Kunstwerk Computerspiel - Digitale Spiele als künstlerisches Material: Eine bildwissenschaftliche und medientheoretische Analyse [1. Aufl.] 9783839428245

»Computer Games as Works of Art« is the first well-founded aesthetic investigation of the computer game - a standard ref

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Kunstwerk Computerspiel - Digitale Spiele als künstlerisches Material: Eine bildwissenschaftliche und medientheoretische Analyse [1. Aufl.]
 9783839428245

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Vorwort
1. Einleitung
2. Künstlerische Computerspielmodifikation als Gegenstand
3. Methode
4. Forschungsüberblick zu künstlerischer Computerspielmodifikation
5. Bildwissenschaftliche Position: Das Computerspiel als Bildmedium
6. Medientheoretische Vertiefung: Das Computerspiel zwischen den Zuständen Transparenz und Opazität
7. Arsdoom: Künstlerische Neudekoration
8. QQQ: Verungegenständlichung der audiovisuellen Oberfläche
9. Super Mario Clouds: Das Computerspiel im Schwebezustand
10. Dead-in-iraq: Die Spielwelt als Bühne
11. SOD: Vom ungegenständlichen zum unspielbaren Spiel
12. Ergebnisse der Analyse der künstlerischen Computerspielmodifikationen
Literatur
Abbildungen
Zitierte Werke
Dank

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Stephan Schwingeler Kunstwerk Computerspiel – Digitale Spiele als künstlerisches Material

Image | Band 72

2014-07-29 09-19-18 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 03c0373034591302|(S.

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4) TIT2824.p 373034591310

Stephan Schwingeler (Dr. phil.) arbeitet als Kurator, Wissenschaftler und Dozent. Er leitet das GameLab der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe im Fachbereich Medienkunst. Als Kurator ist er u.a. verantwortlich für die Dauerausstellung »ZKM_Gameplay« im ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe.

2014-07-29 09-19-18 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 03c0373034591302|(S.

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Stephan Schwingeler

Kunstwerk Computerspiel – Digitale Spiele als künstlerisches Material Eine bildwissenschaftliche und medientheoretische Analyse

2014-07-29 09-19-18 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 03c0373034591302|(S.

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Mit freundlicher Unterstützung des ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe

Der Freundeskreis Trierer Universität e.V. hat die Arbeit mit dem Förderpreis für den wissenschaftlichen Nachwuchs ausgezeichnet. Das Manuskript zum vorliegenden Buch wurde 2012 als Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde des Grades Doktor der Philosophie am Fachbereich III der Universität Trier unter folgendem Titel angenommen: »Kunstwerk Computerspiel – Modifikation als künstlerische Strategie«. Die Dissertation wurde vorgelegt von Stephan Schwingeler, M.A. aus Aachen im Wintersemester 2012/2013, im September 2012. Erstgutachterin: Prof. Dr. Ulrike Gehring Zweitgutachter: Prof. Dr. Gottfried Kerscher Datum der mündlichen Prüfung: 10. April 2013

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: JODI: Untitled Game: CTRL-Space, Quake-Modifikation, 1998-2001, mit freundlicher Genehmigung von Joan Heemskerk und Dirk Paesmans. Lektorat & Satz: Stephan Schwingeler Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-2824-1 PDF-ISBN 978-3-8394-2824-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

2014-09-09 13-08-39 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 03be376675169928|(S.

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Inhalt

Vorwort von Peter Weibel | 9 Vorwort von Ulrike Gehring | 11 1.

Einleitung | 13

1.1

Historischer Abriss: Vorgeschichte künstlerischer Computerspielmodifikation | 14 Game Art vs. künstlerische Computerspielmodifikation | 17 Hauptthesen, Ziele und Fragestellung: Kunst mit Computerspielen zwischen Transparenz und Opazität | 21 Überblick der Analyse | 23

1.2 1.3 1.4 2.

Künstlerische Computerspielmodifikation als Gegenstand | 29

2.1 2.2 2.3 2.4

Das Medium des digitalen Spiels als künstlerisches Material | 30 Spiele und ihre Regeln | 39 Computerspielmodifikation | 53 Zusammenfassung von Kapitel 2 | 81

3.

Methode | 85

3.1 3.2 3.3

Überblick über Methoden in den Game Studies | 86 Vorgehensweise der Analyse | 87 Zusammenfassung von Kapitel 3 | 97

4.

Forschungsüberblick zu künstlerischer Computerspielmodifikation | 99

4.1

Gegenentwürfe: Künstlerische Computerspielmodifikation als Reaktion auf Mainstream-Computerspiele | 103 Relevante Positionen zu künstlerischer Computerspielmodifikation in chronologischer Betrachtung von 2001-2006 | 109 Konzeptualisierungen von Kunst mit Computerspielen | 121 Einsetzende Historisierung und systematische Aufarbeitung | 129 Zusammenfassung von Kapitel 4 | 131

4.2 4.3 4.4 4.5 5.

Bildwissenschaftliche Position: Das Computerspiel als Bildmedium | 135

5.1 5.2

Die Wende zum Bild in den Game Studies | 137 Charakteristika des Computerspielbildes | 140

5.3 5.4

Auditivität des Computerspiels als alternativer Zugang | 153 Zusammenfassung von Kapitel 5 | 154

6.

Medientheoretische Vertiefung: Das Computerspiel zwischen den Zuständen Transparenz und Opazität | 155

6.1 6.2 6.3 6.4

Kill Screen: Unsichtbares zeigt sich/Transparentes wird opak | 160 Oszillation von Medien zwischen Transparenz und Opazität | 162 Transparenz/Opazität als Schnitt- und Bruchstelle: Künstlerische Strategien der Computerspielmodifikation | 178 Zusammenfassung von Kapitel 6 | 181

7.

Arsdoom: Künstlerische Neudekoration | 183

7.1

Das prototypische Material künstlerischer Computerspielmodifikation: Doom | 187 Eindringen in die Räume der Kunst: Arsdoom | 196

7.2 8.

QQQ: Verungegenständlichung der audiovisuellen Oberfläche | 209

8.1 8.2

Kulissen im Netzwerk: Quake III Arena | 213 Störung der Bildmaschine: QQQ | 220

9.

Super Mario Clouds: Das Computerspiel im Schwebezustand | 229

9.1

Öffnung des Hintergrundes und Verschließen der Technik: Super Mario Bros. | 233 Hervorkehrung des Hintergrundes und Kultivierung der Leerstelle: Die Negation Super Mario Clouds | 243

9.2

10.

Dead-in-iraq: Die Spielwelt als Bühne | 265

10.1 10.2

Realweltliche Bezüge und ideologische Implikationen im Computerspiel am Beispiel von America’s Army | 271 Transformative Handlungen: dead-in-iraq | 283

11.

SOD: Vom ungegenständlichen zum unspielbaren Spiel | 295

11.1 11.2

Archetypus des Ego-Shooters: Wolfenstein 3D | 300 Das konkrete Computerspiel: SOD | 305

! 12.

Ergebnisse der Analyse der künstlerischen Computerspielmodifikation | 321

Literatur | 329 Abbildungen | 361 Zitierte Werke | 367 Dank | 371

Vorwort Peter Weibel

„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, schrieb Friedrich Schiller 1795 im 15. Brief der Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen. Computerspiele sind ein selbstverständlicher Bestandteil der digitalisierten Gesellschaft. Ausgehend von der großen kulturellen und wirtschaftlichen Wirkmacht der ‚Games‘ hat sich eine kulturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Computerspiel entwickelt, die über eine pädagogische Perspektive hinausgeht und nach ‚Bedeutungen‘ der Games in den Feldern Kunst, Kultur, Medien und Pädagogik fragt. Die sich ab ca. 1999 formierenden Game Studies nehmen Computerspiele als vielschichtige und ausdrucksstarke Artefakte wahr. In der Theoretisierung der digitalen Games spielte die Kunstwissenschaft bisher aber eine untergeordnete Rolle. Diese Lücke schließt Stephan Schwingeler mit seiner Arbeit, in der er die Kunstwissenschaft mit dem Diskurs über eine neue Gattung bereichert und die Potenziale des Computerspiels als künstlerisches Medium systematisch aufdeckt. Mit Kunstwerk Computerspiel liegt nun die erste fundierte kunstwissenschaftliche Untersuchung der Gattung Computerspiel vor – das Standardwerk zur Verbindung von Kunst und Computerspiel. Um 1995 haben KünstlerInnen das Computerspiel als künstlerisches Medium und Material entdeckt und die von Games ausgehenden kulturellen Einflüsse aufgegriffen und mittels anderer Medien verarbeitet. Als frühestes Beispiel einer künstlerischen Auseinandersetzung mit Computerspielen kann Orhan Kipcaks und Reinhard Urbans Computerspielmodifikation Arsdoom (1995) gelten, das im Auftrag und nach Ideen von mir für das Ars Electronica Festival in Linz 1995 entwickelt wurde. Unter dem Etikett der Game Art ist seitdem ein reicher Fundus an künstlerischen Arbeiten entstanden. Stephan Schwingelers Buch Kunstwerk Computerspiel – Modifikation als künstlerische Strategie untersucht den historisch ersten künstlerischen Zugang zu Computer-

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spielen: Durch Eingriffe in die vorgefundenen Games – durch medienkünstlerische Computerspielmodifikationen – entsteht das Kunstwerk Computerspiel. Der Zugang zu dem Material der Games lag zuallererst in ihrer Weiterverarbeitung und Appropriation. Mittels verschiedener Techniken gestalten oder programmieren KünstlerInnen Computerspiele um, nehmen also künstlerische Computerspielmodifikationen vor. Schwingelers Kunstwerk Computerspiel ordnet das Computerspiel als neues Medium kunsthistorisch, medientheoretisch und bildwissenschaftlich ein und zeigt die Materialeigenschaften sowie die Ästhetik der Spiele auf. Anhand der Analysen von fünf Kunstwerken werden die künstlerischen Strategien deutlich, die hinter den Umgestaltungen stehen: Es werden Regelwerk, Ziele, Input, Interface und Gameplay hinterfragt. Die visuelle Oberfläche der Spiele wird in Abstraktion überführt, so dass die in den Ausgangsspielen repräsentierten Objekte, Figuren und Architekturen bis zur Unkenntlichkeit verändert werden. Die KünstlerInnen entwickeln auf diese Weise Gegenentwürfe zu etablierten, kommerziellen Computerspielen. Im Computerspiel wird das statische Bild zu einem dynamischen Bildfeld. Das Bild wird zu einem Bildsystem, das sich variabel verhält, ein Ereignisfeld. Es verwandelt sich von einem statischen Fenster, durch das man auf die Welt blickt, in eine Tür, durch die der Beobachter in die Welt multisensorieller Ereignisfelder ein- und austreten kann. Die künstlerischen Gegenentwürfe verfolgen das Ziel, die apparativen, kodierten und medialen Bedingtheiten der Spiele sichtbar und bewusst zu machen. Sie entlarven die Illusionstechniken des Computerspiels, indem sie die grafischen Oberflächen, die räumlichen Konfigurationen und die physikalischen Simulationen verändern oder sogar zerstören. Sie brechen die hermetische Hülle der Apparate beziehungsweise die glatte, visuelle Oberfläche der Spiele auf und eröffnen Einblicke in die Konstruiertheit der Software. Durch die Analyse der Kunstwerke unter medientheoretischen und bildwissenschaftlichen Gesichtspunkten zeigt sich das Potenzial des Computerspiels, Kunstwerke hervorzubringen. Durch Stephan Schwingelers Dissertation wird eine neue Gattung in die Diskurse der Kunstgeschichte eingeführt. Schwingeler unterstreicht die Bedeutsamkeit des Mediums Computerspiel für die Kunstwissenschaft. Er zeigt das Defizit auf und füllt gleichzeitig die Leerstelle, indem er die medialen Eigenschaften des Computerspiels nicht nur in einem Nachschlagewerk identifiziert und gründlich aufarbeitet, sondern das Computerspiel gleichzeitig als künstlerisches Material und damit als neue Gattung im Kanon der Bildenden Künste überzeugend und kritisch identifiziert. Peter Weibel ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe

Vorwort Ulrike Gehring

Computerspiele werden eher als Spiele denn als Computerprogramme wahrgenommen. Ihrem Unterhaltungswert kommt eine größere Bedeutung zu als den technischen Voraussetzungen, die ihn hervorbringen. In der Folge gerät das Bild, welches die Handlung sichtbar macht und den implementierten Regeln eine Gestalt verleiht, aus dem Fokus der Aufmerksamkeit. Dieses Ungleichgewicht von Text und Bild konnten auch die Ende der 1990er Jahre aufkommenden Game Studies nicht kompensieren, die sich den inhaltlichen, kulturellen und kommunikativen Fragestellungen annahmen. Sie konzentrierten sich vor allem auf zwei Strömungen. Vertreten wurden diese einerseits durch Literatur- und Medienwissenschaftler, die für eine narratologische Untersuchung der Gameplays warben. Ihnen gegenüber standen andererseits namhafte Ludologen wie Espen Aarseth, die für eine grundsätzliche Revision des überkommenen Simulationsbegriffs plädierten. Dem Paradigma der Erzählung stand damit das Paradigma der Konstruktion gegenüber, ohne dass die Ästhetik des Bildes gewürdigt wurde. Genau diesem Desiderat widmet sich das vorliegende Buch, indem es Computerspiele aus kunsthistorischer Perspektive deutet und das zugrundeliegende Medium materialästhetisch analysiert. Die Erweiterung des klassischen Bilderkanons zielt dabei nicht auf die Nobilitierung einer ganzen Gattung. Vielmehr konzentriert sich der Autor auf kommerzielle Computerspiele, deren Software von Künstlern oder Künstlerinnen aus konzeptionellen Gründen verändert, erweitert oder zerstört wurde. Ein frühes Beispiel einer solcher Computerspielmodifikation findet sich bei Arsdoom (1995), einer von Orhan Kipcak und Reinhard Urban im Auftrag und nach Ideen von Peter Weibel (Ars Electronica) ausgeführten „künstlerischen Neudekoration“ (Schwingeler). In fünf aufeinanderfolgenden Analysen stellt der Autor die wichtigsten Strategien vor, im Rahmen derer künstlerisch motivierte Eingriffe am digitalen Material vorgenommen wurden. Die Veränderungen beziehen sich auf die Software, die Hardware und die Regeln der Spiele.

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Abhängig vom Modifikationsgrad verändert sich jedoch nicht nur das sichtbare Bild, sondern auch der Spielverlauf. Während geringfügige Eingriffe nur auf visueller Ebene sichtbar werden, führen Abwandlungen des Quellcodes zur Zerstörung des gegenständlichen Bildes. Insofern scheint es plausibel, wenn die wissenschaftliche Analyse ihren argumentativen Schlusspunkt in radikalen Modifikationen wie SOD (JODI, 1999) oder Untitled Game, Arena (JODI, 1998-2001) findet, die eine ‚unspielbare‘ Abfolge abstrakter Bilder ohne erkennbare Räume, Figuren oder Objekte präsentieren. In der Reduktion auf ein reinweißes Bild, verweist die Oberfläche auf die apparativen, kodierten und medialen Voraussetzungen, die Computerspiele sichtbar machen. Insofern zielt die Gestaltung der visuellen Oberfläche, der räumlichen Konfigurationen und physikalischen Simulationen nicht auf eine Zerstörung des Mediums, sondern auf die Visibilität tradierter Illusionstechniken. Modifikationen brechen die hermetische Hülle der technischen Apparate und die makellose ‚Oberfläche‘ von Spielen auf, um hintergründige Einblicke in die Struktur der Software zu gewähren. Das von Stephan Schwingeler vorgelegte Buch erschließt mit bildwissenschaftlichen Methoden und vor dem Hintergrund aktueller, medientheoretischer Überlegungen ein Genre, dessen künstlerisches Potenzial in der Folge nicht mehr geleugnet werden kann. Wie eng die digitalen Bilder mit der zeitgenössischen Kunstproduktion verknüpft sind, demonstriert die Lektüre dieses von den Game Studies und der Kunstgeschichte nicht mehr zu ignorierenden Nachschlagewerks. Der Blick auf das Computerspiel hat sich verändert. Ulrike Gehring Universität Trier

1. Einleitung

Seit 1995 ist zu beobachten, dass sich KünstlerInnen Computerspielen1 zuwenden, indem sie vorgefundene Games unter künstlerischen Vorzeichen umgestalten und diese als Material verwenden. Die vorliegende Publikation behandelt diese künstle-

1

Zur Begriffsbestimmung: Streng genommen ist ein Computerspiel nur ein Spiel, das auf einem Computer gespielt wird. Videospiele sind konsolenbasierte Spiele, die mittels Fernseher zur Anschauung gebracht werden. Arcadespiele werden häufig via Münzeinwurf auf Spielautomaten gespielt (‚Coin-Op‘), deren Formen und Größen sehr unterschiedlich sein können. Der allgemeinere Begriff Telespiel ist heute nicht mehr gebräuchlich. In der vorliegenden Arbeit werden alle diese Phänomene mit dem Oberbegriff Computerspiel oder synonym dazu digitales Spiel bezeichnet. Hier ist anzumerken, dass es auch analoge Computerspiele – etwa Tennis for Two (1958) – gibt. In dieser Publikation liegt der Fokus also auf digitalen Computerspielen. Andere Publikationen verwenden durchgängig den Terminus Videospiel, da dieser das Hauptaugenmerk auf die Visualität der Spiele lenkt und ihre apparatgebundene Rezeption an Bildschirmen jeglicher Art betont. Obwohl diese Arbeit ebenfalls die Bildlichkeit der Spiele fokussiert, wird den Bezeichnungen Computerspiel bzw. digitales Spiel der Vorzug gewährt, da der Begriff Videospiel korrekterweise Spiele auf Konsolen bezeichnet und dementsprechend besetzt ist. Eine neutralere Wendung ist der Begriff Bildschirmspiel, der nicht mit Konsolenspielen assoziiert wird, sondern auch Computerspiele einschließt. Im Englischen wiederum spricht man üblicherweise allgemein von video game, wobei in neueren Publikationen auch von videogame (in einem Wort) zu lesen ist. Wenn in dieser Arbeit von Game zu lesen ist, ist damit ausschließlich das kommerzielle Computerspiel als kulturindustrielles Produkt adressiert. Die Kunstwerke, die im Mittelpunkt der Analyse in der vorliegenden Arbeit stehen, werden nicht mit dem Begriff des Game bezeichnet. Vgl. Mertens/Meißner 2002, Newman/Simons 2004 sowie Malliet/De Meyer 2005.

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rischen Computerspielmodifikationen. Eine Computerspielmodifikation2 ist die veränderte Version eines bereits veröffentlichten, meist kommerziellen digitalen Spiels. Diese Arbeit untersucht die Phänomene der Computerspiele und ihrer künstlerischen Modifikationen aus einer bildwissenschaftlichen und medientheoretischen Sicht. Das Computerspiel wird in dieser Arbeit aus einer Perspektive betrachtet, die es zuvordererst als Bildmedium in den Blick nimmt. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, auf welche Weise KünstlerInnen Computerspiele verändern und welche Ergebnisse die Modifikationen bezogen auf das Ausgangsmaterial hervorbringen. Eine größere akademische Arbeit zu künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Medium des Computerspiels liegt bis dato nicht vor, wodurch die Relevanz der vorliegenden Publikation begründet ist. Als Vorspann und Einstieg in das Thema wird ein kurzer historischer Abriss vorausgeschickt, der die Entwicklung des Computerspiels (als gestaltbares Material) und den Eintritt des Mediums in den Kontext der Kunst skizziert.

1.1 H ISTORISCHER A BRISS : V ORGESCHICHTE KÜNSTLERISCHER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION Die Geschichte des Computerspiels beginnt mit einer Art Hack.3 Am Anfang steht die Zweckentfremdung eines Oszilloskops im Jahr 1958.4 Der Physiker William Higinbotham funktioniert dieses elektronische Messgerät in Verbindung mit einem Analogcomputer zur Darstellung eines Tennisspiels mit dem Namen Tennis for Two um. Ein paar Jahre später gibt es die ersten Computer an Universitäten. Das 1962 von Steve Russell auf einem PDP-1 am Massachusetts Institute of Technology (Cambridge, USA) entwickelte Actionspiel Spacewar! stellt ebenfalls eine Umnutzung und Zweckentfremdung dar. Der Computer PDP-1, auf dem das Spiel entstanden ist, war in erster Linie nicht zum Zweck des Spiels gedacht.

2

Im Jargon der Communities ist die Abkürzung Mod gebräuchlich. Modifikatoren werden Modder genannt, die Ausübung der Tätigkeit wird als Modding bezeichnet. Die größte Website bzgl. Modding bietet heute (28.08.2012) insgesamt 10.340 unterschiedliche Modifikationen (nur ‚Full Versions‘) von Computerspielen jeglicher Coleur zum Download an. Vgl. www.moddb.com [28.08.2012].

3

Im Jargonfile, einer Art Wörterbuch der Hackerszene, findet sich u.a. folgende Bedeutung für den Begriff Hack: „To interact with a computer in a playful and exploratory rather than goal-directed way“ (Raymond 2003, URL: http://www.catb.org/jargon/ html/index.html [02.05.2012]).

4

Vgl. Malliet/De Meyer 2005, S. 23.

E INLEITUNG

| 15

Spacewar! war maßgeblich durch den kreativen, spielerischen Umgang mit dem Computer motiviert.5 Besonders an die Entwicklung von Spacewar! knüpft sich eine erste Ausformulierung von Hacker-Ethik avant la lettre.6 Der Code von Spacewar! – der Kern des Programms – war frei zugänglich und begann, an Universitäten zu kursieren, so dass das Spiel prinzipiell von Jedem weiter- oder umprogrammiert werden konnte. Ausgehend von den ersten Experimenten der späten 1950er und frühen 1960er Jahre im Bereich des Computerspiels hat sich eine Computerspielindustrie entwickelt, die im Zuge ihrer Institutionalisierung und Professionalisierung den offenen Zugang zu Technik aus dem Grunde der Gewinnmaximierung verschlossen hat.7 Zu Beginn der 1990er Jahre erfährt das Computerspiel eine weitreichende Öffnung. Die Game Designer und Programmierer John Romero und John Carmack integrieren die Möglichkeit, das Spiel Doom (id Software, 1993) zu verändern und umzugestalten, grundsätzlich in der Software und veröffentlichen das Spiel als Shareware über das Internet. 1997 publizieren sie den Quellcode des Spiels.8 Von Doom ausgehend, entwickelt sich eine Szene von Hobbyprogrammierern, Amateuren, Fans und Liebhabern, die Computerspiele verändern und nach ihren Vorstellungen umgestalten und modifizieren. Ab 1995 wenden sich im Zuge dessen auch KünstlerInnen diesem neuen Material des Computerspiels zu. Für das Medienkunstfestival Ars Electronica produzieren die Architekten Orhan Kipcak und Reinhard Urban ein interaktives Werk.9 Das Ergebnis ist eine Umgestaltung und Umnutzung von Doom II, die den Titel Arsdoom trägt.

5

„It should demonstrate as many of the computer's resources as possible, and tax those resources to the limit; Within a consistent framework, it should be interesting, which means every run should be different; It should involve the onlooker in a pleasurable and active way – in short, it should be a game“ (Graetz 1981, URL: http://www.wheels.org/ spacewar/creative/SpacewarOrigin.html [06.01.2011]).

6

Claus Pias schreibt zu Spacewar!: „Spiele wie dieses [Spacewar!] galten im Sinne der Hacker-Ethik als prominente Beispiele einer Aneignung von hardwaregewordener Verwaltungstechnik an den Schaltstellen der Macht, als politische motivierte Ent- und Verwendung des Computers, als Demokratisierung von Arkanwissen und nicht zuletzt als ästhetisches Experiment in und mit einem neuen Medium“ (Pias 2005a, S. 221).

7

Vgl. Malliet/De Meyer 2005.

8

Der Quellcode des Spiels Doom ist am 23.12.1997 im Internet veröffentlicht worden. Vgl. die URL der Veröffentlichung http://www.doomworld.com/idgames/?id=8802 [19.01.2011] sowie den begleitenden Text (release notes) des Urhebers John Carmack: Carmack 1997, URL: ftp://ftp.idsoftware.com/idstuff/source/doomsrc.txt [03.05.2012].

9

Vgl. Jansson 2009b, URL: http://www.gamescenes.org/2009/11/interview-orphan-kip cak-arsdoom-arsdoom-ii-1995.html [02.05.2012]; vgl. Kipcak 1995a.

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Hier ist in aller Kürze ein Wechsel von Öffnen und Verschließen der Technik des Computerspiels skizziert worden, der die Geschichte des Computerspiels und den Eintritt in den Kontext der Kunst umreisst: „Die einst oppositionellen Computerspiele wurden also in den 1970ern selbst zu einer Institution, gegen die KünstlerInnen erst seit den späten 90er Jahren wiederum Verfahren der Appropriation und Umwidmung einzusetzen beginnen.“10

Computerspiele befinden sich ab diesem Zeitpunkt in einer Phase der Selbstbeobachtung und Selbstreflexivität, in der sie sich für künstlerische Experimente zu öffnen beginnen.11 Zahlreiche Ausstellungen, die sich seit 1999 Computerspielen und künstlerischen Auseinandersetzungen mit Computerspielen gewidmet haben, können dies untermauern.12

10 Pias 2005a, S. 239. 11 „Tatsächlich befindet sich das Computerspiel gemäß der Diktion von Lorenz Engell, der Medien in vier Phasen sich entwickeln sieht, in seiner vierten Phase, derjenigen der ‚verstärkten Selbstbeobachtung und Selbstreflexivität‘. Das Medium entwickelt ‚Zugriff auf sich selbst, auf seine vergangenen Entwicklungsphasen, auf das in ihrem Verlauf entwickelte Regelwerk etwa, und setzt sich selbst damit auseinander. In vielen Fä̈llen kommt es dabei z.B. zu einer Zeit der experimentellen Erprobung und Erweiterung der eigenen technischen, ästhetischen und pragmatischen Möglichkeiten. [...] ein Ästhetisierungsvorgang, der häufig als Avantgardebildung formalisiert wird. Die Öffnung des Mediums für die Kunst [...] ist etwa eine typische Verlaufsform, mit der die selbstreflexive Phase einsetzen oder sich vorbereiten kann“ (Hensel 2011a, S. 56. Lorenz Engell zitiert nach: Engell 2001, S. 52 und 54). Lorenz Engell unterscheidet vier Phasen medialer Entwicklung: 1. Spektakuläre Phase – 2. Phase des Selbstentzugs und Fremdorientierung: Fotografie orientiert sich an Malerei, Film orientiert sich am Theater, das Computerspiel orientiert sich am Film. – 3. Phase der Selbstverständlichkeit: Das Medium verschwindet aus dem Medium und verzichtet darauf, sich selbst zur Sprache zu bringen, indem es in ‚Transparenz‘ aufzugehen gedenkt. – 4. Phase der verstärkten Selbstbeobachtung und Selbstreflexivität, Selbstthematisierung, Selbstkritik, Avantgardebildung und Öffnung des Mediums für die Kunst. Vgl. Engell 2001. 12 Eine exemplarische Auswahl von Ausstellungen, die künstlerische Computerspiele und Computerspielmodifikationen gezeigt haben, sind z.B. Synreal in Wien (1999), Cracking the Maze (online, 1999), The Game Show (Mass MoCA, North Adams, 2001-2002), Games – Computerspiele von KünstlerInnen (Phoenix Halle, Dortmund, 2003), GameArt (Völklinger Hütte, 2003) oder Artgames (Ludwigforum, Aachen, 2005). Folgende miteinander verwandte Ausstellungen fanden als Ausstellungstrilogie im LABoral Centro im spanischen Gijón statt: Gameworld (2007), Playware (2007-2008) und Homo Ludens Lu-

E INLEITUNG

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1.2 G AME A RT VS . KÜNSTLERISCHE C OMPUTERSPIELMODIFIKATION Modifikationen von Computerspielen im künstlerischen Kontext können zu einem größeren Bereich gezählt werden, der von kuratorischer Seite mit dem Etikett Game Art versehen worden ist.13 Diese Bezeichnung wird in der folgenden Arbeit vermieden, was in den folgenden Ausführungen erläutert wird. Eine Definition von Game Art hat Matteo Bittanti versucht aufzustellen. Mit Game Art bezeichnet Bittanti jede Art von künstlerischem Ausdruck, in der digitale Spiele eine erhebliche Rolle spielen: „Game Art is any art in which digital games played a significant role in the creation, production, and/or display of the artwork. The resulting artwork can exist as a game, painting, photograph, sound, animation, video, performance or gallery installation.“

Ferner fügt er den Versuch einer Definition ex negativo hinzu: „It is true that Game Art often defines itself against commercial games. Its ambivalent nature lies in the fact that it both celebrates and condemns its source material.”14

dens (2008). Schon 1989 werden Computerspiele ausgestellt. Die von Rochelle Slovin kuratierte nicht-künstlerische, technik-historische Ausstellung Hot Circuits: A Video Arcade (06. Juni 1989 bis 20. Mai 1990) zeigte frühe münzbetriebene Spielautomaten im Museum of the Moving Image in New York. Zu den einzelnen o.g. Ausstellungen vgl. der Reihe nach: Jansson 2009a, URL: http://www.gamescenes.org/2009/11/interviewkonrad-becker-about-synreal-the-unreal-modification-1998.html [02.05.2012], Schleiner 1998, URL: http://switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/note.html [02.05.2012], Steward Heon 2001a, Baumgärtel 2003a; Kunde 2005, Grewenig et al. 2003, Berger/Dragona 2008, Slovin 2001. 13 Nach derzeitigem Wissensstand taucht der Begriff Game Art als kuratorisches Etikett erstmals im Jahr 2002 auf. Zum einen kuratiert Rebecca Cannon die Ausstellung Trigger: Game Art vom 14.-25. Mai 2002 in Melbourne, Australien. Zum Anderen verfasst Matteo Bittanti im selben Jahr den Essay [Fuori Gioco] Sconfinamenti videoludici (2002), in dem er den Begriff gebraucht (vgl. Bittanti 2002). Als Titel und als eine Art Label fungiert GameArt bei der gleichnamigen Ausstellung in der Völklinger Hütte in Völklingen bei Saarbrücken im Jahre 2003 (vgl. Grewenig et al. 2003). Ferner bezeichnet der Begriff Game Art im Kontext des Game Design die Umsetzung der Spielegrafik von der Entwurfszeichnung bis zum fertigen Produkt. Game Art umfasst dabei die klassischen Techniken der Bildenden Künste sowie Techniken der Computervisualistik. 14 Bittanti 2006, S. 9.

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Nach Bittanti können sich Künstler also aus dem gesamten Gattungsbereich und Fundus der Bildenden Kunst bedienen, um Game Art zu produzieren. Bittantis Game Art ist gattungs-, material-, medien- und technikunabhängig. Die einzige Einschränkung inhaltlicher Art bildet die Beobachtung, dass die Kunstwerke oft gegen kommerzielle Spiele und die Computerspielindustrie gerichtet sind bzw. diese kritisch hinterfragen.15 Ein weiterer Definitionsversuch stammt von Corrado Morgana, der das Genre noch weiter öffnet und (analoge) Spiele im Allgemeinen einbezieht: „Game Art does exactly what it says on the tin: it is art that uses, abuses and misuses the material and language of games, whether real world, electronic/digital or both. The imagery, the aesthetics, the systems, the software and the engines of games can be appropriated or the language of games approximated for creative commentary.“16

Diese Art der breiten Auffassung des Gegenstandsbereichs und damit einhergehende Generalisierung führen zu erheblichen methodischen Problemen. So stellt sich Game Art als ein heterogenes Feld von Artefakten dar, deren künstlerische Strategien und Techniken, Mittel, Medien und Materialien breit gefächert sind. Der Bereich lässt sich in drei Gruppen einteilen: Der ersten Gruppe gehören Adaptionen und Aneignungen der audiovisuellen Oberfläche der Spiele an, bei der eine nicht näher bestimmte ‚Computerspielästhetik‘ in Malerei, Graphik, Plastik, Fotografie, Film, Video, Performance etc. umgesetzt wird. Es handelt sich dabei um die Rezeption von Computerspielbildern und deren Umsetzung in anderen Medien und Gattungen der Bildenden Kunst. Hier bildet das Computerspiel das Sujet. Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um Ausdrucksformen, die ihren Ursprung unmittelbar im Bereich des Computerspiels haben, ohne selbst Computerspiele zu sein, wie etwa Machinima17 oder auch Demos18. Das Computerspiel

15 Ebd., S. 11. 16 Morgana 2010, S. 12. 17 Machinima sind mittels Computerspieltechnik in Echtzeit hergestellte Animationsfilme. Friedrich Kirschner definiert die Technik als „shooting film [...] in a realtime [...] 3d virtual environment“. Ferner führt er aus: „Cameras record the action going on. [...] [T]he time needed for the computer to transform the abstract data into a 3-dimensional visible representation is so little that you do not notice it. The whole calculation takes less than 1/10th of a second. Thus the term ‚realtime‘. [...] [T]he actors aren’t human, but virtual Avatars or Objects, controlled by user input or scripting and act in a virtual world that is simulated using a computer game.“ Vgl. Friedrich Kirschners private Website unter der URL: http://www.zeitbrand.de/machiniBlog/WhatIsMachinima.html [19.02.2012]. Machinima können entweder in Echtzeit innerhalb einer Spielumgebung oder als Video wie-

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nimmt im Falle von Machinima eher die Rolle eines Werkzeugs zur Herstellung eines Artefakts ein. Die dritte Gruppe umfasst alle Modifikationen (kurz Mods) und eigenständige Produktionen von Computerspielen (so genannte Art Games) unter explizit künstlerischen Vorzeichen. Die vorliegende Arbeit beschränkt den Gegenstandsbereich auf die Modifikationen vorgefundener Computerspiele – es ließe sich hier von Kunst mit Computerspielen sprechen. In diesem Fall bildet das Computerspiel selbst die künstlerische Gattung. Der Ansatz der Modifikation ist der „erste Versuch, sich dem Phänomen Computerspiel innerhalb seines Mediums zu nähern“.19 Der Gegenstandsbereich soll für die vorliegende Arbeit in Abgrenzung zu Bittantis und Morganas Game Art stark eingegrenzt werden und dementsprechend in der Analyse nur künstlerische Computerspielmodifikationen umfassen, wobei auch eigenständige künstlerische Produktionen von Computerspielen ausgeklammert bleiben.20

dergegeben werden. Das Ergebnis sind demnach audiovisuelle, lineare, nicht-interaktive Artefakte, die der Logik von Filmen oder Musikvideos mit linearer, meist narrativer Struktur folgen. Machinima sind aus Computerspielen hervorgegangen und dementsprechend in ihrer Technik und Ästhetik verwurzelt. Wird Machinima live in Echtzeit für ein Publikum aufgeführt, wird es in die Nähe der Darstellenden Kunst – dem Puppenspiel im Theater – gerückt. Vgl. einschlägig Lowood/Nitsche 2011. Vgl. darüber hinaus Heuer 2009 sowie anwendungsorientiert aus praktischer Sicht Marino 2004. 18 Demos sehen aus und klingen häufig wie Musikvideos, obwohl sie keine sind. Es handelt sich um Computerprogramme, die sich, wenn sie ausgeführt werden, als audiovisuelle, nicht-interaktive, lineare Artefekte zeigen, die in Echtzeit berechnet sind. Demos sind ausführbare Dateien. Vgl. zur so genannten Demoszene Botz 2011. 19 Gohlke 2003, S. 21 und 23. 20 Über künstlerische Produktionen von Computerspielen – Art Games–, die in den letzten Jahren verstärkt zu beobachten sind, lässt sich gewiss eine eigenständige größere akademische Arbeit anfertigen. Es ließe sich die These aufstellen, dass sich im Bereich künstlerischer Computerspielproduktion im Gegensatz zur Modifikation eine zweite Generation entwickelt, die weniger (mit teilweise aggressivem Impetus) gegen das Medium des Computerspiels arbeitet und sich die Spezifika der Gattung viel stärker in einer bereitwillig annehmenden Haltung zum künstlerischen Ausdruck zu Nutze macht, anstatt sich an ihnen abzuarbeiten. Art Games kultivieren weniger Inkohärenzen, Dysfunktionalitäten und Gegenstrategien als künstlerische Computerspielmodifikation um das Jahr 2000. Dies ist eine Hypothese, der in der vorliegenden Arbeit nicht nachgegangen wird. Beispiele für herausragende Protagonisten im Bereich der Art Games sind z.B. das Künstlerpaar Tale of Tales (Auriea Harvey, *1971; Michaël Samyn, *1968), Jason Rohrer (*1977) oder auch Bill Viola (*1951), der sich der Gattung des Computerspiels mit einem Projekt namens The Night Journey (in Entwicklung) gewidmet hat. Das Projekt geht bis

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Abb. 1: Super Mario Bros. (Nintendo, 1985) und Super Mario Clouds (Cory Arcangel, 2002-2009) Ein erstes Beispiel aus dem Bereich der künstlerischen Computerspielmodifikation kann die Haltung von KünstlerInnen gegenüber dem Ausgangsmaterial des kommerziellen Computerspiels illustrieren und zu den Hauptthesen der Arbeit überleiten. Das Kunstwerk Super Mario Clouds (2002-2009) des amerikanischen Künstlers Cory Arcangel (*1978) (Abb. 1) basiert auf dem Videospiel Super Mario Bros. (Nintendo, 1985). In diesem Game muss eine Spielfigur laufend und springend von links nach rechts durch einen Parcours aus Hindernissen und gegnerischen Figuren gesteuert werden. In der Veränderung des Ausgangsmaterials – der Computerspielmodifikation – sind nun nur noch die Wolken zu sehen, die im Ausgangsmaterial den hellblauen Hintergund beleben und diesem Atmosphäre verleihen. Die Bildelemente, die mit ihren Funktionen das eigentliche Spiel konstituieren, sind nicht mehr zu sehen. Das Spiel lässt sich nicht mehr bedienen, da alle interaktiven, steuerbaren Elemente aus dem Bild gelöscht sind. Dies macht Super Mario Clouds zu einem paradoxen Artefakt: Es handelt sich weder um ein statisches Bild, noch um ein Video o.ä. Es handelt sich immer noch um ein durch ein Computerspiel prozessual hervorgebrachtes, technisches Bild, dem die Möglichkeit zur Steuerung eingeschrieben ist, sich aber seiner Bedienung entzieht. Es handelt sich um ein in sich widersprüchliches, unspielbares Spiel, das das Medium des Computerspiels in seinen Grundzügen medienreflexiv auslotet und kritisch hinterfragt.

auf das Jahr 1998 zurück; erste konkrete Konzepte entstehen 2005. Vgl. zu den hier aufgeführten KünstlerInnen der Reihe nach: Harvey/Samyn 2006, URL: http://auriea.org/ data/static/RAM.pdf [03.05.2012], Schwingeler 2010, URL: http://www.nextlevelconference.org/#/archives/2635 [03.05.2012]; Fullerton 2009, Corcoran 2010.

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1.3 H AUPTTHESEN , Z IELE UND F RAGESTELLUNG : K UNST MIT C OMPUTERSPIELEN ZWISCHEN T RANSPARENZ UND O PAZITÄT Ausgehend von einer ersten Skizze des Gegenstandes anhand von Super Mario Clouds lassen sich folgende Thesen formulieren: Die Künstlerinnen und Künstler, die mit Computerspielen arbeiten, entwickeln Gegenentwürfe zu etablierten Formen kommerzieller Computerspiele und zielen dabei auf ein Bewusstmachen ihrer apparativen, kodierten und medialen Bedingtheit, indem sie die Spiele verfremden, stören und versperren.21 Als Medium strebt das Computerspiel nach größtmöglicher Unmittelbarkeit. Die Tatsache, dass sich SpielerInnen während des Spielvollzugs in eine komplizierte, apparative Anordnung begeben, die beispielsweise aus einem Computer, einer Maus, einer Tastatur und einem Bildschirm besteht, auf dem sich durch Prozesse der Berechnung technische Bilder materialisieren, soll Rezipienten idealiter nicht bewusst werden und ausgeblendet bleiben. Die apparativen und medialen Bedingungen des Computerspiels – die Prozesse der Berechnung und Vermittlung – sollen möglichst unsichtbar bleiben. Die SpielerInnen sollen in eine transparente Spielwelt blicken. Eine Grundhaltung künstlerischer Computerspielmodifikation ist, diesem Transparenzstreben des Computerspiels entgegenzuwirken und die Durchsicht auf die Spielwelt zu trüben (medientheoretisch: die Transparenz in einen Zustand der Opazität zu verstellen). Künstlerische Computerspielmodifikationen entlarven so die Illusionstechniken des Computerspiels, indem sie die grafischen Oberflächen, die räumlichen Konfigurationen und die physikalischen Simulationen verändern oder sogar zerstören, indem sie diese etwa in Abstraktion überführen oder grafische Fehler integrieren. Sie brechen die hermetische Hülle der Apparate beziehungsweise die glatte, visuelle Oberfläche der Spiele auf und eröffnen damit Einblicke in die Gemachtheit der Spiele. Das ambivalente Moment der Kunstwerke liegt oft darin,

21 Damit unterscheiden sich künstlerische Computerspielmodifikationen von Modifikationen, die von Fans erstellt werden (vgl. Kap. 2.3.3). Diese sind viel eher der Kohärenz hinsichtlich des Ausgangsmaterials verpflichtet: „Diese [künstlerischen] Modifikationen führen die Prämissen der Originalspiele zum Teil bis zur vollkommenen Absurdität zuende oder widersprechen ihnen explizit. Dadurch unterscheiden sie sich auch von den meisten Modifikationen, die von Fans erstellt wurden. Diese begnügen sich in der Regel mit einer ‚Neudekoration‘ der vorgefundenen Strukturen, während die Künstler sehr viel weitergehende Veränderungen vornehmen, die zum Teil dazu führen, dass die Spiele vollkommen unspielbar werden“ (Baumgärtel 2003b, URL: http://www.medienkunstnetz.de/ themen/generative_tools/game_art/scroll/ [14.08.2012]).

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dass sie sich eines dezidiert interaktiven Mediums bedienen und die Eingriffsmöglichkeiten der SpielerInnen und User beschränken, was im Extremfall zu dem Paradoxon des unspielbaren Spiels führen kann. Unspielbare Spiele sind zweckentfremdete Computerspiele: Audiovisuelle Artefakte, die, obwohl sie per definitionem interaktiv sind, nicht mehr erwartungsgemäß oder gar nicht mehr auf die Eingaben der User reagieren. Es handelt sich dabei weder um Videos, noch um anders geartete lineare Medienformen, sondern immer noch um Computerspiele, die sich allerdings in einer Art Schwebezustand befinden. Das Computerspiel wird damit in einen veränderten Kontext gestellt, indem es seines eigentlichen Zwecks beraubt wird. Damit treffen die KünstlerInnen generelle Aussagen über das umstrittene Konzept von Interaktivität, indem sie aufzeigen, dass es sich dabei um eine illusorische Technik handelt, die am ehesten als ein kybernetischer Regelkreis zu beschreiben ist, der stets zwischen Aktion des Users und Reaktion des Computers und seiner Programme hin- und herschaltet.22 Sie thematisieren damit grundlegende Fragestellungen nicht nur der Gestaltung von Computerspielen im Sinne eines der Fotografie und dem Film nacheifernden Hyperrealismus23, sondern dem generellen Verhältnis zwischen Mensch und Computer sowie dessen Verwendung. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, Ansätze künstlerischer Computerspielmodifikationen zu identifizieren und die künstlerischen Strategien sichtbar werden zu lassen, mit denen KünstlerInnen Computerspiele modifizieren. Die zentralen Fragen

22 Ein Irrtum im Hinblick auf Computerspiele sowie Neue Medien ist die generelle Annahme, dass Interaktivität breite Handlungsmöglichkeiten für die User bereit halte und diese aktiv und frei mit den Artefakten umgehen könnten. Lev Manovich geht gar so weit, Interaktivität nicht als zentrales Prinzip von Neuen Medien zu definieren, da es auch auf andere Medien zutrifft: „I find the concept to be too broad to be truly useful. Used in relation to computer-based media, the concept of interactivity is a tautology. Modern humancomputer interface (HCI) is by its very definition interactive. [...] All classical, and even more so modern art, was already ‚interactive‘ in a number of ways. Ellipses in literary narration, missing details of objects in visual art and other representational ‚shortcuts‘ required the user to fill-in the missing information“ (Manovich 2001, S. 70f.). 23 Computerspiele sind – neben der Filmindustrie – ein Impulsgeber und treibende Kraft in der Weiterentwicklung digitaler Bildlichkeit und eines spezifischen Hyperrealismus, der die Simulation eines fotografischen Realismus anstrebt: „Insbesondere die Spiele- und Kinoindustrie, die auf beweglichen und interaktiven Animationen beruhen, sind die technologischen Schrittmacher dieser digital erzeugten Bildformate“ (Bruhn et al. 2005, S. 13). Horst Bredekamp hat bemerkt: „Gleichwohl gehören die mimetischen Fähigkeiten von Computerspielen zu den bedeutendsten kulturellen Verschichtungen der jüngsten Zeit“ (Bredekamp 2008, S. 366).

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lauten dementsprechend: Auf welche Art und Weise verwenden KünstlerInnen Computerspiele als Material, wie verändern sie kommerzielle Computerspiele und welche Ergebnisse haben die Modifikationen?

1.4 Ü BERBLICK

DER

A NALYSE

Die Kapitel 2-6 stellen das theoretische Fundament der Arbeit her, während in den Kapiteln 7-11 fünf ausführliche Einzelananlysen ausgewählter, prototypischer Computerspielmodifikationen durchgeführt werden. In den Kapiteln 7-11 werden folgende Kunstwerke vor dem Hintergrund der Erkenntnisse und Ergebnisse aus Kapitel 2-6 analysiert: Arsdoom (Orhan Kipcak, Reinhard Urban, 1995), QQQ (Tom Betts, 2002), Super Mario Clouds (Cory Arcangel, 2002-2009), dead-in-iraq (Joseph DeLappe, 2006-2011) und SOD (JODI, 1999). Die vorliegende Arbeit beginnt mit einer detaillierten Bestimmung des vielschichtigen Gegenstandsbereichs in Kapitel 2, um grundsätzliche Voraussetzungen zum Verständnis des Mediums herzustellen, das KünstlerInnen als Material verwenden. Dabei stehen unterschiedliche Facetten des Gegenstandes der künstlerischen Computerspielmodifikation im Mittelpunkt. Zunächst wird das Computerspiel als Medium entworfen, das KünstlerInnen wiederum als Material der Veränderung durch Weiterverarbeitung dient (2.1). In Kapitel 2.1 werden grundsätzliche Definitionen, Positionen und Abgrenzungen geschaffen. Kapitel 2.2 bringt spieltheoretische Grundlagen in die Arbeit ein und nimmt Computerspiele zuvordererst als Spiele in den Blick, da sie nicht hinreichend als Medien zu beschreiben sind. Kapitel 2.2 schafft somit die theoretischen und begrifflichen Voraussetzungen, die spielerische Seite der Kunstwerke zu analysieren. Kapitel 2.3 widmet sich dem Phänomen der Computerspielmodifikation. Zunächst wird in einem historischen Abriss dargestellt, wie sich die Praxis der Computerspielmodifikation zu einem wesentlichen Bestandteil von Computerspielkultur entwickelt hat (Kap. 2.3.1-2.3.3). Davon ausgehend wird die Technik der Computerspielmodfikation betrachtet und es werden drei Ansatzpunkte identifiziert, an denen KünstlerInnen Eingriffe in die Strukturen der Games vornehmen können (Kap. 2.3.4). Bei den drei Ansatzpunkten handelt es sich um die Software, die Hardware und die Spielregeln der Games. Damit sind die spezifischen Materialeigenschaften des Computerspiels identifiziert. Es zeigt sich, dass die verschiedenen Ansatzpunkte eng miteinander in Verbindung stehen und die Veränderung eines Parameters Auswirkungen auf das gesamte Spielsystem haben kann. Mit der Feststellung, dass Computerspiele veränderbar sind und daher als künstlerisches Material dienen können, ist die Gegenstandsbestimmung abgeschlossen.

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Kapitel 3 bestimmt die angewandte Methode und legt die Vorgehensweise der Analyse der Kunstwerke fest. Nach einem Überblick über die Methoden der Game Studies (Kap. 3.1) und einer Diskussion derselben wird festgestellt, dass die vorgeschlagenen Verfahren der Computerspielanalyse innerhalb der Game Studies Computerspiele zwar aus unterschiedlichen Teilperspektiven betrachten, ihre spezifische Bildlichkeit aber vernachlässigen (Kap. 3.2.1). Aus diesem Defizit wird die bildwissenschaftliche Position der vorliegenden Arbeit abgeleitet. Es wird zudem argumentiert, dass die Analyse der Kunstwerke nur vor dem Hintergrund der Kenntnis des Ausgansgsmaterials erfolgen kann und daher für ein Vorgehen in zwei Schritten plädiert: Zuerst wird das kommerzielle Game einer eingehenden Betrachtung unterzogen, das die Basis der Modifikation bildet, um die Ergebnisse und Konsequenzen der künstlerischen Veränderungen dann darauf beziehen zu können (Kap. 3.2.2 und 3.2.3). Kapitel 4 bietet einen Forschungsüberblick, innerhalb dessen die wichtigsten Thesen und Positionen zum Gegenstandsbereich der künstlerischen Computerspielmodifikation zum Thema werden. Der historische Überblick beginnt in Kapitel 4.1 mit der Aufstellung von Thesen, die im Einzelnen lauten: Künstlerische Computerspielmodifikationen lassen sich als Gegenreaktion auf die Computerspielindustrie verstehen. Die künstlerischen Computerspielmodifikationen dringen in die Strukturen der Games ein und bringen Unsichtbares zum Vorschein (z.B. die verborgene algorithmische Unterfläche des Computerspielbildes). Erst der Zugang zu dem Computerspiel als Material bedingt eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Medium. Die Strategien des Eingriffs, der Umnutzung und Zweckentfremdung sind mit subversiven künstlerischen Strategien wie dem Détournement verwandt. Die Hacker-Ethik der 1960er und 70er Jahre kann mit den Modifikationen in Verbindung gebracht werden. Durch die Auswertung und Lektüre einschlägiger Publikationen, die sich dem Gegenstandsbereich der künstlerischen Computerspielmodifikation widmen, lässt sich in Kapitel 4.2 zeigen, dass sich die in Kapitel 4.1 aufgestellten Thesen bestätigen lassen. In Kapitel 4.3 werden verschiedene Konzeptualisierungen von Kunst mit Computerspielen vorgestellt, die das Phänomen beschreibbar machen. Das Hauptaugenmerk von Kapitel 4.3 liegt auf dem Konzept des Countergaming, dass sich für die Analyse der Kunstwerke als nützlich erweist. Alexander Galloway hat mit seinem Konzept des Countergaming verschiedene künstlerische Strategien identifiziert, mit denen KünstlerInnen Gegenentwürfe zu konventionellen Computerspielen erstellen. Dazu gehören die Hervorkehrung der apparativen Strukturen des Computerspiels, formalästhetische Experimente auf der audiovisuellen Ebene, die Verschiebung physikalischer Gesetzmäßigkeiten in den Simulationen der Spiele, die Versperrung von Interaktivität und die Durchführung nicht-spielkonformer Handlungen. Der Forschungsüberblick schließt in Kapitel 4.4 mit der Feststellung, dass eine Historisierung des Themengebietes

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einsetzt. Die vorliegende Arbeit ist entsprechend kunsthistorisch ausgerichtet und fokussiert Kunstwerke aus einer retrospektiven Sicht. Kapitel 5 knüpft an die methodischen Ausführungen in Kapitel 3 an. In Kapitel 5 wird das Computerspiel als Bildmedium konturiert, das sich als und durch Bilder zeigt. Damit wird dem Defizit der vorgeschlagenen Methoden der Computerspielanalyse Rechnung getragen und der Gegenstandsbereich wird für eine bild- und kunstwissenschaftliche Analyse geöffnet sowie theoretisch vertieft. Die spezifischen Eigenschaften der Computerspielbilder stehen dabei im Mittelpunkt der Betrachtungen. Computerspielbilder werden als steuerbare, doppelte Bilder adressiert, die eine sichtbare Oberfläche und eine verborgene, algorithmische Unterfläche haben. Kapitel 6 bringt schließlich das Begriffspaar Transparenz und Opazität in die Arbeit ein und spannt damit einen gemeinsamen bild-/kunstwissenschaftlichen sowie medientheoretischen ‚Rahmen‘ auf. Mit Transparenz und Opazität lässt sich das Wechselspiel erklären, inwieweit Medien im Prozess der Vermittlung in Transparenz verschwinden, im Zuge dessen aber immer wieder opak auf sich selbst verweisen. Das Begriffspaar wird zu einem zentralen analytischen Instrument vor dem Hintergrund der These, dass KünstlerInnen der angestrebten Transparenz des Computerspiels Opazitäten entgegen setzen. Im analytischen Teil der Arbeit (Kap. 7-11) werden fünf Kunstwerke untersucht: Arsdoom (Orhan Kipcak, Reinhard Urban, 1995, Kap. 7), QQQ (Tom Betts, 2002, Kap. 8), Super Mario Clouds (Cory Arcangel, 2002-2009, Kap. 9), dead-iniraq (Joseph DeLappe, 2006-2011, Kap. 10) und SOD (JODI, 1999, Kap. 11). Die exemplarisch ausgewählten Kunstwerke, die im Mittelpunkt der Einzelanalysen in dieser Arbeit stehen, repräsentieren jeweils andere Arten der Modifikation von Software, Hardware und Spielregeln. Sie sind zudem mit unterschiedlichen Techniken der Computerspielmodifikation hergestellt. Die Kunstwerke basieren ferner auf Ausgangsmaterial, das sich hinsichtlich der computerspielhistorischen Einordnung maßgeblich unterscheidet (Super Mario Bros., 1985 vs. Wolfenstein 3D, 1992). Es handelt sich um jeweils andere Arten des Computerspielbildes und des Computerspieldispositivs. Die getroffene Auswahl gibt so einen umfassenden Überblick über die Strategien der künstlerischen Computerspielmodifikation. Bei dem modifizierten Augangsmaterial handelt es sich in chronologischer Reihenfolge des Erscheinens um die kommerziellen Computerspiele Super Mario Bros. (Nintendo, 1985 – Super Mario Clouds), Wolfenstein 3D (id Software, 1992 – SOD), Doom II (id Software, 1994 – Arsdoom), Quake III Arena (id Software, 1999 – QQQ) und America’s Army (MOVES Institute, ab 2002 – dead-in-iraq) (Die Kunstwerke sind den Games in Klammern beigeordnet). Hier ist auffällig, dass die Hälfte der Games von dem amerikanischen Softwarehersteller id Software stammt. Dies hängt damit zusammen, dass id Software, die Game Engines und die Source Codes ihrer Spiele für Modifikationen öffentlich zur Verfügung stellt. Dies verweist

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auf die Tatsache und gleichzeitig auf das Problem, dass das Computerspiel nur als künstlerisches Material verwendet werden kann, wenn es den KünstlerInnen zugänglich gemacht wird. Im Falle von id Software haben die KünstlerInnen konkreten Zugang zu der Technik der Spiele erhalten. Andere beliebte Spiele bei KünstlerInnen sind beispielsweise die Games der Unreal-Reihe (Epic Games, ab 1998), deren künstlerischen Modifikationen gar die erste Ausstellung im Bereich der künstlerischen Auseinandersetzungen mit Computerspielen gewidmet worden ist.24 Die ausgewählten Kunstwerke erfüllen zudem folgende vier Kriterien, die sie für umfassende Einzelanalysen zugänglich machen. Alle Kunstwerke basieren – erstens – auf Computerspielen und/oder finden im Medium des Computerspiels statt. Es handelt sich um Software, die Prozesse auf (bestimmter) Hardware auslöst. Dieses Kriterium der Auswahl bezieht sich auf die intrinsischen medialen Charakteristika der Arbeiten selbst. Weitere Kriterien sind sowohl institutioneller als auch extrinsischer Natur: Alle Arbeiten waren – zweitens – Teil einer oder mehrerer Ausstellungen und zu einer der Ausstellungen ist – drittens – ein Katalog oder eine ähnliche Publikation in gedruckter Form erschienen. Schließlich erfolgt – viertens – eine zeitliche Einordnung: Die Kunstwerke stammen alle aus einem Zeitraum von 1995 bis zum Zeitpunkt des Beginns der Schriftlegung der Arbeit im Jahr 2010. Es ist zu bemerken, dass eine tendenzielle, retrospektive Orientierung an der Ausstellung Games – Computerspiele von KünstlerInnen (Hartware Medienkunstverein, Phoenix Halle, Dortmund, 11.10.-30.11.2003) erfolgt, die den großen Bereich der künstlerischen Auseinandersetzung mit Computerspielen erstmals einem größeren deutschsprachigen Publikum – auch außerhalb von Medienkunst-Szenen, Gaming-

24 Die Ausstellung Synreal – The Unreal Modification fand vom 26.05.-31.05.1999 im damaligen Institut für Neue Kulturtechnologien im Museumsquartier (Museumsplatz 1) in Wien statt. Dabei handelt es sich um die erste, dem Verfasser bekannte, Gruppenausstellung, die künstlerische Computerspielmodifikationen versammelt hat. Die Ausstellung präsentierte insgesamt 15 Computerspielmodifikationen des Games Unreal (Epic Games, 1998) von Axel Stockburger, Basicray, Dextro, fuchs-eckermann (Mathias Fuchs, Sylvia Eckermann), Glow, JODI, Margarete Jahrmann, Kandyman, Max Moswitzer, Robert Adrian X, August Black, Markus Seidl, Synreal t0 und Vuk Cosic. Vgl. zur Ausstellung Synreal ein Interview mit dem Kurator Konrad Becker: Jansson 2009a, URL: http://www.gamescenes.org/2009/11/interview-konrad-becker-about-synreal-the-unrealmodification-1998.html [29.03.2012]. Im Titel des Interviews gibt Mathias Jansson das Jahr der Ausstellung mit 1998 an; sie hat aber vom 26. Mai bis 31. Mai 1999 stattgefunden. Die Ausstellung Synreal ist dokumentiert unter der URL: http://synreal.netbase.org/ [10.03.2012].

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Communities oder kuratorischer Kreise – vorgestellt hat.25 Die Ausstellung zeichnete sich zudem durch eine klare kuratorische Ausrichtung auf künstlerische Computerspielmodifikationen und weniger auf den größeren Bereich der Game Art aus. Sowohl QQQ als auch Super Mario Clouds und SOD waren dort ausgestellt. Die ausgewählten Kunstwerke repräsentieren prototypisch eine jeweils andere künstlerische Strategie, mit dem Medium des Computerspiels als Material umzugehen: Arsdoom zeigt den historisch ersten Ansatz der ‚Neudekoration‘, der eng mit der aus Fankreisen diffundierten Technik und kulturellen Praxis des Modding verbunden ist und bildet damit den logischen, historischen Einstieg in die Analyse (Kap. 7). QQQ steht für die Abstraktion des Ausgangsmaterials und legt das Augenmerk auf die Inszenierung der Bildlichkeit des Kunstwerks (Kap. 8). Super Mario Clouds ist ebenfalls der abstrahierenden Computerspielmodifikation zuzuordnen, zeigt aber durch Reduktion des Materials eine stärkere Tendenz, das Computerspiel in einen anderen Modus der Reaktionslosigkeit und damit – letzlich – in Unspielbarkeit zu überführen (Kap. 9). Im Gegensatz zum Ansatz der Neudekoration, der audiovisuelle Daten zu den Bild- und Spielwelten hinzufügt, ist die Abstraktion eher durch Wegnahme von Daten und Informationen geprägt. Dead-in-iraq zeigt besonders deutlich die künstlerischen Möglichkeiten, die durch Handlungen und Peformances innerhalb der Bild- und Spielwelten eröffnet werden und hinterfragt auch die politischen und damit ideologischen Implikationen des Mediums am Beispiel des Ausgangsmaterials America’s Army (Kap. 10). Im Vergleich zu den anderen Kunstwerken handelt es sich bei dead-in-iraq nicht um eine direkte (technische) Modifikation des Ausgangsmaterials, sondern um eine Beugung der Spielregeln durch das Verhalten des Spielers innerhalb der Spielwelt. Anhand von SOD lassen sich schließlich die Strategien künstlerischer Computerspielmodifikationen zusammenfassend zeigen (Kap. 11): SOD ist nahezu ein unspielbares Spiel, ein paradoxes Artefakt, das den medienkünstlerischen Zugang zu dem Material in einer extremen Ausrichtung vorführen kann. Auch Super Mario Clouds ließe sich dieser Form der künstlerischen Computerspielmodifikation zuordnen, weist aber den wichtigen Unterschied auf, dass das Kunstwerk keine Handlungsangebote an SpielerInnen bereit hält: In der Ausstellungssituation wird es nur betrachtet, eine Benutzung ist nicht vorgesehen. SOD hingegen ist eine interaktive Arbeit, die Handlungsangebote bereit hält, diese aber in der Benutzung unterläuft. Den argumenativen Schlusspunkt der vorliegenden Arbeit bildet das Beispiel Arena (JODI, aus der Serie Untitled Game, 1998-2001), das fast ausschließlich ein weißes

25 Im Vorwort des Katalogs bemerken die Gründer des Hartware Medienkunstvereins defensiv: „Um es vorab gleich klarzustellen: Wir hatten bis dahin so gut wie keine ‚leibhaftigen‘ Erfahrungen mit Computerspielen“ (Baumgärtel 2003a, S.7).

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Bildfeld zeigt und sich einer sinnvollen Verwendung als Computerspiel vollständig entzieht (Vgl. Abb. 2). Damit endet die Analyse mit einem Beispiel für ein unspielbares Spiel, das die Wesenszüge des Mediums Computerspiel in seinen Grundzügen in extremer Form auslotet und im selben Maße ausstellt. Kapitel 12 fasst schließlich die Ergebnisse der Analysen zusammen.

Abb. 2: Das Verschwinden des Bildes: Arena aus der Serie Unitled Game (JODI, Joan Heemskerk und Dirk Paesmans, 1998-2001) als Schlußpunkt der Argumentation.

2. Künstlerische Computerspielmodifikation als Gegenstand

Im folgenden Kapitel wird der Gegenstand der Studie vorgestellt. Es handelt sich dabei um künstlerische Computerspielmodifikationen, Kunstwerke also, die Computerspiele als Material verwenden. In einer Arbeit über Malerei, Skulptur oder auch Videokunst ist eine Einführung in einem solchen Maße nicht notwendig, da die spezifischen (medialen und auch technischen) Eigenschaften der genannten Gattungen in ihren Grundzügen als bekannt vorausgesetzt werden dürften. Dies verhält sich anders, wenn Computerspiele und ihre Modifikationen behandelt werden. Computerspiele im Allgemeinen sind in der Kunstwissenschaft – trotz erheblicher bildwissenschaftlicher Relevanz – ein Gegenstand, der bis dato außerhalb des Kanons steht und nur in Ausnahmen eine dezidiert kunst- bzw. bildwissenschaftliche Betrachtung erfahren hat.26 Das folgende Kapitel gliedert die einzelnen Facetten des vielschichtigen Gegenstands der künstlerischen Computerspielmodifikation nacheinander auf und nimmt grundsätzliche Begriffsbestimmungen, Abgrenzungen und Definitionen im Hinblick auf Computerspiele, Spiele und Computerspielmodifikationen vor. In Kapitel 2.1 wird zunächst das Computerspiel als Medium konturiert, das KünstlerInnen wiederum als Material zur Weiterverarbeitung – Modifikation – dienen kann. Davon ausgehend wird das Ausgangsmaterial des Computerspiels als Spiel entworfen, da es nicht hinreichend als Medium beschreibbar ist (Kap. 2.2). Kapitel 2.3 präzisiert den Begriff der Computerspielmodifikation, der gleichsam Technik, Tätigeit und Artefakte und somit einen spezifischen Umgang mit Computerspielen bezeichnet, der unter künstlerischen Vorzeichen den hauptsächlichen Gegenstand dieser Arbeit bildet. In Kapitel 2.4 werden die Ergebnisse zusammengefasst.

26 Vgl. Schwingeler 2008, Hensel 2008, URL: http://www.uni-siegen.de/zimt/dienste/ mediathek/digital/archiv.xml?streamit=92&lang=de [04.08.2012], Schwingeler/Gehring 2009, Lohoff/Schwingeler 2009, Hensel 2011, Hensel 2011a, Beil 2012.

