdeutlicht, dass die Elemente der Fahrlässigkeit wie die Sorgfaltswidrigkeit und die Vorhersehbarkeit an die (egal worauf zielende) Handlung anknüpfen, dass sie also „Eigenschaften der Handlung“ sind.228 Soweit Struensee bemängelt, bei einem derartigen Verständnis der Handlung könnten Handlungen mit demselben Willensinhalt sorgfältige oder sorgfaltswidrige sein, je nachdem ob zusätzlich die Eigenschaften vorliegen229, so muss dies so sein. Denn „Handlung“ bedeutet nicht „fahrlässige Handlung“, nicht „sorgfaltswidrige Handlung“, sondern sie gibt nur eine menschliche Verhaltensweise als Anknüpfungspunkt vor, die als vorsätzlich oder fahrlässig, tatbestandsmäßig oder gesetzestreu, rechtswidrig oder rechtmäßig, schuldhaft oder schuldlos bewertet werden kann.

g) Folgerungen für einen eigenen Täterbegriff Aufgrund dieses Handlungsbegriffs als Fundament des Strafrechts kann nun ein eigener Täterbegriff deduktiv ermittelt werden. Ausgehend vom Normtext (der Täter begeht eine Straftat) liegt es zunächst nahe, als Täter denjenigen anzusehen, der die tatbestandsverwirklichende Handlung beherrscht. Eine derartige Definition wäre aber nicht nur in einer Weise selbstverständlich (und hätte damit eigentlich keiner vertieften wissenschaftlichen Betrachtung bedurft) wie gesetzeswidrig. Es würde die Täterschaft nämlich entgegen § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB auf die selbständige Vornahme der Ausführungshandlung beschränken und so letztlich einen dogmatischen Rückschritt zum Anfang des letzten Jahrhunderts bedeuten, zurück zur formal-objektiven Theorie, die oben bereits zutreffend abgelehnt und als heute nicht mehr gesetzeskonform angesehen wurde.230 ______________ 226

In diese Richtung bereits Armin Kaufmann, FS Welzel, S. 409 f., Struensee, JZ 1987, 56, Weidemann, GA 1984, 419 und Hans Joachim Hirsch, ZStW 93 (1981), 858. 227 Vgl. Weidemann, GA 1984, 420. 228 Hans Joachim Hirsch, ZStW 93 (1983), 860. 229 Struensee, JZ 1987, 57. 230 Siehe oben Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, II.

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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Die Ursache hierfür liegt in der Verkennung der Finalität: Der Täter stellt sich einen bestimmten Kausalverlauf, ein bestimmtes Geschehen vor und ermittelt rückblickend die den Kausalverlauf anstoßende Handlung. Dies bezeichneten wir als den Entscheidungsprozess, der den Schwerpunkt der emotionsbedingt-finalen Handlungslehre ausmacht. Durch diesen Prozess gestaltet der Täter nicht nur seine konkrete Ausführungshandlung, sondern beeinflusst bewusst die Außenwelt und gestaltet diese so mit. Man kann also sagen, die Finalität erweitert die Herrschaft über die Ausführungshandlung zur Herrschaft über das „zur Deliktsverwirklichung führende Geschehen“231. Wird das Handlungsgeschehen damit zum Bezugspunkt der täterschaftlichen Gestaltungsherrschaft, so fragt sich einzig, wie dieser vorzunehmen ist. Mit einem Täterbegriff in der Form der Tatbestandserfüllung durch eine gestaltende (motivationsbedingt-finale) Handlung haben wir einen materiellen Begriff, der mit der Tatbestandsbezogenheit, der Veränderung der Umwelt und der daraus folgenden Zurechnung einer Tat als „das Werk des Täters“232 sowohl ein objektives Element enthält sowie mit der Entscheidung für oder gegen eine Bewegung zur Erzielung einer bestimmten Kausalabfolge ein täter-persönliches, subjektives (Wollens-)Element. Angesichts dieser „Synthese objektiver und subjektiver Kriterien“233 stellt sich schließlich die anhand der einzelnen Theorien entbrannte Problematik einer schwerpunktmäßig objektiven oder eher subjektiven Abgrenzung des Täters vom bloßen Teilnehmer. Problematisch scheint jedoch beides zu sein: Ein Verzicht auf das objektive Element würde den Täterbegriff sowohl seiner Tatbestandsbezogenheit entheben wie ihn vom strengen Kausalitätserfordernis befreien, das „als unentbehrliche Grundlage des strafrechtlichen Haftungsurteils […] die elementarste Voraussetzung der strafrechtlichen Täter- oder Teilnehmerhaftung darstellt“234 und so als unumstößliches Element noch immer mögliche Nichttäter bereits im Vorfeld aussiebt.235 Auf der anderen Seite kann eine rein objektive Beherrschung des tatbestandlichen Geschehensablaufs nicht genügen, kann doch „Unrecht nicht rein außerhalb der Seele des Handelnden begründet sein“236. Es beruht gerade auch auf ______________ 231

Roxin, AT II, § 25 Rn. 13. Vgl. Welzel, ZStW 58, 542. 233 So zum Tatherrschaftsbegriff Wessels/Beulke, AT, Rn. 518, Küpper, GA 1986, 442 und Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 71. 234 Benakis, Täterschaft, S. 13. 235 Vgl. hierzu bereits Buri, Kausalität, S. 102. Diese bereits festgelegte Grundlage jeder Täterschaft kann nicht häufig genug betont werden, wird sie doch vornehmlich bei der noch zu behandelnden, hierauf aufbauenden Mittäterschaft erstaunlicherweise zu Unrecht vernachlässigt. 236 Schmidhäuser, FS Stree/Wessels, 355. 232

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2. Teil: Grundlagen

der (motivatorischen) Finalität, die zum Handlungsentschluss und dem Befehl an die motorischen Areale führt, eine Bewegung zu vollziehen oder nicht zu vollziehen. Dies wird deutlich durch das „Gestalten“ der Tat durch eine Überdeterminierung des Kausalverlaufs. So wird die notwendige subjektive Beziehung des Täters zu seiner Tat deutlich, „durch die er sich seiner Mitbeherrschung des Geschehens bewusst ist und seinem Tatbeitrag nicht nur untergeordnete Bedeutung zumisst“237. 238 Es liegt daher nahe, diese Synthese objektiver und subjektiver Merkmale in ihrer Gesamtheit zum Maßstab der Abgrenzung der Beteiligungsformen heranzuziehen. In der Lehre ist ein derartiger Ansatz vornehmlich von Schmidhäuser entwickelt worden. Er führt aus, dass die Grundlage der begrifflichen Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme nur eine Heranziehung des gesamten Tatgeschehens „in objektiver Verwirklichung von Entschlüssen und in mancher subjektiven Hinsicht als Ganzes“ bilden könne, wobei jedes einzelne Moment „nur innerhalb dieses ganzheitlichen Zusammenhangs“ den Ausschlag geben könne.239 Hierzu nennt er einzelne Momente im „Objektiv-Äußeren des Geschehens“ wie die Gegenwart am Tatort, die Gestaltung des Tatablaufs nach Ort und Zeit oder das Maß der Beherrschung des Geschehens. Zu den Momenten im „Subjektiv-Seelisches“ zählt er das Interesse an der Tat, die Planung der Tat oder die freiwillige oder unfreiwillige Unterordnung des eigenen Willens unter fremden Entschluss.240 Eine wertende Gesamtbetrachtung hätte jedoch zur Folge, dass sich nicht von vornherein sagen ließe, „welches der Momente des Tatgeschehens, die die Ganzheit ausmachen, nun den Ausschlag für die Entscheidung gibt“241. Obgleich diese Unsicherheit der Ganzheitsbetrachtung ______________ 237 Küpper, GA 1986, 442; ähnlich Blei, Strafrecht I, S. 280 f. und Cramer, FS Bockelmann, 403. 238 Dieses subjektive Kriterium ist zudem eine logische Konsequenz des Gesetzes: § 25 StGB als Teil des Allgemeinen Teils des Strafrechts findet auf alle Tatbestände des Besonderen Teils anwendbar und ist so in diese hineinzulesen, wenn es heißt „wer“. Selbst wenn man die Gestaltung der Handlung und damit die Beherrschung des hierauf (mit-)beruhenden, zur Deliktsverwirklichung führenden Geschehens als rein objektive Beherrschung verstünde, so würde dies zum objektiven Tatbestandsmerkmal und hätte über das Vorsatzerfordernis bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale seine Entsprechung im Subjektiven. Ein Wille zur Tatherrschaft stellt sich damit gar als eine „normale Konsequenz des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB“ heraus (so ausdrücklich Roxin, AT II, § 25 Rn. 13; vgl. auch Küpper, GA 1986, 442). 239 Schmidhäuser, StuB AT, 10/46, ders., Lb AT, 14/156 und ders., FS Stree/Wessels, 343; ähnlich BGH bei Dallinger, MDR 1973, 16 f.; nahe stehend sind auch die Ansätze von Cramer, FS Bockelmann, 402 f. und Hardwig, GA 1954, 358: „Ganzheitsbetrachtung der Tat“, worauf die Entscheidung gegründet sein müsse. 240 Schmidhäuser, Lb AT, 14/156. 241 Schmidhäuser, FS Stree/Wessels, 343.

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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eine gewisse „Geschmeidigkeit“242 in der Behandlung strittiger Fälle verleihen würde, erregt dies die gleiche Kritik, die bereits gegenüber dem wertenden Ansatz der Rechtsprechung vorgebracht werden musste: Eine fehlende Schwerpunktbildung bei den Indizien der Gesamtschau legt die Abgrenzung weitgehend in das Ermessen des Richters243 und muss sich den „Vorwurf der unkontrollierten Beliebigkeit“244 Gefallen lassen, die zu einer fehlenden Tatbestandsbestimmtheit in einer Weise führt, die den Rahmen des nulla-poena-sinelege-Grundsatzes verlässt.245 Diese pragmatischen Erwägungen, die eine schwerpunktmäßig subjektive Abgrenzung sowie eine Gesamtbetrachtung suspendieren, werden bestätigt durch eine rein normtextorientierte Auslegung der „Begehung“ der Straftat. Dies verdeutlicht die als „Kofferraum-Fall“ in die Analen eingegangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs246, die bereits jetzt als „moderner Klassiker“ bezeichnet werden darf. Der auf das Wesentliche gekürzte Sachverhalt lautete: Der Angekl. fesselte und/oder knebelte und/oder betäubte [seine Ehefrau] C in dem Bewusstsein und mit dem Willen, sie später zu töten, und verbrachte sie in den Kofferraum seines Kraftfahrzeugs. Mit diesem fuhr er die C an einen Ort, führte dort die Tötung aber nicht mehr aus, weil die C bereits während oder nach dem Verbringen aus Furcht, Sauerstoffmangel oder ähnlichen Widrigkeiten entgegen dem Plan des Angekl. ohne dessen weiteres gewolltes Zutun verstorben war. So konnte der Angekl. nur noch die Leiche verscharren.

Eine vom Landgericht angenommene vorsätzliche Tötung vermag dieser Sachverhalt nur zu tragen, wenn der Täter nach § 16 Abs. 1 StGB „bei Begehung der Tat“ bereits Tötungsvorsatz hatte. Da es nach § 8 StGB auf die jeweilige Handlung ankommt, stellte sich die Frage, ob der Täter mit dem Einsperren der geknebelten Frau in den Kofferraum als der den Erfolg verursachenden Handlung bereits Tötungsvorsatz hatte. Der Bundesgerichtshof führte hierzu aus: „Bewirkt der Täter, der nach seiner Vorstellung vom Tatablauf den Taterfolg erst durch eine spätere Handlung herbeiführen will, diesen tatsächlich bereits durch eine frühere, so kommt eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Taterfolgs über die Rechtsfigur der unerheblichen Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf nur dann in Betracht, wenn er bereits vor der Handlung, die den Taterfolg verursacht, die Schwelle ______________ 242

Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 73. Roxin, AT II, § 25 Rn. 34. 244 Küpper, GA 1986, 444. 245 Ebenso Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 82, Roxin, AT II, § 25 Rn. 34 sowie ders., ZStW 83 (1971), 395: Es handele sich „nicht mehr [um] Auslegung, sondern [...] eine richterliche Rechtschöpfung, die dem nulla-poena-Satz widerstreitet“. Hiergegen Schmidhäuser, FS Stree/Wessels, 349 ff., insbesondere 351. 246 BGH, NJW 2002, 1057. 243

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2. Teil: Grundlagen

zum Versuch überschritten hat oder sie zumindest mit dieser Handlung überschreitet. Denn Handlungen im Vorbereitungsstadium mögen zwar der Umsetzung des Tatplans dienen, setzen nach der Vorstellung und dem Willen des Täters aber noch nicht den unmittelbar in die Tatvollendung einmündenden Kausalverlauf in Gang, so dass sich mangels eines rechtlich relevanten Vorsatzes die Frage einer (wesentlichen oder unwesentlichen) Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf nicht stellt. Wird der Taterfolg schon durch eine Vorbereitungshandlung bewirkt, kommt daher nur eine Verurteilung wegen fahrlässiger Verursachung dieses Erfolgs in Betracht.“247 Da der Täter noch die Erpressung einer Unterschrift plante und erst beim Ankunftsort die Tötung vornehmen wollte, waren bis dorthin noch weitere wesentliche Zwischenakte notwendig und nach der Vorstellung des Angeklagten die C noch nicht unmittelbar in Lebensgefahr, so dass ein unmittelbares Ansetzen noch nicht vorlag.248 Der Angeklagte hatte daher bei seiner Handlung und damit beim Begehen noch keinen Vorsatz auf die Tötung der C. Der Bundesgerichtshof verneinte daher wegen einer wesentlicher Abweichung vom Kausalverlauf eine vorsätzliche Tötung und wies den neuen Tatrichter darauf hin, dass allenfalls eine Strafbarkeit nach §§ 227, 239 IV, 222 StGB zu prüfen sein wird.249 Allgemein gesprochen beginnt das strafbare „Begehen einer Tat“ dort, wo der Täter die Schwelle zum Versuch überschreitet. Von Ausnahmen abgesehen250 sind reine Vorbereitungshandlungen nämlich nicht mit Strafe bedroht, sondern lediglich die Straftatvollendung und nach § 23 Abs. 1 StGB der Versuch bestimmter Delikte. Vorbereitungshandlungen können damit auch über § 8 StGB nicht zum Begehen des jeweiligen Deliktes führen. Nicht von ungefähr sind wir über einen Umweg nun dort wieder angelangt, wo die Rechtswissenschaft systematisch bereits vor der Großen Strafrechtsreform war: Der Versuch beschreibt den „Anfang der Ausführung“251, grenzt strafbares Begehen von straflosen Handlungen ab und hilft so bei der Bestim______________ 247

BGH, NJW 2002, 1057; zum zeitlichen Koinzidenzprinzip von Vorsatz und Begehen auch BGH, NStZ, 2004, 201. 248 Zu den einzelnen Indizien für ein unmittelbares Ansetzen vgl. nur Geppert, JK 98, StGB § 22/18, Wessels/Beulke, AT, Rn. 600 f. sowie Sch/Schr/Eser, § 22 Rn. 39 ff. 249 BGH, NJW 2002, 1057 (1059). Vgl. hingegen BGH, NStZ 2002, 475, bei dem der Bundesgerichtshof ein unmittelbares Ansetzen und damit einen Tötungsvorsatz bei Begehung der Tat bejahte: Es ging um eine Luftinjektion mittels einer Spritze nach vorheriger Gewaltanwendung, die bereits zum Tode führte, während die Injektion noch nicht einmal zur Todesherbeiführung geeignet gewesen wäre. 250 Die bloße Planung ist strafbar bei §§ 30 II und 98 I Nr.2 StGB und Vorbereitungshandlungen etwa bei §§ 83, 149, 234a Abs. 3, 310 StGB. 251 In dieser Weise spricht SK-StGB/Rudolphi, § 22 Rn.7 weiterhin von „Beginn der Ausführung“, die mit dem unmittelbaren Ansetzen vorliege, letzteres also nur eine Konkretisierung darstelle.

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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mung der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme: Täterschaft ist die Begehung der Straftat. Und nach unserer bisherigen normtextorientierten Auslegung: Täterschaft ist die Beherrschung des einen Straftatbestand verwirklichenden Geschehens durch eine emotionsbedingt-finale Handlung. Wir könnten nun zur Klarstellung ergänzen: Täterschaft ist die Beherrschung des einen Straftatbestand verwirklichenden Geschehens durch eine emotionsbedingtfinale Handlung, die zumindest den strafbaren Bereich der Schwelle zum Versuch (oder einer strafbaren Vorbereitungshandlung) überschritten hat. Zur Verwirklichung eines Tatbestandes setzt ein Täter nach gängiger Versuchsdogmatik an, wenn der Täter nach seiner Vorstellung eine Handlung vornimmt, die bei ungehindertem Geschehensablauf unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmündet.252 Die Qualität einer Handlung als strafbare Begehungshandlung und damit bei einer Tatbestandsverwirklichung durch diese Handlung letztlich die Qualität einer täterschaftlichen Handlung bestimmt sich damit zwar auf subjektiver Beurteilungsgrundlage (nach der Vorstellung und Planung des Täters), aber nach objektivem Maßstab.253

3. Zwischenergebnis und Wortlautgrenze Wir können nach dem der normtextorientierten Auslegung als erstem Auslegungsschritt also (unter Ignorierung der Überschreitung der Versuchsschwelle als Selbstverständlichkeit einer strafbaren Handlung) festhalten: Täter ist, wer objektiv das tatbestandserfüllende Handlungsgeschehen gestaltet, also durch eine emotionsbedingt-finale Handlung beherrscht. Inwieweit die Elemente dieses Täterbegriffs nicht bloße Auslegungsergebnisse sind, sondern sogar verfassungsrechtliche Eckpfeiler eines den Täterbegriff zwingend enthaltenden Rahmens, bestimmt sich anhand von Art. 103 Abs. 2 GG. Hiernach darf eine Tat nur bestraft werden, „wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde“. Dieses Bestimmtheitsgebot enthält die Verpflichtung an den Gesetzgeber, „die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweise und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen“.254 Da der Gesetzgeber seine Anordnungen nur über den Normtext mit Worten

______________ 252

Vgl. nur BGHSt. 37, 294 (297). So im Ergebnis auch Roxin, AT II, § 25 Rn. 13. 254 BVerfG, NJW 2003, 1030. 253

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2. Teil: Grundlagen

ausdrücken kann, erweist sich dieser zwingend als maßgebliches Kriterium: „Was seine Worte nicht hergeben, ist nicht angeordnet, ,gilt‘ nicht.“255 Jede Gesetzesinterpretation darf so nie den Wortsinn eines Strafgesetzes und damit den vom Gesetzgeber geschaffenen „Normhof“256 verlassen. Diese Wortlautgrenze ist daher in der Vergangenheit257 sowie in jüngerer Zeit258 bei der Auslegung der Strafgesetze immer wieder von besonderer Bedeutung gewesen. Dies betrifft jedoch vornehmlich den Wortlaut von Deliktsbeschreibungen des Besonderen Teils, bei denen das Bestimmtheitsgebot und damit die Wortlautgrenze weitgehend anerkannt sind.259 Ob dessen Gültigkeit sich auch auf das mit dem Täterbegriff interessierende Gebiet des Allgemeinen Teils bezieht, ist erstaunlicherweise noch „wenig geklärt“260. Einige Literaturstimmen bezweifeln die generelle Anwendung, andere zumindest die unbegrenzte, da im Rahmen des Allgemeinen Teils der Gesetzgeber bewusst viele Fragen nicht geregelt und ihre Lösung der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen hätte. Richter- und Gewohnheitsrecht beherrsche den Allgemeinen Teil damit in einer Weise, die die gesetzlichen Regeln auf „den zweiten Platz“ zurückdränge.261

______________ 255

Roxin, AT I, § 5 Rn. 30. Looschelders/Roth, Methodik, S. 24. 257 Vgl. nur RGSt. 29, 111, BGHSt. 3, 300 (303) und BGHSt. 29, 129 (133). 258 Vgl. etwa BGH, NJW 2003, 226 (227): „Mit dem Sprachgebrauch wäre es nicht vereinbar, solche öffentlichen Register als ,allgemein zugänglich‘ einzuordnen, auf die der Informationsbedürftige [...] nicht uneingeschränkt zugreifen kann“, BGH, NJW 2003, 836 (837): „Das Erfordernis einer zeitlichen Differenz zwischen Eingriff und konkreter Gefahr ist dem Wortlaut der Vorschrift [§ 315b Abs.1 Nr.3 StGB ] [...] nicht zu entnehmen“ sowie BGH (GS), NJW 2003, 1541: Eine mittäterschaftliche Zurechnung der Bewaffnung nach § 30a II Nr.2 BtMG würde nur ausscheiden, „wenn dem Wortlaut ausnahmsweise zu entnehmen ist, dass [...]“. 259 Eine Wortlautgrenze zumindest (auch) im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs erkennen neben der Rechtsprechung (BVerfGE 71, 108 (115), BVerfGE 92, 1 (13), BVerfG, NJW 1995, 2776 (2777) und BGHSt. 4, 144 (148)) an: Roxin, AT I, § 5 Rn. 28 und 41, Jescheck/Weigend, AT, S. 159, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 4, Wessels/Beulke, AT, Rn. 54, Sch/Schr/Eser, § 1 Rn. 24 und Tröndle/Fischer, § 1 Rn.10. Gegen eine Wortlautgrenze votieren hingegen Jakobs, AT, 4/35 ff. und Schmidhäuser, Lb AT, 5/42, vor allem weil der Wortlaut angesichts der Unbestimmtheit der Sprache keine brauchbare Abgrenzung ermögliche, so dass die „strafrechtliche Begriffsbildung nicht nennenswert begrenzt“ werde (Jakobs, AT, 4/35). Hiergegen zu Recht Roxin, AT I, § 5 Rn. 37, der klarstellt, dass „alle sprachlich möglichen Interpretationen noch in den Bereich der Auslegung fallen“. 260 Roxin, AT I, § 5 Rn. 41. 261 Wessels/Beulke, AT, Rn. 55, Maurach/Zipf, AT 1, § 8 Rn. 41 und Hardwig, ZStW 78 (1966), 8 f.; einschränkend auch Roxin, AT I, § 5 Rn. 41 f. 256

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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Diese einschränkenden Sichtweisen haben Rechtfertigungsgründe wie die mutmaßliche Einwilligung262 oder auch die Rechtsfigur der actio libera in causa vor Augen, die zweifelsohne gewohnheitsrechtlich bzw. richterrechtlich entwickelt wurden. Soweit diese Normen (wie die mutmaßliche Einwilligung) dem Täter zu Gute kommen, ist der von Art. 103 Abs. 2 GG dem Bürger zugedachte Schutz nicht tangiert.263 Soweit die Normen die Strafbarkeit zu Lasten des Täters ausdehnen, nehmen sie aber wie die Vorschriften des Besonderen Teils an der Rechtsanwendung teil.264 Hinzu kommt eine gewisse Zufälligkeit in der Einordnung der Bestimmungen265, hätte doch der Gesetzgeber beispielsweise den § 193 StGB auch im Allgemeinen Teil regeln können. Bezeichnenderweise hat das Bundesverfassungsgericht266 jüngst diesen Streit noch nicht einmal erwähnt, sondern ist hinsichtlich der Bestimmtheit des § 13 StGB wie selbstverständlich von der Anwendbarkeit des Art. 103 Abs.2 GG auf die Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches ausgegangen. Die Vorschriften des Allgemeinen Teils sind daher genauso wie die Vorschriften des Besonderen Teils mit einigen gewichtigen Stimmen in der Literatur als von Art. 103 Abs. 2 GG erfasst anzusehen.267 Betrachtet man unter der Prämisse der Wortlautgrenze den § 25 StGB, so ergibt sich aus der Formulierung „die Straftat [...] begeht“ im Zusammenspiel mit §§ 26, 27, 8 StGB, dass der Täterbegriff einerseits streng tatbestandsbezogen sein muss, was insbesondere auch die Einschlägigkeit der in den einzelnen Delikten geregelten besonderen Täterqualifikationen mit einschließt, und dass andererseits ein Handeln erforderlich sein muss in Bezug auf die Straftat. Dieses muss, wie die Beziehung der Wörter zeigt, auf jeden Fall kausal sein, da ansonsten zwar ein Begehen vorläge, nicht aber ein Begehen der (konkreten) Straftat. Im Übrigen hat ein täterschaftliches Verhalten ein Mehr gegenüber dem Bestimmen und dem Hilfeleisten der §§ 26, 27 StGB zu sein, insoweit diese auf die vom Täter „begangene“ Straftat verweisen. Auf der anderen Seite ergibt sich eine für die Täterschaft notwendige Gestaltung des Geschehensablaufs (und damit die Tatherrschaft) aus dem reinen Wortlaut nicht. Die Tatherrschaft ist vielmehr eine Folge des finalen Handlungsbegriffs, an den das Gesetz zwar angeknüpft, der aber selber vortatbestandlich ist und daher im Gesetzestext selbst nicht zum Ausdruck kommt.

______________ 262

Vgl. hierzu nur BGHSt. 35, 249. Vgl. Maurach/Zipf, AT 1, § 8 Rn. 41: „Das Gewohnheitsrecht darf dabei nur den durch die gesetzlichen Vorschriften geschaffenen Rahmen ausfüllen, ihn aber nicht durch Strafausdehnung sprengen.“ 264 Vgl. NK-StGB/Marxen, § 14 Rn. 8. 265 NK-StGB/Marxen, § 14 Rn.8. 266 BVerfG, NJW 2003, 1030 f. 267 Ebenso NK-StGB/Marxen, § 14 Rn. 8, Sch/Schr/Eser, § 1 Rn. 26, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 100 und Jescheck/Weigend, AT, S. 136 f. 263

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2. Teil: Grundlagen

Soweit Roxin Gegenteiliges behauptet und seine Tatherrschaftslehre als dem Gesetz entnommen bezeichnet268, so ist dem zu widersprechen, als der Regelungszusammenhang der §§ 25-27 StGB hierfür normtextmäßig alleine nichts enthält. Mit der Tatbestandsbezogenheit einer für die Deliktsverwirklichung kausalen Handlung sind damit jene Eckpfeiler des Täterbegriffs vorgezeichnet, die unverrückbar sind, während mit der finalen Handlungsstruktur und der darauf aufbauenden objektiv zu bestimmenden Gestaltung des Geschehensablaufes zwar ein normtextorientiertes Auslegungsergebnis gefunden wurde, dieses aber nicht verfassungsrechtlich unveränderbar ist. Hier können im Rahmen einer teleologischen Betrachtung als nächstem Auslegungsschritt Änderungen erfolgen.

IV. Die teleologische Auslegung Denn der Gesetzgeber schafft kein Gesetz ohne Grund. Auch wenn es für den Bürger nicht immer durchschaubar ist, sind es die jeweiligen gesetzgeberischen Begehrungstendenzen (die causa efficiens), die zu einer Regelung führen. Ist dem aber so, dann wird die Übereinstimmung mit dieser Tendenz und damit der Zweckgedanke einer jeden Norm zum ausschlaggebenden Kriterium bei der Auslegung, gilt es doch möglichst, die Tendenz zu erreichen.269 Im vom äußersten Wortsinn aufgestellten Rahmen ist die Entscheidung des Ausfüllens damit unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck einer Vorschrift zu treffen.270 Dies ist auf zweierlei Art möglich: Man könnte einerseits subjektiv nach den historischen Motiven des Gesetzgebers fahnden und fragen, welche sozialen Fragen der Gesetzgeber (ursprünglich) regeln wollte.271 Ein derartiges Vorgehen würde jedoch jede (zulässige) Anpassung des Rechts an die heutigen sozialethischen Vorstellungen verschließen und wäre unfähig, auf neue rechtspolitische Fragen eine sachgerechte Antwort zu geben.272 Zudem wäre eine derartige Auslegung vor allem im Bereich des Strafrechts mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar, der wie dargelegt die Voraussehbarkeit des Risikos einer Bestrafung für den Bürger erreichen möchte, dem aber nur selten die Motive eines Gesetzes zur Hand sind. Vielmehr ist der zweite mögliche Weg einzuschlagen und für die Gesetzesinterpretation der zum Ausdruck kommende objektivierte Wille ______________ 268

Roxin, TuT, S. 26 und ders., AT II, § 25 Rn. 11. Vgl. Haverkate, Normtext, S. 13. 270 Vgl. nur Zippelius, Methodenlehre, S. 50 und Bydlinski, Methodenlehre, S. 449 ff. 271 In diesem Sinn Heck, AcP 112, 138 und Naucke, FS Engisch, 274. 272 Sch/Schr/Eser, § 1 Rn. 41 und Zippelius, Methodenlehre, S. 51. 269

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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des Gesetzgebers heranzuziehen, so wie er sich aus der Sicht der Allgemeinheit der Bürger darstellt.273 Auf diese Weise wird der zumeist breite Raum durch die normtextorientierte Auslegung auf eine mögliche Auslegungsmöglichkeit „im Geiste des Gesetzgebers“ verengt und die meisten Auslegungsstreitigkeiten entschieden.274

1. Der Täter als Rechtsgutsverletzungsverwirklicher Der Zweck des Strafrechts wird weitgehend im Schutz der Rechtsgüter des Bürgers und der Gemeinschaft gesehen.275 Dies legt es nahe, teleologisch als Täter jeden Verursacher einer rechtswidrigen Tat zu bezeichnen, der das vom konkreten Strafgesetz geschützte Rechtsgut verletzt. In diesem Sinne fordert etwa Sax für eine täterschaftliche Deliktsverwirklichung, dass neben der Erfüllung des dem gesetzlichen Tatbestand entsprechenden Verhaltens eine strafwürdige Rechtsgutsverletzung hinzutrete als weiteres Element des Unrechtstatbestandes.276 Hierbei würde aber verkannt, dass der Rechtsgüterschutz wie dargelegt in einer Weise die Existenz der Strafgesetze rechtfertigt, dass ohne die mit der Tatbestandserfüllung verbundene Rechtsgutsverletzung das jeweilige Strafgesetz verfassungswidrig in die Rechte der Bürger eingreifen würde. Der Gesetzgeber begnügte sich somit bei der Aufstellung der Strafgesetze nicht mit der Beschreibung bestimmter Verhaltensweisen, zu denen eine Rechtsgutsverletzung hinzutreten müsste. Sondern er hat in den Tatbeständen zugleich diejenigen Typen von Handlungen angegeben, „deren generelle Sozialschädlichkeit seitens der Gerichte angenommen werden muss, weil durch sie an besonders wertvolle und daher besonders intensiv geschützte Rechtsgüter gerührt wird.“277 Der Tatbestand beschreibt so bereits eine strafwürdige Rechtsgutsverletzung, so dass jedes geforderte zusätzliche Erfordernis ______________ 273

BVerfGE 71, 108 (115), BVerfGE 73, 206 (236), BVerfGE 79, 106 (121), BGHSt. 29, 198, Sch/Schr/Eser, § 1 Rn. 43 sowie Tröndle/Fischer, § 1 Rn. 11. 274 Aus jüngster Zeit seien nur BGH, NStZ 2003, 86 (87), BGH, NJW 2003, 302 (303) und OLG Zweibrücken, NJW 2003, 982 (983) genannt. 275 Vgl. hierzu nur Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 68 sowie Jescheck/Weigend, AT, S. 157 f. Dies geschieht, obgleich der Begriff des Rechtsguts nicht einheitlich gesehen wird. Man wird hierunter aber mit Otto, Strafrechtsdogmatik, S. 8 verstehen dürfen die in den einzelnen Tatbeständen umrissene, reale Beziehung der Person „zu konkreten, von der Rechtsgesellschaft anerkannten Werten, sozialen Funktionseinheiten, in der sich das Rechtssubjekt mit Billigung durch die Rechtsordnung personal entfaltet“. Vgl. zum Rechtsgüterbegriff auch allgemein Ernst-Joachim Lampe, FS Welzel, 151 ff. 276 Sax, JZ 1976, 11 und ders., JZ 1977, 332. 277 Eberhard Schmidt, FG Frank II, 116 f.

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2. Teil: Grundlagen

aus dem Bereich der Strafwürdigkeit auf einem zu engen Tatbestandsbegriff beruhen würde.278 Es verbliebe einzig, die in jedem Deliktstatbestand steckende Rechtsgutsverletzung als Maßstab für die Täterschaft zu nehmen. So hat es tatsächlich Eberhard Schmidt in seiner grundlegenden Abhandlung „Die mittelbare Täterschaft“ getan: Täter sei jeder, „auf dessen Verhalten eine solche tatbestandsmäßige Interessenverletzung zurückzuführen ist, gleichgültig, welche äußere Beschaffenheit sein Verhalten aufweist“, ob tatbestandliche Ausführungs-, Bestimmungs- oder Unterstützungshandlung.279 Die verheerende Konsequenz dieser Folgerung erkannte Eberhard Schmidt selbst. Sein Täterbegriff würde nämlich in stringenter Anwendung dazu führen, „dass jeder, der eine Tatbestandsverwirklichung und damit (materiell gesprochen) eine Rechtsgutsverletzung rechtswidrig und schuldhaft bewirkt, als Täter des in Rede stehenden Verbrechens angesprochen werden müsste“280. Das wäre das Ende jeder differenzierten Betrachtungsweise – der Einheitstäterbegriff würde entgegen der gesetzlichen Fixierung des § 25 StGB vollumfänglich leben.281 Dies würde nur vermieden, wenn man den Täterbegriff wieder einschränken und die Anstiftungs- und Beihilfehandlungen von ihm ausnehmen würde.282 Damit würde man aber wieder den oben bereits bewusst abgelehnten extensiven Täterbegriff wieder einführen und zudem den Täterbegriff letztlich sprengen, wie es ein Beispiel von Eberhard Schmidt verdeutlicht: So hätten die Eltern des Mörders mit deren Zeugung den objektiven Tatbestand des § 211 StGB erfüllt, da sie „eine Rechtsgutsverletzung bewirkt“ hätten.283 Die mittelbare Täterschaft würde damit über die unmittelbare Täterschaft noch hinausgehen.

2. Die Abgrenzung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Rechtsgutsverletzung Bewirken Täter und Teilnehmer also gleichermaßen eine Rechtsgutsverletzung, so kann der Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes nur dann für die ______________ 278

Otto, GedS Horst Schröder, 61 f. Eberhard Schmidt, FG Frank II, 116 f. 280 Eberhard Schmidt, FG Frank II, 117. 281 Bereits Eberhard Schmidt, FG Frank II, 118 hatte die Abgrenzung verschiedener Beteiligungsformen als „juristische Notwendigkeit“ bezeichnet 282 So Eberhard Schmidt, FG Frank II, 120; ebenso Mezger, Lehrbuch, S. 415: „Täter ist, wer durch seine Handlung die Verwirklichung des Tatbestandes verursacht hat, sofern seine Tätigkeit sich nicht als Anstiftung oder Beihilfe darstellt.“ 283 Eberhard Schmidt, FG Frank II, 119 Anm. 1. 279

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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Abgrenzungsfrage etwas beisteuern, wenn die jeweiligen Rechtsgutsverletzungen unterschiedlichen Charakter besäßen. Das Beziehungsgeflecht zwischen Täter und Teilnehmer ist tatsächlich von jeher von einer Positionsfrage her bestimmt worden. So löste bereits Hardwig284 die Abgrenzungsfrage von den sozialen Beziehungen der Beteiligten her, wobei er den Geschehenskreis aller möglichen Beteiligten objektiv betrachtete und so von einem „Feld“ mit einem „zentralen und einem peripheren Bereich“ im Verhältnis zur Straftat als „sozialem Ereignis“ ausging, wobei die Position zur Tat die Beteiligungsform bestimme. Täter sei also nur derjenige, der im Sprachgebrauch Roxins „Zentralgestalt“ in diesem Positionsgeflecht sei, während die Gehilfen nur Randfiguren wären. Auch das Gesetz scheint eine derart bildliche Abgrenzung zu beinhalten: Während der Tatbegehung ist der Täter als zentrale Gestalt des Unrechtstatbestandes „von einer Schar dienstbarer Geister umgeben“285, die mit ihren Handlungen an einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat eines anderen (§§ 26, 27 Abs.1 StGB) und damit einer fremden Tat teilnehmen, die gemeinhin als Haupttat bezeichnet wird. Der Sinn dieser Akzessorietät liegt darin, dass ein bloßes Bestimmen oder Hilfeleisten solange unbestimmt ist, wie nicht zugleich gesagt wird, wozu bestimmt wird, wozu Hilfe geleistet wird, so dass die gesetzlich fixierte Akzessorietät „zugleich die rechtsstaatliche Schranke des Garantietatbestandes“286 darstellt. Diese Akzessorietät bindet den Teilnehmer erst an die Tat, von der er weiter entfernt ist als etwa der mittelbare Täter, der nicht die Akzessorietätsbrücke zur Tat zu überqueren braucht. Sieht man in der Begehung der rechtswidrigen Tat durch den Täter eine Rechtsgutsverletzung, so drängt es einem auf, den Täter diesbezüglich als primär (unmittelbar) Verantwortlichen anzusehen, während dem Teilnehmer nur eine Position sekundärer (mittelbarer) Verantwortung bliebe.287 Oder mit den Worten Bloys: Der Handlungsunwert der Täterschaft liege darin, dass der Täter „eine von ihm vorgefundene Situation [...] zu einer neuen, ihm zugehörigen Wirklichkeit umgestaltet“, während der Handlungsunwert der Teilnahme nur vermittelt über die Akzessorietät an das Handlungsunrecht der täterschaftlichen Handlung anknüpfe – an die Stelle des personalen Kontaktes zum gesamten Tatgeschehen trete „der personale Kontakt zum Täter“. Aufgrund dieser größeren Distanz zum tatbestandlichen Geschehen folge auch der geringere Handlungsunwert.288 ______________ 284

Hardwig, JZ 1965, 668 und ders., GA 1954, 355 ff. Makarewicz, Einführung, S. 330. 286 Küper, ZStW 104 (1992), 585. 287 Vgl. Otto, AT, § 21 Rn. 7 und Luzon Pena/Diaz y Garcia Conlledo, FS Roxin, 583 285

f.

288

Bloy, Beteiligungsform, S. 134 ff. und 316. Die von ihm zur Grundlage der Täterschaft erhobenen Kriterien der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit sind zu „diffus“

202

2. Teil: Grundlagen

Eine derartige Annahme würde in der Tat eine Differenzierung nach der Qualität der Rechtsgutsverletzung ermöglichen und unseren oben gewonnenen Täterbegriff teleologisch noch weiter einschränken. Eine unmittelbare Rechtsgutsverletzung müsste als weiteres Merkmal hinzutreten. Dieses zusätzliche Täterschaftsmerkmal wäre aber nur haltbar, wenn entsprechend der weithin vertretenen „akzessorietätsorientierten Verursachungstheorie“ der Strafgrund der Teilnahme in der Veranlassung oder Unterstützung fremden Unrechts gesehen würde, so dass das Unrecht des Teilnehmers nach Grund und Maß vom Unrecht der Haupttat abhängig wäre.289 So sehr diese Ansicht aber im Gegensatz zu den früheren Ansichten zum Strafgrund der Teilnahme290 der gesetzlichen Akzessorietät Rechnung trägt, so sehr ist sie darauf auch fixiert und vernachlässigt das Handlungsunrecht des Teilnehmers. Dies soll anhand von zwei Konstellationen verdeutlicht werden, die nicht sachgerecht erfasst werden könnten: Primär zählen hierzu die Fälle notwendiger Teilnahme. Erinnert sei nur an ein Beispiel aus dem Bereich der Begegnungsdelikte: Bringt eine Minderjährige ihren Lehrer dazu, mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben, so ist der Lehrer nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu bestrafen. Hierzu hat ihn die Schülerin angestiftet und so an sich das Unrecht des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen mitverursacht. Sie bleibt aber dennoch straflos291, würde die Teilnahme ansonsten doch über die Täterschaft hinausgehen, obwohl es die mildere Beteiligungsform wäre. Täterschaftlich kann die Schülerin § 174 I Nr. 1 StGB schließlich nie verwirklichen, da die eigene sexuelle Integrität ihr gegenüber nicht geschützt ist.292 Die anderen nicht zu erfassenden Fälle sind jene eines agent provocateur. Hierzu ein jüngeres Beispiel aus der Rechtsprechung: Wenn der Apotheker A Testkäufe bei Konkurrenten veranlasst, um diese einer unzulässigen Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln überführen zu können und der Testkäufer tatsächlich verbotenerweise die gewünschten Arzneimittel erhält, so ______________

und können einzig als Kontrollinstanz dienen; vgl. hierzu die Kritik bei Volk, ZStW 97 (1985), 872. 289 RGSt. 15, 315 (316), BGHSt. 4, 355 (358): Das „Wesen der Anstiftung“ liege in der „Verursachung eines rechtswidrigen Verhaltens“, BGHSt. 37, 214 (217), Jescheck/Weigend, AT, S. 685, Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 50 Rn. 57, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 30 Rn. 3, Lackner/Kühl, Vor § 25 Rn. 8, Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 12 Rn. 121 und LPK-StGB/Kindhäuser, Vor §§ 25-31 Rn. 16. 290 Vgl. zu den einzelnen Ansichten die Darstellungen bei Roxin, AT II, § 26 Rn. 12 ff. und Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 16 ff. 291 Vgl. RGSt. 18, 273 (281). 292 Vgl. zu diesem Einwand gegen die akzessorietätsorientierte Verursachungstheorie Roxin, FS Stree/Wessels, 370, Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem §§ 25 ff. Rn. 47, SKStGB/Samson, Vor § 26 Rn. 63 und Herzberg, TuT, S. 134.

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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müsste A sich nach der akzessorietätsorientierten Verursachungstheorie einer Anstiftung zur unerlaubten Arzneimittelabgabe schuldig gemacht haben. A ging es jedoch nur darum, die Verstöße der Konkurrenten beweissicher zu machen, was er durch eine Vernichtung der Medikamente nach deren Dokumentation belegte. Eine Gefährdung der Gesundheit der Allgemeinheit wollte er nie auch nur in Kauf nehmen. Auf dieser Grundlage sprach das OLG Oldenburg ihn als bloßen agent provocateur frei: „Da der missbilligte Erfolg im Sinne der Strafbestimmungen des Arzneimittelgesetzes, – die unkontrollierte Abgabe von Medikamenten an Verbraucher –, mithin weder beabsichtigt war noch eingetreten ist [...], kommt eine Bestrafung der Angeklagten als Anstifter zu einer Straftat nach dem Arzneimittelgesetz nicht in Betracht.“293 Beiden Konstellationen ist gemein, dass eine Strafbarkeit des Teilnehmers verneint wurde, da dieser von sich aus eine rechtlich missbilligte Gefahr nicht geschaffen hat. Die Grundsätze der objektiven Zurechnung sind damit für die Teilnahmelehre fruchtbar gemacht wurden294: „Wo ein Rechtsgut gegenüber dem Teilnehmer nicht geschützt ist, wo dieser das also Rechtsgut gar nicht in strafrechtlich relevanter Weise angreifen kann, ist dem Teilnehmer für seine Person die rechtlich missbilligte Schaffung oder Steigerung einer Gefahr unmöglich, so dass eine Zurechnung zur Teilnahme ausscheidet, obwohl sie zur Täterschaft stattfindet.“295 Dies führt konsequent zu der in der Literatur immer mehr Anhänger findenden Theorie vom „Rechtsgutsangriff durch akzessorische Verursachung“296, auch „Theorie des selbständigen akzessorischen Rechtsgutsangriffs“297 genannt.298 Diese leitet das Unrecht nicht ausschließlich vom Unrecht der Haupttat ab, sondern verlangt zusätzlich einen selbständigen Rechtsgutsangriff des Teilnehmers.299 Dogmatisch steht die Ansicht zwischen der reinen und der akzessorischen Verursachungstheorie und vermeidet hierbei die Einseitigkeiten der jeweiligen Auffassung. Ihre Sachgerechtigkeit zeigt sich zudem dadurch, dass das Gesetz einerseits eine akzessorische Anbindung an das Unrecht der Haupttat verlangt, andererseits aber durch die Strafbarkeit der

______________ 293

OLG Oldenburg, NJW 1999, 2751 (2752); zustimmend BGH, NStZ-RR 2003,

185.

294

Hierzu Geppert, Jura 1997, 300; zur Übertragung weiterer Fallgruppen des Ausschlusses der objektiven Zurechnung: Roxin, FS Stree/Wessels, 369 ff. 295 Roxin, FS Stree/Wessels, 381. 296 Roxin, FS Stree/Wessels, 380. 297 Geppert, Jura 1999, 266. 298 Andere Bezeichnungen sind „Theorie des akzessorischen Rechtsgutsangriffs“ (Geppert, Jura 1997, 300) oder „gemischte Verursachungstheorie“ (Kühl, AT, § 20 Rn. 132). 299 Diese wird vertreten von LK/Roxin, Vor § 26 Rn. 18, ders., FS Stree/Wessels, 369 ff., Geppert, Jura 1997, 300, ders., Jura 1999, 266, Otto, JuS 1982, 558, MüKoStGB/Joecks, Vor §§ 26, 27 Rn. 15, Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 17 und Monika Wolff-Reske, Verhalten, S. 101.

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2. Teil: Grundlagen

Anstiftung zum untauglichen Versuch, dass der Teilnehmer auch für bloßes eigenes Handlungsunrecht ohne ein Erfolgsunrecht des Haupttäters bestraft wird. Folgt man zu Recht dieser letzten Ansicht zum Strafgrund der Teilnahme, so begeht sowohl der Täter wie der Teilnehmer eine unmittelbare Rechtsgutsverletzung. Auf der teleologischen Auslegungsebene erhält der gewonnene Täterbegriff also keine weitere Einschränkung.

V. Folgerung für den Täterbegriff und seine deliktsspezifische Anwendung Eine Auslegung des § 25 StGB anhand der gängigen Auslegungsmethoden hat uns somit zu einem Täterbegriff geführt, der geprägt ist durch die (objektiv erkennbare) Gestaltung des tatbestandsmäßigen Handlungsgeschehens durch eine emotionsbedingt-finale Handlung. Der Vorzug eines derartigen Konzepts liegt insbesondere im zugrundeliegenden Handlungsbegriff versteckt, der für Begehungs- wie Unterlassungs-, Vorsatz- wie Fahrlässigkeitsdelikten gleichermaßen Geltung beansprucht. Getreu dem Motto „Keine Täterschaft ohne Tatbestandsbestandsmäßigkeit“ tritt dieser Täterbegriff an die Stelle eines Tatbestandes, in dem der „wer“ geschildert ist. Verlangt der Deliktstatbestand jedoch besondere Täteranforderungen, so sind diese zusätzlich zu erfüllen, ohne dass dies etwas am grundsätzlichen Täterbegriff ändert:

1. Die Täterschaft bei Sonderdelikten Dies zeigt sich zunächst bei den sogenannten Sonderdelikten. Hierunter werden Tatbestände verstanden, bei denen Täter nur sein kann, wem eine – meist außerstrafrechtliche – Sonderpflicht obliegt300, wie die Amtsträgereigenschaft bei den §§ 331 ff. StGB oder die Stellung als Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandanten bei § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Soweit diese Eigenschaft strafbegründend wirkt, also Täter nur sein kann, wem die Eigenschaft zusteht, wird von echten Sonderdelikten oder „Pflichtdelikten“301 gesprochen. ______________ 300

MüKo-StGB/Joecks, § 25 Rn. 43. Vgl. Roxin, TuT, S. 354 und Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 84.Teilweise wird der Ausdruck „Delikte mit akzessorietätsüberspringender Pflicht“ für vorzugswürdiger gehalten, so Jakobs, AT, 21/119 und Seier, JA 1990, 383. 301

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

205

So kann Täter der Untreue nur sein, wer in der für den Missbrauchs- bzw. Treubruchtatbestand erforderlichen Sonderbeziehung zum Geschädigten steht, Täter der Aussagedelikte nur, wer Zeuge oder Sachverständiger ist, Täter der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) nur, wer selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist, oder Täter der Geheimnisverletzung (§ 203 StGB) nur eine der dort aufgeführten Personen wie ein Rechtsanwalt oder Arzt; Außenstehende können nur Teilnehmer sein. Man könnte nun zwar auf den Gedanken kommen, dass bei diesen Delikten das Kriterium der Sonderpflichtverletzung derart in den Mittelpunkt trete, dass es alleine die Täterschaft konstituiere: Während bei den (normalen) Herrschaftsdelikten der Täter in Bereiche eindringe, die er von Rechts wegen unangetastet zu lassen hätte, habe er durch die ihm obliegende, dem Tatbestand vorgelagerte Sonderpflicht bei Sonderdelikten für den Bestand des von ihm zu schützenden Rechtsgutes einzustehen, so dass der Gesetzgeber den Pflichtigen bei einer Pflichtverletzung „allein um dieser Verpflichtung willen als Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens und damit als Täter ansehe.302 Eine derartige „Lehre von den Pflichtdelikten“303 würde damit aber den Grundsatz, dass bei Sonderdelikten nur spezielle Pflichtträger Täter sein könnten, in unzulässiger Weise dahingehend umkehren, dass diese Pflichtträger unabhängig von ihrem Tatbeitrag auch Täter sein müssten. Je verschlungener das Gemeinschaftsleben wird und je mächtigere Kräfte die Technik entfesselt, umso mehr Abwehrstellen müssen zwar im großen sozialen Schutzsystem geschaffen werden, um das reibungslose menschliche Zusammenleben zu gewährleisten. So hat der Gesetzgeber menschliche Schutzinstanzen installiert.304 Diese zeichnen sich aber dadurch aus, dass sie dem Einzelnen eine besondere Schutzpflicht für ein bestimmtes Rechtsgut aufbürden. Dies ist nicht wirklich bei jeder täterschaftlichen Sonderpflicht der Fall: So ist etwa der Zeuge einer Falschaussage nicht Täter wegen einer Verletzung der ihm personal obliegenden prozessualen Wahrheitspflicht, sondern wegen einer Beherrschung des tatbestandserfüllenden Handlungsgeschehens. Die Beschränkung des Gesetzgebers auf Zeugen und Sachverständigen liegt statt einer Anknüpfung an eine vortatbestandliche Schutzpflicht vielmehr in der Überlegung einer Positionsnähe zum gefährdeten Rechtsgut zugrunde.305 Vergleichbares ______________ 302

Roxin, TuT, S. 354. Eine derartige wird vertreten von Roxin, TuT, S. 352 ff., LK/ders., § 25 Rn. 37, ders., AT II, § 25 Rn. 268, Schünemann, GA 1986, 331 f., Cramer, FS Bockelmann, 395 f., Wessels/Beulke, AT, Rn. 522 und Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 84 f. 304 Vgl. Nagler, GS 111 (1938), 60 f. 305 Geppert, Jura 2002, 179. 303

206

2. Teil: Grundlagen

gilt für den Unfallbeteiligten der Verkehrsunfallflucht306, den Gefangenen bei der Gefangenenmeuterei (§ 121 StGB)307 oder den Vollstreckungsschuldner bei § 288 StGB308. Die den Sonderdeliktscharakter ausmachenden Anforderungen dienen also nur einer der Tatbestandsmäßigkeit geschuldeten gesetzgeberisch gewollten Eingrenzung möglicher Täter – es sind Rechtsbeschädigungsdelikte309, keine Pflichtdelikte. Dies verdeutlicht nicht zuletzt eine Unterlassungsprobe: Ein Zeuge ist nach seiner Vernehmung bei der Verfolgung einer anderen Zeugenaussage nicht etwa verpflichtet, aufzustehen und dem Gericht zu offenbaren. Dies wäre aber die Folge, wenn man ihn zum Hüter der Wahrheit machen würde. Ebenso ist der Vollstreckungsschuldner, der das Ausräumen seiner Villa durch Einbrecher beobachtet, nicht verpflichtet einzugreifen und pfändbare Vermögensgegenstände gegen jeden Angriff zu schützen, um einer Verurteilung wegen Vollstreckungsvereitelung zu entgehen. Eine spezielle Schutzpflichtstellung wird hingegen dem Treuepflichtigen bei der Untreue, der das von ihm verwaltete oder betreute Vermögen gegen Angriffe zu schützen hat310, dem Rechtsanwalt bei der Geheimnisverletzung311 oder auch dem Amtsträger, auf deren rechtmäßige Amtsausführung der Bürger bei einem funktionierenden Staat nach Art. 33 Abs. 5 GG, §§ 52 ff. BBG312 vertrauen darf, zugeschrieben313. Bei diesen Delikten nimmt die Pflichtverletzung einen erheblichen Anteil am Unrecht der Tat ein. Eine Verletzung selbst dieser Sonderpflicht zieht aber dennoch nicht zwingend eine täterschaftliche Verwirklichung nach sich. Dies beruht auf dem Erfordernis der Tatbestandserfüllung. Denn sobald im Tatbestand eine bestimmte Handlungsweise normiert ist, bringt das Gesetz selbst bei Sonderdelikten wie §§ 343, 348 StGB „unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Verletzung der Sonderpflicht nur bei bestimmten Angriffsarten tatbestandsmäßig ist“314. ______________ 306

LK/Geppert, StGB, § 142 Rn. 182. Sch/Schr/Eser, § 121 Rn. 16. 308 Seier, JA 1990, 383. 309 Vgl. Herzberg, TuT, S. 33 f. 310 Vgl. BGH bei Holtz, MDR 1991, 484, BGH, wistra 1988, 303 und BGH, wistra 1994, 139, aA Sch/Schr/Lenckner/Perron, § 266 Rn. 52. 311 Tröndle/Fischer, § 203 Rn. 35. 312 Siehe nur § 52 Abs.1 BBG: „Der Beamte dient dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Er hat seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen.“ 313 Vgl. zur Diskussion um die Amtsträgereigenschaft als besonderes persönliches Merkmal Grünwald, GedS Armin Kaufmann, 561 f., der letztlich darauf verweist, es sei „historisch bedingt“, was hinsichtlich der Grundsätze des Beamtentums sicherlich zutreffen wird. 314 Seier, JA 1990, 383); ähnlich Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 90 f. sowie Bloy, Beteiligungsform, S. 231 ff. 307

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

207

Dies sei an einem Beispiel zu § 343 StGB verdeutlicht: Der Polizist P ist sich sicher, dass T der gesuchte Serienmörder ist. Um endlich auch der Presse gegenüber Erfolge präsentieren zu können, bittet er eines Abends seinen Freund F, mit dem er bei einer Abendschicht auf der Polizeiwache immer Karten spielt, zu T zu gehen und zur Erlangung eines Geständnisses notfalls auch Folterhandlungen durchzuführen oder anzudrohen. F, der zunächst zustimmt, entscheidet sich aber dafür, während der nächtlichen Vernehmung dem übermüdeten T einen Staatsanwalt vorzuspielen und ihm für den Geständnisfall eine Gefängnisstrafe von 5 Jahren zuzusagen, obwohl er die Strafandrohung des § 211 StGB kennt. Übermüdet geht T, der die ewigen Verhöre leid ist, darauf ein. Nach § 343 Abs. 1 Nr. 1 StGB kann sich F unter keinem Gesichtspunkt täterschaftlich strafbar gemacht haben, ist er doch weder Polizeibeamter und damit Amtsträger, noch fällt aufgrund des Verbrechenscharakters der Norm das bloße Verhören zur Nachtzeit unter die genannten Handlungsweisen der körperlichen Misshandlung oder des seelisch Quälens315 und ist im Gegensatz zu § 136a StPO die Täuschung durch das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils nicht tatbestandsmäßig.316 Betrachtet man nun P, so hat er alles dafür getan, dass entgegen § 136a StPO ein Geständnis abgibt und damit gegen seine vom Staat abgeleitete, dem Gefangenen gegenüber bestehende Schutzpflicht317 verstoßen, in dem er es F ermöglichte, die täuschenden Handlungen vorzunehmen. P alleine aufgrund dieser Pflichtverletzung zum Täter des § 343 StGB zu machen, wäre aber eine Erweiterung des Tatbestandes über seinen Wortlaut hinaus auf Handlungen im Sinne des § 136a StPO zu Lasten des P und damit ein Verstoß gegen den „nullum-crimen-sine-lege-scripta“-Grundsatz. Also ändern sich auch bei den Sonderdelikten mit schützender Sonderpflicht nicht die allgemeinen Täterkriterien: Ist die Pflichtverletzung durch den Pflichtigen die tatbestandsmäßige Handlung, so kann diese nur der Pflichtige erfüllen und nur er kann sie beherrschen als „Herr über die Pflicht“.

2. Die Täterschaft bei eigenhändigen Delikten Gleiches gilt für die eigenhändigen Delikte318, bei denen der tatbestandsmäßige Unwert des Delikts nur durch eine eigene körperliche Vornahme der straf______________ 315

BGHSt. 1, 376. Sch/Schr/Cramer, § 343 Rn. 13. 317 Den berufenen Amtsträger trifft eine doppelte Pflicht: gegenüber der Rechtspflege (Täter also nicht laufen lassen) und gegenüber dem Gefangenen selbst. 318 Hierzu zählen unbestritten etwa der Meineid (§ 154 StGB), der Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB) oder die Fahnenflucht (§ 16 WStG). Umstritten ist hingegen 316

208

2. Teil: Grundlagen

baren Handlung realisiert werden kann.319 Nicht eigenhändig handelnden Personen ist der Unwert des Tatbestandes und somit eine Täterschaftsposition nicht zugänglich.320 Die tatbestandlich geforderte Vornahme der Handlung ist jedoch kein „Indikator einer fehlerhaften Haltung zu höchstpersönlichen Verpflichtungen oder zu Tabus“321 und schon gar nicht Ausdruck einer bestimmten Schutzpflicht, ein Rechtsgut gegen jede Gefahr zu verteidigen. Die auf den ersten Blick vorhandene täterschaftliche Sonderstellung der eigenhändigen Delikte ist also in Wahrheit keine: Wird für die Tatbestandserfüllung eine eigenhändige Handlung verlangt, so kann nur eine Person den Tatbestand erfüllen und das Handlungsgeschehen gestalten – nur er kann nach den allgemeinen Kriterien Täter sein.

3. Die Täterschaft bei den unechten Unterlassungsdelikten Eine Sonderstellung nehmen schließlich auch die unechten Unterlassungsdelikte nur auf den ersten Blick ein. Auch bei ihnen geht es um eine bloße Übertragung der allgemeinen Täterkriterien322. Ausgehend vom emotionsbedingtfinalen Handlungsbegriff gestaltet (nochmals: mittels entsprechendem Abwägungs- und Informationsprozess) schließlich auch ein Unterlassender durch das Unterlassen einer ganz konkreten Bewegung final das Handlungsgeschehen. Begeht jedoch ein aktiv handelnder Täter zugleich die Tat, die der Garant nicht verhindert, dann scheint es zunächst so, dass der aktiv handelnde Täter den Geschehensablauf gestaltet, während der Garant ihm lediglich den Zugang zum strafbaren Erfolg nicht verstellt hat und damit einer lediglich dienenden Rolle vergleichbar wäre.323 Hierbei würde aber verkannt, dass der Garant als personale Schutzvorrichtung es genauso wie die Schutzvorrichtung an einer Maschine in der Hand hat, ob dem zu schützenden Rechtsgut eine Verletzung geschieht. Genauso wie das Beseitigen der Schutzvorrichtung von einer Ma______________

die Deliktsqualität der Amtsdelikte (vgl. nur LK/Spendel, § 339 Rn. 114) sowie des Hausfriedensbruchs (vgl. LK/Lilie, § 123 Rn. 76). 319 Vgl. Welzel, Strafrecht, S. 106 f., Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 86 und MüKo-StGB/Joecks, § 25 Rn. 44. 320 LK/Roxin, § 25 Rn. 44; ähnlich MüKo-StGB/Georg Freund, § 25 Rn. 44 und Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 86. 321 So aber Jakobs, AT, 21/19. 322 Dies vertreten auch Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 47 Rn. 108 ff., Schünemann, Grund, S. 377, Stree, GA 1963, 8 und Kielwein, GA 1955, 227. 323 So sehen einige Stimmen im Schrifttum den Garanten grundsätzlich als bloßen Gehilfen: Gallas, Beiträge, S. 188 und Jescheck/Weigend, AT, S. 696; vgl. zur Kritik nur Geppert, Jura 1999, 271.

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

209

schine mit der Folge einer Verletzung des Arbeiters ein täterschaftliches Verhalten darstellt, muss es auch die Beseitigung der Schutzvorrichtung „Schutzperson“ sein, also das Nichthandeln der Schutzperson selbst.324 Die hierfür notwendige Erweiterung des Tatbestandes, der zumeist nur eine Begehung durch Tun kennt, erfolgt durch § 13 StGB als gesetzlicher, strafbegründender Analogievorschrift325: § 13 StGB legt dem Einzelnen keine Garantenpflichten auf, sondern knüpft an diese an. Statuiert die Garantenpflicht zugleich eine Schutzpflicht, so modifiziert § 13 StGB den Delikstatbestand in einer Weise, dass die bloße Verletzung der Schutzpflicht zur tatbestandsmäßigen Handlung wird. Der Garant ist dann der Gestalter des auf die Pflichtverletzung (und somit tatbestandsmäßigen) gerichteten Handlungsgeschehens und damit Täter. Beim Unterlassungstäter spielen damit die konkreten Tatbestandshandlungen keine Rolle, beziehen sie sich doch auf eine Tatbestandserfüllung durch aktives Tun. Hiernach wäre aber nur dann – wie von den Anhängern der Pflichttheorie vertreten326 – jeder nicht handelnde Garant Täter, wenn mit seiner Garantenstellung gerade auch eine Schutzpflicht verbunden wäre. Hiergegen spricht aber nicht nur eine Betrachtung der einzelnen verschiedenen Garantenstellungen, sondern auch die mit §§ 8, 9 Abs. 2 StGB vorausgesetzte Beihilfe durch Unterlassen. Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht: Eine Krankenschwester hat darauf aufzupassen hat, dass aus dem „Giftschrank“ nichts entwendet wird. Sie beobachtet, wie jemand ein Fläschchen entwendet, um hiermit (wie sie weiß) jemanden heimtückisch umzubringen. Bleibt sie untätig sitzen, wäre sie nach der Pflichttheorie wegen Verletzung einer Garantenpflicht Täterin des Mordes. Würde sie hingegen dem Täter mit ihrem Schlüssel noch netterweise die Tür aufschließen, so wäre sie einer aktiven Beihilfe am Mord schuldig und ihr käme nicht die fakultative Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB, sondern sogar die obligatorische Strafmilderung nach § 27 Abs. 2 StGB zugute mit der Folge, dass sie nach §§ 49 Abs. 1, 38 Abs. 2 StGB statt mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit einer Freiheitsstrafe von nur drei bis fünfzehn Jahren zu rechnen hätte. Ihr würde im Falle des Unterlassens also von der Rechtsordnung – provokativ formuliert – der „Vorwurf gemacht, dass [sie] nicht auch noch eine positive Beihilfe geleistet hat“.327 Dies verdeutlicht, dass nicht alle Garantenstellungen Schutzpflichten in Bezug auf ein Rechtsgut darstellen. ______________ 324

Nagler, GS 111 (1938), 61. Vgl. hierzu auch Roxin, TuT, S. 459 f. 326 So Roxin, AT II, § 31 Rn. 140 ff., LK/ders., § 25 Rn. 206, SK-StGB/Rudolphi, Vor § 13 Rn. 37 und Bloy, Beteiligungsform, S. 216 ff. 327 Hans-Jörg Schwab, Täterschaft, S. 174. Gegen diese Beispiele kann von Seiten Roxins auch nicht erfolgreich vorgebracht werden, der fehlende Unwert trotz „apodiktisch-radikaler“ Verwehrung der Strafmilderungsmöglichkeit des § 27 Abs. 2 StGB 325

210

2. Teil: Grundlagen

Vielmehr ist die für eine Täterschaft erforderliche Schutzpflicht für ein Rechtsgut anhand der Art und des Umfangs der Garantenstellung zu bestimmen. Während die Garantenstellungen früher nach ihrem jeweiligen Entstehungsgrund (aus Gesetz, freiwilliger Übernahme einschließlich Vertrag, Lebens- und Gefahrgemeinschaft und vorangegangenem Tun (Ingerenz))328 unterschieden wurden, erfolgt die Differenzierung nach moderner Dogmatik funktional. Unterschieden werden die Beschützergaranten von den bloßen Überwachergaranten: Zu den Beschützergarantenstellungen, auch „Pflichten kraft institutioneller Zuständigkeit“329 bzw. „Garantenstellungen aus positiver Institution“330 genannt, zählen mit der Pflichtenstellung aufgrund familiärer Verbundenheit und kraft Organ- oder Amtsträgereigenschaft sowie kraft Übernahme von Schutzfunktionen bzw. kraft Gefahrgemeinschaft331 jene „Pflichten zur Aufopferung, also zur Garantie von Solidarität“332, die bereits oben als Schutzpflichten dargelegt wurden. Diese Garanten haben das Rechtsgut vor Schäden jeglichen Ursprungs zu bewahren und es so gegen deliktisches Dritter wie gegen Naturkräfte.333 Unterlässt der Garant trotz Möglichkeit die notwendige Schutzhandlung, so gewährt er erst auf diesem Wege dem Täter den Zugang zum Rechtsgut und ______________

(Geppert, Jura 1999, 271 und Seier, JA 1990, 384) werde im Bereich des Strafrahmens berücksichtigt. So sieht er beim Zusammentreffen eines Begehungstäters mit einem nichthindernden Garanten den Garanten zwar als Unterlassungstäter an. Stecke in der Unterlassung wertmäßig aber nur eine Beihilfe zur Verwirklichung des Begehungsdelikts, so solle die Unterlassungstäterschaft mit einer aktiven Beihilfe vom Strafrahmen her übereinstimmen (Roxin, TuT, S. 502). Hiermit verkennt er jedoch nicht nur, dass bereits mit der Qualifizierung als Täterschaft ein Unwerturteil getroffen wird, das so nicht der Realität entspricht. Roxin verlagert so auch parallel zu einer generellen Einheitstäterlösung die eigentliche (wertmäßige) Abgrenzung zwischen Täter- und Teilnehmerunrecht in den Strafrahmen, wobei er für die Abgrenzung hier Kriterien heranziehen muss, die bereits bei der Qualifizierung als Täter oder Teilnehmer hätten Berücksichtigung finden müssen. Hinzu kommen die unvertretbaren Ergebnisse im Bereich der Versuchsdelikte: Wer eine Haupttat fördert, geht, wenn diese das Versuchsstadium nicht erreicht, aufgrund des Umkehrschlusses aus § 30 Abs. 1 S. 1 StGB straflos aus; wer jedoch als Garant fälschlicherweise annimmt, der Täter werde jetzt ins Ausführungsstadium gelangen und nicht einschreitet, könnte „passiver Versuchstäter“ sein (vgl. Seier, JA 1990, 384), obwohl für das betroffenen Rechtsgut zu keiner Zeit eine Gefahr bestand. 328 Vgl. zur Historie der Handlungspflichten Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 46 Rn. 29 und Nagler, GS 111 (1938), 1 ff. 329 Jakobs, AT, 28/15. 330 Sánchez-Vera, Pflichtdelikt, S. 148. 331 Vgl. zu den einzelnen Garantenpflichten Sch/Schr/Stree, § 13 Rn. 7 ff. 332 Jakobs, AT, 28/15. 333 Geppert, Jura 1999, 271, Herzberg, TuT, S. 83, ders., Unterlassung, S. 261, Sánchez-Vera, Pflichtdelikt, S. 148 und Seier, JA 1990, 384.

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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hat er es in der Hand, die Rechtsgutsverletzung ablaufen oder anhalten zu lassen – wie der Türvorsteher, der nur die Tür zuzumachen braucht, um den Einbrecher abzuhalten oder ihn später einzuschließen. Diese Pflichtwidrigkeit erfüllt so den über § 13 StGB erweiterten Tatbestand des jeweiligen Deliktes, so dass das Untätigbleiben unabhängig von einer bestimmten, objektiv geforderten Tathandlung eine tatbestandsmäßige Handlung ist, die der untätige Garant als Schutzpflichtiger unmittelbar beherrscht und so die Rechtsgutsverletzung (mit-)gestaltet. Alleine aufgrund der Verletzung der Schutzpflicht als „sozialer Sonderverantwortung“334 wird der Beschützergarant „zur voll zuständigen Person für das Geschehen“335 oder in Roxins Terminologie zur „Zentralgestalt des Geschehens“, zum Unterlassungstäter.336 Ausnahmen sind nur zu machen, wenn der Deliktstatbestand eine besondere Täterqualität verlangt, eine besondere Absicht, eine Eigenhändigkeit der Deliktsbegehung337, die durch die Tatbestandserweiterung hinsichtlich der Tatbestandshandlung (!) nicht obsolet werden. Demgegenüber geht es bei den Überwachergarantenstellungen, auch „Pflichten kraft Organisationszuständigkeit“338 genannt, um die Beherrschung einer Gefahrenquelle wie bei der Beaufsichtigung Dritter, der Verantwortlichkeit für (pflichtwidriges) Vorverhalten (Ingerenz) oder den Verkehrssicherungspflichten. Der Garant hat hier nur dafür Sorge zu tragen, dass in seinem „Organisationskreis“ andere nicht zu schaden kommen. Es besteht also eine besondere Beziehung zur Gefahr, nicht aber zum gefährdeten Rechtsgut. Sowenig aber ein aktives (Mit-)Verursachen mittels Überreichen der Tatwaffe für ein Täterschaft ausreicht, sowenig kann es bei der „Überreichung“ durch Unterlassen genügen, dem Geschehenlassen der Wegnahme der Tatwaffe. Wertmäßig steht der nichthindernde Überwachergarant – deren Garantenstellung letztlich nur der Verhinderung einer uferlosen Ausdehnung der Unterlassungsstrafbarkeit dient, die dazu führen würde, dass jeder von uns tagtäglich Straftaten begehen würde – damit zumeist einem Gehilfen gleich, womit wir bei einer in der Literatur verbreiteten Ansicht angekommen wären: Beschützergarant: Täter – Überwachergarant: Gehilfe.339 ______________ 334

Herzberg, TuT, S. 82. Sánchez-Vera, Pflichtdelikt, S. 148. 336 So Geppert, Jura 1999, 266, Herzberg, Unterlassung, S. 261, ders., TuT, S. 83 und Seier, JA 1990, 384. 337 Siehe speziell zu den Beschützergaranten Herzberg, TuT, S. 95 und Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 105. 338 Jakobs, AT, 28/15. 339 Dies wird vertreten von Geppert, Jura 1999, 271, Herzberg, TuT, S. 82 ff., Schmidhäuser, Lb AT, 17/12, ders., StuB AT, 13/13, Sowada, Jura 1986, 406 f., Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 104 f. und Seier, JA 1990, 385. Vgl. auch die Ansätze bei BGH, JR 1977, 289 sowie BGH, JZ 2003, 575 (581). 335

212

2. Teil: Grundlagen

Doch diese Schwarz-Weiß-Abgrenzung trifft es nicht ganz. Denn Täter ist noch immer, wer „die Herrschaft über den Grund des Erfolges“ innehat und damit auch ein Überwachergarant dann, wenn er das rechtsgutsverletzende Handlungsgeschehen gestaltet. Zumeist ist ihm dies zwar durch einen aktiv handelnden Dritten verwehrt, so dass er nur Gehilfe ist. Wo aber ein Dritter dem Überwachergaranten gerade den Zugang zum Erfolg nicht verstellen kann, weil er hierzu etwa mangels Schuldunfähigkeit nicht in der Lage ist340, kann auch der Überwachergarant Täter nach allgemeinen Kriterien sein. Für die unechten Unterlassungsdelikte kann so festgehalten werden: § 13 StGB erweitert den jeweiligen Deliktstatbestand dahingehend, dass beim Vorliegen einer bestimmten Schutzpflicht für das betroffene Rechtsgut die Pflichtverletzung zur Tatbestandshandlung wird.341 Über diese Pflichtverletzung hat der Pflichtige zweifelsohne die Gestaltungsherrschaft342, beherrscht also das tatbestandserfüllende Handlungsgeschehen bei zurechenbarer Rechtsgutsverletzung. Sering343 ist daher nur zuzustimmen, wenn er die Beurteilung nach Garantenstellungen als eine „verdeckte Übernahme des Tatherrschaftsprinzips“ bezeichnete, das damit auch uneingeschränkt im Bereich der Unterlassungsdelikte Gültigkeit beansprucht.

VI. Ergebnis Unsere Analyse des § 25 StGB mithilfe der gängigen Auslegungsregeln hat damit einen Täterbegriff zu Tage gefördert: Täter ist jeder, der das tatbestandsmäßigen Handlungsgeschehens (objektiv erkennbar) durch eine emotionsbedingt-finale Handlung gestaltet. Dieser Täterbegriff ist trotz aller Unkenrufe ein allgemeingültiger. Dies beruht maßgeblich auf seiner Errichtung auf dem Fundament eines emotionsbedingt-finalen Handlungsbegriffs, der für Begehungs- wie Unterlassungs-, Vorsatz- wie Fahrlässigkeitsdelikte gilt und diese Universalität dem Täterbegriff mitgegeben hat. Obwohl die einzelnen Deliktstatbestände zusätzliche Täteranforderungen aufstellen, vermag dies am Täterbegriff nichts zu ändern, sondern fließen diese über die Tatbestandsbezogenheit lediglich mit in die Täterbestimmung ein und passen den Täterbegriff so dem jeweiligen Delikt an, ohne sein Wesen zu verändern. ______________ 340

Vgl. hierzu Herzberg, Unterlassung, S. 260 f. Bei den echten Unterlassungsdelikten gilt das Gleiche qua gesetzlich fixierter Garantenstellung, wobei jedoch hier die einzelnen gesetzlich fixierten besonderen Handlungsweisen zu beachten sind. 342 Schünemann, GA 1986, 334 spricht von einer „Schutzherrschaft über das Rechtsgut“, bezieht dies aber leider auf beide Garantenformen. 343 Sering, Beihilfe, S. 88. 341

4. Kap.: Der Täterbegriff des Strafgesetzbuches

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Besonders die grundsätzliche Gültigkeit des Täterbegriffs auch für fahrlässige Delikte bringt uns der Beantwortung der Frage nach einer fahrlässigen Mittäterschaft ein erhebliches Stück weiter. Hiermit bestätigt sich die oben lediglich anhand pragmatischer und systematischer Überlegungen gefundene Erkenntnis, dass ein geteiltes Beteiligungsformenmodell nach Täterschaft und Teilnahme sowie der restriktive Täterbegriff auch bei den fahrlässigen Delikten Gültigkeit beansprucht. Dies spricht dafür, eine Aufteilung in die einzelnen Täterformen auch bei allen Deliktsformen parallel vorzunehmen und damit auch bei den fahrlässigen Delikten eine fahrlässige Mittäterschaft anzuerkennen. Dies hängt aber letztlich an den auf dem Täterbegriff aufbauenden zusätzlichen Voraussetzungen der Mittäterschaft und ihrer möglichen Vereinbarkeit mit dem Wesen der Fahrlässigkeit.

Fünftes Kapitel

Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB „Grundsätzlich orientiert sich die Formulierung von Straftatbeständen an der Begehung durch einen Einzeltäter.“1 Ein derartiger ist gemeint, wenn das Delikt vom „wer“ als den Tatbestand Verwirklichenden spricht. Nicht erst seit dem Zeitalter der Fließband-Industriegesellschaft, sondern von jeher ist menschliches Zusammenleben geprägt vom Element der Funktionsteilung (man denke nur an die Aufteilung in Jäger und Sammler!2). So werden die Fähigkeiten Einzelner in den Dienst der Gesamtheit gestellt. Gleiches ist denkbar bei der Begehung einer Straftat. Fast schon legendär ist hier das Beispiel des gemeinschaftlichen Bankraubes: A hält den Kassierer mit einem Revolver in Schach, während B den Safe leer räumt.3 Jedem kommt eine bestimmte Aufgabe zu, jeder erfüllt seine Funktion, damit das Kollektiv Erfolg hat. Dem trägt § 25 Abs. 2 StGB Rechnung: Wenn mehrere die Straftat gemeinschaftlich begehen, so wird hiernach jeder „als Täter bestraft“, als „Mittäter“. Streng genommen normiert § 25 Abs. 2 StGB also nicht, wer Mittäter ist, sondern lediglich wer als solcher bestraft wird. Ginge man von einer engen Interpretation des Gesetzestextes aus, so wäre gleichsam nicht jeder Mitbeteiligte wegen seiner Tätereigenschaft zu bestrafen. Sondern er würde nach § 25 Abs. 2 StGB „als“ Täter bestraft, also obwohl er sonst in seiner Person die Erfordernisse des herausgearbeiteten Täterbegriffs erfüllt. Ob ein Täter aber bestraft wird, weil er tatsächlich Täter ist oder weil das Gesetz eine Täterbestrafung anordnet, ist für den Täter zwar einerlei – die Täterstrafe erhält er so oder so. Dem Wesen des § 25 Abs. 2 StGB nachzugehen lohnt sich aber dennoch. Denn wie bei den einzelnen Deliktstatbeständen die Klärung des geschützten Rechtsgutes für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale vorentscheidend ist, ist es bei § 25 Abs. 2 StGB die Bestimmung seines Wesens. Hier erfolgt die erste Weichenstellung, die bestimmend ist für die Festlegung der einzelnen Mittäterschaftsvoraussetzungen und ihrer Aussage zu Detailfragen, so dass wir ______________ 1

BGH (GS), NStZ 2003, 435 (436). Hierzu Wesel, Geschichte, S. 19 ff. 3 Vergleichbare Fälle zur Veranschaulichung der Mittäterschaft finden sich bei Roxin, AT II, § 25 Rn. 188, Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 12 Rn. 81 und Krey, AT II, Rn. 26. 2

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

215

diesen Hebel zunächst im Sinne des Gesetzes umlegen sollten, bevor wir weiterfahrend die einzelnen Mittäterschaftserfordernisse ermitteln und schließlich beurteilen können, ob ein Schienenstrang auch auf ein fahrlässiges Gleis führt.

I. Das Wesen der Mittäterschaft 1. Die Mittäterschaft als Form der mittelbaren Täterschaft Die obige historische Mittäterschaftsschau hat gezeigt, dass die anfängliche Zweispurigkeit der Mittäterschaft (Raufhandel und gemeinschaftliche Tötung bzw. Komplott) dogmatisch erst überwunden wurde durch ein Verständnis jeder Mittäterschaft als eine gegenseitige Anstiftung (Feuerbach) 4 und nachfolgend als eine gegenseitige Beihilfe (Tittmann) 5 . Hieran anschließend urteilte das preußischen Obertribunal in seiner Entscheidung vom 02.06.18696: „Wenn jeder von mehreren mit gleicher Absicht handelnden Thätern die Thätigkeit der Andern zur Verwirklichung der eignen benutzt, so sind sie Mitthäter, und Jedem ist die ganze That zuzurechnen.“ In der Entscheidung vom 17.10.18727 nahm das preußische Obertribunal dann sogar eine Mittäterschaft zwischen Vater und Sohn an, da zwischen beiden eine Übereinstimmung bestanden habe und der nicht handelnde Vater „sich hinsichtlich der äußeren Handlungen seines Sohnes als Werkzeug bedient habe“. Damit hatte sich mit der Geltung des Reichsstrafgesetzbuches eine Fortentwicklung der ursprünglich wechselseitigen Anstiftung zur wechselseitigen mittelbaren Täterschaft vollzogen, die vielfach als das Wesen der Mittäterschaft angesehen wird8: „Das Handeln eines jeden wird von diesem gewollt und getan zur Verwirklichung seines ______________ 4

Feuerbach, Lehrbuch, S. 90. Tittmann, Handbuch I, § 103 (S. 205); ebenso Theodor Reinhold Schütze, Teilnahme, S. 212 f. und Langenbeck, Lehre, § 90 (S. 250). 6 Preußisches Obertribunal in: Die Rechtsprechung des Königlichen Obertribunals in Strafsachen Bd. 10 (1869), 483 f. 7 Preußisches Obertribunal in: Die Rechtsprechung des Königlichen Obertribunals in Strafsachen Bd. 13 (1872), 534 (535). 8 So RGSt. 66, 236 (240); ähnlich RGSt. 63, 101 (102 f.), RGSt. 71, 23 (24): Es genüge für eine Mittäterschaft, „dass jeder seine eigene Tätigkeit als mittelbarer Täter durch die Handlungen des oder der anderen vervollständigen und auch diese sich zurechnen lassen will“, BGH, NJW 1951, 410, Berolzheimer, Teilnahme, S. 48, Binding, Abhandlungen I, S. 299 f., Kohlrausch, ZAkDR 1939, 245, Lange, Täterbegriff, S. 55, Nowakowski, JZ 1956, 549, Sax, ZStW 69 (1957), 434 f. Eine wechselseitige Anstiftung findet sich hingegen nur noch wegen ihrer Ansicht der Anstiftung als „Unrechtspakt“ bei Ingeborg Puppe, GA 1984, 119 Fn. 58: „Zu den Beiträgen des Tatgenossen hat der Mittäter nicht das Verhältnis des mittelbaren Täters, wohl aber [...] das des Anstifters.“ 5

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2. Teil: Grundlagen

eigenen und des Willens der ganzen Genossenschaft, über deren Umfang der Einzelne nicht einmal genau unterrichtet zu sein braucht“, so dass von jedem gesagt werden könne, „dass er den ganzen Verbrechenstatbestand [...] auch in Verwirklichung seines eigenen schuldhaften Willens gesetzt hat: jeder ist Volltäter geworden, selten durch eigenhändige Verwirklichung des ganzen Tatbestandes, weit öfter durch zum Teil eigenhändiges, zum Teil das uneigenhändige Handeln seiner Stellvertreter. Man kann sagen: für jeden Mittäter kommen alle seine Genossen nur als Gehilfen in Betracht“9. Und was sich der Einzelne so in realer Weise zurechnet, müsse ihm auch bei der Bewertung des Unrechtsgehalts seiner Tat zugerechnet werden.10 Überwiegend wird diese Deutung aber zu Recht abgelehnt11, wenngleich die vorgebrachten Argumente eher von der eigenen Tatherrschaftslehre geprägt sind: So beklagt Küper12, Mittäter seien „gemeinsame und gleichrangige Gestalter des deliktischen Geschehens“ und nicht Deliktsbeteiligte, die sich gegenseitig beherrschen und steuern. Welzel13 argumentiert, die finale Tatherrschaft liege bei der Mittäterschaft bei allen und nicht bei jedem Einzelnen, so dass dieser auch nicht die anderen beherrschen könne. Und Roxin14 führt an, dass „eine ablaufgestaltende Willensmacht des neben der Tatbestandshandlung Stehenden nicht vorliegt, wenn der sie Ausführende auf der höchsten Tatherrschaftsstufe frei handelt“. Mit diesen Einwänden wird zwar zutreffend zum Ausdruck gebracht, dass die „anschauliche Betrachtungsweise“ von der „Doppelrolle“ des Mittäters als Täter und Werkzeug15 der gemeinschaftlichen Gestaltung des gesamten Handlungsgeschehens nicht gerecht wird. Ein viel durchgreifenderes, systematisches Argument wird hingegen nur selten16 genannt, obwohl es auf der Hand liegt: Kein Gesetz darf so ausgelegt werden, dass es überflüssig wird. Solange der Gesetzgeber die Mittäterschaft von der mittelbaren Täterschaft strikt getrennt hat, hat ihr daher ein eigener Anwendungsbereich zuzukommen. So beschränkt § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB das Wesen des § 25 Abs. 2 StGB normtexttheoretisch und verlangt nach einem abweichenden Normverständnis.

