Leben mit der Donau: Schiffmühlen von Wien bis Bratislava 9783205791553, 9783205785552

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Leben mit der Donau: Schiffmühlen von Wien bis Bratislava
 9783205791553, 9783205785552

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Leben mit der Donau Schiffmühlen von Wien bis Bratislava

Herausgegeben von Sabine Bergauer und Gabriele Hrauda

Böhlau Verlag Wien Köln Weimar

Gefördert durch die Kulturabteilung des Landes Niederösterreich die Kulturabteilung der Stadt Wien die Marktgemeinde Orth an der Donau die Stadtgemeinde Hainburg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Titelbild: © Dr. Christopher Huber ISBN 978-3-205-78555-2 Gestaltung: Bettina Waringer Covergestaltung: Michael Haderer Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, ­insbesondere die der Über­setzung, des Nachdruckes, der Entnahme von ­Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf ­fotomechanischem oder ä­ hnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Daten­ver­arbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2011 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co.KG, Wien · Köln · Weimar www.boehlau-verlag.com Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier

Druck: Demczuk Fairdrucker Ges.m.b.H, Purkersdorf

Als wir uns der Mühle näherten, klang sie anders als sonst. Still und leise. Über Nacht war die Donau aus ihren Ufern getreten.

Inhalt

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Die Donau prägt Landschaft und Mühlen

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Eine Reise in die Vergangenheit

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Donau abwärts Donaumüller und Donauschifffahrt Arme, reiche Schiffmüller Soziale Stellung der Schiffmüller Die Bergung einer Mühle Das Verschwinden der Schiffmühlen

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Ein Traum wird Wirklichkeit

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Von der Idee zum Projekt Das erste Schiff entsteht Angeschwemmt – Ein Geschenk der Donau Der Bau des Mühlschiffes Das Räderwerk Das Wasserrad Fahrt auf der Donau Die Mühle mahlt

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Schieber auf, Wasserrad läuft!

101 Körner, Schrot und Mehl 101 108 117

Am Anfang war das Korn … dann kam das Mehl Stetig läuft das Mühlenrad

120 Im Rhythmus der Donau 122 126 134 136

„Es klappern die Mühlen “ – Frühling „Das Mahlen in der Nacht hat sich der Teufel ausgedacht“ – Sommer „Da Nikolo tragt d’ Mühln o“ – Herbst „Rinnt’s noch oder steht’s schon“ – Winter

144 Literatur-, Quellen- und Kartenverzeichnis 149 Danksagung 152 Bildnachweis

Die Donau prägt Landschaft und Mühlen

Die Donau bei Orth

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D

ie Eigenschaften und Geheimnisse der Donau wollten schon viele Menschen ergründen. Die einen versuchten es wissenschaftlich, die anderen suchten die Wesensart des Flusses aus den Farben zu erschließen, wie Gerichtsrat Anton Bruszkay, der um 1900 Jahr für Jahr frühmorgens zwischen sieben und acht Uhr ins Wasser blickte, die Farbe dokumentierte und diese ans hydrografische Central-Bureau nach Wien sandte. Die Menschen, die in urgeschichtlichen Zeiten an den Ufern der Donau siedelten, interessierte die Farbe freilich weniger. Sie erfreuten sich biswei-

Die Donau prägt Landschaft und Mühlen

len an ihr, weitaus wichtiger für ihr Leben war die Donau als Nahrungsquelle. Die Fischwaid1, das Wild der Auen und die Donau als Transport- und Wasserweg, das waren die Gründe, warum sich Menschen gerade hier an den wechselvollen Ufern der Donau niederließen. Bereits in der Altsteinzeit lebten Menschen an den wärmenden und nahrhaften Hängen der Donau und ihrer Nebenflüsse.

1 Fischwaid: Waid ist eine alte Bezeichnung für Jagen, heute noch aus der Jägersprache bekannt in Form des Grußes Weidmanns Heil und Weidmanns Dank.

Die Donau prägt Landschaft und Mühlen

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2 Mistelbach: Bezirksstadt ca. 40 km nördlich von Wien.

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Mit dem Beobachten des Wassers kam bald dessen Nutzung als Energiequelle hinzu. Wasserräder zum Bewässern sind einem Leben am Fluss entsprungen. Setzte man sie auf Schiffe, konnte erstmals die Kraft des stetig vorbeifließenden Wassers genutzt werden, zum Antrieb von Mühlsteinen. Die Schiffmühlen waren geboren. Vor gut 800 Jahren traten sie auch auf der Donau auf und nahmen den Menschen Arbeit ab. Nun konnte ein Vielfaches an Nahrungsmitteln erzeugt werden, eine Grundvoraussetzung für ein Wachsen der Bevölkerung. Die Donau ist, in geologischen Zeiträumen gemessen, noch sehr jung, kaum älter als acht Millionen Jahre. Als sich die Alpen durch das Abtauchen Afrikas unter Europa bereits aufgefaltet hatten, sammelte die Donau ihre Wässer aus den sich weiter emporhebenden Alpen und führte sie dem Meer zu. Das damalige Meer bedeckte das gesamte Wiener Becken. Die Urdonau hatte ihre Mündung ins damalige Meer bei Mistelbach2, wo bis heute Kieselsteine aus dieser Zeit zu finden sind. Steine der Alpen bröckelten ab und füllten langsam das Alpenvorland auf. Das Meer zog sich zurück. Die Donau folgte dem zurückweichenden Meer, verlagerte sich dabei immer mehr nach Süden und floss dem Schwarzen Meer zu. Große Formungen der Landschaft gab es im Wechsel von Warm- und Kaltzeiten. Die erste Eiszeit begann vor 2,4 Millionen Jahren. War es warm, gab es viel Wasser, die Donau nahm das Material der eisfreien Berge mit sich und legte es großflächig ab. War es kalt und die Alpen unter Eis, grub sich die Donau immer mehr ein. So entstanden Terrassen und Stufen im Gelände. Mit der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren floss sie bereits im Groben in unserem heutigen Flusstal. Ständige und rasche Änderung zeichnet die Donau besonders im Abschnitt von Wien bis Bratislava aus. Die Donau ist hier, der Quelle noch näher als der Mündung in ihrem Oberlauf, und ihre Wasser sind kalt und schnell. Die Landschaft unter wie über der Wasseroberfläche und auch die Wasserstände unterliegen einem stetigen Wandel. Zwei Engstellen bilden dabei Fixpunkte für die Donau. Zum einen die Wiener Pforte mit Kahlenberg und Bisamberg, zum anderen die Ungarische Pforte mit den Hundsheimer Bergen und dem Thebener Kogel, auf deren Ausläufern die Burg von Bratislava thront. Dazwischen am linken Ufer das flache Land des Marchfeldes. Die Schotterterrassen liegen nur wenige Meter über dem Stromniveau. Hier kann sich die Donau frei entfalten und bei Hochwasser kilometerweit ins Land vordringen. Am rechten Ufer bildet eine Geländekante bis zu 54 Meter hoch eine Begrenzung für die Donau. Sie reicht von Fischamend bis nach Petronell mit Sanden aus dem pannonischen Meer und Schotterablagerungen aus einem alten Lauf der Donau. In Anbetracht des flachen Landes überrascht es dennoch, wie die Donau zieht, auf einen Kilometer fällt die Landschaft im Schnitt um 40 cm. Das ist viel und erzeugt eine starke Wasserströmung, sie bedingt die starke formende Kraft in diesem Bereich bis heute. Die Donau prägt Landschaft und Mühlen

Nach ihrer engen Passage durch die Wiener Pforte gabelt sich die Donau in Arme auf, bildet ein Netz aus Wasseradern mit einer Vielzahl an Inseln. Das Wasser läuft dabei durch die Landschaft hinab, ähnlich dem Regenwasser an einer Fensterscheibe. In den Kurven wird das Wasser am schnellsten. Dort nimmt die Donau auch die größten Steine mit, die auf ihrem Weg von den Alpen zum Schwarzen Meer immer kleiner werden. Werd, Wird oder Wörth sind alte Bezeichnungen für Insel. Ein Werden, sich immer wieder neu Bilden und Verschwinden. Führt die Donau wenig Wasser, ist sie schmal und langsam. Dann kann sie nicht mehr so große Steine mit sich schleppen, Schotter legt sich nieder und bildet sogenannte Haufen. Bei Hochwasser hingegen, breitet sich die Donau aus und wird sehr schnell, nimmt Material teilweise wieder mit. Mehrmaliges Weiten und Zusammenziehen innerhalb eines Jahres und über längere Zeiträume wechseln sich ab. Hochwasser und die winterlichen Eisgänge3 schaffen große Umgestaltungen. Je stärker diese ausfallen, umso mehr formt der Fluss die Landschaft. Verlaufsänderungen begleiten diese Ereignisse. Die Menschen hatten sich an die regelmäßigen Hochwasser angepasst, wussten wo sie ihre Häuser bauten, damit sie von den jährlichen Überflutungen nur wenig betroffen waren. Extreme Ereignisse, wie sie alle 100 Jahre wiederkehren, können ganze Dörfer und Siedlungsgebiete verändern. So gab es 1501 ein Hochwasser das alle Dörfer des Tullner Feldes zerstörte und Korneuburg vernichtete. Ein Eishochwasser 1830 war prägend für das Marchfeld, viele Orte wurden vom Eis niedergewalzt. Diese Ereignisse werden weitererzählt und bleiben lange im kulturellen Bewusstsein der Menschen an der Donau. Sie sind bis heute Maßstab des Respekts vor der Mächtigkeit des Stromes. Aber auch kleine, regelmäßige Veränderungen direkt im Flussbett prägen die Donau. In nur wenigen Jahrzehnten kann sich das schnelle Wasser von einem Ufer ans andere verlagern. Das Wasser folgt dabei zumeist einer pendelförmigen Bewegung. Schlägt es auf die eine Seite folgt die Gegenbewegung in einigen Kilometern stromabwärts. Diese Änderungen am Wasser sind für Schiffsleute und Schiffsmüller gleichermaßen von Bedeutung. Die Bauweise der Schiffmühlen war an diesen raschen unregelmäßigen Wechsel angepasst. Änderte sich die Flusslandschaft, folgten sie einfach dem besseren, dem schnelleren Wasser, das meistens in den Kurven der Donauarme anzutreffen war. Hinweise wo im Fluss über längere Zeit stabile Standorte für Schiffmühlen waren, geben uns alte Flurnamen wie Mühlhaufen, Mühlschiedl, Mühlau. Das waren Uferbereiche oder Inseln, die bereits bewaldet und gefestigt waren gegen den Einfluss durchschnittlicher Hochwässer. Eine große Veränderung in der Flusslandschaft tätigte der Mensch selbst, mit der großen Donauregulierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Ufer der Donau wurden fixiert, Arme abgetrennt und das Wasser in ein schmäleres Korsett zusammengeDie Donau prägt Landschaft und Mühlen

3 Als Eisgang wird ein Abgehen des Eises vom Eisstoß bezeichnet, hervorgerufen durch hohe Temperatur oder durch ein Steigen des Wasserstandes z.B. durch übermäßigen Regen. Der Eisstoß entsteht durch das Stehenbleiben der fließenden Eisschollen in einem Fluss. Ausgelöst wird er an Engstellen wie der Wiener oder Ungarischen Pforte, die Eisschollen können nicht weiter, verkeilen sich und bleiben stehen. Der Eisstoß wächst stromaufwärts mit dem nachkommenden Eis an.

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4 Uferrain ist der vom Fluss angeschwemmte Wall im Übergang von Fluss und Land.

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fasst. Ein Schutzdamm zur Sicherheit gegen Überflutungen wurde gebaut. Strukturen aus der Zeit vor der Regulierung bleiben lange im Fluss vorhanden. Wasser vergisst nicht, zumindest in menschlich wahrnehmbaren Zeiträumen. Dort wo einst Inseln aus der Donau ragten, legt sich bis heute Schotter hin und bildet seichte Stellen. Wo gewaltsam gegen das natürliche Gefälle reguliert wurde, ist es am Wasser zu sehen, es schäumt und will dort nicht sein. Es sucht sich immer den leichteren Weg. Bis heute hat die Donau von Wien bis Bratislava ihren freien Willen und gestaltet weiter, innerhalb eines menschlich vorgegebenen Rahmens. Die Spuren des längst vorbeigeflossenen Wassers sind bis heute zu finden. Alte Gerinne, Terrassen, Uferraine4 sind kilometerweit von der Donau zu sehen. Auch die Schiffmühlen, die hier vor 70 Jahren verschwunden sind, hinterließen Spuren im Fluss und in der Au. Sie sind noch vorhanden in Geschichten und Erzählungen, in Resten von aufgelassenen Siedlungen rund um die Mühlen, in alten Fotografien und Ansichten. Folgen wir den Spuren dieser alten Kulturtechnik … So unterschiedlich die Flüsse sind, so unterschiedlich war die Ausgestaltung ihrer Mühlen. Neben den Flusseigenschaften spielten lokale Schiffsbautraditionen neben Klima und Geschmack der Müller eine Rolle. Am häufigsten bestanden Schiffmühlen aus zwei Schiffen mit einem dazwischen liegenden Wasserrad. Auf dem größeren Mühlschiff befand sich das Mahlhaus, das kleinere uferferne Wellschiff trug die Mühlradwelle. Auch die Donaumühlen entsprachen dieser Bauweise. Wie Schiffe auch, konnten sie ihren Ort verändern. Diese Beweglichkeit war auch eine Grundvoraussetzung für den Betrieb gerade auf der oberen Donau. Der Donauraum von Wien bis Bratislava zählt noch zum Oberlauf der Donau, durch die starke Strömung waren die Mühlen hier besonders leistungsfähig. Sie mussten sich aber dem raschen Wechsel von Wasserständen, an die Hochwasser und Eisgänge in besonderer Art und Weise anpassen. Die Donau prägt Landschaft und Mühlen

Der „Haft“ der Mühlen musste fest genug und gleichzeitig binnen weniger Stunden zu lösen sein. Die Mühlen wurden, wenn die Donau stark stieg, näher ans Ufer gezogen um sie vor Treibholz zu schützen. Fallweise verlegten sie sogar ihren Standort. Bei wenig Wasser wurden die Mühlen weiter hinaus in die schnelle Strömung geschoben. Flexibel waren deshalb auch die Zugänge zu den Mühlen. Über Stegladen gelangten die Müller in die Mühlen. Während Niederwasserphasen wurde dann eine weitere Zille ins Wasser gesetzt und darüber ein weiterer Laden oder auch Steg zur Mühle gelegt. Als Stegzillen wurden mitunter auch ganze Mühlschiffe verwendet. Die Wasserräder waren relativ schmal gebaut, anders als die sehr breiten auf der mittleren Donau. Die Mühlradschaufeln konnten sehr leicht abgenommen werden, zum Schutz oder für Reparaturen. Während langer Perioden guten Wassers wurden nicht alle Schaufeln benötigt um einen optimalen Lauf der Mühle zu gewährleisten. Erst mit der Donauregulierung traten im Wiener Raum erstmals auch Schiffmühlen mit breiteren Wasserrädern auf, die bisher nur in Ungarn und stromabwärts anzutreffen waren. Die neuen, aber von der Strömung her schlechteren Standorte, versuchten die Müller durch breitere Wasserräder auszugleichen. So schnell wie das Wasser treiben auch Bäume, Eis oder gelegentlich auch Schiffe Die Donau prägt Landschaft und Mühlen

Die Schiffmühle von Orth an der Donau

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Eine Schiffmühle auf der March bei Jedenspeigen um 1918. Die Mühlzillen waren kleiner als bei den Donaumühlen, meistens 11 Meter lang.

auf die Mühlen zu. Deshalb waren die Mühlschiffe aus besonders starken Wänden gebaut. Die Schiffmühlen wurden zum Schutz vor dem winterlichen Treibeis an Land gezogen. Damit diese Arbeit rascher von der Hand ging, konnte die Mahlhütte in einzelne Teile zerlegt werden. Dach und Wände waren aus einzelnen Platten gebaut, ähnlich einem modernen Fertigteilhaus. Die Mühlschiffe hatten auch eine spezielle Form, so dass sie leicht gegen den Strom zu bewegen waren. Ein entscheidender Faktor in Zeiten, in denen die Müller die Mühlen nur mit Muskelkraft transportierten. Erst mit der Erfindung der motorisierten Schifffahrt fanden auch andere Rumpfformen bei den Schiffmühlen Einzug.

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Die Donau prägt Landschaft und Mühlen

Die Bauweise von Schiffmühlen variierte je nach lokalen Traditionen. An der Save trugen zwei Schiffe die Mühlhütte.

Die Donau prägt Landschaft und Mühlen

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eine Reise in die Vergangenheit

Merian Matthëus, Prospect der Thonau zwische(n) dem Kale(n)berg und Bisnberg, 1649 NÖ Landesbibliothek

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Donau abwärts Kaum haben wir die gefährlichen, engen Talabschnitte des Strudengaus und der Wachau mit ihren tosenden Stromschnellen und gurgelnden Wirbeln hinter uns gelassen, gleiten wir hinein, in die Stille der großen Beckenlandschaften. Ein letztes Mal beschleunigt die Enge der Wiener Pforte zwischen Bisamberg und Kahlenberg den Lauf des Wassers. Danach lagert sich die Donau in einem Labyrinth von Haupt- und Nebenarmen, viele Kilometer breit, in die Ebene hin. Ein Labyrinth, in dem nur unser erfahrener Zillenführer die richtigen Abzweigungen findet. Die Anlegestelle der Reichs- und Residenzhauptstadt liegt noch eine Stunde vor uns. ­Dichte Auenwälder und breite Schotterbänke säumen die Strecke. Nur hin und wieder erahnen wir den Einfluss des Menschen. Es ist eine stille Fahrt. Allein das leise Singen der Donau, das Rollen der Donaukiesel über den Grund, begleitet uns beständig. Ab und zu Eine Reise in die Vergangenheit

der Ruf des Reihers, der Schrei des Seeadlers. Kurze, heftige Böen des Steppenwindes von Südost umspielen unsere Köpfe. Plötzlich, anfangs kaum merklich, dann stetig anschwellend, vernehmen wir ein dumpfes Rütteln und Rattern, begleitet vom Brausen des Wassers. Die Zille gleitet langsam auf die Biegung des Flussarmes zu. Das Brausen wird lauter, bedrohlich. Und schon nähern wir uns einer Ansammlung von Mühlen. Zehn an der Zahl. Langsam drehen sich die breiten Wasserräder. Ihre Bewegungen werfen einen in allen Farben des Regenbogens glitzernden Wasservorhang in die Luft. Das regelmäßige Aufklatschen der Bretter auf das Wasser und das Knarren der Achsenbäume vermitteln Betriebsamkeit. Müllersleute, weiß gewandet, stehen draußen am Schiff und rufen uns eine Warnung zu. Dass es uns nicht ergehe wie dem Wasser, das es unaufhörlich zu den Mühlen zieht. Einige harte Ruderschläge und schon sind wir vorbei an den Mühlen, die rasch kleiner und kleiner werden, bis sie nicht mehr zu sehen sind. Allmählich verklingen auch ihre Geräusche. Erfreut über die Abwechslung sehen wir an der nächsten Biegung neuerlich Wasserglitzern und weitere Schiffmühlen lösen sich aus dem Grün des Ufersaums. So könnte eine Schiffsreise um das Jahr 1800 von Linz nach Bratislava ausgesehen haben, die Donaulandschaft bietet sich in ihrer ganzen Ursprünglichkeit dar. Reisen in Zeiten vor der Motorisierung bedeutete, die Vorteile der natürlichen Gegebenheiten zu nutzen. Auf großen Flüssen stromabwärts zu gleiten war bequemer, mitunter auch schneller, als die beschwerliche und teure Kutschenfahrt über schlechte Landstraßen. Allerdings bot die ungebändigte und nicht regulierte Donau eine Vielzahl an Unvorhersehbarem. Die ersten Schiffmühlen nahe des alten Wiener Stadtkerns wurden entlang einer großen bewaldeten Donauinsel, des Bruckhaufens errichtet. Der später gebräuchliche Name Zwischenbrücken erklärt sich aus zwei Donaubrücken, die hier bereits 1439 bestanden. Unmittelbar am Fernhandelsweg nach Prag und Brünn gelegen, war der gute Zustand der Wege garantiert. Diesen Vorteil konnten sowohl die aus dem Marchfeld anreisenden Bauern als auch die Abnehmer des Mehls nutzen. Ab dem 16. Jahrhundert verlagerte sich der Hauptstrom der Donau allmählich von der Stadt weg gegen das Marchfeld zu. Davon war auch der Wiener Arm (der spätere Donaukanal) betroffen. Bei niedrigem Wasserstand konnten Handelsschiffe die Stadt nicht mehr erreichen, was für viele Händler und Schiffseigner zu einer Existenzfrage wurde. Die Schiffmüller lösten dieses Problem auf ihre Weise. Sie folgten mit ihren Mühlen einfach dem Wasser. Auch wenn diese nun in größerer Entfernung zur Stadt im Strom festgemacht wurden, garantierte das stetige Bevölkerungswachstum Wiens eine Abnahme ihrer Produkte. Mitte des 18. Jahrhunderts zählte Wien bereits 175.000 Einwohner. Die Bedeutung des Müllergewerbes in all seinen Formen als Garant für die Grundversorgung der Bevölkerung wurde von Donau abwärts

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Wien zur Zeit der Franziszeischen Landesaufnahme (1809–1819) Die Schiffmühlen zeigen den Verlauf des damaligen Stromstriches. Sie finden sich oft in den Kurven der Donau, den Bereichen stärkster Strömung. Waren um 1800 an die 49 Schiffmühlen von Wien bis Preßburg tätig, verdoppelte sich ihre Zahl Ende des 19. Jahrhunderts bereits auf über 100.

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Maria Theresia rechtzeitig erkannt. Die Regentin und ihre Berater schufen bessere Voraussetzungen für die Gründung von Mühlen. 1754 wurden Schiffmühlen zu den Polizeigewerben gezählt. Unter „Polizey“ verstand man alle Maßnahmen, Anordnungen und öffentlichen Verwaltungseinrichtungen, die dem höchsten Staatsinteresse dienten. Bei gutem Wasserstand konnte eine Schiffmühle des Wiener Raumes bis zu 2000 kg Getreide täglich vermahlen. Eine Menge, die den Tagesbedarf von rund 4000 Menschen deckte. Stand Zusatznahrung wie etwa Fisch, Hirse oder Gerste zur Verfügung, reichte diese Menge für weit mehr Bewohner der Stadt.

Eine Reise in die Vergangenheit

Wie Kaisermühlen zu seinem Namen kam

Kaisermühlen einst kleine Siedlung inmitten des Auendickichts ist heute Stadtteil des modernen, pulsierenden Wiens und Sitz der UNO City. Die Lage an der Donau trug wesentlich zu seiner Entwicklung bei. Als sich die Donau ab dem 16. Jahrhundert immer weiter nach Nordosten verlagerte, entstanden im Bereich des heutigen Bezirkes Donaustadt neue stark durchströmte Seitenarme. Dieser Umstand wurde von Schiffmüllern genutzt, die die Zeichen der Natur richtig eingeschätzt hatten. Die Handwerksordnung der Asperner Schiffmüllerzeche, die durch Kaiser Leopold I. bestätigt worden war, erwähnte 1674 erstmals die sogenannten Kaisermühlen. Diese Schiffmühlen standen unter Verwaltung der kaiserlichen Militärbehörde und wurden besonders verdienten Tschaikistenoffizieren5 bei ihrer Verheiratung übergeben. Sie stellten eine Versorgung des Militärpersonals dar, da sie einen relativ niedrigen Pachtzins abzuliefern hatten. Die Kaisermühlen waren Proviantmühlen und erzeugten Mehl für das Militär. Sie hatten darüber hinaus die Mehllager Wiens zu befüllen, um die Versorgung der Stadt im Fall einer Belagerung oder einer wirtschaftlichen Notzeit für mindestens drei Monate zu gewährleisten. Zwar wurden die Kaisermühlen zur Asperner Schiffmüllerzeche hinzugezählt, doch unterstanden sie nicht der Handwerksordnung, da sie in unmittelbarem Besitz des Kaiserhauses standen.

U-Bahnstation Kaisermühlen

5 Die Tschaikisten waren vom 16. bis zum 19. Jahrhundert eine eigene Formation innerhalb der k. k. Armee, sie stellten neben den Pontonieren die Besatzung auf den Tschaiken. Die Tschaiken waren relativ lange, schmale Ruderschiffe, die durch ihre Bauweise optimal auf die Verhältnisse der Donau angepasst waren. Zur Fortbewegung dienten Ruder, Segel oder Mannschafts­ züge.

Eine typische Tschaike auf der Oberen Donau Donau abwärts

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Kaisermühlen ist heute Teil des 22. Wiener Gemeindebezirkes, der Donaustadt.

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Ab 1800 wurden einige der kaiserlichen Mühlen privatisiert. Unter den Käufern war auch Müllermeister Georg Haller, ein Neffe des Tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer. Nahe des Ufers errichteten die Müller für ihre Familien einfache Bretterhütten auf Pfählen. So entstand die Kolonie Kaisermühlen als kleine Siedlung inmitten des Auwaldes, fernab der Stadt und damals noch am äußersten Rand des Vorortes Leopoldstadt gelegen. Mit Einrichtung der Dampfschiffstation am Gänsehäufel, von Lagerhallen und Gasthäusern erfolgte ein wirtschaftlicher Aufschwung, der neben den Müllern weitere Siedler nach Kaisermühlen brachte. Die große Donauregulierung von 1870 bis 1875 setzte dieser kurzen Blütezeit ein jähes Ende. Kaisermühlen war nun mit einem Male von den Verkehrswegen abgeschnitten, die Schiffmühlen vom fließenden Strom. Als einziger Ausweg blieb den Müllern die Verlagerung ihrer Mühlen stromabwärts, oder die Aufgabe ihres traditionellen Berufes. Die Lebensumstände in Kaisermühlen gestalteten sich nach Abschluss der Donauregulierung schwierig. Die Infrastruktur war kaum entwickelt und die öffentliche Trinkwasserversorgung ließ lange auf sich warten. Ab 1888 wurde Hochquellenwasser in Fässern angeliefert. Kinder mussten mit Zillen in weit entfernte Schulen übergesetzt werden. Ein ungewohnter Weg, der dafür aber umso abwechslungsreicher war und sicher so manchen Spaß bereitete. In den Wiener Stadtplänen des 19. Jahrhunderts wurde die kleine Siedlung immer wieder vergessen. Erst ab 1871 scheint der Name Kaisermühlen als offizielle Bezeichnung in der Wiener Gemeindeverwaltung auf.

Eine Reise in die Vergangenheit

Nahe der Stadt

Das bunte Treiben der Reichs- und Residenzhauptstadt hat uns für einen Tag eine willkommene Abwechslung geboten. Eine riesige Baustelle, dieses Wien. In dichte Staubwolken gehüllt, fallen die alten Basteien, wachsen inmitten alter Häuserzeilen moderne, hohe Steinbauten in die Höhe, überspannen neue Brücken den Wiener Arm. Flinke Arbeiter in den Trachtenjacken ihrer heimatlichen Kronländer löschen die Ladung großer Transportkähne – jene massiven Steine, die der Stadt in wenigen Jahren ihr neues Antlitz verleihen werden. Dazwischen die Holzflöße und Salzschiffe, Zillen beladen mit Obst und Wein. Im Morgengrauen erreichen wir zu Fuß unseren Platz wo wir die Zille festmachten, weit draußen vor der Stadt. Die Stille des Donauufers nimmt uns wieder gefangen. Langsam zieht uns die Strömung weiter hinaus auf den Fluss, hinein in die morgendlichen Nebel. Besorgt wechseln wir einen Blick mit unserem Steuermann, als das altbekannte Schnaufen und Rattern von Mühlenwerken uns erreicht, stärker jedoch, als in den Tagen

Donau abwärts

Die Donau bei Wien um 1830

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Die letzten Schiffmühlen von Wien um 1929. Durch mobile Holzböcke und Stegzillen gelangen die Mühlen weg vom Ufer ins schnellere und tiefere Wasser.

zuvor. Er beantwortet unsere Blicke mit einem Lächeln, deutet nur kurz nach vorne. Geräusche werden zu Wegmarken. Und da hebt sich die Nebelwand, durchdrungen von den ersten kräftigen Strahlen der Morgensonne. Fast in Griffweite, scheint es, gleiten wir auf dem schnellen Wasser an den Schiffmühlen vorbei. Der Lärm schwillt an. Es müssen wohl Dutzende sein, so viele wie nie zuvor auf unserem Weg, die Donau hinab. Die Stille der ausklingenden Nacht ist endgültig dem geschäftigen Treiben des Tages gewichen. Doch nur für wenige Minuten. Als das Ufer von Kaisermühlen langsam zurückfällt, Mühlen und die Dampfschiffstation schwinden, hat uns die Stille der Stromlandschaft wieder. Obwohl schon mehrere Wegstunden von Wien entfernt, spielten die Schiffmühlen um Floridsdorf, Aspern und Fischamend auch für die wachsende Reichs- und Residenzhauptstadt eine wichtige Rolle in der Versorgung mit Mehl. Sowohl das Marchfeld, als auch das südlich der Donau gelegene Vorfeld Wiens boten seit dem Mittelalter hervorragende Bedingungen für eine Intensivierung des Getreideanbaus. Die Anfahrtstrecke für die Bauern war kurz und dort wo kein dichter Auwald die Donauarme säumte, erstreckten sich die Felder bis an die Donauufer. Die Verlagerung des Donauhauptstromes hatte bei Floridsdorf bereits lange vor der großen Donauregulierung Uferbefestigungen notwendig gemacht. Obwohl die Haftplätze hier erst im frühen 19. Jahrhundert angelegt worden waren, ergab die besonders günstige Strömungssituation eine große Dichte von Schiffmühlen auf engem Raum. In einer Außenkurve des großen Donauarmes fanden sich rund 60 Schiffmühlen, dicht hintereinander gereiht. Um dem Strömungsschatten der vor22

Eine Reise in die Vergangenheit

gelagerten Mühle zu entgehen, wurde sogar ein drittes Mühlschiff – Mühlzille oder Stegzille genannt – ins Wasser gesetzt, welches mitunter 30 bis 40 Meter weit in den Strom hinaus ragte. Eine Konstruktion, die auch bei niedrigerem Wasserstand Vorteile brachte, da diese Mühlschiffe weiter in die schnellere Strömung hinein reichten. Aspern nahm einen besonderen Rang in der Geschichte der Schiffmüllerei ein. Das kleine Dorf am Rande der Donauauen war Sitz ihrer Interessenvertretung. Das Einzugsgebiet der „Zech- und Bruderschaft der Schöff und Donaumüller zur großen Aspern an der Donau“ reichte in den Anfängen von Dürnstein bis an die Mündung der March. Zechen und Zünfte waren Ausdruck der strengen Regelung der mittelalterlichen Handwerks- und Gewerbegesellschaft, sie kontrollierten den Zugang zum Markt und sorgten für alte und kranke Mitglieder. Die Regeln der Zechen bestimmten auch das tägliche Leben der Schiffmüller. Viele waren jedoch nicht festgeschrieben und bestanden allein durch mündliche Tradition. Sie unterlagen jedoch einer strengen sozialen Kontrolle der Zunftmitglieder. Um den einzelnen Schiffmüllern ein Auskommen zu sichern, beschränkte die Asperner Zeche die Zahl der Festmachplätze, die sogenannten Mühlschläge, auf 39. An diesen Stellen wurden Mühlstecken, Holzpfähle mit Eisenspitzen, ins Ufer geschlagen und die Mühlen mit starken Seilen daran festgemacht. Nachdem die verstärkte Nachfrage nach Mühlen die Anzahl der Zechenmitglieder ansteigen ließ, wurde die Vereinigung 1673 geteilt und die Handwerksordnung durch Kaiser Leopold I. bestätigt. Anstoß für die Teilung war das wiederholte Fernbleiben der Dürnsteiner Schiffmüller bei den alljährlich stattfindenden Versammlungen. Die Schiffmüller des westlichen Abschnittes wurden der Tullner Zeche zugeschlagen. Eine neuerliche Bestätigung dieser Handwerksordnung erfolgte am 6. Juli 1713 durch Kaiser Karl VI. und später erneut durch Maria Theresia. Die strenge Regelung des Schiffmüllergewerbes bestimmte, dass ausschließlich Meister eine Mühle betreiben durften. Aus den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Zeit heraus, erleichterte Kaiser Josef II. den Zugang zu den Zechen durch Hofbefreiungen und Schutzdekrete. Unter bestimmten Voraussetzungen durften auch Frauen Mühlen betreiben. Ein Auszug aus der Österreichischen Gewerbs- und Handelsgesetzkunde für die Müller aus dem Jahr 1848 zeigt allerdings noch starke Anklänge an mittelalterliche Verhältnisse: „Wann Frauenzimmer selbst Gewerbe und Handlungen betreyben können: die rückgelassenen Eheweiber können im Witwenstand eine Mühle betreyben, wenn sie sich einen Knecht nimmt, bei Wiederverehelichung verliert sie das Recht Handlungen zu treiben wieder.“

Donau abwärts

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Die Möglichkeit, am Wirtschaftsleben teilzuhaben, mag die eine oder andere Müllerin bewogen haben den Witwenstand einer neuerlichen Ehe vorzuziehen. Soziale und religiöse Normen der damaligen Zeit zeigen jedoch, dass dies die Ausnahme blieb. Ein Verhältnis, wenngleich auch nur ein Arbeitsverhältnis zwischen Müllerin und Knecht inmitten des Auwaldes, wurde mit Argwohn betrachtet. Die Revolution von 1848 brachte auch das Ende der mittelalterlichen Zunft- und Gewerbeordnungen. Die Asperner Zeche wurde in eine Schiffmüllergenossenschaft umgewandelt, eine Form der Berufsvertretung, die mit der Gewerbenovelle von 1883 verpflichtend geworden war. Nachfolger der Zünfte und Zechen sind heute die Handwerksinnungen der Wirtschaftskammer. Zwar konzentrierte sich die Mehrheit der Schiffmühlen stets in der Nähe der großen städtischen Zentren, doch Mehl wurde auch auf dem Lande dringend benötigt. Mühlenprodukte waren gerade am Land als Futter für die Zugtiere von großer Bedeutung. Die Donaulandschaft zwischen Wien und Bratislava bot Müllern nicht überall gleich günstige Voraussetzungen zur Anlage einer Schiffmühle, weshalb mancherorts weite Transportwege für das Getreide und das Mahlprodukt Mehl in Kauf genommen wurden. In bestimmten Abschnitten der Donaustrecke war der Fluss durch seine besondere Dynamik unberechenbar. Große Hochwasser verlagerten innerhalb kurzer Zeitabstände die Hauptgerinne mehrmals und zwangen die Betreiber der Mühlen, diese zu versetzen, oder aufzugeben. Stabile Strukturen im Flusssystem, in Kombination mit der Infrastruktur des Hinterlandes, entschieden über einen längeren Bestand der Schiffmühlen. Die Schiffmühlen von Groß Enzersdorf und Schönau waren ebenso der Asperner Zeche inkorporiert. Sie lagen in einer besonders begünstigten Situation. Der stark durchströmte Stadler Arm reichte bis an Groß Enzersdorf heran. Dem breiten Kühwörther Wasser, nur wenige hundert Meter von Schönau entfernt, ist heute noch der ehemalige Hauptstromarm anzusehen. Die Schiffmühlen arbeiteten in Sichtweite der Siedlungshäuser und der Weg von den Getreidefeldern und den Höfen der Bauern an das Stromufer war kurz. Eine Überfuhr, möglich durch die Breite und dadurch bedingte Langsamkeit des Wassers nach Fischamend, bot weitere günstige Voraussetzungen.