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2.1 D AS M EDIUM

DES DIGITALEN

ALS KÜNSTLERISCHES

S PIELS

M ATERIAL

Es wird in diesem Kapitel (2.1) zunächst das Computerspiel mittels unterschiedlicher Medienbegriffe adressiert (Kap. 2.1.1). Davon ausgehend wird die in der vorliegenden Arbeit wichtige Trennung zwischen kommerziellem Computerspiel und künstlerischer Computerspielmodifikation präzisiert (Kap. 2.1.2), um daran anschließend den angelegten Materialbegriff näher zu bestimmen. Der Gegenstandsbereich wird im Zuge dessen als Softwarekunst fokussiert (Kap. 2.1.3). 2.1.1 Mediale Aspekte des Computerspiels In der vorliegenden Arbeit wird folgende Definition des Computerspiels angelegt. Computerspiele sind Spiele, die auf der Rechenleistung des Computers beruhen. Der Computer hält die Regeln aufrecht. Das Computerspiel wird primär visuell vermittelt und über einen Bildschirm zur Anschauung gebracht.27 Das Computerspiel ist demnach ein Spiel in Form eines Computerprogramms, das wiederum ein geregeltes System darstellt. Es vermittelt dem Rezipienten audiovisuelle Informationen und reagiert dynamisch und automatisch auf die Handlungen des Rezipienten. Das Computerspiel erzeugt so audiovisuelle Raumzeitlichkeit.28 Das Computerspiel wird in dieser Arbeit als eigenständiges Medium aufgefasst.

27 In dieser Arbeit liegt der Fokus auf dem Bild. Es gibt nur wenige Beispiele von Computerspielen, deren Gameplay zuvordererst auf Ton basiert und das Spiel nicht primär visuell vermittelt ist. Zwei Beispiele sind Papa Sangre (Somethin’ Else, iOS, 2011) und Blindside (Michael T. Astolfi, Aaron Rasmussen, in Entwicklung). In Blindside navigiert der Spieler über die Pfeiltasten der Tastatur in einem dreidimensionalen Raum, der sich über Raumklang erschließt. Der Monitor bleibt schwarz. Papa Sangre funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip – wie eine Art interaktives Hörspiel. Interessanterweise ist Papa Sangre aber gar nicht ausschließlich über den Klang vermittelt. Das Spiel zeigt ein grafisches Interface auf dem Touchscreen eines iOS-Gerätes über das die Steuerung in dem Klangraum funktioniert (in der Form zweier stilisierter Füße, die Schritte symbolisieren, sowie einer Richtungsanzeige, die die Orientierung ermöglicht). Vgl. zu Blindside die Website des sich in Entwicklung befindlichen Projekts unter der URL: https://www. kickstarter.com/projects/600219258/blindside-the-audio-adventure-videogame?ref=video [22.02.2012]. Zu Papa Sangre vgl. die Website: http://www.papasangre.com/ [22.02. 2012]. 28 Diese audiovisuelle Raumzeitlichkeit bildet die den Spielen zugrunde liegende ‚Welt‘ (vgl. Mersch 2008, S. 21). Nach Jesper Juul unterscheiden sich Computerspiele in einem wesentlichen Punkt von traditionellen Spielen, indem sie „half-real“ sind. Damit meint

K ÜNSTLERISCHE C OMPUTERSPIELMODIFIKATION ALS G EGENSTAND

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2.1.1.1 Technischer Medienbegriff: Computerspiele als Vermittler von Daten In einem kunsthistorischen Verständnis sind mit Medien die künstlerischen Gattungen gemeint, die aufs Engste mit bestimmten Materialien sowie Techniken der Herstellung eines Bildwerkes in Verbindung stehen; beispielsweise Malerei, Plastik, Graphik, Video oder im vorliegenden Fall – das Computerspiel.29 In dieser Arbeit wird nicht der Versuch unternommen, den Begriff des Mediums allgemeingültig zu definieren.30 Eine Diskussion divergenter Medientheorien ist ebenfalls nicht Gegen-

Juul, dass sie zwischen vom Computer aufrecht erhaltenen Regeln und einer ‚Welt‘ anzusiedeln sind, die sich auch psychologisch in der Imagination des Spielers entfaltet. Eine fiktionale Welt ist für Juul „[a]n imagined world. The term is derived from the concept of possible worlds. [...] A game cues a player into imagining a fictional world by many different means, such as text, spoken words, paintings, imagination, and game rules. [...] Strictly speaking, all fictional worlds are incomplete: many aspects of the world are not described and left to the user’s imagination.“ Als Fiktion [fiction] bezeichnet Juul in Abgrenzung zur Geschichte [story] „[a]ny kind of imagined world. Most video games invite the player to imagine some kind of fictional world in which the game takes place. Note that a fiction does not need to be a story, and that video games are generally fictions, but not stories“ (Juul 2005, URL: http://www.half-real.net/dictionary/ [22.02.2012], vgl. ausführlicher Juul 2005a). „Juul verwendet den Fiktionsbegriff jedoch nicht zur Spezifikation einer bestimmten Textsorte oder textbasierter Computerspiele, wie sie etwa mit dem Terminus der interactive fiction vorliegt, [...], sondern vielmehr im wörtlichen Sinne der Imagination und bildlichen Vorstellung“ (Günzel 2010, S. 189). 29 Vgl. Schwarz 2003, S. 286. 30 Thomas Hensel schreibt Joseph Vogl zitierend: „So bleibt einzig das medien-theoretische Axiom, ‚daß es keine Medien gibt, keine Medien jedenfalls in einem substanziellen und historisch dauerhaften Sinn‘. Was Medien sind und tun, wie sie funktionieren und welche Effekte sie hervorbringen wie auch der Begriff des Mediums selbst lassen sich nicht auf eine elementare Definition zurückführen. ‚Medien sind nicht auf eine bestimmte Technologie (etwa Buchdruck oder Elektrizität), nicht auf bestimmte Geräte oder Maschinen (wie etwa Teleskop, Telegraph oder Telephon), nicht auf symbolische Formen (etwa Perspektive in der Malerei), nicht auf Gattungen in weitesten [sic!] Sinn (Literatur oder Film), nicht auf eine Institution (Theater), nicht auf eine soziale Funktion (etwa Massenaufklärung), nicht auf Praktiken (Malen oder Morsen), Materialitäten (beispielsweise Backstein) oder bestimmte Symboliken (alphanumerischer Code) reduzierbar und doch in all dem virulent. Alle diese Momente spielen in den Medienbegriff hinein, reichen aber nicht hin, jeweils Funktion und Begriff von Medien selbst zu definieren‘“ (Hensel 2011b,

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stand der Ausführungen. Gleichwohl wird das Computerspiel aber als Medium adressiert und dementsprechend ein bestimmter – zuvordererst technischer – Medienbegriff an das Phänomen angelegt.31 Unter Medium wird ein Träger und Übermittler von Daten verstanden. Diese Daten können im Falle digitaler Spiele ganz unterschiedlicher Natur sein, da es ein Wesenszug des Computerspiels ist, andere basale Medienformen wie Text, Bilder und Ton in dynamischer Weise in sich zu vereinen und zu remediatisieren.32 Computerspiele bedienen sich dabei elektronischer und digitaler Technik. Beim Computerspiel zeigen sich die übermittelten Informationen, die in ihrer Grundform als Code vorliegen, als audiovisuelle Raumzeitlichkeit. Die Rezipienten sehen das Computerspiel in Form von Bildern auf einem Monitor oder einem ähnlichen Bildschirm. Gleichwohl ist das Computerspiel in der Lage, Töne zu übermitteln, die über einen Lautsprecher erklingen. Eine gängige technische Definition lautet demnach: „Unter Medien werden in diesem Zusammenhang materiell-mechanische oder energetische (elektrische, elektromagnetische, elektronische, opto-elektronische) Träger und Übermittler von Daten bzw. Informationseinheiten und mechanische sowie elektronische Mittel der Datenverarbeitung verstanden, dies im Sinne der drei medienlogischen Grundphänomene der Speicherung, Übertragung und Vearbeitung.“33

2.1.1.2 Systemischer Medienbegriff: Das Computerspiel als Mediensystem und kulturelle Praxis An das Computerspiel lässt sich ebenfalls ein systemischer, weiterer Medienbegriff anlegen, wenn man nicht nur das einzelne Medienprodukt, sondern auch die gesamte Computerspielindustrie (samt seiner unabhängigen Gegenentwürfe) und die Einschreibung in gesellschaftliche Zusammenhänge als ‚Kommunikationsorganisation‘ betrachtet. Damit sind „nicht-technische und technische Speicher- und Verbreitungsmittel und soziale Organisationen, die ‚mit einer Stimme sprechen‘“, in den in dieser Arbeit angelegten Medienbegriff eingeschlossen und es lassen sich auch die Dinge zum Mediensystem Computerspiel zugehörig begreifen, die über das einzel-

S. 31). Hensel zitiert Vogl nach Vogl 2001, S. 121. Vgl. zum Diskurs um den Medienbegriff einführend Faulstich 1995, Faulstich 2002, Wiesing 2005c. 31 Zum Computerspiel als eigenständigem Medium mit genuinen Konfigurationen und Effekten vgl. u.a. Wolf 2001, Hanke 2008. 32 „The video game was also the first medium to combine moving imagery, sound, and realtime user interaction in one machine [...]“ (Wolf 2001, S. 5). Zum Konzept der Remediation vgl. Bolter/Grusin 1999 sowie Kap. 6. 33 Hiebel 1999, S. 11. Kursive Hervorhebung im Original.

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ne Artefakt hinausreichen.34 Als breiteste Auffassung ließe sich das Computerspiel auch als „kulturelle Praxis“ bezeichnen, die sich einer straffen, wissenschaftlichen Definition entzieht, die aber durch eine alltägliche, normalsprachliche Handhabung des Begriffs Computerspiel eine deutliche Vorstellung des Gegenstands evoziert.35 2.1.1.3 Phänomenologischer Medienbegriff: Das Streben des Mediums nach Transparenz Eine Grundannahme der vorliegenden Arbeit lehnt sich an phänomenologische Medientheorien an, die die Medien insbesondere über ihre Präsenz beim Rezipienten und dessen Wahrnehmung definieren.36 „Medien machen lesbar, hörbar, sichtbar, wahrnehmbar, all das aber mit der Tendenz, sich selbst und ihre konstitutive Beteiligung an diesen Sinnlichkeiten zu löschen und also gleichsam unwahrnehmbar, anästhetisch zu werden.“37 Hier ist die Beobachtung ausschlaggebend, dass Medien paradoxerweise Unmittelbarkeit anstreben und sich selbst während des Vollzugs der Vermittlung verleugnen, indem Strategien angewendet werden, die sie unsichtbar oder ‚durchsichtig‘ werden lassen. Ein Beispiel aus dem Bereich des Films kann diese Mechanismen anschaulich illustrieren. Die klassische Form der Découpage Classique oder des Continuity Editing im Hollywood-Kino folgt einem wesentlichen Prinzip: Die Montage des Films soll beim Rezipienten unbemerkt, der Schnitt unsichtbar bleiben und sich die Filmbilder möglichst natürlich präsentieren, ohne dass sich ihre technisch-apparative Bedingtheit dem Zuseher aufdrängt und eine aristotelische Einfühlung in die Narration des Film stören könnte.38 Einen Gegenentwurf dazu stellen die Montage-Experimente z.B. der Nouvelle Vague dar, die mit Jump Cuts und anderen filmischen Mitteln das Medium und seine Spezifika gerade in den Vordergrund rücken und damit ausstellen. Beispielsweise auf Malerei bezogen ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass die materiellen und medialen Eigenschaften von Bildwerken häufig erst dann in den Blick geraten und erörtert worden sind, wenn „von ihrer gelungenen Überwindung oder Sublimierung

34 Schanze 2002, S. 200. 35 „Ein Computerspiel ist in diesem Sinne schlicht all das, was von Computerspielern, der Computerspielindustrie, der Computerspielpresse und all den Menschen außerhalb der Computerspieler-Szene als Computerspiel angesehen, bezeichnet und behandelt wird“ (Kringiel 2009, S. 29). 36 Lambert Wiesing verweist stellvertretend für phänomenologische Medientheorien auf Groys 2000. Vgl. Wiesing 2005c, S. 150f. 37 Pias et al. 1999, S. 10. 38 Monaco 2000, S. 218-229.

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die Rede war.“39 Dieses Phänomen der implizit angestrebten Unmittelbarkeit wird im folgenden als Transparenz bezeichnet und stellt einen methodischen Grundbegriff der vorliegenden Arbeit dar40: „Ein Medium ist demnach ein Mittel, welches nur funktioniert, wenn es selbst zurücktritt. [...] Medien zeigen etwas, ohne sich selbst zu zeigen – sie sind in dieser Hinsicht eben einer transparenten Fensterscheibe vergleichbar [...]. Denn Medien werden aus dieser Sicht ihrer Aufgabe umso besser gerecht, je mehr sie sich selbst im medialen Vollzug neutralisieren.“41 Es wird davon ausgegangen, dass aktuellen, kommerziellen Computerspielen die Bestrebung zur Transparenz ebenfalls zu Eigen ist, was sich unter anderem darin zeigt, dass sie häufig auf die Subjektivität des Betrachters ausgerichtete perspektivische Bilder zur Anschauung bringen, die einer spezifischen Form von Realismus nacheifern und Öffnungen in virtuelle Welten darstellen wollen, während ihre codierte, mediale und apparative Bedingtheit ausgeblendet bleiben soll. (Diese These erfährt eine ausführliche medientheoretische Ausarbeitung und Vertiefung in Kap. 6).42 2.1.2 Kommerzielle Computerspiele vs. künstlerische Computerspielmodifikationen Nach diesen allgemeinen Ausführungen zum Medium des Computerspiels ist es wichtig zu betonen, dass kommerzielle Computerspiele – in dieser Arbeit auch als Games bezeichnet – nur einen Teil der Ausführungen bilden.43 Im Mittelpunkt der

39 Wagner 2003, S. 282. 40 „Eine bekannte Beschreibung dieser medialen Transparenz lautet bei Maurice MerleauPonty bezogen auf Sprache so: „Nun ist es wohl ein Ergebnis der Sprache, selbst unbemerkt zu bleiben in dem Maße, wie es ihr gelingt, etwas auszudrücken. [...] Wenn jemand – ob ein Autor oder ein Freund – es verstanden hat, sich auszudrücken, dann geraten die Zeichen sogleich in Vergessenheit, und es bleibt allein der Sinn; die Vollkommenheit der Sprache besteht offensichtlich darin, unbemerkt zu bleiben. Aber gerade darin liegt die Stärke der Sprache: sie ist es, die uns zu dem hinführt, was sie bedeutet; sie verbirgt sich vor unseren Augen durch ihre eigene Tätigkeit; ihr Triumph ist es, sich selbst auszulöschen“ (Wiesing 2005c, S. 151). Maurice Merleau-Ponty zitiert nach Merleau-Ponty 1993, S. 33 und 34. Vgl. zum Komplex des Verständigungsproblems aus gesprächsanalytischer Perspektive Spanke 2013. 41 Wiesing 2005c, S. 150f. 42 Vgl. Nohr 2004. 43 Das kommerzielle Computerspiel gibt es ebenso wenig wie es den kommerziellen Film gibt. Dies zeigt sich in der Heterogenität der unterschiedlichen Artefakte, die unter diese Gattungen fallen. Das Puzzlespiel Tetris, das 1984 von Alexei Paschitnow für einen sowjetischen Computer programmiert worden ist und 1989 in einer schwarz-weißen Versi-

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Analyse stehen Kunstwerke, die auf kommerziellen Computerspielen basieren. Kommerzielle Computerspiele – als veränderbare Fertigteile – bilden den Ansatzpunkt für künstlerische Strategien der Aneignung und Umnutzung. Eine Extremform dieses künstlerischen Zugangs ist die Gestaltung in sich widersprüchlicher medialer Artefakte, – unspielbarer Spiele – die immer noch Computerspiele sind (sie sind eben keine Videos, Filme, Fotografien o.ä.), die aber mindestens eines Kernaspekts entbehren, die Computerspiele zu Computerspielen machen, nämlich die Tatsache, dass man sie zum Zwecke des Spielens benutzt. Die Fragen, die im Zentrum stehen lauten: Auf welche Weise gehen KünstlerInnen mit kommerziellen Computerspielen als Material um, wie verarbeiten sie dieses Material weiter, wie verändern, modifizieren und vereinnahmen sie die Games? Beispielsweise basiert das Kunstwerk Super Mario Clouds (Cory Arcangel, 2002-2009) auf dem kommerziellen Videospiel Super Mario Bros. (Shigeru Miyamoto et. al., Nintendo, 1985) (vgl. zur Analyse Kap. 9). Zum besseren Verständnis lässt sich als Analogie die Videoarbeit Twenty Four Hour Psycho (1993) des britischen Künstlers Douglas Gordon (*1966) anführen. In Twenty Four Hour Psycho findet eine Videoversion des amerikanischen Spielfilms Psycho (Alfred Hitchcock, 1960) als Ausgangsmaterial Verwendung.44 In einer Videoinstallation wird die Ab-

on für den Game Boy der Firma Nintendo weltweit bekannt geworden ist, lässt sich nur in einem Punkt mit einem MMORPG wie World of Warcraft vergleichen, das von Millionen Spielern gleichzeitig auf der Welt benutzt wird und an dessen Entstehung, Umsetzung und auch Wartung eine ganze Firma beteiligt ist – nämlich in dem Punkt, dass es sich bei beiden Artefakten um kommerzielle Computerspiele handelt. Eine Verallgemeinerung ist an dieser Stelle dennoch von Nöten, um den Gegenstandsbereich erfassbar zu machen. 44 Psycho ist in seiner ursprünglichen Form auf 35-mm-Film mit einer Mitchell BNCKamera gedreht worden. Die Gesamtlänge des Filmmaterials beträgt 2972,1 Meter verteilt auf insgesamt 12 Rollen. Vgl. die technischen Daten im Eintrag zu Psycho in der IMDb unter der URL: http://www.imdb.com/title/tt0054215/technical [18.02.2012]. Douglas Gordon verwendet demnach eine Version des Spielfilms Psycho als Material, die schon einen Medienwechsel – nämlich von 35-mm-Film auf analoges Video durchlaufen hat. Dieser Medienwechsel wird auch in Twenty Four Hour Psycho zum Thema, da eine Verlangsamung der Bilder (wie sie in Gordons Installation von 1993 geschieht) nur durch Videotechnik – nicht durch Filmtechnik – möglich ist. Das Artefakt Psycho kann sich demnach in verschiedenen Medien zeigen: Auf Filmmaterial, auf Video und neuerdings als digitale Variante gespeichert auf DVD, Blu-ray Disc oder als Datei auf einer Festplatte, einem USB-Stick etc. Mit dem Spielfilm Psycho muss demnach nicht zwingend das Material Film – also z.B. Zelluloid – gemeint sein. Zu Twenty Four Hour Psycho vgl. ferner Martin/Grosenick 2006, S. 52f.

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folge der Bilder, die über einen Zeitraum von 109 Minuten eine filmische Narration bilden und damit rezeptionsseitig Sinn erzeugen, mittels Videotechnik auf 24 Stunden gedehnt, so dass die Bewegung der Bilder kaum noch zu erkennen ist. Gordon verwendet dabei nicht nur die Videotechnik (Videokassette, Videoplayer und Videobild) als Material, sondern das gesamte Artefakt Psycho als found footage, das er künstlerisch modifiziert. Der nicht-künstlerische Spielfilm Psycho wird so zu einem Kunstwerk umgewidmet, indem er als Material verändert und weiterverarbeitet wird. In Analogie dazu sind demnach Artefakte Gegenstand der Analyse der vorliegenden Studie, die als künstlerische Computerspielmodifikationen bezeichnet werden. Die nicht-künstlerischen Bilder der Computerspiele sind dabei methodisch zu berücksichtigen und in die Analyse einzubeziehen, da sich die Kunstwerke nur durch die genaue Kenntnis des Ausgangsmaterials vollständig erschließen lassen; so wie auch die Kenntnis von Psycho eine Voraussetzung für ein umfassendes Verständnis von Twenty Four Hour Psycho ist. In der vorliegenden Publikation werden nur Kunstwerke aus dem Bereich der künstlerischen Computerspielmodifikation behandelt, da die Veränderung vorgefundener Computerspiele als der erste Versuch gelten kann, sich dem Phänomen Computerspiel innerhalb seiner eigenen ästhetischen und medialen Strukturen künstlerisch zu nähern.45 Das Computerspiel wird nicht als Werkzeug zur Herstellung eines Kunstwerks benutzt, wie das beispielsweise bei der Praxis des Machinima der Fall ist, sondern das Computerspiel wird so eingerichtet, dass es selbst zum Kunstwerk wird. Ein Beispiel zur Abgrenzung, in dem ein Computerspiel als Werkzeug zur Kunstproduktion Verwendung findet, ist die Arbeit ioq3aPaint (2003-2010) von Julian Oliver (*1969). Oliver hat die Game Engine des Spiels Quake III Arena so umfunktioniert, dass sie automatisch Bilder generiert, die Oliver gedruckt wie traditionelle Tafelbilder ausstellt.46 In der vorliegenden Arbeit stünde demnach die modifizierte Game Engine im Mittelpunkt des Interesses, während die auf Leinwände gebrachten Bilder als Objekte zu vernachlässigen sind. Es geht also um Kunstwerke, die im Medium des Computerspiels stattfinden und sich das Computerspiel als Material zu Nutze machen – nämlich Software, die Prozesse auf Hardware auslöst.47

45 Vgl. Gohlke 2003, S. 21. 46 Vgl. die Website des Künstlers unter der URL: http://julianoliver.com/ioq3apaint/ [15.02.2012]. 47 „One of the basic but crucial distinctions made here is that between art that uses digital technologies as a tool for creation of traditional art objects – such as a photograph, print, sculpture or music – and art that employs these technologies as its very own medium,

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2.1.3 Künstlerisches Material zwischen Software und Hardware Der in der vorliegenden Arbeit angelegte Materialbegriff wird wie folgt mit Monika Wagner definiert: „Im Unterschied zum physikalisch und philosophisch beanspruchten Materiebegriff bezeichnet M[aterial] nur solche natürlichen und artifiziellen Stoffe, die der Weiterverarbeitung dienen. M[aterial] unterliegt also der Veränderung durch Bearbeitung.“48

Die Software von Computerspielen beruht auf Code.49 Software kann im Sinne Monika Wagners als immateriell bezeichnet werden, da sie nicht aus physischer Materie besteht.50 In dem Fokus auf das digitale Spiel als Material, das den KünstlerInnen zur Weiterverarbeitung und Modifikation dient, liegt das Argument, warum in der vorliegenden Arbeit eigenständige künstlerische Produktionen von Computerspielen ausgeklammert sind. Zur Abgrenzung gegenüber künstlerischen Computerspielproduktionen ist es wichtig hervorzuheben, dass der Code im Falle einer Modifikation nicht von den KünstlerInnen selbst geschrieben und die Software nicht von den KünstlerInnen programmiert wurde. Eine Strategie der Modifikation bedeutet, in fremden Code einzugreifen und diesen zu verändern und ihn im Sinne der oben genannten Materialdefinition einer Weiterverarbeitung zu unterziehen. Bei künstlerischen Computerspielmodifikationen handelt es sich in erster Linie um Software, die auf Programmcode beruht.51 Der Gegenstandsbereich kann aufge-

being produced, stored and presented exclusively in the digital format and making use of its interactive or participatory features“ (Paul 2003, S. 8). 48 Wagner 2003, S. 282. 49 Mit Code ist entweder menschenlesbarer Quelltext oder maschinenlesbare Maschinensprache gemeint, die von Menschen nicht gelesen werden kann. 50 Vgl. Wagner 2001, S. 293-300. 51 Der Bereich künstlerischer Computerspielmodifikation könnte in diesem Zusammenhang mit dem Begriff Softwarekunst etikettiert werden. Der Begriff der Softwarekunst, der im Rahmen der ersten Veranstaltung des Medienkunstfestivals Transmediale 2001 eingeführt worden ist, „umfasst nach der von der ‚transmediale‘-Jury formulierten Definition Projekte, deren wesentliches künstlerisches Material Programmcode ist, oder die sich mit dem kulturellen Verständnis von Software auseinandersetzen.“ Inke Arns beschreibt den Bereich ferner mit den Worten: „Software-Code wird hier nicht als pragmatischfunktionales Werkzeug zur Bedienung der ‚eigentlichen‘ künstlerischen Arbeit verstanden, sondern als generatives Gestaltungsmaterial maschineller und sozialer Prozesse. Softwarekunst kann dabei das Resultat einer autonomen und formalen kreativen Praxis

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fasst werden als „Software, die selbst das Kunstwerk ist. Bei diesen Programmen ist nicht das Resultat entscheidend, sondern der Prozess, den sie im Rechner (und auf dessen Monitor) auslösen.“52 Obwohl der Fokus damit deutlich auf Software liegt, darf die symbiotische Gebundenheit des Codes an spezielle Hardware nicht vergessen werden. Software ist ohne Hardware nicht zu denken. Code, der sich nicht auf Hardware manifestiert, ist eine nur abstrakt in der Vorstellung existierende Abfolge von Zeichen. Der Code muss ausgeführt werden, um Prozesse in Computern und auf Bildschirmen auszulösen. Nur qua Hardware ist der vom Code ausgelöste Prozess vom Rezipienten wahrnembar.53 Die Software von Computerspielen manifestiert sich dabei auf ganz unterschiedlichen Apparaten, die ebenfalls zum Computerspiel gehören – so gibt es wesentliche qualitative Unterschiede zwischen PCs, Konsolen, Spielautomaten oder tragbaren Geräten. Diese Apparate können in der künstlerischen Auseinandersetzung eine wichtige Rolle spielen und objekthaft, bildhauerisch oder installativ mit in die Kunstwerke einbezogen werden z.B. bei Cory Arcangels Arbeiten, in die er die Plastikhüllen der Speichermedien der Spiele als Objekte einbezieht (Kap. 9), oder Eddo Sterns bildhauerischen Werken, in denen er die Monitore und PCGehäuse skulptural verwendet.54 In diesem Zusammenhang muss festgehalten werden, dass das digitale Spiel als Material nicht per se immateriell ist, auch wenn dies auf Teile des Begriffskomplexes Computerspiel zutrifft, der in Software und Hardware getrennt werden kann. Computerspiele zeigen sich in Form digitaler, steuerbarer Bilder, die auf Computer-

sein, sie kann sich aber auch kritisch und collagierend auf existierende Software und die technologische, kulturelle oder soziale Bedeutung von Software beziehen“ (Arns 2004, www.medienkunstnetz.de/themen/generativ_tools/software_art/ [20.02.2012]). Vgl. zum Diskurs um Softwarekunst einschlägig Gohlke 2003a. 52 Baumgärtel 2001, URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/9/9908/1.html [20.02.2012]. 53 „Without the active participation of players and machines, video games exist only as static computer code. [...] Video games are actions. [...] One plays a game. And the software runs“ (Galloway 2006a, S. 2). 54 Eddo Sterns Installation Fort Paladin: America’s Army (2003) ist eine reine HardwareModifikation. Sie stellt die Verkleidung eines PC-Gehäuses samt Monitor in der Form eines Abziehbildes einer mittelalterlichen Burg dar und ist demnach als Case Mod zu bezeichnen. Teil der Installation ist das Computerspiel America’s Army, das auf dem verkleideten PC läuft. Stern hat das Spiel nicht verändert, sondern nur die Hardware, auf dem es sich manifestiert. Um Case Modding – gewiss ohne die bei Stern ausschlaggebenden politischen und kritischen Implikationen – rankt sich eine eigene Szene von Bastlern, die ihre Computer effektvoll tunen. Als Beispiel für eine typische Case Mod vgl. Tolino 2010, S. 161.

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code beruhen. In diesem Sinne ist das Computerspiel nicht physisch fassbar. Das Computerspiel ist aber ebenso apparatgebunden, es ist eine Verbindung von Software und Hardware. Das gesamte Dispositiv des digitalen Spiels – die räumlichtechnische Anordnung seiner Apparate – kann im Sinne einer künstlerischen Weiterverarbeitung in die Kunstwerke einbezogen sein und zum Material werden. Diese apparative Bedingtheit der Games muss stets mitbedacht bleiben.

2.2 S PIELE

UND IHRE

R EGELN

Computerspiele sind nicht hinreichend als Medien zu beschreiben, da sie Charakteristika aufweisen, die über mediale Eigenschaften hinausgehen. Als „Medien-SpielHybride“55 transportieren sie nicht nur audiovisuelle Raumzeitlichkeit, die sich in der Rezeption zu einer ‚Welt‘ des Spiels zusammenfügt, sondern werden auch zum Zwecke des Spiels verwendet. Die Frage nach dem Wesen des Spiels ist problematisch und berührt schnell die Sphären der Philosophie: Nach Ludwig Wittgenstein bestehen keine allgemeinen, universalen Gemeinsamkeiten zwischen Spielen, sondern lediglich Familienähnlichkeiten.56 Und auch wenn es nicht nicht die Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist,

55 Danny Kringiel benutzt den Begriff des Medien-Spiel-Hybrids in seiner Dissertation Computerspielanalyse konkret. Methoden und Instrumente – erprobt an Max Payne 2 (Kringiel 2009). In einer erklärenden Fußnote schreibt er: „Das Computerspiel wird hier nicht als ‚Medium‘ aufgefasst, da sich dessen spielerische Elemente ebenso wenig als Medium begreifen lassen wie etwa ein Fußballspiel oder eine Partie Schach oder auch ein Fangspiel auf dem Schulhof sinnvoll als ‚Medium‘ verstanden werden kann. Dennoch wird das Computerspiel auch nicht als reines Spiel aufgefasst, da es eben stärker als die meisten vordigitalen Spiele auch mediale Elemente umfasst – beispielsweise Filmsequenzen, Bilder oder Erzählungen. Somit wird das Computerspiel hier grundsätzlich als ein hybrides Phänomen, eine Kreuzung aus Spiel und Medium, verstanden. Dies bedeutet jedoch auch, dass es nicht hinreichend – wie oft in der ludologischen Schule der Game Studies gesehen – verstanden werden kann, wenn es ‚nur‘ als Spiel untersucht wird“ (Kringiel 2009, S. 15). 56 Wittgenstein schreibt zu den Familienähnlichkeiten der Spiele: „Betrachte z.B. einmal die Vorgänge, die wir ‚Spiele‘ nennen. Ich meine Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiele, Kampfspiele, u.s.w.. Was ist allen diesen gemeinsam? – Sag [...] nicht: ‚Es muß ihnen etwas gemeinsam sein, sonst hießen sie nicht ‚Spiele‘ – sondern schau, ob ihnen allen etwas gemeinsam ist. – Denn, wenn du sie anschaust, wirst du zwar nicht etwas sehen, was allen gemeinsam wäre, aber du wirst Ähnlichkeiten, Verwandtschaften, sehen, und zwar

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eine eigenständige Definition des Spielbegriffs zu erarbeiten, sondern herauszustellen, inwieweit und mit welchen Strategien KünstlerInnen mit digitalen Spielen als Material umgehen, ist es notwendig, Definitionen des Spiels (game und play) in die Arbeit einzubringen, um mit einem spezifischen Spielbegriff umgehen zu können. Was sind Spiele und wie lassen sie sich sinnvoll beschreiben? 2.2.1 Vor den Game Studies: Johan Huizinga und Roger Caillois Als einflussreich für die Frage nach dem Spielbegriff in den Game Studies erweisen sich zwei Texte, auf die in prominentem Maße rekurriert wird. Dabei handelt es sich zum einen um Homo Ludens (1938) des niederländischen Anthropologen Johan Huizinga57 und zum anderen um Les Jeux et les Hommes (1958) des französi-

eine ganze Reihe. Wie gesagt: denk nicht, sondern schau! – Schau z.B. die Brettspiele an, mit ihren mannigfachen Verwandtschaften. Nun geh zu den Kartenspielen über: hier findest du viele Entsprechungen mit jener ersten Klasse, aber viele gemeinsame Züge verschwinden, andere treten auf. Wenn wir nun zu den Ballspielen übergehen, so bleibt manches Gemeinsame erhalten, aber vieles geht verloren. – Sind sie alle ‚unterhaltend‘? Vergleiche Schach mit dem Mühlfahren. Oder gibt es überall ein Gewinnen und Verlieren, oder eine Konkurrenz der Spielenden? Denk an die Patiencen. In den Ballspielen gibt es Gewinnen und Verlieren; aber wenn ein Kind den Ball an die Wand wirft und wieder auffängt, so ist dieser Zug verschwunden. Schau, welche Rolle Geschick und Glück spielen. Und wie verschieden ist Geschick im Schachspiel und Geschick im Tennisspiel. Denk nun an die Reigenspiele: Hier ist das Element der Unterhaltung, aber wie viele der anderen Charakterzüge sind verschwunden! Und so können wir durch die vielen, vielen anderen Gruppen von Spielen gehen. Ähnlichkeiten auftauchen und verschwinden sehen. Und das Ergebnis dieser Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander [...] übergreifen und kreuzen. Ähnlichkeiten im Großen und Kleinen. Ich kann diese Ähnlichkeiten nicht besser charakterisieren, als durch das Wort ‚Familienähnlichkeiten‘; denn so übergreifen und überkreuzen sich die verschiedenen Ähnlichkeiten, die zwischen den Gliedern einer Familie bestehen: Wuchs, Gesichtszüge, Augenfarbe, Gang, Temperament, etc. etc.. – Und ich werde sagen: die ‚Spiele‘ bilden eine Familie“ (Wittgenstein (1958) 2001, §§ 66,67, S. 786f.). Die hier zitierten Absätze stammen aus der Spätfassung der Philosophischen Untersuchnungen. 57 Als besonders einflussreich für die Computerspielforschung seit 2001 erweist sich Johan Huizingas 1938 auf Niederländisch und 1939 auf Deutsch erschienene Schrift Homo Ludens. Huizinga definiert den Begriff des Spiels in seinem einschlägigen Werk Homo Ludens wie folgt: „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird

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schen Soziologen und Philosophen Roger Caillois58, der kritisch auf Huizinga Bezug nimmt und auf dessen Ausführungen aufbaut. Huizinga und Caillois stehen für eine Vorgeschichte der Game Studies, die sich ab ca. 2001 vor dem Hintergund der gesellschaftlichen Wirkmacht des Computerspiels zu formieren begonnen hat.59 In Homo Ludens führt der niederländische Kulturhistoriker Huizinga die Entwicklung der menschlichen Kultur auf das Spiel und spielerische Verhaltensweisen zurück (so charakterisiert er etwa auch Rituale als spielerisch). Diese Auffassung des Spielerischen als kulturstiftende Triebfeder wird von den Game Studies auch zur eigenen wissenschaftlichen Legitimation aufgenommen. In beiden Werken wird das Spiel als geregelt und von der realen Welt abgetrennt beschrieben. In diesem Zusammenhang ist Huizingas Begriff des Zauberkreises hervorzuheben, der die Abgetrenntheit der spielerischen von der realweltlichen Sphäre beschreibt und einen ho-

von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘“ (Huizinga (1939) 1987, S. 37). Eine andere, strengere Definition findet sich auf S. 22: „Der Form nach betrachtet, kann man das Spiel also zusammenfassend eine freie Handlung nennen, die als ‚nicht so gemeint‘ und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird, die sich innerhalb einer eigens bestimmten Zeit und eines eigens bestimmten Raums vollzieht, die nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft und Gemeinschaftsverbände ins Leben ruft, die ihrerseits sich gern mit einem Geheimnis umgeben oder durch Verkleidung als anders von der gewöhnlichen Welt abheben“ (ebd., S. 22). Die Definition ist einschlägig; bietet aber auch Anlass zur Kritik: Besonders Huizingas Auffassung des Spiels als „Nichternst“ (ebd., S. 14), die strikte Abgrenzung vom gewöhnlichen Leben und der Sphäre der Arbeit sowie der per se nicht-materielle Charakter des Spiels sind zu kritisieren. 58 Roger Caillois baut in seinem Werk – in der deutschen Übersetzung Die Spiele und die Menschen – von 1958 kritisch auf Huizingas Definition des Spiels auf. Caillois definiert das Spiel mit sechs Adjektiven als freie (1), in festen Grenzen von Raum und Zeit abgetrennte (2) Betätigung. Darüber hinaus ist Spielen eine ungewisse (3) Betätigung, deren Ablauf und Ergebnis nicht von vornherein feststeht. Spielen ist außerdem eine unproduktive (4), geregelte (5) und schließlich fiktive (6) Betätigung, „die von einem spezifischen Bewusstsein einer zweiten Wirklichkeit oder einer in bezug auf das gewöhnliche Leben freien Unwirklichkeit begleitet wird“ (Caillois 1982, S. 16). 59 Als ‚Gründungstext‘ der Game Studies vgl. Aarseth 2001a. Zum Überblick über die Entwicklung der Game Studies vgl. Kücklich 2004.

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hen Einfluss auf die Computerspielforschung hinsichtlich der Konstruktion ‚virtueller Welten‘ ausgeübt hat aber in jüngerer Zeit immer wieder kritisiert worden ist.60

60 Huizinga prägt den Begriff des Zauberkreises, um die Abgetrenntheit der spielerischen von der realweltlichen Sphäre zu beschreiben (vgl. Huizinga (1939) 1987, S. 18f.). Salen und Zimmerman führen das Konzept des Magic Circle in die Computerspielforschung ein, indem sie sich auf Huizinga beziehen (vgl. Salen/ Zimmerman 2004a, S. 92-100). Der Zauberkreis, in dem die Regeln des Spiels aber nicht die Regeln des gewöhnlichen Lebens gelten, avanciert zu einem Schlüsselbegriff der Game Studies, zieht aber auch Kritik auf sich. Um in einen Zauberkreis einzutreten, muss der Spieler sich freiwillig bestimmten Regeln unterwerfen. Gleichzeitig besteht der Zauberkreis auf der Annahme und der Voraussetzung, dass ihn die Spieler aufrechterhalten, indem sie das Spiel spielen, sich den Regeln bewusst sind und sie diese befolgen. Sie gehen aktiv ein Spiel ein. Man kann sich aber in einem Computerspiel z.B. den Regeln nicht ohne Weiteres widersetzen, da der Computer die Instanz ist, die die Regeln automatisch aufrecht erhält – oft, ohne dass sich die Spieler darüber bewusst sind. Die Regeln des Computerspiels sind so eher mit den physikalischen Naturgesetzen traditioneller Spiele vergleichbar. Der Schwerkraft im Fußball kann man sich z.B. nicht widersetzen. Um die Regeln im Computerspiel zu ändern und sich ihnen zu widersetzen, muss man teilweise tief in die Strukturen des Spiels eingreifen, modden, hacken, programmieren etc. (genau hier liegt eine künstlerische Strategie im Umgang mit Computerspielen begründet). Sobald der Spieler ein Computerspiel spielt, gelten die Regeln automatisch und bindend. Er kann sich höchstens den Zielregeln widersetzen, indem er vorgegebene Ziele nicht erfüllt oder das Spiel nicht spielt (vgl. die Performance dead-in-iraq von Joseph DeLappe, Kap. 10). Es gibt deshalb einen wesentlichen Unterschied zwischen traditionellen Spielen und Computerspielen. Dieser Unterschied liegt nicht in der Unterscheidung von Regelsystem und Fiktion/Narration wie Jesper Juul in Half-Real vorschlägt (vgl. Juul 2005a), sondern in den medialen Charakteristika und der Bildhaftigkeit des Computerspiels: „Dies ist zwar der Fall [,dass es einen Unterschied gibt zwischen traditionellen Spielen und Computerspielen], doch ist der Unterschied weder im Bereich des Regelhaften noch im Bereich der Erzählung zu suchen, sondern im Bereich des Medialen oder der Medienform: Im Computerspiel als einem interaktiven Bild, dessen Rezeption keine externe Bezugnahme voraussetzt, sondern allein im Handeln auf der Basis räumlicher Strukturen gründet. Und zu diesen räumlichen Strukturen des Videospiels gehören auch die undurchlässigen Grenzen der Spielwelt. Juul widersprechend lässt sich also sagen, dass sich Computerspiele von allen anderen Arten des Spiels gerade durch die Abwesenheit eines Magic Circle unterscheiden lassen. [...] Vereinfacht gesprochen kann konstatiert werden, dass traditionelle Spiele tatsächlich auf einer Übereinkunft der Spieler im Sinne der Verpflichtung, die Regeln des Spiels einzuhalten, bestanden. Computerspiele dagegen sind ohne jedwede Verpflichtung spielbar, sodass sie aus Sicht des nichtdigitalen Spiels und der Kulturanthropologie des Spiels als

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Die folgenden Ausführungen orientieren sich an den einschlägigen Erkenntnissen der Game Studies sowie theoretischen Prinzipien des Game Design, namentlich repräsentiert durch die Ludologen Jesper Juul und Gonzalo Frasca sowie durch die Game Designer Katie Salen und Eric Zimmerman. Zunächst wird ausgehend von den neuesten Definintionen bei Juul und Salen & Zimmerman, das Spiel (game) als System definiert (Kap. 2.2.2). Spiele – und natürlich hauptsächlich Computerspiele – werden in dieser Arbeit als formale Systeme verstanden – als Gefüge von Elementen, die aufeinander bezogen in einer bestimmten Weise wechselwirken und durch Regeln bestimmt sind. Daraufhin werden vier Grundbegriffe in die Arbeit eingebracht, die Roger Caillois aufgestellt hat, um zwischen vier Grundformen des Spiels zu unterscheiden (Wettbewerbsspiele, Glücksspiele, Rollenspiele und Bewegungsspiele) (Kap. 2.2.3). Caillois bietet zwei weitere Grundbegriffe an, die zum einen das regelgerichtete Spiel als ludus und das freie Spiel als paidia benennen (Kap. 2.2.3). Damit ist eine wichtige Unterscheidung getroffen, um den deutschen Ausdruck Spiel eingängiger zu verstehen. Im Deutschen bezeichnet das Wort Spiel mindestens zwei Dinge, die – in Korrespondenz zu ludus und paidia – im Englischen mit den Worten game und play bezeichnet werden. Mit game ist meistens ein bestimmtes Spiel gemeint, während play auch das Spielen als Aktivität bezeichnet. Diese Unterscheidung wird daraufhin näher diskutiert. Davon ausgehend werden Charakteristika in die Arbeit eingeführt, die Computerspiele spezifisch auszeichnen und die sie von traditionellen, analogen Spielen unterscheiden (Kap. 2.2.4). Eine Gemeinsamkeit, die Computerspiele wiederum mit anderen Spielen haben, ist, dass sie auf Regeln basieren. Auf welchen Ebenen eines Spiels das Regelwerk wirksam ist und wie es sich während des Spielvollzugs entfaltet, wird in einem nächsten Schritt erläutert (Kap. 2.2.5). In diesem Schritt wird auch die grundsätzliche Unterscheidung von emergenten und progressiven Spielen getroffen, die Spiele aufgrund der Konstruktion ihres Regelwerks in zwei große Gruppen einteilen lässt: Spiele nämlich, deren Regeln von vorne herein bekannt sind und Spiele, bei denen man sich das Wissen um das Funktiontionieren des Regelwerks sukzessive ‚erspielen‘ muss. Die Feststellung der Tatsache, dass alle Elemente eines Spielsystems prinzipiell veränderbar sind, leitet schließlich zu Kapitel 2.3 über, das sich dezidiert der Veränderung von digitalen Spielen – der Computerspielmodifikation – widmet.

Nichtspiele erscheinen müssen“ (Günzel 2010, S. 200f.). Zur Kritik am Konzept des Zauberkreises vgl. ferner z.B. Consalvo 2009, Arsenault/Perron 2009, Liebe 2008, Günzel 2010.

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2.2.2 Games: Auf Regeln basierende Systeme Der dänische Ludologe Jesper Juul definiert das Spiel [game] in seiner einschlägigen Dissertation Half-Real, die wesentlichen Einfluss auf die theoretische Formierung der jungen Game Studies ausgeübt hat.61 Ein Ziel seiner Schrift ist – neben der allgemeinen Theoretisierung des Phänomens Computerspiel – auch die Herleitung eines Modells des Spiels an sich, das für alle Spiele Gültigkeit besitzen soll. Juul erarbeitet durch den kritischen Vergleich von einflussreichen Definitionen des Spiels – beginnend mit Johan Huizingas Vorschlag von 1938 (vgl. Anm. 57) und mit einschränkendem Hinweis auf Wittgensteins Familienähnlichkeiten (vgl. Anm. 56) – eine eigene Version. Juuls Definition des game enthält sechs wesentliche Aspekte und umschreibt drei Seiten eines Spiels – nämlich erstens das eigentliche Spiel, zweitens das Verhältnis zwischen dem Spiel und dem Spieler und drittens das Verhältnis zwischen dem Spiel und der restlichen Welt. Die Defintion des game lautet bei Juul: „A game is a rule-based system with a variable and quantifiable outcome, where different outcomes are assigned different values, the player exerts effort in order to influence the outcome, the player feels emotionally attached to the outcome, and the consequences of the activity are negotiable“.62

Ein Spiel ist demnach ein auf Regeln basierendes System. Der Ausgang eines Spiels ist variabel und quantitativ bestimmbar (z.B. in Form von Punkten). Dem Ausgang eines Spiels werden unterschiedliche Wertigkeiten beigemessen; so kann es negative und positive Ergebnisse geben. Die Spieler unternehmen Bestrebungen, den Ausgang des Spiels zu beeinflussen. Die Spieler sind dabei emotional an den Ausgang des Spiels gebunden, wobei das Gewinnen typischerweise positive Emotionen im Gegensatz zu negativen Emotionen beim Verlieren eines Spiels auslöst. Spiele können zudem optional realweltliche, aushandelbare Konsequenzen haben, müssen es aber nicht. Im Falle von künstlerischen Computerspielmodifikationen werden all diese Aspekte des Systems Spiel hinterfragt, ausgelotet, gedehnt und im Extremfall so weit attackiert, dass paradoxe Artefakte entstehen können – nämlich unspielbare Spiele. Die Game Designer Katie Salen und Eric Zimmerman bieten eine kürzere Definition an, die weniger auf den Spieler und mehr auf das System des Spiels ausgerichtet ist. 2004 legen sie mit ihrer Publikation Rules of Play ein Lehrbuch für Ent-

61 Vgl. Juul 2005a. Jesper Juul ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, dänischen Familientherapeuten. 62 Ebd., S. 36.

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wickler und Designer von Spielen vor, in dem die Definition des game eingängig diskutiert wird.63 Da es sich bei Salen & Zimmermans Rules of Play um das derzeitige Standardwerk des Game Design handelt und es aus diesem Grunde nicht nur von akademischen, sondern auch anwendungsorientierten Publika rezipiert wird, ist anzunehmen, dass es sich bei der darin befindlichen Definition des game um die am Weitesten verbreitete Auffassung des Spielbegriffs handeln dürfte. Das Ergebnis einer vergleichenden Analyse von acht (historischen) Positionen64 ist die knappe Minimaldefinition des game als ein durch Regeln bestimmtes, formales System, das sich durch einen Konflikt auszeichnet und dessen Ergebnis quantitativ bestimmbar ist – im Wortlaut heißt es bei Salen & Zimmerman: „A game is a system in which players engage in an artificial conflict, defined by rules, that results in a quantifiable outcome.”65 Spiele sind demnach geregelte Systeme. Diese Systeme sind im Falle von Computerspielen als Software programmiert. 2.2.3

Grundbegriffe des Spiels

Es gibt vier Grundformen des Spiels, die nach Roger Caillois mit den Begriffen Agôn, Alea, Mimicry und Ilinx bezeichnet werden.66 Im Folgenden wird auf jeden der Begriffe kurz eingegangen. 2.2.3.1 Zwischen Rivalität und Rausch: Agôn, Alea, Mimicry und Ilinx Mit Agôn werden Spiele des Wettkampfes und der Rivalität bezeichnet. Man gewinnt diese mit Geschick. Fast alle Sportarten lassen sich unter dieser Kategorie zusammenfassen. Mit Alea sind Glücksspiele aller Art gemeint, deren konstituierendes Moment der Zufall ist. Rollenspiele, die vom kindlichen Verkleiden bis zum Spiel im Theater reichen, werden Mimicry genannt. Die vierte Kategorie ist Ilinx: Spiele der Bewegung, des Rauschs und des Schwindels, z.B. ausgelassenes Herumtoben, Tanzspiele und ähnliche Tätigkeiten. Caillois selbst nennt als Beispiel für Ilinx die Exerzitien tanzender Derwische und andere Rituale, die zu tranceartigen Zuständen führen. Ilinx-Elemente finden sich aber auch in Betätigungen wie Bungeejumping, Fallschirmspringen und Achterbahnfahren. Das Flow-Erlebnis67, das sich beim Computerspielen einstellen kann, ist ebenfalls als Ilinx interpretierbar.

63 Vgl. Salen/Zimmerman 2004. 64 Vgl. ebd., S. 79. 65 Ebd., S. 80. 66 Vgl. Caillois 1982, S. 19. 67 Vgl. Csíkszentmihályi 2010.

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Diese vier Grundbegriffe teilen das begriffliche Feld des Spiels in Quadranten ein. Jeder der Grundbegriffe bewegt sich zwischen zwei Polen, die Caillois ludus und paidia nennt. Mit ludus wird das regelgerichtete Spiel, also eher: das Spiel, während paidia für das freie Spiel; das Spielerische oder auch das Spielen steht.68 2.2.3.2 Game als Struktur und play als freie Bewegung Die Pole ludus und paidia lassen sich auf die Unterscheidung von game und play beziehen. Das game unterscheidet sich vom play in der Form, dass play freier und weniger von Regeln bestimmt ist als das game. Während das game als geregeltes System definiert wird, bezeichnen Salen & Zimmerman play als freie Bewegung innerhalb einer festeren Struktur. „Play is free movement within a more rigid structure.”69 Play kann demnach innerhalb der Struktur eines game stattfinden und bildet so eine Teilmenge des game. Spiele (games) bestehen aber nicht nur aus play, sondern auch aus Regeln, die die festere Struktur bilden, die Spieler beschränken und denen sich das play unterordnen muss. Play kann die festeren Strukturen des game auch verändern. Dieses Konzept bezeichnen Salen und Zimmerman als transformative play.70 Beispiele für transformatives Spielen sind Computerspielmodifikationen, die die rigiden Strukturen des game ausloten, beugen und damit verändern. Jesper Juul bezeichnet die Art Spiele entgegen der Art zu spielen, wie es der Designer intendiert hat, als emergentes Gameplay, das zu neuen Spielen führen kann.71 Ein Beispiel für transformatives Spielen, sind neben Modifikationen und Machinima, auch so genannte Speedruns. Hier werden Computerspiele nicht im Hinblick auf das Erreichen eines High Score oder auf Entfaltung der Narration (im Sinne eines ‚Durchspielens‘), sondern auf Schnelligkeit gespielt. So kann sich die Struktur eines Agôn-Spiels hin zu Ilinx verschieben. Es gibt viele verschiedene spielerische Aktivitäten [playful activities], die nicht unbedingt games sein müssen bzw. innerhalb von festeren Strukturen eines game stattfinden: Etwa das freie, nicht-zielgerichtete Spielen eines Kindes. Dementsprechend trennen die Autoren drei Kategorien des play: Game Play, Ludic Activity und

68 Vgl. Caillois 1982, S. 20. 69 Salen/Zimmerman 2004, S. 304. 70 „Transformative play is a special kind of play that occurs when the free movement of play alters the more rigid structure in which it takes shape. The play actually transforms the rigid structure in some way. Not all play is transformative, but all forms of play contain the potential for transformation“ (Salen/Zimmerman 2004, S. 311). 71 „Emergent gameplay is usually taken to be situations where a game is played in a way that the game designer did not predict“ (Juul 2005a, S. 76).

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Being Playful. Game Play bezeichnet das Spielen eines konkreten game. Ludic Activity zeichnet sich durch weniger strenge Regeln aus, wie etwa das spielerische Werfen und Fangen eines Balles. Die Kategorie des Being Playful meint weniger ein konkretes Spiel, sondern eher eine spielerische Einstellung. Das freie nichtzielgerichtete Spielen eines Kindes ist dafür ein Beispiel. Salen und Zimmerman nennen ferner das Spielen mit Worten innerhalb der rigiden Struktur der Grammatik. Sie beschreiben auch die Möglichkeit, spielerisch spazieren zu gehen („being playful while walking down the street“72), wenn z.B. die rigiden Strukturen eines herkömmlichen Laufens ausprobiert werden, indem etwa das Treten auf die Fugen der Pflastersteine vermieden wird. Die rigide Struktur, in denen play stattfindet, wird dabei vom Game Play über die Ludic Activity hin zum Being Playful immer offener. Alle Formen des play können potenziell transformativ sein und die Strukturen, in denen sie stattfinden, verändern. 2.2.4 Charakteristika des Computerspiels im Verhältnis zu analogen Spielen Die hier vorgestellten Definitionen von game und play gelten zunächst für alle Spiele und unterscheiden nicht zwischen Spielen und Computerspielen. Eine Sonderform des game – nämlich das Computerspiel – zeichnet sich durch vier Charakteristika aus, die traditionellen Spielen nicht zu Eigen sind. 1.

2.

3.

Sofortige aber eng gefasste Interaktivität [immediate but narrow interactivity] Um ein Computerspiel zu spielen, müssen Eingaben über ein Interface73 von Seiten des Spielers erfolgen. Das Spiel als System reagiert sofort darauf. Informationsmanipulation [Information Manipulation] Digitale Spiele bestehen aus Daten, z.B. Bildern, Tönen, Texten, Algorithmen (hier als Informationen bezeichnet), die sowohl vom Spieler als auch vom Spiel als System verändert werden. Dem Spieler bleiben Informationen verborgen; z.B. die Rechenprozesse des Computers sowie der Code, der im Hintergrund das gesamte Spiel erst entstehen lässt. Automatisierte komplexe Systeme [Automated complex systems]

72 Salen/Zimmerman 2004, S. 304. 73 Ein Interface ist eine Schnittstelle: „In computer science the word ‚interface‘ has two meanings. Firstly, it means a piece of hardware, for example, between the central processing unit (CPU) of a computer and a printer. Secondly, it means almost ethereal dimension containing everything the user sees on the screen, and what ist heard from the loudspeaker when the programme is used“ (Bonsiepe 1999, S. 57f.).

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4.

Die formalen Aspekte des digitalen Spiels verlaufen automatisch: Die Grafik, die Simulation der Physik, die Künstliche Intelligenz gegnerischer Figuren, die Einhaltung der Regeln etc. werden automatisch vom Programm als System berechnet. Vernetzte Kommunikation [Networked Communication] Dieses vierte Charakteristikum trifft nicht auf alle digitalen Spiele zu. Es bezeichnet, die Möglichkeit zur vernetzten Kommunikation zwischen Spielern in Multiplayerspielen über große Distanzen, z.B. im Internet.74

Es wird hier deutlich, dass Computerspiele eine Sonderform des Spiels bilden, da das System des Spiels mit seinen Regeln in der Form eines Computerprogramms implementiert ist und dementsprechend automatisch und über weite Strecken ‚unsichtbar‘ für die Spieler verläuft. Der Computer hält die Regeln aufrecht – es müssen also weder Schiedsrichter, Spielleiter noch die Spieler selbst die Einhaltung der Regeln überwachen. Die Rezipienten dieser medialen Sonderform des Spiels sind vielmehr mit einer audiovisuellen Raumzeitlichkeit konfrontiert, über die sich das Spiel entfaltet und die sie manipulieren, woraufhin das Computerprogramm automatisch eingedenk der programmierten Regeln reagiert. Ein Beispiel: Das klassische Arcadespiel Space Invaders (Taito, 1978) besteht aus der Anforderung, mit einer Kanone auf Außerirdische zu schießen, die sich der eigenen Spielfigur langsam von oben nach unten nähern und ebenfalls Schüsse abfeuern. Wird die eigene Spielfigur getroffen, verliert man ein ‚Leben‘. Die Herausforderung besteht nun darin, die Kanone auf einer horizontalen Achse in Korrespondenz zu den Außerirdischen zu steuern und auf diese zu zielen, während man den gegnerischen Schüssen ausweicht, so dass man kein Leben verliert. Eigentlich aber – unter der Oberfläche der audiovisuellen Repräsentation und rudimentären Geschichte einer außerirdischen Invasion –, besteht die Anforderung des Spiels darin, eine Ansammlung von Bildpunkten auf einer horizontalen Achse mit einem Eingabegerät (z.B. Joystick) über den unteren Rand eines Bildschirms zu bewegen. Ein Knopfdruck bewirkt, dass sich Pixel von unten nach oben – ausgehend von der ‚Kanone‘ – in einer bestimmten Geschwindigkeit über den Bildschirm bewegen. Treffen diese Pixel auf andere – ebenfalls in Bewegung befindliche – Bildpunkte am oberen Bildrand, verschwinden diese. Dasselbe gilt für Bildpunkte die sich von oben nach unten bewegen: treffen diese auf die vom Spieler gesteuerte Ansammlung von Bildpunkten am unteren Bildrand, verschwindet sie ebenfalls. Dies sind die grundsätzlichen Regeln des Spiels. Diese Regeln sind unsichtbar für den Spieler, sie sind aber wirksam in einer rudimentären ‚Welt‘, die schon durch den Titel Space Invaders ein Science-Fiction-Setting rund um eine außerirdische Bedrohung

74 Vgl. Salen/Zimmerman 2004, S. 85-91.

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evoziert und damit narrativ aufgeladen wird.75 Juul bezeichnet die Tatsache, dass sich Computerspiele zwischen ihren Regeln und ihrer audiovisuellen Raumzeitlichkeit (fictional world) befinden, als half-real, da die Regeln des Spiels in der realweltlichen Sphäre tatsächlich bindend sind, der Spieler sich aber auch in die Diegese des Computerspiels hinein imaginieren kann. Mit anderen Worten: die Regeln eines Computerspiels kommen verkleidet daher. 2.2.5 Entfaltung und Wirksamkeit von Spielregeln Alle Spiele haben Regeln. Regeln sind zunächst so zu beschreiben, dass sie die Handlungen der Spieler beschränken und dem Spiel damit eine formale Struktur geben. Aus einer Game Design-Perspektive sollten Spielregeln unmissverständlich und in sich widerspruchsfrei sein und in bindender und wiederholbarer Weise für alle Spieler gelten: ein Springer im Schach darf nur diagonal ziehen, ein Turm nur horizontal und vertikal. Die Kanone aus Space Invaders lässt sich nur auf einer horizontalen Achse bewegen.76 Bei der Entwicklung eines Spiels richtet der Game Designer all diese Faktoren auf eine bestimmte Art ein und optimiert das System des Spiels, bis die Regeln sinnvoll ineinander greifen und ein funktionierendes, ausbalanciertes Regelwerk bilden. Dies bedeutet, dass Regeln prinzipiell veränderbar sind. Es ist durchaus vorstellbar, dass sich das Geschütz aus Space Invaders auch vertikal bewegen ließe. Dies wiederum hätte aber einen Einfluss auf das gesamte Gefüge des übrigen Spiels und würde dies verändern.

75 An dieser Stelle ist der Hinweis wichtig, dass natürlich nicht nur Computerspiele eine ‚Welt‘ aufbauen können. Selbst Schach zeigt dies in Ansätzen, wenn den Positionen und Hierarchien der Spielfiguren Rollen zugesprochen werden (König vs. Bauer) und das gesamte Spiel ein Sinnbild für kriegerische Auseinandersetzung in Form einer Schlacht darstellt. Dennoch haben aktuelle Computerspiele, die sich narrativ an Kinofilmen orientieren (vgl. Heavy Rain, Quantic Dream, 2010) oder ganze Topografien ausbilden (vgl. die Spielwelt Azeroth aus World of Warcraft), im Vergleich dazu eine andere Qualität. Es gibt im Umkehrschluss auch Computerspiele, die auf den Aufbau einer fictional world im weitesten Sinne verzichten. Tetris ist ein solches Beispiel. Das Gros der Games bettet seine Regeln aber in eine audiovisuelle Raumzeitlichkeit ein und verschleiert so die mathematische Grundlage der Spielregeln im Spielsystem. 76 „Rules limit player action[.] Rules are explicit and unambiguous[.] Rules are shared by all players[.] Rules are fixed[.] Rules are binding[.] Rules are repeatable“ (Salen/Zimmerman 2004, S. 125).

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Regeln entfalten sich mindestens auf drei Ebenen: konkret wirksame Regeln, abstrakte, mathematische Regeln, und implizite‚ ungeschriebene‘ Regeln.77 Zunächst sind die Regeln zu nennen, mit denen die Spieler konkret während des Spielvollzugs umgehen. Spieler folgen bestimmten Regeln, die ihnen von vorne herein bekannt sind oder die sie während des Spiels sukzessive kennenlernen. Diese expliziten Regeln finden sich bei Brettspielen häufig ausformuliert in einer begleitenden Spielanleitung. Eine Handlungsanweisung der frühen Arcadeversion von Pong (Atari, 1972) lautete schlicht: „Avoid missing ball for highscore.“78 Computerspiele beginnen häufig mit einem so genannten Tutorial, in dem die wichtigsten Regeln erklärt und ausprobiert werden, z.B. welche grundsätzlichen Handlungsformen und Bewegungsarten in der Spielwelt zur Verfügung stehen. Dem Spiel untergeordnet gibt es zweitens formale Regeln des Spielsystems, die für den Spieler unsichtbar oder – wenn sie z.B. in Form von Code zu Tage treten – unverständlich bleiben. Diese Regeln sind abstrakter, mathematischer Natur. Dieses verborgene Regelwerk steuert z.B. alle möglichen Konstellationen aller Spielfiguren im Schach. Ein Kartenspiel verfügt ebenfalls über diese abstrakt-mathematische Regelebene, in der alle möglichen Kombinationen von Karten und deren Wahrscheinlichkeit theoretisch berechenbar sind. Diese Ebene ist bei Computerspielen in der Software programmiert, als Code festgeschrieben und in der Verborgenheit der black box des Rechners aktiv. Den Spielen übergeordnet lässt sich – drittens – eine Regelebene ausmachen, die von hoher Wichtigkeit ist, wenn Menschen miteinander spielen, was im Fall von Online-Spielen natürlich auch auf Computerspiele zutrifft. Dabei handelt es sich um implizite‚ ‚ungeschriebene‘ Regeln, die sich auf allgemeine menschliche Verhaltensweisen beziehen. Dazu gehören eine bestimmte Etikette im Umgang mit Anderen, Fairness sowie generelles sportliches Verhalten. In Multiplayer-Shootern ist es beispielsweise verpönt, sich in einer Spielumgebung in einer sicheren Deckung zu verstecken, bis sich die Gelegenheit eines hinterhältigen Treffers bietet.

77 Salen und Zimmerman unterscheiden zwischen drei Regelebenen: 1.) constituative rules sind die abstrakten mathematischen Regeln (auch analoge Spiele verfügen über solcherlei Regeln, 2.) operational rules sind die Regeln, die konkret während des Spielens wirksam sind und 3.) implicit rules, die sich ‚ungeschrieben‘ auf generelle (soziale) Verhaltensweisen beziehen. „Constituative rules are the abstract, core mathematical rules of a game. Although they contain the essential game logic, they do not explicitly indicate how players should enact these rules. Operational rules are the ‚rules of play‘ that players follow when they are playing a game. Operational rules direct the players’ behavior and are usually the kinds of rules printed out in instructions and rulebooks for games. Implicit rules are the ‚unwritten rules‘ of etiquette and behavior that usually go unstated when a game is played. Similar implicit rules apply to many different games“ (ebd., S. 139). 78 Lange 2006, S. 4.