______________ 9

Binding, Abhandlungen I, S. 299 f. Lange, Täterbegriff, S. 59 f. 11 Vgl. nur Roxin, TuT, S. 276, Rudolphi, FS Bockelmann, 373, Welzel, Strafrecht, S.107, Jescheck/Weigend, AT, S. 681, Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 49 Rn. 10 sowie Küper, JZ 1979, 785. 12 Küper, Versuchsbeginn, 19 Fn. 24. 13 Welzel, ZStW 58 (1938), 550. 14 Roxin, TuT, S. 276. 15 Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 49 Rn. 10. 16 Einzig bei Buser, Zurechnungsfragen, S. 57 kommt es zur Geltung. 10

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

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2. § 25 Abs. 2 StGB als Zurechnungsnorm Ein derartiges anderes Normverständnis wird deutlich, wenn man sich § 25 Abs. 2 StGB noch weiter im Rahmen einer Auslegung nach dem Normtext besieht. So begrenzt nicht nur § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB den Anwendungsbereich der Mittäterschaft, sondern auch § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB: Steigen etwa A und B gemeinschaftlich in ein Haus ein und nimmt A eine wertvolle Uhr und B ein mit Edelsteinen verziertes Schmuckkästchen mit, so erfüllt jeder bereits sämtliche Merkmale des § 242 Abs. 1 i.V.m. 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB. In diesen Fällen § 25 Abs. 2 StGB für anwendbar zu halten17, widerspricht nicht nur dem Wortsinn der Formulierung, „die“ Straftat zu begehen, da bei einer mehrfachen Erfüllung eine Mehrheit an Straftaten vorliegt.18 Sondern eine derartige Auslegung würde die Mittäterschaft auch zu einer bloßen Unterform der Alleintäterschaft degradieren, die bereits von § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB erfasst würde. Die Fälle der „Mehrtäterschaft“19 werden somit von § 25 Abs.2 StGB nicht erfasst, mag man sie auch „Mittäterschaft im weiteren Sinne“20 bezeichnen. Hieraus ergibt sich zwangsläufig, dass § 25 Abs. 2 StGB erst dann zur Anwendung gelangt, wenn ein Beteiligter nicht für sich bereits sämtliche Merkmale erfüllt, um Täter der Tat zu sein. § 25 Abs. 2 StGB hat also den Charakter einer Zurechnungsnorm, die konstitutiv die für den Alleintäter angeordnete Strafbarkeit auf den Mittäter ausdehnt.21 Diese Zurechnungsfunktion konkretisiert sich weiter, wenn man den Wortlaut berücksichtigt, wonach die Mittäter die Straftat gemeinschaftlich begehen. Das (täterschaftliche) Begehen einer Straftat hatten wir oben gekennzeichnet als eine Tatbestandsverwirklichung durch eine objektive Gestaltung des Außenweltgeschehens mittels einer emotionsbedingt-finalen Handlung. Wenden wir diese Kriterien auf den genannten Raubfall an, so wird die Bedeutung der Mittäterschaftsnorm plastisch: A bedroht den Kassierer, um ihn an störenden Handlungen zu hindern; er beherrscht jedenfalls die Nötigung des Kassierers. Eine Raubhandlung kann alleine jedoch noch nicht erblickt werden, nimmt er doch keine Wegnahmehandlung vor. Dennoch ist das Erlangen der Geldscheine das Handlungsziel des A. Ausgehend von der Zusage durch B, die Scheine wegzunehmen, hat A in seiner ______________ 17

So Reinhard Frank, StGB, § 47 Anm. I. Birkmeyer, Lehre, S. 105. 19 Birkmeyer, Lehre, S. 104. 20 Reinhard Frank, StGB, § 47 Anm. I. 21 Ebenso die überwiegende Ansicht: Vgl. BGHSt. 16, 12 (14), BGHSt. 24, 286 (288), BGHSt. 37, 106 (129), BGHSt. 37, 289 (293), BGH, NStZ 2003, 435 (436), Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 88, Ingeborg Puppe, GA 1984, 119 Fn. 58, Kühl, AT, § 20 Rn. 100 und Herzberg, ZStW 99 (1987), 54 f. 18

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2. Teil: Grundlagen

Handlungsplanung das bloße Bedrohen als für die Erlangung der Geldscheine notwendige Handlung errechnet – von der Wegnahme durch B geht er wie durch den Ablauf eines Naturereignisses im Rahmen seiner Handlungsplanung aus – die Beiträge der Komplizen werden also zu bloßen „Kausalfaktoren“22. Im Gegensatz zur „blinden“ Naturkausalität ist der Komplize zwar ein verantwortlich handelndes Wesen, das ändert jedoch nichts daran, dass der Einzelne das Handeln des Dritten einplant und ihn so „zum Mittel des eigenen Tatwillens macht“ und subjektiv „instrumentalisiert“23. In gleichem Maße packt B die Geldscheine in einen Koffer und überlässt die für die Wegnahme notwendige Bedrohung des Kassierers dem A, deren Tätigkeit er als erfolgend mit einplant. und beherrscht somit die Wegnahmehandlung. Jeder begeht also nur einen Teilakt. Zumindest das sich auf diesen Teilakt beziehende Handlungsgeschehen beherrscht jeder Einzelne. „Zweckbewusster Herr“ über das gesamte, den Raubtatbestand verwirklichende Geschehen, bestehend aus Gewalt und Wegnahme, würde sowohl A wie auch B alleine nur dann sein, „wenn ihm aufgrund seiner Herrschaft über seinen eigenen Tatbeitrag zugleich die Mitherrschaft über die Tatbestandsverwirklichung als ganzes zufällt, d.h. wenn er den tatbestandsmäßigen Geschehensablauf in der Weise in den Händen hält, dass er die Tatbestandsverwirklichung durch Leisten seines Tatbeitrages ablaufen lassen und durch dessen Nichterbringung hemmen kann.“24 Letztere („negative“25) Herrschaftskomponente (sog. „Hemmungsmacht“)26 steht sowohl A wie auch B zweifelsohne zu. Es kommt schließlich nicht zum Raub, wenn A es zulässt, dass der Kassierer die Wegnahme durch den unbewaffneten B zulässt oder wenn B kein Geld an sich nimmt. Die Hemmungsmacht folgt demnach zweifelsohne aus der jeweiligen Rollenverteilung, die die Erbringung eines für die Tatbestandsverwirklichung notwendigen, weil vom anderen Beteiligten nicht vollzogenen Teilaktes mit sich bringt. Diese Aufgabenkoordination verleiht jedem die Macht, durch bloße „Leistungsverweigerung“ das Unternehmen zu verhindern.27 ______________ 22

Schilling, Verbrechensversuch, S. 104. Vgl. NK-StGB/Schild, § 25 Rn. 12. 24 Rudolphi, FS Bockelmann, 373. 25 Hierdurch soll nicht der Eindruck entstehen, es gebe eine negative und eine positive Herrschaftsmacht. Die Herrschaftsmacht zeigt sich nur in unterschiedlichen Komponenten, die zur Veranschauung entsprechend ihrer Außenwirkung betitelt wurden. Selbstverständlich ist auch die Hemmungsmacht nur ein Element der Gestaltungsmacht des Mittäters am Gesamtgeschehen aufgrund seines eigenen Tatbeitrags, vgl. Roxin, AT II, § 25 Rn. 257. 26 Roxin, TuT, S. 311. 27 Vgl. Küper, JZ 1979, 786. 23

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

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Hieraus folgt aber noch nicht zwangsläufig eine Herrschaft über das Gesamtgeschehen.28 Denn würde hierfür eine bloße Hemmungsmacht genügen, so wäre jeder Mitwisser des Tatplanes zwangsläufig Mittäter – er könnte das Unternehmen durch einen Anruf bei der Polizei zum Scheitern bringen. Vielmehr muss etwas hinzutreten, das den Mittäter als Urheber des Handlungsablaufs bezeichnen lässt: Jeder Mittäter bezieht den Handlungsbeitrag des anderen in seine Handlungsplanung – sein „Handlungsprogramm“29 – mit ein und instrumentalisiert diesen so in einer Weise, dass er bewusst auf die Selbstvornahme von dessen Handlungsakt verzichtet und entsprechend der Abrede zu verzichten können glaubt. Da jeder Mittäter diese Einplanung des Aktes des/der jeweils anderen vollzieht, muss der Tatbeitrag eines jeden Mittäters (um auch tatsächlich von den anderen eingeplant zu werden) für die Verwirklichung des Tatplanes notwendig sein. Nur so lässt sich dafür sorgen, dass ein Mittäter zwar nicht jeden Teilakt, wohl aber den Gesamtgeschehensablauf mitbeherrscht. Legt man dies zugrunde, so waren ausgehend vom gemeinsamen Tatplan und dem letztlich erfolgten Gesamtgeschehen sowohl die Wegnahmehandlung des B wie auch die Bedrohungshandlung des A zur Erreichung des gemeinsamen Zieles erforderlich. Jeder hatte eine wesentliche Funktion am Handlungsgeschehen und gestaltete damit neben dem Handlungsgeschehen des eigenen Tatanteils das gesamte Handlungsgeschehen, das den Tatbestand des Raubes verwirklichte, mit. Roxin nannte dies „funktionelle Tatherrschaft“30, ein Begriff, der mittlerweile anerkannt ist.31 Ist damit gesagt, dass A und B den tatbestandserfüllenden Geschehensablauf mitgestaltet haben, so sagt dies aber noch nichts darüber aus, dass sie auch wirklich Täter sind. Täterschaft ist nämlich in erster Linie Tatbestandserfüllung, so dass jeder Täter durch die Gestaltung des Geschehensablaufes einen Tatbestand in seiner Person erfüllen muss. So hatte A zwar die Mitherrschaft über den gesamten Geschehensablauf sowie die Herrschaft über den die Nötigung (und damit Gewalt) betreffenden Geschehensablauf, nicht aber über jenen die Wegnahme alleine betreffenden Geschehensablauf. Diesen überließ er bewusst dem für diesen zuständigen Komplizen und verzichtete auf jede Einflussnahme. Alleine die Einplanung einer fremden Handlung als Element des ablaufenden, erwarteten Kausalverlaufs macht die Handlung des anderen aber noch nicht zur eigenen.32 Ansonsten würde man den Handlungsbegriff auf eine ______________ 28

So aber LK/Roxin, § 25 Rn. 156. So der Ausdruck von NK-StGB/Schild, § 25 Rn. 7, 86 und 89. 30 Roxin, TuT, S. 275 ff. und 684 ff., ders., AT II, § 25 Rn. 188 und ders., JA 1979, 520. 31 Vgl. nur Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 49 Rn. 5, Jescheck/Weigend, AT, S. 674, Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 12 Rn. 93 und Rudolphi, FS Bockelmann, 373 f. 32 So aber NK-StGB/Schild, § 25 Rn. 92. 29

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2. Teil: Grundlagen

rein subjektive Komponente verengen. Die Wegnahmekomponente hat A somit in seiner Person nicht verwirklicht und damit auch den Tatbestand des Raubes nicht. Gleiches gilt für B, von dem man nicht sagen kann, er hatte auch nur Einfluss auf die Bedrohung des Kassierers durch A. So sehr beide den die „Gesamttat“33 in Form des Raubes betreffenden Geschehensablauf funktionell mitgestalteten, den Deliktstatbestand insgesamt hat keiner von ihnen in seiner Person erfüllt.34 Ein Rückfall zur streng-objektiven Tätersicht, dass jeder Täter eigenhändig den gesamten Tatbestand alleine verwirklichen muss, ist hierin nur bedingt zu sehen. Täter ist zwar, wer den tatbestandserfüllenden Geschehensablauf gestaltet. Besteht dieser aber in mehr als einem Element („Tötung eines Menschen“), etwa beim Raub in einer Nötigungs- und einer Wegnahmehandlung, so laufen neben dem Gesamthandlungsgeschehen auch zwei Teilhandlungsgeschehen ab, eines mit dem „Erfolg“ der Wegnahme und eines mit dem Nötigungserfolg. Obgleich beide Geschehen zusammen das Gesamtgeschehen „Raub“ ergeben, bedeutet Täterschaft wegen der notwendigen Tatbestandsverwirklichung die Gestaltung des ein jedes Tatbestandsmerkmal erfüllenden Geschehens. Bei mehraktigen Tatbeständen ist daher jedes ein Tatbestandsmerkmal erfüllendes Geschehen zu beherrschen, um als Verwirklicher des gesamten Tatbestandes zu erscheinen. A und B aufgrund ihrer Mitbeherrschung des Gesamtgeschehens dennoch als Mittäter des Raubes zu bestrafen, kann dogmatisch also erst erfolgen, wenn man A die Wegnahmetätigkeit und B die Bedrohungstätigkeit zurechnet und damit jeden so behandelt, als hätte er in seiner Person den Tatbestand verwirklicht. Eine derartige Ausweitung der Strafbarkeit auch auf den nicht den gesamten Tatbestand erfüllenden Mittäter kann vor Art. 103 Abs. 2 GG nur Bestand haben, wenn eine gesetzliche Norm dies anordnet.35 Diese Funktion ist § 25 Abs. 2 StGB trotz fehlender ausdrücklicher Zurechnungsanordnung zuzuschreiben. Also: Wenn mehrere Beteiligte die Tat gemeinschaftlich begehen, so bewirkt § 25 Abs. 2 StGB eine Zurechnung der Einzelakte, so dass jeder den Tatbestand in seiner Person erfüllt. ______________ 33 Die „Gesamttat“ ist hier nur als Begrifflichkeit zur Veranschauung gedacht, nicht gemeint ist die juristische Figur der Gesamttat, wie sie von Dencker entwickelt worden ist. Zu ihr siehe Zweiter Hauptteil, Fünftes Kapitel, I, 3, b). 34 Ebenso gehen von einer strengen Tatbestandsmäßigkeit bei der Mittäterschaft aus: Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 12 Rn. 81, Rudolphi, FS Bockelmann, 371 und Seelmann, Verantwortung, S. 9. 35 Vgl. Birkmeyer, Lehre, S. 105: „[...] insofern hier Jeder der Mitwirkenden nur einen Teil des verpönten Erfolges, und nur ihr Zusammenwirken den ganzen Erfolg verursacht. Sollte gleichwohl jeder als ,Thäter‘ bestraft werden, so war hierzu besondere Bestimmung notwendig.“

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

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3. Die Art der Zurechnung Eine derartige Zurechnung kann dogmatisch auf drei unterschiedliche Weisen erfolgen:

a) Die mittelbare Zurechnung über eine „imaginäre Gesamtperson“ So könnte man die Tatbestandsverwirklichung primär einer „imaginären Gesamtperson“36 oder „Kollektivperson“37, die die äußere Verwirklichung aller Deliktsmerkmale in sich vereint und die primäres Zurechnungsobjekt des strafrechtlichen Unwerturteils ist. Für die Taten dieses von Maurach38 als „Wesen mit einem Kopf, einem Willen und mehreren arbeitsteilig eingesetzten Händen“ bezeichneten Gebildes würde jeder am Kollektiv bezeichnete durch seine Beteiligung haften – ihm würde die Tatbestandsverwirklichung also sekundär zugerechnet. Diese Zurechnungsfigur ist aber wie bereits dargelegt vom falschen Ausgangspunkt geleitet: Dem Einzelnen kommt schließlich sogar unabhängig von der Vorstellung einer imaginären Gesamtperson eine Teilherrschaft über den tatbestandlichen Gesamtgeschehensablauf zu, den er wesentlich mit gestaltet. Hinzu kommt, dass über diese imaginäre Rechtsfigur ein primäres Zurechnungssubjekt für den strafrechtlichen Erfolg geschaffen würde, ohne dass für die „Zwischenzurechnung“ eine gesetzliche Grundlage besteht: So hat sich der Gesetzgeber ausweislich § 14 StGB bewusst gegen eine Verantwortlichkeit von verselbständigten Personenmehrheiten entschieden und gemäß § 29 StGB eine Verantwortlichkeit des Einzelnen unabhängig von derjenigen der anderen angeordnet. Obgleich mit anderen gemeinschaftlich ausgeführt, muss primäres Zurechnungssubjekt jeder einzelne Beteiligte bleiben.

______________ 36

Manfred Heinrich, Rechtsgutszugriff, S. 287. So Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 49 Rn. 12, Jakobs, AT, 22/19 und 21/49: „Deliktsmachinerie“, Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 12 Rn. 77, Seelmann, Verantwortung, S. 9, Renzikowski, Täterbegriff, S. 101, Joerden, Strukturen, S. 78 f. und Lesch, Problem, S. 189: „kollektive Einheit“; ähnlich Ingeborg Puppe, NStZ 1991, 572: „Plangemeinschaft“ und Gössel, GA 2004, 724 sowie ders., Jura 2004, 697: dem „Kollektiv“ stehe die Tatherrschaft zu. 38 Maurach, Fälle, S. 85. 37

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2. Teil: Grundlagen

b) Die Modifikation der Tatbestände durch die Gesamttat Die Lehre von der imaginären Kollektivperson ist daher im Schrifttum weiterentwickelt worden mit dem Ziel, die dogmatischen Fallstricke zu umgehen, ohne die erwünschten kriminalpolitischen Ergebnisse zu missen. Das Unrechtssystem wurde „versachlicht“ und mit der „Gesamttat“ gleichgesetzt. So hatte bereits Welzel ausgeführt: „Die Tat als Ganze ist die Tat aller zusammen“.39 Man könnte daher den einzelnen Beteiligten wegen seinem Mitwirken an der „Gesamttat“ bestrafen, indem man vertritt, § 25 Abs. 2 StGB modifiziere die für Einzeltäter gedachten Deliktstatbestände dahingehend, dass § 212 Abs. 1 StGB etwa lautet: „Diejenigen, welche einen Menschen töten, ohne Mörder zu sein, werden als Totschläger […] bestraft“.40 Dies würde aber nicht nur zu einer Bestrafung aus einem vom Richter zu schaffenden Tatbestand führen, sondern den einzelnen Beteiligten auch „wie“ den Täter des Individualdelikts bestrafen und nicht „als Täter“, wie § 25 Abs. 2 StGB es vorsieht.

c) Tätigkeitsanrechnung Es verbleibt damit nur, jedem Beteiligten die Tatbeiträge der anderen wie eigene zuzurechnen. So heißt es teilweise sogar, die Tätigkeit des Einen werde den Anderen „als eigene Handlung“41 oder „wie eine eigene Handlung“42 zugerechnet oder „als habe er die ihm zurechnende [Handlung] selbst begangen“43. Eine derartige „Handlungszurechnung“44 im streng dogmatischen Sinn wird aber heutzutage zu Recht von niemandem mehr vertreten.45 Denn eine Handlung enthält mit der kausalen Außenweltveränderung objektive wie durch die emotional-finale Handlungsplanung subjektiv-persönliche Elemente. Die gesamte Handlung zuzurechnen, hieße daher, neben der objektiven Tätigkeit auch die Handlungsplanung, den Vorsatz und etwaige Absichten zuzurechnen. Die ______________ 39

Welzel, ZStW 58 (1938), 552. So Dencker, Kausalität, S. 144 ff. 41 Bloy, GA 1996, 424 und 427; vgl. auch BGHSt. 11, 18 (19): „[...] muss sich der Mittäter auch die strafbare Handlung seines Tatgenosen als die seine anrechnen lassen“. 42 Krack, ZStW 110 (1998), 639. 43 SK-StGB/Hoyer, Vor § 25 Rn. 14; ähnlich Jürgen Baumann, JuS 1963, 87. 44 Bloy, GA 1996, 425. 45 Vgl. auch die Analyse der Zurechnungsformulierungen bei NK-StGB/Schild, §§ 25 ff. Rn. 286 ff. Rückblickend hat wohl einzig Köstlin, Revision, S. 553 mit einem Verständnis der Mittäterschaft als gegenseitiger Anstiftung eine echte Handlungszurechnung vertreten: „Forthin ist also der Anstifter so zu betrachten, als ob er eine Person mit dem Angestifteten wäre.“ 40

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

223

Handlungsplanung beruht aber auf einem Informationsprozess, in denen die subjektiven Erfahrungen und Erlebnisse wie auch Gefühle einer Person einfließen.46 Diese zuzurechnen, hieße die Persönlichkeit des einen dem anderen zuzurechnen. Derartiges ist nicht nur undenkbar, sondern mit dem Gesetz auch nicht vereinbar. Nach § 29 StGB wird jeder Beteiligte, worunter auch Mittäter fallen, nur nach seiner Schuld bestraft, wobei mit „Schuld“ der psychische Sachverhalt gemeint ist, der den Täter für sein willentliches Handeln verantwortlich erscheinen lässt.47 Derartige persönliche Faktoren, die die Stellung des Einzelnen zur Unrechtstat betreffen, bleiben auf das Individuum bezogen und sind den anderen Beteiligten nicht zugänglich. § 25 Abs. 2 StGB konstituiert damit keine „Handlungszurechnung“, sondern eine auf den äußeren Tatbeitrag begrenzte bloße „Tätigkeitszurechnung“48. Das äußerliche Wirken der Tätigkeit eines Mittäters (sein Realverhalten) wird allen anderen Mittätern zugerechnet und jeder Mittäter so behandelt, als habe er alle zur Tatbestandsverwirklichung führenden Akte selbst erfüllt.49 Dies verdeutlicht, dass die Tätigkeit des einen Mittäters nur als „objektives Deliktsmerkmal“ den anderen zugerechnet wird und so getan wird, als hätte jeder dieses bereits durch seine Handlung verwirklicht. Diese „Fiktion“50 auf normativer Ebene ordnet § 25 Abs. 2 StGB an: „Begehen mehrere eine Straftat gemeinschaftlich (- was an sich noch nicht strafbar ist, da nicht jeder „wer“ die Straftat begeht -), so wird jeder als Täter (des Delikts, dessen Tatbestand er in Wirklichkeit alleine nicht verwirklicht hat, durch Zurechnung der objektiven Tatakte der anderen angesehen und) bestraft.“

II. Die Voraussetzungen einer Mittäterschaft Von dieser dogmatischen Bedeutung der Mittäterschaft als Tätigkeitsanrechnung ausgehend lassen sich die hinter der „gemeinschaftlichen Begehung“ als Voraussetzung der Zurechnung steckenden Säulen der Mittäterschaft ermitteln:

______________ 46

Hierzu ausführlich oben Zweiter Hauptteil, Viertes Kapitel, III, 2, f). Sch/Schr/Cramer/Heine, § 29 Rn.4. 48 Terminologie von Küper, JZ 1979, 786. 49 Ebenso Herzberg, ZStW 99 (1987), 49 (54 f.), Ulrich Weber Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 78, Kühl, AT, § 20 Rn. 100, SK-StGB/Hoyer, Vor § 25 Rn. 15, Cramer, FS Bockelmann, S. 397, Sch/Schr/Cramer/Heine, § 25 Rn. 61, Ebert, AT, S. 201 und Küper, JZ 1979, 786. 50 Küper, Versuchsbeginn, S. 54 und Schilling, Verbrechensversuch, S. 94. 47

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2. Teil: Grundlagen

1. Die gemeinsame Tatausführung Einer Mittäterschaft bedarf es erst, wenn nicht bereits jeder Mittäter für sich alle Tatbestandsmerkmale in seiner Person erfüllt. Dies führt zwangsläufig zum Erfordernis einer „gemeinsamen Tatausführung als tragende Säule der Mittäterschaft im Objektiven“51, die sowohl den Gegenstand einer vorherigen Absprache als auch deren Umsetzung in der Außenwelt darstellt, mit der erst das notwendige Handlungsunrecht begangen wird.52 Fraglich sind jedoch vornehmlich die Detailfragen, die für eine Anwendung im Einzelfall von erheblicher Bedeutung sind:

a) Die Qualität des Beitrags Verlangt das Gesetz einen Beitrag von jedem Beteiligten, so sind die an ihn zu stellenden Anforderungen Hürden, die die Grenze zwischen einer Mittäterschaft und einer bloßen Beihilfe ausmachen. Plastisch wird dies in der Praxis vor allem beim Schmierestehen, bei dem ein Beteiligter vor dem Haus nur aufpasst, dass die anderen Beteiligten bei ihrem Beutezug nicht gestört werden. Eine negative Hemmungsmacht kommt ihm zwar zu (er kann das Unternehmen jederzeit durch einen Schrei beenden), aber macht das die Tat auch zu seinem Werk? Im Schrifttum dominieren Erfordernisse wie „wesentlich“53, „bedeutsam“54, „erheblich“55, „von einigem Gewicht und von Bedeutung für das Gelingen der Tat“56 oder eine „unerlässliche Voraussetzung für die Verwirklichung des angestrebten Erfolges“57. Zu beurteilen sei dies „unter Einbeziehung aller Umstände des konkreten Geschehensablaufes“58. Doch alle diese Erfordernisse sind wertoffen und schwören nur eine Willkür hervor, die von den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Strafsystems weit entfernt wäre. ______________ 51

Ingelfinger, JZ 1995, 708. Ebenso NK-StGB/Schild, § 25 Rn. 97. 53 LK/Roxin, § 25 Rn. 189; ähnlich Sch/Schr/Cramer/Heine, § 25 Rn. 69; so nun auch BGH, NStZ-RR 2003, 265 (267): „[...] ob objektiv oder jedenfalls aus seiner Sicht die Ausführung der Tat wesentlich von seiner Mitwirkung abhänge“. 54 Otto, AT, § 21 Rn. 61 und ders., Jura 1987, 253. 55 Roxin, AT II, § 25 Rn. 211. 56 Kühl, AT, § 20 Rn. 107; ähnlich nun BGH, Urt. v. 13.10.2004 – 2 StR 206/04, www.hrr-strafrecht.de: „gewichtigen Beitrag“. 57 Roxin, TuT, S. 280. 58 LK/Roxin, § 25 Rn. 191. 52

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

225

Nicht weiter führen die Ansätze der Rechtsprechung, die getreu ihrer subjektiven Ausrichtung einen „fördernden Beitrag“ verlangt, der nach der Willensrichtung des Beteiligten nicht bloß eine Förderung fremden Tuns, sondern Teil der Tätigkeit aller darstellen soll.59 So ließ sie anfangs sogar eine „geistige Mitwirkung“ ausreichen, „auch eine im Vorbereitungsstadium in der Weise, dass der Mittäter dem ausführenden Tatgenossen durch einen vor der Ausführung gegebenen Rat zur Seite steht oder in irgendeinem Zeitpunkt in sonstiger Weise dessen Willen zur Entwendung stärkt, wenn er nur zur Zeit dieser geistigen Einwirkung den ganzen Erfolg der Straftat als eigenen mitverursachen will“60. Die Rechtsprechung lief hiermit letztlich Gefahr, die objektiven und subjektiven Voraussetzungen gleichzusetzen und die Mittäterschaft so vom bloßen Täterwillen abhängig zu machen. Bloßer Wille kann aber ebenso wenig wie bloßes Einplanen fremder Tätigkeiten einen Tatbestand verwirklichen – dies können nur objektive Tätigkeiten. Mit der Abkehr der Rechtsprechung von ihrer rein subjektiven Sicht zurück zum objektiven Boden des Tatbestandes hat die Rechtsprechung zwar zwingend objektive Einschränkungen eingeführt: Der Beitrag des Einzelnen dürfe nicht von nur „untergeordneter Bedeutung“ sein.61 Mit diesem Kriterium wäre aber gegenüber der Wesentlichkeit des Schrifttums nichts gewonnen, würde doch nur eine unkonkrete positive Anforderung durch eine unkonkrete negative ersetzt. Eine gewisse Bestimmtheit lässt sich erst unter Berücksichtigung der handlungstheoretischen Fundierung der Mittäterschaft gewinnen: Denn liegt der Grund der Tätigkeitszurechnung in der gegenseitigen Einplanung der Tätigkeit des anderen wie die Einplanung bloßer Naturfaktoren, so kommt dem Beitrag des Einzelnen dann eine bestimmte funktionelle Bedeutung zu, wenn er von den anderen tatsächlich auch eingeplant werden muss. Oder anders ausgedrückt: Für die Mittäterschaft muss jeder Mittäter einen Beitrag leisten, der aus subjektiver Mittäterschaft auch tauglich zum Gelingen des Taterfolges ist und so von diesem zwingend als erforderliche Handlung eingeplant wird.

______________ 59

BGHSt. 14, 123 (129), BGHSt. 37, 289 (291), BGH, NStZ 1994, 432 (433) sowie BGH, NStZ 2002, 200 (201); ebenso nur einen „förderlichen Tatbeitrag“ verlangen Wessels/Beulke, AT, Rn. 528. 60 BGHSt. 16, 12 (14); zuvor bereits in dieser Weise BGHSt. 11, 268 (271), BGH, NJW 1951, 410 und BGH, MDR 1955, 244. 61 BGHSt. 34, 124 (125), BGH, wistra 2001, 378, BGH, NStZ-RR 2002, 74 (75), BGH, NStZ 2002, 200 (201), BGH, StV 2002, 255, BGH, NStZ-RR 2003, 309; ebenso Jescheck/Weigend, AT, S. 680, Michael Köhler, AT, S. 518 und Sch/Schr/Cramer/Heine, § 25 Rn. 69.

226

2. Teil: Grundlagen

b) Die Kausalität des Beitrags Damit ist zugleich eine Frage mit vorentschieden, die zu Unrecht bei Mittäterschaftsdarstellungen in Lehrbüchern und Kommentaren nur unzureichend behandelt wird62, für das Grundverständnis der Mittäterschaft sowie der konkreten Frage der Existenz einer fahrlässigen Mittäterschaft aber von mit entscheidender Bedeutung ist: Muss der einzelne Beitrag für sich kausal für den Taterfolg sein? Betrachtet man den „Steinwurf-Fall“ des schweizerischen Bundesgerichts63, den „Streichholz-Fall“64 oder auch Kollegialentscheidungsfälle wie den Lederspray-Fall65, so bestehen hinsichtlich einer Einzeltäterschaft jeweils Zweifel wegen fraglicher Kausalität des Einzelbeitrags. Gerade um über diese Hürde bei den Fahrlässigkeitsdelikten zu kommen, ist im Schrifttum die Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft entwickelt worden: Eine „kausalitätsersetzenden Funktion“66 auch der fahrlässigen Mittäterschaft wäre der einzige wesentliche dogmatische Vorteil einer derartigen Rechtsfigur. Würde § 25 Abs. 2 StGB nun seinerseits einen Kausalitätsnachweis bereits für den einzelnen Tatbeitrag verlangen, so wäre die fahrlässige Mittäterschaft unabhängig von ihrer Existenz ohne jede dogmatische Bedeutung und überflüssig.

aa) Der Diskussionsstand in Rechtsprechung und Literatur Die Rechtsprechung ist von einer derartigen kausalitätsersetzenden Funktion der Mittäterschaft stets stillschweigend ausgegangen. Dies wird besonders im Lederspray-Urteil deutlich: Hier war die Kausalität jedes einzelnen Geschäftsführers auch hinsichtlich der vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte zweifelhaft. Die dennoch erfolgte Verurteilung begründete der Bundesgerichtshof damit, dass alle Mittäter seien und sich erst hierdurch jeder die Beiträge der anderen zurechnen lassen müsse.67 ______________ 62

So fehlen konkrete Ausführungen zur Kausalität des einzelnen Beitrags etwa bei Wessels/Beulke, AT, Rn. 524 ff., Sch/Schr/Cramer/Heine, § 25 Rn. 63 ff. und Tröndle/Fischer, § 25 Rn. 5a ff.; Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 60 bezeichnet die Ausführungen hierzu in der Literatur, sofern sie erfolgten, als „beiläufig, bzw. vage und ungenau“. 63 Vgl. die Darstellung dieses Leitfalles in der Einführung. 64 Vgl. hierzu oben Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 4, b). 65 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung oben Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 4, d). 66 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 149. 67 BGHSt. 37, 106 (129).

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

227

Dieses Urteil ist es dann auch, das das Problem des Verhältnisses von Mittäterschaft und Kausalität in der Literatur verstärkt ins Bewusstsein rückte und Anmerkungen hierzu in den Urteilsbesprechungen hervorrief. Diese waren überwiegend positiv: So wurde herausgearbeitet, dass auf eine Kausalität zwischen Erfolg und Handlung als Grundvoraussetzung einer Bestrafung zwar nicht verzichtet werden könne, diese aber nur zwischen dem „mittäterschaftlich konstruierten Verhalten insgesamt und dem Eintritt des Erfolges“ bestehe, der einzelne Beitrag „für sich betrachtet“ hingegen nicht kausal geworden sein müsste.68 Es sei gerade „eine der wichtigsten Funktionen der Figur der Mittäterschaft, in Fällen zweifelhafter Kausalität aller einzelnen Beiträge der Mittäter dem Richter das Auseinandergliedern dieser Einzelbeiträge zu ersparen“69. Dies ergebe sich aus der „Struktur der Mittäterschaft“70, die mit ihrer Zurechnungsfunktion die Tätigkeiten eines Mittäters allen anderen zurechne und so eine Kausalität zwischen den dann zugerechneten Tätigkeiten und dem Taterfolg zu begründen vermöge.71 Wäre dem nicht so, wäre – ohne dass dies ausdrücklich genannt wird - § 25 Abs. 2 StGB überflüssig. Eine derartige Argumentation verwechselt jedoch Ursache und Wirkung der tätigkeitszurechnenden Funktion der Mittäterschaftsnorm. § 25 Abs. 2 StGB rechnet, wie oben dargelegt wurde, zwar die äußere Tätigkeit eines Mittäters den anderen zu, um eine Tatbestandsmäßigkeit eines jeden und damit eine Bestrafung bei arbeitsteiligem Vorgehen bewerkstelligen zu können. Dies ist aber die Folge einer Einschlägigkeit der Norm. Die Zurechnung verlangt somit, dass ihre Voraussetzungen erfüllt sind, es also tatsächlich zu einer gemeinschaftlichen Begehung der Straftat gekommen ist. Würde eine solche einen mitursächlichen Beitrag eines jeden Mittäters verlangen, ohne dass er hierdurch bereits alle Tatbestandsmerkmale in seiner Person erfüllt, so wäre § 25 Abs. 2 StGB trotz kausalem Mittäterschaftsbeitrag keineswegs entbehrlich. Zumindest bezüglich einer derartigen Begründung ist der Vorwurf eines „zirkelschlüssigen“ Vorgehens bei der Verneinung eines Kausalitätserfordernisses, wie ihn Ingeborg Puppe72 vorbringt, nicht von der Hand zu weisen. ______________ 68

Beulke/Bachmann, JuS 1992, 742, Hilgendorf, NStZ 1994, 563, Heribert Schumann, StV 1994, 110 sowie Joerden, Strukturen, S. 81 Fn. 201; im Ergebnis auch Roxin, TuT, S. 283, Bloy, Beteiligungsform, S. 373 f. und Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 65. 69 Beulke/Bachmann, JuS 1992, 742; ebenso Herzberg, TuT, S. 57. 70 Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 65. 71 Bloy, Beteiligungsform, S. 374 und Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 65 und 69. 72 Ingeborg Puppe, JR 1992, 32; ebenso Hoyer, GA 1996, 173, der davon spricht, der BGH habe „die Haftungsvoraussetzungen ,Kausalität‘ und ,Täterschaft‘ dabei in ein falsches Verhältnis zueinander“ gesetzt; hiergegen Bloy, Beteiligungsform, S. 375, da durch das Zurechnungsprinzip auch nichtursächliche Beiträge ausreichen könnten und die Befürworter eines Ursächlichkeitsprinzips so selbst einem „Zirkelschluss“ unterlägen.

228

2. Teil: Grundlagen

Die Befürworter eines Kausalitätserfordernisses73 begrenzen sich weitgehend auf Behauptungen und Beteuerungen, eine Mitursächlichkeit sei erforderlich; Argumente für ihre Sichtweise finden sich nur selten. Mit als Einziger trägt Hoyer vor, Kausalität sei Mindestvoraussetzung für jede Teilnahmehaftung, so dass sie erst recht für die Täterhaftung „unentbehrlich“ sein müsse.74 Dies ist jedoch nicht zwingend. Zum einen ist noch immer nicht endgültig geklärt, ob der Gehilfenbeitrag für die Haupttat mitursächlich sein muss, wie es im Schrifttum überwiegend verlangt wird75, oder ob die Förderung der Haupttat genüge, wie es die Rechtsprechung ausreichen lässt.76 Zum anderen sind die Beihilfe und die Mittäterschaft in ihrem Wesen verschieden: Die Mittäterschaft ist gekennzeichnet durch ein gemeinschaftliches, arbeitsteiliges Vorgehen, bei dem jeder Mittäter die Vornahme bestimmter erforderlicher Akte einem jeweils anderen überlässt und deren Erfolgen einer sicheren Kausalitätsbedingung gleichsetzt, sie in seine eigene Handlungsplanung einbezieht. Ein derart koordiniertes Vorgehen fehlt bei der Beihilfe, bei der der Gehilfe die Haupttat durch einen Beitrag zwar beeinflusst, sie aber weder allein noch mit anderen gestaltet. Ist die Mittäterschaft so hinsichtlich der Beiträge der jeweils anderen Mittäter durch die Einplanung streng subjektiviert, greift der Gehilfe objektiv ein ihm gegenüber geschütztes Rechtsgut durch seine Hilfeleistung zur Haupttat selbständig an.77 Dies erfordert bei § 27 StGB eine objektiv-individualisierte Sichtweise, bei der die allgemeinen Kausalitätserfordernisse anzuwenden sind, während bei § 25 Abs. 2 StGB die Subjektivierung zu einer Modifikation dieser Grundsätze aufgrund gesetzlicher Anordnung führen kann.78 Den eigentlichen Kern der Problematik trifft vielmehr die Frage Hoyers „Wie sollte auch ein wesentlicher Tatbeitrag im Sinne der Mittäterschaft vorliegen, wenn das betreffende Verhalten noch nicht einmal kausal für den Taterfolg war?“79 Dies soll zunächst an zwei Mittäterschaftsformen verdeutlicht werden, die im Grenzbereich zwischen Mittäterschaft und Kausalität liegen und seit jeher Mittelpunkt vielfacher Auseinandersetzungen sind, bevor aus dem Wesen der Mittäterschaft die Kausalitätsfrage einer Lösung zugeführt werden wird. ______________ 73 Hierzu zählen Ingeborg Puppe, JR 1992, 32, Samson, StV 1991, 184 ff., Hoyer, GA 1996, 173 und Barbara Bock, Produktkriminalität, S. 78. 74 Hoyer, GA 1996, 173. 75 Vgl. nur LK/Roxin, § 27 Rn. 2, Geppert, Jura 1999, 269 und Jescheck/Weigend, AT, S. 694. 76 Vgl. RGSt. 58, 113 (114 f.), RGSt. 71, 176 (178), BGHSt. 2, 129 (131), BGH, NStZ 1993, 233, BGH, StV 1995, 524 und jüngst BGH, NStZ 2004, 499 (500). 77 Vgl. hierzu ausführlich oben Zweiter Hauptteil, Viertes Kapitel, IV, 2. 78 Vgl. auch die Kritik von Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 68 f. Fn. 245. 79 Hoyer, GA 1996, 173.

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

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bb) Die additive Mittäterschaft Eine besondere Form koordinierten Zusammenwirkens liegt vor, wenn die zur Erfolgsverwirklichung erforderlichen Tathandlungen nicht zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden, sondern jeder Mittäter für sich um die vollständige Erfüllung des Tatbestands bemüht sein soll (sog. additive Mittäterschaft).80 Herzberg schuf hierzu einen Anschauungsfall, der seither als Paradebeispiel dieser Konstellation in allen Lehrbüchern behandelt wird: Zwanzig Verschwörer planen ein Attentat auf M, den sie erschießen wollen. Um das Gelingen wahrscheinlicher zu machen, kommen sie überein, dass alle zwanzig aus mehreren Fenstern gleichzeitig schießen sollen. So geschieht es. M bricht im Kugelhagel zusammen. Bei der Untersuchung finden sich viele Kugeln in der Leiche, andere haben das Opfer nur gestreift oder gar nicht getroffen. Wer den tödlichen Schuss abgab, lässt sich nicht mehr aufklären.81 Würde man streng eine Mitursächlichkeit eines jeden Beitrags fordern, so müsste man dies bei jedem Beteiligten in dubio pro reo verneinen. Wenn mehrere aufgrund vorheriger Zusage auf eine Person schießen, die im Kugelhagel stirbt, so kann vom objektiven Standpunkt aus betrachtet nicht behauptet werden, dass vom Einzelnen das Gelingen des Vorhabens abhing. Streng dogmatisch müsste man vom objektiven Standpunkt aus mangels Kausalität der Täterhandlung jeden Einzelnen nur wegen Versuchs82 oder allenfalls wegen psychischer Beihilfe durch Stärkung des Tatentschlusses eines Todesschützen bestrafen, wenn sich eine derartige Stärkung auch wirklich nachweisen ließe83. Herzberg dagegen möchte auch von diesem Standpunkt aus wegen der konstitutiven Funktion des § 25 Abs. 2 StGB alle als Mittäter bestrafen. Die hierfür einzig notwendige Voraussetzung sei, dass jeder Mittäter „kraft eines qualifizierten Beitrags die Stellung eines gleichrangigen Partners innehat“84, eine Kausalität des Beitrags sei nicht erforderlich. Es ist weniger das Ergebnis als der bewusste Verzicht auf die diese Konstellation nicht erklärende Tatherrschaftslehre85, der zu einem dogmatischen Streit führte. So hat insbesondere Roxin immer wieder verdeutlicht, dass diese Konstellation sehr wohl mit dem Kriterium der funktionellen Tatherrschaft gelöst ______________ 80 Hierzu Roxin, TuT, S. 691 f., Herzberg, TuT, S. 56 ff., Bloy, GA 1996, 429 f. und Kamm, Mittäterschaft, S. 55 ff. 81 Herzberg, TuT, S. 56. 82 So Jakobs, AT, 21/55 und Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 327. 83 So Schmidhäuser, StuB AT, 10/62. 84 Herzberg, TuT, S. 61. 85 Herzberg, TuT, S. 57 spricht von einem Verfehlen der additiven Mittäterschaft durch die Tatherrschaftslehre.

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2. Teil: Grundlagen

werden könne.86 Entscheidend sei die Rolle, die dem Einzelnen bei der Tatbegehung zukomme, nicht jene, die sich nach dem Geschehen rückblickend ergebe. So komme bei einer gebotenen ex ante-Sichtweise jedem Schützen eine wichtige Funktion zu, mache er das Gelingen des Planes doch „wahrscheinlicher“ und „sicherer“.87 Auch dies sei eine Form der „funktionellen Tatherrschaft“, so dass jeder Schütze als mittäterschaftlicher Totschläger bestraft werden könne. Einen kausalen Beitrag eines jeden fordert er genauso wenig.88 Eine derartige Rekurrierung auf den „Risikoerhöhungsgedanken“ zur Begründung der Mittäterschaft89 fordert jedoch die gleichen Argumente heraus wie schon deren Anwendung im Bereich der Fahrlässigkeits- oder Unterlassungskausalität. So sehr strafrechtlich geschützte Rechtsgüter durch eine Erhöhung des Risikos des Schadenseintritts auch gefährdet werden, so wenig ist dies mit dem geltenden Strafrecht vereinbar. Denn das Strafrecht sieht nur begrenzt Gefährdungsdelikte vor, bei den anderen verlangt es ausdrücklich eine Rechtsgutsverletzung. Wie die Risikoerhöhungstheorie im fahrlässigen Bereich alle Fahrlässigkeitsdelikte zu konkreten Gefährdungsdelikten machen würde, so würde sie über die in jeden Deliktstatbestand bei einer Mittäterschaftsbegehung hineinzulesende Norm des § 25 Abs. 2 StGB jedes mittäterschaftlich zu begehendes Delikt gleichfalls zu einem Gefährdungsdelikt machen, unabhängig von der gesetzgeberischen Wertung. Ob § 25 Abs. 2 StGB die Macht besitzt, die Tatbestände des Besonderen Teils derart zu modifizieren, ist stark zu bezweifeln. Auf der anderen Seite kann § 25 Abs. 2 StGB durch das gesetzlich geforderte „Begehen der Straftat“ seine Nähe zur Alleintäterschaft nicht verleugnen, bei dem die Gestaltung des zur Tatbestandsverwirklichung führenden Handlungsgeschehens als Täterschaft zu bezeichnen ist. Auf die Anwendung dieser Merkmale zu verzichten und wie Herzberg das neue Kriterium der Gleichrangigkeit einzuführen, würde die Mittäterschaft von ihren täterschaftlichen Wurzeln ohne Grund befreien. ______________ 86

Roxin, JA 1979, 524, ders., TuT, S. 691 f., ders., AT II, § 25 Rn. 230 sowie LK/ders., § 25 Rn. 159. 87 Roxin, AT II, § 25 Rn. 230; ähnlich LK/ders., § 25 Rn. 159, ders., TuT, S. 691, SKStGB/Hoyer, § 25 Rn. 111, Bloy, Beteiligungsformenlehre, S. 372 ff., ders., GA 1996, 430, Knauer, Kollegialentscheidung, 158 f.; vgl. auch Teresa Rodriguez Montanes, FS Roxin, 321 f.. 88 Roxin, TuT, S. 283; vgl. auf der anderen Seite aber auch Roxin, AT I, § 11 Rn.18, wo er Ingeborg Puppe hinsichtlich des Kausalitätserfordernisses noch zustimmte und im „Lederspray“-Urteil einen Zirkelschluss erkannte. 89 Ausdrücklich als solcher bezeichnet von Knauer, Kollegialentscheidung, S. 154; ebenso auf die Risikoerhöhung abstellend MüKo-StGB/Joecks, § 25 Rn. 196, Bloy, GA 1996, 430 und Ambos, JuS 2000, 468.

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

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Die mittäterschaftliche Verurteilung aller Schützen als einzig vertretbare Lösung anzusehen, mag dem Rechtsgefühl entsprechen. Es entbindet aber nicht von einer dogmatischen Argumentation auf der Grundlage des geltenden Rechts und damit einer Begründung dafür, warum abweichend von der Bestrafung des Alleintäters eine Kausalität eines jeden einzelnen Beitrags nicht gefordert werden soll.

cc) Die alternative Mittäterschaft Vergleichbare Schwierigkeiten zeigen sich, wenn die einzelnen Beiträge nicht kumulativ zusammenwirken sollen, sondern für den Eintritt eines bestimmten Ereignisses alternativ bestimmte Beteiligte tätig werden sollen (sog. alternative Mittäterschaft). Der hierzu häufig zitierte Fall stammt von Rudolphi: A und B vereinbaren, den M zu töten. Sie erkunden, dass ihr Opfer M nicht immer den gleichen Weg wählt. Um ganz sicher zu gehen, verabreden sie daher folgendes: A soll sich an dem einen Weg in den Hinterhalt legen, B an dem anderen. M wählt am Tattage den Weg, an dem A ihn auflauert und wird von diesem erschossen.90 Die Problematik liegt darin, dass man ein „gemeinschaftliches“ Vorgehen bereits vom Sprachgebrauch her versteht als ein Zusammenwirken mehrerer. Bezieht man dieses auf die den gesetzlichen Tatbestand verwirklichende Handlung, so liegt ein gemeinschaftliches Begehen nicht vor: „Denn A und B haben nach ihrem Tatplan gerade nicht in der Weise zusammengewirkt, dass jeder von ihnen einen wesentlichen Tatbeitrag zu ein und demselben, den gesetzlichen Tatbestand verwirklichenden Geschehen geleistet haben, sondern in der Art, dass je nach der Sachlage nur einer von ihnen, und zwar jeweils allein und unabhängig von dem anderen die den gesetzlichen Tatbestand verwirklichende Handlung vornehmen sollte.“91 Der jeweils andere Schütze wäre nach einer derartigen objektiven Sichtweise nach dem Erfolgen des Geschehens (ex post) nicht für dieses ursächlich geworden, ja er hätte noch nicht einmal Einfluss gehabt. Er könnte daher nur wegen (psychischer) Beihilfe bestraft werden.92 Demgegenüber stellen die Mehrzahl der Autoren wie bei der additiven Mittäterschaft auf eine ex ante Sicht zur Bestimmung der jedem Mittäter zukommenden Funktion ab. Eine derartige Sicht ergebe, dass jeder der Schützen einen wesentlichen Beitrag geleistet habe, da erst durch ihn das Gelingen des Unter______________ 90

Rudolphi, FS Bockelmann, 379. Rudolphi, FS Bockelmann, 379 f. 92 Vgl. Stein, Beteiligungsformenlehre S. 328. 91

232

2. Teil: Grundlagen

nehmens sichergestellt worden sei93, das Opfer also „um so sicherer in den Tod getrieben werde“94. Stünde auch nur einer nicht auf seinem Posten, so sinke die Erfolgschance sogleich um 50 %. Vor allem letztere Argumentation verdeutlicht auch hier, dass die Annahme der Mittäterschaft eher vom Ergebnis her überzeugt als von der Begründung.

dd) Der Perspektivwechsel aufgrund subjektiver Einplanung Dies mag die Befürchtungen verdeutlicht haben, mit dem Argumentationsmuster des Bundesgerichtshofes im „Lederspray“-Urteil könne zur Erzielung gewünschter Ergebnisse „die Kausalität jedes Unbeteiligten für einen Erfolg begründet werden, indem man zunächst seine Mittäterschaft behauptet, sein Verhalten dann nur gemeinsam mit dem anderen Mittäter kausal für den Erfolg

______________ 93

So LK/Roxin, § 25 Rn. 188, ders., TuT, S. 692 f., ders., JA 1979, 524 f., ders., AT II, Rn. 232 f., Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 49 Rn. 39 ff., NK-StGB/Schild, § 25 Rn. 110 und Renzikowski, Täterbegriff, S. 287. Hiervon zu unterscheiden seien nach LK/ders., § 25 Rn. 104, ders., TuT, S. 693 und ders., AT II, § 25 Rn. 232 f. jene Konstellationen, bei denen die Schützen an verschiedenen Orten bereitstünden, beispielsweise in Bangkok und Singapur. Dann sei nur Täter, wer wirklich geschossen habe. Die anderen seien nur nach § 30 Abs. 2 StGB zu bestrafen. Dies sei aber keine Einschränkung der funktionellen Tatherrschaft bei der additiven Mittäterschaft, sondern eine „Folge des Umstandes, dass Mittäter nur sein kann, wer im Ausführungsstadium einen erheblichen Beitrag leistet“ (Roxin, TuT, S. 693). Da Roxin selbst jedoch noch nicht einmal verlangt, dass ein Mittäter am Tatort anwesend ist (vgl. LK/Roxin, § 25 Rn. 183 ff. und ders., JA 1979, 522), kann der Unterschied nicht in der rein örtlichen Komponente liegen, wie er weitgehend verstanden wird (vgl. nur die Kritik von Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 49 Rn. 42: „wieviele km dürfen sie auseinanderliegen?“), sondern in „örtlich/zeitlicher Alternativität“ (Roxin, TuT, S. 693 Fn. 524; ähnlich Michael Köhler, AT, S. 518): Während der eine Beteiligte in Bangkok schon auf der Lauer liegt, sitzt jener in Singapur noch zu Hause, da das Flugzeug des Opfers noch gar nicht landen soll oder noch nicht gelandet ist. Zum Zeitpunkt der Ausführung durch A hätte B demnach keinerlei Beitrag geleistet, sondern einzig im Vorfeld. Dass dies gemeint ist, wird auch dadurch deutlich, dass Roxin diese Konstellation der entfernten Orte mit der Mittäterschaft bei gestaffelten Beiträgen vergleicht (Roxin, AT II, § 25 Rn. 233): „Keine Mittäterschaft liegt auch vor, wenn alternative Beiträge hintereinander gestaffelt werden: Soll erst der Attentäter A den Mordanschlag unternehmen und im Misslingensfall der B einen weiteren Anschlag ausführen, so ist jeder als Täter nur für das verantwortlich, was er selbst getan hat.“ Vor diesem Hintergrund ist die Differenzierung aus der Sicht Roxins zwar verständlich, ihr kann von der hier vertretenen Ansicht zum Erbringen eines Beitrags auch im Vorbereitungsstadium aber nicht gefolgt werden. 94 Roxin, JA 1979, 524.

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

233

geworden ist und das dann womöglich noch als Bestätigung der vorausgesetzten Mittäterschaft verwertet“95. Doch bloße Behauptungen sind es nicht, die zu einer jeweiligen Negierung des Kausalitätserfordernisses geführt haben. Auch wenn es jeweils nur am Rande durchschimmerte, liegt der Schlüssel in einem Perspektivwechsel: Statt nach einer Kausalität ex post zu fragen, wird nach einer Erforderlichkeit ex ante geforscht und bejaht. Begründet wird dieser Perspektivwechsel jedoch mit der Risikoerhöhung für die Verletzung des betroffenen Rechtsguts. Verabschiedet man sich hiervon, bleibt nur die mit der Handlungseinplanung verbundene Subjektivierung als Grund: Die Kausalitätsfeststellung im Recht lehnt sich maßgeblich an der naturwissenschaftlichen Sichtweise an96, obgleich in deren Gebiet nach der Heisenbergschen Unschärfentheorie vielfache Unsicherheiten bestehen.97 So werden juristische Kausalitätsprobleme wesentlich zu naturwissenschaftlichen Problemen. Es obliegt überwiegt kundigen Sachverständigen festzustellen, ob eines der im Körper befindlichen Gifte vor dem anderen wirkte, welche der beiden Kugeln den Tod herbeiführte oder ob ein Holzschutzmittel die bei seinem Umgang aufgetretenen Gesundheitsschädigungen tatsächlich hervorgerufen hat. Diese Bindung wird dadurch abgesichert, dass der Tatrichter sich nach sachverständiger Beratung bei seinen Feststellungen von wissenschaftlichen Standards nicht lösen darf. An seine Überzeugungsbildung sind dann keine geringeren Anforderungen zu stellen als an das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen selbst.98 Im Rahmen quantenphysikalischer Untersuchungen stellt man sich aufgrund der statistischen Kausalität aus der ex ante-Sichtweise die Frage, was die wahrscheinliche Folge eines Ereignisses ist. Dies erfordert aber die Möglichkeit der Isolierung bestimmter, wirkender Faktoren. Derartiges kann im Strafrecht nicht gelingen. Denn Juristen geht es bei der Kausalitätsfeststellung nicht um die ______________ 95

Ingeborg Puppe, JR 1992, 32. So ausdrücklich BSG, Urt. v. 29.01.2002 - B 10 LW 36/00 R, www.jura.unipassau.de/eslr/sozialrecht/ BSG1/B10LW36-00.htm, das von einer „Mitverursachung des Klägers im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne“ spricht; vgl. auch BGE 96 II, 392 (397), wonach der naturwissenschaftliche Ursachenbegriff „vom Recht als natürliche Kausalität übernommen worden ist“ und Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 7: „ontologischer Kausalbegriff“. 97 Zur Erläuterung: Die Heisenbergsche Unschärfenrelation bezeichnet das 1927 von Werner Karl Heisenberg formulierte quantenmechanische Prinzip, wonach es unmöglich ist, für ein Teilchen gleichzeitig dessen Impuls und dessen Ort beliebig genau zu messen. Dies warf Fragen sowohl hinsichtlich der Wirkweise bestimmter Kräfte wie auch des klassischen Determinismus auf. Vgl. zum Verhältnis naturwissenschaftlicher und rechtlicher Kausalität Roxin, AT I, § 11 Rn.3. 98 So BGHSt. 41, 206 (214 f.) und BGHR StPO § 261 Sachverständiger 5. 96

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2. Teil: Grundlagen

exakte naturwissenschaftliche Feststellung, die im Einzelfall nie völlig möglich wäre.99 In den Geschehnissen des Lebens genügen ihnen „Gesetzlichkeiten mit praktisch absoluter Gewissheit“100. Aufgegeben wird hiermit die Sicherheit eindeutiger Kausalitätsfeststellung allerdings nicht, sondern nur auf eine andere Grundlage gestellt: Der Richter hat den Geschehensablauf umfassend aufzuklären (§ 244 Abs. 2 StPO), wobei bloß theoretische Möglichkeiten ohne praktischen Anhaltspunkt zwar unberücksichtigt bleiben101, bei der kleinsten Möglichkeit ihres Ablaufs in dubio pro reo aber Berücksichtigung finden. Auf dieser Grundlage wird die Ursächlichkeit im Rahmen einer objektiv nachträglichen Prognose102 festgestellt, indem der Richter mit einer ex-post-Betrachtung fragt, ob Ereignis A Ursache von Ereignis B war.103 Das Wesen der Mittäterschaft liegt hingegen nicht in der rein objektiven Ergänzung der Beiträge, sondern maßgeblich auf der durch den gemeinschaftlichen Tatplan begründeten Vorstellung des einen Täters, der andere wirke entsprechend seiner Zusage mit.104 Diese Erwartung begründet eine subjektive Handlungseinplanung der Tätigkeit des anderen. Der mit der Handlungseinplanung verbunden Informationsprozesses im Gehirn ist wie die Kausalitätsfeststellung ein „hypothetisches Eliminationsverfahren“105, bei dem ausgehend vom Erfolg die zu seiner Verwirklichung erforderlichen Handlungen ermittelt werden. Dies erfolgt, um anschließend die Vornahme dieser erforderlichen Handlungen planen und vornehmen zu können. ______________ 99

Vgl. RGSt. 66, 163 (164): „Objektive Wahrheit ist nur gedanklich vorstellbar. Ihr Nachweis durch menschliche Erforschung und Erkenntnis ist begrifflich unmöglich […]“ und BGHSt. 41, 206 (214): „Absolut sicheres Wissen – auch von Ursachenzusammenhängen – dem gegenüber das Vorliegen eines gegenteiligen Geschehens mit Sicherheit auszuschließen wäre, gibt es nicht.“ 100 Roxin, AT I, § 11 Rn. 3. 101 BGHSt. 37, 106 (113). 102 So allgemein zum Kausalzusammenhang Palandt/Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 60. 103 Vgl. nur Knauer, Kollegialentscheidung, S. 97, 150. Dies scheint derart auf der Hand zu liegen (so wörtlich Krümpelmann, FS Triffterer, 138), dass man ausdrückliche Formulierungen in deutschen Gerichtsentscheidungen vergeblich sucht. Demgegenüber hat das Schweizer Bundesgericht begrüßenswert konkret ausgeführt, dass nicht nur solche Folgen eines Unfalls zu berücksichtigen seien, „die nach dem Unfallhergang und dessen Einwirkungen auf den Körper gewöhnlich zu erwarten sind. Vielmehr ist von den tatsächlichen Auswirkungen auszugehen und rückblickend zu entscheiden, ob und wiefern der Unfall noch als deren wesentliche Ursache erscheint“ (BGE 96 II, 392 (396); zuvor bereits BGE 70 II, 168 (177)). 104 Vgl. hierzu Ingeborg Puppe, GA 1984, 112, Hauf, NStZ 1994, 265 und NKStGB/Schild, § 25 Rn. 87 f.; vgl. auch oben Zweiter Hauptteil, Fünftes Kapitel, I, 2. 105 So zur Kausalität Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 73.

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

235

Während bei der Kausalität die Ursächlichkeit anhand des nach der Handlung konkret erfolgten Geschehens ermittelt wird, zielt die Handlungsplanung auf den Zeitpunkt vor der Vornahme der eigentlichen, tatbestandsverwirklichenden Handlung. Es wird gerade aus der Sicht des Täters zum Zeitpunkt der Handlungsvornahme nach der Ursächlichkeit einer bestimmten Handlung gefragt. Diese Änderung des Beurteilungsmaßstabes von der objektiven zur subjektiven Seite ist somit zugleich mit einer Änderung der temporären Struktur der Feststellung verbunden ist:106 Wer auf die objektive Kausalität blickt, muss diese ex post durch den erfolgten Geschehensablauf tun. Wer hingegen auf eine Handlungsplanung des Täters abstellt, hat dies aus der Sicht des Täters zum Zeitpunkt der Handlungsplanung zu tun. Die Tauglichkeit und Notwendigkeit der von den Mittätern eingeplanten Beiträge der anderen Beteiligten kann daher nur ex ante beurteilt werden.107 Dies schließt die Notwendigkeit einer (objektiven ex-post-)Kausalität des einzelnen Beitrags zwingend aus. Dieses Ergebnis vom Wesen der Mittäterschaft her lässt sich noch durch eine normtextorientierte Auslegung des § 25 Abs. 2 StGB untermauern: Die für eine Strafbarkeit unerlässliche Kausalbeziehung zwischen der Täterhandlung und dem Erfolg findet bereits im Normtext seine Grundlage. Dies gilt für reine Verursachungsdelikte wie § 222 StGB („wer [...] den Tod eines Menschen verursacht“), für sonstige Erfolgsdelikte (z.B. § 212 Abs.1: „wer [...] tötet“), insoweit dort durch die Wortbeziehung ein Bewirken impliziert wird und für Tätigkeitsdelikte, da diese nie in gegenständlicher Beziehungslosigkeit strafbar sind, sondern einzig in Bezug auf eine Außenweltveränderung.108 Gleiches gilt für die Anstiftung („wer [...] bestimmt hat“) und die Beihilfe („wer [...] Hilfe geleistet hat“), aber auch die täterschaftliche Begehung des § 25 Abs. 1 StGB durch den Wortzusammenhang „wer die Straftat [...] begeht“. Letzteres kennzeichnet eine notwendige kausale Hervorrufung der tatbestandlichen Elemente der Straftat durch den „wer“, den Täter. In § 25 Abs. 2 StGB fehlt dagegen eine derartige Formulierung, etwa in der Weise „wer mit anderen die Straftat begeht“. Stattdessen wird das Begehen zu den „mehreren“ Beteiligten in eine Beziehung gesetzt, so dass unter Berücksichtigung des reinen Wortlauts auf eine einzig notwendige kausale Beziehung ______________ 106

Hierzu grundlegend Krümpelmann, FS Triffterer, 138 f.; ihm folgend Knauer, Kollegialentscheidung, S. 149 ff. 107 Ebenso LK/Roxin, § 25 Rn. 154, ders., AT II, § 25 Rn. 212, ders., TuT, S. 283 und 691 f., Ingeborg Puppe, GA 1984, 112, SK-StGB/Hoyer, § 25 Rn. 117, Bloy, GA 1996, 429 f., Knauer, Kollegialentscheidung, S. 149 und 151 sowie NK-StGB/Schild, § 25 Rn. 89; aA Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 12 Rn.93, der auf den Zeitpunkt des Wirkens eines jeden Beitrags abstellen will, ebenso Beulke, JR 1980, 424 und Katja Langneff, Beteiligtenstrafbarkeit, S. 125 f. 108 Engisch, Kausalität, S. 2 f.; vgl. auch Jescheck/Weigend, AT, S. 277.

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2. Teil: Grundlagen

zwischen dem Erfolg und dem mittäterschaftlich konstituierten Verhalten aller abzustellen ist.109 Damit kommt der Mittäterschaftsnorm gerade die Funktion zu, die ihr als wesensimmanent zugeschrieben wird: dem Richter die Auseinandergliederung der einzelnen Beiträge und deren einzelne Ursächlichkeitsbestimmungen zu erlassen - § 25 Abs. 2 StGB hat eine kausalitätsersetzende Funktion. Sie erfüllt somit zumindest die Minimalbedingung, um mit Hilfe der fahrlässigen Mittäterschaft die Fälle zweifelhafter Kausalität zu umgehen, wofür die Rechtsfigur von seinen Vertretern geschaffen wurde.

c) Zeitpunkt des Beitrags Nur noch kurz eingegangen sei auf die Frage nach dem Zeitpunkt, zu dem der einzelne Beitrag geleistet werden muss. Obgleich in den Kommentaren vielfach der Wesentlichkeit des einzelnen Beitrags vorgelagert, ist die Frage bei richtiger dogmatischer Betrachtung nur sekundär zu beantworten: Entscheidend ist nicht die Frage, welches Gewicht ein Beitrag haben muss, um auch im Vorbereitungsstadium geleistet zu werden, obgleich vielfach mit der hohen Bedeutung eines Beitrags deren Erbringung im Vorbereitungsstadium gerechtfertigt wird.110 Hierauf kommt es aber ebenso wenig an wie auf eine Mittäterschaft als angeblicher Mitherrschaft der „deliktischen Kernzone111“. Vielmehr ist ausgehend von der zwingenden subjektiven Einplanung durch die Mittäter zu fragen, zu welchen Zeiten dies stattfinden kann. Neben einer Einplanung von Ausführungshandlungen können aber auch planerische und vorbereitende Tätigkeiten anderen überlassen werden. So erkennt utreffend, dass ohne einen planenden „Bandenchef“ teilweise „das ganze Unternehmen in Verwirrung geraten und scheitern“ kann.112 Dies trifft jedoch nicht nur auf die von ihm angedachten Fälle zu, in denen der Chef im Hintergrund das Gesche______________ 109

Vgl. zu dieser Argumentation Knauer, Kollegialentscheidung, S. 151 f.; im Ergebnis ebenso Roxin, AT II, § 25 Rn. 213, Hilgendorf, NStZ 1994, 563, Beulke/Bachmann, JuS 1992, 743, Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 64 f. sowie Joerden, Strukturen, S. 81 Fn. 201. 110 So Jakobs, AT, 21/48, Welzel, Strafrecht, S. 110, Hauf, AT, S. 78 f. und Beulke, JR 1980, 424; ebenso im Ergebnis für ein Erfassen auch von Handlungen im Vorbereitungsstadium Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 83, Otto, AT, § 21 Rn.61, Kühl, AT, § 20 Rn. 111 und Sch/Schr/Cramer/Heine, § 25 Rn. 66. 111 So aber Herzberg, ZStW 99 (1987), 58; ebenso LK/Roxin, § 25 Rn. 181, ders., TuT, S. 292 ff. und 687 ff., ders., FS Odersky, 490, Rudolphi, FS Bockelmann, 372 ff. und Michael Köhler, AT, S. 518. 112 Roxin, TuT, S. 280.

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

237

hen auch während der Ausführung telefonisch steuert113, sondern allgemein. Die einzelnen Täter verlassen sich zumeist darauf, dass der Bandenchef die notwendigen Informationen zusammenträgt, die Abläufe plant und so einen Plan ausarbeitet, damit das Geschehen funktioniert. Die eigentliche Vornahme der Handlungsakte verbleibt zwar den ausführenden Mittätern. In der Gestaltung des diese Akte betreffenden Handlungsgeschehens sind sie aber nicht frei; sie haben sich an den Plan zu halten und so eine gewisse Gestaltungsmacht an ihren Akten bereits vorab an den Bandenchef abgegeben. So vermag dieser – und dies ist die einzige Besonderheit im Verhältnis zum typischen Mittäter – sogar die einzelnen Mittäterschaftsbeiträge der anderen Beteiligten mitzugestalten und hierüber das Gesamthandlungsgeschehen durch seine koordinierende Funktion. Wem demnach eine derartige Gestaltungsmacht aufgrund seiner Planungstätigkeit als sein Beitrag zur Straftat zukommt, der erbringt auch mit dieser einen wesentlichen Beitrag, durch den ihm eine Gestaltungsmacht bezüglich des Gesamttatgeschehens zukommt, so dass er als Mittäter aufzufassen ist. Wer dagegen nur Ideen für den Tatplan liefert oder sich nur am Tatplan selbst beteiligt, ohne dass ihm Tatbeiträge obliegen, die die anderen Beteiligten ihm überlassen, kann sich nur der Beihilfe strafbar machen. Nach der Vollendung kann ein Beitrag jedoch nicht mehr erbracht werden, um mittäterschaftlich zu sein. Gegen eine sukzessive Mittäterschaft, wie sie von der Rechtsprechung114 allerdings favorisiert wird, sprechen hierbei nicht nur eine Aushebelung der §§ 257 ff. StGB und eine Unbestimmtheit des Beendigungszeitpunktes als äußerster Grenze115, sondern eben auch das Wesen der Mittäterschaft: Die mittäterschaftliche Zurechnung beruht auf der Einplanung der Tätigkeiten der anderen zur Erreichung des Zieles, so dass der Einzelne auf diese Tätigkeitsakte gerade verzichtet. Kommt ein Beteiligter aber erst nach Vollendung hinzu, so ist das tatbestandsverwirklichende Geschehen bereits eingetreten, ohne dass die anderen Mittäter eine Tätigkeit von ihm mit eingeplant hätten.

2. Der gemeinschaftliche Tatentschluss Wesentlicher für die Problematik der fahrlässigen Mittäterschaft ist jedoch die mögliche Existenz einer tragenden Säule der Mittäterschaft im Subjektiven116, eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses. Dieser wird überwiegend als

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Vgl. LK/Roxin, § 25 Rn. 183 und ders., JA 1979, 522. BGHSt. 2, 344 (346), BGH, GA 1966, 210, BGH, JZ 1981, 596, BGH, StV 1994, 240, BGH, NStZ 1999, 609, BGH, JR 2000, 423 (424) und BGH, NStZ 2003, 85. 115 Vgl. hierzu Roxin, AT II, § 25 Rn. 221 und Geppert, JK 99, StGB § 25 II/12. 116 Ingelfinger, JZ 1995, 707. 114

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2. Teil: Grundlagen

maßgeblicher Grund für die Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge gesehen, als „die Klammer, die die einzelnen Teilstücke zum Ganzen zusammenfügt“117 und aus mehreren Einzeltätern erst eine Gemeinschaft werden lasse. Hiermit werde nämlich der einzelne Tatbeitrag eines jeden Mittäters derart in die „gemeinschaftliche Tat eingefügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint“118 und damit „jeder Beteiligte als gleichberechtigter Partner des anderen in allseits bewusster Koordination die Tat durchführt“119. Auch unser bisheriges Mittäterschaftsmodell scheint eine derartige Koordination zu benötigen: Ein Mittäter leistet seinen Beitrag zur Tat, indem er ausgehend von seinem Ziel den aufgrund seiner Lebenserfahrung erwarteten Kausalverlauf zurückrechnet auf jene Beiträge, die zur Beeinflussung des Außenweltgeschehens erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen. Hierbei beschränkt er sich im Gegensatz zum Alleintäter auf einen an sich nicht ausreichenden Beitrag, da er in den erwarteten Kausalverlauf Beiträge der anderen mit einbezieht und als erfolgend einplant. Für diese Einplanung bedarf es aber einer Grundlage, die bisher mit „Absprache“ betitelt worden ist. Sieht man die Zuweisung der einzelnen Beiträge und damit der einzelnen Funktionen an die Mittäter als mit einem gemeinschaftlichen Tatentschluss erfolgend, so ist ein derartiger unentbehrlich. Bedarf es aber einer subjektiven Abstimmung im Hinblick auf eine gemeinsame zielgerichtete Handlung, die von der Rechtsprechung gar als „gemeinsames Wollen“120 bezeichnet wird, so gerät eine fahrlässige Mittäterschaft dogmatisch in Konstruktionsschwierigkeiten. Denn das Wesen der Fahrlässigkeit besteht gerade darin, dass der Deliktserfolg nicht gewollt sondern angerichtet wird. Ein planerisches Vorgehen erscheint bei diesem Verständnis gleichermaßen kaum vorstellbar. Es überrascht daher nicht, dass der fehlende Tatentschluss von den Kritikern der fahrlässigen Mittäterschaft stets als Hauptargument angeführt worden ist und die Befürworter der neuen Rechtsfigur versucht haben, mit Konstruktionen eine subjektive Übereinkunft zu vermeiden.

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Jescheck/Weigend, AT, S. 674. BGHSt. 37, 289 (291); ähnlich zuletzt BGH, NStZ 2005, 229. 119 Sch/Schr/Cramer/Heine, 25 Rn. 71. 120 Vgl. nur OGHSt. 2, 352 (355). 118

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

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a) Ein Tatentschluss als bloßer Einpassungsentschluss Jakobs war der erste, der in dieser Weise den gemeinschaftlichen Tatentschluss abschwächte. Er erkannte Taten mit nur einer Ausführungshandlung an, dass ein Beteiligter, von dessen Beiträgen der Ausführende nichts wisse, so intensiv mitwirken könne, dass er die Gestaltung der Ausführungen nach Ort, Zeit und Modalitäten wesentlich mitbestimme.121 Genügen solle daher nur ein „Einpassungsentschluss“, „mit dem der nicht unmittelbar ausführende, aber gestaltend mitwirkende Beteiligte seinen Beitrag mit dem Tun des Ausführenden verbindet“.122 Dies verdeutlicht Jakobs an einem Beispiel, das seither als Musterfall für diese Ansicht gilt123: Jemand (A) gibt dem Opfer, das im Schlaf erschlagen werden soll, ohne Verabredung mit dem Ausführenden (B) ein Schlafmittel, öffnet zudem dem Täter die Tür, stellt ferner ein geeignetes und dann auch benutztes Tatwerkzeug bereit und verhindert schließlich vor der Ausführung den Hinzutritt störender dritter Personen.124 A plant hier die Tätigkeiten des B mit ein, da er Kenntnis von dessen Plan hat und von der Verwirklichung dieser Beiträge ausgeht. Aus seiner Sicht mag das Ergebnis des Gesamtgeschehens als gemeinschaftlich erreicht erscheinen. Jakobs gesteht aber selbst ein, dass wenn dem Ausführenden das Verhalten des A nicht bekannt ist, ihm dies nach den allgemeinen Regeln auch nicht zugerechnet werden könne.125 Aus seiner Sicht stellen sich die Beiträge des A „als Zufall“ dar, „so dass insoweit von einer gemeinsamen Tat nicht die Rede sein könnte“.126 Das Ergebnis wäre, dass B Alleintäter und A einziger Mittäter wäre. Die Paradoxität einer derartigen „einseitigen Mittäterschaft“127 erklärt Jakobs Schüler Lesch dahingehend, dass B eben „als Täter ,mit‘ dem Alleintäter A –

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Jakobs, AT, 21/43. Jakobs, AT, 21/43; ihm folgend Lesch, Problem, S. 276: „Ein einzelner (oder ein Kollektiv) kann die Beiträge anderer Mitverursacher für sich in Dienst stellen und in einen übergeordneten Planzusammenhang integrieren. [...] Eine solche einseitige Einpassung kann etwa durch Einwirkung auf den Handlungskontext eines anderen oder durch direkte Einwirkung auf dessen Handlung erfolgen.“ 123 Vgl. nur die Zitierungen des Falles bei Lesch, ZStW 105 (1993), 285, ders., JA 2000, 77 sowie Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 39 Fn. 115. 124 Jakobs, AT, 21/43; Buchstaben für die einzelnen Personen der Übersicht halber hinzugefügt. 125 Jakobs, AT, 21/43. 126 Lesch, JA 2000, 77. 127 Zu Recht weist Blei, Strafrecht I, S. 276 darauf hin, dass eine derartige ein „Widerspruch in sich“ wäre, ebenso Küpper, GA 1998, 526. 122

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2. Teil: Grundlagen

und damit als ,Mit-Täter‘“ hafte.128 Mittäterschaft wäre damit nicht mehr als ein Nebeneinander an Täterschaft.

b) Die Mittäterschaft als objektive Zurechnung Noch einen Schritt weiter gehen sogar Jakobs Schüler Lesch und Derksen, die auf ein subjektives Mittäterschaftserfordernis gänzlich verzichten wollen und sich um eine „Begründung mittäterschaftlicher Haftung als Moment der objektiven Zurechnung“129 bemühen: Die Zuständigkeit des Einzelnen gründe sich statt auf eine subjektive Vereinbarung auf die objektive „Einbettung des Einzelnen im Ganzen“130 und somit in der objektiv erfolgenden „Ausführung als gemeinsame Weltgestaltung“131. Stelle sich die Handlung des Einzelnen aus der Sicht eines objektiven Dritten132 unter Berücksichtigung des sozialen Kontextes133 objektiv als eine „Verhaltensabstimmung im Sinne einer koordiniertineinandergreifenden Organisation“134 dar, so genüge dies für eine Mittäterschaft. Denn ein gemeinsamer Zweck werde „nicht per se durch eine etwaige Verabredung, sondern erst dadurch hergestellt, dass die beiden Akteure in einer Weise zusammenwirken, bei der die Vornahme jeder einzelnen Handlung isoliert betrachtet, d.h. ohne ihren überindividuellen Wirkungsbezug auf die jeweils andere Handlung sowie ohne die Ausrichtung auf ein gemeinsames, koordiniert-arbeitsteilig realisiertes Ziel, keine sozial sinnvolle Erklärung mehr zulässt.“135. In diesem Sinne sei im obigen Beispiel „das Verhalten des nicht selbst Ausführenden [A] ohne seinen Wirkungszusammenhang mit dem Verhalten des anderen und die Tötung des Opfers nicht mehr sozial sinnvoll interpretieren“, so dass eine Mittäterschaft angenommen werden müsse.136 Die Problematik dieser Argumentation liegt auf der Hand: Da ein Verhalten aus der Sicht eines objektiven Betrachters wie ein Zusammenwirken erscheine, müsse es rechtlich wie ein derartiges gewürdigt. Damit würde aber rechtlich ein ______________ 128

Lesch, JA 2000, 77. So die Überschrift von Lesch, ZStW 105 (1993), 271; neuerdings erkennt auch Jakobs, GA 1996, 258 unter Verweis hierauf an, dass es um den „Bereich der objektiven Zurechnung“ gehe. 130 Lesch, Problem, S. 194; ebenso Derksen, GA 1993, 169. 131 Lesch, Problem, S. 276. 132 Derksen, GA 1993, 171. 133 Lesch, JA 2000, 77. 134 Lesch, ZStW 105 (1993), 283. 135 Lesch, ZStW 105 (1993), 283. 136 Lesch, ZStW 105 (1993), 285. 129

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

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Zusammenwirken auch in denen unterstellt, in denen möglicherweise tatsächlich keines vorgelegen hat.

c) Der gemeinschaftliche Tatentschluss als Ergebnis normtextorientierter Auslegung Es bestätigt sich damit hier wieder erneut, was bereits im Rahmen der Diskussion der einzelnen Handlungsbegriffe deutlich geworden ist: Der Sinngehalt eines Verhaltens wird erst durch den subjektiven Willen bestimmt, so dass ein subjektives Element zwingend erforderlich ist. Dies ergibt sich bei normtextorientierter Auslegung auch aus dem Gesetz selbst: Dem aus dem Altgermanischen stammenden Wort „gemeinschaftlich“ kam ursprünglich die Bedeutung „mehreren abwechselnd zukommend“ zu.137 Nicht anders ist die rechtliche Bedeutung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von der Einheit der Rechtsordnung: Betrachtet man die mittäterschaftlich begangene Tat als „Werk“ von „Miturhebern“, so liegt eine Heranziehung von § 8 UrhG nahe, der bestimmt: „Haben mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen, [...] so sind sie Miturheber des Werkes“. Diese Norm hat den Sinn, bei mehreren (vermeintlichen) Urhebern die Rechtsverhältnisse untereinander und zu Dritten abzugrenzen in Würdigung der jeweiligen Beiträge zum Gesamtwerk.138 Sowohl im Strafrecht wie im Urheberrecht geht es folglich um die Abgrenzung derer, die für ein Werk hauptverantwortlich sind, und jenen, die nur Hilfe leisteten. Umso unverständlicher ist, dass die urheberrechtliche Seite weit weniger streitbelastet ist als die strafrechtliche: Eine Gemeinsamkeit bei der Werkschaffung setze Partnerschaft voraus139, ein „gemeinsames Schaffen“140, so dass als Miturheber jeder anzusehen sei, der einen persönlich geistigen Schöpfungsakt zum Werk beitrage141 – egal in welchem Stadium der Werkentstehung142 – mit dem Willen zur Zusammenarbeit sowie einem entsprechenden Verständnis mit dem anderen Urheber über die gemeinsame Auf-

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Duden, Herkunftswörterbuch, 2001, S. 265. Vgl. Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 8 UrhG Rn.1. 139 Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 8 UrhG Rn. 4. 140 BGH, GRUR 1994, 39 (40); ebenso Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 8 UrhG Rn.8. 141 BGH, GRUR 1994, 39 (40), BGH, GRUR 2003, 231 (234) und KG, GRUR 1984, 507. 142 Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 8 Rn. 9. Dies bestätigt so auch unser gefundenes Ergebnis, dass Beiträge im Vorbereitungsstadium ausreichen können. 138

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2. Teil: Grundlagen

gabe und eine gegenseitige Unterordnung unter die Gesamtidee.143 Eine gemeinschaftliche Werkschaffung ist damit als „gemeinsame Werkschöpfung“144 mit objektiven wie subjektiven Elementen zu fassen. Dies erhärtet das Verlangen subjektiver Erfordernisse bei der Mittäterschaft. Zwingend wird es aber erst bei einer strafrechtsinternen systematischen Betrachtung: Nach § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB wird bestraft, wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen. Wie aus dem Wortlaut erkennbar, ist hierfür mehr erforderlich als das Versprechen einer Beihilfehandlung. Die Übereinkunft muss vielmehr auf eine mittäterschaftliche Begehung gerichtet sein, wie es der Bundesgerichtshof erst kürzlich nochmals verdeutlichte145 und wie es in der Literatur146 nunmehr „einhellige Meinung“147 ist. Auch Jakobs148 bestreitet nicht, dass es sich bei § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB um eine „Vorstufe der Mittäterschaft“ handelt149, eine „versuchte Mittäterschaft“. Dann ist es aber nicht einzusehen, wieso an eine versuchte Mittäterschaft mit dem Erfordernis der „Willenseinigung“150 höhere Anforderungen gestellt werden als an die tatsächlich ausgeführte, das Rechtsgut gefährdende oder sogar verletzende mittäterschaftliche Begehung. Auch bei dieser wird man daher eine Verabredung fordern müssen. Dies wird auch von unserem Handlungsmodell aus deutlich. Im obigen Beispiel plant A zwar die Taten des B ein, da er diesen beobachtet und von bestimmten Handlungen aufgrund des Gesamtgeschehens ausgeht. Hierbei handelt es sich aber letztlich um Vermutungen seinerseits. Da er mit B nichts abgesprochen hat, kennt er dessen Beweggründe und deren geplanten Kausalverlauf nicht. Der erfolgenden Vornahme bestimmter Handlungen durch B kann er sich nicht sicher sein und sie daher nicht wie natürliche Kausalfaktoren einplanen. Er ist wie der Mörder, der das im Regenwasserbassin gefesselte Opfer ertränken will und gen Himmel schaut. Er weiß nicht, dass es gleich regnet, er sah nur dunkle Wolken aufziehen, bevor er seinen Plan fasste und den Gefesselten ins Bassin hiefte. Auf den Regen kann er zwar vertrauen und das Befördern ins Bassin als erfolgreiche Tötungshandlung ansehen. Gegenüber dem Herunter______________ 143

RGZ 82, 333 (336), Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 8 Rn. 2 und Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 8 Rn. 9. 144 Rehbinder, Urheberrecht, Rn. 171. 145 BGH, NStZ-RR 2002, 74 (75); so zuvor bereits BGH, NStZ 1982, 244, BGH, NStZ 1988, 406 sowie BGH, NStZ 1993, 137 (138). 146 Vgl. nur LK/Roxin, § 30 Rn. 71 f., Jescheck/Weigend, AT, S. 704, Kühl, AT, § 20 Rn. 252 und Sch/Schr/Cramer/Heine, § 30 Rn. 25. 147 So BGH, NStZ-RR 2002, 74 (75) unter Berufung auf LK/Roxin, § 30 Rn. 71 Fn. 64. 148 Jakobs, AT, 27/11. 149 So LK/Roxin, § 30 Rn. 31 und Kühl, AT, § 20 Rn. 252. 150 So ausdrücklich Sch/Schr/Cramer/Heine, § 30 Rn.25.