Gegen Osten hin

Allmählich entfaltet der hochsommerliche Vormittag seine Wirkung. Unbarmherzig brennt die pannonische Sonne auf unser Boot, nicht ein Windstoß fährt kühlend über das Wasser. In den Genuss des Schattens kommen wir nur dann, wenn die Strömung uns nahe genug an die von hohen Pappeln gesäumten Ufer trägt. Über den weithin gelagerten Schotterbän24

Eine Reise in die Vergangenheit

Tschaike und Mühle

ken flimmert die Luft. Hin und wieder springen Fische hoch aus dem Wasser, um sich dem Zugriff eines schnellen Jägers zu entziehen. Ganz selten tritt die dichte Galerie des Waldes zurück und gibt den Blick in die Ferne frei. Einmal ist es die Spitze eines Kirchturmes, dann wieder die Silhouette einer Hügelkette gegen Ungarn hin. Und auf einmal – völlig unvermittelt – beginnt das rechte Ufer langsam anzusteigen, wird höher und höher, bis es in scheinbar gleichmäßigem Niveau unsere Reise begleitet. Der steile Abbruch ist frei von Wald, Wolken von Schwalben ziehen über seine Kante hinweg. Aus dem Marchfeld klingen gegen Mittag Kirchenglocken über den Strom. Nur selten vernehmen wir das Aufschlagen von Wasserrädern und das Klappern von Mühlenwerken. Die Überfuhrstelle und ihre Markierungen zeigen an, dass wir uns linker Hand Orth nähern. Auch in Fischamend, am rechten Donauufer, bestanden beste Voraussetzungen für den Betrieb von Schiffmühlen. Hier wurde auch der Körnermarkt abgehalten, zu dem einmal pro Woche die Bauern des Umlandes über die Reichsstraße Wien-Bratislava kamen. Eine alte, zumindest auf das Hochmittelalter zurückreichende Überfuhr verband Markt und Dorf Fischamend mit Schönau am linken Donauufer. Vor der Donauregulierung hatten die Fischamender Schiffmühlen ihren „Haft“ zumeist am gegenüberliegenden Donauufer bei Schönau. Nach der Regulierung entstanden neue Haftplätze stromabwärts der alten Dampfschiffstation von Fischamend. Nur wenige Meter vom Donauufer entfernt entwickelte sich eine kleine Müllersiedlung, die aus auf Pfählen errichteten HolzDonau abwärts

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Die Donau von Mühlleiten bis Orth um 1833

häusern bestand, ähnlich den heutigen Fischerhütten. Das Müllergewerbe beruhte hier auf einer langen Tradition und beschränkte sich nicht allein auf die Schiffmühlen. Entlang der Fischa arbeiteten auch zahlreiche Landmühlen. So existierte hier auch eine eigene Müllerszeche, der sowohl Schiffmüller als auch die Landmüller der Fischa angehörten. Zur Zeit des großen Umbruchs, der Donauregulierung kaufte sich der letzte Fischamender Schiffmüller Herr Hänel bei der Asperner Schiffmüllergenossenschaft ein. Möglicherweise hatte er in Hinblick auf die bevorstehende Donauregulierung seine Interessen besser vertreten gesehen. Die Schiffmüllergenossenschaft führte im Sinne ihrer Mitglieder einen zwei Jahre währenden Prozess gegen die Donauregulierungskommission.

Die letzte Schiffmühle von ­ ischamend, die Mühle liegt F nach der Regulierung bereits am ­neuen, befestigten Donauufer.

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Eine Reise in die Vergangenheit

Einige Kilometer stromabwärts arbeiteten Schiffmühlen bei Maria Ellend und Haslau die Energie des Wassers ab. Als die Hauptstromarme der Donau im Wiener Raum nach Norden strebten, begann sich im Stromabschnitt südöstlich von Wien eine gegenteilige Tendenz abzuzeichnen. Das Wasser drängte nach Süden und schuf unweit des Donauabbruches für einige Jahrzehnte gute Bedingungen für den Betrieb einer Schiffmühle. Durch die Fähren, es gab eine große Überfuhr für Pferdefuhrwerke und eine kleinere für Personen, zwischen Haslau und Orth waren hier auch stabile Wegeverhältnisse gegeben. Der Bestand von Schiffmühlen in Orth an der Donau ist erstmals 1450 belegt und ihre Tradition reichte immerhin bis in das Jahr 1920. Noch heute weisen alte Flurnamen, wie Mühlschüttl auf alte Mühlenstandorte hin. Die Mühlschläge der letzten Schiffmühlen lagen eine Stunde Gehzeit von Orth entfernt, in Richtung Eckartsau. Doch nicht nur Schiffmühlen mahlten in Orth. Die in der Nähe des Orther Schlosses gelegene Hofmühle nahm eine Sonderstellung ein, war es doch die ein-

Kutschera Franz, Schiffmühlen bei Bad Deutsch Altenburg, 1864, NÖ Landesbibliothek

Donau abwärts

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zige Donaumühle zwischen Wien und Bratislava, die an Land stand. Gewannen die Landmühlen in Fischamend ihre Antriebsenergie aus dem Fischafluss, wurde der Betrieb dieser Herrschaftsmühle über ein System von Mühlgräben mit Stauhaltung garantiert. Aus der Faden, einem nördlich der Donau verlaufenden Seitenarm, wurde ein 800 Meter langer, mit Wehranlagen versehener Mühlgraben abgezweigt. Im anschließenden Mühldumpf wurde das Wasser gestaut. Die Hofmühle bestand bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Ihre Größe und Kapazität lässt sich aus erhaltenen Rechnungen für Umbauten und Reparaturen erschließen. Zum Schutz der Dörfer im südlichen Marchfeld war die Faden an mehreren Stellen schon früh unterbrochen und die Anbindung an die Donau abgeschnitten worden. Das einstmals fließende und sogar schiffbare Gewässer verkümmerte zusehends. Hinzu kam die ausgeprägte Verlagerung des Hauptstromes nach Süden, wodurch immer weniger Wasser in die nahe Orth gelegenen Seitengerinne gelangte. Schon im 17. Jahrhundert beklagten sich die Müller auf der Hofmühle, dass in trockenen Sommern wegen mangelnder Wasserführung und im Winter wegen der starken Eisdecke nicht gemahlen werden konnte. Der zunehmende Ausfall der Hofmühle wurde durch die Schiffmühlen ausgeglichen. Das Katastrophenhochwasser vom März 1830 zerstörte die Hofmühle völlig. 1835 neu aufgebaut erfüllte sie jedoch bald wieder ihre Funktion, bis 1880 ein Hochwasser abermals die Wehranlage an der Abzweigung des Mühlbaches zerstörte. Aufgrund dieser Schäden und des chronischen Wassermangels wurde der Betrieb der Herrschaftsmühle in diesem Jahr endgültig eingestellt. Südlich von Eckartsau lagen wenige Schiffmühlen um die große Insel des Rothewerd verankert. Die Betriebsumstände für Müller waren hier aber außerordentlich schwierig. Einerseits wechselten aufgrund der variablen Strömungsverhältnisse die Haftplätze der Mühlen innerhalb weniger Jahre, andererseits produzierten sie rein für die dörfliche Nachfrage. Zudem musste für Zufahrt und Abtransport das habsburgische Jagdgebiet entlang der Mühlwege durchquert werden, was nicht selten zu Konflikten mit dem kaiserlichen Jagdmeister führte. Wenige Kilometer stromabwärts arbeiteten Schiffmühlen auch südlich von Witzelsdorf und Stopfenreuth und am Donauufer bei Wildungsmauer, Petronell und Deutsch Altenburg. 1706 verlegte der Schiffmüller Johann Paul Altmannsberger seine Mühle von Wildungsmauer nach Hainburg, was auf wenig Verständnis der Hainburger Müller stieß. Diese fürchteten um angestammte Privilegien und Einkünfte, war doch die Anzahl der Mühlschläge mit fünf begrenzt gewesen. Oft sind es derartige Konfliktfälle, die uns über Standort und Betrieb von Schiffmühlen unterrichten. Welche Folgen es haben konnte, eine Schiffmühle ohne Genehmigung einer Zeche in deren Einflussgebiet zu betreiben, zeigte das Beispiel des Rossatzer Müllermeisters Karl Wagner. Dieser musste auf Betreiben der Asperner Zeche seine 1760 bei Stopfenreuth verankerte Mühle entfernen. Ein teures Unterfangen, zumal 28

Eine Reise in die Vergangenheit

die ganze Mannschaft zum Ziehen der Schiffmühle stromauf bezahlt werden musste, das Wagner nur mit Hilfe geliehenen Geldes und einer Bürgschaft der Herrschaft Kaiser Ebersdorf umsetzen konnte. Da er seinen Kredit bei der Herrschaft Hof in der Folge nicht tilgen konnte, kam es 1773 zu einer „Specification in Causa k.k. Herrschaft Schlosshof contra Herrschaft Ebersdorf a.d.D.“ Die Herrschaft (Kaiser) Ebersdorf musste den ausstehenden Betrag von 200 Gulden zuzüglich Zinsen überweisen. In Stopfenreuth selbst erinnert heute nur noch der Mühlweg am Nordufer des Stopfenreuther Arms an die hier verhefteten Mühlen. Ausschließlich auf diesen, von der Grundherrschaft vorgeschriebenen Wegen, durfte der An- und Abtransport im Rahmen des Mühlenbetriebes erfolgen.

Donau abwärts

Die Donau mit Schiffmühlen bei Stopfenreuth und Bad Deutsch Altenburg um 1838

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Durch die Porta Hungarica

Der späte Nachmittag ist längst angebrochen, als unsere Zille dicht an der Steilwand des Donauabbruches entlang gleitet, die bereits lange Schatten wirft. Das Wasser drängt noch einmal nach Süden, beschleunigt um dann geradewegs nach Nordosten zu fließen, direkt hinein in die nächste große Flussbiegung. In dieser verbreitert sich der Lauf, nimmt an beiden Ufern Nebenarme auf. Und unverhofft, von einer Minute zur anderen, öffnet sich der Vorhang des Landschaftstheaters und gibt den Blick auf eine unvergleichliche Kulisse frei. Berge, Felsen wo Stunden zuvor nur Grün, eingebettet inmitten der Berglandschaft ruht die Stadt Hainburg am Ufer der Donau. Obwohl längst zur Ruine zerfallen, scheint die mächtige Burg nach wie vor die Siedlung zu beschützen. Ein spektakuläres Szenenbild folgt dem nächsten. Kaum haben wir die von dichtem Wald überwucherten Reste der Ruine Röthelstein zu unserer Rechten wahrgenommen, zeigt der mächtige Burgfelsen von Theben schon von weitem die Mündung der March in die Donau an. Das Wasser, zusammengedrängt in der Enge der Ungarischen Pforte, fließt schnell dahin. Die Luft ist mittlerweile kühl geworden, als wir im Schatten des Braunsberges die Grenze nach Ungarn überqueren. Wir hoffen, noch vor Einbruch der Dunkelheit Pressburg zu erreichen.

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Eine Reise in die Vergangenheit

Die Donau bei Hainburg, rechts die Kalkfelsen des Braunsberges.

Auch Hainburg, wo Schiffmühlen seit Mitte des 17. Jahrhunderts urkundlich be­ legt sind, war Sitz einer eigenen Zeche, in die auch die Müller von Stopfenreuth, Deutsch Altenburg, Petronell, Engelhartstetten und Wolfsthal inkorporiert waren. Eine wertvolle historische Quelle stellen die Innungsbücher dar, die gemeinsam mit der Zunfttruhe im Hainburger Stadtmuseum aufbewahrt werden. Das Zunftbuch der Hainburger Zeche dokumentiert insbesondere die Zeit von 1638 bis 1845. Die 1693 von Kaiser Leopold I. erlassene Handwerksordnung gibt interessante Einblicke in die Geschäftsbedingungen der Hainburger Schiffmüller. So wurde festgelegt, dass der Mahllohn 1/16 des Mahlgutes zu betragen hatte. Mit 250 Gulden wurde auch der stattliche Kaufpreis einer Schiffmühle festgeschrieben. Im Vergleich dazu verlangte die Gemeinde Hainburg zur gleichen Zeit für eine einfache Holzhütte im Auwald eine Ablöse von anderthalb Gulden. Die Anzahl der Hainburger Schiffmühlen wurde auf fünf beschränkt, wobei deren Haftplätze beiderseits des Hauptstromes liegen durften. 1694 wurden alle Hainburger Schiffmühlen auf die Stopfenreuther Seite verheftet. Doch schon 1704 wurden die Mühlen eiligst auf das Südufer zurückgebracht, da sie den Angriffen aufständischer Ungarn, den Kuruzzen, schutzlos ausgeliefert waren. Da die Donau im Bereich von Hainburg ihren Verlauf oft veränderte, mussten die Haftplätze der Mühlen häufig verlegt werden. Günstige Mühlenstandorte gab es im Donau abwärts

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Schiffmühlen von Hainburg um 1920, auffallend sind die halbseitig abmontierten Mühlradschaufeln.

Bild rechts oben: Schiffmühlen auf der Donau von Hainburg bis Pressburg, 1838. Bild rechts unten: Ansicht von Pressburg mit einer Schiffmühle auf einem Kupferstich von 1593

Johler Arm und im Wörth Arm, während die Standorte am Nordufer häufiger wechselten. Tabak und Tabakwarenherstellung stellten für Hainburg ab 1724 den wichtigsten Wirtschaftszweig dar. Unweit der Tabakfabrik nutzten Schiffmühlen die Antriebskraft des Wassers, um Tabakblätter zu schneiden. Im Jahr 1808 sind zwei Schiffmühlen bekannt, die ausschließlich für die Herstellung von Schnupftabak genutzt wurden. Mit dem Einbau von Dampfmaschinen in der Fabrik endete diese lange Ära des Spezialeinsatzes der Mühlen. Im Zuge der Befestigung des Donauufers wurden die Hainburger Schiffmühlen per Verordnung 1883 an festgelegte Liegeplätze gebunden und mit Objektnummern versehen. Sie lagen nun direkt an der Bahnlinie und wurden mit Blech abgedeckt, um Brände durch Funkenflug zu vermeiden. Sagen beruhen oft auf einem wahren Kern und geben uns mitunter Informationen aus der Vergangenheit. In einer der vielen Sagen der Porta Hungarica – Der Wassermann von Devín – spielt eine Schiffmühle eine besondere Rolle: In den Armen der Donau lebte ein Wassermann, der so gerne mit den Frauen tanzte. Die eifersüchtigen Ehemänner sahen das aber nicht gerne. Daher beschlossen sie, den Wassermann zu fangen. Dieser verwandelte sich daraufhin in ein Pferd mit grüner Mähne und wunderbar samtigem Fell. Durch eine List gelang es einem Bauern dieses Pferd zu fangen. Er hielt es, ohne ihm zu trinken zu geben. So wurde das Fell immer matter, das Pferd immer magerer. An keiner Tränke ließ er das Pferd halten, um jede Pfütze und um jeden Donauarm machte er absichtlich einen Bogen. Nur Matuš, sein Knecht, gab dem Pferd das lebensnotwendige Wasser und ließ den Wassermann aus Mitleid schließlich frei. Aus Dankbarkeit schenkte der Wassermann Matuš eine ganz besondere Mühle. Sie konnte bei Tag und bei Nacht mahlen, sommers wie winters, selbst wenn der Donauarm fast ausgetrocknet war. So wurde Matuš ein reicher Mann, der dennoch nie sein Herz verschloss. Bereits im 16. Jahrhundert gab es Schiffmühlen in Bratislava. Einige Mühlschläge lagen rund um den Vorort Zuckermandl, am linken Donauufer. Auf dem engen Terrain zwischen Burgfelsen und dem Fluss, nahe der Mündung des Weidritzbaches hatte sich eine eigenständige Siedlung der Fischer, Donauschiffer und Müller entwickelt. Erst 1851 wurde Zuckermandl als vierter Stadtbezirk – das sogenannte Theresianische Viertel – in die Stadt Bratislava eingegliedert. Die hier ansässigen

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Eine Reise in die Vergangenheit

Donaumüller und Donauschifffahrt

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Müller betrieben nicht nur Landmühlen entlang des Weidritzbaches, sondern auch Schiffmühlen. Die begünstigte Lage an der alten Handelsstraße nach Theben und Marchegg förderte den Absatz sämtlicher Gewerbe und es kam zum Zuzug von Spezialhandwerkern, wie zum Beispiel den Mühlenbauern. Schiffmühlen lagen auch am rechten Donauufer, auf der Insel Pötschen und bei Engerau. Ein Nachfahre der Schiffmüllerfamilie Orth in Engerau überliefert ein lebendiges Bild alter Mühlentradition:

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Franzosen: besonders ­feinkörnige, harte Mahlsteine, aus einer bestimmten Region in Frankreich.

„In Engerau waren fünf Haftplätze. Die Wohnhütten standen direkt am Ufer neben den Mühlen. Die Hütten waren aus Holz und auf Pfählen gebaut. An der kleinen Donau bei Mühlau gab es weitere drei Schiffmühlen. Die Schiffmühlen von Engerau versorgten lange Zeit die Stadt Pressburg mit Mehl, Gries und Schrot. Wichtige Bauweise der Schiffmühlen war ihre Zerlegbarkeit. Zu Nikolo mussten die Mühlen abgetragen werden, wegen der Gefahr des Eises. Als die Konkurrenz der Dampfmühlen einsetzte, betrieben wir unsere Schiffmühle über Treibriemen, damit wurde eine Mühle an Land angetrieben. Mit einem Franzosen6 mahlten wir im Heißverfahren auf einem eigenen Mühlstein Paprika. Ein Ausstreifplatz war unterhalb der Stadt auf der Schüttinsel im Knie. Dort wurden sie an Land gezogen und repariert. Ich kann mich noch gut erinnern, das Mahlhaus war nicht ganz dicht, zwischen den Brettern der Hütte zog es herein. In der kühleren Jahreszeit stopften deshalb die Frauen Zeitungen mit Mehlkitt zwischen die Fugen. In den Zeitungsausschnitten sammelte sich über die Zeit ein richtiger Geschichtsabriss: Berichte vom Krim-

Die Schiffmühle der Familie Orth, Pressburg 1895

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krieg, Kaiserkrönung, Preußen 1866, Frankreich 1870, Stanleys Kongoexpedition. Auch an Karikaturen der Fliegenden Blätter kann ich mich noch erinnern. 1945 wurden wir wie die meisten Deutschsprachigen in der Slowakei enteignet und vertrieben. Die Familie hat sich in Oberösterreich angesiedelt. Traurig waren die wenigen Ausflüge in die alte Heimat. Vom Wohnhaus stand nichts mehr. Nur neue Plattensiedlungen in Petržalka.“ Die Donauregulierung und die übermächtige Konkurrenz der Dampfmaschine hatten schon wesentlich früher das traditionelle Schiffmüllergewerbe der Familie Orth in Pressburg beendet. Das Mahlhaus der Schiffmühle wurde abgetragen, an Land wiederaufgebaut und beherbergte noch eine Zeitlang eine mit Dampf betriebene Mühle.

Donaumüller und Donauschifffahrt Schiffmüller und Schiffleute hatten vieles gemeinsam. Etwa das Wissen, Schiffe stromauf oder stromab sicher im Fluss zu bewegen. Zogen Schiffsleute vor dem Zeitalter der Motorisierung ganze Schiffsverbände an den Ufern entlang, so mussten auch die Müller ihre Mühlen oft über weite Strecken mit oder gegen den Strom versetzen. Beide Berufsgruppen waren vom fließenden Wasser abhängig. Und gerade diese gemeinsame Nutzung des Wassers war es, die manchen Konflikt hervorbrachte. Zwar bot die unregulierte Donau breite Haupt- und Nebenarme und die Länge der Uferlinien schien unendlich zu sein. Aber nur wenige Stellen am Strom waren geeignet, Mühlen zu betreiben. Der Müller benötigte starke Strömung für das Wasserrad. Daher wählte er die Haftplätze stets im schnellen Wasser, zumeist in den Außenkurven oder an schmalen, tiefen Donauarmen. Auch der Schiffsmann nützte dieselben Bereiche für ein gutes Fortkommen. Zu Auseinandersetzungen kam es vor allem mit den großen Schiffszügen. Ein Schiffsverband bestand aus vier großen hölzernen Lastenkähnen, mit Längen von 38 Metern, die von rund 60 Pferden stromaufwärts gezogen wurden. Die vier Schiffe waren mit zahlreichen Seilen derart verheftet, dass nur ein geringes Aussteuern notwendig war. Die Pferde gingen entlang eines Saumpfades, der von Bäumen und übrigem Bewuchs freigehalten wurde, dem sogenannten Hufschlag, oder Treppelweg. Häufig blockierten Hindernisse wie Felsblöcke in den Engtälern der Donau ein Fortkommen. Besonders der Abschnitt unterhalb Wiens stellte eine große Herausforderung für Schiffszüge dar: ein Labyrinth aus Nebenarmen und zahlreichen Inseln, das sich nach jedem stärkeren Hochwasser veränderte. Oft blieb den Schiffsknechten nichts anderes übrig, als sämtliche Pferde abzuschirren und an das gegenüberliegende Ufer zu setzen. Dort wurde der Schiffszug neuerlich zusammengestellt. Ortskundige wurden angeheuert um den sichersten Weg zu finden. Donaumüller und Donauschifffahrt

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Eisner Josef: Ein Schiffszug um 1789 bei der Insel Wörth, NÖ Landesbibliothek

Kamen die Schiffsleute nun zu Haftplätzen der Schiffmühlen, mussten die Seile neuerlich umgelegt werden. Das war ein nicht ungefährliches und zudem zeitraubendes Unterfangen. Bedeutete bereits eine Schiffmühle ein markantes Hindernis, wurde die Situation durch mehrere, aufeinanderfolgende Haftplätze bedeutend erschwert. Das einige hundert Meter lange Hauptseil musste von Mühle zu Mühle neu übergelegt werden. Mitte des 18. Jahrhunderts erhöhte sich sowohl die Zahl der Schiffmühlen, als auch das Verkehrsaufkommen auf den österreichischen Flüssen. Konflikte waren unausweichlich. Immer wieder kam es zu Zwischenfällen und Beschwerden an offiziellen Hofstellen. Dass es dabei recht rau zugehen konnte ist aufgrund der außergewöhnlichen Lebens- und Arbeitsumstände der Schiffsknechte leicht vorstellbar. In einer Gruppe von 60 oder mehr Ross- und Schiffsknechten, die über viele Wochen hinweg, bei jedem Wetter zusammenarbeiten mussten, ergaben sich Spannungen, die nicht selten nach außen getragen wurden. Das wird 1787 aus einer Beschwerde der Städte Krems und Stein ersichtlich, wo Schiffsknechte und Rossleute offensichtlich im Stadtbereich das Nachtlager bezogen. „Man kann kaum gehen, und die Hauseigentümer können ihre Häuser stromaufwärts kaum mehr verlassen. Niemand sei davor sicher, von den ungebärdigen Leuten ausgespottet, verlacht, beschimpft oder gar angetastet zu werden.“ 36

Eine Reise in die Vergangenheit

Sicher spielte auch ein hohes Selbstvertrauen der Schiffsleute und Rossknechte, die ein Wanderleben führten und keinem Zwang einer Grundherrschaft unterstanden, eine entscheidende Rolle. Man nahm sich immer wieder, was man brauchte. So kam es oft zu Beschwerden der Grundbesitzer entlang der Donau, weil Schiffsleute den Auen unerlaubt Holz entnahmen, um ihre Lagerstätten zu befeuern. Die Schiffsleute wiederum beklagten, dass durch die Mühlen kein Fortkommen möglich war. Als sich die Beschwerden von beiden Seiten häuften, versuchte Maria Theresia diese Konflikte durch Verordnungen zu regeln. Schiffmühlen mussten von nun an mit Streifbäumen ausgestattet sein. Das waren Balken auf dem Dachfirst der Mahlhäuser, die bis über die Wasserräder reichten. Sie dienten als Bügel. Schleppseile der Schiffsverbände konnten nun leichter übergehoben werden. Weiters mussten die Müller nun beim Schiffszug mithelfen und in der Umgebung ihrer Mühlen die Hufschläge von Bäumen und Gebüschen frei halten. Manchmal gingen die Verordnungen so weit, dass hervorragende Haftplätze für Schiffmühlen zugunsten der Schifffahrt nicht belegt werden durften. „Schiffmühlen sind nur an solchen Orten anzuheften, wo die Schifffahrt nicht gefährdet wird und im Frühjahr mit eisernen Ketten anzuhängen und mit Streifbäumen zu versehen …“7

7 Schifffahrtsordnung, 10.5.1777, Bd. 8.

Hans Christian Andersen beschrieb auf seiner Donaureise mit einem Dampfschiff diese Feindseligkeit zwischen den zwei Berufsgruppen: „Small glistening colonies lay on the Danube, each house a watermill, the wheels are turning, journeymen millers standing on one another´s backs crowded at the open hatches to watch our boat pass by with its load of strangers. Here began an atmosphere of joviality that lasted all the way to Pest. The Hungarians are in habit of putting their hat under their arm at every watermill they pass and making a stirring motion in it with the other hand, meaning that the millers grind for their own hat they steal. Here and everywhere this gesture was understood and responded to just as the blessed Eulenspiegel would have done. They turned their backs on us, bared a part of their anatomy which would not be seemly to name, put a large besom broom between their legs and waggled it to and fro like a fox´s brush. We always had the same reaction.” Freilich darf der gegenseitige Nutzen nicht übersehen werden, der zweifelsfrei bestand. Getreide, Mehl und andere Gebrauchswaren wurden direkt bei den Schiffmühlen gehandelt, getauscht oder gelagert. Als das Verkehrsaufkommen auf der Donau mit Erfindung der Dampfschiffe immer größer geworden war, häuften sich nun auch Kollisionen mit Schiffmühlen. Anders als bei den langsamen Ruderschiffen, hatte ein Zusammenstoß nun eine viel Donaumüller und Donauschifffahrt

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Zerstörte Mayer-Mühle bei Hainburg

größere Zerstörungskraft. 1928 wurde die Mayer-Mühle bei Hainburg bei einem Wendemanöver durch einen DDSG Schlepper havariert und zerstört. Dass diese Unfälle öfter vorkamen, zeigt die Überlieferung eines Donaukapitäns im Ruhestand. Bei der Prüfung zum Erwerb seines Kapitänspatentes wurde er gefragt, was er im Falle einer Havarie mit einer Schiffmühle zu tun habe. „Auf alle Fälle das Mahlbuch kontrollieren“ war die richtige Antwort. „Um zu schauen wie viele Tonnen Getreide und Mehl auf der Mühle waren.“ Das Mahlbuch war ein wichtiges Buch, in dem die Müller geschäftliche Aufzeichnungen führten. In diesem Falle sollte es zur Abklärung des Schadens dienen. Und ein wenig schwingt wohl auch hier in dieser Erzählung das Vorurteil des unehrlichen Müller mit. Mit dem Auftreten der motorisierten Schifffahrt kam für die Müller ein weiteres, bisher unbekanntes Phänomen hinzu: Wellen. Diese bereiteten den Müllern oft Ärger, die beiden Mühlschiffe gerieten heftig in Bewegung und die Arbeit der Müller, das Mahlen, musste für die Dauer des Schwankens unterbrochen werden.

Arme, reiche Schiffmüller Bis weit in das 18. Jahrhundert hinein standen die Schiffmüller in direkter Abhängigkeit vom Grundherrn, der entsprechende Abgaben einforderte. Andererseits genossen sie als Lebensmittelproduzenten Privilegien, die ihnen direkt vom Kaiserhaus verliehen worden waren. Kriegszeiten schufen spezielle Rah38

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menbedingungen für den Betrieb von Schiffmühlen, da sie in diesem Fall als kriegswichtige Betriebe unter besonderem Schutz der Landesherren standen. Während der letzten Phase des Dreißigjährigen Krieges drangen schwedische Truppen bis an die Donau vor. Der Stadtrat von Korneuburg entschied, dem Befehl der Regierung nachzukommen und die Mühlen vor der Stadt abzutragen und zu verbrennen. Zerstörte Schiffmühlen konnten keine Nahrungsmittel für die feindlichen Truppen produzieren. Da die Stadt selbst bald an Mehlmangel litt, wurde eine Mühle wieder angetragen. Aus Sicherheitsgründen wurde sie jeden Abend ans gegenüberliegende Ufer, nach Klosterneuburg gebracht. Dieses Beispiel zeigt die Beweglichkeit der Schiffmühlen, die auf dem Wasser leicht transportiert werden konnten. Aus der Zeit des Napoleonischen Feldzugs von 1809 ist eine ähnliche Kund­ machung bekannt. Unter besonderem Schutz standen Postämter, um die Kommunikation aufrecht zu erhalten. An zweiter Stelle werden bereits die örtlichen Schiffmühlen genannt, die die Versorgung der Armee sicherstellen sollten. Deshalb blieben sie von Truppeneinquartierungen und Beschlagnahmungen ausgenommen. Im Vorspiel zur Schlacht von Aspern kamen die Schiffmühlen des Wiener Raumes allerdings auf ganz andere Weise zum Einsatz. Um den Donauübergang der napoleonischen Truppen von 19. auf 20. Mai zu verzögern, wurden Schiffmühlen als sogenannte Brandnerschiffe in die Strömung gelassen. Massiv mit Steinen beladen und in Brand Einfach und schlicht: die Müllerwohnung

Arme, reiche Schiffmüller

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gesetzt, durchbrachen sie während der folgenden Tage immer wieder die französische Behelfsbrücke zwischen Kaiser Ebersdorf und der Insel Lobau. Diese Aktionen beeinflussten den Ausgang der Schlacht von Aspern entscheidend, da Napoleon daran gehindert wurde, die gesamte französische Armee an das Nordufer zu bringen. Die Liberalisierung des Gewerbezugangs unter Kaiser Josef II. brachte für Müller und Mühlknechte einen entscheidenden sozialen Aufstieg. Sie konnten nun Schiffmühlen erwerben und selbstständig betreiben. Die Kosten für eine Mühle waren aber sehr hoch, sodass ein Ankauf nur unter Verschuldung möglich war. Zusätzlich gab es laufende Zahlungsverpflichtungen. Sofern der Müller nicht eigener Mühlherr war, musste er Bestandszins an diesen zahlen und den sogenannten Gstättnzins an den Grundbesitzer abführen. Viele Schiffmüller betrieben deshalb in den nahen Dörfern eine kleine Landwirtschaft um ihr Auskommen zu finden. Aus einem Schiffmühleninventar von 1733, angelegt anlässlich einer Erbschaftsangelegenheit des Müllermeisters Joseph Paur gehen folgende Besitzverhältnisse hervor: • Eine vorhandene Schöff- und Donaumühle samt dazugehörigem Gezeug; der Wert wurde mit 1200 Gulden geschätzt. • Weiters das Haus samt ganzem Lehen (sieben Joch), geschätzt auf 849 Gulden, mitsamt vier Zugross, ein Füllen, vier Kühen samt Kalb, zwei Zuchtsäue und zehn Frischlinge, 20 Hühner, vier Schafe. Quellen wie diese belegen, dass eine Schiffmühle gegenüber Grund und Boden einen erheblichen Mehrwert darstellte. Die Lebensumstände und Wohnverhältnisse der Schiffmüller unterschieden sich je nach Lage der Mühlen am Land oder im Einzugsbereich der Stadt. Am Land bewohnten die Müller zumeist einfache Holzhütten, die nahe den Mühlen standen. Über diese einfachen Verhältnisse zeigten sich die Kartografen entsetzt, als sie an die Ufer der niederösterreichischen Donau kamen und eine erste genaue Karte des Gebietes anfertigten. Zu Häusern aus Stein brachten es immerhin jene Schiffmüller, die unweit der Haupt- und Residenzstadt Wien tätig waren. Wie die Lebensumstände einer Schiffmüllerfamilie im Jahr 1835 ausgesehen haben, zeigen Dokumente einer Pfändung. Die geschuldete Summe betrug 1700 Gulden. Nachfolgende Gegenstände wurden in die Pfändung einbezogen: • Eine Schiffmühle samt Zubehör im gehenden Stande, zusätzliche Maschinen und Inventar waren vorhanden, eine Dunstkappmaschine, eine Griesmühle, Gerätschaften der Mühle wie Mühlschaffel, acht Beutel, 125 Mehlsäcke. • An Gebäuden waren vorhanden, ein hölzernes Wohnhaus, ein Wagenschuppen, eine neue und eine alte hölzerne Mahlhütte. • Im Wohnzimmer befanden sich ein polierter und ein weicher Hängekasten, ein Spiegel, ein polierter Tisch, drei harte polierte Betten, samt Bettgewand, zwölf 40

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Bilder, neun polierte Sessel, ein polierter Spucknapf, ein eiserner Ofen, zwei polierte Schubladkästen. Im Erdzimmer finden sich Gegenstände des Schiffmüllerhandwerks zum Beispiel wasserbezogene Gegenstände wie Haftseile, Stegbäume, Streifbäume, eine Bratzenwinde, Klampfen, Antauchhölzer, sechs Beutelgabeln, zwei eiserne Grindlringe, zwei unbeschlagene Grindl, Hansel- und Hobelbank, Reservezähne u. v. a. m.