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Dieses taktische Verhalten ist als Camping bekannt und kann von Mitspielern als Verstoß geahndet werden, obwohl es sich nicht um eine konkrete Regelverletzung, sondern um spielerseitiges Fehlverhalten, handelt, das sich aber auf das gesamte Regelgefüge auswirken kann. Diese impliziten Regeln sind flexibler Natur und werden von den Spielern während des Spiels ausgehandelt. Einem Kind wird eher gestattet, einen falschen Zug zurückzunehmen, als einem Rivalen während eines Schachturniers. Einen Überblick über die Ansatzpunkte der Modifikation an den Regeln eines Spielsystems bietet ein Abschnitt in Kapitel 2.3.4.3 indem diese drei Regelebenen präziser in sechs unterschiedliche Ansatzpunkte aufgeschlüsselt werden. Die Art und Weise, wie sich Regeln in Spielen entfalten, lässt sich wiederum zwei unterschiedlichen Polen zuordnen. So lassen sich zwei große Gruppen bilden und mit Jesper Juul zwischen emergenten und progressiven Spielen unterscheiden.79 2.2.5.1 Offen liegende Regeln: emergente Spiele Im Falle von emergenten Spielen – als historisch größere Gruppe – liegen die Regeln offen, sie sind dem Spieler von vorne herein bekannt. Das Spiel entwickelt sich aus dem Ineinandergreifen dieser Regeln immer wieder aufs Neue. Das Computerspiel Tetris ist ein solches Beispiel: Aus der Kombination der sieben Spielsteine, die sich in zufälliger Reihenfolge vom oberen Bildrand nach unten bewegen, entfalten sich immer wieder neue unvorhersehbare Spielsituationen. So emergieren immer wieder neue Strukturen des Systems durch das Zusammenwirken der einzelnen Elemente. In diesem Punkt ist Tetris mit Schach oder Go vergleichbar, da es sich jeweils um emergente Spiele handelt. Typisch emergente Spiele sind demnach Brett-, Karten-, Action- und Strategiespiele. 2.2.5.2 Sich Regeln erspielen: progressive Spiele Im Gegensatz dazu stehen progressive Spiele, die besonders häufig Computerspiele sind. Diese offenbaren ihre Regeln erst nach und nach. Das Wissen um die Regeln muss gewissermaßen linear freigespielt werden und genau in dieser Tätigkeit liegt auch ein Reiz begründet. Die Regeln stehen natürlich vorher fest, bzw. sie sind im System des Spiels festgeschrieben. Der Spieler eines progressiven Spiels weiß aber nicht immer, welche Regeln gerade gelten. Eine Aufgabe besteht darin, die Regeln zu entschlüsseln und sich sukzessive Wissen über das Spiel anzueignen. Prototypische Beispiele für progressive Spiele sind Adventures. Schon frühe Textadventures

79 Vgl. Juul 2005a, S. 56

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wie Zork (Marc Blank und Dave Lebling, 1977) entfalten ihren Reiz aus der Tatsache, dass der Spieler erst herausfinden muss, was genau zu tun ist. Zork beginnt mit einer Ortsbeschreibung, die den Rezipienten in der fiktiven Spielwelt verortet und eine erste Orientierung ermöglicht: „Du stehst auf einem freien Feld westlich von einem weißen Haus, dessen Haustür mit Brettern vernagelt ist. Hier ist ein kleiner Briefkasten.“ Durch das Öffnen des Briefkastens mit einem eingetippten und über den Parser interpretierten Befehl wie „Öffne Briefkasten“, beginnt das eigentliche Spiel. Der Spieler findet einen Zettel, auf dem steht: „Willkommen in Zork! Zork ist ein Spiel voller Abenteuer, Gefahren und gemeiner Schlauheit. Beim Spielen wirst du einige der wundersamsten Welten entdecken, die je irgendein Sterblicher gesehen hat. Kein Heimcomputer sollte ohne dieses Spiel sein.“80 In dem Grafikadventure Maniac Mansion (Lucasfilm Games, 1987), das ebenfalls vor einem Haus beginnt, muss der Spieler einen Blick unter die Fußmatte werfen, um mit dem daraufhin gefundenen Schlüssel die Haustür und damit die eigentliche Spielwelt buchstäblich aufzuschließen und betreten zu können. Von progressiven Spielen lassen sich so genannte Walkthroughs anfertigen. Dabei handelt es sich ursprünglich um eine spezifische Textsorte, aus der alle Spielerhandlungen nacheinander Schritt für Schritt aufgelistet sind. In einem Video-Walkthrough für Maniac Mansion mit Bezug auf die oben beschriebene Situation werden folgende Schritte nacheinander durchgeführt: „Zieh Fussabtreter – Nimm Schlüssel – Benutz Schlüssel mit Haustür“.81 Im Falle von emergenten Spielen sind solcherlei konkrete Angaben nicht zu machen. Texte über emergente Spiele empfehlen im Gegensatz zu Walkthroughs vielmehr grundsätzliche Strategien des Spielvollzugs. Bei Computerspielen überlappen sich die Formen Emergenz und Progression immer wieder, da zu beobachten ist, dass in narrativ geprägten, progressiven Spielen oft auch kleinere emergente Spiele (z.B. in Form kleinerer Geschicklichkeitsaufgaben) integriert werden.82 Im Umkehrschluss lässt sich eine grundsätzliche

80 Die deutsche Übersetzung ist zitiert nach Lischka 2002 (S. 34). 81 Dies ist eine transkribierte Abfolge von Befehlen, die in Maniac Mansion nacheinander durchgeführt werden, um die Türe des titelgebenden Herrenhauses zu öffnen. Dies ist so zu sehen in einem Walkthrough-Video auf YouTube mit dem Titel Lets Play – Maniac Mansion (Deutsch) [Teil 1] unter der URL: http://www.youtube.com/watch?v=z8d3y Wjzxg0 [28.02.2012] 82 Eine Unterscheidung zwischen Spielen der Emergenz und Progression zu fällen, ist oft nicht ganz eindeutig. Jesper Juul schlägt einen einfachen Test vor, wie der Charakter eines Computerspiels bestimmt werden kann. Um eine Unterscheidung zwischen emergenten und progressiven Spielen zu treffen, schlägt Jesper Juul den Weg über die Texte vor, die über die Spiele handeln. Handelt es sich um einen Walkthrough spricht dies für ein

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Spielerhandlung in einem narrativ geprägten Ego-Shooter mit gegenständlicher Grafik – nämlich das Zielen auf bewegliche Objekte – als emergentes GameplayElement benennen.83 Die einzelnen geregelten Elemente eines Spielsystems sind prinzipiell veränderbar. Dabei handelt es sich um das Grundprinzip des Game Design. Game Designer gestalten die Strukturen, in denen sich spielerische Handlungen ereignen. Sie richten die Regeln und Strukturen eines Spiels so ein, dass sie damit die Erfahrung der Spieler mit dem System beeinflussen und steuern können.84 Diese grundsätzliche Gestaltbarkeit des Mediums eröffnet den Zugang zu Computerspielen als künstlerisches Material. Indem nämlich in die Spiele eingegriffen wird, lässt sich das gesamte Gefüge, das zuvor von Game Designern eingerichtet und bereitgestellt worden ist, unter künstlerischen Vorzeichen weiterverarbeiten. Diese gezielte Veränderung von Computerspielen wird als Computerspielmodifikation bezeichnet. Das nächste Kapitel (2.3) gibt einen Überblick über diese Form des kreativen Umgangs mit digitalen Spielen.

2.3 C OMPUTERSPIELMODIFIKATION Im Folgenden wird der Begriff der Computerspielmodifikation präzise konturiert. Kapitel 2.3.1 besteht aus folgenden Ausführungen: Ein historischer Abriss vollzieht die Entwicklung des so genannten Modding in drei Phasen nach und zeigt, dass sich die Praxis, Computerspiele zu verändern, bis zu den Anfängen des Mediums zurückverfolgen lässt (Kap. 2.3.2). Computerspielmodifikationen sind keine Erfindung von KünstlerInnen, sondern haben ihren Ursprung in Communities im Internet, die sich um populäre Spiele gruppieren.85 KünstlerInnen wenden sich ab 1995

progressives Spiel; handelt es sich um einen so genannten Strategy Guide handelt es sich um ein emergentes Spiel (vgl. Juul 2005a, S. 71). 83 Durch den Begriff Zielen klingt eine inhaltliche Interpretation eines solchen Spiels an. Die audiovisuelle Ebene eines Shooters stellt dar, wie mit einer Schusswaffe auf Objekte und Figuren geschossen wird. Die eigentliche spielerische Handlung besteht aber darin, einen durch die Maus beweglichen Punkt mit sich bewegenden Objekten auf dem Bildschirm zur Deckung zu bringen und daraufhin eine Taste zu betätigen. Aus der Beweglichkeit dieser (gegenläufigen) Elemente emergieren immer wieder neue Strukturen. 84 „The focus of a game designer is designing game play, conceiving and designing rules and structures that result in an experience for players“ (Salen/Zimmerman 2004, S. 1). 85 Vgl. zu den Communities, ihrer Organisation, ihren Motivationen und ihren Praktiken sowie ihren Demografien und zu ihrem Einfluss auf die Computerspielindustrie Laukkanen 2005, Sotamaa 2009 und Behr 2010.

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diesen Communities zu und eignen sich die das Modding als künstlerische Technik und damit das Computerspiel als künsterisches Material an. Es wird in Kap. 2.3.3 darauf hingewiesen, dass es sich bei der Praxis der Computerspielmodifikation um eine spezifische Form der Partizipation am Mediensystem des Computerspiels handelt: Die User, die Computerspiele verändern, sind zugleich Konsumenten eines Medienprodukts und Produzenten neuer Inhalte. Diese Inhalte werden von der Computerspielindustrie vermarktet und wiederum in die Games integriert. Computerspielmodifikation steht demnach auch in einem besonderen Verhältnis von Community- und Herstellerinteressen. Um das Feld konkreter zu beschreiben, stellen Beispiele von Computerspielmodifikationen daraufhin die beliebte Praxis der Modder vor, populär-kulturelle Versatzstücke in Form von Medienzitaten (beispielsweise aus Film, Fernsehen oder anderen Games) in die Spiele einzuweben. Dabei wird angedeutet, dass sich die Mods der Communities von künstlerischen Computerspielmodifikationen unterscheiden. Ein maßgeblicher Unterschied liegt darin, dass die Fans ihre Lieblingsspiele oftmals einer ‚Neudekoration‘ unterziehen, während die Künstler eher an den medialen und apparativen Aspekten und Grundstrukturen des Computerspiels interessiert sind und diese mittels Modifikation ergründen (Kap. 2.3.3).86 Kapitel 2.3.4 wendet sich konkret der Technik und den Auswirkungen der Computerspielmodifikation zu. Es wird festgestellt, dass Modifikationen an drei unterschiedlichen Ebenen des Computerspiels ansetzen können: An der Software, der Hardware und den Spielregeln der Games. Diese drei Ansatzpunkte werden nacheinander genauer beschrieben und aufgeschlüsselt. Die vorliegende Arbeit fokussiert im Analyseteil Software-Modifikationen (Kap.7-11). Ein kurzer Überblick über Ansätze der Hardware-Modifkation wird gegeben und zu diesem Zwecke der Dispositiv-Begriff in die Arbeit eingebracht.

86 Tilman Baumgärtel bezeichnet oberflächlich-kosmetische Mods als Neudekoration in einem frühen Text über künstlerische Auseinandersetzungen mit Computerspielen: „Dadurch unterscheiden sie [künstlerische Mods] sich auch von den meisten Modifikationen, die von Fans erstellt wurden. Diese begnügen sich in der Regel mit einer ‚Neudekoration‘ der vorgefundenen Strukturen, während die Künstler sehr viel weitergehende Veränderungen vornehmen, die zum Teil dazu führen, dass die Spiele vollkommen unspielbar werden“ (Baumgärtel 2003b, URL: http://www.medienkunstnetz.de/themen/generative_ tools/game_art/scroll/ [01.05.2012]).

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2.3.1 Mods und Modding Wenn man von Computerspielmodifikation spricht, kann zum einen das veränderte Spiel gemeint sein (eine Mod) oder zum anderen der Eingriff in die Strukturen des Spiels; also die Technik sowie der Akt des Modifizierens (das Modding). In den Szenen, die sich um Modding als Hobby ranken, werden Computerspiele als Ausgangsmaterial benutzt, um bestehende Games zu erweitern oder daraus durch vollständige Umgestaltung neue Spiele zu entwickeln. Modifikationen stellen immer einen Eingriff in die bestehenden Strukturen eines Computerspiels dar.87 Modifikationen werden mittels einer Vielzahl unterschiedlicher Techniken hergestellt und resultieren in einer Vielzahl unterschiedlicher digitaler Objekte, die üblicherweise kostenlos über das Internet verteilt und angeboten werden. Diese ludischen Artefakte88 reichen von individuell angepassten grafischen Texturen für Figuren und Objekte (so genannte Skins), über eigens angefertigte Spielumgebungen (Maps) bis hin zur vollständigen Veränderung des Spiels, samt seiner audiovisuellen Oberflächen und Spielregeln (von der Partial zur Total Conversion).89 Um diese

87 Vom Modding abgegrenzt wird die Produktion eigener Spiele. Zu diesem Zwecke stehen ebenfalls Tools zur Verfügung, mit denen ein Endverbraucher, ohne über elaborierte Programmierkenntnisse zu verfügen, seine eigenen Games herstellen kann. Es handelt sich dabei aber nicht um Modifikationen, da Computerspiele nicht als Material weiterverarbeitet werden. Zur DIY-Herstellung von Computerspielen mit Tools wie z.B. Game Maker und RPGMaker vgl. das Kapitel „Snapshots“ in Bogost 2011 (S. 70-77). 88 Aldo Tolino führt den Begriff des ludischen Artefakts in seiner Dissertation ein. Er bezeichnet: „Medienprodukte, die aus Computerspielen heraus entstehen. [...] Es handelt sich um Projekte, die von Spielern durch ein kreatives über das Spiel Hinausgehen generiert werden. [...] Die Artefakte entstehen nicht als Nebenprodukte des Spielens, im Laufe des Spiels automatisch, sondern die Kreation eines ludic artefacts erfordert einen kreativen Akt, der die Grenzen des Spiels transzendiert.“ Mit ludischen Artefakten sind demnach nicht ausschließlich Mods – oder gar Kunstwerke – gemeint, sondern medien-, material- und technikunabhängige Artefakte: „Dabei kann es sich um Videoclips, Verkleidungen, Objekte, Bilder, modifizierte Spielekonsolen, Comics, Tutorials, Webseiten und vieles mehr handeln.“ „Ludische Artefakte können mitunter auch Kunstobjekte darstellen, der Großteil ludischer Artefakte ist jedoch nicht in der Sphäre der Kunst zu verorten“ (Tolino 2010, S. 24ff.). 89 Am Beispiel von Half-Life zählt Tero Laukkanen verschiedenen user-generated content auf: „Whether it is a team working on a total conversion or an individual fan creating new stuff for his favorite mod, the types of custom content Half-Life modders produce are pretty much the same and can be classified into following categories: maps, textures, prefabs, map models, skins, character models, weapon models, sprites, sounds, and code

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Objekte in das Spiel zu integrieren und beispielweise einen neu gestalteten Avatar zu benutzen, ist in der Regel eine Kopie des Hauptprogramms notwendige Voraussetzung. Als prominentes Beispiel für Modding kann auf Counter-Strike (2000) verwiesen werden. Das Spiel Counter-Strike ist ursprünglich eine von Fans privat erstellte veränderte Variante des Ego-Shooters Half-Life (Valve Software, 1998). Bei den Urhebern von Counter-Strike handelt es sich nicht um professionelle Programmierer oder Game Designer, sondern um die Privatpersonen Minh Le und Jess Cliffe, die das Ausgangsmaterial Half-Life umgestaltet haben. Die Mod Counter-Strike wurde am 08. November 2000 von der Firma Valve als eigenständiges, neues Produkt auf den Markt gebracht.90 Das Beispiel zeigt auch, wie die Computerspielindustrie Inhalte kommerzialisiert, die von den Usern ihrer Produkte hergestellt worden sind. Counter-Strike stellt eine so genannte Total Conversion – eine vollständige Veränderung – des Spiels Half-Life dar. Beide Spiele sind zwar dem Genre des Ego-Shooters zuzurechnen, unterscheiden sich aber maßgeblich voneinander: Zum einen ist die Erscheinungsform von Half-Life auf der audiovisuellen Ebene vollständig verändert. Das Ursprungsspiel ist in einem Science-Fiction-Setting mit Ungeheuern aus einer Parallelwelt angesiedelt, während Counter-Strike in einer nichtfantastischen, militärischen Spielwelt mit Terroristen und so genannten CounterTerroristen stattfindet. Zum anderen sind auch die Spielregeln der Spiele verschieden. Half-Life ist ein progressiver Ego-Shooter mit narrativen Elementen, der von einem einzelnen Spieler (Singleplayer) von Level zu Level durchgespielt wird. Counter-Strike ist ein tendenziell emergentes Multiplayer-Spiel, das online mit vielen SpielerInnen in einzelnen Runden gespielt wird. 2.3.2 Historischer Überblick des Modding: Von Spacewar! (1962) über Counter-Strike (2000) zu Minecraft (2009) Modding ist schon mit der Entwicklung des Computerspiels Spacewar! (1962) im Sinne einer frühen Hacker-Ethik angelegt. Nachdem das Spiel von einer Gruppe um Steve Russell (*1937) auf dem Minicomputer PDP-1 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) programmiert wurde, beginnt es, an anderen Universitäten der

modifications“ (Laukkanen 2005, S. 31). Katharina-Maria Behr hat die verschiedenen Objekte in einer Tabelle zusammen getragen. Sie unterscheidet zwischen Skin, Model, Map und Total Conversion (vgl Behr 2010, S. 25). 90 „Counter-Strike became the first fan-made modification to be released commercially, selling millions even though it was still freely available for download. Five years later Counter-Strike is still the most popular online action game“ (Laukkanen 2005, S. 12). Vgl. auch Wright et al. 2002 sowie Behr 2010, S. 11.

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USA zu kursieren und wird von anderen Studenten durch Umprogrammierung immer weiter entwickelt, umgestaltet und verändert.91 Spacewar! steht hier für eine Art Proto-Moddingkultur, die zwischen Hobby, Pioniergeist und Softwareentwicklung changiert. Die allerersten Computerspiele wie Spacewar! waren einer ständigen Weiterentwicklung durch ihre User unterzogen. Eine klare Grenze zwischen Softwareentwicklung bzw. Produktion und Modifikation vorgefundener Strukturen lässt sich in dieser Zeit nicht ziehen. Die Geschichte der Computerspielmodifikation lässt sich ausgehend von einer durch Spacewar! repräsentierten Vorphase in drei Hauptphasen einteilen. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an der Einteilung in drei Phasen durch Benjamin Beil.92 2.3.2.1 Erste Phase: Als Modding Hacking war Eine erste Phase ist von unautorisierten, prinzipiell illegalen Eingriffen in den 1980er Jahren geprägt, für die prototypisch die Mod Castle Smurfenstein (Preston Nevis und Andrew Johnson, 1983) (Abb. 4) steht. Die Modifikationen der frühen 1980er Jahre schließen an die Entwicklung der Computerspielindustrie ab 1972 (Pong) an. Im Zuge der Herausbildung industrieller Strukturen hat eine Professionalisierung der Computerspielproduktion eingesetzt. Es hat sich eine eigene unter-

91 „Slug [Spitzname] Russel knew that by showing a rough version of the game, and dropping a paper tape with the program into the box with the PDP-1 system programs, he was welcoming unsolicited improvements. [...] But the same power that Russell had drawn on to make his program – the power that the PDP-1 lent a programmer to create his own little universe – was also available to other hackers, who naturally felt free to improve Slug Russell’s universe. They did so instantly.“ Und ferner schreibt Steven Levy: „Like any other program, it [Spacewar!] was placed in the drawer for anyone to access, look at, and rewrite as they saw fit. The group effort that stage by stage had improved the program could have stood for an argument for the Hacker Ethic: an urge to get inside the workings of the thing and make it better had let to measurable improvement. And of course it was all a huge amount of fun“ (Levy 2010, S. 52 und S. 55). Vgl. auch Pias 2005a. Vgl. außerdem den Tatsachenbericht über die Entwicklung von Spacewar!: Graetz 1981. 92 „Die Geschichte von Mods soll (etwas verkürzt) in drei Phasen unterteilt werden: Die (i.d.R. unautorisierten) Mod-Projekte in den 1980er Jahren, die ersten Formen der Zusammenarbeit von Entwicklern und Mod-Communities Mitte der 1990er Jahre und schließlich die Entwicklung des Modding zu einem Business-Modell in den späten 1990er Jahren. An die Betrachtung dieser drei Phasen anschließend wird zu klären sein, ob und wie das Gaming 2.0-Konzept von LittleBigPlanet als eine vierte Phase dieser Entwicklung gesehen werden kann“ (Beil 2009, S. 195).

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haltungsindustrielle Branche um das Medium des Computerspiels entwickelt, die in den frühen 1980er Jahren ihren ersten kommerziellen Höhepunkt und kurz darauf ihren ersten Einbruch erlebt.93 Mit der Entwicklung professioneller Computerspielproduktion geht ein restriktiver Umgang mit dem Material des Computerspiels einher: Der Code wird als proprietäre Software verschlossen und ist nicht mehr ohne Weiteres für den Verbraucher zugänglich.94 Modifikatoren mussten deshalb auf unautorisiertem Wege in die Programmstrukturen eingreifen. Dementsprechend steht die Mod Castle Smurfenstein (1983) exemplarisch für eine Zeit, „when modding was hacking“95 – als Modding Hacking war. 2.3.2.2 Zweite Phase: Kooperation zwischen Moddern und Industrie In den 1990er Jahren kommt es in einer zweiten Phase zu ersten Kooperationen zwischen Moddern und der PC-Spieleindustrie. Insbesondere die Veränderbarkeit (und damit einhergehende kreative Gestaltbarkeit) des Spiels Doom (1993) (Abb. 14) sowie die zeitnahe Veröffentlichung des Source Codes des Spiels (1997) begünstigen die Entwicklung spezialisierter Modding-Szenen, die außerhalb eines universitären Kontexts wie bei Spacewar! stehen und die sich in Communities im sich verbreitenden Internet zu organisieren beginnen. Die Zugänglichkeit zu diesem neuen Material bedingt auch, dass sich ab 1995 die ersten KünstlerInnen Computerspielen zuwenden und diese weiterverwenden (vgl. zur Rolle des Spiels Doom Kap. 7.1 sowie Kap. 7.2 zu Arsdoom, 1995). Die zweite Phase der Geschichte der Computerspielmodifikationen wird prominent von Counter-Strike (Minh Le und Jess Cliffe, 2000) repräsentiert. Modifikation hat sich von einem unautorisierten Eingriff – einem Hack – zu einem Geschäftsmodell weiterentwickelt, das auch den Lebenszyklus eines Games zu verlängern hilft, indem die User durch aktive Mitgestaltung eng an das Produkt gebunden werden. Für diese Phase ist es wichtig hervorzuheben, dass besonders die PCSpielindustrie die Eingriffe und die aktive Mitgestaltung nicht nur toleriert, sondern die Communities dezidiert zum Modding ermutigt, indem sie Infrastrukturen schafft (z.B. in Form der Distribution von Software-Tools oder des Source Codes). Es werden bestimmte Werkzeuge in Form von Software (z.B. so genannte Level-Editoren) benötigt, die den Eingriff in die Games erlauben. Heute werden Werkzeuge zur Modifikation von Seiten der Entwickler meist direkt in die Spiele integriert. Mod-

93 Vgl. Lischka 2002. 94 Vgl. Pias 2005a. 95 Jeppesen 2004, S. 10.

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ding hat sich so von einem unautorisierten ‚Privatvergnügen‘ zu einem eigenen Geschäftsmodell entwickelt. 96 2.3.2.3 Dritte Phase: Modding als Spielprinzip Die Möglichkeit, Spiele en detail zu konfigurieren und zu modifizieren, gehört 2012 zum Spielprinzip vieler Spiele dazu. Während die ersten Level-Editoren bereits seit Beginn der 1980er Jahre vereinzelt in kommerziellen Spielen vorkommen (zum Beispiel im Konsolenspiel Excitebike, 198497), kann die spielerseitige Gestaltung heute bei einigen Computerspielen zum eigentlichen Gameplay avancieren. Neuere Spiele wie LittleBigPlanet (2008), Spore (2008) (Abb. 3) oder auch Minecraft (2009) basieren maßgeblich auf der Herstellung von user generated content, der innerhalb der Communities getauscht, diskutiert und weiterverarbeitet wird.98 Einerseits wird die Zugänglichkeit zu Modding und Mods vereinfacht, andererseits spezialisieren und professionalisieren sich Modder im Zuge dessen in den Nischen der Communities immer stärker. Auch Möglichkeiten, Spielumgebungen zum kreativen Ausdruck zu nutzen, der über das eigentliche Gameplay hinausgeht, sind Usus im Bereich kommerzieller Computerspiele. Spiele wie Die Sims 2 (2004) oder GTA IV (2008) verfügen über integrierte Videoeditoren und Schnittsysteme, mittels derer Spieler eigene Filme erstellen können. Die aus den Communities entstandene Praxis des Machinima wird auf diese Art ebenso industriell verwertet wie das Modding. Ein besonders deutliches Beispiel dafür stellt das PC-Spiel The Movies (Lionhead Studios, 2005) dar. Es

96 War vor 10 Jahren die Modifikation eines Games eine Art Hack, ist die Modifikation von Games heute der Kern eines Businessmodells“ (Tolino 2010. S. 342). 97 Im Rennspiel Excitebike (1984) ist unter dem Menüpunkt Design die Erstellung eigener Rennstrecken möglich, die in das Spiel integriert wurden. Das Spiel war Teil der so genannten programmable series für das Nintendo Entertainment System (NES). Die Serie bestand aus drei Titeln. Neben Excitebike (1984) verfügten die Spiele Mach Rider (1985) und Wrecking Crew (1985) über Level-Editoren. Vgl. den Eintrag in der Datenbank Mobygames: http://www.mobygames.com/game-group/nintendos-programmable-series [12. 11.2010] 98 Das Spiel Spore basiert auf der Idee, dass die SpielerInnen, mittels eines eigens zu diesem Zwecke bereitgestellten Editor, eigene Spielfiguren entwickeln. Die von den SpielerInnen gestalteten Fantasiewesen werden dann vom Status des Einzellers bis zu einer hochentwickelten Zivilisation in einer Mischung aus Strategiespiel und Handelssimulation spielerisch begleitet. Eine begleitende Website – die Sporepedia – verzeichnet alle Objekte, die die SpielerInnen ins Internet stellen. Am 06.03.2012 steht der Zähler bei 171,063,611. Vgl. http://spore.com/sporepedia [06.03.2012].

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handelt sich prinzipiell um eine Software zur Herstellung von Animationsfilmen in Echtzeit innerhalb einer dreidimensionalen Umgebung mittels einer Game Engine – also ein von der Industrie entwickeltes Tool zur Produktion von Machinma. Digitaler Videoschnitt wird hier als vergnügliche Beschäftigung im Gewand eines Computerspiels verkauft. Das Spiel stellt dabei verschiedene Umgebungen zur Verfügung, die mit ihren Sets, Figuren und Requisiten an Stereotype des HollywoodKinos und Genre-Films angelehnt sind, und damit zum Nachspielen anderer Medienformen ermutigen.99

Abb. 3: Möglichkeiten der Gestaltung: Der ‚Baukasten‘ Creature Designer im Spiel Spore (2009) 2.3.3 Modding als Partizipation am Mediensystem Beim Modding handelt es sich um eine spezifische Form der Partizipation am Mediensystem des Computerspiels.100 Wie das Beispiel von Counter-Strike zeigt, können Modder über den Status eines ‚Hobbyprogrammierers‘ hinausgehen.101 Coun-

99

Vgl. Heuer 2009, S. 55f.

100

Vgl. zur Partizipation an Mediensystemen und ihren Produkten Jenkins 1992, Jenkins 2006 und Beil et al. 2009.

101

„Die Gründer des ursprünglichen Counter-Strike-Mod-Teams Minh ‚Gooseman‘ Le und Jess ‚cliffe‘ Cliffe, die noch heute für Valve arbeiten, sind dabei zu zwei über die Mod-Szene hinaus bekannten Persönlichkeiten geworden [...]. Zwar wird am Beispiel Gooseman/cliffe immer wieder die Funktion von Mod-Projekten als KarriereSprungbrett aufgezeigt, die Zahl der tatsächlichen ‚Modder Stars‘, die ihr Hobby zum Beruf machen konnten, fällt aber insgesamt recht gering aus. ‚[W]ährend die Hersteller von erfolgreichen Mods profitieren, gehen die Modder selbst meist leer aus. Minh

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ter-Strike ist auch ein Beispiel für die Zusammenarbeit von Moddern und der Industrie und verdeutlicht die Praxis, user generated content industriell zu verwerten.102 Modder sind in diesem Zusammenhang als Prosumenten bezeichnet worden, da sie gleichzeitig die Rolle eines Konsumenten und Produzenten ausfüllen und damit das Medienprodukt in maßgeblicher Weise mitgestalten.103 Ego-Shooter wie CounterStrike sind vor diesem Hintergrund und wegen der engen Einbindung der Communities auch als „co-creative media“ beschrieben worden.104 Die Industrie öffnet ihre Medienprodukte für Umgestaltungen, da sie von der freiwilligen Zuarbeit der Hobbyprogrammierer und Designer profitieren kann, indem sie die aus den Communities entstandenen Innovationen vermarktet.105 Dies verhält sich anders im Bereich der Konsolenspiele (z.B. Spiele für PlayStation, Xbox oder Wii). Hier ist die Öffnung der Soft- und Hardware und der damit verbundene Eingriff in die Strukturen der Games auf dieser basalen Ebene nicht vorgesehen: der Source Code bleibt verschlossen – es handelt sich bei Konsolenspielen in der Regel nicht um freie, quelloffene sondern um proprietäre Software. Man kann diese Konsolenspiele zwar immer häufiger en detail konfigurieren, aber nicht auf der Ebene des Quellcodes umprogrammieren. Software für Konsolen als geschlossene Systeme darf nur auf lizenzierten Entwicklungsumgebungen produziert werden. Bei denen in dieser Arbeit analysierten Kunstwerke handelt es sich dementsprechend hauptsächlich um von der Industrie autorisierte Modifikationen von offenen PC-Spielen (z.B. Arsdoom basierend auf der Doom-Engine id Tech 1 sowie QQQ basierend auf Quake III Arena; vgl. Kap. 7 und Kap. 8). Bei Super Mario Clouds (vgl. Kap. 9) hingegen handelt es sich um die Modifikation eines Konsolen-

Le [...] ist wohl einer der wenigen Modder, die ihre Rechte an den Entwickler verkauft haben‘ [...]“ (Beil 2009, S. 199). Benjamin Beil nimmt in dieser Einschätzung Bezug auf Au 2004, URL: http://dir.salon.com/tech/feature/2002/04/16/modding/ index.html [06.03.2012] sowie Kücklich 2004a, URL: www.dichtung-digital.org/ 2004/2-Kuecklich-b.htm [06.03.2012]. 102

Zu Herstellerinteressen und Geschäftsmodellen im Zusammenhang mit Modding vgl. Jeppesen 2004, Kücklich 2005, Postigo 2007.

103

Vgl. Beil 2009.

104

Morris 2003, URL: http://www.digra.org/dl/db/05150.21522 [05.03.2012].

105

„Modding – the modification of existing products by consumers – is increasingly exploited by manufacturers to enhance product development and sales. In the computer games industry modding has evolved into a development model in which users act as unpaid ‚complementors‘ to manufacturer product platforms“ (Jeppesen 2004, S. 1).

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spiels. Der Eingriff in die Strukturen des Ausgangsmaterials stellt in diesem Falle einen lizenzrechtlichen Verstoß dar und ist demnach illegal.106 Es ist häufig zu beobachten, dass Modder in Fankreisen populär-kulturelle Referenzen kosmetisch in ihre Modifikationen einweben und beispielsweise Figuren, Objekte und Orte aus Film, Fernsehen und anderen Computerspielen in ihren Artefakte nachempfinden.107 Das prototypische Beispiel für die erste Phase der Computerspielmodifikation – Castle Smurfenstein – zeigt bereits deutlich die Grundzüge dieser Praxis, die Oberflächen der Spiele dahin gehend zu verändern. Die Mod Castle Smurfenstein aus dem Jahr 1983 basiert auf dem Spiel Castle Wolfenstein (Muse Software, 1981) für den Heimcomputer Apple II (nicht zu verwechseln mit dem Ego-Shooter Wolfenstein 3D aus dem Jahr 1992; vgl. Kap. 11.1). Das in der BRD wegen Verwendung von nationalsozialistischer Symbolik indizierte Spiel ist in einer von Nazis bevölkerten Burg angesiedelt. In der Modifikation, die von zwei Schülern als Parodie

106

Vgl. Schleiner 2003. In Schleiners Aufsatz adressiert die Autorin diese Dichotomie von veränderbaren, offenen PC-Spielen und nicht-veränderbaren, proprietären Konsolenspielen aus einer feministischen Perspektive und plädiert für einen kreativen Umgang mit dem Medium und Material des Computerspiels. Proprietäre Software ist Thema in Kap. 9.1.4 der vorliegenden Arbeit.

107

Katharina-Maria Behr führt in ihrer Dissertation u.a. folgendes Beispiel an: „Viele Mods greifen (oftmals humorvoll) Inhalte aus anderen Computerspielen oder Filmund Fernsehinhalten auf: In der Mod Matto 3 für das Spiel FarCry stößt man in einem Versteck auf einen Grabstein für Sam Fisher, die Hauptfigur der Splinter CellSpiele [...]“ (Behr 2010, S. 11). Benjamin Beil identifiziert in seiner Analyse des Computerspiels LittleBigPlanet die Rezeption populär-kultureller Versatzstücke ebenfalls als beliebte Praxis bei Moddern: „und somit ist LBP [LittleBigPlanet] besonders offen für eine bestimmte Vorliebe der Mod-Szene, Versatzstücke aus verschiedenen Fan-Kulturen zu verarbeiten.“ In einer Fußnote dazu führt er mit Bezug auf einen Online-Artikel von Wagner James Au ferner aus: „Bereits Castle Smurfenstein demonstriert dabei die Affinität der Mod-Communities zur Verarbeitung von populär-kulturellen Ikonen. ‚This wacky jiggering with popular culture is an enduring theme in the mod tradition‘ [...]. Computerspiele scheinen dabei – wie auch LBP [LittleBigPlanet] demonstriert – für solche Neu-Kompositionen geradezu prädestiniert zu sein, weil sich auf ein im Grunde eher abstraktes Spielszenario oft recht einfache unterschiedliche Fan Fiction-Elemente aufsetzen lassen“ (Beil 2009, S. 208f.). Beil zitiert Wagner James Au: Au 2004, http://dir.salon.com/tech/feature/2002/04/ 16/modding/index.html [05.03.2012]).

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entwickelt wurde108 , sind nun alle Nazi-Figuren durch bewaffnete, dünne Schlümpfe109 ersetzt. Die auf dem Titelbildschirm des Spiels dargestellte Burg ist einem bewohnten Pilz mit blauem Hut gewichen (vgl. Abb. 4).

Abb. 4: Castle Wolfenstein und Castle Smurfenstein im Vergleich Abb. 5 zeigt Screenshots einer elaborierten Modifikation des Computerspiels Quake III Arena (id Software, 1999, vgl. Kap. 8.1), anhand derer die oben beschriebene Praxis besonders deutlich hervortritt. Die Urheberin oder der Urheber mit dem Pseudonym ‚maggu‘ hat innerhalb des Spiels die Nachbarschaft der Comic-Familie

108

Andrew Johnson und Preston Nevins haben sich den Namen Dead Smurf Software gegeben. Andrew Johnson ist heute Professor für Computer Science an der Universität für Chicago. Seine Website mit Informationen zu Castle Smurfenstein ist unter folgender URL zu finden: http://www.evl.uic.edu/aej/index.html [18.11.2010]. Auf seiner Website schreibt Nevis zu der Herstellung der Modifikation: „We learned that Wolfenstein’s graphics were stored as a software font, and just ‚printed‘ to the HGR screen. A bit of pixel twiddling, and the Nazis became (ugly, skinny) smurfs with guns.“ Preston Nevis’ private Website findet sich unter der URL: http://cvnweb. bai.ne.jp/~preston/new/index.html [18.11.2010].

109

Die Schlümpfe (Les Schtroumpfs) sind eine vom belgischen Zeichner Pierre Culliford (Peyo) 1958 entwickelte Comicserie, die von 1981 bis 1989 eine populäre US-amerikanische Zeichentrickserie mit insgesamt 256 Folgen hervorgebracht hat.

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Simpson aus der bekannten Zeichentrickserie als Umgebung – als so genannte Map – nachgebaut.110 Die sorgfältig entworfenen Architekturen sind von den SpielerInnen begehbar. Das ursprüngliche Spiel – ein düsterer Ego-Shooter in einer futuristischen Szenerie – ist vollständig in die grellbunte „Bonbonästhetik“111 (des Zeichentricks) überführt.

Abb. 5: Umgebungen, die aus der Zeichentrickserie The Simpsons bekannt sind, nachempfunden im Spiel Quake III Arena Die Spielfelder aus Quake III Arena, die im Ursprungsspiel Raumstationen darstellen oder teilweise an fantastische Tempelarchitekturen und Sakralbauten erinnern (vgl. Kap. 8.1.2), sind einer vollständigen Veränderung unterzogen worden. Die Avatare des Spiels Quake III Arena, die mit einer Mischung aus Raumanzug und Ritterrüstung ausgestattet sind, wurden durch Comicfiguren ersetzt. Die vielen Details der Simpsons Map reichen von dem charakteristischem Muster der Vorhänge in der Küche bis zu den Bildern an den Wänden, die allesamt so im Fernsehprogramm zu sehen sind und den Fans der Serie bekannt sein dürften. Als Rudiment der martialischen Audiovisualität des Ausgangsmaterials ragt die genrebildende Waffe in den zentralperspektivisch angelegten Bildraum. Das Regelwerk hat sich nicht verändert, sondern nur die vom Spiel aufgeworfene audiovisuelle Raumzeitlichkeit. Es handelt sich immer noch um einen Shooter, den die SpielerInnen in der

110

Die Map kann man unter folgender URL herunterladen: http://lvlworld.com/ review.php?id=1958

111

Dieses Zitat ist bewusst rekontextualisiert: Söke Dinkla gibt ihrer Dissertation zu interaktiver Kunst in Klammern Horst Bredekamp als Urheber des Begriffs an, ohne auf eine Quelle zu verweisen. Sie bezieht die ‚Bonbonästhetik‘ in einem etwas anderen Sinn nicht wie hier auf comichaften Zeichentrick, sondern auf die „computergenerierten Pixel und die Spielhallentechnologie“ im Werk von Jeffrey Shaw. Interessanterweise also bezieht sich Dinkla mit Horst Bredekamps Begriff auf Computerspiele (Dinkla 1997, S. 228).

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Ersten-Person-Perspektive rezipieren. Die Modifikation bezieht sich demnach nur auf die Oberfläche des Games. Für diese Art der Modifikation, wie sie in der Simpsons Map zu beobachten ist, lässt sich der Begriff der Neudekoration verwenden. Bei Neudekorationen handelt es sich um kosmetische Eingriffe, die das Spiel nur oberflächlich verändern. Ein anderes Beispiel ist das unlizensierte, christliche Videospiel Super Noah’s Ark 3D (Eisdom Tree, 1994, SNES/DOS). Dabei handelt es sich um eine Wolfenstein 3D-Mod für jüngere Kinder, deren Szenario um die Geschichte von Noahs Arche angesiedelt ist. Im Original Wolfenstein 3D ist der Spieler dazu angehalten in der Diegese des Spiels, Nazis zu erschießen (vgl. Kap. 11.1). In der Diegese der Mod werden angreifende Ziegen und andere Tiere von Noah mit einer ins Bild ragenden Zwille beschossen und ‚schlafen‘ daraufhin ein.112 Im Gegensatz zu diesen Neudekorationen, die die Spielprinzipien des Ausgangsmaterials kohärent fortführen, stehen die in dieser Arbeit analysierten künstlerischen Veränderungen, die die Games im Extremfall so sehr modifizieren, dass paradoxe Artefakte – nämlich unspielbare Spiele – daraus entstehen. Wie Computerspielmodifikationen enststehen und auf welche Weise KünstlerInnen in die Strukturen der Games eingreifen können, klärt das folgende Kapitel, in dem unterschiedliche Ebenen des Eingriffs und der Veränderung voneinander unterschieden und nacheinander beschrieben werden. 2.3.4 Drei Ansatzpunkte von Computerspielmodifikation: Software, Hardware und Spielregeln Das folgende Unterkapitel widmet sich der Frage, wie die Modifikation eines Computerspiels entsteht und welche Ansatzpunkte der Veränderung das Computerspiel als künstlerisches Material bietet. Der Großteil der in der vorliegenden Arbeit analysierten Kunstwerke basiert auf Games der Firma id Software (Arsdoom, QQQ, SOD), die auf Computern (PC oder Mac) gespielt werden. Dementsprechend konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die Art und Weise, wie die Modifikation der Software dieser Spiele prinzipiell funktioniert. Bei Super Mario Clouds handelt es sich um eine Konsolenspiel-Modifikation, die viel stärker als die PCModifikationen die Hardware des Ausgangsmaterials einbeziehen muss. Auf die Herstellung der Super Mario Clouds wird in der Analyse des Werks gesondert ein-

112

Bei Super Noah’s Ark 3D (Eisdom Tree, 1994, SNES/DOS) handelt es sich nicht um eine Mod von Fans, sondern um das höchst seltene Beispiel einer kommerziellen – allerdings unlizenzierten – Konsolenspiel-Modifikation (vgl. Schwingeler 2011, URL: http://www.nextlevel-conference.org/#/archives/4017 [05.03.2012]). Das Spiel ist außerdem als Exponat im Computerspielemuseum Berlin ausführlich dokumentiert.

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gegangen (vgl. Kap. 9.2.1). Bei dead-in-iraq handelt es sich um eine Performance innerhalb der Spielwelt von America’s Army. Dieser Eingriff setzt nicht an der Technik des Spiels, sondern allgemeiner an seinen Spielregeln an (vgl. Kap. 10.2). In der vorliegenden Arbeit werden drei Ebenen unterschieden, an denen Computerspielmodifikationen ansetzen können: An der Software, der Hardware oder den Spielregeln der Games.113 Wie Kapitel 2.3.4 zeigen wird, können auch Veränderungen der Software und Hardware Auswirkungen auf die Spielregeln haben. 1) Die erste Art der Modifikation setzt an der Software der Computerspiele an. Die Software eines Games wie z.B. Quake III Arena lässt sich wiederum in verschiedene Ebenen aufteilen. So lassen sich Dateien (Bilder, Töne, Architekturen, aus denen die audiovisuelle Oberfläche der Spiele gebildet ist) von der Game Engine unterscheiden. Sowohl die Dateien als auch die Engine basieren wiederum auf Code. Eingriffe in die Software können verschiedene Auswirkungen auf die Spiele haben: So lässt sich durch Modifikation der Software-Ebene die audiovisuelle Oberfläche der Spiele in demselben Maße verändern, wie die Art und Weise wie das Computerprogramm funktioniert und sich in seinen Prozessen und damit in der Interaktion mit dem User verhält. 2) Der zweite Ansatzpunkt künstlerischer Computerspielmodifikation setzt an der Hardware der Spiele an und verändert die apparativen Bedingungen der Games. KünstlerInnen können die Materialität von Computern, Bildschirmen, Eingabegeräten, Spielkonsolen, Speichermedien, Platinen, Kabeln etc. objekthaft und installativ verarbeiten und verändern. Auswirkungen können die Spielregeln aber auch die au-

113

Die Einteilung grenzt sich von einer Einteilung ab, die Alexander Galloway getroffen hat. Alexander Galloway geht von drei grundsätzlichen Wegen aus, wie Computerspiele verändert werden können: 1) Modifikation des Aussehens, 2) Modifikation der Regeln und 3) Modifikation der Technik (visual design, rules, software technology). Eine Veränderung des Tons bleibt unberücksichtigt. Galloway beobachtet, dass die Mehrzahl künstlerischer Computerspielmodifikationen unter Kategorie 1 (visuell) und Kategorie 3 (technisch) zu fassen sind. Er schlägt vor: „But as I suggest, artist mods tend to consider video games as nothing more than game technologies, and thus most artist-made video game mods to date are mods of game technologies (whether at the visual or the physics level), not mods of actual gameplay.“ Galloway verzichtet hier auf eine trennscharfe Abgrenzung zwischen der ersten Kategorie (visuell) und der dritten Kategorie (technisch), wenn er entgegen seiner vorherigen Differenzierung die visuelle Ebene wieder mit der technischen vermischt („[...] mods of game technologies (whether at the visual or the physics level)“ [kursiv vom Verfasser] (Galloway 2006c, S. 107f.). In Abgrenzung zu Galloway soll eine alternative Dreiteilung vorgeschlagen werden, die viel stringenter von den Ansatzpunkten der Modifikation ausgeht: 1) Software, 2) Hardware, 3) Spielregeln.

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diovisuelle Oberfläche betreffen, wenn z.B. die Art und Weise verändert wird, wie ein Monitor Bilder erzeugt. 3) Drittens ist ein Eingriff in die Regeln der Spiele möglich. Modifikationen der spielerischen Ebene können über Ansatzpunkte an der Software oder der Hardware vorgenommen werden. Die Modifikation der Spielregeln ist demnach eher als ein Ergebnis von Modifikation denn als eine Technik oder als ein Akt des Modifizierens zu verstehen. Gleichwohl kann eine Modifikation der Spielregeln auch durch das Verhalten von SpielerInnen – transformatives Spielen (vgl. Kap. 2.2.3.2) – hervorgerufen werden (z.B. durch Nichtbeachtung, Beugen oder Hinzufügen bestimmter Regeln). 2.3.4.1 Ansatz an der Ebene der Software: Dateien, Game Engine, Code Erstens können die Bild- und Audiodateien eines Computerspiels wie z.B. Doom verändert werden, so dass sich Objekte, Figuren, Geräusche und Umgebungen im Ergebnis vom Ursprungsspiel unterscheiden. Veränderung der Dateien Zur Veränderung der Dateien werden unterschiedliche Editierungs-Werkzeuge wie z.B. Bildbearbeitungsprogramme verwendet. Bilder, Töne und Maps liegen in Form von Dateien vor. Bilddateien lassen sich mit Bildbearbeitungssoftware verändern; für Audiodateien gibt es ähnliche Werkzeuge, Architekturen lassen sich mithilfe spezieller Editoren bearbeiten. So ist es beispielsweise möglich, Texturen in Spielen auszutauschen, da das Hauptprogramm auf die zuvor veränderten Daten zugreift und sie so in das Spiel integriert. Die Dateien sind von dem ausführbaren Hauptprogramm völlig unabhängig und können bearbeitet, gespeichert und getauscht werden, ohne in den Quellcode eingreifen zu müssen.114 Dementsprechend sind in

114

Der Programmierer John Carmack hat das Spiel Doom (1993) bewusst so gestaltet, dass SpielerInnen eigene Inhalte dafür erstellen konnten. Das Erstellen eigener Inhalte wurde durch eine Innovation im Design des Programms ermöglicht. Die Innovation bestand darin, die Dateien, auf die das Spiel zugreift, von dem Hauptprogramm zu trennen. So wurde es möglich, die Dateien (Bilder, Töne, Architekturen) getrennt von dem eigentlichen Computersprogramm zu bearbeiten und dementsprechend eigene Inhalte zu erstellen oder Veränderungen herbeizuführen, ohne in das Programm und seinen Code eingreifen zu müssen. Tero Laukkanen beschreibt die innovative Entscheidung Carmacks, Daten und Programm zu trennen, als Voraussetzung für die Entwicklung einer Modding-Szene: „Inspired by the innovative, yet unauthorized,

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diesem Fall auch keine profunden Kenntnisse der Computerprogrammierung oder von Programmiersprachen notwendig, um die Oberflächen von Spielen umzugestalten. Der Eingriff erfolgt nicht über die basale Programmierebene des Quellcodes, sondern über grafische Benutzeroberflächen (graphical user interfaces; GUIs).

Abb. 6: Valve Hammer Editor zur Modifikation des Spiels Half-Life (Valve Software, 1998) Abb. 6 zeigt die Oberfläche eines Editors, mit dem das Spiel Half-Life verändert werden kann. Die Oberfläche ist mit CAD-Software, die beispielsweise von Architekten benutzt wird, vergleichbar. Eine direkte Einflussnahme auf die Spielumgebung und die darin befindlichen Objekte und Figuren ist möglich.115 Veränderung der Game Engine Als Game Engine wird der technische Kern von Computerspielen bezeichnet. Eine Game Engine ist eine Programmbibliothek, die verschiedene Programmroutinen in Form von Algorithmen enthält, die unterschiedliche Aufgaben bearbeiten. Innerhalb der Game Engine sorgt die Grafik-Engine dafür, dass Objekte in Echtzeit im drei-

modifications of id’s previous title Wolfenstein 3D (1992) he made a conscious effort to design Doom in a way that would facilitate custom content creation. [...] In practice this meant separating the art assets, such as level architecture, graphics and audio, from the main program. This content was stored in ‚WAD‘ files, which could be edited without touching the program code and – crucially – shared independently from the executable. Carmack’s novel design solution provided a technical foundation for the first legitimate modding scene“ (Laukkanen 2005, S. 10). 115

Vgl. zur Funktionsweise des Hammer Editors: ebd., S. 35.

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dimensionalen Raum dargestellt werden, indem der angenommene Blickwinkel der SpielerInnen immer wieder in Abhängigkeit zu ihren Eingaben berechnet wird.116 Durch die Physik-Engine werden (meist, aber nicht zwingend newtonsche) Naturgesetze und das physikalisch korrekte Verhalten von Objekten simuliert. Innerhalb der Game Engine sind auch die Programme zu verorten, die die Musik und Soundeffekte erzeugen, sowie das Verhalten und die Funktionen computergesteuerter Spielfiguren bedingen.117 Zum besseren Verständnis der Funktionsweise von Game Engines bietet sich ein Vergleich mit Textverarbeitungsprogrammen an. Beim Schreiben eines Textes stehen verschiedene Funktionen etwa zur Speicherung, Formatierung und Darstellung zur Verfügung, die vom Programm gesteuert werden. Das Textverarbeitungsprogramm koordiniert auch die Funktionen der Eingabegeräte Tastatur und Maus sowie die Ausgabegeräte wie etwa einen Drucker.118 In Analogie dazu ist die Game Engine zu verstehen. Sie steuert die Funktionen des Spiels. Genauso wenig wie beispielsweise ein Tennisplatz oder Tennisschläger die Sportart Tennis bedeutet, ist die Game Engine nicht mit einem Computerspiel gleichzusetzen. Auch ein Textverarbeitungsprogramm ist kein Brief oder Buch. Briefe und Bücher müssen erst geschrieben werden, indem man Text in Form von Zeichen eingibt.119 Dieser Analogie entsprechend, speisen sich Computerspiele aus Inhalten, die in Form von Dateien vorliegen. Die Game Engine greift auf einen Datenbestand aus Bild- und Tondateien zu, die die SpielerInnen am Monitor oder Fernseher sehen und über Lautsprecher hören. Die im Computerspiel sichtbaren Objekte werden dabei immer aufs Neue in Abhängigkeit der Eingaben der SpielerInnen berechnet.120

116

Vgl. Schwingeler 2008.

117

Vgl. Behr 2010, S. 32f.

118

Vgl. Behr 2010, S. 32.

119

Vgl. ebd., S. 33.

120

„Im auf dreidimensionaler in Echtzeit berechneter Vektorgrafik beruhenden Computerspiel wird bspw. ein bestimmter Raum dargestellt. Dieser Raum und die Objekte, die sich in ihm befinden, stellen die Gegenstände dar. Da die Perspektive im heutigen Computerspiel i. d. R. frei wählbar ist und durch den Free Mouse Look immer wieder neue perspektivische Bilder dieses Raumes vom Programm generiert werden, die dann auf dem Bildschirm zu sehen sind, besitzt der Gegenstand theoretisch unendlich viele [Ansichten], die das Programm, in der Lage ist zu generieren. Der Free Mouse Look ist demnach eine Simulation der Veränderung des Beobachterstandpunkts und des Sehkegels im dargestellten Raum. Der Spieler kann die Veränderung des Blicks steuern. Die Veränderung des Blicks ist demnach willkürlich, weil sie von den Ent-

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Auf welche Weise die Game Engine auf Dateien zugreift, wird daran deutlich, wie z.B. Schrittgeräusche in Computerspielen berechnet werden. Wenn man als SpielerIn in aktuellen Computerspielen eine Spielfigur steuert, sind in der Regel Schrittgeräusche zu hören. Diese Schrittgeräusche ertönen in Abhängigkeit der Steuereingaben des Spielers: Steht die Figur still, ist nichts zu hören; läuft sie schnell, sind die Geräusche der Geschwindigkeit auf plausible und der Diegese entsprechend kohärente Weise angepasst. Lässt man die Figur über Gras laufen, sind andere Geräusche zu hören, als wenn sich die Spielfigur auf einem hölzernen Boden befindet. Für die Synchronität dieser komplexen Situation sorgt die Game Engine, indem sie die Eingaben des Spielers, die über Maus und Tastatur getätigt werden, mit einem Inhalt zur Deckung bringt.121 Für die Modifikation von Spielen relevant ist, dass KünstlerInnen auf die Funktionsweise der Game Engine einwirken können. Die Funktionen der Spiele können verändert werden. So kann beispielsweise verändert werden, wie die Engine die visuelle Ebene des Spiels prozessual erzeugt. Der spanische Künstler Joan Leandre (*1968) hat in seiner Serie retroYou r/c series (1999–2001) das physikalische Verhalten der Objekte und Umgebungen in dem Computerspiel Re-Volt (Acclaim, 1999) modifiziert (Abb. 7). Die Eingriffe zielen insbesondere auf die Simulation von Bewegung und Schwerkraft. Interessanterweise führt die Veränderung der Engine auch zu veränderter Bildlichkeit des Spiels. Einem Bildschirmschoner gleich läuft die Anwendung vor sich hin und reagiert nur noch marginal auf die Aktionen des Users. Selbst ohne Spielerintervention folgt das abgebildete Szenario einer eigenen, absurden, den naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten enthobenen Logik.122

Abb. 7: Joan Leandre: retroYou r/c series (1999-2001)

scheidungen des Spielers abhängig ist. Der Blick wird simuliert“ (Schwingeler, 2008. S. 141). 121

Vgl. Behr 2010, S. 33.

122

Vgl. Lohoff/Schwingeler 2009, S. 27; vgl. Arns 2009.

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Veränderung des Codes Software besteht grundsätzlich aus Code.123 Code kann in zwei verschiedenen Modi vorliegen, als Quellcode (synonym: Source Code) oder als Binärcode. Quellcode ist ein in einer Programmiersprache geschriebener Text eines Computerprogramms (z.B. geschrieben in C, C++ oder Assemblersprache udglm.). Quellcode besteht aus alphabetischen Zeichen und ist deshalb menschenlesbar. Quellcode wird durch einen Texteditor sicht- und lesbar und kann bearbeitet werden, indem alphabetische Zeichen geschrieben und/oder gelöscht werden. Binärcode muss nicht menschenlesbar sein. In jedem Fall ist er aber maschinenlesbar. Binärcode kann Zeichen enthalten, wie beispielsweise die Ziffern 0 und 1. Dabei handelt es sich um menschenlesbare Zeichen, die die Zustände ‚an‘ und ‚aus‘, ‚Spannung‘ und ‚keine Spannung‘ bedeuten können. Den grundsätzlichen Zustand, ob Strom fließt oder nicht, kann der Mensch aber nicht lesen – der Zustand ist aber von Apparaten registrierbar. Binärcodes sind keinesfalls nur an elektrische Leiter gebunden – es handelt sich dabei um ein grundsätzliches Prinzip, das auf dem Wechsel von binären Zuständen basiert. So ließen sich etwa Rauchzeichen auch als Binärcode begreifen, indem es entweder raucht (= logisch 1) oder nicht raucht (= logisch 0). Es ist möglich, dass KünstlerInnen direkt in den Quellcode eingreifen und diesen verändern, indem sie Zeichen löschen oder hinzufügen. Der direkte Eingriff in den maschinenlesbaren Binärcode bleibt aber verwehrt, und ist erst durch die Übersetzung in menschenlesbaren Quellcode möglich. Das Umschreiben des Codes sowie das Löschen ganzer Codezeilen können Ergebnisse hervorbringen, die von den KünsterInnen nicht vorhersehbar sind und die einen Moment des Zufalls in diesen künstlerischen Umgang mit Code integrieren. JODI arbeiten teilweise auf diese Weise mit Computerspielen.124 Auch Cory Arcangel hat Code für Super Mario Clouds geschrieben. Diese Form des Eingriffs ist die radikalste Art der Computerspielmodifikation, da sie das Computerspiel als Software und Computerprogramm

123

Zum Code-Begriff in medientheoretischer Wendung vgl. Roesler 2005.

124

„Der Aufwand ist gross, denn aus Zigtausenden von Programmierzeilen müssen sie die entscheidenden Befehle erkennen, und jeder kleinste Fehler, ein falsch gesetztes Komma oder eine vergessene Silbe, macht die Programmierung unwirksam. Immer wieder müssen sie von der Programmierebene in die Bildebene umschalten, um die Effekte zu überprüfen“ (Storz 2002, S. 72, URL: http://www.xcult.ch/texte/rest/jodi. html [07.10.2010]). Speziell JODIs Programmierung wird mit dem Jargonbegriff „Cargo Cult“ beschrieben – als inkompetenter Stil und schlechte Methode (Bosma 2002, S. 43). Zu JODIs ‚Programmierstil‘ vgl. Kap. 11.2.1.

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in seiner grundsätzlichen aus Zeichen konstruierten Bedingtheit betrifft. Diese Art des Eingriffs erfordert Grundkenntnisse der Computerprogrammierung. Zusammenfassend ergeben sich demnach folgende drei Ansatzpunkte der Modifikation der Software: Modifikationen der Mediendateien (1) beinflussen die audiovisuelle Oberfläche von Computerspielen, während Eingriffe in die Engine (2) verändern, wie die Spielwelt funktioniert.125 Sowohl die Game Engine als auch die Mediendateien bestehen in ihrem Kern aus Code. Das bedeutet wiederum, dass eine direkte Modifikation des Codes (3) sowohl Auswirkungen auf die Funktionen des Spiels als auch auf die audiovisuelle Oberfläche haben kann. Das veränderte Programm stellt die Dateien in der Folge anders dar. Es ist demnach ein deutlicher Unterschied, ob ein Modifikator beispielsweise neue Texturen für die Figuren im Spiel entwickelt und ein Computerprogramm auf diese veränderten Bilddateien zugreift oder ob er in die Engine des Spiels eingreift und es umprogrammiert, so dass sich die Prozesse und Algorithmen auf eine neue Art verhalten – das Programm auf veränderte Weise funktioniert – und in der Folge zu einem veränderten Aussehen und Verhalten führen. Diese Art der Modifikation kann im Ergebnis genauso die audiovisuelle Ebene des Spiels betreffen wie ein Eingriff in die Dateien, greift aber auf viel tiefere Weise in die Strukturen der Games ein.126 JODI haben das Spiel Quake in ihrer Serie Untitled Game (Abb. 8) modifiziert, indem sie nicht nur die grafische Oberfläche verändert, sondern auch in den Code eingegriffen haben: „So you cannot just change the pictures. So we had to literally erase a lot in the code.“127 Sie haben also eine Modifikation auf der Programmebene vorgenommen, die in einer Veränderung der visuellen Oberfläche resultiert. Die Resultate dieser Technik sind nicht immer vorhersehbar, zufälliges Verhalten des Programms kann durchaus zur Intention der KünstlerInnen gehören.128

125

Vgl. Laukkanen 2005, S. 142f.

126

Vgl. Trippi 1999, URL: http://switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/laura.html [10.04. 2012].

127

Hunger 2007, S. 156.

128

„Zum Beispiel glaubt jeder, dass ein Medienkunststar auch ein technischer Tausendsassa ist, denn die Medienkunst ist lange von Formalismus und technischer Brillanz dominiert gewesen. Tatsächlich ist jedoch mit dem Aufkommen von billiger und leicht zu bedienender Technologie auch eine neue Gruppe von Medienkünstlern auf den Plan getreten. Die Medienkünstler von heute verehren die Maschinen, mit denen sie arbeiten, nicht mehr und sie sind ihrer manchmal noch nicht einmal ganz Herr. JODI kennen den Code, mit dem sie arbeiten, aber sie gestalten nicht jedes Detail ihrer Arbeit ganz genau und präzise“ (Bosma, S. 42).

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Abb. 8: Umprogrammiertes Quake: Der Level Ctrl-Space aus JODIs Serie Untitled Game (1998-2001). Der Eingriff in den Quellcode des Spiels hat dessen Aussehen radikal verändert. 2.3.4.2 Ansatz an der Ebene der Hardware Ein zweiter Ansatzpunkt der Computerspielmodifikation betrifft die Hardware der Spiele. Die Bilder der Computerspiele zeigen sich auf Bildträgern; die Software der Games ist symbiotisch an spezielle Hardware gebunden.129 Die Hardware der Spiele, ihre Apparate und damit ihre technische Bedingtheit können einen Ansatzpunkt für Modifikation bilden. Dies eröffnet einen historischen Bezug zu Videoskulpturen der 1960er Jahre. In diesem Zusammenhang bemerkt Horst Bredekamp: „Es ist ein abstruser Gedanke, daß ein Bild auf einem Screen materiefrei wäre. Das haben Videokünstler gerade der ersten Generation darin zugespitzt, daß sie den Fernseher als Skulptur genutzt haben.“130 Auch KünstlerInnen, die Computerspiele modifizieren,

129

Zu einer Technikgeschichte der Computerspiel-Apparate und ihrer eigenen Ästhetik vgl. Forster 2009. Ian Bogost und Nick Montfort geben seit 2009 eine Reihe der MIT Press heraus, die sich auf spezifische Weise mit den Hardware-Bedingungen von Computerspielen beschäftigt und diese analytisch in den Fokus rückt. Zur Reihe der platform studies gehören: Montfort/Bogost 2009, Jones/Thiruvathukal 2012, Maher 2012.

130

Huber/Kerscher 1998, S. 88f.

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können die Apparate der Games in den Mittelpunkt ihrer Kunstwerke rücken. Obwohl die vorliegende Arbeit deutlich Software-Modifiktionen fokussiert, soll im Folgenden der Bereich der Hardware-Modifikation in die Arbeit eingebracht und die Ansatzpunkte der Modifikation identifiziert werden. Code muss ausgeführt werden, um Prozesse in Computern und auf Bildschirmen auszulösen. Die Software von Computerspielen manifestiert sich dabei auf ganz unterschiedlichen Apparaten, die in der künstlerischen Auseinandersetzung eine wichtige Rolle spielen und objekthaft oder installativ mit in die Kunstwerke einbezogen werden können. Hardware kann ein wichtiger Teil des Kunstwerks sein wie die Software den Ansatzpunkt für Modifikationen bilden wie zum Beispiel beim Pong-Dress (2006-2007) von Margarete Jahrmann (*1967)131, dem [giantJoystick] (2006) von Mary Flanagan (*1969)132 (Abb. 9) oder Cory Arcangels (*1978) Arbeiten, in die er auch die Speichermedien der Spiele einbezieht (vgl. Kap. 9). Die Modifikation von Hardware und die Entwicklung neuartiger Interfaces133 stellt eine eigene Kategorie künstlerischer Computerspielmodifikation dar, die die Software unberührt lassen kann und das künstlerische Moment aus der Veränderung des Dispositivs bezieht wie etwa die Arbeit PainStation (2001) von Tilman Reiff

131

Bei dem Pong-Dress handelt es sich um ein so genanntes Wearable – ein Device zum Anziehen. Zum Themenkomplex der Werables vgl. Beloff 2008, Charmante (Jahrmann) 2008, Roussel 2008.

132

Vgl. Paul 2006.

133

In diesem Zusammenhang lässt sich von so genannten Ludic Interfaces sprechen: „The term ‚ludic interfaces‘ was introduced in 2008 by ISEA curators Gunalan Nadarajan and Vladimir Todorovi to describe a panel section of ISEA2008 in Singapore“ (http://www.artdes.salford.ac.uk/news-events/archive/ludic-interfacesconference. html [10.04.2012]). Mathias Fuchs charakterisiert den Bereich, in den er auch Jeffrey Shaws (*1944) The Legible City (1989-1991) einordnet, wie folgt: „Ludic Interfaces, Interface Destruction and Zero Interfaces are artistic strategies to play the spoilsport in an environment where ‚fair play‘ means nothing else than playing it straight. The ideological design philosophy of interface designers whose interfaces are effective, universally applicable, predictable, globally available and unaffected by regional or historic context, challenged by Ludic Interfaces characterized of being playful, application specific, rich in connotative power and surprise, custom-built, aware of regional and historic context, critical and inviting co-creativity, user generated or user driven content (or radically opposing those possibilities)“ (Fuchs 2011, S. 260.) Vgl. zudem Fuchs 2010a.

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(*1971) und Volker Morawe (*1970): Der Pong-Automat ‚bestraft‘ die SpielerInnen bei Ballverlust mit Strom- und Hitzeschlägen.134

Abb. 9: Margarete Jahrmann: Pong Dress (2006-2007). Die Arbeit ist an Valie Exports (*1940) Tapp- und Tastkino (1968) angelehnt. Mary Flanagans Installation [giantJoytick] (2006) besteht aus einem funktionsfähigen Joystick, dessen Verwendung zu einem performativen Kraftakt im Ausstellungsraum wird. Dispositive des Computerspiels: Arbeit, Freizeit, Wohnen, Mobilität und Kunst Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Hardware der Computerspiele lässt sich insbesondere über den Dispositiv-Bergiff analysieren. In der vorliegenden Arbeit wird der Dispositiv-Begriff in einer medientheoretischen Wendung verstanden, der die räumlich-technische Anordnung der Apparate und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Rezeption von Computerspielen bezeichnet.135 Dem Compu-

134

Vgl. Kirschner et al. 2005. Die PainStation ist zurzeit in der vom Verfasser kuratierten Ausstellung ZKM_Gameplay im ZKM | Karlsruhe zu sehen.

135

Der Begriff des Dispositivs geht auf Michel Foucault zurück und bedeutet frei übersetzt Anordnung, Gliederung oder Vorrichtung. Im französischen Original lautet der Begriff dispositif. In englischer Sprache wird er üblicherweise mit apparatus übersetzt. Foucault entwickelt den Begriff, um Machtverhältnisse diskursanalytisch aufdecken zu können: „Was ich unter diesem Titel [Dispositiv] festzumachen versuche ist erstens ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philantropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfaßt. Soweit die Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann“ (Foucault 1978, S. 119f.). Ausgehend von Michel

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terspiel lassen sich vor diesem räumlich-technischen Verständnis des Begriffs – Michael Liebe folgend – vier Dispositive zuordnen, die an die Apparate als Bildträger und die damit verbundenen Kontexte der Rezeption geknüpft sind.136 Folgende Dispositive lassen sich unterscheiden: Arbeit, Freizeit, Wohnen und Mobilität. Diese Dispositive lassen sich durch ein fünftes Dispositiv ergänzen, dass die Rezeption von Computerspielen in Räume und Kontexte der Kunst verlegt. 1.