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

243

drücken des Körpers ins bereits vorhandene Wasser wird der vom Gehirn ermittelte Kausalverlauf aber weniger erfolgsgeeignet erscheinen. Wüsste er hingegen sicher, dass es regnen wird, erscheinen die vom Gehirn ermittelten möglichen Tötungshandlungen (ins Bassin hiefen oder unter Wasser drücken) im Rahmen des Informationsprozesses als gleich geeignet. Eine derartige subjektive Gewissheit über die Tauglichkeit einer an sich nicht ausreichenden Handlung kann bei der Handlung mehrerer Täter wegen der Beteiligung (emotionsbedingt-)frei denkenden Menschen nur über eine Abstimmung erfolgen. Das reduzierte Erfordernis eines bloßen Einpassungsentschlusses verstößt damit wie auch das Modell objektiver Abstimmung mehrerer Verhaltensweisen jeweils als „unzulässige analoge Anwendung der strafausdehnenden Vorschrift des § 25 Abs. 2 StGB“151 gegen den – auch im Allgemeinen Teil geltenden – Grundsatz nulla poena sine lege und wird zu Recht überwiegend abgelehnt.152 In einem mit jener Konstellation von Jakobs vergleichbaren Fall153 führt der Bundesgerichtshof daher zutreffend aus: „Mittäterschaft kann nicht schon durch das Einverständnis mit der Tat eines anderen und die Betätigung eines solchen Einverständnisses begründet werden. Erforderlich ist vielmehr, dass j e d e r Beteiligte seine eigene Tätigkeit durch die Handlung des anderen vervollständigen und auch diese sich zurechnen lassen will, dass somit a l l e in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken handeln.“154

d) Das Maß subjektiver Abstimmung Diese zwingende subjektive Abstimmung der Mittäter stößt die Möglichkeit einer fahrlässigen Mittäterschaft in dogmatische Schwierigkeiten. Denn wie soll es auch bei fahrlässigen Taten eine Übereinkunft geben, die auch heutzutage – vergleichbar zu den Zeiten der Komplottlehre – noch als „vertragsähn______________ 151

Küpper, ZStW 105 (1993), 301 f. Roxin, AT II, § 25 Rn. 190, Kühl, AT, § 20 Rn. 106, Küpper, ZStW 105 (1993), 301 f., ders., GA 1998, 526, Bloy, GA 1996, 430 f., Schilling, Verbrechensversuch, S. 61, Sch/Schr/Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 81, Ingelfinger, JZ 1995, 707, Dencker, Kausalität, S. 158 und Knauer, Kollegialentscheidung, S. 148 f. 153 A, L und G waren Gäste in einer Gastwirtschaft, in der sie Karten spielten, als W hinzukam. Beim Gespräch erfuhren sie, dass draußen in einem Fahrzeug noch Ware lagerte. Als die Wirtin das Lokal schloss, sah sie, dass L und G sich über die Ware draußen hermachten. Als sie die Tür öffnen wollte, hielt A die Tür zu. W, der dies beobachtete, nahm die Verfolgung auf und kämpfte mit G, als A lautlos hinzukam und W schlug und trat. Ob A bei alledem im Einverständnis mit L und G handelte, ließ sich nicht klären. 154 BGHSt. 6, 248 (249), die Hervorhebungen erfolgten bereits vom Gericht! 152

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2. Teil: Grundlagen

lich“155, „quasi-vertragliche, wechselseitige Bindung“156 oder „Plangemeinschaft“157 bezeichnet wird. Derartige strenge Anforderungen stellt die Rechtsprechung hingegen nicht auf. Eine vorherige Verabredung zur Tat sei nicht erforderlich. Es genüge, dass die Willensübereinstimmung aller Beteiligten erst durch die arbeitsteilige Tatausführung selbst bewusst erfolge.158 Nehme ein Beteiligter einen Akt der Deliktsverwirklichung vor in der Erwartung, der andere werde erkennen, auf welches Ziel es dem Handelnden ankomme und verhält sich der Hinzutretende erwartungsgemäß in Kenntnis des Sachverhalts, so nehme er „das in der teilweisen Deliktsverwirklichung liegende Angebot zur Deliktsverwirklichung an“ und der einseitige Entschluss werde zum gemeinsamen Tatplan.159 Erforderlich sei es daher noch nicht einmal, dass die Beteiligten sich persönlich vor der Bildung der Willensübereinstimmung bereits gekannt haben, „sofern sich nur jeder bewusst ist, dass neben ihm noch ein anderer oder andere mitwirken und diese von dem gleichen Bewusstsein erfüllt sind“160. Von dieser Erkenntnis ist es nur ein kleiner Weg hin zu einer bloßen Tatverabredung durch schlüssiges Verhalten. So ließ es der Bundesgerichtshof in der Lederspray-Entscheidung genügen, dass die Willensübereinstimmung aller Beteiligter erst durch die arbeitsteilige Tatausführung selbst erfolge – die „voll informierte Stimmabgabe“ genüge für die Annahme einer Mittäterschaft.161 Genügt aber für die Übereinstimmung der inneren Tatseite die Vorstellung einer gemeinsamen Beschlussfassung, dann erscheint es wenig verständlich, wieso es nicht genügen soll, wenn zwei Jäger in ihrer Vorstellung auf ein Reh schießen und versehentlich ein Spaziergänger getroffen wird. Die Abschwächung des subjektiven Elements vornehmlich durch die Rechtsprechung kann eine Mittäterschaft auch bei fahrlässigen Taten näher rücken. Schließlich wird man auch bei denen ein objektiv koordiniertes Verhalten kaum in Abrede stellen können.162 ______________ 155

Joerden, Strukturen, S. 80. Joerden, Strukturen, S. 80. 157 Ingeborg Puppe, NStZ 1991, 572. 158 Vgl. nur RGSt. 8, 42 (43), RGSt. 54, 271 (272), BGH, GA 1969, 214 und BGH, NStZ 1985, 70 (71); vgl. zum „spontanen“ Tatentschluss auch BGH, NStZ 2003, 85. 159 Otto, JK, StGB § 25 II/2; ebenso Roxin, AT II, § 25 Rn. 192. 160 RGSt. 58, 279; ebenso Roxin, AT II, § 25 Rn. 192 und Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 49 Rn. 51. 161 BGHSt. 37, 106 (129); vgl. zu einem stillschweigenden Tatentschluss auch BGHSt. 37, 289 (292), BGH, NStZ 1985, 70 (71), BGH, NStZ 1985, 71 f. mit Anm. Otto, JK, StGB § 25 II/2, Jescheck/Weigend, AT, S. 678, Bloy, GA 1996, 431 und Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 82. 162 Ebenso Bloy, GA 1996, 430. 156

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

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Dass ein derartiges aber nicht ausreichen kann, verdeutlicht ein kleiner Blick zu konkludenten Verhalten im Zivilrecht: Hier bildete die Pandectenstelle II Tit. 14 Ziff. 57 mit einer Aussage von Florentinus den Ausgangspunkt: „Qui in futurum usuras a debitore acceperat, tacite pactus videtur, ne intra id tempus sortem petat“.163 Die Zahlung und Annahme von Zinsen in futurum ist nur sinnvoll, wenn das Darlehen für die Zeit, für welche der Geldbetrag als Zinsen bezahlt und angenommen wird, verlängert ist. Die Zinsenzahlung als zweiter Akt setzt die Verlängerung des Darlehens für die Zeit, für die die Zinsen gezahlt werden, notwendigerweise voraus und ist daher hierin mit enthalten.164 Allgemein lässt sich formulieren: Bei konkludenten Willenserklärungen findet das Gewollte nicht unmittelbar in einer Erklärung seinen Ausdruck, der Erklärende nimmt vielmehr Handlungen vor, welche mittelbar unter Berücksichtigung der Begleitumstände unter Beachtung der Verkehrssitte auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen schließen lassen. Man sollte deshalb besser von „Erklärungen durch schlüssiges oder konkludentes Verhalten“165 sprechen. Ist für eine bestimmte Handlung kein bestimmter Erklärungswert vereinbart worden, bleibt nur die Interpretation der Tätigkeit nach den Verkehrsregeln (Arm heben bei einer Auktion bedeutet eben bieten). Auf der anderen Seite gilt für eine Auslegung aber § 133 BGB, wonach der „wirkliche Wille“ des Erklärenden zu erforschen ist. Fehlte dem Handelnden also der Wille, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben (und fehlte ihm damit das Erklärungsbewusstsein), so kann nichts anderes gelten, als das OLG Düsseldorf es schrieb: Es kann „ohne das Vorhandensein eines Erklärungsbewusstseins und weitestgehend eines Rechtsfolgewillens (Geschäftswillens), d.h. der auf einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Absicht des Erklärenden, von einer Willenserklärung tatbestandlich nicht die Rede sein“166. Soweit die überwiegende Ansicht im Zivilrecht es dennoch aus Verkehrsschutzgesichtspunkten genügen lassen möchte, wenn der Erklärende bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Erklärung vom Empfänger in einem bestimmten ______________ 163

„Wer für eine zukünftige Zeit Zinsen vom Schuldner angenommen hat, scheint stillschweigend dahin einen Vertrag eingegangen zu sein, dass er das Capital während dieser Zeit nicht einklagen wolle“ (zitiert nach Karl Eduard Otto/Bruno Schilling/Karl Friedrich Sintenis, Corpus Iuris Civilis I, S. 359). 164 Hierzu Flume, AT II, § 5, 3 (= S. 69). Dieses Beispiel wird auch von Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn. 31 ohne Quellenangabe herangezogen. 165 So BGH, NJW 1963, 1248: „Willenserklärung kraft schlüssiger Handlung“, Staudinger/Dilcher, Vorbem. zu §§ 116-144 Rn. 13. Demgegenüber ist der Ausdruck „stillschweigende Willenserklärung“ irreführend, liegt doch mit der Handlung, mit der auf einen Rechtsfolgewillen geschlossen wird, in der Regel ein Tun vor; vgl. Palandt/Heinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 6. 166 OLG Düsseldorf, OLGZ 1982, 240 (242); zustimmend Eisenhardt, JZ 1986, 879.

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2. Teil: Grundlagen

rechtsgeschäftlichen Sinn aufgefasst werden würde (sog. Erklärungstheorie)167, fingiert sie also lediglich einen (finalen) Willen. Es wird also dem Handelnden wegen eines bestimmten Außenerfolgs und dem hiermit verbundenen Vertrauen des Adressaten an eine mit dem Verhalten verbundene Willenserklärung das Verhalten als Willenserklärung zugerechnet, obwohl es keine Willenserklärung ist.168 In diesem Sinne kann als Ergebnis der Analyse der zivilrechtlichen Lage festgehalten werden, dass bei einem fehlenden Willen, eine rechtsgeschäftliche Verantwortung zu wollen, einzig eine Zurechnung des Erfolges des rechtlich relevanten Verhaltens in Betracht kommt. Eine derartige Zurechnung beruht aber auf dem Gedanken der schuldhaften Verletzung des Vertrauens des Adressaten des Verhaltens.169 Bei der Mittäterschaft im Strafrecht geht es jedoch um die Frage einer Verabredung zwischen Tätern. Hier anzunehmen, es komme darauf an, ob der Mittäter auf einen entsprechenden Willen des Beteiligten schließt, wäre „absurd“170 und mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren. Dies verdeutlicht der grundlegende Fall hierzu171: A war aus einem Hafturlaub nicht mehr in die Justizvollzugsanstalt zurückgekehrt, wozu er von D überredet worden war, der schon aus seit Jahren aus gleichem Grunde von der Polizei gesucht wurde. D, der ein größeres Rauschgiftgeschäft plante, stattete A mit 10.000 EUR aus, übergab ihm einen Revolver, ließ sein Fahrzeug „fast kriegsmäßig“ ausstatten und vereinbarte mit A, im Falle einer drohenden Verhaftung von den Schusswaffen Gebrauch zu machen, um sich die Flucht unter billigender Inkaufnahme der Tötung von Polizeibeamten freizuschießen. Als sie eines Tages von zwei Beamten in Zivil aufgefordert werden, sich auszuweisen, erschoss D erst den einen und dann den anderen Beamten. Hierbei wähnte er A in unmittelbarer Nähe. Tatsächlich hatte A sofort die Arme gehoben, sich gegen eine Hecke fallen lassen und war schließlich davon gerannt. Als D ihn später traf, meinte A, er hätte tierische Angst gehabt und schieße nicht.

Der Bundesgerichtshof bestätigte einen gemeinschaftlich begangenen zweifachen Mord. Zu den Erfordernissen der Mittäterschaft führt er aus, dass für das

______________ 167

In diesem Sinne BGHZ 91, 324 (327 ff.), BGHZ 109, 171 (177 f.), BGH, NJW 1995, 953, BGH, NJW 2002, 363 (364), Medicus, BR, § 6 Rn. 130, Palandt/Heinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 17, Müko-BGB/Kramer, Vor § 116 Rn. 13. Nach der subjektiven Willenstheorie sei dagegen jede Erklärung ohne Erklärungsbewusstsein analog § 118 BGB nichtig, der Geschäftsgegner könne jedoch analog § 122 BGB Ersatz des Vertrauensschadens verlangen, so Canaris, NJW 1974, 528 und Flume, AT II, § 5,4 (= S. 73 f.). 168 Ebenso Manigk, Verhalten, S. 217 und Staudinger/Dilcher, Vorbem. zu §§ 116144 Rn. 42. Man könnte daher durchaus von einer „Rechtsscheinhaftung“ sprechen (so bereits Eisenhardt, JZ 1986, 879). 169 Manigk, Verhalten, S. 217. 170 Ingeborg Puppe, NStZ 1991, 573. 171 BGHSt. 37, 289 ff.

5. Kap.: Die Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB

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Erfordernis des gemeinschaftlichen Tatentschlusses, der auch konkludent gefasst werden könne, eine wörtliche Verständigung nicht festgestellt werden konnte. A hätte D jedoch durch die Zusage der „Schützenhilfe“ die Sicherheit gegeben, „bei einer Konfrontation mit der Polizei nicht allein zu stehen, sondern einen Schicksalsgenossen zur Seite zu haben“. Dieser Tatplan sei mit der von beiden bemerkten Observation „konkretisiert“ worden. Schließlich habe A deutlich gemacht, „dass er an der Verständigung festhalten wollte“.172 Konkrete Feststellungen für diesen Umstand fehlen aber.173 Da die bloße Anwesenheit am Tatort aber nicht ausreicht174, kann der gemeinschaftliche Tatentschluss letztlich nur darauf gegründet werden, dass D, der das Aufgeben nicht bemerkt hatte, den A bis zu den letzten Schüssen in unmittelbarer Nähe wähnte. Diese Feststellung könne „nur dahin verstanden werden, dass er sich bis zum Schluss des Tatgeschehens vom Angeklagten gedeckt fühlte.“175 Hierauf den Tatplan zu stützen, würde aber aus der Sicht des Mittäters beurteilen, ob ein Wille des Beteiligten vorhanden ist oder nicht.176 Dies wäre eine mit dem Schuldprinzip nicht mehr zu vereinbarende Zurechnung strafrechtlicher Verantwortung, die nicht durch eine tatsächliche Verantwortung gedeckt wäre.177 In der obigen Terminologie fällt eine Vereinbarung durch bloßes rechtlich relevantes Verhalten somit nicht unter das Vorhandensein eines gemeinschaftlichen Tatplanes. Erfasst wird einzig die konkludente Vereinbarung durch die Verwendung eines Erklärungszeichens, bei dem es sich um einen „Kommunikationsvorgang“ handelt, mit dem die Übereinstimmung hergestellt und zum Ausdruck gebracht wird.178 Nur dann kann ein Mittäter sicher davon ausgehen, dass ein Mittäter seinen Tatbeitrag leisten werde und diesen einplanen. Da er nur mit dessen Einplanung seinen eigenen ermitteln kann, muss die Willensübereinstimmung zwingend vor der Vornahme der deliktsverwirklichenden Handlung durch einen Mittäter erfolgt sein. Die mit der LedersprayEntscheidung gemachten subjektiven Erleichterungen sind somit abzulehnen und vermögen eine fahrlässige Mittäterschaft nicht zu begünstigen.

______________ 172

BGHSt. 37, 289 (291 f.). Vgl. ausführlich die Besprechung von Ingeborg Puppe, NStZ 1991, 572. 174 BGH, GA 1985, 233. 175 BGHSt. 37, 289 (293 f.). 176 Ablehnend zu Recht Ingeborg Puppe, NStZ 1991, 572 und Hauf, NStZ 1994, 264. 177 Die eigentliche Problematik des dargestellten Falles des Bundesgerichtshofs liegt dagegen darin, ob nicht der ursprüngliche Plan (Schützenhilfe bei einem Angriff) für die subjektive Komponente ausreichend ist und wie es sich dann auswirkt, dass A von der Vereinbarung Abstand genommen hat; vgl. hierzu Geppert, JK 91, StGB § 25 II/5. 178 Ebenso Roxin, AT II, § 25 Rn. 192. 173

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2. Teil: Grundlagen

3. Jeder Mittäter muss Alleintäter sein können Vergegenwärtigt man sich, dass Mittäterschaft eine Form der Täterschaft ist und durch die Tätigkeitsanrechnung eine Tatbestandsverwirklichung durch jeden Einzelnen ermöglicht wird, so tritt notwendig zur objektiven und zur subjektiven Säule eine dritte Säule der Mittäterschaft hinzu, die in der Rechtslehre zu Unrecht vernachlässigt wird: Mittäter kann nur sein, wer auch Alleintäter sein kann. Genauso wie der allgemeingültige Täterbegriff wegen seiner Tatbestandsbezogenheit durch den jeweiligen Deliktstatbestand Ergänzungen erfahren kann, müssen diese für alle Mittäter gelten, um den Mittäterbegriff nicht über jenen der Alleintäterschaft auszudehnen. So schrieb der Große Senat des Bundesgerichtshofs in Strafsachen jüngst zutreffend: „Vielmehr stellt § 25 Abs. 2 StGB klar, dass das Handeln eines Mittäters den anderen zugerechnet werden kann. Diese Zurechnung scheidet nur dann aus, wenn dem Wortlaut ausnahmsweise zu entnehmen ist, dass ein bestimmtes Merkmal von jedem Mittäter, auf den die Strafvorschrift angewandt werden soll, persönlich erfüllt sein muss.“179 In diesem Sinne scheidet eine mittäterschaftliche Zurechnung aus bei eigenhändigen Delikten (z.B. §§ 153, 173, 316, 323a StGB), wenn nicht alle Mittäter unmittelbar handeln, bei Sonderdelikten (z.B. §§ 203, 331, 332 StGB), wenn sie nicht die erforderliche Täterqualität aufweisen, beim Pflichtdelikt (z.B. §§ 142, 170 f., 225 StGB), wenn sie nicht die tatbestandsnotwendige Pflicht haben, beim Unterlassungsdelikt, wenn sie nicht zum Handeln verpflichtet sind oder wenn eine tatbestandsnotwendige Absicht wie z.B. die Zueignungsabsicht bei § 242 StGB fehlt. Hier liegt die eigentliche Problematik, wenn es um die Übertragung der Mittäterschaftskategorien auf die einzelnen Deliktstypen geht. Und hier könnte die Frage nach der fahrlässigen Mittäterschaft mit entschieden werden, wenn dem Wesen der Fahrlässigkeit nach bestimmte Kriterien bei jedem Täter selbst vorliegen müssten.

______________ 179

BGH (GS), NStZ 2003, 435 (436).

Dritter Teil

Folgerungen Sechstes Kapitel

Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte Nach dieser dogmatischen Grundsteinlegung kann nunmehr entschieden werden, ob auf dem Mittäterschafts-Fundament ein fahrlässiges Haus errichtet werden kann oder ob es sich hierbei lediglich um eine theoretische „Scheinfigur“ handelt, mit der ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen versucht wird, das mit herkömmlichen dogmatischen Mitteln nicht begründet werden kann. Dies hängt maßgeblich davon ab, ob nicht nur der Täterbegriff eine derartige Allgemeingültigkeit besitzt, dass er mühelos auf fahrlässige Delikte anwendbar ist, sondern ob sich diese Eigenschaft auch in den auf dem Täterbegriff fußenden Mittäterschaftskriterien wieder findet.

I. Der Fahrlässigkeitsbegriff Entscheidend hierfür ist neben der Täterlehre das Wesen der Fahrlässigkeit. Obwohl das Gesetz in zahlreichen Vorschriften ein fahrlässiges Handeln fordert, wird der Begriff der Fahrlässigkeit im Gegensatz zu unseren deutschsprachigen Nachbarn1 aber nicht normiert: ______________ 1 Vgl. § 6 Abs. 1 des österreichischen StGB: „Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht“ und § 18 Abs. 3 des schweizerischen StGB: „Ist die Tat darauf zurückzuführen, dass der Täter die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat, so begeht er das Verbrechen oder Vergehen fahrlässig. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die

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3. Teil: Folgerungen

Bereits bei der Schaffung des preußischen Strafgesetzbuchs von 1851 hatte der Gesetzgeber auf eine Fixierung von Vorsatz und Fahrlässigkeit verzichtet, da diese der Jurisprudenz obliege: „Sie in einem Strafgesetzbuch erschöpfend zu behandeln, ist unmöglich. Geht der Gesetzgeber überhaupt darauf ein, so setzt er sich immer der Gefahr aus, entweder zu viel oder zu wenig zu geben und durch die der richterlichen Beurteilung gesetzten Schranken mehr Schaden als Nutzen zu stiften.“2 Dieser Verzicht wurde bei der Schaffung des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund und schließlich des Reichsstrafgesetzbuchs beibehalten. Zwar enthielten die Reformentwürfe der Jahre 1909 bis 19273, der Jahre 1933-19394 sowie der Entwurf der Großen Strafrechtskommission von 1962 jeweils eine Fahrlässigkeitsdefinition, von denen insbesondere die letzte den gängigen Fassungen unserer Nachbarn nahe kommt5: § 18 Fahrlässigkeit und Leichtfertigkeit (1) Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und fähig ist, und deshalb nicht erkennt, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht.

______________

Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist“. 2 Kommissionsbericht der II. Kammer, Sammlung sämmtlicher Drucksachen der Zweiten Kammer aus der zweiten Session, 1850/51, Drucksache Nr. 140, S. 35 f.; vgl. zur Entstehung des preußischen Strafgesetzbuchs mit besonderem Blick auf Vorsatz und Fahrlässigkeit Hippel, VDA III, S. 472 ff. 3 § 19 Abs. 1 des Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs von 1927 (Reichstag III, 1924/27, Drucksache Nr. 3390): „Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und fähig ist, und deshalb nicht voraussieht, daß sich der Tatbestand der strafbaren Handlung verwirklichen kann, oder, obwohl er fies für möglich hält, darauf vertraut, daß es nicht geschehen wird.“ 4 § 16 des Entwurfs eines Deutschen Strafgesetzbuchs vom Dezember 1939 (in: Regge/Werner Schubert, Quellen II 1.2, S. 520) lautete: „(1) Fahrlässig handelt, wer den Tatbestand eines Strafgesetzes nicht vorsätzlich, aber doch pflichtwidrig verwirklicht und pflichtwidrig nicht erkennt, daß er damit gegen ein Gesetz verstößt oder sonst Unrecht tut. (2) Fahrlässig handelt auch, wer die Tat mit Wissen und Willen begeht, aber pflichtwidrig nicht erkennt, daß er damit gegen ein Gesetz verstößt oder sonst Unrecht tut. Auch fahrlässiges Handeln, das nicht mit Strafe bedroht ist, kann der Richter in diesem Falle nach freiem Ermessen bestrafen, doch nach Art und Maß nicht schwerer als die vorsätzliche Tat und höchstens mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft. Besondere Vorschriften über die Verfolgung der vorsätzlich begangenen Tat gelten auch hier. (3) Leichtfertig handelt, wer aus besonderem Leichtsinn oder besonderer Gleichgültigkeit fahrlässig handelt.“ 5 BT-Ds. IV/650, S. 14.

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 251 (2) Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, jedoch pflichtwidrig und vorwerfbar im Vertrauen darauf handelt, dass er ihn nicht verwirklichen werde. (3) Leichtfertig handelt, wer grob fahrlässig handelt.

Nachdem aber bereits während der Diskussionen in der Großen Strafrechtskommission vor allem von Professorenseite (Welzel, Eberhard Schmidt, Mezger6) Zweifel aufkamen, ob mit der Definition die (insbesondere bewusste) Fahrlässigkeit zutreffend erfasst würde7 und sich auf der Strafrechtslehrertagung 1967 in Münster und im Verlaufe der weiteren Diskussion niemand mehr für eine Definition aussprach8, empfahl der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform schließlich, auch weiterhin auf die Definitionen zu verzichten.9 So verbleiben uns lediglich zwei grundsätzliche Anhaltspunkte zur Bestimmung der Fahrlässigkeit aus dem Gesetz: Nach § 16 Abs. 1 S. 2 StGB bleibt bei einem fehlenden Vorsatz wegen Tatumstandsirrtums eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung unberührt – fehlender Vorsatz bedeutet also nicht zwangsläufig Fahrlässigkeit, sondern diese besitzt eigene Anforderungen. Zum anderen spricht § 15 StGB von einem fahrlässigen Handeln, bezeichnet die Elemente der Fahrlässigkeit also als mögliche „Eigenschaften der Handlung“10, so dass der Vorwurf gegen den Fahrlässigkeitstäter wie gegen den Vorsatztäter dahin geht, dass der Täter eine bestimmte Handlung vorgenommen hat. Welche Elemente die Fahrlässigkeit besitzt, ergibt sich aus dem Strafgesetzbuch hingegen nicht. Man könnte nun aus der systematischen Erwägung der

______________ 6

Im Gegensatz zu Welzel, Niederschriften XII, S. 261 und Eberhard Schmidt, Niederschriften XII, S. 261 war Mezger, Niederschriften XII, S. 261 zwar für eine Fahrlässigkeitsdefinition, wollte diese aber möglichst weit fassen. 7 Diskutiert wurde insbesondere die heikle Abgrenzung von Fahrlässigkeit und dolus eventualis (Niederschriften XII, S. 262 ff.) sowie die Konstellation, dass der Täter sich nicht in dem erforderlichen Maße Gedanken über mögliche Gefahren macht und diese daher nicht einberechnet, sondern auf einen guten Ausgang seiner Handlung vertraut. Hier tendierte Baldus, Niederschriften XII, S. 258 f., 260 und 261 zur unbewussten Fahrlässigkeit, Jescheck, Niederschriften XII, S. 26, Bockelmann, Niederschriften XII, S. 259 f. und Gallas, Niederschriften XII, S. 262 hingegen zur bewussten Fahrlässigkeit. 8 Vgl. nur Armin Kaufmann, ZStW 80 (1968), 36 f., der jeden rechtsstaatlichen Gewinn bezweifelt, und Gallas, ZStW 80 (1968), 28 f.: „Denn das Gesetz kann, soll es den ihm angemessenen Stil wahren, nicht alles aussprechen, was in diesen Begriffen [Vorsatz und Fahrlässigkeit] steckt; sagt es aber weniger, so läuft es Gefahr, entweder nichts oder etwas Falsches zu sagen“. 9 Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BTDs. V/4095, S. 8 f. 10 Hans Joachim Hirsch, ZStW 93 (1983), 860.

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3. Teil: Folgerungen

Einheit der Rechtsordnung versucht sein, auf § 276 Abs. 2 BGB als „Leitbild“11 der Fahrlässigkeit zurückzugreifen: „Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.“ Eines derartigen Rückgriffs bedarf es jedoch noch nicht einmal. Zwar würde sich die Rechtsordnung trotz unterschiedlicher Zielrichtungen von Zivil- (Verteilung sozialer Kosten) und Strafrecht (Vergeltung und Prävention personalen Unrechts)12 selbst in Widerspruch setzen, wenn es dem Täter einerseits beipflichten würde, sich sorgfaltsgemäß verhalten zu haben und so nicht zivilrechtlich zu haften, es den Täter aber andererseits belehren würde, sorgfaltspflichtwidrig gehandelt zu haben und hierfür bestraft zu werden.13 Der strafrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff geht jedoch entsprechend seinen historischen Wurzeln eh auf die jetzige zivilrechtliche Bedeutung zurück, die unabhängig von der Normierung in § 276 Abs. 2 BGB als die Rechtsordnung durchziehender einheitlicher Fahrlässigkeitsbegriff anzusehen ist und in diesem Sinne vom Reichsgericht bereits lange vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs so vertreten worden ist14: Während im klassischen römischen Recht nur der dolus bekannt war, trat mit den Edikten Hadrians an seine Seite die culpa lata als Bezeichnung für Fälle, in denen wegen schuldhafter Herbeiführung selbst eine Haftung für Zufall bestand, indem hier der dolus vermutet wurde. Durch die Entwicklung von einer Vermutungsregelung zu einer eigenständigen Schuldform bei den Postglossatoren wie Bartolus und durch die Rezeption ins deutsche Recht (insbesondere Art. 146 CCC15) entstand so unsere Fahrlässigkeit16, für die noch immer gilt, was sich ______________ 11 So Welzel, Strafrecht, S. 131. Ebenfalls auf § 276 Abs. 2 BGB zurückgreifen wollen Herzberg, NStZ 2004, 662 sowie Ellen Schlüchter, Grenzen, S. 22 f. und Jähnke, GedS Schlüchter, 103, die von § 276 Abs. 2 BGB als „kategorischem Imperativ“ sprechen, mit dem jede Fahrlässigkeitsnorm des Besonderen Teils zu ergänzen sei. 12 Auf diese unterschiedlichen Zielrichtungen verweisen Alexandra Kremer-Bax, Verhaltensunrecht, S. 14 sowie Jähnke, GedS Schlüchter, 103 und Herzberg, NStZ 2004, 662, die aber dennoch diesen Maßstab anwenden wollen. 13 Hierauf verweist Herzberg, NStZ 2004, 662. 14 Vgl. nur RGSt. 3, 208 f.: „Eine fahrlässige Tötung liegt nicht schon dann vor, wenn der Thäter im allgemeinen unvorsichtig gehandelt, wenn er bei seiner Handlung die gewöhnliche Sorgfalt und Vorsicht außer acht gelassen hat und wenn hierdurch der Tod eines Menschen verursacht worden ist, es ist vielmehr zum Thatbestand jenes Vergehens erforderlich, daß der Thäter durch Anwendung der gewöhnlichen Sorgfalt und Vorsicht den eingetretenen Erfolg als eine mögliche Folge seiner Handlung hätte vorhersehen können.“ 15 Art. 146 CCC enthielt folgende Passage: „Eyn balbirer schiert eynem den bart inn seiner stuben, als gewonlich zu schern ist, vnd würd durch eynen also gestossen oder geworffen, daß er dem so er schiert, die gurgel wider seinen willen abschneidet, Eyn ander gleichnuß, so eyn schütz inn eyner gewonlichen zilstatt steht, oder sitzt, vnd zu dem gewonlichen blatt scheust, vnd es laufft im eyner vnder den schuß, oder jm lest vngeheuerlicher weiß vnnd wider seinen willen sein büchs oder armbrust, ehe vnd er recht anschlecht vnd abkompt, vnnd scheust also jemandt zu todt diese beyde seind

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 253

bereits in den Digesten (Pandect. IX Tit. 2 Ziff. 31) bei Paulus findet: „culpam autem esse, quod cum a diligenti provideri poterit non est provisum“.17 Fahrlässigkeit ist und bleibt somit mit oder ohne gesetzliche Fixierung „die pflichtwidrige Fehleinschätzung einer möglichen Tatbestandsverwirklichung“.18 Bei den Fahrlässigkeitsvoraussetzungen trennen Rechtsprechung und Schrifttum daher bereits von jeher ein „dem objektiv pflichtwidrigen oder sonst den Anforderungen sorgfältiger und gewissenhafter Handlungsweise zuwiderlaufendes Verhalten“ von der subjektiven Komponente, „dass der Thäter den Eintritt dieses Erfolges bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt auch hätte voraussehen können oder müssen“.19 Hinsichtlich des Charakters der Fahrlässigkeit vollzog sich mit Engischs „Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit“ aus dem Jahre 193020 der Wandel von einer reinen Schuldform21 (zumindest auch) zu einem Tatbestandsmerkmal, wobei die finale Handlungslehre der neuen Sichtweise schnell zum Durchbruch verhalf22: Mit dem finalen Handlungsbegriff wurde die Fahrlässigkeit entsprechend § 15 StGB nur zu einer bestimmten „Art und Weise des Handlungsvollzugs“, insoweit sich beide Handlungsweisen wie oben dargelegt nur im vorangegangenen Informationsprozess unterscheiden: Der Täter beim Vorsatzdelikt will einen bestimmten Kausalverlauf, während der Fahrlässigkeitstäter nur eine fehlerhafte Bewertung eines bestimmten Umstandes vornimmt und damit (wegen der gedächtnisgestützten Besetzung eines jeden Umstandes) eine abweichende emotionale Haltung gegenüber dem letztlich delikti______________

entschuldigt. Vnderstünd sich aber der balbirer an der gassen oder sunst an eyner vngewonlichen statt jemandts zu schern, oder der schütz an eyner dergleichen vngewonlichen statt, da man sich versehen mocht daß leut wanderten, zu schießen, oder hielt sich der schütz inn der zilstatt vnfürsichtiger weiß, vnnd würde also von dem balbirer, oder dem schützen, als obsteht, jemandt entleibt, der thätter keyner würd gnug entschuldigt. Aber dannocht ist mer barmhertzigkeit bei solchen entleibungen, die vngeheuerlich auß geylheyt oder vnfürsichtigkeyt, doch wider des thätters willen geschehen, zuhaben, dann was arglistig und mit Willen geschicht […].“ 16 Vgl. zur historischen Entwicklung des Fahrlässigkeitsbegriffs Ellen Schlüchter, Grenzen, S. 28 ff. 17 „[…] denn Verschuldung bestehe darin, wenn eine Vorsicht nicht getroffen worden ist, die ein Aufmerksamer hätte treffen können […]“(zitiert nach Karl Eduard Otto/ Bruno Schilling/Karl Friedrich Sintenis, Corpus Iuris Civilis I, S. 806). 18 So zutreffend LPK-StGB/Kindhäuser, § 15 Rn. 37. 19 RGSt. 8, 66 (67). 20 Engisch, Untersuchungen, S. 49 f. und 241. 21 So noch RGSt. 56, 343 (349), Exner, Wesen, S. 212, Liszt/Schmidt, Lehrbuch I, S. 272 ff., Reinhard Frank, StGB, § 59 Anm. VIII 4-6, Mezger, Lehrbuch, S. 349 f., ders., Strafrecht I, S. 189 ff. und Schacht, Zusammenwirken, S. 32. 22 Vgl. nur Welzel, Strafrecht, 7. Aufl. 1960, S. 113 ff.

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3. Teil: Folgerungen

schen Erfolg erhält, so dass er diesen nicht bedenkt.23 Diese Differenzierung wird bereits auf der Tatbestandsebene bei der Art und Weise der Verursachung des deliktischen Erfolges und der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung relevant. Überwiegend wird daher eine „Doppelfunktion des Fahrlässigkeitsbegriffs als Verhaltens- und Schuldform“24 propagiert: Auf der Tatbestandsebene sei die kausale Herbeiführung des Erfolges als Ausdruck des Erfolgsunrechts und die objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit des Erfolges als Trägerin des Handlungsunwerts zu prüfen, während die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung und subjektive Vorhersehbarkeit Elemente der Schuld seien.25 Es handelt also nach gängiger Definition fahrlässig, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und fähig ist und deshalb die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt (unbewusste Fahrlässigkeit) oder wer die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, jedoch pflichtwidrig und vorwerfbar im Vertrauen darauf handelt, dass sie nicht eintreten werde (bewusste Fahrlässigkeit).26 Diese Elemente sind mit den Mittäterschaftsvoraussetzungen in Einklang zu bringen.

II. Das arbeitsteilige Vorgehen Jede Mittäterschaft setzt zunächst zur Verwirklichung des Handlungsunrechts im Rahmen eines arbeitsteiligen Vorgehens einen (nochmals: aus der Sicht der Mittäter) tauglichen und notwendigen Tatbeitrag voraus, der bis zur Tatvollendung objektiv geleistet wird. Nur so kommt dem jeweiligen Beteiligten eine derartige funktionelle Rolle zu, dass er nicht nur das mit seinem Beitrag verbundene Handlungsgeschehen, sondern auch das Gesamthandlungsgeschehen (mit-)beherrscht. Der Beitrag muss sich hierbei entsprechend des Gesetzeswort______________ 23

Vgl. hierzu die Vereinbarkeit des emotionsbedingt-finalen Handlungsbegriffs mit den Fahrlässigkeitsdelikten – Zweiter Hauptteil, Viertes Kapitel, III, 2, f, cc. 24 Vgl. nur Wessels/Beulke, AT, Rn. 658. 25 Vgl. Herzberg, NStZ 2004, 663 ff., Kühl, AT, § 17 Rn. 13 ff., Lackner/Kühl, § 15 Rn. 36 ff., Bohnert, ZStW 94 (1982), 68 f., Wessels/Beulke, AT, Rn. 658, Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 121 ff. sowie Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S. 31 ff. 26 Lackner/Kühl, § 15 Rn. 35; so ähnlich bereits RGSt. 56, 343 (349). Zwar halten sich noch immer Stimmen, die in der fehlenden Definition der Fahrlässigkeit einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz erblicken (so Friedrich-Christian Schroeder, ZStW 91 (1979), 261, LK/ders., Vor § 15 Rn. 4, MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 47, Müko-StGB/Duttge, § 15 Rn. 33, sowie Wolfgang Schöne, GedS Hilde Kaufmann, 667), es genügt jedoch, wenn bei einem notwendigen unbestimmten Rechtsbegriff eine gesicherte ausfüllende Rechtsprechung besteht (vgl. nur BVerfG, NJW 2003, 1030 f.).

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 255

lauts auf „die Straftat“ beziehen. Trotz mehrerer Mittäterschaftsbeiträge liegt also nur eine einzige Tat vor, die den „Tatbestand eines Strafgesetzes“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) verwirklicht. Bei einer fahrlässigen Mittäterschaft müssten also alle Beiträge ergänzend einen fahrlässigen Deliktstatbestand verwirklichen. Setzt eine fahrlässige Begehung eine Sorgfaltspflichtverletzung bei Vorhersehbarkeit des deliktischen Erfolges voraus, so könnte man mit dem objektiven Merkmal der Arbeitsteilung beim objektiven Merkmal der Sorgfaltspflichtverletzung anknüpfen, wie es Bettina Weißer praktiziert: Müssten Mittäter arbeitsteilig vorgehen, so müssten sie bei Fahrlässigkeitsdelikten die objektive Sorgfaltspflichtverletzung gemeinschaftlich begehen. Eine fahrlässige Mittäterschaft sei daher überall dort möglich, wo die Täter mit ihren Beiträgen eine sie gemeinsam treffende Sorgfaltspflicht verletzen, die sie auch im Zusammenwirken erfüllen könnten.27 In diesem Sinne hätte etwa im „Rolling Stones“-Fall die beiden Beteiligten die gleiche Sorgfaltsanforderung getroffen: nämlich nicht durch Hinabrollen von Steinen in einen nicht einsehbaren Abgrund Menschen zu gefährden, die sie durch das jeweilige Herabrollen eines Steinbrockens in gleicher Weise verletzt hätten.28 Mit dieser Argumentation würde man jedoch zum einen zwei von verschiedenen Personen ausgeführte Handlungen zu einer vereinen und so wieder der abgelehnten Figur der Mittäterschaft als imaginärer Kollektivperson folgen. Zum anderen würde ein zu starkes Gewicht auf die Sorgfaltspflichtverletzung gelegt und dieser so ein Gewicht beigemessen, das zu einer Normverdoppelung führen würde: Fahrlässigkeit würde zur ungewollten Verletzung einer Rechtspflicht durch die objektiv und subjektiv vermeidbare Verletzung einer Sorgfaltspflicht. Neben die auf Vermeidung der Rechtsgutsbeeinträchtigung gerichtete Fahrlässigkeitsnorm würde also die zu sorgfaltsgemäßem Handeln anhaltende Sorgfaltsnorm dazu treten.29 Hierdurch würde der Normcharakter so ______________ 27

Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 147, 156 und dies., JZ 1998, 236; ihr folgend Stefan Pfeiffer, Jura 2004, 525. In diese Richtung argumentiert im Rahmen des § 830 Abs. 1 S. 1 BGB auch Weckerle, Verantwortlichkeit, S. 69: „Das täterschaftsbegründende Element bei der fahrlässigen Deliktsverwirklichung ist die sorgfaltswidrige Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs oder anders ausgedrückt, die sorgfaltswidrige Steuerung des zum tatbestandsmäßigen Erfolg führenden Geschehensablaufs. Für die Mittäterschaft bei fahrlässigen Delikten kommt es deshalb darauf an, ob die schadensverursachende Sorgfaltspflichtverletzung gemeinschaftlich begangen werden kann. Das kann man dann bejahen, wenn jeden der mehreren dieselbe Pflicht trifft und sie durch ihr subjektiv gemeinschaftliches Zusammenwirken bei der Steuerung des Geschehensablaufs unter Außerachtlassung der von jedem zu fordernden Sorgfalt den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeiführen“ (Hervorhebung durch Verf.). 28 Bettina Weißer, JZ 1998, 237. 29 So auch Hardwig, ZStW 78 (1966), 2.

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3. Teil: Folgerungen

verändert, dass eine Bestrafung wegen der Verletzung einer Norm angeordnet würde, die selbst im Gesetz nicht genannt und zum Deliktstatbestand erst hinzutreten würde. Eine derartige Interpretation würde die fahrlässige Begehung von der vorsätzlichen so weit entfernen, dass beide nicht mehr als zwei Begehungsformen der gleichen Rechtsgutsverletzung angesehen werden könnten. So wären beispielsweise die vorsätzliche Tötung und die fahrlässige Tötung nicht mehr nur Fälle der Tötung eines Menschen unter verschiedenen kognitiven Voraussetzungen. Sondern die fahrlässige Tötung würde primär die Verletzung einer weiteren, ungeschriebenen Sorgfaltsnorm voraussetzen. Der rasende Kraftfahrer würde nicht für die Todesherbeiführung des Fußgängers bestraft, sondern für die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit (§ 3 StVO), so dass er den Wagen nicht rechtzeitig zum Stehen bringen konnte und er hiermit den Tod herbeiführte. Sowohl der vorsätzlichen als auch der fahrlässigen Begehungsweise eines Delikts liegt jedoch wie dargelegt ein einheitlicher Handlungsbegriff zugrunde. Der Unterschied zwischen beiden Handlungsweisen liegt einzig in dem der Bewegung oder Nichtbewegung vorgelagerten neurologischen Informationsund Entscheidungsprozess: Beim Vorsatzdelikt wird eine Nebenfolge als mögliches Ergebnis der Bewegung / Nichtbewegung hingenommen, beim Fahrlässigkeitsdelikt ergeht hingegen die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Bewegung aufgrund einer fehlerhaften Nichteinbeziehung oder einer fehlerhaften Bewertung der möglichen Nebenfolge. Ansonsten kommt es bei beiden Handlungsweisen gleichermaßen zu einer finalen Bewegung / Nichtbewegung. Der fahrlässig handelnde Täter wird daher gerade nicht primär für die Sorgfaltspflichtverletzung bestraft, sondern wie der vorsätzlich handelnde Täter für die Vornahme einer emotionsbedingt finalen, rechtsgutsbeeinträchtigenden Handlung. Deshalb gibt es, wie Jakobs es treffend formulierte, bei den Fahrlässigkeitsdelikten „keine andere Pflicht als die sich aus der [Fahrlässigkeits]Norm ergebende Pflicht, und nur gegen die Pflicht wird verstoßen“30. Die Gemeinschaftlichkeit muss sich daher nicht auf die (gemeinsame) Sorgfaltspflichtverletzung beziehen, sondern auf die Handlungsvornahme, die neben der Verursachung des Deliktserfolges den Stempel der Fahrlässigkeit trägt. Begehen damit mehrere arbeitsteilig ein Handlungsprojekt, das – da Mittäter nur sein kann, wer Einzeltäter sein könnte – für jeden Beteiligten eine fahrlässige Handlung und die Verwirklichung eines fahrlässigen Deliktstatbestandes bedeutet, so ist der Voraussetzung des arbeitsteiligen Vorgehens für § 25 Abs. 2 StGB genüge getan. Einer Einheitlichkeit der Sorgfaltspflichtverletzung bedarf es gerade nicht. Zugleich ist damit die – verständlicherweise auch unbe______________ 30

Jakobs, AT, 9/6; ähnlich Otto, GedS Schlüchter, 91.

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 257

strittene – Parallelität eines (objektiv) arbeitsteiligen Vorgehens bei vorsätzlichen wie fahrlässigen Delikten aufgezeigt.

III. Der gemeinschaftliche Tatentschluss Wie die dogmatische Grundlegung zur Mittäterschaft gezeigt hat, liegt die eigentliche Zurechnungskomponente der Mittäterschaft jedoch nicht im objektiven, sondern im subjektiven Bereich: Der einzelne Beteiligte berechnet ausgehend von den ihm zur Verfügung stehenden Informationen die zur Zielerreichung notwendige Handlung. Diese verändert sich, wenn bestimmte Handlungsakte von anderen Beteiligten zugesagt werden, so dass er diese als erfolgend einplanen und sich auf an sich nicht ausreichende, aus subjektiver Sicht aber zum Ziel führende Handlungen beschränken kann und beschränkt. Diese Tätigkeitseinplanung erfolgt nicht bei einer bloßen Hoffnung, sondern vielmehr erst bei einer kommunikativen Zusage einer Tätigkeit durch einen Beteiligten, so dass eine kommunikative Handlungszusage vor der Vornahme der deliktsverwirklichenden Handlung das eigentliche zurechnungskonstituierende Moment bildet. Hiervon ausgehend bestimmen sich erst die Qualität des Beitrags, der zugesagt werden muss, sowie Umfang und Reichweite31 der Deliktszurechnung. Eine derartige subjektive Handlungszusage kann grundsätzlich auch bei der Begehung einer fahrlässigen Tat durch mehrere Beteiligte vorliegen. Dies haben nicht zuletzt die Anhänger einer fahrlässigen Mittäterschaft auf der dogmatischen Grundlage eines gemeinschaftlichen Handlungsprojekts verdeutlicht: Mehrere Beteiligte können die gemeinschaftliche Vornahme eines bestimmten Handlungsprojekts vereinbaren und jeder Beteiligte auf dieser Grundlage den Tatbeitrag des anderen einplanen. So haben die Arbeiter im Pandektenbeispiel32 das gemeinsame Hinabwerfen des Balkens verabredet; hierbei hat jeder die Aufbringung einer bestimmten Kraft durch den anderen aufgrund der Verabre-

______________ 31

Umfasst von der subjektiven Vereinbarung sind nur die Handlungen der Mittäter, „mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muss“, auch wenn der Beteiligte „sie sich nicht besonders vorgestellt hat; ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn ihm die Handlungsweise seines Tatgenossen gleichgültig ist“ (BGH, NStZ 2002, 597 (598) im Anschluss an BGH, NStZ 1998, 511 (513); ähnlich BGH, NStZ 2000, 29 (30), BGH, NStZ-RR 2005, 71 sowie zuletzt BGH, NStZ 2005, 263). Die Grenze zu einer nicht mehr zurechenbaren Exzesshandlung eines Mittäters liegt also dort, wo ein vom gemeinsamen Tatplan abweichender Verlauf – etwa durch Hinzutreten neuer Umstände – für die anderen Beteiligten nicht mehr vorhersehbar war und von ihnen auch nicht mehr gebilligt werden konnte (ebenso Tröndle/Fischer, § 25 Rn. 8a). 32 Vgl. hierzu oben Erster Hauptteil, Erstes Kapitel, V.

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3. Teil: Folgerungen

dung als erfolgend eingeplant und so selbst nur eine geringere Kraft aufgewendet. Oder im Streichholzfall33 haben die beiden Einbrecher das gemeinsame Ausleuchten des Tatorts mittels abwechselnd anzuzündenden Streichhölzern vereinbart; aufgrund dieser Abrede hat jeder der beiden das Abbrennen eines Streichholzes jeweils durch den anderen eingeplant und so selbst nur in bestimmten Abständen selbst ein Streichholz angezündet, obwohl der Raum ständig beleuchtet sein sollte. Das Wesen der Mittäterschaft als Tätigkeitseinplanung mit hieran geknüpfter Zurechnung der (äußeren) Tätigkeiten der anderen Mittäter ließe sich dogmatisch also durchaus auf Fahrlässigkeitsdelikte übertragen. Dies wäre aber nur dann auch gesetzeskonform, wenn es für die mittäterschaftliche Tätigkeitszurechnung über § 25 Abs. 2 StGB ausreichen würde, wenn sich der gemeinschaftliche Tatentschluss auf ein beliebiges, gemeinschaftlich zu erreichendes Ziel (z.B. das Hinabwerfen eines Balkens oder das Ausleuchten eines Raumes) beziehen könnte und nicht zwangsläufig auf den Deliktserfolg gerichtet sein müsste. Letztlich läuft also hinsichtlich der Existenz einer fahrlässigen Mittäterschaft alles auf die Gretchenfrage hinaus, die bereits im Rahmen der Bestandsaufnahme angedeutet wurde34: Bezieht sich der gemeinschaftliche Tatentschluss auf den Deliktserfolg oder auf die Deliktshandlung?

1. Der Deliktserfolg als Anknüpfungspunkt des gemeinschaftlichen Tatentschlusses Aus seiner Funktion der Begrenzung deliktischer Zurechnung könnte man durchaus den konkreten Taterfolg als Bezugspunkt des gemeinschaftlichen Tatentschlusses ansehen.35 Die Mittäter müssten dann nicht nur vereinbaren, eine bestimmte Handlung vorzunehmen (also etwa das abwechselnde Anzünden eines Streichholzes), sondern ebenso den hiermit zu erreichenden Deliktserfolg (etwa den Brand des Hauses). Da bei den Fahrlässigkeitsdelikten der Erfolg als Folge der Handlung aber gerade nicht gewollt ist, würde bei einem derartigen Verständnis das im Schrifttum weit verbreitete Hauptargument gegen die fahrlässige Mittäterschaft greifen: von einer arbeitsteiligen Ausführung der Tatbestandsverwirklichung könne nicht gesprochen werden, wenn kein gemeinsamer Erfolg erstrebt werde.36 ______________ 33

Vgl. deren Darstellung oben Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 4, b). Vgl. oben Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, V. 35 So ausdrücklich Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 82 und 90. 36 Vgl. zu dieser Kritik oben Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, III, 3. 34

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 259

Gegen einen derartigen Bezugspunkt des gemeinschaftlichen Tatentschlusses spricht aber zweierlei: So ist der Taterfolg zunächst von der Verwirklichung eines Tatbestandes zu trennen: Verabreden zwei Personen, gemeinschaftlich einige Sachen zu entwenden, so kann durchaus der eine dem anderen verschwiegen haben, dass es sich um fremde Sachen handelt, so dass nur der eine die Verwirklichung des § 242 StGB wollte, beide aber das Handlungsziel „Wegnahme der Sachen“. Oder wenn Mutter und Sohn die reiche Erbtante töten, wobei die Mutter an Schmuck und Barmittel des Opfers zu gelangen sucht, während es dem Sohn um diese nicht geht, kann die Mutter Täterin eines Mordes, der Sohn Täter eines Totschlags jeweils in Mittäterschaft sein.37 Der Deliktsplan bezog sich zwar nicht auf einen konkreten Tatbestand, der einem Nichtjuristen sowieso kaum bekannt sein wird, sondern auf einen tatsächlichen Erfolg – den Tod der Tante. Zum Zweiten ist zu berücksichtigen, dass der Taterfolg als Ergebnis des vom Täter in Gang gesetzten und beherrschten Kausalverlaufs sich vom tatsächlichen Handlungsziel nur dadurch unterscheidet, dass er sich an das primäre Handlungsziel als kausale Folge anschließt. So folgt beispielsweise der Tod des Passanten im Pandektenbeispiel dem Handlungsziel des gemeinsamen Herabwerfens des Balkens nach oder das Feuer der unachtsamen Erleuchtung des Raumes mittels Streichhölzern. Während das erste primäre Handlungsziel im Strafgesetzbuch zumeist noch nicht mit Strafe belegt ist, handelt es sich beim Erfolg um einen deliktischen, vor dem Strafgesetze zu schützen suchen. Würde man auf letzteres abstellen, so würde man das Unrecht allein an das Ergebnis des Kausalverlaufs knüpfen. Vorsatz- wie Fahrlässigkeitstaten wollen zwar beide aufgrund des Rechtsgüterschutzes diese Kausalverläufe verhindern. Über Kausalverläufe kann das Recht aber nicht verfügen; „was seiner Verfügung unterliegt, sind allein Handlungen“38. Nicht umsonst ist zwar die Bestrafung für ein vorhandenes Handlungsunrecht trotz fehlenden Erfolgsunrechts möglich (Versuch!), nicht aber für ein Erfolgsunrecht ohne Handlungsunrecht. Bildet (auch bei der Mittäterschaft) die Vornahme einer bestimmten Handlung den Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit, so kann auch nur diese der Anknüpfungspunkt eines strafrechtlich relevanten, weil auf eine gemeinschaftliche Straftatbegehung gerichteten Tatentschlusses sein.

______________ 37 38

BGHSt. 36, 231 (233). Wolfgang Frisch, Vorsatz, S. 76 Fn. 90.

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3. Teil: Folgerungen

2. Das Erfordernis eines deliktischen Sinnbezugs Dies führt aber nicht zwangsläufig dazu, dass jedes beliebige Handlungsziel Gegenstand einer Handlungseinplanung sein kann, um die Zurechnungswirkung des § 25 Abs. 2 StGB zu entfalten. Die meisten täglich vorgenommenen Handlungen (Frühstück zubereiten, zur Arbeit mit dem Pkw fahren, Lebensmittel einkaufen) sind für sich genommen strafrechtlich irrelevant – neutral. Erst wenn die Marmelade vergiftet, die Vorfahrt genommen oder zum Zweck der Erpressung ein Yoghurt-Becher mit Gift versetzt wird, interessiert sich das Strafrecht für sie. Sind sie für sich aber ohne strafrechtliche Folgen, können sie nicht alleine dadurch, dass sie von mehreren Personen begangen werden, über § 25 Abs. 2 StGB den Charakter einer strafbaren Handlung erhalten – zwischenmenschliche Kontakte würden von der Rechtsordnung generell verpönt. Es muss also beim Bezugspunkt gemeinschaftlicher Handlungsplanung eine Grenze gezogen werden, bei deren Überschreiten erst die Mittäterschaftszurechnung eingreift. Vergegenwärtigt man sich das Stufenverhältnis von Mittäterschaft und Beihilfe, so ergibt sich eine hilfreiche logische Konsequenz: Müssen an die Strafbarkeit von Beihilfehandlungen bestimmte Erfordernisse geknüpft werden, um sie dem Bereich neutraler, nicht strafrechtlich-relevanter Handlungen zu entziehen, so kann die mittäterschaftliche Vornahme von Handlungen ohne diese Erfordernisse eine Mittäterschaft erst recht nicht begründen.39 Die Grenze zwischen strafrechtlich-relevanten und strafrechtlichirrelevanten Tatentschlussinhalten bei der Mittäterschaft kann daher nicht unterhalb der Grenze liegen, die das strafbare Hilfeleisten der Beihilfe von neutralen Handlungsweisen trennt.40

a) Parallele zur „Beihilfe durch eine neutrale Handlung“ Diese Grenze strafrechtlich-irrelevanter (neutraler) Handlungen und strafbarer Beihilfehandlungen wird zwar bereits seit dem 19. Jahrhundert problemati______________ 39 Vgl. Georg Freund, AT, § 10 Rn. 157 und Jakobs, AT, 24/15. Ein vergleichbarer Erst-Recht-Schluss findet sich jüngst auch bei BGH, NStZ 2005, 229: Wenn ein Verhalten noch nicht einmal für eine psychische Beihilfe ausreiche, könne hierin erst recht kein mittäterschaftliches Verhalten erblickt werden. 40 Teilweise wird empfohlen, den Begriff „neutral“ nicht zu verwenden, um nicht die Wertung der Strafrechtsrelevanz vorwegzunehmen und besser von „normale Geschäfte des täglichen Lebens“ zu sprechen, so Wolfgang Frisch, Verhalten, S. 295 und Katharina Beckemper, Jura 2001, 163.

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 261

siert41, ist aber jüngst mit Fällen wie der „Luxemburg-Affäre“42 auch zu einem „Modethema“43 unseres heutigen Wirtschaftslebens geworden: Gibt ein Rechtsanwalt oder ein Notar seine Mandanten Ratschläge, so gerät er in die Nähe einer Beihilfe zu den betrügerischen Taten des Mandanten44, genauso wie ein Steuerberater durch seine beratende Tätigkeit oder ein Bankmitarbeiter durch Anlagetipps in die Nähe einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung gerät.45 Vor diesem Hintergrund hat Hendrik Schneider nicht umsonst bemerkt, dass die Strafrechtsdogmatik in den letzten Jahrzehnten den „white collar criminal“ entdeckt hat.46 Die Problematik ist klar: Fast jede menschliche Handlung kann eine strafrechtliche Relevanz erlangen, ist sie darum aber auch strafrechtlich sanktionierbar? Dies würde – insbesondere im Bereich der berufstypischen Handlungen – das Risiko strafrechtlicher Folgen erheblich ausweiten und damit durch ihre Ächtung die Ausübung bestimmter Handlung erschweren oder verhindern. Die hiermit verbundenen Einschränkungen der Berufsfreiheit bzw. zumindest der allgemeinen Handlungsfreiheit und das ständige Risiko der Begründung einer Strafbarkeit mit ihren einschneidenden Konsequenzen sind offensichtlich, genauso wie die Auswirkungen einer generellen strafrechtlichen Reglementierung auch alltäglicher Handlungen für das Funktionieren einer geordneten Gesellschaft: Niemand würde bestimmte Handlungsweisen noch ausüben, obwohl sie für unser gesellschaftliches Zusammenleben notwendig sein können. ______________ 41 Die Diskussion begann 1840 mit einer Abhandlung von Kitka, Zusammentreffen S. 62 f., während die erste Entscheidung, die sich hiermit auseinandersetzt, erst 1904 (RGSt. 37, 321 ff. mit Anm. Hoppe, DJZ 1905, 155 f.; hierzu auch Monika Wolff-Reske, Verhalten, S. 41 ff.) erging. Legendär wurde dann RGSt. 39, 44 (48): Der Lieferant von Wein an ein Bordell wurde wegen Beihilfe zur Kuppelei verurteilt, da die Lieferung im „engsten Zusammenhang mit der kupplerischen Tätigkeit“ stehe. Eine gute Übersicht über die historische Entwicklung der Problematik findet sich bei Hendrik Schneider, NStZ 2004, 313 ff. 42 BGHSt. 46, 107 ff. mit Anm. Otto, JK 01, StGB § 27/15; der Ausdruck stammt von MüKo-StGB/Joecks, § 27 Rn.4. Vgl. zu weiteren Fallbeispielen BGH, wistra 1988, 261, BGH, NStZ 2004, 41 ff., OLG Düsseldorf, StV 2003, 626 f. sowie Roxin, FS Tröndle, 196 f. 43 So Amelung, FS Grünwald, 9 und Hendrik Schneider, NStZ 2004, 312. 44 Vgl. RGSt. 37, 321 (323 f.), BGHSt. 4, 327, BGH, NStZ 1993, 43 mit Anm. Otto, JK 93, StGB § 27/8, BGH, NStZ-RR 1999, 184 (186) mit Anm. Otto, JK 99, StGB § 27/13, BGH, NJW 2000, 34 ff. mit Anm. Otto, JK 00, StGB § 27/14, OLG Düsseldorf, JR 1984, 257 (258) sowie OLG Stuttgart, NJW 1987, 2883. 45 Vgl. zur Strafbarkeit des Steuerberater RGSt. 68, 411, RGSt. 72, 70, RG, RStBl. 1933, 85 (86) und RG, RStBl. 1940, 681; zur Strafbarkeit des Bankmitarbeiters für Anlagetipps BGHSt. 46, 107 ff., LG Bochum, NJW 2000, 1430 ff., Klaus Pilz, Beihilfe, S. 25 ff. sowie Löwe-Krahl, wistra 1995, 201 ff. 46 Hendrik Schneider, NStZ 2004, 312; ebenso Amelung, FS Grünwald, 9.

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3. Teil: Folgerungen

Diese problematische Strafbarkeit einer Alltagshandlung würde auf die Mittäterschaft übertragen werden, würde man dort (mit einigen Stimmen in der Literatur)47 lediglich verlangen, dass der gemeinschaftliche Tatentschluss auf ein gemeinsames Handlungsprojekt mit einem beliebigen (und damit auch sozialüblichen) Ziel bezieht: Obwohl eine an sich „harmlose“ Handlung geplant und gemeinschaftlich durchgeführt wurde, bestünde aufgrund des Eintritts eines nicht gewollten (fahrlässigen) Deliktserfolges eine Strafbarkeit, die bei alleiniger Betrachtung der Strafbarkeit des jeweiligen Einzelhandlungsbeitrages jeweils nicht vollständig gegeben wäre.

b) Der Hamburger Parkplatztausch-Fall Dies sei auf dem Gebiet der Mittäterschaft durch einen (nach meinen Erkenntnissen im Bereich vorsätzlicher Mittäterschaft einzigartigen) Fall gezeigt, an dem an sich neutrale Handlungen vorgelegen haben, die aber doch zu einer mittäterschaftlichen Verurteilung geführt haben: Der ambulante Händler A und der ambulante Händler B haben zwischen 11.58 Uhr und 16.32 Uhr in einer Geschäftsstraße in der Hamburger Innenstadt ihre Kraftfahrzeuge in der Weise an benachbarten Parkuhren unweit ihrer Verkaufsstände geparkt, dass sie zunächst die für die höchstzulässige Parkdauer von einer Stunde vorgeschriebene Parkgebühr entrichteten. Als die Höchstparkdauer erreicht war, tauschten die Händler untereinander die Parkplätze und bezahlten jeweils wieder bis zur Höchstparkzeit. Dieser Parkplatztausch wiederholte sich noch mehrmals, so dass A und B die beiden Parkplätze den ganzen Tag über belegten. Das Hamburger Oberlandesgericht verurteilte beide wegen gemeinschaftlich begangener Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 StVG i.V.m. §§ 49 Abs. 1 Nr. 13, 13 Abs. 1 StVO48 zu einer Geldbuße.49

Nach § 13 Abs. 1 S. 1 StVO darf an Parkuhren nur während des Laufs der Uhr für die Dauer der zulässigen Parkzeit gehalten werden; selbst durch mehrmaliges Einwerfen von Geld kann die zulässige Parkhöchstdauer nicht überschritten werden.50 Vielmehr ist der Parkplatz nach Ablauf der Parkhöchstdauer ______________ 47 So Küpper, GA 1998, 527, Heribert Schumann, StV 1994, 111, Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S.70 sowie ders., ZGR 1999, 644. Vgl. zu dieser Sichtweise oben Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, IV, 2, g). 48 Die Normen wurden der heutigen Rechtslage angepasst. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war das unberechtigte Parken an einer Parkuhr nach § 21 StVG i.V.m. § 16 Abs. 3 StVO eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer „Geldstrafe“ von 30 DM im konkreten Fall geahndet wurde. 49 OLG Hamburg, NJW 1969, 626 f. 50 Vgl. nur Rüth/Berr/Berz, Straßenverkehrsrecht, § 13 StVO Rn. 4 und Cramer, Straßenverkehrsrecht I, § 13 StVO Rn. 22.

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 263

zu räumen. Der Grund hierfür liegt in der Knappheit des Parkraums in bestimmten Gebieten, so dass der Wechsel der parkenden Fahrzeuge gefördert werden soll. Andere Fahrzeughalter können so darauf vertrauen, nach dem Ablauf der Höchstparkzeit ebenfalls die Möglichkeit zu erhalten, dort parken zu können.51 In diesem Sinne haben A und B ihre jeweiligen Plätze frei gemacht und sind in den jeweils anderen Parkplatz gefahren. Das Handeln eines jeden Fahrzeughalters war damit für sich allein betrachtet ordnungsmäßig. Eine Ordnungswidrigkeit im Sinne eines Parkens über die Höchstdauer hinaus konnte das Hamburger Oberlandesgericht daher nur bejahen, indem es jedem Händler das Verhalten des jeweils anderen Händlers nach § 25 Abs. 2 StGB – in der Entscheidung kam es noch auf § 47 StGB a.F. an, da das Ordnungswidrigkeitengesetz mit seinem Einheitstätermodell in § 14 OWiG erst am 01.10.1968 in Kraft trat52 – zurechnete. Zwar würden dann auch wenige Sekunden lang beide Parkplätze für die Zeit des Umparkens frei sein, angesichts der Nähe der beiden Parkplätze würde aber kein Dritter die Möglichkeit erhalten, einen der Parkplätze seinerseits zu nutzen. Diesen Zurechnungsweg beschritt das Oberlandesgericht: Eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit eines jeden Händlers habe vorgelegen, „weil beide durch ihr Verhalten bewusst und gewollt den Erfolg herbeigeführt haben, dass sie mit ihren Kraftwagen an zwei benachbarten Parkuhren über die auf den Parkuhren angezeigte Dauer hinaus parkten und so während des Zeitraums [...] die Benutzung der Parkplätze durch Dritte verhinderten“53. Mit anderen Worten: A und B hätten auf der Grundlage eines gemeinschaftlichen Tatplans das gemeinschaftliche Handlungsprojekt „Austausch der Fahrzeuge“ arbeitsteilig verwirklicht; sie seien daher als Mittäter einer Ordnungswidrigkeit anzusehen, obwohl jeder Einzelne von ihnen für sich eine rechtstreue Handlung vorgenommen hat. Damit sind wir bei der Kernfrage angelangt, die die Gretchenfrage konsequent fortsetzt: Verlangt das Erfordernis eines gemeinschaftlichen Tatplanes nur, dass die einzelne Tatbeiträge irgendwie erbracht werden, oder müssen sie in einem

______________ 51 Begründung der Verordnung zur Änderung von Vorschriften des Straßenverkehrsrechts vom 14. März 1956, zu Artikel 2, zu 12. (§ 16), VkBl. 1956, 418 (426): „Parkuhren sind in vielen Fällen eine geeignete Hilfe zur Milderung der Parknot; sie können dort, wo der Parkraum besonders knapp ist, dazu verwendet werden, dass der Wechsel der parkenden Kraftfahrzeuge beschleunigt wird; auf diese Weise kann das suchende Hin- und Herfahren von Kraftfahrern, die keinen Parkplatz finden, wesentlich eingeschränkt werden.“ 52 § 112 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 24.05.1968, BGBl. 1968 I, 481 (502). 53 OLG Hamburg, NJW 1969, 626 (627).

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3. Teil: Folgerungen

Deliktszusammenhang erbracht werden?54 Zur Ermittlung eben jenes Zusammenhangs zwischen dem gemeinschaftlichen Handlungsprojekt und der begangenen Straftat soll der Diskussionsstand um die Parallelproblematik bei der Beihilfe fruchtbar gemacht werden.

c) Lösungsansätze Nur wenige Stimmen im Schrifttum vertreten bei einer strafrechtsirrelevanten neutralen Beihilfehandlung eine Strafbarkeit nach § 27 StGB. Der Grund für die Strafbarkeitsbejahung wird von diesen Autoren weitgehend darin gesehen, dass taugliche Abgrenzungskriterien bislang noch nicht gefunden seien.55 Tatsächlich lassen sich die einzelnen Ansichten kaum überblicken und sind von ihren Ansätzen her zumeist weit entfernt, eine dogmatisch fundierte Lösung zu bieten. Die eigentliche Lösung dringt nur selten zwischen den Zeilen ans Tageslicht, verbirgt sich aber die meiste Zeit hinter großen Formulierungen und Ausdrücken, die die Problematik eher verkomplizieren, als sie lösen:

aa) Einschränkungen im objektiven Tatbestand Viele wollen eine Einschränkung bereits im Rahmen des objektiven Tatbestandes vornehmen und aus den tatbestandlichen Hilfeleistungen aufgrund der Sozialadäquanz jene herausnehmen, die sozialübliche Verhaltensweisen darstellten.56 Doch beschreibt diese Sichtweise das Problem mehr, als dass sie dieses löst. Denn der Begriff der Sozialadäquanz, obgleich in Rechtsprechung57

______________ 54

So der Vorwurf von Sch/Schr/Cramer/Heine, § 25 Rn.62, Cramer, Straßenverkehrsrecht I, § 13 StVO Rn. 23 und Booß, StVO, § 13 Anm. 4; dagegen für eine mittäterschaftliche Umgehung der Norm plädieren Rüth/Berr/Berz, Straßenverkehrsrecht, § 13 StVO Rn. 4 und Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 13 StVO Rn. 8. 55 So Katharina Beckemper, Jura 2001, 163 und Niedermair, ZStW 107 (1995), 539, der die bisherigen Versuche für „weder trennscharf noch kriminalpolitisch fundiert“ ansieht. Klaus Pilz, Beihilfe, S. 210 f. argumentiert gar, dass aus dem Wissen eines Steuerberaters auch eine besondere Verantwortlichkeit folge, die die erhöhte Gefahr strafrechtlicher Folgen rechtfertige. 56 Welzel, Strafrecht, S. 55 ff., SK-StGB/Hoyer, § 27 Rn.24, SK-StGB/Rudolphi, § 129 Rn. 17 f. und Murmann, JuS 1999, 552. Vgl. auch Hassemer, wistra 1995, 83 ff., der diese Einschränkung auf berufsbezogene Verhaltensweisen beschränken und eine Straflosigkeit nur bei professionell adäquatem Verhalten annehmen möchte. 57 Vgl. insbesondere BGHSt. 23, 226 (228): „Nach der Lehre von der ,Sozialadäquanz‘ können übliche, von der Allgemeinheit gebilligte und daher in strafrechtlicher Hinsicht im sozialen Leben gänzlich unverdächtige, weil im Rahmen der sozialen Hand-

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 265

und Lehre58 anerkannt, ist in seiner konkreten Erfassung zu unbestimmt und würde als maßgebliches Abgrenzungskriterium letztlich dazu führen, das Unrecht rein sozial zu beurteilen und einen Täter oder Hilfeleistenden alleine deshalb nicht zu bestrafen, weil er die Handlung (zufällig) in Ausübung einer an sich sozialüblichen Tätigkeit begeht, zumal jedes Handeln als sozialüblich aufgefasst werden könnte. Über ein bloßes „Auslegungskorrektiv“ hinaus kann die Sozialadäquanz damit keine eigene tatbestandsbegrenzende Wirkung entfalten.59 Ähnlich ergeht es dem Ansatz von Heribert Schumann, wonach eine Beihilfe bei alltäglichen Handlungen voraussetze, dass der vermeintliche Gehilfe sich durch seinen Beitrag die Haupttat „gemein gemacht“ hat, er sich also mit dem Haupttäter solidarisiert und auf die Seite des Unrechts tritt.60 Eine Solidarisierung ist nämlich auf viele Weisen denkbar, so dass hiermit ein Kriterium geschaffen würde, das eine Eingrenzung nur kaum zu leisten vermag, solange es nicht weiter konkretisiert wird. Zudem würde man mit dem Abstellen auf die Solidarisierung als maßgebliches Kriterium gefährlich in die Lage versetzt werden, das gesetzlich notwendige Ursächlichkeitskriterium der Hilfehandlung zu vernachlässigen: Wer einen Teil der Beute erhält und am Tatort anwesend ist, solidarisiert sich hierdurch sicherlich mit dem Haupttäter; dies muss aber nicht notwendig eine (psychische) Beihilfe bedeuten, wenn eine Förderung nicht nachgewiesen werden kann.61 Ebenso vermag eine als Tatbestandseinschränkung verstandene abstrakte Abwägung zwischen dem Rechtsgüterschutz und der Handlungsfreiheit des Täters nicht zu überzeugen. Hiernach soll eine strafbare Beihilfe vorliegen, sobald eine Tat gefördert wird, die im Katalog des § 138 StGB genannt ist oder deren Begehung eine Hilfeleistungspflicht nach § 323c StGB auslöst62. Hiergegen spricht aber nicht nur die „Inhomogenität des § 138 StGB“63 und die Unbestimmtheit, welche Straftaten einen Unglücksfall im Sinne des § 323c StGB rechtfertigen. Vielmehr müsste eine Abwägung auch stets im Einzelfall erfolgen, da hierbei täterspezifische Umstände bezüglich des geschützten Rechtsguts berücksichtigt werden müssten. ______________

lungsfreiheit liegende Handlungen nicht tatbestandsmäßig oder zumindest nicht rechtswidrig sein“. 58 Vgl. jeweils mit weiteren Nachweisen Lackner/Kühl, Vor § 32 Rn.29 und Tröndle/Fischer, Vor § 32 Rn.12. 59 Ebenso Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 70; vgl. auch Rotsch, Jura 2004, 16 und Katharina Beckemper, Jura 2001, 166. 60 Heribert Schumann, Handlungsunrecht, S. 57 und 60, der selbst von einem „Auslegungskriterium“ spricht. 61 So zuletzt BGH, StraFo 2004, 214; vgl. auch Roxin, AT II, § 26 Rn. 24. 62 So Jakobs, ZStW 89 (1977), 5 und Löwe-Krahl, wistra 1995, 205 f. 63 Niedermair, ZStW 107 (1995), 519 f.

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3. Teil: Folgerungen

bb) Abgrenzung auf subjektiver Ebene Versagen die dargelegten rein objektiven Ansätze, so bietet sich die Heranziehung subjektiver Elemente an. Maßgeblich wird dieser Weg von der Rechtsprechung beschritten. Diese hatte zwar bereits früh die Ansicht vertreten, dass bestimmte alltägliche oder berufstypische Verhaltensweisen „an und für sich“ nicht als Beihilfehandlung angesehen werden64, auf der anderen Seite aber nicht alle Alltags- und berufstypischen Handlungen von vornherein ausscheiden dürften, da sie nicht in jedem Fall neutral seien. So lasse sich jede Handlung in einen strafbaren Kontext stellen, was ihren objektiven Charakter nicht verändere.65 Die Abgrenzung sei daher auf subjektiver Ebene mit einer „bewertenden Betrachtung im Einzelfall“66 vorzunehmen: „Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag in jedem Fall als strafbare Beihilfehandlung zu werten. Denn unter diesen Voraussetzungen verliert sein Tun stets den ,Alltagscharakter‘; es ist als ,Solidarisierung‘ mit dem Täter zu deuten. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung ,die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein‘ ließ.“67 Diese Grundsätze würden bei neutralen Alltagshandlungen wie bei berufstypischen Handlungen gleichermaßen gelten, bei reinen Alltagshandlungen aber einer besonders eingehenden Beurteilung bedürfen.68

cc) Der deliktische Sinnbezug Diese Differenzierung nach dem Vorsatzgrad ist in der Literatur vielfach aufgegriffen worden.69 So heißt es beispielsweise bei Roxin: „Weiß der Außenstehende, dass er [der Täter] ein deliktisches Handeln unterstützt, so wird man ______________ 64

RGSt. 37, 321 (322). BGHSt. 46, 107 (113). 66 BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 22 sowie BGH, StV 2003, 559 (561). 67 BGHSt. 46, 107 (112), BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20 und 22, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Beihilfe 3, BGH, NStZ 2000, 34, BGH, StV 2003, 559 (561) sowie ähnlich BGH, wistra 2005, 227 (228). 68 BGH, StV 2003, 559 (561). 69 Vgl. LK/Roxin, § 27 Rn. 17 ff., ders., FS Miyazawa, 513 ff., Otto, FS Lenckner, 209 Fn. 59 und ders., JZ 2001, 444. 65

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 267

darauf abstellen müssen, ob sein Tun einen ,deliktischen Sinnbezug‘ in der Form aufweist, dass der fördernde Beitrag ohne die strafbaren Handlungen des Täters für diesen keinen Sinn mehr hat oder ob er unabhängig davon für den Täter sinnvoll bleibt. Im ersten Fall liegt strafbare Beihilfe, im zweiten strafloses Handeln vor.“70 Denn wisse jemand, dass sein Handeln dem Täter ausschließlich zu deliktischen Zwecken diene, verliere sein Tun den Alltagscharakter.71 Wenn dagegen der Täter nur damit rechne, dass es zu einer deliktischen Verwendung kommen wird (dolus eventualis), sei eine Beihilfe grundsätzlich aufgrund des Vertrauensgrundsatzes abzulehnen, wonach jeder darauf vertrauen dürfe, dass der andere keine vorsätzliche Tat begehe, solange keine erkennbare Tatgeneigtheit die Annahme entkräfte.72 Der Hintergrund einer derartigen zumindest auch subjektiven Abgrenzung ist, dass jedes Handeln aufgrund der gesetzlich verlangten vorsätzlichen Hilfeleistung einen objektiven (wenn auch berufstypischen) und einen subjektiven Sinn hat. Entspricht der subjektive Sinn dem objektiven sozialüblichen Sinn, so könnte man eine nicht strafbarkeitsrelevante Handlung annehmen. Geht der subjektive Sinn aufgrund des Willens aber dahin, dass ein Straftatbestand durch einen anderen verwirklicht werden soll, dann gibt dies vor dem Hintergrund des hier vertretenen finalen Handlungsbegriffs der gesamten Handlung ihren (deliktischen) Sinn (= Merkmal des deliktischen Sinnbezugs). Würde man dies nun auf die Mittäterschaft übertragen, so würde ein deliktischer Wille eines jeden erforderlich und dieser Gegenstand des gemeinschaftlichen Tatentschlusses sein müssen. Doch abgesehen davon, dass man hiermit wieder den Deliktserfolg zum Gegenstand des Tatentschlusses machen würde, würde man so für die Unrechtsbeurteilung alleine die subjektive Sicht der Täter für maßgeblich erklären. Zwar gibt erst das Handlungsziel einer Bewegung ihren Sinn, dies bedeutet aber nicht, dass es immer auf den subjektiven Tatbestand ankommen muss. So existieren Deliktstatbestände, bei denen bereits dem Wortlaut nach bei objektiven Tatbestandsmerkmalen die subjektive Tätersicht berücksichtigt werden muss. Ein Beispiel hierfür ist die „Täuschung“ im Sinne des § 263 StGB73: Unter einer Täuschung versteht man nach dem Gesetzes______________ 70

LK/Roxin, § 27 Rn. 17; ähnlich ders., FS Miyazawa, 513 ff. und ders., AT II, § 26 Rn. 221 ff. 71 LK/Roxin, § 27 Rn. 19. 72 Roxin, AT II, § 26 Rn. 241 f. und ders., FS Miyazawa, 516. 73 Soweit Tröndle/Fischer, § 263 Rn.10 und NK-StGB/Kindhäuser, § 263 Rn.73 darauf verweisen, dass die Täuschung gerade kein subjektives Element enthalten würde, so verwechseln sie den Handlungsentschluss mit dem Vorsatz im Sinne des Strafrechts. Die Täuschung ist eine Handlung wie jede andere auch. Ohne einen Handlungsentschluss führt der menschliche Körper aber keine Handlung aus, so dass selbstverständlich ein subjektives Element vorliegt, das beim Merkmal der Täuschung besonders zum Tragen kommt.