Je nach Lage der Hütten ergaben sich auch Tauschgeschäfte zwischen Müllern und Jägern, wie vielerorts überliefert wird. Auch das Fischen im Strom ergab eine wertvolle Zusatznahrung. Fische suchen gerne Schutz unter Schiffen und Pontons. Ein Umstand, der von Schiffmüllern sicher früh erkannt und genutzt wurde. So wird vom letzten Schiffmüller von Eckartsau erzählt, dass er durch Schwarzfischerei und Wilderei sein Auskommen fand, nachdem die Konkurrenz der Dampfmühlen seinen Betrieb in starke Bedrängnis gebracht hatte. Vieles deutet darauf hin, dass mancher Schiffmüller, der gut im Wirtschaften war, es zu einem gewissen Wohlstand brachte. Ein Schiffmüller, der 1830 Zeuge vom schrecklichen Eishochwasser war, erwähnte, dass er beim Wiederaufbau der zerstörten Mühlen einen Geldsack mit immerhin 1600 Gulden Silbergeld gefunden hatte. Als ehrlicher Finder lieferte er den Fund bei der Grundherrschaft Klosterneuburg ab. Es stellte sich heraus, dass dieser Geldsack einem benachbarten Schiffmüller gehörte. Die Geldsumme entsprach in etwa dem damaligen Gegenwert einer Schiffmühle. In der Regel waren Schiffmüller auf die regelmäßigen Hochwasser gut eingestellt, die relativ geringe Anzahl verlustig gewordener Mühlen zeigt dies. Dennoch konnten extreme Naturereignisse das Ende der Existenz bedeuten. „Am 2. April 1830 richtet der Müllermeister Joseph Schnitzler einen Bittbrief an die Niederösterreichische Landesregierung, in dem er um Unterstützung nach der Hochwasserkatastrophe vom 28.2. auf den 1.3.1830 ersucht. Unter anderem erwähnt er, dass die Familie während der Überschwemmung Donauwasser trinken musste, weil sie den Dachboden nicht verlassen konnte. Am 11. Mai urgiert seine nunmehr schon Witwe Anna Schnitzler – offenbar war der Müller mittlerweile durch das verseuchte Trinkwasser verstorben – dass sie noch immer keine Unterstützung erhalten habe. In ihrem Brief schildert sie, dass ihre Schiffmühle schon im November 1829 bei einem Eisstoß schwer beschädigt wurde. Unter hoher finanzieller Belastung seien die Schäden damals beseitigt worden. Beim Märzhochwasser habe die Familie nun abermals alles verloren, weil weder die Einrichtungsgegenstände noch Kleidungsstücke gerettet werden konnten.“ Aus dem Mühlenverzeichnis geht hervor, dass Anna Schnitzler auch nach dieser Katastrophe die Mühle weiterführen konnte. Arme, reiche Schiffmüller

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Schiffmühlen bei Wien

Schiffmühlen als regionaler Wirtschaftsfaktor

Während der Mahlkampagnen ergaben sich für die Bauern oft lange Wartezeiten. Auf den Zu- und Abfahrtswegen stauten sich nicht selten die schwer beladenen Getreidewägen – eine Situation aus der sich für die Müller bald ein lukratives Zusatzgeschäft entwickelte. Entlang der Mühlwege entstanden Einkehrgasthäuser, die auch ohne lange Wartezeiten gerne angenommen wurden, da die Bauern bei ihrer Ankunft an den Mühlschlägen bereits lange Anfahrtswege hinter sich gebracht hatten. So wiesen die Hainburger Schiffmühlen ein Einzugsgebiet von rund 40 Kilometern auf. Während der Gasthof im Tuttendörfl bei Korneuburg während des Hochwassers 1805 komplett zerstört wurde, blieben andernorts die Wirtshäuser bis heute noch erhalten. So erfreuen sich die Gasthäuser Lindmayer und Berger, Nachfahren ehemaliger Schiffmüller, bis heute ihrer neuen Gäste.

Die Entlohnung

Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Mahllohn in Getreide abgegolten, wobei der Meister und sein erster Gehilfe direkt vom Kunden bezahlt wurden. Der erste 42

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Gehilfe musste aus seinen Einnahmen den zweiten Gehilfen abgelten. Ein Teil der Frucht wurde als Mahllohn einbehalten. Mittels eines Gefäßes, dem Metzen, wurde die Menge eruiert. Der Metzen war ein regional sehr unterschiedliches Maß. Abgesehen vom Wiener Metzen gab es auch noch andere Metzen mit unterschiedlichem Volumen. Der entlang der niederösterreichischen Donau gebräuchliche Metzen wies 61 Liter Inhalt auf, ein Welser Metzen 75 Liter. Pro Wiener Metzen bekam ein Schiffmüller 5 Liter Frucht als Mahllohn. Nachdem auf Geldbezahlung umgestellt worden war, gingen pro Metzen 10 Kreuzer an den ersten Gehilfen. Auch davon musste dieser den zweiten Gehilfen bezahlen und darüber hinaus auch die für die Mühle notwendigen Schmiermittel besorgen. Vom Meister bekamen beide Kost und Quartier zur Verfügung gestellt. Ein Mühljunge (Lehrling) erhielt 1825 einen Gulden Wochenlohn und fünf Gulden Mahllohn pro Woche. Alle Ein- und Ausgänge wurden im Mahlbuch festgehalten. Bisweilen benützte der Schiffmüller für seine Aufzeichnung auch einfach die Holzbalken seiner Mühle. Weitere gängige Müllermaße waren Muth und Massel. Ein Muth sind 32 Metzen, ein Metzen hat 16 Massel. Ein Wiener Metzen waren 61,5 Liter; ein Massel waren 3,9 Liter; die kleinste Einheit war der Becher, er entsprach einem Achtel Massel oder 0,48 Liter.

Soziale Stellung der Schiffmüller Schiffmüller waren einerseits Bestandteil der jeweiligen Ortsgemeinschaft, andererseits standen sie auch außerhalb derselben. Das erklärt sich aus ihrer speziellen Arbeitsweise und den räumlichen Rahmenbedingungen, in denen sie lebten. In jedem Fall spielten sie eine wirtschaftlich bedeutende Rolle und waren vielleicht gerade deshalb – wie die Landmüller auch – Neid und Vorurteilen ausgesetzt. Müller galten als unehrlich, die bei jeder Gelegenheit versuchten, Bauern zu übervorteilen. Die hohe Anerkennung, die ihnen aber zukam, beruhte auf ihren verliehenen Privilegien und Spezialkenntnissen, die nicht zuletzt auch der Gemeinschaft nützten. Mit der Lockerung des Gewerbezuganges unter Kaiser Josef II. begannen sich Soziale Stellung der Schiffmüller

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Schiffmühle bei Wildungsmauer

die Schiffmüller allmählich aus der Verfügungsgewalt der Grund- und Mühlherren zu lösen. Doch erst mit der Befreiung des Gewerbes 1858 konnten die Müller selbstständig und selbstverantwortlich wirtschaften, was ihr allgemeines Ansehen bedeutend verbesserte. Während der Arbeitssaison lebten die Schiffmüller direkt neben ihren Mühlen, inmitten der Au. Nicht selten waren Wegzeiten von ein bis zwei Stunden notwendig, um die Haftplätze weit draußen vor den Dörfern zu erreichen. Das Leben und die Arbeit der Schiffmüller folgten einem anderen Rhythmus als jenes der Bauern, was allein schon Vorurteile weckte. Sie hingen noch stärker von den Gesetzmäßigkeiten des Flusses ab. Sich ständig ändernde Wasserstände forderten stetige Anwesenheit am Strom. Hochwasser und unterschiedlich hohe Mengen an zu mahlendem Getreide bedingte Arbeitszeiten, die oft die ganze Nacht in Anspruch nahmen. Das erklärt, warum die Donaumüller nicht so lange und nicht so oft in den Wirtshäusern der Dörfer anzutreffen waren, wo ein regelmäßiger Austausch unter den Dorfbewohnern stattfand. Die Bindung der Schiffmüller an ihre eigene Berufsgemeinschaft war weitaus stärker als jene zum Dorfverband. Dies erklärt sich u. a. aus der Notwendigkeit, den Mühlenplatz mehrmals verlegen zu müssen. Hatte die Donau nach starken Hochwassern ihre Ufer erodiert und zudem den Lauf verändert, mussten neue Mühlschläge aufgesucht werden, die mitunter in der Nachbargemeinde gelegen waren. Diese hohe Mobilität war freilich den Behörden ein Dorn im Auge. Als 1770 bis 1772 kaiserliche Beamte die erste Seelenkonskription, d.h. Volkszählung durchführten, staunten sie nicht schlecht über die Beweglichkeit der Schiffmüller, die dem Motto „heute da, morgen dort“ zu folgen schienen. Um keine Person in der Volkszählung zu übergehen oder gar Doppel44

Eine Reise in die Vergangenheit

zählungen zu machen, mussten Schiffmühlen von nun an mit Nummern versehen und einem Haus im Ort zugeschrieben sein. Alle Personen, die sich auf den Schiffmühlen aufhielten, hatten in den jeweiligen Hausbeschreibungen aufzuscheinen. Viele Fertigkeiten der Schiffmüller flößten den Dorfbewohnern Respekt ein. Das waren vor allem Kenntnisse, die Bauern nicht hatten. Donaumüller waren imstande geheimnisvolles Maschinenwerk zu bedienen und konnten damit aus Körnern Speisen zaubern. Darüber hinaus waren sie auch geschickte Zimmerer und erfahrene Schiffsleute. Die Fähigkeit, Boote in der Strömung manövrieren zu können, erwies sich vor allem im Katastrophenjahr 1830 als glückliche Fügung. In diesem Jahr traf ein Eishochwasser von gewaltigem Ausmaß und Zerstörungskraft das Marchfeld und seine Bewohner, sowie die nordöstlichen Vororte Wiens. Nachdem bereits im Februar die Donau auf langer Distanz von Südungarn bis weit nach Oberösterreich zugefroren war, setzte Ende des Monats Tauwetter ein, das die Donau zum Ansteigen brachte. Das Eis konnte nicht rasch genug abfließen und staute stromaufwärts zurück. Ein Eisstoß bildete sich, der wiederum das nach strömende Hochwasser blockierte und zum Ausbrechen in das Marchfeld zwang. Das mit Eisplatten vermengte Wasser bahnte sich den Weg durch alte, längst trocken gefallene Gräben. Besonders schlimm getroffen wurde Kimmerleinsdorf, das an einem alten Donaugraben gelegen war. Das Hochwasser kam mit Getöse über die Bewohner, die größtenteils im Schlaf überrascht wurden. Jene, die noch dazu in der Lage waren, flüchteten auf die Dächer der Häuser und Scheunen, einige wurden von den Wassermassen weggerissen. Alle 58 Häuser wurden zerstört, 14 Menschen fanden den Tod. Kronprinz Erzherzog Ferdinand bereiste nach der Katastrophe, mit Gesandten in einem Steirerwagen, das verwüstete Marchfeld um Hilfe einzuleiten: „Es ist kaum in Worte zu fassen wie groß menschliches Elend steigen könnte. Ich war erschüttert bei den Jammerszenen vieler Ortschaften. Aber bei Kimmerleinsdorf brach mir das Herz. Ich hatte keine Tränen mehr für so viel Unglück, das diese Jammerstätte traf. Nutztiere, Vorräte, alles unter Wasser und im Schutt begraben. Menschen von den Fluten mitgerissen. Ein Vater sah sein Bestreben, seine elfjährige Tochter zu sich auf den Dippelboden durch ein Loch zu ziehen vereitelt. Indem er dieselbe durch die zu kleine Öffnung ziehen wollte. Und das Haus, während sein Kind ihn sehnlich bat, ihr mit der Hacke einen Arm abzuhacken, mit dem sie stecken blieb, zusammenstürzte, sein unglückliches Kind im Wasser begrub. Man sieht hier nur bleiche, tief gefurchte Gesichter, sie klagen nicht, sie betteln nicht.“ 8

8 Auszüge aus: Wiens Tage der Gefahr und die Retter aus der Noth. Franz Sartori 1832

Bei eisigen Temperaturen war Kimmerleinsdorf acht Tage lang auf dem Landweg nicht erreichbar. Dennoch versuchten kühne Männer mit Zillen zu den Hilflosen zu Soziale Stellung der Schiffmüller

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Die Bergung einer Mühle

gelangen. Es waren dies die einzigen wasserkundigen Männer, darunter der Schiffmüller Kommentisch, der in Eckartsau eine Mühle besaß. Unter Lebensgefahr ruderte er mit drei weiteren Männern in einer Zille zu den Dächern und evakuierte an die 50 Menschen, bevor ihre Häuser einstürzten. Der Klang der Ruderschläge muss wie eine wunderbare Erlösung gewesen sein. Kommentisch war durch seine Rettungsaktion selbst so erschöpft, dass er drei Wochen im Krankenbett zubringen musste. Neben Kommentisch setzten zahlreiche andere Schiffmüller und mit der Donau Vertraute ihre Kenntnisse ein, um in diesen Tagen der Not vielen Menschen das Leben zu retten. Ein selbstloser Einsatz mutiger Retter, dem heute noch Dank und Anerkennung zukommen sollte.

Die Bergung einer Mühle Das Arbeiten auf der Donau brachte es mit sich, dass manch eine Schiffmühle beschädigt oder im schlimmsten Falle gänzlich zerstört wurde. Gründe dafür waren neben Naturgewalten wie Hochwasser und dem gefürchteten Eis des Winters auch 46

Eine Reise in die Vergangenheit

Brände, die durch eine unsachgemäße Bedienung der Mühlsteine ausgelöst wurden. Auch Kollisionen durch Schiffe und Kriegsereignisse konnten zum kompletten Verlust einer Schiffmühle führen. Dennoch blieben diese Fälle eher eine Ausnahme als die Regel. Die enge Gemeinschaft der Müller sorgte vor, um die Mühlen und ihre Mitglieder zu schützen. Passierte es, dass eine Schiffmühle unterging, war sie zu wertvoll, als dass man sie einfach der Donau überließ. Schotterbänke, die für Schiffe mitunter Hindernisse waren, stellten für eine gesunkene Mühle oftmals die letzte Rettung dar. Die Müller brachten ihre vollgeschlagene Mühle, gutes Wasser vorausgesetzt, an die nächstgelegene seichte Stelle im Fluss. Dort konnte sie leichter geborgen werden. Ersatzschiffe, Mahlhütten und Mühlradachsen lagen für solche Fälle immer auf Lager, um die Mühlen rasch wieder in Gang zu setzen. Auch heute noch ist eine Mühlenbergung, trotz moderner technischer Hilfsmittel, eine große Herausforderung. Dies zeigt das Beispiel der Schiffmühle von Orth an der Donau. 2008 hatte Treibgut ein Leck ins stromseitige Schiff gedrückt. Langsam aber sicher zog es auch das Mühlschiff mitsamt Mahlhaus auf den Grund. Die Lage schien zunächst hoffnungslos. Die Schiffmüller hatten beim Verlassen der sinkenden Mühle die Türe offen gelassen. Schlamm, Steine und Äste wurden so unaufhörlich in die Mühle gespült. Die Mühle wog nun gut 100 Tonnen. Eine Kranbergung kam deshalb nicht in Frage. Beide Schiffe mussten zugleich und im Verbund gehoben werden, um die Mühle zu erhalten. Die Schiffmühle von Orth, 2008

Die Bergung einer Mühler

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Taucher Peter Marchart steigt in die versunkene Mühle. Nachdem das Wasser ausgepumpt ist, kommen die big bags erstmals ans Tageslicht.

Der Zusammenhalt von Menschen auf der Donau hat sich bis heute nicht geändert. Waren es einst die Schiffmüller die einander halfen, sind heute Feuerwehren und selbstlose Männer und Frauen die Retter aus der Not. 146 Tage kämpften sie um die letzte Donaumühle. Mit einer auf Flüssen freilich ungewöhnlichen Methode. Die Schiffmühle sollte durch Luft wieder zum Schwimmen gebracht werden. Zunächst wurden große Schwimmpontons unter das Hausschiff montiert. Ein Hochwasser erschwerte die Arbeiten. Nach dem Aufblasen der Pontons kam die Mühle ins Schweben und war aus der ärgsten Gefahrenzone. Warten auf gutes Wasser, bis ein Fallen der Donau die Bordkanten beider Schiffe von selber wieder freigibt, diese Zeit blieb Müllern und Helfern freilich nicht. Da die Schiffmühle am Rande einer modernen Wasserstraße liegt, wurde alsbald eine Sprengung der Mühle angekündigt. Hebung mit Getreidesäcken Ein angeschwemmter großer Getreidesack aus Plastik, ein big bag, brachte die rettende Idee. Schnell waren viele davon mit Folien wasserdicht gemacht. Ein erfahrener Stromtaucher montierte 50 Getreidesäcke an den tiefsten Stellen beider Mühlschiffe. War es im Mahlhaus lediglich dunkel, so waren die Tauchgänge ins versunkene stromseitige Schiff begleitet von reißender Strömung und daher besonders schwierig. Nachdem alle Getreidesäcke mit Luft gefüllt waren, hob sich die Mühle bis knapp über die Wasseroberfläche. Einige Zentimeter fehlten noch zu beiden Bordkanten. Mehr war durch das viele Sediment und die hydrodynamischen Effekte nicht zu erreichen. Um die nahende Sprengung abzuwenden war es die letzte Chance, die Wände des Mahlhauses abzudichten. Alle Ritzen und die große Öffnung bei

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Eine Reise in die Vergangenheit

der Mühlradachse wurden unter Wasser von der erfahrenen Müllerhand mit Holz und Hanf abgedichtet. Nach monatelangen Vorbereitungsarbeiten war es endlich soweit. 14 Feuerwehren von beiden Seiten der Donau kamen mit Mannschaft und starken Pumpen um das Mahlhaus vom Wasser zu befreien. Ein großer Moment für alle, die Mühle wieder schwimmen zu sehen. Ein Schiff transportierte die beschädigte Mühle in einen Nebenarm der Donau, wo sie derzeit restauriert wird, um bald wieder ihre Gäste im Takt der Donau zu erfreuen.

Das Verschwinden der Schiffmühlen Schon im Mittelalter gab es Bestrebungen, die Donau berechenbarer zu machen. Erste einfache Uferbefestigungen, die sogenannten Faschinen wurden bereits im 15. Jahrhundert eingesetzt. Die durch Baumstämme verstärkten Flechtwerke aus Weidenzweigen, sollten dahinter liegende Dörfer vor der Erosionskraft des Hochwassers schützen. Im 16. Jahrhundert war es zu einer deutlich merkbaren Verlagerung des Stromstriches nach Nordosten gekommen. In diese Zeit fallen Bemühungen des Wiener Stadtrates, den von Verlandung bedrohten Wiener Arm, den späteren Donaukanal, durch erste große Baumaßnahmen schiffbar zu halten. Von der Erhaltung der Schiffbarkeit dieses Donauseitenarmes hing die Zukunft Wiens als Fernhandelsstadt ab. Für die Schiffmüller kam diese Verlagerung des Stromstriches gegen das Marchfeld jedoch ganz gelegen, da sich die Strömungsverhältnisse an ihren Haftplätzen in den nördlichen Donauarmen verbesserten. Nach der erfolglosen Belagerung Wiens durch das Osmanische Heer 1683 und die Verlagerung des Kriegsschauplatzes in den Südosten Europas, setzte in Wien ein starkes Wachstum der Bevölkerung ein. In diesem Zusammenhang wurde Anfang des 18. Jahrhunderts die Frage eines wirksamen Hochwasserschutzes immer bedeutender. Doch erst Ingenieur Hubert entwickelte eine Methode um gefährdetete Ufer zu sichern, mittels Steinbauwerken im Strom und begleitenden Dammbauten. Zwischen 1769 und 1776 errichtete er zahlreiche Sporne entlang des Donaukanales und der Schwarzen Lacken Au bei Langenzersdorf. Diese ersten umfangreicheren Regulierungsmaßnahmen sollten dem Donaukanal wieder größere Wassertiefe garantieren. 1785 bis 1787 wurde der erste lange Damm zum Schutz der nordöstlichen Wiener Vororte errichtet, der in Erinnerung an seinen Erbauer Hubertusdamm genannt wurde. Allerdings erwiesen sich die Sporne als zu schwach, um die Strömung der Donau in den südlichen Wiener Seitenarm zu drängen. Der Hubertusdamm wurde durch das große Hochwasser zu Allerheiligen 1787 zerstört. Nutznießer der ReguDas Verschwinder der Schiffmühlen

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Neben der Befestigung der Ufer durch große Steine wurde die Donau auch mit Kilometer­ marken versehen.

lierungsmaßnahmen waren zahlreiche Schiffmüller, die aufgrund der stellenweise befestigten Uferabschnitte, ihre Mühlen nun nicht mehr so oft verlegen mussten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte sich die Tendenz des Hauptstromes, sich weiter von Wien weg zu verlagern, fort. Große Handelsschiffe konnten bei Niedrigwasser das Zentrum Wiens nicht mehr erreichen. Die Ware musste auf kleinere Schiffe umgeladen werden. Weitere Sporne und Dämme, die nun errichtet wurden, hatten bloß zur Folge, dass die Stadt und ihre Vorstädte bei Hochwasser nur umso schlimmer überflutet wurden. Die schrecklichen Zerstörungen des Eishochwassers von Anfang März 1830 gaben den Anstoß zur Planung einer umfassenden Donauregulierung im Wiener Raum. Doch die Mühlen der österreichischen Verwaltungsbehörden mahlten langsam. So standen die gewaltigen erforderlichen Geldmittel für das Großprojekt lange Zeit nicht zur Verfügung. Nach knapp 40 Jahren – und einigen katastrophalen Hochwassern mehr – wurde der große Wiener Donaudurchstich in Angriff genommen. Durch die völlige Neuordnung des Stromlaufes wurden große wie auch kleine Seitengerinne komplett vom Donaubett und damit von der Strömung abgetrennt. Auf diese Weise kamen viele Schiffmühlen in totem, stehendem Wasser zu liegen und waren damit ihrer wichtigsten Betriebsgrundlage beraubt. Die Schiffmüllergenossenschaft fasste am 9. März 1869 den Beschluss, unverzüglich an die Hohe Donau-Regulierungs-Commission sowie an den Wiener Gemeinderat die Eingabe zu richten, den Schiffmühlen am Mühlschüttl im neuen Donaubett geeignete Aufstellungsplätze, in nächster Nähe der Residenzhauptstadt zuzuweisen. 50

Eine Reise in die Vergangenheit

Nur wenige Tage nach dem ersten Durchstich an den Sicherungsdämmen, ging das neue Gerinne mit 19. April 1875 in Betrieb. Aus Aufzeichnungen der Schiffmüllergenossenschaft geht die Tragweite dieser Maßnahme hervor: „Leider kam jetzt unsere drückende Lage. Viele Mühlenbesitzer wurden in Folge dieser großartigen Wasserstörung in Ausübung ihrer Geschäfte gänzlich gehindert und es musste mit Übersiedlungen begonnen werden. Es wurden 40 Mühlenhaftplätze von der Donauregulierungs-Commission unterhalb der Stadlauerbrücke zugewiesen. 14 Mühlenhaftplätze oberhalb der Nordostbahnbrücke, und die übrigen am Steinspornhaufen auf Asperner Seite. Die 4 Kaisermühlen wurden lahm gelegt und mittels Dampfschiff Anna unterhalb der Stadlauerbrücke überführt. Eine Schiffmühle übersiedelte nach Mannersdorf an der March. Die Schiffsmüllergenossenschaft unter Vorsitz von Carl Hiedl führte darüber hinaus einen 2 Jahre dauernden Prozess gegen die Donauregulierungs-Commission für die am alten Platz verbliebenen. Diesem wurde in allen drei Instanzen recht gegeben. Die Schiffmüller abgelöst und entschädigt. Manche Müller nahmen neue Gewerbe auf. Die abgelösten früheren Wohnhäuser alt- und erbangesessener Müller wurden zunehmend verlassen, da andere Betätigungen gesucht wurden.“ Schiffmühlen bei Wien kurz vor der Großen Donauregulierung. 1875 wurde die Donau in diesem Bereich abgetrennt und ein neues Strombett geschaffen. Die Mühlen verloren ihre Haftplätze.

Das Verschwinder der Schiffmühlen

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Der Hochwasserschutzdamm durchschneidet alte Gerinne der Donau.

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Während der Bauzeit stellten die Donauregulierung in Wien und Niederösterreich und die Errichtung des Marchfeldschutzdammes einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor in der Region dar. Tausende Arbeiter und Arbeiterinnen aus unterschiedlichen Kronländern der Donaumonarchie waren an den Baustellen beschäftigt. Sie brachten den Wirtshäusern und auch den Schiffmüllern für die Dauer der Bauarbeiten einen höheren Gewinn, da die Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln gestiegen war. Diese kurzfristigen Zugewinne konnten die dauerhaften Nachteile für das Schiffmüllergewerbe durch die Donauregulierung nicht im Ansatz aufwiegen. Durch das nun geschmälerte Flussbett rückte auch die Schifffahrt näher an die Haftplätze der Mühlen heran, wodurch die Gefahr von Kollisionen stieg. Der Druck der Schifffahrt, auf alle Hindernisse im Strom, wuchs. Die Schiffmühlen – nun mehr und mehr Relikte einer vergangenen Zeit – zählten auch dazu. So kam eines Tages ein Knecht der Mannsdorfer Mühlen aufgeregt nach Hause: „Meister, Meister, die Mühl‘ haben’s weg g’ führt!“ Der Meister war blass geworden, bis sich herausstellte, dass die Nachbarsmühle einer Schiffskollision zum Opfer gefallen war. Auch die Regulierung des niederösterreichischen Donauabschnittes hatte enorme Veränderungen des Flussbettes mit sich gebracht. In Hainburg übersiedelte die Schiffmühle aus dem Johler Arm direkt auf die Höhe der Tabakfabrik. In Schönau hatte man den Schiffmüllern einen Damm direkt vor die Nase gebaut. Der alte Hauptarm der Donau verlandete binnen zweier Monate gänzlich. Daher wurden die Mühlen zum Mannsdorfer Mühldamm, einem Vorgängerbauwerk der DonauEine Reise in die Vergangenheit

regulierung, geschleppt. Dort mahlten sie bis 1905. Nach wie vor bestimmten auch Naturgewalten das Schicksal vieler Schiffmühlen. Selbst nach beendeter Regulierung im Wiener Raum und der anschließenden Regulierung unterhalb Wiens, brachten harte Winter in den folgenden Jahrzehnten noch Eisstöße und damit schlechte Zeiten für die verbliebenen Schiffmüller. Die große Donauregulierung ist sehr hart, dem technischen Primat der Entstehungszeit folgend, ausgefallen. Sie beschleunigte das Verschwinden der Schiffmühlen und damit eines alten Gewerbes aus der Landschaft am Donaustrom.

Das Verschwinder der Schiffmühlen

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Ein Traum wird wirklichkeit

B

ei Orth an der Donau hat der Nachfahre einer Schiffmüllerfamilie, durch die Erzählungen seiner Ahnen inspiriert, eines der lebendigsten Museen des Landes errichtet. Dort kann man das Rattern und Rütteln des Mahlwerkes und das beständige Klatschen des Wasserrades noch erleben. Ein Museum längst vergessener Handwerks- und Gewerbetradition. Die Schiffmühle von Orth an der Donau ist eine unvergleichliche Sammlung wiedererweckter Klänge, Geräusche und Gerüche. Eine Sinneswelt, die uns einen Eindruck gibt, was Leben an und mit der Donau bedeutet. Der Schiffmüller Martin Zöberl erzählt seinen ganz persönlichen Weg von der Vision bis zur Erfüllung eines Traumes.

Von der Idee zum Projekt „Wie kommt man dazu, eine Schiffmühle zu bauen?“ fragen mich immer wieder Gäste beim Besuch auf der Schiffmühle. Eine Antwort darauf zu finden, ist gar nicht so leicht. Immerhin dauerte es sechs Jahre, von der ersten Idee bis zur fertigen Mühle. Ein langer Zeitraum, manches an der Schiffmühle überrascht mich bis heute. Offenbar bin ich einer starken Spur meiner Vorfahren gefolgt. Schon mein Ururgroßvater war Schiffmüllermeister in Schönau an der Donau. Sein Sohn Franz Fuchs musste durch erste Regulierungsmaßnahmen mit seiner Schiffmühle wandern. Er fand einen neuen Haftplatz bei Mannsdorf. Neben seiner Mühle gab es dort noch zehn weitere Schiffmühlen, am Mühldamm. Dieser Mühldamm war eine Uferbefestigung der „neu geschaffenen“ Donau. Dort ist heute noch die Strömung sehr schnell und eine Rampe in den Fluss zu sehen. Sehr gut erinnere ich mich noch an die Erzählungen meiner Oma von der „Mühl’“ auf der Donau. Meine Oma brachte ihrem Vater, dem Schiffmüller, oft das Essen zur Donau. 1903 ereilte ihn ein trauriges Schicksal. Beim winterlichen Holzbringen kenterte die Zille. Durch die Regulierung hatte man die Donau einfach durch den Wald geleitet, sodass nun das Holz mit der Zille vom anderen Ufer geholt werden musste. Er und sein Geselle ertranken, zwei Männer überlebten das Unglück. Gefunden wurden die Ertrunkenen erst Monate später, hundert Kilometer entfernt, in Komorn, heute eine Grenzstadt zwischen Ungarn und der Slowakei. Der Beruf des Schiffmüllers erfordert viel Liebe zum Handwerk und zur Donau. Um die Mühle am Laufen zu halten, gibt es immer zu tun, auch bei Eis, Regen oder Hochwasser. Beides wurde mir in die Wiege gelegt. Als Kind spielte ich nicht mit den Spielsachen sondern zerlegte sie. Es folgten Autos, Waschmaschinen und Motorräder. Mein Onkel zeigte mir schon sehr früh die Donau und die Au, er nahm mich immer in seiner Zille mit. Zum Schiffbau kam ich später durch meinen Rudertrainer Sepp Swoboda, er ist Tischler und Bootbauer. Kennengelernt habe ich ihn, Von der Idee zum Projekt

Der letzte Donaumüller Martin Zöberl, bereits seine Ahnen waren Schiffmüller.