2.

Das erste Dispositiv bezieht sich auf Computerspiele, die an einem DesktopComputer mit Maus und Tastatur an einem Schreibtisch sitzend rezipiert werden. Diese Anordnung kann als „Dispositiv Arbeit (Personalcomputer)“ bezeichnet werden.137 Computerspiele gibt es zweitens auch in speziell dafür ausgestatteten Spielhallen – so genannten Arcades –, in denen die Spiele in Form von münzbetriebenen Automaten zugegen sind, die unterschiedliche Interfaces aufweisen

Foucault macht der Begriff Karriere in der psychoanalytischen Filmtheorie der ausgehenden 1970er Jahre. Hier bezeichnet er im Sinne der Apparatus-Theorie JeanLouis Baudrys die räumlich-technische Anordnung der Apparate im Kinosaal und die damit verbundenen Auswirkungen auf die filmische Wahrnehmung der Rezipienten – auch ideologischer Natur (vgl. Baudry 1986 und 1986a). Vom Kinosaal aus wird der Begriff auch auf das Medium Fernsehen ins Wohnzimmer übertragen (vgl. Hickethier 1995, vgl. allgemein zum Dispostiv als medientheoretischer Begriff Lommel 2002). Der Dispositiv-Begriff lässt sich als medientheoretische Kategorie auch auf das Computerspiel anwenden. Rolf Nohr bezeichnet das Computerspiel mit Verweis auf den Begriff bei Michel Foucault als Dispositiv: „Wenn wir unter einem Dispositiv eine übergeordnete Ordnungsfunktion begreifen, die Diskurse und Praktiken zusammenhält, scheint es relativ einfach das Computerspiel zum Dispositiv zu erheben“ (Nohr 2008, S. 233). Vgl. zur konkreten Anwendung des Dispositiv-Begriffs und der Apparatus-Theorie auf das Medium des Computerspiels und seiner verschiedenen Anordnungen und Vorrichtungen Morris (2002) 2007, Nohr 2004, Liebe 2008a sowie Mosel 2009. Sue Morris deutet den Apparatus des Ego-Shooters psychologisch im Sinne Baudrys „als Angebot einer künstlichen Psychose, die dem Spieler die Illusion vollständiger Kontrolle vermittelt [...] [kursiv im Original]“ (Morris (2002) 2007, S. 439). Mosel beschränkt sich in seiner Betrachtung so wie Sue Morris auf PC-Spiele, die mit Maus und Tastatur am Schreibtisch sitzend rezipiert werden, während Michael Liebe vier Computerspiel-Dispositive unterscheidet: Arbeit (Personalcomputer), Dispositiv Freizeit (Arcade), Wohnen (Konsole), Mobilität (Handheld). 136

Die folgenden Ausführungen orientieren sich an Liebe 2008a.

137

Liebe 2008a, S. 79.

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3.

4.

5.

138

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können.138 Die Interfaces reichen von einfachen Knöpfen und Joysticks bis hin zu technisch höchst aufwändigen Aufbauten wie z.B. hydraulisch bewegte Cockpits und Kapseln, die ein (total) immersives Rezeptionserlebnis begünstigen sollen. In der Regel stehen die Rezipienten während des Spiels vor den Automaten, es sei denn sie nehmen in einer speziellen Vorrichtung Platz. Diese Rezeptionssituationen lassen sich als „Freizeit (Arcade)“ adressieren.139 Eine dritte Möglichkeit, Computerspiele zu rezipieren, besteht darin, sie über eine Videospielkonsole zu bedienen. Konsolen werden in Abgrenzung zu PC-Spielen mit Fernsehapparaten verbunden, die als Bildschirme dienen, was die Rezeptionssituation von Konsolenspielen üblicherweise an das mediale Dispositiv Fernsehen koppelt und die Rezeption dementsprechend in die Privatheit des Wohnzimmers verlegt. Dieser dritte Aufbau ist mit dem „Dispostiv Wohnen (Konsole)“ gemeint.140 Eine vierte Variante bildet das Computerspiel in seiner mobilen Form. Videospielkonsolen wie z.B. der Game Boy oder die PlayStation Portable – so genannte Handhelds – oder auch Mobiltelefone wie das iPhone begünstigen eine Nutzung des Computerspiels, die im Gegensatz zu den oben genannten Dispositiven nicht ortsgebunden ist. Diese vierte Anordnung kann mit dem „Dispositiv Mobilität (Handheld)“ benannt werden.141 Für den Bereich der künstlerischen Computerspielmodifikation lässt sich ein fünftes Computerspieldispositiv ergänzen, das die Rezeption von Computerspielen in Museen, Galerien und andere Ausstellungssituationen verlegt. Abseits der audiovisuellen Inhalte werden die Apparate, Aufbauten und Anordnungen der Computerspiele von den KünstlerInnen so verändert, dass die oben aufgeführten Dispositive kritisch hinterfragt und teilweise bildhauerisch ins Zentrum des Kunstwerks rücken, wie die Beispiele des Pong-Dress, des [giantJoystick] (Abb. 9) sowie der PainStation zeigen.142

Vgl. zur Geschichte der Verbindung von Spielautomaten und Computerspielen aus einer medienarchäologischen Perspektive Huhtamo 2005.

139

Liebe 2008a, S. 83.

140

Ebd., S. 85.

141

Ebd. S. 88.

142

Einen Fokus auf Installationen, Hardware-Modifikationen, Ludic Interfaces und Wearables zeigt insbesondere die Ausstellung Homo Ludens Ludens 2008 im spanischen Gijón. Vgl. Berger et al. 2008.

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2.3.4.3 Ansatz an der Ebene der Spielregeln Einen dritten Ansatzpunkt für Computerspielmodifikationen bieten die Spielregeln der Games. Die Regeln eines Spiels sind prinzipiell veränderbar. Dies kann z.B. durch Diskussion und Ausloten der Regeln im gemeinsamen Spiel mit Anderen geschehen. Genauso kann eine Regel von SpielerInnen schlicht nicht beachtet werden. Im Falle von transformativem Spielen kann ferner die rigide Struktur des game strapaziert werden, was schließlich zu einer Veränderung des gesamten Spielgefüges führen kann. Die Handlungsmöglichkeiten, die SpielerInnen während eines Computerspiels zur Verfügung stehen, werden vom Computerprogramm kontrolliert und aufrechterhalten. Diese Regeln zu verändern, lässt sich üblicherweise nicht mit persönlichem Verhalten bewerkstelligen, sondern setzt einen Eingriff in die Programmstrukturen voraus. Aber auch Computerspiele verfügen über Regeln, die während des Spiels modifiziert werden können. Katie Salen und Eric Zimmerman unterscheiden drei Ebenen von Regeln, die allen Spielen gemein sind: abstrakte, mathematische Regeln, konkret wirksame Regeln und implizite, ‚ungeschriebene‘ Regeln (vgl. Kap. 2.2.5).143 Diese drei aufgeführten Ebenen (abstrakte, konkrete und implizite Regeln) lassen sich weiter aufschlüsseln und ergänzen, so dass sich insgesamt sechs Arten von Regeln im Computerspiel unterscheiden lassen, auf die auf unterschiedliche Weise Einfluss genommen werden kann144 – nämlich: Programm-, Ziel- und Manipulationsregeln. Hinzukommen implizite Verhaltensregeln und eine übergeordnete Handlungsmaxime. Metarageln bestimmen schließlich als Regeln über Regeln die Veränderung des Spiels an sich. So lassen sich die Regeln als Limitation des Spielerverhaltens differenzierter betrachten und es wird deutlich, dass alle Arten von Regeln einen Ansatzpunkt der Modifikation bieten. Eine Veränderung einer Art von Regel kann sich dabei auch auf andere Regeln auswirken.

143

Vgl. Salen/Zimmerman 2004, S. 139.

144

Die drei Ebenen bei Salen und Zimmerman werden hier mit Unterscheidungen von Gonzalo Frasca ergänzt und ferner vom Verfasser kritisch erweitert. Frasca unterscheidet vier Ebenen: Zunächst spricht er von einer nicht näher benannten Programmebene, die er weniger als Regelebene versteht, sondern auf der er die Funktionen des Spiels und die Mediendateien verortet, die die audiovisuelle Oberfläche des Computerspiels bilden. Ferner unterscheidet er manipulation rules, goal rules und meta-rules. Frasca führt in dem Text zudem aus, wie über Regeln (und ihre Veränderung) Ideologien vermittelt werden können. So könnte zum Beispiel das Gameplay der Anhäufung von käuflichen Dingen in der Spielserie The Sims als normative Metaregel interpretiert werden, die aufs Engste mit einer kapitalistischen Gesellschaftsform in Verbindung steht (vgl. Frasca 2003a).

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Erstens sind demnach die Regeln zu nennen, die das System des Spiels im Sinne von Programmeigenschaften bilden. Diese Programmregeln sollen den SpielerInnen verborgen bleiben. Das mathematische Regelwerk wird vom Computer berechnet und zeigt sich dem Rezipienten nur im Ausnahmenfall der Störung oder wenn es aktiv einer Modifikation unterzogen wird.145 Diese untergeordnete Ebene der Computerspielregeln wird von anderen Autoren als constituative rules (Salen/Zimmerman)146 , machine acts (Galloway)147 oder auch als algorithmic rules (Juul)148 adressiert und gehört zur codierten Sphäre der Software des Computerspiels. Auf dieser Regelebene ist auch festgelegt welche Eigenschaften die Objekte, Figuren und Umgebungen haben. Das Löschen oder Umschreiben von Codezeilen gehört z.B. zur Ebene der Programmregeln. Diese Art der Regeländerung lässt sich dementsprechend auf die Software-Modifikation (vgl. Kap. 2.3.4.1) rückbeziehen. Die Zielregeln bilden – zweitens – konkrete, einzelne Handlungsanweisungen im Spiel selbst: Monster X töten, eine bestimmte Tür Y öffnen, Schlüssel Z finden. Diese Art von Regeln gibt an, was der Spieler im konkreten Spiel tun soll.149 Die Manipulationsregeln bezeichen als dritte Gruppe die Regeln, die die Handlungsmöglichkeiten des Spielers limitieren und demnach bedingen, was der Spieler tun darf oder auch kann: Schlüssel Z öffnet Tür A, Die Kanone in Space Invaders lässt sich nur horizontal bewegen. Zielregeln und Manipulationsregeln bilden gemeinsam das, was Salen & Zimmerman als operational rules bezeichnen; nämlich die Regeln mit denen Spieler während eines Spiels konkret umgehen. Auch diese konkret wirksamen Regeln können übder den Eingriff in die Software verändert, um beispielsweise die Art der Bewegung der Spielfiguren zu beeinflussen. Den Programm-, Ziel- und Manipulationsregeln übergeordnet lässt sich eine vierte Ebene ausmachen, die sich auf generelles menschliches Verhalten bezieht, das zu Tage tritt, wenn Menschen miteinander interagieren. Als implizite ‚ungeschriebene‘ Regeln – oder auch implicit rules (Salen & Zimmerman) – beziehen sich diese auf allgemeine Etikette, Fairness und sportliches Verhalten.150 Wenn Spieler dieses Verhalten beugen oder gar ignorieren, wird das gesamte Gefüge des Spielsystems instabil. An dieser Ebene setzt Joseph DeLappes Perfomance dead-iniraq an (vgl. Kap. 10). Fünftens ist zu beobachten, dass Computerspiele über eine übergeordnete Handlungsmaxime verfügen, in die auch ethische (und dementsprechend ideologische) Implikationen eingeschrieben sein können; etwa: Gut muss ge-

145

Vgl. Günzel 2010, S. 193.

146

Vgl. Salen/Zimmerman 2004, S. 139.

147

Vgl. Galloway 2006a, S. 37.

148

Juul 2005a, S. 61ff.

149

Vgl. Galloway 2006a.

150

Vgl. Vgl. Salen/Zimmerman 2004, S. 139.

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gen Böse kämpfen, (amerikanische) Soldaten töten Terroristen (vgl. 10.1.1), die Prinzessin – das Fräulein in Nöten – fungiert als Trophäe und muss gerettet werden etc. Schließlich sind – sechstens – die Metaregeln zu nennen, die als Regeln über Regeln den Grad der Veränderbarkeit der anderen Ebenen festlegen.151 Viele Computerspiele verfügen über Editoren, mit deren Hilfe die SpielerInnen Modifikationen der Software herstellen können. Spiele erlauben so Eingriffe in das Regelwerk, indem etwa das Aussehen und Verhalten von Objekten und Figuren verändert wird. Bei anderen Spielen liegt sogar der Source Code offen vor, so dass das gesamte Spiel von der Ebene des Codes ausgehend umprogrammiert werden kann. Dies eröffnet den Zugang zum Computerspiel als künstlerisches Material. Bei diesem Akt des Modifizierens handelt es sich um die künstlerische Technik, mit der KünstlerInnen Computerspiele verwenden. Durch einen Eingriff in die Programmebene könnte z.B. die übergeordnete Handlungsmaxime und damit auch die ideologischen Implikationen eines Computerspiels radikal geändert werden. Gonzalo Frasca führt folgendes Beispiel an, was diesen Zusammenhang unterstreicht: In einem Shooter wie Quake lässt sich das Aussehen der Figuren recht einfach auf der Programmebene durch Eingriff in die Mediendateien verändern. So ließe sich das Spiel dahingehend modifizieren, dass der Eindrück entstünde, Israelis kämpften gegen Palästinenser. Gonzalo Frasca illustriert seine Ausführungen mit diesem drastischen, politischen Beispiel, um zu verdeutlichen, auf welche Weise Computerspiele Ideologien transportieren können und wie dies in Form von Modifikationen reflektiert werden kann.152 Festzuhalten bleibt, dass sich das Regelwerk von Computer-

151

Stephan Günzel interpretiert in seinem Aufsatz Der reine Raum des Spiels die von Frasca vorgeschlagenen meta-rules als übergeordnete Handlungsmaxime des Computerspiels und nicht als Regeln über Regeln: „Auf der obersten Ebene unterscheidet Frasca davon nun Regeln im ethischen Sinn der Handlungsmaxime. [...] Metaregeln im Spiel können etwa angeben, dass das Gute zu verteidigen und das Böse zu bekämpfen oder eine Prinzessin zu retten sei“ (Günzel 2010, S. 191). Eine genauere Lektüre des Texts von Frasca zeigt aber, dass sich die Metaregeln nicht auf eine übergeordnete Handlungsmaxime beziehen, sondern den Grad der Veränderbarkeit der anderen Regelebenen bezeichnen: „A meta-rule is a rule that states how rules can be changed“ (Frasca 2003a, S. 232). In der vorliegenden Arbeit wird als Synthese aus diesen unterschiedlichen Auffassungen über Metaregeln die Konsequenz gezogen, dass sowohl von einer übergeordneten Handlungsmaxime als auch von Metaregeln in Computerspielen gesprochen wird. Dementsprechend werden hier sechs Ebenen von Regeln unterschieden: Programmregeln, Zielregeln, Manipulationsregeln, implizite Regeln, übergeordnete Handlungsmaxime und Metaregeln.

152

Vgl. Frasca 2003a, S. 232.

K ÜNSTLERISCHE C OMPUTERSPIELMODIFIKATION ALS G EGENSTAND

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spielen auf unterschiedlichen Ebenen entfaltet. KünstlerInnen haben die Möglichkeit, Einfluss auf jede der sechs Regelebenen auszuüben und das System des Spiels für ihre Zwecke einzurichten. Die Veränderbarkeit der Regeln ist damit ein wesentlicher Bestandteil der Materialeigenschaften des Computerspiels.

2.4 Z USAMMENFASSUNG

VON

K APITEL 2

In Kapitel 2 wurde der Gegenstand der vorliegenden Arbeit detailliert vorgestellt und präzise bestimmt. Bei dem Gegenstand handelt es sich um künstlerische Computerspielmodifikationen – um Artefakte, die auf Computerspielen basieren und die von KünstlerInnen mittels unterschiedlicher Strategien einer Weiterverabeitung unterzogen werden. Auf diese Weise dienen die Computerspiele als Material dem künstlerischen Ausdruck. Die vielschichtigen Facetten des Gegenstands wurden nacheinander aufgegliedert und es wurden grundsätzliche für die Arbeit wichtige Begriffsbestimmungen, Abgrenzungen und Definitionen vorgenommen. Kapitel 2.1 hat das Computerspiel als Medium entworfen, das KünstlerInnen als Material dient, indem sie es weiterverarbeiten. Das Computerspiel wurde als Spiel definiert, das auf der Rechenleistung des Computers beruht und primär visuell vermittelt über einen Bildschirm zur Anschauung gebracht wird. Das Computerspiel ist demnach gleichzeitig – erstens – ein Spiel und – zweitens – ein Computerprogramm. Als Software löst es Prozesse auf Hardware aus. Darüber hinaus erzeugt es durch Bilder und Töne eine steuerbare audiovisuelle Raumzeitlichkeit – eine ‚Spielwelt‘ –, weshalb es als Träger und Vermittler von Daten ebenfalls – drittens – als eigenständiges Medium aufgefasst werden kann, das in Form einer spezialisierten Industrie auch ein eigenes Mediensystem hervorgebracht hat. Eine grundlegende Annahme ist, dass die vom Game hervorgebrachte Spielwelt während des Spielvollzugs im Vordergrund stehen soll. Der Rezipient soll idealiter nicht durch außerspielerische Einflüsse gestört werden und die medialen und apparativen Bedingungen des Spielvollzugs ausblenden. Als eigenständiges Medium strebt das Computerspiel danach, sich im Prozess der Vermittlung zu verunsichtbaren und in Unmittelbarkeit und vollständiger Transparenz aufzugehen. Diesem Transparenzstreben entgegen zu wirken – so lässt sich festhalten – ist ein Hauptmerkmal der in der vorliegenden Arbeit analysierten Kunstwerke. Computerspiele bilden das Material, das die KünstlerInnen modifizieren. Material unterliegt per definitionem bei Monika Wagner der Veränderung durch Bearbeitung. Computerspiele können auf verschiedene Arten verändert werden: z.B. lässt sich die Struktur der Software verändern oder es lässt sich die Hardware der Apparate bearbeiten. Die zentralen Fragen, die sich daran knüpfen und die in der Studie nachgegangen werden, lauten: Auf welche Weise und mit welchen Strategi-

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en verwenden KünstlerInnen kommerzielle Computerspiele und verändern sowie vereinnahmen diese? In Kapitel 2.2 wurde das Computerspiel dezidiert als Spiel in den Blick genommen, da es nicht hinreichend als Medium zu beschreiben ist. Es wurden die spieltheoretischen Grundlagen der vorliegenden Arbeit geschaffen. Die Ausführungen orientierten sich an Erkenntnissen der jüngeren Computerspielforschung. Zunächst wurde das Spiel (game) mit Jesper Juul sowie Katie Salen und Eric Zimmerman als ein auf Regeln basierendes System definiert, das sich durch einen Konflikt auszeichnet und dessen Ergebnis quantitativ bestimmbar ist. Es wurden vier Grundformen des Spiels identifiziert, die auf Roger Caillois zurückgehen. Dabei handelt es sich um Agôn (Wettbewerb), Alea (Zufall, Glück), Mimicry (Rolle) und Ilinx (Bewegung, Rausch). Diese vier Grundformen des Spiels entfalten sich zwischen zwei Polen, wobei ludus das regelgerichtete Spiel und paidia das freie Spielen bezeichnet. Diese Pole korrespondieren mit den englischen Begriffen game und play. Die Regeln eines Spiels entfalten sich auf drei Ebenen: es lassen sich konkret wirksame Regeln, abstrakte mathematische Regeln und implizite ‚ungeschriebene‘ Regeln voneinander unterscheiden. Spiele entfalten sich durch ihr Regelwerk entweder emergent oder progressiv, d.h.: entweder liegen die Regeln offen vor und und sind den SpielerInnen bekannt oder sie werden sukzessive ‚erspielt‘. Game Designer richten das Regelwerk eines Spiels auf eine bestimmte Art ein. Dies bedeutet, dass Spiele gestaltbar sind und dass sich damit für KünstlerInnen neben dem Eingriff in Software und Hardware auch ein Umgang mit den Spielregeln im künstlerischen Material des Computerspiels eröffnet. Die Feststellung, dass Computerspiele als geregelte Systeme gestaltbar sind, leitete zu Kapitel 2.3 über, in dem Computerspielmodifikationen zum Thema wurden. In dem Kapitel wurden Computerspielmodifikationen zunächst aus einer historischen Perspektive betrachtet und festgestellt, dass sich die Praxis des Modding über verschiedene Phasen zu einem integralen Bestandteil der Computerspielkultur und -folklore entwickelt hat und heute den Teil eines Geschäftsmodells der Computerspielindustrie bildet, in dem die Trennung von Konsumption und Produktion verschwimmt (Kap. 2.3.1-2.3.3). Kapitel 2.3.4 hat die Technik der Computerspielmodifikation untersucht und drei Ansatzpunkte der Veränderung von Computerspielen identifiziert. Modifikatoren – Fans und KünstlerInnen im selben Maße – können an der Software, der Hardware und den Spielregeln des Ausgangsmaterials ansetzen, um es Veränderungen zu unterziehen. Die Ebene der Software lässt sich wiederum in Dateien, Game Engine und Code auftrennen, wobei zu bemerken ist, dass alle Ebenen im Spielsystem eng miteinander verwoben sind und die Veränderung einer Ebene Auswirkungen auf eine andere haben kann (Kap. 2.3.4.1).

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Zur Theoretisierung der Hardware-Modifikation ist der Dispositiv-Begriff in die Arbeit eingebracht worden, der die räumlich-technische Anordnung der Apparate und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Rezeption von Computerspielen bezeichnet. Die Dispositive Arbeit (PC, Desktop-Computer), Freizeit (Arcades, Spielautomaten), Wohnen (Konsole, Fernseher), Mobilität (Handhelds, Tablets, Mobiltelefone) sind um ein fünftes Dispositiv ergänzt worden: In dieser fünften Anordnung werden Computerspiele installativ in die Räume und Kontexte der Kunst verlegt und unter künstlerischen Vorzeichen mit neuen Aufbauten, Ein- und Vorrichtungen sowie Schnittstellen versehen (Kap. 2.3.4.2). Einen dritten Ansatzpunkt zur Modifikation neben Software und Hardware bieten die Spielregeln der Games (Kap. 2.3.4.3). Folgende sechs Regeln können theoretisch getrennt voneinander betrachtet und entsprechend modifiziert werden: Programm-, Ziel-, Manipulationsregeln, allgemeine Verhaltensregeln sowie eine übergeordnete Handlungsmaxime. Hinzu kommen – sechstens – Metaregeln, die den Grad der Veränderung der anderen Regeln bestimmen. Alle Regeln bilden zusammen das System des Regelwerks. Dies bedeutet auch, dass die Veränderung einer Regel Auswirkungen auf eine andere haben kann. Die Veränderbarkeit des Regelwerks ist ein wesentlicher Aspekt der Materialeigenschaften des digitalen Spiels.

3. Methode

Das folgende Kapitel stellt die Methode vor, mit der die Kunstwerke in Kapitel 711 der Arbeit einer Analyse unterzogen werden. In den folgenden Ausführungen wird die konkrete Vorgehensweise vorgestellt und die theoretische – bildwissenschaftliche – Position begründet. Das Kapitel beginnt mit einem Überblick über Methoden, die – aus anderen Disziplinen stammend – im heterogenen Forschungsfeld der Game Studies zur Anwendung kommen (Kap. 3.1). In Kapitel 3.2 wird argumentiert, dass die Analyse der Kunstwerke in zwei Schritten erfolgen muss: Zuerst wird das Ausgangsmaterial des (kommerziellen) Computerspiels und dann die künstlerische Computerspielmodifikation analysiert. Für dieses Vorhaben stehen Ansätze der Game Studies zur Verfügung (insbesondere von Espen Aarseth, Lars Konzack und Danny Kringiel), die in die Arbeit eingebracht werden.153 Die vorgestellten Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie Computerspiele aus verschiedenen Teilperspektiven untersuchen aber die Perspektive auf die spezifische Bildlichkeit des Mediums vernachlässigen. Die vorliegende Arbeit wird daher bildwissenschaftlich positioniert und der Fokus auf die Bildlichkeit der Phänomene als übergeordneter Zugang festgelegt (Kap. 3.2.1). Zum einen wird so dem identifizierten Defizit der Computerspielanalyse begegnet. Zum anderen erlaubt diese bildwissenschaftliche Ausrichtung die Analyse nicht-künstlerischer Bilder, die von Computerspielen hervorgebracht werden. Daraufhin wird die konkrete Vorgehensweise der Analyse beschrieben: Es wird gezeigt, mit welchen methodischen Ansätzen, Fragestellungen und Zielen im ersten Schritt das Ausgangsmaterial des Computerspiels untersucht wird (Kap. 3.2.2). Zudem wird deutlich gemacht, auf welche Weise in einem zweiten Schritt die künstlerische Computerspielmodifikation in den Mittelpunkt der Betrachtungen rückt (Kap. 3.2.3) und eine Analyse erfährt. Kapitel 3.3 fasst die Ergebnisse zusammen.

153

Vgl. Aarseth 2003, Konzack 2002, Kringiel 2009.

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3.1 Ü BERBLICK

ÜBER

M ETHODEN

IN DEN

G AME S TUDIES

Computerspiele sind Gegenstand der Computerspielforschung bzw. Game Studies. Game Studies sind heute ein interdisziplinäres Forschungsfeld.154 Dementsprechend sind auch die Methoden zur Untersuchung digitaler Spiele heterogen.155 Es gibt keine paradigmatische Methode der Game Studies.156 Grundsätzlich lassen sich drei unterschiedliche Felder unterscheiden, auf die sich das Erkenntnisinteresse der Game Studies bezieht und denen jeweils unterschiedliche Methoden zugeordnet werden. Es lässt sich erstens eine kulturwissenschaftlich geprägte Computerspielforschung identifizieren, die darum bemüht ist, die Bedeutung, Strukturen und Kontexte digitaler Spiele zu erforschen. Dieses Feld wird von Forschung gebildet, die Spiele und ihre Strukturen untersucht; dies geschieht vornehmlich mit Methoden entlehnt aus der Literatur-, Medien- und Filmwissenschaft, die durch ludologische Beschreibungskategorien ergänzt worden sind (vgl. zur Ludologie Anm. 317).157 Im zweiten Feld der Computerspielforschung werden mit empirischen Methoden die SpielerInnen und Spieler sowie ihr Verhalten untersucht. Die Hauptfragestellung dieser sozialwissenschaftlich geprägten Computerspielforschung bezieht sich auf die gesellschaftlichen Effekte von digitalen Spielen.158 Ein Beispiel für eine

154

Vgl. Mäyrä 2008. Für einen Überblick über die Entwicklung siehe Kücklich 2004.

155

Die Heterogenität von Theorien, Methoden und Disziplinen im Bereich der Computerspielforschung ist heute nur noch schwer zu überblicken. Zur Verdeutlichung der Uneinheitlichkeit und Ungleichartigkeit wissenschaftlicher Zugänge kann der 2009 erschienene Video Game Theory Reader 2 herangezogen werden. Im Anhang des Sammelbandes sind folgende Theorien und Disziplinen aufgelistet, die sich aus unterschieldichen Perspektiven mit digitalen Spielen beschäftigen: „Included in this list are entries for Anthropology, Art and Aesthetics, Artificial Intelligence, Business/Industry (includes Marketing), Communication Theory, Computer Graphics, Computer Programming, Cultural Studies, Design, Economics, Ethnography, Film Studies, Game Theory, Gender Studies (includes Feminism), Genre Studies, History, Human-Computer Interaction, Interdisciplinary Studies, Law, Literary Theory, Ludology, Media Ecology, Medicine, Methodology, Narratology, New Media (includes Interactivity), Phenomenology, Philosophy (includes Morality and Ethics), Politics, Psychology (includes Cognition, Emotion, and Pleasure), Reception Theory, Semiotics, Sociology, Subcreation Studies, Television Studies, and Theater and Performance Studies“ (Perron 2009, S. 331).

156

Vgl. Mäyrä 2008, S. 156.

157

Vgl. ebd., S. 157f.

158

Vgl. ebd., S. 158-162.

M ETHODE

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jüngere, methodologische Herausforderung in diesem Bereich ist die zunehmende Bedeutung von Massively Multiplayer Online-Spielen (MMOs). MMOs avancieren zunehmend zu einem wichtigen Thema in den Game Studies und erfordern neue methodische Zugänge. Als Beispiel hervorzuheben ist T.L. Taylors Arbeit über das Spiel EverQuest. Taylor setzt darin ethnografische Methoden ein, um die Welt des Spiels zu erforschen.159 Edward Castronova hat das Spiel EverQuest ebenfalls untersucht und angeblich festgestellt, dass die dem Spiel zu Grunde liegende Welt namens Norrath über ein Bruttoinlandsprodukt verfügt, das mit dem Bulgariens vergleichbar sei.160 Das dritte, anwendungsorientierte Feld der Computerspielforschung bezieht sich auf die Untersuchung von Game Design und Spieleentwicklung. Das Hauptziel dieser industriell und ingenieurwissenschaftlich geprägten Computerspielforschung ist, das Design und die Entwicklung von Computerspielen zu verstehen und auch im praktischen Sinne einer Gewinnmaximierung zu verbessern.161 Im Folgenden wird die konkrete Vorgehensweise der Analyse der Kunstwerke in den Kapiteln 7-11 der vorliegenden Arbeit beschrieben.

3.2 V ORGEHENSWEISE

DER

A NALYSE

Die Ausführungen über den Gegenstandsbereich der künstlerischen Computerspielmodifikation haben gezeigt, dass es sich bei dem Gegenstand um ein vielschichtiges Phänomen handelt (Kap. 2). Die Analyse in dieser Arbeit muss dementsprechend zwei wesentliche Seiten der Kunstwerke berücksichtigen: Das Ausgangsmaterial sowie dessen Weiterverarbeitung in Form der Modifikation. Daraus ergibt sich, dass die Analyse in zwei Schritten erfolgt. In einem ersten Schritt wird das Ausgangsmaterial betrachtet und in einem zweiten Schritt die künstlerische Computerspielmodifikation analysiert. In der Analyse wird kein einfacher Vergleich zwischen dem Ausgangsmaterial und der künstlerischen Computerspielmodifikation angestrebt, sondern es wird herausgearbeitet, welche Verschiebungen und Veränderungen sich zwischen dem Game und der Modifikation ereignet haben und in welchem Verhältnis diese zueinander stehen. Ausgehend von den im ersten Schritt beschriebenen Charakteristika des Materials wird gezeigt, welche Parameter der Games die KünstlerInnen modifiziert haben. So wird deutlich, auf welche Art und Weise die KünstlerInnen das Material für das Kunstwerk eingerichtet haben

159

Vgl. Taylor 2006.

160

Vgl. Castronova 2001, Castronova 2003, URL: http://www.gamestudies.org/0302/ castronova, Castronova 2005.

161

Vgl. Mäyrä 2008, S. 162-165.

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und welche Konsequenzen – auch für die Rezeption – daraus erfolgen. Eine Grundannahme dabei ist, dass die KünstlerInnen insbesondere die mediale, apparative und auch codierte Bedingtheit des Ausgangsmaterials fokussieren und diese mittels verschiedener Strategien der Modifikation sichtbar werden lassen. Da es sich bei dem Ausgangsmaterial um kommerzielle Computerspiele handelt, empfiehlt es sich zunächst, Methoden der Computerspielanalyse heranzuziehen, die sich seit 2001 in den Game Studies entwickelt haben. Diese Vorgehensweisen – hauptsächlich geprägt durch Espen Aarseth, Lars Konzack und Danny Kringiel – untersuchen einzelne Computerspiele aus verschiedenen Teilperspektiven. Espen Aarseth plädiert dafür, Computerspiele aus drei Perspektiven zu untersuchen: Erstens die Spielwelt, zweitens die Regeln sowie Struktur des Spiels und drittens das Spielen des Spiels (Game-world, Game-structure, Gameplay).162 Lars Konzack schlägt wiederum vor, die Artefakte in sieben Schichten einzuteilen. Diese sieben Schichten, aus denen ein Computerspiel besteht bzw. in denen ein Computerspiel wirksam wird, reichen vom Code über die Hardware bis hin zum sozio-kulturellen Kontext, in den das Spiel eingebettet ist.163 Danny Kringiel schlägt sechs Teilperspektiven vor, aus deren Warte sich Games beschreiben und analysieren lassen.164 Diese Perspektiven teilen sich in ludologische, narrativistische, cyberdramatische, filmanalytische, architektonische und lernbezogene Analyse eines einzelnen Spiels, die Kringiel wiederum aus der Forschungsliteratur der Game Studies herauskristallisiert hat.165 3.2.1 Defizit in der Computerspielanalyse und Kompetenz der Bildwissenschaft: Die Frage nach dem Bild Die angebotenen Analyseverfahren der Game Studies vernachlässigen methodisch die spezifische Bildhaftigkeit des Mediums Computerspiel.166 (Mit spezifischer Bildlichkeit ist hier weniger gemeint, was die Computerspiele zeigen, sondern vielmehr, wie sie es tun). In Kringiels Analysemethode werden die Bilder des Computerspiels nahezu vollständig unter filmischen Gesichtspunkten subsumiert und damit wird auch stets eine Orientierung am bzw. Abhängigkeit vom Medium Film

162

Vgl. Aarseth 2003.

163

Die sieben Schichten sind im Einzelnen: hardware, program code, functionality (hiermit ist das Verhalten des Computerprogramms gemeint), game play (hiermit ist das eigentliche Spiel gemeint), meaning, referentiality (hiermit ist der Verweis auf andere Medien und Computerspiele gemeint) und socio-culture (vgl. Konzack 2002).

164

Vgl. Kringiel 2009, S. 182-190.

165

Vgl. ebd., S. 25-28.

166

Vgl. Aarseth 2003, Konzack 2002, Kringiel 2009.

M ETHODE

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impliziert. Kringiel verhandelt die Bildlichkeit des Computerspiels zudem unter cyberdramatischen Fragestellungen.167 Unter diesen cyberdramatischen Aspekten fasst Kringiel die visuelle Figurengestaltung und die Gestaltung der Spielwelt als „virtuelles Bühnenbild“168. Es ist zu bemerken, dass Kringiel dem Computerspielbild dabei einen gegenständlichen Charakter beimisst und die spezifische Bildlichkeit des Computerspiels damit in den Dienst von Repräsentation stellt. Eine Frage bei Kringiel lautet etwa: „Steuert der Spieler auf dem Bildschirm überhaupt einen personalisierten Stellvertreter oder nur eine Art Werkzeug (z.B. einen Tennisschläger)?“169 Hier wird eine bereits in die Frage eingezogene Ebene der Interpretation deutlich, die den auf dem Bildschirm sichtbaren Bildpunkten einen Repräsentationscharakter implizit bescheinigt, die im Bild selbst gar nicht angelegt sein muss. Man denke in diesem Zusammenhang etwa an die Pixel in Pong, die als Schläger und Ball gesehen werden könnten aber nicht müssen. Die Interpretation einer Konfiguration von einem Muster aus Bildpunkten als „Tennisschläger“ ist im Sinne Erwin Panofskys der Ebene des sekundären, konventionalen Sujets zugehörig.170 In einem anderen Zusammenhang werden Defizite in der Bildkompetenz deutlich, die sich insbesondere in der Einordnung und Bewertung der Bildwelten der Games zeigt, wenn Lars Konzack den visuellen Stil des Beat ’em up Soul Calibur (Namco, 1998) oberflächlich als Mischung aus „manga“ und „fantasy art“ charakterisiert und diese wie auch immer geartete Gattung ursprünglich auf die Arbeiten des Illustrators Frank Fazetta (*1928) zurückführt.171

167

Der Begriff des Cyberdrama stammt aus Janet Murrays Hamlet on the Holodeck (Murray 2001).

168

Vgl. Kringiel 2009, S. 25-28.

169

Ebd., S. 338.

170

Vgl. Panofsky 2002.

171

„In style [...] Soul Calibur is based on a combination of manga (japanese animation) and fantasy art (originating from the artist Frank Frazetta)“ (Konzack 2002, S. 97). Abgesehen davon, dass Konzacks ‚fantasy art‘ jeglicher kunsthistorischen Grundlage entbehrt, verwendet er auch den Begriff Manga in nicht korrekter Weise. Es handelt sich bei Mangas nicht um Animationen, sondern um die japanische Form des Comics, die sich in statischen Bildern zeigen. Animationen werden als Anime bezeichnet.

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Aus diesen Defiziten der Computerspielanalyse folgt die Hinwendung zur Bildwissenschaft in dieser Arbeit.172 Die Kompetenzen, die insbesondere die Kunstge-

172

Das interdisziplinäre Projekt der Bildwissenschaft wendet sich gegen das TextParadigma in der menschlichen Kultur und den Wissenschaften, durch das letzendlich alle Kultur als Text verstanden wird, und stellt das Bild dagegen in den Mittelpunkt, da ihm eine kulturell dominante und philosophisch relevante Rolle zugestanden wird. Diese Hinwendung zum Bild wird durch das Aufkommen digitaler Bilder begünstigt. So wird der Metapher der „Lesbarkeit der Welt“ die Metapher der „Sichtbarkeit“ und auch „Bildlichkeit“ entgegen gesetzt (vgl. Schulz 2009, S. 11). Der Gegenstandsbereich der Bildwissenschaft umfasst alle Bilder, nicht nur Bilder künstlerischer Natur, wodurch erlaubt wird, dass auch die Bilder der Computerspiele mit kunstwissenschaftlichen Methoden untersucht werden können. Horst Bredekamp argumentiert für die Kunstwissenschaft selbst als Bildwissenschaft und merkt an, dass schon die Kunstgeschichte des 19. Jhdts. nicht-künstlerische Bilder in ihre kunsthistorische Praxis eingeschlossen hat (vgl. Bredekamp 2003, S. 72). Es ließe sich ebenfalls argumentieren, dass die Kunstgeschichte seit Aby Warburgs Wirken ‚Bildwissenschaft‘ ist, da schon Warburg nicht-künstlerische Bilder gleichberechtigt in seine Analysen einbezogen hat (vgl. Hensel 2011b). Es lassen sich mehrere bestimmende bildwissenschaftliche Positionen in der Kunstgeschichte identifizieren. Zum einen ist W.J.T. Mitchell zu nennen, dessen Rede vom pictorial turn dem linguistic turn der Sprachwissenschaft verpflichtet ist und kritisch daran anknüpft. Mitchells kritische Form der Ikonologie ist semiotisch geprägt und mündet in eine Theorie der Visuellen Kultur. Der iconic turn, der von Gottfried Boehm ausgemacht wird, grenzt sich wiederum stark von der Semiotik und der damit implizierten Versprachlichung des Bildes ab. Gottfried Boehm ist phänomenologisch geprägt und fasst Bilder nicht als codierte Zeichen auf, sondern attestiert Bildern eine ikonische Differenz – eine Art der Sinn- und Bedeutungserzeugung, die nur Bildern zu Eigen ist und diese dadurch vom Logos abgrenzt (vgl. Kap. 6.2.2). Eine weitere bildwissenschaftliche Position wird von Hans Belting repräsentiert. In seiner Bild-Anthropologie argumentiert er, dass Bilder vom Menschen gemacht sind und daher stets auf diesen bezogen sind. Nur Menschen haben die Fähigkeit, Bilder herzustellen, weil nur Menschen Einbildungskraft, Imagination, besitzen. Grundbegriffe bei Belting sind Bild, Körper und Medium; die Trennung mentaler und materieller Bilder ist zentral. Außerhalb der Kunstgeschichte stehen z.B. die Arbeiten des Philosophen Klaus Sachs-Hombach, der die Formulierung einer allgemeinen Bildwissenschaft anstrebt. In einer solchen – ebenfalls semiotisch orientierten – allgemeinen Bildwissenschaft steht die Kunstgeschichte/Kunstwissenschaft in einem gemeinsamen Theorierahmen neben vielen anderen bildwissenschaftlichen Disziplinen wie Medienwissenschaft, Kognitionswissenschaft, Psychologie, Neurowissenschaft, Rhetorik etc. Vgl. allgemein zur Einführung

M ETHODE

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schichte und Kunstwissenschaft, in das interdisziplinäre Projekt der Bildwissenschaft eingebracht haben, können auf diese Weise für die Analyse von Kunstwerken eingesetzt werden, die auf Computerspielen basieren. Der gewählte Fokus in der vorliegenden Arbeit liegt sowohl im ersten als auch im zweiten Schritt der Analyse stets auf der spezifischen Bildlichkeit und den aufgeworfenen Bildwelten der Computerspiele und künstlerischen Computerspielmodifikationen. Denn Computerspiele zeigen sich als und durch Bilder. Aus diesem Grund wird das Computerspiel in einem theoretischen Kapitel (Kap. 5) als Bildmedium entworfen, um diese bildwissenschaftliche Position weiter zu fundieren. Die spezifische Bildlichkeit des Mediums ist sowohl in der Beschreibung als auch in der Analyse der Artefakte stets präsent und wird immer mit bedacht. Es handelt sich demnach um den bestimmenden methodischen Zugang, die untersuchten Kunstwerke hinsichtlich ihrer Bildlichkeit zu untersuchen. Das Computerspiel wird aus einer Perspektive betrachtet, die es zuvordererst als Bild in den Blick nimmt. Das Argument für die Hinwendung zur Bildwissenschaft ist aus der Beschaffenheit des Gegenstandes abgeleitet: Die Bildwissenschaft erlaubt die nichtkünstlerischen Bilder der Computerspiele zu untersuchen. Bildwissenschaft erforscht, beschreibt analysiert und reflektiert alle Arten von visuellen Artefakten. Dazu gehören auch Bilder, die zunächst von digitalen Spielen hervorgebracht werden und in einem zweiten Schritt von KünstlerInnen als Material angeeignet, modifiziert und in Kunstwerke transformiert werden. Die Bilder kommerzieller Computerspiele gehören einer kultur- und unterhaltungsindustriellen Sphäre an, die in aller Deutlichkeit als abseits des Kunstsystems gekennzeichnet ist. Die Kunstwerke, die im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen, überführen diese Bilder mittels unterschiedlicher Strategien in künstlerische Kontexte. Dieser Schritt der Aneignung und Modifikation der Computerspiele und ihrer Bilder in Form von Kunstwerken ist nur durch Kenntnis des Ausgangsmaterials sinnvoll zu beschreiben und zu analysieren. Aus der Synthese der methodischen Ansätze der Computerspielanalyse und einer bildwissenschaftlichen Positionierung ergibt sich folgende konkrete Vorgehensweise für die Analyse in dieser Arbeit.

in die Bildwissenschaft Bredekamp 2003, Schulz 2009, Frank/Lange 2010. Zur Rolle der Kunstgeschichte/Kunstwissenschaft vgl. Huber/Kerscher 1998, Bogen 2005. Zum Pictorial Turn vgl. Mitchell 1997, Mitchell/Frank 2008. Zum Iconic Turn vgl. Boehm 2006a. In einem Briefwechsel zwischen Mitchell und Boehm sind die leicht unterschiedlichen Ausrichtungen Thema: Vgl. Boehm 2007 und Mitchell 2007. Zur BildAnthropologie vgl. Belting 2001. Zur allgemeinen Bildwissenschaft, für die Klaus Sachs-Hombach plädiert, vgl. Sachs-Hombach 2005, Sachs-Hombach 2006.

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3.2.2 Erster Schritt: Analyse des Ausgangsmaterials Bei dem Ausgangsmaterial handelt es sich um Artefakte, die in einer hybriden Weise sowohl als Medium als auch als Spiel adressiert werden können. Das Ausgangsmaterial wird zunächst aus einer ludologisch geprägten Perspektive beschrieben und umrissen. Dabei erfolgt eine Orientierung an den Computerspielanalysemethoden von Aarseth, Konzack und Kringiel. Das bedeutet, es werden je nach Game verschiedene Teilperspektiven eingenommen und Aussagen darüber getroffen, um was für ein Computerspiel es sich handelt. Fragen, die beantwortet werden, lauten: Welchem Genre gehört das Spiel an? Welche Apparate sind notwendig, um es zu spielen und in was für einer räumlichen Situation wird es gespielt, d.h. welchem spezifischen Computerspieldispositiv ist es zuzuordnen? Wie lauten die wichtigsten Regeln, Ziele und Spielmodi? Wie ist das Spiel strukturiert? Verfügt es über eine narrative Ebene und wie lautet der Plot? Darüber hinaus wird das Augangsmaterial computerspielhistorisch sowie in einen größeren sozio-kulturellen Kontext eingeordnet, wenn dies der Argumentation in der Analyse dient (dies geschieht beispielsweise hinsichtlich der besonderen kunsthistorischen Rolle des Spiels Doom oder auch in der Analyse des Spiels America’s Army, vgl. Kap. 7.1 und Kap. 10.1). Es werden, falls es der Analyse dienlich ist, über diese ludologischen Bestimmungen hinausgehende Feststellungen über die Art des Bildes und die Beschaffenheit einzelner Bildelemente und ihrer Funktionen für das Spiel getroffen. Das Verhältnis, das diese Bildelemente zueinander und rezeptionsästhetisch zum Spieler haben, wird dabei ebenfalls bestimmt.173 Darüber hinaus können, wenn dies im

173

Zur Rezeptionsästhetik: Mit seiner 1967 in Konstanz gehaltenen Antrittsvorlesung begründet Hans Robert Jauß die deutsche Rezeptionsästhetik und eine Theorie ästhetischer Erfahrung. Weiter formuliert durch den Anglisten Wolfgang Iser legt Wolfgang Kemp 1985 die theoretischen Grundlagen zur Nutzbarmachung der Rezeptionsästhetik für die Kunstwissenschaft. Bei der kunstwissenschaftlichen Rezeptionsästhetik handelt es sich damit ursprünglich um eine methodische Entlehnung aus der Literaturwissenschaft. Ausgehend von der Rolle des Rezipienten lassen sich die Aufgaben der Rezeptionsästhetik ableiten: „Jedes Kunstwerk ist adressiert, es entwirft seinen Betrachter, und es gibt dabei zwei Informationen preis, die vielleicht, von sehr hoher Warte betrachtet, identisch sind: Indem es mit uns kommuniziert, spricht es über seinen Platz und seine Wirkungsmöglichkeiten in der Gesellschaft und spricht über sich selbst. Die Rezeptionsästhetik hat demzufolge (mindestens) drei Aufgaben: 1. Sie muss die Zeichen und Mittel erkennen, mit denen das Kunstwerk in Kontakt zu uns tritt, sie muss lesen im Hinblick 2. auf ihre sozialgeschichtliche und 3. auf ihre eigene ästhetische Aussage“ (Kemp 2008, S. 250). Rezeptionsästhetische Fragestellungen betreffen die „(äußeren) Zugangsbedingungen und (inneren) Rezeptionsvor-

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Rahmen der Analyse notwendig erscheint, die dargestellten Architekturen und die Gestaltung der Spielfiguren eingeordnet und bewertet oder auch die Art des räumlichen Modus (zweidimensional/dreidimensional) festgestellt und fruchtbar in die Analyse eingebracht werden. 3.2.3 Zweiter Schritt: Analyse der Modifikation des Ausgangsmaterials In einem zweiten Analyseschritt steht das Kunstwerk im Mittelpunkt der Betrachtung, das durch Modifikation aus dem zuvor beschriebenen Computerspiel entstanden ist. Die Art der Modifikation wird bestimmt, die Ansatzpunkte der Veränderung werden identifiziert und die spezifische Bildlichkeit der Modifikation wird beschrieben und analysiert. Es wird zudem das Verhältnis bestimmt, das die Modifikationen zum Ausgangsmaterial hat. So werden das Ausgangsmaterial und die Modifikation aufeinander bezogen. Es wird in dieser Arbeit rezeptionsästhetisch davon ausgegangen, dass sich sowohl die Games als Ausgangsmaterial als auch die aus diesen entstandenen Kunstwerke stets zwischen zwei Polen entfalten – nämlich zwischen Spiel und Spieler bzw. zwischen Werk und User bzw. Betrachter. Es wird demnach ebenfalls herausgearbeitet wie sich Werk und Betrachter zueinander verhalten und wie sich sich diese Verhältnisse in der künstlerischen Modifikation verändert und mit welchen Konsequenzen verschoben haben. Computerspiele und ihre Modifikationen treten durch ihre interaktive Natur, durch Interfaces, spezifische Blicktechniken (etwa Erste-Person-Perspektive)174 und

gaben“ (ebd., S. 251). Es lässt sich nach einem rezeptionsästhetischen Dreieck fragen, das sich zwischen Künstler, Werk und Betrachter (hier: User/Spieler) aufspannt. Vgl. Iser 1972, Iser 1976. Vgl. Jauß 1970 sowie den Abdruck der Vorlesung Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft (Jauß 1979) sowie kunstwissenschaftlich Kemp 1985. 174

Die verschiedenen Perspektiven, Raumrepräsentationen und Blicktechniken sind analysiert in Schwingeler 2008: Die unterschiedlichen Raumkonfigurationen des Computerspiels teilen sich in zwei Gruppen: zweidimensionale und dreidimensionale Raumrepräsentation. Die zweidimensionale Raumrepräsentation gliedert sich in beschriebener Raum, Bildschirmcontainer, Scrolling und Isometrie. Die dreidimensionale Raumrepräsentation ist unterteilt in Erste-Person- und Dritte-PersonPerspektive. Die Erste-Person-Perspektive zeigt das Spielgeschehen aus den angenommenen Augen einer Spielfigur innerhalb der Spielwelt. Die Dritte-PersonPerspektive präsentiert einen Avatar (oder auch mehrere Spielfiguren) im Bild, der als digitale, bewegliche Repoussoir-Figur den Standpunkt des Spielers verdoppelt bzw. vervielfacht und ihn sowohl innerhalb als auch außerhalb der Spielwelt verortet.

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diegetische Relationen175 mit dem Spieler in Kontakt. Rezeptionsästhetisch handelt es sich um das „dialogische Prinzip der ästhetischen Kommunikation.“176 Für Söke

175

Durch die Entlehnung des Diegese-Begriffs des französischen Erzähltheoretikers Gérard Genette ist es möglich, die Handlungen des Spielers und des Computerprogramms inner- und außerhalb der vom Spiel aufgerufenen Fiktion zu verorten. So lässt sich zwischen diegetischen und nicht-diegetischen Handlungen unterscheiden (vgl. Galloway 2006a). Der Diegese-Begriff kann im Kontext der vorliegenden Arbeit im Sinne der kunstwissenschaftlichen Rezeptionsästhetik verstanden werden, wie er auch von Wolfgang Kemp vorgeschlagen wird; nämlich als eine Kategorie der inneren Rezeptionsvorgaben des Werkes. „An erster Stelle ist die Art und Weise zu untersuchen, wie die die Dinge und Personen der innerbildlichen Kommunikation zueinander in Beziehung treten und dabei den Betrachter einschließen oder (scheinbar) ausschließen. Man spricht hier von Diegese“ (Kemp 2008, S. 253). Gérard Genette hat eine eigene Rezeptionsgeschichte in der Computerspielforschung: Britta Neitzel diskutiert Genettes Erzähltheorie ausführlich in ihrer Dissertation. Im Hinblick auf Computerspiele widmet sie sich besonders dem Konzept der Fokalisierung, das – nicht zu verwechseln mit der Erzählperspektive –, das Verhältnis einer erzählenden Instanz zu einer Figur innerhalb einer Diegese beschreibt (vgl. Neitzel 2000). Auf Genettes Diegese-Begriff bezieht sich auch Mark J.P. Wolf, der in dem Kapitel Space in the Video Game aus seinem Buch The Medium of the Video Game eine einschlägige Klassifikation der unterschiedlichen Raumkonzepte des Computerspiels vornimmt. Hier ist die Diegese eher filmwissenschaftlich konturiert. Wolf operiert in diesem Zusammenhang auch mit den Begriffen On- und Off-Screen (vgl. Wolf 2001a). Leif Rumbke verwendet Genettes Diegese, zur weiteren Klassifikation von Räumlichkeit im Computerspiel. Er fächert verschiedene Ebenen der Diegese auf, um die Relation zwischen Spieler und Spielwelt zu beschreiben und den Spieler innerhalb oder außerhalb der Fiktion des Spiels zu verorten. Der Raum, in der sich der Spieler samt Apparat und Bildschirm befindet, ist die reale Relation. Der dargestellte Raum im Spiel bzw. die fiktive Spielwelt mit all ihren Regeln, Geschichten etc. wird als diegetische Relation bezeichnet. Die Diegese des Spiels ist demnach das fiktive raumzeitliche Universum, das vom Computerspiel eröffnet wird: die fictional world (Juul) oder auch audiovisuelle Raumzeitlichkeit (Mersch). In Ergänzung dazu kann zwischen extradiegetischer und intradiegetischer Relation unterschieden werden. Die extradiegetische Relation ist zwar ein Teil des rezipierten Bildes aber der Fiktion der Spielwelt ausgelagert: Ein im Bild sichtbarer Mauszeiger ist dafür ein gutes Beispiel. Auch Informationen über das Spiel (z.B. der Punktestand, Anzahl der verbleibenden Leben/Versuche etc.) gehören zum Bild, sind der Diegese aber ausgelagert. Die intradiegetische Relation beschreibt das Verhältnis des Spielers zur diegetischen Welt des Spiels „von seiner darin verorteten Handlungsrepräsentation aus. Ist er auch gra-

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Dinkla stellt „der automatisierte Dialog zwischen Programm und Anwender“„[d]as künstlerische Material der Interaktiven Kunst“ dar.177 Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt auf der Frage, welche Konsequenzen sich aus der Modifikation für das Kunstwerk ergeben haben. Genauer wird danach wie folgt gefragt: Welcher Art sind die modifizierten Bilder und in welchem Verhältnis stehen sie zum Ausgangsmaterial? Inwieweit haben sich räumliche Konfigurationen verschoben und verändert, die zunächst vom Ausgangsmaterial aufgeworfen worden sind? Welche Spielregeln gelten oder gelten nicht mehr? Welche Handlungen sind ferner innerhalb der Spielwelt – mit und in dem Bild – möglich (oder auch nicht mehr möglich) und welche Qualitäten haben diese? Hier muss angemerkt werden, dass das Kapitel über dead-in-iraq (Kap. 10) insbesondere den Fragen nach der Handlung innerhalb der Spielwelt verpflichtet ist, da es sich bei diesem Kunstwerk nicht um eine direkte Modifikation der Software handelt, die Einfluss auf die audiovisuelle Oberfläche des Spiels nimmt, sondern um eine Beugung der Spielregeln, die im Zuge einer Performance bewusst missachtet werden (vgl. Kap. 2.3.4.3). Als Instrument zur Analyse der räumlichen Verhältnisse im Computerspiel und künstlerischer Computerspielmodifikationen bietet sich Axel Stockburgers Einteilung in den Raum des Spieler (User Space) und den Raum des Spiels (Game Space) an.178 Zur Analyse der Handlung im Computerspiel kann Alexander Galloways

fisch in Form eines Avatars repräsentiert, so entspricht der imaginäre subjektive Betrachterstandpunkt des Spielersprites der visuellen intradiegetischen Perspektive. Im First-Person-Shooter hingegen fällt die Position der simulierten Kamera mit dieser zusammen.“ (Rumbke 2005, S. 20) Es geht also um den Betrachterstandpunkt und wie der Blickwinkel des Spielers im Bezug auf die Raumdarstellungen korrespondiert und in welchem Verhältnis diese zueinander stehen. 176

Kemp 1985, S. 243.

177

Dinkla 1997, S. 41.

178

Das Computerspiel steht in einem Spannungsfeld zwischen dem User Space – dem Raum des Spielenden – und dem Game Space – dem Raum des Spiels. Durch die Einteilung in User Space und Game Space sind die Berücksichtigung der spezifischen Rezeptionssituation des Computerspielers und des medialen Dispositivs des Computerspiels gewährleistet. Der Game Space kann in vier Unterkategorien eingeteilt werden. Der Rule Space bezeichnet die Regeln des Spiels in ihrer gesamten Komplexität. Die Bezeichnung Narrative Space bezieht sich auf den fiktiven Raum des Spiels – die Diegese –, die durch die Erzählung des Spiels aufgerufen wird. Der Spieler erfährt Räumlichkeit im Computerspiel durch die Simulation von Bewegung im dargestellten Raum – dies lässt sich als Kinaesthetic Space bezeichnen. Das, was der Spieler sieht und hört, gehört schließlich zur Sphäre des Audiovisual Representa-

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Modell der Gamic Action herangezogen werden, das den Spieler und das Spiel innerhalb eines kybernetischen Regelkreises179 verortet und diesen zwei handelnden Instanzen unterschiedliche Handlungsmomente innerhalb und außerhalb der Diegese des Spiels zuordnet.180

tional Space. Diese das Spiel betreffende Kategorien sorgen dafür, dass sich der Game Space und der User Space miteinander verschränken und zum eigentlichen Raum des Spiels werden: Zum ersten betreffen die Regeln des Spiels den Spieler direkt und er muss sich ihnen unterwerfen, um das Spiel spielen zu können. Zweitens ist er durch die erzählte Geschichte emotional involviert (es gibt gewiss Spiele, die keine Erzählung aufweisen; im Beispiel Tennis for Two beschränkt sich die narrative Ebene darauf, dass die Sportart Tennis den Hintergrund des Spiels bilden soll.) Der Spieler führt drittens die Bewegungen im Bild auf seine Bewegungen in realiter im User Space zurück. Das Drücken eines Knopfes bewirkt z.B. einen Schuss oder das Bewegen der Maus hat zur Folge, dass sich das Bild einem neuen Blickwinkel anpasst. Und viertens nimmt der Spieler all die sinnlichen Reize wahr, die ihm das Spiel auf visueller und auditiver Ebene bietet. Die Kategorien gehören zwar in die Sphäre des Spiels, sind aber gleichzeitig als rezeptionsästhetische Kategorien aufzufassen, da ein interaktives Werk nur durch den User oder eben den Spieler komplettiert wird. Vgl. Stockburger 2009. 179

Die Kybernetik – begründet durch den Mathematiker Norbert Wiener – ist „eine Forschungsrichtung, die sich mit Steuerungs- und Regelungsvorgängen in dynamischen Systemen beschäftigt“ (Walter 2002a, S. 173). Die Kybernetik besagt u.a., „dass sich Kontrolleur und Kontrolliertes nicht eindeutig voneinander trennen lassen, sondern immer eine wechselseitige Kontrolle ausüben“ (ebd., S. 174). Vgl. allgemein zur Kybernetik Walter 2002a, vgl. außerdem historisch Wiener 1948.

180

Es lassen sich bei Computerspielen zwei handelnde Instanzen identifizieren: Der Spieler des Spiels [operator] und der Computer bzw. die Konsole [machine] treten in einen Dialog. Dieser Dialog ist ein kybernetischer Regelkreis – ein ständiger Prozess von Analyse, Bewertung Antizipation, Aktion und Reaktion. So entsteht ein Handlungsmodell mit zwei handelnden Instanzen und zwei grundsätzlichen Formen der Handlung. Insgesamt lassen sich auf diese Art vier verschiedene Handlungsmomente im Computerspiel ableiten. So führt der Spieler 1.), wenn er den Avatar durch die Spielwelt bewegt, eine Handlung innerhalb der Diegese des Spiels aus, der als diegetische Spielerhandlung [diegetic operator act] bezeichnet werden kann. Auch das Drücken eines Knopfes, was zu einem Schuss in der Spielwelt führt, ist eine Handlung des Spielers innerhalb der Diegese des Spiels. Stellt der Spieler das Spiel in den Pausenmodus, tritt er aus der Diegese des Spiels aus, was 2.) als nicht-diegetische Spielerhandlung [nondiegetic oprator act] bezeichnet werden kann. Ähnlich geartet sind Einstellungen an den Funktionen des Spiels, die vom Spieler vorgenommen

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Ein wesentlicher methodischer Schlüssel wird in der Analyse von dem Begriffspaar Transparenz und Opazität gebildet, das sowohl bild-/kunstwissenschaftlich als auch medientheoretisch fungieren kann. Eine Hauptthese der Arbeit lautet, dass das Ausgangsmaterial des Computerspiels eine Tendenz aufweist, seine mediale und apparative Seite zu verschleiern, um einen idealen Zustand der Unmittelbarkeit anzustreben: Dem Spieler eines Computerspiels soll im Vollzug des Spiels so wenig wie möglich bewusst sein, dass die audiovisuelle Raumzeitlichkeit der Games medial und apparativ bedingt und durchdrungen ist. Das Computerspiel als Medium soll vollkommen durchsichtig – transparent – werden und sich nur als steuerbarer Bildraum ohne Bildträger zeigen. Die KünstlerInnen wiederum wenden Strategien an, den Bestrebungen des Mediums zur Transparenz aktiv entgegen zu wirken. Die KünstlerInnen trüben die Transparenz des Ausgangsmaterials und verschieben es in die Richtung des entgegengesetzten Zustandes – der Opazität. Metaphorisch gesprochen trüben sie die Glasscheibe des Fensters, die als vermittelnde Instanz zwischen Spieler und Bildwelt der Games positioniert ist. Diese Wechselverhältnisse zwischen Transparenz und Opazität herauszustellen, ist das Ziel des zweiten Analyseschrittes. Das Begriffspaar Transparenz/Opazität wird in Kapitel 6 medientheoretisch vertieft. Zunächst werden in einem Forschungsüberblick wichtige Positionen zum Phänomen künstlerischer Computerspielmodifikation nachvollzogen (Kap. 4).

3.3 Z USAMMENFASSUNG

VON

K APITEL 3

Nach der ausführlichen Gegenstandsbestimmung in Kapitel 2 hat Kapitel 3 die konkrete Vorgehensweise für die Analyse der Kunstwerke in die Arbeit eingebracht. Nach einem Überblick über die Methoden der Game Studies (Kap. 3.1) wurde in Kapitel 3.2 die Vorgehensweise der voliegenden Arbeit bestimmt. Aus einer Me-

werden, z.B. das Einstellen der Lautstärke oder der Bildschirmhelligkeit. Der Apparat handelt ebenfalls inner- und außerhalb des fiktionalen Regelrahmens des Spiels. Als Beispiel für diese 3.) diegetischen Maschinenhandlungen [diegetic machine acts] kann angeführt werden, wenn das Computerprogramm an einem bestimmten Punkt selbstständig eine Videosequenz abspielt, die die Narration vorführt. Das vierte Moment der Handlung ist 4.) die nicht-diegetische Maschinenhandlung [nondiegetic machine act] – also ein selbstständiges Handeln des Apparats außerhalb der Diegese des Spiels. Das Programm kann das Spiel z.B. aufgrund eines Regelverstoßes oder des Scheiterns des Spielers beenden, was zum Game Over führt. Andere denkbare nicht-diegetische Maschinenhandlungen sind das Auftauchen von Fehlern und Störungen, z.B. wenn ein Online-Spiel aufgrund einer schlechten Internetverbindung ins Stocken gerät oder ganz abbricht. Vgl. Galloway 2006a.

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thodendiskussion der Computerspielanalyse, wie sie in den Game Studies vorgeschlagen worden ist, ist das Defizit identifiziert worden, dass Computerspiele zwar aus verschiedenen Teilperspektiven betrachtet werden, die Spezifika ihrer Bildlichkeit aber vernachlässigt werden (Kap. 3.2.1). Aus der Vernachlässigung des Computerspielbildes in den Game Studies ist die bildwissenschaftliche Position der vorliegenden Arbeit abgeleitet worden, die den übergeordneten Zugang zur Analyse der Kunstwerke bildet. Vor dem Hintergrund der Gegenstandsbestimmung künstlerischer Computerspielmodifikation ist ferner argumentiert worden, dass eine Analyse der Kunstwerke in zwei Schritten erfolgen muss. Zuerst wird das Ausgangsmaterial des kommerziellen Computerspiels analysiert (Kap. 3.2.2), um in einem zweiten Schritt die Modifikation primär bildwissenschaftlich zu untersuchen (Kap. 3.2.3). Auf diese Weise lassen sich die Verschiebungen und Veränderungen herausarbeiten, die von den KünstlerInnen eingerichtet worden sind und dem Transparenzstreben des Computerspiels Opazitäten entgegen setzen (vgl. zu dieser These Kap. 1.3 und in medientheoretischer Vertiefung Kap. 6).