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3. Teil: Folgerungen

wortlaut die Vorspiegelung falscher oder die Einstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen und damit jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt.74 Ob ein Verhalten, das einen Irrtum hervorruft, in diesem Sinne auch eine Täuschung darstellt, lässt sich ob der objektiven Definition ohne den subjektiven Sinn der Handlung nicht bestimmen. Dies verdeutlicht die jüngst aufgetretene Problematik des Betrugs durch das Versenden rechnungsähnlicher Angebotsschreiben.75 Die Schreiben sind beim ausführlichen Studieren zwar als bloße Angebotsschreiben enttarnbar, erscheinen auf den ersten Blick aber als Rechnungen, so dass Gelder gezahlt werden, die jedoch tatsächlich einen Vertrag mit nicht vergleichbarer Gegenleistung erst zustande kommen lassen. Nach außen hin ein (neutrales) Angebotsschreiben, wird dieses erst durch den Beweggrund, einen Irrtum planmäßig erzielen zu wollen, zur tatbestandlichen Täuschungshandlung.76 Macht man nicht den Fehler, das Handlungsziel mit dem Deliktsvorsatz gleichzusetzen, so begründet bereits ein normales, nicht deliktisches Handlungsziel als Ergebnis einer eigenen, emotionsbedingten menschlichen Entscheidung ein Ausscheiden der Strafbarkeit auf rein objektiver Tatbestandsebene. Damit rückt das Merkmal des „deliktischen Sinnbezugs“, auf das viele in rein objektiver oder in der aufgezeigten objektiv-subjektiven Sicht als entscheidendes Kriterium verweisen77, in den Mittelpunkt: Es kennzeichnet gerade das Handlungsziel und somit den subjektiven Sinn der objektiven Beihilfetätigkeit. Ein „deliktischer Sinnbezug“ soll vorliegen bei einer bewussten Deliktsförderung sowie wenn die unmittelbar geförderte Handlung als solche zwar legal ist, wenn aber der einzige Zweck ihrer Vornahme für den Täter, wie er erkannt hat, in der Ermöglichung oder Erleichterung einer Straftat besteht.78 Fehlen soll der deliktische Sinnbezug dagegen, „wenn sich der fördernde Beitrag auf eine legale Handlung bezieht, die schon für sich allein genommen für den Täter sinnvoll und nützlich ist, die dieser aber außerdem zur Voraussetzung für ein davon unabhängiges, auf einem selbständigen Entschluss beruhendes Deliktsverhalten macht“79. Entscheidend bei dieser Definition ist das Merkmal der „legalen“ Handlung, das sich in verschiedenen Spielarten im Schrifttum wie______________ 74

BGHSt. 47, 1 (5 f.). BGHSt. 47, 1 ff. und OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 2002, 47 (49). 76 BGHSt. 47, 1 (5); vgl. zur Parallelproblematik der provozierten Unfälle BGH, NStZ 1992, 182 f. und BGH, NJW 1999, 3132 f. 77 LK/Roxin, § 27 Rn. 17 ff., ders., FS Miyazawa, 513 ff., Jakobs, AT, 24/17 f., Derksen, Handeln, S. 85, Georg Freund, AT, § 10 Rn. 138 und 157, Ransiek, wistra 1997, 46, Wolfgang Frisch, Verhalten, S. 280 ff., Meyer-Arndt, wistra 1989, 286 f. sowie Lesch, JA 2001, 990; ebenso das Schweizer Bundesgericht: BGE 119 IV, 289 (294). 78 Roxin, AT II, § 26 Rn. 222 f. 79 Roxin, AT II, § 26 Rn. 224. 75

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 269

derfindet: Wolff-Reske spricht von einem „standardisierten Vorgang, der nicht speziell für die Anschlusstat ausgebildet ist“80, Jakobs im Sinne eines Regressverbots davon, dass der soziale Sinn sich in einer Leistung erschöpfen und die Realisierung des Delikts durch den Täter seine eigene Sache bleiben müsse81, Kniffka von einer ordnungsgemäßen Handlung82, Ransiek von einer nicht pflichtwidrigen Handlung83, Löwe-Krahl davon, dass nicht eine „rechtlich missbilligte Gefahr für das Rechtsgut“ geschaffen werden dürfe84, und Roxin an anderer Stelle davon, dass die Handlung sich nicht im Rahmen eines unerlaubten Risikos bewegen dürfe85. Der Hintergrund ist klar: Der Handelnde wird mit einem Strafbarkeitsrisiko erst dann belastet, wenn er die an das Verhalten gestellten Anforderungen nicht erfüllt86, der Täter oder Teilnehmer also die Regeln des freiheitlichen Zusammenlebens verletzt und hiermit ein Rechtsgut selbstständig angreift.87 Wie oben dargelegt, verlangt die Strafbarkeit des Täters sowie des Teilnehmers, dass dieser das geschützte Rechtgut selbstständig angreift.88 Dies ist erst dann der Fall, wenn der Handelnde hiermit im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut Handlungsunrecht verwirklicht.89 Keinen anderen Inhalt kann das weithin verwendete Kriterium des sozialen Sinnbezugs aufweisen.

dd) Zwischenergebnis Es kann damit festgehalten werden, dass der noch nicht strafbare Bereich neutraler Alltagshandlungen und berufstypischer Verhaltensweisen dort verlas______________ 80

Monika Wolff-Reske, Verhalten, S. 127 f. Jakobs, AT, 24/17. 82 Kniffka, wistra 1987, 310. 83 Ransiek, wistra 1997, 42 ff. 84 Löwe-Krahl, wistra 1995, 205. 85 Roxin, FS Miyazawa, 516. 86 Otto, JZ 2001, 444. 87 Ransiek, wistra 1997, 42; ebenso Roxin, FS Miyazawa, 513 und 516, in Ansätzen auch Katharina Beckemper, Jura 2001, 165. 88 Siehe oben Zweiter Hauptteil, Viertes Kapitel, IV, 2. 89 Von diesem Ansatzpunkt zur Lösung des Problems der Beihilfe durch neutrale Alltagshandlungen geht jüngst auch Kudlich, Unterstützung, S. 306 ff., 429 ff. aus, wobei er zu Recht bemerkt, dass anstatt danach zu fragen, mit welchen Überlegungen eine eigentlich doch zu bejahende Strafbarkeit eventuell doch zu verneinen sei, umgekehrt zu untersuchen sei, wie ein äußerlich völlig unauffälliges Verhalten auf einmal zu einer Straftat und damit zu etwas objektiv Unrechtem werden könne; möglicherweise könne daher der „Grund für das Unrechtsurteil zugleich auch Argumente für seine Begrenzung liefern“. Dagegen will Arthur Hartmann, ZStW 116 (2004), 600 bereits jede Risikoerhöhung ausreichen lassen. 81

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3. Teil: Folgerungen

sen wird, wo der Täter oder Teilnehmer Handlungsunrecht verwirklicht, das auf das von der Norm geschützte Rechtsgut bezogen ist. Erst dann kann eine strafbare Beihilfehandlung vorliegen und auch erst dann kann ein Täter sich strafbar machen. Ohne Handlungsunrecht kann – im Gegensatz zum umgekehrten Fall des Fehlens des Erfolgsunrechts beim Versuch – eine Strafbarkeit nicht begründet werden. Dies bedeutet für die Mittäterschaft, dass sich der gemeinschaftliche Tatentschluss auf ein Handlungsprojekt beziehen muss, das für die Beteiligten ein Handlungsunrecht begründet.

3. Das Handlungsunrecht der Fahrlässigkeitstat Es kommt somit maßgeblich auf das Handlungsunrecht der Fahrlässigkeitstat an: Die Fahrlässigkeit ist vom handlungstheoretischen Standpunkt aus nicht gekennzeichnet durch die Unterlassung von Sicherheitsvorkehrungen, also durch die Pflichtwidrigkeit der Handlung90, sondern – insofern wie die vorsätzliche Tat – maßgeblich durch die Vornahme einer emotionsbedingt finalen, rechtsgutsbeeinträchtigenden Handlung, die einen Deliktstatbestand verwirklicht. Der Unterschied besteht einzig im Entscheidungsprozess, der den Handlungen vorausgeht: Während bei der vorsätzlichen Tat der Täter einen bestimmten rechtsgutsverletzenden Kausalverlauf als Folge seiner Außenweltveränderung in Gang setzen will, führt der fahrlässige Täter eine auf ein Ziel gerichtete Handlung aus und hat hierbei den möglichen Eintritt des letztlich zur Rechtsgutsverletzung führenden Kausalverlaufs nicht bedacht oder zwar bedacht, aber als schon nicht eintretend gewertet. Donatsch91 hat dies bildlich mit einer Eisenbahnfahrt verglichen: Der wissentlich und willentlich in Gang gesetzte Kausalverlauf im Sinne einer zielgerichteten Tätigkeit sei das Verfolgen des „Hauptgleises“. Hiervon zweigten verschiedentlich „Nebengleise“ ab, auf die der Täter unbemerkt oder ungewollt geraten und so zum tatbestandlichen Ziel gelangen könne.

______________ 90

So aber Geppert, Jura 1995, 107: das Handlungsunrecht liege „in der fahrlässigkeitsrelevanten Sorgfaltspflichtverletzung (Pflichtwidrigkeit)“, Sch/Schr/Lenckner, Vor § 13 Rn. 56: „Sorgfaltsmangelunwert“; ähnlich spricht auch Otto, GedS Schlüchter, 88 von der „Sorgfaltspflichtverletzung als konstitutivem Element des Unrechts des Fahrlässigkeitsdelikts“. 91 Donatsch, SJZ 1989, 110.

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 271

a) Vergleich zum Unterlassungsdelikt Obgleich das Unrecht in der Handlungsvornahme selbst zu erblicken ist, kann der weit verbreitete Ansatz des Abstellens auf die Pflichtwidrigkeit nicht völlig ausgeblendet werden. Er gehört vielmehr untrennbar zur Fahrlässigkeit und führt zu der wohl berechtigten Aussage, dass in den Fahrlässigkeitsdelikten dogmatisch „ein Stück Unterlassung“ 92 steckt. Hieraus erklärt sich dann auch das Handlungsunrecht, wenn man einen kurzen Vergleich zum Unrecht des Unterlassungstäters zieht: Der Unterlassungstäter wird bestraft für eine rechtsgutsverletzende Handlung – auch die Unterlassung ist schließlich nach obigen Ausführungen zum Handlungsmodell eine Handlungsform –, obwohl er aufgrund seiner Garantenstellung zu einer anderen Handlung verpflichtet gewesen wäre. Vergleichbar hierzu könnte man annehmen, dass die auf die Vermeidbarkeit von Rechtsgutsbeeinträchtigungen gerichtete Norm bei den fahrlässigen Straftaten nur von denjenigen verletzt werden kann, welche die zur Wahrung des Rechtsguts erforderliche Sorgfalt nicht aufbringen, indem sie die dazu notwendigen Mittel nicht anwenden.93 Die Pflicht zur Vornahme einer das Rechtsgut nicht beeinträchtigenden anderen Handlung folgt hierbei nicht aus einer besonderen Stellung zum Rechtsgut – diese kann im Rahmen eines fahrlässigen Unterlassungsdelikts zusätzlich hinzutreten –, sondern aus der Vorhersehbarkeit des Erfolges. Dies rechtfertigt sich wiederum vom Handlungsmodell her: Der vorsätzliche Täter hat alle notwendigen Umweltkomponente durch die Sinnesorgane aufgenommen und sich nach der Entscheidung für ein Handlungsziel im limbischen System des Gehirns (aufgrund einer Koppelung mit Erfahrungseinheiten aus dem Gedächtnis) mit Hilfe der Basalganglien für einen konkreten Handlungsplan entschieden, bei dem der Eintritt einer Kausalkette bedacht und gewollt ist, der zum Eintritt des deliktischen Erfolges führt. Der fahrlässige Täter dagegen hat sich im Rahmen der Handlungsplanung (beim „Wie“) für die Vornahme einer Handlung entschieden, die zumindest neben dem gewollten und bedachten Kausalverlauf in der Außenwelt einen nicht gewollten Kausalverlauf in Gang setzt, der ein Rechtsgut verletzt. Dabei standen ihm gleichfalls alle notwendigen, für die Erkennung der möglichen Rechtsgutsverletzung sprechenden Umweltfaktoren (alle relevanten kognitionspsychologischen Erkenntnisse94) zur Verfügung. Dennoch erfolgte die Entscheidung für eine Handlung, bei der sich ein durch die Umweltfaktoren abzeichnendes, aber nicht beachtetes Risiko für ein Rechtsgut sich verwirklichen konnte und auch tatsächlich verwirklicht hat. Bezeichnend ist daher die Qualifizierung des ______________ 92

Jähnke, GedS Schlüchter, 101; dagegen Hans Joachim Hirsch, FS Lampe, 525. So Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 43 Rn. 19. 94 So die Formulierung von MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 122. 93

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3. Teil: Folgerungen

„fehlerhaften“ Denkvorgangs (als maßgeblichem Kriterium der Fahrlässigkeit) durch Duttge als „psychischem Akt der Unvernunft“95.

b) Die Vorhersehbarkeit als Kern der Fahrlässigkeit Als wesentlicher Kern der Fahrlässigkeit ist damit die Vorhersehbarkeit eines schadensträchtigen Kausalverlaufs zu sehen, die dem Täter besondere Vermeidbarkeitspflichten auferlegt. Eine Vorhersehbarkeit wird in der derzeitigen Rechtspraxis zumeist angenommen, wenn der eingetretene tatbestandsmäßige Erfolg nach allgemeiner Lebenserfahrung, sei es auch nicht als regelmäßige, so doch als nicht ungewöhnliche Folge erwartet werden konnte.96 Entscheidend ist hierbei, dass sich die Vorhersehbarkeit nicht auf alle Einzelheiten des zur Rechtsgutsverletzung führenden Geschehensablaufs zu erstrecken bräuchte, sondern dass es genüge, dass der Erfolg im Allgemeinen nicht außerhalb aller Lebenswahrscheinlichkeiten liege.97 Mit dieser Definition wird die Vorhersehbarkeit jedoch auf die mögliche Interpretation eines Geschehnisses nach menschlichen Erfahrungssätzen verengt. Dies macht dieses zusätzliche Fahrlässigkeitsmerkmal, das eigentlich im Zentrum stehen sollte, in vielen Urteilen nur zu einem Anhängsel der Pflichtwidrigkeitsprüfung und nahezu überflüssig. Bezeichnend hierfür ist folgender Urteilsauszug: „Im allgemeinen bezeugt schon das Dasein wichtiger Verkehrsregeln, wie das Verbot, an unübersichtlichen Stellen zu überholen, und das Gebot, auf unübersichtlichen Strecken die äußere rechte Seite der Fahrbahn zu benutzen, dass bei ihrer Übertretung die Gefahr eines Zusammenstoßes nahe liegt; denn sie sind das Ergebnis einer auf langer Erfahrung und auf Überlegung beruhender umfassenden Voraussicht möglicher Gefahren.“98 Hierdurch verkümmert die Vorhersehbarkeit mit ihrer einzigen Einschränkung, dass der Erfolg nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit liegen dürfe, zu einer anderen Formulierung für die objektive Zurechnung99, die aufgrund ihrer Weite im ______________ 95

MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 122. Lackner/Kühl, § 15 Rn. 46 und Kühl, AT, § 17 Rn. 40. 97 RGSt. 73, 370 (372), BGHSt. 12, 75 (77 f.), BGHSt. 31, 96 (101), BGH, NStZ 1995, 287 sowie LG Kleve, NStZ-RR 2003, 235 (236). 98 BGHSt. 12, 75 (78); vgl. auch BGHSt. 4, 182 (185), BGH, VRS 10, 282 (285) und BayObLG, OLGSt. 33, 1 (3 f.), das zwar davon spricht, dass die Voraussehbarkeit „unabhängig“ davon zu prüfen sei, ob eine Verkehrsübertretung vorliege; es prüft dann aber doch den Verstoß gegen eine Verkehrsvorschrift als Indiz für die Voraussehbarkeit. 99 Bezeichnend hierfür ist die Bezeichnung der Vorhersehbarkeit als „Adäquanzzusammenhang“ bei Lackner/Kühl, § 15 Rn.46. Und die Rechtsprechung sieht sogar den 96

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 273

Gegensatz zu den herkömmlichen Zurechnungskriterien aber kaum einschränkend wirkt. Dies wird an Beispielen aus der sich hierzu als „case law“ entwickelnden Rechtsprechung deutlich: So sei es vorhersehbar, dass nach einer Schlägerei das Opfer im Krankenhaus an einer Lungenentzündung stirbt, da es bereits an einer nicht erkennbaren Vorerkrankung in Form einer Minderfunktion der linken Herzklappe litt100, nicht aber, wenn das Opfer an der Narkose im Krankenhaus stirbt.101 Dafür müsse ein Kraftfahrer, der sich nachts einen Kilometer vor einer Ortschaft befindet, jederzeit damit rechnen, dass ihm eine Katze in die Fahrbahn springt. Er dürfe daher nicht erschrecken und das Lenkrad herumreißen. Tue er es dennoch, hafte er strafrechtlich für die Folgen.102 Oder wer einen auffälligen Limonaden-Lkw in der Fastnacht an der Tankstelle mit dem Zündschlüssel im Handschuhfach zurücklasse, habe vorherzusehen, dass ein betrunkener Jugendlicher hiermit durch die Straßen fährt, um Aufsehen zu erregen, die Kontrolle verliert und einen Fußgänger tödlich verletzt; der Halter des Fahrzeugs hafte also wegen fahrlässiger Tötung!103 Dies möge genügen, um die endlose Weite und fehlende Bestimmtheit104 der Vorhersehbarkeit in der derzeitigen Diktion zu belegen. Doch die Voraussehbarkeit ist mehr als eine Zurechnungsebene. Sie spiegelt die subjektive Verknüpfung von Handlung und Erfolg wider und bildet das Gegenstück zum Vorsatz als „subjektives Merkmal der Fahrlässigkeit“105. Ihr Inhalt muss daher ähnlich strenge Anforderungen erfüllen, um ein Handlungsunrecht zu begründen und eine hieran anknüpfende strafrechtliche Sanktion zu rechtfertigen. Hierzu ist erneut unter Berücksichtigung der derzeitigen medizinischen Erkenntnisse auf unser Handlungsmodell abzustellen. Nur so kann die Komplexität des menschlichen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesses eine ausrei-

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Schutzzweckzusammenhang in der Vorhersehbarkeit aufgehen, vgl. OLH Hamm, VRS 61, 353 (355): „Der Erfolg einer Pflichtwidrigkeit ist dann nicht vorhersehbar, wenn die verletzte Vorschrift nicht der Verhütung von Erfolgen der Art dient, wie sie tatsächlich eingetreten sind.“ 100 LG Kleve, NStZ-RR 2003, 235 (236). 101 OLG Hamm, VRS 18, 356 (357). 102 Im konkreten Fall landete das Fahrzeug am Baum und der Beifahrer wurde verletzt, vgl. OLG Neustadt, VRS 26, 205. 103 BGH, VRS 20, 282 (283). 104 Hierzu sei noch ein interessantes Gegenbeispiel genannt: Das AG Westerburg (Urt. v. 05.06.1996, 2102 Js 22761/95-3 Cs, http://juleiqua.de) hat das Interesse der Medien gar als Indiz gegen die Vorhersehbarkeit gewertet mit der Argumentation, die Medien interessierten sich nicht für alltägliche Fälle, sondern nur für außergewöhnliche, so dass der Schluss, der Erfolg habe außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit gelegen, nahe sei. 105 Struensee, JZ 1987, 53 ff. spricht gar vom „subjektiven Tatbestand des fahrlässigen Delikts“.

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3. Teil: Folgerungen

chende Berücksichtigung finden und ein persönlich Verantwortlicher statt einem bloßen Sündenbock bestraft werden.106 Unsere Umwelt nehmen wir über unsere Sinnesorgane, vornehmlich die Augen auf. Lichteinfälle durch die Linsen des Auges führen zu einem spiegelverkehrten Bild auf der Netzhaut. Die Axone der Ganglienzellen der Retina bilden den Sehnerv, der über drei verschiedene Bahnen für Tiefe und Form, Bewegung und Farbe in das Corpus geniculatum und von dort in den primären visuellen Cortex (auch V1 genannt) projiziert, der so eine vollständige Karte der Netzhaut enthält. Hinter dem primären Cortex befinden sich weitere visuelle Areale, die mit der Verarbeitung verschiedener Reizmerkmale beschäftigt sind.107 Erst so interpretiert der Mensch unter Berücksichtigung von Einflüssen, Vorerfahrungen, Wissen und Motivation die Seheindrücke. Die Wahrnehmung beginnt mit der Sinneserfahrung; die Informationen müssen aber ausgewertet werden, damit sie uns etwas mitteilen.108 Es lässt sich also sagen: Der Mensch sieht mit dem Gehirn, nicht mit den Augen! Zugleich laufen verschiedene Aspekte des Seheindrucks zu Zentren des limbischen Systems, insbesondere zur Amygdala, die für die Steuerung von Emotionen zuständig ist und so erste Veränderungen des vegetativen Nervensystems als Folge bestimmter wahrgenommener Bilder verursachen kann, etwa in Form von Angstschweiß. Das limbische System selbst ist wie bereits dargelegt für die Bildung von Handlungszielen zuständig, ein Prozess, in den über die ventrale Schleife das Ventrale Tegmentale Areal als Zentrum des emotionalen Gedächtnisses, der Hippocampus als Zentrum für das episodische Gedächtnis, das basale Vorderhirn als Zentrum für die Aufmerksamkeitssteuerung und der präfrontale Cortex als Teil des kognitiv-rationalen Denkens eingebunden ist. So kann der Mensch – neben der Möglichkeit einer lebensnotwendigen Sofortreaktion unter Eindruck emotionaler, rationaler und gedächtnisgestützter Aspekte ein Handlungsziel entwerfen. Dann geht es nur noch um deren konkrete Ausgestaltung. Diese erfolgt unter Zugrundelegung der bekannten Informationen und verschiedener Gedächtnisaspekte in den Basalganglien. Hier werden die verschiedenen Möglichkeiten abgewogen und sich für eine Handlungsweise unter Berücksichtigung bekannter Kausalketten entschieden. Das Ergebnis sind Bewegungskommandos an die Muskeln oder – im Falle des Unterlassens – gerade keine.109 ______________ 106

Vgl. Duttge, Handlungsunwert, S. 409. Zu diesem Wahrnehmungsprozess ausführlich Kandell/Schwartz/Jessell, Neurowissenschaft, S. 394 ff. und Birbaumer/Robert Schmidt, Psychologie, S. 392 ff. 108 Vgl. Zimbardo/Gerrig, Psychologie, S. 143 ff. 109 Vgl. zu diesem Ablauf ausführlich oben Zweiter Hauptteil, Viertes Kapite, III, 2, f), aa), sowie zusammenfassend Gerhard Roth, Fühlen, S. 417 und 424 f. 107

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 275

Der strafrechtliche Vorwurf geht nun dahin, dass die Entscheidung für eine bestimmte Bewegung gefallen ist, obwohl diese mit einer Kausalkette verbunden ist, die zu einer Rechtsgutsverletzung geführt hat. Ist diese Kausalkette gerade die zur Erreichung des Handlungsziels zumindest mitgewollte, sprechen wir von Vorsatz. Ist es eine ungewollte Nebenkausalkette, kommt eine Fahrlässigkeit in Betracht. Wieso trotz der umfangreichen Denkprozesse eine Handlung gewählt worden ist, die mit einem ungewollten Kausalprozess schließlich verbunden ist, kann vielerlei Ursachen haben: Der Mensch kann Gefahren nicht unmittelbar wahrnehmen, hierfür fehlt ihm ein geeignetes Sinnesorgan. Er kann eine mögliche Rechtsgutsgefahr nur mittelbar durch Anzeichen („Warnsignale“) signalisiert bekommen. Dies sind diejenigen Reize, die auf eine bestimmte bedrohliche Lage hinweisen.110 Nur über diese kann es uns gelingen, eine Gefahr wahrzunehmen, zu erkennen, einzuschätzen und unsere geplante Handlung unter diesem Eindruck zu redefinieren.111 Hierzu ist es zunächst erforderlich, dass diese „Warnsignale“ den maßgeblichen Informationsprozess überhaupt erreicht haben. Neben individuellen körperlichen Schädigungen, die erst einmal außer Betracht bleiben sollen, kann ein Nichterreichen zweierlei Ursachen haben („Beobachtungsfehler“112): Entweder haben die Augen die notwendigen Umstände schon nicht wahrnehmen können und sie waren schon auf dem Netzhautbild nicht enthalten oder sie waren zwar enthalten, sind aber von der Interpretationsinstanz im Gehirn nicht erkannt worden. Ersteres ist unproblematisch, wie ein kleiner Beispielsfall zeigt: A schubst den B in der Fußgängerzone vor die Brust, so dass dieser einen Schritt nach hinten tritt. In diesem Moment löst sich eine hinter einem Sims befestigte Werbefigur vom Dach des Kaufhauses, vor dem A und B stehen, und erschlägt den B. Den A hier wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen, hieße, ihn dafür zu bestrafen, dass er die Meter über ihm hinter dem Sims und damit seinem Blick verborgenen Anzeichen für ein Herabstürzen der Figur („Warnanzeichen“) nicht gesehen hat. Konnten die Warnsignale noch nicht einmal durch die Sinnesorgane wahrgenommen werden, so erübrigt sich jedoch jeder Vorwurf indi______________ 110 Duttge, Handlungsunwert, S. 410 f.; andere Beschreibungen sind „Anlass“ (Engisch, Untersuchungen, S. 371 und Jakobs, AT, 9/5), „Anlassfaktoren“ (Dirk Sauer, wistra 2004, 91 f.), „Hinweise“ (Nowakowski, JZ 1958, 335 (389)), „äußere Anzeichen“ (BGHSt. 19, 152 (155)), „konkrete Anhaltspunkte“ als „Assoziationsmaterial“ (Schmidhäuser, StuB, 7/106 ff.; vgl. auch Schmidhäuser, FS Schaffstein, 144), „Risikoanhaltspunkte“ (SK-StGB/Hoyer, Anh. Zu § 16 Rn. 36) oder Umstände, die eine Rechtsgutsverletzung dem Täter „vor Augen stellten und Mittel zu ihrer Abwehr nahe legten“ (BGHSt. 6, 282 (286)). 111 Hoyos, Unfallforschung, S. 91 ff. 112 Hoyos, Unfallforschung, S. 109.

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3. Teil: Folgerungen

viduellen Fehlverhaltens, da das Strafrecht nicht für etwas strafen kann, das außerhalb des eines Menschen Möglichen liegt. Anders sieht es hingegen aus, wenn der Mensch nur in die konkrete Richtung nicht geblickt hat, die Warnsignale also hätte sehen können. Das menschliche Auge sieht nicht alles um uns herum, sondern es wechseln sich Fixationsperioden ab, bei denen bestimmte Objekte fixiert und betrachtet werden, die für das Geschehen besonders wichtig zu sein scheinen. So werden bei einem Gesicht etwa hauptsächlich die Augen und der Mund betrachtet.113 Ob neben den quasi einstudierten Blicken, insbesondere bei bewegten Objekten, auch andere relevante Umstände angeschaut werden oder wir mit „Scheuklappen“ die Straßen entlang laufen, ist eine Frage der Aufmerksamkeit. „Jedermann trifft die Pflicht, umsichtig zu sein und bei seinem Verhalten auf die wichtigsten Tatumstände zu achten, die dann Anlass für weitere Erkenntnismöglichkeiten sind“, schreibt Friedrich-Christian Schroeder114 und zeigt damit, dass die Fehlleistung auf zwei Ebenen erfolgt: Auf der einen Seite sind wir verpflichtet, unsere nähere Umwelt zu erfassen, um uns in ihr bewegen zu können. So nehmen wir Aspekte auf, die unsere Augen erblicken. Aber erst wenn wir diese Bilder interpretiert und die für die Handlungsplanung relevanten Anzeichen gefunden haben, gibt es die Notwendigkeit, auch andere Objekte zu betrachten, um sich weitere Informationen zu beschaffen. Erblicken wir beispielsweise das Bild einer Straße und erkennen diese auch als Straße, dann schauen wir nach weiteren Gefahranzeichen durch einen Blick nach links und einen Blick nach rechts. Nicht jedes Gefahrensignal aufzufassen bedeutet also nicht, dass die Fehlleistung alleine im Fixieren von Objekten liegt, sondern – sofern erste, wenn auch nicht unbedingt ausreichende Gefahrenanzeichen ersichtlich sind – vielmehr im Nachforschen. Es geht also hierbei genauso wie beim Vorhandensein von Informationen im Netzhautbild, die aber nicht erblickt werden, um die sachgerechte Interpretation und Verarbeitung der Wahrnehmungseindrücke (sog. „Wahrnehmungsfehler“115). Eine sachgerechte Erfassung der Eindrücke erfordert ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit, das die Koordination zwischen den einzelnen visuellen Bahnen erleichtert und so den „Scheinwerfer“ auf bestimmte Aspekte bei der Interpretation eines Bildes wirft.116 Diesen anzuschalten, bedarf es bei den bereits ______________ 113

Birbaumer/Robert Schmidt, Psychologie, S. 379. LK/Friedrich-Christian Schroeder, § 16 Rn. 138. 115 Vgl. Hoyos, Unfallforschung, S. 109. 116 Kandel/Schwartz/Jessell, Neurowissenschaft, S. 406; vgl. auch die laienhafte, aber den Kern treffende Definition von Engisch, Untersuchungen, S. 271: „Die Aufmerksamkeit erscheint als Sammlung und Fixierung der Gedanken in einer bestimmten Richtung im Gegensatze zu der Zerstreuung der planlos undisziplinierten durcheinanderlaufenden Gedanken oder zu der Verlorenheit des Gedankenlosen.“ 114

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 277

genannten „Warnsignalen“, also einem Anlass, der so banal sein kann wie eine Straße. Es genügt zunächst das Erblicken eines Umstandes für die Möglichkeit einer Gefährdung. Auf dieses müssen wir reagieren und uns zumindest nähere Informationen verschaffen. Erfolgt dies nicht, wird eine Fehlleistung begangen, die für die Rechtsgutsverletzung ursächlich sein kann, insoweit wir hätten vorhersehen können, dass eine Gefahr droht, haben uns dieser Gefahr – aus welchen Aspekten auch immer – aber verschlossen und so die Möglichkeit der Gefahr nicht erkannt. Sind wie im ersten Fall der herabstürzenden Werbefigur selbst noch nicht einmal Anzeichen für die konkrete Gefahr ersichtlich, so weiß auch der Aufmerksamste nicht, dass er diesbezüglich aufmerksam sein muss. Liegt aufgrund eines ersten Anzeichens aber eine Situation vor, die Aufmerksamkeit erfordert, so kann schon ihr Fehlen den Eintritt der Rechtsgutsverletzung bedingen.117 Der in diesem Sinne gleichgültige, an der Vermeidung von Tatbestandsverwirklichungen uninteressierte Rechtsgenosse118 ist daher wegen unbewusster Fahrlässigkeit zu bestrafen119, sofern er durch die ihm entgangenen Informationen gerade auf jene Umstände hätte schließen können, die die konkrete Tatbestandsverwirklichung ausmachen. Denn unser Gesellschaftsleben funktioniert nur, wenn jeder darauf achtet, dass aus seinem Verhalten keine Rechtsgutsgefahren ausgehen. Gleiches gilt für einen Fehler auf der nächsten Stufe des Informationsprozesses: Die Warnsignale sind zwar auf dem Netzhautbild richtig interpretiert worden und in den Informationsprozess zur Handlungsplanung eingeflossen – der Mensch hat also die Möglichkeit einer Rechtsgutsgefährdung erkannt. Bei der Berücksichtigung möglicher Kausalläufe im Rahmen der Handlungsplanung kann sich der Mensch aber aufgrund bestimmter Erfahrungen und anderer Wertungen der Möglichkeit eines bestimmten ungewollten Kausalverlaufs, verschließen, obwohl sich der Nebenkausalverlauf aufgrund der Anschaulichkeit, Zugänglichkeit oder Regelmäßigkeit des „Warnsignals“ und der Wahrschein______________ 117

Jakobs, Studien, S. 87. Vgl. Engisch, Untersuchungen, S. 369 f. 119 Die Strafbarkeit unbewusster Fahrlässigkeit wird zwar von einigen Autoren verneint (so von Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 162 ff., ders., Jura 1986, 232, Bockelmann, Aufsätze, S. 213, Michael Köhler, AT, S. 177, ders., FS Hans Joachim Hirsch, 74 ff.), da die Rechtsgutsgefährdung noch nicht einmal in das Bewusstsein des Täters trete, so dass dieser keine Normeinsicht haben könnte. Es gebe zwar unbewusste Handlungen, mangels möglichen Vorwurfes, sich falsch entschieden zu haben, nicht aber eine unbewusste Schuld. Bezogen auf den Zeitpunkt der eigentlichen Tat mag dies zutreffen, nicht aber, wenn man bedenkt, dass die Fahrlässigkeitsschuld bereits darin liegt, dass unser Sozialleben es erfordert, Anzeichen für mögliche Gefahren nachzugehen und so deren Realisierung zu verhindern. Vgl. hierzu auch Roxin, AT I, § 24 Rn. 62 und Cramer, DAR 1974, 319. 118

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3. Teil: Folgerungen

lichkeit des Schadenseintritts hätte aufdrängen müssen.120 Die notwendigen Informationen können also vorhanden gewesen sein, nur der Mensch hat sie individuell falsch gedeutet oder gewertet und so eine Handlung mit einem ungewollten Kausalverlauf geplant und ausgeführt („falsche Entscheidung“121). Handelt es sich bei diesem falsch gewerteten Kausalverlauf um jenen, der tatsächlich zum konkreten ungewollten Erfolg geführt hat, so ist ein derartiges Fehlverhalten als bewusste Fahrlässigkeit in den Fällen zu ahnden, wo es die Wertigkeit des zu schützenden Rechtsgutes verlangt. Dies verdeutlicht einerseits, dass die Frage der Vorhersehbarkeit eine Frage der genauen Würdigung der vorhandenen Warnsignale im konkreten Einzelfall darstellt, die vom Tatrichter geleistet werden muss. Die Warnsignale hätten zudem, was in zweiter Stufe vom Richter festgestellt werden muss, zu einer anderen Handlung führen müssen, sei es durch ein Weiterforschen nach zusätzlichen Informationen (unbewusste Fahrlässigkeit), sei es durch eine andere Handlung zur Verfolgung des übergeordneten Handlungszieles wegen ausreichender Kenntnis von der Möglichkeit der Gefahr (bewusste Fahrlässigkeit). Hierbei wird zudem zu berücksichtigen sein, ob der Täter in der Schnelle der Reaktionszeit in der Lage gewesen ist, die zum Zeit schwierigen Abwägungsvorgänge durchzuführen.122 Zum anderen wird deutlich, dass die von der Rechtsprechung gemachte Einschränkung verfehlt ist, wonach der Täter nur generell den Erfolg, nicht aber auch den Kausalverlauf vorhersehen muss.123 Denn wie bereits Engisch zutreffend erkannt hat, muss dem fahrlässigen Täter „eben soviel erkennbar sein, wie ihm im Falle wirklicher Kenntnis zum Vorsatz gereichen kann“124. Der Unterschied zwischen der Fahrlässigkeit und dem Vorsatz liegt schließlich im Bereich der bewussten Fahrlässigkeit in der unterschiedlichen Wertung der bekannten Informationen, nicht aber im Kenntnisstand selbst. Beim Vorsatz ist es überwiegende Ansicht, dass der Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen – die Umwelt ist durch so viele Faktoren bestimmt, dass das Verlangen jeder Einzelheit eines Kausalverlaufs zum Leerlaufen des Strafrechts führen würde –

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Zu den 8 maßgeblichen Komponenten der „Warnsignale“ als „Mittler der Gefahrenkognition“ vgl. Duttge, Handlungsunwert, S. 410 ff. sowie MüKo-StGB/ders., § 15 Rn. 123 f. 121 Vgl. Hoyos, Unfallforschung, S. 109. 122 Vgl. BGHSt. 14, 52 (54). 123 RGSt. 29, 218 (220), BGHSt. 12, 75 (77 f.), BGHSt. 31, 96 (101), BGH, NStZ 1992, 333, OLG Düsseldorf, NJW 1991, 2979 und LG Kleve, NStZ-RR 2003, 235 (236); ebenso Otto, JuS 1974, 708 f. 124 Engisch, Untersuchungen, S. 373.

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 279

erkannt worden sein muss.125 Dann muss aber auch bei der Vorhersehbarkeit gefordert werden, dass der Täter den Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen hätte vorhersehen können.126 War dies aber der Fall und vom Täter eine andere Handlung geboten, so kann die Vorhersehbarkeit im vorbenannten Sinne vergleichbar zur Garantenpflicht beim Unterlassen dem Täter eine Pflicht zur Redefinition der Handlung aus Gründen des Rechtsgüterschutzes auferlegt haben, deren Verletzung den Ansatzpunkt eines Handlungsunwerturteils bilden würde.

c) Die Sorgfaltspflichtverletzung als Zeichen unerlaubten Risikos Doch alleine die Vorhersehbarkeit und damit die Möglichkeit einer anderen, das Rechtsgut nicht verletzenden Handlung bedeutet nicht auch zwangsläufig die Pflicht, die andere Handlung vorzunehmen. Wäre dies der Fall, würde ob der Vielzahl an Gefahren alleine im Alltag unser Sozialleben zusammenbrechen. Denn es werden vor allem in der technologisierten Welt „täglich und stündlich ungezählte Handlungen vorgenommen (werden), die, jedem Denkenden erkennbar, die Möglichkeit der Kausalität für die Verletzung der körperlichen Integrität, ja für das Leben anderer Personen in sich tragen und bei denen sich der Handelnde regelmäßig auch bewusst sein muss, dass selbst die Anwendung der größten Aufmerksamkeit seinerseits die Verwirklichung der mit der Handlung verbundenen Gefahren nicht völlig auszuschließen vermag“127. Ein allgemeines Verbot, andere zu gefährden, würde somit zum Gebot einer ständigen Risikoanalyse in jeder Lage und damit letztlich zu einer Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) führen, die einem allgemeinen Handlungsverbot gleichkäme.128 Um auch weiterhin einen Straßenverkehr trotz der ständigen, durch die alljährlichen Unfallstatistik belegten einhergehenden Gefahren, einen Flugverkehr, den Betrieb von Industrieanlagen oder ärztliche Heilbehandlungen zulassen zu können, müssen bestimmte Risiken von der Gesellschaft in Kauf ge______________ 125 Vgl. nur BGHSt. 23, 133 (135), Wessels/Beulke, AT, Rn. 258, Lackner/Kühl, § 15 Rn. 11, Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 54 sowie Schacht, Zusammenwirken, S. 44. 126 So zutreffend SK-StGB/Hoyer, Anh. zu § 16 Rn. 84 ff., Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 22 Rn. 43, Jescheck/Weigend, AT, S. 586, Welzel, Strafrecht, S. 136 f., Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 200 sowie für das Schweizer Recht BGE 130 IV, 7 (10). 127 RGSt. 30, 25 (27). 128 So Jakobs, Studien, S.83; vgl. hierzu auch jüngst das zum zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff ergangene Urteil des BGH, NJW 2004, 1449 (1450).

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3. Teil: Folgerungen

nommen werden. Der Täter begeht dann mit der Gefährdung „Unverbotenes […]: die Rechtsordnung nimmt die erduldete Verletzung hin“129. Wie dies dogmatisch erreicht werden soll, ist unklar. Während einige erst die Schuld ausschließen130 oder eine Rechtfertigung annehmen131, wird überwiegend zu Recht bereits der Tatbestand verneint, sei es aus Gründen der Sozialadäquanz132, wegen Fehlens des normimmanenten Risikos133, wegen einer „übergreifenden Interessenabwägung“ zwischen dem Rechtsgüterschutz und der allgemeinen Handlungsfreiheit134 oder – bei zutreffendem Anerkennen der objektiven Zurechnung als Tatbestandsmerkmal – wegen fehlender Zurechnung zwischen Handlung und Erfolg135. Denn nimmt die Rechtsordnung ein bestimmtes gefährliches Verhalten hin, so kann deren Vornahme bereits kein Handlungsunrecht begründen. Ausgehend von einer Handlung trotz der Vorhersehbarkeit eines rechtsgutsgefährdenden Kausalverlaufs als grundsätzlicher Ansatzpunkt des Handlungsunrechts bei der Fahrlässigkeit, steht diese damit unter der Voraussetzung, dass die vom Täter vorgenommene Handlung sich nicht im Rahmen des erlaubten Risikos hält. Erst wenn die Grenze erlaubten Risikos überschritten ist, rechtfertigt dies eine Einschränkung der Handlungsfreiheit und verpflichtet den Täter zu einer Redefinierung seiner Handlung. Hier kommt die mit der Fahrlässigkeit gedanklich verbundene Sorgfaltspflichtverletzung ins Spiel. Der Gesetzgeber auf der einen Seite mit „konkreten Sondernormen“ in Gesetzen und Verordnungen und die Gesellschaft für sich auf der anderen Seite mit vertraglichen, beruflichen und allgemeinen Schutzpflichten stellten Sorgfaltsnormen auf, um trotz Inkaufnahme gefährlicher Handlungen Rechtsgutsverletzungen weitgehend zu verhindern. Gegen diese zu verstoßen, heißt die Grenze des Zulässigen zu überschreiten und sich mit Vornahme der Handlung trotz Vorhersehbarkeit des rechtsgutsverletzenden Kausalverlaufs ins Unrecht zu setzen. Man kann daher mit Ingeborg Puppe die Sorgfaltspflichtwidrigkeit als bloße „Frage der objektiven Zurechnung“136 begreifen, die aber in untrennbarer Er-

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Binding, Normen IV, S. 446. Kienapfel, Risiko, S. 27 ff. 131 Schmidhäuser, FS Schaffstein, 138 f., Jescheck/Weigend, AT, S. 401: „gemeinsames Strukturprinzip für verschiedene Rechtfertigungsgründe“ und Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 102. 132 So OLG München, NStZ 1985, 549 (550), Tröndle/Fischer, Vor § 32 Rn.13, Herzberg, JZ 1989, 474 und Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 146. 133 Herzberg, JR 1986, 8. 134 MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 134. 135 So Roxin, AT I, § 11 Rn. 60 und Kindhäuser, GA 1994, 215. 136 Ingeborg Puppe, GA 1994, 208. 130

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 281

gänzung mit der Vorhersehbarkeit das Handlungsunrecht der Fahrlässigkeit bestimmt.137

d) Absage an die „Maßstabsfigur“ Mit dieser Festlegung des Handlungsunrechts ist inzident bereits eine Frage mitbeantwortet, die in der Rechtslehre wohl die umstrittenste im Bereich der Fahrlässigkeit darstellt, jene nach der Existenz eines „doppelten Sorgfaltsmaßstabes“. Es geht hierbei um die verbreitete Bestimmung des Unrechts auf der Tatbestandsebene nach rein objektiven, generellen Sorgfaltsmaßstäben, indem gefragt wird, wie ein besonnener und gewissenhafter Mensch sich in der konkreten Lage verhalten hätte. Die Feststellung, dass der Täter nach seinen persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen Könnens im Stande gewesen ist, den zur Rechtsgutsverletzung führenden Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen zu erkennen und sich entsprechend sorgfaltsgemäß zu verhalten, soll dagegen eine Frage der Schuld darstellen.138 Hierfür wird angeführt, dass die Rechtsprechung erst mittels des Erfordernisses einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung dazu veranlasst werde, die Sorgfaltsgebote für bestimmte Situationen in allgemeinen Sorgfaltsregeln niederzulegen.139 So würden objektive Normen geschaffen, die einerseits für alle gleichermaßen zu beachten seien und der notwendigen Generalprävention dienten140 und anderseits die Bestimmtheit der Fahrlässigkeitsnormen erst herstellen und verstärken. Zugleich würden so überspitzte Anforderungen an den Einzelnen abgeschnitten und dem Gleichheitssatz Rechnung getragen.141 Hierdurch würde jedoch zunächst eine erhebliche Einbuße an Rechtsgüterschutz in Kauf genommen und ein Friktion zur Unterlassungsdogmatik – in jeder Fahrlässigkeitsnorm steckt schließlich ein „Stück Unterlassung“ – hingenommen, die nicht vertretbar ist: Kommt etwa ein exzellenter Rettungsschwimmer zu spät zum ertrinkenden Opfer, weil er trotz sehr guter Schwimm-

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Ebenso Kühl, AT, § 17 Rn. 16 und LK/Friedrich-Christian Schroeder, § 16 Rn. 157 ff.; in diese Richtung auch Roxin, AT I, § 24 Rn. 8 ff. 138 So etwa Roxin, AT I, § 24 Rn. 50 f., Herzberg, Jura 1984, 409 f., Jescheck, ZStW 98 (1986), 14, Jescheck/Weigend, AT, S. 564 f., Hans Joachim Hirsch, ZStW 94 (1982), 272 ff., LK/Friedrich-Christian Schroeder, § 16 Rn. 146, Schünemann, JA 1975, 512 ff., Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 22 Rn. 25, Wessels/Beulke, AT, Rn. 664 und 692, Tröndle/Fischer, § 15 Rn. 14 und 16, Lackner/Kühl, § 15 Rn. 37 ff. sowie Kretschmer, Jura 2000, 272. 139 Jescheck/Weigend, AT, S. 565. 140 LK/Friedrich-Christian Schroeder, § 15 Rn. 146. 141 LK/ Friedrich-Christian Schroeder, § 15 Rn. 147 und Jescheck/Weigend, AT, S. 565.

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3. Teil: Folgerungen

fähigkeit nur durchschnittlich geschwommen ist, so würde an einer Tötung durch Unterlassen der gebotenen, ihm möglichen Handlung (schnelles Schwimmen und Retten) niemand zweifeln.142 Oder wenn der Arzt, der einen Fußgänger angefahren hat, bei den Rettungsmaßnahmen nur die „normalen“ Handlungen ausführt anstatt die erkannte Erstickungsgefahr etwa durch eine notdürftige Kehlkopfpunktion zu beseitigen, wird er eine Tötung durch Unterlassen begehen. Ihn dann aber, wenn er die Erstickungsgefahr wegen fehlerhafter Würdigung der Anzeichen nicht erkannt hat, nicht wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen, weil ein durchschnittlicher Mensch die Lebensgefahr auch nicht hätte erkennen können, erscheint nicht einleuchtend, zumal das äußere Handeln vergleichbar ist und ein Vorsatz nur selten wird nachzuweisen sein. Aus diesen Gründen machen viele Vertreter des generellen Ansatzes ein Zugeständnis dahin, das Sonderwissen143 und teilweise die Sonderfähigkeiten144 des Täters beim Sorgfaltspflichtmaßstab zu berücksichtigen, während Minderwissen weiterhin erst bei der Schuld Berücksichtigung finden soll; es wird also nach „unten“ generalisiert und nach „oben“ individualisiert145. Doch auch gegen diese „Individualisierung auf halbem Wege“146 spricht die parallele Unterlassungsdogmatik eine deutliche Sprache. Unterlässt der Täter eine gebotene Handlung, so stellt dies erst dann ein Unrecht dar, wenn ihm persönlich die Handlungsvornahme physisch-real möglich gewesen ist. Art und Maß der zu erwartenden Hilfe richten sich nach den Fähigkeiten und Möglichkeiten des jeweiligen Hilfspflichtigen.147 Hinter diesem Selbstverständnis steht der Satz „ultra posse nemo obligatur“ – man kann etwa einem ohnmächtigen Arzt nicht die Pflichten auferlegen, die einen leistungsfähigen Arzt voraussetzen.148 Wieso dieser sich bei Unterlassen und Fahrlässigkeit gleichermaßen stellende Grundsatz je nach Deliktsart unterschiedlich beurteilt werden soll, ist nicht ersichtlich. Hiermit würde vielmehr der Normadressat ausgetauscht gegen eine nichtexistierende „Kunstfigur“149, ein „Phantom“150, das die Handlung hätte vornehmen können. ______________ 142

Beispiel nach Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 15 Rn. 14. So Herzberg, Jura 1984, 410, Jescheck/Weigend, AT, S. 578 f., Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S. 64 ff., Hans Joachim Hirsch, ZStW 94 (1982), 274, Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 139 sowie Wessels/Beulke, AT, Rn. 670. 144 Für eine Berücksichtigung von Sonderfähigkeiten plädieren Roxin, AT I, § 24 Rn. 54, NK-StGB/Ingeborg Puppe, Vor § 13 Rn. 149, Blei, Strafrecht I, S. 301 und Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 138 f.; auf das Sonderwissen beschränken die Individualisierung dagegen Hans Joachim Hirsch, ZStW 94 (1982), 273 und LK/Friedrich-Christian Schroeder, § 15 Rn. 147 f. 145 Vgl. nur Roxin, AT I, § 24 Rn. 50 und Kretschmer, Jura 2000, 272. 146 So Andrea Castaldo, GA 1993, 507 f. 147 Vgl. RGSt. 75, 68 (73), BGHSt. 2, 296 (299) und BGH, NJW 1983, 350 (351). 148 Roxin, AT II, § 31 Rn. 15. 149 Alexandra Kremer-Bax, Verhaltensunrecht, S. 95; ebenso Otto, AT, § 10 Rn. 14. 143

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 283

Es ist daher mit einer aufkommenden Ansicht die Fahrlässigkeit rein individualisiert zu bestimmen.151 Zu dieser Erkenntnis hätte es der Herleitung über die parallele Unterlassungsproblematik ebenso wenig bedurft wie überspitzter Paraphrasierungen152. Die Generalisierung ist im Hinblick auf eine einheitliche Geltung der Sorgfaltsnormen für die Bevölkerung zwar in der Tat einleuchtend. Sie bezieht sich hiermit aber nicht auf den Kern des Fahrlässigkeitsvorwurfs, sondern auf die Sorgfaltspflichtverletzung als bloße Begrenzung des unerlaubten Risikos. Dieses richtet sich tatsächlich nach generellen Normen, etwa jenen in der Straßenverkehrsordnung. Ob ein Verstoß gegen sie aber einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen kann, ist eine Frage der individuellen Vorhersehbarkeit. Diese richtet sich nach den Eigenheiten eines jeden Menschen, nach seinem Wissen und auch seinen Fähigkeiten, die in der Handlungsauswahl berücksichtigt werden.153 Ein Einwand bleibt bei dieser individuellen Sichtweise bereits auf der Tatbestandsebene freilich noch auszuräumen: Welche Funktion soll der Fahrlässigkeitsschuld verbleiben, wenn alle subjektiven Besonderheiten des Täters bereits ______________ 150

Binding, Normen IV, S. 522. So BGH, NStZ 2005, 446 (447), BayObLG, NJW 1998, 3580 mit Anm. Otto, JK 99, StGB § 15/6, Gössel, FS Bengl, 35 f., Jakobs, AT, 9/8 ff., ders., Studien, S. 64 ff., Otto, AT, § 10 Rn. 13 ff., ders., JuS 1974, 707, SK-StGB/Hoyer, Anh. zu § 16 Rn. 16 ff., Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 15 Rn. 11 ff., MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 94 ff., Georg Freund, AT, § 5 Rn. 22 ff., Gropp, AT, § 12 Rn. 82 ff., Andrea Castaldo, GA 1993, 496 ff., Alexandra Kremer-Bax, Verhaltensunrecht, S. 85 ff., Mir Puig, GedS Armin Kaufmann, 267 f. sowie ders., ZStW 108 (1996), 781. 152 Vgl. nur Alexandra Kremer-Bax, Verhaltensunrecht, S. 110: „Eine Auffassung, [...] die vom Kleinwüchsigen verlangt, dass er eine nicht in seiner Reichweite befindliche Sache ergreift, während sie sich darauf beschränkt, vom Riesen zu fordern, dass er nur die in normaler Höhe abgestellten Gegenstände aufnimmt, obwohl er auch leicht die höher gestellten erreichen könnte, leuchtet nicht ein.“ 153 Diese Sicht wird bei einer Normenschau bestätigt: So stellt nicht nur der österreichische Gesetzgeber bei seiner Fahrlässigkeitsdefinition in § 6 Abs. 1 öStGB auf die Sorgfalt des Täters ab, „zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist“ (vgl. hierzu Dirk Sauer, wistra 2004, 91: Es sei „kein Grund ersichtlich, die Definition des österreichischen und des Schweizer StGB nicht zu übernehmen“), sondern auch deutsche Normen belegen den individuellen Maßstab. Man nehme nur § 3 Abs. 1, S. 2 StVO, wonach der Fahrzeugführer im Straßenverkehr seine Geschwindigkeit neben den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen seinen persönlichen Fähigkeiten anzupassen hat, oder § 41 Abs. 2 Ziff. 7 StVO, in dem dort, wo eine Mindestgeschwindigkeit einzuhalten ist, „Fahrzeugführern, die wegen mangelnder persönlicher Fähigkeiten oder wegen Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung nicht so schnell fahren können oder dürfen“, verboten wird, die betreffende Straße zu benutzen (vgl. Alexandra Kremer-Bax, Verhaltensunrecht, S. 125 und Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 15 Rn. 13) 151

284

3. Teil: Folgerungen

bei der Tatbestandsmäßigkeit zu berücksichtigen sind?154 Der Große Strafsenat hat die Schuld einst definiert als den persönlichen Vorwurf gegen den Täter, dass er die rechtswidrige Handlung nicht unterlassen hat, obwohl er sie unterlassen konnte155. In diesem Sinne könnte man Schuld definieren als „Vorwerfbarkeit des menschlichen Verhaltens“, weil der Täter „pflichtwidrig gehandelt hat, während er ,anders‘, nämlich pflichtgemäß hätte handeln können“156. Rechtswidrig handele, „wer nicht tut, was er tun soll, schuldhaft nur, wer das Gesollte auch tun könnte“157. So verstanden scheint die Schuld generell all jene Elemente in sich zu vereinigen, die der Vornahme der aufgrund der Vorhersehbarkeit gebotenen Handlung entgegenstehen könnten und damit jene, die gerade als subjektive Pflichtwidrigkeit und subjektive Vorhersehbarkeit bereits dem Tatbestand zugeschrieben wurden. Doch bei diesem Vorwurf – der erstaunlicherweise bei den Unterlassungsdelikten trotz anerkanntem Tatbestandsmerkmal der Möglichkeit der Vornahme der gebotenen Handlung nicht erhoben wird158 – würde verkannt, dass dies zwingend die menschliche Willensfreiheit voraussetzen würde. Deren Nachweis ist aber nicht nur nicht führbar, sondern nach den obigen Ausführungen aufgrund neuester neurologischer Erkenntnisse gar widerlegt.159 Es wird zwar zum Teil versucht, diesem Einwand zu entkommen, indem formuliert wird, der Täter hätte wenigstens in dem Sinne anders handeln können, „als nach unserer Erfahrung mit gleichliegenden Fällen ein anderer an seiner Stelle bei Anspannung der Willenskraft [...] unter den konkreten Umständen anders gehandelt hätte“160. Dies würde aber von anderer Seite die Maßstabsfigur wieder einführen, diesmal bei der Schuld. Sie wäre dann sowohl im Unrecht wie in der Schuld vorhanden und die Anhänger des generellen Ansatzes müssten sich selbst fragen, wo sie eigentlich den Unterschied zwischen Unrecht und Schuld sehen. Hiervon aber abgesehen, zeigen die §§ 19 ff. StGB, dass der Gesetzgeber selbst festgelegt hat, wann er nicht mehr von einer Schuld ausgeht: wenn der Täter das Unrecht der Tat nicht einsehen oder hiernach handeln kann. Entscheidend ist also nicht das nachgeordnete Anders-Handeln-Können, sondern das vorgelagerte Erkennen des Unrechts. Da dieses durch die einzelnen Deliktsnormen konstituiert wird, geht es bei der Schuld um die Möglichkeit, dass der Normbefehl einen Menschen erreichen kann. Nur wenn dies gegeben ist, ______________ 154

So der Einwand von Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 22 Rn. 25. BGHSt. (GS) 2, 194 (200 f.). 156 Figueiredo Dias, ZStW 95 (1983), 228; in diesem Sinne auch Mangakis, ZStW 75 (1963), 516. 157 Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 7 Rn. 26. 158 Vgl. nur Roxin, AT II, § 31 Rn. 207, Mitsch in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 15 Rn. 18 und Kühl, AT, § 18 Rn. 138. 159 Siehe hierzu oben Zweiter Hauptteil, Viertes Kapitel, III, 2, f), aa). 160 Jescheck/Weigend, AT, S. 411. 155

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 285

stellt sich erst die Frage, ob er bei der Handlungsauswahl die Möglichkeit der Auswahl zwischen der rechtswidrigen und der rechtmäßigen Handlung hatte und sich entsprechend des Normbefehls hätte verhalten können. Der Gesetzgeber geht von dieser Möglichkeit grundsätzlich aus und legt nur jene Fälle fest, in denen er die Möglichkeit der Unrechtseinsicht als nicht mehr vorhanden oder vermindert ansieht (vgl. nur §§ 17, 19 - 21, 33, 35 StGB, 3, 105 JGG, 3 VStGB und 5 WStG). Die Schuld hat sich daher zutreffend als normativer Begriff etabliert161 und kann mit Roxin als „unrechtes Handeln trotz normativer Ansprechbarkeit“162 verstanden werden. Dies zeigt, dass es auf der Ebene des Tatbestands auf die physisch-reale Möglichkeit ankommt, eine andere Handlung auch begehen zu können, wenn es gewollt gewesen wäre, bei der Schuld hingegen auf die Möglichkeit, nach seinen psychischen Fähigkeiten vom Normbefehl überhaupt erfasst zu werden und sich für Recht oder Unrecht (wenn auch nicht frei) entscheiden zu können. Diese Unterscheidung gilt bei allen Deliktsarten, ob Tun oder Unterlassen, Vorsatz oder eben auch Fahrlässigkeit. Bei den Fahrlässigkeitsdelikten ergeben sich somit bei der Schuldprüfung keinerlei Besonderheiten.

e) Auswirkungen auf die fahrlässige Mittäterschaft Damit kann nun der Unterschied zwischen der vorsätzlichen und der fahrlässigen Mittäterschaft und somit die Frage nach der Existenz letzterer genau erfasst werden. Die Mittäterschaft als Zurechnungsfigur verlangt ein Einplanen der Tätigkeiten anderer, so dass der Einzelne auf diese verzichtet. Diese subjektive Einplanung muss sich auf ein objektiv vorzunehmendes arbeitsteiliges Vorgehen beziehen, das bei jedem Handlungsprojekt, das auf ein beliebiges Ziel bezogen ist, gegeben ist. Zentrales Element der Mittäterschaft ist aber ein die Handlungseinplanung rechtfertigender Kommunikationsakt zwischen den Beteiligten, ein gemeinschaftlicher Tatentschluss, in dem sich jeder Beteiligte zur Vornahme gerade der ihm obliegenden Tätigkeit den anderen gegenüber verpflichtet. Auch dies wäre unabhängig von der subjektiven Seite des letztlich verwirklichten Tatbestandes bei einem beliebigen Handlungsprojekt denkbar. Der entscheidende Unterschied liegt nun darin, dass die Zurechnung der objektiven Tätigkeiten eines anderen Mittäters vor dem Hintergrund der allgemeinen Handlungsfreiheit einer Rechtfertigung bedarf. Diese liegt darin, dass gerade keine strafrechtsneutrale Handlung geplant wird, sondern eine, die das ______________ 161 Vgl. Roxin, AT I, § 19 Rn. 36 ff., LK/Jescheck, Vor § 13 Rn. 76, Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 7 Rn. 26 ff., und Tröndle/Fischer, Vor § 13 Rn. 28. 162 Roxin, AT I, § 19 Rn. 36; ähnlich ders., ZStW 96 (1984), 652 f.

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3. Teil: Folgerungen

Handlungsunrecht in sich trägt. Der verschiedene Handlungsunwert von vorsätzlichen und fahrlässigen Delikten macht so den entscheidenden Unterschied zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Mittäterschaft aus: Der Handlungsunwert bei der Vorsatztat liegt in der Vornahme einer das erlaubte Risiko überschreitenden Handlung mit dem Willen, einen bestimmten rechtsgutsverletzenden Kausalverlauf damit herbeizuführen. Bei der Fahrlässigkeitstat liegt der Handlungsunwert dagegen in der Vornahme einer das erlaubte Risiko überschreitenden (und damit sorgfaltspflichtwidrigen) Handlung trotz Vorhersehbarkeit eines bestimmten rechtsgutsverletzenden Kausalverlaufs als Folge. Vorsatz wie Vorhersehbarkeit sind täterindividuelle Aspekte, so dass es für das Vorliegen eines Handlungsunrechts – entsprechend der Ablehnung einer Kollektivperson – auf die einzelnen Beteiligten ankommt. Statt von einem gemeinschaftlichen Entschluss zu einer Handlung mit Handlungsunwert kann so von einem gemeinschaftlich-unrechten Entschluss gesprochen werden, oder anders ausgedrückt: Der gemeinschaftliche Tatentschluss verlangt einen Kommunikationsakt bezogen auf ein Handlungsprojekt, das für jeden Mittäter ein Handlungsunrecht bedeutet. Dies ist im Rahmen vorsätzlicher Mittäterschaft unproblematisch. Zum Vorsatz gehört das Wissen um die tatbestandsrelevanten Umstände und der Wille, einen Kausalverlauf zu verursachen, der gerade zur tatbestandsmäßigen Rechtsgutsverletzung führt. Durch die gemeinsame Planung wird ein einheitlicher Wissensstand herbeigeführt. Der jeweilige Wille dagegen wird nur selten ausdrücklich geäußert. Dies gilt für die Mittäter in gleichem Maße wie für den Einzeltäter. Bei diesem haben sich zum Nachweis des Willens durch die Rechtspraxis aber bestimmte Indizien herauskristallisiert, auf die auch für die Erkennbarkeit durch Mittäter im Rahmen des teilweise nur inhaltlich dürftigen Kommunikationsaktes abgestellt werden kann: So sprechen für Wollen die bewusste Vornahme von äußerst gefährlichen Handlungen163 und ein Fehlen geeigneter Schutzvorkehrungen gegen erkennbare Gefahren164. Gegen ein Wollen sprechen aber im Bereich der Tötungsdelikte die erhöhte Hemmschwelle bei der Tötung eines Menschen165, ein auf Rettung eines Opfers gerichtetes Handlungsziel166 oder bestimmte körperliche Mängel wie eine Alkoholisie______________ 163

Zuletzt BGH, NStZ 2005, 384 (386) sowie BGE 130 IV, 58 (62): Der Richter dürfe „vom Wissen des Täters auf den Willen schließen, wenn sich dem Täter die Verwirklichung der Gefahr als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, sie als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolges ausgelegt werden kann“. 164 Hierzu Roxin, AT I, § 12 Rn. 72. 165 BGHSt. 36, 1 (15 f.), BGH, NStZ 1992, 384, BGH, NStZ 2003, 431 sowie BGH, NStZ 2005, 384 (386). 166 BGH, NStZ 2003, 259 (260).

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 287

rung167, eine affektive Erregung168 oder eine „Einengung der Bewusstseinswahrnehmung“.169 Mit diesen objektiven Indizien kann bei fehlender subjektiver Offenbarung des Täters die Unmöglichkeit überwunden werden, in den Kopf eines Menschen hereinzuschauen. Diese Kriterien lassen sich auf die vorsätzliche Mittäterschaft übertragen: So schließt etwa die gemeinsame Planung einer konkret gefährlichen Handlung den Vorsatz der Beteiligten bezüglich der Gefahrrealisierung in der Regel mit ein. Der Wille ist also zwar ein subjektives Element, es kann aber neben einer Äußerung auch durch objektive Kriterien belegt werden, so dass im Einzelfall für eine vorsätzliche Mittäterschaft ein Kopfnicken ausreichen kann. Bei der Fahrlässigkeit stellt sich dies erheblich problematischer dar. Das Weniger der Vorhersehbarkeit im Gegensatz zum Willen liegt gerade darin, dass der einzelne Täter einen rechtsgutsverletzenden Kausalverlauf nicht will. Vielmehr wird hier eine Handlung vorgenommen, obwohl nur durch Gefahrensignale eine Rechtsgutsverletzung prophezeit wurde. Diese Gefahrensignale anhand der eigenen Erfahrungen zu würdigen obliegt jedem Individuum allein. Dass er dies falsch getan hat, lässt sich objektiv kaum erkennen. Einzig die Vornahme bestimmter Vorkehrungen gegen einzelne Gefahren wäre hier als objektiv erkennbares Indiz denkbar. Aber selbst dies schließt es nicht aus, dass einer der beiden Beteiligten etwa sogar Vorsatz hat und die Schutzvorkehrung für nicht ausreichend hält, während der andere sich damit innerlich zufrieden gibt. Der Vorsatz des einen führt für ihn aber zu einem anderen Handlungsunrecht, so dass bei einem Handlungsplan, bei dem ein Beteiligter mit Fahrlässigkeit und ein anderer mit Vorsatz handelt, kein einheitliches Handlungsunrecht mehr in der geplanten Handlung verkörpert ist und eine Mittäterschaft ausscheiden muss. Vielmehr kommt in derartigen Konstellationen eine fahrlässige Alleintäterschaft des einen und eine mittelbare Täterschaft des vorsätzlich Handelnden in Betracht170, die aufgrund der Systematik des § 25 StGB strikt von einer mittäterschaftlichen Begehung zu trennen ist. Die unlösbare Problematik eines auf eine fahrlässige Handlung gerichteten Handlungsplans liegt also darin, dass dieser gerade nur auf eine Fahrlässigkeit gerichtet sein darf. Die Grenze zwischen einem Wollen und einem Kennen und Vertrauen auf einen guten Ausgang ist ein Internum, das zwar zugunsten des Vorsatzes mit objektiven Kriterien belegt werden kann, aber nur schwer mit positiven Kriterien für eine den Vorsatz generell ausschließende bewusst fahrlässige Handlung. Vielmehr ______________ 167

So BGH, NStZ 2004, 329 f. und BGH, NStZ-RR 2004, 204 (205). BGH, NStZ 2004, 329 f. 169 Vgl. BGH, NStZ 2003, 369 (370). Dagegen bestreiten den Einfluss körperlicher Mängel auf das Wollen Roxin, AT I, § 12 Rn. 75 und MüKo-StGB/Hartmut Schneider, § 212 Rn. 9. 170 Vgl. Roxin, AT II, § 25 Rn. 65. 168

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3. Teil: Folgerungen

liegt es näher, ein Vertrauen subjektiv zu äußern. So ist es durchaus möglich, dass eine Planung dahin geht, eine bestimmte Handlung gemeinsam vorzunehmen, obwohl eine Gefahr drohe, die aber, wie man sich gegenseitig beruhigt, schon nicht eintreten wird. So lag es etwa in einer älteren BGHEntscheidung171: Die beiden Angeklagten hatten ihr Opfer ausgeraubt und es dann auf eine Hecke an einem Kanal gelegt, von wo es in den Kanal gefallen war. Da die Angeklagten aber keine Lust hatten, in der Dunkelheit nach ihrem Opfer zu suchen, beruhigten sie sich gegenseitig mit der Vermutung, das Opfer könne schon schwimmen, und fuhren davon. Das Opfer konnte sich retten.

Der Bundesgerichtshof sah in dem Verhalten bezüglich des Fallens in den Fluss ein bloß bewusst fahrlässiges Verhalten, so dass er die Verurteilung wegen versuchten Totschlags aufhob. Wäre das Opfer sogar ertrunken, hätte man an ein gemeinschaftliches Handlungsprojekt, gerichtet auf eine bewusst fahrlässige Handlung und damit an eine fahrlässige Mittäterschaft denken können. Auf der anderen Seite muss aber berücksichtigt werden, dass fahrlässige Handlungen auch unbewusst fahrlässige Handlungen mit einbeziehen und diese (nach unten) von straflosen Alltagshandlungen abgegrenzt werden müssen. Die unbewusste Fahrlässigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass der einzelne Täter trotz subjektiven Erkennens der notwendigen Gefahrensignale sich keine weiteren notwendigen Informationen verschafft. Dies ist bei der Vereinbarung eines Handlungsprojekts objektiv nicht erkennbar. Denn ob bestimmte Gefahrensignale von anderen Menschen aber tatsächlich (auch) erkannt worden sind, wird nur von ihnen selbst beantwortet werden können. Rein objektiv erfolgt die Vereinbarung des Handlungsprojekts in gleicher Weise, ob er die Gefahrsignale nun erkannt hat, pflichtwidrig nicht erkannt hat oder individuell noch nicht einmal erkennen konnte. Dies ist schließlich ein der Vereinbarung vorgelagerter Akt, der von jedem einzelnen Menschen selbst und seinen Fähigkeiten abhängt. Aber selbst zu einer subjektiven Äußerung kann es schwerlich kommen, da der Täter die Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung in seine Überlegungen und damit in seinen kommunikativen Beitrag zum gemeinschaftlichen Handlungsentschluss noch nicht einmal einbezieht. Ist damit ein auf eine unbewusst fahrlässige Handlung zielender Handlungsplan unmöglich, ein auf eine bewusste Fahrlässigkeit gerichteter Handlungsplan aber unter bestimmten Bedingungen (nochmals: bei gemeinschaftlich geäußertem Vertrauen auf den Nichteintritt einer erkannten Gefahr) durchaus denkbar, könnte man auf die Idee kommen, eine bewusste fahrlässige Mittäterschaft in engen Grenzen anzuerkennen, eine unbewusste fahrlässige Mittäterschaft aber für nicht existent zu halten. Eine derartige Trennung zwischen bewusster und ______________ 171

BGH, NStZ 1982, 506 f.

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 289

unbewusster Fahrlässigkeit ist im Schrifttum trotz der vielfachen Äußerungen zum Themenkomplex noch nirgends vertreten worden. Dies überrascht keineswegs. Zum einen unterscheidet das Gesetz selbst nicht zwischen den beiden Formen der Fahrlässigkeit, nachdem sich die Entwürfe einer (differenzierten) Fahrlässigkeitsdefinition nicht im Gesetz haben durchsetzen können.172 Sofern teilweise zwischen den einzelnen Fahrlässigkeitsformen unterschieden wird, kann dies gesetzeskonform erst auf der Ebene der Strafzumessung erfolgen.173 Jeder Versuch, bewusste und unbewusste Fahrlässigkeit bereits auf der Tatbestandsebene zu trennen, würde somit entgegen § 15 StGB Differenzierungen in den einzelnen Deliktstatbeständen bedeuten und den Besonderen Teil so spalten. Solange das Gesetz selbst zwischen beiden Fahrlässigkeitsformen aber nicht unterscheidet – vergleichbar den Tatbeständen mit der erhöhten Anforderung der Leichtfertigkeit174 –, kann es für die Strafbarkeit keinen Unterschied machen, ob der Täter bewusst oder unbewusst fahrlässig handelt. Da § 25 Abs. 2 StGB als vor die Klammer gezogene Norm in die Deliktstatbestände anstelle des „Wer“ einzubeziehen ist, müsste sich das gemeinschaftliche Begehen auf eine (bewusst oder unbewusst) fahrlässige Tötung beziehen. Eine Differenzierung für die Frage der Zurechnung fremder Tätigkeit und damit für und gegen eine Strafbarkeit kann zwischen beiden Fahrlässigkeitsformen somit im Rahmen der Mittäterschaft nicht vorgenommen werden. Hiergegen spricht bereits die Tatbestandsbezogenheit der Beteiligungsform. Zudem wäre ein Anerkennen nur der bewusst-fahrlässigen Mittäterschaft gegenüber der Straflosigkeit unbewusst erfolgten gleichen Verhaltens eine zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Diese wäre nur zu halten, wenn die bewusste Fahrlässigkeit ein erhöhtes Unrechts- oder Schuldurteil mit sich bringen würde. Zwar erkennt der Täter bei der bewussten Fahrlässigkeit die Gefahr und handelt trotzdem, während er bei der unbewussten Fahrlässigkeit die Möglichkeit des rechtsgutsverletzenden Kausalverlaufs noch nicht einmal bemerkt. Ein Stufenverhältnis ergibt sich aus diesem Unterschied jedoch nicht zwangsläufig. Die Handlung desjenigen, der die Gefahr nicht einmal wahrnimmt und der Rechtsgutsverletzung vielleicht sogar gleichgültig gegenüber steht, kann schließlich sogar stärker zu missbilligen sein als die Handlung desjenigen, der

______________ 172

Vgl. zur fehlenden Kodifikation einer Fahrlässigkeitsdefinition oben Dritter Hauptteil, Sechstes Kapitel, I. 173 So OLG Stuttgart, NJW 1976, 1852, das die unbewusste Fahrlässigkeit milder bestraft; hiergegen BGH, NJW 1962, 1780 (1781), OLG Karlsruhe, VRS 35, 365 (366) sowie MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 213. 174 Eine Aufzählung der die Leichtfertigkeit enthaltenen Tatbestände findet sich bei Tröndle/Fischer, § 15 Rn. 20.

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3. Teil: Folgerungen

die Gefahr erkennt und lediglich seine eigenen Kräfte überschätzt.175 Wenn etwa ein Kraftfahrer im Bewusstsein, anschließend noch ein Kraftfahrzeug führen zu müssen, bedenkenlos und damit unbewusst fahrlässig zu viel Alkohol trinkt, kann dies hinsichtlich § 316 StGB einen schwereren Schuldvorwurf darstellen als bei dem Täter, der beim Trinken an eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit denkt, sich aber leicht im Maß der alkoholischen Beeinflussung verschätzt.176 Schließlich lassen sich Konstellationen bilden, in denen die Grenzen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit zerfließen.177 Wenn beispielsweise ein Arzt zum Testen seiner Behandlungsmethode die ansonsten erfolgende Medikation falsch setzt und hierbei nach ersten Studien auf den Nichteintritt des Todes mit 10 % vertraut (er hat sich ein Limit von 20 % gesetzt), er hierbei aber bestimmten Symptomen nicht nachgegangen ist, die ihm eine Todeswahrscheinlichkeit von 50 % hätten erkennen lassen, handelte er dann bewusst fahrlässig, da er die Möglichkeit des Todes erkannt hat, oder unbewusst fahrlässig, da er den Warnsignalen in Form der Symptome nicht nachgegangen und so nicht erkannt hat, aber hätte erkennen können, dass mit größerer Wahrscheinlichkeit der Todeserfolg droht? Wenn er nun nicht alleine handelt, sondern jeder Arzt einen Tag lang die Patienten behandelt, wobei beide gemeinsam heimlich die neue Behandlungsmethode testen, würde ein Anerkennen nur bewusst fahrlässiger Mittäterschaft bedeuten, dass jeden Ärzten mit ähnlichen Plänen geraten werden müsste, auf Gefahrenanzeichen nicht zu reagieren. Dass hierdurch das betroffene Rechtsgut höheren Gefahren ausgesetzt würde, ist offensichtlich. Kann zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit wegen der Gleichbehandlung durch das Strafgesetzbuch nicht getrennt werden und ist eine unbewusst fahrlässige Mittäterschaft undenkbar, so muss eine fahrlässige Mittäterschaft insgesamt als nicht existent angesehen werden.

IV. Die Mittäterschaft bei erfolgsqualifizierten Delikten Dieses Ergebnis der fahrlässigen Mittäterschaft als bloßer Scheinfigur wird auch nicht dadurch getrübt, dass man § 18 i.V.m. § 11 StGB in die Überlegungen mit einbezieht. Diese Normen regeln das Phänomen der erfolgsqualifizierten Delikte, bei denen die zur Verwirklichung eines bestimmten (vorsätzlichen) ______________ 175 Ebenso BGH, NJW 1962, 1780 (1781), OLG Karlsruhe, VRS 35, 365 (366), Jescheck/Weigend, AT, S. 568 f., LK/Friedrich-Christian Schroeder, § 16 Rn. 121 und Lackner/Kühl, § 15 Rn. 53. 176 Dieses Beispiel wird vom OLG Karlsruhe, VRS 35, 365 (366) vorgebracht. 177 Roxin, AT I, § 24 Rn. 64.

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 291

Grunddelikts führende Handlung in einem Maße eine Gefahr für ein weiteres Rechtsgut (zumeist das Leben des Opfers) mit sich bringt, dass der Gesetzgeber im Falle der Risikoverwirklichung (oder deren Versuchs) an die Tathandlung eine schwerere Strafe knüpft. Genügte hierfür früher ein bloßer Ursächlichkeitszusammenhang zwischen der Handlung des Grunddelikts und der schweren Folge aus178, der zu einer untragbaren Zufallshaftung führte179, verschaffte der Gesetzgeber 1953 mit dem § 56 a.F. StGB (entspricht § 18 StGB) dem Schuldprinzip Geltung und führte das Mindesterfordernis der Fahrlässigkeit ein.180 Geschaffen war so eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination, die sich in das Gefüge der sonstigen Regeln auf den ersten Blick nicht nur nicht einfügte181, sondern als „Zwitterfigur“ gar einen Fremdkörper darstellte. Dieser wird für die innerdogmatische Einteilung aber mit § 11 Abs. 2 StGB als „vorsätzliche Straftat“ angesehen, so dass auf ihn alle Vorschriften des Allgemeinen Teils gelten, die ansonsten auch für vorsätzliche Taten gelten – Versuch nach §§ 22, 23 StGB ist möglich und insbesondere die Beteiligungsnormen der §§ 25 ff. StGB finden Anwendung. Eine Mittäterschaft ist damit unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB problemlos möglich und führt zu einer Verurteilung eines jeden Mittäters nach der schwereren Strafe, solange jedem Mittäter hinsichtlich der schweren Folge nur „wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt“. Die Folge ist, dass so über § 25 Abs. 2 StGB auch fahrlässige Erfolge zugerechnet werden können, ein Umstand, der unseren obigen Ausführungen zu widersprechen scheint. So hat der Bundesgerichtshof etwa im „Guben-Fall“, der gesellschaftspolitisch wie rechtsdogmatisch Schlagzeilen gemacht hat, geurteilt: „Der Tod des F.G. ist im Rahmen des § 227 StGB allen Angeklagten als Mittätern zuzurechnen (§ 25 Abs. 2 StGB). Anders als bei Fahrlässigkeitsdelikten bedarf es bei der Körperverletzung mit Todesfolge nicht des Nachweises, dass ein jeder von mehreren Beteiligten einen für den Erfolg kausalen Beitrag erbracht hat. Es macht sich nach § 227 StGB nämlich auch derjenige strafbar, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausführt, jedoch mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt.“182 ______________ 178

Vgl. nur BGHSt. 1, 332. Zu dieser Kritik Rengier, Delikte, S. 68 ff. 180 Zur Zielsetzung des Gesetzgebers SK-StGB/Rudolphi, § 18 Rn. 1 und Sowada, Jura 1995, 644. Wegen der Strafrahmenexplosion, die mit den erfolgsqualifizierten Delikten verbunden ist (vgl. nur § 223 StGB: Freiheitsstrafe von 1 Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis 5 Jahre + § 222 StGB: Freiheitsstrafe von 1 Monat bis 5 Jahre = Freiheitsstrafe von 2 Monaten bis zu 10 Jahren bei bloßer Kumulation, dagegen § 227 StGB: Freiheitsstrafe von 3 bis 15 Jahren!) bedarf es freilich einer weiterer Einschränkung, wie sie mit dem leidigen Unmittelbarkeitskriterium geschaffen wurde, hierzu Sch/Schr/Cramer/ Sternberg-Lieben, § 18 Rn.4 und Kühl, AT, § 17a Rn. 14 ff. 181 Egon Schneider, JZ 1956, 750. 182 BGH, JZ 2003, 635 (637). 179

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3. Teil: Folgerungen

Die mit den erfolgsqualifizierten Delikten vom Gesetzgeber ermöglichte mittäterschaftliche Zurechnung auch bezüglich der fahrlässigen Folgen und damit allgemein fahrlässig verursachter Erfolge wird insbesondere von Schaal als „ein starkes Argument zur Begründung fahrlässiger Mittäterschaft“ angesehen183: Die mittäterschaftliche Zurechnung sei möglich, obwohl der gemeinschaftliche Tatentschluss der Beteiligten nicht auf die schwere Folge bezogen ist, wie es der Lage bei der reinen fahrlässigen Mittäterschaft bezüglich eines gemeinsam ausgeführten Handlungsmodells entspreche.184 Was „im Bereich der erfolgsqualifizierten Delikte möglich ist“, könne schließlich „nicht grundsätzlich undenkbar oder mit elementaren Zurechnungsgrundsätzen des StGB unvereinbar sein“185. Unterstellt man dem Gesetzgeber aber, dass er mit § 56 a.F. StGB nicht die festgefügten Grundsätze des Allgemeinen Teils aus den Angeln hebeln wollte, so muss man der Erscheinung mit den herkömmlichen Rechtsfiguren Herr werden können. Dies wird zumeist in der Weise versucht, dass die Zwitterstellung der Deliktsform in die Beteiligungslehre getragen wird: Die Mittäterschaft bei erfolgsqualifizierten Delikten bestehe aus einer vorsätzlichen Beteiligung am Grunddelikt und einer fahrlässigen Nebentäterschaft hinsichtlich der schweren Folge.186 Doch diese Lösung, so konsequent sie zunächst auch erscheint, ist nichts weiter als eine „Scheinlösung“187, die mehr die teilweise existierende Hilflosigkeit in der Verneinung der fahrlässigen Mittäterschaft zeigt als dies dogmatisch zu unterstützen. Denn obgleich aus einem vorsätzlichen Grunddelikt und einer fahrlässigen Folge zusammengesetzt, beinhalten erfolgsqualifizierte Delikte jeweils nur eine Tathandlung, in § 227 StGB etwa das körperliche Misshandeln durch einen Schlag. Diese Handlung ist Anknüpfungspunkt des (vorsätzlichen) Körperverletzungs- wie des fahrlässigen Tötungsvorwurfs. Durch die Anerkennung der Mittäterschaft durch das Gesetz kann der Schlag von einem Mittäter ausgeführt werden und wird jedem anderen Mittäter zuge______________ 183 Schaal, Verantwortlichkeit, S. 230 f. und 235; ebenso Dencker, Kausalität, S. 178 Fn. 148, Bettina Weißer, JZ 1998, 233 und Seebald, GA 1964, 161 ff. 184 So Bettina Weißer, JZ 1998, 233. 185 Schaal, Verantwortlichkeit, S. 231. 186 So Welzel, Strafrecht, S.122, LK/Friedrich-Christian Schroeder, § 18 Rn. 36, Küpper, GA 1998, 527, NK-StGB/Paeffgen, § 18 Rn. 132, Rengier, Delikte, S. 250 sowie Sowada, Jura 1995, 647. Abweichend hiervon vertritt Gössel, FS Richard Lange, 225 ff. die Ansicht, dass es sich bei erfolgsqualifizierten Delikten mit fahrlässiger Erfolgsherbeiführung um spezielle Fahrlässigkeitstatbestände handele, so dass jeder Teilnehmer durch seine bloße Deliktsteilnahme fahrlässiger (Allein-)Täter sei. Diese Sichtweise missachtet aber nicht nur § 11 Abs. 2 StGB, sondern enthält dem Gehilfen am Grunddelikt apodiktisch und ohne Rechtfertigung die obligatorische Strafmilderung des § 27 Abs. 2 S. 2 StGB vor, vgl. zu dieser Kritik Schaal, Verantwortlichkeit, S. 231 f., NK-StGB/Paeffgen, § 18 Rn. 133 und Sowada, Jura 1995, 647. 187 Ebenso Egon Schneider, JZ 1956, 750.

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 293

rechnet, so dass dieser selbst nicht einen kausalen Beitrag erbracht zu haben braucht. Der vorsätzlichen Mittäterschaft eine fahrlässige Nebentäterschaft aufzupfropfen würde nun aber vom Wesen der Nebentäterschaft her bedeuten, dass der Täter selbst und unabhängig von den anderen den fahrlässigen Erfolg verursacht hat. Wie dies aber möglich sein soll, wenn er für die den Erfolg herbeigeführte Handlung noch nicht einmal einen kausalen Erfolg geleistet zu haben braucht, wird nirgends erörtert, da es hierfür keine plausible Erklärung geben kann.188 Vielmehr hat man die Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination als Sinneinheit mit einem vorsätzlichen Kern zu begreifen189 und zu erkennen, auf welcher dogmatischen Grundlage die fahrlässige Mittäterschaft als nichtexistent nachgewiesen wurde. Dies lag nicht daran, dass Tatentschluss und Fahrlässigkeit generell als inkompatibel angesehen wurden. Vielmehr wurde durchaus die Möglichkeit eines gemeinschaftlichen Handlungsprojekts eingeräumt, aufgrund dessen der eine die Tätigkeit des anderen mit einplant. Doch um hieraus ein Handlungs-unrecht eines jeden Beteiligten auch für nicht von ihm alleine beherrschte Handlungen zu begründen, wurde angesichts der Strafrechtsirrelevanz neutraler Tätigkeiten für nicht ausreichend erachtet. Nur da das Handlungsunrecht bei Fahrlässigkeitsdelikten maßgeblich durch die Vorhersehbarkeit gebildet wird, auf die sich bei unbewusst fahrlässigen Delikten der Tatentschluss niemals beziehen kann, wurde eine fahrlässige Mittäterschaft verneint. Eine Handlungseinplanung mit Zurechnung der auf sie erfolgten Rechtsgutsgefährdungen und -verletzungen ist damit solange nicht möglich, wie hiermit das Handlungsunrecht erst begründet werden soll. Darum geht es bei erfolgsqualifizierten Delikten jedoch nicht. Über die vorsätzliche Mittäterschaft am Grunddelikt ist das Handlungsunrecht bereits begründet; es wird durch die Zurechnung der fahrlässigen Folge nur erhöht. Dennoch sei dies nicht missverstanden als eine (ausnahmsweise) zulässige (weil vorsätzliche und) fahrlässige Mittäterschaft. Die Täterschaft hängt an der das Geschehen beeinflussenden Handlung und damit die Mittäterschaft auch. Bei erfolgsqualifizierten Delikten gibt es aber jeweils nur eine Tathandlung, jene des vorsätzlichen Grunddelikts und damit nur eine (vorsätzliche) Mittäterschaft. Insoweit spricht § 11 Abs. 2 StGB also nur aus, was sich handlungstheoretisch zwingend ergibt: Die erfolgsqualifizierten Delikte sind unter anderem bezüglich der Beteiligungsvorschriften als reine vorsätzliche Delikte zu behandeln und nur – vergleichbar der Bestrafung eines Mittäters als Totschläger und eines anderen aufgrund eines subjektiven Mordmerkmals als Mörder – subjektiv-individuell qualifizierbar, nämlich wenn der einzelne Beteiligte, der mit seinem Beitrag zum unerlaubten Handlungsprojekt bereits das erlaubte Risiko überschritten hat, die schwere Folge hätte vor______________ 188 189

In diesem Sinne bereits Oehler, GA 1954, 37. Vgl. Lackner/Kühl, § 18 Rn. 4.