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Auch das Modell der Schiffmühle ist flusstauglich.

als ich mit einem selbstgebastelten Surfbrett auf der Donau herumruderte. Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als er mich damit sah und brachte mich auf die Alte Donau in Wien, wo er mich zehn Jahre beim Ruderclub Ellida trainierte. Damit ein Traum Wirklichkeit wird, braucht es auch die richtigen Partner. Während meines Rudertrainings auf der Alten Donau fuhr ich oft an den ehemaligen Haftplätzen der Schiffmühlen vorbei. Es wäre schön so eine Schiffmühle nachzubauen, dachte ich mir. Damals lernte ich Sabine, meine Frau, kennen. Sie ist Hydrobiologin und ebenso wie ich vom Wasser begeistert. Eines Tages griff Sabine zum Telefonhörer und so kam alles ins Laufen. Am anderen Ende des Hörers nur ein Schweigen, auf die Frage, was man denn von Amtswegen für eine Schiffmühle benötige. Neuerlicher Anruf, das Telefon wird aufgelegt. Nochmals anrufen, das Telefon wird noch rascher aufgelegt. Erst beim vierten Mal klappte es und Sabine traf auf offene Ohren. Im Winter 1995/1996 reichten wir die ersten Pläne bei den Behörden ein. Ein Freund baute uns ein Modell einer Schiffmühle im Ausmaß von 70 mal 70 cm. Dies erwies sich als sehr hilfreich als Ergänzung zu den Plänen und öffnete weitere Türen. Nach und nach wurde mir erst klar in welchen Dimensionen sich das Projekt bewegen würde. „Die Mühl, des woan zwa Zülln, mit an Mühlradl in der Mittn.“ so beschrieb mir meine Oma die Schiffmühle. Zille das ist doch was Kleines, dachte ich mir damals. Aber Sprache ändert sich. Als Zillen wurden früher Holzschiffe mit Längen bis zu 38 Metern bezeichnet.

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Eine Traum wird wirklichkeit

Nun musste ich nur noch einen Platz für die Schiffmühle finden. Die Donau ist ein moderner Wasserweg und es gibt nur mehr wenige geeignete Standorte. Und die Mühle musste laufen, denn stillstehende Mühlen gibt es ohnehin schon genug. Der alte Haftplatz meiner Vorfahren in Mannsdorf war zu nah an der Schifffahrtsrinne. Eine Chance gab es noch in Orth an der Donau, nur 300 Meter stromaufwärts des Uferhauses gelegen ist das Wasser dort tief genug, die Strömung ausreichend und Schiffe fahren weit entfernt vorüber. Dieser Platz würde also passen. Während die Behördenverfahren liefen, nutzten wir die Zeit für Detailplanungen. Wir studierten alte Fotografien, Gemälde und besuchten Mühlen im In- und Ausland. Dr. Kurt Schaefer, Spezialist für historische Holzschiffe auf der Donau zeichnete weitere Pläne. Für die Planung des Mühlengetriebes baute ich ein Wasserradmodell. Das „kleine“ Wasserrad war drei Meter breit und zwei Meter im Durchmesser. Über ein Jahr lief es im Strom und lieferte wertvolle Informationen über Strömungsverhältnisse am künftigen Standort der Mühle.

Endlich Baubeginn!

Im Herbst 1997 hielt ich endlich alle Genehmigungen in Händen. Freudig ging ich ans Werk und begann mit Grabungsarbeiten für die Fundamente, an denen die schwimmende Mühle befestigt wird. Im Winter packte ich meine Ersparnisse zusammen, fuhr ins südliche Niederösterreich und kaufte 60 Bäume ein. Ich wollte die Schiffe direkt am Donauufer bauen. Doch was wenn ein Hochwasser kommt? Deshalb entschied ich mich eine Art Werft auf Pfählen zu errichten. Ich sprach mit Georg Humer, Besitzer des Uferhauses, und stellte ihm mein Projekt vor. Er war einer der ganz Wenigen, die mir die Schiffmühle in diesem frühen Stadium zutrauten. Die meisten hielten mich ja für einen Spinner. Georg ging mit mir ums Restaurant herum. Auf der Wiese zum Auwald hin fanden wir einen Platz. „Da stellst Du Deinen Pfahlbau hin“, war sein Kommentar und er unterstützte mich von da an, wo er nur konnte. Im Frühling, als der Boden aufgetaut war, grub ich 80 Pfähle aus Robinien in die Erde ein. 30 Meter lang und sechs Meter breit stand der Pfahlbau nun vor mir. Hier in luftiger Höhe von zwei Metern sollten die Mühlschiffe entstehen. Viele Spaziergeher gingen vorüber, wo bereits 60 Bäume zu Brettern aufgeschnitten lagen.. Einige entrüsteten sich. „Was wird denn das? So eine Unordnung aus lauter Holz!“ Ein älterer Orther Bewohner hörte dies und meinte nur: „Was habt’s denn! Des war doch immer schon so. An dieser Stelle war ein alter Holzlagerplatz. Die Bloche9 der Flößer wurden da gelagert. Eine Eisenbahn hat sie dann durch die Au zu Weiterverarbeitung ins Sägewerk transportiert.“ Ich hatte also die Werft an einem alten Holzumschlagplatz gebaut. Von der Idee zum Projekt

9 Bloch nennt man einen umgeschnittenen Baum ohne Krone und Wurzel.

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Der Pfahlbau mit dem Gerüst des Wellschiffes. Im Vordergrund Ing. Paul Geitzenauer und Martin Zöberl.

Das erste Schiff entsteht

Die erste gebogene Schiffsplanke

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Ich begann mit dem Bau des ersten Schiffes, dem Wellschiff. Ein Maschinenbauinge­ nieur, Paul Geitzenauer konnte mir ab Herbst dabei helfen. Der Schiffbau stellte für uns eine große Herausforderung dar, denn Handwerkswissen wurde früher immer nur mündlich weitergegeben. Beide Mühlschiffe bauten wir mit flachem Boden, der am Gransl und Sturl hochgezogen ist, in den für Schiffmühlen üblichen Stärken von sieben Zentimetern. Gransl ist auf der Donau ein üblicher Ausdruck für den vorderen Bereich im Schiff, die Stur oder umgangssprachlich das Sturl, bezeichnet das hintere Ende des Schiffes und leitet sich vom Wort Steuern ab. Das Wellschiff sollte 16 Meter lang und dreieinhalb Meter breit werden. Für die Schiffsplanken unter Wasser verwendeten wir Tanne, für die Bereiche der Spritzwasserzone Lärche. Ein Teil des Holzes hatte ich bereits im Winter eingekauft. Ich ließ die Bäume nach speziellen Lostagen schlagen. Als Holzlager direkt am Donauufer verwendeten wir ein Eisengestell mit Rädern, das zum Slippen von Yachten diente. Wegen seiner Tarnung durch Holz nannten wir es fortan nur noch das Trojanische Pferd. Die Arbeiten am Schiff gingen anfangs schleppend voran. Wir mussten die einzelnen Schiffsbretter zuerst vorbiegen. Damit dies leichter vonstatten ging, wollten wir das Holz vor dem Biegen dämpfen. Paul und ich bauten dazu eine zehn Meter lange Kiste. Als Dampferzeuger funktionierte ich einen alten Warmwasserboiler um, entfernte den Sicherheitsthermostat und baute einen automatischen Wassertank ein. Eine Planke durchlief vor dem Einbau ins Schiff viele Arbeitsschritte: Abrichten, Hobeln und Herausarbeiten von seitlichen Schlitzen, den Nuten. Dort hinein Eine Traum wird wirklichkeit

kam unser Dichtmaterial. Wir verwendeten dazu hölzerne Leisten, die Federn. Diese quellen, wenn das Schiff im Wasser liegt und dichten die einzelnen Schiffsbretter untereinander ab. Mit der historisch üblichen Hakenblattmethode verlängerten wir die Planken auf jeweils 16 Meter. Bei dieser speziellen Holzverbindung werden die Enden der Bretter verzahnt ineinandergesteckt. Danach schoben wir die erste Planke für 24 Stunden in unsere Dämpfkiste. Temperatur und Dampferzeugung funktionierten gut. Am nächsten Tag zogen wir die noch heiße Planke zum Biegen heraus. Wir hatten dazu eine Hilfskonstruktion gebaut, über eine Dreiecksverbindung würden wir Zug auf die Planke ausüben. Die notwendigen Kräfte waren nämlich beachtlich, fürs Biegen benötigten wir einen Zug von einer Tonne. Als ich mit dem Flaschenzug langsam anzog, hörten wir es schon laut Krachen und die ersten Risse waren sichtbar. Enttäuscht mussten wir wieder von vorne beginnen. Wir modifizierten unsere Biegeform und montierten an der Unterseite ein Flacheisenband um das Holz zu entlasten. Mit Zwingen verstärkten wir auch die Astlöcher. Endlich lag nach einigen Tagen die erste gebogene Schiffsplanke fertig vor uns! Wir steckten die bereits vorbereiteten Federn in die Nuten. Anschließend zogen wir die einzelnen Schiffsplanken mit Spezialzwingen von einem Meter Länge zusammen. Mittlerweile fanden sich immer mehr Schaulustige beim Pfahlbau ein. Sie kommentierten die Baustätte in vielfältigster Weise: „Was wird denn das? Baut’s ihr einen Käfig für die Affen?10

10 Orth an der Donau ist Firmenstandort der Firma Baxter / ehemalig Immuno, die früher Tierversuche an Affen durchführte.

Schiffsformen der Donaumühlen

Auf der Donau waren die Mühlzillen weitaus größer als auf anderen Flüssen. Die Schiffsformen entsprachen dabei der Tradition von fahrenden Donauschiffen, wurden aber in dickeren Wandstärken von bis zu zehn Zentimetern gebaut. Es gab deshalb auch einen eigenen Beruf der Mühlschiffzimmerer. Die Bezeichnung Zille in ihrer historischen Bedeutung, ist von der Größe unabhängig. Zillen waren Holzschiffe bis zu einer Länge von 38 Metern, die für einen längeren Gebrauch bestimmt waren. Es gibt verschiedene Bezeichnungen je nach ihrer Funktion oder ihrer Form: z. B. Furkelzillen, Sechsnerin, Kehlheimer, Siebnerin, Überfuhrzille, Malterzille (Transportboote der Schiffmühlen), heute noch üblich: Feuerwehrzille, Rettungszille, Ruderzille, Motorzille, Überfuhrzille. Es gibt auch Bezeichnungen nach der Rumpfform wie z.B. die Stockzille. Die Schiffsformen der Mühlzillen haben sich im Laufe der Zeit verändert, Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kamen durch nordländische Einflüsse die Stockzillen an der Donau auf. Diese haben einen flachen Boden, der komplett unter Wasser liegt. Die Seitenwände laufen vorne zu einem geraden Stock zu. Stockzillen lösten bald die alten Mühlzillen, die stark hochgezogene Böden aufwiesen, ab. Die letzten Das erste Schiff entsteht

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Schiffmühle in der Wachau 18. Jhdt., die Mühlzille trägt das Mühlhaus mit Streifbaum, der Schiffsboden ist noch mit hochgezogenen Schiffsboden gebaut.

Schiffmühlen der Donau im 19. und 20. Jahrhundert wurden vorwiegend in dieser Bauweise gefertigt.

Angeschwemmt – Ein Geschenk der Donau Der Schiffsboden wuchs Planke um Planke. Am Ostermontag, ich saß gerade in der Badewanne, rief mich Georg Humer vom Uferhaus an. Er sagte, es seien vier Burschen bei ihm gelandet. Sie interessierten sich für mein Schiffmühlenprojekt. Ich solle doch noch schnell vorbeikommen. Ich radelte also zur Donau hinaus und traute meinen Augen nicht. Da standen vier schwarzgekleidete Burschen vor mir, in weiten Glockenhosen, mit Hut und Wanderstock. Ich fühlte mich wie in einer anderen Zeit. Sie erzählten, sie seien Zimmergesellen auf Wanderschaft und gerade mit dem Kanu von Regensburg die Donau heruntergekommen. Im Uferhaus hatten sie vom Bau der Schiffmühle erfahren. Zunächst zeigten sie mir stolz ihr Gefährt; zwei Kanus, zusammengebaut und mit einer Plattform verbunden. Auf der Plattform kochten und schliefen sie während ihrer Donaureise. Im Laufe des Abends erfuhr ich ihre Geschichte. Stefan, Manu, Christian und Schiasli waren Zimmerer aus der Schweiz und nun schon drei Monate auf Wanderschaft. Nach Orth führte sie lediglich der Hunger und der Durst. Das Uferhaus war schon vom Strom aus zu sehen und so legten sie an. Sie interessierten sich sehr für die Mühle und fragten, ob ich nicht Arbeit für sie hätte. 60

Eine Traum wird wirklichkeit

Wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Am Morgen zeigte ich ihnen die Werft und unsere selbst entwickelte Dämpf- und Biegemethode. Voller Enthusiasmus wollten sie gleich das Biegen erlernen. Dabei ist ihnen nicht nur eine Planke zerbrochen. Den Zimmerern erging es wie uns in den Anfängen. Arbeit fanden die Gesellen zunächst bei Georg Humer, der gerade Vater geworden war und einen Abenteuerspielplatz bauen wollte. In dieser Zeit entstand auch eine richtige Herberge im Uferhaus, die nach Gesellenbrauch mit Zunftlade und Herbergszeichen eingeweiht wurde. Georg wurde fortan zum „Herbergsvater“. Mitarbeiter, Angestellte im „Krug“ wurden von den Gesellen als „Bruder“ und „Schwester“ gerufen. Georg sorgte für Kost und Logis, erst dadurch konnten die Gesellen nun an der Schiffmühle mitbauen. Mittlerweile wurde auch ich von den Gesellen zünftig „benamst“. Ich wurde zum „Krauter“ ernannt und Sabine zur „Krauterin“.

Auf der Walz

Auch heute noch gibt es die alte Handwerkstradition der Wanderschaft oder Walz. Ziel der Tippelei, wie die Wanderschaft auch genannt wird, ist es, neue berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten, die regional verschieden sind, kennenzulernen. Diese Tradition reicht bis ins späte Mittelalter zurück und hat sich bis heute in Form der Gesellenbruderschaften erhalten. Vor allem die Bauberufe wie Zimmerer, Tischler oder Maurer pflegen auch heute noch die Wanderschaft. Entstanden sind die Gesellenbruderschaften als Gegenbewegung zu den Meisterzünften in den Städten. Als erste genossenschaftliche Organisationen versuchten sie ihre Interessen gegenüber den Meisterzünften durchzusetzen, im Laufe der Geschichte mit mehr oder weniger Erfolg. Die Gesellen, die an der Schiffmühle mitbauten, gehören zur Zunft der Rechtschaffenen Zimmer- und Schieferdeckergesellen zu Deutschland. Es gibt auch andere Gesellenbruderschaften wie die Rolandsbrüder oder die Freireisenden, die sich in ihrem Brauchtum unterscheiden. Unsere Gesellen sind genau drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft, während dieser Zeit dürfen sie sich ihren Heimatorten nur angeschwemmt – ein geschenk der donau

Zimmerer auf ihrer Wanderschaft

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Ein Charlottenburger erzählt vom Bau der Orther Schiffmühle.

bis auf 50 km nähern. Auf altüberlieferte Zunftbräuche und ein ehrsames Verhalten wird besonders Wert gelegt. Die Gesellen reisen und arbeiten in historischer Arbeitstracht, der Kluft. An ihr erkennt man auch die Berufszugehörigkeit, schwarz steht für die Holzberufe. Die Kluft des Zimmerers besteht aus Hut, kragenlosem weißem Hemd, der Staude, Samtweste mit schwarzen Biesen, schwarzer Samtjacke und Samthose und der Ehrbarkeit, das ist die Krawatte. Im Ohr tragen die Gesellen einen Ohrring mit dem Zunftwappen. Sämtliche zu transportierende Gegenstände tragen die Gesellen, wenn sie auf Tippelei unterwegs sind, im Charlottenburger kurz Charly genannt. Die große Kunst besteht darin, die gesamte Kluft und weiteres Zubehör durch eine besondere Wickelungstechnik unterzubringen. Der Stenz schließlich ist der Wanderstab des reisenden Gesellen. Er ist ein hölzerner Stock mit eingewachsenen Kletterpflanzen. Wichtige Anlaufstellen der reisenden Gesellen sind die Herbergen, die auf der ganzen Welt verstreut sind. Meist ist die Herberge ein Gasthaus mit Schlafgelegenheit. Dort hat auch eine Gesellschaft unter Obhut eines Altgesellen ihren Sitz. Die Gesellen erhalten Hilfe bei der Arbeitssuche und sonstigen Angelegenheiten. Das Handwerksbrauchtum bestimmt hier das Leben, wie die regelmäßigen Gesellenabende. Auf die Herberge zugereiste Gesellen werden zünftig mit Spruch und Trunk willkommen geheißen.

Alltag auf der Werft

Im Sommer 1999 war der Schiffsboden fertig. Nun begannen wir mit dem Aufstellen der Spanten. Die Spanten bilden das eigentliche Skelett des Schiffes und sind für die Stabilität verantwortlich. Wir bauten sie in Lärche und verstärkten die Knickpunkte mit Eisenwinkeln. Früher wurden dazu Wurzeln verwendet, die sogenannten Kipfen. Zum Vernageln des Schiffsbodens mit den Spanten bohrten wir die Nagellöcher in kleinerem Durchmesser vor, damit kein Wasser eindringen kann. Da wir das Wellschiff so bauten wie es auch im Wasser liegt, mussten wir nun die Nägel über Kopf einschlagen. 21 cm lange Nägel, ein fünf Kilogramm schwerer Hammer und 4000 Nagellöcher. Trotz meiner guten körperlichen Verfassung schaffte ich nie mehr als 2 Spanten täglich. Damit die Nägel richtig zogen, stellte sich immer der schwerste Geselle als Gegengewicht von oben auf den Schiffsboden. Beim Hämmern trugen wir immer Gehörschutz. Eines Tages musste mir ein Zahn gerissen werden, um keine Zeit zu verlieren ging ich nach dem Eingriff gleich weiterarbeiten. Vorerst spürte ich nichts, aber in der Nacht begann mein Kopf im Takt der Hammerschläge fürchterlich zu pochen. Doch da half nun kein Gehörschutz mehr. 62

Eine Traum wird wirklichkeit

Ein wenig Freizeit muss auch sein und so borgten sich die vier Gesellen Pauls Kanu für einen Ausflug in die Auen aus. Zuerst probierten sie es zu zweit. Am nächsten Tag saßen sie schon zu dritt im Kanu. Die Donau war gestiegen und die Seitenarme durchströmt. Paul fuhr in seinem Kajak neben den Gesellen her. Nach knapp einem Kilometer kamen sie zu einer Schwelle im Wasser. Die Zimmerer wollten drüber und fuhren mit Schwung aus dem Kehrwasser heraus. Plötzlich erwischte sie die Strömung, drehte das Kanu quer und alle drei fielen ins Wasser. „Mein Tabak, mein Tabak“ war Schiaslis größte Sorge bevor dieser samt Kanu versank. Da die tiefen Auteile alle bereits unter Wasser standen, paddelte Paul schnell zurück um Hilfe zu holen. Ich ruderte sofort mit meiner Zille los. Es dauerte eine Weile bis ich zu den Gesellen gelangte. Die saßen mittlerweile nur in Unterhose und Hut

Hobeln der Schiffsplanken Arbeiten unter dem Schiff Vorbereitungen zum Stapellauf

angeschwemmt – ein geschenk der donau

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bekleidet auf einem Baum. Die Kluft hatten sie zum Trockenen auf einen Ast gehängt. Nach diesem kleinen Hochwasser dauerte es nicht lange und die ersten Gelsen – also Stechmücken – schlüpften. Während sie in der Höhe am Pfahlbau nicht zu spüren waren, waren sie beim Nageln unter der Werft aber umso zahlreicher. Endlich konnten wir die Seitenwände des Schiffes, die Wandläden montieren. Diese bogen wir ohne vorherige Dämpfung kalt. Die Stellen zwischen Schiffsboden und Seitenwand verschlossen wir zusätzlich mit einem modernen Marinedichtmittel. Abschließend kamen zum Schutz des Schiffbodens noch Scheuerleisten darauf. Dazu mussten wir das sechs Tonnen schwere Schiff mit Winden etwas anheben. Im Herbst war das Wellschiff fertig zum Stapellauf. Um das Schiff auf die Wiese hinunter zu bringen, bauten die Zimmerer eine Rampe. Mit Greifzügen und Rollhölzern lag das Schiff nach einem halben Tag auf der Wiese. Auf Rundlingen wurde es in die richtige Position zum Ufer gerollt. Dann ging alles sehr schnell. Es war Niederwasser und die Uferböschung sehr steil. Beim Durchschneiden des Sicherungsseiles rutschte das Wellschiff von selber ins Wasser, Paul und ich mit an Bord. Durch den Schwung durchquerten wir gleich den ganzen Altarm und strandeten am gegenüberliegenden Ufer im Schlamm.

Die Tschaike

11 Wesenufer liegt an der oberösterreichischen Donau zwischen Schlögen und Engelhartszell.

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Als Zubringerschiff zur Mühle ließ ich vom Zillenbauer Anton Witti eine Oberländer Ganztschaike bauen. Tschaiken waren Jahrhunderte lang Teil der kaiserlichen Donauflotte, als begeisterte Ruderer gefiel uns dieser Schiffstyp besonders gut. Die Originalpläne der Tschaike stammten aus dem Jahr 1768, die wiederum auf das Jahr 1530 zurückgingen. Das 20 Meter lange Schiff wurde mit 20 Ruderplätzen ausgestattet, besitzt eine Offiziershütte und ist mit einem sieben Meter langen Kehrruder zu steuern. Zu Ostern 1999 rief mich Anton Witti an, dass der Rumpf nun fertig sei. Wir müssten sie nur noch abholen kommen. Ich erinnere mich noch sehr gut, als wir am Abend in Wesenufer11 ankamen. Riesig lag die Tschaike da, auf der Wiese direkt neben dem Donauufer. Angestrahlt durch das kühle Mondlicht wirkte sie noch größer auf uns. Am nächsten Tag schoben wir sie mit vereinten Kräften ins Wasser und dann ging es die Donau hinunter. Da es noch ein reines Ruderschiff war, benötigten wir für unsere Jungfernfahrt gute sechs Tage bis nach Orth. In Wien bekamen wir für unsere Besatzung Verstärkung, Ruderweltmeister Walter Rantasa und Christoph Schmölzer fuhren mit uns die Tschaike bis nach Orth. Vor begeistertem Festpublikum ruderten wir das vier Tonnen schwere Schiff erstmals gegen den Strom. Eine Traum wird wirklichkeit

Die Jungfernfahrt der Tschaike angeschwemmt – ein geschenk der donau

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Historisch originalgetreu nachgebaut, fehlte für einen modernen Betrieb nur noch die Motorisierung. Es dauerte einige Monate bis ich alles soweit hatte. Dabei konnte ich das Wellschiff bereits gut gebrauchen. Wir zogen die Tschaike auf das Wellschiff hinauf und ich konnte bequem unter dem Rumpf Antrieb und Propeller einbauen.

Der Bau des Mühlschiffes Nach den beschwerlichen Erfahrungen des Über Kopf Nagelns, beschlossen wir das größere Mühlschiff verkehrt liegend zu bauen, mussten dann aber das ganze Schiff wenden. Wir begannen mit dem Aufstellen der 28 Spanten. Das Mühlschiff hat eine Länge von 22 und eine Breite von fünf Metern. Mittlerweile stieg der Zeitdruck, die Mühle sollte im Frühling 2001 fertig sein. Die Gesellen Christian, Manu, Stefan und Schiasli waren bereits nach dem Stapellauf des Wellschiffs abgereist. Nach ihren Zunftregeln durften sie nicht länger als sechs Monate an einem Ort bleiben. So sprangen Sabine und Freunde aus dem Ruderverein in den Sommermonaten zum Helfen ein. Wir führten eine Arbeitsteilung ein: Ein bis zwei Planken wurden vorbereitet und eine andere gleichzeitig gedämpft. Paul oder ich bereiteten die Planken mit der Motorsäge vor. Die Technikerin Clara Schuecker war zuständig für das Verleimen und Hobeln der Planken. Die 24 Meter langen und schweren Schiffsplanken schoben wir meistens zu viert in die Dämpfkiste ein. Paul oder ich übernahmen das heikle Biegen der Planken. Die anderen bereiteten die Federn zum Abdichten vor und vernagelten die Planken mit den Spanten. Das Nageln war zwar wesentlich leichter als über Kopf, aber bei 4000 Nägeln kam auch da einiges zusammen. Der Sommer 2000 war noch dazu sehr heiß. Bei 38 Grad Hitze bewährten sich die Schatten spendenden Hüte, die uns die abgereisten Zimmerer dagelassen hatten. Dämpfkiste, Werkzeug und Maschinen waren bald ständig belegt. Wir führten einen Schichtbetrieb ein. Die eine Partie begann um 6 Uhr früh, die anderen arbeiteten bis zum Einbruch der Dunkelheit, ich als „Partieführer“ war in beiden Schichten dabei. Der Pfahlbau wurde zu unser aller Lebenszentrum. Gegessen haben wir immer gleich auf der Baustelle. Die Dämpfkiste eignete sich dabei wunderbar zum Würstelkochen. Für den Stapellauf mussten wir das Schiff zuerst wenden. Aus Zeitgründen sollte ein Schwerlastkran das Schiff auf die Wiese heben. Wir bauten Verstrebungen ins Mühlschiff ein, damit es beim Heben nicht zerbrach. Dann rollte der Kran an. Mit Bauchweh beobachtete ich, wie der Kran das sieben Tonnen schwere Mühlschiff anhob und auf die Wiese setzte. Da ein Kran nur gerade heben und nicht drehen kann, halfen wir mit langen Stangen mit. Die Wendung klappte, den Rest kannten wir bereits vom Wellschiff. Der Wasserstand war diesmal günstiger, weil höher und 66

Eine Traum wird wirklichkeit

zu zehnt schoben wir das Schiff ins Wasser. Das Mühlschiff tauften wir auf den Namen Nepomuk, nach Johannes von Nepomuk, dem Schutzpatron der Mühlen, Brücken und Schiffsleute.

Das Skelett des Mühlschiffes.

Schwimmende Baustelle

Das Mühlhaus bauten wir direkt am Wasser. Ueli, ein Schweizer Geselle, den wir von früheren Gesellentreffen kannten, übernahm mit zwei anderen Gesellen, sozusagen als „Chef “, das Aufrichten. Zwei Wochen benötigten Ueli, Thomas und Mirco für das Abbinden, das heißt das Herrichten der Balken. Gerichtet wurde Anfang Oktober. Nach nur einem Tag stand das Gerüst. Die Riegel des Mühlhauses wurden nur durch Holznägel und spezielle Verzapfungen miteinander verbunden. Die 13 Meter lange Firstpfette12 auf das Dach zu bekommen, war ein Abenteuer. Zu viert konnten wir sie gerade tragen. Um sie aufs Dach zu hieven, bauten wir ein Gerüst. der Bau des mühlschiffes

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Die Pfette ist der waagrecht tragende Balken im Dachstuhl. 67

Das Mühlhaus ist aufgerichtet. Zimmerer tragen die Firstpfette zum Wasser.

Abwechselnd hoben wir links, dann rechts die Pfette auf die Kreuze hinauf. In luftiger Höhe hielt Thomas die Balance. Danach verlegten wir Dachsparren. Als wir gerade an der Schalung vom Mühlhaus arbeiteten, kam ein Geselle gelaufen und borgte sich meinen Akkuschrauber aus. Wir haben doch zwei, dachte ich und arbeitete weiter. Doch die Gesellen kamen mit dem Schrauber nicht mehr zurück. Auf meine Frage, wo denn die Akkuschrauber geblieben seien, deu68

Eine Traum wird wirklichkeit

tete Mirco reumütig aufs Wasser. Ich radelte also nach Hause, holte Neoprenanzug und Taucherbrille. Schon beim ersten Tauchgang hatte ich Glück, ich konnte beide ertasten. Der eine funktionierte trotz Nässe sofort wieder, den zweiten musste ich eine Weile fönen, dann war auch er wieder einsatzbereit.

Richtfest

Nach Zimmermannstradition wird das Aufrichten eines Hauses zünftig gefeiert. Ein passendes Richtbäumchen aus der Au war rasch gefunden. Für das Richtfest deckten wir das Dach und die fehlenden Wände mit Planen ab und stellten einen Ofen auf. Tage vor dem Fest verkündeten die Gesellen lautstark, dass bei jedem Richtfest auch eine Stripperin dazugehöre. So, so, dachte ich, dann sollt ihr auch eine Überraschung bekommen. Über eine Freundin hatten wir Kontakt mit einer Tänzerin aufgenommen und sie zum Fest bestellt. Beiläufig aber so, dass die Gesellen es auch

hören konnten, sagte Sabine zu mir: „Für das Richtfest morgen ist alles organisiert, die Stripperin kommt auch“. Die Gesellen wurden daraufhin ganz blass. Im letzten Moment sagte die Tänzerin aber doch noch ab. Es war immerhin Anfang November und das Richtfest würde doch mehr oder weniger im Freien stattfinden. Die Gesellen schienen über diese Absage jedenfalls erleichtert. Der Richtbaum wurde aufs Dach gesetzt und Ueli hatte sich auch einen schönen Richtspruch für das Mühlder Bau des mühlschiffes

Geselle Ueli German montiert die Dachschindeln.

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haus ausgesucht. Aus Freude über sein Werk, wollte Ueli vom Dachfirst springen. Er baute sich einen Sprungbalken und montierte ihn am Dach. Als er in sechs Metern Höhe war, bereute er wohl sein Versprechen. Er stand dann sehr, sehr lange auf dem Balken, bevor er den Sprung ins kalte Nass wagte. Das Dach deckten wir mit Lärchenschindeln, wie es traditionellerweise üblich war. Über den Wasserweg Donau war der Transport der Schindeln aus den Alpen früher kein Problem. Jede einzelne Schindel ist 40 cm lang und wurde händisch gespalten. Jeweils drei werden überlappend so übereinander gelegt, dass kein Wasser eindringen kann. Jede Schindel wird einzeln mit den Dachlatten vernagelt. In knapp einer Woche hatten wir das Dach eingedeckt. Es strahlte regelrecht, als es fertig war.

Schiffziehen auch heute noch, Uferbewuchs erschwert den Gesellen das Ziehen.

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Eine Traum wird wirklichkeit

Schiffziehen

Im Sommer war auch die Brücke von der Mühle ans Ufer fertig. Ein LKW brachte das zwei Tonnen schwere Stück nach Orth zum Parkplatz des Uferhauses. Gut 200 Meter bis zum Wasser bewegten wir sie nur mit Hilfe von Flaschenzügen. Das dauerte zwar einen halben Tag, schonte aber die Wiese. Nun stand uns noch der Transport in der Donau bis zum Haftplatz der Schiffmühle bevor. Ich wollte wieder das Wellschiff als Transportschiff einsetzen. Ich musste nur noch die Gesellen überzeugen, dass sie das Schiff samt Brücke gegen den Strom ziehen sollten. Sie waren anfangs wenig begeistert, stimmten dann aber doch zu. Paul und ich übernahmen das Steuern des Schiffes mit Stangen. Die Zimmerer Peter, Schiasli, Stefan und Uwe waren unsere Zugmannschaft. Während des Ziehens schimpften sie gelegentlich zu uns aufs Schiff herüber. Der viele Bewuchs am Ufer war hinderlich. Auch das Gehen auf dem Blockwurf bedurfte einiger Übung. Nach 20 Minuten war das Wellschiff samt Brücke gegen den Strom gezogen und ich schickte die Zimmerer nach Hause.

Von der Idee zum Projekt

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Die Brücke lud ich allein ab. Nach zwei Stunden hatte ich diese Arbeit mittels Flaschenzug erledigt. Allein für die sechs Kilometer lange Anreise durch die Au hätte ein Kranwagen zwei Stunden benötigt. Wasser ist in vielerlei Hinsicht der einfachere Transportweg.

Das Räderwerk Stirnrad

Als Vorbereitung zum Bau der Zahnräder hatten wir in verschiedensten Archiven recherchiert und stießen auf ein Mühlenbaubuch aus dem 18. Jahrhundert. Liebe­ volle Zeichnungen gaben uns erste Aufschlüsse. Es waren darin jedoch keine Berechnungen angegeben, sondern nur Erfahrungswerte. Lachen mussten wir über die Ausführungen zur Dimensionierung des Mühlrades. Sollte sich nämlich herausstellen, dass die Strömung zu gering sei, nutze auch kein größeres Mühlrad mehr. Man suche sich dann besser einen neuen Haftplatz. Paul verwendete die ungefähren Richtwerte und unsere Erfahrungen aus den Strömungsmessungen und konstruierte das Getriebe. Auch der Bau des Getriebes war eine echte Herausforderung, denn keiner von uns hatte je etwas Ähnliches gemacht. Wie schon oft, kam uns auch da der Zufall zu Hilfe.

Zimmermeister Peter van Diepen setzt die Zähne ins Stirnrad ein.

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Eine Traum wird wirklichkeit

Das Stirnrad wird hochgezogen und eingerichtet.

Anfang November luden die Gesellen zum „Fatschmoren“. Zu diesem Anlass treffen sich Gesellen von überall her auf der Herberge. Nach einem bestimmten Ritus wird gemeinsam ein Fass Bier geleert. An die 30 schwarze Gesellen kamen nach Orth. Als Krauter und Krauterin waren wir ebenso eingeladen wie Herbergsvater und Herbergsmutter. Es war mit 20 Grad ungewöhnlich mild für November und das Fatschmoren fand daher im Freien statt. Dabei lernten wir Peter van Diepen, das Räderwerk

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Der Dirndlstrauch wächst in den Donauauen und wird auch Kornelkirsche oder Gelber Hartriegel (Cornus mas) genannt.

einen holländischen Zimmermeister kennen. Er hatte bereits bei einem Windmühlenbauer gearbeitet und ein Kammrad gefertigt. Er war einverstanden die Zahnräder zu bauen. „Meister“ Peter, wie ihn die Gesellen nannten, begann mit dem größten Zahnrad, dem Stirnrad. Es hat einen Durchmesser von zweieinhalb Metern und ist das erste Zahnrad, das auf der Mühlradachse sitzt. Wir mussten absolut trockenes Holz verwenden; und wieder hatten wir Glück. In Groß Enzersdorf wurde ein Gutshof und in Orth Teile des alten Meierhofs abgerissen. So kamen wir zu 100 Jahre alter, trockener Eiche. 160 Einzelzähne aus Hainbuche wurden von Peter händisch nachgefertigt und eingepasst. Die schwierigste Arbeit war dabei das Ausmessen der Abstände zwischen den einzelnen Zähnen. Peter ging mit dem Zirkel einen ganzen Tag im Kreis bis alle Abstände haargenau zusammenpassten. Man hörte ihn dabei öfters auf holländisch laut fluchen. Dieses Anreißen der Teilkreise musste früher auch jeder Müllermeister beherrschen. Deshalb findet sich im Zunftwappen des Müllers auch der Zirkel.