4. Forschungsüberblick zu künstlerischer Computerspielmodifikation

Das folgende Kapitel zum Forschungsstand führt wichtige theoretische Positionen und Thesen zum Gegenstandsbereich der künstlerischen Computerspielmodifikation auf. Eine größere wissenschaftliche Arbeit, die dezidiert künstlerische Computerspielmodifikationen behandelt, liegt bis dato nicht vor. Zudem gibt es kaum Einzelanalysen der Kunstwerke, die in einem größeren theoretischen Kontext stehen.181 Dadurch wird die Relevanz der vorliegenden Arbeit unterstrichen. Zunächst muss eine Einschränkung der hier behandelten Themen erfolgen. Folgende Diskurse sollen in den Ausführungen weitestgehend ausgeklammert bleiben, um möglichst nah am Thema zu bleiben: Es wird nicht angestrebt, einen Überblick über die Entwicklung der Games Studies und die bestimmenden Positionen in die-

181

Ausnahmen sind die Master Theses von Phillipa Stalker und Rosa Menkman (vgl. Stalker 2005, Menkman 2006). Rosa Menkman weist in ihrer auf Niederländisch verfassten Arbeit auf das Streben des Computerspiels zur Immediacy (Bolter/Grusin 1999) hin und bemerkt, dass JODI dieses Streben versperren (vgl. zu Immediacy Kap. 6.) Als weitere Ausnahme ist Inge Hinterwaldners Dissertation Das systemische Bild zu nennen, in der sie zwei Kunstwerke aus dem Bereich der künstlerischen Computerspielmodifikation bespricht (vgl. Hinterwaldner 2010). Dabei handelt es sich um die Werke fluID (2003) von Sylvia Eckermann (*1962) und Mathias Fuchs (*1956) sowie um 2nd Person Shooter (in der Version für zwei Spieler, 2007) von Julian Oliver (*1969). Im Gegensatz zur vorliegenden Arbeit untersucht Hinterwaldner nicht das Computerspiel als künstlerisches Material und die Strategien der Modifikation im Verhältnis zum ursprünglichen Spiel. Vgl. Hinterwaldner 2010, S. 416429 sowie 436-445.

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sem Forschungsfeld zu geben.182 Auch das Verhältnis der Kunstgeschichte zu Computerspielen ist nicht das Thema des Forschungsüberblicks.183 Die kunsthistorische Auseinandersetzung mit der Verbindung von Spiel und Kunst – insbesondere

182

Vgl. zu Game Studies auch Kap. 3.1 in dieser Arbeit. Dort werden die verschiedenen Felder der Game Studies und ihre Methoden in aller Kürze vorgestellt. Vgl. zur Entwicklung der Game Studies Kücklich 2004. Einen ausführlichen Forschungsüberblick der Computerspielforschung bietet Rapp 2007, S. 67-82.

183

Zwei Beispiele – nämlich die Standpunkte von Söke Dinkla und Heinrich Klotz im Hinblick auf interaktive Medienkunst – können das Verhältnis der Kunstgeschichte zu Computerspielen als ambivalent charakterisieren. Am Beispiel von Söke Dinklas einschlägiger Dissertation Pioniere Interaktiver Kunst von 1997 wird die ursprünglich untergeordnete Rolle der Computerspiele im kunstwissenschaftlichen Diskurs deutlich, obwohl digitale Spiele grundsätzlich als der interaktiven Kunst verwandte Form anerkannt werden. Dinkla beschreibt etwa Myron Kruegers (*1942) Arbeiten (Metaplay, 1970; Psychic Space, 1971) als spielerisch; die Verbindung zum Computerspiel äußert sie aber nur indirekt: Dinkla stellt die Vermutung auf, dass Myron Krueger bei der Entwicklung des Kunstwerks von frühen Computerspielen inspiriert worden sei und fasst die Geschichte des Mediums von Spacewar! (1962) bis zur Gründung von Atari (1972) in einer Fußnote zusammen (vgl. Dinkla 1997, S. 74). Dass die Rezeptionssituation mit derjenigen von Computerspielen vergleichbar ist, bemerkt sie lediglich an Jeffrey Shaws (*1944) Points of View (1983-84) (vgl. ebd., S. 104). Heinrich Klotz, Gründungsdirektor des ZKM, bescheinigt ebenfalls 1997 der gesamten Gattung der interaktiven Medienkunst spielerischen Charakter. Klotz betrachtet das spielerische Moment der interaktiven Medienkunstwerke als Besonderheit und verweist indirekt auf die strukturellen Gemeinsamkeiten von Kunst und Spiel, die sich durch Freiheit bei gleichzeitiger Regelgerichtetheit auszeichnen. So schreibt er Bezug nehmend auf Johan Huizingas Homo ludens über Jeffrey Shaws The Legible City (1988-1991): „Und das Ganze hat etwas Spielerisches. Das Kunstwerk ist wieder Spiel geworden, der Mensch ein Homo ludens“ (Klotz 1997, S. 27). Er unterscheidet deutlich zwei Modi des Kunstwerks, die eine jeweils spezifische Form der Rezeption erfordern: Sehen statischer Bilder und Handeln mit bewegten Bildern: „Das bewundernde Verstummen angesichts reinen Sehens tritt zurück gegenüber der Entdecker- und Handlungsfreude interaktiver Aufforderung: Die Grenze zum Spiel wird überschritten. Die Freiheit des intellektuell sinnlichen Spiels kann genossen werden. Interaktion ist niemals Ruhe der Anschauung, sondern immer bewegtes Bild, Handeln, spielendes Verändern der Vorgaben innerhalb begrenzter Möglichkeiten“ (ebd., S. 23).Vgl. zum Verhältnis von Medienkunst zu (Computer-) Spielen auch die frühe Publikation Künstliche Spiele (Hartwagner et al. 1993).

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im 20. Jahrhundert – bleibt ebenfalls außen vor.184 Es ist zu bemerken, dass Kunstwerke, die dem Bereich der künstlerischen Computerspielmodifikation zuzurechnen sind, im Kontext der größeren Diskurse der (digitalen) Medienkunst vorkommen.185 Dies nachzuvollziehen, ist nicht Aufgabe des folgenden Überblicks. Etwaige Gemeinsamkeiten und Unterschiede von interaktiver Medienkunst und Computerspielen herauszukristallisieren, ist in demselben Maße nebensächlich.186 Ein weiterer

184

Dem Spiel und der Kunst können gemeinsame Strukturen bescheinigt werden, die sich insbesondere auf das paradoxe Schillern zwischen Freiheit und Regelgerichtetheit beziehen: So kann die Kunst selbst als spielerischer Handlungsraum verstanden werden. Für die bildende Kunst des 20. Jahrhunderts ist das Spielerische ein entscheidender Aspekt – ausgehend von Marcel Duchamp bei den Dadaisten, Surrealisten, der Situationistischen Internationale und der Fluxus-Bewegung. Vgl. zu diesem breit geführten Diskurs beispielsweise Bätzner 2005, Buchhart/Fuchs 2005, Buchhart/Fuchs 2005a, Fuchs/Strouhal 2010, Getsy 2011.

185

Folgende Publikationen bieten einen Überblick über verschiedene Bereiche der Medienkunst, in denen künstlerische Computerspielmodifikationen Relevanz besitzen. Zu Kunst mit Neuen Medien vgl. Rush 2005, Tribe et al. 2006. Rushs Publikation bietet kurze Beschreibungen einzelner Kunstwerke, u.a. von Super Mario Clouds. Zu Netzkunst vgl. Greene 2004, S. 144-152. Vgl. für einen Überblick insbesondere den Anhang von Greenes Publikation mit einer Chronologie, einem Glossar, Listen mit einschlägigen Projekten, Ausstellungen, Festivals und Mailinglisten sowie einer ausgewählten Bibliografie. Allgemeiner zu digitaler Kunst vgl. Paul 2003. Vgl. für einen Überblick insbesondere den Anhang der Publikation von Paul. Die Diskurse überschneiden sich zu großen Teilen mit Rachel Greenes Internet Art (Greene 2004). Zum spezifischeren Begriff der Softwarekunst vgl. Gohlke 2003a, Baumgärtel 2003. Zuletzt zur ‚Schule‘ der net.art vgl. Kuni 1999, Baumgärtel 1999, Baumgärtel 2001b.

186

Der Australier Jason Wilson verfolgt eine gemeinsame medienarchäologische Linie von Nam June Paiks (*1932) TV-Arbeiten und frühen Computerspielen wie Pong, die sich nicht nur eine gemeinsame Entstehungszeit teilen, sondern die auch vor einem Zeitgeist und den Verheißungen des „technological utopianism“ im Kontext der 1960er und 70er Jahre gelesen werden können. Damit ist eine Gemeinsamkeit zwischen digitalen Spielen und interaktiver Medienkunst auch historisch belegt. Vgl. Wilson 2007, S. 123-185; Wilson 2006. In einem vom Verfasser herausgegebenen Aufsatz von 2009 bringt Söke Dinkla Computerspiele und interaktive Medienkunst deutlich in Verbindung, ordnet sie unterschiedlichen Kontexten (Unterhaltungsindustrie vs. Kunstwelt) zu und bezeichnet sie als „(un)gleiches Geschwisterpaar“. Interaktive Medienkunst ist deutlich dem Kunstkontext zuzuordnen, während Computerspiele im Kontext der Unterhaltungsindustrie stattfinden (Dinkla 2009). KünstlerInnen überführen aber Computerspiele in den Kontext des Kunstsystems und machen

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ausgesparter Bereich ist Literatur zu allgemeinen Aspekten des Modding.187 Ein ebenfalls nicht behandelter Bereich ist die Debatte um den Kunststatus des Computerspiels im Allgemeinen.188 Definitions- und Kategorisierungsversuche im Zusammenhang mit dem breiteren Themenfeld der Kunst mit Computerspielen sowie dem Begriff der Game Art werden ebenfalls nicht systematisch nachvollzogen. Ihnen kann aber durchaus eine Rolle in den folgenden Ausführungen zukommen, da der Bereich der künstlerischen Computerspielmodifikation einen wesentlichen Teil dieses breiteren Diskurses bil-

sich dazu verschiedene Strategien zu Nutze. Heute gibt es künstlerische Computerspiele, die sowohl dem Kontext der interaktiven Medienkunst als auch dem Kontext des Computerspiels zuzuordnen sind. Damit ist eine konstruierte Trennung zwischen interaktiver Medienkunst und Computerspielen prinzipiell obsolet. Inge Hinterwaldner bemerkt in ihrer Dissertation Das systemische Bild: „Diese Trennung in Computerspiele einerseits und interaktive Kunst andererseits lässt sich heute nicht mehr aufrechterhalten, da es künstlerische Computerspiele gibt“ (Hinterwaldner 2010, S. 380). 187

Vgl. Kap. 2.3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Au 2004, URL: http://dir.salon.com/tech/ feature/2002/04/16/modding/index.html [02.04.2012], Morris 2004, Laukkanen 2005, Beil 2009, Sotamaa 2009, Behr 2010.

188

Die Frage nach dem Kunststatus des Computerspiels hat der Verfasser in einem Vortrag auf der Kölner Next Level Conference 2010 mit dem Ergebnis adressiert, dass das Computerspiel allgemein keinesfalls als Kunst bezeichnet werden kann. Die Frage, ob Computerspiele nun intrinsisch per se eine Kunstform darstellen oder nicht, ist darüber hinaus nicht zielführend. Die in der Debatte um den Kunststatus immer wieder angeführte Argumentation, Computerspiele über ihre üppige audiovisuelle Erscheinung und ihre ausufernden Narrationen als Kunstwerke nobilitieren zu wollen, deutet auf einen nicht-konventionellen Kunstbegriff, der einer Technik, einem Medium oder Material pauschal und per se den Kunststatus bescheinigt. In der Regel werden hier notwendige und hinreichende Bedingungen nicht sauber getrennt: Computerspiele selbst sind selbstverständlich keine Kunst, genauso wenig wie ein Gemälde oder ein Marmorblock zwangsläufig ein Kunstwerk sein müssen. Computerspiele sind deshalb genauso wenig von sich aus Kunst wie z.B. ein Urinal aus Porzellan, ein Waschmittelkarton aus Sperrholz oder ein Tigerhai in Formaldehyd von sich aus Kunst sind. Dies trifft auf jede andere denkbare Technik, jedes andere Medium und Material zu. Vgl. Schwingeler 2010. Vgl. zum Kunstdiskurs im Hinblick auf Computerspiele seit 2000 in Auswahl: Jenkins 2000, URL: http://www.technologyreview .com/computing/12189/?a=f [18.03.2011], Smuts 2005, URL: http://www.contemp aesthetics.org/newvolume/pages/article.php?articleID=299

[12.03.2011],

Jenkins

2005, Adams 2007, Ebert 2010, URL: http://blogs.suntimes.com/ebert/2010/04/ video_games_can_never_be_art.html [02.04.2012], Bogost 2011, S. 9-18.

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det. Es wird angestrebt, für die vorliegende Arbeit wichtige Aspekte aus der Literatur in möglichst enger Führung zu isolieren und in eine chronologische Reihenfolge zu bringen. Im Mittelpunkt stehen deutsch- und englischsprachige Publikationen zwischen 1999 und 2010, die chronologisch nachvollzogen werden. Wesentliche Thesen und Impulse stammen von KuratorInnen, die den Bereich seit 1999 durch ihre Ausstellungspraxis begleiten. Zunächst werden die wichtigsten Positionen der OnlineAusstellung Cracking the Maze (1999) in die Arbeit eingebracht und die wichtigsten Thesen isoliert, die sich als bestimmend für den sich im Folgenden entfaltenden Diskurs erweisen (Kap. 4.1). In Kapitel 4.2 werden die wichtigsten Thesen und Positionen, die sich von 2001-2006 gebildet haben, in chronologischer Reihenfolge isoliert. Im Jahr 2006 wird mit dem Erscheinen von Alexander Galloways Essay Countergaming eine Zäsur gesetzt, da damit ein erstes systematisches Konzept des Phänomens der künstlerischen Computerspielmodifikation vorliegt. Kap. 4.3 nimmt ausgehend von Galloways Countergaming weitere (nun auch akademische) Publikationen in den Blick, die Konzeptualisierungen künstlerischer Computerspielmodifikationen anbieten. Dies betrifft die Jahre 2006-2009. Ab dem Jahr 2009 ist festzustellen, dass eine historische Betrachtung des Themenfeldes einsetzt. Kapitel 4.4 stellt die ersten historischen Ansätze bezüglich künstlerischer Computerspielmodifikation vor. Das letzte Unterkapitel des Forschungsüberblicks stellt den Status Quo der Publikationspraxis zu dem Thema zur Zeit der Schriftlegung der vorliegenden Arbeit dar und bietet einen dementsprechend kurzen Ausblick. In Kapitel 4.5 erfolgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse.

4.1 G EGENENTWÜRFE : K ÜNSTLERISCHE C OMPUTERSPIELMODIFIKATION ALS R EAKTION AUF M AINSTREAM -C OMPUTERSPIELE Die Anfänge des Diskurses über künstlerische Computerspielmodifikationen zeichnen sich in den Jahren 1998/1999 ab. 1999 werden erstmalig Modifikationen kommerzieller Computerspiele als Kunstwerke ausgestellt. Die erste dem Verfasser bekannte Gruppenausstellung ist Synreal – The Unreal Modification, die vom 26.05.31.05.1999 im damaligen Institut für Neue Kulturtechnologien im Museumsquartier in Wien stattgefunden hat (vgl. Anm. 24). Synreal war Teil einer größeren Ausstellung mit dem Titel Synworld, die teilweise auch im Architekturzentrum Wien zu sehen war. Die von Konrad Becker und Marie Ringler konzipierte Veranstaltung

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fokussierte die Rolle von dreidimensionalen Simulationsumgebungen in den Feldern Kunst, Architektur, Wissenschaft, Forschung und Industrie.189 Als erste thematisch relevante Positionen zu künstlerischen Computerspielmodifikationen sind die Texte der Autoren Anne-Marie Schleiner, Laura Trippi und Erkki Huhtamo zu nennen, die diese im Rahmen der als ‚Online-Galerie‘ fungierenden Website Cracking the Maze am 16. Juli 1999 im Internet veröffentlichen.190 Cracking the Maze versammelt als online zugängliche ‚Ausstellung‘ verschiedene Dateien, die sich der User aus dem Internet herunterladen und die verschiedenen Modifikationen in Verbindung mit den (gekauften) Originalspielen auf diese Weise rezipieren kann. Die Website mischt Kunstwerke von MedienkünstlerInnen wie JODI (SOD, 1999), Natalie Bookchin (*1962, The Intruder, 1999) oder ®™ark (SimCopter Hack, 1996) mit Modifikationen aus der Szene der Modder. Die Kuratorin und Künstlerin Anne-Marie Schleiner formuliert in einer kurzen kuratorischen Notiz einflussreiche Standpunkte zu künstlerischen Computerspielmodifikationen.191 Schleiner identifiziert künstlerische Computerspielmodifikationen als subversiv und dem Ausgangsmaterial gegenüber parasitär, da sie sich metaphorisch gesprochen in den ‚Wirt‘ der Game Engine einnisten und von diesem zehren. Sie charakterisiert die Modifikationen als Möglichkeit, den von der Game-Industrie transportierten Stereotypen – z.B. hinsichtlich Gender- und Gewaltrepräsentation – (z.B. feministisch oder humorvoll geprägte) Alternativen entgegenzusetzen. Die parasitäre Haltung bringt sie auch mit der Zugänglichkeit der KünstlerInnen zum Material des Computerspiels in Verbindung. Für Modifikationen sind keine elaborierten Programmierkenntnisse in dem Maße wie für die (aufwändige) Entwicklung eines Ga-

189

Vgl. die Dokumentation unter der URL: http://synworld.t0.or.at/ [29.03.2012]. Vgl. für einen Überblick Anm. 24.

190

Der volle Titel lautet Cracking the Maze – Game Plug-ins and Patches as Hacker Art. Die Arbeiten folgender Urheber sind zugänglich: Benjamin Eakins, Josephine Starrs/Leon Cmielewski, Mongrel, Martin Zapata, Matthew Shadbolt, Parangari Cutiri (Pseudonym der Kuratorin Anne-Marie Schleiner), Sonya Roberts, Jay Kristopher Huddy, Luke Heise, rtmark (®™Mark), JODI, Natalie Bookchin, Loren Petrich, Robert Nideffer. Vgl. die URL http://switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/ [29.03.2012].

191

Schleiner 1998, URL: http://switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/note.html [03.05. 2012]. Der Text wird 2007 wieder abgedruckt im Sammelband Videogames and Art (vgl. Clarke/Mitchell 2007, Schleiner 2007). In dem Sammelband fungiert der Text als Gründungstext der Kunst mit Computerspielen. In der Einleitung zu Videogames and Art bemerken die Herausgeber: „The curator’s note is interesting as a historical document because it indicates the extent of the field of videogame art at that time“ (Clarke/Mitchell 2007a, S. 13).

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mes notwendig – KünstlerInnen können so innerhalb der kommerziellen Spiele arbeiten und diese in kurzer Zeit nach ihren Vorstellungen verändern. Die KünstlerInnen bezeichnet sie als kritische „culture hackers“, die vorgefundene Strukuren infiltrieren, in künstlerischer Weise verändern sowie ihre Funktionen ver- und zweckentfremden.192 In einem auf 1999 datierten weiteren Text zu dem Thema, den Schleiner im Internet veröffentlicht, macht sie deutlicher auf eine Verbindung von Hacking und Computerspielen aufmerksam.193 Schleiner identifiziert einen spielerischen Umgang mit neuer Technik und einer damit verbundenen Hacker-Ethik, die den ersten Computerspielen wie Spacewar! (Steve Russel, 1962) zu Eigen ist und die sich in der autorisierten Möglichkeit der Spielmodifikation in den 1990er Jahren fortzusetzen scheint. Laura Trippi interpretiert in ihrem Beitrag Deep Patch den Ansatz des künstlerischen Eingriffs in die vorgefertigte Software dahingehend, dass die verborgene Code-Ebene geöffnet und damit zugänglich gemacht werden soll.194 Sie beobachtet zudem, dass die Eingriffe der KünstlerInnen an verschiedenen Ebenen der Spiele ansetzten können. Die Gestaltung einer neuen audiovisuellen Oberfläche für Spielfiguren in der Form einer Textur – eines so genannten Skins – unterscheidet sich von der Art des tiefer gehenden Eingriffs, den ®™ark mit dem SimCopter Hack (1996) auf der Ebene des Codes während der Entwicklung des Spiels vorgeführt haben.195

192

„Like the sampling rap MC, game hacker artists operate as culture hackers who manipulate existing techno-semiotic structures towards different ends or, […], ‚who endeavor to get inside cultural systems and make them do things they were never intended to do‘” (Schleiner 1998, URL: http://switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/note. html [29.03.2012]). Zum ‚cultural hacking‘ vgl. allgemein Düllo/Liebl 2005.

193

Vgl. Schleiner 1999, URL: http://opensorcery.net/patchnew.html [30.03.2012]. Der Text erscheint 2002 in finnischer Übersetzung herausgegeben von Erkki Huhtamo: Loiseliöt puuttuvat peliin — Pelien muuntelu ja hakkeritaide (Schleiner 2002a).

194

„Unlike ordinary software patches, game patches don't correct code behind the scenes, smoothing over something broken. And unlike patches of cloth, they don't just mend rips already made. No, the very concept of game patches implies and includes the act of tearing open a finished program to get at the underlying code“ (Trippi 1999, URL: http://switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/laura.html [30-03.2012]).

195

Der SimCopter Hack aus dem Jahr 1996 ist eine Intervention der Künstergruppe ®™ark. Der Hack bezieht sich auf den Flugsimulator SimCopter der Firma Maxis Inc. Ein Programmierer der Firma – Jacques Servin – hat während der Entwicklung des Spiels auf subversive Art in das Spiel eingegriffen, bevor es der Öffentlichkeit zugänglich war. In dem Spiel tauchen weibliche Figuren in Bikinis (als Beloh-

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Erkki Huhtamo bringt in seinem Beitrag Game Patch – The Son of Scratch das Phänomen erstmals in größere Kontexte. Er bemerkt, dass die zunächst freie und unregulierte Entwicklung des Mediums Computerspiel in den 1990er Jahren endgültig in den Händen einer hochspezialisierten Unterhaltungsindustrie liegt.196 In diesem Zusammenhang bezeichnet er das Computerspiel als „apparatus“ und bringt damit indirekt die Apparatus-Theorie Jean-Louis Baudrys in den Diskurs ein, mittels derer Baudry die apparativen und ideologischen Implikationen des Kinos aufzudecken gedenkt (vgl. dazu ausführlicher den Abschnitt zu Hardware-Modifikationen in Kap. 2.3.4.2; vgl. zur ideologischen Deutung des Computerspiels Anm. 370).197 Diesen Gedankengang führt Huhtamo weiter aus, indem er erkennt, dass es sich bei den Games um vorgefertigte Systeme handelt, deren primärer Zweck es ist, ökonomisch wirksam zu sein. Computerspiele bestimmen das Verhältnis von Rezipient und Apparat in rigider Art und steuern damit die scheinbare Interaktivität im Sinne der Games-Industrie.198 So interpretiert Huhtamo die Computerspielmodifikationen als Reaktion gegen die Computerspielindustrie und als Ermächtigung des Künstlers im Mediensystem – Es handelt sich um „‚tactical me-

nung/Trophäe) auf, die Servin mit halbnackten männlichen Figuren ersetzt hat, die sich umarmen und küssen. Die Firma Maxis Inc. hat dies als homoerotischen Affront bewertet und Servin entlassen. Servin hat später behauptet, 5000$ von ®™ark für den Hack erhalten zu haben. Ob Servin schon vor dem Eingriff mit ®™ark in Verbindung stand oder die Intervention erst zur Gründung der Gruppe geführt hat, ist nicht bekannt. Jacques Servin (alias Andy Bichlbaum) ist heute mit der Künstlergruppe The Yes Men assoziiert. Ein Artikel in Wired beleuchtet die Geschehnisse: Silberman 1996, URL: http://www.wired.com/culture/lifestyle/news/1996/12/775 [30.03.2012]. Vgl. die Website der Gruppe ®™ark unter der URL: http://www. rtmark.com [30.03.2012]; vgl. zudem Greene 2004, S. 95f. 196

„After all, electronic gaming may have been invented by computer hackers, technical whiz-kids and hippie entrepreneurs, but especially in the 90’s it has been absorbed by the worlds of big business and venture capitalism“ (Huhtamo 1999, URL: http:// switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/erkki.html [29.03.2012]).

197

Vgl. Baudry 1986 und Baudry 1986a.

198

„[...] the game-playing experience is irrevocably linked to an ‚apparatus‘, a prefabricated system regulating the relationship(s) between the player(s) and the system (including both the game software and the hardware) and, above all, defining the limits of the interaction. The game playing experience may allow for considerable liberties to explore virtual worlds, adopt different personalities, make decisions and discover secrets, but in the end these are just carefully tested and calculated parameters, the main criteria of which are economical“ (Huhtamo 1999, URL: http:// switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/erkki.html [29.03.2012]).

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dia‘, a new way of ‚talking back to the media‘, of engaging in a creative/destructive conversation with the activities and the products of industrial media culture.“199 Dies wiederum bringt er kunsthistorisch in Verbindung mit John Heartfields politischen Fotomontagen, dem situationistischen Détournement, Appropriation Art sowie Formen des Hacktivismus. Selbstverständlich gibt es grundsätzliche Unterschiede; all diesen Formen des Eingriffs sei aber gemein, dass sie darauf abzielen, „cracks in the facade“ sichtbar machen.200 Erkki Huhtamo vergleicht die Modifikationen, die in der Ausstellung Cracking the Maze versammelt sind, mit den britischen Scratch Videos von Videokunstgruppen wie Gorilla Tapes201, die sich in den 1980er Jahren den Videorekorder zu Nutze gemacht haben, um aufgenommene Fernsehübertragungen zu verfremden, in neue Zusammenhänge zu stellen und auf diese Weise Subtexte in medialen, politischen und ökonomischen Diskursen freizulegen (,indem sie an der Oberfläche der Bilder kratzen).202 Diese Verwandschaft der Strategie wird beispielsweise an der Compu-

199

Ebd. [29.03.2012]. Zu tactical media bemerken ursprünglich Geert Lovink und David Garcia: „Tactical media are media of crisis, criticism and opposition“ (Lovink/Garcia 1997, URL: http://subsol.c3.hu/subsol_2/contributors2/garcia-lovink text.html [30.03.2012]).

200

„The seams are left visible – instead of beating an illusion with another illusion, the aim is to make facade visible, to focus attention on the manifold for an outlet behind the ideologies of uniformity“ (Huhtamo 1999, URL: http://switch.sjsu.edu/ CrackingtheMaze/erkki.html [29.03.2012]).

201

Jon Dovey (*1955), Gavin Hodge (*1954) und Tim Morrison (*1955)

202

„The scratch video makers used the ‚repeat-edit‘ and other video tricks to turn Reagan’s and Thatcher’s media images into stuttering marionettes that acted like aliens or lunatics and said things which were the opposite of the official protocol, but close, so one suspected, to the thoughts that really crossed their minds“ (Huhtamo 1999, URL: http://switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/erkki.html [29.03.2012]). Inke Arns bemerkt: „Das Verfahren der analytischen De-Konstruktion ist seit den 1980er Jahren zu einer gängigen Technik geworden. Die Arbeit mit ‚vorgefundenen Bildern‘ – im Kontext des experimentellen Films gibt es dafür den Begriff des Found Footage – findet sich unter anderem in den Arbeiten von Gorilla Tapes (Gavin Hodge/Tim Morrison/Jon Dovey, ‚Zygosis‘, 1988), Johan Grimonprez (‚Dial H.I.S.T.O.R.Y‘, 1997), Philipp Lachenmann (‚Surrogate I (Dubai)‘, 2000), Walid Ra’ad/The Atlas Group (‚I Only Wish That I Could Weep‘, 2001) und vielen anderen. Diese seit den 1980er, vor allem aber in den 1990er Jahren entstandenen Arbeiten, zeichnen sich jedoch auch durch einen stark ‚synthetischen‘ Aspekt aus: Vorgefundene Fragmente werden in einen neuen fiktionalen Zusammenhang und neue narrative Sinngefüge gestellt und

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terspielmodifikation Los Disneys (1998) von Jay Kristopher Huddy deutlich. Das auf der Engine von Marathon Infinity (Bungie Software, 1996) basierende Spiel verlegt den Spielvollzug des Ego-Shooters in eine ins Gegenteil verkehrte Version eines Themenparks der Walt Disney Company.203 Eine weitere Parallele ist, dass sowohl die Scratch Videos als auch künstlerische Computerspielmodifikationen mit dem Zugang zu Technik zu tun haben, die den KünstlerInnen zuvor nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stand. Mit den Texten von Anne-Marie Schleiner, Laura Trippi und Erkki Huhtamo sind – trotz ihrer Kürze – wesentliche Hypothesen angerissen, die den Bereich der künstlerischen Computerspielmodifikation betreffen. Zusammenfassend lassen sich folgende implizite Thesen isolieren: • Künstlerische Computerspielmodifikation ist eine Gegenreaktion auf die Compu-

terspielindustrie und damit das Mainstream-Computerspiel. • Künstlerische Computerspielmodifikationen dringen in die Produkte der Industrie

und medialen Systeme ein und machen Verborgenes sichtbar (cultural hacks, tactical media). • Erst die Zugänglichkeit zum Material des Computerspiels ermöglicht eine künstlerische Auseinandersetzung mit demselben. • Kunsthistorische Verbindungen sind im Bereich subversiver Strategien zu suchen (wie z.B. dem Détournement oder dem Hacktivismus). • Die Hacker-Ethik der 1960er/70er Jahre und die Modifikation von Computerspielen können miteinander in Verbindung gebracht werden. Es zeigt sich, dass sich diese aufgeworfenen Thesen über künstlerische Computerspielmodifikationen im Folgenden in wiederholtem Male bestätigen lassen.

oft auch ‚gegen den Strich‘ gelesen“ (Arns 2004a, URL: http://www.medien kunstnetz.de/themen/medienkunst_im_ueberblick/gesellschaft/ [29.03.2012]). 203

Das Spiel wird zudem mit der Hintergrundgeschichte unterfüttert, dass die Walt Disney Company im Jahr 2015 den gesamten Staat Florida aufgekauft und in Los Disneys umbenannt habe. Der CEO Michael Eisner, der als Antagonist dient, droht dem Rest der Welt mit dem Bombardement durch nukleare Sprengköpfe. Vgl. die Website zur 2.0-Version des Spiels http://www.losdisneys.com [29.03.2012].

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4.2 R ELEVANTE P OSITIONEN ZU KÜNSTLERISCHER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION IN CHRONOLOGISCHER B ETRACHTUNG VON 2001-2006 Der von der Ausstellung Cracking the Maze ausgehende Überblick über relevante Positionen zu künstlerischen Computerspielmodifikationen beginnt mit dem Hinweis auf die Ausstellung Game Show in North Adams, Massachusetts. Die Ausstellung Game Show des Massachusetts Museum of Contemporary Art (MassMoCA, vom 27.05.2001-März 2002) fokussiert Spiele von KünstlerInnen und – allgemeiner gefasst – spielerische Tendenzen in der zeitgenössischen Kunst. Im Rahmen der Ausstellung wurde die künstlerische Computerspielmodifikation SOD (JODI, 1999) oder auch Natalie Bookchins (*1962) Computerspiel The Intruder (1998-99) erstmals in größere kunsthistorische Zusammenhänge gestellt.204 Laura Steward Heon macht in der Einleitung des Katalogs auf spielerische Tendenzen bei den Surrealisten aufmerksam, die mit ihrem Spiel des cadavre exquis, der Technik der Frottage und anderen Automatismen, das Unbewusste und Zufällige spielerisch zu Tage fördern gedachten. Steward Heon weist darüber hinaus auf die dominante Rolle des Schachspiels im Œuvre Marcel Duchamps hin. Eine aus der Game Show ausgelagerte Satellitenausstellung widmet sich zudem dezidiert den Spielen der Fluxuskünstler.205 Im deutschsprachigen Raum führt das Medienkunstfestival Transmediale im Jahr 2001 die Wettbewerbskategorie der Softwarekunst ein.206 In einer zweiteiligen Artikelreihe in der von Florian Rötzer herausgegebenen Online-Publikation Telepolis wird „Experimentelle Software“ von KünstlerInnen vorgestellt.207 Der Autor der Reihe, der Medienwissenschaftler Tilman Baumgärtel, identifiziert (am Beispiel

204

Folgende Arbeiten wurden gezeigt, die mit Computerspielen in Verbindung stehen: The Intruder, 1998-99 (Natalie Bookchin), SOD, 1999 (JODI), Pencil Whipped, 2000 (Lonnie Flickinger), Jackpot, 1996 (Maciej Wisniewski), Trigger Happy, 1998 (Thompson & Craighead). Diese Arbeiten bildeten die digitale Sektion der Ausstellung und sind von Mark Tribe und Alexander Galloway ausgewählt worden. Vgl. Tribe, Mark/Galloway 2001. In ihrem Essay gehen Tribe und Galloway auch auf Schleiners Cracking the Maze ein.

205

Vgl. Steward Heon 2001. Zu den Spielen der Fluxus-Künstler vgl. Conzen et al.1997.

206

Vgl. Cramer/Gabriel 2001. Vgl. auch Arns 2004, URL: http:/www.medienkunst netz.de/themen/generative_tools/software_art/ [30.03.2012].

207

Vgl. Baumgärtel 2001, URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/9/9908/1.html [30.03. 2012] sowie Baumgärtel 2001a, URL: http://www.heise.de/tp/artikel/11/11107/1. html [30.03.2012].

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von JODI) die Abstraktion der audiovisuellen Oberflächen der Spiele als Strategie ihre apparative, codierte und mediale Bedingtheit sichtbar werden zu lassen. Künstlerische Computerspielmodifikationen setzt er von den Mods der Communities qualitativ dahin gehend ab, dass sich die KünstlerInnen im Gegensatz zu den Fans gegen den Realismus der Spiele richten.208 Baumgärtel bezieht sich ferner auf AnneMarie Schleiner und bekräftigt ihre These des cultural hacking.209 Den gesamten Bereich der experimentellen Software bringt Baumgärtel mit der Konzeptkunst Sol LeWitts der 1960er Jahre in Verbindung, indem er beobachtet, dass in den Computerprogrammen von den KünstlerInnen gestaltete Handlungsanweisungen verborgen liegen, die von Apparaten ausgeführt werden (vgl. dazu auch die Arbeit QQQ in Kap. 8.2).210 Einem breiteren Publikum wird das Phänomen der künstlerischen Computerspielmodifikation durch einen Artikel im Feuilleton der Wochenzeitung Die Zeit bekannt, den Baumgärtel 2002 veröffentlicht und in dem er insbesondere die Abstraktion der Bild- und Spielwelten als Gegenstrategie zu dem Hyperrealismus des Mainstream-Computerspiels identifiziert.211 Im Jahr 2002 kommt auch erstmals ein internationales Publikum mit künstlerischen Computerspielmodifikationen in Berührung. Der chinesische Künstler Feng Mengbo (*1966) stellt seine Arbeit Q4U (2000/02) auf der Documenta11 aus.212 In

208

„Während sich die meisten der sogenannten ‚custom levels‘ bemühen, den Realismus der Vorbilder zu imitieren, versuchen die Künstlerversionen freilich, sich von ihren Vorlagen so weit wie möglich zu entfernen und ihnen ihren ‚Naturalismus‘ auszutreiben“ (Baumgärtel 2001a, URL: http://www.heise.de/tp/artikel/11/11107/1.html [30.03.2012]).

209

„Die Computerspiele von Künstlern sind daher vor allem eine Methode, um ins Innerste eines kulturellen Systems vorzudringen, und dieses gegen seine Intention und gegen die ihm eingeschriebene Nutzungslogik zu wenden“ (ebd. [30.03.2012]).

210

„‚The idea becomes the machine that makes the art‘, hat Sol LeWitt 1967 in einem berühmt gewordenen Manifest der Konzeptkunst dekretiert. In den Computerprogrammen von Künstlern der Gegenwart ist diese Vorstellung zu einem radikaleren Ende getrieben worden, als die Generation der frühen Konzeptkünstler mit ihren Handlungsanweisungen und ihren Konzepten (die im Fall von LeWitt längst wieder zu dekorativen Wandmalereien geworden sind) es je zu träumen gewagt hätten. Die Software-Projekte der letzten Jahre führen – im Wortsinn – Dinge aus, die Künstler vor mehr als zwanzig Jahren mit der Schreibmaschine niedergeschrieben hätten [...]“ (ebd. [30.03.2012]).

211

Vgl. Baumgärtel 2002, URL: http://www.zeit.de/2002/16/Alle_Nazis_werden_Drei ecke [27.05.2011].

212

Vgl. Fietzek et al. 2002, S. 560 sowie Enwezor 2002, S. 74f. Zum Gewaltaspekt in Q4U vgl. Buchhart 2005.

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der auf Quake III Arena (id Software, 1998) basierenden Arbeit sind alle Spielfiguren durch Avatare ersetzt, die Selbstbildnisse des Künstlers darstellen. Ein Kapitel in Christiane Pauls Überblickswerk Digital Art (2003) nimmt daraufhin u.a. Bezug auf Feng Mengbos Werk Q4U und weist „Gaming“ als eigenständiges Thema in digitaler Kunst aus; z.B. neben anderen Themen wie Künstliche Intelligenz, Datenbanken oder Telepräsenz.213 Paul identifiziert die Computerspielindustrie zunächst als wichtige Triebfeder der Digitalisierung. Sie bezeichnet Computerspiele generell als Vorläufer und Gegenstücke von digitaler Kunst. In kurzen Beschreibungen (u.a. von Q4U und SOD) erkennt Paul Strategien der Aneignung, Abstraktion und Dekonstruktion sowie die Herstellung von Dysfunktionalitäen und Inkohärenzen als bestimmende Ansätze. In einer kurzen Besprechung der Arbeit Velvet-Strike (Anne-Marie Schleiner, Joan Leandre und Brody Condon, 2002; vgl. Anm. 621) klingt die These von Computerspielmodifikationen als tactical media erneut an, die die KünstlerInnen ermächtigen, im medialen System kritisch ‚zurückzusprechen‘.214 Vom 11. Oktober bis zum 30. November 2003 findet in Dortmund die Ausstellung Games – Computerspiele von KünstlerInnen statt.215 Der Medienwissenschaftler Tilman Baumgärtel versammelt in der Form einer Überblicksausstellung Kunstwerke, die sich mit dem Medium des Computerspiels auseinandersetzen. Der Fokus liegt auf künstlerischen Computerspielmodifikationen, es werden aber auch Machinima, Videoarbeiten, Fotografien und Installationen gezeigt und auf diese Weise der gesamte Bereich der Kunst mit Computerspielen abgebildet.216 Im zur Ausstellung erschienenen Katalog werden in Essays von Tilman Baumgärtel, Gerrit

213

Paul 2003, S. 196-203.

214

Ähnliche Thesen der Demokratisierung und Ermächtigung wie Erkki Huhtamo formuliert auch Tiffany Holmes, die das Thema der Art Games 2002 und 2003 auf Konferenzen in Finland und Melbourne präsentiert. Vgl. Holmes 2002, URL: http://www.crudeoils.us/artwrite/August2002/Holmes.htm [30.03.2012] sowie Holmes 2003, URL: http://hypertext.rmit.edu.au/dac/papers/Holmes.pdf [30.03.2012].

215

Vgl. Baumgärtel 2003a.

216

Zu der Ausstellung gibt es zusätzlich eine Vortrags- und Filmreihe mit Vorträgen von Serjoscha Wiemer, Karin Bruns, Joan Leandre, Andreas Lange, Krystian Woznicki und Francis Hunger. Die Filmreihe fokussiert Machinima und die Vorträge umreissen die Schnittmengen zwischen den Medien Film und Computerspiel. Zentral wird schon hier das besondere Verhältnis, das das Computerspiel zur Perspektivkonstruktion einnimmt. Der Computer wird in diesem Zusammenhang nicht nur als bildgebendes Verfahren, sondern auch als raumerzeugende Sehapparatur konzeptualisiert. Die Videomitschnitte der Vorträge sind teilweise dokumentiert unter der URL: http://netzspannung.org/media-art/exhibitions/games/ [31.03.2012].

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Gohlke, Claus Pias und Anne-Marie Schleiner wesentliche Thesen erstmals im deutschsprachigen Raum vertreten, die im Folgenden nachvollzogen werden: In Baumgärtels einleitendem Text bemerkt er, dass sich KünstlerInnen den Games unter formalästhetischen und medialen Gesichtspunkten genähert haben und sie zudem als soziales Phänomen betrachten.217 Zudem legitimiert er die künstlerische und kuratorische Auseinandersetzung mit Computerspielen über die gesellschaftliche Relevanz des Mediums. Gerrit Gohlke wiederholt in seinem Aufsatz die These, dass Kunst mit Computerspielen als Gegenentwurf zu kommerziellen Mainstream-Computerspielen zu verstehen ist.218 Er charakterisiert die Games-Industrie als Geschäftsfeld mit Umsätzen im Milliardenbereich, das sowohl ökonomisch als auch inhaltlich besonders mit der amerikanischen Film- und Fernsehindustrie Hand in Hand geht. Ein kritischer Kunstbegriff ist dort nicht entwickelt. Die Kunst im Allgemeinen kann dieser Industrie bedingt durch fehlende ökonomische Strukturen keine nennenswerten Alternativen und Impulse entgegensetzen. Während das unabhängige Autorenkino das Hollywood-Kino strukturell im Kleinen spiegelt aber andere Zielgruppen und Vertriebswege als Hollywood fokussiert, gibt es eine ähnliche unabhängige Spieleindustrie im Jahr 2003 nicht.219 Hinzu kommt, dass die KünstlerInnen von den höchst professionalisierten, arbeitsteiligen technischen Prozessen ausgeschlossen sind, die nötig sind, um ein eigenes Computerspiel herzustellen, das mit einem MainstreamGame vergleichbar wäre und insbesondere mit ihrem Streben nach ‚realistischer‘ Repräsentation konkurrieren könnte (zum Paradigma des Hyperrealismus im Computerspiel vgl. Kap. 6.2.4). Die KünstlerInnen haben keinen Zugang zu dem Material. Dies bedeutet, dass die KünstlerInnen andere (parasitäre) Zugänge zu dem Material und dem Mediensystem entwickeln – nämlich künstlerische Computerspiel-

217

Ein Beispiel für eine künstlerische Auseinandersetzung mit Computerspielen als sozialem Phänomen ist die Foto- und Videoserie Shooter (2000-2001) von Beate Geissler (*1970) und Oliver Sann (*1968). Sie besteht aus Portraits, die während des Spielens mit einem Computerspiel entstanden sind. In den Gesichtern ist die Wirkmacht des Mediums deutlich abzulesen. Vgl. Baumgärtel 2003a, S. 62f.

218

Vgl. Gohlke 2003, S. 18-26

219

Hier ist anzumerken, dass sich in jüngster Zeit eine auch ökonomisch bedeutsame Independent Games-Szene entwickelt hat, die Alternativen zu MainstreamComputerspielen bereit hält. Als Beispiele – auch für finanziell erfolgreiche Alternativtitel sei auf Markus Perssons Minecraft (ab 2009) sowie The Journey (Jenova Chen, thatgamecompany, 2012) verwiesen. Die Indie Games verfügen heute über eigene Festivals (z.B. A MAZE. in Berlin), Infastrukturen, finanzielle Mittel usw. Um die Jahrtausendwende verhält sich dies anders: Das Independent Games Festival wird beispielsweise erst 1999 gegründet.

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modifikationen.220 So eignen sich die KünstlerInnen das Modding der Communities an und arbeiten innerhalb der Spielsysteme selbst.221 Diesen Ansatz, „sich dem Phänomen Computerspiel innerhalb seines Mediums zu nähern“, es gewissermaßen von innen heraus zu fragmentieren und schließlich zu verwandeln, bezeichnet Gohlke als „methodische Revolution in der Medienkunst“.222 Eine inhaltliche Herausforderung für dieses „Genre in Gründung“223 sieht Golhke darin, dass die Kunst mit Computerspielen Gefahr laufe, in bloßer – technisch geprägter – Selbstreflexivität aufzugehen, anstatt „die soziale Realität“ der Mainstream-Games wirkungsvoll zu dekonstruieren.224 Claus Pias weist in seinem Text auf die Verbindung hin, die künstlerische Computerspielmodifikationen mit den ersten Computerspielen überhaupt haben.225 Diese Verbindung besteht in der Rolle der Zweckentfremdung vorgefundener Strukturen; denn während die KünstlerInnen in den 1990er Jahren beginnen, die Funktionen und audiovisuellen Oberflächen der Games zu modifizieren, ist das Computerspiel selbst aus einer Zweckentfremdung des Computers entstanden: „Denn so, wie heute vielleicht vorüberziehende Wolken oder ASCII-Landschaften, [...] oder abstrakt-geometrische Formen etwas mit den Spielen machen, was nicht Sinn des Spiels ist, machten Grafik und Sound, Joysticks und Fernseher einst etwas mit Computern, was nicht Sinn von Computern war.“226 Durch Spiele wie Spacewar! (1962) haben sich die ersten Hacker die Technik des Computers angeeignet. Solcherlei Prozesse von Appropriation und Ermächtigung lassen sich in künstlerischen Computerspielmodifikationen wiederfinden. Die Offenheit der ersten Spiele

220

„Im deutlichen Unterschied zur klassischen Netzkunst in den 1990er Jahren, als die Künstler technisch auf Markthöhe waren und die enthusiastische Industrie von ihnen neue Inhalte für ihre Webportale erwartete, steht die Computerspielkunst einem bereits ausgereiften Unterhaltungsmarkt gegenüber, der sich zwar noch aus seiner subkulturellen Herkunft definiert, dessen Publikum aber noch nie nach künstlerischer Medienkritik verlangt hat. [...] Sie [Kunst mit Computerspielen] wird auf absehbare Zeit ein pures Kunstphänomen als Derivat eines Unterhaltungsprodukts sein, und das prägt ihre Methode und Gestalt“ (Gohlke 2003, S. 20f.).

221

„Die Aus- und Umschmückung bestehender Spiele war schon vor dem Aufkommen der Computerspielkunst Bestandteil der Computerspielfolklore und es lag für die KünstlerInnen nahe, mit diesen Mitteln die ‚kulturellen Standards‘ der Spielewelt zu attackieren“ (ebd., S. 22).

222

Ebd., S. 21 und 23.

223

Ebd., S. 24.

224

Ebd.

225

Vgl. Pias 2003.

226

Vgl. ebd., S. 26.

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wird im Zuge der Kommerzialisierung des Mediums verschlossen (teils ist dies buchstäblich gemeint: der Quellcode von Spacewar! zirkulierte prinzipiell für jeden zugänglich an den Universitäten der USA, während insbesondere Konsolenspiele wie Super Mario Bros. in mit Spezialschrauben versiegelten Plastikhüllen ausgeliefert werden. Vgl. Zur Rolle proprietärer Software Kap. 9.1.4 und 9.2.1). Diesem Verschließen setzen KünstlerInnen mittels künstlerischer Computerspielmodifikation und „künstlerischen Strategien der Aneignung“ eine erneute Öffnung entgegen.227 Diese Strategien stehen in der Tradition der Appropriation Art, die wiederum auf Strategien wie das Détournement oder Brecht’sche Verfremdungen rekurrierten, und die sich gegen eine – so Pias – „vampiristische ‚Kulturindustrie‘“ richtet.228 Schließlich ist Anne-Marie Schleiners Text zu nennen, in dem sie ein feministisch geprägtes Plädoyer für Computerspielmodifikation entwirft.229 Sie richtet sich darin dezidiert gegen Konsolenspiele, da diese nicht so leicht zu modifizieren sind wie PC-Spiele. Sie listet Möglichkeiten der Ermächtigung auf und zeigt, wie Mädchen und Frauen von Modding profitieren können. Der eher aus praktischer Sicht formulierte Text positioniert sich gegen das (männlich dominierte) Mediensystem des Mainstream-Computerspiels. Nachdem das Phänomen der künstlerischen Auseinandersetzung mit Computerspielen durch Ausstellungspraxis international bekannt geworden ist, setzen ab 2003 Versuche ein, das Phänomen in systematischer Weise zu betrachten. Die australische Kuratorin Rebecca Cannon, die mit dem Künstler Julian Oliver die Website selectparks.net – ein erstes Archiv für Game Art – gegründet hat230, stellt eine

227

Vgl. ebd., S. 29. Pias verfolgt diese These später auch in Pias 2005a.

228

Vgl. Pias 2003, S. 30.

229

Vgl. Schleiner 2003.

230

Vgl. die Website unter der URL: http://www.selectparks.net. [27.05.2011; bei einer erneuten Überprüfung am 19.08.2012 war die Seite offline.]. Mit selectparks setzt eine erste Institutionalisierung von Kunst mit Computerspielen ein. Auf der Website selectparks.net ‚sammeln‘ Cannon sowie der neuseeländische Medienkünstler Julian Oliver Kunstwerke aus dem Bereich Kunst mit Computerspielen und stellen sie, falls möglich, zum Download bereit. Wann genau die Website online ging, ist nicht mehr genau nachzuvollziehen. In einem Vortrag von Rebecca Cannon, den sie auf dem Playthings Symposium vom 10.-12. Oktober 2003 hält, heißt es: „The archive is over two years old and has over eighty artworks in it“ (Cannon 2003, URL: http://www. dlux.org.au/plaything/media/rebecca_cannon_web.pdf [03.05.2012]). Schon bevor das Archiv im WWW aufgebaut wird, gründet sich Selectparks als künstlerisches Team und Medienkunstlabor. Julian Oliver gibt auf seiner Website das Jahr 1998 als Gründung an: „Select parks was an online archive of divergent and artistic game-

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grobe Einteilung des Feldes in Kategorien auf einem Symposium an der Universität in Sydney vor. Cannons Introduction to game modification ist ein Entwurf zur Einteilung von „Game Art Genres“.231 Als nützlich zur Beschreibung von Kunst mit Computerspielen erweisen sich Einteilungen in interaktive und nicht-interaktive

development practices. it was established in 1998 and since evolved into a weblog and resource center for students, artists, historians and researchers. It was finally retired in 2008 and remains as an archive“ (Website von Julian Oliver, URL: http://julianoliver.com/ [31.03.2012]). Der erste Eintrag im RSS-Feed der Seite in ihrer aktuellen Fassung ist vom 10. Oktober 2005. Die Website liegt heute brach. Der letzte Eintrag im RSS-Feed der Seite ist vom 30. Juni 2008 und stammt von Julian Oliver. 231

Die Australierin Rebecca Cannon versucht sich an einer Kategorienbildung von Kunst mit Computerspielen, die aber skizzenhaft bleibt. Sie teilt das Feld auf der nicht-interaktiven Seite in Machinima, abstrakte Animationen und KonsolenModifikationen. Cannons Trennung von „Machinima“ und „Abstract/ed Animations“ ist inhaltlich-qualitativer und nicht technischer Art. Mit abstrakten, nicht-interaktiven Animationen meint sie ebenfalls Machinima. Die Abgrenzung begründet sie aber damit, dass die hier gemeinten Arbeiten nicht narrativer Natur sein können: „Although they use similar techniques to machinima, they are not usually referred to as machinima because of the lack of narrative.“ Die dritte Kategorie nicht-interaktiver Modifikationen wird von Cannon als „Console mods“ bezeichnet. Als einziges Beispiel nennt sie Cory Arcangels Arbeit Video Ravings aus dem Jahr 2002. Die interaktive Seite bilden abstrahierte Spiele, ortsgebundene Installationen, Performances innerhalb von Games und interaktive Konsolen-Modifikationen. Eine letzte Kategorie wird von Games gebildet, die als (Musik-)Instrumente für Performances verwendet werden, um – von den KünstlerInnen gesteuert – Bilder und Töne zu erzeugen. Diese Kategorien können nur als grobe Einteilung des Feldes gewertet werden, da sich Technik, Inhalt, Funktionen etc. vermischen: So kann z.B. eine interaktive, abstrakte Modifikation gleichzeitig auch die Funktion eines (Musik-)Instruments während einer Performance erhalten. Vgl. Cannon 2003, URL: http://www.dlux.org. au/plaything/media/rebecca_cannon_web.pdf [31.03.2012]. Cannons Einteilung – trotz ihrer Skizzenhaftigkeit – prägt noch heute den Diskurs um Kunst mit Computerspielen, da sich Cannons Einteilung im Wikipedia-Artikel zu dem Thema Video Game Art nahezu im Wortlaut wiederfindet. Der Artikel wurde am 05. Februar 2004 von einem User mit der IP 150.101.150.206 angelegt. Ein interessantes Detail: die IP 150.101.150.206 deutet auf einen Standort in Australien. Vgl. die URL: http://en. wikipedia.org/wiki/Video_game_art [28.08.2012].

116 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

Werke (vgl. z.B. SOD vs. Super Mario Clouds in dieser Arbeit).232 Ferner lässt sich aus Cannons skizzenhaften Ausführungen eine nützliche Unterscheidung von gegenständlichen und ungegenständlichen Arbeiten ableiten (vgl. Arsdoom vs. SOD in dieser Arbeit).233 Drittens ist Cannons implizite Beobachtung hervorzuheben, dass es insbesondere technische Unterschiede in der Art des Ausgangsmaterials gibt (Computerspiel vs. Konsolenspiel; vgl. QQQ vs. Super Mario Clouds in dieser Arbeit.). Nach der Ausstellung Games – im Jahr 2004 – umreisst Tilman Baumgärtel die künstlerische Auseinandersetzung mit Computerspielen in einem Aufsatz für das Internetprojekt Medien Kunst Netz und äußert sich exemplarisch „Zu einigen Themen künstlerischer Computerspiele“.234 In dem Text weist Baumgärtel auf die zentrale kunsthistorische Rolle des Computerspiels Doom (id Software, 1993) hin (vgl. Kap. 7.1). Durch die Öffnung der Software von Seiten der Urheber John Romero und John Carmack, die ihr Programm teilweise als Shareware im Internet vertrieben und 1997 schließlich den Source Code vollständig veröffentlichten, hat sich der künstlerische Zugang zu dem neuen Material des Computerspiels ergeben. Baumgärtels Text enthält ferner kurze Beschreibungen einschlägiger Kunstwerke (z.B. SOD, QQQ, Super Mario Clouds). Baumgärtel teilt die Arbeiten in drei Kategorien ein: Abstraktion, Modifikation und Sozialisation, wobei sich insbesondere Abstraktion und Modifikation überschneiden (vgl. zu der in dieser Arbeit getroffenen Unterscheidung von Rezeption sowie Modifikation/Produktion Kap. 1.2). Unter Modifikationen fasst Baumgärtel Eingriffe in die Software der Spiele, wie z.B. SOD. Unter Abstraktion fasst er Werke, die formalästhetisch an abstrakte Malerei erinnern, wie z.B. JODIs Jet Set Willy Variations ©1984 (2002). Jet Set Willy Variations ©1984 ist aber im selben Maße eine Modifikation wie SOD abstrakt ist. Schließlich verlässt er mit den Beispielen der Sozialisation den engen Bereich des Computerspiels und nimmt auch Arbeiten in anderen Gattungen in den Blick, die auf Computerspiele bezogen sind, wie Beate Geisslers und Oliver Sanns Foto- und Videoserie Shooter (vgl. Anm. 217), die Portraits von Computerspielern zeigt.

232

Auf ähnliche Weise unterscheidet Aldo Tolino im Hinblick auf Katharina-Maria Behr zwischen „pro-gaming-content“ (Mods, die man spielen kann) und „ex-gamecontent“ (Gamics und Machinima, die mit Spielen hergestellt, aber nicht (mehr) interaktiv sind. Vgl. Tolino 2010, S. 316.

233

Cannon spricht z.B. von nicht-interaktiven „Abstract/ed Animations“ und „Abstract/ed Interactives“. Vgl. Cannon 2003, URL: http://www.dlux.org.au/plaything/ media/rebecca_cannon_web.pdf [31.03.2012].

234

Baumgärtel 2003b, URL: http://www.medienkunstnetz.de/themen/generative_tools/ game_art/scroll/ [03.05.2012].

F ORSCHUNGSÜBERBLICK ZU KÜNSTLERISCHER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION

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Aus einer dem Game Design verpflichteten Perspektive widmen Katie Salen und Eric Zimmerman der (künstlerischen) Computerspielmodifikation ein Kapitel in ihrem Standardwerk des Game Design, Rules of Play.235 Darin konzeptualisieren sie den Bereich als Widerstand gegen das Design herkömmlicher Computerspiele und ihre konventionellen kulturellen Kontexte – als „games of cultural resistance“. Damit meinen sie – weniger politisch als es zunächst klingt – Interventionen, die am Design der Games ansetzen und damit die Grenzen des Magic Circle ins Bewusstsein bringen.236 Die Autoren rekurrieren auf ihre Definition des play als freie Bewegung innerhalb einer festen Struktur (vgl. Kap. 2.2.3.2).237 Den Widerstand charakterisieren sie als freies Spiel innerhalb der Strukturen der Games, das Reibung an den Strukturen erzeugt und diese Strukturen so verändern kann. Computerspielmodifikationen können demnach im Sinne Salen und Zimmermans transformativ sein, da sie durch das play das game verändern. Salen und Zimmerman identifizieren drei unterschiedliche Strategien, mit denen Reibung an den Grenzen der Spiele erzeugt werden kann. Diese sind Strategien der Abänderung, Nebeneinanderstellung und Neuerfindung.238 Alle drei Strategien stehen in enger Verbindung zueinander und überlagern sich teilweise. Strategien der Abänderung verändern das Aussehen und die Interaktion der Games. Als Beispiele dafür nennen sie u.a. SOD und den SimCopter Hack der Gruppe ®™ark (1996) (vgl. Anm. 195). Strategien der Nebeneinanderstellung erzeugen Reibung an den Strukturen der Games, indem sie kontrastierende Elemente miteinander kombinieren und dadurch Erwartungshaltungen unterlaufen. Beispiele dafür sind Texturen für nicht vorgesehene weibliche Avatare oder auch die Mod Los Disneys, die das brutale Geschehen eines Ego-Shoters in eine dystopische Version der Disneyworld verlegt. Strategien der Neuerfindung setzen an einer tieferen Ebene der Spiele an und verändern ihre Strukturen von innen heraus. Dies lässt sich nicht klar von Strategien der Abänderung und Nebeneinanderstellung trennen. Was Salen und Zimmerman aber unter Strategien der Neuerfindung vorschwebt, ist nicht ein Beugen der Strukturen der Spiele, sondern eher das Aufstellen neuer Regeln. Als Beispiel nennen sie – neben der Total Conversion Counter-Strike – interessanterweise kein

235

Salen/Zimmerman 2004a.

236

The chapter „Games as cultural resistance highlights design interventions that call specific attention to the borders of the magic circle through acts of creative resistance“ (Salen/Zimmerman 2004a, S. 558).

237

„Play is free movement within a more rigid structure“ (ebd., S. 304).

238

„Strategies of alteration make changes to existing game structures. Strategies of juxtaposition combine unexpected elements within a game space. Strategies of reinvention rework entire game structures on deeper levels“ (ebd., S. 560).

118 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

digitales Spiel, sondern das Video Universal Square (1997) des israelischen Künstlers Uri Tzaig (*1965).239 Bei Universal Square handelt es sich um die Videodokumentation eines tatsächlich stattgefundenen Fußballspiels. Der Künstler Tzaig ließ zwei Fußballmannschaften gegeneinander antreten. Die eine Mannschaft bestand aus jüdischen, die andere Mannschaft aus muslimischen Israelis. Während die grundsätzlichen Regeln des Fußballspiels wirksam blieben, bestand die von Tzaig vorgenommene Modifikation darin, einen zweiten Ball ins Spiel zu lassen. So wurde das regelgerichtete Spiel (ludus) von der Rivalität des Agôn hin zu einem freien Spiel (paidia) verlagert, währenddessen die Teilnehmer gezwungen waren, mit der ungewohnten Situation umzugehen und sich spontan neue Regeln auszudenken und sich an diesen anzupassen. Die Modifikation hat die Strukturen des game also vollständig verändert. Wichtige Publikationen, die das Thema der Kunst mit Computerspielen, auch in traditionellen kunsthistorischen Kreisen bekannt machen, erscheinen im Jahr 2005. Es werden zwei Bände des Kunstforum International240 veröffentlicht, die eine eigene Kunstgeschichte des Spiels zur Kenntnis nehmen. Die beiden von Dieter Buchhart und Mathias Fuchs herausgegebenen Bände entwickeln daraus eine aktuelle Bewertung des Verhältnisses von Kunst und Spiel, die in erheblichem Maße Kunst mit Computerspielen integriert, aber sich nicht ausschließlich darauf beschränkt; denn „oft wird dabei übersehen, dass die künstlerische Beschäftigung mit Spielen nicht mit dem digitalen Zeitalter begann.“241 Insbesondere im zweiten Band werden in der Form von Essays Themen wie Klang in Computerspielen242, Pervasive Games243 und die Reflexion von Gewalt in der Kunst mit Computerspielen244 angeschnitten und durch monografisch orientierte Beiträge – etwa über Natalie Bookchin (*1962)245 oder die Kölner Gruppe fur246 – ergänzt. Im zweiten Band wiederholt Erkki Huhtamo die These über künstlerische Computerspielmodifikationen, dass diese als taktische Medien die User zum „Zurücksprechen“ ermächtigen.247

239

Vgl. Joly et al., S. 228.

240

Vgl. Buchhart/Fuchs 2005 und Buchhart/Fuchs 2005a.

241

Buchhart/Fuchs 2005 S. 36.

242

Vgl. Farshy 2005.

243

Vgl. Jahrmann 2005.

244

Vgl. Buchhart 2005.

245

Vgl. Fuchs 2005.

246

Vgl. Kirschner et al. 2005.

247

Huhtamo 2005a.

F ORSCHUNGSÜBERBLICK ZU KÜNSTLERISCHER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION

| 119

Celia Pearce analysiert 2006 künstlerische Computerspielmodifikationen in einem größeren kunsthistorischen Zusammenhang.248 Pearce gelingt es, die Verbindung zwischen Mods und Spielen zu Fluxus herzustellen. Sie stellt Gemeinsamkeiten heraus zwischen spielerischen Strategien des Fluxus und digitaler Kunst, die Computerspiele als Material verwendet. Fluxus-Künstler um George Maciunas (*1931†1978) haben nicht nur eigene Spiele erfunden, die teilweise absurde und paradoxe Spielregeln haben und unmöglich zu spielen sind,249 sondern sie haben auch in vorgefundene, bestehende Spiele eingegriffen und diese modifiziert. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf Takako Saito (*1929) und Yoko Ono (*1933) zu verweisen. Saito hat in den 1960er Jahren modifizierte Schachspiele hergestellt, die in George Maciunas’ Fluxshop in der Canal Street in SoHo, New York und später durch das Fluxus Mail-Order Warehouse verkauft worden sind.250 Darunter finden sich Schachspiele, die anstatt mit Schachfiguren mit Gewürzen oder kleinen Fläschchen gespielt werden. Ein weiteres Beispiel sind Yoko Onos weiße Schachspiele (Play it by Trust / White Chess Set, ab 1966), die das Spielen und das Ziel des Spiels durch das elegante Aufheben des inhärenten Konflikts ad absurdum führen und gleichzeitig als Antikriegsmetapher und politisches Statement fungieren können.251 Celia Pearce spricht hier von einer Kategorie der Modifikation, die in sich paradoxe Artefakte hervorbringt – nämlich unspielbare Spiele. Zu dieser Kategorie gehört tendenziell auch George Maciunas‘ Flux Ping Pong (1976).252 Es handelt sich dabei um eine präparierte Tischtennisplatte, deren eine Hälfte in einem Winkel angeordnet ist, der das unvorhersehbare Wegspringen des Balles begünstigt, und

248

Vgl. Pearce 2006.

249

Für einen Überblick über künstlerische Spiele des Fluxus vgl. Conzen et al. 1997.

250

„Examples such as Grinder Chess, featuring red and blue grinder bits placed in an 8x8 grid of peg holes within a wooden box, and Jewel Chess, jewels in clear plastic boxes, are beautifully conceived design variations on the classic board game. [...] Liquid Chess (aka ‚Smell Chess‘), consisted of viles of liquid to be identified by smell; Sound Chess or Weight Chess, featured in the collective work ‚Flux Cabinet‘, consisted of opaque white plastic boxes containing items to be identified by weight or sound when shaking. Spice Chess (aka ‚Smell Chess‘) appeared in several different iterations and featured corked tubes filled with spices in a rack“ (Pearce 2006, S. 80).

251

„An exceptionally notable chess mod was Yoko Ono’s White Chess Set (1971), in which the opponents’ pieces, all white, sit on each side of an all-white board, making the warring factions indistinguishable from one another. This elegantly placed antiwar statement, particularly taken in the context of the Vietnam War, can be seen as culturally analogous to Velvet-Strike’s post-9/11 ‚Give Online Peace a Chance‘ theme“ (ebd., S. 80).

252

Vgl. Bätzner 2005, S. 82.