294

3. Teil: Folgerungen

hersehen (und damit gemäß § 18 StGB mindestens fahrlässig handeln) können.190 Die Anerkennung einer fahrlässigen Mittäterschaft ist hiermit nicht verbunden.

V. Ergebnis Eine fahrlässige Mittäterschaft ist nach dem geltenden Recht damit nicht existent. Diejenigen Autoren, die dies anders sehen und hierbei insbesondere auf ein gemeinschaftliches Handlungsprojekt abstellen191, übersehen, dass es für die mit der Anwendung der Zurechnungsnorm des § 25 Abs. 2 StGB verbundenen Strafbarkeitsbegründung einer Rechtfertigung bedarf. Ihr Irrtum geht also dahin, aus dem Erfordernis eines auf eine fahrlässige Handlung gerichteten Handlungsplans einen Handlungsplan zu machen, der zu einer fahrlässigen Handlung erst führt. So werden aber auch an sich strafbarkeitsneutrale Handlungen zu in Mittäterschaft begangenen Strafbarkeitshandlungen, nur weil sie gemeinschaftlich ausgeführt werden. Gemeinschaftlichen Handlungen ohne Handlungsunrecht würde so durch das Gesetz erst ein Handlungsunrecht aufgepfropft. Dies hat der Hamburger Parkplatztausch-Fall deutlich gemacht: Der an sich zulässige Parkplatztausch wurde erst durch die Zurechnung der Tätigkeit des jeweils anderen zu einem eigenen Überschreiten der Höchstparkdauer und damit zu einer eigenen deliktischen Handlung. Der deutliche Bruch zur unrechtsmilderen Beihilfe, bei der vergleichbare Handlungen nicht ausgereicht hätten, ist deutlich. Dies muss zur Konsequenz haben, dass nur ein das Handlungsunrecht einer fahrlässigen Straftat in sich tragender gemeinschaftlicher Plan für eine Mittäterschaft genügen kann. Diese dogmatisch wie kriminologische zwingende Einschränkung (es sei nochmals an die gesellschaftlichen Folgen einer generell drohenden Strafbarkeit bestimmter berufstypischer Handlungsweisen erinnert) Einschränkung der Lehre vom gemeinschaftlichen Handlungsprojekt wird von den Befürwortern der fahrlässigen Mittäterschaft aber nicht gesehen oder ignoriert. Schließlich ist es verlockend, bei fehlender oder nicht nachweisbarer Verantwortlichkeit alle fahrlässigen Beiträge zu einem Kollektivverhalten zusammenzufassen und die so begründete Fahrlässigkeit des Gesamthandlungsprojekts jedem Einzelnen zuzuschreiben. So wird die Strafbarkeitsverantwortung vom Einzelnen weg auf das Kollektiv verlagert und das Subjekt verkommt zum Sekundärverantwortlichen, so dass nichts anderes gegeben wäre als jene An______________ 190

Vgl. hierzu zuletzt BGH, NStZ 2004, 684. Vgl. zu diesem Verständnis der „fahrlässigen Mittäterschaft“ oben Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, IV, 2, g). 191

6. Kap.: Die Übertragung der Mittäterschaftskriterien auf fahrlässige Delikte 295

sicht, die eine fahrlässige Mittäterschaft über die Rechtsfigur der „Kollektivperson“ herleitet, die die „Gesamttat“ begeht. Alle eine fahrlässige Mittäterschaft befürwortenden Ansichten laufen so auf das Gleiche hinaus: Hierdurch wird jeder nicht für seinen Beitrag bestraft, sondern – entsprechend der früheren Komplottlehre – weil er am Gesamtprojekt mitgewirkt hat und ihm aus diesem Grunde ein Teil der Haftung zugeschrieben wird. Oder im Sinne der Sportphilosophie: Es spielt nicht der Spieler, es spielt das Spiel.192 Hält man hingegen am Strafrechtssystem individueller Verantwortlichkeit fest, versagen all jene Konstruktionen und die fahrlässige Mittäterschaft gerät aufgrund des individuellen Handlungsunrechts ins dogmatisch Unmögliche.

______________ 192

NK-StGB/Schild, §§ 25 ff. Rn. 227.

Siebtes Kapitel

Alternative Lösungswege für die Konstellationen fahrlässigen Zusammenwirkens Stellt die fahrlässige Mittäterschaft damit nur eine vom Schrifttum ersonnene, dogmatisch nicht existente „Scheinfigur“ dar, so steht sie mit ihrer kausalitätsersetzenden Funktion für die Lösung der Fälle fahrlässigen Zusammenwirkens nicht zur Verfügung. In Zeiten der Risikogesellschaft, bei der zunehmend mehrere menschliche Schutzinstanzen von der Gesellschaft als Schutz vor Rechtsgutsverletzungen installiert werden, und eines börsendominiertes Wirtschaftsleben mit Unternehmen, bei denen mehrere Manager in wichtige Entscheidungsprozesse eingebunden sind, darf das Strafrecht aber gerade in Fällen fahrlässigen Zusammenwirkens nicht versagen. Vielmehr muss es auch diese Konstellationen in gerechter Weise erfassen können. Zur Erfassung arbeitsteiliger Begehungsweisen dient hierbei grundsätzlich nur der soeben auf Fahrlässigkeitsdelikte für unanwendbar erklärte § 25 Abs. 2 StGB, der als Zurechnungsnorm jedem Mittäter alle äußeren Tathandlungsbeiträge der anderen Mittäter zurechnet, so dass auf diese Weise jeder Mittäter so behandelt wird, als hätte er alle notwendigen Handlungen selbst als Alleintäter ausgeführt. Einer derartigen Zurechnung bedarf es aber nur, wenn ein Mittäter nicht alle vom Tatbestand geforderte Beiträge bereits selbstständig verwirklicht hat. Dann greift nämlich bereits § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB ein und eines Rückgriffs auf Absatz 2 bedarf es nicht. Hält beispielsweise Mittäter 1 das Opfer fest und schlägt Mittäter 2 zu, so erfüllt Mittäter 2 zweifelsohne den Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB, ob § 25 Abs. 2 StGB existiert oder nicht. Überträgt man diesen Grundsatz auf die Fahrlässigkeit, so wirkt sich das Fehlen einer fahrlässigen Mittäterschaft nur in Fällen fahrlässigen Zusammenwirkens aus, bei denen die Handlung des jeweiligen Beteiligten nicht bereits für sich fahrlässig ist. Neben der mittäterschaftlichen Zurechnung wird hierbei die „elementarste Voraussetzung“ jeder Folgenzurechnung1 relevant, die mit § 25 Abs. 2 StGB umgangen werden soll: die Kausalität, die jedem Tatbestand immanent ist. Das im Schrifttum entwickelte Institut der objektiven Zurechnung soll dagegen die Zurechnungen der Kausalität nur auf diejenigen Fälle beschränken, bei denen ______________ 1

Röckrath, NStZ 2003, 641.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

297

ein Erfolg tatsächlich das „Werk des Täters“ ist.2 Betrachtet man § 25 StGB allgemein als täterschaftliche Zurechnungsnorm, die als Element des Allgemeinen Teils des Strafrechts überall dort in einen Tatbestand hineinzulesen ist, wo dieser von „wer“ spricht, so ergeben sich für jeden Tatbestand zwei Zurechnungsebenen: jene der Kausalität und jene der Täterschaft. Jedem Täter muss ein deliktischer Erfolg nach der Kausalität und der sie begrenzenden objektiven Zurechnung sowie täterschaftlich als sein Werk zugerechnet werden. Diese Parallelität von Kausalitäts- und Täterschaftszurechnung wird bei der Mittäterschaft aufgehoben: Die Mittäterschaft rechnet jedem Mittäter die Beiträge der anderen Mittäter zu, solange jeder Mittäter für sich nur einen subjektiv aus der Sicht der anderen Mittäter zum Gesamtprojekt notwendigen Beitrag übernommen hat; einen kausalen Beitrag braucht der einzelne Mittäter dann nicht zu leisten. Diese kausalitätsersetzende Wirkung der Mittäterschaft wird nur dort benötigt, wo nicht bereits die Zurechnungsebene der Kausalität (und der sie begrenzenden objektiven Zurechnung) eingreift. Dies sei an einem klassischen Fall fahrlässigen Zusammenwirkens verdeutlicht: A und B versetzen dem Essen des C jeweils eine für sich nicht tödliche Dosis eines Giftes, wobei A dem Essen gelbes Blutlaugensalz hinzufügt und B eine Dosis Weinsteinsäure. Stirbt nun C, da beide Gifte zusammen eine tödliche Menge Blausäure ergeben3, so haben wir eine Fallkonstellation, die als „kumulative Kausalität“ und damit als Kausalitäts- und Zurechnungsproblem verstanden wird.4 Die Kausalität eines jeden wird als „unproblematisch“ erkannt und das Problem bei der objektiven Zurechnung verortet. Wenn beispielsweise B sieht, wie A das Gift beimischt und er aufgrund seiner chemischen Kenntnisse die Weinsteinsäure hinzufügt, um C zu töten, wird niemand daran zweifeln, dass B den C vorsätzlich getötet hat. Darauf, zusätzlich die Voraussetzungen einer Mittäterschaft zu verlangen, wird niemand kommen. Dennoch wird unverständlicherweise eine fahrlässige Mittäterschaft für jenen Fall bemüht, dass A und B trotz ihrer chemischen Kenntnisse das Entstehen von Blausäure nicht erkannten.5 Statt die primäre Zurechnungsebene der Kausalität zunächst umfassend zu untersuchen und vielleicht über sie die Konstellationen fahrlässigen Zusammenwirkens zu lösen, wird also lieber eine neue Rechtsfigur ersonnen. Simone ______________ 2

Vgl. allgemein zur objektiven Zurechnung Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 91 ff. 3 Beispiel nach Bintz, Teilnahme, S. 12. 4 Vgl. Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 14 Rn. 37, Maurach/Zipf, AT 1, § 18 Rn. 56, Kühl, AT, § 4 Rn. 21, Wessels/Beulke, AT, Rn. 158, Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 83 sowie Gropp, AT, § 5 Rn. 26 ff. 5 Bintz, Teilnahme, S. 13.

298

3. Teil: Folgerungen

Kamm6 und Stefan Pfeiffer7 rechtfertigen dieses Vorgehen mit dem kurzen Hinweis, dass dies „den Rahmen der Abhandlung“ sprengen würde. Roxin, auf die Problematik von Ingeborg Puppe angesprochen, soll geäußert haben8: „Ich will nicht bestreiten, dass man vor allem bei den Kollegialentscheidungen auch eine Kausalität begründen kann. Aber die Begründung ist schwierig, während der Weg über die Mittäterschaft, wenn er denn gangbar ist, leicht ist.“ Diese Äußerung trifft den Kern: Die Kausalitäts- und Zurechnungsfragen sind im Einzelfall kompliziert, da von der Praxis zu verlangen ist, den Beitrag eines jeden einzelnen Beteiligten zu bestimmen und zu beweisen. Viel leichter wäre es da, nur das Gesamtgeschehen und den Gesamterfolg belegen zu müssen und die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines jeden Einzelnen über die mittäterschaftliche Zurechnungsnorm des § 25 Abs. 2 StGB zu begründen. Doch eine derartige Erleichterung kann allenfalls ein Motiv, nicht aber ein fundiertes Argument für einen bestimmten dogmatischen Weg sein, zumal dieser zu einer Verwässerung der Figur der Mittäterschaft und im Einzelfall zu ungerechtfertigten Haftungserweiterungen führen würde. Anstatt gleich auf die Zurechnungsebene der Mittäterschaft zu springen, soll hier zunächst die Kausalität des Beitrags eines jeden Beteiligten untersucht werden. Schaut man sich die obigen Beispielsfälle insbesondere aus der Rechtsprechung an, so fallen drei grundlegende Kausalitätskonstellationen auf, die viele Stimmen im Schrifttum zur Kreierung einer fahrlässigen Mittäterschaft brachten: Zum einen gibt es jene Fälle – wie insbesondere die Kollegialentscheidungsfälle –, in denen der Erfolg überbestimmt ist, also mehr Beteiligte zum Erfolg beigetragen haben, als es erforderlich gewesen wäre. Dem diametral entgegenstehen die Fälle – wie beispielsweise der „Rolling Stones“-Fall –, in denen unsicher ist, wer von mehreren Beteiligten die eigentliche tödliche Handlung begangen hat; man könnte hier von „unterbestimmten Erfolgen“ sprechen. Und schließlich kann das Zusammenwirken mehrerer notwendig sein – wie beim Einführungsfall der beiden Ärzte, die nur gemeinsam den Ausgang des psychisch Kranken erlauben können –, so dass offensichtlich nur beide gemeinsam den Erfolg herbeiführen können. Anstatt in all diesen Konstellationen sogleich auf die Zurechnungsebene der (Mit-)Täterschaft zu springen, soll zunächst in den jeweiligen Leitfällen die Zurechnungsebene der Kausalität und der objektiven Zurechnung zur Anwendung gelangen.

______________ 6

Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 171. Stefan Pfeiffer, Jura 2004, 520. 8 Zitiert nach der Wiedergabe bei Ingeborg Puppe, GA 2004, 142 f. 7

7. Kap.: Alternative Lösungswege

299

I. Die Lösung der Kollegialentscheidungsfälle Hauptanwendungsfall der Konstellation fahrlässigen Zusammenwirkens bei „überbestimmtem Erfolg“ und praktisch sehr umworben von der „Scheinfigur“ der fahrlässigen Mittäterschaft sind die Kollegialentscheidungsfälle. Diese sollen hier als wichtigster Vertreter dieser ersten Konstellation fahrlässigen Zusammenwirkens ausführlich hinsichtlich der Einzelkausalität eines jeden Gremiummitglieds untersucht und eine Lösung so bereits über die primäre Zurechnungsebene gesucht werden. Neben den jüngeren Politbüro-Entscheidungen im Rahmen der Aufarbeitung des DDR-Unrechts, in denen die einzelnen Mitglieder für die Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze aufgrund eigener Mitwirkung an den den Waffengebrauch erlaubenden Beschlüssen und Befehlen zur Verantwortung gezogen wurden9, erlangten Kollegialentscheidungsfälle vor allem in der strafrechtlichen Bewertung von Unternehmensunrecht eine wesentliche Rolle.10 Grundlage deliktischer Handlungen sind hierfür zumeist Beschlüsse, die von den Leitungsgremien eines Unternehmens – Vorstand oder Geschäftsführergremium – getroffen werden. Ergibt sich aufgrund eines getroffenen Beschlusses ein fahrlässig verursachter Erfolg, etwa durch den Vertrieb schädlicher Produkte, so stellt sich im Rahmen der individuellen Verantwortlichkeit eines jeden Gremiumsmitglieds die Frage nach einer Zurechnung des strafrechtsrelevanten Erfolges. Nehmen wir nur folgendes Beispiel: Die Geschäftsführer der W-GmbH (A, B, C, D und E) beschließen den Beginn der Auslieferung des neuen Produkts des Unternehmens an Verbraucher, obwohl sie jeweils die noch fehlende Verträglichkeit ihres Produkts hätten erkennen können. Durch die Benutzung erleiden viele Verbraucher gesundheitliche Schäden.

Bei dieser dem Lederspray-Fall ähnelnden, nur in den Bereich positiven Tuns verlagerten Konstellation ergeben sich auf der Kausalitätsebene für die strafrechtliche Bewertung des Abstimmungsverhaltens eines jeden Geschäftsführers drei wesentliche Fragen: War die Benutzung des Produkts ursächlich für die Gesundheitsschäden? War der Beschluss ursächlich für die Auslieferung des Produkts? War das jeweilige Abstimmungsverhalten ursächlich für das Zustandekommen des Beschlusses und damit letztlich für die Gesundheitsschäden?

______________ 9

BGHSt. 40, 218 ff., BGHSt. 45, 270 ff. und BGH, JZ 2003, 575 ff. Vgl. nur BGHSt. 37, 106 ff. sowie zuletzt BGH, NJW 2004, 375 ff. und BGH, StV 2004, 425 ff. 10

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3. Teil: Folgerungen

Während die erste Frage weitgehend eine Frage der prozessualen Nachweisbarkeit und der Überzeugung des Gerichts nach § 261 StPO darstellt11 und die zweite Frage meist kein Problem darstellen wird, ist es die dritte Frage, die von besonderem rechtlichem Interesse ist.

1. Die vertikale Zurechnung Auf diese stürzen sich dann auch zahlreiche Abhandlungen zur Kollegialentscheidungsproblematik und vernachlässigen hierbei primär einen Umstand, den auch der Bundesgerichtshof in seiner „Lederspray“-Entscheidung wie folgt zu überspielen versuchte: „Denn Produktion und Vertrieb von Erzeugnissen durch eine im Rahmen ihres Gesellschaftszwecks tätige GmbH sind ihren Geschäftsführern als eigenes Handeln – auch strafrechtlich – zuzurechnen. Sie haften für etwaige Schadensfolgen unter dem Gesichtspunkt des Begehungsdelikts.“12 Nimmt man diese Aussage ernst und gesteht man dem Bundesgerichtshof zu, dass er nicht implizit (entgegen der eindeutigen individualverantwortlichen Ausrichtung deutschen Strafrechts) eine Zwischenzurechnung strafrechtlicher Folgen an das Unternehmen vornehmen wollte13, so wäre hiermit der Grundsatz verbunden, dass die Leistungen eines Systems den an der Spitze des Systems stehenden natürlichen Personen als eigene Handlungen zuzurechnen seien. Dies ließe sich aber, worauf Schünemann zu Recht hinweist, „nur für einen Gott begründen, der eine Welt erschaffen hat und ohne dessen Willen kein Sperling vom Himmel fällt, so dass wegen seiner Allmacht alles, was geschieht, auch sein Werk ist“14. Für von Menschen errichtete Systeme bedarf es hingegen einer rechtlich festgeschriebenen Zurechnungsnorm, wieso der letztendlich in Fällen des Vertriebs schädlicher Produkte beim Verbraucher eingetretene Körperverletzungserfolg einem jeden Geschäftsführer des Leitungsgremiums zugerechnet werden muss. Für den Körperverletzungserfolg ist bei reiner Kausalitätsbetrachtung ein positiver Gremiumsbeschluss zwar sicherlich eine Zwischenursache. Doch nicht die Beschlussfassung ist die verletzende Handlung, sondern deren Ausführung, die den Deliktstatbestand verwirklicht: Die Toten an der innerdeutschen Grenze sind von Soldaten, nicht von Politikern erschossen worden und Produkte werden von Mitarbeitern ausgeliefert, nicht von Geschäftsführern. Bei einer unbefangenen Strafrechtsprüfung hat bei diesen Handlungen der eigentliche Straf-

______________

11 BGHSt. 37, 106 (112 f.), siehe hierzu ausführlich oben Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I, 4, d). 12 BGHSt. 37, 106 (114). 13 So versteht es aber Heine, Verantwortlichkeit, S. 156 Fn. 33. 14 Schünemann, BGH-Wiss-FG IV, 626.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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rechtsvorwurf anzusetzen. Ist ein Gremiumsmitglied damit neben dem eigentlichen Beschluss auch an dessen Ausführung beteiligt, ergibt sich hieraus unstreitig seine strafrechtliche Verantwortlichkeit – er begeht die Straftat nach § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB.15 Erschöpft sich dagegen sein Verhalten in einer Beteiligung an der Abstimmung, ist selbst bei einer Zustimmung zum Beschluss die strafbare Bewertung fraglich: Der Beschluss führt nicht automatisch zum schädigenden Erfolg, sondern er wird durch – in der Regel – voll verantwortliche Mitarbeiter ausgeführt. Die Beteiligung an der Abstimmung ist somit kein Teil einer Deliktsausführung, sondern allenfalls ein klassischer Fall der Tatvorbereitung, die grundsätzlich straflos ist.16 Doch gilt es zu bedenken, dass der Ausführende seinerseits nicht von sich aus, sondern aufgrund des Beschlusses des hierarchisch über ihm stehenden Gremiums agiert. Der Beschluss stellt damit einen Grund für die Beschlussausführung und somit für die Vornahme der tatbestandlichen Handlung dar, der einen eigenen Rechtsgutsangriff der Gremiumsmitglieder und eine Verursachung der Ausführungshandlung verkörpert. Dies ermöglicht es – vor allem bei vorsätzlichen Deliktserfolgen –, eine Verantwortlichkeit auch über den eigentlich Ausführenden hinaus mit den Mitteln der §§ 25 ff. StGB zu begründen. Bei typischen Kollegialentscheidungsfällen geht es also nicht nur um die Kausalitäts- und Täterschaftszurechnung des Beschlusses zu den einzelnen Abstimmenden, sondern bereits vorgelagert um eine Kausalitäts- und Täterschaftszurechnung der Handlungen des den Beschluss unmittelbar Ausführenden (und damit den Tatbestand eines Delikts Verwirklichenden) zu den im hierarchisch höher stehenden Abstimmenden. Wegen der vertikalen Verlaufsstruktur des Geschehens kann dieser erste Schritt als „vertikale Zurechnung“ bezeichnet werden.17

a) Die Zurechnung bei vorsätzlichem Deliktserfolg Um die vertikale Zurechnungsstruktur richtig erfassen zu können, soll sie zunächst für vorsätzliche Deliktserfolge herausgearbeitet werden, bevor die Übertragung in den speziellen Bereich der Fahrlässigkeit erfolgen soll. ______________ 15 So hat auch das OLG Stuttgart, NStZ 1981, 28 judiziert, dass ein Gremiumsmitglied, das anfangs gegen einen bestimmten Beschluss gestimmt hat, sich durch eine Unterwerfung unter den Mehrheitsbeschluss in Form der Vornahme einer tatbestandsmäßigen Handlung strafbar macht. Vgl. hierzu auch Barbara Bock, Produktkriminalität, S. 83. 16 So die rechtliche Bewertung der Beschlussfassung in Kollegialentscheidungsfällen von Jakobs, FS Miyazawa, 419 und Teresa Rodriguez Montanés, FS Roxin, 314 ff. 17 Ebenso Knauer, Kollegialentscheidung, S. 74 in Anlehnung an Roxin, TuT, S. 680.

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3. Teil: Folgerungen

aa) Mittäterschaft In bewusster Anlehnung an die „Bandenchef“-Problematik18 vertreten einige Autoren im Schrifttum die Ansicht, bei hierarchisch organisierten Strukturen mit Anweisung und Ausführung liege ein Anwendungsfall der Mittäterschaft vor.19 So hätten etwa die Soldaten an der innerdeutschen Grenze „gemeinsam mit ihren Vorgesetzten [...] schlechte Politik gewaltsam durchgesetzt“20. Vergleichbar könnte der Lieferant in unserem Fall – den Vorsatz aller unterstellt – mit den Geschäftsführern gemeinsam gesundheitsgefährdende Produkte dem Verbraucher zugeführt haben. Wer sich jedoch die oben erarbeiteten Voraussetzungen der Mittäterschaft vergegenwärtigt, wie sie auch von den Befürwortern einer Mittäterschaft zwischen Befehlenden und Befehlsempfänger weitgehend anerkannt sind, so fällt schnell auf, dass eine Mittäterschaft illusorisch ist. Als wesentliches Solidarisierungselement der Mittäter gilt der gemeinschaftliche Tatentschluss, der aufgrund eines „Kommunikationsvorgangs“ zustande kommt. Nur dann kann ein Mittäter davon ausgehen, dass der andere Beteiligte dem ihm obliegenden, zur Erreichung des Zieles nach der Handlungsplanung erforderlichen Beitrag leisten wird und diesen in seine Handlungsplanung als erfolgend einbezieht. Erfolgt dies gegenseitig und plant jeder den anderen in die arbeitsteilig zu erfolgende Tat mit ein, kann im Sinne des Gesetzes von einer „gemeinschaftlich“ begangenen Tat gesprochen werden. Eine derartige wird bei hierarchisch organisierten Strukturen aber kaum möglich sein. In den Politbüro-Entscheidungen ist dies ganz deutlich, werden sich doch der Politiker und der Soldat noch nicht einmal gekannt haben, ja noch nicht einmal persönlich begegnet sein. Im Rahmen eines Unternehmens wird es schon eher möglich, wenngleich auch hier selten sein, dass der Geschäftsführer dem Lieferarbeiter Waren überreicht oder ihn persönlich über gerade erfolgte Beschlüsse informiert. Wer aber nicht miteinander zumindest über Zeichen kommuniziert, kann den Tatbeitrag des anderen nicht als sicher erfolgend jeweils wechselseitig (!) mit einplanen. Vielmehr werden nur einzelne Tatentschlüsse vorliegen. So haben in unserem Beispielsfall die Geschäftsführer für sich den Entschluss der Auslieferung des neuen Produkts getroffen und die Lieferanten für sich den Entschluss, die Weisung auszuführen und mit der Auslieferung zu beginnen. Überraschenderweise ______________ 18

Hierauf verweist ausdrücklich Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 68 und 147. 19 So Jakobs, NStZ 1995, 26 f., Jescheck/Weigend, AT, S. 670, Otto, Jura 2001, 758 f., ders., AT, § 21 Rn. 92, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 68 und 147, Katja Langneff, Beteiligtenstrafbarkeit, S. 133 ff., 152 ff. sowie Munoz Conde, FS Roxin, 623 f. 20 Jakobs, NStZ 1995, 27.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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wird dennoch vielfach versucht, argumentativ eine Gemeinschaftlichkeit zu erreichen: Katja Langneff meint etwa, der Ausführende habe sich den „verbrecherischen Plan“ des Hintermannes „konkludent zu eigen“ gemacht.21 Für Jescheck/Weigend werde die Gemeinsamkeit des Tatentschlusses „durch das Bewusstsein der Leitenden und Ausführenden hergestellt, dass eine bestimmte Tat oder mehrere Taten gleicher Art entsprechend den Weisungen der Leitung vorgenommen werden sollen“22. Jakobs hält eine Verhandlung der Beteiligten über die Aufteilung der Arbeit wie im legalen Alltag für irrelevant; es genüge vielmehr für eine Mittäterschaft, wenn die Ausführung „in Kenntnis des Zusammenhangs“ zwischen den Beteiligten erbracht wird.23 Ähnlich formuliert es Otto, der die Gemeinsamkeit in einer „Identifizierung in der gemeinsamen Zielsetzung“ erblicken möchte, die dadurch zutage getreten sei, dass der Befehlsempfänger durch seine Organisationszugehörigkeit zu erkennen gegeben habe, dass er entsprechende Aufträge ausführen würde und der Befehl des Leitenden hieran anknüpfe.24 Führe der Empfänger den Befehl aus, so mache er sich den hiermit verbundenen verbrecherischen Plan konkludent zu Eigen.25 Ein „Zueigenmachen“ bringt aber bereits von der Wortbedeutung einen Gegensatz zur „Gemeinschaftlichkeit“ zum Ausdruck. Vielmehr handelt hier jeder für sich. Der Anweisende plant zwar mit ein, dass ein Anweisungsempfänger seine Anweisung ausführen wird, der Anweisungsempfänger dagegen reagiert nur auf die von ihm vorgefundene Situation. Er plant nicht das Verhalten der Geschäftsführer mit ein. Dies kann er auch gar nicht, denn diese haben ihren Teil bereits getan. Mehr als die Beschlussfassung wird es als Handlung von Seiten der Leitenden in der Regel nicht geben. Bevor das Geschäftsleitergremium einen Beschluss gefasst hat, hat der kleine Arbeiter an dessen Ergebnis aber noch gar nicht gedacht und mit eingeplant, der Beschluss werde gefasst, wie es Otto aber anscheinend zu behaupten sucht. Ein Lieferant ist jedoch nicht dies geworden, da er einen Verbraucher verletzen wollte und hierzu mit einplante, ein entsprechender Beschluss zur Auslieferung des gesundheitsgefährdenden Produkts werde schon ergehen. Vielmehr wird er mit dem Beschluss erst nach dessen Existenz konfrontiert. Er hat sich lediglich in den Plan der Geschäftsführer eingepasst. Dies verdeutlicht, worauf die Annahme einer Mittäterschaft in den Kollegialentscheidungsfällen tatsächlich gründet, ohne dass es ausgesprochen wird: Sie beruht auf der Annahme eines Einpassungsentschlusses anstelle des gemeinschaftlichen Tatentschlusses. Wie bereits oben ausführlich ______________ 21

Katja Langneff, Beteiligtenstrafbarkeit, S. 133 f. Jescheck/Weigend, AT, S. 670. 23 Jakobs, NStZ 1995, 27. 24 Otto, Jura 2001, 758 f. 25 Otto, AT, § 21 Rn. 92. 22

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3. Teil: Folgerungen

dargelegt26, würde hierdurch jedoch ein Nebeneinander an Täterschaft einer Mittäterschaft gleichgestellt, obwohl diese ausweislich des Gesetzeswortlauts „gemeinschaftlich“ ein „Bewusstsein über das arbeitsteilige Zusammenwirken zwischen den Beteiligten“27 verlangt, ohne das eine gegenseitige Tätigkeitseinplanung nicht möglich ist.28 Alles andere wäre eine normativistische29 Haftungszuschreibung außerhalb der gesetzlichen Zurechnungsnorm des § 25 Abs. 2 StGB. Eine „intern-hierarchische“ vertikale Struktur stellt vielmehr gerade das Wesensmerkmal der mittelbaren Täterschaft dar, auf die im Folgenden abzustellen sein wird.30

bb) Mittelbare Täterschaft kraft Irrtumsherrschaft Nur für einige wenige Fälle lässt sich hierbei eine mittelbare Täterschaft kraft Irrtumsherrschaft annehmen: Etwa wenn die Geschäftsführer auf der Grundlage umfassender, nur ihnen zustehender Kenntnisse (z.B. aufgrund eines Gutachtens) den Beschluss treffen und so nur sie um den deliktischen Erfolg wissen; ______________ 26

Siehe Zweiter Hauptteil, II, 2, a. Knauer, Kollegialentscheidung, S. 148; vgl. auch Küpper, ZStW 105 (1993), 301 sowie Katja Langneff, Beteiligtenstrafbarkeit, S. 118. 28 Aufgrund eines Fehlens des notwendigen Tatentschlusses wird die Mittäterschaft in diesen Konstellationen auch abgelehnt von LK/Roxin, § 25 Rn. 131, ders., AT II, § 25 Rn. 121, ders., FS Grünwald, 553, ders., JZ 1995, 50 f., NK-StGB/Schild, §§ 25 ff. Rn. 275, Knauer, Kollegialentscheidung, S. 73 f., Schlösser, Tatherrschaft, S. 337 ff. sowie Ambos, GA 1998, 233. 29 So scheint Jakobs, AT, 21/33 dann auch den Begriff der Tatherrschaft zu verstehen. 30 Ebenso Roxin, AT II, § 25 Rn. 123, ders., FS Grünwald, 554, Bloy, GA 1996, 440, Schlösser, Tatherrschaft, S. 340 sowie Knauer, Kollegialentscheidung, S. 74. Hiergegen hat Otto, Jura 2001, 759 zwar vorgebracht, dass mit der Anerkennung einer vollen Verantwortung des den Befehl bzw. Beschluss unmittelbar Ausführenden dem vertikal strukturierten Verhalten „seine rechtliche Relevanz“ genommen werde und Befehlender und Ausführender vielmehr auf der „gleichen Verantwortungsebene“ stünden. Auf die Verantwortungsebene ist die Struktur der mittelbaren Täterschaft aber nicht bezogen. Ausgehend vom Modell der Mittäterschaft als gegenseitiger Tätigkeitseinplanung ist die mittelbare Täterschaft vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass zwar der Hintermann zur Erlangung des Ziels die Tätigkeit des Ausführenden notwendigerweise mit einplanen muss, der Ausführende dagegen diese Tätigkeit nur noch selbst auszuführen braucht, er also seinerseits die Tätigkeit des Hintermannes nicht berücksichtigt. Diese Einplanung ist es, die bei der Mittäterschaft auf einer Ebene und damit horizontal erfolgt, während sie bei der mittelbare Täterschaft sich nur von oben nach unten und damit vertikal vollzieht. 27

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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der Lieferant fungiert dann nur als ihr „Werkzeug“.31 Auf den ersten Blick eine eher häufig vorkommende Fallgruppe, erweist sich diese tatsächlich als selten, wenn man daran denkt, dass es innerhalb eines hierarchisch organisierten Unternehmens nicht nur den Leitenden und den Ausführenden, sondern vielfache Mittel- und Zwischenstufen gibt wie Werksleiter, Vorarbeiter etc. Verfügt auch nur einer innerhalb der Kette über das notwendige Wissen, lässt sich eine Kette der Irrtumsherrschaft nicht von oben nach unten ziehen, sondern wird diese durch ein vollverantwortliches Zwischenglied unterbrochen. In den heutigen Zeiten weiter Arbeitsteilung in den großen Wirtschaftsunternehmen wird dies häufiger vorkommen, als dass das Wissensgefälle nur auf Seiten der Spitze der Hierarchiepyramide zum Rest besteht.32

cc) Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft Dennoch werden viele bei einer unbefangenen Betrachtung dem „Schreibtischtäter“ und nicht dem unmittelbar Handelnden („kleiner Mann“) die höhere Verantwortung für das erfolgte Unrecht zuschreiben. So hat auch der Bundesgerichtshof erst kürzlich im La Belle-Prozess zur Rechtfertigung der relativ milden Urteile für die Bombenlegerin in der Berliner Diskothek „La Belle“ und ihre vermeintlichen Helfer zu bedenken gegeben, „dass nicht die eigentlichen Haupttäter – libysche Drahtzieher und Hintermänner – vor Gericht standen“33. Im legendären Stachynskij-Fall, in dem der sowjetische Agent Stachynskij zwei Menschen im Auftrag des sowjetischen Komitees für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR (KGB) getötet hatte, hatte der Bundesgerichtshof die Befehlsgeber nicht nur als „Taturheber“ und „Drahtzieher im eigentlichen Sinn“ bezeichnet, sondern letztlich rechtlich auch als Täter angesehen.34 (1) Um dieses Gerechtigkeitsverständnis dogmatisch auf der Grundlage der Tatherrschaftslehre begründen zu können, hatte Roxin in seinem Antrittsvortrag am 05.02.1963 in Hamburg35 vor dem Hintergrund auch des EichmannProzesses in Jerusalem eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft entwickelt: Grundlage sei, dass ein „organisierter Machtapparat“ aus Mitgliedern bestehe, von denen jeder aufgrund der streng hierarchischen Struktur zu einer anonymen, austauschbaren Figur würde, „ein in jedem Augenblick ______________ 31

Zur Fallgruppe der mittelbaren Täterschaft durch Irrtumsherrschaft ausführlich Roxin, TuT, S. 170 ff. und 671 ff. sowie LK/ders., § 25 Rn. 72 ff. 32 Vgl. hierzu auch Knauer, Kollegialentscheidung, S. 75 f. 33 BGH, NJW 2004, 3051 (3056). 34 BGHSt. 18, 87 (89). 35 Dieser ist veröffentlicht in GA 1963, 193 ff.

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3. Teil: Folgerungen

ersetzbares Rädchen im Getriebe des Machtapparates“36, „bei dessen Ausfall sogleich ein anderer an seine Stelle tritt“37. Die Entschlussfreiheit des Einzelnen, die normalerweise zu einer „unüberspringbaren Mauer“ für den Hintermann werde und ihn in die „Randzone der Teilnahme abdrängt“, entfalte diese gerade nicht; der Hintermann müsse nicht erst zu Mitteln der Täuschung oder Nötigung greifen, wenn eines der zahlreichen bei der Deliktsrealisierung mitwirkenden Organe sich entziehe, da sogleich ein anderer an seine Stelle trete, ohne dass die Durchführung des Gesamtplans dadurch beeinträchtigt werde.38 Die gesamte Organisation entfalte so ein Eigenleben, „das vom wechselnden Bestande ihrer Mitglieder unabhängig“ sei und somit „gleichsam ,automatisch‘“ funktioniere.39 Der Hintermann sitze metaphorisch an den „Schalthebeln“ und könne sich darauf verlassen, dass wenn er „auf den Knopf drückt und eine Tötungsaufforderung ausspricht“, „der Apparat als solches den Vollzug gewährleistet“40, dem Befehl also „Folge geleistet wird, ohne dass [der Hintermann] den Ausführenden auch nur zu kennen braucht“41. In diesem Sinne beherrsche er „mittels des Apparates“ den Tatbestandserfolg42, werde also aufgrund des „entscheidenden Faktors“ der unbegrenzten Ersetzbarkeit (Fungibilität) des Ausführenden43 zum mittelbaren Täter trotz voller Verantwortlichkeit des unmittelbar den Tatbestand erfüllenden Vordermannes. Die hohe Bedeutung des Fungibilitätsgedankens bedinge hierbei, dass eine mittelbare Täterschaft einerseits zu verneinen sei, wenn ein Spezialist44 die Tathandlung begehen müsse sowie – von erheblicher Bedeutung für ihren Anwendungsbereich – wenn der Apparat als ganzer nicht außerhalb der Rechtsordnung tätig wird. „Denn solange Leitung und Ausführungsorgane sich prinzipiell an eine von ihnen unabhängige Rechtsordnung gebunden halten, kann die Anordnung strafbarer Handlungen nicht herrschaftsbegründend wirken, weil die Gesetze den höheren Rangwert haben und im Normalfall die Durchführung rechtswidriger Befehle und damit die Willensmacht des Hintermannes ausschließen.“45 Erfolge die Aufforderung zu einer Straftat dagegen innerhalb eines Rechtsstaates etwa vom Behördenleiter an einen Untergebenen, so könne dieses rechtswidrige Ansinnen die Organisation nicht in Bewegung setzen. Eine ______________ 36

Roxin, GA 1963, 201 und LK/ders., § 25 Rn. 128. LK/Roxin, § 25 Rn. 128. 38 Roxin, GA 1963, 200 und ders., TuT, S. 245. 39 Roxin, GA 1963, 200 und ders., TuT, S. 245. 40 Roxin, AT II, § 25 Rn. 105. 41 Roxin, TuT, S. 245. 42 Roxin, FS Grünwald, 550. 43 Roxin, AT II, § 25 Rn. 107, LK/ders., § 25 Rn. 128 sowie ders., TuT, S. 245. 44 So nun Roxin, AT II, § 25 Rn. 118 auf die Einwände von Friedrich-Christian Schroeder, JR 1995, 178 und Georg Freund, AT, § 10 Rn. 92 hin. 45 Roxin, GA 1963, 204, LK/ders., § 25 Rn. 128 sowie ders., TuT, S. 249. 37

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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Befolgung stelle vielmehr „eine unter Umgehung seiner Funktionsweise zustande gekommene ,Privatunternehmung‘“ dar, die dann auch vor den übrigen Amtsträgern verheimlicht werde.46 Dies verenge den Anwendungsbereich auf jene Fälle, in denen die Staatsmacht selbst mit Hilfe der unterstehenden Personen Delikte begehe oder in denen Geheimorganisationen, Verbrecherbanden und ähnliche Zusammenschlüsse, wie etwa Al Capones „Murder Incorporated“ handelten.47 Als derartigen „rechtswidrig handelnden Staatsapparat“ sah der Bundesgerichtshof in seinem Grundsatzurteil gegen Mitglieder des Nationalen Vereidigungsrates der ehemaligen DDR aus dem Jahre 199448 die Deutsche Demokratische Republik und erkannte ausdrücklich eine mittelbare Täterschaft an, „wenn der Hintermann durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöst“, insbesondere bei „staatlichen, unternehmerischen oder geschäftsähnlichen Organisationsstrukturen und bei Befehlshierarchien“. Bemerkenswert dabei war, dass der Bundesgerichtshof den besonderen (vermeidbaren) Verbotsirrtum des § 5 WStG49 (Handeln auf Befehl) in den Mauerschützenprozessen zugunsten der Soldaten angenommen hatte50 und so eine mittelbare Täterschaft unter Verweis auf die Konstellation im Katzenkönig-Fall – mittelbare Täterschaft bei einem vermeidbaren Verbotsirrtum des Vordermannes51 – hätte lösen können, es aber nicht tat.52 Die „Organisationsherrschaft“ erhielt so eine Weihe und zeigte, nachdem sie bereits 1984 und 1985 zur Aburteilung von Straftaten der früheren Generalsjunta in Argentinien beigetragen hatte53, in der Aufarbeitung des DDR-Unrechts seine praktische Bedeutung. In den PolitbüroFällen, in denen Mitglieder eines Gremiums an Schießbefehlen mitwirkten oder deren Aufhebung trotz Garantenstellung nicht vermieden, konnte so eine Zurechnung der Deliktserfolge an die Gremiumsmitglieder über § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB erfolgen. (2) Obwohl diese Ansicht sich auch im Schrifttum weitgehend durchgesetzt hat54, hat es doch immer wieder Kritik gegeben, insbesondere an der Fungibili______________ 46

Roxin, GA 1963, 204. Roxin, GA 1963, 206, LK/ders., § 25 Rn. 129 sowie ders., TuT, S. 250. 48 BGHSt. 40, 218 (236 f.); vgl. auch BGHSt. 45, 270 (296). 49 Vgl. LK/Friedrich-Christian Schroeder, § 17 Rn. 52. 50 BGHSt. 39, 1 (32 f.) und BGHSt. 39, 168 (188 f.); ausführlich zu den strafrechtlichen Problemen der Mauerschützen-Fälle Rogall, BGH-Wiss-FG IV, 406 ff. 51 BGHSt. 35, 347 (352 ff.). 52 Hierauf weist insbesondere Friedrich-Christian Schroeder, JR 1995, 179 hin. 53 Hierzu Ambos, GA 1998, 238 f. 54 Vgl. nur Herzberg, TuT, S. 42 f., ders., Jura 1990, 23 f., Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 48 Rn. 88, Schmidhäuser, StuB AT, 10/95, Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 12 Rn. 65 ff., Kühl, AT, § 20 Rn. 73 ff., Lackner/Kühl, § 25 Rn. 2, Ernst-Joachim Lampe, ZStW 47

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3. Teil: Folgerungen

tät: Der aufgrund dieses Merkmals von Roxin proklamierte Automatismus der Ausführung sei nicht zwangsläufig gegeben. Besonders die Mauerschützenfälle hätten gezeigt, dass aufgrund der zeitlichen und räumlichen Begrenzung jeder konkreten Fluchtsituation konkret nur wenige Grenzsoldaten vor Ort waren und die Möglichkeit hatten, die Republikflucht zu vereiteln. Nur wenige Sekunden standen ihnen zu, zu entscheiden, ob sie schießen oder nicht. Eine Auswechslung bei einer Weigerung wäre nicht in einer Weise möglich gewesen, dass hierdurch die Republikflucht noch hätte verhindert werden und die konkrete Tat damit zum Erfolg gebracht werden können. So gesehen habe der Grenzsoldat vor Ort das Geschehen beherrscht und für sich die Entscheidung für oder gegen die deliktische Tat getroffen.55 Roxin hatte hierauf erwidert, dass es nicht auf den Einzelfall ankommen könne, sondern nur, dass der Machtapparat im Normalfall funktioniere.56 Dies ist insoweit richtig, als auch bei der Verwendung einer Pistole oder eines Roboters zur Tötung die Maschine im Einzelfall scheitern und sich so nur eine Versuchsstrafbarkeit ergeben kann. Der Unterschied liegt aber darin, dass die Argumentation Roxins maßgeblich auf einem metaphorischen Vergleich einer Organisation mit einer „Maschine“ beruht, einem „funktionierenden Machtmechanismus“57, der die Tat ausführt und der nur beherrscht zu werden braucht. Der Mensch kann aber nie Teil eines „seelenlosen Apparats“58 sein; die Organisation hört selbst bei strengster Hierarchie nie auf, ein Zusammenschluss denkender Menschen zu sein.59 Der Ausführende gestaltet grundsätzlich sein Ausführungshandlungsgeschehen selbst und trifft selbst in der Handlungsplanung die Entscheidung, ob er etwa in den Mauerschützenfällen auf den Flüchtenden schießt oder sich mit Warnschüssen begnügt. So gesehen mag sich durch die Einbindung des Vordermannes in einen hierarchischen Machtapparat eine hohe Wahrscheinlichkeit und Erwartung für einen bestimmten Erfolg ergeben, niemals aber eine Sicherheit60, die es rechtfertigen würde, von einem Automatismus zu sprechen. ______________

106 (1994), 743, NK-StGB/Schild, §§ 25 ff. Rn. 270 ff., Bottke, Tatherrschaft, S. 71 ff., Wessels/Beulke, AT, Rn. 541, Heribert Schumann, Handlungsunrecht, S. 75 f., Sch/Schr/Cramer/Heine, § 25 Rn. 25 f., Ebert, AT, S. 198, Hünerfeld, ZStW 99 (1987), 244, Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 183 f., Knauer, Kollegialentscheidung, S. 76 f., Ambos, GA 1998, 233 sowie Schlösser, Tatherrschaft, S. 333. 55 Zu diesem Einwand der konkreten Tatsituation Otto, Jura 2001, 755, Murmann, GA 1996, 273, Ulrich Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 203, Rotsch, NStZ 1998, 493, ders., ZStW 112 (2000), 526 ff., ders., JR 2004, 249 sowie ders., NStZ 2005, 15 f. 56 Roxin, AT II, § 25 Rn. 114. 57 Herzberg, TuT, S. 42. 58 Herzberg, TuT, S. 42. 59 Zu diesem Einwand auch Murmann, GA 1996, 274. 60 Hierzu Otto, Jura 2001, 756, Rotsch, NStZ 1998, 493: Herrschaft werde reduziert auf die „Qualität der Sicherheit des Erfolgseintritts“ sowie ders., JR 2004, 249.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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Eines derartigen bedarf es aber bei einem richtigen Verständnis der Beteiligungsverhältnisse auch gar nicht. Ausgehend davon, dass Täter ist, wer durch eine emotionsbedingt-finale Handlung das Außenweltgeschehen gestaltet und hierdurch den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht und es so zu seinem „Werk“ macht, gestaltet der mittelbare Täter das Geschehen durch die Entwicklung eines Handlungsmodells, das er durch die Einwirkung auf den Vordermann verwirklicht. Bei strenger Betrachtung trifft dieser Ansatz zwar auch auf die Anstiftung zu: Der Anstifter hat einen Plan, den er dem unmittelbaren Täter unterbreitet und der von diesem realisiert wird. Der Unterschied liegt aber darin, dass der Angestiftete die Tat begeht, zu der er bestimmt worden ist, er also für sich das Geschehen so gestaltet, wie es dem noch zumeist groben Handlungsprojekt des Anstifters entspricht. Bei der mittelbaren Täterschaft dagegen plant der Hintermann also das Handlungsgeschehen bis ins Detail genauso wie der Vordermann, der das Handlungsgeschehen für sich selbst aufwirft und hiernach die äußere Tätigkeit vollführt, die sich letztlich aber dennoch (aufgrund einer Einwirkung auf den Vordermann) als Realisierung des Handlungsprogramms des Hintermannes darstellt. Da die letztendlich erfolgende Tätigkeit beim Angestifteten wie beim „Werkzeug“ einer mittelbaren Täterschaft nach außen hin gleich sind, muss sich die Abweichung in den ersten Bereichen des Begehens durch Handlungsziel-Handlungsplanung-Bewegung/Unterlassen finden, wie es dann auch die anerkannten Fallgruppen der Willens- und Wissensherrschaft61 belegen: Zwingt der Hintermann den Vordermann zu einer bestimmten Tat, so wird dieser maßgeblich durch den Zwang motiviert, dem er nachgibt, nicht dem deliktischen Sinn, den der Hintermann verfolgt und der sich letztlich verwirklicht. Oder weiß der Hintermann mehr, so fehlen dem Vordermann Informationen für seine Handlungsplanung und er führt zu einem bestimmten anderen als dem deliktischen Zweck des Hintermannes die Handlung aus, nimmt also etwa eine für ihn fremde Sache weg im Glauben, es sei seine eigene. Jeweils ist der Hintermann überlegen und gestaltet durch seine Handlungsplanung und Einwirkung auf den Vordermann (durch Täuschung oder Zwang) das Handlungsgeschehen in eine bestimmte, von ihm anvisierte Richtung unter Nutzung des anderen Menschen zur Ausführung der nach seinem Handlungsplan notwendigen Tätigkeit. Doch dies ist nicht nur so in den anerkannten Fällen, sondern auch in den umstrittenen Kategorien des „Täters hinter dem Täter“. Im Katzenkönig-Fall62 etwa fehlte dem tötenden Polizisten vermeidbar die Einsicht darin, dass er Unrecht begeht, glaubte er doch, mit der Tötung Millionen von Menschenleben, die ansonsten vom „Katzenkönig“ vernichtet worden wären, retten zu können. ______________ 61 Zu diesen Fallgruppen allgemein Roxin, AT II, § 25 Rn. 45 ff. und Kühl, AT, § 20 Rn. 46 ff. 62 BGHSt. 35, 347 ff.

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3. Teil: Folgerungen

Es fehlten ihm so nicht nur Hemmungsmotive, er hatte auch einen ganz anderen Handlungssinn, der nicht zutraf. Genauso liegt es beim „inszenierten error in persona“63, bei dem der Hintermann beim Vordermann den Irrtum hervorruft, ein anderes Objekt anzugreifen, also etwa dass die Gestalt im Sessel (A) die von ihm gehasste Person (B) ist, so dass der Vordermann die Person tötet: sein Ziel ist der Tod von B, das Ziel des Hintermannes der Tod von A. Die Handlungsziele, der jeweilige Handlungssinn der Handlungsprojekte von Vorderund Hintermann sind verschieden. Durch die Einwirkung auf den Vordermann realisiert sich der Handlungsplan des Hintermannes, nicht auch der des Vordermannes, so dass dieser aus der Sicht des Hintermannes wahrhaftig nur ein nicht in seinem Sinne mitgestaltendes und damit „blindes“, „seelenloses Werkzeug“ darstellt. Dies rechtfertigt es, das Geschehen als durch den Hintermann gestaltend anzusehen. Nachdem bereits bei der Entwicklung des Täterbegriffs das Verantwortungsprinzip keine Rolle spielte, hat es auch hier außen vor zu bleiben und kann die mittelbare Täterschaft nicht sperren. Es beruht schließlich in Anlehnung an die alte, von Frank entwickelte Lehre vom Regressverbot64 noch immer auf dem Prinzip, dass eine näher am Handlungsgeschehen befindliche vollverantwortliche Person die Verantwortung der weiter entfernte sperre.65 Doch hierauf kann es nicht ankommen. Zum einen stehen die §§ 25 ff. StGB bereits in einem eklatanten Widerspruch zu einem als autonome Selbstbestimmung verstandenen Verantwortungsprinzip.66 Zum anderen ist bereits nach dem Wortlaut Täter derjenige, dessen Werk ein Erfolg ist. Gestaltet der Hintermann das Handlungsgeschehen in seiner Weise, ist es sein „Werk“. Ihn als Täter der oben dargelegten Gesetzesauslegung anzusehen, fehlt dann nur der Umstand, dass ______________ 63 Hierzu Roxin, TuT, S. 112, ders., FS Richard Lange, 189 ff., Ulfrid Neumann, JA 1987, 250, SK-StGB/Hoyer, § 25 Rn. 76, Sch/Schr/Cramer/Heine, § 25 Rn. 23 und Kühl, AT, § 20 Rn.74. 64 Reinhard Frank, StGB, § 1 Anm. III 2 a (=S. 14 f.); vgl. hierzu Roxin, FS Tröndle, 177 ff. und Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 ff. 65 Ein Verantwortungsprinzip im Bereich der Täterlehre mit der Folge einer Verneinung mittelbarer Täterschaft beim organisierten Machtapparat wird vertreten von Jakobs, AT, 21/101 ff., ders., NStZ 1995, 27, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29 Rn. 147, Otto, AT, § 21 Rn. 92, MüKo-StGB/Joecks, § 25 Rn. 129 ff., Renzikowski, Täterbegriff, S. 72 ff. und 87 ff. sowie Michael Köhler, AT, 505 ff. Einige Anhänger des Autonomieprinzips machen für organisierte Machtapparate hiervon vor allem aus kriminalpolitischen Gründen eine Ausnahme, so Heribert Schumann, Handlungsunrecht, S. 75 f. und Katja Langneff, Beteiligtenstrafbarkeit, S. 93. Dies verdeutlicht einmal mehr, dass die auch abgestuft vorkommende Autonomie zu keinen zwingend klaren Ergebnissen führt, sondern je nach Bedarf „chamäleonhaft seine Bedeutung“ ändern kann (Küper, JZ 1986, 229). Gegen das Autonomieprinzip und deren Anhänger ausführlich Roxin, AT II, § 25 Rn. 174 ff. 66 NK-StGB/Schild, §§ 25 ff. Rn. 177.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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§ 25 StGB in die Deliktstatbestände hereinzulesen ist und das Einwirken auf den Vordermann, etwa Zureden oder Bedrohen eben keine Körperverletzungshandlung iSd § 223 StGB oder keine Tötungshandlung iSd § 212 StGB darstellt. Diese Tatbestandsbezogenheit wird aber durch § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB im gleichen Maße erfüllt wie bei § 25 Abs. 2 StGB: Erscheint der Hintermann als Urheber, der durch den Vordermann die eigentliche Tätigkeit vollführt und dadurch sein Handlungsprojekt durch eine Beherrschung des Handlungsgeschehens gestaltet, die Tat also begeht, so erfüllt er die gesetzlichen Anforderungen des § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB und erhält die äußere Tätigkeit des Vordermannes zugerechnet, so dass er als Täter den jeweiligen Deliktstatbestand in eigener Person erfüllt.67 Er ist eben Täter, unabhängig von der Haftung auch des Vordermannes für den Deliktserfolg. Ob eine derartige Handlungsprojektrealisierung des Hintermannes auch in Fällen organisierter Machtapparate vorliegt, ist die eigentliche Frage der mittelbaren Täterschaft – eine wie auch immer geartete automatische Funktionsweise des Tatablaufs spielt dagegen keine Rolle. Die Einwirkung des Hintermannes betrifft den Machtapparat und nicht den Ausführenden selbst, den er zumeist noch nicht einmal kennt. Die Tat wird also augenscheinlich „durch einen Apparat“, nicht durch einen anderen begangen. Doch mittelbar wird so auch auf den Ausführenden der Anweisung als eingegliedertes Teil der Organisation eingewirkt und auf sein Verhalten steuernd Einfluss genommen. Obgleich der Vordermann entsprechend der Anweisung seine Handlung plant, weicht sein Handlungsprojekt in einem entscheidenden Aspekt vom Hintermann ab: in seinem Handlungssinn, wie bereits bei den anderen Formen des „Täters hinter dem Täter“. Primäres Motiv ist etwa in den Mauerschützenfällen nicht nur der deliktische Sinn der Tat (etwa die Tötung eines Republikflüchtlings). Neben dieses Motiv tritt vielmehr zusätzlich ein bestimmter Zwang: In den Mauerschützen-Prozessen konnten zwar nie Fälle aufgetrieben werden, in denen konkrete Sanktionen gegen sich weigernde Soldaten ausgeübt wurden, so dass sich eine teilweise im Schrifttum vertretene Nötigungsherrschaft (im strengen Sinn)68 nicht konstruieren ließ. Bezeichnend für das Verhältnis von Befehlendem und Befehlsempfänger ist jedoch eine „mit der Intensität einer Nötigung vergleichbare psychische ______________ 67

Dem § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB kommt daher gleichermaßen wie § 25 Abs. 2 StGB eine konstituierende Funktion zu, so auch SK-StGB/Hoyer, Vor § 25 Rn. 12 ff., Kühl, AT, § 20 Rn. 6 und Renzikowski, Täterbegriff, S. 71 f.; aA Schild, Täterschaft, S. 24 ff., der die mittelbare Täterschaft als Unterfall der Handlungsherrschaft des § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB für überflüssig hält. 68 Vgl. Uwe Schulz, JuS 1997, 112; ähnlich Ulrich Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 202 f.

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3. Teil: Folgerungen

Drucksituation“69. So existiert in der Soziologie der Begriff der „sozialen Herrschaft“70, der (wie die Macht allgemein) dadurch gekennzeichnet ist, dass Personen „nicht als Gleiche einander gegenübertreten, sondern in einem Verhältnis von Befehl und Gehorsam, Über- und Unterordnung zueinander stehen“71. Ein derartiges Verhältnis ist geprägt einerseits durch „ein hohes Beherrschungspotential untergebener Personen durch hierarchisch übergeordnete Personen“72, so dass die hierarchische Binnenstruktur der beteiligten Personen (etwa Politiker und Schütze) im Konfliktfall autoritär durchgesetzt werden kann und zum anderen durch einen internen innerorganisatorischen Konformitätsdruck.73 Der Ausführende weiß, dass wenn er die Handlung nicht ausführt, eine Vielzahl weiterer bereitstehen, die hierzu bereit sind und er in den Augen dieser mit ihm auf einer Stufe stehenden Personen im Ansehen stark sinken würde. Hier tritt das Fungibilitäts-Element einzig in Erscheinung und bedingt einen erhöhten Druck auf den Ausführenden74, der Anweisung nachzukommen, auch unabhängig von dem mit der Handlung verbundenen deliktischen Zweck. Dieser Gruppenzwang tritt neben mögliche Konsequenzen im Über- und Unterordnungsverhältnis und sorgt so dafür, dass der Untergebene zur Verfolgung eines anderen (weil auch durch dem Nachkommen des sozialen Drucks geprägten) Handlungsziels die Handlung begeht, die sich letztlich als Realisierung des Handlungsplans des Befehlenden ergibt. Dem „Schreibtischtäter“ kommt so eine mittelbare Täterschaft kraft organisatorisch vermittelter sozialer Machtposition zu. Voraussetzung hierfür ist jedoch neben einer gewissen Organisationsgröße mit streng hierarchischer Struktur, in die der Ausführende eingegliedert ist, dass die Organisation für die Ausführung der abverlangten Handlung überhaupt zuständig ist. Nur dann hält sich die Handlung im Rahmen der Organisationshandlungen und kann der Gruppenzwang maßgeblich die Handlung des Ausführenden (mit-)motivieren. Hier kommt Roxins Kriterium der Rechtsgelöstheit ins Spiel: So wird eine Organisationszuständigkeit zur Begehung von Straftaten ______________ 69 So Uwe Schulz, JuS 1997, 112, der die Nötigungsherrschaft daher in diesem weiten Sinne verstehen möchte. 70 Hierzu sowie in seiner Verwendung für die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft ausführlich Schlösser, Tatherrschaft, S. 274 ff.; ebenso Gropp, JuS 1996, 16; in diese Richtung bereits Welzel, Strafrecht, S. 104: „soziale Tatherrschaft“ zur mittelbaren Täterschaft bei Sonderdelikten, Otto, Jura 2001, 756: „soziales Herrschaftsverhältnis“, Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 48: „soziale Machtverteilung“ und Schild, Täterschaft, S. 22 f.: „soziale Herrschaft (Macht)“ (der nun von dieser Sichtweise aber wieder abgerückt ist, vgl. NK-StGB/Schild, §§ 25 ff. Rn. 191). 71 Raiser, Recht, S. 266. 72 Schlösser, Tatherrschaft, S. 288. 73 Schlösser, Tatherrschaft, S. 332. 74 Ähnlich Rübenstahl, HRR-Zeitschrift 2003, 215.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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(von Körperverletzungen durch Polizisten im Rahmen gewalttätiger Auseinandersetzungen mit Demonstranten abgesehen) nur bei mafiaähnlichen Strukturen gegeben sein oder wenn der Staat sich selbst außerhalb des Naturrechts stellt. Zugleich erfüllt diese „Rechtsgelöstheit“ einen weiteren Zweck: Dem sozialen Zwang diame-tral entgegenstehen kann der Zwang, der durch die Einhaltung der Rechtsordnung – insbesondere auch strafrechtlicher Sanktionsdrohungen – vermittelt wird. Er kann den anderen Zwang wieder aufheben mit der Folge, dass die Handlung vom Vordermann gerade doch wegen ihres deliktischen Sinns primär ausgeführt wird und damit im gleichen Handlungssinn wie vom Hintermann erdacht – es wäre die Handlung, zu der der Vordermann im Sinne des § 26 StGB „bestimmt“ wurde. Dieser „Gegenpol“ zur sozialen Herrschaft existiert nur dort nicht, wo eine entgegenstehende Rechtsordnung nicht existiert oder deren Anordnungen den Ausführenden nicht beeinflussen, da er sich bereits mit seinem Organisationseintritt gegen die positive Rechtsordnung entschieden hat.75 Es lassen sich daher die Mauerschützen-Fälle zu Recht über die Konstruktion der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft bzw. kraft „sozialer Herrschaft“ lösen, sofern man die Wertung der DDR als Unrechtsstaat aufgrund des Verstoßes der Verwendung von Minen und Selbstschussanlagen sowie der Schießbefehle gegen völkerrechtliche Verpflichtungen der DDR zur Wahrung der Menschenrechte76 akzeptiert. (3) Problematischer ist dagegen die Anwendbarkeit dieser Form der mittelbaren Täterschaft auf größere Wirtschaftsunternehmen. Die Rechtsprechung hatte hier zwar nie dogmatische Zweifel: So hatte der Bundesgerichtshof in seinem Grundsatzurteil BGHSt. 40, 218 ff. den Grund einer mittelbaren Täterschaft in der Ausnutzung regelhafter Abläufe gesehen, die auch bei „unternehmerischen oder geschäftsähnlichen Organisationsstrukturen“ gegeben sei77 und in einem obiter dictum festgestellt: „Auch das Problem der Verantwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen lässt sich so lösen“78. Bereits in seiner Sterbehilfe-Entscheidung im gleichen Band79 übertrug der Bundesgerichtshof diese Argumentation auf einen behandelnden Arzt, weil dieser seine Anord______________ 75

Auf diese Weise und auch nur so kommt das von Friedrich-Christian Schroeder, Täter, S. 152 ff. entwickelten Kriterium des „Einsatzes eines zur Tat Bereiten“ eine Bedeutung zu. Eine zentrale Bedeutung muss der Auslösung des vom Ausführenden bereits zuvor getroffenen „bedingten Tatentschlusses“ hingegen versagt bleiben, zeigt doch § 30 Abs. 2 StGB, dass der klassische Fall einer bedingten wie unbedingten Tatbereitschaft gerade der typische Fall einer versuchten oder vollendeten Anstiftung ist; so auch Roxin, JZ 1995, 51 und Ambos, GA 1998, 230. 76 So sogar im Leitsatz EGMR (Große Kammer), NJW 2001, 3035 ff. 77 BGHSt. 40, 218 (236) und BGHSt. 45, 270 (296). 78 BGHSt. 40, 218 (237). 79 BGHSt. 40, 257 (267 f.).

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3. Teil: Folgerungen

nungsbefugnis gegenüber dem Pflegepersonal in Anspruch nahm. Im Jahre 1997 erfolgte dann die Übertragung auf die bestellten sowie formellen Geschäftsführer einer GmbH80 und im Jahre 2004 auf den Leiter einer Tierarztpraxis mit tierärztlicher Hausapotheke, deren Mitarbeiter verbotenerweise Medikamente veräußerten81, ferner auf Gesellschafter, die durch Schulungen ihren Handelsvertretern Rahmendaten vorgaben und so an deren Betrugshandlungen mithaften sollen82 sowie im auch in den Medien diskutierten „Bremer Vulkan“Fall auf Vorstandsmitglieder des „Bremer Vulkan“-Werftenverbundes aufgrund ihrer Leitungsmacht im Konzern. Diese Entwicklung in der Judikatur verwundert jedoch, wenn man sich die eben gefundenen rechtlichen Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft vergegenwärtigt. Denn zum einen kann der den Ausführenden maßgeblich mitmotivierende Konformitätsdruck nur wirken, wenn die zu erbringende Tätigkeit im Rahmen der Unternehmenszuständigkeit liegt und keine Privatangelegenheit ist. Wirtschaftsunternehmen sind aber nicht per se kriminell, sondern grundsätzlich darauf ausgelegt, auf legale Weise finanzielle Gewinne zu erwirtschaften; mögliche Rechtsverstöße sind hierbei allenfalls Begleiterscheinungen, die kaum fester Bestandteil der Firmenpolitik sind, sondern Initiativen einzelner Mitarbeiter.83 Zum anderen tritt einem möglichen Zwang zur Ausführung der Weisungen die Rechtsordnung entgegen, die vom Mitarbeiter verlangt, eine rechtswidrige Anweisung nicht zu befolgen. Dieser etwa für das Beamtenrecht in § 56 Abs. 2 BBG festgeschriebene Grundsatz führt im Arbeitsrecht dazu, dass die beharrliche Weigerung der Ausführung einer Weisung des Arbeitgebers aufgrund seines Direktionsrechts dann nicht zu einer Kündigung nach einer Abmahnung führen kann, wenn sich die Weisung nicht „im Rahmen der Gesetze“ gehalten hat.84 Wird der Arbeitnehmer bei einem Verstoß gegen die innerbetriebliche Ordnung notfalls von der Rechtsordnung sogar in Schutz genommen, kann der innerbetriebliche Zwang nicht das Ausmaß eines „sozialen Zwangs“ annehmen, das den deliktischen Handlungssinn weitgehend überspielt. Bei nicht rechtsgelösten Unternehmen, die in der Regel – wenn es sich nicht gerade um „Scheinunternehmen“ wie „Murder Incorporated“ handelt – vorliegen, entspricht bei einer Weisungsbefolgung der Handlungssinn des Vordermannes, der sich bewusst gegen die Rechtsordnung entschieden hat, jenem des Hintermannes. Die Handlung des Ausführenden ist damit jene, zu der er bestimmt wurde; statt einer mittelbaren Täterschaft ist bei ______________ 80

BGHSt. 43, 219 (231 f.) und BGH, NStZ 1998, 568 (569). BGH, JR 2004, 245 (246). 82 BGH, NJW 2004, 375 (378). 83 Ambos, GA 1998, 239. 84 Vgl. nur Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, S. 73 ff. und 164. 81

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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Wirtschaftsunternehmen daher mit den überwiegenden Stimmen in der Literatur85 von einer Anstiftung auszugehen. Die entgegengesetzte Ansicht der Rechtsprechung und einiger wenigen Stimmen im Schrifttum86 ist einzig damit zu erklären, dass sie eine „verführerische“ Möglichkeit darstellt, „schwierige Sachverhalte, in denen die Annahme anderer Täterschaftsformen häufig schon aus Beweisgründen scheitern muss, auf bestechend einfache Art und Weise zu lösen“87 – der Leiter eines Unternehmens wird einfach für alles haftbar gemacht, was in seinem Betrieb geschieht und von seinem Wissen und Wollen auch nur in ganz allgemeiner Form umfasst ist. Der angenommenen höheren Verantwortung in den Augen der Bevölkerung wird dieses Ergebnis zwar gerecht. Doch kriminalpolitisch sinnvolle Lösungen, die dogmatisch nicht haltbar sind, sind ohne notwendige Gesetzesänderungen nicht zu praktizieren.

b) Die Zurechnung beim fahrlässigen Deliktserfolg Im Vorsatzbereich ist damit bei rechtsgelösten Organisationsstrukturen wie bei den Mauerschützen-Fällen eine mittelbare Täterschaft der Befehlsgeber kraft Organisationsherrschaft anzunehmen, für den praktisch relevanteren Bereich der Wirtschaftsunternehmen dagegen wird eine vertikale Zurechnung nur in Fällen des nachweisbaren Wissensvorsprungs und damit der Irrtumsherrschaft anzunehmen sein. Diese Zurechnungsstrukturen gilt es, sofern die Mitglieder des Kollegiums wie in unserem Beispiel selbst nur fahrlässig handeln, auf den Bereich Fahrlässigkeitsdelikte zu übertragen.

aa) Die Zurechnung bei fahrlässigen Handlungsdelikten Relevant für die Überlegungen zur mittelbaren Täterschaft werden hier jene Überlegungen, die wir bereits oben gegen einen Einheitstäterbegriff für den ______________ 85 Roxin, JZ 1995, 51, ders., AT II, § 25 Rn. 129 ff., ders., TuT, S. 682 f., Schünemann, BGH-Wiss-FG IV, 631, Heine, ZStrR 2001, 29 f., Hoyer, Verantwortlichkeit, S. 29, Murmann, GA 1996, 280, Munoz Conde, FS Roxin, 620 ff., Ambos, GA 1998, 226 (239), Rotsch, ZStW 112 (2000), 561, Katja Langneff, Beteiligtenstrafbarkeit, S. 115 und Rübenstahl, HRR-Zeitschrift 2003, 214 ff.; einschränkend Kühl, AT, § 20 Rn. 73b. 86 Georg Freund, AT, § 10 Rn. 102 f., Eidam, Unternehmen, S. 453 f., Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 46 ff. und jüngst Hefendehl, GA 2004, 575 ff. 87 Rotsch, JR 2004, 251.

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3. Teil: Folgerungen

Fahrlässigkeitsbegriff angestellt haben. So hatte sich gezeigt, dass nicht nur die Vorsatzdelikte sondern auch und gerade die Fahrlässigkeitsdelikte überwiegend (bei 41 von 44 Fahrlässigkeitstatbeständen) eine bestimmte Handlungsweise verlangen. Für eine Täterschaft kann daher nicht jede sorgfaltswidrige Handlung genügen, sofern sie den tatbestandlichen Erfolg mitverwirklicht, sondern der Fahrlässigkeitstäter muss gerade das Handlungsgeschehen beherrschen, das sämtliche Tatstandsanforderungen erfüllt. So unterscheidet sich der Täterbegriff bei den Fahrlässigkeitsdelikten nicht von jenen bei den Vorsatzdelikten: Der Täter muss objektiv mit einer emotionsbedingt-finalen Handlung das Handlungsgeschehen gestalten (und damit beherrschen), das den Tatbestand des Delikts verwirklicht. Ist dieser Täterbegriff in alle fahrlässigen Deliktstatbestände anstelle des „wer“ herein zu lesen, so handelt auch bei Fahrlässigkeitstaten nur tatbestandsmäßig, wer diese Täteranforderungen erfüllt. Die Abstufungen zwischen Täterschaft und Teilnahme sind hier gleichfalls relevant. Der Unterschied zu den Vorsatzdelikten liegt nur darin, dass der Gesetzgeber im Strafgesetzbuch nicht wie etwa mit § 19 des Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen)88 fahrlässige Teilnahmehandlungen unter Strafe stellt. Dieser gesetzgeberische Wille ist zu respektieren.89 Liegt also bei „normalen“ Wirtschaftsunternehmen zwischen den Geschäftsführern und dem ausführenden Arbeitnehmern im Vorsatzbereich eine Anstiftung im Vorsatzbereich vor, so existiert diese auch im Fahrlässigkeitsbereich – sie bleibt dort mangels gesetzlicher Anordnung aber straflos. Dieses Ergebnis ist freilich kriminalpolitisch fragwürdig: So haften in den Unternehmensfällen zumeist nur die unmittelbar den Beschluss ausführenden Personen, nicht auch die Geschäftsführer. Man sieht den klassischen Spruch „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ realisiert. Umgehen und damit den Geschäftsführer der verursachte Erfolg (vertikal) zuzurechnen lässt sich dies – von den wenigen Fällen, in denen das gesamte Unternehmen rechtsgelöst ist oder es um die Entscheidung eines Leitungsgremiums in einem Unrechtsstaat geht – einzig für jene Fälle, in denen im Vorsatzbereich eine mittelbare Täterschaft kraft Irrtumsherrschaft angenommen worden ist. Denn das Wesen der mittelbaren Täterschaft liegt gerade darin, dass ______________ 88 In diesem heißt es (BGBl. 1990 I, 2507 (2512)): „(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer 1. Atomwaffen [...] entwickelt, herstellt, mit ihnen Handel treibe, von einem anderen erwirbt oder einem anderen überlässt, einführt, ausführt [...], 1a. einen anderen zu einer in Nummer 1 bezeichneten Handlung verleitet oder 2. eine in Nummer 1 bezeichnete Handlung fördert. [...] (4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr.1 fahrlässig oder in den Fällen des Absatzes 1 Nr.1a oder 2 leichtfertig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.“ 89 Vgl. zu diesem Komplex bereits oben Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, III, 1.

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der Hintermann durch sein Einwirken auf den Vordermann sein Handlungsprojekt zur Realisierung bringt und so er es ist, der das Handlungsgeschehen gestaltet und beherrscht. Bei dieser Gestaltung bezieht er im Rahmen seiner Handlungsplanung die noch erfolgende Tätigkeit seines „Werkzeugs“ mit ein und errechnet, dass die bloße Einwirkungshandlung so gesehen für die Erreichung des Deliktserfolges ausreichend ist. Wie bei der Mittäterschaft geht es so bei der mittelbaren Täterschaft um eine Handlungsplanung und einer Einbeziehung der Tätigkeiten anderer. Bei den Fahrlässigkeitsdelikten wird eine Handlung geplant trotz Vorhersehbarkeit eines bestimmten rechtsgutsverletzenden Kausalverlaufs und Überschreitung des erlaubten Risikos. Bei der Handlung kann – entgegen zum notwendigen Tatentschluss bei der Mittäterschaft, der das Handlungsunrecht erkennbar in sich tragen muss – die bloße Tätigkeit eines anderen, auf den Einfluss ausgeübt werden soll, durchaus eingeplant werden und gerade in der eigenen Handlung in Verbindung mit der eingeplanten Handlung die Überschreitung des unerlaubten Risikos liegen. So gesehen erscheint eine fahrlässige mittelbare Täterschaft möglich. Einer derartigen bedarf es auch. Denn bei den fahrlässigen Deliktstatbeständen mit einer bestimmten Handlungsweise verwirklicht den Tatbestand ja nur, wer die bestimmte Handlungsweise selbst auch tatsächlich ausführt. Nur er ist Täter im Sinne des § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB. Wirkt der Hintermann dagegen nur auf den Vordermann ein zur Erlangung einer bestimmten Handlung, die für ihn vorhersehbar zu einem deliktischen Erfolg führt, so begeht er selbst nur die nicht tatbestandsmäßige Einwirkungshandlung. Ihm muss also die äußere Tätigkeit des Vordermannes zugerechnet werden, damit er selbst tatbestandlich handeln kann. Diese Funktion kann nur § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB leisten, der damit auf fahrlässige Delikte mit konkret geregelter Tatbestandshandlung für anwendbar zu erklären ist.

bb) Die Zurechnung bei fahrlässigen Erfolgsdelikten Anders könnte sich die Zurechnung jedoch bei den wenigen fahrlässigen Erfolgsdelikten verhalten, die jedoch aufgrund ihrer praktischen Häufigkeit gerne als Paradefall herangezogen werden. Bei der fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB etwa wird bestraft, wer mit einer das erlaubte Risiko überschreitenden Handlung trotz Vorhersehbarkeit kausal und zurechenbar (gerade wegen der Überschreitung des erlaubten Risikos) einen Erfolg herbeiführt. Eine bestimmte Handlungsweise wird nicht verlangt. Eine tatbestandsmäßige Handlung stellt damit an sich bereits die Einwirkungshandlung auf den Vordermann dar, die bezogen auf das hierdurch gefährdete Rechtsgut bereits für sich das erlaubte Risiko verlässt. So hat der Ge-

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3. Teil: Folgerungen

schäftsführer, der dem Arbeiter als einzig zuständige Leitungsperson die Auslieferung des neuen Produkts befohlen hat, obwohl er die durch die Verwendung des Produkts möglichen Gesundheitsschäden hätte vorhersehen können, bereits mit der Anweisung eine fahrlässige Handlung begangen. Einer Zurechnung der Tätigkeit des ausführenden Arbeiters bedarf es nicht. Man könnte daher auf die Idee verfallen, mit der Anweisung erfülle der Geschäftsführer bereits § 222 StGB, so dass es einer gesonderten vertikalen Zurechnung bei fahrlässigen Erfolgdelikten über die Figur der mittelbaren Täterschaft nicht bedarf. Damit hätten wir zumindest für die fahrlässigen Erfolgsdelikte einen Einheitstäterbegriff installiert. Praktisch wäre dies sicher von Vorteil, denn so könnten zumindest für den Fahrlässigkeitsbereich für die wichtigen Erfolgsdelikte der gesamte Bereich der Kollegialentscheidungsfälle in Wirtschaftsunternehmen erfasst werden. Doch dogmatisch hat diese Sichtweise einen weithin übersehenen Haken: Jeder Tatbestand ist mit § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB zu ergänzen, so dass § 222 StGB lautet: „Wer durch seine fahrlässige Begehung den Tod eines Menschen selbst verursacht, wird […] bestraft.“ Fügt man nun für § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB den herausgearbeiteten Täterbegriff ein, so ergibt sich für § 222 StGB: „Wer (objektiv) das den Tod eines Menschen verursachende Handlungsgeschehen durch eine fahrlässige emotionsbedingt-finale Handlung beherrscht hat, wird […] bestraft“. Oder anders ausgedrückt: Dass § 222 StGB keine besonderen Anforderungen an die Handlung stellt, entbindet nicht davon, dass tatbestandsmäßig nur handelt, wer das zum Tod führende Handlungsgeschehen (im Sinne des § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB) selbst beherrscht hat. Der Geschäftsführer hat aber nur seine Anweisung beherrscht, nicht auch deren Ausführung und damit letztlich das zur Körperverletzung beim Verbraucher führende Handlungsgeschehen. Neben einer Zurechnung des Verwendens des Produkts durch den Verbraucher (als Werkzeug gegen sich selbst) bedarf es also einer Rechtfertigung dafür, wieso der Geschäftsführer auch das Handlungsgeschehen der Ausführung seiner Anweisung (Auslieferung des Produkts) beherrscht hat. Dies geht nur durch eine Handlungseinplanung: Zwar konnte der Geschäftsführer einfach annehmen, die Anweisung werde schon ausgeführt. Sicher durfte er sich dessen aber nur sein in den Fällen, die die mittelbare Täterschaft umfasst. Nur dann durfte er die Tätigkeit des Ausführenden als sicher erfolgend einplanen und nur dann beherrschte er selbst auch das Handlungsgeschehen des Auslieferns. Obwohl es der Zurechnungsfunktion des § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB also nicht bedarf, muss bei der vertikalen Zurechnung im Rahmen der Kollegialent-

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scheidungsfälle auch bei den fahrlässigen Erfolgsdelikten ein Fall mittelbarer Täterschaft vorliegen.90

cc) Zwischenergebnis Lässt man die unwahrscheinliche Konstellation einer Entscheidung im Unrechtsstaat sowie innerhalb einer hierarchischen Verbrecherorganisation beiseite, so verbleiben für den Problemkreis der fahrlässigen Mittäterschaft bei Kollegialentscheidungen die Fälle, die durch einen Wissensvorsprung des Leitungsgremiums gegenüber den ausführenden Ebenen gekennzeichnet ist. Insoweit jede zwischengeschaltete Stufe, die über das gleiche Wissen verfügt, die Zurechnungskette unterbricht (solange zwischen diesem Glied und dem Geschäftsführer nicht auch eine Mittäterschaft besteht), bedarf es in den Prozessen gegen Geschäftsführer eines Wirtschaftsunternehmen einer genauen Aufklärung der Erkenntnisse aller Beteiligter, bevor die Problematik der Einzelzurechnung an die am Geschäftsführerbeschluss beteiligten Personen auch nur relevant wird. Dieses prozessuale Erfordernis ist aus trotz der hiermit verbundenen prozessualen Unwägbarkeiten aus dogmatischen Gründen zu verlangen, kann doch ansonsten eine vertikale Erfolgszurechnung nicht erfolgen und wird das auf horizontaler Ebene zu klärende Lösung fahrlässigen Zusammenwirkens zum bedeutungslosen Gedankenspiel.

2. Die horizontale Zurechnung Nach dieser (angesichts der praktischen Bedeutung der Kollegialentscheidungsfälle bewusst ausführlich ausgefallenen) Vorprüfung können wir uns nun um das eigentliche Problem fahrlässiger Mittäterschaft kümmern. Mit dem Beschluss könnten Gremiumsmitglieder in unserem obigen Beispielsfall (einen festgestellten generellen Wissensvorsprung etwa in Form eines nur ihnen vorliegenden Gutachtens bejaht) in fahrlässiger mittelbarer Täterschaft Straftaten begangen haben. Der Beschluss wurde jedoch bei Kollegialentscheidungen nicht von einer Person, sondern von mehreren gefasst. Bedurfte es für den Beschluss entsprechend der gesetzlichen Grundregelung der Gesamtgeschäftsführung (vgl. § 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG und § 77 Abs. 1 S. 1 AktG) der Zustimmung aller Gremiumsmitglieder, so haben diese mit ihrem Abstimmungsver______________ 90 So im Ergebnis – wenngleich vom Autonomiegedanken her deduziert – auch Otto, AT, § 21 Rn. 123 f., MüKo-StGB/Joecks, § 25 Rn. 244 f. und Renzikowski, Täterbegriff, S. 272 ff.