Kammrad

Es ist das zweitgrößte Zahnrad der Mühle und wie eine Scheibe aufgebaut. Das Kammrad hat einen Durchmesser von zwei Metern und besteht aus zwei Teilen. Etwas kleiner als das Stirnrad, besitzt es aber immer noch 72 Kämme. Unter Anweisungen von Peter bauten die Gesellen das Rad, die Kämme setzte Meister Peter höchstpersönlich ein. Er musste dafür 72 Löcher mit dem Stemmeisen in die 100 Jahre alte Eiche stemmen. Eine ganze Woche brauchte er für diese sehr anstrengende Arbeit. Die Stäbe der Trieblinge, in die die Zahnräder eingreifen, bauten wir aus Apfelholz. Das war das einzige Holz, das wir in den nötigen Mengen trocken auftreiben konnten. Auch Dirndlholz13 ist sehr gut geeignet. Die Stäbe schmierten wir mit Bienenwachs, den Rest würde die Mühle von selbst erledigen, wenn sie läuft. Die Lager der Mühlradachse und der Sekundärwelle bauten wir gemäß den alten Plänen auch in Holz. Ein heimisches, gutes Lagerholz ist die harte und zähe Hainbuche. Günstig erweist sich auch ein eingewachsener Ast, direkt unterhalb der AuflagefläDas fertige Kammrad dient als Mittagstisch. 74

Eine Traum wird wirklichkeit

che. Ein Geselle, der nur kurz in die Herberge zugereist war, kochte für uns die Lager in heißem Rinderfett. Vorbeikommende Spaziergänger mutmaßten, was da wohl Leckeres in der Pfanne bruzelte.

Heiliger Abend

Die Tage vor Weihnachten waren bereits winterlich, Schneefall zuckerte das Mühlhaus und die Auenlandschaft an. Ruhig lag das Mühlschiff im Altarm, Rauch stieg auf. Im Bauch des Mühlschiffes wurde fleißig gearbeitet. In der Nacht auf den 24. Dezember kam plötzlich strenger Frost auf. Das Eis im hinteren Bereich des Armes, wo Mühlschiff und Wellschiff lagen, war über Nacht sechs Zentimeter angewachsen. Wir fuhren deshalb den ganzen Tag mit der Tschaike als Eisbrecher durch den Arm. Es war schon dunkel und die Eisdecke wieder geschlossen. Deshalb wollten wir beide Schiffe zum noch eisfreien Kehrwasser übersiedeln. Wegen des starken Windes zogen wir das Mühlschiff und das Wellschiff einzeln. Ich stand am Gransl des Wellschiffs und löste das Seil zum Mühlschiff, als plötzlich eine starke Windböe zwischen beide Schiffe fuhr. Das Wellschiff driftete weg. Ich verlor dabei das Gleichgewicht und fiel zwischen den Eisplatten ins Wasser. Ich rief laut um Hilfe, doch niemand hörte mich. Der Wind war zu laut. Plötzlich packte mich eine rettende Hand. Es war Peter, der mich herausfischte. Er stand dicht neben mir und hatte zum Glück meinen Sturz gesehen. Seitdem trage ich im Winter gerne eine Schwimmweste.

Schiff unter Wasser

Während Peter die Zahnräder baute, organisierte ich die Eiche fürs Mühlgerüst aus dem nahe gelegenen Matzner Wald. Wir benutzten neuerlich das Wellschiff zum Transport. Mit den Gesellen schoben wir das schwere Holz von der Betonrampe aufs Schiff und zogen es zum Lagerplatz. Als ich am nächsten Tag zur Donau fuhr, sah ich, dass nur noch zehn Zentimeter vom Wellschiff aus dem Wasser herausschauten! Das Gewicht der Eiche ließ das Schiff tiefer tauchen und so kam der ausgetrocknete Teil des Schiffes unter Wasser und es begann durch die Fugen zu rinnen. Schnell stellte ich eine Tauchpumpe hinein. Nach drei Stunden war das Schiff leer gepumpt. In der Zwischenzeit war aber das Holz soweit gequollen, dass es dicht wurde und nun das Gewicht der Eichenbalken trug. Holzschiffe haben beim Laden ihre Eigenheiten. Daran hatten wir einfach nicht gedacht. Im Jänner 2001 begannen wir das Mühlgerüst zu bauen. Es muss die schweren Zahnräder und das Gewicht der Mühlsteine tragen. Deshalb sind die Balken besondas Räderwerk

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ders dick und aus Eiche. Ein einzelner Balken, vor allem die Unterlieger, wiegt an die 300 kg. An dem Tag, als wir das schwere Holz ins Mühlschiff brachten, gab es Glatteis. Zu viert schleiften wir die Balken zum Wasser. Ein Geselle streute Späne, damit wir beim Ziehen Halt fanden. Vom Ufer ins Mühlschiff rutschen die Balken dann von selbst bei der Tür ins Mühlhaus hinein. Dort begannen wir die Balken zu bearbeiten. Wir mussten sie abbinden, Zapfen stemmen und die Holzverbindungen fertigen. Den Zimmerern gefiel diese Arbeit sehr. Beim Mühlgerüst bauten sie erstmalig spezielle Dreifachverzapfungen ein, die heute nicht mehr üblich sind. Bald lockten die ersten Schneeglöckchen viele Spaziergänger ans Donauufer. Die Zimmerer in ihrer Kluft und die wachsende Schiffmühle sorgten für Aufsehen. So kamen immer wieder neugierige Menschen bei der Tür herein zum „Nur Schauen Wollen“. Irgendwann wurde es den Gesellen beim Arbeiten zu viel. Ein Schild „Betreten Verboten“ musste her. Dieses wurde ignoriert, auch „Betreten der Baustelle verboten“ half nicht. Einem Zimmerer kam die Idee. „Vorsicht Dachlawine“, das wirkte. Von nun an konnten wir ungestört arbeiten. 76

Eine Traum wird wirklichkeit

Das Mahlwerk

Das Mahlwerk mitsamt Mühlsteinen stammt aus einer Weinviertler Mühle, die in den 1970 Jahren stillgelegt wurde. Die Steine mit einem Meter Durchmesser passten genau zu unseren Strömungsverhältnissen und den geplanten Übersetzungen. Zu dritt schoben wir die 500 kg schweren Steine ins Mühlhaus. Mit einem Flaschenzug zogen wir die Steine über die Firstpfette hoch und brachten sie in Position. Schließlich richteten wir das Mühlgerüst auf. Zuerst stellten wir die Zargen auf. Danach hoben Uwe, Stefan und Schiasli die Querbalken in die vorbereiteten Verzapfungen. Die Zimmerer stöhnten schon unter dem Gewicht, aber der Balken wollte nicht in die Zapfen passen. „Meister“ Peter hatte sich beim Anreißen, dem Anzeichnen, geirrt, alles war seitenverkehrt gebaut worden. Wir mussten die Balken also umdrehen. Jetzt waren aber die sonst verborgenen Verzapfungen außen zu sehen. Peter ärgerte sich und die Gesellen freuten sich, dass auch ein Meister einmal irren kann. Damit man die Verzapfung nicht mehr sieht, schnitzte Peter einfach eine Holzhand und verdeckte die Stelle. Auch so können Verzierungen zustande kommen.

Das Wasserrad Grindlsuche

Die Suche nach einem Grindl, der Mühlradachse, war nicht so einfach. Zwar wusste ich, dass Schiffmüller immer eine Mühlradachse auf Lager hatten, aber anders als früher werden diese heute nicht mehr nachgefragt. Als Folge lassen Waldbesitzer keine so dicken und langen Bäume mehr stehen. Am Telefon versicherten mir alle, sie hätten einen absolut geraden Baum. Als ich dann vor diesen Bäumen stand, Das Wasserrad

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Die Doppelarme des Wasserrades Das Grindl wird über die Wiese zum Wasser gezogen.

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Splint: Splintholz ist der jüngere und lebende Teil des Holzes direkt unter der Rinde. Es ist im Gegensatz zum Kernholz, das manche Baumarten besitzen, weicher und weniger dauerhaft. .

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waren sie zwar gerade, aber immer nur von einer Seite! Im südlichen Niederösterreich wurde ich schließlich fündig, eine 100 Jahre alte Lärche, die sich eignen würde. Mit nur 12 Metern war sie an der unteren Grenze der Machbarkeit, aber es sollte funktionieren. Bei Wasserrädern gibt es verschiedene Bauweisen. Unser Mühlrad ist aus vier Rädern mit einem Außendurchmesser von vier Metern gebaut. Auf alten Fotos ist zu erkennen, dass die Arme der Räder früher zumeist direkt durch das Grindl gebohrt wurden. Unser Grindl war dazu aber zu schwach. Deshalb mussten wir auf eine andere Bauweise zurückgreifen. Unser Wasserrad besteht aus Doppelarmen, die das Grindl umschließen und mit Holzkeilen befestigt sind. Diese Bauart freute Peter sehr, denn sie wird auch „holländische Radverbindung“ genannt. Als Vorbild zum Bau des Wasserrades diente mir ein seltenes Stück im Orther Donaumuseum, ein Originalteil einer Schiffmühle. Das Segment eines Mühlrades war aus krumm gewachsenen Eichenästen zusammengesetzt, den sogenannten Radbuckeln. Auf alten Fotos sieht man, dass der Radbuckel meistens so gebaut ist, dass er ein Achtel des Radkreises ausmacht. Ich begab mich also wieder auf die Suche und durchstreifte tagelang Eichenwälder, um geeignete Krummhölzer zu finden. Ich stieß neuerlich an die Grenzen der heutigen Forstwirtschaft. Ich konnte nur Äste finden, die ein Sechzehntel des Radkreises abdeckten. Wir entrindeten die Radbuckel und entfernten den Splint.14 Viele Radbuckel waren nach dem EntferEine Traum wird wirklichkeit

nen des Splintes zu dünn geworden. Die Radkreise müssen unbedingt dick genug sein, um den Kollisionen mit Bäumen standzuhalten. Doch ich hatte noch zuwenig Buckel gesammelt. Deshalb bauten wir die beiden anderen Radkreise aus Brettern. Diese Methode war arbeitsintensiver und wir mussten sie dicker dimensionieren als die gewachsenen Hölzer. Wir schnitten aus der Eiche gebogene Teile aus und verdübelten sie gegenseitig in drei Schichten. An den Enden des Grindls bohrten wir jeweils eine 80 cm lange Eisenstange ein, die später in den Lagern aus Holz laufen sollte. Zum Festziehen mussten wir sie mit Eisenringen fixieren. Paul erhitzte die Reifen und zog sie in heißem Zustand über das Grindlende. Mit Wasser kühlte ich das heiße Eisen, damit das Holz nicht verbrannte. Erst wenn er abgekühlt ist und sich zusammengezogen hat, sitzt der Reifen fest.

Das Wasserrad entsteht

Das Wasserrad bauten wir direkt auf dem Wasser zusammen. Zu viert rollten wir die schweren Radreifen auf das Floß, wo bereits das Wellschiff lag. Dort schnürten wir die vier Räder zu einem großen Paket und montierten sie an der Wand des Wellschiffes. Das schwere Grindl mit seinen etwa 800 Kilogramm lag noch am Ufer. Ich hatte aus alten Autoreifen einen Transportwagen gebaut. Für den kurzen Weg bis zum Wasser reichte es gerade, dann ging den Reifen die Luft aus. Mit Flaschenzügen schleiften wir die Mühlradachse aufs Wellschiff. Mit der Tschaike bauten wir einen Koppelverband, fuhren zum Hausschiff und fädelten dort die Achse ein. Am Wasser ließ sich alles wieder federleicht mit nur zwei Fingern bewegen! Stefan und Schiasli bauten einstweilen die Kumpen fürs Mühlrad. An den Kumpen sind die Schaufeln befestigt. Pro Radkreis gibt es 16 Kumpen. Zum richtigen Anzeichnen an den Radsegmenten, machte sich Stefan eine Schablone. Nach einer langen, durchzechten Nacht, wie sie bei den reisenden Gesellen des Öfteren vorDas Wasserrad

Aufkanten eines Radkreises

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Das Wasserrad wird zusammengesetzt. Müller Martin Zöberl stellt stolz seine Mühle ein.

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Eine Traum wird wirklichkeit

kommt, hatte Stefan sich beim Anlegen der Schablone geirrt. Erst nach dem Montieren der Mühlradschaufeln bemerkten wir den Fehler. Einige Mühlradschaufeln haben daher bis heute einen auffälligen S-Schwung.

Die Zahnräder werden verbunden

Das Grindl lag bereits in Position, als nächsten Schritt montierten wir die Brücken zwischen den Schiffen. Da merkten wir erst, dass das Gewicht der Brücken die Schiffe leicht auf eine Seite drückte. Zimmermeister Peter, der die Zahnräder zusammenpasste, sagte, die Achse müsse aber absolut gerade im Wasser liegen! Wir benötigten also Ballast. Wir schlichteten eine ganze Woche Steine hin und her, solange bis die Mühlradachse gerade lag. Erst dann konnte Meister Peter die Zahnräder zusammen fahren. Um zu testen, ob die Mühle auch wirklich lief, ließ Peter die Gesellen wie Hamster im Mühlrad laufen. Für die genauen Einstellarbeiten, kam uns ein kleines Osterhochwasser zu Hilfe. Es strömte nun leicht durch den Altarm und die Schiffmühle lief zum ersten Mal, angetrieben nur durch Wasserkraft. Wir waren alle sehr zuversichtlich, dass die Schiffmühle nun auch in der Donau funktionieren würde.

Fahrt auf der Donau Die Eröffnung unserer Schiffmühle war für Anfang April geplant. Zunächst wollten wir die Mühle, wie früher üblich, mit 20 Mann zum Haftplatz ziehen. Aus Zeitgründen beorderten wir aber dann doch ein kleines, kräftiges Schleppschiff. Die Fahrt per Schiff war aber nicht minder aufregend. Der Tag war optimal, es war windstill! Das kurze Stück vom Altarm bis zur Donau zog ich die 50 Tonnen schwere Mühle nur mit der Motorzille. Am Ende des Armes, wartete schon das Schiff Munin. Wir mussten einige Umbauten vornehmen, die Mühlradschaufeln unter Wasser montierten wir ab. Paul und die Zimmerer blieben als Mannschaft auf der Schiffmühle. Im Kehrwasser hatte sich wegen des höheren Wasserstandes jede Menge Holz angesammelt, einige Äste verkeilten sich zwischen den Schiffen. Schiasli, der am Wellschiff der Mühle war, wollte sie entfernen, schob an und fiel kopfüber ins Wasser. Zum Glück war er noch im stehenden Wasser, sodass wir ihn leicht herausfischen konnten. Dann fuhr der Kapitän mitsamt der Schiffmühle in weitem Bogen in die Donau hinaus. Das Gefährt brauchte die halbe Breite der Donau bis es sich gefangen hatte, also in der Strömung wieder geradeaus fuhr. Von der Motorzille aus verfolgte ich die Aktion. Für meine Verhältnisse fuhr das Schiff viel zu schnell mit der Mühle im fahrt auf der donau

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Schlepptau zu Berg. Ich sah die große Welle vorne an der Schiffmühle und hoffte, dass kein Teil der Mühle zerbricht. Ich war erleichtert, als die Schiffmühle endlich an ihrem Haftplatz angekommen war. Das Einrichten der Schorbäume und das Montieren der Landbrücke dauerte danach noch Stunden. Munin hielt in der Strömung die Schiffmühle auf Position. Erst danach konnten wir die Mühle mit Seilen fest mit dem Ufer verheften. Auch Sabine erhielt an diesem Tag ihre „Schiffstaufe“. Sie spazierte gerade über die Brücke, deren Belag noch nicht zur Gänze montiert war. Peter am Ufer machte einen Scherz, sie drehte sich um, ging aber weiter. Genau dort, wo der Brückenbelag fehlte, fiel sie durch das Loch in die Donau. Ich war sehr froh, als sie hinter der Schiffmühle wieder auftauchte und zum Ufer schwamm.

Böse Überraschung

Am nächsten Tag waren wir alle schon sehr früh auf der Schiffmühle. Wir waren sehr neugierig zu sehen, wie die Mühle im Strom läuft und es gab noch jede Menge zu tun. Noch war der Schieber geschlossen. Der Schieber lenkt die Donauströmung von den Mühlradschaufeln weg und stoppt dadurch das Mühlrad. Ich öffnete den Schieber nur ein wenig. Das Mühlrad lief ganz langsam noch ohne Mahlsteine. Alles wirkte so mächtig, das Wasser strömte sehr schnell. Die Kraft, die aufs Rad kam, war Respekt einflößend. Die Mühle hatte einen Wandel vollzogen. Es schien, als sei sie durch das fließende Wasser zum Leben erwacht. Nichts war mehr so, wie im stillen Wasser! Ich zog den Schieber wieder zurück und vorbei war der Zauber. Der Ortswechsel der Schiffmühle brachte auch beim Arbeiten Veränderungen. Anfangs vergaßen wir ständig Werkzeug beim Pfahlbau neben dem Uferhaus. Immer und immer wieder musste einer mit der Zille das Vergessene holen. Am Nachmittag radelte ich in die Ortschaft um Material zu besorgen. Als ich zurückkam, saßen die Gesellen ganz bleich und sehr verzweifelt am Ufer vor der Schiffmühle. Stefan empfing mich mit den Worten „Du Martin, das mit der Mühle das wird nie was!“ Sie erzählten aufgeregt, was passiert war. Das Kanonenboot des Österreichischen Bundesheeres war gerade zu Tal gefahren. Durch den Wellenschlag war das drei Tonnen schwere Mühlrad mit lautem Krach aus den beiden Lagerungen gesprungen. Wir fixierten zunächst die Achse. Es folgten weitere Talfahrer, und nun erkannte ich das ganze Problem. Der Wellenschlag war heftiger als erwartet. Wie bei einem Erdbeben erzitterte die Schiffmühle, alles wankte bedrohlich hin und her. Die Spannbalken, die wir über beide Schiffe montiert hatten, konnten nicht wie geplant die Kraft der Wellen dämpfen. Sie waren zu dünn. Wir hatten sie nach alten Fotos von 1930 dimensioniert. Die Mühle würde so nicht laufen und das ganze Getriebe, ein halbes Jahr Arbeit, könnte mit einem Wellenschlag kaputtgehen. In knapp 14 Tagen 82

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sollte die Eröffnung sein! Ich rief sofort unseren Ziviltechniker Walter Nemetz an und schilderte ihm das Problem. Er schlug vor zwei dicke Bäume von 20 Meter Länge und einem Durchmesser von 80 Zentimetern über beide Schiffe zu legen. Zwei Leimbinder15 mit einer Dicke von 50 cm und 20 Meter Länge würden es auch tun. In zehn Tagen lassen sich aber weder solche Baumriesen noch Leimbinder in dieser Größe besorgen! Peter hatte eine Idee, er wollte einen Nagelbinder16 bauen. Das könnte sich in der kurzen Zeit ausgehen. Tagelang arbeiteten wir bis spät in die Nacht. Brücken, Stiegen, Geländer fehlten und an der Tschaike gab es auch noch viel zu tun. Zu all dem mussten Sabine und ich noch einige Prüfungen ablegen, um Schiffmüller werden zu dürfen. Kaum ein Tag, an dem ich vor drei Uhr morgens ins Bett kam. Kurz vor der Eröffnung waren die Nagelbinder fertig. Allein das Gewicht reichte aus, um die Wellen zu dämpfen Es würde sich nun doch alles ausgehen.

fahrt auf der donau

Die Mühle bei ihrer Fahrt zum Haftplatz. 15

Leimbinder: Holzbautechnik, bei der zur Verbindung der Hölzer Kunstharzleim verwendet wird. Zur Verkürzung der Presszeit wird das Aushärten durch Erwärmen beschleunigt.

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Nagelbinder: Holzbautechnik, bei der unter Verwendung von Nägeln tragende Balken errichtet werden. Diese Technik wurde bereits im 16. Jahrhundert ausgeführt.

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Notbremsung

Erst einen Tag vor der Eröffnung konnten wir an einen Mahlversuch denken. Die Spannbäume waren nun fix montiert. Zum Schutz vor den Wellen, hatte ich zusätzlich massive Eisenbügel über die Zapfen der Mühlradwelle gebaut. Die Generalprobe konnte beginnen. 100 kg Weizen lagen bereit. Ich schüttete auf. Dann öffnete ich den Schieber. Das dauerte relativ lange. Die Mühle lief so rasch los, dass uns allen Angst und Bang wurde. Alles vibrierte und wankte. Unaufhörlich schoss Wasser zwischen den Schiffsrümpfen durch. „Das ist zu schnell“ rief Peter. Der Schieber war viel zu weit offen. Wir mussten die Mühle rasch anhalten. Uwe, Stefan und Peter schoben einen zwei Meter langen Holzbalken zwischen das rotierende Kammrad. Zusätzlich warf ich gegenüber einen Holzkeil ein. Das Mühlrad wurde kaum langsamer, es lief und lief und lief. Geruch von Feuer machte sich breit. Drei Zimmerer hingen an dem Balken, mit dem sie versuchten das Mühlrad zu bremsen. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass ihre Muskelkraft bald zu Neige ging. Schiasli trieb mit einem Hammer den Keil weiter in das drehende Zahnrad hinein. Es war nicht zum bremsen! Peter presste mit letzter Kraft „Martin, lass den Stein runter“ in holländischer Sprache heraus. Ich lief die Stiegen hinauf zum Mühlstein und ließ den Läufer auf den Bodenstein hinunter. Plötzlich ein lautes, tiefes Schleifgeräusch, wie ein tonnenschwerer Güterzug, der Mühe hat zum Stillstand zu kommen. Dann wurde es mucksmäuschenstill. Nur das Geräusch des fließenden Wassers war noch zu hören.

Die Mühle mahlt! Nach dem Schreck sagte Peter sofort, „Die Schaufeln müssen runter“, damit beim Festakt nur ja alles glatt läuft.“ Also montierten wir die Hälfte der Mühlradschaufeln wieder ab, was die Kraft des Wassers deutlich reduzierte. Das Probemahlen verschoben wir auf später, ich wurde beim Zeltaufstellen auf der Wiese gebraucht. Die Zeit lief und lief, und es gab noch so vieles zu tun. Freunde standen plötzlich um acht Uhr abends bei der Schiffmühle zum Helfen da. Kubikmeter Holz, Sägespäne, alles musste aus der Schiffmühle, die bis jetzt Werkstätte war, geräumt werden. Trotz zahlreicher fleißiger Hände wurde es zwei Uhr früh bis alles leer geräumt war. Jetzt konnten wir endlich probeweise mahlen. Es war ein fast andächtiger Moment, als ich den Schieber, diesmal etwas weniger weit, öffnete und das Wasserrad loslief. Peter ließ Getreide ins Mahlwerk einrütteln und senkte den Stein ab. Ein dumpfes Schleifgeräusch – und die ganze Schiffmühle wurde wieder in Schwingungen versetzt. Das Haus mitsamt der Schiffe begann sanft zu schaukeln. Und unten 84

Eine Traum wird wirklichkeit

am Ende des Rohres rieselte allerfeinstes, flauschiges Mehl heraus. Drei Uhr nachts: Die Mühle mahlt! Minutenlang schauten wir gebannt den drehenden Zahnrädern und Mühlsteinen zu, lauschten dem Dreiklang des Rüttlers und waren wie hypnotisiert von der Mächtigkeit, die von der Maschine „Schiffmühle“ ausging. Die Dunkelheit verstärkte diesen Eindruck noch. Ich weiß nicht wie lange wir alle so dastanden, es muss wohl eine ganze Weile gewesen sein. Die Gedanken an das bevorstehende Fest holten uns aber wieder zurück. Die Zimmerer verabschiedeten sich und legten sich schlafen. Sabine und ich blieben, erledigten den Rest. Die Stimmung, die wir nun ganz allein, in der nur mit Kerzenlicht erleuchteten Mühle erlebten, ist kaum zu beschreiben, geheimnisvoll, gruselig und schön zugleich. Die Mühle stand jetzt still, zeigte uns aber auch so ihr Eigenleben. Ein Knarren, ein Quietschen vermischte sich mit zahllosen Geräuschen. Ein Glucksen und Sprudeln drang, wie Stimmen aus dem Wasser, zu uns herauf. Wir fühlten uns wie im Bauch eines großen Tieres. Gegen vier Uhr früh brachen wir dann auf, um ein wenig zu schlafen. Ein strahlend, schöner Apriltag erwartete uns. Über 1000 Festgäste waren gekommen um mit uns zu feiern. Realisiert, was da zum Leben erwacht ist, haben wir aber erst viel später. Glücklich fielen wir an diesem besonderen Abend ins Bett.

die mühle mahlt!

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Danke den reisenden Gesellen auf Wanderschaft

Manuel Winkler Stefan Winkler Stefan Schias Christian Stenz Peter van Diepen Ueli German Uwe Brandstätter Mirco Gollnick Thomas Eser

Zeittafel

1872/73

Franz Fuchs, Schiffmüller bei Schönau, übersiedelt seine Mühle aufgrund der Donauregulierung nach Mannsdorf. Sein Sohn Franz Fuchs junior übernimmt dessen Mühle.

1903

Franz Fuchs junior, Schiffmüller bei Mannsdorf, ertrinkt beim Holzüberführen.

1995

Martin Zöberl, Nachfahre von Franz Fuchs, will die Schiffmühle der Vorfahren wieder aufbauen.

1996–1997 Behördenwege. 1998

Baubeginn der Schiffmühle von Orth.

1999

Oktober, Stapellauf des Wellschiffes.

2000

Juni, Stapellauf des Mühlschiffes.

2000–2001

Bau des Wasserrades, der Zahnräder und der Mühlhütte.

1. Mai 2001

Eröffnung der Schiffmühle.

2008

Februar, Treibgut schlägt ein Leck in das Wellschiff der Mühle, die Mühle läuft auf Grund.

2008

Juni, Bergung der Mühle.

2009–2011 Wiederaufbau

Zeittafel

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Schieber auf, Wasserrad läuft!

A

ls ich von der Eröffnung der Schiffmühle in Orth an der Donau hörte, wollte, nein musste ich dieses Wunderwerk der Technik unbedingt sehen. Als langjähriger Kenner der Donau-Auen wusste ich um die historische Bedeutung der Donaumühlen. Ich nutzte also die Gelegenheit und kam mit meiner norwegischen Reisegruppe, die ich für ein paar Tage durch Wien begleitete. Soeben noch in einer Weltstadt, erwartete uns nur 13 Kilometer

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Schieber auf, wasserrad läuft!

vor ihren Toren entfernt die unberührte Dschungellandschaft des Nationalparks. Kontrastreicher kann der Unterschied nicht sein. In Orth, wo uns die Müller schon erwarten, begeben wir uns auf die Tschaike, mit der wir zur Mühle fahren. Langsam verlassen wir den Seitenarm und stechen in die Donau. Mit dem Schwinden der Autos aus unserem Blick werden wir allmählich bereit uns auf die Zeitreise einzulassen. Wir nähern uns der Mühle. Sie wirkt klein, in Anbetracht der Mächtigkeit der Donau. Anlegen, ein Seil wird um einen Poller gelegt. Erst als wir die Mühle betreten, erkennen wir ihre Größe. Sofort umspannt uns eine besondere Atmosphäre. Eine unbekannte Welt der Geräusche. Gebannt lauschen wir den Erklärungen des Müllers. Dann geht er vorne auf die Brücke, löst ein Seil, dreht an einem Hebelwerk. Wie von Zauberhand fährt das Wasserrad los. Ein Fahren im wahrsten Sinne des Wortes. Kräftig schlagen die Schaufeln auf. „Wir haben heute ein gutes Wasser“, wir merken die Freude, die in den Worten des Müllers mitschwingt. Wir folgen den Müllern in die Mühle hinein. Die Treppe hinauf zum Mühlstein, der nun so flink ist, dass alles verschmilzt. Kein Detail am Stein ist mehr zu erkennen. Ein Mann steht mit seinem kleinen Sohn beim Mühlstein, sie sehen den ­Körnern beim Einrieseln zu. „Das ist ja ein Haus das wackelt! Und es kitzelt in den Füßen“, ruft der Kleine sichtlich angetan. Eine Katze räkelt sich am Fenster. Inspiriert merke nun auch ich, dass alles unter mir leicht schwankt und sich die Schwingungen der Mühle bis in die Zehenspitzen übertragen. Geruch von Mehl erfüllt die Luft. Die Zeit verläuft so schnell, wir können uns kaum lösen. Doch das Schiff zurück nach Wien wartet, schnell noch ein Sackerl Mehl abfüllen. Der Müller stellt die Mühle wieder ab. Die Geräusche ändern ihren Charakter und wir legen ab. Fasziniert von der Geschwindigkeit und gleichzeitigen Stille der Donau fahren wir langsam zurück. Mit nur einem Ruderschlag des Müllers sind wir wieder im Seitenarm angekommen. Am Ufer empfangen uns spielende Kinder, hupende Autos auf Parkplatzsuche, gehetzte Menschen. Back to Civilization. Die moderne Welt hat uns wieder. Manfred Rosenberger, „Reise- und Naturführer im Nationalpark Donau-Auen“

Die Schiffmühle von Orth an der Donau ist die einzige, die heute noch mit der Kraft des Wassers Getreide mahlt. Ausschließlich durch Wasserkraft betrieben, funktioniert die Schiffmühle dabei genauso wie ihre historischen Vorbilder. Voraussetzung dafür ist der Nationalpark Donau-Auen, der zwischen den Hauptstädten Wien und Bratislava eine der letzten freien Fließstrecken bewahrt. Bewegung ist Leben, das gilt für Donau und Mühlen gleichermaßen.

Schieber auf, wasserrad läuft!

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Die jungen Schiffmühlengäste haben sichtlich Freude am Mahlen auf der Handmühle. Das Schiffmüllerpaar Das Wasserrad bei seiner Arbeit Bibic, der Mühlenkater

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Die Schiffmüller, Martin Zöberl und seine Frau Sabine Bergauer führen ihren Gästen das Mahlen vor und geben altes Wissen weiter. Die Schiffmühle ist dabei mehr als bloßes Museum, kein Schaustück im herkömmlichen Sinn: Gelebte Technikgeschichte im Einklang mit der Natur, eine Forschungsstätte längst verschwundener Geräusche und Bewegungen, wie sie kaum mehr wo zu finden ist. Die Schiffmühle bietet auch Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten. Holzschiffe sind heute am Strom verschwunden. Bereits vor hundert Jahren bestaunten Botaniker die spezielle Algenflora auf den Wasserrädern der Schiffmühlen rund um Wien. Mühlen sind, sehr zum Leidwesen der Müller, auch ein wahres Mäuseparadies. So lebt auf der Schiffmühle auch ein Kater. Bibic ist in der Mühle geboren und kennt sie wie kein anderer, passt er doch in die kleinsten Schlupfwinkel. Folgen Schieber auf, wasserrad läuft!

wir ihm also bei einem Rundgang durch sein Reich. Wie die meisten Donaumühlen, besteht die Schiffmühle von Orth aus zwei Schiffen, mit einem dazwischenliegendem Wasserrad. Das Hausschiff ist mit seinen 22 Metern Länge weitaus größer und trägt Mühlhaus und Wasserrad. Vorne und hinten ist es offen, also nicht gedeckt. Wenn es sehr heiß ist, liegt dort tief unten im Schiffsboden Kater Bibic. Die Donau, im österreichischen Abschnitt noch Gebirgsstrom, sorgt für eine angenehme Kühle. Im Haus sind Mühlsteine, Zahnräder und Schlafstatt der Müller untergebracht. Eine Dachgaupe gibt den Mühlsteinen Platz. Das Wellschiff ist kleiner, 16 Meter lang und ungedeckt. Lediglich das Lager der Mühlradachse, ist durch ein hölzernes Schindeldach vor Regen geschützt. Alles in allem wiegt die gesamte Mühle 50 Tonnen. Mit sechs Stahlseilen ist sie fest am Ufer fixiert. Zwei Distanzbäume, sogenannte Schorbäume, halten die Mühle auf Abstand zum Ufer. Sie sind beweglich gelagert und folgen automatisch dem Wasser. Eine Länge von 12 Metern garantiert ihre Funktion auch bei Wasserstandschwankungen Schieber auf, wasserrad läuft!