120 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

deren andere Häfte eine beinahe die gesamte Fläche einnehmende runde Öffnung aufweist. Zu dieser Modifikation passende Schläger sind ebenfalls durchlöchert. Hier wird das Spiel zwar nicht gänzlich unspielbar – es ist mit ausreichender Übung durchaus zu meistern –, vielmehr werden Hindernisse aufgestellt, die einem normativen Spielvollzug entgegenstehen und diesen durch Verfremdung verhindern können. Eine italienische Publikation aus dem Jahr 2006 gibt wichtige Impulse für eine systematische Aufbereitung von Kunst mit Computerspielen. Insgesamt 31 KünstlerInnen bzw. Künstlergruppen werden in Gamescenes versammelt und ihr Werk wird vorgestellt (Orhan Kipcaks und Reinhard Urbans Arsdoom ist hier nicht vertreten).253 In einem einführenden Text definiert Matteo Bittanti den Begriff der Game Art und grenzt ihn von anderen Begriffen – etwa von künstlerischen Spielen Art Games – ab (vgl. Kap. 1.2).254 Domenico Quaranta verweist in einem Überblick über Kunst mit Computerspielen auf Ziele, die KünstlerInnen mit der Modifikation verfolgen können. Er bemerkt, dass die KünstlerInnen eine Tendenz haben, sich das Interface und die Steuerungsmechanismen der Spiele anzueignen. Sie protestieren gegen die von den Games transportierte Ideologie z.B. im Hinblick auf Gender- und Gewaltaspekte. Die KünstlerInnen streben danach, die Strukturen und Konventionen offen zu legen, auf denen kommerzielle Computerspiele aufbauen.255 Besonders deutlich wird dies an der Dichotomie von Gegenständlichkeit und Ungegenständlichkeit: Dem angestrebten filmisch geprägten Fotorealismus der Games setzen KünstlerInnen Abstraktion entgegen. Als realistisch empfundene Computerspielbilder stehen in deutlichem Kontrast zu ihrer digitalen und mathematischen Natur.256 An dieser Bruchstelle anzusetzen, kann eine wirksame künstlerische Strategie sein.

253

Vgl. Bittanti/Quaranta 2006.

254

Vgl. Bittanti 2006.

255

Mit Verweis auf Lev Manovich stellt Quaranta folgende Ziele heraus: „Artistic modifications or patches may have a range of different aims: to personalize the interface of the game, integrating it with other sense systems; to protest against its ideology; or to deconstruct its interface, revealing the structure and conventions it is based on, and so on. In all of these cases what the artist does is work with the game’s algorithms – as Manovich intends it, not the code as such, but the deep cultural structure of the software“ (Quaranta 2006a, S. 303).

256

„The videogames industry has stimulated research into the creation of interfaces as photorealistic as possible, and the construction of 3D, navigable spaces which evolve and change, apparently naturally, in real time. It has also guided the transfer of film into the computer world, which according to Manovich has led to the former being its main ‚cultural interface‘“ (ebd., S. 299). Die paradoxe Bildlichkeit des Computers-

F ORSCHUNGSÜBERBLICK ZU KÜNSTLERISCHER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION

4.3 K ONZEPTUALISIERUNGEN MIT C OMPUTERSPIELEN

VON

| 121

K UNST

4.3.1 Countergaming: Kanon künstlerischer Strategien Eine für die vorliegende Arbeit wichtige theoretische Position vertritt Alexander Galloway in seinem Band Gaming von 2006. Im darin enthaltenen Aufsatz Countergaming entwirft Galloway einen Kanon an künstlerischen Strategien, mit denen die KünstlerInnen auf das Material des Computerspiels reagieren.257 Die Hauptthese Galloways ist, dass sich künstlerische Computerspielmodifikationen gegen das etablierte Mainstream-Computerspiel richten – so wie die Filme der Nouvelle Vague eine Abkehr und einen Kommentar zum Hollywood-Film darstellen. Galloway spricht von einer künstlerischen Avantgarde, die er als Countergaming bezeichnet und als deren Hauptvertreter er JODI, Anne-Marie Schleiner, Brody Condon, Joan Leandre, Cory Arcangel sowie Tom Betts ausmacht.258 Galloway entlehnt den Begriff des Countergaming und die dahinter stehende Programmatik von Peter Wollen und dessen Auseinandersetzung über Jean-Luc Godard und dessen Abkehr vom dominanten Hollwood-Film. In seinem Konzept des Counter Cinema beschreibt Wollen Godards Filmsprache als Kontrapunkt zur Ästhetik Hollywoods und der großen Studios.259 Dabei entwickelt er sieben programmatische Punkte für eine filmische Avantgarde, die Galloway auf das Computerspiel überträgt und entsprechend modifiziert. So werden die Mechanismen des Avantgardefilms der französischen Nouvelle Vague den künstlerischen Computerspielmodifikationen angepasst. In Bezug auf Kap. 6 in der vorliegenden Arbeit wird deutlich, dass alle isolierten Punkte mit dem Begriffspaar von Transparenz und Opazität korrespondieren. Dies macht Galloways Ausführungen zu einem wertvollen theoretischen Konzept, das mit der in dieser Arbeit vertretenen Position in Verbindung zu bringen ist. Im Einzelnen lauten die sechs Dichotomien im Zitat: „1. Transparency versus foregrounding. (Removing the apparatus from the image versus pure interplay of graphics apparatus or code displayed without representational imagery.)

zeitalters beschreibt Lev Manovich wie folgt: „[...] the visual culture of a computer age is cinematographic in its appearance, digital on the level of its material, and computational (i.e., software driven) in its logic“ (Manovich 2001, S. 165). Vgl. zu diesen Aspekten auch Kap. 6.2.4. 257

Galloway 2006c, S. 108.

258

Vgl. ebd., S. 109.

259

Vgl. Wollen 1982.

122 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL 2. Gameplay versus aestheticism. (Narrative gameplay based on a coherent rule set versus modernist formal experiments.) 3. Representational modeling versus visual artefacts. (Mimetic modeling of objects versus glitches and other unexpected products of the graphics engine.) 4. Natural physics versus invented physics. (Newtonian laws of motion, ray tracing, collisions, etc., versus incoherent physical laws and relationships.) 5. Interactivity versus noncorrespondence. (Instant, predictable linkage between controller input and gameplay versus barriers between controller input and gameplay.) 6. Gamic action versus radical action. (Conventional gamic poetics versus alternative modes of gameplay.)“260

Alle in der vorliegenden Arbeit analysierten Kunstwerke lassen sich einem oder mehreren der sechs Punkte zuordnen. Die Hervorkehrung der apparativen und dispositiven Strukturen des Computerspiels (1.) – strategisch entweder durch die Opazität des Bildes oder durch Sichtbarmachung des (ästhetisierten) Codes – trifft insbesondere auf QQQ, Super Mario Clouds und die Arbeiten von JODI zu. Gegen ein durch narrative Kohärenz bestimmtes Gameplay (2.) wenden sich alle Kunstwerke in dieser Arbeit. Super Mario Clouds verfügt beispielsweise über keine Möglichkeit mehr, das Spiel überhaupt zu spielen und verharrt in den Prozessen der Bilderzeugung. Dead-in-iraq zwingt der Narration von America’s Army in gewisser Weise eine eigene, gegenläufige Narration auf. Das Kultivieren von grafischen Artefakten (3.), die eigentlich Fehler in der Bilderzeugung darstellen (Glitches) ist in enger Verbindung mit der Hervorkehrung des Apparativen (1.) zu sehen.261 Die visuellen Oberflächen von SOD und QQQ sind durch solcherlei Bildstörungen angereichert. Für das Verschieben der Physik in Computerspielen (4.) sowie die Versperrung der Interaktivität (5.) kann in beiden Fällen Super Mario Clouds fungieren.262 QQQ setzt auch an den optischen Gesetzmäßigkeiten der Bilderzeugung an

260

Galloway 2006c, S. 124f.

261

Ein Glitch erscheint als ein Defekt in einem Schaltkreis (z.B. in Form einer Veränderung der Spannung). Demnach kann ein Glitch bezogen auf Fehlfunktionen von Hardware als Abweichung von einem korrekten Wert beschrieben werden. Bezogen auf Software ist die Bedeutung des Begriffes etwas verändert. Ein Glitch ist eine unvorhersehbare Veränderung in dem Verhalten eines Systems – oder wie Olga Goriunova und Alexei Shulgin es formulieren: „when something obviously goes wrong“ (Goriunova/Shulgin 2008, S. 110).

262

Ein deutlicheres Beispiel für die Verschiebung der Physik (4.) ist Joan Leandres (*1968) Serie retroyou r/c series (1999–2001), in der er dem Ausgangsmaterial schrittweise die Simulation physikalischer Gesetzmäßigkeiten entzieht (Abb. 7). Vgl. zu Leandres Arbeiten Arns 2009.

F ORSCHUNGSÜBERBLICK ZU KÜNSTLERISCHER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION

| 123

und stellt dementsprechend auch eine Verschiebung der Physik dar. Eine nichtspielkonforme Handlung (6.) wird von dead-in-iraq repräsentiert. Im Zusammenhang mit dem 6. Punkt der radical action merkt Galloway an, dass diese Form in Kunst mit Computerspielen kaum anzutreffen ist. Er beobachtet, dass künstlerische Computerspielmodifikationen auf der visuellen Ebene als progressiv, auf der Ebene der Handlung aber als reaktionär zu charakterisieren sind, da die KünstlerInnen sich paradoxerweise gegen das Spielen wenden und es damit nicht weiterentwickeln. Er kritisiert, dass künstlerische Computerspielmodifikationen die Oberflächen der Spiele fokussieren, ohne nennenswerte Alternativen von spielerischen Handlungen bereit zu halten. Erst wenn die KünstlerInnen echte Alternativen zu den Handlungen in Computerspielen entwickeln – so Galloway –, sei das Projekt Countergaming erfüllt und von einer echten Avantgarde zu sprechen.263 Insgesamt wird deutlich, dass die Qualität der künstlerischen Computerspielmodifikationen in Abgrenzung zum Mainstream-Computerspiel insbesondere in Momenten der Störung, Aneignung, Umwidmung, Zweckentfremdung und Verfremdung des Ausgangsmaterials liegt.264 Galloway weist daraufhin, dass bei aller Rede von Gegenstrategien und Ermächtigung eine Abhängigkeit zwischen KünstlerInnen und Industrie besteht. Denn die KünstlerInnen sind im Falle von PC-Modifikationen, die auf offene Game Engines aufsetzen, symbiotisch (oder in Anne-Marie Schleiners Diktum ‚parasitär‘) an das von der Industrie bereit gestellte Material gebunden.265 Die in der vorliegenden Arbeit analysierten Kunstwerke etwa basieren zu einem großen Teil auf Engines

263

„We need an avant-garde of video gaming not just in visual form but also in actional form. We need radical gameplay, not just radical graphics. [...] Artists should create new grammars of action, not simply new grammars of visuality. [...] So countergaming is an unrealized project. An independent gaming movement has yet to flourish [...] This will be a realization of countergaming as gaming [...]. The countergaming movement should aspire to a similar goal [as countercinema], redefining play itself and thereby realizing ist true Potenzial as a political and cultural avant-garde“ (Galloway 2006c, S. 125f.)

264

Tilman Baumgärtel bemerkt dazu: „die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts ist voll von Beispielen derartiger Aneignungen und Umwidmungen: die ‚Ostranenie‘ Wladimir Shklovskys, Bertolt Brechts ‚Verfremdungseffekt‘, die Rekontextualisierungen der Pop Art oder das ‚Détournement‘ der Situationisten. Die Zweckentfremdung ästhetischer Fertigteile kann als eine der folgenreichsten und tragfähigsten Ideen der modernistischen Kunst gelten“ (Baumgärtel 2003b, URL: http://www.medien kunstnetz.de/themen/generative_tools/game_art/scroll/ [06.10.2010]).

265

Vgl. Galloway 2006c, S. 113.

124 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

der Firma id Software. Eine Ausnahme dazu stellt Super Mario Clouds dar; da es sich dabei um eine Konsolenspiel-Modifikation handelt. Galloway erweitert sein Konzept des Countergaming 2008 um zwei Begriffe, mit denen sich künstlerische Computerspiele und Modifikationen weiter klassifizieren lassen: Nämlich in unspielbare (nicht-interaktive) und spielbare (interaktive) Artefakte. Zum einen gibt es Mods, die das spielerische Moment des Ausgangsmaterials vollständig abschalten und alle Handlungsmöglichkeiten unterbinden, so dass die Computerspiele in einen paradoxen Schwebezustand der Unspielbarkeit überführt werden. Diese Art des Umgangs mit Ausgangsmaterial (z.B. zu beobachten bei Super Mario Clouds) nennt er Negation. Im Gegensatz dazu steht die Deprivation (QQQ, SOD), die die Spiele in einen spielbaren Modus überführt, in denen sie sich – metaphorisch gesprochen – selbst bewusst werden.266 Während Super Mario Clouds keine Eingaben zulässt, handelt es sich bei SOD auch um eine Reflexion der Handlungen, die die Rezipienten während eines Computerspiels durchführen: nämlich das Drehen und Wenden des Bildes, wodurch sich der Eindruck der Manipulation räumlicher Konfigurationen einstellen kann. Negationen charakterisiert Galloway als zerstörerisch, während Deprivationen das Spielerische auf neue Art regeln, prüfen und bewerten.267 Als dritten, alternativen Weg neben Negation und Deprivation, nennt Galloway programmatisch die Herstellung ‚purer Freude‘ im Spielvollzug („pure joy“). Durch die Konzentration auf Freude, können sich Spielhandlungen etablieren, die Galloway unter dem Schlagwort der radical action zuvor eingefordert hat. Als Beispiel für diesen dritten Weg führt er Tale of Tales‘ (Auriea Harvey, *1971; Michaël Samyn, *1968) The Endless Forest (2005) an.268 Tale of Tales sind ein Künstlerpaar, das sich nicht gegen die Spiele wendet, sondern

266

Vgl. in diesem Zusammenhang Stoichita 1998.

267

„There are two alternatives today for a ‚counter gaming‘ aesthetic: negation or deprivation. With negation, the game is stripped of all possibilities of game play, left to lapse back to other media altogether (video, animation). With deprivation, the game is censored and scolded, allowed to continue to play, but only in an enlightened or ‚self-aware‘ mode. Cory Arcangel and PaperRad’s Super Mario Movie is a negation; Eddo Stern’s Darkgame is a deprivation. Brody Condon’s 650 Polygon John Carmack is a negation; Julian Oliver’s 2nd Person Shooter is a deprivation. The first is play’s destruction, while the second is play’s revision“ (Galloway 2008, S. 495).

268

„But there is a third way, always a third way. It is pure joy: The Endless Forest. With the work of Auriea Harvey and Michaël Samyn there is no hint of negation, nor deprivation in any form. It is a dream of the Eden garden before the fall, a vision of art as communion. The game is life and beauty, a fantasy exchange in a forest beyond, connected in a living environment of many souls distributed across as many worlds“ (Galloway 2008, S. 495).

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| 125

die mithilfe der Games neue alternative Spielformen im positiven Sinne entwickeln wollen. Hier könnte man zwei grundsätzlich verschiedene Wege ausmachen, mit denen KünstlerInnen mit Computerspielen als Material umgehen: Der erste Zugang richtet sich aggressiv störend gegen die Games, während im zweiten Zugang die medialen Charakteristika der Spiele in positiver Weise angenommen und die KünstlerInnen schließlich zu Verbündeten des Mediums werden und sich nicht (mehr) an seinen Strukturen abarbeiten (vgl. Anm. 20). 4.3.2 Videogames and Art 2007 erscheint ein Sammelband, der insgesamt 22 Texte zum Thema Kunst mit Computerspielen versammelt. Videogames and Art gibt zunächst einen Überblick über die verschiedenen Kategorien, Techniken und Strategien, die sich in der künstlerischen Auseinandersetzung mit Computerspielen entwickelt haben.269 Ein zweiter Teil des Sammelbandes bietet mit Künstlerinterviews und -essays wichtiges Material, das das Phänomen der Kunst mit Computerspielen dokumentiert.270 In einem dritten Teil werden allgemeinere Themen im Zusammenhang mit Kunst und Computerspielen adressiert, die in der vorliegenden Arbeit ausgeklammert bleiben.271 Für die vorliegende Arbeit sind verschiedene Beiträge des Sammelbandes relevant. Hierzu gehören folgende Positionen: Axel Stockburger identifiziert drei wesentliche künstlerische Zugänge, von Kunst mit Computerspielen, nämlich die Appropriation ihrer Bildwelten und Strukturen, Modifikation der Games und schließlich die Produktion eigener Spiele.272 Die Appropriation ist dabei am weitesten von den medialen Eigenschaften des Games entfernt, während sich KünstlerInnen mit der Produktion eigenständiger Spiele an das Medium annähern. Diese Einteilung korrespondiert mit der in der vorliegenden Arbeit getroffenen Einteilung von Rezeption, Modifikation und Produktion (vgl. Kap. 1.2). Rebecca Cannon unterteilt das Feld der Modifikationen daraufhin genauer. Sie unterscheidet verschiedene „Art Mod Categories“ – nämlich Machinima und Sonichinima (Klangkunst mit Game Engines), performative Praktiken (z.B. Performan-

269

Vgl. Clarke/Mitchell 2007. Die Beiträge von Grethe Mitchell und Andy Clarke, Rebecca Cannon, Henry Lowood, Suzanne Treister, Ernest W. Adams sowie ein Interview mit Brody Condon finden sich schon in Mitchell/Clarke 2006.

270

Als Quellen für die Analysen in der vorliegende Arbeit sind relevant: Ein Interview mit JODI (Hunger 2007) sowie ein Interview mit Joseph DeLappe (Winet 2007).

271

So wird z.B. die Frage nach dem Kunststatus des Computerspiels aufgeworfen und dem Medium das Potenzial zur Kunstwerdung attestiert (vgl. Martin 2007 und Adams 2007).

272

Vgl. Stockburger 2007.

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ces innerhalb der Spielwelten aber auch die Verwendung von Games als (Musik-)Instrumente), Installationen und Mods. Mods wiederum können eine politische Ausrichtung haben oder eher formalästhetisch ausgerichtet sein.273 Eine wichtige Beobachtung Cannons ist die Unterscheidung vom künstlerischen Ansatz am „Game Format“ und an den „Game Media“. Das Computerspiel ist ein Hybrid aus spielerischen und medialen Aspekten. Sowohl sie spielerischen als auch medialen Aspekte können von KünstlerInnen adressiert werden. Erstens kann ein Kunstwerk die Form eines Spiels annehmen (Game Format). Für diese Art von Spielen lässt sich der Begriff des Art Game verwenden.274 Diese Art Games sind medienunabhängig, wie etwa die Spiele der Fluxuskünstler zeigen.275 Sie können sich aber auch als Computerspiel darstellen, wie z.B. im Falle von Tale of Tales’ The Endless Forest. Art Games können eigenständige Computerspielproduktionen sein, ohne in Form einer Modifikation auf der Engine eines vorgefundenen Games aufzubauen. Es handelt sich dabei also jeweils um Spiele, die von KünstlerInnen gestaltet worden sind. Diese Art von Werken ist immer spielbar und im Falle eines Computerspiels interaktiv. Im Gegensatz dazu stehen Kunstwerke, die dezidiert an den medialen Bedingungen des Computerspiels ansetzen (Game Media). Für diese Art von Kunstwerken ist Spielbarkeit keine notwendige Bedingung und Interaktivität wird oft verstellt (vgl. Kap. 9.2 oder 11.2.4). Die vorliegende Arbeit fokussiert künstlerische Computerspielmodifikationen, die in besonderem Maße die medialen Bedingungen des Materials ausstellen und weniger das Game Format hinterfragen. 4.3.3 Kunst mit Computerspielen zwischen User Space und Game Space Axel Stockburger legt 2009 in seiner Dissertation über Raum im Computerspiel – The rendered Arena – ein Kapitel über zeitgenössische Kunst vor, die sich mit Computerspielen auseinandersetzt.276 Die Arbeit entsteht an der Londoner Universi-

273

Vgl. Cannon 2007, S. 40.

274

Tiffany Holmes skizziert ein Art Game als „[...] an interactive work, usually humorous, by a visual artist that does one or more of the following: challenges cultural stereotypes, offers meaningful social or historical critique, or tells a story in a novel manner. To be more specific art games contain at least two of the following: a defined way to win or experience success in a mental challenge, passage through a series of levels (that may or may not be hierarchical), or a central character or icon that represents the player“ (Holes 2003, URL: http://hypertext.rmit.edu.au/dac/papers/ Holmes.pdf [30.03.2012]).

275

Vgl. Conzen 1997.

276

Vgl. Stockburger 2009.

F ORSCHUNGSÜBERBLICK ZU KÜNSTLERISCHER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION

| 127

tät der Künste und markiert eine wichtige akademische Auseinandersetzung mit künstlerischen Computerspielmodifikationen. Nach einer generellen Einleitung über die kunsthistorischen Verbindungen von Kunst und Spiel sowie über die erste Generation interaktiver Medienkunst als geschichtliches Fundament, präsentiert Stockburger vornehmlich seine eigenen künstlerischen Arbeiten. Diese analysiert er innerhalb seines Raummodells, das sich zwischen User Space und Game Space aufspannt (Vgl, Anm. 178).277 Stockburger als Künstler wählt tendenziell den ersten Zugang zum Material des Computerspiels (Appropriation/Rezeption im Vergleich zu Modifikation/Produktion), indem er es rezipiert und es sich mittels anderer Medien (wie Video oder Klanginstallation) aneignet (vgl. Kap. 1.2) Die Studie von Stockburger gibt im zweiten Teil einen guten Überblick über das breitere Feld der Kunst mit Computerspielen. Stockburger führt eine kurze Analyse der Raumkonfiguration von Velvet-Strike (Schleiner, Leandre, Condon, 2002) durch, die Stockburger zudem als Vehikel nutzt, um den Bereich künstlerischer Computerspielmodifikationen vor dem Hintergrund von Anne-Marie Schleiners Curator’s Note in die Arbeit einzuführen.278 Ein weiteres Kapitel fokussiert insbesondere die Veränderung der audiovisuellen Oberflächen der Spiele, in Stockburgers Terminologie: den audiovisual representational space. Im Zuge dessen identifiziert er Arsdoom als einen Prototyp künstlerischer Computerspielmodifikation, in dessen Tradition auch SOD oder die Werke der Wiener Synreal-Ausstellung stehen, an der Stockburger mit einer Map namens Loopwalker (1998) beteiligt war und damit die räumlichen Konfigurationen des Computerspiels insbesondere als Klangraum untersucht.

277

Stockburger bilanziert: „It was possible to demonstrate that the system of spatial modalities that has been proposed for computer and videogames, namely user space, narrative space, rule space, audiovisual representational space and kinaesthetic space can be employed to shed some light on the different artistic approaches towards this new medium. Moreover it became clear that artists are indeed fascinated by the spatial practice in digital games and that they experiment in highly specialised ways with different aspects of this phenomenon. On the one hand, game developers might well become more interested in those experiments in their search for new and original games, on the other, this work represents a very important critical reflection of the tools and ideologies presented by the entertainment industry. As a phenomenon of contemporary culture, digital games will stay with us and artists from different backgrounds will continue to use and abuse them in novel and original ways“ (ebd., S. 257).

278

Vgl. Schleiner 1998, URL: http://switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/note.html [05.04. 2012].

128 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

4.3.4 Subversive Strategien des Critical Play Einen weiteren Ansatz, künstlerische Computerspielmodifikationen zu konzeptualisieren und in größeren Kontexten zu betrachten, bietet Mary Flanagan. Mary Flanagan fokussiert in ihrem Buch Critical Play, die Geschichte künstlerischer Spielformen und verortet künstlerische Computerspiele und Modifikationen darin als jüngste Ausformung einer langen Tradition von spielerischer Subversion und Aktivismus.279 Ein Spielen ‚gegen die Regeln‘, eine künstlerische Umwidmung und ein Einsatz spielerischer Formen für aktivistische Zwecke ist in allen Spielformen auch historisch nachweisbar, wovon Flanagans Publikation in einer breiten Informiertheit zeugt.280 Flanagan isoliert drei typische Formen des Critical Play anhand vom Puppenspiel. Diese subversiven Strategien lassen sich auch auf künstlerische Computerspielmodifikationen übertragen. Sie lauten Unplaying, Redressing/Reskinning und Rewriting.281 Unplaying bedeutet, dass im Sinne der Regeln des Spiels verbotene oder verborgene Handlungen ausgeführt werden. Am Beispiel des Puppenspiels ist das ‚Töten‘ der Puppe eine Handlung, die sich radikal gegen den normativen Spielvollzug richtet. Ein Beispiel von Unplaying in der vorliegenden Arbeit ist die Performance dead-in-iraq (vgl. Kap. 10). Das Re-dressing bezeichnet das Kostümieren der Puppen. Allgemeiner gefasst meint Re-Dressing/Reskinning das Verändern des Aussehens, was sich im Fall künstlerischer Computerspiele auf die audiovisuellen Oberflächen der Games beziehen lässt (vgl. z.B. QQQ in Kap. 8). Die letzte Kategorie – das Rewriting – bezeichnet das ‚Umdichten‘ bestehender Narrationen und die Veränderung vorgegebener Szenarien. Arsdoom ist hier ein gutes Beispiel, da es die spielerische Handlung des Ego-Shooters Doom in das Brucknerhaus in Linz verlegt (vgl. Kap. 7).

279

Vgl. Flanagan 2009.

280

Flanagan teilt die Spiele ein in: Puppenspiele, Brettspiele, Sprachspiele, performative Spiele, ortsgebundene Spiele und Computerspiele. Prominent mit dem Puppenspiel hat sich z.B. Hans Bellmer (1902-†1975) auseinandergesetzt. Brettspiele gibt es z.B. bei Alberto Giacometti (1901-†1966). Circuit (1931) ist ein unspielbares, unmögliches Spiel. Marcel Duchamps (*1887-†1968) L.H.O.O.Q. (1919) ist zum Teil auch ein Sprachspiel. Vgl. zudem die Lautgedichte der Dadaisten oder auch das automatische Schreiben der Surrealisten. Vgl. ebd.

281

Vgl. ebd., S. 32f.

F ORSCHUNGSÜBERBLICK ZU KÜNSTLERISCHER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION

| 129

4.4 E INSETZENDE H ISTORISIERUNG UND SYSTEMATISCHE A UFARBEITUNG Eine 2009 erschienene Ausgabe der traditionsreichen kunst- und kulturwissenschaftlichen Zeitschrift Kritische Berichte bildet die Diskurse um Kunst mit Computerspielen in einer breiten Ausrichtung ab und äußert sich auch methodisch zu dem Thema, indem die Relevanz des Computerspiels für die Kunstgeschichte programmatisch festgestellt wird.282 Neben grundsätzlichen Beiträgen (etwa zur Computerspielkultur oder die Hinwendung zum Raum in den Game Studies283) nehmen die Texte der Zeitschrift dezidiert künstlerische Auseinandersetzungen mit Computerspielen in den Blick.284 Markus Lohoff und der Verfasser dieser Arbeit geben einen historischen Abriss der Entwicklung des Mediums, der die Kunst mit Computerspielen systematisch integriert. Sie beziehen die künstlerische Auseinandersetzung mit Computerspielen in die Geschichte des Mediums ein und zeichnen seine Entwicklung „zwischen Wissenschaft, Kommerz und Kunst“ nach, wobei künstlerische Mods auch hier als Gegenstrategie zu etablierten Formen des Computerspiels konturiert werden.285 Damit markiert das Jahr 2009 den Einsatz einer Historisierung sowie systematischer Aufarbeitung des Themas, was sich auch an den folgenden Beispielen belegen lässt. Mathias Jansson beginnt 2009 regelmäßig Interviews mit den Protagonisten der künstlerischen Auseinandersetzung mit Computerspielen zu führen.286 Diese Interviews mit KünstlerInnen, Kuratorinnen/Kuratoren sowie AkademikerInnen stellen eine wertvolle Quelle dar. Eine weitere Quelle ist eine offene Liste im WWW, die seit 2010 von Jon Cates geführt wird. In dem Dokument werden Kunstwerke katalogisiert, die der Kunst mit Computerspielen zuzuordnen sind.287 Eine Konferenz im Jahr 2010 zur Art History of Games unterstreicht zusätzlich die

282

Vgl. Schwingeler/Gehring 2009.

283

Vgl. Himmelsbach 2009, Pias 2009, Günzel 2009b.

284

Die Ausgabe bietet Einzelanalysen von Inke Arns zu Mods von Joan Leandre, Max Moswitzer und Margarete Jahrmann und Produktionsnotizen von Tracy Fullerton zu Bill Violas Computerspielprojekt The Night Journey. Die Rolle des Rezipienten als Miturheber der (interaktiven) Kunstwerke wird zum Thema bei Michael Liebe. Söke Dinkla und Natascha Adamowsky thematisieren Kunstwerke, die den realen Raum maßgeblich miteinbeziehen und der Überlappung von Realraum und Datenraum nachspüren. Vgl. Arns 2009, Fullerton 2009, Liebe 2009, Dinkla 2009, Adamowsky 2009.

285

Lohoff/Schwingeler 2009.

286

Vgl. die URL http:www.gamescenes.org [05.04.2012]

287

Vgl. die URL http://artgamestudies.org/resource.html [05.04.2012]

130 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

einsetzende Historisierung der Kunst mit Computerspielen.288 Daphne Dragona bemerkt in einem Beitrag für einen Sammelband über Kunst mit Computerspielen289, in dem sich die meisten der ausgeführten Thesen ebenfalls wiederfinden lassen, dass die parasitären Computerspielmodifikationen der Jahrtausendwende die Tür geöffnet haben, das Medium des Computerspiels erfolgreich in den medienkünstlerischen Kanon zu integrieren und somit eine Instutionalisierung einsetzt. Dies zeigt sich daran, dass sich Medienkunstfestivals dezidiert Games zuwenden (z.B. Transmediale, Ars Electronica, ISEA), Kunsthochschulen Gamelabs gründen (z.B. HfG Karlsruhe, ZHdK) und Ausstellungen nicht nur künstlerische Computerspielmodifikationen fokussieren, sondern eigenständige Spiele und Computerspielproduktionen von KünstlerInnen präsentieren.290 Im selben Sammelband positioniert Corrado Morgana den gesamten Bereich der Kunst mit Computerspielen in der Tradition des situationistischen Détournement.291 Dadurch finden sich die durch die Ausstellung

288

Die Konferenz findet vom vom 04.-06. Februar 2010 im Woodruff Arts Center in Atlanta, Georgia statt. Teilnehmer sind: Ian Bogost, Jay David Bolter, Brenda Brathwaite, Jesper Juul, Christoph Klütsch, Frank Lantz, Henry Lowood, Michael Nitsche, Christiane Paul, Celia Pearce, Nathalie Pozzi, Eric Zimmerman, Jason Rohrer, John Romero, Brian Schrank, Auriea Harvey und Michaël Samyn (Tale of Tales). Für eine Zusammenfassung vgl. Ferrari 2010, URL: http://simonferrari. com/2010/02/23/art-history-of-games-recap/ [05.04.2012]. Die einzelnen Vorträge sind als Videos unter folgender URL dokumentiert: http://smartech.gatech.edu/handle/1853/33113/browse?type=dateissued&sort_by=2&order=ASC&rpp=20&etal=0&s ubmit_browse=Update [05.04.2012].

289

Vgl. Dragona 2010 und Catlow/Morgana 2010.

290

„Game-based art is no longer a ‚new thing‘. A decade later the field has evolved and changed; it has matured and become both established and respected“ (Dragona 2010, S. 26).

291

Zu einer umfassenden Darstellung der Situationistischen Internationale vgl. Ohrt 1990. „Der Situationistischen Internationale, der u. a. Guy Debord, Constant, Pinot Gallizio, Asger Jorn, Hans Platschek, Uwe Lausen, Heimrad Prem, Helmut Sturm, Maurice Wyckaert und HP Zimmer angehörten, ging es maßgeblich um die Suche nach theoretischen und praktischen Möglichkeiten zur Revolutionierung des Alltagslebens und der Stadtplanung. Durch das Konstruieren von Situationen und die Technik des Umherschweifens in Stadträumen wollte der Wortführer der Situationisten, Guy Debord, mit Hilfe der Organistaion der S.I. neue Kunst- und Lebensformen finden. Somit projizierten die Situationisten eine Stadt, die den Menschen aus seiner Passivität herauslocken sollte. Gefordert wurde aber auch ein Leben ohne Arbeit und Leerlauf.“ Vgl. ferner zur Verbindung mit Spielen und den Situationisten Flanagan 2009, S. 194-197 sowie Schleiner 2011.

F ORSCHUNGSÜBERBLICK ZU KÜNSTLERISCHER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION

| 131

Cracking the Maze aufgestellten Thesen (vgl. Kap. 4.1) abermals untermauert. Morgana schreibt: „The Situationist term détournement describes an overturning of the established order; an unforeseen activity within the institution, utilising its tools and imagery that overthrows conventions to create new meaning by appropriating and juxtaposing.“292 Die Zweckentfremdung des Détournement lässt sich auch als zentraler Begriff der Hacker-Kultur und -Ethik begreifen293 : Ein wesentlicher Bestandteil des Hackens ist es, auf kreative Weise Dinge dazu zu bringen, anders als intendiert zu funktionieren. Daraus ergibt sich die besondere „hack value“294, wenn die Grenzen von Systemen ausgelotet, erweitert und überschritten sowie Regeln gebrochen werden.

4.5 Z USAMMENFASSUNG

VON

K APITEL 4

Kapitel 4 hat – thematisch eng geführt – wichtige theoretische Positionen und Thesen zum Gegenstandsbereich der künstlerischen Computerspielmodifikation in einem Forschungsüberblick versammelt. In einem chronologisch, historischen Überblick mit Fokus auf deutsch- und englischsprachige Publikationen zwischen 1999 und 2010 wurden wesentliche Thesen des Diskurses um künstlerische Computerspielmodifikation herauskristallisiert. Als Einstieg wurden die kuratorischen Texte gewählt, die zur Online-Ausstellung Cracking the Maze 1999 im Internet von Anne-Marie Schleiner, Erkki Huhtamo und Laura Trippi publiziert worden sind (Kap. 4.1).295 Die im Rahmen von Cracking the Maze identifizierten Thesen lauteten:

292

Morgana 2010, S. 7.

293

„Détournement is also central to hacker culture; taking ‚stuff‘ and making that ‚stuff‘ do things it wasn’t meant to do. By modding, hacking, exploiting and other strategies of intervention, artists game designers and players have responded to preset game limits and other practical and creative boundaries. They have responded by producing artefacts and activity that re-appropriate dominant culture, where normative tropes and memes are subverted and détourned to produce a counter to expected ‚normal‘ behaviour“ (ebd., S. 7f.). Roberto Simanowski sieht eine ähnlich geartete Verbindung zwischen Détournement und Hacker-Kultur: „Die Transformation eines kommerziellen Produkts der digitalen Medien in ein kritisch-reflexives Kunstwerk ist eine beliebte Form des Détournement im Kontext des Hacktivism (aus ‚Hacking‘ und ‚Activism‘) und des Artivism (aus ‚Art‘ und ‚Activism‘) in und außerhalb der digitalen Medien“ (Simanowski 2008, S. 87).

294

Raymond 2003, URL: http://www.catb.org/jargon/html/index.html [21.08.2012].

295

Vgl. Schleiner 1998 (URL: http://switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/note.html [21.08. 2012]), Huhtamo 1999 (URL: http://switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/erkki.html

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1. Künstlerische Computerspielmodifikationen sind als Gegenreaktion auf die Computerspielindustrie und ihre Produkte zu verstehen. 2. Künstlerische Computerspielmodifikationen dringen in die Produkte der Industrie und medialen Systeme ein und machen Verborgenes sichtbar. 3. Erst der Zugang zum Computerspiel als Material ermöglicht eine künstlerische Auseinandersetzung mit demselben. 4. Kunsthistorische Verbindungen liegen in subversiven künstlerischen Strategien, die z.B. durch das situationistische Détournement und die Praxis des Hacktivismus bekannt sind. 5. Die Hacker-Ethik der 1960er Jahre kann in Verbindung mit künstlerischen Computerspielmodifikationen gebracht werden. In Kapitel 4.2 wurden die Thesen und Positionen, die sich von 2001-2006 gebildet haben, chronologisch isoliert. Es hat sich gezeigt, dass die durch Cracking the Maze aufgerufenen Thesen in anderen Publikationen Bestätigung finden. So vertritt z.B. der Medienwissenschaftler Tilman Baumgärtel, der künstlerische Computerspielmodifikationen prominent im deutschsprachigen Raum kuratorisch begleitet hat, die Thesen von Anne-Marie Schleiner und Erkki Huhtamo. 2001 kommt zum ersten Mal ein großes internationales Kunstpublikum mit künstlerischen Computerspielmodifikationen in Berührung, da der chinesische Künstler Feng Mengbo auf der Documenta11 eine Quake-Modifikation mit dem Titel Q4U (2000/02) ausstellt. Wichtige Impulse gingen ferner von der Dortmunder Ausstellung Games – Computerspiele von KünstlerInnen im Jahr 2003 aus296, durch die künstlerische Computerspielmodifikation von Gerrit Gohlke als medienkünstlerisches Genre identifiziert worden ist.297 Claus Pias hat die Verbindung zur Appropriation Art herausgearbeitet und auf die Verbindung zur Hacker-Ethik der 1960/70er Jahre verdeutlicht.298 Tilman Baumgärtel hat ferner in einem Text auf die kunsthistorische Rolle Dooms hingewiesen und das Feld in einem Überblick geordnet.299 Katie Salen und Eric Zimmerman haben aus einer Game Design-Perspektive das Brechen von Regeln als cultural resistance und transformatives Spielen theoretisiert.300 Eine zweibändige Publikation des Kunstforum International hat grundlegende Verbindungen von Kunst und Spiel, insbesondere in der Kunstgeschichte des 20. Jahrunderts, verdeutlicht.301 In einer italienischen Publikation von 2006 sind die Protago-

[21.08.2012]), Trippi 1999 (URL: http://switch.sjsu.edu/CrackingtheMaze/laura.html [21.08.2012]). 296

Vgl. Baumgärtel 2003a.

297

Vgl. Gohlke 2003.

298

Vgl. Pias 2003.

299

Vgl. Baumgärtel 2003b, URL: http://www.medienkunstnetz.de/themen/generative_ tools/game_art/scroll/ [01.05.2012].

300

Vgl. Salen/Zimmerman 2004a.

301

Vgl. Buchhart/Fuchs 2005 und Buchhart/Fuchs 2005a.

F ORSCHUNGSÜBERBLICK ZU KÜNSTLERISCHER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION

| 133

nisten der Game Art versammelt worden, darunter auch viele KünstlerInnen, die Computerspielmodifikationen zum künstlerischen Ausdruck wählen.302 Celia Pearce hat die Kategorie der unspielbaren Spiele identifiziert und dies mit Strategien des Fluxus verknüpfen können.303 Kapitel 4.3 hat mit Zusammenfassungen und Einordnungen des Sammelbandes Videogames and Art, Axel Stockburgers Dissertation The rendered Arena und Mary Flanagans Critical Play den Diskurs um künstlerische Computerspielmodifikationen in einer breiten Ausrichtung wieder gegeben und abgebildet.304 Im Zentrum von Kapitel 4.3 stand hauptsächlich Alexander Galloways Konzept des Countergaming (Kap. 4.3.1). Galloway hat einen Kanon künstlerischer Strategien identifiziert, die im Rahmen künstlerischer Computerspielodifikation wirksam werden. Diese sind: 1. Die Hervorkehrung der apparativen und dispositiven Strukturen des Computerspiels. 2. Gegen ein narratives Gameplay gerichtete formalästhetische Experimente. 3. Das Kultivieren grafischer Artefakte. 4. Die Verschiebung physikalischer Gesetzmäßigkeiten 5. Die Versperrung der Interaktivität. 6. Nicht spiel-konforme Handlungen.305 Eine künstlerische Modifikation kann das Ausgangsmaterial ferner in den Zustand einer Deprivation (interaktiv/spielbar) oder einer Negation (nichtinteraktiv/unspielbar) überführen.306 Galloways Konzeptualisierung künstlerischer Computerspielmodifikation kann sich in den Einzelanalysen der Kunstwerke (Kap. 7-11) als nützlich erweisen. Nach den Konzeptualisierungen in Kapitel 4.3 wurde in Kapitel 4.4 eine einsetzende Historisierung des Themengebietes ab 2009 festgestellt. Indem Markus Lohoff und der Verfasser der vorliegenden Arbeit einen kunsthistorischen Abriss der Entwicklung des Mediums Computerspiel publizieren, in dem Kunst mit Computerspielen systematisch integriert ist, hat eine retrospektive Betrachtung des Feldes eingesetzt.307 Für diese Einschätzung spricht auch, dass beispielsweise Mathias Jansson ab 2009 Interviews mit den Protagonisten der Game Art ab 1995 führt308

302

Vgl. Bittanti/Quaranta 2006.

303

Vgl. Pearce 2006.

304

Vgl. Clarke/Mitchell 2007, Stockburger 2009, Flanagan 2009.

305

Vgl. Galloway 2006c.

306

Vgl. Galloway 2008.

307

Vgl. Lohoff/Schwingeler 2009.

308

Vgl. beispielsweise Jansson 2009 (URL: http://www.gamescenes.org/2009/12/ interview-annemarie-schleiners-cracking-the-maze-1999-10-years-later.html [01.05. 2012]), Jansson 2009a (URL: http://www.gamescenes.org/2009/11/interview-konradbecker-about-synreal-the-unreal-modification-1998.html

[02.05.2012]),

Jansson

2009b (URL: http://www.gamescenes.org/2009/11/interview-orphan-kipcak-arsdoom -arsdoom-ii-1995.html [01.05.2012]).

134 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

und eine Konferenz die Art History of Games untersucht hat.309 Die im Rahmen von Cracking the Maze 1999 aufgestellten Thesen finden sich abermals in einer Publikation untermauert, in der Corrado Morgana den Bereich der Kunst mit Computerspielen erneut mit dem situationistischen Détournement in Verbindung bringt, was wiederum auch als zentraler Begriff der Hacker-Ethik zu verstehen ist.310

309

Vgl. Ferrari 2010, URL: http://simonferrari.com/2010/02/23/art-history-of-gamesrecap/ [01.05.2012].

310

Vgl. Catlow/Morgana 2010.

5. Bildwissenschaftliche Position: Das Computerspiel als Bildmedium

Das folgende Kapitel entwirft das Computerspiel als Bildmedium. Nach einer umfassenden Gegenstandsbestimmung (Kap. 2), der Bestimmung des methodischen Vorgehens (Kap. 3) sowie einem Forschungsüberblick (Kap. 4), wird die Betrachtung des Gegenstands im folgenden Kap. 5 bildwissenschaftlich vertieft und theoretisch fundiert. Für den Bildbegriff gilt dasselbe wie für den Spielbegriff: Es lassen sich allenfalls Familienähnlichkeiten bestimmen (vgl. Anm. 56). Eine universale Bildtheorie, die Anspruch auf Allgemeinheit erhebt, gibt es nicht, sondern nur verschiedene Perspektiven auf Phänomene, die eine Gemeinsamkeit haben – nämlich Bilder zu sein.311 In der vorliegenden Arbeit wird das Computerspiel als Medium verstanden, dass sich primär durch und als Bilder zeigt. Dies wiederum öffnet den Gegenstandsbereich für eine bildwissenschaftliche Untersuchung. Die Philosophin Sybille Krämer verweist auf die Bildhaftigkeit des Spiels per se. Sie bemerkt, dass das Spiel der ‚Sphäre des Scheins‘ angehört und es durch ein Als-Ob zu charakterisieren ist. Das Spiel eröffnet eine bildhafte Sphäre des Symbolischen, Fiktiven und Imaginären. Spielende Tiere beißen sich nicht wirklich; Kinder reiten auf einem Besen statt einem Pferd. Mensch und Tier tun so als ob.312 Auf diese imaginäre Sphäre verweist schon Johan Huizinga, wenn er die Bedeutung des Wortes Illusion etymologisch auf seine Wurzeln als ‚Einspielung‘ (inlusio) zurückführt.313 Roger Caillois nimmt diesen Gedanken auf und bemerkt: „Die Voraussetzung für jedes Spiel ist die zeitweilige Annahme wenn nicht einer Illusion (obwohl

311

Vgl. Reichle 2007.

312

Vgl. Krämer 2005.

313

„[...] die Illusion, die inlusio, buchstäblich die Einspielung – ein bedeutungsschweres Wort!“ (Huizinga (1939) 1987, S. 20).

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dieses Wort nichts anderes besagt, als Eintritt ins Spiel: in-lusio), so doch zumindest eines geschlossenen, konventionellen und in gewisser Hinsicht fiktiven Universums.“314 Mit Verweis auf Frederik J. J. Buytendijks Wesen und Sinn des Spiels hebt Sybille Krämer den Performanzcharakter des Bildes im Spiel hervor: „Ein Gegenstand ist nur insofern Spielobjekt als er Bildhaftigkeit besitzt. Die Sphäre des Spiels ist die Sphäre des Bildes. Wenn der Junge den Stock als Schwert benutzt, ist das Entscheidende daran nicht, dass dieser Stock ein Schwert repräsentiert, also eine Schwertdarstellung ist, sondern dass er ein Ding ist, mit dem die Schwertbewegung ausführbar ist. [...] Und nimmt nicht diese bildhafte Dimension des Spiels vorweg, was in den computererzeugten virtuellen Realitäten uns dann wieder begegnet: die Möglichkeit, Bilder nicht nur anzuschauen, sondern mit ihnen zu interagieren, mit Hilfe von Immersionstechniken mit ihnen in ein Wechselverhältnis zu treten?“315

In dem folgenden theoretischen Kapitel wird das Computerspiel als Bildmedium entworfen und theoretisiert, da es sich als und durch Bilder zeigt. Diese theoretische Position ist die Voraussetzung für die methodische Öffnung des Gegenstandsbereichs für die Bild- und Kunstwissenschaft. In Kap. 5.1 werden die theoretischen Perspektiven der Game Studies skizziert. Hier wird gezeigt, dass die Game Studies Phänomene des Computerspiels bis dato hauptsächlich als eine Art von Text und/oder als eine Art von Spiel untersucht hat. Aus der defizitären Behandlung der Bildlichkeit des Computerspiels in der Computerspielforschung wird die theoretische, bildwissenschaftliche Position der vorliegenden Arbeit gefestigt und als dritter Zugang zum Gegenstand postuliert – nämlich das Computerspiel als eine Art von Medium aufzufassen, das Bilder erzeugt. Davon ausgehend werden in einem zweiten Kapitel (Kap. 5.2) die Bilder, die von Computerspielen hervorgebracht werden, genauer bestimmt: Es handelt sich bei Computerspielbildern um technische, interaktive Simulationsbilder, die sich durch Apparate zeigen (z.B. mittels eines Rechners, der die Bilder über eine visuelle Schnittstelle – z.B. einen Bildschirm – ausgibt). Diese Bilder werden in besonderem Maße dadurch ausgezeichnet, dass sie räumliche Konfigurationen inszenieren, mit denen die SpielerInnen zum Zwecke des Spiels in Interaktion treten. Die Interaktion erfolgt durch die Manipulation der Bilder. Abgesehen von diesen Qualitäten der Computerspielbilder, die sich in einem Spannungsfeld von Bild, Raum und Handlung entfalten (Kap. 5.2.1), werden sie in

314

Caillois 1982, S. 27.

315

Krämer 2005, S. 14. Das Originalzitat lautet samt Hervorhebungen bei Buytendijk: „Tier und Mensch spielen nur mit Bildern. Ein Gegenstand ist nur insofern Spielobjekt als er Bildhaftigkeit besitzt. Die Sphäre des Spiels ist die Sphäre der Bilder und damit die Sphäre der Möglichkeiten und der Phantasie“ (Buytendijk 1933, S. 129).

D AS C OMPUTERSPIEL ALS B ILDMEDIUM

| 137

dieser Arbeit als doppelte Bilder bezeichnet. Der bildtheoretische Begriff des doppelten Bildes wird in einem weiteren Schritt in die Arbeit eingebracht (Kap. 5.2.2.1). Damit ist gemeint, dass die Bilder – ob ihrer digitalen Natur – eine dem menschlichen Auge verborgene Unterfläche (bestehend aus Code) und eine dem Menschen zugewandte Oberfläche (sichtbares Bild) aufweisen. Eine Hauptthese der Arbeit ist, dass die KünstlerInnen in ihren Computerspielmodifikationen die unsichtbare Unterfläche der Computerspielbilder hervorholen, sichtbar machen und ausstellen (vgl. Kap. 1.3). Das Bild lässt sich zu Analysezwecken zudem theoretisch in Bildträger und Bildobjekt trennen, was in einem weiteren Unterkapitel (Kap. 5.2.2.2) geschieht. In Kap. 5.3 wird schließlich die Auditivität des Mediums adressiert. Die Ausführungen des Kapitels 5.4 stellen eine Zusammenfassung der Ergebnisse dar.

5.1 D IE W ENDE

ZUM

B ILD

IN DEN

G AME S TUDIES

Die Computerspielforschung ist um 1999 von einer ersten methodologischen Auseinandersetzung über die Forschungsperspektive auf den Gegenstand geprägt. Dabei werden digitale Spiele aus einer narratologischen Perspektive zum einen als eine Art von Text untersucht.316 Ein anderer – ludologischer – Zugang analysiert Computerspiele als eine Art von Spiel.317

316

Folgende Beispiele narratologischer Computerspielforschung können das Feld umreissen: Mary Anne Buckles’ Dissertation Interactive Fiction as Literature: The Storygame „Adventure“ aus dem Jahr 1985 gilt als erste wissenschaftliche Abhandlung über ein Computerspiel überhaupt und untersucht das Game Adventure mit einer Perspektive auf den Text (vgl. Buckles 1985). Vgl. zum narrativen Potenzial Neuer Medien und Computerspiele Murray 1997: Janet Murray sieht im Cyberdrama die Zukunft des Erzählens. Durch eine utopisch-perfekte, digitale Technik werden dramatische Geschichten und Illusionen direkt erfahrbar. Im deutschsprachigen Raum sind Britta Neitzels Arbeiten frühe Beispiele narratologischer Computerspielforschung. Eine breite narratologische Perspektive auf Computerspiele bietet Britta Neitzels Dissertation Gespielte Geschichten (Neitzel 2000), in der sie verschiedene erzähltheoretische Konzepte auf Computerspiele anlegt (Russischer Formalismus, Französischer Strukturalismus bis hin zu filmwissenschaftlichen Ansätzen etwa von David Bordwell). Konkreter um Fragen der Erzählperspektive und der Fokalisierung nach Gérard Genette widmet sich Neitzel in ihrem Aufsatz Point of View und Point of Action (Neitzel 2001). Vgl. ferner Atkins 2005: Barry Atkins macht sich die Methode des Close Reading bei der Analyse von Tomb Raider, Half Life, Sim City sowie Close Combat als Texte zu Nutze. Weniger methodenorientiert denn theoretisch argumen-

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Digitale Spiele sind in der Lage, Vehikel von Narration zu sein: gleichzeitig sind sie aber auch Spiele und müssen nicht zwangsläufig in eine Narration eingebettet sein. Digitale Spiele sind multimodale Gebilde, die aus bewegten, statischen und interaktiven Bildern, Texten, Geschichten, Regeln, etc. bestehen. Sie weisen nicht nur narrative Charakteristika, sondern eben auch genuin spielerische Aspekte auf. Das hybride Medium des Computerspiels kann aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden: „games can be several different things, depending on how one ap-

tiert Julian Kücklich in seiner Magisterarbeit Computerspielphilologie (Kücklich 2002; zugleich Kücklich 2008). 317

Gonzalo Frasca plädiert in dem Aufsatz Ludology meets Narratology von 1999 für eine eigenständige Spieleforschung, die er in Anlehnung an die Narratologie als Ludologie bezeichnet. Er kritisiert, dass Computerspiele nicht ausschließlich aus der Perspektive verstanden werden können, die sie als (erzählende) Texte konturiert. Er fordert dementsprechend eine Untersuchung digitaler Spiele primär als Spiele. Vgl. Frasca 1999, URL: www.ludology.org/articles/ludology.htm [12.03.2012]. Aus der Kritik an der Narratologie entwickelt sich eine eigenständige, ludologische Schule der Computerspielforschung, für die z.B. Jesper Juul steht. Ausgehend von Frascas Kritik entsteht ein ludologisches Instrumentarium, dass sich insbesondere aus den Arbeiten von Johan Huizinga, Roger Caillois, Elliott M. Avedon und Brian SuttonSmith orientiert (vgl. Huizinga (1939) 1987, Caillois 1958 (deutsche Ausgabe: Caillois 1982), Avedon/Sutton-Smith 1971, Sutton-Smith 1997). Die Ludologie versteht Computerspiele als die jüngste, digitale Ausformung des Spiels und damit in extremer Position als neueste technisch basierte Entwicklung einer Menschheits- und Kulturgeschichte des Spiels. Somit beginnt die Geschichte des Computerspiels aus extremer ludologischer Perspektive nicht mit William Higinbothams Tennis for Two im Jahr 1958, sondern lässt sich bis auf frühe Brettspiele Senet (2686 v. Chr.) zurückführen (vgl. Juul 2005a, S. 4). Der Standpunkt, dass digitale Spiele als Spiele untersucht werden müssen, zeigt sich illustrierend in einem Zitat von Markku Eskelinen, das die Debatte zwischen Narratologen und Ludologen ins Polemische wendet: „If I throw a ball at you I don't expect you to drop it and wait until it starts telling stories“ (Eskelinen 2001, URL: http://gamestudies.org/0101/eskelinen [13.03.2012]). Um die Beantwortung der Frage, ob Computerspiele nun als Texte oder Spiele betrachtet werden sollten, wird heute nicht mehr mit Ernsthaftigkeit gestritten. Der ‚Streit‘ wurde von Gonzalo Frasca (,der ihn 1999 zunächst angestoßen hatte; vgl. Frasca 1999) auf der Level Up-Konferenz 2003 in Utrecht beigelegt, indem er deutlich formulierte, dass digitale Spiele sowohl narrative als auch spielerische Züge in sich vereinen (vgl. Frasca 2003).

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proaches them. Looking for narratives, one can find (or construct)318 them, and it is equally possible to search and find the essence of games in their interactive character – in their gameplay.“319 Neben diesen narratologischen und ludologischen Zugängen etabliert sich ein dritter, bildwissenschaftlicher Ansatz.320 Die Hinwendung zum Bild erfolgt aus einer defizitären Behandlung dieses Aspekts in der bisherigen Computerspielforschung (vgl. Kap. 3.2.1), die sich wie folgt charakterisieren ließe: „Gleichwohl fällt mit Blick auf mittlerweile als kanonisch geltende wie aktuelle Forschungsliteratur die ‚Blindheit‘, vielleicht sogar die Ignoranz auf, mit der einem weiteren Aspekt des Computerspiels weithin gerade nicht begegnet wird: seiner Bildlichkeit oder Ikonizität.“321 Der im Englischen gebräuchliche Oberbegriff für das digitale Spiel – video game – betont den bildlichen Charakter des Phänomens in aller Deutlichkeit.322 Di-

318

Ein Beispiel zur scheinbar willkürlichen Konstruktion dramatischen, narrativen Inhalts ist Janet Murrays narratologische Interpretation des Puzzlespiels Tetris (Alexei Paschitnow, 1984). Dazu schreibt sie: „Even a game with no verbal content, like Tetris, the wildly popular and powerfully absorbing computer game of the early 1990s, has clear dramatic content. In Tetris irregularly shaped objects keep falling from the top of the screen and accumulating at the bottom. The player’s goal is to guide each individual piece as it falls and position it so that it will fit together with other pieces and form a uniform row. Every time a complete row forms, it disappears. Instead of keeping what you build, as you would in a conventional jigsaw puzzle, in Tetris everything you bring to a shapely completion is swept away from you. Success means just being able to keep up with the flow. This game is a perfect enactment of the overtasked lives of Americans in the 1990s – of the constant bombardment of tasks that demand our attention and that we must somehow fit into our overcrowded schedules and clear off our desks in order to make room for the next onslaught“ (Murray 2001, S. 143f.). Es wird heute zugestanden, dass digitale Spiele nicht zwangsläufig eine Geschichte erzählen müssen.

319

Mäyrä 2008, S. 10.

320

Vgl. Günzel 2006 (URL: http://www.bildwissenschaft.org/image/ausgaben?function =fnArticle&showArticle=89 [12.03.2012]), Schwingeler 2008, Hensel 2008 (URL: http://www.uni-siegen.de/zimt/dienste/mediathek/digital/archiv.xml?streamit= 92&lang=de [12.03.2012]), Günzel 2009, Günzel 2009a, Günzel 2009b, Günzel 2010a, Hensel 2011, Hensel 2011a, Beil 2012.

321

Hensel 2011, S. 282.

322

Eine deutsche Entsprechung wäre der Begriff Bildschirmspiel im Vergleich zum Videospiel. Mit Videospiel sind üblicherweise Spiele gemeint, die mittels Spielkonsolen rezipiert werden (vgl. Anm. 1). Die Bezeichnung Bildschirmspiel ist in deutsch-

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gitale Spiele bestehen neben narrativ-textuellen und spielerischen Elementen zu einem wesentlichen Teil aus Bildern, über die sich die anderen Elemente veranschaulichen: die Geschichten werden in Form von Bildern erzählt und das Gameplay entfaltet sich durch die Manipulation der Bilder.323 Als methodisch adäquat für die Kunstwissenschaft erweist es sich demnach, Computerspiele hinsichtlich ihrer Bildlichkeit zu untersuchen. Die vorliegende Arbeit ist diesem Ansatz zuzuordnen. Das Computerspiel mit seinen Apparaten ist ein Bildmedium, da es Bilder hervorbringt, diese auf Bildschirmen veranschaulicht und das sich dem Rezipienten primär in Form von Bildern zeigt.324

5.2 C HARAKTERISTIKA

DES

C OMPUTERSPIELBILDES

Das Computerspiel bringt Bildphänomene hervor, indem das Computerprogramm bis zu 60 Mal in der Sekunde ein neues Bild generiert, das sich auf der Fläche eines Bildschirms – und damit in einem Rahmen – zeigt. Es handelt sich um (audio)visuelle Veranschaulichungen fiktiver Sachverhalte.325 Im Sinne eines engen Bildbegriffs erfüllen die vom Computerprogramm generierten Bilder folgende Kriterien: sie sind visuell wahrnehmbar, artifiziell hergestellt (im Gegensatz z.B. zu Spiegelbildern) und persistent (im Gegensatz z.B. zu flüchtigen Wolkenbildern).326 Das Bild (nicht nur das Computerspielbild) liegt grundsätzlich in drei Modi vor, die sich hinsichtlich ihrer Bewegungsart und Rezeptionsform unterscheiden: 1. das statische Bild, 2. das bewegte Bild und 3. das interaktive Simulationsbild.327 Statische Bilder

sprachiger Fachliteratur allerdings eher selten. Vgl. in Auswahl Swoboda 1990, Rautzenberg 2002, Walter 2002, Zumbansen 2008. 323

Textadventures und Interactive Fiction, die nur aus geschriebenem Text bestehen, bilden Ausnahmen, werden aber wie andere Computerspiele auch über Bildschirme rezipiert. Vgl. zur Kategorie des beschriebenen Raums im Computerspiel Schwingeler 2008, S. 105-107.

324

„Von ‚Bildmedium‘ ist zunächst dann zu sprechen, wenn ein materieller Träger mit einer in ihm geformten Botschaft als ‚Mittler‘, über den visuelle Botschaften gesendet und empfangen werden können, zwischen zwei Individuen oder Gruppen tritt“ (Bredekamp 2008, S. 356).

325

Vgl. Sachs-Hombach 2005. S. 12.

326

Vgl. ebd., S. 13.

327

Lambert Wiesing identifiziert insgesamt vier unterschiedliche Modi von Bildobjekten: „Zusammengefaßt bedeutet dies, daß vier Arten von Bildobjekten denkbar sind und daß diese Denkmöglichkeiten schrittweise durch die Entwicklung der Bildmedien verwirklicht wurden. Es gibt: 1. das starre Bildobjekt des Tafelbildes, 2. das be-

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der Malerei, Graphik oder Fotografie zeichnen sich ebenso wie Bilder des Films und des Videos durch eine passive Rezeption aus, während Rezpienten von interaktiven Bildern in Computerspielen die Bewegung der Bilder selbst auslösen, sie die Bewegung in der Folge dessen auf ihre eigenen Handlungen beziehen und somit von aktiver Rezeption gesprochen werden kann. In Computerspielen sind üblicherweise alle Bildmodi zu sehen: Ein Computerspiel als Software ist nicht durchgängig vom Spieler steuerbar. Der Titelbildschirm, Ladescreens, vorberechnete Animationsfilme (meist narrative, so genannte Cut-Scenes oder auch FMVs), die im Spiel als Belohnung an den Spieler eingesetzt sind, und der Abspann stellen beispielsweise visuelle Elemente des Computerspiels dar, auf die der Spieler keinen Einfluss hat, sondern schlicht betrachtet werden. Im Bereich der Materialität changiert das vom Computerspiel generierte Bild zwischen seiner unsichtbaren Existenz als immaterieller, codierter Datensatz und seiner Materialisierung als visuell wahrnehmbares Bild auf einem physischen Bildschirm, der den Bildern zudem eine Rahmung verleiht. Computerspielbilder müssen von einem Computerprogramm geladen und von einer visuellen Schnittstelle veranschaulicht werden.328 Es handelt sich um technische Bilder, die sowohl einen technischen Bildträger besitzen als auch durch einen technischen Apparat erzeugt werden – nämlich durch die Hardware des Computerspiels.329 Es gehen während eines Computerspiels physisch greifbare Prozesse vonstatten, die mit dem Prozess der automatischen Berechnung des neuen Bildes zusammen hängen und insbesondere von der Hardware als Bildträger ausgehen: Spannung wird angelegt, es fließt Strom, der Lüfter springt an, der Monitor erneuert seine Bildzeilen bzw. richtet flüssige Kristalle auf eine bestimmte Weise ein, so dass sich ein Bild zeigt etc. In diesem Sinne ist einem Gedanken zu widersprechen, dass die Bilder der Computerspiele rein immaterieller Natur sind. Die Bilder der Computerspiele (sowie ebenso anderer so genannter ‚virtueller Welten‘ oder digitaler Compu-

wegte, aber determinierte Bildobjekt des Films, 3. das frei manipulierbare Bildobjekt der Animation und 4. das interaktive Bildobjekt in der Simulation“ (Wiesing 2005b, 2005, S. 122). In dieser Arbeit werden das frei manipulierbare Bildobjekt der Animation (3.) und das interaktive Bildobjekt in der Simulation (4.) zum interaktiven Simulationsbild zusammengefasst. Dementsprechend wird zwischen drei Formen von Bildobjekten unterschieden – nämlich statisch, bewegt und interaktiv. Vgl. zu dieser Unterscheidung Günzel 2009, S. 333; Günzel 2009a, S. 301; Günzel 2009b, S. 50. 328

Computerspielbilder „haben die Eigenschaft, nur dann bildhaft und sichtbar zu werden, wenn ein Programm sie lädt und an eine visuelle Ausgabeschnittstelle weiterleitet, an einen Bildschirm, einen Projektor“ (Heidenreich 2005, S. 381).

329

Vgl. Sachs-Hombach 2005a, S. 37.

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terbilder) sind nur sicht- und damit in sinnvoller Weise manipulierbar, wenn sie sich durch physische Prozesse auf einem Bildträger materialisieren.330 5.3.1 Wechselspiel von Bild, Raum und Handlung Die manipulierbaren, interaktiven Simulationsbilder der Spiele lassen sich in scheinbarer Echtzeit vom Rezipienten bewegen. Sie zeichnen sich in besonderem Maße dadurch aus, dass sie spezifische räumliche Konfigurationen hervorbringen, mit denen Benutzer in Interaktion treten und sie zum Zwecke des Spiels manipulieren.331 Im Zusammenwirken von Bild und Handlung werden Computerspiele zu „spatial journeys“332 oder auch „navigable space“333 . Das Interagieren mit Konfigurationen von Raum im Bild kann als die „raison d´être“ von Computerspielen gelten.334 Dieser Ansatz, dessen Entwicklung nicht nur mit einem Iconic Turn335, son-

330

Den Diskurs über Immaterialität und Virtualität fasst Margarete Pratschke zusammen: „Geprägt von der Faszination ‚Virtueller Welten‘, richtete sich das Interesse [der Erörterungen der Bildwelten des Computers] auf den Scheincharakter digitaler Ästhetik: Digitale Bilder wurden aufgrund ihrer fortwährenden Wandelbarkeit so lange für immateriell erklärt, dass sie dahinter vollständig verschwanden, als wären sie gar nicht existent“ (Pratschke 2005, S. 7). Horst Bredekamp bemerkt zur angenommenen Immaterialität technischer Bilder schon 1998: „Die scheinbar körperlosen Bilder der Bildschirme haben einen ubiquitären Platonismus bewirkt, gegenüber dem die Piercing-, Bungee- und Körperkultwellen einen Gegenpol zu bilden versuchen. Dieser Widerspruch spitzt sich in der Behauptung des immateriellen Gehalts technisch produzierter Bilder zu. Es ist ein abstruser Gedanke, daß ein Bild auf einem Screen materiefrei wäre. Das haben Videokünstler gerade der ersten Generation darin zugespitzt, daß sie den Fernseher als Skulptur genutzt haben“ (Huber/Kerscher 1998, S. 88f.). Vgl. allgemeiner zu Virtualität zudem einschlägig Kerscher 2000.

331

Vgl. Schwingeler 2008.

332

Manovich 2001, S. 214.

333

Ebd., S. 213.