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3. Teil: Folgerungen

halten jeweils unstreitig einen kausalen Beitrag erbracht, wobei sie aufgrund der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen den rechtsgutsverletzenden Kausalverlauf hätten vorhersehen können und so fahrlässig handelten. Einer Verurteilung jeweils aufgrund des fahrlässigen Deliktstatbestandes (in mittelbarer Täterschaft) stünde nichts im Wege. Problematisch sind dagegen jene Fälle, in denen eine einfache Mehrheit ausgereicht hätte, also etwa bei fünf Gremiumsmitgliedern eine Mehrheit von drei zu zwei Stimmen, aber dennoch mehr Gremiumsmitglieder für den Beschluss gestimmt oder ein oder zwei Mitglieder sich enthalten91 haben. Hier stellt sich dann das Problem überbestimmter Erfolge: War das Abstimmungsverhalten eines jeden Geschäftsführers kausal für den Beschluss und somit für die durch seine Ausführung eingetretene Rechtsgutsverletzung, obwohl auch ohne die einzelne Stimme eine ausreichende Mehrheit für den Beschluss zustande gekommen wäre?

a) Die Kausalität jeder einzelnen Ja-Stimme Unter der Kausalität wird die Verbindung von zwei aufeinander folgenden Ereignissen (Ursache und Wirkung) verstanden, die mangels Wahrnehmbarkeit vom Menschen nur durch Gesetzmäßigkeiten beschrieben werden, nach denen bestimmte Arten von Ereignissen hinreichend oder notwendig dafür sind, dass andere eintreten.92 Hierzu bedienen sich Juristen seit nunmehr 200 Jahren der von Stübel93 begründeten, vom englischen Philosophen Mill94 unterstützten und ______________ 91

Enthalten sich Geschäftsführer ihrer Stimme, so unterlassen sie ein Einwirken auf die anderen, um den Beschluss doch noch zum Scheitern zu bringen und verstoßen so gegen ihre Garantenpflicht, die ihnen aufgrund ihrer Leitungsbefugnis eines Unternehmens, das für sie erkennbar (auf diese Einschränkung verweist zu Recht Kuhlen, NStZ 1990, 566 (567 f.)) gefährliche Produkte ausliefert, zusteht (hierzu BGHSt. 37, 106 (114) sowie Schmidt-Salzer, NJW 1990, 2967 ff.. Zur Enthaltung vgl. auch die Ausführungen von Bottke, JR 1981, 343, Gabriele Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 208, Kassebohm/Malorny, BB 1994, 1364 und Knauer, Kollegialentscheidung, S. 206 ff. 92 Vgl. nur Roxin, AT I, § 11 Rn. 4, NK-StGB/Ingeborg Puppe, Vor § 13 Rn. 84 f., Struensee, FS Stree/Wessels, 141 und Röckrath, NStZ 2003, 642. 93 Stübel, Tatbestand, §§ 137 (= S. 184) und 153 (= S. 210 ff.). Er hat mit seiner Kritik an der damaligen Praxis, nur denjenigen als Urheber einer Tat anzusehen, der eine den Erfolg notwendig herbeiführende unmittelbare Ursache gesetzt hatte, die Lehre von der Gleichwertigkeit aller Ursachen begründet (so auch Otto, Jura 1992, 92 und Haas, Kausalität, S. 144). Soweit in der Literatur weitgehend Julius Glaser, Abhandlungen, S. 298 als Begründer angesehen wird (so z.B. von Roxin, AT I, § 11 Rn. 7, LK/Jescheck, Vor § 13 Rn. 54, Jescheck/Weigend, AT, S. 279, Sch/Schr/Lenckner, Vor § 13 Rn. 73 und

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dem Reichsgerichtsrat Maximilian von Buri95 in Deutschland ausgebauten Äquivalenz- oder Bedingungstheorie, nach der eine Bedingung dann Ursache eines Erfolges ist, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, sie also conditio sine qua non ist.96 Hiernach wäre zu untersuchen, ob der Erfolg im Sinne eines zustande gekommenen Beschlusses97 sich geändert hätte, wenn der Einzelne ihm nicht (in rechtswidriger Weise) zugestimmt hätte. War für den Beschluss eine einfache Mehrheit ausreichend und hat sich eine solche mit einer Stimme Mehrheit (etwa 3:2 Stimmen) eingefunden, so kann keine der Ja-Stimmen hinweggedacht werden, ohne dass das Zustandekommen des Beschlusses und damit letztlich des Körperverletzungserfolgs beim Verbraucher entfiele. Haben aber mehr für den Beschluss gestimmt (etwa 4:1) – und ist in dubio pro reo grundsätzlich davon auszugehen, dass die anderen Gremiumsmitglieder sich der weiteren Nein-Stimme nicht angeschlossen hätten –, so kann jede einzelne Ja-Stimme hinweggedacht werden, ohne dass die erforderliche Mehrheit und damit der Beschluss und letztlich der durch seine Ausführung eingetretene Körperverletzungserfolg entfiele. Eine streng angewendete Bedingungstheorie führt also dazu, „dass sich [...] in einer GmbH mit mehreren Geschäftsführern jeder von seiner Haftung allein durch den Hinweis auf die gleichartige und ebenso pflichtwidrige Untätigkeit [zur Verhinderung des Beschlusses] der anderen freizeichnen könnte. Damit bliebe in diesem Bereich für die strafrechtliche Zurechnung tatbestandsmäßiger Schadensfolgen kein Raum – sie wäre stets und in jedem Falle unmöglich.“98 Kein Geschäfts______________

Hoyer, GA 1996, 162), so beruht diese Verwechselung darauf, dass Julius Glaser die Theorie lediglich ausformuliert hat. 94 Vgl. nur Mill, System I, S. 406 ff; zu seiner Bedeutung für die Äquivalenztheorie vgl. auch Bar, Kausalzusammenhang, 6 f. und Haas, Kausalität, S. 149 ff. 95 Buri, Kausalität, S.1. 96 So vor allem die Rechtsprechung: BGHSt. 1, 332 (333), BGHSt. 2, 20 (24), BGHSt. 45, 270 (294 f.), BGH, NJW 2002, 1643 (1644) und BGH, NJW 2004, 237 (238); aus der Literatur: Welzel, Strafrecht, S. 43, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 14 Rn. 19, Michael Köhler, AT, 140, Gropp, AT, § 5 Rn. 15 ff. und Georg Freund, AT, § 2 Rn. 63. Auch im anglo-amerikanischen Raum gilt die conditio-Lehre, die dort als „but-for test“ bezeichnet wird (wonach „the defendant’s fault is a cause of the plaintiff’s harm if such harm would not have occured without (but for) it“), als primäre Kausalitätsprüfung und genießt gar eine generelle Akzeptanz, vgl. John Fleming, Law, S. 219. 97 Es sei nochmals daran erinnert, dass der deliktische Erfolg zwar die Körperverletzung beim Verbraucher etc. ist, zwischen dem Beschluss und der dies bewirkenden Verletzungshandlung durch den den Beschluss Ausführenden aber in derartigen Fällen eine Zurechnung über § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB besteht, so dass es im Rahmen der horizontalen Zurechnung nur auf die Ursächlichkeit des Einzelnen für den zustande gekommenen Beschluss ankommt. 98 BGHSt. 37, 106 (132); vgl. zu dieser Folge auch OLG Stuttgart, NStZ 1981, 27 (28), Beulke/Bachmann, JuS 1992, 742, Teresa Rodriguez Montanés, FS Roxin, 311,

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3. Teil: Folgerungen

führer wäre im Ergebnis vollverantwortlich, obwohl gerade die von allen gemeinsam übernommene Gesamtverantwortung die Grundlage für den gefassten Beschluss war99; es verbliebe nur eine Versuchsbestrafung. Aus vollendeten Straftaten würden alleine durch die Aufteilung der Entscheidungsbefugnisse bloße Versuche.100 Diese auf logischer wie kriminalpolitischer Grundlage „unannehmbare Lösung“101 für das „Problem der kausalen Überbestimmtheit“102 verführte den Bundesgerichtshof zu einem in diesem Zusammenhang viel zitierten „juristischen Evidenzurteil“103: „Dass dies nicht rechtens sein kann, liegt auf der Hand.“104 Dabei dieses „Dilemma“105 aber dogmatisch in den Griff zu bekommen ist, scheiden sich die Geister. Die Anhänger der „Schein“-Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft versuchen es, über die kausalitätsersetzende Zurechnung des § 25 Abs. 2 StGB zu lösen und so jeden als ursächlich anzusehen. Zum gleichen Ergebnis (und eigentlich auf gleicher Argumentation) kommen jene, die statt auf dogmatische Erklärungen auf das „Wesen der Kollektiventscheidung“ abstellen: Für Kollegialentscheidungen sei es geradezu typisch, dass der Einzelne durch seine Eingliederung in das Gremium sich der Möglichkeit begibt, dass seine Stimme allein etwas bewirkt und seine Einzelstimme sich immer wegdenken lässt, ohne dass der Erfolg entfällt.106 An diese gegenüber Individualentscheidungen veränderte Sachlage müssten die strafrechtlichen Bewertungsmaßstäbe angepasst werden, etwa in Form des Grundsatzes „Wenn ein Kollegialorgan eine strafrechtswidrige Maßnahme beschlossen oder durchgeführt hat, ist grundsätzlich jedes Mitglied des Kollegialorgans dafür (mit)verantwortlich.“107 Soweit dieser Grundsatz dahin verstanden wird, dass bereits die Mitgliedschaft im Gremium oder die Beteiligung an der Abstimmung

______________

Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 107 und 122 sowie Bernd-Dieter Meier, NJW 1992, 3197. 99 So den Widerspruch auf den Punkt gebracht von Schmidt-Salzer, Produkthaftung I, Rn. 1.278. 100 Kuhlen, NStZ 1990, 569. 101 Teresa Rodriguez Montanés, FS Roxin, 311. 102 Röckrath, NStZ 2003, 646. 103 Bernd-Dieter Meier, NJW 1992, 3197. 104 BGHSt. 37, 106 (132). 105 Beulke/Bachmann, JuS 1972, 742. 106 OLG Stuttgart, NStZ 1981, 27 (28), Eidam, Unternehmen, S. 174 und SchmidtSalzer, Produkthaftung I, Rn. 1.279. 107 Schmidt-Salzer, Produkthaftung I, Rn. 1.273, 1.279; ähnlich der Leitsatz 3b) von OLG Düsseldorf, NJW 1980, 71: „Wird die Tätigkeit von mehreren in einem Kollektiv ausgeübt, so ist jedes Mitglied für die getroffenen Entschließungen verantwortlich.“

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zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit führe108, unabhängig vom konkreten Abstimmungsverhältnis, würde so eine Zurechnung für die Beteiligten am gemeinsamen Handlungsprojekt „Abstimmung“ kreiert und damit letztlich auch eine fahrlässige Mittäterschaft im Sinne der alten Komplottlehre.109 All diesen Anhängern – ob jene der fahrlässigen Mittäterschaft oder jene vom Wesen der Kollektiventscheidung – gemein ist, dass sie den dogmatischen Ausweg außerhalb der Kausalitätsebene suchen, anstatt sich mit dieser ausreichend zu beschäftigen.

aa) Lösung über die Lehre von der Kausalität in ihrer besonderen Gestalt Das Problem der conditio-Lehre liegt einerseits darin, dass das hiermit verbundene „Eliminationsverfahren“ voraussetzt, dass man bereits aufgrund nicht angegebener Kausalgesetze einen Zusammenhang zwischen dem Erfolg und einer Bedingung ermittelt hat und nun diese einzig zu überprüfen versucht. Dem Einwand, dass hierdurch zirkelschlüssig „gerade das bereits als kausal vorausgesetzt [wird], was als kausal allererst erwiesen werden soll“110, könnte man zwar dadurch umgehen, dass man eingesteht, dass bei der Beurteilung sehr wohl allgemeingültige Kausalgesetze zu Rate gezogen werden, die man jedoch nicht angebe. Zum Zweiten gerät die conditio-Lehre aber aufgrund der mit ihr verbundenen ex post-Betrachtung und der Forderung, die Ursache müsse eine notwendige Bedingung sein111, in die Irre, wenn beim Ausbleiben der rechts______________ 108 OLG Stuttgart, NStZ 1981, 27 (28), OLG Düsseldorf, NJW 1980, 71 und LG Göttingen, NJW 1979, 1558 (1561) selbst für den Fall, dass die Mitglieder mit dem Beschluss nicht übereinstimmen. 109 Vgl. zur Kritik hieran Schmidt-Salzer, Produkthaftung I, Rn. 1.281 ff. und Eidam, Unternehmen, S. 176, die eine Einschränkung dahingehend vornehmen, dass es auf das Motiv des Abstimmenden ankomme, so dass der mit „Ja“ Stimmende sowie der mit „Nein“ Stimmende, den es etwa nur auf Kosten-Nutzen-Erwägungen ankommt, verantwortlich sei, nicht aber derjenige, dem keine „Garantiepflicht zur Verhinderung des strafrechtlich relevanten Erfolgs“ traf oder dem die Verhinderung nicht zuzumuten war. Selbst dies vermag jedoch nicht zu überzeugen, müssen im Rahmen der Erfolgszurechnung im Rahmen des objektiven Tatbestandes bloße Motive strafrechtlich unbeachtlich bleiben (vgl. Barbara Bock, Produktkriminalität, S. 83). Vgl. auch MüKo-StGB/Joecks, § 25 Rn. 218, der darauf hinweist, dass die Verantwortlichkeit aufgrund Zugehörigkeit zu einer Institution Tatbeständen wie § 129 StGB vorbehalten sei. 110 Engisch, Kausalität, S. 16; ähnlich LK/Jescheck, Vor § 13 Rn. 55, MüKoStGB/Georg Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 306, Wessels/Beulke, AT, Rn. 156, SKStGB/Rudolphi, Vor § 1 Rn. 40, Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 74 sowie Wohlers, JuS 1995, 1019. 111 Vgl. NK-StGB/Ingeborg Puppe, Vor § 13 Rn. 88 und Toepel, JuS 1994, 1010. Richard W. Wright, Iowa Law Review 73 (1988), 1021 bezeichnet die conditio-Lehre

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3. Teil: Folgerungen

widrigen Handlung des Täters eine andere, bereitstehende Ersatzursache zum gleichen Ergebnis geführt hätte.112 Während einige aus diesem Grunde die conditio-Lehre ganz aufgeben möchten113, versuchen andere, sie ob ihrer praktischen Handhabbarkeit durch Ergänzungen zu retten. So formuliert die Rechtsprechung in Anlehnung an Spendel114 ein ergänzendes Verbot, hypothetische Kausalverläufe zu berücksichtigen, wonach stets nur von der tatsächlichen Tatsituation auszugehen sei, von der „nichts weggelassen, ihr nichts hinzugedacht und an ihr nichts verändert werden“ darf115. So werden die möglichen Ersatzursachen eingeschränkt und die conditio-Lehre mit einem „pragmatischen Gedanken“ verengt. Je genauer der tatbestandliche Erfolg beschrieben wird, desto weniger Ersatzursachen kommen in Betracht, um zum gleichen Erfolg zu führen. 116 In diesem Sinne wurde die Kausalität nach der früher herrschenden Lehre bestimmt als Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.117 Ursache ist hiernach jedes Verhalten des Täters, das den Verletzungserfolg in seiner konkreten Gestalt beeinflusst hat und nicht nur einen Begleitumstand darstellt. Mit dieser „Variante der Bedingungstheorie“118 lässt sich das Problem der überbedingten Kausalität bei Kollegialentscheidungen auf den ersten Blick hin lösen: Abzustellen wäre nicht darauf, ob auch ohne die Zustimmung eines je______________

daher zu Recht als „the strong-necessity test”, kann eine Bedingung doch nur dann nicht hinweggedacht werden, wenn sie rückblickend notwendig für den Erfolg ist, also eine post factum notwendige Bedingung (zu diesem Begriff Mackie, American Philosophical Quaterly 2 (1965), 248 und Quentin, Kausalität, S. 91). 112 Vgl. LK/Jescheck, Vor § 13 Rn. 55, Jescheck/Weigend, AT, S. 281 f., Ingeborg Puppe, GA 2004, 137, NK-StGB/dies., Vor § 13 Rn. 88, Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 74 und Kühl, AT, § 4 Rn. 11. 113 Ingeborg Puppe bezeichnet die mit der Äquivalenztheorie verbundene Bestimmung der Ursächlichkeit als „logisch falsch“, vgl. NK-StGB/Ingeborg Puppe, Vor § 13 Rn. 88, dies., GA 2004, 137. Ähnlich Erb, JuS 1994, 450, der sie für „ebenso überflüssig wie falsch“ hält, zudem Engisch, Kausalität, S. 16 ff., Jescheck/Weigend, AT, S. 281 ff., Hilgendorf, NStZ 1994, 564, Hoyer, GA 1996, 162 und MüKo-StGB/Georg Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 306. 114 Spendel, Kausalitätsformel, S. 38 und ders., FS Engisch, 515. 115 So zuletzt BGHSt. 49, 1 (4), wenngleich zur Frage rechtmäßigen Alternativverhaltens bei der Fahrlässigkeit; zuvor bereits BGHSt. 10, 369 (370), BGHSt. 13, 13 (14), BGHSt. 24, 32 (34), OLG Stuttgart, NJW 1971, 632 (633) und KG, JR 1964, 370. Vgl. hierzu Kühl, JR 1983, 32 ff. und SK-StGB/Rudolphi, Vor § 1 Rn. 43. 116 Röh, Erklärung, S. 7. 117 So Welzel, Strafrecht, S. 43, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 14 Rn. 10 ff., Blei, Strafrecht I, S. 100 f., Maurach/Zipf, AT 1, § 18 Rn.54, Schmidhäuser, Lb AT, 8/56, Spendel, JZ 1973, 140, Hilgendorf, GA 1995, 515 ff. und Toepel, JuS 1994, 1010; ebenso der österreichische OGH, JBl. 1987, 191 f. zur Lösung der Fälle der Doppelkausalität. 118 Teresa Rodriguez Montanés, FS Roxin, 307 (312).

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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den Geschäftsführers der Beschluss zustande gekommen wäre, sondern ob auch ohne seine Stimme der tatsächlich erfolgte 5:0 Beschluss zustande gekommen wäre. Da ohne seine Zustimmung der Beschluss nur mit 4:1 Stimmen ergangen wäre, bildete die „Ja“-Stimme jedes Geschäftsführers eine notwendige Bedingung für den konkreten Beschluss.119 Solange die „Lehre vom Erfolg in seiner konkreten Gestalt“ aber keine hinreichend klaren Abgrenzungskriterien dafür benennen kann, was ein die konkrete Gestalt beeinflussender Umstand und was ein bloßer Begleitumstand ist und so durch die Konkretisierung des Erfolges jede Bedingung als kausal bezeichnet werden kann (etwa: Erschossen im blauen Zimmer, der Malermeister des Zimmers wird dann kausal für den Erfolg), kann sie der conditio-Formel ihren „Tunnelblick“ nicht nehmen. Die Bedingungsformel schaut auf den Erfolg und ignoriert den dazwischen erfolgten Kausalverlauf. Sie muss daher zwangsläufig genauso versagen, wenn wie in den Kollegialentscheidungsfällen „keine noch so mikroskopisch genaue Beschreibung des Erfolgs mehr zwischen dem Erfolgseintritt in der wirklichen Welt und dem Erfolgseintritt in der hypothetischen Welt zu differenzieren vermag“120.

bb) Lösung über die kumulative und alternative Kausalität Insoweit verwundert es nicht, dass der Bundesgerichtshof in seiner „Lederspray“-Entscheidung nicht auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt abstellte, sondern die Formel bemühte, dass dort, „wo mehrere Beteiligte unabhängig voneinander den tatbestandsmäßigen Erfolg erst durch die Gesamtheit ihrer Handlungsbeiträge herbeiführen, jeder einzelne Beitrag im haftungsbegründenden Sinn ursächlich ist“121. Diese Spielart der Kausalität, die auch als „kumulative Kausalität“ bezeichnet wird122, stellt jedoch keine Modifikation der condi______________ 119

So Heribert Schumann, StV 1994, 110 und Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 14 Rn. 37, der zwar von „kumulativer Kausalität“ spricht, letztlich aber darauf abstellt, dass jedes Mitglied mit einer Ja-Stimme „für den konkret eingetretenen Erfolg, den mit dieser Mehrheit gefassten Beschluss, ursächlich“ sei. 120 Toepel, JuS 1994, 1010; ebenso Rothenfußer, Kausalität, S. 64 f., Röckrath, NStZ 2003, 643 und Dencker, Kausalität, S. 90 f., der weitere Beispiele zum Versagen der „Denkfigur der konkreten Gestalt“ gibt. 121 BGHSt. 37, 106 (130 f.). 122 Die Begrifflichkeiten sind zwar nicht einheitlich, überwiegend wird diese Konstellation aber als „kumulative Kausalität“ bezeichnet, vgl. Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 14 Rn. 37, Wessels/Beulke, AT, Rn. 158, Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 82 und Lackner/Kühl, Vor § 13 Rn.11. Dagegen verwenden einige diesen Ausdruck für die Rechtsfigur, die hier als „alternative Kausalität“ bezeichnet wird, so Barbara Bock, Produktkriminalität, S. 79 und Riss, JBl.

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3. Teil: Folgerungen

tio-Lehre und noch nicht einmal ein besonderes Kausalitätsproblem, sondern vielmehr ein Zurechnungsproblem dar, wie der Schulfall hierzu zeigt: A und B geben unabhängig voneinander dem Opfer O eine bestimmte Giftmenge. O stirbt an den Folgen der Vergiftung. Keine der beiden Giftmengen wäre für sich allein ausreichend gewesen, um den Todeserfolg herbeizuführen. Sowohl die Handlung des A als auch die des B können jeweils nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Tod des O mangels dann tödlicher Menge Gift entfiele. Problematisch ist einzig, ob die objektive Zurechnung jeweils zu verneinen ist aufgrund eines – aus der Sicht eines jeden Täters, der alleine den Tod des Opfers herbeiführen wollte – atypischen Kausalverlaufs.123 Überträgt man diese Grundsätze auf die Kollegialentscheidungsproblematik, so lässt sich dem Bundesgerichtshof insoweit zustimmen, als Beschlüsse nur durch ein Zusammenwirken mehrerer Gremiumsmitglieder zustande kommen können. Bedarf es etwa einer Einstimmigkeit, so liegt eine Kausalität eines jeden Abstimmungsverhaltens nach der conditio-Formel vor, wenngleich in Gestalt der kumulativen Kausalität. Gleiches gilt, wenn der Beschluss mit nur einer Stimme Vorsprung zustande kommt. Fällt die Mehrheit aber deutlicher aus und haben wir einen Fall der „überbedingten Kausalität“, so scheitert die conditio-Lehre wie bereits dargelegt daran, dass jede Stimme weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für den Beschluss und somit letztlich für den eingetretenen Körperverletzungserfolg ist. Bei einer 4:1Abstimmung etwa lässt sich entgegen des Schulbeispiels jede „Ja“-Stimme hinwegdenken, ohne dass der Beschluss (dann eben mit genügenden 3 Stimmen) entfiele. Entgegen auch einiger Literaturstimmen124 lässt sich die Kollegialproblematik alleine mit Hinweis auf eine „kumulative Kausalität“ somit nicht lösen.125 Erblickt man die Problematik eher darin, dass sich bei einer 4:1-Mehrheit vier verschiedene Drei-Stimmen-Mehrheiten konstruieren lassen, um die notwendige Beschluss-Mehrheit zu erreichen – unterstellt die Geschäftsführer A, B, C und D haben für und E gegen den Beschluss gestimmt, so können [A, B, C], [A, B, D], [A, C, D] oder [B, C, D] die drei die notwendige Mehrheit tra______________

2004, 424 f. Fn. 10 sowie der österreichische OGH, JBl. 1987, 191 (192) mit krit. Anm. auch bezüglich der Terminologie von Joerden, JBl. 1988, 432. 123 Zur Bedeutung der kumulativen Kausalität als Zurechnungsproblem anhand des Schulfalls Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 14 Rn. 37, Maurach/Zipf, AT, § 18 Rn. 56, Wessels/Beulke, AT, Rn. 158, Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 83 sowie Kühl, AT, § 4 Rn. 21. 124 Vgl. Roxin, AT I, § 11 Rn.18, Ulrich Weber, BayVBl. 1989, 169 und ders. in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 14 Rn. 37. 125 Ebenso Ingeborg Puppe, JR 1992, 32, Kuhlen, NStZ 1990, 570, Beulke/Bachmann, JuS 1992, 742, Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 83a und Deutsch/Körner, wistra 1996, 333 f.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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genden Stimmen sein – und alle Möglichkeiten durch die Abstimmung gegeben sind, so kann die Lösung der Problematik in der Figur der „alternativen Kausalität“ erblickt werden.126 Als Schulfall dieser Konstellation gilt: A und B versetzen das Essen des O jeweils unabhängig voneinander mit einer jeweils für sich ausreichenden Menge Gift. Beide Giftmengen wirken gleichzeitig, als O es isst und daran stirbt.127 Der Bundesgerichtshof formuliert in derartigen Konstellationen, dass sich die Kausalität eines jeden aus der conditio-Lehre ergebe, da es „gleichgültig“ sei, „ob neben dieser Bedingung noch andere Umstände zur Herbeiführung des Erfolges mitgewirkt haben“128. Auf den Schulfall angewendet bedeutet dies, dass beide Giftmengen gleichzeitig zu wirken begannen und der Tod eingetreten ist, als von jeder Menge eine Hälfte wirkte. Dass von jeder Menge noch eine andere Hälfte vorhanden sei, habe außer Betracht zu bleiben, da es sich hierbei um eine hypothetische Ersatzursache handele. Ursächlich sei also das Zusammenwirken der beiden Giftbeigaben von A und B, so dass über die kumulative Kausalität und damit letztlich unproblematisch über die conditioLehre die Ursächlichkeit der Giftbeimischung sowohl durch A als auch durch B begründet werden könne.129 Doch dies verdeutlicht nur eines, nämlich dass der Schulfall die Problematik der Doppelkausalität gerade nicht umfassend verkörpert.130 Nehmen wir nämlich eine Konstellation, bei der beide für den Erfolgseintritt ausreichende Ursachen auf den gleichen Kausalverlauf einwirken, so wird die eigentliche Problematik deutlich: Die Ware in einem Kühlhaus verdirbt, weil sowohl das Stromkabel beschädigt wurde als auch das Kraftwerk ausfällt.131 Hier wirkt gerade nicht ein Teil jeder Ursache zusammen, sondern stehen beide alternativ nebeneinander. Die conditio-Lehre stößt damit an ihre Grenzen. Aufgrund des kriminalpolitisch unhaltbaren Ergebnisses, dass keine der beiden eingetretenen und an sich ausreichenden Bedingungen ursächlich für den Erfolg wäre, hatte bereits Traeger 1904 formuliert: „Wenn unter den Antecedentien eines Erfolges zwei oder mehrere im Verhältnis zueinander selbständig ______________ 126

So Kühl, AT, § 4 Rn. 20b, Lackner/Kühl, Vor § 13 Rn.11, Ingeborg Puppe, JR 1992, 32, Bernd-Dieter Meier, NJW 1992, 3198 und Sonja Dreher, JuS 2004, 18. 127 Zu diesem Beispiel Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 14 Rn. 38 ff., Maurach/Zipf, AT 1, § 18 Rn. 56, Wessels/Beulke, AT, Rn. 157 sowie Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 82. 128 Vgl. nur BGHSt. 39, 195. 129 Vgl. die in diese Richtung gehenden Argumentationen von Samson, Strafrecht I, S. 20 f. und Wolfgang Frisch, Verhalten, S. 53 Fn. 204. 130 So auch Kuhlen, NStZ 1990, 570 Fn. 70 und Röckrath, NStZ 2003, 645, der zutreffend darauf verweist, dass es sich bei dem Schulfall eher um ein Nichtaufklärungsproblem und damit ein prozessuales Problem handelt. 131 Beispiel nach Röckrath, NStZ 2003, 644.

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3. Teil: Folgerungen

entscheidende Bedingungen sind, d.h. solche, die alle zusammen nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der juristisch bedeutsame Erfolg entfiele, während der Wegfall einer jeden einzelnen den Erfolg jedes Mal unverändert bestehen lassen würde, so gilt jeder dieser Umstände als Bedingung des juristisch bedeutsamen Erfolges, also als Bedingung im Rechtssinne.“132 Diese Ergänzung der conditio-Lehre133, die zwischenzeitlich überwiegend anerkannt ist134, hat sich durch die Arbeit von Max Ludwig Müller135 zur heute gängigen Fassung gewandelt: Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg [in seiner konkreten Gestalt] entfiele, ist jede erfolgsursächlich.136 Wendet man diese Formel auf (erfolgs-überbedingte) Kollegialentscheidungen an, so könnte man sagen: Jede Ja-Stimme einer 4:1-Mehrheit kann zwar alternativ, nicht aber mit den anderen Ja-Stimmen kumulativ hinweggedacht werden, ohne dass der konkret gefasste Beschluss entfiele. Hierbei würde man jedoch den Fehler begehen, die Kurzformel zu sehen und ihren Ursprung ignorieren: Es geht um die Beurteilung von Ursachen, die für sich alleine erfolgsursächlich gewesen wären, die aber mit anderen erfolgswirksamen Bedingungen zusammengetroffen sind. Wesentliches Merkmal einer alternativen Kausalität ist somit, dass jede Einzelbedingung für sich erfolgsursächlich gewesen wäre, wenn sie alleine gewirkt hätte. Gerade dies kann von den einzelnen „Ja“Stimmen jedoch gerade gesagt werden, vermochte doch keine Einzelstimme alleine einen Beschluss zu bewirken. Die Modifikation bei alternativer Kausalität kann somit ebenfalls alleine nicht dazu beitragen, dass die conditio-Lehre die Kollegialentscheidungs-Problematik in den Griff bekommt.137 ______________ 132

Ludwig Traeger, Kausalbegriff, S. 46. Als solche wird sie überwiegend begriffen, obwohl sie den Grundansatzpunkt der conditio-Lehre konterkariert. Die Bedingungslehre verlangt, dass eine Bedingung notwendig für den Erfolg sein muss, um sie als Ursache zu bezeichnen. Bei der Formel der „alternativen Kausalität“ genügt dagegen, dass sie alleine erfolgswirksam gewesen wäre, also eine hinreichende Bedingung ist; eine notwendige Bedingung, ohne die der Erfolg nicht eingetreten ist, ist sie gerade nicht. 134 Kritisch steht ihr einzig Gropp, AT, § 5 Rn. 25a entgegen mit dem Argument, dass unberücksichtigt bliebe, dass sich das Zusammenwirken auf den Erfolg in der Regel auswirken werde. 135 Max Ludwig Müller, Bedeutung, S. 17, der sie aber selbst ablehnte, da sie schon bei überholender Kausalität versage. 136 Diese Modifikation wird etwa vertreten von Welzel, Strafrecht, S. 45, Maurach/Zipf, AT 1, § 18 Rn. 56, Wessels/Beulke, AT, Rn. 157, Kühl, AT, § 4 Rn. 19, Lackner/Kühl, Vor § 13 Rn. 11, Ebert/Kühl, Jura 1979, 568, Krey, AT I, Rn. 271 und Sonja Dreher, JuS 2004, 18. Ob zusätzlich auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt abzustellen ist, wird unterschiedlich gesehen. 137 Ebenso Beulke/Bachmann, JuS 1992, 742, Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 83a, Deutsch/Körner, wistra 1996, 333 f., Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 133

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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Die Schwäche einer Lösung über die kumulative Kausalität liegt also darin, dass verschiedene ausreichende und damit erfolgswirksame Mehrheiten existieren, die den Beschluss hätten herbeiführen können und die allesamt durch die Abstimmung real erfolgt sind – keine Ja-Stimme war eine notwendige Bedingung. Die Schwäche einer Lösung über die alternative Kausalität liegt dagegen darin, dass die Einzelstimmen nur zusammen zu einer Beschlussfassung führen und so erfolgswirksam für die eintretende Körperverletzung werden können. Es drängt sich so gerade ein Lösungsweg auf, der beide Kausalitätsformen miteinander kombiniert138: Bei einer 4:1-Mehrheit etwa existieren vier verschiedene Drei-Stimmen-Mehrheiten, die jede für sich erfolgswirksam gewesen wäre und die zwar alternativ, nicht aber mit den anderen möglichen Drei-StimmenMehrheiten kumulativ hinweggedacht werden kann, ohne dass die Körperverletzung beim Verbraucher, vermittelt durch einen Gremiumsbeschluss und deren Ausführung, entfiele. Jede der Drei-Stimmen-Mehrheiten ist daher ursächlich (alternative Kausalität). Bestandteil der Mehrheiten sind einzelne Stimmabgaben, die zwar nicht alleine, wohl aber kumulativ mit den anderen erfolgsursächlich werden, so dass jede Stimme der Drei-Stimmen-Mehrheiten nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Drei-Stimmen-Mehrheit als Erfolgsursache entfiele; jede „Ja“-Stimme ist folglich ursächlich für den Beschluss und deren Folgen (kumulative Kausalität). So ließe sich grundsätzlich eine Kollegialentscheidung mit überbedingter Kausalität der Einzelstimmen – neben den dargelegten unstreitigen Fällen – kausalitätsdogmatisch erklären und ein kriminalpolitisch erwünschtes Ziel erreichen. Doch einen wesentlichen Makel hat diese Vorgehensweise: Untersucht werden von Anfang an nur diejenigen Drei-Stimmen-Konstellationen, die aus drei „Ja“-Stimmen bestehen, von denen man also vorab weiß oder vermutet, dass diese kausal waren. Insgesamt existieren bei einer 4:1-Mehrheit zehn verschiedene Drei-Stimmen139, bei denen in sechs die Stimme des E enthalten ist, der mit „Nein“ gestimmt hat. Greift man sich aus diesem Pool möglicher Ursachen etwa das Stimmen-Trio [A, B, E] heraus, so kann man von diesem sagen, dass es zwar alternativ, nicht aber kumulativ mit allen anderen StimmenTrios hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, so dass hiernach sogar dieses Trio mit zwei „Ja“- und einer „Nein“-Stimme und damit über einen zweiten Schritt das Abstimmungsverhalten des den Beschluss ablehnenden E als für den Beschluss ursächlich ausgewiesen wird, obwohl eine notwen______________

112 und Nettesheim, BayVBl. 1989, 165. Ausdrücklich anders dagegen Barbara Bock, Produktkriminalität, S. 79 f. mit dem pragmatischen Argument, die conditio-Formel werde ja auch sonst nicht konsequent angewendet. 138 So Röckrath, NStZ 2003, 644. 139 [A, B, C], [A, B, D], [A, B, E], [A, C, D], [A, C, E], [A, D, E], [B, C, D], [B, C, E], [B, D, E] und [C, D, E].

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3. Teil: Folgerungen

dige Drei-Stimmen-Mehrheit für den Beschluss nicht erreicht wird. Dies liegt daran, dass bislang nur die wenigsten bemerkt haben, dass die Max Ludwig Müllersche Formel der alternativen Kausalität versagt, sobald mehr als zwei mögliche Ursachen untersucht werden140: Durch den ersten Schritt (das alternative Hinwegdenken der zu prüfenden Ursache) wird garantiert, dass sich im Pool möglicher Ursachen mindestens eine weitere Ursache befindet, die den Erfolg herbeiführen kann. Gab es von vornherein nur zwei mögliche Ursachen (etwa [A+, B +141]), so ist mit dem Heraussuchen eines Merkmals (A+) belegt, dass die andere Ursache (B+) auch alleine erfolgswirksam gewesen wäre. Befinden sich aber mehrere mögliche Ursachen im Pool, etwa zwei Ursachen und eine Nicht-Ursache (also [A+, B+, C-]), so bekommt man mit dem Heraussuchen und Wegdenken eines Merkmals (etwa A+) nur die Erkenntnis, dass von den verbleibenden möglichen Ursachen zumindest eine auch alleine erfolgsursächlich gewesen wäre. Man weiß aber nicht, wie viele der verbliebenen möglichen Ursachen hierzu in der Lage gewesen wäre. Durch den zweiten Schritt (das kumulative Hinwegdenken aller möglichen Ursachen) erfährt man dann nur, dass es außerhalb des gebildeten Pools möglicher Ursachen keine weitere Bedingung gibt, die alleine erfolgsursächlich gewesen wäre. Welche der möglichen Ursachen aber tatsächlich alleine erfolgsursächlich gewesen wäre, erfährt man nicht. Dies sei mit der Prüfung des Merkmals Cgezeigt, das selbst nicht erfolgsursächlich gewesen wäre: Man kann C- in einem ersten Schritt alleine hinwegdenken, ohne dass der Erfolg entfiele, da sich im „Ursachenpool“ noch A+ und B + befinden, die den Erfolg herbeiführen können. In einem zweiten Schritt kann C- mit A+ und B + auch nicht kumulativ hinweggedacht werden, da so auch A+ und B+ als erfolgsursächliche Umstände hinweggedacht werden und der Erfolg so entfiele. Würde man die Formel auf C- anwenden, so käme man zum Ergebnis, dass C- zwar alternativ, nicht aber kumulativ mit A+ und B+ hinweggedacht werden kann, so dass C- hiernach für sie erfolgsursächlich sein müsste. Dies trifft aber real nicht zu. Sobald also mehr als nur zwei Umstände erfolgsursächlich gewesen sein können, würde mit der Kombination alternativer und kumulativer Kausalität also selbst jede Nichtursache zur Ursache erhoben. Auf diesem Wege lässt sich das Kausalitätsproblem damit auch nicht lösen, so dass endgültig das Scheitern der conditioFormel und ihrer Modifikationen verkündet werden muss.

______________ 140

Aufgefallen ist dies bislang NK-SGB/Ingeborg Puppe, Vor § 13 Rn. 88, Toepel, JuS 1994, 1011 und Teresa Rodriguez Montanés, FS Roxin, 312. 141 Das „+“-Zeichen sei hier als Kennzeichen dafür gewählt, dass dieses Merkmal auch alleine den Erfolg herbeigeführt hätte.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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cc) Lösung über die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung Dieses Scheitern liegt maßgeblich daran, dass bei der conditio-Lehre der schadensträchtige Kausalverlauf nur in seinem Anfangs- und Endpunkt betrachtet wird: Wie ein Zug, der in einen Tunnel hereinfährt und am anderen Ende wieder herauskommt. Existieren im Tunnel mehrere Gleise, so tritt voraussehbar die Schwierigkeit auf, dass nicht gesagt werden kann, welche Gleise der Zug beschritten hat, um den Tunnelausgang zu erreichen. Diese vorprogrammierte Schwierigkeit in der Kausalitätsbeurteilung lässt sich nur dann umgehen, wenn man den Zug auf seiner gesamten Fahrt begleitet.142 Diese Intention steckt hinter der von Engisch in seiner Kritik an der conditioFormel entwickelten Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung, wonach ein Verhalten sich dann als ursächlich für einen Erfolg erweist, „wenn sich an jenes Verhalten als zeitlich nachfolgend Veränderungen in der Außenwelt angeschlossen haben, die mit dem Verhalten und untereinander in ihrer Aufeinanderfolge (natur-)gesetzmäßig verbunden waren“143. Der Kausalverlauf wird hiernach mit aufzustellenden, allgemeinen Gesetzen und Erfahrungssätzen rekonstruiert und ermittelt, ob hierin das zu beurteilende menschliche Verhalten eine Ursache bildete, von dem aus über die Gesetzmäßigkeiten der schadensträchtige Verlauf zum Erfolg gelangte. So können nicht nur Anfangs- und Endpunkt durch eine Gesetzmäßigkeit verknüpft und einbezogen werden, sondern auch der Weg dahin über die einzelnen Zwischenstationen und so eine Kausalkette beschrieben werden, deren Bestandteile Erfolgsbedingungen darstellen.144 Entsprechend dem deduktiv-nomologischen Erklärungsmodell der Wissenschaftstheorie (dem Hempel/Oppenheim-Schema145) lässt sich so das allgemeine Gesetz formulieren „immer wenn die Bedingungen [a, b, c, d, ...] gegeben sind, dann tritt E ein“ mit der Folge, dass [a, b, c, d, ...] Bedingungen des Erfolges sind, sofern sich alle Bedingungen der Ursachenkette in der Realität finden.146 ______________ 142

Der plastische Tunnelvergleich wurde von MüKo-StGB/Georg Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 313 ersonnen. 143 Engisch, Kausalität, S. 21 ff.; ähnlich Roxin, AT I, § 11 Rn. 14, Jakobs, AT, 7/12, LK/Jescheck, Vor § 13 Rn. 56, Jescheck/Weigend, AT, S. 283, SK-StGB/Rudolphi, Vor § 1 Rn. 41, Kühl, AT, § 4 Rn. 22 ff., Wessels/Beulke, AT, Rn. 168a, Samson, Kausalverläufe, S. 31 ff., Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 75 und Erb, Alternativverhalten, S. 53. 144 Vgl. zu diesem Unterschied Ingeborg Puppe, ZStW 92 (1980), 889 und MüKoStGB/Georg Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 313. 145 Vgl. nur Hempel, Aspekte, S. 5 ff. 146 Auf diese Parallele der Erklärungsmodelle weisen auch hin Sofos, Mehrfachkausalität, S. 107 und Haas, Kausalität, S. 156.

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3. Teil: Folgerungen

Hiermit wird jedoch nur eine „Anleitung zur Feststellung von Kausalität“147 gegeben. Ihre Vertreter gestehen schließlich selbst ein, dass auch mit dieser Formel die reale Kausalität nicht ermittelt werden kann.148 Dies erscheint auf den ersten Blick verständlich, können naturwissenschaftliche Zusammenhänge doch nur mit Experimenten bestätigt werden149, so dass die Kausalitätsfeststellung in Fällen problematisch wird, wenn der Wirkzusammenhang im Einzelnen unbekannt ist. Dies war etwa in der Lederspray-Entscheidung eine ungeklärte Frage, insoweit nicht ermittelt werden konnte, aufgrund welcher Wirkweise das Lederspray die Gesundheitsschäden verursachte. Da es dem Menschen aber nie gelingen wird, jeden einzelnen Aspekt der Ursachenkette bis ins kleinste Detail zu ermitteln, werden alle aufgestellten gesetzmäßigen Beziehungen Hypothesen bleiben; „mehr als gut bewährte Hypothesen kann die Jurisprudenz in keinem Fall erwarten“150. Was sie aber erwarten kann ist die Rückführung des allgemeinen Gesetzes auf ein logisches Bedingungsverhältnis, so dass nur unter Hinweis auf eine dem Erkenntnisstand nach mögliche gesetzmäßige Beziehung eine Ursache ermittelt werden sollte. Etwa ließe sich die Bedingung aufstellen, dass jedes Mal, wenn in einem blauen Raum jemand eine geladene Pistole auf einen menschlichen Kopf abfeuert, dieser Mensch stirbt. An diesem Satz wird niemand zweifeln. Dennoch wird keiner behaupten, das Element „blaues Zimmer“ und damit das Anstreichen durch den Maler M sei eine Ursache für den Tod des Opfers. Dies zeigt die Manipulierbarkeit, die nur mit einem festen logischen Zusammenhang als Grundlage jedes allgemeingültigen Gesetzes vermieden werden kann. Ein derartiges Bedingungsverhältnis sucht man in Engischs Formel vergebens.151 Diese Unzulänglichkeit versuchen die Anhänger dieser Lehre damit zu überspielen, dass sie Engisch nicht nur in dem oben zitierten Teil seiner Formel folgen, sondern auch in jenem bislang verschwiegenen Zusatz, dass das menschliche Verhalten und die sich nachfolgend angeschlossenen gesetzmäßigen Veränderungen „ausgemündet sind in irgendeinen Bestandteil des konkreten Sachverhalts, der dem Strafgesetze gemäß als Erfolg abgegrenzt ist“152. Wie bei der conditio-Formel wird also die Manipulationseinschränkung im Erfolg in ______________ 147

Röh, Erklärung, S. 12. Roxin, AT I, § 11 Rn. 14. 149 Roxin, AT I, § 11 Rn. 14 und Engisch, Kausalität, S. 21. 150 Hilgendorf, Produzentenhaftung, S. 124; vgl. auch Hassemer, Produktverantwortung, S. 32 ff., der allerdings von einer gefährlichen Reduktion der Strafbarkeitsvoraussetzung Kausalität spricht, wenn statt eines Nachweises die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Ablaufs ausreichen soll. 151 Zu dieser Kritik NK-StGB/Ingeborg Puppe, Vor § 13 Rn. 29, dies., GA 1994, 302 f. und Röckrath, NStZ 2003, 642. 152 Engisch, Kausalität, S. 21. 148

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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seiner konkreten Gestalt und – beruhend auf der Begleitung des Zuges im Tunnel – darüber hinaus im konkreten Kausalverlauf erblickt.153 Dass unter dieser Prämisse die Kausalitätsprobleme bei der Kollektiventscheidung „durch eine konsequente Anwendung der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung ohne weiteres zu lösen“ sein soll154, verwundert – unter Berücksichtigung des Umstandes, dass auf gleichem Wege eine Lösung über die conditio sine qua nonFormel mit der Ergänzung des Erfolgs in seiner konkreten Gestalt möglich ist – nicht: Jede Ja-Stimme ist gesetzmäßig verbunden über den 4:1-Beschluss mit der Körperverletzung beim Verbraucher.155 Gleiches lässt sich über den Maler sagen, der das Zimmer blau angestrichen hat, vermittelt über den Todesschuss im blauen Zimmer. Je nachdem welche Elemente man dem konkreten Erfolg und konkreten Sachverhalt beimengen möchte, um deren Kausalität nachzuweisen, bestätigt die Formel das Ergebnis – als kausal ausgewiesen wird eben nicht nur, wer den Erfolg mit verursacht hat, sondern auch, wer die konkrete Gestalt des Erfolges in irgendeiner Weise verändert hat. Vor diesem Hintergrund kann das Abstellen auf einen konkreten Sachverhalt nicht überzeugen. Es verbleibt vielmehr beim Grundgerüst der gesetzmäßigen Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Mit dieser alleine ist es aber unmöglich, die Kausalitätsproblematik bei Kollegialentscheidungen lösen. Dies verdeutlicht nicht zuletzt die Vorgehensweise von Bettina Weißer, die sich mit einem Dreischritt an das Problem tastet156: Wenn Täter A dem Opfer eine Menge x eines Giftes gibt, die Hälfte aber genügt, sei seine Giftbeimengung gesetzmäßig mit dem Tod verbunden. Würden die jeweiligen (für sich ausreichenden) Giftmengen 1/2 x von zwei verschiedenen Tätern unabhängig beigemengt, ändere dies an dem naturgesetzlichen Zusammenhang zwischen der Giftmenge x und dem Verletzungserfolg nichts. Ein Kausalverlauf verliere – so führt Hilgendorf ergänzend aus – eben nicht seine Gültigkeit, nur weil nebenher ein anderer läuft.157 Zieht man statt des Giftbeispiels für die Doppelkausalität das Beispiel des unterbrochenen Stromkreises durch einen Fehler in der Stromleitung und das Ausfallen des Kraftwerkes heran, so entfällt diese Argumentationsweise bereits, da hier keine Kausalverläufe nebenher laufen, sondern zwei Ursachen hintereinander im Rahmen des gleichen Kausalverlaufs. Dies zeigt bereits die Fragwürdigkeit einer derartigen Begründung. Wandelt man schließlich in einem dritten Schritt das Giftbeispiel dahingehend ab, dass drei Täter ______________ 153 Auf die konkrete Gestalt stellen ab Jescheck/Weigend, AT, S. 283, Maurach/Zipf, AT 1, § 18 Rn. 54, Samson, Kausalverläufe, S. 30 ff., Sch/Schr/Lenckner, Vor §§ 13 ff. Rn. 80 und Ebert, JR 1982, 422. 154 Hilgendorf, NStZ 1994, 566. 155 In diese Richtung Beulke/Bachmann, JuS 1992, 743 und Barbara Bock, Produktkriminalität, S. 81. 156 Zum Folgenden Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 114 f. 157 Hilgendorf, NStZ 1994, 564.

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3. Teil: Folgerungen

jeweils 1/3 x dem Opfer beimengen, wobei auch hier 1/2 x ausgereicht hätte, so fällt eine gesetzmäßige Kausalitätsbestimmung schwer. Man kann zwar das allgemeine Gesetz formulieren „Wenn jemand drei Portionen von 1/3 x eines Giftes zu sich nimmt, von dem 1/2 x zum Tode führt, so stirbt er“ und aus diesem Grunde jede Giftbeimischung als Teil einer gesetzmäßigen Ursachenkette und damit als ursächlich ansehen. Denken wir aber etwa 1/3 x durch den Täter A aus der Gesetzmäßigkeit weg, so bleibt das Gesetz gültig. Mit anderen Worten: Keine einzelne Giftbeimischung ist notwendiger Bestandteil des Kausalitätsgesetzes, sondern erscheint als überflüssige Nicht-Ursache. Wir wären keinen Schritt weiter als zu Anfang und müssten uns wieder mit Argumenten wie „Aber zwei Ja-Stimmen brauchen wir doch“158, „Sollte man sich nun tatsächlich entscheiden müssen, wessen Giftmenge als nicht erfolgsursächlich ausgeschieden werden kann?“159 oder „It would be idiotic for the victim to be denied redress while each defendant was endlessly shifting the blame to the other; moreover it would be whimsical if a fully sufficient cause did not qualify when a less than sufficient cause does“160 begnügen. Mit der Formel von der gesetzmäßigen Bedingung ist damit nur der Ausgangspunkt beschrieben, ein allgemeines Gesetz mit Ursachenelementen aus der Realität zu formulieren. Wie dies zu formulieren ist, ist als logischer Bedingungszusammenhang auf die Lehre erst noch aufzusetzen.

dd) Lösung über die Lehre von der Inus-Bedingung Ausgangspunkte eines derartigen logischen Bedingungsverhältnisses gibt es zweierlei, die es zu kombinieren gilt: Zum einen müssen wir erkennen, dass es „die Ursache“ nicht gibt. Verabreicht A dem B eine tödliche Menge Gift, so verursacht nicht dies allein den Tod des B, sondern zusammen mit dem Umstand, dass im Organismus des B eine ausreichende Menge an Gegengift nicht vorhanden ist.161 Oder wenn jemand eine brennende Zigarette in einen Mülleimer wirft und ein Feuer entsteht, so ist nicht das Wegwerfen der Zigarette einzige Ursache, sondern es bedarf zugleich des Vorhandenseins ausreichenden Brennmaterials sowie einer ausreichenden Menge an Sauerstoff.162 Unter einer „Ursache“ ist daher – wie es erstmals die zentrale Idee der Arbeiten von Hume163 und Mill164 war, die dann maßgeblich von Marc-Wogau165 und Mackie166 ______________ 158

Vgl. Sofos, Mehrfachkausalität, S. 110. Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 115. 160 John Fleming, Law, S. 222. 161 Vgl. Marc-Wogau, Theoria 28 (1962), 222. 162 Vgl. Binns, Inus-Bedingung, S. 64. 163 Hume, Treatise, S. 375 ff. 159

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weiterentwickelt worden ist – stets nur ein Komplex von Bedingungen zu verstehen, die erst zusammen hinreichend dafür sind, den Erfolg herbeizuführen, so dass – in deutscher Strafrechtsterminologie – „immer von kumulativer Kausalität gesprochen werden kann“167. Jedes allgemeine Gesetz, das wir beschreiben, enthält daher zwingend eine Ursachenkette, deren Bestandteil das zu untersuchende Verhalten ist. Zum Zweiten würde zwar ein allgemeines Gesetz zur Beschreibung des Zusammenhangs zwischen „Ursache“ und Wirkung all jene Bedingungen auflisten, die zusammen zum Erfolg führen. Hierbei darf aber kein Aspekt enthalten sein, der für den Ursachenverlauf überflüssig ist168, wie etwa dass das Zimmer, in dem die Abstimmung statt fand, blau ist. Nur so lässt sich der Fehler in der Kausalitätsbestimmung mit der allgemein gehaltenen Lehre von der gesetzmäßigen Bestimmung vermeiden, dass eine Nicht-Ursache zur Ursache erhoben wird, indem sie als Teil der Gesetzmäßigkeit behauptet und dann nur als solche bestätigt wird. Für diesen Reduzierungsakt erlangt die conditio sine qua nonFormel wieder Bedeutung. Ihre zentrale Funktion besteht gerade im rein negativen Ausscheiden von Faktoren, die für den Ausgang des Ablaufs keine Bedeutung haben.169 Dies macht es ihr wie dargelegt zwar schwer, eine positive Kausalerklärung zu geben. Scheidet man mit ihr einen zu untersuchenden Faktor aus allen Faktoren „unserer Welt“ heraus, existieren logischerweise eine Vielzahl bereitstehender möglicherweise relevanter Ersatzursachen, unter denen nicht differenziert werden kann. Geht man aber von vornherein nicht von einer Erklärung unter allen Faktoren der Welt aus, sondern bildet zunächst ein allgemeingültiges Kausalgesetz bestehend aus einer Vielzahl einen bestimmten Erfolg zusammen bedingender Faktoren, so können mit der Differenzierungsmethode der conditio-Formel aus der Ursachenkette diejenigen Elemente herausgefiltert werden, die für das allgemeingültige Gesetz „immer wenn [a, b, c, d, ...] dann Erfolg E“ auch wirklich notwendig sind. Eine ursächliche Bedingung ist so der nicht hinweg zu denkende und damit notwendige Teil einer Ursachenkette, die durch das Zusammenwirken ihrer Elemente hinreichend ist, den Erfolg herbeizuführen. Oder in der Terminologie von Ingeborg Puppe170: „Die Einzelursache ist ein notwendiger Bestandteil ______________ 164

Mill, System I, S. 387 ff. Marc-Wogau, Theoria 28 (1962), 213 ff. 166 Mackie, Cement, S. 29 ff. und ders., American Philosophical Quaterly 2 (1965), 245 ff. 167 Jakobs, AT, 7/20. 168 Ingeborg Puppe, ZStW 92 (1980), 876, NK-StGB/dies., Vor § 13 Rn. 96a und dies., GA 2004, 138. 169 John Fleming, Law, S. 220. 170 NK-StGB/Ingeborg Puppe, Vor § 13 Rn. 96 und dies., GA 1994, 303. 165

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einer nach allgemeinen empirischen Gesetzen hinreichenden [...] Mindestbedingung171“. Derartige allgemeine Gesetze hinreichender Mindestbedingungen existieren vielfach: Wenn ein Opfer aufgrund eines Flugzeugabsturzes stirbt, kann dies an einem Absturz aufgrund eines Triebwerkschadens, eines Pilotenfehlers oder einer Bombe liegen. Zum Standardwissen der Kausalitätslehre gehört hierbei, dass ein Terrorist, der eine Bombe an Bord des Flugzeugs gezündet hat, sich nicht damit herausreden kann, das Flugzeug sei aufgrund eines Triebwerkschadens eh in den nächsten Minuten abgestürzt. Dieses Verbot hypothetischer Kausalverläufe172, das bei der reinen conditio-Lehre hinzugefügt und zum Teil mit dem Erfordernis des Erfolgs in seiner konkreten Gestalt teuer erkauft werden muss, lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse leicht erklären: Der Unterschied der tatsächlichen Ursachenkette (Bombe zünden) zur hypothetischen Ursachenkette (Absturz durch Triebwerksschaden) liegt darin, dass in letzterer mindestens ein Element enthalten ist, das sich in der Realität so nicht abgespielt hat, also nicht wahr ist (es hat durch die vorherige Bombenexplosion nie einen Triebwerksschaden gegeben).173 Diese Erkenntnis vervollständigt schließlich unsere Kausalitätsformel: „Die Einzelursache ist ein notwendiger [und wahrer] Bestandteil einer nach allgemeinen empirischen Gesetzen hinreichenden und wahren Mindestbedingung“174 oder kurz: eine Bedingung im Sinne vom – im angloamerikanischen Raum hierfür kursierenden Begriff – „NESS-test“: „Necessary Element of a Sufficient Set“175. Dieses Verfahren ist vor allem von Knauer „vehement“ kritisiert worden176, da durch die Bildung von Mindestursachen, bei der bestimmte Faktoren he______________ 171

Urheber des Begriffs „hinreichende Mindestbedingung“ bzw. im Englischen „minimal sufficient condition“ ist wohl Marc-Wogau, Theorie 28 (1962), 224, er ist von Ingeborg Puppe nur ins Deutsche übertragen worden. 172 Zu ihnen sowie zu weiteren Beispielen Roxin, AT I, § 11 Rn. 22 f., Wessels/Beulke, AT, Rn. 161 f., Kühl, AT, § 4 Rn. 11 ff. und Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 80 f. 173 NK-StGB/Ingeborg Puppe, Vor § 13 Rn. 101und Osnabrügge, Beihilfe, S. 83 f. 174 NK-StGB/Ingeborg Puppe, Vor § 13 Rn. 96, dies., FS Spendel, 457, dies., Jura 1997, 415 und dies., GA 2004, 138; zustimmend Hilgendorf, Jura 1995, 516, Kindhäuser, GA 1982, 485 ff., Joachim Vogel, Norm, S. 150, Altenhain, GA 1996, 21, Osnabrügge, Beihilfe, S. 81 f., Teresa Rodriguez Montanés, FS Roxin, 313 f. und Sofos, Mehrfachkausalität, S. 109. Vgl. auch Koriath, Grundlagen, S. 423 ff., der aber die Ursache aufgrund eines Fehlverständnisses nur als Teil der INUS-Bedingung sieht, hierzu Binns, Inus-Bedingung, S. 76 f. 175 Die Begrifflichkeit stammt von Richard W. Wright, Iowa Law Review 7 (1988), 1019; auf diese stellen – vor allem in Fällen der Doppelkausalität – auch ab Hart/Honoré, Causation, S. 124, John Fleming, Law, S. 222 und Röckrath, NStZ 2003, 641 ff. 176 So seine eigene Einschätzung, vgl. Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 197.

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rausgegriffen werden aus jenen der Welt und mit ihnen eine Unterklasse von Faktoren gebildet wird, ebenso verfahren werde wie bei der Lehre vom Erfolg in seiner konkreten Gestalt: Es würden Faktoren vorher festgelegt und als kausal vorausgesetzt, um ihre Ursächlichkeit dann mit der Kausalitätsbestimmung zu bestätigen.177 Der Einwand zeigt jedoch nur, dass einige Autoren das Verfahren noch nicht logisch durchdrungen haben: Bei der Einschränkung möglicher Ursachen durch eine Konkretisierung des Erfolgs im Sinne der Lehre vom Erfolg in seiner konkreten Gestalt wird durch die Erfolgsbeschreibung gerade über jenen Umstand entschieden, dessen Kausalität man später zeigen will. Bei der Lehre von der notwendigen Mindestbedingung wird dagegen keine beliebige Konkretisierung vorgenommen, sondern es wird unter Berücksichtigung naturwissenschaftlicher Gesetze eine Hypothese über den Kausalverlauf aufgestellt – wie anderswo in der Wissenschaft auch – und an der Realität gemessen. Diese bildet den Gradmesser für die Differenzierung zwischen Mindestursache und Reserveursache, indem bei der hypothetischen Reserveursache mindestens ein Element der Ursachenkette sich in der Realität, wie sie tatsächlich abgelaufen ist, nicht finden lässt. Hier liegt der entscheidende Vorteil dieser Lehre, indem alle Zwischenschritte zum Erfolg mit hinreichender Genauigkeit in der Hypothese angegeben und überprüft werden.178 Unter einem so verstandenen logischen Bedingungsverhältnisses reduziert sich (wegen der sowieso gegebenen Zusammenwirkung mehrerer Einzelursachen) die Problematik überbedingter Kausalerfolge bei Kollegialentscheidungen auf jene der alternativen Kausalität und damit auf eine Frage, die bei der Formelbildung stillschweigend mit bejaht worden ist: Handelt es sich wirklich bei jedem notwendigen Bestandteil einer hinreichenden und wahren Mindestbedingung um eine „Einzelursache“ (auch INUS-Bedingung genannt, als Kurzform für „an insufficient but necessary part of a condition which is itself unnecessary but sufficient fort he result“179), selbst wenn weitere wahre, hinreichende Mindestbedingungen vorhanden sind? Die Fälle alternativer Kausalität sind hierbei in zwei Konstellationen denkbar: Zum einen können die verschiedenen hinreichenden und wahren Mindestbedingungen jeweils voneinander völlig differenzierte Elemente enthalten, etwa [a, b, c] und [d, e, f]. Zum anderen können in den Ursachenketten einzelne Elemente sich überschneiden, etwa [a, b, c] und [a, d, e]. Quentin hat hierfür die Begriffe „umfassend alternativ strukturierte Kausalität“ und „teilweise ______________ 177 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 197; ebenso Dencker, Gesamttat, S. 113 f. und Erb, JuS 1994, 452. 178 Zu dieser Gegenkritik Ingeborg Puppe, GA 2004, 140, Osnabrügge, Beihilfe, S. 83 und Sofos, Mehrfachkausalität, S. 113. 179 Mackie, American Philosophical Quaterly 2 (1965), 245.

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3. Teil: Folgerungen

alternativ strukturierte Kausalität“ geprägt.180 Im zweiten Fall hat sich das in jeder hinreichenden und wahren Mindestbedingung auftretende Element (im Beispiel „a“) als notwendig nicht nur für die Komplettierung jeder hinreichenden und wahren Mindestbedingung erwiesen, sondern gar als „necessary condition post factum“181 für den Erfolg. Dieses Element ist zweifelsohne ursächlich für den Erfolg. Man könnte vom herkömmlichen Verständnis der Ursache als notwendigem Kriterium für den Erfolg gar formulieren: „cause of a certain individual event β [...] is another individual event α which is a moment in a minimal sufficient and at the same time necessary condition post factum for β“.182 Jedes nicht in allen Mindestursachen auftauchende Element (etwa „b”) müsste dagegen im Zweifel als nicht ursächlich betrachtet werden, kann doch sowohl [a, b, c] als auch [a, d, e] mit ihren Elementen die Ursache gewesen sein. Das gleiche Problem stellt sich im ersten Fall alternativer Kausalität, bei dem ja kein Element mehrfach vertreten ist.183 Auf den ersten Blick scheint gegen dieses Ergebnis nur das Argument zu sprechen, dass ein Freispruch aller doch nicht gerecht sei. Aber es ist mehr als nur unser Verständnis von der Verantwortlikeit der Beteiligten. Ergibt sich nämlich aufgrund einer Vielzahl experimenteller Versuche, dass es zwei Ursachen für eine bestimmte Wirkung gibt, und können wir nicht eine isolieren, „so müssen die verschiedenen Antecedentien vorläufig als unterschiedene Ursachen angesehen werden, wovon eine jede für sich hinreicht, die Wirkung hervorzubringen“184. Ein gutes Beispiel hierfür liefert das Licht: Die Physiker können in einigen Versuchen zeigen, dass das Licht aus Wellen besteht, während andere das Gegenteil beweisen und auf Teilcheneigenschaften hindeuten, obgleich beides sich nach bisherigem Kenntnisstand ausschließt. Solange die Wissenschaft aber nicht voranschreitet, wird man in jedem Buch lesen können, dass das Licht sowohl Wellen- wie auch Teilcheneigenschaften hat185 – die Wissenschaft weiß es nicht besser. Nun kann man freilich vorbringen, dies für den strafrechtlichen Kausalitätsnachweis zu verwenden, bringt die Unsicherheit mit, jemanden für ein Verhalten zu bestrafen, obwohl dies nur höchstwahrscheinlich zum Erfolg führte und ______________ 180

Quentin, Kausalität, S. 88. Dieser Begriff stammt ebenfalls von Marc-Wogau, Theoria 28 (1962), 226 f. 182 Marc-Wogau, Theoria 28 (1962), 226 f.; ebenso Mackie, American Philosophical Quaterly (1965), 248. 183 Für einen Freispruch plädieren in derartigen Fällen daher Mackie, Cement, S. 47 sowie speziell bei den Kollegialentscheidungsfällen Quentin, Kausalität, S. 91. 184 Mill, System I, S. 513. 185 Vgl. nur Bertelsmann Universal Lexikon, 2001, S. 532. 181

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sich so auf ein bloßes Wahrscheinlichkeitsurteil zu beziehen186, das der Risikoerhöhungslehre nahe kommt. Doch der Rechtswissenschaft muss nicht nur eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit an Wissen ausreichen angesichts der Unfähigkeit des Menschen, Naturvorgänge bis ins Kleinste zu erklären. Es streitet noch mehr für die Lösung der Ursächlichkeit jeder Mindestbedingung: Etwa die Ursachenkette [a, b, c] hat sich wie [d, e, f] in der Welt ereignet und jede führt nachweislich, nicht nur wahrscheinlich, zum Erfolg E, der auch tatsächlich erfolgt ist. Oder anders ausgedrückt: Naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten belegen, dass sowohl der Erfolg E1 (durch [a, b, c]) wie auch der Erfolg E2 (durch [d, e, f]) eingetreten sein müssen und eingetreten sind, der Erfolg E also vielfach. Daran ändert nichts dadurch, dass E1 und E2 zur selben Zeit eingetreten sind. Oder anders ausgedrückt: Ist E1 die Wirkung von [a, b, c] und E2 die Wirkung von [d, e, f], so werden, insoweit wir für die Ursächlichkeit nur eine Gesetzmäßigkeit zwischen Ursache und Wirkung nachweisen müssen, von denen sowohl die Elemente der Ursache wie jener der Wirkung real sind, die Gesetze [a, b, c]→ E1 und [d, e, f] → E2 nicht deswegen unwahr, weil E1 = E2.187 Keine der beiden Ursachenketten stellt schließlich eine bloß hypothetische Ersatzursache dar, bei der mindestens ein Element unwahr ist – alle Elemente (a, b, c, d, e, f) sind wahr. Eine Naturerscheinung kann also durchaus mehrere Ursachen haben kann. Von der rein wissenschaftlichen Methodik her sind bei der alternativen Kausalität somit beide Ursachenketten „Ursachen“ im rechtlichen Sinne. Dann sind aber auch alle notwendigen Bestandteile einer hinreichenden und wahren Mindestbedingung kausale Bedingungen für den Eintritt des Erfolges, obgleich sie für den Erfolg nicht notwendig sind. Hier liegt gerade der elementare Unterschied zur conditio-Lehre. Während bei dieser die Einzelursache für den Erfolg notwendig sein muss, muss sie nach der hier vertretenen Ansicht nur notwendig sein, um andere Bedingungen zu einer hinreichenden Mindestbedingung zu ergänzen, die selbst – da es mehrere Ursachen geben kann – für den Erfolg nicht notwendig sein muss. Dies vermeidet nicht nur, dass es sich der Formel von der INUS-Bedingung um nichts weiter handelt als die „alt-ehrwürdige conditio-Formel, die in ein zugegebenermaßen attraktives Wortspiel gekleidet wurde“188, sondern lässt die Problematik überbedingter Kausalverläufe logisch ______________ 186

So ausdrücklich der Vorwurf von Toepel, JuS 1994, 1012. So bereits RGSt. 19, 141 (145): „Denn daraus, dass schon eine Ursache für die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges genügende Wirksamkeit entfaltet, folgt nicht, dass daneben eine hierzu ebenfalls ausreichende starke Ursache nicht gleichfalls in Wirksamkeit getreten sein könnte.“ 188 So der Vorwurf von Samson, FS Rudolphi, 262, der aber nur zutreffen würde, wenn man Mackie auch in der Frage der alternativen Kausalität folgen würde. Schlägt man dagegen den hier aufgezeigten Weg ein, braucht man sich von dieser Formel nicht 187

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3. Teil: Folgerungen

in einer Weise lösen, die unserem intuitiven Kausalitäts- und Gerechtigkeitsverständnis entspricht. Auf die Fälle mit mehr als notwendiger Mehrheit getroffener Kollegialentscheidungen angewandt ergibt sich folgendes: Bei einem 4:1-Beschluss, deren Ausführung zu einer Körperverletzung beim Verbraucher führt, können wie oben dargelegt vier verschiedene „Ja-Stimmen-Trias“ gebildet werden, die Stimmen der den Beschluss befürwortenden Geschäftsführer A, B, C und D enthalten: [A, B, C], [A, B, D], [A, C, D] und [B, C, D]. Es existieren damit vier verschiedene, alternativ wirkende hinreichende (und wahre) Mindestbedingungen für den rechtswidrigen Beschluss, der eine Mehrheit von mindestens drei Stimmen verlangt. Jede einzelne Bedingung innerhalb der Ursachenketten ist wahr und kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Ursachenkette aufhört, für den Erfolg hinreichend zu sein. Es kann so der Satz aufgestellt werden [A, B, C] → E1 mit E1 = Beschluss, der durch seine Ausführung kausal zur Körperverletzung beim Verbraucher führt. Dieser Satz verliert seine Gültigkeit nicht dadurch, dass [A, B, D] → E2 mit E1 = E2. [A, B, D] stellt nur wie die anderen beiden Trias eine weitere „Ursache“ dar, nicht eine bloße Ersatzursache. Da aber die Stimme des A ein notwendiger Bestandteil der „Ursache“ [A, B, C] ist, ist seine Stimme (wie die eines jeden mit „ja“ stimmenden Geschäftsführers) eine ursächliche Bedingung für den Eintritt von E1 und ist sein Abstimmungsverhalten also kausal für den Beschluss und letztlich die Körperverletzung beim Verbraucher geworden.189

b) Einschränkung nach den Grundsätzen objektiver Zurechnung Mit der reinen Kausalität des Abstimmungsverhaltens des Einzelnen für die eingetretene Rechtsgutsverletzung beim Verbraucher ist jedoch das Erfolgsunrecht alleine noch nicht festgestellt. Um einen Deliktserfolg tatsächlich als „Werk“ eines Täters ansehen zu können, bedarf es vielmehr zusätzlich eines Zurechnungszusammenhangs dahingehend, dass sich mit dem Erfolg die vom Täter gesetzte, rechtlich missbilligte Gefahr verwirklicht hat. Diese im Schrifttum weitgehend anerkannte Einschränkung des Kausalitätsurteils190 ist nicht ______________

wie gefordert verabschieden (so aber Samson, FS Rudolphi, 2004, 266), sondern kann streitige Kausalitätsprobleme nachvollziehbar und gerecht lösen. 189 Vgl. auch die Anwendung des NESS-Tests auf die Fälle der Kollegialentscheidung bei Ingeborg Puppe, GA 2004, 138 f., Röckrath, NStZ 2003, 645 f. und Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 119. 190 Vgl. nur mit jeweils weiteren Nachweisen Roxin, AT I, § 11 Rn. 39 ff., Geppert, Jura 2001, 491, Jescheck/Weigend, AT, S. 286 ff., Wessels/Beulke, AT, Rn. 176, Lackner/Kühl, Vor § 13 Rn. 14 und Sch/Schr/Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 91 ff.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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von ungefähr in der Rechtsprechung vor allem bei Fahrlässigkeitsdelikten bedeutsam geworden. So hieß es im Leitsatz des „bahnbrechenden Urteils“191 zu den Fällen gemeinsamen Heroinkonsums: „Eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte Selbstgefährdungen unterfallen nicht dem Tatbestand eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts, wenn das mit der Gefährdung bewusst eingegangene Risiko sich realisiert. Wer lediglich eine solche Selbstgefährdung veranlasst, ermöglicht oder fördert, macht sich nicht wegen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts strafbar.“192 Vor allem der zweite Satz lässt sich dahingehend verallgemeinern, dass wer nur eine Ursache für den Tod oder die Körperverletzung eines anderen setzt und damit kausal für die Rechtsgutsverletzung war, diese im Sinne der Deliktstatbestände noch nicht zurechenbar bewirkt hat. Deutlicher ist dies noch im berühmten Radfahrer-Fall193 geworden: Ein Lastzugfahrer überholte auf einer 6 m breiten, übersichtlichen Straße mit 27 km/h einen Radfahrer, wobei der Seitenabstand zwischen Kastenaufbau des Anhängers zum linken Ellbogen des Radfahrers nur 75 cm – und damit nicht den nach § 5 Abs. 4 S.1 StVO erforderlichen ausreichenden Seitenabstand von 1,5-2 m194 – betrug. Während des Überholvorgangs geriet der betrunkene (1,96 Promille) Radfahrer mit dem Kopf unter die rechten Hinterreifen des Anhängers, wurde überfahren und war auf der Stelle tot. Die Berufungsinstanz hielt den Nachweis, dass der Lastzugfahrer den Tod des Radfahrers „verursacht habe, [...] nicht für erbracht, weil sich nach ihrer Überzeugung der tödliche Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Angeklagten ereignet haben würde“195.

Der Bundesgerichtshof hat den Teilfreispruch bezüglich der fahrlässigen Tötung bestätigt und ausgeführt: „Natürlich war die Fahrweise des Angeklagten eine Bedingung im mechanisch-naturwissenschaftlichen Sinn für den Tod des Radfahrers. Damit ist aber nicht gesagt, dass die in seinem Verhalten steckende Verkehrswidrigkeit, das zu knappe Überholen, für die Herbeiführung des Tötungstatbestandes gemäß § 222 StGB im strafrechtlichen Sinne ursächlich war. Das vom Schuldgrundsatz beherrschte Strafrecht begnügt sich nicht mit einer rein naturwissenschaftlichen Verknüpfung bestimmter Ereignisse, um die Frage nach dem Verhältnis zwischen Ursache und Erfolg zu beantworten. Für eine das menschliche Verhalten wertende Betrachtungsweise ist vielmehr wesent-

______________ 191

Geppert, Jura 2001, 491. BGHSt. 32, 262. 193 BGHSt. 11, 1. 194 OLG Hamm, NZV 1991, 466 (467), OLG Hamm, NZV 1995, 26 (27) und Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 5 StVO Rn. 55. 195 Zitat bei BGHSt. 11, 1 (2). 192

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3. Teil: Folgerungen

lich, ob die Bedingung nach rechtlichen Bewertungsmaßstäben für den Erfolg bedeutsam war.“196 Obgleich der Bundesgerichtshof „in den kausalen Ansatz Fragen der sog. objektiven Zurechnung verwoben“ hat197 und statt einer deutlichen Trennung die „terminologisch verdunkelnden“198 Bezeichnungen „mechanisch naturwissenschaftlichen Kausalität“ (für Kausalität) und „Bedingung nach rechtlichen Bewertungsmaßstäben“ (für objektiven Zurechnungszusammenhang) verwendete199, so wird deutlich, dass die Ergebnisse der weiten Kausalität auch nach der Rechtsprechung durch eine „normative Betrachtung“200 eingeschränkt werden müssen. Diese findet bei Fahrlässigkeitsdelikten ihre Wurzeln in der Beziehung von Handlungs- und Erfolgsunrecht: Fahrlässiges Handlungsunrecht begeht, wer mit seiner Handlung das erlaubte Risiko überschreitet und so eine Gefahr für ein Rechtsgut schafft, obwohl er im Rahmen der Handlungsplanung den schadensträchtigen Kausalverlauf hätte vorhersehen und hierauf reagieren können. Begeht der Täter dennoch diese Handlung und realisiert sich die von ihm geschaffene Gefahr für das Rechtsgut, so hat er zugleich Erfolgsunrecht verwirklicht. Dies verdeutlicht die normative Einschränkung: Der Täter muss nicht irgendein unerlaubtes Risiko überschreiten und irgendeine Gefahr begründen, sondern eine solche, die sich gerade auf das schließlich verletzte Rechtsgut bezieht. Die Rechtsordnung nimmt mit ihren Regelungen schließlich bestimmte Gefahren in Kauf und verbietet etwa das gefährliche Überholen eines Radfahrers durch einen Kraftfahrer nicht ganz, sondern erlaubt es in gewissen Grenzen. Überschreitet der Täter diese Grenzen (etwa durch ein Überholen mit zu geringem Abstand), hat er hiermit aber keine Gefahr für das schließlich verletzte Rechtsgut geschaffen, sondern für ein anderes oder hat sich die von ihm in Bezug auf das Rechtsgut gesetzte Gefahr nicht im Erfolg verwirklicht (etwa weil der Unfall auch bei ordnungsgemäßem Überholen wegen des Erschreckens des Radfahrers und herumreißen des Lenkers), so beruht der Erfolg (Tod des Radfahrers) nicht auf einer durch die Überschreitung des erlaubten Risikos geschaffenen Gefahr des Täters, sondern vielmehr auf einer Realisierung des von der Rechtsordnung erlaubten Risikos. Hat die Rechtsordnung das Risiko aber in Kauf genommen, so kann es den Täter für den hierdurch eingetretenen

______________ 196

BGHSt. 11, 1 (7). Ranft, NJW 1984, 1426. 198 Schünemann, GA 1985, 354. 199 Vgl. nun sogar BGH, NStZ 2001, 205 (206): „Der Regelungsinhalt des § 30 I Nr. 3 BtMG ist dadurch geprägt, dass der Gesichtspunkt der Selbstgefährdung nach der positiv-rechtlichen Entscheidung des Gesetzgebers die objektive Zurechnung der Todesfolge nicht hindern soll „(Hervorhebung durch Verf.). 200 So ebenfalls unabhängig von der Rechtsprechung die Bezeichnung von MüKoStGB/Duttge, § 15 Rn. 159. 197

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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Erfolg nicht bestrafen.201 Oder anders gewendet: „Derart herbeigeführte Erfolge sind [...] nicht mehr geeignet, generalpräventiv die Notwendigkeit zu verdeutlichen, dass der vom handelnden übertretenen Verhaltensanforderung zwecks Rechtsgüterschutzes nachzukommen ist.“202 Diese weitgehend anerkannte203 – wenngleich auch zum Teil fehlerhaft als Rechtswidrigkeitsausschluss204, Schuldausschluss205 oder Strafminderung206 verstandene – normative Einschränkung des Kausalitätsurteils ist zwar sowohl in der Weise denkbar, dass der Erfolg seinen Grund gerade nicht in der Pflichtwidrigkeit hat (kein „Pflichtwidrigkeitszusammenhang“) als auch dass der eingetretene Erfolg nicht im Schutzbereich der verletzten Sorgfaltsnorm liegt (kein „Schutzzweckzusammenhang“)207. Beide Konstellationen lassen sich aber auf die Formulierung zurückführen, dass sich die vom Täter fahrlässig begründete Gefahr nicht im Erfolg verwirklicht hat, und damit auf die allgemeine Formel der objektiven Zurechnung – die einzelnen Unterscheidungen sind bloße theoretische Differenzierungen ohne Wert. Letztlich hat sogar der Gesetzgeber mit der Forderung des Eintritts des Erfolges „durch“ die fahrlässige Handlung und damit gerade durch die Überschreitung des unerlaubten Risikos (bei Vorhersehbarkeit) die objektive Zurechnung zumindest für die Fahrlässigkeitsdelikte anerkannt. Ohne diese Zurechnung kann ein deliktischer Erfolg einem (Fahrlässigkeits-)Täter nicht als sein „Werk“ zugeschrieben werden, so dass der Täter mit einer Überschreitung des erlaubten Risikos bei Vorhersehbarkeit zwar Handlungs-, nicht aber Erfolgsunrecht begangen haben würde und mangels Strafbarkeit eines fahrlässigen Versuchs straflos bliebe. ______________ 201

Vgl. zur normativen Fundierung dieses Grundsatzes auch die Herleitung bei Roxin, ZStW 74 (1962), 432 f. und 440. 202 So Wolfgang Frisch, Verhalten, S. 534. 203 Vgl. nur BGHSt. 11, 1 (7), BGHSt. 21, 59 (61), BGHSt. 33, 61 (63 f.), BGH, JR 1989, 382 f., OLG Köln, NStZ-RR 2002, 304, Roxin, AT I, § 24 Rn. 10 ff., Jescheck/Weigend, AT, S. 288 f., Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 43 Rn. 83 ff., MüKoStGB/Duttge, § 15 Rn. 156 ff., Wessels/Beulke, AT, Rn. 673 ff. und Kretschmer, Jura 2000, 273 ff. 204 So Engisch, Kausalität, S.67, der von einem „Rechtswidrigkeitszusammenhang“ spricht, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 22 Rn. 50, Erb, Alternativverhalten, S. 70 f. und ders., JuS 1994, 455. 205 RGSt. 15, 151 (153 f.), BayObLG, NJW 1953, 1641, Wessels, JZ 1967, 451 und Karl Alfred Hall, Erinnerungsgabe Grünhut, 230. 206 Jordan, GA 1997, 367. 207 Zur Unterscheidung und den Begrifflichkeiten Kühl, AT, § 17 Rn. 45 ff., Wessels/Beulke, AT, Rn. 674, Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 157 sowie Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 43 Rn. 83 ff.: „finaler Schutzzweckzusammenhang“ und „realer Zusammenhang“; krit. zum Schutzzweckzusammenhang MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 180.

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3. Teil: Folgerungen

Der für die Kollegialentscheidungsproblematik bedeutsame Hauptanwendungsfall des Ausschlusses objektiver Zurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt liegt im „Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens“: Die Tatbestandsmäßigkeit ist zu verneinen, wenn der sorgfaltswidrig handelnde Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg zwar kausal durch sein Verhalten verursacht hat, der Erfolg aber auch bei sorgfaltsgemäßem Verhalten eingetreten wäre (da dann feststeht, dass der Erfolg seinen Grund nicht in der durch die Überschreitung des erlaubten Risikos vom Täter begründeten Gefahr hatte).208 Bei diesem hypothetischen Vergleich ist alleine (ex post) das pflichtwidrig vorgeworfene Verhalten des Täters hinwegzudenken und durch das dem pflichtwidrigen Verhalten korrespondierende pflichtgemäße Verhalten zu ersetzen; ansonsten darf von der Situation nichts weggelassen, ihr nichts hinzugedacht und an ihr nichts verändert werden.209 Wendet man diese Formel auf die Kollegialentscheidungen an, so kann man an der objektiven Zurechnung zweifeln: Da sich in Fällen überbedingter Abstimmungsergebnisse ex post ergeben hat, dass neben dem Täter selbst eine für die Fassung des Beschlusses notwendige Mehrheit für die Beschlussfassung gestimmt hat, könnte man – wie es vor allem Bettina Weißer210 praktiziert – die sorgfaltswidrige „Ja“-Stimme des Täters durch das rechtmäßige Alternativverhalten „Nein“-Stimme ersetzen, ohne dass sich an der Beschlussfassung augenscheinlich etwas geändert hätte. Hierbei unterstellt man zwar, dass die „Nein“Stimme des Täters keine Signalwirkung für die folgenden Abstimmenden gehabt hätte. Hypothesen können aber jeweils nur mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten, so dass es für einen Freispruch genügen muss, wenn sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten der Erfolg ebenfalls eingetreten wäre.211 Dies scheint ______________ 208

Vgl. RGSt. 15, 151 (153), RGSt. 63, 211 (214), BGHSt. 11, 1 (7), BGHSt. 21, 59 (60 f.), BGHSt. 37, 106 (127), Otto, AT, § 10 Rn. 19, LPK-StGB/Kindhäuser, § 15 Rn. 63, Kühl, AT, § 17 Rn. 49, Wessels/Beulke, AT, Rn. 676, MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 159 und Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 174 f. 209 BGHSt. 33, 61 (64), BGHSt. 49, 1 (4) mit Anm. Otto, JK 9/04, StGB Vor § 13/16, Otto, AT, § 10 Rn. 17 und MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 179. Zweifelhaft ist aus diesem Grunde die Rechtsprechung, wonach das Verhalten eines alkoholbedingten Fahrers mit dem eines alkoholbedingten Fahrers mit den Alkoholausfallerscheinungen angepassten Geschwindigkeit verglichen wird (so BGH, NJW 1971, 388, BayObLG, VRS 87 (1994), 121 mit Anm. Otto, JK 95, StGB Vor § 13/6 und BayObLG, NStZ 1997, 388), da so ein sorgfaltswidriges Verhalten mit einem anderen sorgfaltswidrigen Verhalten verglichen wird (hierzu Otto, AT, § 10 Rn. 21 f. und Kühl, AT, § 17 Rn. 63). 210 Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 121 ff. 211 So die als „Vermeidbarkeitstheorie“ bezeichnete überwiegende Ansicht: Vgl. nur BGHSt. 11, 1 (7), BGHSt. 21, 59 (61), BGHSt. 37, 106 (127), LK/Friedrich-Christian Schroeder, § 16 Rn. 190, Ulrich Weber in Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 22 Rn. 50, Wessels/Beulke, AT, Rn. 197, MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 177 f.,

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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bei Kollegialentscheidungen für jeden einzelnen Geschäftsführer zu gelten – das Dilemma von der Kausalität scheint sich zu wiederholen.

aa) Lösung nach der Risikoerhöhungslehre Diesem Ergebnis versuchen einige Autoren damit zu entkommen, dass sie es statt einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für die Realisierung der vom Täter gesetzten Gefahr im Erfolg ausreichen lassen, dass der Täter das Risiko des Erfolgseintritts gegenüber dem erlaubten Risiko erhöht habe. Zwar habe der Gesetzgeber die mit der Einhaltung des erlaubten Risikos verbundenen Risiken in Kauf genommen. Was er um Willen des Funktionierens unserer Gesellschaft mit ihren notwendigen gefährlichen Handlungen aber ungeahndet lasse, brauche er bei einer gesteigerten Überschreitung der von ihm gezogenen Grenze nicht mehr hinnehmen, „weil die jeweils in Betracht kommenden Sorgfaltspflichten zwecks Vermeidung des Erfolgs auch dann beobachtet werden müssen, wenn nicht sicher ist, ob ihre Einhaltung dieses Ergebnis haben wird“212. Die Erhöhung der gerade noch hingenommenen Gefahr lasse „die Waagschale zugunsten des Rechtsgüterschutzes sinken und die Erfolgsherbeiführung, die sonst nicht hätte beanstandet werden dürfen, als fahrlässig erscheinen“213. Diente die Sorgfaltsnorm, deren Grenzen der Täter überschritten hat, dem Schutz des letztendlich verletzten Rechtsguts, so würde bereits aus der Pflichtwidrigkeit (und Vorhersehbarkeit bei Erfolgseintritt) eine Bestrafung wegen fahrlässiger Deliktsbegehung folgen. Auf die Kollegialentscheidungsproblematik angewandt ergeben sich so keine Probleme: Jede Stimme für einen Beschluss (der eine Rechtsgutsverletzung nach sich ziehen würde) erhöht das Risiko des Zustandekommens einer ausreichenden Mehrheit für den Beschluss und damit für das Rechtsgut. Alleine wegen dieser Risikoerhöhung würde jeder mit „Ja“-Stimmende bestraft. Für diese Sichtweise lässt sich der Rechtsgüterschutz ins Feld führen, der vergrößert würde, wenn bereits jede „typische Gefahr“-Schaffung zumindest zu einer Mitverantwortung für die Rechtsgutsverletzung ausreichen würde.214 ______________

Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 179/179a, Georg Freund, AT, § 5 Rn. 81 ff. und Gropp, AT, § 12 Rn. 54. 212 Jescheck/Weigend, AT, S. 585. 213 So grundlegend Roxin, ZStW 74 (1962), 433, ders., AT I, § 11 Rn. 72 ff. und ders., FS Honig, S. 138 ff.; ebenso für den Risikoerhöhungsgedanken OLG Karlsruhe, JR 1985, 479, Otto, AT, § 10 Rn. 23, ders., FS Maurach, 101 ff., NK-StGB/Ingeborg Puppe, Vor § 13 Rn. 120 und 205 f., Schünemann, GA 1999, 226 f., Stratenwerth, FS Gallas, 239, Michael Köhler, AT, S. 197 ff. und Lackner/Kühl, § 15 Rn. 44. 214 So Ranft, NJW 1984, 1426.