Die Schiffmühle von Orth bei Mittelwasserstand

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von sieben Metern. Bei Hoch- und Niederwasser rückt die Mühle am nächsten zum Ufer heran. Bei mittleren Wasserständen liegt sie vom Ufer am weitesten entfernt. Ein flexibles System, dennoch gibt es Ausnahmejahre in denen die Mühle zusätzlich ans Wasser angepasst werden muss. 2003 war ein ungewöhnlich trockenes Jahr. Über Monate betrug die Wassertiefe weniger als eineinhalb Meter. Die Mühle drohte bald im Trockenen zu sitzen. Die Müller behalfen sich, indem sie die Schorbäume aus ihren betonierten Nischen am Ufer lösten und sie einfach die Uferböschung hinunterrutschten. So gelangte die Mühle wieder ins tiefere Wasser. Das Herz der Mühle

Das Wasserrad mit vier Radkreisen, darauf sind an den Kumpen die Mühlradschaufeln befestigt. Hochzeit auf der Mühle Der Müller kurbelt den Schieber hoch.

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Das mächtige Wasserrad bringt Leben in die Mühle. Es dreht sich mit der Geschwindigkeit der Donau, die am Haftplatz der Schiffmühle zwischen vier und sechs Kilometer in der Stunde beträgt. Auf einer zwölf Meter langen Achse sind vier große Räder aufgefädelt. Ein Rad hat einen Durchmesser von vier Metern. Darauf sind 16 Mühlradschaufeln mit Holzkeilen an den Kumpen befestigt. Die Schaufeln lassen sich gut lösen, auch wenn die Holzkeile nass sind. Gleiche Wasserstände bedeuten nicht immer die gleiche Geschwindigkeit der Donau. Abhängig davon, ob die Donau steigt, fällt oder gleich bleibt, läuft das Wasserrad bei gleichem Wasserstand unterschiedlich schnell. Am schnellsten dreht es sich, wenn die Donau stark steigt. Dann muss der Müller die Geschwindigkeit des Wasserrades reduzieren. Je langsamer die Mühlsteine laufen, desto besser wird das Mehl. Der Schieber, Schützel oder auch Falle genannt dient zum Regulieren des Wasserrades. Erst Mithilfe des Schiebers ist es überhaupt möglich das Wasserrad zum Stillstand zu bringen oder dessen Geschwindigkeit zu drosseln. Eine Platte aus Holz vor dem Mühlrad ins Wasser gelassen, erzeugt dahinter eine „Kehr“. Den

Schieber auf, wasserrad läuft!

Schieber auf, wasserrad läuft!

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Strömungsschatten dahinter will das Wasser ausgleichen, indem es verkehrt, also stromaufwärts, fließt. Erst diese Gegenbewegung bringt das mächtige Mühlrad zum Stehen. Mittels eines Drehkreuzes heben oder senken die Müller den Schieber. Als Kater Bibic ganz klein war passte er noch durch die Öffnung, wo die Mühlradachse ins Haus eintritt. Eines Tages spazierte er unbemerkt die Achse entlang. In diesem Moment hob der Müller gerade den Schieber auf. Das Wasserrad begann sich zu drehen. Eine Zeitlang tänzelte Bibic auf der drehenden Achse hin und her, abwägend, wieder rein ins Haus oder am anderen Ende an einer bereits vergnügt kreischenden Kinderschar vorbei zu flüchten. Er wählte das geringere Übel, mit einem Satz sprang er an den Kindern vorbei ins Wellschiff hinein und verschwand in einem unbekannten Schlupfwinkel.

Im Bauch der Mühle

Hier übertragen kunstvolle Holzzahnräder die Kraft auf den Mühlstein. Die Mühlradachse tritt dabei durch eine große Öffnung ins Mühlhaus ein. Die Achse liegt eingebettet in ein hölzernes Lager. Von Zeit zu Zeit wird es mit Rinder- oder Ziegenfett geschmiert. Wenn sich die Achse dreht, erwärmt sich das Fett und verströmt einen Wohlgeruch, der dem Kater Bibic eine willkommene Abwechslung auf seinem Speisezettel verheißt. In zwei Stufen, wird die Kraft umgelenkt. Vom Stirnrad auf den Triebling und vom Kammrad auf das Laterndl. Es ist das schnellste und letzte Zahnrad, das direkt über das Mühleisen mit dem Mühlstein verbunden ist. Ein Kugellager schützt es vor Überhitzung. Durch die Anordnung der Zähne ergibt sich eine 36-fache Übersetzung, das heißt, eine Umdrehung am Wasserrad sind 36 Umdrehungen am Mühlstein. Optimal läuft die Mühle bei ungefähr 160 Umdrehungen pro Minute. Im hinteren Teil der Mühlhütte liegt die Müllerstube. Hier dürfen Tisch und Bank nicht fehlen, wo sich die Müller und ihre Gäste gerne aufhalten. Direkt unter dem Dach ist die Schlafstatt, von oben lassen sich Donau und der Mahlgang gut überblicken.

Mahlwerk

Die Orther Schiffmühle besitzt einen einzigen Mahlgang. Alle Arbeitsschritte werden deshalb hintereinander durchgeführt, anders als bei den einstigen Donaumühlen im Oberlauf, die über zwei Mahlgänge verfügten. Das Mahlwerk besteht aus den beiden Mühlsteinen und der dazugehörigen Siebanlage. 94

Schieber auf, wasserrad läuft!

Von rechts nach links: Das Stirnrad, der Triebling und das Kammrad übertragen die Kraft des Wasserrades auf den Mühlstein.

Ein Blick in die Schluck der Mühle, durch das Anschlagen des Mühleisens (Mitte) rieselt Mahlgut zwischen die Steine.

Schieber auf, wasserrad läuft!

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Grieß wird durch Sieben vom Mehl getrennt, Grieß ist gröber als Mehl. Bibic schläft am Besten wenn die Mühle läuft.

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Die Mühlsteine, die in der Schiffmühle laufen, sind Kunststeine. Beide Steine, sowohl der ruhenden Bodenstein als auch der drehende Läufer haben einen Durchmesser von einem Meter. Das Loch in den Mühlsteinen wird Schluck oder Auge genannt. Die Steine sind mit einer hölzernen Umkleidung eingefasst, der sogenannten Zarge. Die Zarge oder auch Sarg, dient dazu, dass Gemahlenes nicht frei herausrieselt, und dann mühsam aufgekehrt werden muss. Zum Mahlen tragen die Müller das Getreide zuerst über eine Treppe nach oben zu den Mühlsteinen. Das Getreide wird dann in den Trichter, auch Goss genannt, aufgeschüttet und rieselt, sobald die Mühle läuft, in den Schluck der Mühle. Die Zufuhr erfolgt über eine eigene Mechanik, wobei der Schlegel des Mühleisens an einen hölzernen Schuh anschlägt. Erst dieses Rütteln lässt das Getreide zwischen die Steine rieseln. Der Läuferstein lässt sich über ein Hebe- oder Lichtwerk bewegen. Es ist ein ausgeklügeltes System von Holzbalken. Dabei hebt sich auch das Laterndl, gemeinsam mit dem 500 kg schweren Mühlstein. Sobald der Läufer so weit abgesenkt ist, dass er die Körner berührt beginnt die Mühle zu mahlen. Dieser Vorgang ist in der ganzen Mühle durch eine leichte Schaukelbewegung zu spüren. Die Mühlsteine geben dabei unterschiedliche Geräusche von sich. Zum Mahlgang gehört auch die Siebanlage. Erst durch das Sieben haben die Mehlkörner die gleiche Größe. Ein alter Müllerspruch drückt die Wichtigkeit dieses Vorgangs in einer Mühle aus: „Was ist sieben Mal sieben?“ – „Feines Mehl“ Die Mühlsteine werfen das Gemahlene aus, dieses läuft, noch unsortiert, angetrieben von der Schwerkraft durch ein Rohr, in dem ein Sieb eingebaut ist. Durch eine Rüttelmechanik wird das Mehlrohr bewegt und akustisch begleitet vom berühmten „Klappern der Mühle“. Dabei schlägt ein Holzhebel an drei von den neun Stäben des drehenden Laterndls an und erzeugt einen charakteristischen Dreiertakt. Je nach Schieber auf, wasserrad läuft!

der Geschwindigkeit des Donauwassers, ist dieser unterschiedlich schnell zu hören. Bibic meidet die Siebanlage und Mehlkiste. Mehlstaub lässt sich nur schwierig aus dem Fell entfernen. Lieber hält er sich an die Endprodukte der Mehlverarbeitung, vor allem wenn diese mit Wurst belegt sind.

Schieber auf, wasserrad läuft!

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Die Donau ist heute ein internationaler Wasserweg. Wellenschlag ein Phänomen unserer Zeit. Deshalb dämpfen zwei große Spannbäume, die über beide Mühlschiffe liegen die Kraft der Wellen.

Körner, Schrot und Mehl

Am Anfang war das Korn …

D

ie Marchniederung zählt zu den ältesten Siedlungsgebieten in unserem Raum, hier leben bereits seit 30.000 Jahren Menschen. Vor 6000 Jahren fand auch in unserem Gebiet der Übergang von Jäger- und Sammlergesellschaften zu Ackerbauern statt. Weizen, Emmer, Gerste und Einkorn wurden angebaut. Das Getreide wurde dabei als Brei geröstet oder in Form von einfachen Fladenbroten verspeist. Geeignete Zerkleinerungsmethoden entwickelten sich rasch. Mittels Steinen wurden die Körner von Hand zerrieben. Die Steine wurden mit Furchen versehen und ähnelten in ihrer Funktion unseren Mahlzähnen. Die ersten Müller waren geboren und bald wurden auch Brote hergestellt, wie wir sie heute kennen. Ein interessanter archäologischer Fund bei der Mündung der March in die Donau belegt es: ein versteinerter Laib Brot, 5000 Jahre alt. Die Römer kannten bereits wasserbetriebene Mühlen. Das deutsche Wort „Mühle“ leitet sich vom lateinischen mola ab, welches Einzug in viele Sprachen fand. So entdeckt man den Wortstamm für Mühle auch in vielen Sprachen der Donauanrainer mlyn (slowakisch), malom (ungarisch), oder moara (rumänisch). Auch in anderen Sprachen findet sich der Wortstamm wieder: mill (englisch), mola (italienisch), moulin (französisch). Das Wort „Mühle“ wird im Deutschen bis heute im ursprünglichen Sinne verwendet und bezeichnet eigentlich in erster Linie das Wasserrad. Gleichgültig, was mit dem Wasserrad angetrieben wurde, es war die Mühle. Ein sehr zentrales und wichtiges Konstruktionselement von Schiffmühlen ist die Mühlradachse, umgangssprachlich auch Grindl genannt. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Herkunft dieses Wortes, bedeutet doch „to grind“ im Englischen „mahlen“. Im fruchtbaren Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, im heutigen Irak, wurde bereits vor 10.000 Jahren Ackerbau betrieben. Mit den Menschen kamen auch unsere Getreidearten nach Mitteleuropa. Viele Arten, wie der Weizen, haben ihre Wurzeln in Kleinasien. Unsere Getreidepflanzen gehören zu den Gräsern. Sie bestehen aus Wurzel, Stängel, Blättern und Blüten. Die Getreideblüten sind oft zu sogenannten „Ährchen“, vereint. Diese sind in Ähren (Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste) oder Rispen (Hafer, Hirse) angeordnet. Die Fruchtknoten der Blüten entwickeln sich zu den Getreidefrüchten, den Körnern. Sie sind geschützt durch die sogenannten „Spelzen“, das Am Anfang war das Korn …

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sind die häutigen und trockenen Hoch- und Blütenblätter der Getreidepflanze, die oft mit Grannen bestückt sind. Spelzen und Grannen sind, aus der Sicht der Pflanze, ein Schutz vor dem Gefressenwerden. Die Züchtung unserer Getreidesorten entwickelte Körner, die bei der Ernte leichter und zum gleichen Zeitpunkt aus den Spelzen fallen. Diese strohigen Teile müssen vor dem Verzehr der Körner entfernt, die „Spreu“ muss vom Weizen getrennt werden. Das Getreidekorn besteht aus ballaststoffreichen Frucht- und Samenschalen. Diese schützen den Keimling, die junge Getreidepflanze. Schalen und Keimling werden als Kleie bezeichnet. Im Inneren des Kornes liegen die Mehlzellen, diese machen bis zu 80 Prozent aus. Sie dienen dem Keimling als Vorrat zum Wachsen. Dazwischen eingebettet befindet sich der Kleber, spezielle Eiweiße, die für die Backfähigkeit des Mehls verantwortlich sind.

Weizen

Unser wichtigstes Brotgetreide ist der Weizen. Seine Vorfahren Einkorn und Emmer stammen aus dem Vorderen Orient. Diese Urformen des Weizens kreuzten sich mit Wildgräsern und auch Dinkel findet sich in der Ahnengalerie unseres Saatweizens. Saatweizen (Triticum aestivum) weist eine große Formenvielfalt auf, weit über 100 verschiedene Sorten sind heute bekannt. So ist zum Beispiel der Banater Weizen für die Erzeugung von Mehl und Grieß, oder Donauweizen, eine harte glasige Sorte, für

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Körner, schrot und Mehl

die Erzeugung von Hartgrieß gut geeignet. Weizen wächst bevorzugt auf den nährstoffreichen Braun- oder Schwarzerdeböden und in wärmeren Gebieten, Bedingungen wie sie im Marchfeld gegeben sind. Das Weizenkorn ist extrem stärkereich, und besitzt einen hohen Gehalt an Klebereiweißen, die dem Brotteig eine elastische Konsistenz geben. Diese sorgt dafür, dass die Triebgase, die beim Backen entstehen, im Teig bleiben. Sie blasen den Teig auf und das Brot wird luftig. Der Kleber ist also entscheidend für die Backfähigkeit des Mehles. Eine Weizenart, die sich gut zur Grießgewinnung eignet, ist der Hartweizen (Triticum durum). Die Hartweizengrieße werden heute zu Nudeln und anderen Teigwaren verarbeitet.

Dinkel

Dinkel (Triticum spelta) ist ein Urahn des Weizens, er wird auch „Spelz“ genannt. Im Unterschied zum Weizen fallen die Körner beim Dreschen nicht aus den Spelzen aus, die Spelzen sind mit den Fruchtschalen fest verwachsen. Dinkel lässt sich deshalb gut lagern, da er nicht so leicht von Kornkäfern befallen wird. Die strohigen, fest am Korn angewachsenen Teile der Getreideblüte müssen zunächst vor dem Mahlen entfernt werden. Daher ist die Verarbeitung des Dinkels aufwändiger, als jene des Weizens. Dinkel ist recht anspruchslos, sowohl was Bodenqualität als auch klimatische Bedingungen anbelangt und wurde deshalb auch in höhergelegenen Gebieten kultiviert. Er weist, ebenso wie der Weizen, einen hohen Klebergehalt auf, ist gut zum Brotbacken geeignet und zeichnet sich durch seinen nussigen Geschmack aus.

Roggen

Roggen (Secale cereale) zählt, neben Weizen, zu unseren wichtigsten Brotgetreidearten. Umgangssprachlich wird er je nach Region als „Drad” oder „Troad” bezeichnet. Diese Bezeichnungen leiten sich vom Wort „Getreide“ her. Gemeinsam mit dem Weizen, gelangte der Roggen nach Europa, wo er seit 5000 Jahren kultiviert wird. Ursprünglich stammt er aus dem Kaukasusgebiet. Als Weizen schon in Mitteleuropa angebaut wurde, kam es nach strengen Wintern vor, dass nur noch das Unkraut, der Roggen, übrig blieb. Im Gegensatz zum Weizen sind die Blüten der bis zu zwei Meter hohen Pflanze immer lange begrannt. Vor allem die Winterform erlangte wirtschaftliche Bedeutung, weil sie sich durch geringe Wärme- und recht bescheidene Bodenansprüche auszeichnet. Roggen liefert auch noch in Regionen, wo kein Weizen mehr wächst, gute Ernten. Roggen ist biologisch hochwertiger als Am Anfang war das Korn …

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Hauptgetreidearten in Europa, von links nach rechts: Dinkel – Weizen – Roggen – Gerste Braugerste

Weizen. Aus derselben Menge Roggen kann mehr körpereigenes Eiweiß aufgebaut werden als bei Weizen. Er eignet sich gut zum Brotbacken, da er Klebereiweiße enthält, jedoch in etwas anderer Zusammensetzung. Um diese Eiweiße aufzuschließen, braucht es deshalb die Zubereitung von Sauerteig. Roggenmehle sind dunkler als Weizenmehle, sie haben eine grau-grünliche Farbe. Bei modernen Roggenbroten wird jedoch bei der Farbgebung mit Zuckercoleur nachgeholfen. Roggen hat auch als Grünfutter Bedeutung.

Gerste

Die Gerste (Hordeum vulgare) ist, wie der Weizen, eine der ältesten Getreidearten. Sie stammt ursprünglich aus dem Himalaja-Gebiet und wurde bereits vor 10.000 Jahren kultiviert. Unter starker Formenaufspaltung und Einkreuzung verschiedener Wildarten verbreitete sich die Gerste, durch die Mobilität der Völker, im Nahen Osten, in Mitteleuropa, aber auch im Fernen Osten. Nach der Entdeckung Amerikas gelangt die Gerste im 16. Jahrhundert auch in die Neue Welt. Gerste ist außerordentlich anpassungsfähig und gedeiht auch noch im hohen Norden. Bei den meisten Sorten sind die Spelzen sehr lange begrannt, mit überhängenden Ähren. Sommer- und Winterform der Gerste unterscheiden sich durch die Länge der Vegetationsdauer und die unterschiedlichen Temperatur- und Bodenansprüche. Gerste wird in vielen Ländern mit extremen Klimabedingungen angebaut. Sie enthält keinen Kleber und ist zum Brotbacken nicht geeignet. Sie wird daher als Brei gegessen oder zum Backen von Fladenbroten verwendet. Gerste hat auch Bedeutung als Braugerste und wird als Tierfutter (in Form von Gerstenschrot) verwendet. 104

Körner, schrot und Mehl

Auch in unseren Breiten wurde sie in Form von Brei verzehrt. Sie wurde gegenüber Weizen und Roggen allerdings als minderwertig angesehen. So war es den Schiffmühlen verboten, Gerstenmehl unter das bessere Weizenmehl zu mischen Ein Auszug aus der Gewerbeordnung für die Schiffmüller 1848: „Gerstenmehl darf nicht auf den Wiener Wochenmarkt gebracht werden, aber auf dem Lande soll sein Gebrauch gestattet sein. Als Müller ist es verboten dem Roggenmehl betrügerisch Gerstenmehl unterzumischen. Auch ist es dem Müller verboten, Gerste, Hafer, Heiden (Buchweizen), Wicken zu den besseren Waitzen und Roggen zu mengen.“

Hafer

Ähnlich wie Roggen gelangte auch der Hafer (Avena sativa) als Unkraut mit dem Weizen aus dem eurasischen Gebiet nach Mitteleuropa. Hafer ist ein Gras, bei dem die Blütenstände in einer Rispe angeordnet sind. Die Kulturform leitet sich vom wild wachsenden Flughafer ab. Hafer hat einen hohen Fettanteil und wurde deshalb gerne als Brei gegessen. Da Klebereiweiße fehlen, ist Hafer als Brotgetreide nicht geeignet. Hafer hatte große Bedeutung als Futter für Pferde, den wichtigsten Zugtieren in der Landwirtschaft und beim Schiffszug. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor er jedoch an Bedeutung. Grund dafür war die zunehmende Motorisierung. Hafermehl wurde auch mit Kakao vermengt und kam als Haferkakao in den Handel. Erst seit den 1970er Jahren ist die Produktion wieder im Steigen begriffen.

Mais

Mais (Zea mays) oder Kukuruz17 stammt aus Mittel- und Südamerika. Bereits 5000 vor Christus wurde Mais kultiviert. Durch die jahrtausendelange Kultur hat sich bis heute eine große Vielfalt von Sorten mit verschiedensten Eigenschaften entwickelt. Die Spanier brachten den Mais um 1500 nach Europa, wo er aber erst ab dem 17. Jahrhundert angebaut wurde. Mitimportiert wurde auch der Name Am Anfang war das Korn …

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Das Wort Kukuruz stammt aus dem türkisch-slawischen Sprachraum.

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Mais, der sich vom Wort „mahiz“ ableitet, mit dem die Bewohner karibischer Inseln die Maispflanze bezeichneten. Seit dem Zweiten Weltkrieg wird Mais nahezu weltweit kultiviert, der Schrot dient vor allem als Viehfutter. Da Maismehl sehr kleberarm ist, muss es zum Brotbacken im Verhältnis 3:1 mit Weizenmehl gemischt werden. Heute hat Mais auch als Stärkelieferant für industrielle Zwecke eine große Bedeutung erlangt. An der mittleren und unteren Donau wurde auf den Schiffmühlen auch Mais vermahlen und Grieß erzeugt. Maisgrieß ist auch als Polenta bekannt. Die Schiffmühlen benötigten dafür aber eigene Mühlsteine, da die Maiskörner sehr fettreich sind. Im Marchfeld wurde Mais erst spät angebaut. So ist aus der Stopfenreuther Chronik der Anbau von Kukuruz erst seit 1875 bekannt.

Hirse

Hirse war früher sehr weit verbreitet, hat heute aber an Bedeutung verloren. Unter Hirse sind viele Sorten und Formen kleinfrüchtiger Getreidearten zusammengefasst. Alle Hirsearten sind wärmebedürftig und frostempfindlich, benötigen viel Licht, gedeihen aber wegen ihrer geringen Wasseransprüche auch unter steppenartigen Bedingungen. Die klimatischen Gegebenheiten im Marchfeld waren daher sehr passend für den Hirseanbau. Die kleinen Körner sind von festen, glatten Spelzen umgeben und müssen vor der Verwendung geschält werden. Hirse wird hauptsächlich gekocht als Brei gegessen oder das Mehl (mit Weizenmehl gestreckt) zum Brotbacken verwendet. Hirse enthält neben 60–75% Kohlehydraten auch hochwertiges Eiweiß.

Buchweizen

Buchweizen (Fagopyrum esculentum) wird auch als „Heiden“ oder „Heidenkorn“ bezeichnet, stammt ursprünglich aus Zentralasien und wurde im 14. Jahrhundert nach Mitteleuropa gebracht. Buchweizen ist ein Knöterichgewächs, wie der Rhabarber oder der Sauerampfer und wächst auf kargen, sandigen Böden. Ungeschälte Buchweizenkörner ähneln in Form und Gestalt den Früchten der Buche, den Bucheckern, wovon sich der 106

Körner, schrot und Mehl

heute gebräuchliche Name der Pflanze ableitet. Die harte Fruchtschale muss vor dem Verzehr entfernt werden. Geschälte Buchweizenkörner ergeben durch ihre starke Quellfähigkeit Breie ähnlich wie Hirse oder werden leicht geröstet als Beilage zubereitet. Buchweizen besitzt einen nussartigen Geschmack.

Knoppern, Tabak und Paprika

Die meisten Schiffmühlen zwischen Wien und Bratislava waren Getreidemühlen, dennoch gab es einige unter ihnen, die andere Produkte wie Paprika oder Tabak verarbeiteten.

Knoppernmühlen

Natürlich vorkommende Gerbstoffe waren früher für die Ledererzeugung sehr wichtig. Um tierische Häute weich und dauerhaft zu machen, werden sie in Gerbstoffe eingelegt. Diese lagern sich zwischen die Eiweißfasern und verändern die Struktur. Gerbstoffe kommen in Rinden, Früchten und in Pflanzengallen vor. Heute nicht mehr bekannt ist die Verwendung von Knoppern für die Lederbearbeitung. Knoppern sind die Fruchtbecher der Walloneneiche, die bis ins 19. Jahrhundert von großer Bedeutung waren. Die Walloneneiche (Quercus macrolepis) gedeiht vor allem im Mittelmeergebiet und am Balkan. Die getrockneten Fruchtbecher wurden zu einem grobfaserigen Pulver vermahlen, das bis heute in Teilen Anatoliens zum Gerben und Färben eingesetzt wird. Auch Eichengallen enthalten viele Gerbstoffe. Gallen sind Wucherungen an Pflanzen, die entstehen nachdem – im speziellen Fall der Eiche – eine Gallwespe in Blatt, Knospen oder anderen Pflanzenteilen ein Ei abgelegt hat. Diese Gallen können bis zu 60% Gerbstoffe enthalten. Ähnlich wie die Knoppern wurden die Gallen im Spätsommer und Herbst gesammelt und getrocknet. In diesem Zustand stellten beide Produkte einen begehrten und rege gehandelten Rohstoff dar, der auch auf den gemischten Proviantmühlen rund um Wien, verarbeitet wurde. Das so gewonnene Färbemittel hatte vielseitige Einsatzmöglichkeiten. Es wurde zum Gerben von Leder, Färben von Wolle und Leinen, zur Tintenherstellung und sogar als Haarfärbemittel verwendet. Dass es sich für die Mühlen dabei nicht nur um ein Nebengeschäft handelte, beweist der jährliche Bedarf von 20.000 Tonnen gemahlener Wallonen, den allein deutsche Gerbereien im 19. Jahrhundert hatten.

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Tabakmühlen

In Hainburg gibt es eine lange Tradition der Tabakverarbeitung, die bis 2011 bestand. 1724 wurde die Tabakfabrik gegründet. Hergestellt wurden Schnupf- und Kautabak sowie Zigaretten. Die Spanier brachten die Tabakpflanze (Nicotiana tabacum) 1560 nach Europa. Sie ist nach einem französischen Gesandten, Jean Nicot, benannt, der bei der Verbreitung der Pflanze half. Das Nikotin ist in den Blättern enthalten. Sie werden getrocknet, fermentiert und dann zerkleinert. Die Tabake für die Verarbeitung in Hainburg kamen sowohl aus Ungarn als auch der nächsten Umgebung, dem Marchfeld. Bis in die Sechzigerjahre des 19. Jahrhunderts gab es Schiffmühlen, die Tabakblätter verarbeiteten.

Paprikamühlen

Seit dem 16. Jahrhundert wird in Ungarn Paprika kultiviert, die Pflanze aus den Tropen Amerikas ist sehr wärmeliebend. Als Nationalgewürz hat der Paprikaanbau in Ungarn und der Slowakei große Bedeutung. So gab es in Bratislava bereits einige Schiffmühlen, die Paprika zu Pulver zermahlten. An den Nebenflüssen der Donau, wie z.B. an der Waag, hatten die Schiffmühlen eine besonders gute Nische mit der Erzeugung von Paprikapulver gefunden.

… dann kam das Mehl Das Mahlen auf einer Schiffmühle glich in den Grundzügen allen anderen wasserbetriebenen Mühlen seiner Zeit. Dennoch gab es einige Besonderheiten. Zum einen war die Mühle eine schwimmende Konstruktion, zum anderen war das Energieangebot der Donau immer unterschiedlich. War bei einer mit Wasser betriebenen Landmühle mit Stauhaltung die Geschwindigkeit beim Vermahlen relativ konstant, konnte sie auf der Donau stark variieren. Wasserrad und Mühlsteine mussten immer wieder neu eingestellt werden. Die Erfahrung des Müllers mit dem Fluss waren dabei für eine gute Mehlqualität Voraussetzung, gut geschulte Sinne eine Notwendigkeit. Ob die Donau steigt oder fällt, erkannte der Müller schon am Geräusch, am Seildurchhang seiner Mühle oder am Brodeln des Wassers. Auch das bloße Zufahren mit der Zille zur Mühle genügte meist, um über das aktuelle Energieangebot Auskunft zu erhalten. Die Schiffmühlen der Donau zwischen Wien und Bratislava waren Dank des Gefälles der Donau gegenüber den Landmühlen im Vorteil. Dieser Umstand schlug sich auch in der Bezahlung der Müller nieder. 1846 machte der Mahllohn bei den 108

Körner, schrot und Mehl

Schiffmühlen die Hälfte der Landmühlen aus: Schiffmüller waren in der Regel vom Bauernmalter abhängig, das heißt die Bauern ließen ihr eigenes Getreide vermahlen und zahlten auch mit einem Teil ihrer Frucht. Auszug aus der Gewerbeordnung von 1846 für Mühlen: Da die Vermahlung auf Schiffmühlen ungleich schneller vor sich geht als bei Landmühlen, so ist die Gebühr in vierundzwanzigsten Teil der Frucht (bei Landmühlen war es der zwölfte Teil der Frucht) und in der Hälfte des als 16tel bestimmten Mahllohnes zu bestehen. Im 19. Jahrhundert waren zwischen Wien und Bratislava bereits 100 Schiffmühlen in Betrieb. In diese Zeit fiel auch ein immer stärkeres Aufkommen von Dampfschiffen. Mit der fortschreitenden technischen Entwicklung wurden diese auch immer schneller. Dies hatte direkte Auswirkungen auf das Mahlen. Da die gesamte Mühle schwamm, bewegten sich die Mühlschiffe durch die Wellen hin und her. Durch die Größe einer Schiffmühle reichte das harte Schwanken, wie es durch Wellen entstehen kann, aus, um den oberen Mühlstein ein wenig aus seiner Spur zu bringen. Der Stein begann dann am unteren zu schleifen, unerwünschter Steinabrieb gelangte ins Mehl. Das Mehl verlor an Qualität und der Müller musste den Stein neu einstellen. Zumeist hoben die Müller beim Herannahen eines Schiffes den Stein schnell an und verhinderten das Schlimmste. Wie sich Wellen moderner, großer Schiffe heute auf einer Schiffmühle auswirken, erzählt Schiffmüller Martin Zöberl: … dann kam das mehl

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Oberer Läuferstein und unterer Bodenstein besitzen Mahl­ furchen, sie erleichtern das Zerkleinern der Körner.

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„Eines Tages besuchte eine hochrangige Delegation aus Tschechien unsere Schiffmühle. Da es stark zu regnen begann, war es der Wunsch der Gäste nicht nass zu werden und so gingen wir gleich in die Mahlstube hinein. Die Führung erfolgte in Englisch, ein Dolmetscher übersetzte ins Tschechische. Als ich die Mühle anfuhr, d.h. in Gang setzte, gingen alle auf die Brücken, zum Wasserrad hinaus. Die Gäste waren vom Wasserrad so fasziniert, dass sie ganz auf den Regen vergaßen und sehr lange das sich drehende Rad bestaunten. Dann war es Zeit ans Mahlen zu denken und wir gingen wieder in die Mahlstube hinein. Zwei Damen blieben aber beim Mühlrad in andachtsvoller Bewunderung stehen. Beim Aufschütten von Getreide, hörte ich am Motorengeräusch, dass sich ein Talfahrer näherte. Ein Blick hinaus ins Freie genügte, um das Kommende zu erahnen. Die Rossini, ein Kabinenschiff, besser bekannt unter Donauprinzessin – es war umgetauft worden – kam talwärts. 600 Meter oberhalb der Schiffmühle brach sich am Ufer bereits eine riesige Welle. Schnell sagte ich den Gästen auf Englisch, sie mögen doch rasch ins Mahlhaus kommen. Die Schiffswellen würden höher sein als gewöhnlich und sie könnten nasse Füße bekommen. Der Dolmetscher übersetzte mit schneller Zunge mein Englisch ins Tschechische, doch die Körner, schrot und Mehl

Zeit reichte nicht. Die Welle kam zur Schiffmühle angerollt und ein Wasserschwall spritzte die beiden Damen von oben bis unten nass. Jene, die im vorderen Bereich des Mühlhauses standen, kamen mit nassen Zehen davon. Die Welle lief bei der einen Tür herein und bei der anderen wieder hinaus. Zum Glück nahmen es die Besucher mit Humor und meinten gelassen, nass seien sie vom Regen ohnedies schon gewesen. Zu meinem Ärger bemerkte ich, dass eines der beiden Haftseile der Tschaike, dem Zubringerschiff zur Mühle, gebrochen war. Durch die Welle war so viel Wasser über die ein Meter hohe Bordwand ins Schiff hinein geschwappt, dass ich erst das Wasser auspumpen musste, bevor wir wieder losfahren konnten.“ Wer es eilig hat, schlägt Wellen.

Ebenso wie die Schiffmüller, erkennt auch Mühlenkater Bibic herannahende Schiffe am Klang der Motoren. Sonnt sich Bibic etwa gerade auf der Brücke vor dem Mühlrad, und es nähert sich ein Schiff, das regelmäßig hohe Wellen erzeugt, läuft er schnell ins Mahlhaus, um vor nassen Pfoten sicher zu sein. Bei den Schiffen, die immer sehr bedächtig an der Schiffmühle vorbeifahren, bleibt er genüsslich in der Sonne liegen. Ein weiteres Phänomen lässt sich heute durch moderne Schiffe beobachten. Fährt ein Schiff auf gleicher Höhe mit einer Schiffmühle, muss das Wasser dort schneller fließen, denn bekanntlich lässt sich Wasser nicht zusammendrücken. Dann laufen auch Wasserrad und Mühlstein schneller. Der Müller ist über diese kurzzeitige Änderung der Geschwindigkeit nicht erfreut, denn zu schnell laufende Mühlsteine … dann kam das mehl

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erzeugen Wärme. Nicht nur die Qualität des Mehles wird vermindert, durch schleifende Mühlsteine kann auch ein Funke entstehen. Mehlstaub in der Luft ist ein explosives Gemisch. Deshalb ist bis heute Kenntnis des Flusses in all seinen Facetten und besonderes Feingefühl im Umgang mit einer Mühle erforderlich.