334

„An anderer Stelle habe ich bereits darauf hingewiesen […], dass Räumlichkeit ein Hauptthema von Computerspielen ist. […] Insgesamt wird jedoch deutlich, dass das, was das kulturelle Genre des Computerspiels von anderen Genres wie Romanen und Filmen unterscheidet – neben seinen offensichtlichen kybernetischen Unterschieden – seine Befasstheit mit Raum ist. Viel mehr noch als Zeit (die man in den meisten Spielen anhalten kann), mehr auch als Handlungen, Ereignisse oder Ziele (die sich von Spiel zu Spiel langweilig gleich bleiben) und zweifellos mehr als Charakterschilderungen (die normalerweise gar nicht existieren) zelebrieren und erkunden die Spiele Raumdarstellungen als ihr zentrales Motiv und ihre raison d’être“ (Aarseth

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dern – bedingt durch die besondere Hervorbringung räumlicher Konfigurationen im Computerspielbild – auch mit einem „spatial turn der Game Studies“336 in Verbindung gebracht werden kann – stellt die bestimmende bildwissenschaftliche Position dieser Arbeit dar. Das Spielen eines Computerspiels vollzieht sich primär durch das Sehen von Bildern und die Manipulation und Bewegung der Bilder durch die SpielerInnen. Die Bildphänomene des Computerspiels müssen also nicht nur gesehen, sondern es muss auch mit ihnen gespielt werden. Das Sehen der Bilder stellt dabei die Grundlage der Handlung mit und im Bild dar.337 Die apparative Bedingtheit und die Notwendigkeit eines Interface sind weitere Voraussetzungen für die Handlungen mit und im Bild. Das Spiel und sein Raum entfalten sich aus der Manipulation des Bildes.338 Dieser Aktionsraum des Spiels entwickelt sich im Spannungsfeld von Bild und Handlung.339 Als einleuchtendes Beispiel für das Zusammenspiel von Bild, Raum und Handlung kann auf die Funktionsweise des ersten funktionierenden Computerspiels verwiesen werden: Tennis for Two von 1958 ist ein einfaches Tennisspiel für zwei SpielerInnen – gespielt auf einem Analogcomputer verbunden mit einem analogen Oszilloskop. Die SpielerInnen müssen einen Lichtpunkt, der offensichtlich einen Ball repräsentiert, von einer Seite des Bildschirms zur anderen ‚schlagen‘. Der Schirm des Oszilloskops begrenzt das sichtbare Bild und bildet gleichzeitig den Handlungsraum des Spiels. Es gelten bestimmte Gesetze innerhalb dieses Raums. Die Schwerkraft ist programmiert und simuliert. Der Ball bewegt sich nach den Regeln der Physik. William Higinbotham – der Erfinder des Spiels – entwickelte sei-

2001, S. 303 und 309). „Mit ‚Thema‘ meint er [Aarseth] damit nicht die Narration – das heißt das Bildsujet als Referenz –, sondern worum es beim Benutzen der Spiele geht: Mit dem zu interagieren, was sie darbieten; und Computerspiele bieten einem Nutzer in erster Linie Konfigurationen von Raum an, die bildlich vermittelt sind und nur in der Bildbenutzung erfahren werden können“ (Günzel 2009b, S. 52). Zur Räumlichkeit des Computerspiels vgl. zudem Wolf 2001a, Von Borries et al. 2007, Schwingeler 2008, Nitsche 2008, Walz 2010, Günzel 2012. 335

Vgl. Hensel 2011.

336

Günzel 2009b, S. 54. Vgl. auch Günzel 2010a.

337

Vgl. zu Formen der Bildhandlung Seja 2009.

338

„Die Daten müssen in einem Rahmen erscheinen, um den Status des Bildmediums zu erreichen, und gerade die avanciertesten Versuche, eine möglichst komplette Erfahrungswelt in Form der Begehbarkeit ‚virtueller Räume‘ zu generieren, sind auf den physisch definierten Sichtraum angewiesen, der durch das Sehen und den Tastdruck der Finger erfahrbar ist“ (Bredekamp 2008, S. 366).

339

Günzel 2009, S. 345.

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nen Apparat 1959 weiter und stattete ihn mit der Funktion aus, die Gesetze der Gravitation zu verändern: „So wurde Tennis auf dem Jupiter, auf dem Mars oder sonst wo möglich.“340 Die SpielerInnen nehmen mittels eines Kontrollgerätes, das sie in der Hand halten, durch die Drehung eines Hebels und durch Tastendruck Einfluss auf die Bewegung des Balles. Durch die Reaktionen und die Bewegung des Balles kommt eine zeitliche Komponente ins Spiel. Der Ball wird von einem Spieler ‚abgeschlagen‘, daraufhin bewegt sich der Lichtpunkt bedingt durch die programmierten physikalischen Gesetze von einer Seite des Bildschirms zur anderen. Er legt eine Strecke zurück; das dauert ein wenig Zeit. Der zweite Spieler muss die im Bild sichtbare Bewegung des Lichtpunktes beobachten, um im richtigen Moment zu reagieren und den Punkt per Knopfdruck wieder in Richtung des ersten Spielers zu bewegen. Die Verbindung der Simulation von Physik mit der abgebildeten Bewegung des Lichtpunktes konstituiert die Erfahrung der Räumlichkeit mit den Bildern des Spiels.341 Tennis for Two bekommt dadurch ein raumzeitliches Element.342 Die Rezeption von Computerspielen ist maßgeblich davon geprägt, dass Computerspiele eine raumzeitliche Komponente aufweisen. Sowohl die Suggestion von Bewegungen im Bild als

340

Lischka 2002, S. 21.

341

Allgemeiner zur Verbindung von Bild, Raum, Zeit und Handlung in der Medienkunst bemerkt Ursula Frohne: „Diesem Phänomen [des zeitlichen Faktors] gemäß wird dem Betrachter schon bei der Rezeption [...] eine Anpassung an die innerzeitliche Struktur des Werkes abverlangt, die, durch die Abfolge der Bildsequenzen definiert, einen festgefügten zeitlichen Rahmen der Erfahrungsleistung vorgibt. Ist die Dauer der Vergegenwärtigung des Dargestellten bei den traditionellen Bildformen weitgehend der individuellen Auffassungsgabe und Wahrnehmungssteuerung des Rezipienten überlassen, so beansprucht das verzeitlichte Erscheinungsbild der Medienkunstwerke ein Einlassen auf den vorgegebenen Prozeß der Abfolge bewegter Bilder. An die Stelle traditioneller Repräsentationen tritt das ‚sequentielle Zeitbild‘“ (Frohne 1997, S. 38). Und weiter schreibt sie zur Handlung mit dem Bild: „Die Bandbreite der technischen Manipulationsmöglichkeiten prädestiniert das elektronische Medium wie keine andere Gattung der bildenden Kunst für die Visualisierung von Temporalität und das ästhetische Erfassen verzeitlichter Erscheinungen des Körpers und des Raumes“ (ebd., S. 41).

342

Steven Poole bemerkt über die Raumzeitlichkeit von Computerspielen: „Every videogame, you see, constructs not only a space but a space-time. All 3-D games are in this sense four-dimensional“ (Poole 2004, S. 127). Alle Computerspiele – auch zweidimensional gestaltete Spiele – verfügen über eine zeitliche Komponente. Die von Poole betonte Vierdimensionalität kann sich aber nur auf 3D-grafische Spiele beziehen, da die Zeit bei zweidimensionalen Spielen zur dritten Dimension würde.

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auch die Suggestion, diese Bewegungen selbst hervorzurufen und zu manipulieren, tragen zur spezifischen Rezeptionssituation beim Spielen bei: Der Genuss des Spiels wird nicht nur visuell, sondern in besonderem Maße kinästhetisch – also durch Bewegungswahrnehmung – hervorgerufen.343 Die Wahrnehmung und Manipulation von bewegten Bildern ist ein zentraler Bestandteil bei der Raumerfahrung, die Computerspiele evozieren. Dies bedeutet auch, dass Computerspiele nicht zwingend einen konkreten Raum – etwa im Sinne eines bestimmten Interieurs – darstellen müssen, um räumliche Konfigurationen hervorzubringen. Das Computerspiel und sein Rezipient sind in einen kybernetischen Regelkreis aus Aktion und Reaktion eingespannt und eng miteinander verbunden. Innerhalb dieses „information feedback loop“344 lassen sich sowohl der Spieler als auch das Computerpiel als handelnde Instanzen identifizieren (vgl. Anm. 180).345 Dies ist keineswegs metaphorisch gemeint: Der Spieler bewegt mit seiner Hand z.B. eine Maus. Diese Bewegung wird vom Programm registriert und, als unmittelbare Reak-

343

Die aus der Bewegungswahrnehmung resultierende Raumerfahrung „lässt sich mit dem Begriff des hodologischen Raums näher erklären. Der Begriff des hodologischen Raums ist vom Psychologen Kurt Lewin geprägt worden. Mit dem Begriff des hodologischen Raums lässt sich der Spielverlauf beschreiben [...]. Lewin verstand unter dem ‚Wegeraum‘ [...] die Summe all derjenigen Strecken, die ein Mensch tagtäglich zurücklegt und die folglich seine Welt bildet. Im Computerspiel umfasst er die zurückgelegte Strecke als Strecke von Ereignissen im Spiel, durch welche dem Raum seitens des Spielers qualitative Eigenschaften beigemessen werden. Es ist dies der Erfahrungsraum des Spiels, der aus dem Wissen um den Standort im gesamten Spielgefüge resultiert. Dieser hodologische Raum kommt zustande, wenn der Spieler die im Spiel repräsentierten Bewegungen auf seine Handlungen und Interaktionen bezieht. [...] Stephan Günzel bemerkt [...]: ‚Raum ist nicht gegeben, sondern wird durch die Interaktion von Raumkörpern oder menschlichen Handlungen bestimmt‘ [...]. Durch den Begriff des hodologischen Raums ist es demnach zu erklären, wie der Eindruck entsteht, sich in der digitalen Bildwelt zu bewegen – und der Bildraum, obwohl er aus Bildern besteht – als Raum erfahrbar ist. Ein aktuelles Computerspiel zu spielen, ist etwas anderes als ein Gemälde zu betrachten, das eine räumliche Situation zeigt. Es ist ebenso nicht mit der Rezeption eines Films vergleichbar, da ein Spiel gespielt wird und es in besonderem Maße darauf ankommt, die Kontrolle und die Macht über das Bild zu bekommen“ (Schwingeler 2008, S. 144). Der Begriff des hodologischen Raumes wurde von Stephan Günzel in die bildwissenschaftlich geprägte Computerspielforschung eingebracht. Vgl. Günzel 2006, URL: http://www.bildwissen schaft.org/image/ausgaben?function=fnArticle&showArticle=89 [16.03.2012].

344

Aarseth 1997, S. 19.

345

Vgl. Galloway 2006a.

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tion darauf, generiert die Software automatisch ein neues Bild, das sich auf die Eingabe bezieht. Die Reaktion des Computerspiels geschieht dabei in so genannter ‚Echtzeit‘, d.h. der Apparat reagiert so schnell unter der Wahrnehmungsschwelle, dass der Rezipient dies nicht bemerken kann. Somit bezieht der Rezipient die Reaktion unmittelbar auf seine Bewegung, das neu generierte Bild als von ihm hervorgerufen und reagiert auf die Reaktion des Spiels wiederum mit einer eigenen, neuen Reaktion. In Verbindung mit der Raumzeitlichkeit des Computerspiels muss ein generelles methodisches Problem der Analyse von Computerspielen und ihrer Bilder angesprochen werden. Dabei handelt es sich um die Bilderfülle, die von aktuellen Computerspielen generiert wird. Ein Beispiel soll diesen Gedankengang illustrieren: Ein kommerzielles Singleplayer-Computerspiel wie beispielsweise Kingdom Hearts (Square Co., Ltd., 2002) zeichnet sich dadurch aus, dass die Rezeptionszeit bei weit über 50 Stunden liegt. Innerhalb dieser Rezeptionszeit werden durch die Eingaben der SpielerInnen stets neue Bilder evoziert, die vom Programm generiert werden. Die während des Spielverlaufs generierten Bilder unterscheiden sich zudem von Rezipient zu Rezipient, da die vom Benutzer durchgeführten Handlungen jeweils variieren und kein Spielverlauf dem anderen gleichen kann. Das bedeutet, dass kein Spieler dieselben Bilder wie ein anderer sieht – so wie das etwa bei der gemeinsamen Sichtung desselben Films stattfindet. Mehr noch: Computerspiele wie z.B. World of Warcraft haben grundsätzlich kein Ende in dem Sinne, dass eine aufgerufene Narration vollständig erzählt würde und schließlich ein Abspann und die Saalbeleuchtung die Spieler wie im Kino aus der medialen Erfahrung entließen. Dazu kommt ferner, dass ein MMORPG wie z.B. World of Warcraft von vielen Millionen Menschen gleichzeitig erfahren wird, was die in diesem Prozess hervorgebrachten Bilder theoretisch zu einer Menge potenziert, die nahezu unmöglich zu erfassen ist. Um dieser Bilderflut Herr zu werden, hat Lev Manovich mit William Huber ein bildwissenschaftliches Analyseinstrument entwickelt und erprobt. Manovichs Methode visualisiert den Spielverlauf in einer statischen Bildsequenz (ähnlich einer filmanalytischen Herangehensweise). Im konkreten Beispiel wurden die Spiele Kingdom Hearts (Square Co. Ltd., 2002) und die Fortsetzung Kingdom Hearts II (Square Enix., 2005) von Anfang bis zum Ende durchgespielt und die Durchquerung der Narration und der Spielräume mittels digitalem Video aufgezeichnet, was im Falle von Kingdom Hearts 62,5 und im Falle des Nachfolgers Kingdom Hearts II 37 Stunden in Anspruch genommen hat. Jeder sechste Frame der Videoaufzeichnung wurde als statisches Einzelbild fixiert. Daraus hat sich ein Bildkorpus ergeben, das im Falle von Kingdom Hearts 225.500 Einzelbilder und im Falle von Kingdom Hearts II 133.000 Einzelbilder umfasst. Die hier abgebildeten – extrem verkleinerten – Visualisierungen dieser Durchquerungen als Gesamtsequenz bilden

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nur jedes zehnte Bild des Gesamtkorpus ab und bestehen entsprechend aus 22.500 bzw. 13.000 einzeln montierten Bildern (Abb. 10).346 Diese innerhalb eines solchen Spiels hervorgerufenen und entstandenen Bilder als Einzelbilder aufzufassen und nacheinander sinnvoll zu analysieren, ist – bedingt durch die generierte Menge – nicht zu leisten. Dies zeigt in aller Deutlichkeit die methodischen Schwierigkeiten der Computerspielanalyse, die bedingt durch die zu bewältigende Menge an Untersuchungsmaterial schnell an ihre Grenzen zu stoßen droht. Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Bilder eines Computerspiels und seiner Modifikation können aus diesen Gründen nur Ausschnitte sein, die sorgfältig ausgewählt mit dem Blick auf den Gesamtspielverlauf des Spiels und seiner Modifikation typische Bilder darstellen oder besondere Details gesondert sichtbar machen, um argumentativ zu fungieren (etwa um herauszuarbeiten, wie die KünstlerInnen die Bildlichkeit des Ausgangsmaterials modifiziert haben). Es ist dabei wichtig zu betonen, dass es bei visuell weniger komplexen Spielen ein weniger aufwändiges Unterfangen darstellt, ein typisches Bild auszuwählen, dass wie ein pars pro toto für den gesamten Spielverlauf stehen kann. Dies verweist aber auch auf die Schwierigkeiten der Vergleichbarkeit von Computerspielen untereinander (Tetris vs. World of Warcraft) und damit auf die Komplexität der Mediengattung Computerspiel im Allgemeinen. Das Computerspiel gibt es nicht.

Abb. 10: Visualisierung der Durchquerungen von Kingdom Hearts und Kingdom Hearts II

346

Vgl. Huber 2010, URL: http://lab.softwarestudies.com/2012/02/kingdom-heartsgame-play-visualizations.html [08.02.2012] sowie zu Möglichkeiten im Umgang mit solch großen Bildkorpora Manovich et al. 2011, URL: http://www.manovich.net/ DOCS/How_to_compare_one_million_images.draft.2011.docx [08.02.2012]

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5.2.2 Bildbegriffe: Verschiedene Seiten des Computerspielbildes Computerspielbilder sind digital. „Was man am Ende sieht, ist also nur die oberste Zwiebelschale einer ganzen Reihe von Zauberkunststücken, die alle erst einmal erfunden, durchgerechnet und optimiert sein wollten“347 – dieses Zitat von Friedrich Kittler verweist auf eine scheinbar ‚magische‘ Seite des digitalen Bildes, die dem menschlichen Auge verborgen ist. Dieser verborgenen Seite des Computerspielbildes kommt in dieser Arbeit eine zentrale Rolle zu, da die KünstlerInnen diese dem menschlichen Auge abgewandte Unterfläche des Bildes mittels verschiedener Strategien an die Oberfläche holen und damit dem Rezipienten zuwenden. Die vorliegende Arbeit konzeptionalisiert digitale Bilder als Bilder, die sich dadurch auszeichnen, dass sie eine „Doppelexistenz, als Datensatz und als sichtbares Bild“ führen.348 Sie sind also nicht nur zu sehen, sondern sind immer auch unsichtbarer Teil eines Computerprogramms. Das digitale Bild ist erst zu sehen, sobald es sich durch technische Prozesse und Berechnung auf einem Bildträger materialisiert hat. Unabhängig von seiner Sichtbarkeit existiert es aber auch als Abfolge von Zeichen – letztlich als binärer Code. 5.2.2.1 Ober- und Unterfläche: Das doppelte Bild Diese Doppelnatur des digitalen Bildes ermöglicht technisch die Manipulierbarkeit des Bildes durch die Nutzer und im Falle eines Computerspiels ein Spielen mit dem Bild. Mit Frieder Nake wird das Computerspielbild in dieser Arbeit als doppeltes Bild bezeichnet. Nake ordnet dem digitalen Bild zwei Seiten – eine Oberfläche und eine korrespondierende Unterseite – zu: „Das Bild als digitales Bild ist zuvordererst algorithmisch geworden: Es besitzt nun auch eine unterflächliche Innerlichkeit bzw. ist Oberfläche und Unterfläche zugleich. Die Oberfläche des digitalen Bildes ist sichtbar, während die Unterfläche bearbeitbar ist. Die Oberfläche besteht für den Benutzer, die Unterfläche für den Prozessor (mit Programm). Zur Unterfläche gehört das und nur das, was als Datenstruktur und Algorithmus vorhanden ist.“349

Die Oberfläche des digitalen Bildes ist für den Menschen sichtbar, während der Code der Unterfläche für den Menschen unsichtbar aber maschinenlesbar ist. Dies bedeutet, dass den beiden Seiten des Bildes auch zwei handelnde Instanzen zugeordnet sind, die Einfluss auf das Bild ausüben. Die Oberfläche ist dem Menschen

347

Kittler 2002, S. 47.

348

Heidenreich 2005, S. 381.

349

Nake 2005, S. 47.

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zugewandt und wird von diesem manipuliert, während der Apparat die Unterfläche des Bildes beeinflusst.350 Ober- und Unterfläche bilden aber eine Einheit und bedingen sich gegenseitig: „Erst das verdoppelte Bild erlaubt die technische Interaktion. Es wird geradezu zur Schnittstelle seiner selbst: Die sichtbare Oberfläche des Bildes wird zum Interface seiner unsichtbaren Unterfläche.“351 Das Computerspiel als Programm und die codierte Konstruiertheit seiner Bilder treten im normativen Spielvollzug nur selten in wahrnehmbare Erscheinung; etwa, wenn es zu einem Programmfehler kommt, der den Fluss des Spiels stört; Grafikfehler erzeugt oder z.B. Codezeilen im Bild in Erscheinung treten lässt (Abb. 11). Man kann feststellen, dass die Computerspielbilder ihre mediale, codierte Bedingtheit verschleiern und ihre Rezeption naturalisieren.352 Der Rezipient soll nicht auf die Unterfläche der Bilder der Spiele (und damit das Computerprogramm) schließen. Eine wesentliche Strategie der künstlerischen Computerspielmodifikation besteht darin, die Unterfläche des digitalen Bildes hervorzuholen und diese sichtbar zu machen. Aus der doppelten Natur des Computerspielbildes ergibt sich die analytische Möglichkeit, hinter bzw. unter die Bilder auf den Code zu blicken und den Code als eine für das Auge verborgene Seite des Kunstwerks zu betrachten. Eine Analyse von Teilen des Codes wird in dieser Arbeit exemplarisch an der Farbgebung des

350

Lev Manovich teilt das Computerbild in ähnlicher Weise ein. Er unterscheidet zwischen dem cultural layer und dem computer layer. Das cultural layer ist dem Benutzer, das computer layer dem System zugewandt. Das computer layer als Unterfläche ist dementsprechend abstrakt, das cultural layer als Oberfläche konkret. Während sich im cultural layer Dateien als wahrnehmbare Bilder und Töne konkretisieren, bedingen abstrakte Prozesse diese Konkretion im computer layer und stellen sie her. Das computer layer steht dafür wie das Computerspiel konstruiert ist und das cultural layer dafür wie es wahrgenommen wird.: „On the level of representation, it [the computer image] belongs to the side of human culture, automatically entering in dialog with other images, other cultural ‚semes‘ and ‚mythemes.‘ But on another level, it is a computer file which consists of a machine-readable header, followed by numbers representing RGB values of its pixels. On this level it enters into a dialog with other computer files. The dimensions of this dialog are not the image’s content, meanings or formal qualities, but file size, file type, type of compression used, file format and so on. In short, these dimensions are that of computer’s own cosmogony rather than of human culture. Similarly, new media in general can be thought of as consisting from two distinct layers: the ‚cultural layer‘ and the ‚computer layer‘“ (Manovich 2001, S. 63).

351

Nake 2005, S. 49.

352

Vgl. Nohr 2008.

150 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

Kunstwerks Super Mario Clouds erprobt (vgl. Kap. 9). Eine Analyse des Codes gestaltet sich allerdings oftmals schwierig, da er häufig im Verborgenen operiert und auch die KünstlerInnen selbst auf einer anderen (visuellen) Ebene – nämlich über Editoren etc. – mit den Bildern und Strukturen der Spiele umgehen. In diesem Zusammenhang stellt Super Mario Clouds eine Ausnahme dar, da in diesem Falle die genauen Schritte der Herstellung und Programmierung vom Künstler Cory Arcangel dokumentiert sind und somit ein verständlicher, nachvollziehbarer Einblick in die Code-Ebene möglich wird.353 Methodisch ist der Blick auf die Code-Ebene – da wo es möglich ist; z.B. bei Super Mario Clouds – ein wichtiges Analyseinstrument. Im Fall von Super Mario Clouds wird deutlich, dass die Programmiersprache Assembly in Verbindung mit den technischen Voraussetzungen der Nintendo- und Fernsehtechnik (vgl. Kap. 9.2) das spezifische Aussehen des Kunstwerks bedingt. Sprich: die Unterfläche des digitalen Bildes bedingt das Aussehen und Verhalten seiner Oberfläche. Im Umkehrschluss können digitale Bilder, die auf ihrer visuellen Ebene nicht voneinander zu unterscheiden sind, theoretisch auf völlig unterschiedlichen Codes, Apparaten und anderen technischen sowie medialen Bedingungen basieren. 5.2.2.2 Bildträger und Bildobjekt Über die doppelte Natur des digitalen Bildes hinaus werden in dieser Arbeit den Bildern der Computerspiele und Computerspielmodifikationen zwei Seiten zugewiesen. Im Englischen ist es üblich, zwischen picture und image zu unterscheiden:354 Das picture ist ein materielles Objekt, das image nicht. Ein image erscheint in einem picture. Das image kann als „immaterielle Entität“355 gedacht werden, dass sich in Form eines picture manifestiert. Schlichter gesprochen: Ein picture kann man aufhängen, ein image nicht.356 Diese englischsprachige Einteilung in picture und image findet ihre deutschsprachige Korrespondenz in der Phänomenologie Edmund Husserls, der das Bild in Bildträger und Bildobjekt unterteilt. Mit Bildobjekt meint Husserl: „ein Erscheinendes, das nie existiert hat und nie existieren wird, das uns natürlich auch keinen Augenblick als Wirklichkeit gilt.“357 Der Bildträger bezeichnet den materiellen Gegenstand und das Bildobjekt die vom Rezipienten wahrgenommene Erscheinung sowie die Bedeutung des Bildes.

353

Vgl. Arcangel 2005.

354

Vgl. Gehring 2006, S. 62.

355

Mitchell 2009, S. 323.

356

Vgl. ebd.

357

Husserl 2006, S. 19.

D AS C OMPUTERSPIEL ALS B ILDMEDIUM

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Falls sich ein Bild auf ein reales Objekt (einen Gegenstand, eine Person, eine Landschaft etc.) bezieht, lässt sich zusätzlich zu Bildträger und Bildobjekt von Bildsujet oder Bildgegenstand sprechen.358 Der Bildträger kann in vielerlei Hinsicht unterschiedlich sein. Im Fall von digitalen Spielen ist der Bildträger stets technisch durch die Hardware bestimmt: Die Bilder, die von Computerspielen hervorgebracht werden, manifestieren sich errechnet durch Apparate wie Computer und Konsolen auf Bildschirmen wie z.B. Computermonitoren, Fernsehern und Displays von Mobiltelefonen und Tablet-Computern. Sie können aber auch ähnlich wie die Bilder des Films projiziert werden. Im Falle künstlerischer Computerspielmodifikation berücksichtigt die Analyse auch die Bildträger. Künstler wie Cory Arcangel (*1978) oder Arcángel Constantini (*1970) verwenden beispielsweise historische Hardware als Bild- und Tonträger – ‚Elektroschrott‘; wieder verwendete Konsolen und Cartridges, deren physische Präsenz und Materialität als objekthafte und installative Komponente in die Kunstwerke integriert ist. Eddo Stern (*1972) bezieht das Dispositiv, die Wahrnehmungssituation und die Qualität der Trägermedien installativ mit ein (vgl. zu Computerspieldispositiven Kap. 2.3.4.2). Im Gegensatz zum materiellen Träger des Bildes ist das Bildobjekt nicht physisch greifbar, sondern entfaltet sich ausschließlich in der Rezeption: ,,Der Gedanke ist eindeutig: Wer ein Bild herstellt, schafft nicht ein Zeichen, sondern eine besondere Art von Gegenstand: ein Bildobjekt, ein imaginäres Haus – [...]: ein ‚Sichtbarkeitsgebilde‘. Er schafft ein nursichtbares Haus, einen Gegenstand aus reiner Sichtbarkeit.“359

358

„Die von Husserl geprägte Terminologie nennt das darstellende Material ‚Bildträger‘ und das reale Objekt, auf welches sich ein Bild beziehen kann ‚Bildsujet‘. Entscheidend ist sein Vorschlag, wie die im Bild sichtbar erscheinende Darstellung genannt werden sollte: Husserl spricht 1901 von ‚Bildobjekt‘“ (Wiesing 2005a, S. 30). In einem Vergleich zwischen zeichentheoretischen und wahrnehmungstheoretischen Ansätzen in der Bildtheorie weist Lambert Wiesing (Bezug nehmend auf Edmund Husserl) dem Bild drei Seiten zu – nämlich Darstellendes, Darstellung und Dargestelltes. Die zeichentheoretisch korrespondierenden Begriffe zu dieser Dreiteilung lauten: Darstellendes = Zeichenträger, Darstellung = Sinn/Inhalt (Intension) und Dargestelltes = Bedeutung/Referenz (Extension). Der Rezipient wird im zeichentheoretischen Ansatz als Leser aufgefasst. Wahrnehmungstheoretisch sind die korrespondierenden Begriffe: Darstellendes = Bildträger, Darstellung = Bildobjekt (imaginärer Gegenstand) Dargestelltes = Bildsujet (Referenz). Der Rezipient ist ein Zuschauer oder Betrachter. Der Begriff des Bildobjekts ist als dezidiert antisemiotischer Gegenbegriff gegen die ‚Versprachlichung‘ des Bildes in der Zeichentheorie und demnach als genuin bildwissenschaftlich zu verstehen. Vgl. ebd.

359

Ebd., S. 33.

152 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

Mit Arthur C. Danto ist der Bildträger als materielle und technisch-mediale Seite des Bildes mit dem Begriff opak gekennzeichnet und das Bildobjekt als transparent zu beschreiben.360 Opazität und Transparenz befinden sich in einem stetigen Wechselspiel, was laut Gottfried Boehm einen Aspekt der ikonischen Differenz ausmacht (vgl. Kap. 6.2.2).361 Im Hinblick auf die Kunstwerke, die in dieser Arbeit analysiert werden, sieht man die Opazität aufscheinen und sich gegenüber der Transparenz in den Vordergrund drängen. Dadurch werden die medialen und materiellen Eigenschaften des Computerspiels ansichtig. (Das Begriffspaar Transparenz/Opazität wird in Kapitel 6 medientheoretisch vertieft und für die vorliegende Arbeit nutzbar gemacht.) Bilder können zudem etwas darstellen oder vergegenwärtigen. Das Bildobjekt kann, falls es ein Bildsujet zur Anschauung bringt, auf eine Referenz verweisen – also auf einen real existierenden Gegenstand (oder auf eine Person, Landschaft etc.), den es abbildet. Das Bildsujet ist das, worauf das Bild – falls es das tut – als Referenz verweist und Bezug nimmt. Diese Referenz ist keineswegs in jedem Bild gegeben wie etwa konkrete Kunst beweist. Semiotisch ausgedrückt handelt es sich um das Signifikat als Inhaltsseite des Zeichens; das Bildsujet ist dasjenige, was das Bild bedeutet. Im Sinne Erwin Panofskys ließen sich die unterschiedlichen Ebenen des Bildsujets wiederum in (1.) primäres, natürliches Sujet, (2.) sekundäres, konventionales Sujet sowie (3.) eigentliche Bedeutung oder Gehalt auffächern.362 Die Trennung von Bildträger und Bildobjekt ist rein theoretischer Natur, da beide Seiten – Bildträger und Bildobjekt – im Bild in der Rezeption eine (mediale) Einheit bilden. Gottfried Boehm spricht sich etwa gegen die Trennung zwischen Bildträger und Bildobjekt aus, da sich das Bild nur in der Oszillation zwischen Grund und den darauf befindlichen Elementen entfalten kann. Die Rezeption eines Bildes zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die Trennung von Bildträger und Bildobjekt stets oszillierend verschwimmt, dass ein Betrachter immer picture und image gleichzeitig sieht und aus der ikonischen Differenz zwischen Details des Materials und darüber hinaus weisendem Sinn das ‚Ganze‘ des Bildes erst entsteht. Auf Malerei bezogen konstatiert Boehm: „Noch der suggestivste Zauber, den ein Bild auszulösen vermag, die noch so verführerische Simulation ernährt sich doch daraus, dass wir die Farbe und die Faktur, die Chemie der Malerei stets mitsehen können.“363

360

Vgl. Danto 1984, S. 243

361

Vgl. Boehm 2006a, S. 33

362

Vgl. Panofsky 2002.

363

Boehm 2011, S. 175

D AS C OMPUTERSPIEL ALS B ILDMEDIUM

5.3 A UDITIVITÄT ALS

| 153

C OMPUTERSPIELS ALTERNATIVER Z UGANG DES

Im Gegensatz zur in dieser Arbeit verfolgten bildwissenschaftlichen Position findet sich eine starke Orientierung hin zum Ton z.B. in Axel Stockburgers Dissertation The Rendered Arena.364 Stockburger argumentiert, dass sich die Erfahrung des Computerspielens in der Verbindung von Klang, Bild und Bewegung entfaltet und die Ebenen stets miteinander korrespondieren. Das auditive Element von Computerspielen kann selbstverständlich auch Thema verschiedener künstlerischer Positionen sein. Toshio Iwais (*1962) interaktive Medienkunstwerke aus dem Bereich der generativen Musik (z.B. Music Insects, 1993, Piano – as Image Media, 1995) sind eng verwandt mit Computerspielen. Iwais künstlerische Konzepte finden sich in von ihm gestalteten kommerziellen Computerspielen – etwa in Otocky (1984) oder Electroplankton (2005). Ferner sind Beispiele zu nennen, wo Computerspieltechnik als Musikinstrument benutzt wird. Diese Position findet sich z.B. bei Julian Olivers (*1969) QTHOTH. The Quilted Thought Organ (1998-99). In QTHOTH wird die Engine eines Ego-Shooters zur Erzeugung von Klängen benutzt. Auf ähnliche Weise verwendet Tom Betts (*1973) die auditive Ebene des Computerspiels in seinem Spiel AvSeq (2010). Die Spieler reihen Klänge aneinander und erspielen sich auf diese Weise elektronische Musik, die gleichzeitig durch Icons auf dem Bildschirm visuell repräsentiert ist.365 Die Tatsache, dass das Computerspiel stets mit einem Bildschirm in Verbindung steht, rechtfertigt, den Fokus auf das Bild in

364

„Although the representational spaces of western traditional arts may have been dominated by the visual coding of space, the recent development of audiovisual media has re-introduced the sense of hearing into the equation. As has been argued, video and computer games are media systems that feature very particular means of representing space. With the exception of a number of text-based games, the overwhelming majority have to be regarded as audiovisual kinaesthetic artefacts and the relationship between sound and image lies at the centre of the gaming experience“ (Stockburger 2009, S. 176). Stockburger widmet ein ganzes Kapitel dem Ton in Computerspielen unter dem Titel „The Game Space from an auditive Perspective“ (ebd., S. 175-209).

365

„AvSeq is an abstract sound sequencing game. The player captures and links soundobjects together, various combinations when released activate changes in the audio sequence of the game. In turn the game environment responds visually to the developing audio track.“ Tom Betts über AvSeq auf seiner Website: http://www.null pointer.co.uk/-/avseq.htm [25.01.2012]. Das Spiel ist im Januar 2012 als kommerzielles Computerspiel erschienen. Vgl. die Website der Firma Big Robot zum Thema AvSeq unter der URL: http://www.big-robot.com/tag/avseq/ [25.01.2012].

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dieser Arbeit. Dabei muss aber bedacht werden, dass Computerspiele nicht bloß visuelle, sondern audiovisuelle Medien sind, was sich deutlich an der Tatsache zeigt, dass auch blinde Menschen Computerspiele nach Gehör spielen.366

5.4 Z USAMMENFASSUNG

VON

K APITEL 5

In Kapitel 5 wurde die Arbeit bildwissenschaftlich fundiert und damit methodisch für die Kunstwissenschaft geöffnet, indem das Computerspiel zuvordererst als Bildmedium entworfen worden ist, das sich als und durch Bilder zeigt. In Kap. 5.1 wurde aufgezeigt, dass die Game Studies bis dato das Phänomen des Computerspiels als Text bzw. als Spiel untersuchen. Die spezifische Bildlichkeit des Mediums in den Blick zu nehmen, wurde als dritte Perspektive auf den Gegenstand identifiziert. Die Eigenschaften der Bilder, die von Computerspielen hevorgebracht werden, sind eingehend diskutiert worden (Kap. 5.2). Die Bilder der Computerspiele zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie vom Rezipienten steuerbar sind und dass sie in der verzeitlichten Verbindung von sichtbarem Bild und ausgeführter Handlung räumliche Konfigurationen hervorbringen, die für den Rezipienten ‚navigabel‘ erscheinen (Kap. 5.2.1). Die Rezipienten befinden sich während des Spielvollzugs in einem kybernetischen Regelkreis aus Aktion und Reaktion. Sie setzen (z.B. durch Knopfdruck) die Berechnung eines neuen Bildes von Seiten des Apparates in Gang, woraufhin sie wiederum auf das neue berechnete Bild reagieren und so eine erneute Reaktion des Apparates provozieren. Computerspielbilder werden in der vorliegenden Arbeit mit Frieder Nake als doppelte Bilder bezeichnet, deren Oberfläche dem Menschen zugewandt und sichtbar ist, während ihre Unterfläche dem Menschen abgewandt und berechenbar ist (Kap. 5.2.2). Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten künstlerischen Computerspielmodifikationen verweisen auf die Unterfläche des Computerspielbildes. Kapitel 5.3 zeigte exkursorisch, dass es sich bei Computerspielen um audiovisuelle Medien handelt, die ebenfalls mit einer starken Ausrichtung auf ihre Klangebene analysiert werden könnten.

366

Vgl. Mischke 2011.

6. Medientheoretische Vertiefung: Das Computerspiel zwischen den Zuständen Transparenz und Opazität

Das folgende Kapitel stellt das Begriffspaar Transparenz und Opazität vor, das in der vorliegenden Arbeit eine zentrale theoretische und methodische Stellung einnimmt. Mit diesen gleichsam medientheoretisch367 als auch bild-/kunstwissenschaftlich368 wirksamen Begriffen lassen sich die künstlerischen Strategien

367

Aus medientheoretischer Perspektive operieren Jay David Bolter und Richard Grusin mit dem Begriffspaar Transparenz/Opazität: „Like other media since the Renaissance – in particular, perspective painting, photography, film, and television – new digital media oscillate between immediacy and hypermediacy, between transparency and opacity. This oscillation is the key to understanding how a medium refashions its predecessors and other contemporary media“ (Bolter/Grusin 1999, S. 19). Aus einer medienphilosophischen Perspektive vgl. den Sammelband Hide and Seek: das Spiel von Transparenz und Opazität (Rautzenberg/Wolfsteiner 2010). Aus sprach- und kommunikationswissenschaftlicher Sicht vgl. einschlägig Jäger 2004.

368

Emmanuel Alloa schätzt die Rolle des Begriffspaares in der Kunstgeschichte wie folgt ein: „Obwohl im kunstwissenschaftlichen Diskurs erst neuerdings zu Grundkategorien erhoben, tritt die Bedeutung von T. [Transparenz] und O. [Opazität] innerhalb der Tradition abendländischer Bildbetrachtung dafür nun umso deutlicher zutage. Nicht selten unter anderem Namen geführt und daher unauffälliger geblieben bilden T. und O. – als Begriffe, deren Geschichte nach wie vor zu schreiben bleibt – die beiden Pole, zwischen denen die Rede über Kunstwerke oszillierte und in denen sie sich kristallisierte. T. (und ihre Synonyme wie Durchsichtigkeit, Durchlässigkeit, Transitivität etc.) steht grundsätzlich für eine Sichtweise, die Werke als auf einen dahinter liegenden Sinn hin offene ‚Fenster‘ betrachtet. O. (und ihre Alternativbezeichnungen wie Undurchdringlichkeit, Intransitivität, Präsenz etc.) steht dagegen grund-

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beschreiben, analysieren und erklären, die KünstlerInnen anwenden, wenn sie Computerspiele als Material verwenden und im Zuge dessen die medialen und apparativen Strukturen fokussieren und ausstellen (vgl. zu dieser These Kap. 1.3). Es wird davon ausgegangen, dass die medialen und apparativen Bedingungen des Computerspiels tendenziell möglichst unbemerkt – transparent – für den Rezipienten sein sollen (vgl. Kap. 2.1.1.3): „Ein Medium erfüllt seine Funktion erst dann, wenn es selbst im medialen Vollzug verschwindet, unsichtbar ist.“369 Dem Spieler soll das Medium samt Bildschirm, Konsole und Controller nicht bewusst sein – seine „(medien-)technische Anordnung ‚naturalisiert‘“ werden.370

sätzlich für eine Sichtweise, die die Werke auf ihre dingliche Immanenz zurückführt. [...] Während das transparente Werk im Sinne eines offen stehenden Fensters gleichsam ein Aufschluss lieferndes ‚Dokument‘ darstellt, erweist sich das undurchdringlich-opake Werk vielmehr als ein in sich geschlossenes ‚Monument‘“ (Alloa 2003, S. 445f.). Bezogen auf Malerei vgl. zudem Marin 2001. 369

Rautzenberg 2009, S. 153

370

Nohr 2004, S. 97. Rolf F. Nohr deutet die Transparenz des Computerspiels im Sinne der Apparatus-Theorie ideologisch und bemerkt, dass durch die Benutzung von Computerspielen eine spezifische Arbeitslogik eingeschliffen wird, die man als kybernetisch bezeichnen kann: „So wie sich dort [im ideologischen System des Kinos] die dispositiv-technische Anordnung von Projektion, Saal und Leinwand zum ‚Fenster zur Welt‘ naturalisiert und den Aufführungscharakter und die ‚Gemachtheit‘ des Filmischen verunsichtbart, gerade so agiert auch das Computerspiel an der Verunsichtbarung seiner technischen ‚Gemachtheit‘. Damit ist nicht die Ausblendung der Tatsache gemeint, dass wir spielend an einer Maschine handeln. Vielmehr meint diese ‚Verunsichtbarung des Gemachten‘, dass jedes Spielen uns das ‚Arbeitsgerät‘ Computer vertrauter macht, uns in die Prozessierung von Texten und Bildern als Arbeitsprozess eingewöhnt, unsere Reaktionszeiten und Fingerfertigkeiten an die Maschinen anpasst und uns somit Arbeit und Freizeit ganz im ‚produktionsökonomischen‘ Sinne miteinander versöhnt“ (Nohr 2008, S. 41). Das sichtbare, grafische Interface verdeckt, dass es sich beim Handeln am Computer um verschleierte Zugriffe auf Datenbanken und Navigationsprozesse durch räumliche Strukturen handelt. Vgl. Manovich 2001, S. 190-244.

D AS C OMPUTERSPIEL ZWISCHEN DEN Z USTÄNDEN T RANSPARENZ UND O PAZITÄT

| 157

Wenn man für das Medium die Metapher der Glasscheibe371, des Fensters372 oder des Schleiers373 verwendet, könnte man davon sprechen, dass die KünstlerInnen mit

371

Arthur C. Danto verwendet in seinen Ausführungen über die Nachahmungstheorie der Malerei für das Medium die Metapher der Glasscheibe, die man sich frei nach Leonardo Da Vinci zwischen Motiv und Künstler gestellt denken soll. „Das Medium ist die Glasscheibe, durch die wir dunkel hindurchsehen [...]“ (Danto 1984, S. 234; Hinweis auf Leonardo S. 229). Der Betrachter blickt durch diese durchsichtige Scheibe und es stellt sich die Illusion ein, Bildobjekt und Bildsujet wahrzunehmen – aber nicht den Bildträger. Das Motiv soll idealiter nicht vom wirklichen Objekt zu unterscheiden sein. „Soll die Illusion eintreten, dann darf der Betrachter sich keiner der Eigenschaften bewußt sein, die in Wirklichkeit zum Medium gehören, denn in dem Maße, wie wir wahrnehmen, daß es Medium ist, wird die Illusion wirksam unterdrückt. Das Medium muß also sozusagen unsichtbar sein, und diese Bedingung wird vollkommen symbolisiert durch die Glasscheibe, die als durchsichtig angenommen wird; als etwas, das wir nicht sehen, sondern durch das wir nur hindurchsehen können. [...] Wäre die Glasscheibe kein Mittel, dann wäre sie eine Metapher für die nachahmende Darstellung, und dementsprechend halte ich die logische Unsichtbarkeit des Mediums für das Hauptmerkmal der Nachahmungstheorie“ (ebd., S. 231). Die Metapher der Glasscheibe für das Medium steht in enger Verbidung mit der Metapher des Fensters für das Bild (vgl. Anm. 372).

372

Die Metapher des Fensters für das Bild findet sich zum ersten Mal in Leon Battista Albertis Traktat Della Pittura aus dem Jahre 1435/36. Della Pittura ist gleichzeitig die erste Beschreibung der neuen perspectiva artificialis als costruzione legittima, also als einheitlich auf mathematisch-geometrischen Gesetzen beruhendem Konstruktionsprinzip zur Herstellung perspektivischer Bilder. Das Bild wird theoretisch zum offenen Fenster, durch das der Betrachter hinausblickt, und einen bestimmten zusammenhängenden Ausschnitt sieht, der sich nach allen Seiten hin fortzusetzen scheint, wäre er nicht vom Rahmen des Bildes begrenzt. Vgl. Alberti/Bätschmann 2007. Zur Bildmetapher und Kulturgeschichte des Fensters vgl. Friedberg 2006. Die Metapher des Fensters schließt ein, dass der zugrunde liegende materielle Bildträger – sei es eine Leinwand oder in der Konsequenz auch ein Computerbildschirm – „negiert ist und zu einer bloßen ,Bildebene‘ umgedeutet wird, auf die sich ein durch sie hindurch erblickter und alle Einzeldinge in sich befassender Gesamtraum projiziert […]“ (Panofsky 1974, S. 99). Im Falle von Computerspielen erblickt man keinen gemalten Raum, sondern eine Spielwelt, einen digitalen Bildraum. Peter Weibel bedient sich ebenfalls der Fenstermetapher revidiert sie aber sogleich und passt sie den Eigenschaften digitaler Bilder an: „Das statische Bild wird zu einem dynamischen Bildfeld. Das Bild wird zu einem Bildsystem, das sich variabel verhält, ein Ereignisfeld. Das [...] Bild verwandelt sich von einem statischen Fenster, durch das man auf die Welt

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verschiedenen Mitteln die Durchsichtigkeit (des ‚Glases‘) trüben. Diesen Prozess der Trübung zu erklären, lässt sich methodisch mit dem Begriffspaar Transparenz und Opazität bewerkstelligen. KünstlerInnen verschieben die vom Computerspiel

blickt, in eine Tür, durch die der Beobachter in die Welt multisensorieller Ereignisfelder ein- und austreten kann“ (Weibel 2004, S. 190). Gabriele Gramelsberger hat aus einer semiotisch geprägten, bildwissenschaftlichen Perspektive vorgeschlagen, anstatt die Fenstermetapher zu verwenden, digitale Bilder als Interfaces zu adressieren, was insbesondere für Computerspielbilder adäquat ist: „‚Das Bild als imaginäre Projektionsfläche, selbst unsichtbar, um vermittels Durchblick Realitäten bildlich zu erfassen ...‘ [...] aufzufassen ist nicht neu, aber bislang eher mit der Metapher des Fensters illustriert, durch das man blickt, als mit dem Begriff des Interface. Im Unterschied zum Fenster impliziert die Interface-Metapher ein aktives Verhältnis zwischen Mensch und Maschine, Mensch und Realität. Das grafische User-Interface (GUI) ist keine ikonische Abbildung, sondern ein visueller Interaktionszugang zur digitalen Welt und ebenso stellen dies die Visualisierungen dar. Erlauben klassische Tafelbilder lediglich das Betrachten, so fordern Interface [sic!] zur Handlung auf. Realismus konstituiert sich aber nicht nur aus der Anschauung, sondern ist viel mehr handlungsorientiert. Elektronische Bilder als Interface generieren durch den interaktiven Umgang ihren eigenen Realismus, indem sie manipulierbar werden“ (Gramelsberger 2000, S. 61). 373

Die Metapher des Schleiers versinnbildlicht eine ästhetische Schwelle. Zu Schleier und Spiegel vgl. Wolf 2002. Martin Schulz bemerkt mit Verweis auf Gerhard Wolf, dass über das paradoxe Schillern zwischen Transparenz und Opazität, von Verhüllen und Enthüllen seit der Frührenaissance ein implizites medientheoretisches Wissen in der Kunst herrscht, d.h. das Spiel von Transparenz und Opazität ist auch in christlicher Kunst zu sehen. Bilder können nie identisch mit dem sein, was sie darstellen. Sie weisen aber auf das Dargestellte hin (im Sinne der christlichen Kunst auch auf Unsichtbares und sogar Göttliches), sind aber medial an Material gebunden. In christlicher Kunst ist dies ist auch ein Grund zur Bestrebung das Material (und damit auch das Medium) zu sublimieren und in Transparenz aufzulösen und verschwinden zu lassen. Im 20. Jahrhundert werden abstrakte Bilder zu gegenstandslosen Bilder und verändern sich so sehr, dass sie nur mehr bloße Objekthaftigkeit anstreben und auf das reduziert werden, aus was sie bestehen: Fläche. Farbe, Leinwand, Rahmen (Vgl. Clement Greenbergs Arbeiten dazu; auch seinen Begriff der flatness). Aber „[s]elbst die stärksten Puristen unter den Minimal-Künstlern, welche die Bilder von den letzten Resten metaphysischer Repräsentation reinigen wollten, kamen zu der Einsicht, daß die bloße Präsenz eines Gegenstandes ausreicht, um ihn in ein Bild zu verwandeln“ (Schulz 2009, S. 121).

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angestrebte Transparenz in Richtung Opazität, indem sie Computerspiele modifizieren. Die suggestive Kraft des Computerspiels wird damit hinterfragt.374 Im Folgenden werden die Begriffe Tranzparenz und Opazität über das Beispiel des letzen Bildes (des sogenannten Kill Screen) aus dem Spiel Pac-Man (1980) eingeführt und ihre Bedeutung damit skizziert (Kap. 6.1). Davon ausgehend wird die Medientheorie Jay David Bolters und Richard Grusins in die Arbeit eingebracht, die in wesentlichen Teilen auf einem Wechselspiel zwischen Transparenz und Opazität aufbaut (Kap. 6.2 und Kap. 6.2.1). Dieses Wechselspiel steht in enger Verbindung mit der theoretischen Denkfigur der ikonischen Differenz, die Gottfried Boehm in den bildwissenschaftlichen Diskurs um das genuin Bildliche eingebracht hat.375 Die ikonische Differenz wird daher auf das Begriffspaar von Transparenz/Opazität bezogen und medientheoretische und bildwissenschaftliche Ansätze damit in einen gemeinsamen theoretischen Überbau gebracht (Kap. 6.2.2). Nach diesen theoretischen Vorbemerkungen wird das Transparenzstreben des Mediums Computerspiel herausgearbeitet (Kap. 6.2.3, Kap. 6.2.4 und Kap. 6.2.5). Diesem Transzparenzstreben, das sich u.a. an perspektivischen Computerspielbildern verdeutlichen lässt (Kap. 6.2.3), setzen KünstlerInnen in ihren Computerspielmodifikationen Strategien

374

Diese suggestive Kraft teilt sich das Computerspiel mit anderen Illusionsmedien, die insbesondere auf Effekte der Immersion abzielen wie z.B. das Panorama oder auch VR-Anwendungen. Das scheinbare, vollständige Eintauchen in eine Bildwelt unter dem Schlagwort der Immersion ist ein komplexer psychologischer Prozess. So lässt sich aber festhalten, dass immersiven Techniken auch stets Distanzierung von Seiten des Rezipienten entgegengebracht wird, die auch zu künstlerischen Strategien überformt werden können. Aus einer kunst- und medienhistorischen Perspektive charakterisiert diesen Mechanismus Oliver Grau: „So öffnet sich bei Einführung eines neuen Illusionsmediums die Schere zwischen bildlicher Wirkungsmacht und reflektiert bewusster Distanznahme, die sich nach stetem, bald überlegtem Umgang wieder verengt. Gewöhnung schleift die Illusion ab, diese besitzt bald nicht mehr die Kraft, das Bewusstsein zu bestechen, wird endlich schal und findet gegenüber ihrer täuschenden Funktion abgestumpfte Betrachter. Ein Kompetenz schaffender Umgang mit dem Medium scheint mithin Voraussetzung für inhaltlich-reflexive und künstlerische Verwendung, bis dieser souveräne Umgang schließlich durch ein neues Medium von höherem Sinnenreiz und machtvollerem Suggestionspotenzial unterbrochen wird und die Betrachter erneut in den Bann der Illusion eingeschlossen werden. Dieser Mechanismus, der Wettstreit zwischen neuen Illusionsmedien und Distanzierungskräften, ist es, der sich in der europäischen Kunst- und Mediengeschichte seit dem ausgehenden Mittelalter mit Brüchen und Umwegen wieder und wieder manifestiert“ (Grau 2006, URL: http://www.jp.philo.at/texte/GrauO1.pdf [27.03.2012]).

375

Vgl. Boehm 2006a.

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entgegen, die die Transparenz stören und verfremden. Diese künstlerischen Strategien werden in Kapitel 6.3 adressiert. Das Kapitel schließt mit einer tabellarischen Übersicht von Begriffen, die mit Transparenz und Opazität korrespondieren. Dazu gehören z.B. Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit oder auch Bildobjekt und Bildträger (vgl. 5.2.2.2). Damit ist der theoretische Überbau der vorliegenden Arbeit aufgespannt und die Voraussetzungen der Analyse sind erfüllt. Kapitel 6.4 fasst die bisherigen Ergebnisse zusammen und leitet zur Analyse der Kunstwerke über (Kap. 711).

6.1 K ILL S CREEN : U NSICHTBARES ZEIGT SICH / T RANSPARENTES WIRD OPAK

Abb. 11: Kill Screen in Pac-Man (Namco, 1980). Die Unterfläche des digitalen Bildes wird sichtbar, scheinbarer Code zeigt sich an der Oberfläche des digitalen Bildes. Bei einem Kill Screen handelt es sich um das letzte Bild eines klassischen Arcadespiels. Die Software des Spiels stürzt ab. Abb. 11 zeigt das Ende des Spiels Pac-Man von 1980. Schafft es der Spieler in den 256. Level zu gelangen, was im Game Design eigentlich nicht vorgesehen ist, passiert etwas Unerwartetes: Buchstaben und merkwürdige Zeichen erscheinen plötzlich auf der rechten Seite des Bildes in Pac-Mans Labyrinth, die normalerweise der technischen Unterfläche des Bildes zugehörig und damit verborgen sind. In diesem

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letzten Bildschirm des Spiels, dem so genannten Kill Screen376, zeigt sich das, was unter dem Bild und dem Spiel liegt – Zeichen drängen störend an die Oberfläche und werden in einer nicht-diegetischen Maschinenhandlung sichtbar.377 Die eigentlich verborgene technische Ebene des Spiels zeigt sich deutlich und wird zu einem Teil des Bildes, was direkte Auswirkungen auf das Spiel hat: Es wird nahezu unspielbar und hört auf, in der intendierten Weise zu funktioneren.378 Die Zeichen ver-

376

Ein Kill Screen ist ein Phänomen, das bei frühen Arcadespielen zu beobachten ist. Diese Spiele, wie z.B. Pac-Man (1980) haben kein Ende in dem Sinne, dass es einen letzten Level gibt oder eine Narration zu Ende geführt ist und das Spiels dementsprechend durchgespielt werden kann. Diese repetitiven, endlosen Spiele, die mittels münzbasierten Automaten (Coin-Op) gespielt werden, sollten aus der DesignPerspektive endlos weiterlaufen, so dass die Spieler nach dem Verlust aller Leben das Spiel neu beginnen und dafür erneut bezahlen mussten. Eine Gesamtrezeption dieser Games ist nicht vorgesehen. Durch den Kill Screen endet das Spiel aber dennoch, indem das Programm abstürzt. Ein Computerspiel in den Status eines Kill Screen zu versetzen ist äußerst selten, da das Durchspielen eines solchen Spiels eine erhebliche Akkomodationsleistung des Spielers voraussetzt. In dem Dokumentarfilm The King of Kong (Seth Gordon, 2007) ist ein solcher Prozess dokumentiert. Der Film zeigt wie Weltrekordanwärter Steve Wiebe den Bildschirm im Spiel Donkey Kong (Nintendo, 1981) erreicht. Im Falle der Arcade-Version von Pac-Man wird – bedingt durch die hexadezimale Natur des Codes – ein Fehler produziert, wenn die Software vom 255. in den 256. Level umschaltet. Dieser Bug resultiert im besagten Kill Screen und bedingt, dass sich das Computerprogramm nicht mehr wie intendiert verhält. Der Code des Spiels stößt an seine numerischen Grenzen. Eine detaillierte Analyse der Prozesse und des Codes bietet Hodges 2007, URL: http://www.donhodges. com/how_high_can_you_get2.htm [20.03.2012].

377

Bei nicht-diegetischen Maschinenhandlungen [nondiegetic machine act] handelt es sich um ein selbstständiges Handeln des Apparates außerhalb der Diegese des Spiels. Das Computerprogramm kann das Spiel z.B. aufgrund eines Regelverstoßes oder des Scheiterns des Spielers beenden, was zum Game Over führt. Andere denkbare nichtdiegetische Maschinenhandlungen sind das Auftauchen von Fehlern und Störungen, z.B. wenn ein Online-Spiel aufgrund einer schlechten Internetverbindung ins Stocken gerät oder ganz abbricht. Der oben beschriebene Kill Screen aus Pac-Man (1980) gehört ebenfalls dazu. Vgl. Galloway 2006a; vgl. Anm. 180.

378

Michael Nitsche bemerkt über das Verhältnis von mediatisiertem Bild und dem zugrunde liegenden Code bezogen auf Pac-Man: „At the level of the code, both forms [eine Arcade- und eine Java-Version von Pac-Man] are completely different, but the player concentrates on the mediated plane and stays oblivious of the intricacies of object-oriented programming. The code level stays hidden unless it jumps into the fore-

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sperren den Weg der Spielfiguren und diese stecken schließlich in diesen fest. Sie sind nicht mehr in der Lage, sich weiterhin im Spielraum zu bewegen. Das Phänomen des Kill Screen zeigt – in dem Moment, in dem es die Funktionsweise des Computerspiels unterläuft – die verborgene Unterfläche des doppelten Bildes, die für das menschliche Auge eigentlich unsichtbar bleiben soll und vergegenwärtigt damit die mediale und technische Bedingtheit der Spielerfahrung. Das Beispiel des Kill Screen zeigt, wie etwas Unsichtbares sichtbar wird. Diese Prozesse lassen sich mit dem Begriffspaar Transparenz und Opazität näher beschreiben. Als physikalische Begriffe bezeichnen Transparenz die Lichtdurchlässigkeit und Opazität die Lichtundurchlässigkeit.379 So lassen sich zwei (ideale) Zustände eines Mediums bestimmen: das Medium ist im Zustand der Transparenz unsichtbar und im Zustand der Opazität sichtbar. Im Zustand der Transparenz, wenn das Medium ausgeblendet und verschwunden ist, lässt sich die Rezeption eines medialen Inhalts idealiter als unmittelbar bezeichnen. Drängt beispielsweise die verborgene technische Seite des doppelten Bildes an die Oberfläche und damit das Medium in den Vordergrund, so wird die unmittelbare Erfahrung in den Zustand der Mittelbarkeit überführt. Es handelt sich bei Unmittelbarkeit um einen medientheoretischen Idealzustand. Der Kill Screen in Pac-Man ist demnach ein Ausnahmezustand – ein Fehler im System – , der den ‚gelungenen‘, ungestörten medialen Vollzug von der Unmittelbarkeit in die Mittelbarkeit verstellt.

6.2 O SZILLATION VON M EDIEN ZWISCHEN T RANSPARENZ UND O PAZITÄT Die Medientheorie von Jay David Bolter und Richard Grusin baut in wesentlichen Teilen auf dem Begriffspaar Transparenz und Opazität auf.380 Bolter und Grusin gehen davon aus, dass neue Medien alte Medien stets nachempfinden bzw. dass alte Medien stets in neuen Medien wiederkehren.381 Verkürzt: Die Prinzipien perspekti-

the foreground and causes unexpected behaviour. In the case of Pac-Man, this refers to the final, 256th level that produces a virtually unplayable split-screen maze due to the hexadecimal-level counting in the code. The intricacies of the rule-based plane invade the mediated plane, and the game becomes virtually unplayable“ (Nitsche 2008, S. 26). 379

Vgl. Krämer 2010, S. 215.

380

Vgl. Bolter/Grusin 1999, Bolter/Grusin 2004.

381

„[R]emediation defined by Paul Levenson as the ‚anthropotropic‘ process by which new media technologies improve upon or remedy prior technologies. We define the term differently, using it to mean the formal logic by which new media refashion pri-

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vischer Malerei zeigen sich in der Fotografie, das Theater beeinflusst den Film und Filmisches zeigt sich im Computerspiel. Zudem lassen sich alle Medien vom Universalmedium des Computers remediatisieren.382 Umgekehrt beinflussen sich alte und neue Medien in ähnlicher Weise. Diese Prozesse der Remediation sind in eine doppelte Logik, in ein Spannungsfeld von Transparenz und Opazität, eingespannt. Stets oszilliert die Remediation zwischen Transparenz und Opazität – bei Bolter und Grusin Unmittelbarkeit (Immediacy)383 und Hypermedialität (Hypermedia-

or media forms. Along with immediacy and hypermediacy, remediation is one of the three traits of our genealogy of new media“ (Bolter/Grusin 1999, S. 273). 382

Der Computer-Pionier Alan Kay lenkt 1984 in einem Artikel in Scientific American den Blick auf die medialen Eigenschaften des Computers, indem er herausstellt, dass der Computer alle anderen Medien zu synthetisieren und simulieren in der Lage ist. Der Grundgedanke der so genannten Neuen Medien ist damit formuliert. Vgl. Alan Kays Artikel im September 1984 in Scientific American (Kay 1984) sowie die deutsche Übersetzung in Spektrum der Wissenschaft (Kay 1984a). Lev Manovich schreibt dazu: „While a variety of definitions of ‚new media‘ exists, one can define them as software-based simulations of previously existing physical and existing media plus a number of previously non-existent media which are also implemented in software. This definition follows the formulation which Alan Kay, the key person responsible for inventing new media, provided in a September, 1984 Scientific American article: ‚It [a computer] is a medium that can dynamically simulate the details of any other medium, including media that cannot exist physically. It is not a tool, though it can act like many tools. It is the first metamedium, and as such it has degrees of freedom for representation and expression never before encountered and as yet barely investigated.“ Alan Kay zitiert nach Manovich 2008, S. 84 und Manovich 2009, S. 370. In der deutschsprachigen Übersetzung heißt es in Spektrum der Wissenschaft: „Er [der Computer] ist ein Medium, der jede Einzelheit jedes anderen Mediums dynamisch simulieren kann – auch Medien, die in der dinglichen Welt gar nicht möglich sind. Er ist kein Werkzeug, obwohl er sich wie viele Werkzeuge verhalten kann. Er ist das erste Metamedium, und als solches besitzt er Freiheitsgrade der Darstellung und des Ausdrucks, die es noch nie gab und die bisher kaum nennenswert untersucht sind. Was noch wichtiger ist: Computer machen Spaß, die Beschäftigung mit ihnen ist ein Wert an sich“ (Kay 1984a, S. 43).

383

„immediacy A style of visual representation whose goal is to make the viewer forget the presence of the medium (canvas, photographic film, cinema, and so on) and believe that he is in the presence of the objects of representation. One of the two strategies of remediation; the other is hypermediacy" (Bolter/Grusin 1999, S. 272f.).

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cy)384 . Dabei handelt es sich um ein stetes Wechselspiel zwischen Durchsicht („looking through“) und Ansicht („looking at“).385 Medien streben nach transparenter Unmittelbarkeit und wollen hinter dem, was sie vermitteln und/oder repräsentieren, verschwinden. Sie wollen z.B. glauben machen, man sei live dabei oder man durchquere den fantastischen Raum des Computerspiels.386 Stets scheint das Medium aber opak auf, verweist auf sich selbst, drängt in den Vordergrund und damit in das Bewusstsein des Rezipienten, indem etwa ein Werbeblock die Übertragung unterbricht oder ein Grafikfehler das Immersionsparadigma stört. Unmittelbarkeit und Hypermedialität sind nur in Verbindung miteinander zu denken.387 Vollständige Unmittelbarkeit würde bedeuten, dass sich das Medium in Gänze auflöst, und dementsprechend nicht mehr von Vermittlung zu sprechen wäre.388 Durch die Opazität

384

„hypermediacy A style of visual representation whose goal is to remind the viewer of the medium. One of the two strategies of remediation; the other is (transparent) immediacy“ (Bolter/Grusin 1999, S. 272f.).

385

Ebd., S. 41

386

„In all diesen Fällen schreibt die Logik der Unmittelbarkeit vor, dass das Medium selbst verschwinden soll, um uns in der Gegenwart der dargestellten Dinge zurückzulassen: in einem Rennwagen sitzend oder auf einem Berggipfel stehend“ (Bolter/Grusin 2004, S. 15).

387

„Immediacy depends on hypermediacy.“ (Bolter/Grusin 1999, S. 5f.).