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3. Teil: Folgerungen

Zwar kann hiergegen argumentiert werden, dass dem Rechtsgüterschutz dann nicht genüge getan werde, wenn die Vermeidepflicht des Täters diesem tatsächlich gar nicht gedient hat. Die hiermit angesprochene mögliche Unterstellung zu Lasten des Täters, dass sein Verhalten das Risiko erhöht hätte, würde einerseits einen Verstoß gegen den Grundsatz in dubio pro reo begründen215 und zugleich Beweisschwierigkeiten der Risikoerhöhung einräumen. Dem lässt sich aber entkommen, indem man verlangen würde, dass es nachweislich zu einer Risikoerhöhung gekommen sein müsse, also nicht nur die abstrakte Möglichkeit einer Risikoerhöhung bestanden habe216. Dann müsste nämlich ein nachweislicher Zusammenhang zwischen der Handlung des Täters und der Risikoerhöhung bestehen. Dies wird deutlich, wenn Otto als vehementer Streiter für die Risikoerhöhungslehre im oben dargelegten Radfahrer-Fall eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit verneinen möchte, da nur eine abstrakte Gefahr erhöht worden sei, nicht aber eine konkrete, so dass „der Strafgrund der Begründung oder Erhöhung [der] Gefahr über das erlaubte Maß hinaus im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut zweifelhaft“ sei.217 Ein Verstoß gegen den Grundsatz in dubio pro reo kann der Risikoerhöhungslehre bei einem richtigen Verständnis daher nicht gemacht werden.218 Gleiches gilt für den Einwand von Beweisschwierigkeiten, da in beiden Modellen der Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg bzw. Risikosteigerung eine Strafbarkeitsvoraussetzung darstellt, deren Vorhandensein nur zur Überzeugung des urteilenden Gerichts vorliegen muss (§ 261 StPO). Der Vorwurf gegen die Risikoerhöhungslehre beruht vielmehr darauf, dass das Gesetz einen Zusammenhang nicht nur zwischen der Handlung des Täters und der Risikosteigerung, sondern gerade zwischen der Handlung und dem Erfolg fordert. So muss bei § 222 StGB der Täter durch seine Handlung gerade den Tod eines Menschen verursacht haben; die bloße Risikosteigerung einer Todesgefahr genügt ausweislich des klaren Gesetzeswortlauts gerade nicht. Mit der Risikoerhöhungslehre müsste ein Täter also bereits bestraft werden, wenn er das deliktische Handlungsunrecht verwirklicht (Erhöhung des Risikos) und der Erfolg – warum auch immer – eintritt. Hiermit würde die tatbestandliche Rechtsgutsverletzung aber zur bloßen objektiven Bedingung der Strafbarkeit verkommen. Die Anhänger der Risikoerhöhungslehre verzichten bei Erfolgsde______________ 215

Diesen Vorwurf erheben Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 43 Rn.104, LK/FriedrichChristian Schroeder, § 16 Rn. 190, Georg Freund, AT, § 2 Rn. 50, Wessels/Beulke, AT, Rn. 199, MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 178 und Gabriele Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 220. 216 So ausdrücklich Roxin, ZStW 74 (1962), 432, ders., AT I, § 11 Rn. 81, Jescheck/Weigend, AT, S. 585, Otto, AT, § 10 Rn. 23 ff. und ders., FS Maurach, 102. 217 Otto, AT, § 10 Rn. 24. 218 Ebenso Roxin, ZStW 74 (1962), 434, Küper, FS Lackner, 268 ff., Lackner/Kühl, § 15 Rn. 44, Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 179/179a.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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likten also auf das tatbestandliche Erfolgsunrecht und deuten so contra legem Erfolgsdelikte in erfolgsbedingte Gefährdungsdelikte um.219 Dieser Ansatz vermag unser „Dilemma“ der objektiven Zurechnung daher nicht zu lösen.

bb) Lösung nach der Vermeidbarkeitslehre Dies braucht er aber auch nicht, da man selbst unter Zugrundelegung der „Vermeidbarkeitslehre“ und einer mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit für die Erfolgsvermeidung bei sorgfaltsgemäßem Verhalten zu einer Zurechnung des letztlich beim Verbraucher eingetretenen Erfolgs zum Abstimmungsverhalten eines jeden Gremiumsmitglieds gelangen kann: Denn als oben die Lehre auf die Kollegialentscheidungsproblematik angewandt wurde, wurde das sorgfaltswidrige Verhalten des Täters durch ein sorgfaltsgemäßes ersetzt und das Abstimmungsverhalten aller anderen Geschäftsführer betrachtet. Damit wird aber der gleiche Fehler begangen, der es schon der conditioLehre alleine unmöglich macht, eine Kausalitätsfeststellung zu treffen. Besinnt man sich jedoch an die Funktion der objektiven Zurechnung als Einschränkung der zu weiten Kausalität, so ist das konkrete Kausalitätsurteil zugrunde zu legen. Dieses besagt aber, dass ein Abstimmungsverhalten kausal war, da es eine wahre und hinreichende Mindestbedingung notwendigerweise vervollständigte. Bezieht man auf diese Mindestbedingung die Formel vom rechtmäßigen Alternativverhalten, so würde bei einer Ersetzung einer sorgfaltspflichtwidrigen „Nein“-Stimme durch eine „Ja“-Stimme keine Mindestbedingung mehr vorliegen und der Erfolg in Form der Körperverletzung aufgrund der Ausführung des Beschlusses durch diese Mindestbedingung nicht eintreten. Hiergegen mag man einwenden, dass bei überbedingten Erfolgen wie dargelegt mehr als eine Ursache parallel existieren. Dies trifft zwar zu. Die Rechtsordnung beruht aber zum umfassenden Rechtsgüterschutz auf einem System paralleler Vermeidepflichten, die auch parallel erfüllt werden müssen. Dies würde preisgegeben, wenn die Rechtsordnung beim Vorhandensein mehrerer „Garanten“ aufgrund ihrer Vorhersehbarkeit des schadensträchtigen Geschehensverlaufs einen jeden nicht zur Verantwortung ziehen könnte und würde, ______________ 219

Vgl. zu diesem Einwand Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 43 Rn. 104, LK/FriedrichChristian Schroeder, § 16 Rn. 190, Ebert/Kühl, Jura 1979, 572, Krey, AT II, Rn. 548, MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 178, Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 179/179a und Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 125 f., die zwar auch von einer Umdeutung in „erfolgsbedingte Gefährdungsdelikte“ spricht, hierbei aber parallele Beispieltatbestände aus dem Bereich erfolgsqualifizierter Delikte gibt.

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3. Teil: Folgerungen

nur weil die anderen in gleicher Weise gegen die Pflicht verstoßen haben. Auf diese Weise wäre keiner zu bestrafen und das geschützte Rechtsgut trotz vorhandener Schutznormen gänzlich schutzlos. Den parallelen Rechtspflichten wird die Rechtsordnung daher nur gerecht, wenn sie in derartigen Konstellationen der alternativen Kausalität bei der normativen Betrachtung das rechtmäßige Verhalten der „parallelen Garanten“ unterstellt.220 Betrachtet man unter dieser Prämisse die parallelen Ursachen alleine wie im obigen Sinn, ist jedem Geschäftsführer die Rechtsgutsverletzung auch zurechenbar.

cc) Zurechnungsausschluss bei resignierenden Gremiumsmitgliedern Gegen diese generelle Zurechnung der Rechtsgutsverletzung zur Zustimmung durch ein jedes den Beschluss befürwortenden Gremiumsmitglied hat sich jedoch Samson221 in seiner Besprechung des „Lederspray“-Urteils gewandt: Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit könne nur dort Platz greifen, wo die Verhinderung der Rechtsgutsverletzung möglich gewesen wäre. Haben nun beispielsweise die Feuerwehrleute A und B eine lange Schlauchverbindung vom Hydranten zum brennenden Haus gelegt und sei es die Aufgabe von A gewesen, den Schieber des Hydranten zu öffnen, während B die Spritze mit dem Schlauch verbinden und den Wasserstrahl auf das Feuer lenken sollte, dann sei A nicht in jedem Fall zur Verantwortung zu ziehen, wenn er das Öffnen des Schiebers unterlasse. Wäre der Schlauch etwa defekt gewesen, so hätte A keine Handlung unterlassen, die den tatbestandsmäßigen Erfolg hätte verhindern können. Gleiches müsse für den Fall gelten, wenn B sich dazu entschlossen hätte, statt zu löschen das Feuer zu genießen. In diesem Fall könne man A einzig vorwerfen, nicht auch auf B eingewirkt zu haben, das Feuer zu löschen. Wäre derartiges aber an der Entschlossenheit des B gescheitert, so könne A nicht vorgeworfen werden, etwas faktisch Aussichtsloses unterlassen zu haben, so dass er ob der Entschlossenheit des B hätte resignieren und noch nicht einmal auf ihn einwirken brauchen. Dem entspreche es, wenn bei einem Gremiumsbeschluss sich eine ausreichende Mehrheit bereits gefunden habe und ein Geschäftsführer angesichts der Entschlossenheit dieser Gremiumskollegen resigniert den Beschluss mitgetragen. Gegen einen derartigen Ausschluss resignierender Gremiumsmitglieder spricht aber einerseits, dass es auf das Motiv für die Begehung einer Straftat grundsätzlich nicht ankommt, wenn die Tatbestandsmerkmale erfüllt sind und ______________ 220 So zuletzt BGH, JZ 2003, 575 (580 f.) zur „normativen“ Quasi-Kausalität mit krit. Anm. Otto, JK 9/03, StGB Vor § 13/15; vgl. auch Röckrath, NStZ 2003, 646. 221 Samson, StV 1991, 185 f.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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die Motive keine Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe zu begründen vermögen. Ob der Ehemann seine Frau aus berechtigter Eifersucht erschlägt, spielt zwar für eine Bestrafung wegen Mordes möglicherweise eine Rolle, ist aber für den Grundtatbestand des Totschlags ohne Bedeutung. Im gleichen Maße ist es ohne Bedeutung, warum ein Täter trotz Vorhersehbarkeit eines schadensträchtigen Kausalverlaufs das erlaubte Risiko durch eine Sorgfaltspflichtverletzung überschreitet, solange er es nur tut.222 Zum Zweiten kann eine Entschlossenheit kaum vorliegen, die ein Gremiumsmitglied zum Resignieren bringen müsste. Denn selbst wenn einige Mitglieder sich schon für einen Beschluss entschieden und dies geäußert haben und selbst wenn der leitende Geschäftsführer bzw. der Vorstandsvorsitzende zu dieser Mehrheit gehört, so herrschen in jedem Entscheidungsgremium die Grundsätze der Demokratie vor. Selbst das „kleinste“ Mitglied hat die Möglichkeit der Einflussnahme durch eine Artikulation der eigenen Ansicht, mit der durchaus bei Verwendung der entsprechenden Argumente die Kollegen von der Bejahung eines Beschlusses abgehalten werden können.223 Der für die Abstimmung entscheidende Willensbildungsprozess in Form der Stimmabgabe findet erst bei der Abstimmung selbst statt. Bis dahin kann eine Überzeugungsarbeit noch Früchte tragen, so dass der leichte Weg der Resignation statt des Kampfes mit Argumenten nicht die gleiche Straffreiheit hervorrufen kann. Zudem räumt Samson selbst ein, dass seine Ansicht zwingend mit Beweisschwierigkeiten verbunden ist. Er verweist zwar darauf, dass hierfür von den für Beweisschwierigkeiten bewährten prozessualen Regeln Gebrauch gemacht werden könnte224, verkennt aber, dass die Problematik nicht nur darin liegt, ob tatsächlich eine Entschlossenheit auf der einen und eine Resignation auf der anderen Seite bestanden hat, sondern sogar dahin, welche Erfordernisse an die „uneinsichtige Mehrheit“ zu stellen sind.225 Genügt ein Kopfnicken, eine Artikulation, ein Argumentieren, ein Beteuern? Ob der mit „Ja“ Stimmende gegenüber der entschlossenen Mehrheit resigniert hat, kann es somit nicht ankommen; der Erfolg wird ihm gleichsam zugerechnet.

______________ 222 Ebenso die Kritik von Gabriele Neudecker, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 206 f., die darauf verweist, dass es keinen Tatbestandsausschluss bei Resignation gebe. 223 Vgl. Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme, S. 117. 224 Samson, StV 1991, 185 f. 225 Vgl. Barbara Bock, Produktkriminalität, S. 81.

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3. Teil: Folgerungen

c) Die eigentliche Problematik: Vorhersehbarkeit Besteht damit der notwendige Ursachenzusammenhang zwischen dem Handeln der Geschäftsführer und der Verletzung der Verbraucher sowie die Zurechnung dieses Erfolges zu den Geschäftsführern (nochmals: sofern ein Fall der mittelbaren Täterschaft vorliegt), so ist bei Eintritt einer Rechtsgutsverletzung aufgrund einer Ausführung des Beschlusses am Erfolgsunrecht nach obigen Grundsätzen nicht zu zweifeln. Das zudem erforderliche Handlungsunrecht in Form der Überschreitung des erlaubten Risikos trotz Vorhersehbarkeit des schadensträchtigen Verlaufs ist hierbei stets vorausgesetzt worden, um die Zurechnungsproblematik verdeutlichen und lösen zu können. Dabei liegt gerade hier die eigentliche Problematik: bei der Vorhersehbarkeit. 226 Stimmt ein Geschäftsführer für einen Beschluss, der ein über das erlaubtes Risiko hinausgehendes Risiko schafft, so wird an der objektiven Überschreitung des erlaubten Risikos durch das einzelne Stimmverhalten nicht zu zweifeln sein. Dies stellte aber nur dann ein Handlungsunrecht dar, wenn der einzelne Abstimmende hierbei den schadensträchtigen Verlauf hätte vorhersehen können. Nachdem eine vertikale Zurechnung des Erfolges bereits verlangt, dass ein gewisser Wissensvorsprung bei den Gremiumsmitgliedern besteht, wird an der Vorhersehbarkeit des Eintritts der Rechtsgutsverletzung zwar nicht zu zweifeln sein. Erkennt man aber die Parallelität von Vorsatz und Vorhersehbarkeit227, so muss sich die Vorhersehbarkeit auch auf die wesentlichen Züge des möglichen schädigenden Kausalverlaufs beziehen.228 In den Kollegialentscheidungsfällen muss sich die Vorhersehbarkeit daher auch darauf beziehen, dass die Rechtsgutsverletzung durch den Beschluss vermittelt wird und dass ein Beschluss in diese Richtung demzufolge überhaupt zustande kommt. Es müssen also konkrete Umstände bekannt sein, die den Täter damit rechnen lassen, dass andere Gremiumsmitglieder ebenso wie er dem Beschlussgegenstand zustimmen werden. Hier liegt die eigentliche Bedeutung der „fahrlässigen Gemeinschaftlichkeit“, wie es Schacht bereits 1909 feststellte, als er schrieb, dass die Vorhersehbarkeit eine „Wichtigkeit“ insbesondere für die Fälle der „Beteiligung“ mehrerer Personen an einem fahrlässigen Delikt erlange, „da für die Frage, ob der Erfolg voraussehbar war oder nicht, für das ,Möglichkeitsurteil‘, die Handlungen der ______________ 226

Vgl. in diesem Zusammenhang auch LK/Friedrich-Christian Schroeder, § 16 Rn. 186, der darlegt, dass bei den meisten Problemfälle rechtmäßigen Alternativverhaltens in der Rechtsprechung bereits die Vorhersehbarkeit gefehlt hat. 227 Vgl. hierzu oben Dritter Hauptteil, Sechstes Kapitel, III, 3, b). 228 Ebenso Jescheck/Weigend, AT, S. 586, Sch/Schr/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 180, Lackner/Kühl, § 15 Rn. 46 und Tröndle/Fischer, § 15 Rn. 17.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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anderen selbstverständlich als bekannt zu Grunde gelegt werden müssen“229. Gab es daher Absprachen oder Einigungen im Vorfeld der Abstimmung, kann dies zwar keine fahrlässige Mittäterschaft, sehr wohl aber die Voraussehbarkeit eines positiven Beschlusses mit dem eigenen Abstimmungsverhalten und so die fahrlässige Bestrafung eines jeden Gremiumsmitglieds begründen. Erklären lässt sich dies durch die Doppelfunktion einer jeden Absprache bei einem gemeinschaftlichen Handeln: Zum einen informiert sie jeden der Gemeinschaft davon, was der andere tun wird, so dass deren Handlungen als erfolgend eingeplant werden können (Wissensvermittlungsfunktion). Leiten etwa A und B Flüssigkeiten in einen See ab, wobei A das Rohr hält und B den Hahn öffnet, so genügt es für A zur Erreichung des Handlungsziels „Zustandekommen eines Beschluss“ nur das Rohr zu halten, auch wenn diese Handlung für sich genommen nicht erfolgversprechend ist. Er kann aber das Öffnen des Rohres durch B als erfolgend einplanen, wenn beide sich vorher abgesprochen haben. Würden A und B vorsätzlich Abwässer in den Fluss leiten, so würde sich A erst dann nach § 324 Abs. 1 StGB strafbar machen, wenn ihm auch das Öffnen des Hahnes als tatbestandliche Verunreinigungshandlung des B zugerechnet würde. Dies erfolgt über § 25 Abs. 2 StGB, der ein gemeinschaftliches Begehen und damit letztlich eine Absprache verlangt. Diese konstituierende Funktion für die Zurechnung bildet die zweite Funktion der Absprache (Zurechnungsfunktion). Handeln A und B im Hinblick auf eine Verunreinigung fahrlässig, weil sie die Eigenschaft der Flüssigkeit als verunreinigtes Abwasser hätten erkennen können, dann kann A zwar über § 25 Abs. 2 StGB das Öffnen des Hahnes nicht zugerechnet werden: Es fehlt an einem gemeinschaftlichen Tatplan, der für die gesetzliche Zurechnung auf ein Geschehen mit Handlungsunrecht gerichtet ist. Doch dies ändert nichts daran, dass A die Handlung des B mit eingeplant hat und so beim Halten des Rohres wusste, dass B den Hahn öffnen würde. Er hätte bei seiner eigenen Handlungsvornahme den folgenden Kausalverlauf bis hin zur Gewässerverunreinigung aber vorhersehen können. An der Wissensvermittlung ändert sich schließlich nichts, unabhängig davon, worauf die Abrede gerichtet ist. Diese Funktion kommt damit bei den Vorsatzwie den Fahrlässigkeitsdelikten bei einem gemeinschaftlichen Zusammenwirken zur Geltung, während die Zurechnungsfunktion wegen den erhöhten gesetzlichen Anforderungen an die Abrede mit § 25 Abs. 2 StGB nur bei Vorsatzdelikten zur Anwendung gelangt. Ist bei Kollegialentscheidungsfällen somit die vorherige Aussprache aufgrund eines Protokolls oder von Indizien bekannt, so kann jeder Geschäftsfüh______________ 229

Schacht, Zusammenwirken, S. 44; vgl. auch NK-StGB/Schild, § 25 Rn. 100, der zur Lösung der Fälle fahrlässiger Mittäterschaft formuliert: „Einzig maßgebend ist die Frage der Vorhersehbarkeit des Zusammenhangs von der herbeigeführten Gefahr zum Eintritt dieses Erfolges.“

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3. Teil: Folgerungen

rer die „Ja“-Stimme anderer Geschäftsführer voraussehen und damit das Zustandekommen des Beschlusses, so dass bei einer Vorhersehbarkeit auch der Beschlussausführung sowie der Gesundheitsschädigung beim Verbraucher jeder Geschäftsführer für sich als Fahrlässigkeitstäter bestraft werden könnte. Eine derartige Bestrafung wird jedoch problematisch, wenn die Abstimmung und die Diskussionen im Vorfeld unaufklärbar bleiben. Ein Freispruch aufgrund des Zweifelsgrundsatzes wird dann tatsächlich unvermeidbar sein. Dies aber nicht wegen fehlender Ursächlichkeit, sondern wegen fehlendem Handlungsunrecht (fehlender Vorhersehbarkeit der wesentlichen Züge des Kausalverlaufs). In diesem Fall würde selbst eine „fahrlässige Mittäterschaft“ nicht weiterhelfen. Denn selbst § 25 Abs. 2 StGB kann fehlendes Handlungsunrecht nicht begründen, solange das Gesetz daran festhält, dass die bloße Mitgliedschaft in einem Personenzusammenschluss für die Strafbarkeit aller von den Personen begangener Straftaten nicht ausreicht.

3. Ergebnis Die Sorge vieler Stimmen im Schrifttum, die Problematik der Kollegialentscheidungen nur mittels einer (kausalitätsersetzenden) fahrlässigen Mittäterschaft sachgerecht in den Griff zu bekommen, hat sich damit als unbegründet erwiesen. Vielmehr können die verschiedenen Konstellationen bei ausreichend feststellbarem Ablauf der Abstimmung durch eine bloße Anwendung der Kausalitäts- und Zurechnungsregeln gelöst werden. Hierbei sind die Fälle, in denen eine fahrlässige Mittäterschaft in Betracht gekommen wäre, zudem von vornherein auf wenige Fälle beschränkt. Dies liegt daran, dass im Schrifttum zumeist nur auf die horizontale Zurechnungsebene zwischen den einzelnen Geschäftsführern abgestellt und hierbei die vertikale Zurechnungsebene zwischen den Geschäftsführern und der Handlung des den Beschluss Ausführenden, die zur Rechtsgutsverletzung führt, vernachlässigt wird. Letzteres wird teilweise zwar als mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft angedacht, hierbei aber zu Unrecht das entscheidende Kriterium der Rechtsgelöstheit ignoriert, ohne das es zu einer sozialen Tatherrschaft nicht kommen kann, die alleine eine Verurteilung der Gremiumsmitglieder als Täter rechtfertigen könnte. Es verbleiben damit alleine jene Fälle der Irrtumsherrschaft, bei denen die Gremiumsmitglieder gegenüber den Ausführenden einen Wissensvorsprung haben, etwa indem nur ihnen die Informationen eines Gutachtens vorliegen. Nur dann können die Gremiumsmitglieder überhaupt als Täter bestraft werden, wobei bei fahrlässigen Erfolgsdelikten wie §§ 222, 229 StGB eine direkte fahrlässige Täterschaft in Betracht kommt, bei Handlungsdelikten wie beim klassischen

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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Beispiel der fahrlässigen Gewässerverunreinigung dagegen eine fahrlässige mittelbare Täterschaft.230 Eine derartige Täterschaft liegt dann bereits in der Person des jeweiligen Gremiumsmitglieds vor, so dass es der fahrlässigen Mittäterschaft nicht bedarf. Dies liegt daran, dass bei der Kausalität die einzelne Stimme keine notwendige Bedingung für den Beschluss und damit die Rechtsgutsverletzung zu sein braucht, sondern dass es genügt, wenn sie einen notwendigen Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung für den Beschluss und somit die Rechtsgutsverletzung bildet, wobei durchaus mehrere Ursachen nebeneinander für den gleichen Erfolg vorliegen können. So können nicht nur jene Fälle gelöst werden, bei denen ein einstimmiger Kollegialbeschluss notwendig ist und jedes Kollegiumsmitglied zustimmt oder jene, bei denen eine einfache Mehrheit genügt und diese mit einer Stimme Vorsprung auch erreicht wird – in denen also jede Stimme notwendig für den Beschluss und die Rechtsgutsverletzung aufgrund seiner Ausführung ist –, sondern auch jene, bei denen eine einfache Mehrheit ausreicht, die aber überschritten wird. In all jenen Konstellationen ist jede Ja-Stimme kausal für den Beschluss und die sich aus seiner Ausführung kausal ergebende Rechtsgutsverletzung231 und kann diese, da sich die objektive Zurechnung wegen parallel einzuhaltender Vermeidepflichten auch nur auf die einzelne Ursache mit dem Täterbeitrag darin bezieht, dem Täter auch zugerechnet werden232. Diejenigen Kollegiumsmitglieder dagegen, die sich der Stimme enthalten haben oder die sogar mit „Nein“ gestimmt haben, können zwar nicht wegen ihrer bloßen Beteiligung an der Beschlussfassung zur Verantwortung gezogen werden, wohl aber, wenn ihnen vorgeworfen werden kann, trotz ihrer Garantenstellung aufgrund ihrer Leitungsbefugnis (für ein Unternehmen, das gefährliche Produkte für sie erkennbar in den Verkehr bringt) nicht alles ihnen mögliche getan zu haben, um die Beschlussfassung zu verhindern oder wenn sie an der Ausführung des Beschluss unmittelbar beteiligt waren. Die eigentliche Problematik der Kollegialentscheidungsfälle im Fahrlässigkeitsbereich liegt also nicht beim Problem des überbedingten Erfolges sondern bei der Prüfung der Vorhersehbarkeit und damit letztlich beim Inhalt der Diskussionen, die der Abstimmung vorausgegangen sind. Diese haben den einzelnen Geschäftsführern eventuelle Stimmabsichten der anderen Geschäftsführer preisgegeben und so den Geschäftsführern die Möglichkeit gegeben, den Ausgang der Abstimmung und damit die Folge ihrer jeweils eigenen Stimme vorherzusehen. Lässt sich hingegen mangels Protokollierung oder mangels zur Verfügung stehender Zeugen das nicht einstimmige Abstimmungsverhältnis ______________ 230

Zu diesem Komplex ausführlich oben Dritter Hauptteil, Siebtes Kapitel, I, 1, b). Vgl. oben Dritter Hauptteil, Siebtes Kapitel, I, 2, a), dd). 232 Hierzu oben Dritter Hauptteil, Siebtes Kapitel, I, 2, b). 231

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3. Teil: Folgerungen

bzw. das Geschehen vor der Abstimmung nicht klären, so sind die Geschäftsführer in dubio pro reo (mangels Handlungsunrechts) freizusprechen, solange sie selbst an der Ausführung des Beschlusses nicht beteiligt waren. Um durch diese dogmatische Konsequenz nicht allzu oft in die Verlegenheit eines Freispruchs zu gelangen, indem die Geschäftsführer bewusst Geheimhaltung waren und vergleichbar den Fällen des Erschießungskommandos mit einer nur mit einer Platzpatrone geladenen Waffe eine 4:1- oder 9:1-Entscheidung treffen, sollte dem Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit nahe gelegt werden, zumindest bei größeren Unternehmen vergleichbar § 130 AktG – wenngleich ausführlicher – eine Protokollpflicht auch für Vorstands- und Geschäftsführersitzungen einzuführen. Mit der ausführlichen Lösung des praktisch bedeutsamen Problems der Kollegialentscheidungsfälle und der hiermit befürchteten Problematik der „organisierten Unverantwortlichkeit“ über die allgemeinen Kausalitäts- und Zurechnungsregeln hat sich die Rechtsfigur der „fahrlässigen Mittäterschaft“ nicht nur als dogmatisch unhaltbar erwiesen, sondern im Hinblick auf ihr wichtigstes Anwendungsgebiet gar als überflüssig. Sich dennoch in diesem Zusammenhang auf diese Scheinfigur zu berufen, liefe vergleichbar darauf hinaus, beim Raubüberfall eines wegnehmenden (A) und eines bedrohenden Täters (B) hinsichtlich ersterem bereits bei der Prüfung des Diebstahls § 25 Abs. 2 StGB zu bemühen, obwohl A den Tatbestand zweifelsohne alleine verwirklicht hat. Dies wird in diesem Schulfall der Mittäterschaft von keinem Anhänger der fahrlässigen Mittäterschaft vertreten. Und dennoch verweisen viele Autoren noch immer gleich auf § 25 Abs. 2 StGB, sobald der Erfolg nur fahrlässig herbeigeführt wird.

II. Die Lösung des Pandekten-Falles Doch nicht nur die Kollegialentscheidungsfälle lassen sich alleine mit den allgemeinen Kriterien Kausalität-objektive Zurechnung-Vorhersehbarkeit sachgerecht lösen. Der gleiche Weg kann bei der Mutter der fahrlässigen Mittäterschaft gleichermaßen angewandt werden, dem Pandekten-Fall, bei dem drei Personen einen schweren Balken ergreifen und ihn miteinander vom Dach eines Hauses auf die Straße werfen, ohne die Vorübergehenden zu warnen, und der Balken einen vorübergehenden Passanten verletzt.233 Carl Georg von Wächter, der den Fall erstmals ins Strafrecht transferiert hatte, hatte seinerzeit ausgeführt, dass „der Wille eines Jeden [...] auf die leichtsinnige Handlung in gleicher Weise gerichtet [war] und in unzertrennlicher Thä______________ 233

Vgl. hierzu oben Erster Hauptteil, Erstes Kapitel, V.

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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tigkeit haben sie den Erfolg, den sie nicht gewollt hatten [...], herbeigeführt. Wie soll hier die Mitthäterschaft geleugnet werden?“234 Wir können die Frage nun beantworten: Die Mittäterschaft ist zu leugnen, da der sie konstituierende gemeinschaftliche Entschluss zwar auf die Tätigkeit als solche gerichtet war, unmöglich aber auf eine Handlung, die ausweislich des Entschlussinhalts mit der Vorhersehbarkeit eines jeden verbunden gewesen ist. Die Vorhersehbarkeit existiert individuell und ist nicht – was schließlich für bewusste wie auch für unbewusste Fahrlässigkeit gelten müsste – als solche Gegenstand des Tatentschlusses. Der „fahrlässigen Mittäterschaft“ bedarf es aber gar nicht, um ein „der Gerechtigkeit und Billigkeit entsprechendes Ergebnis“ herbeizuführen.235 Bedurfte es der Kraft aller Personen, so waren alle unzweifelhaft kausal für den Erfolg. Aber auch, wenn jeder alleine die Kraft gehabt hätte, den Balken herunterzuwerfen, wäre jeder kausal geworden. Es ließen sich zwar mehrere hinreichende Mindestbedingungen in der Form [A hat die notwendige Kraft gegen den Balken aufgewandt], [B hat die notwendige Kraft gegen den Balken aufgewandt] etc. bilden, diese sind aber nicht wahr. Denn durch das Zusammenwirken aller Personen hat jeder nur einen Teil der Kraft aufgewendet, die es bedurft hätte, den Balken herunterzuwerfen, unabhängig davon, dass er es alleine geschafft hätte. Die wahren Mindestbedingungen [A hat ein wenig Kraft aufgewandt in Bezug auf den Balken] oder [B hat ein wenig Kraft aufgewandt in Bezug auf den Balken] etc. dagegen sind nicht hinreichend, hätte es doch mehr Kraft bedurft, als von A oder B einzeln tatsächlich aufgewandt wurde. Die (im Gegensatz zu den Kollegialentscheidungsfällen) einzige wahre hinreichende Mindestbedingung besteht daher darin, dass alle Personen zusammen die notwendige Kraft gegen den Balken geübt haben, um diesen herunterzuwerfen – letztlich handelt es sich beim Pandekten-Fall also um eine Konstellation notwendigen Zusammenwirkens aller Beteiligter. Daraus folgt, dass der Beitrag eines jeden notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung und damit kausal für den Erfolg (den Tod eines Passanten) war.236 Bestehen an der objektiven Zurechnung gleichfalls keine Zweifel, läuft der Fall gleichermaßen auf die Frage hinaus, ob jeder die für eine Fahrlässigkeitsbestrafung notwendige Vorhersehbarkeit besessen hat. Dies bemerkt auch Ja______________ 234

Carl Georg Wächter, Busse, S. 61. So aber Berolzheimer, Teilnahme, S. 49. 236 Hierzu Ingeborg Puppe, GA 2004, 145; vgl. auch Walder, recht 1989, 57, der in einem vergleichbaren Fall, in dem zwei Arbeiter gemeinsam einen Strohballen abladen und hierbei fahrlässig eine Person treffen, ohne große Bedenken die Kausalität eines jeden Arbeiters für den Erfolg feststellt. Für die zivilrechtliche Haftung im Pandektenfall ebenso eine Kausalität annehmend Soergel/Belling/Christina Eberl-Borges, § 830 Rn.18 und Kreutziger, Haftung, S. 128 f. 235

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3. Teil: Folgerungen

kobs als Verfechter der „fahrlässigen Mittäterschaft“, als er in Abwandlung des Falles schrieb, dass zwar ein Meister, nicht aber ein Lehrling hätte erkennen können, dass heruntergeworfene Stücke zersplittern und bis auf eine entfernte Straße hätten fallen können.237 In diesen Einzelfragen und Feststellungen liegt die eigentliche Problematik, nicht in der Frage der Erfolgszurechnung über § 25 Abs. 2 StGB, da eine derartige bereits über die Kausalitäts- und objektive Zurechnungsebene problemlos möglich ist.

III. Die Lösung der Konstellationen notwendigen Zusammenwirkens am Beispiel des Einführungsfalles „Schmökel“ Auf dieselbe Weise ist unser Einführungsfall „Schmökel“ zu lösen, bei dem der Chefarzt L und der Oberarzt H nur gemeinschaftlich dem eingewiesenen Straftäter S den Ausgang erlauben konnten, indem jeder der beiden Ärzte im Rahmen seiner Verantwortung es genehmigte.238 Eine Ausgangsgewährung war damit zwar nur durch die Unterschriften von L und H möglich. Dennoch bedarf es nicht zwingend einer Zurechnung der Unterschriftsleistung des jeweils anderen Arztes über § 25 Abs. 2 StGB, um jeden Arzt wegen einer fahrlässigen Tötung bezüglich der Totschläge des S während seines Ausgangs und seiner anschließenden Flucht zu bestrafen. Denn wenn nur beide Unterschriften zum Ausgang mit tödlichem führen konnten, so war hierfür die einzig reale239 hinreichende Mindestbedingung [Unterschrift des L, Unterschrift des H], so dass beide Unterschriftsleistungen als notwendige Teile einer hinreichenden Mindestbedingung bereits für sich kausal für den Ausgang und die spätere Begehung von Straftaten durch S waren. Insoweit jede Unterschriftsleistung für sich auch gegen § 15 Abs. 3 BbgPsychKG verstieß und damit den Bereich des erlaubten Risikos überschritten hat, kommt es für eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit von L und H maßgeblich auf die jeweilige Vorhersehbarkeit an. Da sich diese (wie der Vorsatz) nicht nur auf den Erfolg sondern auch auf die wesentliche Elemente des Kausalverlaufs beziehen muss, hätte jeder der Ärzte vorhersehen müssen, dass durch seine Unterschrift der Ausgang zustande kommt und dass S den Ausgang zur Flucht nutzen und weitere Menschen umbringen wird. Die Vorhersehbarkeit bezüglich ______________ 237

Jakobs, AT, 9/13. Vgl. die Darstellung des Falles oben in der Einführung. 239 Das Landgericht hatte zugunsten der beiden Angeklagten noch berücksichtigt, dass es selbst bei einer Versagung des Ausgangs vermutlich zu einem gewaltsamen Ausbruch des S gekommen wäre. Einen derartigen hat es jedoch nie gegeben, so dass es sich hierbei lediglich um eine hypothetische Ersatzursache handelt, die unberücksichtigt bleiben muss. Vgl. hierzu BGHSt. 49, 1 (3 ff.). 238

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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der Begehung weiterer Straftaten durch S ist bei den zuständigen Ärzten aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation zumindest dann anzunehmen, wenn die erneuten Straftaten in einem engen Zusammenhang mit den psychischen Störungen des S stehen, was nahe liegt.240 Es kommt damit maßgeblich auf die von den Gerichten leider ignorierte Frage an, ob jeder bei seiner genehmigenden Unterschriftsleistung hätte vorhersehen können, dass es zum Ausgang kommt – oder anders ausgedrückt: Hat es eine Abrede zwischen L und H gegeben, so dass jeder die Unterschriftsleistung des anderen einplante und so davon ausgehen konnte, dass die zwei Unterschriften benötigende Ausgangsgenehmigung zustande kommen würde? Nur wenn sich dies feststellen lässt (etwa weil beide auf dem gleichen Blatt Papier unterschrieben haben), kann dem Bundesgerichtshof hinsichtlich der Bestrafung des L und H jeweils als Fahrlässigkeits(allein-)täter zugestimmt werden.

IV. Die Lösung der Fälle „unterbedingter Erfolge“ am Beispiel des „Rolling Stones“-Falles Anders sieht die Lösung einzig in den Fällen aus, in denen nicht mehrere zusammen wirken, sondern die unmittelbare rechtsgutsverletzende Handlung einer vornimmt, aber nicht mehr geklärt werden kann, wer dies tat. Am anschaulichsten ist dies im Schweizer „Rolling Stones“-Fall, in dem A und B am Tössufer zwei große Steinbrocken bemerkten und jeder, obwohl er von der häufigen Anwesenheit von Fischern im Bereich des Tössufers wusste, auf Vorschlag des A einen Stein den Abhang herunterrollte, wobei einer der Steine einen Fischer tödlich verletzte. Welcher Stein dies war, ließ sich nicht mehr feststellen.241 Im Gegensatz zu den Fällen überbedingter Erfolge, bei denen ausweislich der Sachverhaltsfeststellungen mehr Personen sorgfaltswidrig zusammenhandeln, als es erforderlich wäre, sind Fälle wie der „Rolling Stones“Fall umgekehrt dadurch gekennzeichnet, dass nach den sicheren Feststellungen nur bekannt ist, dass jemand gehandelt hat, bezogen auf den Zusammenhang „Person verursacht Erfolg“ aber lückenhaft sind. Obwohl es von der rechtlichen Dogmatik nicht ganz passt, habe ich diese Konstellationen Fälle „unterbedingter Erfolge“242 genannt. Bei ihnen hilft selbst die Lehre von der hinreichenden Mindestbedingung nicht weiter, weiß man doch nicht, welcher Umstand wahr ist und welcher

______________ 240

Vgl. BGHSt. 49, 1 (6 f.). BGE 113 IV, 58; hierzu oben in der Einführung. 242 Die Zweifel beruhen darauf, dass nicht der Erfolg unterbedingt ist, immerhin ist eine hinreichende Bedingung für sein Eintreten tatsächlich vorgenommen worden, sondern letztlich die Feststellungen hierzu. 241

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3. Teil: Folgerungen

falsch. Es handelt sich also um Konstellationen, in denen im Gegensatz zu den Fällen überbedingter Erfolge tatsächlich die Erfolgszurechnung zweifelhaft und mit herkömmlicher Dogmatik nicht überwindbar ist. Alleine in diesen Fallkonstellationen kann die „fahrlässige Mittäterschaft“ überhaupt wirksam werden und mit der fahrlässigen Haftung beider ein Ergebnis herbeiführen, das unserem Gerechtigkeitsempfinden zu entsprechen scheint. Aber wieso wollen wir, dass im obigen Beispiel beide Steineroller oder im „Streichholz-Fall“243 als deutschem Pendant beide Einbrecher, die Streichhölzer angezündet und abwechselnd weggeworfen haben, für den durch ein Streichholz ausgelösten Brand haftbar gemacht werden? Unsere Gefühle werden vielleicht deutlich bei folgendem Gegenbeispiel: Zwei Autofahrer fahren auf einer dreispurigen Autobahn mit 81 km/h statt der erlaubten 80 km/h nebeneinander. Einer von ihnen erfasst trotz Vorhersehbarkeit seines Tuns den ausgestiegenen Fahrer eines liegengebliebenen Fahrzeugs tödlich.

Hier würden wir nicht auf Idee kommen, beide zu bestrafen, obwohl auch hier jeder das erlaubte Risiko überschritten und trotz Vorhersehbarkeit gehandelt, also Handlungsunrecht verwirklicht hat. Woraus ergibt sich trotz rechtlich gleicher Situation das unterschiedliche Gerechtigkeitsgefühl? Es ist die Tätigkeit selbst, die vorgenommen wird. Das Fahren auf der Autobahn mit einem Stundenkilometer zu schnell wird fast schon als normal angesehen, als „sozialüblich“. Rollen aber zwei Personen große Steinbrocken einen Abhang herunter, obwohl sie Menschen treffen könnten, oder werfen Einbrecher in einem fremden Haus Streichhölzer weg, so empfinden wir bereits diese Handlung als so strafwürdig, dass es unserem Gerechtigkeitsgefühl widerstreben würde, trotz eines sich ergebenden Erfolgs beide vermeintlichen Täter freizusprechen. Doch dieses Gefühl kann an der Strafrechtsdogmatik nichts ändern, wonach kein noch so großes Handlungsunrecht bei Eintritt eines Erfolges alleine zur Strafhaftung führt, solange der Gesetzgeber vom Instrumentarium der objektiven Bedingung der Strafbarkeit bei Fahrlässigkeitsdelikten keinen Gebrauch gemacht hat. Selbst in hohem Maße sorgfaltswidriges und risikoerhöhendes Verhalten, das nicht (nachweisbar)244 erfolgsverursachend ist, ist eben nicht strafrechtswidrig. Solange dem so ist, kann eine richtige Strafrechtsdogmatik nur zu Freisprüchen beider Beteiligter führen.245 ______________ 243

OLG Schleswig, NStZ 1982, 116; hierzu oben Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, I,

4, b). 244

Im Strafrecht existiert eine Vorschrift wie § 830 Abs. 1 S. 2 BGB gerade nicht, wonach bei Urheberzweifeln ein Jeder haftet. 245 Vgl. zum Irrweg über eine Unterlassungslösung bereits ausführlich oben Erster Hauptteil, Zweites Kapitel, II, 2 sowie Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, III, 5, b). Die Argumente (fehlende Rechtsgebotenheit bei der Vornahme der pflichtwidrigen Handlung / fehlende Garantenstellung, da nicht ohne Grund eine Überwachergarantenstellung

7. Kap.: Alternative Lösungswege

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Die „fahrlässige Mittäterschaft“ mag eine verführerische Lösung sein, existiert doch nicht nur ein gemeinschaftlicher Tatentschluss zumeist, sondern auch einer auf weder „sozialnützliche“ noch „sozialübliche“ Handlungen. Dennoch aber würde er nicht auf ein fahrlässiges Handlungsunrecht beinhaltendes Handlungsprojekt bezogen sein. Zum Handlungsunrecht gehört schließlich mehr als die Überschreitung des erlaubten Risikos, es bedarf eines Grundes, um seine Handlung zu unterlassen oder anderweitig Schaden von betroffenen Rechtsgütern abzuwenden. Dieser liegt gerade in der Vorhersehbarkeit, die aber von ihrem Wesen her nie Gegenstand eines sowohl bewusst wie unbewusste fahrlässigen Tatentschlusses sein kann. Es würde somit bei einer Lösung über die „fahrlässige Mittäterschaft“ zwar unser Sanktionsbedürfnis befriedigt werden, aber ohne dass für die hiermit verbundene Erfolgszurechnung ein auf dem Boden unserer Rechtsordnung stehender (Solidatisierungs-)Grund vorgelegen hätte.

______________

zur Hinderung deliktischer Handlungen von fremden, freiverantwortlichen Personen auferlegt werden kann) seien hier nur nochmals erwähnt.

Gesamtergebnis In unserer komplexen und hochtechnologisierten Welt nimmt die Gesellschaft aus Bequemlichkeit und zur Erreichung immer wieder neu gesteckter Ziele im Berufs- wie im alltäglichen Leben mehr und mehr Gefahren für sich in Kauf. Um den Eintritt von Schäden zumindest zu minimieren, werden zumeist mehrere menschliche Schutzinstanzen installiert, so dass bei einem Verletzungserfolg aufgrund eines Sorgfaltspflichtverstoßes in zunehmender Weise immer mehr Personen zusammengewirkt haben. Dies verdeutlicht unser Einführungsfall besonders gut: Es bedarf der Genehmigung von zwei Ärzten, bevor ein psychisch Kranker Ausgang erhält und eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen kann. Zudem sind im heutigen börsendominierten Wirtschaftleben Unternehmen in Rechtsformen wie der Aktiengesellschaft organisiert, bei der auf Vorstandsebene bewusst mehrere Personen in wichtige Entscheidungsprozesse eingebunden sind, um durch das geballte Wissen und die Mehrheit an Erfahrungen mehrerer Manager auch wirklich die richtige Entscheidung treffen zu können. Kommt es in diesen Konstellationen zu pflichtwidrigen Handlungen mit einer Rechtsgutsverletzung, so stellt sich unweigerlich die Frage nach der Ausgleichsfunktion des Strafrechts und der Verantwortlichkeit jedes Einzelnen. Das Strafrecht kann seiner Schutzfunktion für wichtige Rechtsgüter also nur wirksam nachkommen, wenn es auf die in einer Risikogesellschaft typische Arbeitsteilung sachgerecht reagieren kann. Hieran wird in letzter Zeit jedoch vermehrt gezweifelt. Denn zur Erfassung arbeitsteiliger Vorgehensweisen stellt das Gesetz einzig § 25 Abs. 2 StGB zur Verfügung. Gerade deren Anwendbarkeit auf fahrlässige Straftaten wird von der Rechtsprechung und einem überwiegenden Anteil im Schrifttum bestritten. Erweist sich so nicht bereits der Beitrag eines jeden Täters als nachweislich kausal für den eingetretenen Erfolg – wie etwa bei dem in der Einführung dargestellten „Rolling Stones“-Fall als „leading case“ –, so müsste man zwangsweise zu einem Freispruch aller Beteiligter gelangen. Noch mehr als dieser kleine Fall erhitzen die Auswirkungen auf große Wirtschaftsunternehmen die Gemüter einiger Autoren im Schrifttum und einer breiten Masse in der Bevölkerung: Fassen Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft einen überwältigenden Mehrheitsbeschluss, deren Ausführung zu einem fahrlässigen Deliktser-

Gesamtergebnis

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folg führt, so ist die Kausalität des Abstimmungsverhaltens eines jeden Vorstandsmitglieds fraglich. Jeder wird sich damit verteidigen, dass etwa bei einer 4:1-Mehrheit seine „Ja“-Stimme für den Beschluss und damit den Erfolg nicht kausal geworden sei – eine 3:2-Mehrheit hätte schließlich ausgereicht. Die Folge wäre: Mangels Kausalität könnten die Vorstandsmitglieder nicht zur Verantwortung gezogen werden, sondern höchstens die Arbeiter, die den Beschluss ausführten und unmittelbar den Erfolg herbeiführten. Getreu dem Motto: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Um diese Ungerechtigkeiten zu vermeiden, bietet sich die Rechtsfigur einer fahrlässigen Mittäterschaft geradezu an: Überwiegend wird § 25 Abs. 2 StGB die Funktion zugeschrieben, als Zurechnungsfunktion jedem Mittäter die Beiträge der anderen Mittäter zuzurechnen.1 Hierbei könnte im „Rolling Stones“Fall jedem Steinewerfer das Hinabrollen des Steines des anderen zugerechnet werden, so dass es irrelevant wäre, wer den entscheidenden Stein geworfen hat. Genauso könnte jedem Vorstandsmitglied das Stimmverhalten der anderen zugerechnet und so jeder für den durch den Beschluss verursachten deliktischen Folgen haftbar gemacht werden: „Der Interpretation von Großunternehmen als ,organisierter Unverantwortlichkeit‘ könnte damit u.U. ein Ende gesetzt werden.“2 Dies mag den Aufwind erklären, den die fahrlässige Mittäterschaft in der letzten Zeit erlebt hat. In Folgschaft zur „Pionierarbeit“3 von Otto4 haben sich nun nicht nur Autoren wie Roxin5 und Jakobs6 für eine fahrlässige Mittäterschaft ausgesprochen, sondern auch fast sämtliche der jüngst dieses Thema (mit-) behandelnden Aufsätze7 und Promotionsarbeiten8. Doch selbst wenn man mit diesen Autoren ein dringendes praktisches Bedürfnis einer Rechtsfigur „fahrlässige Mittäterschaft“ bejaht, kann dies nicht davon entbinden, die Lösung auf streng dogmatischer Basis zu suchen. Hier bewegt sich die vermeintliche Rechtsfigur im Grenzbereich von Täterschaft, Mittäterschaft und Fahrlässigkeit: ______________ 1

Vgl. nur Knauer, Kollegialentscheidung, S. 142 ff. m.w.N. Otto, Jura 1990, 50. 3 Bettina Weißer, JZ 1998, 230. 4 Otto, AT, § 21 Rn. 114 ff., ders., FS Maurach, 104, ders., Jura 1990, 48 ff., ders., FS Spendel, 276 ff. und ders., Jura 1998, 412. 5 Roxin, AT II, § 25 Rn. 241 f. und ders., TuT, S. 695. 6 Jakobs, GA 1996, 265. 7 Vgl. etwa Bettina Weißer, JZ 1998, 230 ff., Riedo/Chvojka, ZStrR 2002, 160 ff., Utsumi, Jura 2001, 538 ff. sowie Stefan Pfeiffer, Jura 2004, 525. 8 Vgl. Simone Kamm, Mittäterschaft, S. 175 ff., Sung-Ryong, Analyse, S. 286 f. und Knauer, Kollegialentscheidung, S. 181 ff. 2

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I. Auswirkungen der Täterlehre auf die fahrlässige Mittäterschaft Vor allem die Täterlehre beeinflusst maßgeblich das Für und Wider einer fahrlässigen Mittäterschaft. Dies hat nicht zuletzt unsere Bestandsaufnahme oben gezeigt: Für die Rechtsprechung war es ausgehend von ihrem subjektiven Täter- und Mittäterverständnis (Täter ist, wer Täterwillen besitzt) stets unmöglich, die Fahrlässigkeit zu erfassen. Denn der Fahrlässigkeitstäter will gerade nicht Täter eines Delikts sein, will er doch keinen deliktischen Erfolg.9 Während die Literatur anfänglich mit ihrem objektiv-formellen Täterbegriff die von § 25 Abs. 2 StGB geforderte „Gemeinschaftlichkeit“ als objektives Zusammenwirken deuten und wie selbstverständlich eine fahrlässige Mittäterschaft annehmen konnte10, ging mit dem Wandel zur Tatherrschaftslehre auch ein Wandel zur Ablehnung der fahrlässigen Mittäterschaft einher: Einem Fahrlässigkeitstäter könne keine Tatherrschaft zufließen, da diese wegen des finalen Handlungsbegriffs als Grundpfeiler der Tatherrschaftslehre ein subjektivfinales Vorgehen erfordere, an dem es gerade fehle. Vielmehr gelte bei Fahrlässigkeitstaten ein Einheitstäterbegriff.11 Doch diese Einwände sind mitnichten überzeugend: So sind gerade einmal 3 von 44 Fahrlässigkeitsdelikten fahrlässige Erfolgsdelikte, bei denen es hauptsächlich auf die Erfolgsverursachung ankommt.12 Bei allen anderen fordert das Gesetz eine bestimmte Begehensweise, wobei nach § 8 Abs. 1 StGB eine Tat begangen ist, wenn der Täter gehandelt hat. Ein finaler Handlungsbegriff verschließt sich aber keineswegs den fahrlässigen Delikten, solange man ihn nur unter Berücksichtigung neuerer neurologischer Erkenntnisse richtig fasst: Handlung ist jede auf einem emotional-sachlichen Abwägungsvorgang beruhende (emtionsbedingt) finale Bewegung oder Nichtbewegung.13 Diese Definition verdeutlicht nicht nur, dass selbstverständlich auch Unterlassungsdelikte erfasst werden können (bei jeder Entscheidung – handeln oder nicht handeln – hat der Täter mehrere Handlungsmöglichkeit, die beide durch den gleichen innerlichen Denk- und Abwägungsprozess mit dem Ausdruck der Finalität gewählt und ausgeführt werden.)14, sondern auch dass jede Handlungsweise neben der Finalität durch einen Informationsprozess im Vorfeld des Entschlusses in der ventralen Schleife gekennzeichnet ist. Dieser Informations- und Abwägungsprozess läuft bei Vorsatz- wie Fahrlässigkeitstaten ab: Der Täter nimmt eine Abwägung der von ihm aufgenommenen Informationen vor und ______________ 9

Vgl. hierzu ausführlich oben Erster Hauptteil, Zweites Kapitel. Vgl. Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, I. 11 Vgl. hierzu Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, III, 1. 12 Vgl. hierzu ausführlich Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, III, 1, a). 13 So bereits oben Zweiter Hauptteil, Viertes Kapitel, III, 2, f), bb). 14 Hierzu oben Zweiter Hauptteil, Viertes Kapitel, III, 2, f), bb). 10

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gelangt so zu einer Handlung, die er zur Erreichung seines Zieles ausführen muss. Möchte er einen bestimmten Erfolg (wenn auch nur als Nebenerfolg) und entscheidet sich daher für eine Handlung, die diesen mit hervorruft, so sprechen wir von Vorsatz. Hat der Täter dagegen die ihm zur Verfügung stehenden Informationen (etwa Bilder auf der Netzhaut) unzureichend analysiert oder entsprechende Warnsignale nicht registriert und so nicht nachgeforscht, dass ein ungewollter schädigender Kausalverlauf eintreten könnte, sprechen wir von unbewußter Fahrlässigkeit. Hat der Täter die Gefahrensignale wahrgenommen und nur wegen fehlerhafter emotionaler Besetzung diese Umstände im Gedächtnis diese falsch bewertet und so mit seiner Handlung einen ungewollten Kausalverlauf angestoßen, sprechen wir von bewusster Fahrlässigkeit. In allen Fällen ist die Handlung des Menschen vom grundsätzlichen Ablauf her gleich: Es gibt also vorsätzliches wie fahrlässiges Handeln und daher vorsätzliches wie fahrlässiges Begehen. Versteht man bei § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB – Täter ist, wer die Straftat begeht – als Täter jeden, der objektiv das tatbestandserfüllende Handlungsgeschehen gestaltet, also durch eine emotionsbedingt-finale Handlung beherrscht, so gelangt man zu einem Täterbegriff, der sowohl final ist wie auch auf sämtliche Deliktsarten gleichermaßen Anwendung findet: Auf Tun- wie Unterlassungsdelikte15, auf Sonderpflichtdelikte16, auf eigenhändige Delikte17 und eben auch auf Vorsatz- wie Fahrlässigkeitsdelikte. Das grundsätzliche Beteiligungsformenmodell mit der Abstufung von Täterschaft und Teilnahme findet damit auf alle Deliktsarten gleichermaßen Anwendung und damit auch auf Fahrlässigkeitsdelikte. Bei ihnen existiert im Strafgesetzbuch (anders als etwa in § 19 des Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes = Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen18) einzig eine fahrlässige Anstiftung und fahrlässige Beihilfe nicht, so dass diese Formen zwar von fahrlässiger Täterschaft abzugrenzen sind, im Fallen ihrer Annahme aber mangels gesetzlicher Regelung nicht strafbar. Ein richtig verstandener Tatherrschaftsbegriff steht einer fahrlässigen Mittäterschaft also keineswegs entgegen.

______________ 15

Vgl. hierzu oben Zweiter Hauptteil, Viertes Kapitel, V, 3. Vgl. hierzu Zweiter Hauptteil, Viertes Kapitel, V, 1. 17 Vgl. Zweiter Hauptteil, Viertes Kapitel, V, 2. 18 BGBl. 1990 I, 2507 (2512). 16

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II. Auswirkungen der Mittäterschaftsdogmatik auf die fahrlässige Mittäterschaft Anders sieht es hingegen schon bei der auf dem Täterbegriff aufbauenden Mittäterschaftsdogmatik aus: Jeder Mittäter bezieht den Handlungsbeitrag des anderen Mittäters in seine Handlungsplanung mit ein, so dass er bewusst auf die Selbstvornahme des Handlungaktes des anderen Mittäters verzichtet und dessen Tätigkeit als schon erfolgend einplant (wie etwa ein abzusehendes Naturereignis). Stellt der Beitrag des Einzelnen für die Verwirklichung des Tatplanes einen notwendigen Bestandteil dar, so beherrscht der einzelne Mittäter nicht nur das Geschehen von seinem einzelnen Handlungsakt, sondern zugleich auch das gesamte Handlungsgeschehen. Doch da eine Tatherrschaft alleine für eine Täterschaft nicht genügt, vielmehr der Einzelne auch tatbestandsmäßig handeln muss, rechnet § 25 Abs. 2 StGB jedem Mittäter den äußeren Handlungsbeitrag (nicht auch subjektive Einstellungen und Absichten!) den anderen Mittätern aufgrund der Handlungseinplanung zu.19 Diese Zurechnung ist aber nur dort gerechtfertigt, wo der Einzelne den anderen instrumentalisieren durfte, also nicht nur von der Wahrscheinlichkeit eines erfolgenden Tatbeitrags des anderen ausgeht. Konstituierendes Moment der kausalitätsersetzenden Zurechnung (es genügt schließlich für die ex ante zu betrachtende Handlungseinplanung, dass ein Beitrag aus der subjektiven Sicht der Mittäter notwendig ist, damit sie ihn mit einplanen; der einzelne Beitrag braucht nicht auch ex post kausal zu sein!20) stellt damit die kommunikative Abrede dar (der sog. gemeinschaftliche Tatentschluss), bei dem ein jeder Mittäter den anderen seinen Beitrag als erfolgend zusagt. Versagen müssen daher all jene Ansätze einer fahrlässigen Mittäterschaft, die einzig auf ein objektives Zusammenwirken abstellen (wie etwa maßgeblich Lesch und Derksen21, aber auch im Ansatz Simone Kamm22). Vielmehr müsste zu den Strukturmerkmalen einer fahrlässigen Mittäterschaft auch ein gemeinschaftlicher Tatplan zählen, um tatsächlich ein Miteinander und nicht nur ein Nebeneinander als Mittäterschaft zu erfassen. Diesen Anforderungen werden maßgeblich jene Autoren gerecht, die eine fahrlässige Mittäterschaft auf handlungstheoretischer Basis fundieren und etwa annehmen, wenn zwei oder mehrere Personen ein gemeinsames Ziel haben, gemeinsam zur Zielverwirklichung vorgehen und hierbei „in Verletzung einer ihnen gemeinsamen Sorgfaltspflicht in rechtswidriger Weise einen gesetzlich ______________ 19 Vgl. zu diesem Wesen der Mittäterschaft oben Zweiter Hauptteil, Fünftes Kapitel, I, 2 und 3, c). 20 Zweiter Hauptteil, Fünfte Kapitel, II, 1, b), dd). 21 Vgl. hierzu bereits die obige Kritik – Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, IV, 1, a), bb). 22 Vgl. Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, IV, 2, d).

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verpönten, vermeidbaren und voraussehbaren Nebenerfolg verursachen.“23 Obgleich man hier besser von einem bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem strafrechtlich irrelevanten einheitlichen Gesamtereignis als Handlungsziel und einem Zusammenwirken als kollektiver Fehlleistung als von einem fahrlässigen Zusammenwirken sprechen könnte24, läge auch hier ein gemeinschaftlicher Tatplan vor – eine fahrlässige Mittäterschaft scheint in greifbarer Nähe. Doch das hart erkämpfte abgestufte Beteiligungsformenmodell auch für Fahrlässigkeitsdelikte wird der fahrlässigen Mittäterschaft dogmatisch zum Verhängnis: Die Rechtsfigur der Beihilfe endet dort, wo der strafrechtsrelevante Bereich des Hilfeleistens verlassen und der straflose Bereich neutraler (berufstypischer oder Alltags-)Handlungen erreicht ist. Die Grenze ist hier erst überschritten, wenn die Handlung des Gehilfen einen deliktischen Sinnbezug aufweist; ansonsten interessiert sich das Strafrecht nicht für sie. Dann kann unterhalb dieses Bereichs aber nicht die schwerwiegendere Form der Mittäterschaft existieren. Für diese wird es so auch erforderlich, dass sich der gemeinschaftliche Tatplan nicht auf eine nur (gemeinschaftlich vorzunehmende) neutrale Handlung bezieht, sondern auf eine Handlung mit einem deliktischen Sinnbezug. Dieses Kriterium bedeutet schlagwortartig nichts anderes als das Vorliegen von Handlungsunrecht, ohne das eine Bestrafung nicht möglich ist. Jede Mittäterschaft muss also, will sie § 25 Abs. 2 StGB genügen, auf eine Handlung gerichtet sein, die für alle Mittäter mit einem Handlungsunrecht verbunden ist.25

III. Auswirkungen des Fahrlässigkeitsbegriffs auf die fahrlässige Mittäterschaft Genau hier stößt die fahrlässige Mittäterschaft an ihre dogmatischen Grenzen. Das Wesen der Fahrlässigkeit besteht gerade darin, dass der Täter aufgrund der von ihm aufgenommenen Gefahrensignale durch Nachforschungen nach einer Gefahrenquelle oder durch eine richtige Bewertung der Signale die drohende Gefahr für ein Rechtsgut hätte vorhersehen und vermeiden können. Unsere Gesellschaft kann schließlich nur funktionieren, wenn der Einzelne auf Gefahrensignale sachgerecht reagiert und seine Handlungsplanung dergestalt ändert, dass für andere keine Gefahren entstehen oder sich realisieren können. ______________ 23

So etwa die Formulierung von Riedo/Chvojka, ZStrR 2002, 161 f. Vgl. zu den weiteren Ansätzen in diese Richtung Erster Hauptteil, Drittes Kapitel, IV, 2, g), aa). 24 So Bloy, GA 2000, 395. 25 Vgl. zu diesem gesamten Komplex oben Dritter Hauptteil, Sechstes Kapitel, III, 2.

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Doch diese „Quasi-Garantenstellung Vorhersehbarkeit“ besteht nur dann, wenn es um Risiken geht, die die Gesellschaft nicht in Kauf nimmt – der Täter muss also zugleich mit seiner Handlung den Bereich des erlaubten Risikos verlassen (sog. Pflichtwidrigkeit).26 Um sich auf eine Handlung mit Handlungsunrecht für alle Mittäter beziehen zu können, müsste der gemeinschaftliche Tatentschluss also beim Vorsatzdelikt das jeweilige Wollen mit einbeziehen und bei der Fahrlässigkeitstat die jeweilige Vorhersehbarkeit. Wie das Wollen ist die Vorhersehbarkeit zwar ein Merkmal des täterinternen Bereichs. Das Wollen kann aber objektiv klar zum Ausdruck gebracht werden; Fehleinschätzungen bei der Bewertung vorhandener Gefahrensignale schon schwerer. Unmöglich wird es gar, wenn der Einzelne auf Anzeichen hin nicht nach einer Gefahrenquelle gesucht hat – hier war dem Täter die mögliche Rechtsgutsverletzung noch nicht einmal bewusst. Wie sollte er dann aber diese Fehlleistung für andere objektiv zum Ausdruck bringen, damit sich der gemeinschaftliche Tatplan auch auf eine Handlung mit einer derartigen Fehlleistung aller – eben einer kollektiven Fehlleistung – bezieht. Solange der Gesetzgeber die bewusste und unbewusste Fahrlässigkeit nicht trennt, spielt es keine Rolle, dass für einige Fälle der bewussten Fahrlässigkeit eine fahrlässige Mittäterschaft theoretisch denkbar erscheint. Alle Arten der Fahrlässigkeit sind aufgrund gesetzlicher Wertung einheitlich zu behandeln, so dass insgesamt eine fahrlässige Mittäterschaft im Bereich des Unmöglichen liegt.27 Es fehlt eben an einem gemeinschaftlichen Tatplan, wie ihn § 25 Abs. 2 StGB mit bestimmten Anforderungen verlangt. Und damit scheitert die fahrlässige Mittäterschaft letztlich an jenem Zentraleinwand, das von den Anhängern der fahrlässigen Mittäterschaft als das „am einfachsten zu widerlegende Argument“ bezeichnet wurde.28

IV. Auswirkungen auf die Rechtserheblichkeit Fahrlässigen Zusammenwirkens Doch diese dogmatische Unmöglichkeit einer fahrlässigen Mittäterschaft bedingt keineswegs das oben aufgezeigte mögliche Szenario, dass das Strafrecht die praktisch wichtigen Fälle fahrlässigen Zusammenwirkens nicht sachgerecht erfassen kann. Denn hierbei würde verkannt, dass jede Täterbestrafung zwei Zurechnungsebenen kennt – jene der Täterschaft und jene der Kausalität (ein______________ 26

Vgl. zu diesem Fahrlässigkeitsverständnis oben Dritter Hauptteil, III, 3. Vgl. hierzu Dritter Hauptteil, Sechstes Kapitel, III, 3, e). 28 Vgl. nur Bettina Weißer, JZ 1998, 232. 27

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geschränkt durch die objektive Zurechnung). In Fällen zweifelhafter Kausalität wird nun versucht, die Kausalitätsebene durch die kausalitätsersetzende Mittäterschaft auf der Täterzurechnungsebene zu umgehen, anstatt die wenn auch mitunter komplizierte Kausalität näher zu untersuchen. Symptomatisch (und daher nochmals vorgebracht) sind Roxins Worte hierzu: „Ich will nicht bestreiten, dass man vor allem bei den Kollegialentscheidungen auch eine Kausalität begründen kann. Aber die Begründung ist schwierig, während der Weg über die Mittäterschaft, wenn er denn gangbar ist, leicht ist.“29 So ist gerade der praktisch wichtige Fall der Kollegialentscheidung mit den allgemeingültigen Kausalitätserwägungen zu lösen, sofern man erst einmal über die Hürde der vertikalen Zurechnung (des Verhaltens des ausführenden Arbeiters zu den Geschäftsführern) mit der Figur der mittelbaren Täterschaft übersprungen hat, was nur in einigen Fällen gelingen wird. Denn einzig eine Irrtumsherrschaft bleibt, nachdem die Figur der mittelbaren Täterschaft kraft organisierten Machtapparates als Fall sozialer Tatherrschaft nur dort wirken kann, wo dem sozialen Gruppendruck zur Handlung nicht der Gegendruck der Rechtsordnung zur Nichthandlung entgegensteht, also nur wo sich der Machtapparat außerhalb des Rechts befindet und damit nicht beim durchschnittlichen Wirtschaftsunternehmen.30 Auf der horizontalen Ebene stellt sich dann die Frage, wie etwa bei einer 4:1Entscheidung die einzelne „Ja“-Stimme kausal sein kann. Mit der conditio sine qua non-Formel lässt sich dieser Anwendungsfall eines überbedingten Erfolges zwar nicht lösen. Dies liegt daran, dass man mit ihr nur betrachtet, wie ein Zug in einen Tunnel fährt und wieder herauskommt: Wäre er nicht hereingefahren, wäre er nicht wieder herausgekommen. Welche Gleise er im Tunnel gefahren ist, betrachtet man nicht. Berücksichtigt man aber dies mit und damit den positiven Kausalzusammenhang, so lässt sich die Kausalität zutreffend erfassen: Die Einzelursache ist ein notwendiger und wahrer Bestandteil einer nach allgemeinen empirischen Gesetzen hinreichenden und wahren Mindestbedingung.31 In diesem Sinne waren alle möglichen Drei-„Ja“-Stimmen kausal für den Beschluss und damit auch jede einzelne dieser Stimmen. Dass damit mehrere Bedingungen parallel gewirkt haben, steht dem nicht entgegen. Bei den Kollegialentscheidungsfällen kann so jeder Geschäftsführer auch ohne eine fahrlässige Mittäterschaft in den Fällen übersprungener vertikaler Zurechnungshürde zur Verantwortung gezogen werden, solange ihm selbst eine Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann. Dies erfordert eine Vorhersehbarkeit nicht nur des Erfolges, sondern auch der wesentlichen Züge des Kausalverlaufs und damit auch, dass ein Beschluss zustande kommen wird, obwohl jeder

______________ 29

Zitiert nach der Wiedergabe bei Ingeborg Puppe, GA 2004, 142 f. Vgl. oben Dritter Hauptteil, Siebtes Kapitel, I, 1. 31 Vgl. hierzu oben Dritter Hauptteil, Siebtes Kapitel, I, 2, a), dd). 30

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Einzelne nur eine für sich nicht ausreichende „Ja“-Stimme hat. Das einzelne Vorstandsmitglied kann aber davon ausgehen, dass die erforderliche Mehrheit zustande kommt, wenn sich dies in der vorherigen Diskussion abgezeichnet hat. Und hier zeigt sich nun die eigentliche Bedeutung fahrlässigen Zusammenwirkens: Es begründet keine fahrlässige Mittäterschaft, sondern die Vorhersehbarkeit und damit letztlich die Fahrlässigkeit eines jeden Einzelnen.32 Einzig bei Konstellationen wie dem „Rolling Stones“-Fall bleibt das fahrlässige Zusammenwirken folgenlos. Dies liegt daran, dass die beiden Steineroller zwar jeweils für sich eine rechtlich missbilligte Handlung vorgenommen haben, jedem Einzelnen aber kein Erfolgsunrecht nachgewiesen werden kann. Mangels fahrlässigen Versuchs muss so eine Bestrafung ausscheiden. Dieses Ergebnis ließe sich aber auch kaum gesetzlich damit beheben, dass eine fahrlässige Mittäterschaft vom Gesetzgeber eingeführt würde.33 Hierbei müsste er schließlich nicht nur die Abgrenzung bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit lösen – vor der er bereits bei der Grossen Strafrechtsreform zurückgeschreckt ist34 –, sondern er würde das gesamte Beteiligungsformenlehrekonzept schlicht auf den Kopf stellen, indem an die Mittäterschaft geringere Anforderungen geknüpft würden als an die Beihilfe. Zudem würde er den Menschen aus seinem Blick verlieren, den das Strafrecht gerade erreichen und erfassen soll. Denn der Mensch handelt aufgrund des der Handlung vorausgehenden Fehlers im Abwägungsprozess seines Gehirns (etwa wegen fehlerhafter emotionaler Besetzung eines Umstandes in seinem Gedächtnis) individuell fahrlässig. Damit schließt sich der Kreis35 und diese Arbeit: Der Mensch ist ein fahrlässiges Wesen. Er versagt für sich allein.

______________ 32

Vgl. hierzu oben Dritter Hauptteil, Siebtes Kapitel, I, 2, c). Vgl. etwa Dencker, FS Lüderssen, 537 mit dem Reformansatz, die Mittäterschaft als Beteiligung an einem „gemeinsamen Handlungsprojekt, das auch aus der Sicht des Täters ein tatbestandsmäßiges ist“, zu fassen. 34 Vgl. oben Dritter Hauptteil, Sechstes Kapitel, I. 35 Vgl. den Beginn der Einführung. 33

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Allgemeiner Teil, 4. Aufl.,

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Frisch, Wolfgang: Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, Heidelberg 1988 (zit.: Wolfgang Frisch, Verhalten). – Vorsatz und Risiko, Köln 1983 (zit.: Wolfgang Frisch, Vorsatz). Fromm, Friedrich Karl / Nordemann, Wilhelm: Urheberrecht, Kommentar zum Urheberrechtsgesetz und zum Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, 9. Aufl., Stuttgart 1998 (zit.: Bearbeiter in Nordemann/Fromm, Urheberrecht). Gallas, Wilhelm: Beiträge zur Verbrechenslehre, Berlin 1968 (zit.: Gallas, Beiträge). – Die moderne Entwicklung der Begriffe Täterschaft und Teilnahme im Strafrecht; in: Deutsche Beiträge zum VII. Internationalen Strafrechtskongress in Athen vom 26. September bis 2. Oktober 1957, Sonderheft der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, herausgegeben von Edmund Mezger, Hans-Heinrich Jescheck und Richard Lange, Berlin 1957, S. 3-45 (zit.: Gallas, Beiträge). – Zum gegenwärtigen Stand der Lehre vom Verbrechen; in: ZStW 67 (1955), 1-47. – Der dogmatische Teil des Alternativ-Entwurfs; in: ZStW 80 (1968), 1-33. Geerds, Friedrich: Rezension von Claus Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, Hamburg 1963; in: GA 1965, 216-219. Geilen, Gerd: Mittäterschaft bei Fahrlässigkeit; Garantenhaftung für Fahrlässigkeit eines Diebeskomplizen? in: JK, StGB § 13/2. Geppert, Klaus: Zur Abgrenzung von aktivem Tun und Unterlassen bei mehrdeutigen Verhaltensweisen (hier: durch ärztliches Fehlverhalten); in: JK 4/04, StGB § 13/38. – Die Anstiftung (§ 26 StGB); in: Jura 1997, 299-305. – Die Beihilfe (§ 27 StGB); in: Jura 1999, 266-274. – Nochmals: Zur Finalität des Gewalteinsatzes beim Raub, speziell bei Motivwechsel auf Täterseite; in: JK 7/04, StGB § 249/9. – Zu den Grenzen der sukzessiven Mittäterschaft; in: JK 99, StGB § 25 II/12. – Grundfragen der Aussagedelikte (§§ 153 ff.); in: Jura 2002, 173-181. – Zur Mittäterschaft durch Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium (hier: gemeinsame Absprache); in: JK 95, § 25/10. – Mittäterschaft, wenn einer der Tatgenossen während der Tatausführung aufgibt; in: JK 91, StGB § 25 II/5. – Die subjektiven Rechtfertigungselemente; in: Jura 1995, 103-107. – Die Unterbrechung des strafrechtlichen Zurechnungszusammenhangs bei Eigenschädigung /-gefährdung des Opfers oder Fehlverhalten Dritter; in: Jura 2001, 490-495.

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– Zum Versuchsbeginn bei „Giftfalle“; in: JK 98, StGB § 22/18. – Zum funktionalen Zusammenhang zwischen Wegnahme und Gewaltanwendung beim Raub; in: JK 4/03, StGB § 249/8. Geyer, August: Verbrechen gegen die leibliche Unversehrtheit; in: Handbuch des deutschen Strafrechts, Dritter Band, Die Lehre von den Verbrechensarten, herausgegeben von Franz von Holtzendorff, Berlin 1874, S. 518-564 (zit.: Geyer, Holtzendorffs Handbuch III). Gimbernat Ordeig, Enrique: Hat die Strafrechtsdogmatik eine Zukunft? in: ZStW 82 (1970), 379-410. Glaser, Julius: Abhandlungen aus dem österreichischen Strafrecht, Neudruck der Ausgabe Wien 1858, Aalen 1978 (zit.: Julius Glaser, Abhandlungen). Gössel, Karl Heinz: Besprechung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 4. März 2004 – 3 StR 218/03 – (El Motassadeq); in: Jura 2004, 696-700. – Rezension von Manfred Heinrich, Rechtsgutszugriff und Entscheidungsträgerschaft, München 2002; in: GA 2004, 722-725. – Dogmatische Überlegungen zur Teilnahme am erfolgsqualifizierten Delikt nach § 18 StGB; in: Festschrift für Richard Lange zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Günter Warda, Heribert Waider, Reinhard von Hippel und Dieter Meurer, Berlin 1976, S. 219-239 (zit.: Gössel, FS Richard Lange). – Alte und neue Wege der Fahrlässigkeitslehre; in: Festschrift für Karl Bengl, herausgegeben von August R. Lang, München 1984, S. 23-40 (zit.: Gössel, FS Bengl). Goltdammer, Theodor: Ueber den Kausalzusammenhang und dessen Zurechnung bei fahrlässiger Tödtung; in: GA 15 (1867), 15-21. – Die Materialien zum Strafgesetzbuche für die Preußischen Staaten, Theil I, Berlin 1851 (zit.: Goltdammer, Materialien I). – Die Materialien zum Strafgesetzbuche für die Preußischen Staaten, Theil II, Berlin 1852 (zit.: Goltdammer, Materialien II). Gropp, Walter: Die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates als „Mittelbare MitTäter hinter den Tätern“? – BGHSt 40, 218; in: JuS 1996, 13-18. – Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Berlin 2001 (zit.: Gropp, AT). Grünwald, Gerald: Zu den besonderen persönlichen Merkmalen (§ 28 StGB); in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, herausgegeben von Gerhard Dornseifer, Eckhard Horn, Georg Schilling, Wolfgang Schöne, Eberhard Struensee und Diethart Zielinski, Köln 1989, S. 555-571 (zit.: Grünwald, GedS Armin Kaufmann). Günther, Hans-Ludwig: Strafrecht: Wer war der Täter? in: JuS 1988, 386-389.

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Haas, Volker: Kausalität und Rechtsverletzung, Tübingen 2002 (zit.: Haas, Kausalität). Haft, Fritjof: Strafrecht Allgemeiner Teil, 9. Aufl., München 2004 (zit.: Haft, AT). Haggard, Patrick / Eimer, Manfred: On the relation between brain potentials and the awareness of voluntary movements; in: Experimental Brain Research 126 (1999), 128-133. Hall, Karl Alfred: Über die Kausalität und Rechtswidrigkeit der Unterlassung; in: Erinnerungsgabe für Max Grünhut, herausgegeben von Hilde Kaufmann, Erich Schwinge und Hans Welzel, Marburg 1965, S. 213-230 (zit.: Karl Alfred Hall, Erinnerungsgabe Grünhut). – Über die Leichtfertigkeit – Ein Vorschlag de lege ferenda; in: Festschrift für Edmund Mezger zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Karl Engisch und Reinhart Maurach, München 1954, S. 229-248 (zit.: Karl Alfred Hall, FS Mezger). Hardwig, Werner: Zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe; in: GA 1954, 353358. – Über den Begriff der Täterschaft, Zugleich eine Besprechung der Habilitationsschrift von Claus Roxin „Täterschaft und Tatherrschaft“; in: JZ 1965, 667-671. – Pflichtirrtum, Vorsatz und Fahrlässigkeit; in: ZStW 78 (1966), 1-29. – Über die unterschiedlichen Unrechtsgehalte und die Abgrenzung von Unrecht und Schuld; in: JZ 1969, 459-463. Hart, Herbert / Honoré, Tony: Causation in the Law, Oxford 1985 (zit.: Hart/Honoré, Causation). Hartmann, Arthur: Sonderregeln für die Beihilfe durch „neutrales“ Verhalten? in: ZStW 116 (2004), 585-617. Hartmann, Nicolai: Zur Grundlegung der Ontologie, 4. Aufl., Berlin 1965 (zit.: Nicolai Hartmann, Grundlegung). Hartung, Fritz: Der „Badewannenfall“; in: JZ 1954, 430-431. Hartung, Fritz / Serwe, Ludwig Hans: Strafrecht, Ein Lehr- und Nachschlagebuch für Schiedsämter und Schiedsstellen, 6. Aufl., Köln 1993 (zit.: Hartung/Serwe, Strafrecht). Hassemer, Winfried: Professionelle Adäquanz; in: wistra 1995, 81-87. – Anmerkung zu BGH, Urt. v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, NJW 1990, 2560; in: JuS 1991, 253-255. – Produktverantwortung im modernen Strafrecht, 2. Aufl., Heidelberg 1996 (zit.: Hassemer, Produktverantwortung).

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Hauf, Claus-Jürgen: Neuere Entscheidungen zur Mittäterschaft unter besonderer Berücksichtigung der Problematik der Aufgabe der Mitwirkung eines Beteiligten während der Tatausführung bzw. vor Eintritt in das Versuchsstadium – Zugleich eine Besprechung der Urteile des BGH, NStZ 1991, 280 und NStZ 1993, 489 –; in: NStZ 1994, 263-266. – Strafrecht – Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Neuwied 2001 (zit.: Hauf, AT). Haverkate, Görg: Normtext – Begriff – Telos. Zu den drei Grundtypen des juristischen Argumentierens, Heidelberg 1996 (zit.: Haverkate, Normtext). Heck, Philipp: Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz; in: AcP 112 (1914), 1313. Hefendehl, Roland: Tatherrschaft in Unternehmen vor kriminologischer Perspektive; in: GA 2004, 575-586. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts, in der Textedition von Johannes Hoffmeister, Hamburg 1995 (zit.: Hegel, Grundlinien). – Vorlesungen über Rechtsphilosophie 1818-1831, Dritter Band, Philosophie des Rechts, nach der Vorlesungsnachschrift von H.G. Hotho 1822/23, Stuttgart 1974 (zit.: Hegel, Vorlesungen). Heimberger, Joseph: Die Teilnahme am Verbrechen in Gesetzgebung und Literatur von Schwarzenberg bis Feuerbach, Freiburg 1896 (zit.: Heimberger, Teilnahme). Heine, Günter: Europäische Entwicklungen bei der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Wirtschaftsunternehmen und deren Führungskräften; in: ZStrR 2001, 22-39. – Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, Baden-Baden 1995 (zit.: Heine, Verantwortlichkeit). Heinrich, Manfred: Rechtsgutszugriff und Entscheidungsträgerschaft, München 2002 (zit.: Manfred Heinrich, Rechtsgutszugriff). Hempel, Carl G.: Aspekte wissenschaftlicher Erklärung, Berlin 1977 (zit.: Hempel, Aspekte). Henke, Eduard: Handbuch des Criminalrechts und der Criminalpolitik, Erster Theil, Berlin 1823 (zit.: Eduard Henke, Handbuch I). Henkel, Heinrich: Einführung in die Rechtsphilosophie, Grundlagen des Rechts, 2. Aufl., München 1977 (zit.: Heinrich Henkel, Einführung). Hentschel, Peter: Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., München 2005 (zit.: Hentschel, Straßenverkehrsrecht). Hepp, Ferdinand Karl Theodor: Von der Theilnahme an einem Verbrechen; in: NaCr 1846, 313-359.