Getreidereinigung

Dem Mahlen voranging die Getreidereinigung, diese wurde von den Bauern erledigt. Strohteilchen, Spelzen, aber auch Unkrautsamen und Fremdkörper wie Steine oder Nägel mussten entfernt werden. Zum Trennen leichter Strohteile gab es den Tarar. Dabei wurde durch ein händisch zu bedienendes Flügelrad Wind erzeugt, der leichte Teile vom Korn wegbläst. Unkrautsamen wurden ausgesiebt. Ein Blick beziehungsweise Griff in die Körner genügte dem Müller und er konnte Informationen über die Qualität des Getreidekorns erhalten. Pilzbefall, Feuchtigkeits- aber auch der Eiweißgehalt bestimmen die Mehlqualität. Anders als heute, war die Qualität des Getreides höchst unterschiedlich. Gab es ein besonders feuchtes Jahr, entstand Auswuchsgetreide, das Korn fing schon in der Ähre zu keimen an und die Mehlausbeute war dann geringer. Für die Bauern war stets der Müller am schlechten Mehl schuld, wenn aus diesem Mehl kein Brot gelang. Die Schiffmüller meinten dann nur, dass sie das Korn nur mahlten, am vielen Regen aber der Herrgott schuld sei.

Mahlverfahren

Die meisten Schiffmühlen vermahlten Roggen und Weizen, Gerste wurde für Fütterungszwecke geschrotet. Der Weizen wurde auch aus Ungarn importiert. Durch die unterschiedlichen Eigenschaften von Roggen und Weizenkörnern entwickelten sich verschiedene Mahlverfahren. Bei dem älteren Verfahren werden die Mühlsteine eng zusammengestellt und die Körner in nur wenigen Durchgängen zerkleinert. Dieses Verfahren wird auch als Flachmüllerei bezeichnet. Die Schale der Körner, auch Kleie genannt, wird bei flach geführten Steinen auf jeden Fall mit zerkleinert. 112

Körner, schrot und Mehl

Die Vermahlung von Weizen ist schwierig und erfordert eine eingehende Kenntnis der Rohstoffe, ihres Verhaltens unter veränderlichen Verhältnissen und umfangreiches Wissen über die zur Vermahlung geeigneten Maschinen. Das Zerkleinern der sehr harten Schalen des Weizens erzeugt Wärme. Um die Mehlqualität zu verbessern, entwickelte sich die Hochmüllerei. Sie ermöglicht eine schonende Vermahlung, weil der Mühlstein hoch geführt wird und es nur zu einer geringen Erwärmung kommt. Durch diese Technik war es auch möglich, die Schalen vom Mehlkörper zu trennen. Das Verfahren der Hochmüllerei wurde in Wien entwickelt. Das pannonische Klima, das erst einen Weizenanbau ermöglichte und die Nähe zu den großen Weizenanbaugebieten der Monarchie über den Schifffahrtsweg Donau trugen zu dieser Weiterentwicklung bei. Mühlsteine

Als Mühlsteine besonders beliebt, waren harte Quarzsandsteine, deren Struktur einem Schmirgelpapier ähnelte. Transportiert wurden die schweren Mühlsteine meistens direkt über die Donau. Die Mühlsteine der Schiffmühlen unterhalb Wiens stammten von einem Steinbruch in Perg, sie wurden mit Flößen mitgeführt und zu den Mühlen gebracht. Besonders wertvoll und dauerhaft waren die „Franzosen“ oder „Champagnersteine“. Diese Mühlsteine wurden aus einem Steinbruch in Frankreich bei Laferte… dann kam das mehl

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Jouarre gebrochen und sind aus einem harten Quarzit. Ab den 1920 Jahren wurden Natursteine durch Kunststeine ersetzt. Sie bestehen aus Mineralien wie Quarz und Korund, die mit einem speziellen Bindemittel zusammengekittet werden. Beide Arten von Mühlsteinen besitzen die sogenannte „Schärfe“. Damit werden speziell angeordnete Furchen in den Mühlsteinen und die raue Oberfläche der Steine bezeichnet. Die Furchen erleichterten, wie bei unseren Mahlzähnen, das Zerreißen der Körner. Zusätzlich wird Luft durch die Mahlfurchen gesaugt, wenn der Stein rotiert. Dies vermindert eine Erhitzung des Steins. Sowohl Boden- als auch Läuferstein besitzen Mahlfurchen. Die Steine mussten bei starker Benützung regelmäßig nachgeschärft werden. Dazu wurden die Mahlfurchen mit speziellen Werkzeugen nachgezogen und die Oberfläche der Steine wieder aufgeraut.

Das Vermahlen von Weizen

Das grobe Mahlgut läuft in ein Gefäß, das Mehl wird vorher ausgesiebt.

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Weizen mit seiner harten Schale muss sieben bis acht Mal durch die Mühlsteine laufen, damit er nicht zu warm wird. Wenn der Mühlstein zu schnell läuft, die Körner beim Mahlen zu warm werden, spricht der Müller von totgemahlenem Mehl. Es verliert seine Backfähigkeit. Bei jedem Durchgang wird der Mühlstein nur ein wenig enger auf das Zerriebene aufgesetzt. Was direkt aus den Mühlsteinen ausgeworfen wird, nennt man Schrot. Dieser läuft nach jedem Mahldurchgang über ein Sieb, bzw. über feine Stoffe, die Beuteltücher. Mehle entstehen erst nachdem sie über ein Sieb gelaufen sind und alle Mehlkörner die gleiche Größe besitzen. Beim allerersten Aufschütten wird hauptsächlich die Schale zerkleinert. Daher ist das beim ersten Mahlgang gewonnene Mehl sehr dunkel. Erst bei weiteren Mahldurchgängen werden die inneren Kornteile herunter gemahlen und die Mehle werden heller, sie enthalten aber immer noch Anteile zerriebener Schale. Die unterschiedlichen Qualitäten der Mehle erkannte der Müller allein anhand von Geruch, Griff und Geschmack. Aufwändige moderne Messmethoden gab es früher nicht. Der Müller vertraute auf seine Erfahrung. Ursprünglich gab es nur Koch- und Backmehl. Mit dem Aufkommen von Webstühlen und den nun feineren Stoffen, den Beuteltüchern, wurde bald eine Vielfalt von Mehlqualitäten hergestellt. So wurden im 19. Jahrhundert in den Schiffmühlen rund um Wien folgende Qualitäten erzeugt: • Pohlmehl, ist ein alter Ausdruck für dunkle Mehle mit vielen Schalenteilen, es stammt von den ersten Mahldurchgängen. Körner, schrot und Mehl

• • •



Mundmehl ist ein Mehl aus den weiteren Mahldurchgängen, es enthält weniger Schalenteile als das Pohlmehl. Semmelmehl bezeichnet hellere und feiner ausgesiebte Mehle. Grieß entsteht, indem das Mahlgut über ein Sieb mit größeren Löchern läuft. Als Grieß werden Teilchen des Getreidekorns bezeichnet, die zwischen 300 und 1000 Mikrometer groß sind. Es gibt feine, mittlere und grobe Grieße – im Vergleich dazu: Mehl besteht aus Teilchen, die kleiner als 150 Mikrometer sind. Schrot ist die Mischung von alldem und wird direkt aus den Mühlsteinen ausgeworfen.

Anspitzen

Möglichst helle Weizenmehle zu erzeugen, war wegen der besseren Haltbarkeit und vielfältigeren Einsatzmöglichkeiten immer das Bestreben des Müllers. Um den fetthaltigen Keimling zu entfernen wurde der Stein hoch geführt. Durch das Köpfen der Körner wurde das „Spitzerl“ des Korns mit dem innen anliegenden Keimling entfernt. Dieser Vorgang wurde als Anspitzen bezeichnet. Durch mehrmaliges nachfolgendes Aussieben wurde die Schale abgetrennt und in den darauf folgenden Mahlgängen helleres Mehl erzeugt. Die Landmühlen hatten zumeist einen eigenen Spitzgang. Der Spitzgang bestand aus anders gestalteten Mühlsteinen mit feinerer Struktur und ohne Mahlfurchen. Er lief auch schneller als die Mahlgänge zum Mehlausmahlen. Da es auf Schiffmühlen sehr beengte Platzverhältnisse gab, wurden die Mahlgänge auch zum „Anspitzen“ verwendet. Das richtige Anspitzen der Körner erforderte besonders viel Erfahrung des Müllermeisters. Mehl, bei dem die Schale entfernt wurde, nennt man auch Auszugsmehl. Das vom Mehl getrennte gröbere Material läuft neuerlich durch die Mühle.

… dann kam das mehl

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Das Vermahlen von Roggen

Roggen konnte viel schneller als Weizen in nur vier Durchgängen vermahlen werden, weil er deutlich weicher ist. Auch beim Roggen konnte man mit hoch eingestellten Steinen helleres Mehl erhalten. Dies war lange Zeit jedoch unüblich, weil dunkles Roggenmehl schmackhafte und gut verträgliche Brote lieferte. Den Müllern war deshalb die Erzeugung von hellen Roggen-Auszugsmehlen im 19. Jahrhundert bei strenger Strafe untersagt, wie Auszüge aus der Gewerbeordnung zeigen: „Der Mehlauszug aus Weitzen ist keineswegs, wohl aber jener aus Roggen streng verboten, es droht der Verlust der Mühlengerechtigkeit, im wiederholten Übertretungsfall droht der Verlust der Mühle und der Müller darf nie mehr in der österreichischen Monarchie eine Mühle betreiben.“ Die Schiffmüller in ländlichen Donauabschnitten durften seit jeher auch Brot backen und verkaufen. Als bessere Siebmethoden aufkamen, wurde das Brotbacken auf die dunklen Mehle, mit vielen Schalenanteilen, beschränkt. Sie durften dafür aber keinen Bäckerknecht einstellen: 18 Unter Appertinenzstücke und Lokalitäten sind die Grundstücke mit den Körnerhüten und Wohnungen der Schiffmüller neben den Mühlen gemeint. Brotverschleißen ist ein altes Wort für Verkaufen.

„Wie verhält es sich nun bei den Schiffmühlen, Brotverschleißen ist ihnen ebenso erlaubt wie den Landmüllern, sofern es dafür geeignete Feuermöglichkeiten gibt. Wenn die Schiffmüller Appertinenzstücke also Lokalitäten verfügen, welches bei den Aumüllern der Fall ist, dürfen sie Brot backen und in ihren Mühlen oder auf öffentlichen Märkten verkaufen.18 Um Brot zu backen, mussten die Müller, wegen der hohen Brandgefahr, jedenfalls über von der Mühle getrennte Backstuben verfügen. Mühlen wurden oftmals ein Raub der Flammen, ausgelöst durch eine Mehlstaubexplosion. Da früher dieser Zusammenhang nicht bekannt war, wurden allerlei Erklärungsversuche für Brände angestellt und Mühlen in Erzählungen auch immer wieder mit dem Teufel in Verbindung gebracht.

Verstaubung

Als Verstaubung wird der Schwund feinsten Mehlstaubes bezeichnet, der beim Mahlen verloren geht. Er beträgt bei Mühlsteinen vier bis fünf Prozent des Ausgangsmaterials. Die Verstaubung kann manchmal zu einer Berufskrankheit der Müller, der Staublunge, führen.

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Körner, schrot und Mehl

Früher hatte der Roggenanbau auch in unserem Gebiet größere Bedeutung, sowohl was Anbaumenge als auch Verwendung in der Küche betraf. Auch Mischbrote wiesen einen höheren Roggenanteil als heute auf. Auf den Schiffmühlen der March wurde bis ins frühe 20. Jahrhundert fast ausschließlich Roggen vermahlen. Aus den Aufzeichnungen der dortigen Schiffmüller geht hervor, dass aus 100 kg Roggen, 45 kg Mehl, 15 kg helles Roggenmehl und 36 kg Kleie hervorgingen. Vier Kilogramm war Verstaubung.

Stetig läuft das Mühlenrad Der Fortschritt ließ sich auch auf den Schiffmühlen nicht aufhalten. Immer schon versuchten Menschen, Arbeitsabläufe zu vereinfachen, effizienter zu gestalten und neue technische Lösungen zu finden. Obwohl die Grundzüge in der Schiffmüllerei über lange Zeit gleich blieben, gab es ein paar revolutionäre Weiterentwicklungen. Schiffmühlen gab es an der oberen Donau bereits ab dem 12. Jahrhundert. Doch zu dieser Zeit verlief das Mahlen noch ganz anders und wesentlich einfacher. Der Mahlgang samt Mühlsteinen war noch relativ einfach ausgestattet, noch hatte man keine hölzerne Verkleidung um die Mühlsteine herum. Sie liefen frei und offen. Das zerkleinerte Mahlgut rieselte zwischen den Mühlsteinen heraus und musste vom Boden aufgesammelt werden. Freilich gab es schon das Bestreben durch Aussieben feines Mehl vom gröberen Material zu trennen. Dies war zumeist Arbeit der Müllerfrauen und ihrer zahlreichen Kinder. Auch Anordnung und Bau des Getriebes waren wesentlich einfacher, die ersten Schiffmühlen waren nur mit einem einstufigen Getriebe ausgestattet. Dies bedeutete natürlich eine geringere Drehzahl auf dem Mahlstein. Seit 1430 sind Zeichnungen von mehrstufigen Getrieben überliefert. Diese Technik fand alsbald auch Einzug in die Schiffmühlen. Die Effizienz konnte so bereits wesentlich Links die Spindel zum Absenken des Mühlsteins, Stirnrad, Kammrad, rechts der Mehlkasten mit dem Rüttler, der das Sieb bewegt.

stetig läuft das Mühlrad

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Schiffmühle bei Korneuburg, Franz Lex 1955

gesteigert werden. Eine weitere kleine Revolution war es zweifellos, den Mahlstein einzufassen und das Mahlgut über ein automatisch mitlaufendes Sieb zu schicken. Ersetzte sie doch Arbeitskraft für das mühevolle händische Aussieben und Aufkehren. Diese automatischen Siebeinrichtungen, die Beutelkästen, sind seit dem 15. Jahrhundert bekannt. Durch eine einfache Mechanik, wurde ein Wollschlauch gebeutelt, das Mehl fiel durch einen Wollschlauch in einen Kasten, der Gries und das grobe, restliche Mahlgut rieselte im Schlauch weiter. Später wurden die Wollschläuche durch gewebte Stoffe ersetzt, die Seidenbeuteltücher. Die Technik des Beutelkastens blieb im Wesentlichen bis in die Jetztzeit Hauptausstattung der Schiffmühlen. Eine neue Epoche begann für die Schiffmüller, als neue Mahltechniken Einzug in die Müllerei fanden. Eine besonders große Errungenschaft war die Erfindung der Walzenstühle und vollautomatisierten Mühlen. Körner wurden nunmehr zwischen zwei Walzen zerquetscht. Walzenstühle kamen in den Schiffmühlen jedoch nur selten zum Einsatz, da bedingt durch den Schwerpunkt der Schiffe nicht in die Höhe gebaut werden konnte und vollautomatische Mühlen mit Arbeitsteilung auf mehreren Böden verteilt, nicht möglich waren. Weiteren Konkurrenzdruck für die Müller erzeugten, neben diesen neuen Mahltechniken, nun auch die Dampfmühlen, da sie weitaus unabhängiger von einer natürlichen Antriebsquelle das ganze Jahr hindurch arbeiten konnten. Durch die Erfindung der Schälmaschine gelang die Erzeugung weißer Mehle. Mühlsteine blieben aber noch lange im Einsatz, sie wurden zum Aufbrechen der Körner oder als Schrotgang benützt. Die Schiffmüller, die zu dieser Zeit noch ihr 118

Körner, schrot und Mehl

Mahlwerk am Schiff behielten, mussten also eine Marktnische finden, um gegen die Konkurrenz zu überleben. Die ersten Dampfmaschinen waren freilich noch nicht so gut entwickelt, weshalb die immer fließende Energiequelle Donau weiterhin genutzt wurde. Einige Schiffmüller versuchten der neuen Zeit zu begegnen, indem sie das Wasserrad als Antrieb nutzten und mit langen Riemen die Kraft zu an Land stehende festen Mühlhäusern übertrugen. In diesen Mühlhäusern konnte der Schiffmüller nun eine vollautomatisierte Landmühle betreiben. Diese Entwicklung war aber nur in Zusammenhang mit der fortschreitenden Donauregulierung möglich. Da die Ufer des Flusses nunmehr verfestigt waren, bestand nicht mehr die Gefahr, dass bei Hochwasser ganze Uferteile mitsamt den darauf befindlichen Häusern in den Fluten verschwanden.

Moderne Mühlenprodukte

In unseren modernen, vollautomatisierten Industriemühlen ist die Vermahlung in ihren Grundzügen gleich geblieben. Die Körner laufen mehrmals – bei bestimmten Weizensorten bis zu zwanzig Mal – durch die Mahlwerke, und erst nach dem Passieren verschiedenster Siebe entsteht Mehl. Einen großen Unterschied zu den Schiffmühlen gibt es. Durch Schälmaschinen lässt sich die Schale vollständig vom Mehlkörper trennen. Erst danach wird das geschälte Korn vermahlen. So entstehen weiße Mehle und Grieße. Vollkorngrieße werden heute nur mehr selten erzeugt. Wer heute ein Kilo Mehl kauft, findet auf der Verpackung allerlei Hinweise. Ob ein Mehl als „glatt“ oder „griffig“ bezeichnet wird, hängt von der Maschenweite des Siebes ab, durch das es gerieselt ist. Je kleiner die Maschenweite, desto feiner das Mehl, es wird als „glatt“ bezeichnet und ist besonders gut für Feinbackwaren geeignet. Das gröber gesiebte „griffige“ Mehl ist vielseitiger einsetzbar. Auch die Typenzahl gibt Informationen über die Mehlqualität. So gibt es z. B. bei Weizen die Type 480 oder die häufigere Type 700. Die Zahl bezeichnet den Ausmahlungsgrad. Je höher die Zahl, desto mehr vom ganzen Korn befindet sich im Mehl. Ausgangspunkt für diese Angabe ist die Aschenmenge, die beim Verbrennen des Mehls zurückbleibt. Weizenvollkornmehl hat demnach eine sehr hohe Typenzahl. Weizenmehl, das nur aus dem Mehlkörper besteht, bildet weniger Asche und wird mit einer niedrigen Typenzahl bezeichnet. Je höher die Typenzahl, desto wertvoller ist das Mehl für unsere Ernährung, da in den Schalen der Getreidefrucht Mineralstoffe und auch wertvolle Eiweiße enthalten sind. Der Keimling enthält ebenfalls viele für unsere Ernährung wertvolle Stoffe, er wird deshalb nach dem Mahlen dem Mehl wieder zugegeben. Er wird zuvor aber thermisch behandelt, um ein Ranzigwerden zu verhindern. stetig läuft das Mühlrad

Von links oben nach rechts unten: Weizen – geschälter Weizen – Weizengries – Weizenmehl

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Im Rhythmus der Donau

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B

is heute ändert die Donau im Jahreszeitenlauf immer wieder ihr Erscheinungsbild. Eine Zunft, die so eng mit dem Fluss verbunden war, musste dementsprechend auch ihren Arbeitsalltag der Donau anpassen, immerhin kann der Wasserstand über Nacht zwei Meter steigen oder fallen. Schiffmühlen mit ihrem festen „Haft“ am Ufer müssen also nehmen was kommt, das Wasser mitsamt seinen Veränderungen und dementsprechend reagieren. Neben einer gewissen Flexibilität war deshalb auch handwerkliches Geschick für ein Leben mit der Donau von Vorteil. Die Schiffmüller waren zumeist sehr vielseitig, sie waren Müller, Zimmermann und Schiffsmann vereint in einer Person. Gemahlen wurde auf den Schiffmühlen von März bis November. Während dieser Zeit waren der Müller und seine Gesellen ständig auf der Mühle. Jede Änderung des Wasserstandes konnte dabei eine ungeplante Nachtschicht bedeuten. Gab es gutes, schnelles Wasser wurde Tag und Nacht durchgehend gemahlen. Bei Hochwasser hingegen musste die Mühle Tag und Nacht bewacht werden, um sie zu schützen. Unvorhersehbare Eigenheiten der Donau durchbrachen immer wieder die alltägliche Müllerarbeit. Folgen wir nun Schiffmüllern durch einen Jahresverlauf auf der Donau.

„Es klappern die Mühlen“ – Frühling Ein wichtiges Ereignis im Arbeitsjahr der Schiffmüller war das „Mühleantragen“ im März, wenn das letzte Eis vom Strom verschwunden war. Die Schiffmühlen befanden sich über Winter an Land und wurden nun wieder in die Donau gesetzt. Für die Schiffmüller versprach dieser Zeitpunkt nach den langen Wintermonaten endlich wieder Einkommen. Auch die Dorfbewohner und Städter sehnten den Frühling herbei. Im Winter kam es immer wieder zu Engpässen in der Mehlversorgung, da wegen Eisbildung alle wasserbetriebenen Mühlen stillstanden. Lagen die Schiffmühlen gut drei Monate an Land, wurden sie innerhalb nur eines Tages wieder ins Wasser gelassen. Direkt auf dem Mühlschiff wurde die Mühle zusammengebaut. Die einzelnen Teile der Mühlhütte wurden aufgerichtet. Danach wurden wieder Zahnräder und Mühlsteine in die Mühlhütte gebracht und das Wasserrad montiert. Waren die Haftplätze weiter weg von den Ausstreifplätzen, also den Stellen, wo die Mühlschiffe am leichtesten an Land zu ziehen waren, ging es ans Mühlfahren. Die Schiffmühlen wurden dabei von zwölf Mann an ihre Haftplätze gezogen. Dort wurden die Schiffmühlen mit Seilen fixiert und die Müller machten sich ans Einstellen der Mühle. Die Mühlsteine mussten parallel zueinander liegen, die Zahnräder 122

im Rhythmus der Donau

genau eingepasst werden, damit alles rund lief. Kein Geräusch durfte den Gang der Mühle stören. Nur dann ließ sich effizient Getreide vermahlen und das Mahlwerk vor übermäßiger Abnützung schonen. Rasch stellten sich die ersten Bauern aus den umliegenden Dörfern ein. Die Wegzeiten mit Pferdefuhrwerken durch die Au zu den Mühlen dauerten mitunter eine Stunde oder mehr. Für die Anreise wurden die Mühlwege genutzt, die kürzesten Verbindungen zur Donau, die auch regelmäßig instand gehalten wurden. Die Bauern ließen ihr Getreide für den Eigenbedarf zu Mehl, Grieß oder Tierfutter verarbeiten. Über einen Stegladen wurde das in 80 kg Säcken abgefüllte Mahlgut in die Mühle getragen. Aufgrund der langen Anfahrtszeiten, blieben die Bauern während des Mahlens meistens gleich draußen in den Mühlen, manchmal auch über Nacht. Das „in die Mühl fahren“ war eine regelmäßige Notwendigkeit, da früher nur dunkleres Mehl erzeugt werden konnte und dieses nicht so lange haltbar war. Darüber hinaus bot der Aufenthalt auf der nächtlichen Mühle Abwechslung zum landwirtschaftlichen Arbeitsalltag. Brot und Trunk verkürzten dabei das Warten bis alles fertig vermahlen war. Im Frühling führt die Donau durch die einsetzende Schneeschmelze meistens mehr Wasser. Das Mahlen ging dann besonders rasch voran. Nichtsdestotrotz muss­ ten der sellen WeiMüller und seine Ge­ zen achtmal durch die Mühlsteine schicken, bis das Korn vollständig zu Mehl vermahlen war. Ein gutes, frühhling

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Die Buisenmühle bei Exlau im Jahr 1884. Die letzte Schiffmühle der Oberen Donau war noch bis 1956 in Betrieb und musste dem Kraftwerk von Aschach weichen.

hohes Wasser kam da gerade recht. Das gewonnene Mehl wurde je nach dem Wunsch der Kunden entsprechend gemischt und in Säcke abgefüllt. Das mehrmalige Aufschütten des Getreides war für die Müller, Gesellen und Mühlburschen schwere Arbeit. An manchen Tagen kamen mehrere hundert Kilo zusammen, die über den Stegladen in die Mühle und dann über eine Treppe zu den Mühlsteinen getragen wurden. Zum Aussieben von Grieß und Mehl lief der Schrot über das Beutelzeug, einem Schlauch aus Wolle, der im Takt der Donau ständig geschüttelt wird. Bei hohen Wasserständen lief die Mühle schneller als sonst. Dann konnte es passieren, dass dieser Beutel riss. Die von den Müllern im Winter gefertigten Ersatzbeutel leisteten dann wertvolle Dienste. Ein wichtiges Fest im Kirchenjahr und im Arbeitsleben der Schiffmüller, war Fronleichnam. An der Fronleichnamsprozession wurde in besonderer Festtagstracht und mit der handwerkstypischen Zunftfahne mit aller Ehre teilgenommen. Nach dem kirchlichen Ereignis wurden Handwerksbelange geregelt und das Zunftbrauchtum gepflegt. Die Schiffmüllermeister, Gesellen und Mühlburschen kamen dabei auf den Herbergen zusammen. Die Treffen fanden bei offener Zunftlade statt, im Zunftbuch wurden Notizen gemacht. Mühlburschen wurden an diesem Tag nach eigenem Ritus aufgedungen, das heißt in die dreijährige Lehrzeit aufgenommen, und nach Abschluss freigesprochen. Beim Fest nach der Freisprechung ging es unter den Müllergesellen und Mühlburschen nicht zimperlich zu. Die Mühlburschen, die sich nun Geselle oder Mühlknecht nennen durften, wurden von den anderen Gesellen freigemüllert. Dabei wurden sie in einen Sack Mehl gesteckt und „getrudelt“. Sie wurden dabei auf einen Tisch gelegt und mit Hölzern geknetet und gewalkt. 124

im Rhythmus der Donau

Schiffmühlen bei Hainburg

Die Bedeutung von Fronleichnam ist auch in den jeweiligen Handwerksordnung niedergeschrieben, so auch in der von den Hainburger Schiffmüllern aus dem Jahr 1693. „Die Schiffmüller sollten … die christlich katholische Prozession unter gebräuchlichen Handwerksfahnen fleißig und mit besonderer Andacht besuchen und verrichten …“ Diese Vorschrift wird schon ihren Grund gehabt haben, ist doch zum Beispiel im Hainburger Zunftbuch am 20. Juni 1734 festgehalten, dass „… die Jungen am heiligen Fronleichnamstag, wo man die Ehre Gottes zu fördern trachten solle, öfters den Nachmittag mit Raufhändel, schelten und fluchen zubringen. Solche Übeltäter sollen am nächsten Tag nicht an die Arbeit gelassen werden, es sei denn, sie erlegen drei Gulden Strafe in die Zunftlade.“ Die Straf- und Bußgelder, die in die Zunftlade sowohl vom Meister als auch von den Gesellen und Mühljungen eingezahlt wurden, sorgten unter anderem für den Unterhalt kranker und verarmter Zunftmitglieder. Kost und Logis für eine Nacht, die den Müllergesellen auf Wanderschaft auf den Herbergen zustand, wurde ebenfalls aus der Zunftlade beglichen. Es zeigt schön den Zusammenhalt innerhalb des Müllerhandwerks, weit über Zunft- und Landesgrenzen hinaus.

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„Das Mahlen in der Nacht hat sich der Teufel ausgedacht“ – Sommer Die meiste Arbeit gab es für die Schiffmüller nach der Ernte. Nun kamen auch Mahlgäste aus einem Umkreis von bis zu 40 Kilometern zu den Donaumühlen angereist. In den Sommermonaten führten die Bäche des Marchfeldes, des Weinviertels und südlich der Donau zu wenig Wasser, um die dortigen Landmühlen zu betreiben. So blieb den Bauern nur die weite Anreise bis zu den Ufern der Donau, bei denen bereits reges Treiben herrschte. Manchmal entstanden lange Warteschlangen von bis zu 20 Pferdefuhrwerken oder mehr. Es galt dann einfach „Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst.“ Arbeitszeiten von 24 Stunden waren dann die Regel. Zusätzlich zum Gesellen und dem Lehrjungen mussten die Schiffmüller einen zweiten Gehilfen einstellen. Sommer, das war auch die Zeit, wo sich Müllerknechte gerne auf Wanderschaft begaben, denn das bedeutete mitunter: Schlafen unter freiem Himmel. Ab und zu kamen reisende Müllergesellen zu den Donaumühlen und sprachen um Arbeit vor. Die gute Behandlung seitens der Schiffmüller im Vergleich zu den großen Lohnmühlen hatte sich herumgesprochen. Mit vereinten Kräften wurden an Spitzentagen mit zwei Mahlgängen, wie sie auf den Schiffmühlen der oberen Donau üblich waren, 2000 Kilogramm vermahlen. Die Mühlen liefen dabei Tag und Nacht hindurch. Eine kräfteraubende Arbeit, die gute Kondition verlangte. Zeugnis dafür lieferte zum Beispiel der Wiener Schiffmüller Lindmayer, der als junger Mann an einem Tag von Wien nach Hainburg und retour mit der Ruderzille fuhr. Das Arbeiten in der Nacht brachte auch Gefahren mit sich. Schlief der Müller neben dem Mahlwerk ein, konnte Funkenschlag der Mühlsteine eine Mehlstaubexplosion auslösen. Manch eine Mühle wurde so Opfer der Flammen. Meistens wurde der Müller rechtzeitig hellwach um neuerlich Getreide aufzuschütten. Die Änderungen der Geräusche und Bewegungen kündigten dem erfahrenen Müller 126

im Rhythmus der Donau

eine leer laufende Mühle an. Das Mahlen in der Nacht war auch für die Gesundheit wenig zuträglich. So gab es neben der Staublunge auch die sogenannte Müllerbleiche, einen Zustand größter körperlicher Erschöpfung. Ein altes Müllersprichwort weist auf die Gefahren des nächtlichen Mahlens hin:

In der Nacht wachten Meister oder Geselle über das Laufen der Mühle.

Müllers Leben hat Gott geben. Wer das bedacht hat’s weit gebracht Nur das Mahlen in der Nacht Das hat sich der Teufel ausgedacht Wenn es ans feinere Ausmahlen ging, kam es manchmal vor, dass sich der Schiffmüller einen „Bären“ einfing. Als Bär wurde eine Mehlverstopfung bezeichnet. Bei den relativ einfach gebauten Schiffmühlen war der Sitz des Bären rasch gefunden, steckte er doch zumeist im Mehlrohr. Meistens genügte ein Klopfen mit dem Holzhammer, um das Mehl wieder zum Rinnen zu bringen. Auf einer Mühle gab es immer viel zu tun. Mehl, das sich auf dem Boden angesammelt hatte, wurde regelmäßig aufgekehrt, einerseits um nichts zu verschwenden, andererseits um Ungeziefer fern zu halten. Gerade im Sommer fanden Mehlmotten immer wieder Fugen und Ritzen, wo sie sich vermehren konnten. Neben Sauberkeit half auch ein Offenhalten der Fenster – so empfiehlt es zumindest ein altes Mühlenbuch – damit Fledermäuse in die Mühle zur Mottenjagd kommen konnten. War Getreide mit Kornkäfern befallen, konnte man es nur mehr schwenden, also sommer

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Auch Einstellarbeiten an den Zahnrädern gehören zum Alltag des Müllers.

vernichten. Gegen Mäusebefall empfahl sich das Halten einer Katze. Zu den laufenden Arbeiten zählte auch das Steine Schärfen. Durch das Mahlen wurden die Mühlsteine immer glatter und mussten wieder rau gemacht werden. Je härter dabei das Gestein des Mühlsteins war, umso geringer war der Abrieb. Mit einem Kräuselhammer wurde der Stein wieder geschärft, mit dem Pillenhammer wurden die Mahlfurchen nachgezogen. Das war eine Arbeit, bei der oft die ganze Haut juckte, weil man dabei jede Menge Steinsplitter einfing. Es galt als Handwerksehre unter den reisenden Gesellen, bei einer Mühle, wo gerade scharf gemacht wurde, unbedingt Halt zu machen, um tatkräftig mitzuhelfen. Gab es auf den Mühlen viel zu tun, durfte auch an Sonntagen gearbeitet werden. Grundsätzlich sahen die jeweiligen Zunftregeln den sonntäglichen Kirchgang vor. Aufzeichnungen der Hainburger Schiffmüllerzeche zeigen jedoch, dass es für die Schiffmüller Ausnahmen gab. Der Kirchgang musste aber nachgeholt und ein entsprechendes Strafgeld in die Zunftlade gelegt werden. Im Juli oder August enstehen, durch starke Regenfälle in den Alpen, Donauhochwässer. Vor der Errichtung des Hochwasserschutzdammes, waren Felder und Orte im Marchfeld oft wochenlang überflutet. Gefahr für die Schiffmühlen war vor allem, was das Wasser mit sich führte: Treibholz oder große Bäume samt Wurzelstöcken. Wenn das Wasser anstieg, zogen die 128

im Rhythmus der Donau

Der Müller befreit regelmäßig das Wasserrad von Schwemmholz.