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Herzberg, Rolf Dietrich: Aids: Herausforderung und Prüfstein des Strafrechts – zugleich eine Besprechung des BGH-Urteils vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88 –; in: JZ 1989, 470-482. – Gedanken zum strafrechtlichen Handlungsbegriff und zur „vortatbestandlichen“ Deliktsverneinung; in: GA 1996, 1-18. – Abergläubische Gefahrabwendung und mittelbare Täterschaft durch Ausnutzung eines Verbotsirrtums – BGHSt. 35, 347 –; in: Jura 1990, 16-26. – Grundfälle zur Lehre von Täterschaft und Teilnahme. Zweiter Teil: Geltungsgrenzen des Tatherrschaftskriteriums; in: JuS 1975, 35-38. – Grundprobleme der deliktischen Fahrlässigkeit im Spiegel des Münchener Kommentars zum Strafgesetzbuch; in: NStZ 2004, 593-600 und 660-668. – Die Schuld beim Fahrlässigkeitsdelikt; in: Jura 1984, 402-414. – Täterschaft, Mittäterschaft und Akzessorietät der Teilnahme; in: ZStW 99 (1987), 4981. – Täterschaft und Teilnahme, München 1977 (zit.: Herzberg, TuT). – Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, Berlin 1972 (zit.: Herzberg, Unterlassung). – Vorsatz und erlaubtes Risiko – insbesondere bei der Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB); in: JR 1986, 6-10. – Das Wollen beim Vorsatzdelikt und dessen Unterscheidung vom bewusst fahrlässigen Verhalten; in: JZ 1988, 573-579 und 635-643. Herzog: Noch einige Bemerkungen zur Lehre von der Theilnahme; in: GS 28 (1876), 321-338. Hilgendorf, Eric: Fragen der Kausalität bei Gremienentscheidungen am Beispiel des Lederspray-Urteils; in: NStZ 1994, 561-566. – Zur Lehre vom „Erfolg in seiner konkreten Gestalt“; in: GA 1995, 515-534. – Strafrechtliche Produzentenhaftung in der „Risikogesellschaft“, Berlin 1993 (zit.: Hilgendorf, Produzentenhaftung). – Der „gesetzmäßige Zusammenhang“ im Sinne der modernen Kausallehre; in: Jura 1995, 514-522. Hippel, Robert von: Deutsches Strafrecht, Band 2, Das Verbrechen, Allgemeine Lehren, Berlin 1930 (zit.: Hippel, Strafrecht II). – Vorsatz, Fahrlässigkeit, Irrtum; in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, Allgemeiner Teil, III. Band, herausgegeben auf Anregung

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des Reichs-Justizamtes von den Professoren Karl von Birkmeyer, Fritz van Calker, Reinhard Frank, Robert von Hippel, Wilhelm Kahl, Karl von Lilienthal, Franz von Liszt und Adolf Wach, Berlin 1908, S.373-599 (zit.: Hippel, VDA III). Hirsch, Hans Joachim: Der Streit um Handlungs- und Unrechtslehre, insbesondere im Spiegel der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft; in: ZStW 93 (1981), 831-863 und ZStW 94 (1982), 239-278. – Zum Unrecht des fahrlässigen Delikts; in: Jus humanum, Grundlagen des Rechts und Strafrecht, Festschrift für Ernst-Joachim Lampe zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Dieter Dölling, Berlin 2003, S. 515-536 (zit.: Hans Joachim Hirsch, FS Lampe). Hirte, Heribert: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89; in: JZ 1992, 257259. Hochhuth, Martin: Die Bedeutung der neuen Willensfreiheitsdebatte für das Recht; in: JZ 2005, 745-753. Hoppe: Inwiefern kann sich ein Rechtsanwalt durch Erteilung eines juristischen Rates der Beihilfe bzw. der Begünstigung im Sinne der §§ 49, 257 StrGB schuldig machen? in: DJZ 1905, 155-156. Hoyer, Andreas: Die traditionelle Strafrechtsdogmatik vor neuen Herausforderungen: Probleme der strafrechtlichen Produkthaftung; in: GA 1996, 160-178. – Die strafrechtliche Verantwortlichkeit innerhalb von Weisungsverhältnissen, München 1998 (zit.: Hoyer, Verantwortlichkeit). Hoyos, Carl: Psychologische Unfall- und Sicherheitsforschung, Stuttgart 1980 (zit.: Hoyos, Unfallforschung). Hruschka, Joachim: Regreßverbot, Anstiftungsbegriff und die Konsequenzen; in: ZStW 110 (1998), 581-610. Hünerfeld, Peter: Mittelbare Täterschaft und Anstiftung im Kriminalstrafrecht der Bundesrepublik Deutschland; in: ZStW 99 (1987), 228-250. Hume, David: A Treatise of Human Nature; in: The Philosophical Works of David Hume, herausgegeben von T.H.Green und T.H. Grose, London 1874 (zit.: Hume, Treatise). Ingelfinger, Ralph: Anstiftervorsatz und Tatbestimmtheit, Berlin 1992 (zit.: Ingelfinger, Anstiftervorsatz). – „Schein“-Mittäter und Versuchsbeginn; in: JZ 1995, 704-714. Jäger, Christian: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 22.11.2000 – 3 StR 331/00, JR 2001, 510; in: JR 2001, 512-514.

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Jähnke, Burkhard: Grundlagen der strafrechtlichen Haftung für fahrlässiges Verhalten; in: Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter, herausgegeben von Gunnar Duttge, Gerd Geilen, Lutz Meyer-Goßner und Günter Warda, Köln 2002, S. 99-106 (zit.: Jähnke, GedS Schlüchter). Jagemann, Ludwig von: Zusammenwirken zum Verbrechen; in: NaCr 1851, 345-358. Jakobs, Günther: Akzessorietät, Zu den Voraussetzungen gemeinsamer Organisation; in: GA 1996, 253-268. – Anmerkung zu BGH, Urt. v. 26.7.1994 – 5 StR 98/94, NStZ 1994, 537; in: NStZ 1995, 26-27. – Strafrechtliche Haftung durch Mitwirkung an Abstimmungen; in: Festschrift für Koichi Miyazawa, herausgegeben von Hans-Peter Kühne, Baden-Baden 1995, S. 418436 (zit.: Jakobs, FS Miyazawa). – Der strafrechtliche Handlungsbegriff, München 1992 (zit.: Jakobs, Handlungsbegriff). – Individuum und Person, Strafrechtliche Zurechnung und die Ergebnisse moderner Hirnforschung; in: ZStW 117 (2005), 247-266. – Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Berlin 1991 (zit.: Jakobs, AT). – Regressverbot beim Erfolgsdelikt. Zugleich eine Untersuchung zum Grund der strafrechtlichen Haftung für Begehung; in: ZStW 89 (1977), 1-35. – Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, Berlin 1972 (zit.: Jakobs, Studien). – Tätervorstellung und objektive Zurechnung; in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, herausgegeben von Gerhard Dornseifer, Eckhard Horn, Georg Schilling, Wolfgang Schöne, Eberhard Struensee und Diethart Zielinski, Köln 1989, S. 271-288 (zit.: Jakobs, GedS Armin Kaufmann). Jescheck, Hans-Heinrich: Die Behandlung der unechten Unterlassungsdelikte im deutschen und ausländischen Strafrecht; in: ZStW 77 (1965), 109-148. – Grundfragen der Dogmatik und Kriminalpolitik im Spiegel der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft; in: ZStW 93 (1981), 3-67. – Der strafrechtliche Handlungsbegriff in dogmengeschichtlicher Entwicklung; in: Festschrift für Eberhard Schmidt zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Paul Bockelmann und Wilhelm Gallas, Göttingen 1961, S. 139-155 (zit.: Jescheck, FS Eberhard Schmidt). – Neue Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik in rechtsvergleichender Sicht; in: ZStW 98 (1986), 1-27. Jescheck, Hans-Heinrich / Weigend, Thomas: Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl., Berlin 1996 (zit.: Jescheck/Weigend, AT).

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Joerden, Jan C.: OGH JBl. 1987, 191 – Ein Fall alternativer Kausalität? in: JBl. 1988, 432-435. – Strukturen des strafrechtlichen Verantwortlichkeitsbegriffs: Relationen und ihre Verkettungen, Berlin 1988 (zit.: Joerden, Strukturen). Jordan, Adolf-Dietrich: Rechtmäßiges Alternativverhalten und Fahrlässigkeit; in: GA 1997, 349-367. Kahlo, Michael: Die Handlungsform der Unterlassung als Kriminaldelikt, Frankfurt a.M. 2001 (zit.: Kahlo, Unterlassung). – Das Problem des Pflichtwidrigkeitszusammenhanges bei den unechten Unterlassungsdelikten, Berlin 1990 (zit.: Kahlo, Problem). Kamm, Simone: Die fahrlässige Mittäterschaft, Berlin 1999 (zit.: Simone Kamm, Mittäterschaft). Kandel, Eric R. / Schwartz, James H./Jessell, Thomas M.: Neurowissenschaften. Eine Einführung, Heidelberg 1996 (zit.: Kandel/Schwartz/Jessell, Neurowissenschaften). Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, herausgegeben von Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1974 (zit.: Kant, KpV). – Kritik der reinen Vernunft, Band 1, herausgegeben von Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1974 (zit.: Kant, KrV). Kantorowicz, Hermann U.: Der Strafrechtsentwurf und die Wissenschaft; in: MSchrKrim 7 (1910/11), 257-344. Kassebohm, Kristian / Malorny, Christian: Die strafrechtliche Verantwortung des Managements, Produktverantwortlichkeit und deren Einflussbereiche auf die qualitätsorientierte Unternehmensführung; in: BB 1994, 1361-1371. Kaufmann, Armin: Die Dogmatik im Alternativ-Entwurf; in: ZStW 80 (1968), 34-53. – Der dolus eventualis im Deliktsaufbau. Die Auswirkungen der Handlungs- und der Schuldlehre auf die Vorsatzgrenze; in: ZStW 70 (1958), 64-86. – Zum Stand der Lehre vom personalen Unrecht; in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Günter Stratenwerth, Armin Kaufmann, Gerd Geilen, Hans Joachim Hirsch, Hans-Ludwig Schreiber, Günter Jakobs und Fritz Loos, Berlin 1974, S. 393-414 (zit.: Armin Kaufmann, FS Welzel). Kaufmann, Arthur: Unzeitgemäße Betrachtungen zum Schuldgrundsatz im Strafrecht; in: Jura 1986, 225-233. – Die finale Handlungslehre und die Fahrlässigkeit; in: JuS 1967, 145-152.

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– Das Schuldprinzip, 2. Aufl., Heidelberg 1976 (zit.: Arthur Kaufmann, Schuldprinzip). – Die ontologische Struktur der Handlung, Skizze einer personalen Handlungslehre; in: Beiträge zur gesamten Strafrechtswissenschaft, Festschrift für Hellmuth Mayer zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Friedrich Geerds und Wolfgang Naucke, Berlin 1966, S. 79-117 (zit.: Arthur Kaufmann, FS Hellmuth Mayer). Kielwein, G.: Unterlassung und Teilnahme; in: GA 1955, 225-232. Kienapfel, Diethelm: „Beteiligung“ und „Teilnahme“ – Zum Verhältnis vom OWiG zum StGB; in: NJW 1970, 1826-1833. – Der Einheitstäter im Ordnungswidrigkeitenrecht; in: NJW 1971, 121-124. – Das erlaubte Risiko im Strafrecht, Frankfurt a.M. 1966 (zit.: Kienapfel, Risiko). Kindhäuser, Urs: Kausalanalyse und Handlungszuschreibung; in: GA 1982, 477-498. – Erlaubtes Risiko und Sorgfaltspflichtverletzung, Zur Struktur strafrechtlicher Fahrlässigkeitshaftung; in: GA 1994, 197-223. – Strafgesetzbuch, Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2005 (zit.: LPKStGB/Kindhäuser). Kitka, Josef: Ueber das Zusammentreffen mehrerer Schuldigen bey einem Verbrechen und deren Strafbarkeit, Wien 1840 (zit.: Kitka, Zusammentreffen). Knauer, Christoph: Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, München 2001 (zit.: Knauer, Kollegialentscheidung). Kniffka, Rolf: Die Durchsuchung von Kreditinstituten in Steuerstrafsachen; in: wistra 1987, 309-313. Köhler: Anmerkung zu RG, Urt. v. 14.06.1927 – 1 D 303/27, JW 1927, 2804; in: JW 1927, 2804-2805. Köhler, Michael: Der Begriff der Strafe, Heidelberg 1986 (zit.: Michael Köhler, Begriff). – Der Begriff der Zurechnung; in: Festschrift für Hans Joachim Hirsch zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Thomas Weigend und Georg Küpper, Berlin 1999, S. 65-81 (zit.: Michael Köhler, FS Hans Joachim Hirsch). – Strafrecht, Allgemeiner Teil, Berlin 1997 (zit.: Michael Köhler, AT). Köstlin, Christian Reinhold: Neue Revision der Grundbegriffe des Kriminalrechts, Neudruck der Ausgabe Tübingen 1845, Aalen 1970 (zit.: Köstlin, Revision). Kohlrausch, Eduard: Bemerkung zu RG, Urt. v. 7.10.1938 – 5 D 673/38, ZAkDR 1939, 244; in: ZAkDR 1939, 245-246.

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Kohlrausch, Eduard / Lange, Richard: Strafgesetzbuch, 43. Aufl., Berlin 1961 (zit.: Kohlrausch/Lange). Koriath, Heinz: Grundlagen strafrechtlicher Zurechnung, Berlin 1994 (zit.: Koriath, Grundlagen). Krack, Ralf: Der Versuchsbeginn bei Mittäterschaft und bei mittelbarer Täterschaft; in: ZStW 110 (1998), 611-639. Krauss, Wolfgang: Die mittelbare Täterschaft im geltenden und künftigen Strafrecht, Breslau-Neukirch 1935 (zit.: Wolfgang Krauss, Täterschaft). Kremer-Bax, Alexandra: Das personale Verhaltensunrecht der Fahrlässigkeitstat, Frankfurt/M. 1999. (zit.: Alexandra Kremer-Bax, Verhaltensunrecht). Kretschmer, Joachim: Das Fahrlässigkeitsdelikt; in: Jura 2000, 267-276. Kreutziger, Stefan: Die Haftung von Mittätern, Anstiftern und Gehilfen im Zivilrecht – Zugleich ein Beitrag zur deliktischen Haftung von Teilnehmern an unfriedlichen Demonstrationen, Frankfurt/M. 1985 (zit.: Kreutziger, Haftung). Krey, Volker: Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil, Band 1, 2. Aufl., Stuttgart 2004 (zit.: Krey, AT I). – Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil, Band 2, 2. Aufl., Stuttgart 2005 (zit.: Krey, AT II). Krümpelmann, Justus: Die normative Korrespondenz zwischen Verhalten und Erfolg bei den fahrlässigen Verletzungsdelikten; in: Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, Erster Halbband, herausgegeben von Theo Vogler, Berlin 1985, S. 313-335 (zit.: Krümpelmann, FS Jescheck I). – Schutzzweck und Schutzreflex der Sorgfaltspflicht; in: Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Arthur Kaufmann, Günter Bemmann, Detlef Krauss und Klaus Volk, München 1979, S. 443-471 (zit.: Krümpelmann, FS Bockelmann). – Über die zeitliche Struktur einiger Zurechnungsurteile; in: Festschrift für Otto Triffterer zum 65. Geburtstag, herausgegeben von Kurt Schmoller, unveränderter Nachdruck Wien 1998, S. 137-147 (zit.: Krümpelmann, FS Triffterer). Kudlich, Hans: Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, Berlin 2004 (zit.: Kudlich, Unterstützung). Kühl, Kristian: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 15.10.1981 – 4 StR 398/81, JR 1983, 32; in: JR 1983, 32-35. – Strafrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl., München 2005 (zit.: Kühl, AT).

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Küper, Wilfried: „Autonomie“, Irrtum und Zwang bei mittelbarer Täterschaft und Einwilligung; in: JZ 1986, 219-229. – Ein „neues Bild“ der Lehre von Täterschaft und Teilnahme. Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre Ulrich Steins; in: ZStW 105 (1993), 445-482. – „Besondere persönliche Merkmale“ und „spezielle Schuldmerkmale“, Zur Koordination von § 28 Abs.1, 2 und § 29 StGB; in: ZStW 104 (1992), 559-590. – Überlegungen zum sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang beim Fahrlässigkeitsdelikt; in: Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Wilfried Küper, Berlin 1987, S. 247-288 (zit.: Küper, FS Lackner). – Versuchsbeginn und Mittäterschaft, Heidelberg 1978 (zit.: Küper, Versuchsbeginn). – Versuchs- und Rücktrittsprobleme bei mehreren Tatbeteiligten; in: JZ 1979, 775-787. Küpper, Georg: Zur Abgrenzung der Täterschaftsformen; in: GA 1998, 519-529. – Anspruch und wirkliche Bedeutung des Theorienstreits über die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme; in: GA 1986, 437-449. – Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik, Berlin 1990 (zit.: Küpper, Grenzen). – Der gemeinsame Tatentschluss als unverzichtbares Moment der Mittäterschaft; in: ZStW 105 (1993), 295-305. Kuhlen, Lothar: Strafhaftung bei unterlassenem Rückruf gesundheitsgefährdender Produkte – Zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 6.7.1990 – 2 StR 549/89 (NStZ 1990, 588) –; in: NStZ 1990, 566-570. – Strafrechtliche Produkthaftung; in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Band IV. Strafrecht und Strafprozessrecht, herausgegeben von Claus Roxin und Gunter Widmaier, München 2000, S. 647-673 (zit.: Kuhlen, BGH-WissFG IV). – Zum Strafrecht der Risikogesellschaft; in: GA 1994, 347-367. Lackner, Karl: Prävention und Schuldunfähigkeit; in: Strafverfahren im Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Karl Heinz Gössel und Hans Kauffmann, München 1985, S. 245-266 (zit.: Lackner, FS Kleinknecht). Lackner, Karl / Kühl, Kristian: Strafgesetzbuch, 25. Aufl., München 2004 (zit.: Lackner/Kühl). Lampe, Ernst-Joachim: Rechtsgut, kultureller Wert und individuelles Bedürfnis; in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Günter Stratenwerth, Armin Kaufmann, Gerd Geilen, Hans Joachim Hirsch, Hans-Ludwig Schrei-

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ber, Günther Jakobs und Fritz Loos, Berlin 1974, S. 151-165 (zit.: Ernst-Joachim Lampe, FS Welzel). – Systemunrecht und Unrechtssysteme; in: ZStW 106 (1994), 683-745. Lange, Richard: Der moderne Täterbegriff und der deutsche Strafgesetzentwurf, Berlin 1935 (zit.: Richard Lange, Täterbegriff). Lange, Volker: Die große Illusion, www.morgenwelt.de/wissenschaft/9902-gehirn.htm. Langenbeck, Wilhelm: Die Lehre von der Theilnahme am Verbrechen, Jena 1868 (zit.: Langenbeck, Lehre). Langneff, Katja: Die Beteiligtenstrafbarkeit von Hintermännern innerhalb von Organisationsstrukturen bei vollverantwortlich handelndem Werkzeug, Aachen 2000 (zit.: Katja Langneff, Beteiligtenstrafbarkeit). Larenz, Karl: Hegels Zurechnungslehre, Neudruck der Ausgabe Leipzig 1927, Aalen 1970 (zit.: Larenz, Zurechnungslehre). – Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., Berlin 1992 (zit.: Larenz, Methodenlehre). Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Großkommentar, herausgegeben von Burkhard Jähnke, Heinrich Wilhelm Laufhütte und Walter Odersky, 11. Aufl., Berlin 1992-2004 (zit.: LK/Bearbeiter). Lesch, Heiko Hartmut: Die Begründung mittäterschaftlicher Haftung als Moment der objektiven Zurechnung; in: ZStW 105 (1993), 271-294. – Strafbare Beteiligung durch „berufstypisches“ Verhalten? in: JA 2001, 986-991. – Das Problem der sukzessiven Beihilfe, Frankfurt a.M. 1992 (zit.: Lesch, Problem). – Gemeinsamer Tatentschluss als Voraussetzung der Mittäterschaft? in: JA 2000, 7378. – Täterschaft und Gestaltungsherrschaft – Überlegungen zu der gleichnamigen Monographie von Wilfried Bottke –; in: GA 1994, 112-127. Libet, Benjamin / Gleason, Curtis A. / Wright, Elwood W. / Pearl, Dennis K.: Time of conscious intention to act in relation to onset of cerebral activity (readiness-potential). The unconscious initiation of a freely voluntary act; in: Brain 106 (1983), 623-642. Liszt, Franz von: Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 10. Aufl., Berlin 1900 (zit.: Liszt, Lehrbuch). Liszt, Franz von / Schmidt, Eberhard: Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Band 1, Einleitung und Allgemeiner Teil, 26. Aufl., Berlin 1932 (zit.: Liszt/Eberhard Schmidt, Lehrbuch I).

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Löwe-Krahl, Oliver: Beteiligung von Bankangestellten an Steuerhinterziehungen ihrer Kunden – die Tatbestandsmäßigkeit berufstypischer Handlungen; in: wistra 1995, 201-206. Luden, Heinrich: Abhandlungen aus dem gemeinen teutschen Strafrechte, Zweiter Band, Ueber den Thatbestand des Verbrechens nach dem gemeinen und teutschen Rechte, Göttingen 1840 (zit.: Maihofer, Handlungsbegriff). Luzon Pena, Diego-Manuel / Diaz y Garcia Conlledo, Miguel: Objektive positive Tatbestimmung und Tatbestandsverwirklichung als Täterschaftsmerkmale; in: Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Bernd Schünemann, Wilfried Bottke, Hans Achenbach, Bernhard Haffke und Hans-Joachim Rudolphi, Berlin 2001, S. 575-608 (zit.: Luzon Pena/Diaz y Garcia Conlledo, FS Roxin). Mackie, John Leslie: Causes and Conditions; in: American Philosophical Quaterly 2 (1965), 245-264. – The Cement of the Universe, 2. Aufl., Oxford 1980 (zit.: Mackie, Cement). Maihofer, Werner: Der Handlungsbegriff im Verbrechenssystem, Tübingen 1953 (zit.: Maihofer, Handlungsbegriff). – Der soziale Handlungsbegriff; in: Festschrift für Eberhard Schmidt zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Paul Bockelmann und Wilhelm Gallas, Göttingen 1961, S. 156-182 (zit.: Maihofer, FS Eberhard Schmidt). Maiwald, Manfred: Historische und dogmatische Aspekte der Einheitstäterlösung; in: Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Arthur Kaufmann, Günter Bemmann, Detlef Krauss und Klaus Volk, München 1979, S. 343367 (zit.: Maiwald, FS Bockelmann). Makarewicz, J.: Einführung in die Philosophie des Strafrechts auf entwicklungsgeschichtlicher Grundlage, Stuttgart 1906 (zit.: Makarewicz, Einführung). Mangakis, Georgios A.: Über das Verhältnis von Strafrechtsschuld und Willensfreiheit; in: ZStW 75 (1963), 499-540. Manigk, Alfred: Das rechtswirksame Verhalten, Berlin 1939 (zit.: Manigk, Verhalten). Marc-Wogau, Konrad: On Historical Explanation; in: Theoria 28 (1962), 213-233. Maurach, Reinhart: Fälle und Lösungen zum Strafrecht, Karlsruhe 1968 (zit.: Maurach, Fälle). Maurach, Reinhart / Gössel, Karl Heinz / Zipf, Heinz: Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, 7. Aufl., Heidelberg 1989 (zit.: Maurach/Gössel/Zipf, AT 2). Maurach, Reinhart / Zipf, Heinz: Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 1, 8. Aufl., Heidelberg 1992 (zit.: Maurach/Zipf, AT 1).

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Mayer, Hellmuth: Vormerkungen zur Lehre vom Handlungsbegriff; in: Festschrift für Hellmuth von Weber zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Hans Welzel, Hermann Conrad, Armin Kaufmann und Hilde Kaufmann, Bonn 1963, S. 137-161 (zit.: Hellmuth Mayer, FS Hellmuth Weber). Medicus, Dieter: Bürgerliches Recht, 20. Aufl., Köln 2004 (zit.: Medicus, BR). Mehring, Thomas: Beteiligung und Rechtswidrigkeit bei § 830 I 2 BGB, Berlin 2003 (zit.: Mehring, Beteiligung). Meier, Bernd-Dieter: Verbraucherschutz durch Strafrecht? Überlegungen zur strafrechtlichen Produkthaftung nach der „Lederspray“-Entscheidung des BGH; in: NJW 1992, 3193-3199. Meyer, Maria-Katharina: Ausschluss der Autonomie durch Irrtum, Köln 1984 (zit.: Maria-Katharina Meyer, Ausschluss). Meyer-Arndt, Lüder: Beihilfe durch neutrale Handlungen? in: wistra 1989, 281-287. Meyer-Goßner, Lutz: Strafprozessordnung, 48. Aufl., München 2005 (zit.: MeyerGoßner). Mezger, Edmund: Strafrecht, I. Allgemeiner Teil, Ein Studienbuch, 8. Aufl., München 1958 (zit.: Mezger, Strafrecht I). – Strafrecht, Ein Lehrbuch, 3. Aufl., Berlin 1949 (zit.: Mezger, Lehrbuch). – Moderne Wege der Strafrechtsdogmatik, Berlin 1950 (zit.: Mezger, Wege). Mill, John Stuart: System der deductiven und inductiven Logik, Erster Theil, 3. deutsche Aufl. nach der 5. des Originals, Braunschweig 1868 (zit.: Mill, System I). Mir Puig, Santiago: Über das Objektive und das Subjektive im Unrechtstatbestand; in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, herausgegeben von Gerhard Dornseifer, Eckhard Horn, Georg Schilling, Wolfgang Schöne, Eberhard Struensee und Diethart Zielinski, Köln 1989, S. 253-272 (zit.: Mir Puig, GedS Armin Kaufmann). – Objektive Rechtswidrigkeit und Normwidrigkeit im Strafrecht; in: ZStW 108 (1996), 759-784. Mitsch, Wolfgang: Fahrlässigkeit und Straftatsystem; in: JuS 2001, 105-112. Mittenzwei, Ingo: Teleologisches Rechtsverständnis, Berlin 1988 (zit.: Mittenzwei, Rechtsverständnis). Müller, Max Ludwig: Die Bedeutung des Kausalzusammenhanges im Straf- und Schadensersatzrecht, Tübingen 1912 (zit.: Max Ludwig Müller, Bedeutung).

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Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, herausgegeben von Kurt Rebmann, Franz Jürgen Säcker und Roland Rixecker, 4. Aufl., München 2004 (zit.: MüKo-BGB/Bearbeiter). Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, herausgegeben von Wolfgang Joecks und Klaus Miebach, München 2003 (zit.: MüKo-StGB/Bearbeiter). Munoz Conde, Francisco: Willensherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate im Rahmen „nichtsrechtsgelöster“ Organisation? in: Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Bernd Schünemann, Wilfried Bottke, Hans Achenbach, Bernhard Haffke und Hans-Joachim Rudolphi, Berlin 2001, S. 609-624 (zit.: Munoz Conde, FS Roxin). Murmann, Uwe: Die Nebentäterschaft im Strafrecht. Ein Betrag zu einer personalen Tatherrschaftslehre, Berlin 1993 (zit.: Murmann, Nebentäterschaft). – Zum Tatbestand der Beihilfe; in: JuS 1999, 548-553. – Tatherrschaft durch Weisungsmacht; in: GA 1996, 269-281. Nagler, Johannes: Die Problematik der Begehung durch Unterlassung; in: GS 111 (1938), 1-121. Naucke, Wolfgang: Der Nutzen der subjektiven Auslegung im Strafrecht; in: Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Paul Bockelmann, Arthur Kaufmann und Ulrich Klug, Frankfurt a.M. 1969, S. 274-286 (zit.: Naucke, FS Engisch). Nettesheim, Wolfgang: Können sich Gemeinderäte der „Untreue“ schuldig machen? in: BayVBl. 1989, 161-165. Neudecker, Gabriele: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder von Kollegialorganen, dargestellt am Beispiel der Geschäftsleitungsgremien von Wirtschaftsunternehmen, Frankfurt a.M. 1995 (zit.: Gabriele Neudecker, Verantwortlichkeit). Neumann, Ulfrid: Neue Entwicklungen im Bereich der Argumentationsmuster zur Begründung oder zum Ausschluß strafrechtlicher Verantwortlichkeit; in: ZStW 99 (1987), 567-594. – Rezension von Maria-Katharina Meyer, Ausschluss der Autonomie durch Irrtum, Köln 1984; in: GA 1985, 474-477. – Die Strafbarkeit der Suizidbeteiligung als Problem der Eigenverantwortlichkeit des „Opfers“; in: JA 1987, 244-256. Niedermair, Harald: Straflose Beihilfe durch neutrale Handlungen? In: ZStW 107 (1995), 507-544.

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Niese, Werner: Finalität, Vorsatz und Fahrlässigkeit, Tübingen 1951 (zit.: Niese, Finalität). – Die moderne Strafrechtsdogmatik und das Zivilrecht; in: JZ 1956, 457-466. Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch, Gesamtredaktion: Ulfrid Neumann, Ingeborg Puppe und Wolfgang Schild, Baden-Baden 2003 (zit.: NK-StGB/Bearbeiter). Nowakowski, Friedrich: Tatherrschaft und Täterwille; in: JZ 1956, 545-550. – Zu Welzels Lehre von der Fahrlässigkeit; in: JZ 1958, 335-341. Ochmann, Frank: Die Macht der Gefühle; in: Stern 2003, 96-107. Oehler, Dietrich: Das erfolgsqualifizierte Delikt und die Teilnahme an ihm; in: GA 1954, 33-43. – Der rechtswidrige Vorsatz; in: JR 1951, 65-70. Ogorek, Markus: Fahrlässige Tötung – Strafbarkeit von Ärzten wegen pflichtwidriger Ausgangsgewährung; in: JA 2004, 356-358. Oppenhoff, Friedrich Christian: Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, Berlin 1871 (zit.: Oppenhoff, StGB). Osnabrügge, Stephan A.: Die Beihilfe und ihr Erfolg, Berlin 2002 (zit.: Osnabrügge, Beihilfe). Otter, Klaus: Funktionen des Handlungsbegriffs im Verbrechensaufbau, Bonn 1973 (zit.: Otter, Funktionen). Otto, Harro: Rechtmäßiges Alternativverhalten bei Trunkenheitsfahrt; in: JK 95, StGB Vor § 13/6. – Anstiftung und Beihilfe; in: JuS 1982, 557-572. – Beihilfe durch richtigen/unrichtigen Rechtsrat; Anschluß an JK 88, StGB § 27/5; in: JK 93, StGB § 27/8. – Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch anonymen Kapitaltransfer ins Ausland; Anschluß an JK 00, StGB § 27/14; in: JK 01, StGB § 27/15. – Beihilfe durch „neutrales“, „berufsadäquates“ Verhalten; in: JK 99, StGB § 27/13. – Beihilfe durch „neutrales“ berufstypisches Verhalten – Anschluß an JK 99, StGB § 27/13; in: JK 00, StGB § 27/14. – Die Beurteilung alkoholbedingter Delinquenz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Band IV. Strafrecht und Strafprozessrecht, herausgegeben von Claus Roxin und Gunter Widmaier, München 2000, S. 111-133 (zit.: Otto, BGH-Wiss-FG IV).

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– Konstituierende Elemente des Fahrlässigkeitsdelikts; in: JK 99, StGB § 15/6. – Grenzen der Fahrlässigkeitshaftung im Strafrecht – OLG Hamm, NJW 1973, 1422; in: JuS 1974, 702-710. – Grenzen sukzessiver Mittäterschaft; in: JK, StGB § 25 II/2. – Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, 6. Aufl., Berlin 2002 (zit.: Otto, BT). – Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, 7. Aufl., Berlin 2004 (zit.: Otto, AT). – Grundlagen der strafrechtlichen Haftung für fahrlässiges Verhalten; in: Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter, herausgegeben von Gunnar Duttge, Gerd Geilen, Lutz Meyer-Goßner und Günter Warda, Köln 2002, S. 77-97 (zit.: Otto, GedS Schlüchter). – Die Haftung für kriminelle Handlungen in Unternehmen; in: Jura 1998, 409-418. – Kausaldiagnose und Erfolgszurechnung im Strafrecht; in: Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Friedrich-Christian Schroeder und Heinz Zipf, Karlsruhe 1972, S. 71-105 (zit.: Otto, FS Maurach). – Kausalität unterbliebenen Abstimmungsverhaltens für einen Erfolg; in: JK 9/03, StGB Vor § 13/15. – Mittäterschaft beim Fahrlässigkeitsdelikt; in: Jura 1990, 47-50. – Das Problem der Abgrenzung von Tun und Unterlassen; in: Jura 2000, 549-550. – Rechtsgutsbegriff und Deliktstatbestand; in: Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik, herausgegeben von Heinz Müller-Dietz, Köln 1971, S. 1-20 (zit.: Otto, Strafrechtsdogmatik). – Risikoerhöhungsprinzip statt Kausalitätsgrundsatz als Zurechnungskriterium bei Erfolgsdelikten; in: NJW 1980, 417-424. – Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden, Berlin 1993 (zit.: Otto, Strafbarkeit). – Das Strafbarkeitsrisiko berufstypischen, geschäftsmäßigen Verhaltens; in: JZ 2001, 436-444. – Straftaten gegen das Leben; in: ZStW 83 (1971), 39-80. – „Vorgeleistete Strafvereitelung“ durch berufstypische oder alltägliche Verhaltensweisen als Beihilfe; in: Festschrift für Theodor Lenckner zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Albin Eser, Ulrike Schittenhelm und Heribert Schumann, München 1998, S. 193-225 (zit.: Otto, FS Lenckner). – Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit als eigenständige Deliktskategorien? Überlegungen zum Deliktsaufbau; in: Gedächtnisschrift für Horst Schröder, herausgegeben

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von Walter Stree, Theodor Lenckner, Peter Cramer und Albin Eser, München 1978, S. 53-71 (zit.: Otto, GedS Horst Schröder). – Fahrlässige Täterschaft und – straflose – fahrlässige Beihilfe; in: JK 9/04, StGB § 25 I/8. – Täterschaft kraft organisatorische Machtapparate; in: Jura 2001, 753-759. – Täterschaft, Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft; in: Jura 1987, 246-258. – Täterschaft und Teilnahme im Fahrlässigkeitsbereich; in: Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Manfred Seebode, Berlin 1992, S. 271288 (zit.: Otto, FS Spendel). – Personales Unrecht, Schuld und Strafe; in: ZStW 87 (1975), 539-597. – Voraussetzungen des rechtmäßigen Alternativverhaltens; in: JK 9/04, StGB Vor § 13/16. – Die objektive Zurechnung eines Erfolges im Strafrecht; in: Jura 1992, 90-99. Otto, Karl Eduard / Schilling, Bruno / Sintenis, Karl Friedrich Ferdinand: Das Corpus Iuris Civilis (Romani), Band 1, Institutionen, Pandekten Buch 1-11, 2. Aufl., Leipzig 1839 (zit.: Karl Eduard Otto/Bruno Schilling/Karl Friedrich Sintenis, Corpus Iuris Civilis I). – Das Corpus Iuris Civilis (Romani), Band 4, Pandekten Buch 39-50, 2. Aufl., Leipzig 1839 (zit.: Karl Eduard Otto/Bruno Schilling/Karl Friedrich Sintenis, Corpus Iuris Civilis IV). Palandt, Otto: Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Aufl., München 2005 (zit.: Palandt/Bearbeiter). Pauen, Michael: Illusion Freiheit? Mögliche und unmögliche Konsequenzen der Hirnforschung, Frankfurt a.M. 2004 (zit.: Pauen, Illusion). Pfeiffer, Stefan: Notwendigkeit und Legitimität der fahrlässigen Mittäterschaft; in: Jura 2004, 519-526. Pilz, Klaus: Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch neutrale Handlungen von Bankmitarbeitern, Göttingen 2000 (zit.: Klaus Pilz, Beihilfe). Pollähne, Helmut: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 13.11.2003 – 5 StR 327/03, JR 2004, 427; in: JR 2004, 429-438. Puppe, Ingeborg: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, JR 1992, 27; in: JR 1992, 30-34.

– Anmerkung zu BGH, Urt. v. 13.11.2003 – 5 StR 327/03, NStZ 2004, 151; in: NStZ 2004, 554-556.

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– Der Erfolg und seine kausale Erklärung im Strafrecht; in: ZStW 92 (1980), 863-911. – Die verschuldeten Folgen der Tat als Strafzumessungsgründe; in: Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Manfred Seebode, Berlin 1992, S. 451-468 (zit.: Ingeborg Puppe, FS Spendel). – Die Lehre von der objektiven Zurechnung dargestellt an Beispielsfällen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung; in: Jura 1997, 408-416, 513-519 und 624-631. – Wie wird man Mittäter durch konkludentes Verhalten? – Zugleich eine Besprechung des Urteils des 5. Strafsenats des BGH vom 15.1.1991 – 5 StR 492/90 –; in: NStZ 1991, 571-574. – Wider die fahrlässige Mittäterschaft; in: GA 2004, 129-147. – Naturalismus und Normativismus in der modernen Strafrechtsdogmatik; in: GA 1994, 297-318. – Der objektive Tatbestand der Anstiftung; in: GA 1984, 101-123. Quentin, Andreas: Kausalität und deliktische Haftungsbegründung, Berlin 1994 (zit.: Quentin, Kausalität). Radbruch, Gustav: Der Handlungsbegriff in seiner Bedeutung für das Strafrechtssystem, Berlin 1904 (zit.: Radbruch, Handlungsbegriff). – Über den Schuldbegriff; in: ZStW 24 (1904), 333-348. Raiser, Thomas: Das lebende Recht, 3. Aufl., Baden-Baden 1999 (zit.: Raiser, Recht). Ranft, Otfried: Berücksichtigung hypothetischer Bedingungen beim fahrlässigen Erfolgsdelikt? Zugleich eine Kritik der Formel vom „rechtmäßigen Alternativverhalten“; in: NJW 1984, 1425-1433. Ransiek, Andreas: Pflichtwidrigkeit und Beihilfeunrecht – Der Dresdner Bank-Fall und andere Beispiele –; in: wistra 1997, 41-47. – Strafrecht im Unternehmen und Konzern; in: ZGR 1999, 613-658. – Unternehmensstrafrecht, Heidelberg 1996 (zit.: Ransiek, Unternehmensstrafrecht). Regge, Jürgen / Schubert, Werner: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, II. Abteilung, NS-Zeit (1933-1939) – Strafgesetzbuch, Band 1, Entwürfe eines Strafgesetzbuchs, 2. Teil, Berlin 1990 (zit.: Regge/Werner Schubert, Quellen II 1.2). Rehberg, Jörg: „Fremdhändige“ Täterschaft bei Verkehrsdelikten? in: Lebendiges Strafrecht, Festgabe zum 65. Geburtstag von Hans Schultz, herausgegeben von Hans Walder und Stefan Trechsel, Bern 1977, S. 72-87 (zit.: Rehberg, FG Schultz). Rehbinder, Manfred: Urheberrecht, 12. Aufl., München 2002 (zit.: Rehbinder, Urheberrecht).

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Reichert, Heinrich: Neurobiologie, 2. Aufl., Stuttgart 2000 (zit.: Heinrich Reichert, Neurobiologie). Reinelt, Ekkehart: Entscheidungsfreiheit und Recht – Determinismus contra Indeterminismus; in: NJW 2004, 2792-2794. Rengier, Rudolf: Erfolgsqualifizierte Delikte und verwandte Erscheinungsformen, Tübingen 1986 (zit.: Rengier, Delikte). Renzikowski, Joachim: Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung, Tübingen 1997 (zit.: Renzikowski, Täterbegriff). Reyes, Yesid: Theoretische Grundlagen der objektiven Zurechnung; in: ZStW 105 (1993), 108-136. Riedo, Christof / Chvojka, Michaela: Fahrlässigkeit, Mittäterschaft und Unsorgfaltsgemeinschaft; in: ZStrR 2002, 152-168. Riss, Olaf: Hypothetische Kausalität, objektive Berechnung bloßer Vermögensschäden und Ersatz verlorener Prozesschancen; in: JBl. 2004, 423-441. Ritter, Joachim / Gründer, Karlfried: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 6: Mo - O. Darmstadt 1984 (zit.: Joachim Ritter/ Karlfried Gründer, Wörterbuch). Riz, Roland: Il Codice Penale Italiano / Das italienische Strafgesetzbuch, zweisprachige Ausgabe, Berlin 1969 (zit.: Riz, Codice Penale). Rodriguez Montanés, Teresa: Einige Bemerkungen über das Kausalitätsproblem und die Täterschaft im Falle rechtswidriger Kollegialentscheidungen; in: Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Bernd Schünemann, Wilfried Bottke, Hans Achenbach, Bernhard Haffke und Hans-Joachim Rudolphi, Berlin 2001, S. 307-330 (zit.: Teresa Rodriguez Montanés, FS Roxin). Röckrath, Luidger: Kollegialentscheidung und Kausalitätsdogmatik, Zurechnung überbestimmter Erfolge in Straf- und Haftungsrecht; in: NStZ 2003, 641-646. Röh, Lars: Die kausale Erklärung überbedingter Erfolge im Strafrecht, Frankfurt a.M. 1995 (zit.: Röh, Erklärung). Röhl, Klaus F.: Praktische Rechtstheorie: Die Abgrenzung von Tun und Unterlassen und das fahrlässige Unterlassungsdelikt; in: JA 1990, 895-901. – Praktische Rechtstheorie: Die deontischen Modalitäten; in: JA 1999, 600-605. Rogall, Klaus: Bewältigung von Systemkriminalität; in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Band IV. Strafrecht und Strafprozessrecht, herausgegeben von Claus Roxin und Gunter Widmaier, München 2000, S. 383-438 (zit.: Rogall, BGH-Wiss-FG IV).

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Roth, Gerhard: Fühlen, Denken, Handeln, Wie das Gehirn unser Verhalten steuert, Frankfurt a.M. 2001 (zit.: Gerhard Roth, Fühlen). – Das Gehirn und seine Wirklichkeit, Frankfurt a.M. 1997 (zit.: Gerhard Roth, Gehirn). – Willensfreiheit, Verantwortlichkeit und Verhaltensautonomie des Menschen aus Sicht der Hirnforschung; in: Jus humanum, Grundlagen des Rechts und Strafrecht, Festschrift für Ernst-Joachim Lampe zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Dieter Dölling, Berlin 2003, S. 43-63 (zit.: Gerhard Roth, FS Lampe). Rothenfußer, Christoph: Kausalität und Nachteil, München 2003 (zit.: Rothenfußer, Kausalität). Rotsch, Thomas: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 3.7.2003 – 1 StR 453/02, JR 2004, 245; in: JR 2004, 248-251. – „Neutrale Beihilfe“. Zur Fallbearbeitung im Gutachten; in: Jura 2004, 14-21. – Neues zur Organisationsherrschaft; in: NStZ 2005, 13-18. – Die Rechtsfigur des Täters hinter dem Täter bei der Begehung von Straftaten im Rahmen organisatorischer Machtapparate und ihre Übertragbarkeit auf wirtschaftliche Organisationsstrukturen; in: NStZ 1998, 491-495. – Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft? in: ZStW 112 (2000), 518-562. Roxin, Claus: Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in der höchstrichterlichen Rechtsprechung; in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Band IV. Strafrecht und Strafprozessrecht, herausgegeben von Claus Roxin und Gunter Widmaier, München 2000, S. 177-198 (zit.: Roxin, BGH-Wiss-FG IV). – Anmerkung zu BGH, Urt. v. 26.7.1994 – 5 StR 98/94, JZ 1995, 45; in: JZ 1995, 4952. – Anmerkung zu BGH, Urt. v. 22.11.2000 – 3 StR 331/00, JZ 2001, 664; in: JZ 2001, 667-668. – Anmerkung zu BGH, Urt. v. 13.11.2003 – 5 StR 327/03, StV 2004, 484; in: StV 2004, 485-488. – Was ist Beihilfe? in: Festschrift für Koichi Miyazawa, herausgegeben von HansHeiner Kühne, Baden-Baden 1995, S. 501-517 (zit.: Roxin, FS Miyazawa). – Bemerkungen zum Regressverbot; in: Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Hans-Heinrich Jescheck und Theo Vogler, Berlin 1989, S. 177-200 (zit.: Roxin, FS Tröndle). – Bemerkungen zum „Täter hinter dem Täter“; in: Festschrift für Richard Lange zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Günter Warda, Heribert Waider, Reinhard von Hippel und Dieter Meurer, Berlin 1976, S. 173-195 (zit.: Roxin, FS Richard Lange).

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– Ein „neues Bild“ des Strafrechtssystems; in: ZStW 83 (1971), 369-404. – Definitionen im Allgemeinen Teil – Vorläufige Vorschläge der Arbeitsgruppe für die Allgemeinen Lehren; in: Strafrechtstheorie im Umbruch, herausgegeben von Raimo Lahti und Kimmo Nuotio (Hrsg.), Helsinki 1992, S. 247-258 (zit.: Roxin, Strafrechtstheorie). – Gedanken zur Problematik der Zurechnung im Strafrecht; in: Festschrift für Richard M. Honig zum 80. Geburtstag, dargebracht von Freunden und Kollegen, Göttingen 1970, S. 133-150 (zit.: Roxin, FS Honig). – Zur Kritik der finalen Handlungslehre; in: ZStW 74 (1962), 515-561. – Die Mittäterschaft im Strafrecht; in: JA 1979, 519-526. – Zur Mittäterschaft beim Versuch. Zugleich ein Beitrag zur Frage, ob Vorbereitungen Mittäterschaft begründen können; in: Festschrift für Walter Odersky zum 65. Geburtstag, herausgegeben von Reinhard Böttcher, Götz Hueck und Burkhard Jähnke, Berlin 1996, S. 489-498 (zit.: Roxin, FS Odersky). – Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei fahrlässigen Delikten; in: ZStW 74 (1962), 411-444. – Zur Problematik des Schuldstrafrechts; in: ZStW 96 (1984), 641-660. – Probleme von Täterschaft und Teilnahme bei der organisierten Kriminalität; in: Festschrift für Gerald Grünwald zum siebzigsten Geburtstag, herausgegeben von Erich Samson, Friedrich Dencker, Peter Frisch, Helmut Frister und Wolfram Reiß, BadenBaden 1999, S. 549-561 (zit.: Roxin, FS Grünwald). – Die Sterbehilfe im Spannungsfeld von Suizidteilnahme, erlaubtem Behandlungsabbruch und Tötung auf Verlangen. Zugleich eine Besprechung von BGH, NStZ 1987, 365 und LG Ravensburg, NStZ 1987, 229; in: NStZ 1987, 345-350. – Zum Strafgrund der Teilnahme; in: Beiträge zur Rechtswissenschaft, Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Wilfried Küper und Jürgen Welp, Heidelberg 1993, S. 365-382 (zit.: Roxin, FS Stree/Wessels). – Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, 3. Auflage, München 1997 (zit.: Roxin, AT I). – Strafrecht Allgemeiner Teil, Band II, München 2003 (zit.: Roxin, AT II). – Straftaten im Rahmen organisatorischer Machtapparate; in: GA 1963, 193-207. – Täterschaft und Tatherrschaft, 7. Aufl., Berlin 2000 (zit.: Roxin, TuT). – Unterlassung, Vorsatz und Fahrlässigkeit, Versuch und Teilnahme im neuen Strafgesetzbuch; in: JuS 1973, 329-337. Rudolphi, Hans-Joachim: Zur Tatbestandsbezogenheit des Tatherrschaftsbegriffs bei der Mittäterschaft; in: Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag, herausgege-

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ben von Arthur Kaufmann, Günter Bemmann, Detlef Krauss und Klaus Volk, München 1979, S. 369-387 (zit.: Ruolphi, FS Bockelmann). Rübenstahl, Markus: Die Übertragung der Grundsätze zur Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft auf Unternehmen durch den BGH. Zugleich Besprechung von BGH, Urt. vom 3.7.2003 – 1 StR 453/02; in: HRR-Zeitschrift 2003, 210-219. Rüth, Karl / Berr, Wolfgang / Berz, Ulrich: Straßenverkehrsrecht, Kommentar, Berlin 1988 (zit.: Rüth/Berr/Berz, Straßenverkehrsrecht). Saglier, Frank: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 13.11.2003 – 5 StR 327/03, JZ 2004, 977; in: JZ 2004, 977-980. Samson, Erich: Hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht, Frankfurt a.M. 1972 (zit.: Samson, Kausalverläufe). – Inus-Bedingung und strafrechtlicher Kausalbegriff; in: Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Klaus Rogall, Ingeborg Puppe, Ulrich Stein und Jürgen Wolter, Neuwied 2004, S. 259-266 (zit.: Samson, FS Rudolphi). – Probleme strafrechtlicher Produkthaftung; in: StV 1991, 182-186. – Strafrecht I, 6. Aufl., Frankfurt a.M. 1985 (zit.: Samson, Strafrecht I). Sánchez-Vera, Javier: Pflichtdelikt und Beteiligung. Zugleich ein Beitrag zur Einheitlichkeit der Zurechnung bei Tun und Unterlassen, Berlin 1999 (zit.: Sánchez-Vera, Pflichtdelikt). Sauer, Dirk: Zur Leichtfertigkeit i.S.v. § 261 V StGB bei der Annahme von Mandantengeldern durch Strafverteidiger; in: wistra 2004, 89-94. Sax, Walter: Der Bundesgerichtshof und die Täterlehre. Gedanken zum StachynskijUrteil; in: JZ 1963, 329-338. – Der verbrechenssystematische Standort der Indikationen zum Schwangerschaftsabbruch nach § 218 StGB; in: JZ 1977, 326-336. – Dogmatische Streifzüge durch den Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuches nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission; in: ZStW 69 (1957), 412-440. – „Tatbestand“ und Rechtsgutsverletzung; in: JZ 1976, 9-16, 80-85 und 429-439. Schaal, Alexander: Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen in Unternehmen, Berlin 2001 (zit.: Schaal, Verantwortlichkeit). Schacht, Karl: Das fahrlässige Zusammenwirken mehrerer Personen, Breslau 1909 (zit.: Schacht, Zusammenwirken).

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Schatz, Holger: Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang beim fahrlässigen Erfolgsdelikt und die Relevanz hypothetischer Kausalverläufe – Zum Einwand bei fehlgeschlagener Lockerungsgewährung; in: NStZ 2003, 581-588. Schiemann, Anja: Kann es einen freien Willen geben? – Risiken und Nebenwirkungen der Hirnforschung für das deutsche Strafrecht; in: NJW 2004, 2056-2059. Schild, Wolfgang: Täterschaft als Tatherrschaft, Berlin 1994 (zit.: Schild, Täterschaft). Schilling, Georg: Der Verbrechensversuch des Mittäters und des mittelbaren Täters, Köln 1975 (zit.: Schilling, Verbrechensversuch). Schlösser, Jan: Soziale Tatherrschaft. Ein Beitrag zur Frage der Täterschaft in organisatorischen Machtapparaten, Berlin 2004 (zit.: Schlösser, Tatherrschaft). Schlüchter, Ellen: Grenzen strafbarer Fahrlässigkeit, Nürnberg 1996 (zit.: Ellen Schlüchter, Grenzen) Schmidhäuser, Eberhard: Strafrecht. Allgemeiner Teil, Lehrbuch, 2. Aufl., Tübingen 1975 (zit.: Schmidhäuser, Lb AT). – Strafrecht Allgemeiner Teil, Studienbuch, 2. Aufl., Tübingen 1984 (zit.: Schmidhäuser, StuB AT). – Fahrlässige Straftat ohne Sorgfaltspflichtverletzung; in: Festschrift für Friedrich Schaffstein zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Gerald Grünwald, Olaf Miehe, Hans-Joachim Rudolphi und Hans-Ludwig Schreiber, Göttingen 1975, S. 129-158 (zit.: Schmidhäser, FS Schaffstein). – „Tatherrschaft“ als Deckname der ganzheitlichen Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im Strafrecht; in: Beiträge zur Rechtswissenschaft, Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Wilfried Küper und Jürgen Welp, Heidelberg 1993, S. 343-363 (zit.: Schmidhäuser, FS Stree/Wessels). Schmidt, Eberhard: Der Arzt im Strafrecht, Leipzig 1939 (zit.: Eberhard Schmidt, Arzt). – Soziale Handlungslehre; in: Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Paul Bockelmann, Arthur Kaufmann und Ulrich Klug, Frankfurt a.M. 1969, S. 339-352 (zit.: Eberhard Schmidt, FS Engisch). – Die militärische Straftat und ihr Täter, Berlin 1936 (zit.: Eberhard Schmidt, Straftat). – Die mittelbare Täterschaft; in: Beiträge zur Strafrechtswissenschaft, Festgabe für Reinhard von Frank zum 70. Geburtstag, Band II, herausgegeben von August Hegler, Tübingen 1930, S. 106-133 (zit.: Eberhard Schmidt, FG Frank II). Schmidt, Hans Wolfgang: Schiffe als Schutzobjekte des § 315 StGB; in: NJW 1963, 1861-1863.

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Schmidt-Salzer, Joachim: Entscheidungssammlung Produkthaftung, Strafrecht mit Urteilsanmerkungen und einer Einleitung. Stand: 5. Lieferung (August 1996), Neuwied 1996 (zit.: Schmidt-Salzer, Entscheidungssammlung). – Produkthaftung, Band I: Strafrecht, 2. Aufl., Heidelberg 1988 (zit.: Schmidt-Salzer, Produkthaftung I). – Strafrechtliche Produktverantwortung, Das Lederspray-Urteil des BGH; in: NJW 1990, 2966-2972. Schneider, Egon: Zur Anwendung des § 56 StGB; in: JZ 1956, 750-753. Schneider, Hendrik: Neutrale Handlungen: Ein Oxymoron im Strafrecht? – Zu den Grenzlinien der Beihilfe –; in: NStZ 2004, 312-317. Schneider, Steffen: Risikoherrschaft als Täterschaftsattribut und die Beteiligungsformen der fahrlässigen Erfolgsdelikte, Berlin 2003 (zit.: Steffen Schneider, Risikoherrschaft). Schöne, Wolfgang: Fahrlässigkeit, Tatbestand und Strafgesetz; in: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, herausgegeben von Hans Joachim Hirsch, Günther Kaiser und Helmut Marquardt, Berlin 1986, S. 649-672 (zit.: Wolfgang Schöne, GedS Hilde Kaufmann). Schönke, Adolf / Schröder, Horst: Strafgesetzbuch, 26. Aufl. , München 2001 (zit.: Sch/Schr/Bearbeiter) Schricker, Gerhard: Urheberrecht, Kommentar, 2. Aufl., München 1999 (zit.: Schricker/Bearbeiter, Urheberrecht). Schroeder, Friedrich-Christian: Die Fahrlässigkeitsdelikte, Vorbeugung und Behandlung der Täter; in: ZStW 91 (1979), 257-269. – Der Sprung des Täters hinter dem Täter aus der Theorie in die Praxis – Zugleich Besprechungsaufsatz zum Urteil des BGH v. 26.7.94 – 5 StR 98/94 –; in: JR 1995, 177-180. – Der Täter hinter dem Täter. Ein Beitrag zur Lehre von der mittelbaren Täterschaft, Berlin 1965 (zit.: Friedrich-Christian Schroeder, Täter). Schünemann, Bernd: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 3.5.1984 – 4 StR 266/84, StV 1985, 229; in: StV 1985, 229-233. – Kritische Anmerkungen zur geistigen Situation der deutschen Strafrechtswissenschaft; in: GA 1995, 201-229. – Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, Göttingen 1971 (zit.: Schünemann, Grund).

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– Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft nach der Strafrechtsreform im Spiegel des Leipziger Kommentars und des Wiener Kommentars; in: GA 1985, 341-380 und GA 1986, 293-352. – Moderne Tendenzen in der Dogmatik der Fahrlässigkeits- und Gefährdungsdelikte; in: JA 1975, 435-444, 511-516, 575-584, 647 – 656, 715-724, 787-798. – Unternehmenskriminalität; in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Band IV. Strafrecht und Strafprozessrecht, herausgegeben von Claus Roxin und Gunter Widmaier, München 2000, S. 621-646 (zit.: Schünemann, BGH-Wiss-FG IV). – Über die objektive Zurechnung; in: GA 1999, 207-229. Schütze, Theodor Reinhold: Die notwendige Theilnahme am Verbrechen. Zugleich ein Beitrag zur Läuterung der gesamten Lehre von der Verbrechensmehrheit. Leipzig 1869 (zit.: Theodor Reinhold Schütze, Teilnahme). Schulz, Uwe: Die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft – eine notwendige Rechtsfortbildung? – BGH, NJW 1994, 2703; in: JuS 1997, 109-113. Schumann, Heribert: Rezension von Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Band I: Strafrecht, 2. Aufl., Heidelberg 1988; in: StV 1994, 106-111. – Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip der Selbstverantwortung der Anderen, Tübingen 1986 (zit.: Heribert Schumann, Handlungsunrecht). – Zur Wiederbelebung des „voluntativen“ Vorsatzelements durch den BGH – Zugleich Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 15.11.1987, 3 StR 449/87 –; in: JZ 1989, 427-434. Schwab, Hans-Jörg: Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen, Frankfurt a.M. 1996 (zit.: Hans-Jörg Schwab, Täterschaft). Schwalm, Georg: Zu einigen ungelösten Strafrechtsproblemen (Heilbehandlung, Täterschaft, Mitwirkung bei fremder Selbsttötung); in: Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Paul Bockelmann, Arthur Kaufmann und Ulrich Klug, Frankfurt a.M. 1969, S. 548-560 (zit.: Schwalm, FS Engisch). Schwarze, Friedrich Oskar: Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund vom 31.Mai 1870, Leipzig 1870 (zit.: Schwarze, StGB). Seebald, Rudolf: Teilnahme am erfolgsqualifizierten und am fahrlässigen Delikt; in: GA 1964, 161-173. Seelmann, Kurt: Mittäterschaft im Strafrecht; in: JuS 1980, 571-574. – Kollektive Verantwortung im Strafrecht, Berlin 2002 (zit.: Seelmann, Verantwortung).

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Seier, Jürgen: Der Einheitstäter im Strafrecht und im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten; in: JA 1990, 342-346, 382-385. Sering, Christian: Beihilfe durch Unterlassen, Münster 2000 (zit.: Sering, Beihilfe). Singer, Wolf: Bewusstsein und freier Wille; in: Spektrum der Wissenschaft, Dossier 2/2002, 42-45. Soergel, Hans Theodor: Bürgerliches Gesetzbuch, Band 2, Allgemeiner Teil 2, §§ 104240, 13. Aufl., Stuttgart 1999 (zit.: Soergel/Bearbeiter). Sofos, Themistoklis I.: Mehrfachkausalität beim Tun und Unterlassen, Berlin 1999 (zit.: Sofos, Mehrfachkausalität). Sowada, Christoph: Die erfolgsqualifizierten Delikte im Spannungsfeld zwischen Allgemeinem und Besonderem Teil des Strafrechts; in: Jura 1995, 644-653. – Der umgekehrte „dolus generalis“. Die vorzeitige Erfolgsherbeiführung als Problem der subjektiven Zurechnung; in: Jura 2004, 814-822. – Die Garantenstellung aus vorangegangenem Tun (Ingerenz); in: Jura 2003, 236-246. – Täterschaft und Teilnahme beim Unterlassungsdelikt; in: Jura 1986, 399-410. Spendel, Günter: Conditio-sine-qua-non-Gedanke und Fahrlässigkeitsdelikt – BGHSt 11,1; in: JuS 1964, 14-20. – Der Conditio-sine-qua-non-Gedanke als Strafmilderungsgrund; in: Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Paul Bockelmann, Arthur Kaufmann und Ulrich Klug, Frankfurt a.M. 1969, S. 509-527 (zit.: Spendel, FS Engisch). – Zur Dogmatik der unechten Unterlassungsdelikte; in JZ 1973, 137-144. – Die Kausalitätsformel der Bedingungstheorie für die Handlungsdelikte, Herborn 1948 (zit.: Spendel, Kausalitätsformel). Spiegel: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Kraftfahrers für Fehlreaktionen; in: DAR 1968, 283-293. Staudinger, Julius von: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Erstes Buch - Allgemeiner Teil, §§ 90-240, 12. Aufl., Berlin 1980 (zit.: Staudinger/Bearbeiter). – Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Zweites Buch – Recht der Schuldverhältnisse, §§ 830-838, 13. Aufl., Berlin 2002 (zit.: Staudinger/Bearbeiter). Stein, Ulrich: Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, Berlin 1988 (zit.: Ulrich Stein, Beteiligungsformenlehre). Stemann, C. von: Giebt es nach Preußischem Strafrecht eine Theilname an Vergehen aus Fahrlässigkeit? in: GA 1857, 48-53.

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Stratenwerth, Günter: Bemerkungen zum Prinzip der Risikoerhöhung; in: Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Karl Lackner, Heinz Leferenz, Eberhard Schmidt, Jürgen Welp und Ernst Amadeus Wolff, Berlin 1973, S. 227239 (zit.: Stratenwerth, FS Gallas). – Unbewusste Finalität? in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Günter Stratenwerth, Armin Kaufmann, Gerd Geilen, Hans-Ludwig Schreiber, Günther Jakobs und Fritz Loos, Berlin 1974, S. 289-305 (zit.: Stratenwerth, FS Welzel). Stratenwerth, Günter / Kuhlen, Lothar: Strafrecht Allgemeiner Teil I, 5. Aufl., Köln 2004 (zit.: Stratenwerth/Kuhlen, AT I). Stree, Walter: Teilnahme am Unterlassungsdelikte; in: GA 1963, 1-14. Struensee, Eberhard: Handeln und Unterlassen, Begehungs- und Unterlassungsdelikt; in: Beiträge zur Rechtswissenschaft, Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Wilfried Küper und Jürgen Welp, Heidelberg 1993, S. 133-157 (zit.: Struensee, FS Stree/Wessels). – Der subjektive Tatbestand des fahrlässigen Delikts; in: JZ 1987, 53-63. Stübel, Carl Christoph: Thatbestand der Verbrechen, die Urheber derselben und die zu einem verdammenden Endurtheile erforderliche Gewissheit des erstem, besonders in Rücksicht der Tödtung, nach gemeinen in Deutschland geltenden und Chursächsischen Rechten, Wittenberg 1805 (zit.: Stübel, Tatbestand). – Ueber die Theilnahme mehrerer Personen an einem Verbrechen, Dresden 1828 (zit.: Stübel, Teilnahme). Sung-Ryong, Kim: Die Analyse des „gemeinschaftlichen Begehens” im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB und die Mittäterschaft beim Fahrlässigkeitsdelikt, Aachen 2001 (zit.: Sung-Ryong, Analyse). Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, herausgegeben von Hans-Joachim Rudolphi, Eckhard Horn, Erich Samson, Hans-Ludwig Günther, Andreas Hoyer und Gereon Wolters, Neuwied 2004 (zit.: SK-StGB/Bearbeiter). Temme, Jodocus D. H.: Anmerkungen zum Urteil des Obersten Gerichtshofs Braunschweig vom 18.04.1855, in: Temme’s Archiv 4 (1857), 12; in: Temme’s Archiv 4 (1857), 14-15. Tiemeyer, Jürgen: Der „relative Indeterminismus“ und seine Bedeutung für das Strafrecht; in: ZStW 105 (1993), 483-522. Tittmann, Carl August: Handbuch des Strafrechtswissenschaft und der deutschen Strafgesetzkunde, Erster Band, 2. Aufl., Halle 1822 (zit.: Tittmann, Handbuch I).

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Toepel, Friedrich: Condicio sine qua non und alternative Kausalität – BGHSt 39, 195; in: JuS 1994, 1009-1014. Traeger, Ludwig: Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht, Marburg 1904 (zit.: Ludwig Traeger, Kausalbegriff). Tröndle, Herbert / Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch, 52. (zit.: Tröndle/Fischer).

Aufl.,

München

2004

Utsumi, Tomoko: Fahrlässige Mittäterschaft; in: Jura 2001, 538-540. Vogel, Joachim: Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, Berlin 1993 (zit.: Joachim Vogel, Norm). Volk, Klaus: Entkriminalisierung durch Strafwürdigkeitskriterien jenseits des Deliktsaufbaus; in: ZStW 97 (1985), 871-918. – Tendenzen zur Einheitstäterschaft – Die verborgene Macht des Einheitstäterbegriffs; in: Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Bernd Schünemann, Wilfried Bottke, Hans Achenbach, Bernhard Haffke und Hans-Joachim Rudolphi, Berlin 2001, S. 563-573 (zit.: Volk, FS Roxin). Wächter, Carl Georg von: Die Busse bei Beleidigungen und Körperverletzungen nach dem heutigen gemeinen Recht, Leipzig 1874 (zit.: Carl Georg Wächter, Busse). – Deutsches Strafrecht, Leipzig 1881 (zit.: Carl Georg Wächter, Strafrecht). Walder, Hans: Bewusste Beteiligung, ungewollte Folgen; in: Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Manfred Seebode, Berlin 1992, S. 363-370 (zit.: Walder, FS Spendel). – The Rolling Stones; in: recht 1989, 56-59. Wank, Rolf: Die juristische Begriffsbildung, München 1985 (zit.: Wank, Begriffsbildung). Weber, Ulrich: Können sich Gemeinderatsmitglieder durch ihre Mitwirkung an Abstimmungen der Untreue (§ 266 StGB) schuldig machen? in: BayVBl. 1989, 166-169. – Probleme der Versuchsstrafbarkeit bei mehreren Tatbeteiligten; in: Festschrift für Theodor Lenckner zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Albin Eser, Ulrike Schittenhelm und Heribert Schumann, München 1998, S. 435-455 (zit.: Ulrich Weber, FS Lenckner). Weckerle, Thomas: Die deliktische Verantwortlichkeit mehrerer, Karlsruhe 1974 (zit.: Weckerle, Verantwortlichkeit). Wegner, Arthur: Strafrecht, Allgemeiner Teil, Göttingen 1951 (zit.: Arthur Wegner, AT).

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Wehrstedt, Friedrich-Wilhelm: Das Komplott in der strafrechtlichen Entwicklung seit der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V (Carolia) von 1532, Bad Gandersheim 1933 (zit.: Werstedt, Komplott). Weidemann, Jürgen: Die finale Handlungslehre und das fahrlässige Delikt; in: GA 1984, 408-426. Weinberg, Siegfried: Teilnahme an fahrlässigen Handlungen nach geltendem Recht, Berlin 1902 (zit.: Weinberg, Teilnahme). Weinberger, Ota: Die formal-finalistische Handlungstheorie und das Strafrecht; in: Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, Band I, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, herausgegeben von Günter Kohlmann, Köln 1983, S. 199-213 (zit.: Weinberger, FS Klug I). Weißer, Bettina: Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme bei der strafrechtlichen Würdigung pflichtwidriger Kollegialentscheidungen, Berlin 1996 (zit.: Bettina Weißer, Kausalitätsprobleme). – Gibt es eine fahrlässige Mittäterschaft? in: JZ 1998, 230-239. Welp, Jürgen: Vorangegangenes Tun als Grundlage einer Handlungsäquivalenz der Unterlassung, Berlin 1968 (zit.: Welp, Tun). Welzel, Hans: Das neue Bild des Strafrechtssystems, Göttingen 1961 (zit.: Welzel, Bild). – Die deutsche strafrechtliche Dogmatik der letzten 100 Jahre und die finale Handlungslehre; in: JuS 1966, 421-425. – Um die finale Handlungslehre. Eine Auseinandersetzung mit ihren Kritikern, Tübingen 1949 (zit.: Welzel, Handlungslehre). – Kausalität und Handlung; in: ZStW 51 (1931), 703-720. – Ein unausrottbares Missverständnis? Zur Interpretation der finalen Handlungslehre; in: NJW 1968, 425-429. – Naturalismus und Wertphilosophie im Strafrecht, Mannheim 1935 (zit.: Welzel, Naturalismus). – Naturrecht und Rechtspositivismus; in: Festschrift für Hans Niedermeyer zum 70. Geburtstag, dargebracht von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zu Göttingen, Göttingen 1953, S. 279-294 (zit.: Welzel, FS Niedermeyer). – Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl., Berlin 1969 (zit.: Welzel, Strafrecht). – Studien zum System des Strafrechts; in: ZStW 58 (1938), 491-566. Wesel, Uwe: Geschichte des Rechts. Von den Frühformen bis zur Gegenwart, 2. Aufl., München 2001 (zit.: Wesel, Geschichte).

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Sachverzeichnis Actio illicita in causa 69 Agent provocateur 202 Akzessorietätsorientierte Verursachungstheorie 202 ff. Anstiftung 73, 135, 199 f., 203 f., 235, 308, 314 f. – fahrlässige 25, 30, 96, 132 f., 362 – wechselseitige 34 f., 215 Auslegung – normtextorientierte 155 ff., 193, 195, 198 f., 235, 241 ff. – systematische 152 ff. – teleologische 198 ff. – Wortlaut 92 ff., 153 ff. Badewannen-Entscheidung 50 Bandenchef-Problematik 163, 236 f., 301 Balken-Beispiel s. Pandektenbeispiel Begehung 100, 114, 157, 193, 201, 230, 235 – fahrlässige 67, 255 f. – gemeinschaftliche 34, 43, 62, 87, 103, 119, 121, 132 f., 227 Begriffsjurisprudenz 153, 156 Beihilfe 57 ff., 71, 73, 91, 94 f., 141, 200, 224, 228 f., 235, 260 – deliktischer Sinnbezug s. dort – durch neutrale Handlungen 141, 260 ff. – durch Unterlassen 209 – fahrlässige 25, 30, 56, 96, 132, 294 – gegenseitige 35, 215 – psychische 231 Beobachtungsfehler 275 Conditio sine qua non s. Kausalität-Äquivalenztheorie

Deliktischer Sinnbezug 38, 132, 136, 141, 259 ff., 364 Einheitstäter s. Fahrlässigkeit und Täterbegriff Einpassungsentschluss s. Tatentschluss Erfolg – überbedingter 323, 325, 327 f., 336, 38, 343, 346, 352, 356 f., 366 – „unterbedingter“ 356 ff. Erfolgsqualifizierte Delikte s. Mittäterschaft Erfolgsunrecht 69, 78, 120, 204, 254, 259, 269, 341 ff., 367 Ex ante-Sichtweise 230 ff., 363 Ex post-Sichtweise 231 ff., 343, 363 Fahrlässigkeit – als objektive Zurechnung 120, 272 – Begriff 21, 249 ff. – Begriff im Zivilrecht 251 f. – Begriff in Österreich 21 f. – bewusste 189, 251, 254, 278, 288 ff., 354, 358, 362 – doppelter Sorgfaltsmaßstab 22 f., 280 ff. – Einheitstäter 24, 91 ff., 97 f., 117, 314, 317, 361 – fehlende Tatherrschaft 96 ff., 147 f. – individualisierter Fahrlässigkeitsbegriff 282 f. – Maßstabsfigur 22 f., 280 ff. – nullum crimen sine lege 98 f. – Pflichtwidrigkeitszusammenhang s. dort – Sorgfaltspflichtverletzung s. dort

Sachverzeichnis – unbewusste 254, 277 f., 288 ff., 354, 358, 365, 367 – Unterlassungsmoment 107 f., 270 f. – Vorhersehbarkeit 22, 24, 75, 190, 254 f., 271 ff., 283 ff., 287, 293, 316, 342 ff., 349 ff., 353 ff., 357 f., 365 Fahrlässige Mittäterschaft – als objektive Zurechnung 111 ff., 117 f. – Autonomieprinzip 121 ff., 144 – beim Unterlassungsdelikt 129 f. – bewusste 289 f. – gemeinschaftliche Sorgfaltspflichtverletzung s. Sorgfaltspflichtverletzung – handlungstheoretische Fundierung 139 ff. – historische Entwicklung 30 ff. – Kausalitätslösung 27 f. – Kollegialentscheidungen s. dort – normative 129 f. – notwendiges Zusammenwirken 132 ff. – Risikosteigerung 119, 127 ff., 132 f. – und in dubio pro reo 28, 102, 345, 353, 357 – Unterlassungslösung 80 ff., 105 ff. – Verantwortlichkeitsprinzip s. dort – Vorverlagerung des Fahrlässigkeitsvorwurfs 76 ff., 104 f. – Wächters Herleitung 41 ff. – Zivilrecht 71 ff. Fahrlässige mittelbare Täterschaft 317 f. Fahrlässige Nebentäterschaft 292 Finalität – „böse“ 170 – finaler Handlungsbegriff s. dort – „gute“ 170 – potentielle 168 f. Garantenpflicht 81, 83, 106, 109, 129 f., 209 ff., 278 Garantenstellung 56, 64, 83 f., 105, 109, 157, 208 ff., 306, 352

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– Beschützergarant 210 f. – Ingerenz 83 f., 106, 210 f. – Überwachergarant 211 f. Gefahrensignale 276, 287 f., 362, 364 f. Gesamttat 123, 141 ff., 220, 237, 294 „gemeinschaftlich“ 241 ff. Gestaltungsherrschaft 154, 191, 212 Hamburger Parkplatztausch-Fall 262 f. Handlungsbegriff – emotionsbedingt-finaler 186 ff., 204, 208, 212, 217, 308, 315, 317, 362 – finaler 89, 97 f., 116, 146 f., 164 ff., 185 ff. – finaler und automatisierte Handlung 165 f. – finaler und Fahrlässigkeit 168 ff. – finaler und Unterlassen 166 f. – kausaler 161 ff. – negative 177 Fn. 160 – personaler 175 ff. – sozialer 114 f., 172 ff. – und Fahrlässigkeit 168 ff., 173, 176, 178, 188 ff. – und Unterlassen 166 f., 173, 176, 186 ff. Handlungseinplanung 233 f., 259, 293, 317, 363 Handlungsmodell 139, 143, 242, 271, 273, 291, 308 – neurologisches 180 ff. Handlungsplanung 218 f., 222 f., 228, 235, 260, 271, 276 f., 301, 307 f., 316, 341, 363 Handlungsprojekt 39, 78, 80, 105, 138, 256, 285 f., 293, 358 – bei mittelbarer Täterschaft 308 ff. – gemeinschaftliches 123 f., 140 ff., 257, 261, 263, 270, 288, 293 f., 322 Handlungsunrecht/-unwert 201 ff., 224, 254, 259, 269 f., 285 ff., 294, 316, 345, 349 ff., 357, 364 f. – der Teilnahme 201 ff. – fahrlässiges 136, 254, 270 ff., 274 f., 285 f., 293, 341, 351, 353, 358 Handlungsziel 137, 170, 181 ff., 217, 259,

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267 f., 271, 274, 278, 286, 308 f., 314, 350, 364 – gemeinschaftliches 140 f. Handlungszurechnung 222 Hepatitis-Fall 107 f., 169 Imaginäre Kollektivperson 53, 123, 127, 144 ff., 221 f., 255, 294 Ingerenz s. Garantenstellung INUS-Bedingung 343 ff. Katzenkönig-Fall 308 f. Kausalität – Äquivalenztheorie 105, 163, 320, 322 ff., 346, 366 – alternative 142, 326 ff., 332 f. – Erfolg in seiner besonderen Gestalt 322 ff. – generelle 64 – INUS-Bedingung s. dort – kumulative 334 f. – Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung s. dort – Mehrfachkausalität s. alternative Kausalität – NESS-Test s. dort Kerzen-Fall 82 f., 102 Kofferraum-Fall 193 f. Kollegialentscheidungen 28, 31, 65, 118 f., 145, 148, 226, 297, 298 ff., 366 f. – horizontale Zurechnung 318 ff., 366 – resignierende Gremiumsmitglieder 347 ff. – vertikale Zurechnung 299 ff., 366 Komplott 33 ff., 44, 48, 144, 215, 243, 294, 322 Lederspray-Entscheidung 29, 63 f., 119, 135, 148, 226, 232, 244, 247, 298 f., 324, 331, 347

Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung 330 ff. Libet-Experiment 180 f. Limbisches System 181 ff., 271, 274 Mauerschützen-Prozesse 306 f., 310 ff., 314 Mittäterschaft – additive 229 ff. – als gegenseitige Beihilfe s. Beihilfe – als objektive Zurechnung 111 ff., 240 ff. – als gegenseitige mittelbare Täterschaft 215 f. – als wechselseitige Anstiftung s. Anstiftung – alternative 231 ff. – bei eigenhändigen Delikten 248, s.a. Täterbegriff – bei erfolgsqualifizierten Delikten 290 ff. – bei Pflichtdelikten 248, s.a. Täterbegriff – bei Sonderdelikten 248, s.a. Täterbegriff – bei Unterlassungsdelikten 248, s.a. Täterbegriff – Exzess 257 Fn. 31 – gemeinsame Tatausführung 224 ff. – gemeinschaftliches Begehen 100, 109, 116, 227, 350 – Gesamttat s. dort – imaginäre Kollektivperson s. dort – Kausalitätserfordernis 226 ff. – sukzessive 237 – Tatentschluss s. dort – Unrechtssystem 145 – vorbereitende Tätigkeiten 236 f. – wesentlicher Beitrag 224 ff. – Zurechnungsfunktion 65, 100, 102,

Sachverzeichnis 117 ff., 125, 141 ff., 159, 217 ff., 225, 227, 237 f., 257 ff., 285, 289, 291, 293 ff., 297, 300, 303, 321 f., 325, 355, 358, 360, 366 Mittelbare Täterschaft – Irrtumsherrschaft 303 f., 314 f., 351, 366 – Organisationsherrschaft 126, 304 ff., 366 – Organisationsherrschaft bei Wirtschaftsunternehmen 312 ff. – vermeidbarer Verbotsirrtum 126, 306 Miturheberschaft – zufällige 34 ff., 40 f. – Zweispurigkeit 31 ff. Motorroller-Fall 56 ff., 77 f. NESS-Test 335 Notwehrprovokation 69 Objektive Zurechnungslehre 79, 83 f., 97, 114 f., 178 f., 272 f., 280, 295 f., 339 ff., 366 – Risikoerhöhungslehre s. dort – statt Handlungsbegriff 177 ff. Organisationszuständigkeit 178, 211, 311 Organisierte Unverantwortlichkeit 28, 110, 130, 145, 148, 153, 353, 360 Pandektenbeispiel 43, 88, 106, 108, 114, 134, 178, 257 ff., 353 ff. Persönlichkeitsäußerung 175 Pflichtwidrigkeitszusammenhang 77 ff., 80, 342 – Risikoerhöhungslehre s. dort – Vermeidbarkeitslehre 346 f. Politbüro-Entscheidung 54, 298, 301, 306 Radfahrer-Fall 340 f. Raufhandel 32 ff., 44, 72, 215 Rechtsgutsverletzung – mittelbare / unmittelbare 200 ff. Rechtsgutsverletzungsverwirklicher 199f.

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Risiko – erlaubtes 178, 280, 285, 293, 316, 341 ff. – unerlaubtes 98, 108, 121, 124, 269, 279 ff., 316, 341 Risikoerhöhungslehre 131 ff., 136, 144, 230, 338, 344 ff. Risikogesellschaft 21, 28 f., 30, 295, 359 Risikoherrschaft 140 Rolling Stones-Fall 26 f., 60 f., 66, 75, 78 ff., 102, 109, 130, 226, 255, 297, 356 ff., 367 Schmökel-Fall 23 ff., 355 f. Schrotflinten-Fall 68 ff. Sorgfaltspflichtverletzung 22, 24, 77, 121, 139, 171, 178, 254 ff., 279 ff. – gemeinschaftliche 135 f., 255 f. Sozialadäquanz 172, 175, 264 f. Soziale Herrschaft 311 Stachynskij-Entscheidung 50, 304 Streichholz-Fall 60 f., 84, 226, 257 f., 357 Tatentschluss – „außerplanmäßiger“ 141 – bei Fahrlässigkeit 100 ff., 136, 238, 285 f. – Bezugspunkt Deliktserfolg 258 f. – Bezugspunkt Handlungsunrecht 270 ff. – deliktischer Sinnbezug 38, 266 ff., s. a. dort – Einpassungsentschluss 239 f., 243, 301 – gemeinschaftlicher 38 f., 100 ff., 109, 116, 124, 133, 136 f., 237 ff., 257 ff., 267, 270, 285 f., 291 f., 301 f., 358, 363, 365 Täterbegriff – Begriffssinn 153 ff. – bei eigenhändige Delikte 207 f. – bei Sonderdelikten 204 ff. – bei unechten Unterlassungsdelikten 208 ff. – eingeschränkt-subjektive Animus-Theorie 58 ff. – Einheitstäter 91 ff., 154, 200, 263,

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s. a. Fahrlässigkeit – formal-objektiver 87 ff., 97, 101, 122, 162 f., 190 – Ganzheitstheorie 192 f. – Interessentheorie 49 ff. – kausaler 46 – Lehre von den Pflichtdelikten 98, 205, 209 f. – subjektiver 46 ff., 163 – Tatbestandsbezogenheit 154, 156 f., 191, 198, 212, 248, 289, 310 – Tatherrschaftslehre s. dort – wertende s. eingeschränkt-subjektive AnimusTheorie Tätigkeitsanrechnung 61, 222 f., 225, 248, 258, 294 Tatherrschaftslehre 25, 89 ff., 97, 100, 110, 146 f., 149, 164 ff., 172 f., 176, 198, 216, 229, 304, 361

Teilnahme – fahrlässige 30, 95 f., 315 – notwendige 202 – Strafgrund 202 ff. Theorie des selbständigen akzessorischen Rechtsgutsangriffs 203 f. Verantwortlichkeitsprinzip 80, 124, 128, 131, 309 Vorsatz 20, 48, 70, 137, 162, 170, 189 ff., 194, 250 ff., 274, 278, 282, 285 ff. – Eventualvorsatz 48, 189 ff. – Nachweis 285 f. Wahrnehmungsfehler 276 Warnsignale 276 ff., 290, 362 Wettfahrt-Fall 76 f., 78 ff., 105 Willensfreiheit 125, 127, 181, 185, 284 – Determinismus 181 – Indeterminismus 181 Wortlautgrenze 195 ff.