Müller ihre Mühlen zum Schutz näher ans Ufer heran. Alle Müller kamen auf der vordersten Schiffmühle zusammen. Mit langen Stangen versuchten sie dort Bäume, die den Strom herunterkamen, vor den Mühlen wegzutauchen. Ein Marterl in Oberösterreich erinnert an ein tragisches Unglück:

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„Am 30. Oktober 1836 ist der Franz Raudaschl, auf der Donau bey Wien, bey einer Schiffmühle durch das Holzausziehen in das Wasser gestürzt und ertrunken und durch das Rad ganz zermartert worden.“ Jedes Hochwasser bedeutete Anspannung für die Müller, manch eine Schiffmühle wurde durch die Kraft des Wassers fortgetragen. Meistens blieb es allerdings bei kleineren Schäden, wie zum Beispiel zerbrochenen Mühlradschaufeln. Sobald das Wasser wieder fiel, mussten die Mühlen rasch vom Ufer weiter hinaus geschoben werden, damit sie nicht am Grund aufsaßen. Große Bäume, die feststeckten, konnten erst bei langsameren Wasser sicher entfernt werden. Es kam vor, dass Haftplätze unbrauchbar wurden. Das Ufer war kilometerlang weggerissen oder es hatte sich mit der Verlangsamung der Donau Schotter unter die Mühlen gelegt. Dann mussten sich die Schiffmüller mit ihren Mühlen einen neuen „Haft“ suchen. Obwohl die Donau heute reguliert und durch Kraftwerke beeinflusst ist, kann sie bei Hochwasser immer noch enorme Kräfte entwickeln. Das Jahrhunderthochwasser vom August 2002 erreichte auch die Schiffmühle von Orth an der Donau. Wie die Schiffmüllerin Sabine Bergauer diese Tage erlebte zeigen folgende Aufzeichnungen:

Tagebuch eines Hochwassers

Montag, 12. August Wir wissen bereits, dass ein starkes Wasser kommen wird. Bei der Donau herrscht Hektik. Im Uferhaus wird alles ausgeräumt und hinter den Schutzdamm gebracht, auf der Wiese alles was nur geht höhergestellt. Auch wir sichern rasch unser Werkzeug und räumen es vorsorglich auf das Hochwasserniveau von 1991. Ich kaufe noch Lebensmittel und richte mich für das bevorstehende Inseldasein auf der Mühle ein. Am Abend rudern wir mit der Zille zur Schiffmühle hinauf. Die tiefen Auteile sind schon überflutet, die Strömung knapp am Ufer ist schwächer als sonst. Ein letztes Schiff fährt noch zu Berg, und gibt dem Schubverband am Ellender Ufer Schlepphilfe, der bei der steigenden Strömung in der Kurve Probleme hat. Die Schifffahrt ist eingestellt und es wird sehr leise in dieser Nacht. Um 3 Uhr werden wir durch ein lautes Brausen wach. Wir schauen vom Dachfenster auf das Mühlrad hinunter. Es dreht sich in die falsche Richtung! Das Kehrwasser hinter dem Schieber, der das Rad normalerweise bremst ist stärker geworden. Die Donau steigt also und mit ihr unsere Sorgen vor Treibgut. Wir schlafen kaum.

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Die Schiffmühle von Orth während des Hochwasser 2002

Dienstag, 13. August Ein Blick frühmorgens Richtung Uferhaus sagt uns, dass die Donau aus ihrem Bett ist. Das Wasser beim Mühlrad ist sehr leise geworden. Die Au wird bereits geflutet, deshalb nimmt die Strömung an unserem Haftplatz ab. Wir werfen regelmäßig das Wasserrad an, damit das hängen gebliebene Holz weitertransportiert wird. So sparen wir viel Arbeit. Durch die beiden letzten Hochwasser in diesem Jahr kommt zum Glück wenig Holz, die Au ist bereits leergespült. Georg, Erich und Melanie besuchen uns und helfen beim Holzräumen. Wir rudern wieder zur Uferhauswiese um nach den Steganlagen zu schauen. Diesmal müssen wir eine andere Route durch den Wasserwald nehmen. Wir fahren durch die Entenhaufenlacke, dann die Binn ein Stück stromauf, das Abtreiben einkalkuliert, und queren den Arm, der längst keine Ufer mehr hat. Dort gilt es eine günstige Einfahrt zwischen den schaukelnden Zillen zu erwischen. Anlegen am Rudervereinsfloß. Ameisen flüchten auf alle senkrecht stehenden Hölzer, auch vor meinen Beinen machen sie nicht Halt. Plötzlich schwimmt ein Hirsch die Binn hinunter. Er will zu den Floßanlagen, er kann nirgends rauf und treibt ab bis er verschwindet. Ein zweiter versucht es weiter oben in der Binn. Er schwimmt zum Mühlhaufen, aber auch er wird den Weg zum Damm nicht mehr finden.

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Mittwoch, 14. August Wir haben bereits jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren. Wir werfen immer wieder das Mühlrad an, um Treibgut zu entfernen. Lebensmittel werden knapp, wir rudern mit der Zille durch die Au nach Orth hinein. Gut drei Stunden brauchen wir um nach Orth hinein- und wieder herauszugelangen. Um 17 Uhr hat der Pegel Wildungsmauer bereits 7 Meter 60 erreicht und es steigt weiter. Das Wasser ist grauslich hoch. Es regnet immer noch. Wir rudern auf der Wiese des Uferhauses vorbei und müssen einen Sprint einlegen, pro Ruderschlag kommen wir nur 10 cm vorwärts, Stangeln geht wegen der Wassertiefe längst nicht mehr. Beim Bootshaus des Rudervereines drückt es uns an das Dach an. Wieder sind kräftige Ruderschläge angesagt. Nach diesem Adrenalinausstoß reicht es mir und ich schwöre mir, nie mehr in der Nacht bei unbekannter Strömung zu fahren. Mir fällt der Müllerspruch ein „Das Mahlen in der Nacht hat sich der Teufel ausgedacht.“ Bei den Schiffsleuten heißt es wohl: Das Fahren in der Nacht … Wir schlafen vor lauter Erschöpfung das erste Mal tief. Beim Wasserrad ist es ungewöhnlich leise. Alles Wasser rinnt bereits in die Au und es gibt kaum mehr Strömung auf unseren Standort. Das Rad läuft auch sehr komisch, es dreht sich einmal schneller, dann wieder gar nicht. Donnerstag, 15. August Höchststand – der Scheitel ist erreicht! Heute ist der erste Tag, an dem wieder so etwas wie Zeit existiert. Die Sonne scheint auch wieder und gibt Hoffnung. Jetzt gibt es nichts Sinnvolles zu tun, außer Warten bis das Wasser wieder abfließt. Ueli, Zimmerer auf Wanderschaft, der mit uns die Mühle bewacht, wird das Warten zu lange. Er macht sich nützlich und arbeitet an der Sichtungsanlage. Heute können wir bereits mit der Zille die Uferstraße befahren, die Strömung bei der Faden ist nicht mehr so stark, weil der Wasserstand so hoch ist. Beruhigt sehen wir, dass der Damm hält. Schaulustige haben sich mittlerweile auf der Dammkrone eingefunden. Man bezeichnet uns als Aussteiger. Mir fallen die Hirsche wieder ein. Freitag, 16. August Die Donau fällt rasch, frühmorgens ist der Sporn noch überflutet. Prognose auf 6 Meter 40 für null Uhr, jeden Meter weniger merken wir an der Strömung. Rudern mit der Zille geht plötzlich so schnell. Die durchströmte Binn können wir wieder queren ohne abzutreiben. Alles sieht so friedlich aus. Wir fürchten uns ein wenig davor, was das Wasser freigeben wird. Hektik setzt ein. Fällt die Donau, müssen rasch die Floßanlagen nachgesetzt werden. Erstes Aufräumen beginnt. Für uns ist 132

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es noch nicht ausgestanden, oft entstehen die meisten Schäden an der Mühle, bei fallendem Wasserstand, wenn es das ganze Holz aus der Au ins Strombett saugt. Um drei Uhr werden wir durch lautes Brausen wach. Mit dem Zurückweichen des Wassers ins Bett, ist die Strömung bei der Mühle wieder stärker geworden. Samstag, 17. August Georg holt zusammen mit Martin Helfer zum Aufräumen vom Schutzdamm ab. Bei diesem Wasserstand können nur Einsatzfahrzeug durchs Wasser fahren. Ich hoffe sie kommen bald, ich sitze auf der Mühle ohne Zille. Auf der bereits wasserfreien Uferhauswiese sind die Aufräumarbeiten nun voll im Gange. Ich wate zum Auto und kann am Abend schon mit dem Rad durch das Wasser fahren. Ich habe einen riesigen Muskelkater vom Holztragen und schlafe gute zwölf Stunden. Sonntag, 18. August Heute geht das Aufräumen weiter, alle helfen zusammen. Die Donau ist längst im Bett, wir fahren gerade mit der Tschaike zur Mühle hinauf, da wuzelt es einen 20 m langen Baum mit Krone quer durch die Mühle. Wir können nur zusehen. Aufatmen, wir haben Glück, nur eine Kumpe am Wasserrad ist abgerissen. Ich erinnere mich an das Wasser im März, das war weitaus niedriger, aber da hatten wir viel mehr Bäume abbekommen. Nicht die Wasserhöhe macht das Wesen eines Hochwassers aus. Jedes Wasser ist anders, und das nächste, das kommt bestimmt.

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„Da Nikolo tragt d’ Mühln o“ – Herbst Im Herbst verlangsamte sich das Leben auf den Schiffmühlen. Die Ernte war längst vorüber und der Andrang beim Mahlen ging zurück. Die Donau führte nun weniger Wasser und dementsprechend geringer waren die Leistungen der Schiffmühlen. Hielt das Niederwasser besonders lange an, sehnten die Müller den Regen herbei. Denn das Mahlen dauerte nun vier- bis fünfmal so lang. Herbst und Winter waren auch die Zeit des Holzmachens. Das von Hochwässern angeschwemmte Treibgut wurde zu Brennholz zerschnitten, Treppelwege und Ufer für die Schifffahrt freigehalten. Mit den sinkenden Temperaturen bildete sich das erste Eis. Um die Schiffmühlen zu schützen, wurden sie an der oberen Donau aus dem Strom entfernt und an Land gezogen. Bereits um den 6. Dezember, den Nikolaustag, war mit dem ersten Eis zu 134

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rechnen und die Schiffmüller begannen ihre Mühlen abzutragen. Ein Schiffmüllerspruch stammt noch aus dieser Zeit: „Da Nikolo tragt d’ Mühln o.“ Waren die Temperaturen mild, blieben die Schiffmühlen jedoch so lange wie möglich im Strom, um zu mahlen. Leopold Oth, Schiffmüller von Hainburg, schilderte das herbstliche Mühlfahren und Mühleabtragen in den 1920er Jahren, sein Sohn, der Bäckermeister Leopold Oth junior hat die Erzählungen aufgeschrieben. „Binnen einer halben Stunde konnte die erforderliche Zugmannschaft von 20 Mann zusammengerufen werden. Dies war erforderlich, wenn sehr plötzlich starkes Eisrinnen einsetzte und die Mühlen noch im Strom waren. Bei uns in Hainburg mussten die Schiffmühlen von ihren Haftplätzen bis in den einen Kilometer entfernten, stromauf gelegenen Johlerarm gezogen werden. Für das Mühlfahren wurden an den Mühlschiffen an geeigneten Stellen Stricke angebracht. Dies erleichterte ein Aussteuern in der Strömung. Am Hausschiff wurde das Hauptseil montiert und die ganze Schiffmühle von 16 bis 17 Mann gezogen. Die Männer wurden in Scheibenbandeln eingespannt und begannen auf Kommando zu ziehen. Das Manöver konnte nur bei Windstille durchgeführt werden. Setzte starker Wind ein, musste zugewartet werden. Am einem Vormittag wurden zwei Schiffmühlen in den Arm gezogen. Am Nachmittag folgten die weiteren Schiffmühlen. Dieses sogenannte Mühlfahren wurde oft von vielen Schaulustigen begleitet und war immer ein großes Ereignis. Die Schiffmühlen wurden vorübergehend im Johlerarm festgemacht. Setzte Wetterbesserung ein, kam es vor, dass eine Mühle wieder an den Haftplatz zurückgeschleppt wurde, um weiter zu mahlen. Die Helfer wurden fürs Mühlfahren mit je 50 Kreuzern und zwei Laib Brot entlohnt.

Beim Mühle Abtragen halfen alle zusammen. Müller beim Abbau des Stirnrades.

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Blieb die Witterung kalt, wurden am nächsten Tag die Mühlen abgetragen. Hierfür waren nurmehr zwölf Mann notwendig. Zuerst wurde das Mühlrad abmontiert. Die Mühlradschaufeln entfernt, dann konnte man die Radbuckel ausfädeln und zuletzt folgte das einige Tonnen schwere Mühlgrindl. An Land wurde das Mühlrad an erhöhter Stelle auf zwei großen Böcken gelagert. Die Mühlhütte bestand aus einzelnen Teilen, die zerlegbar waren. Ebenso war das geschindelte Dach aus einzelnen Platten gebaut und ließ sich ebenfalls leichter zerlegen. In einem Tag war diese Arbeit erledigt. Die Mühlhütte wurde an Land wieder aufgebaut und alle wichtigen Teile über den Winter dort gelagert. Besonders schwere Teile waren die Mühlsteine und die Zahnräder. Da dieser Vorgang jährlich durchführt wurde, saß aber jeder Handgriff. Die Mühlschiffe wurden entweder an flachen Uferstellen auf Balken ausgestreift, bzw. wenn sie in Ordnung waren und die Winter nicht zu streng, beließ man sie unter Umständen auch im Wasser. Etwa alle zwei bis vier Jahre mussten die Mühlschiffe überholt werden.“

„Rinnt’s noch oder steht’s schon“ – Winter Im Winter, wenn die Mühlen an Land gezogen waren, hatten die Müller kein Einkommen. Ausgaben fielen dennoch an. Der Müllergeselle, dessen Arbeitszeit nun auf acht Stunden zurückging, musste bezahlt werden. Zusätzlich erhielt er Kost und Unterkunft. Wurde ein Mühlenzimmerer oder Schiffszimmerer benötigt, verlangte auch dieser seine Bezahlung. Das hart verdiente Geld einer Mahlsaison war dann gleich wieder ausgegeben. Viele Arbeiten wurden von den Schiffmüllern daher selber erledigt. Ersatzteile für den Mühlenbetrieb Holzkeile, Kumpen, Eisenklammern und Mühlradschaufeln wurden gefertigt. Die vielen Arbeiten konnten oft nur unter Mithilfe der ganzen Familie bewerkstelligt werden. Die Müllerinnen halfen bei Ausbesserungen an Mehlsäcken und Beutelzeug. Die Zeit während die Mühlen am Ufer lagen, nutzen die Müller dazu Ausbesserungsarbeiten an ihren Mühlzillen vorzunehmen. Vor allem das Dichtmaterial, das Moos zwischen den Planken musste alle ein bis zwei Jahre erneuert werden. Manchmal kamen auch Schopper vorüber, die auf das Abdichten der Schiffe spezialisiert waren. Sie kratzten das alte Moos aus den Fugen, hobelten die Fugen nach und stopften neues Moos, das sie vorher zu einem Zopf gedreht hatten, zwischen die Planken. Dann legten sie Leisten darauf, die das Moos in die Fuge drückten, und schlugen in Abständen kleine Eisenklammern, die sogenannten „Klampfeln“, ein. Das zum Schoppen notwendige Moos wurde von „Miassuchern“ geliefert. Alle zehn Jahre waren in der Regel neue Mühlschiffe fällig, die oft nur durch einen Kredit gekauft werden konnten. 136

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Im Winter 1929 bildete sich in Wien ein Eisstoß.

Das Eis der Donau stellte für Schiffmüller und Dorfbewohner in manchen Jahren eine Gefahrenquelle dar. Es wurde aber auch entsprechend zum Kühlen genutzt. In Eiskellern eingelagert, hielt es bis zum nächsten Winter. Eis bildet sich in den Randbereichen des Stromes, in ruhigen Seitenarmen und am Donaugrund. Im Fluss durchmischt sich das Wasser ständig. Anders als in stehenden Gewässern, wo zuerst die Oberfläche abkühlt, friert es im Fluss zuerst am Grund. In einer schmalen Zone knapp über dem Boden bildet sich das sogenannte Grundeis. Zu Eisschollen verfestigt, beginnt das Eisrinnen. Ist es sehr dicht, kann sich an engen Stellen der Donau, wie an der Porta Hungarica, ein Eisstoß aufbauen. Das Eis wird durch die Strömung zusammengepresst und wächst mit dem nachkommenden stromaufwärts an. Pro Tag kann der Eisstoß anderthalb Kilometer länger werden. Löst sich das Eis kommt es zum Eisgang. Das für das Marchfeld verheerende Eishochwasser von 1830 zeigt, wie die Schiffmüller auch mit solchen Situationen umzugehen wussten. Franz Überbacher, Schiffmüller von Leopoldau, schrieb die dramatischen Ereignisse dieser Tage auf. Die Schiffmühlen waren zu diesem Zeitpunkt abgetragen. Die Mühlschiffe lagen an Land, die Mahlhütten und Wasserräder waren neben den Schiffen aufgestellt worden. „Als sich am 27. Februar 1830 durch Thauwetter, das Wasser über die Eisdecke des Donau­ stromes allmählich ergoß und immer höher wurde und wir den Ausbruch des Eisstoßes ahndeten und wir aus der Erfahrung wussten, dass es nicht mehr lange dauern könne bis die Eisdecke brechen werde, da brachten wir schon früher alles in Ordnung, räumten alles höher, hefteten und hängten alles an, damit das Wasser nicht alles wegführen kann.“ winter

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Von 27. auf 28. Februar ging der Eisstoß ab. Gegen fünf Uhr früh trieb der Eisgang die Brückenjoche der Donaubrücke mit Sausen und Brausen an den Mühlen vorbei. Nachdem das Wasser fiel und die Donau eisfrei war, glaubten die Müller die Gefahr sei vorbei. Doch gegen zehn Uhr abends stieg das Wasser erneut massiv an und flutete die Wohnungen der Müller. Entlang des Ufers hatte sich eine dreieinhalb Meter hohe Mauer aus Eisblöcken aufgeschoben. Das Wasser war bereits kurz davor hindurch zu brechen. Überstürzt, nur notdürftig bekleidet, verließen die Müller mit ihren Familien und den Mühljungen ihre Häuser, weckten die anderen, die noch in ihren Wohnhäusern schliefen. 21 Menschen flüchteten sich in die Mühlschiffe: „O Hilfe, O Beistand Gottes, von aussen stürmten Wellen, treiben das Eis mit Gewalt auf unsere Schiffe, der Ausbruch der Donau näherte sich, die über zwei Klafter (3,5 Meter) hohe Eiswand wälzte auf uns herein, schon fing es an, um uns, neben uns, alles, Wohnung und Habseligkeiten mit fort zu wälzen, je eines nach dem andern … Ein drittes mit Eis bedecktes Schiff hatte es unter unsere beiden Schiffe untergeschoben, und im Schutze des Dreieinigen ließ ich den Mühlhaft los. Aber kaum waren wir los, so mußten wir durch einen tiefen Schwall von tobenden Wellen, denn früher hatte es hinter der Wohnung eine Vertiefung ausgewaschen und der Abfall in dieselbe war so erschrecklich, daß die Wellen oftmahls höher, als die Dachung des Wohngebäudes zu sehen waren.“ Ohne Steuer und Ruder trieben die beiden Mühlschiffe mit den entsetzen vor Angst gelähmten Menschen in die schwarze Nacht hinab. Nur der Müller Überbacher bewahrte den Überblick in der Situation, beruhigte die Menschen und konnte entsprechend handeln. In der Entfernung erkannten sie Kagran, dann kamen sie schon etwas näher zwischen Hirschstetten und Stadlau durch, sie sahen dort auch Lichter, doch der Eisstrom trug sie weiter fort. „... oberhalb von Asparn, mitten im Felde kamen wir zu einem Baum, die Schiffe aber, die nur vorwärts zusammengehängt waren, hinten aber nicht, umklammerten den Baum so, dass er in die Mitte zwischen beiden Schiffen zu stehen kam. Der obere Theil des Schiffes lehnte sich an ein Gebüsch und so blieben wir stehen. Wirklich suchten viele schon Rettung auf seinen Ästen und fanden Schutz. Viele waren im Beginnen hinaufzusteigen, aber die tobende Eisfluth, welche unsere Schiffe hier zertrümmert hätte, und welche nun in ihrem Laufe etwas gehemmt wurde, drückte die Schiffe mit aller Gewalt zurück und drehte sie um. Ach Gott rief Schaller (ein anderer Schiffmüller), die Schiffe treibt es wieder fort, ach, eilet geschwind herab, und die drei obersten nämlich Franz Grubmüller und zwei Mühljung, waren so unglücklich und kamen zu spät, denn in einem Nu waren wir fort, aber wohin?“

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Die im Schiff Verbliebenen trieb es weiter, bis sie in Aspern in einem Felde mitsamt dem Eis zum Stehen kamen. Es dauerte allerdings eine Nacht und einen Tag bis sie vom Dorf Hilfe bekamen. Auf einer Strecke von 300 Metern mussten die Helfer Bretter legen, um über die Eisklötze zu den Gestrandeten zu gelangen. Immer wieder sanken sie dabei ins Wasser. Die drei im Baum zurückgebliebenen hatten Glück. Kurze Zeit später trieb Grubmüllers Stegkahn vorbei und blieb einige Minuten an diesem Baum hängen, sodass sich die drei ins Schiff retten konnten. Der Strom trieb sie an Essling vorbei Richtung Lobau, wo sie halb erfroren stehen blieben. Ein unglaubliches Schicksal ereilte den Mühljungen Simon Hofer. Er war mit seinem Meister, dessen Frau und einem zweiten Mühljungen in ein Mühlschiff geflüchtet. Bei Hirschstetten schließlich zerbrach das Schiff. Simon hielt sich zuerst an Trümmern des geborstenen Schiffes fest und konnte sich auf einen Eisklotz retten, mit dem er fünf Stunden lang bis nach Groß Enzersdorf trieb. Bei Anbruch des Tages war von den Leopoldauer Mühlen nichts mehr übrig. 16 Mühlen, sieben Wohnungen und 31 Kornhütten hatte das Wasser weggetragen. Das abgehende Eis ergoss sich bis zu zehn Kilometer entfernt vom Flusslauf in die Ebene des Marchfeldes. Dennoch blieben einige Orte von der Eisflut verschont. So überstanden die Schiffmüller von Schönau diese Katastrophe unbeschadet, da sich das Eis weit entfernt von der Donau seinen Weg suchte. Die Schiffmühle von Orth verbleibt das ganze Jahr über in der Donau. Ein Eisstoß wie 1830 kann sich wegen der verkürzten Fließstrecke durch Kraftwerke nicht mehr bilden. Eisphänomene treten in kalten Wintern aber bis heute immer wieder auf. Die Müller erinnern sich: winter

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2006 kam es erstmals seit Jahrzehnten auch im Strom zu massiver Eisbildung. Das Orther Kehrwasser war komplett zugefroren, das Eis in den Armen und am Rande der Donau stellenweise einen Meter dick. Seit November war es beständig klirrend kalt. Im Jänner verstärkte der Südwind die Temperaturen von minus 20 Grad noch deutlich. „Mein Mann liegt mit einer Grippe im Bett, also übernehme ich den täglichen Kontrollgang zur Mühle. Noch nie waren die Straßen vormittags so menschenleer. Der Orther Hafen ist zugefroren, sodass ich übers Eis zur Mühle gehen kann. Ich will einen Stein vom Boden aufheben, er klebt fest. Auf der Mühle ist alles stabil, sie ist noch immer eingefroren, unser Kater läuft einstweilen am Eis zwischen dem Mühlrad herum. Ich sehe dem Wasser beim Frieren zu. Wie auch in den letzten Tagen beginnt es frühmorgens nach langer kalter Nacht. Ganz plötzlich steigt, oberhalb der Mühle bei der Schotterbank, Eis vom Grund her auf. Es nimmt Kiesel mit, schwimmende Steine treiben ständig unter der Mühle durch. Nachmittags, wenn die Sonne höher steht, hört es wieder auf. Die Eisfahne, die sich auf einem Viertel der Donau breit macht, bricht ab und verschwindet wieder.“ Die nächsten Tage blieben kalt. Die Schifffahrt war schon seit einem Monat eingestellt, die Stauräume zugefroren. Zum Glück war Niederwasser und die Eisschollen trieben nur langsam heran. Viele Tage hackten wir das Eis zwischen der Mühle und dem Ufer auf. Mit langen Stangen schoben wir die Eisschollen weiter. Kaum war alles frei, war schon die Nächste da. Anfang Februar war Tauwetter angesagt. Besonders fürchteten wir aber den Regen, der den ganzen Schnee der Berge im Nu herunterwäscht. Im Strom war das Eis zwar schon weg, aber in Seitenarmen und hinter Inseln war es immer noch einen Meter stark. Nur ein leichtes Ansteigen der Donau genügte, um das Eis in Bewegung zu setzen. Die Mühle musste so rasch wie möglich aus dem Strom manövriert werden. Doch alle Schiffe, die unsere Mühle schleppen konnten, steckten in der Eisdecke des Stauraumes von Wien fest. So blieb uns nur eines: Mühlfahren! „Wir wollen die Mühle die gut 300 Meter bis zu einem Nebenarm nur am Seil runterlassen. Wir hoffen sehr, dass sie dabei nicht ins Ufer fährt oder nach Haslau hinüber surft. Zehn Mann der Orther Feuerwehr helfen uns beim Mühlfahren. Zuvor müssen wir den Orther Altarm mit Motorsägen vom Eis freischneiden, damit die Schiffmühle dort Platz findet. Martin baut einen Behelfskran, damit er die zwei Tonnen schwere Brücke zum Ufer abwerfen kann. Es ist ein spannender Moment, auch für den Mühlenkater. Wie wird sich die Mühle verhalten? Wird sie durch die Strömung ins Ufer krachen? Nach den ersten Zentimetern zeigt sich, dass sich die Schiffmühle gut bewegen lässt, das Aussteuern mit den Seilen funktioniert gut. Die Feuerwehrmänner unterstützen das Manöver mit langen 140

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Mühlfahren für die Schiffmühle von Orth

Stangen. Langsam, Stück für Stück, lassen wir die Mühle über eine muskelkraftbetriebene Winde den Strom hinunter, immer in sicherer Verbindung mit dem Ufer. Nach acht Stunden Einsatz ist die Mühle sicher an ihrem Ziel angekommen. Ein nostalgisch anmutender Feuerwehrwagen zieht die Mühle vom Hauptstrom der Donau in den Nebenarm hinein, wo wir überwintern werden.“ Bereits zwei Tage später beobachteten wir das Abgehen von Eisplatten, so groß wie Fußballfelder. Bibic, der Mühlenkater, hatte sich mittlerweile an seine neue Umgebung gewöhnt, die Mühle ist ja die gleiche geblieben. Nur uns fehlten die Geräusche des Stromes, das Rauschen, das Quietschen der Zahnräder. Im Seitenarm mit seinem stillen Wasser blieb die Mühle stumm. Ende März ging es wieder zurück in die Donau. Wir orderten ein kleines Schleppschiff. Während des Manövers kam plötzlich starker Südwind auf. Beim Ablegen blies gerade eine starke Windböe an und die Schiffmühle schlitterte unsanft den Eisenponton entlang. Erneut verzögerte eine Böe die Abfahrt. Mit Schwung fuhr der Kapitän schließlich in die Donau hinaus. Ein völlig neues Gefühl war es für uns erstmals auf der nun fahrenden Schiffmühle zu sein.

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Wir verheften die Mühle wieder an ihrem Liegeplatz, richten die Schorbäume ein. Alles ist montiert, da beginnt die Donau von Neuem zu steigen.

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Literatur-, Quellen- und Kartenverzeichnis

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Literatur-, Quellen- und Kartenverzeichnis

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Verzeichnis der Kartenwerke

Folgende Kartenwerke des behandelten Donauabschnittes wurden zum Vergleich der Schiffmühlenhaftplätze herangezogen: Marinoni, J.: 1726–1728, Jagd Atlas Kaiser Karls VI – Neuer Atlas der Kayserlichen Wildban in Österreich unter der Ens „Josefinische Landesaufnahme“, 1773–1781 Kriegs-Charte des Erz- Herzogthum Oesterreich unter der Enns (in Sectionen) Franziszeische Landesaufnahme, 1809–1819 Karte von Christophorus Lorenzo, Die Niederösterreichische Donau-Stromkarte, 1816– 1819 Ritter von Pasetti, Karte des Donaustromes innerhalb der Staatsgrenzen des Österreichischen Kaiserstaates, 1859–1869 Administrativ-Karte von Nieder-Österreich, Verein für Landeskunde von Niederösterreich, 1867–1882 Schweickhardt, Franz Xaver Perspectiv-Karte des Erzherzogthums unter der Enns, 1830– 1846 Karte des Erz-Herzogthums Oesterreich ob- und unter der Enns, Generalquartiermeisterkarte Österreich 1813 Dritte Landesaufnahme, 1869–1887 Österreich – Originalaufnahmesektion 1:25:000 (alte österreichische Landesaufnahme 1:25:000), Grundkarte für Österreich Ungarn, Wien, Kartographisches, früher Militärgeographisches Institut, Bundesamt für Eich und Vermessungswesen, 1870–1947

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Verzeichnis der Kartenwerke

Dank an folgende Personen und Institutionen, die uns bei der Arbeit unterstützt haben:

Josef Aigner, Stadtmuseum Wienertor, Hainburg Dimitri Aldic Dr. Christian Baumgartner, Nationalpark Donau-Auen Familie Bichinger wHR Mag. Michael Duschanek, Niederösterreichische Landesbibliothek Helmut Ehgartner, Niederösterreichisches Landesmuseum Dr. Felix Ernst Mag. Zuzana Francová, Stadtmuseum Bratislava Mag. Reinhold Gayl Edith Hincicza Mag. Christian Huber Dr. Christopher Huber Otto Kellner, Österreichisches Staatsarchiv Franz Kern Ing. Franz Josef Kovacs Kulturabteilung, Land Niederösterreich, Hofrat Dr. Andreas Kusternig Kulturabteilung der Stadt Wien Dr. Christian Ehalt Anton Leidinger Familie Lindner Franz Lorenz, Heimatmuseum Fischamend Univ. Prof. Dr. Bernd Lötsch Anna Manzano, BA Mag. Carl Manzano

Marktgemeinde Orth an der Donau, Bürgermeister Johann Mayer OSR Dir. Reinhold Nothnagel, Schifffahrtsmuseum Spitz Mag. Elisabeth Nowak Dr. Ondrej Pöss, SNM, Museum der Kultur der Karpatendeutschen – Múzeum kultúry karpatských Nemcov Johannes Prischl Dr. Eva Reinhold-Weisz Manfred Rosenberger, MAS, MSc Kapitän Johann Schmitz Stadtgemeinde Hainburg, Bürgermeister Karl Kindl Annemarie Täubling, BA, Museum Orth Karl Walek, Stadtmuseum Wienertor, Hainburg Gertrud Windsteig Wirtschaftskammer Wien, Mag. Ulrike Majdan Therese Zöberl

Dank

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bILDNACHWEIS

Mag. Bergauer Sabine: S. 19 o. und u., S. 43, S. 47, S. 48 l. u. r. o., S. 54, S. 55, S. 58 o. und u., S. 62, S. 63 alle vier Abbildungen, S. 67, S. 68 o. und u., S. 69 l. und r. u. , S. 70, S. 81, S. 72, S. 73, S. 74, S. 76, S. 78 alle drei Abbildungen, S. 79, S. 80, S. 83, S. 86, S. 90 l. o. und r. u., S. 95 l. und r. o., S. 96 Mag. Gayl Reinhold: S. 104 r. o., S. 105 Haller Jakob: S. 65 Heimatmuseum Fischamend: S. 26 Horak Christian: S. 97 Horak Eva: S. 90 r. o., S. 92 l. u., S. 95 r. u., S. 96, S. 123 u. Dr. Hrauda Gabriele: S. 91, S. 104 l. o., S. 106, S. 117, S. 119 Dr. Huber Christopher: S. 8, S. 13, S. 20, S. 31, S. 39, S. 50, S. 52, S. 85, S. 91, S. 92 r. u., S. 93, S. 95 l. u., S. 99, S. 113, S. 121, S. 123 o., S. 124 o., S. 126, S. 127 r. o., S. 133, S. 134, S. 142, S. 150 Kern Franz: S. 25, S. 61, S. 88, S. 100, S. 114, S. 139, S. 141 Kovacs Franz Josef: S. 56, S. 131 Landesmuseum Niederösterreich: S. 118 Manzano Anna, BA: S. 109 NÖ Landesbibliothek: S. 16, S. 21, S. 26, S. 27, S. 29, S. 33, S. 36 Österreichisches Staatsarchiv: S. 18, S. 51 Private Sammlung Dr. Ernst Felix: S. 14 Private Sammlung Leidinger Anton: S. 124 Private Sammlung Familie Lindner: S. 44 Private Sammlung Dr. Pörner Christine: S. 135 Private Sammlung Johannes Prischl: S. 34 Sammlung Museum Schiffmühle: S. 15 o. und u., S. 22, S. 42, S. 102, S. 127 l. o. Sammlung Nationalpark Donau-Auen/ Dr. Baumgartner Christian: S. 137 Schifffahrtsmuseum Spitz an der Donau: S. 60 SNM -Museum der Kultur der Karpatendeutschen, Bratislava: S. 33 Stadtmuseum Wienertor Hainburg: S. 32, S. 38, S. 46, S. 125

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