388

Im Zusammenhang mit dem Diskurs um virtuelle Realitäten, vollständige Transparenz und totale Immersion sei die Utopie des in letzter Konsequenz tödlichen Ultimate Display angesprochen, das der Computergrafik-Pionier Ivan Sutherland 1965 ersinnt. In dieser Utopie gibt es keine Differenz mehr zwischen Darstellung und Wirklichkeit, so dass eine in effigie abgefeuerte Pistolenkugel fatale Konsequenzen hätte, wenn sie auf den ‚Betrachter‘ träfe: „The ultimate display would, of course, be a room within which the computer can control the existence of matter. A chair displayed in such a room would be good enough to sit in. Handcuffs displayed in such a room would be confining, and a bullet displayed in such a room would be fatal. With appropriate programming such a display could literally be the Wonderland into which Alice walked“ (Sutherland 1966, S. 508). Sutherland gebraucht in diesem Zusammenhang die an Lewis Caroll angelehnte Metapher des Spiegels, mit dem man in ein mathematisches Wunderland blicken kann: „A display connected to a digital computer gives us a chance to gain familiarity with concepts not realizable in the physical world. It is a looking glass into a mathematical wonderland.” (ebd., S. 506ff.). Diese Vorstellung vollständiger Transparenz, in der das Medium komplett verschwunden ist, ist deutlich als utopisch gekennzeichnet (vgl. in diesem Zusammenhang die Vorstellung des ‚Holodeck‘ aus Star Trek). Dennoch spricht aus ihr eine Art Idealzustand, dem sich das (Mainstream-)Computerspiel als Medium im Sinne einer hyper-

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wird das Medium erkennbar. Nur durch das vorherige Erkennen des Mediums ist es aber paradoxerweise in der Lage zu verschwinden. Als Beispiel aus der Malerei: Ein Trompe-l'œil entwickelt seine Faszination eben aus diesem Schillern zwischen Transparenz und Opazität. Es soll die Illusion eines Referenzobjektes mit malerischen Mitteln erzeugen. Aber erst durch das Erkennen der materiellen Eigenschaften der Malerei entsteht die spezifische Qualität des Bildes ‚wie echt‘ zu sein. Dasselbe gilt für jegliche Form von Foto- und Hyperrrealismus. Die computeranimierten Dinosaurier in Steven Spielbergs Film Jurassic Park (Steven Spielberg, 1993) verschleiern in hohem Maße ihre Gemachtheit, betonen dadurch aber auch erst ihre Medialität.389 Denn das Unechte, Unmögliche und Hyperrealistische in der Betrachtung einer genauen Prüfung zu unterziehen, macht einen wesentlichen Reiz solcher Bilder aus. Bei der Betrachtung suchen die Rezipienten solche Bilder nach medialen und materiellen Spuren ab; der stetige Vergleich von Abbildung und Vorstellung bzw. Referenz trägt zur Attraktivität realistischer Abbildungen bei,390 da die

realistischen Leistungskultur und eines Immersionsparadigmas verschrieben zu haben scheint. „Freilich existiert ein solcher Hyperillusionismus, bei dem die ‚Differenz zwischen Darstellung und Wirklichkeit‘ eingeebnet und das Bild ‚ikonoklastisch‘ [Boehm] aufgehoben würde, de facto bis heute keineswegs. In der Praxis haben sich solche total immersiven Raumbilder nicht etabliert, nicht nur, weil sie technisch enorm aufwendig und in vielen Punkten bis heute schlicht unmöglich sind, sondern auch weil die Immersion – außer für spezielle Anwendungen – kaum nötig ist, ja sogar stört. Dennoch mäandert das Gespenst des letzten, hyperillusionistischen und dadurch potenziell tödlich bedrohenden Bildes, faszinierend wie perhorresziert, durch populäre und auch wissenschaftliche Diskurse. Von Virtual Reality, einem Begriff, der noch am Anfang der neunziger Jahre im Zentrum des Diskurses stand, wird allerdings kaum noch geredet: Mehr und mehr wird von ‚virtuellen Umgebungen‘ oder sparsamer noch von ‚virtuellen Bildern‘ gesprochen“ (Schröter/Glaubitz 2004, S. 34). Zum Prinzip der (totalen) Immersion in der Kunstgeschichte vgl. Grau 2002. 389

Vgl. Glasenapp 2000, URL: http://www.dichtung-digital.de/2000/Glasenapp-26-Nov [03.05.2012]

390

Mit Bezugnahme auf den Filmtheoretiker Tom Gunning machen Bolter und Grusin diesen Effekt schon für die ersten bewegten Bilder aus. Über die Betrachter des Films L'Arrivée d'un train à La Ciotat (1895) der Gebrüder Lumière vermuten sie: „Die Zuschauer damals wussten einerseits, dass der Film eines Zuges nicht wirklich ein Zug war, aber doch staunten sie über die Diskrepanz zwischen dem, was sie wussten und dem, was ihre Augen sahen“ (Bolter/Grusin 2004, S. 24). Ein ähnlicher Mechanismus des Vergleichs lässt auch bei den Dinosauriern aus Jurassic Park (Steven Spielberg, 1993) oder ähnlichen hyperrealistischen Abbildungen ausmachen. Damit soll aber keineswegs angedeutet werden, die Zuseher hätten das Filmbild des einfah-

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Betrachter – z.B. bezogen auf Malerei – „die Farbe und die Faktur, die Chemie der Malerei stets mitsehen können.“391 6.2.1 Hypermedialität: Selbstbezüglichkeit in Computerspielen Es ist wichtig anzumerken, dass Computerspiele in ihrer Geschichte wie andere Medien auch Techniken der Selbstreflexion entwickelt haben, mit denen sie auf sich selbst verweisen.392 Dies steht aber nicht im Widerspruch zu der Annahme, dass Computerspiele eine Tendenz zur Transparenz aufweisen. Zu autothemati-

renden Zuges mit der Realität verwechselt und wären in Panik ausgebrochen. Dieser Umstand ist historisch nicht nachzuweisen. Zum Themenkomplex dieser PanikLegende vgl. Loiperdinger 1996. 391

Boehm 2011, S. 175.

392

Ein bekanntes Beispiel für Selbsbezüglichkeit im Computerspiel ist Metal Gear Solid (Hideo Kojima, Konami, 1998). Das Spiel zeigt Ansätze, die Vierte Wand aufzubrechen, indem es die Rolle von Apparat und Spieler thematisiert. Der Spieler trifft im Laufe der Spielhandlung auf den Gegner Psycho Mantis, der in der Diegese des Spiels Gedanken lesen kann. Psycho Mantis spricht in Dialogen nicht nur den Avatar in der Spielwelt an, sondern den Spieler als extradiegetische, handelnde Instanz vor dem Bildschirm. Psycho Mantis konfrontiert den Spieler mit den Titeln zuvor tatsächlich gespielter Computerspiele, deren Spielstände etc. vom Speichermedium der Konsole ausgelesen werden. An anderer Stelle fordert er den Spieler auf, den Controller auf den Tisch oder Boden zu legen, um seine ‚Macht‘ mit einer Art Zaubertrick zu beweisen: „Ich werde den Controller mit meiner Willenskraft bewegen!“ Folgt der Spieler dieser Anweisung, beginnt der Controller scheinbar eigenmächtig zu vibrieren: „Was sagst Du nun? Spürst Du jetzt meine Macht!?“ Eine Dokumentation der Dialoge findet sich als Video unter der URL: http://www.you tube.com/watch?v=emnVXdvRA6I [27.03.2012]. Der Gegner Psycho Mantis ist in der Diegese des Spiels nur zu besiegen, wenn der Spieler eine extradiegetische Spielerhandlung vollzieht: An einer PlayStation befinden sich zwei Steckplätze für die Controller – einer für den ersten und ein anderer für einen zweiten Spieler. Üblicherweise steckt der Controller in dem für den ersten Spieler bestimmten Platz. Das Programm registriert die Eingaben des Spielers – intradiegetisch werden die Eingaben des Spielers über den ersten Steckplatz der Konsole auch von Psycho Mantis registriert – er liest so intradiegetisch die ‚Gedanken‘ des Spielers, kann alle Aktionen ‚vorausahnen‘ und weicht dementsprechend schnell allen Angriffen aus. Steht der Spieler im Realraum auf, begibt sich zur Konsole, wechselt den Anschluss des Controllers vom ersten in den zweiten Steckplatz, kann Psycho Mantis ohne Schwierigkeiten besiegt werden.

D AS C OMPUTERSPIEL ZWISCHEN DEN Z USTÄNDEN T RANSPARENZ UND O PAZITÄT

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schen Strategien in Computerspielen gehören beispielsweise Inszenierungen des Durchbrechens der Vierten Wand, wenn eine Spielfigur beginnt, an die Scheibe des Bildschirms zu klopfen, falls der Spieler für längere Zeit keine Eingaben vornimmt und die Figur damit untätig in der Spielwelt verharrt.393 Im Gegensatz zu künstlerischen Strategien können solcherlei Strategien nicht als Bruch, sondern gerade als Elemente zur Herstellung von Kohärenz im Dienste des Immersionsparadigmas innerhalb der Spielwelt interpretiert werden.394 In kommerziellen Computerspielen dient der Selbstbezug häufig dazu, den Spieler wieder ins Spiel zu bringen, so dass erneut Transparenz im Spielvollzug hergestellt werden kann, wie das das o.g. Beispiel des Klopfens an die Scheibe zeigt. Im Gegensatz dazu stehen künstlerische Modifikationen wie z.B. in Joan Leandres (*1968) Serie retroyou r/c series (19992001), in der sich ein Rennauto entgegen physikalischer Gesetzmäßigkeiten verhält und eine Steuerung von Seiten des Spielers unmöglich wird (Abb. 7).395 Während das scheinbare Klopfen an die Scheibe den Rezipienten zum Spielen mit der Bildwelt auffordert und geradezu einlädt, versperrt sich das Programm im Joan Leandres Modifikation vollständig seiner Benutzung.

393

z.B. in Bubsy in Claws Encounter of the Furred Kind (Accolade, 1992).

394

Die Selbstbezüglichkeit in kommerziellen Computerspielen hat im Gegensatz zur künstlerischen Verfremdung in Computerspielmodifikationen laut Berngard Rapp häufig nicht das Ziel der Irritation sondern steht im Dienst des Immersionsparadigmas. Rapp charakterisiert Selbstbezüge in Games in seiner Dissertation über Selbstreflexivität im Computerspiel gerade als kohärenzstiftende Elemente, die die Transparenz des Spielvollzugs unterstützen und den Spieler herausfordern: „Anders beispielsweise, als es von der Forschung wiederholt als eine der ästhetischen Hauptfunktionen selbstreflexiver Strategien für Literatur und Film reklamiert wurde, wonach explizite Selbstbezüge zunächst bevorzugt ‚stören‘ oder ‚irritieren‘ [...], stiften Selbsthematisierungsakte in Computerspielen häufig gerade Kohärenzen bzw. versuchen diese wiederherzustellen. Sie sollen dadurch den Spielern die Möglichkeit bieten, (wieder) Anschluss an das Spielgeschehen zu finden oder ihre Neugierde auf das Spiel bzw. auf bisher vernachlässigte Aspekte darin wecken“ (Rapp 2007, S. 43). In seiner Analyse konstatiert er: „Selbstreflexive Strategien in Computerspielen ‚tragen‘ also Immersionsprozesse mit“ (Rapp 2007, S. 154). Rapp kommt zu dem Schluß, dass „[d]ie These einer generellen, umfassenden und durchgreifenden Störung oder Sabotage eines Systems durch darin operierende selbstreflexive Praktiken [...] für Computerspiele so nicht aufrecht erhalten werden [...]“ (Rapp 2007, S. 160).

395

Vgl. Arns 2009.

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6.2.2 Der Begriff der ikonischen Differenz im Kontext von Transparenz und Opazität Bildtheoretisch korrespondieren die Begriffe Bildobjekt und Bildträger mit Transparenz und Opazität. Das Bildobjekt ist das image, der Bildträger ist das picture (vgl. Kap. 5.2.2.2). Das gesehene Bildobjekt verweist als „reine Sichtbarkeit“396 auf etwas Abwesendes (und damit unter Umständen auch auf Transzendenz), während „das stumpfe Material“397 des Bildträgers die dingliche, immanente Seite des Bildes ausmacht.398 Im Falle von Computerspielen ist damit auch der gesamte apparative Aufbau und seine Einrichtung – die Hardware der Games – adressiert. Das Wechselspiel von Transparenz und Opazität lässt sich bildwissenschaftlich auf Gottfried Boehms Denkfigur der ikonischen Differenz beziehen.399 Mit der iko-

396

Boehm 2011, S. 175.

397

Ebd.

398

Louis Marin bemerkt über Opazitäten in der Malerei: „Opazitäten: Gegenwart einer Materie, eines Fleisches, eines Malereikörpers in der reinen Bewegung der Bedeutungsannahme [signifiance] des Bildes vom Sichtbaren, welches das Gemälde darstellt, das Skelett seines Rahmens, die raue oder glatte Haut seiner Leinwand mit ihrer Größe und ihrem Format, die Farbpigmente, die Farbmischungen, die Putzbeläge und die Lacke; im Pinselstrich hinterlassene Spuren der Gesten des Malers; Akzente, Abstände, Anordnungen, Verbergungen und Verdunkelungen, Explosionen, Verwirbelungen, Flüsse und Rückflüsse, Salbungen, Versüßungen, Lieblichkeiten, Flüssigkeiten, Klebrigkeiten, Krümel, Tropfen und Ausflüsse, Kratzer, Einschnitte, Spritzer, all das Opazitäten. Selbst wenn eine Repräsentation etwas repräsentiert, präsentiert sie immer auch sich selbst“ (Louis Marin zitiert nach Lutz 2010, S. 243. Das Originalzitat findet sich in Marin 2001, S. 52). Eine stilistisch ähnliche Aufzählung zu Louis Marins „Opazitäten“ findet sich bei Peter Geimer, der die Störungen der Fotografie als „Dämonen der Fotochemie“ auflistet: „Sie tauchen auf in Gestalt von Schlieren und Schleiern, Flecken, Punkten und Unschärfen, Verfälschungen von Farbe und Perspektive, fotografischen Platten, die im Entwicklerbad zu leuchten beginnen, Negativen, die sich plötzlich in Positive verkehren, wenn jemand das Fenster des Labors öffnet“ (Geimer 2004, S. 316).

399

Gottfried Boehm nimmt in seinem Aufsatz Die Wiederkehr der Bilder deutlichen Bezug auf das Begriffspaar Transparenz und Opazität. Er führt es mit Verweis auf Arthur C. Danto ein, der sich dies wiederum in seinen Ausführungen über die Nachahmungstheorie zu Nutze macht. „Danto hat die doppelte Aufmerksamkeit, zu der uns das Bild veranlaßt, mit dem Wechselspiel einer ‚Opazitäts‘- und einer ‚Transparenztheorie‘ beschrieben. Opak ist alles Materielle am Gemälde, seine dingliche Seite, die Faktur des Farbauftrags udglm. Der Künstler richtet die materiellen Verhält-

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nischen Differenz bietet Gottfried Boehm einen Gedanken an, „um die Bildern eigene Explikationskraft zu analysieren.“400 Boehm bezeichnet die ikonische Differenz auch als „visuellen Grundkontrast, der zugleich der Geburtsort jedes bildlichen Sinnes genannt werden kann.“401 Damit schafft Boehm eine eigene bildwissenschaftliche Kategorie und grenzt sich von sprachlichen und sprachanalogen – etwa semiotischen – Erklärungsversuchen für das Wesen des Bildes ab. Die ikonische Differenz ist Bildern zu Eigen und erklärt das genuin Bildliche. Boehm bezieht sich mit der ikonischen Differenz fasst ausschließlich auf Kunstbilder und vor allem auf Gemälde. Die ikonische Differenz kann aber auch das Oszillieren des Computerspielbildes zwischen Transparenz und Opazität erklären. Die ikonische Differenz ist die Differenz von Detail und Ganzem im Bild. „Was uns als Bild begegnet, beruht auf einem einzigen Grundkontrast, dem zwischen einer überschaubaren Gesamtfläche und allem, was sie an Binnenereignissen einschließt.“402 Der Begriff der ikonischen Differenz bezeichnet den Kontrast zwischen diskretem Detail (etwa einem einzelnem Pinselstrich in einer bestimmten Farbe an einer bestimmten Stelle der Leinwand – oder auch einem einzelnen Pixel) und dem kontinuierendem Gesamtbild. Mit Gesamtbild ist nicht das Bild als Bildträger, also als physisches Objekt ‚in der Welt‘ gemeint, sondern das gesamte Bild mit seinem Sinn, seiner Bedeutung und auch seiner Wirkmacht. Aus einzelnen Pinselstrichen kann sich etwas Neues – z.B. eine Figur, das Bildnis einer Person, eine Landschaft – zusammensetzen.403 Dies bedeutet auch, dass ein monochromes Bild wenig Kon-

nisse allerdings so ein, daß in diesem Undurchsichtigen erwas Sichtbares aufsteigt, ein Anblick oder Durchblick eröffnet wird, sich die opake Bildflache transparent zeigt auf etwas Gemeintes und Gezeigtes hin, auf Sinn. Auch Opazitäts- und Transparenztheorie des Bildes bestimmen sich wechselseitig, sie sind genau genommen nicht zwei Theorien, sondern eine – denn: es wird stets ein Rest von Materie übrig bleiben, der nicht in reinen Inhalt verdampft werden kann‘“ (Boehm 2006a, S. 33). Das Zitat bei Danto lautet in Gänze: „Das Medium, demgegenüber die Transparenztheorie eine so spröde Haltung einnimmt, daß sie vorgibt, es existiere nicht, und auf eine Illusion hofft, die es unsichtbar werden lässt, ist freilich niemals wirklich auszuschalten. Es wird stets ein Rest von Materie übrig bleiben, der nicht in reinen Inhalt verdampft werden kann“ (Danto 1984, S. 242f.). 400

Boehm 2011, S. 170.

401

Boehm 2006a, S. 30.

402

Ebd., S. 29f.

403

„Das ‚Ikonische‘ beruht mithin auf einer vom Sehen realisierten ‚Differenz‘. Sie begründet die Möglichkeit, das eine im Lichte des anderen und wenige Striche beispielsweise als eine Figur zu sehen“ (Boehm 2010, S. 37). Hier klingt eine zweite Bedeutung von ikonischer Differenz an: nämlich der Unterschied zwischen Darstel-

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traste bietet, während sich z.B. Hieronymus Boschs Triptychen durch Detail- und deshalb Differenzreichtum auszeichnen. Bilder, so könnte man sagen, bestehen demnach aus mehr als der Summe ihrer Teile. Dieses mehr ist die ikonische Differenz. Bilder eröffnen, zeigen, bedeuten und erzeugen Sinn, obwohl sie doch nur aus Leinwand und Farbe bestehen: „Das stupende Phänomen, daß ein Stück mit Farbe beschmierter Fläche Zugang zu unerhörten sinnlichen und geistigen Einsichten eröffnen kann, lässt sich aus der Logik des Kontrastes erläutern, vermittels derer etwas als etwas ansichtig wird.“404 Das Detail des Bildes gehört in die materielle Sphäre des Bildes und lässt sich der Opazität zuordnen, während das Gesamte des Bildes Sinn eröffnet und dem Begriff der Transparenz beigeordnet werden kann. Ein wichtiger Aspekt der ikonischen Differenz ist, dass es einen Unterschied gibt zwischen „diskreten Elementen“ und „kontinuierenden Momenten“ im Bild.405 Ein diskretes Element wäre der einzelne Pinselstrich oder auf digitale Bilder bezogen, die sich auf Bildschirmen zeigen – das einzelne Pixel. Diese Elemente verbinden sich zu kontinuierenden Momenten, indem sie Zusammenhänge bilden und damit im Gesamtbild Bedeutung generieren und so etwas zeigen. Boehm nennt den Grund des Bildes kontinuierend und die Elemente darauf diskret, also voneinander unterscheidbar und vom Grund abgehoben. Die eigentlich diskreten Elemente (Details, einzelne Pinselstriche) bilden ein Gesamtbild. Das Bild schillert stets zwischen „diskreten Elementen“ (Differenz: unterscheidbar, Detail) und „kontinuierenden Momenten“ (Identität: zusammengefügt, Gesamtbild). Das Schillern zwischen diskretem Element und kontinuierendem Moment bezeichnet Boehm auch als „kontinuierliche Diskontinuität“.406 Durch das Schillern ist in jedem Bild Temporalität verborgen.

lung = Bildobjekt (imaginärer Gegenstand) und Dargestelltes = Bildsujet (Referenz). Die ikonische Differenz ist aber nicht nur auf gegenständliche Bilder anwendbar. Dass Bilder ‚Sinn erzeugen‘ meint nicht zwingend, dass sie etwas darstellen müssen, um dies zu tun. Bilder können selbstverständlich auch in dem Maße selbstreferentiell sein, dass sie nur sich selbst zum Thema haben. Bilder, wenn sie etwas darstellen, vergegenwärtigen Objekte, Personen, Landschaften. Bilder zeigen, und damit machen sie Abwesendes präsent: „Was in der ikonischen Differenz sichtbar wird, der Gehalt, den sie hervorruft, meint etwas Abwesendes“ (Boehm 2010, S. 38). Lambert Wiesing nennt dieses bildliche Phänomen artifizielle Präsenz und bezeichnet es als den Hauptgedanken der phänomenologischen Bildwissenschaft (vgl. Wiesing 2005a, S. 31). 404

Boehm 2006a, S. 30f.

405

Ebd., S. 171.

406

Boehm 2011, S. 171.

D AS C OMPUTERSPIEL ZWISCHEN DEN Z USTÄNDEN T RANSPARENZ UND O PAZITÄT

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Dieses Schillerns wegen spricht sich Boehm auch gegen die Trennung von Bildträger und Bildobjekt aus, da diese nur gemeinsam gedacht werden können und nur in der Verbindung miteinander zum Bild werden können.407 Die Trennung ist demnach – wie in Bolter und Grusins doppelter Logik der Remediation – rein theoretischer Natur. „Wir verstehen die ikonische Differenz als Ereignis im Sinne einer Oszillation, bzw. einer Logik des Kontrastes. Bildwerke eröffnen ihren Bedeutungsraum, indem sie dem Auge ein komplexes Hin- und Her ermöglichen, es ihm gestatten, zwischen simultanem Ausgriff und sukzedierender Bewegung einzuschwingen. Es scheint uns deshalb auch nicht hilfreich, den (materiellen) Bildträger vom stets immateriellen Bildobjekt zu unterscheiden, wie das Lambert Wiesing vorschwebt.“408 6.2.3 Transparenzstreben: Perspektive im Computerspiel

Abb. 12: Mediale Transparenz: Zentralperspektivisches Autorennspiel mit iPad als Interface und Flatscreen-TV. Werbefoto von Apple Inc. Das Streben nach Transparenz zeigt sich besonders deutlich an Computerspielen, deren Bildwelten in der Tradition der Perspektivkonstruktion stehen und interaktive, dreidimensionale Umgebungen darstellen, die auf den subjektiven Blickpunkt des Betrachters ausgerichtet sind und im Wortsinn der Perspektive eine ‚Durchse-

407

Ebd., S. 175.

408

Ebd.

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hung‘ eröffnen (z.B. Ego-Shooter).409 In diesem Falle verhält sich das Bild wie ein Fenster, das einen Durchblick in den navigablen Bildraum des Spiels anbietet (zur Fenster-Metapher vgl. Anm. 372). Zentralperspektivische Darstellungen verschleiern in besonderem Maße ihre geometrisch-mathematischen Grundlagen und rufen traditionell und konventionell den Eindruck ‚natürlichen‘ Sehens hervor. In jedes perspektivische Bild sind aber die abstrakten Konstruktionsprinzipien eingeschrieben, die der Abbildung dreidimensionaler Objekte auf zweidimensionalen Flächen zu Grunde liegen und diese bedingen.410 Dennoch steht das Blickregime der Zentralperspektive historisch gleichsam für Unmittelbarkeit und Natürlichkeit.411 Mit Boehm ist das perspektivische „Paradox der ‚flachen Tiefe‘“ ein wesentlicher Aspekt der ikonischen Differenz.412 Damit meint er konkret die Tatsache, dass Bildträger als zweidimensionale Flächen, den Eindruck dreidimensionaler Bildräume eröffnen können. Im Sinne der ikonischen Differenz soll der Rezipient eines Computerspiels nicht das einzelne Pixel sehen, sondern (fantastische, aber dennoch ‚realistisch‘ wirkende, kohärente, plausible) Welten sollen sich auftun. Abb. 13 zeigt die mikroskopische Aufnahme eines Displays der autostereoskopischen Spielkonsole Nintendo 3DS und eine Screenshotsequenz aus Kid Icarus: Uprising (Project Sora, 2012), das auf dieser Konsole gespielt wird und die sich aus den Bildpunkten in der Rezeption

409

Es ist zu beobachten, dass sich Computerspiele historisch von einfachen zu komplexen Darstellungen räumlicher Konfigurationen entwickelt und sich dazu die Perspektivkonstruktion zu Nutze gemacht haben. Vgl. zur Bildtradition des Computerspielbildes in Verbindung mit der Perpektivkonstruktion der Renaissance Schwingeler 2008.

410

„Die künstlerische Auseinandersetzung und Problematisierung der Darstellung von Dreidimensionalität auf der Fläche geht mit geometrischen und mathematischen Gesetzen einher, die auf der einen Seite die Perspektive als Konstruktionsprinzip erst begründen und ermöglichen, auf der anderen Seite ihre spezifischen Charakteristika in jenes Konstruktionsprinzip einschreiben und es somit beeinflussen: Die Perspektive als costruzione legittima ist ein rationales Mittel, ein nach festen Regeln funktionierendes abstrakt-mathematisches Prinzip, das abstrakt-mathematische Konstruktionen von Raum hervorbringt“ (ebd., S. 42f.).

411

Vgl. zum Blickregime der Perspektive Erwin Panofskys Aufsatz Die Perspektive als symbolische Form (Panofsky 1974). Zur Perspektivkonstruktion bezogen auf das Medium des Computerspiels vgl. Schwingeler 2008.

412

Boehm 2006a, S. 33.

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zusammensetzt.413 Die Sequenz zeigt wie der geflügelte Avatar durch eine Fensteröffnung springt und damit die Spielwelt betritt. Das Fenstermotiv ist ebenfalls Teil einer Abbildung, die zu Werbezwecken für das Game eingesetzt wird. Dieses Beispiel nimmt in aller Deutlichkeit die historische Bildmetapher des Fensters auf und steht hier sinnbildlich für das mediale Transparenzstreben des Computerspiels.

Abb. 13: Display der Konsole Nintendo 3DS unter dem Mikroskop sowie Werbebild für und Bildsequenz aus Kid Icarus: Uprising (Project Sora, 2012). Die Bildsequenz zeigt wie der geflügelte Avatar die Spielwelt durch eine Fensteröffnung betritt. In vielen aktuellen Computerspielen ist zudem zu beobachten, dass extradiegetische Bildelemente in die Diegese der Spielwelt integriert werden. Informationen an den Spieler (z.B. Energievorrat, Auswahl der Waffe etc.), die in Form eines so genann-

413

Die Screenshots sind einem Trailer des Spiels entnommen, der unter folgender URL zu sehen ist: http://www.youtube.com/watch?v=Lv1OH3Wq2i4&feature=related [24.03.2012]

174 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

ten Heads-up-display (HUD) extradiegetisch über den dargestellten Bildraum gelegt und damit der Spielwelt ausgelagert sind, können als opake Elemente die Transparenz des Games trüben. Die Integration des HUD in die Diegese des Spiels ist demnach ein indirekter Beleg für das Transparenzstreben des Computerspiels. Im Spiel Dead Space (EA Redwood Shores, 2008) ist beispielsweise die Energieanzeige Teil der Rüstung des Avatars und befindet sich auf dessen Rücken. Dieses Design der Rüstung ist in aller Deutlichkeit an den Spieler adressiert und erfüllt die Aufgabe, den Spieler zu informieren. Das Spiel wird in der Dritte-PersonPerspektive mit dem Avatar als Repoussoir-Figur dargebracht, so dass der Spieler die rückseitig angebrachte Energieleiste stets im Blick hat und diese als Interface fungieren kann.414 Ein weiteres Beispiel für die Integration von eigentlich extradiegetischen Informationen an den Spieler in die Diegese der Spielwelt stellen Effekte dar, die die subjektive Wahrnehmung der Spielfigur simulieren. Im Spiel The Darkness (Starbreeze Studios, 2008) etwa wird das Bildfeld des Ego-Shooters bei einem erleideten Treffer durch einen rötlichen Rahmen und einen Unschärfe-Effekt überlagert. Dieses Bildphänomen erfüllt demnach sowohl eine narrative als auch eine spielerische Funktion: es erzählt von einem schmerzhaften Treffer und es informiert den Spieler gleichzeitig darüber.415 6.2.4 Hyperrealistische Leistungskultur des Computerspiels Gerrit Gohlke hat bemerkt, dass das Gros der Mainstream-Computerspiele einer „hyperrealistischen Leistungskultur“ verschrieben ist – Es handelt sich um ein Gebiet, „auf dem all die Simulationsfertigkeiten der abendländischen Kunsttradition zu einer massenwirksamen Ware werden.“416 Dabei ist wichtig zu betonen, dass sich die Bilder in Computerspielen häufig deutlich an den Medien Fotografie und Film – und dementsprechend an deren Transparenzstreben – orientieren. Das den meisten Computerspielen innewohnende Konzept der Simulation ist dergestalt, dass Computerspiele nicht die Realität simulieren, die der Mensch mit seinen Sinnen wahrnehmen kann. Computerspiele bilden nicht eine wie auch immer geartete Realität

414

Vgl. zur Integration des HUD in die Diegese der Spielwelten Beil 2012, S. 105-129.

415

„Perception-Effekte funktionieren im Computerspiel, [...], innerhalb der interaktiven Spielsequenzen häufig auch als Interface-Element(e), d.h. in der Hybridstruktur des Computerspiels sind solche Stilisierungen gleichzeitig als spielerisches und als narratives Element zu betrachten“ (Beil 2010, S. 115). Zu den Perception-Effekten vgl. ausführlicher ebd., S. 133-147.

416

Gohlke 2003, S. 19.

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ab, sondern versuchen, fotografischen Realismus nachzuahmen417, da das fotografische/filmische Bild immer noch eine besondere Glaubwürdigkeit ausstrahlt.418 In Computerspielen ist beispielsweise zu beobachten, dass geometrische Formen im Bild erscheinen, wenn der Spieler qua Mausbewegung in die dargestellte Sonne in einer dreidimensionalen Umgebung ‚blickt‘, als breche sich das Licht im Glas einer fotografischen Linse.419 So werden im Computerspielbild fotografische Techniken und Bildstörungen inszeniert (z.B. auch Bewegungs- und Tiefenunschärfen). Der Realismusanspruch vieler Computerspielbilder geht darüber hinaus bloß fotografisch zu sein. Sie sind als hyperrealistisch zu bezeichnen, da sie über die Abbildung realweltlicher Objekte hinausgehen können und ohne den Einfluss von Licht entstehen.420 Dieses Paradoxon, auf Referenzen zu verweisen, die realweltlich nicht existieren, versucht, das digitale Bild zu verschleiern.421

417

„And the reason we may think that computer graphics has succeeded in faking reality is that we, over the course of the last hundred and fifty years, has come to accept the image of photography and film as reality“ (Manovich 2001. S. 181).

418

„Die Photographie war einmal die Vera Icon der Moderne. [...] Die Photographie war einmal eine Ware der Wirklichkeit“ (Belting 2001, S. 215).

419

Vgl. zur Inszenierung fotografischer Technik im Computerspielbild Schwingeler 2008, S. 131-134.

420

Götz Großklaus beschreibt den Kern des Hyperrealismus in diesem Zusammenhang wie folgt: „Erstmals in der Geschichte lassen sich über einen Apparat – den mit einem Bildschirm gekoppelten Computer – Bildwelten erzeugen, die real-weltlich kein Vor-Bild haben und damit auch nicht mehr Ab-Bild sein können“ (Großklaus 1995. S. 134). Gundolf S. Freyermuth charakterisiert den Hyperrealismus mit folgenden Worten: „Mit dieser [Willkür], welche die Digitalisierung den Künsten brachte, erstand am Ende des 20. Jahrhunderts, indem vielfältige Materialien samt Naturgesetzen, denen sie unterliegen, durch frei definierbare Regeln mathematischer Modelle ersetzt wurden, ein grundsätzlich neues mimetisches Verfahren. Es soll hier Hyperrealismus heißen [...]“ (Freyermuth 2004. S. 5). Der Computer ermöglicht, Bilder von Objekten herzustellen, die wie echt wirken, es aber unmöglich sein können. Wichtig daran sind zweierlei Dinge. 1. Die Bilder der Objekte sehen nicht nur wie echt aus, sondern sie verhalten sich auch so. Sie bewegen sich und können vom User bewegt werden. 2. Dabei unterliegen sie simulierten Naturgesetzen, die ihre Erscheinung noch plausibler machen und das Bild and die ‚Imagination‘ angleichen (vgl. zu diesem Gedanken Wiesing 2005b sowie eine Kritik in Schwingeler 2008, S. 77-87). Zum Hyperrealismus speziell in Computerspielen vgl. Kapitel 5.3 aus Lars Zumbansens Dissertation mit dem Titel Hyperrealistische Bildwelten als Erlebnisräume (Zumbansen 2008. S. 177-213). Das Defizit des Dargestellten, auf eine Referenz zu verweisen, die es in der Realwelt nicht gibt, bedingt, dass sich das Dargestellte ver-

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6.2.5 Mediale Transparenz im Spielvollzug Die Transparenz betrifft auch die Handlung mit dem Bild.422 Der Benutzer soll möglichst in den Idealzustand des Flow und des Selbstwirksamkeitserlebens versetzt werden.423 Das Bildsujet kann im Zuge dessen hinter die Manipulation des

sucht zu legitimieren und zu authentisieren: Wasser- und Blutspritzer auf einer Kameralinse, die nicht existiert; das Brechen des nichtexistenten Lichts in einer (virtuellen) Kamera, oder das scheinbar zufällige Flirren von Filmkorn. Zumbansen zeigt weitere Authentisierungsstrategien auf – wie etwa die bewusste computergrafische Integration von Rissen in Tapeten und Rost auf Metall in den Interieurs mancher Spiele. Markus Rautzenberg spricht mit Bezug auf Walter Benjamin im Zusammenhang mit digitaler Bildlichkeit von Re-Auratisierung. Computerspiele machen sich dazu paradoxerweise alte Medien wie Fotografie und Film zu Nutze, denen Benjamin gerade jegliche Aura abgesprochen hat. In sich widersprüchlich werden Bildeffekte, die eigentlich Störungen, des fotografischen Bildes oder filmischen Materials betreffen (und damit die Transparenz hin zur Opazität verschieben), „zum Garant der Authentizität filmischer Repräsentation“ (Rautzenberg 2009a, S. 266). Diese Effekte werden in Computerspielbilder integriert, um deren Transparenz zu erhöhen. Vgl. zur Re-Auratisierung im digitalen Bild: Rautzenberg 2009a; vgl. zum Begriff der Aura Benjamin (1936) 2006. 421

„Jede Kritik des digitalen Bildes ist verfehlt, wenn sie verkennt, dass das digitale Bild auf der Verschleierung seiner digitalen Grundlage basiert. Es täuscht in der Regel (Foto)-Realismus vor, obwohl ihm das Wesen der Fotografie – das Dagewesen sein des Bildgegenstands, diese letzte Spur der Wirklichkeit – fehlt. Denn das digitale Bild hat nie eine Vorlage in der Realität besessen. Diese Täuschung bezeichnet Lev Manovich auch als ‚Paradoxon der visuellen digitalen Kultur‘“ (Dinkla 2001, S. 72).

422

Bolter und Grusin attestieren etwa auch Spielen für die portable Spielkonsole Game Boy (Nintendo, ab 1989), ein Streben nach Unmittelbarkeit. Die Konsole kann technisch keine perspektivischen Bildwelten und realistischen grafischen Oberflächen hervorbringen. Dennoch kann die Handlung mit dem Bild einen Zustand der medialen Transparenz hervorrufen: „Finally, the portable units, such as the Nintendo Game Boy [...], repurposed the pocket calculator and the portable computer, with a claim to immediacy of experience through the intense, almost hypnotic involvement of the user“ (Bolter/Grusin1999, S. 90). Zu Formen des Handelns mit Bildern vgl. Seja 2009.

423

Das Flow-Erleben bezeichnet die Ausführung einer Tätigkeit in völliger Vertiefung, die in einem delikaten Verhältnis von Über- und Unterforderung steht. Der psychologische Begriff des Flow geht auf Mihály Csíkszentmihályi zurück, der ihn 1975 entwickelt (vgl. Csíkszentmihályi 2010). Vgl. zur Übertragung des Begriffs auf die Tä-

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Bildes zurücktreten. Die Tatsache, dass viele Computerspiele über eine grafische Gestaltung verfügen, die einen gewissen realistischen Anspruch hat, ist demnach nicht der einzige Punkt, der die Transparenz des Mediums bedingt. Viele Computerspiele verfügen über eine grafische Darstellung, die nicht perspektivisch sowie ungegenständlich ist (z.B. Tetris). Die grafische Darstellung solcher Spiele ist im Sinne Bolter und Grusins eher als hypermedial – auf das Medium bezogen – zu bezeichnen. Dennoch stellen auch diese Spiele im Vollzug des Spiels mediale Transparenz her. Die grafische Darstellung von Spielen kann im Vollzug der Spielhandlungen rezeptionsseitig ausgeblendet werden: „Das Visuelle [...] entledigt sich der Referenz auf die Welt und verweist nur noch auf das Symbolische, also die ihm zugrunde liegende Programmstruktur.“424 Dies bedeutet konkret, dass es möglich ist, dass beispielsweise die SpielerInnen eines Ego-Shooters im psychologischen Status des Flow die gegnerischen Figuren, die Waffen, die repräsentierten Objekte und Räume nicht mehr als solche sehen, sondern nur noch als Elemente des Spiels bar jeder Gegenständlichkeit – wie abstrakte Spielsteine – begreifen und ihre Funktionen steuern.425 Das bedeutet im Umkehrschluss, dass auch die apparative Bedingtheit

tigkeit des Computerspielens Schlütz 2002, S. 69-71 sowie Klimmt 2006, S. 76-81. Das Flow-Erleben ist kein absoluter Zustand, sondern schillert ebenfalls zwischen Transparenz und Opazität: „Zwar ist ‚flow‘ tatsächlich in dem Moment zu verzeichnen, in dem die ‚muscle memory‘ eine bewusste Einflussnahme nicht mehr erfordert, gleichzeitig mäandert dieser spezifische Bewußtseinszustand aber immer wieder ins Leere, wird durch die Erfordernisse des Spiels selbst immer wieder unterbrochen. Dieses ständige Unterbrechen des ‚flow‘ ist das Ergebnis der spezifisch dynamischen Struktur des Bildschirmspiels, dessen Immersionseffekt des ‚flow‘ auf einem fragilen Gleichgewicht zwischen den individuellen motorischen und kognitiven Fähigkeiten des Spielers und den Erfordernissen der jeweiligen Spielsituation beruht“ (Rautzenberg 2002, S. 73). 424

Nohr 2004, S. 100.

425

Davis Myers nennt dieses Phänomen aesthetics of play und fokussiert damit die spielerische Handlung mit der Zeichenebene der Bildschirmspiele. Das, was die Zeichen repräsentieren, wird während des Spiels userseitig unwichtig. Die Zeichen werden im Rahmen des Gameplays gelesen und rezeptionsseitig umgedeutet. Die ‚Raumschiffe‘ aus Spacewar! (1962) werden z.B. als bloße Formen betrachtet. Wedge and Needle (Keil und Nadel) lauten in diesem Beispiel die Spitznamen für die Spielfiguren. Es ist also weniger wichtig wie die Dinge auf dem Bildschirm aussehen als welche Funktionen sie haben. „David Myers, a semiotician who has focused on signification in games and play, has claimed that when a space war game starts, signs like the moving images representing spaceships are still symbols of physical objects moving

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von Computerspielen, deren audiovisuelle Oberflächen keinen gegenständlichen Anspruch haben –sich von der Ebene des Bildsujets also nicht wie ein Fenster verhalten – im Vollzug des Spielens verschwinden können: auch ungegenständliche Spiele wie Tetris können im Spielvollzug Unmittelbarkeit herstellen. Die Transparenz des Computerspiels ist unabhängig vom Repräsentationscharakter des Bildes.426

6.3 T RANSPARENZ /O PAZITÄT ALS S CHNITT - UND B RUCHSTELLE : K ÜNSTLERISCHE S TRATEGIEN DER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION Die Kunstwerke, die in der vorliegenden Arbeit untersucht werden, setzen jeweils an der Schnitt- und Bruchstelle von Transparenz und Opazität an (vgl. Kap. 711).427 Sie versperren das Bestreben des Computerspiels zur Transparenz, unterbin-

through space. But when the player continues to play the game, the game itself starts to impose ist own rules, making the actual rules of nature governing real physical objects effectively less important. A spaceship in a game now principally stands only as a symbol of value it has inside the game and for the gameplay, Myers calls this specific phenomenon ‚aesthetics of play‘, where the elements of game derive their significance from the performance of gameplay; spaceships or other such game elements attain their value within the contexts players themselves construct during play“ (Mäyrä 2008. S. 16). Vgl. zu Myers’ semiotischem Ansatz Myers 2003 und Myers 2006. 426

„When you play a game 10,000 times, the graphics become invisible. It’s all impulses. It's not the part of your brain that processes plot, character, story. If you watch a movie, you become the hero - Gilgamesh, Indiana Jones, James Bond, whomever. The kid says, I want to be that. In a game, Mario isn’t a hero. I don’t want to be him; he’s me. Mario is a cursor.“ Rob Fullop, zitiert nach Scott Rosenberg, zitiert nach Gonzalo Frasca: Frasca 2001, URL: http://www.siggraph.org/artdesign/gallery/ S01/essays/0378.pdf [26.02.2012]. Das Originalzitat von Rob Fullop findet sich in einem Artikel für die Zeitschrift Wired: Rosenberg 1995, URL: http://www. wired.com/wired/archive/3.01/action.heroes.html [26.02.2012].

427

Laut Bolter und Grusin ist ein Kernaspekt moderner Kunst, an der Oszillation von Transparenz und Opazität anzusetzen – künstlerische Computerspielmodifikationen stehen deutlich in dieser Tradition. „Wenn der Zuschauer beispielsweise vor einer Collage steht, schwankt er zwischen dem ‚looking at‘ auf die einzelnen Papierstücke und die Farbe auf der Fläche des Bildes und dem ‚looking through‘ auf die dargestellten Objekte, als würden diese einen wirklichen Raum jenseits der Oberfläche

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den das Schillern zwischen den Zuständen und lassen es in Opazität verharren.428 Sie verstellen die Computerspiele von der Durchsicht in die Ansicht, von der Unmittelbarkeit in die Mittelbarkeit, von der Unsichtbarkeit in die Sichtbarkeit usw. Dies bewerkstelligen sie beispielsweise, indem sie die Gegenständlichkeit der perspektivischen Computerspielbilder in Abstraktion überführen und damit ihren hyperrealistischen Repräsentationscharakter hinterfragen und kritisieren. Eine weitere Strategie ist das Versperren der interaktiven Natur des Computerspielbildes und das damit einhergehende Unterlaufen von Erwartungshaltungen des Rezipienten. Bezogen auf interaktive Medienkunst hat Annette Hünnekens dies als „doppelbödige Interaktion“ bezeichnet.429 Bei den in der vorliegenden Arbeit analysierten Kunstwerken handelt es sich teilweise um unspielbare Spiele. Damit sind paradoxe Artefakte gemeint: Computerspiele, zu deren medialen Charakteristika gehört, dass ihre Bild-

einnehmen. Was moderne Kunst ausmacht, ist ihr Beharren darauf, dass der Betrachter an die Oberfläche zurückkommt, oder gar, in extremen Fällen, ein Versuch, den Betrachter ganz an der Oberfläche zu halten. In der Logik der Hypermedialität ist der Künstler (oder Multimedia-Programmierer, oder Webdesigner) bemüht, den Betrachter dazu zu bringen, das Medium als ein Medium zu akzeptieren, und diese Akzeptanz auch zu genießen“ (Bolter/Grusin 2004, S. 30). 428

Bolter und Grusin bemerken zu künstlerischen Strategien bezogen auf den Künstler David Rokeby: „Für den Digitalkünstler David Rokeby ist diese Dichotomie von Transparenz und Opazität genau das, was in den neuen Technologien die Haltung des Entwicklers von der des Künstlers unterscheidet. Rokeby bezieht sich deutlich auf die modernistische Ästhetik, wenn er schreibt: ‚while engineers strive to maintain the illusion of transparency in the design and refinement of media technologies, artists explore the meaning of the interface itself, using the various transformations of the media as their palette.‘ Tatsächlich haben seit Matisse und Picasso, oder vielleicht schon seit den Impressionisten, Künstler die ‚Schnittstelle erforscht‘“ (Bolter/Grusin 2004, S. 30). David Rokeby zitiert nach Rokeby 1995, S. 133.

429

„Die interaktiven Arbeiten, die die Interaktion selbst thematisieren, bekommen sie schließlich erst dann in das Blickfeld, wenn sie die entsprechende Erwartungshaltung erfolgreich hervorrufen, sie anschließend jedoch ironisch zu brechen verstehen und sich dem Vollzug der tatsächlichen Interaktion verweigern. Nicht die perfekt geplante und reibungslos durchgeführte Interaktion ruft die Reflexion der künstlerischen Idee hervor, sondern das, was der Betrachter zur Vollendung der Idee hinzufügen muss. Diese intellektuelle Leistung soll nicht eine mißlungene Interaktion zu Ende denken, sondern die intendierte Interaktion durchschauen und reflektieren. [...] Nur ein Konzept der ‚doppelbödigen Interaktion‘ [...] ermöglicht die Vermittlung einer kritischen und nicht konsumierenden Haltung gegenüber den Medien, indem es sich subtil verweigert“ (Hünnekens 1997, S. 184 und 186).

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lichkeit zum Zwecke des Spiels manipuliert wird, dies aber nicht mehr möglich ist, und das Game dadurch in einem dysfunktionalen Schwebezustand der Opazität verharrt. Diese beschriebenen Strategien kann man bezogen auf den Rezeptionsvorgang informationstheoretisch als Störung bezeichnen.430 Im Sinne Bertolt Brechts wäre von Verfremdung die Rede.431 Durch solcherlei Strategien wird das Medium ansichtig und zeigt sich – es wird aufsässig, indem es etwa nicht mehr so funktioniert wie es soll.432 Die Philosophin Sybille Krämer bemerkt zur Störung: „Sie [die Medien] wirken gewöhnlich unter der Schwelle unserer Wahrnehmung; [...]. Nur im Rau-

430

Aus Sicht der Kommunikationswissenschaft bezieht sich Ludwig Jäger auf Bolter und Grusin. Er interpretiert das Aufscheinen der Opazität als Störung in der Kommunikation (in der Tradition Claude Shannons). Er nennt Transparenz und Störung zwei „Aggregatzustände der Kommunikation“ (Jäger 2004, S. 68; vgl. ferner Jäger 2008). Zum Störungsbegriff in der Medientheorie vgl. Kümmel 2005. Vgl. zum Störungsbegriff aus medienphilosophischer Sicht Rautzenberg 2009. Vgl. zur Störung des Rezeptionsvorganges als künstlerische Strategie Zschocke 2005 sowie Zschocke 2006.

431

„Wenn es ein primäres künstlerisches Ziel besonders der interaktiven Medienkunst ist, unterschiedliche Prinzipien der Kommunikation und Manipulation freizulegen, muß sie sich, wie auch die Computergrafik, von der Faszination einer perfekt mimetisch-nachahmenden Illusionstechnologie befreien. Sie sollte vielmehr diese Techniken anhand geeigneter Prozesse erfahrbar beziehungsweise erkennbar machen, so daß der Betrachter sie als ‚Anstoß der künstlerischen Kommentierung‘ wahrnehmen und ernst nehmen kann. Die vertraute künstlerische Technik hierfür ist die Verfremdung bekannter Strukturen, wie sie beispielsweise in der klassischen Moderne im ‚epischen Theater‘ Bertolt Brechts praktiziert wurde“ (Hünnekens 1997, S. 184).

432

Der Begriff der Aufsässigkeit stammt aus Martin Heideggers Zeuganalysen, die er in Sein und Zeit entwickelt und die sich auf Werkzeug beziehen lassen. Peter Geimer hat zuerst auf die medientheoretischen Implikationen im Zusammenhang mit den Zeuganalysen hingewiesen und dies auf Störungen fotografischer Bilder bezogen. Markus Rautzenberg und Andreas Wolfsteiner haben die Begrifflichkeit der Zeuganalysen medienphilosophisch und –theoretisch weiterhin nutzbar gemacht. Mit den Begriffen Transparenz und Opazität korrespondieren die Heideggerschen Begriffe: Zuhanden (transparent), vorhanden (opak), unzuhanden (schillernder Zustand dazwischen). Es lassen sich drei Modi des Unzuhandenen unterscheiden: Auffälligkeit, Aufdringlichkeit, Aufsässigkeit. „Diese Modi treten in Erscheinung, wenn Zeug seine Zuhandenheit verliert, wenn es, statt seinem Benutzer wie gewohnt zur Hand zu sein, nicht zur Stelle ist, seinen Dienst versagt oder beginnt zu stören“ (Geimer 2004, S. 324). Vgl. Rautzenberg/Wolfsteiner 2010a; vgl. als Primärtext Heidegger 1993.

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| 181

schen, das ist aber in der Störung, bringen Medien sich selbst in Erinnerung, rücken sie ins Zentrum der Wahrnehmung.“433 Die folgende Tabelle bringt Begriffe miteinander in Beziehung, die mit Transparenz und Opazität korrespondieren. Transparenz Unmittelbarkeit Immediacy (Bolter und Grusin) Bildobjekt (Husserl) Oberfläche des Bildes (Nake) „reine Sichtbarkeit“ (Boehm) „überschaubare Gesamtfläche“ (Boehm) image Ganzes Fremdreferenz Signifikat Dargestelltes Raum unsichtbar durchsichtig

6.4 Z USAMMENFASSUNG

Opazität Mittelbarkeit Hypermediacy (Bolter und Grusin) Bildträger (Husserl) Unterfläche des Bildes (Nake) „stumpfes Material“ (Boehm) „Binnenereignisse“ (Boehm) picture Detail Selbstreferenz Signifikant Darstellendes Fläche sichtbar ansichtig

VON

K APITEL 6

Kapitel 6 hat das Begriffspaar Transparenz und Opazität theoretisch aufgespannt, das als zentraler Analyseschlüssel in den analytischen Kapiteln (7-11) der Arbeit fungiert (Kap. 6.1). Es wurde die Medientheorie Jay David Bolters und Richard Grusins in die Arbeit eingeführt, die in wesentlichen Zügen auf dem Wechselspiel von Transparenz und Opazität beruht und erklären kann, wie Medien den Prozess ihrer Vermittlung verschleiern aber im Zuge dessen immer wieder auf sich selbst verweisen (Kap. 6.2 und Kap. 6.2.1). Diese medientheoretischen Ausführungen haben daraufhin eine bildwissenschaftliche Wendung erfahren, indem sie mit Gottfried Boehms Denkfigur der ikonischen Differenz in Verbindung gebracht worden sind (Kap. 6.2.2). Auf diese Weise sind medientheoretische (Kap. 6) und bildwissenschaftliche Ansätze (Kap. 5) zu einem gemeinsamen theoretischen Überbau syn-

433

Rautzenberg 2009, S. 154. Sybille Krämer zitiert nach Krämer 2003, S. 81.

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thetisiert worden, mit dessen Hilfe erklärt werden kann, wie KünstlerInnen mit Computerspielen als Material umgehen. Das Tranzparenzstreben des Computerspiels ist vor dem Hintergrund der medientheoretischen und bild- bzw. kunstwissenschaftlichen Ausführungen detailliert beschrieben worden (Kap. 6.2.3). Die angestrebte Unmittelbarkeit des Mediums wird insbesondere durch perspektivische Computerspielbilder deutlich, die sich an den Medien Fotografie und Film orientieren und als hyperrealistisch beschrieben werden können (Kap. 6.2.4). Transparenz kann sich aber auch im Spielvollzug einstellen, indem die apparativen und medialen Bedingungen des Computerspiels rezeptionsseitig ausgeblendet werden (Kap. 6.2.5). Kapitel 6.3 hat die künstlerischen Strategien als Störung bzw. Verfremdung skizziert, die in der vorliegenden Arbeit anhand ausgewählter Kunstwerke exemplarisch analysiert werden (Kap. 7-11). Eine Auflistung korrespondierender Begriffe zu Transparenz und Opazität in tabellarischer Form hat das Kapitel schließlich abgerundet und das weitreichende analytische Potenzial des Begriffspaares Transparenz und Opazität deutlich werden lassen. Die Kapitel 2-6 der vorliegenden Arbeit haben folgende Voraussetzungen für die Analyse der Kunstwerke in Kapitel 7-11 geschaffen: Durch eine präzise Gegenstandsbestimmung (Kap. 2), methodische Ausrichtung (Kap. 3) sowie einen ausführlichen Forschungsüberblick (Kap. 4), der die Diskurse um künstlerische Computerspiele aufgearbeitet, bewertet und in einen historischen Zusammenhang gestellt hat, ist eine breite theoretische Basis für eine Analyse ausgewählter Kunstwerke erarbeitet worden. Ergänzend durch den bildwissenschaftlichen Entwurf des Computerspiels als Bildmedium (Kap. 5) sowie die medientheoretische Vertiefung des Begriffspaares Transparenz/Opazität (Kap. 6) sind die Voraussetzungen für die umfassende Analyse ausgewählter Kunstwerke gewährleistet. Die nun folgenden Kapitel 7-11 machen sich die erarbeiteten theoretischen Erkenntnisse und Ergebnisse (Kap. 2-6) für Analysezwecke zu Nutze. Im Zentrum der Kapitel 7-11 stehen fünf Kunstwerke, die einer ausführlichen Analyse unterzogen werden: Arsdoom (Orhan Kipcak, Reinhard Urban, 1995), QQQ (Tom Betts, 2002), Super Mario Clouds (Cory Arcangel, 2002-2009), dead-in-iraq (Joseph DeLappe, 2006-2011) und SOD (JODI, 1999). Kapitel 12 fasst die Ergebnisse der Analyse schließlich zusammen.

7. Arsdoom: Künstlerische Neudekoration

Das folgende Kapitel untersucht das Kunstwerk Arsdoom.434 Diese künstlerische Computerspielmodifikation steht als Prototyp am Anfang der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Computerspiel als Material. Bei Arsdoom handelt es sich um eine Software-Modifikation, bei der die audiovisuelle Oberfläche des Spiels Doom II (id Software, 1994; Game Engine: id Tech 1) einer vollständigen Veränderung unterzogen worden ist. Arsdoom bleibt aber – wie das Ausgangsmaterial – ein Ego-Shooter, in dem es gilt, sich räumliche Konfigurationen durch Durchquerung anzueignen und gegnerische Figuren ‚abzuschießen‘. 1995 wurde der Architekt Orhan Kipcak von Peter Weibel, dem damaligen künstlerischem Leiter der Ars Electronica, dazu aufgefordert, ein Kunstwerk für das Medienkunstfestival in Linz zu produzieren.435 Orhan Kipcak gestaltete gemeinsam mit dem Architekten und Mathematiker Reinhard Urban ein interaktives Projekt nach Ideen von Peter Weibel. Das Ergebnis war eine Computerspielmodifikation auf Basis der Engine, auf der die Spiele Doom und Doom II laufen – id Tech 1 (id Software, 1993). Die Modifikation Arsdoom ist mittels verschiedener LevelEditoren und der Software AutoCAD hergestellt worden. In Arsdoom ist die audiovisuelle Oberfläche des extrem brutalen Ego-Shooters Doom vollständig verändert. Diese Neudekoration (vgl. Anm. 86) stellt die navigablen Räume des Ausgangsmaterials als eine Kunstausstellung dar: Als Texturen an den Wänden befinden sich digitalisierte Abbildungen von Kunstwerken. Die räumlichen Strukturen der Com-

434

Der Titel des Projekts kommt in etlichen Schreibweisen vor: Ars Doom, ars doom, arsdoom, Arsdoom, ArsDOOM etc. Im Inhaltsverzeichnis des Katalogs der Ars Electronica steht ARSDOOM. Die Urheber selbst bezeichnen ihr Projekt im Katalogartikel schließlich als „Arsdoom“. Deshalb soll diese Schreibweise hier übernommen werden (Kipcak 1995, S. 263).

435

Das Festival (1995 auch geschrieben als „@rs electronica 95“) stand unter dem Leitthema „Welcome to the Wired World: Mythos Information“ (Gerbel et al.1995).

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puterspielmodifikation bilden ein Modell des Brucknerhauses in Linz, dem damaligen Veranstaltungsort der Ars Electronica. Arsdoom ist im Brucknerhaus ausgestellt worden und verdoppelt auf diese Weise die räumliche Ausstellungssituation. Arsdoom markiert, den Einzug des Computerspiels als künstlerisches Material in die Kunstgeschichte. Es handelt sich bei Arsdoom zwar nicht um den „erste[n] Versuch eines Künstlers, ein Computerspiel als künstlerisches Medium zu nutzen“436 – wie Tilman Baumgärtel in einem einflussreichen Text vermutet hat – wohl aber um die erste bekannte öffentlichkeitswirksame Inszenierung eines Computerspiels als Kunstwerk im institutionellen Kontext. Während das erste bekannte Computerspiel eines Künstlers – nämlich Otocky (ASCII Corporation, 1987) von Toshio Iwai437 – im strengen Sinne ein kommerzielles Produkt darstellt, ist Ars-

436

Baumgärtel 2003b, URL: http://www.medienkunstnetz.de/themen/generative_tools/ game_art/scroll/ [08.01.2011]. Auch Jon Cates bezweifelt den von Baumgärtel vermuteten Status von Arsdoom. Im Hinblick auf die zeitnahe Entstehung einer weiteren Computerspielmodifikation im künstlerischen Kontext – Museum Meltdown (Palle Torsson, Tobias Bernstrup, drei Versionen, 1996-1999) – konstatiert er: „And if Tilman Baumgaertel’s desire to position Arsdoom as unprecedented is accurate, then these works cannot be considered in a fixed chronologically arranged genealogy of recent media art histories. Rather, as I have attempted to describe in this text, these art mods coexist in conversation, as points of articulation, amidst the game cultures they come from and feedback into, in the ongoing discourse of art games and the continued development of art mods“ (Cates 2011, S. 20, URL: http://systems approach.net/ArtGameStudies/RunningAndGunning.pdf. [10.01.2011]).

437

Das Spiel Otocky von der ASCII Corporation ist 1987 für das Family Computer Disk System von der Firma Nintendo auf Floppy Disk in Japan erschienen. Das von Toshio Iwai konzipierte und gestaltete Spiel ist ein seitlich scrollender Shooter und enthält interaktive – oder auch generative – Musik, die durch die Eingaben der SpielerInnen während des Spielens beeinflusst und dadurch erst erzeugt wird. „The game Otocky from 1987 by Japanese media artist Toshio Iwai is – as far as I know – the first example of an artist using the medium of the video game as his material. The game is a side-scrolling shooter but also some kind of odd musical instrument producing generative music. What makes Otocky so interesting is that it is a commercial video game produced by a renown media artist outside the context of art“ (Jansson 2010b, URL: http://www.gamescenes.org/2010/11/interview-.html [12.04.2012]). Das Thema der generativ erzeugten Musik bleibt der wesentliche Aspekt in Iwais Œuvre. Er variiert das Thema im künstlerischen Kontext mit den auf synästhetische Effekte angelegten, interaktiven Installationen Resonance of 4 (1994), Piano – As Image Media (1995) und Composition on the Table (1998/99). Die im künstlerischen Kontext erprobten Konzepte fließen in die kommerziellen Computer- und Videospie-

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doom als Auftragsarbeit für ein Kunstfestival mit der Intention, als Kunstwerk rezipiert zu werden, entwickelt worden. Ein wesentlicher Unterschied zu Toshio Iwais Game besteht außerdem darin, dass Otocky eine eigenständige Produktion eines Computerspiels ist, während Arsdoom als Modifikation eines bestehenden, kommerziellen Spiels die bestimmende erste Strategie des künstlerischen Umgangs mit Computerspielen in der Folge definiert. Dies setzt Arsdoom auch von der ersten bekannten künstlerischen Modifikation von Computerspieltechnik ab: Der japanische Medienkünstler Takahiko Iimura modifiziert 1993 zur Herstellung einer interaktiven CD-ROM eine in der Entwicklung befindliche Technik, die angeblich ab 1994 in Sonys Spielkonsole PlayStation zum Einsatz kommt.438 Die CD-ROM AIUEONN Six Features (1993) macht sich die Technik der Games als Werkzeug zu Nutze, während Arsdoom innerhalb der Strukturen eines Computerspiels selbst stattfindet und damit auch die spezifischen Eigenschaften des Mediums inhaltlich adressiert. Das Kunstwerk selbst ist im Falle von Arsdoom ein Computerspiel. Einer der Urheber, Orhan Kipcak, beschreibt die Arbeit im Katalogartikel der Ars Electronica wie folgt: „Ein digitales Modell des Brucknerhauses als virtueller Ausstellungsort: Auf der Grundlage des action/adventure-Spieles DOOM entsteht eine Welt von realtime 3D-animation, texturemapping und ray-casting, bevölkert von Künstler-Ikonen der Moderne. Zwischen digitalen Objekten und Tafelbildern werden Interaktionen zwischen virtuellen Besuchern und Künstlern inszeniert. Der Ausstellungsort wird zu einem ästhetischen Reservat mit rasch wechselnden Fluchtpunkten … und zum Hintergrund einer turbulenten Auseinandersetzung: In der Agonie einer hermetischen Welt, bewaffnet mit Farbkanonen und Wasserschläuchen, schlüpft der Besucher in die Charaktermasken eines Beuys, Rainer, Baselitz oder Koons … Ein Auf-

le SimTunes (Maxis, 1996, PC) sowie jüngst Electroplankton (Indies Zero, 2005, Nintendo DS) ein. Zu Iwais Zeit als ‚Artist in Residence‘ am ZKM 1994-95 vgl. Schwarz 1997, S. 54f. 438

„In 1993 Takahiko Iimura worked with Sony’s mysterious real-time texture mapping ‚System G‘ game technology, to produce an interactive CD-ROM title AIUEONN Six Features. AIUEONN Six Features is a game of words which explores the structure of language to represent differences between East and West cenceptions of time and space“ (Cannon 2007, S. 38). Die Arbeit beruht auf der Verzerrung von auf Video aufgenommenen Gesichtern durch digitale Technik. Die abgefilmten Personen artikulieren bestimmte Laute, was durch die Verzerrung der Physiognomie ins Karikaturhafte überformt wird. Die Arbeit ist online bei YouTube unter folgender URL zu sehen:

http://www.youtube.com/watch?v=U4w4ZhPRWKQ&feature=player_embed

ded [12.04.2012].

186 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL bäumen fehlgeleiteten Gestaltungswillens – gefangen in einer Schleife verzweifelter Kreativität. Ein Schöpfen aus dem ästhetischen Arsenal – und zugleich ein Zerstören.“439

In den folgenden Ausführungen wird zunächst das Ausgangsmaterial vorgestellt (Kap. 7.1). Dabei handelt es sich um den Ego-Shooter Doom II (id Software, 1994), auf dessen Strukturen die Modifikation Arsdoom basiert. Die Spiele der DoomSerie nehmen computerspielhistorisch eine wichtige Rolle ein, da sie den Wechsel vom zweidimensionalen zum dreidimensionalen Computerspiel markieren und damit ein neues Genre – den Ego-Shooter – mitdefinieren und ausgestalten (vgl. zu Vorläufern Kap. 11.1.1). In diesem Zusammenhang knüpft sich an diese Spiele eine ausführliche Diskussion um die Darstellung von Gewalt.440 Ein weiterer wichtiger historischer Aspekt ist, dass die Urheber John Romero und John Carmack die Spiele für Modifikationen geöffnet haben und diese Möglichkeit der Veränderungen in das Design der Software integriert haben. Damit stellen sie die Games als Material zur Verfügung, was sich Fans und kurz darauf Künstler zu Nutze gemacht haben. Im Folgenden wird zunächst die spezifische Bildlichkeit des Ego-Shooters bestimmt. Davon ausgehend werden die Regeln und Ziele des Spiels sowie die diegetischen Relationen zum Rezipienten isoliert (Kap. 7.1.1). Eine Beschreibung der narrativen Ebene von Doom und Doom II leitet daraufhin zur Betrachtung der Architekturen und Figuren über (Kap. 7.1.2). Nach diesen grundsätzlichen computerspielanalytischen Feststellungen wird die kunsthistorische Rolle des Spiels Doom

439

Kipcak 1995, S. 262.

440

„‚DOOM‘ has also brought a new quality into play with regard to the representation of violence. For optimal marketing of the product, the firm ID-Soft increased the violence level and built taboo injuries into their marketing concept (chain saw). That was the reason that legal proceedings were instigated over the game by the [...] Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften [...]“ (Friedemann Schindler zitiert nach Schwarz 1997, S. 53). Doom und Doom II waren in Deutschland bis 2011 indiziert: „Mit Wirkung zum 31. August 2011 hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) die 1994 erfolgte Indizierung der Spiele Doom und Doom 2 aufgehoben. Aus heutiger Sicht seien die Titel nicht mehr jugendgefährdend. [...] ‚Aus heutiger Sicht handle es sich bei ‚Doom‘ nicht um eine realistische Darstellung. Für den heutigen Betrachter stelle sich das Spiel grafisch allenfalls auf unterem Comic-Niveau dar (flach, das heißt, keine räumliche Tiefe; verpixelt; wenig detailliert; allenfalls rudimentäre Animationen).‘ [...] Heute aber, so die Behörde, würden sich Jugendliche für die ersten beiden Dooms wohl nur noch wegen der ‚historischdokumentarischen Bedeutung‘ der Spiele für das Shooter-Genre interessieren“ (Golem.de, 31.08.2011, URL: http://www.golem.de/1108/86095.html [13.04.2012] [kursiv im Original]).

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herausgearbeitet, da sich an dessen Veröffentlichung der Einzug des Computerspiels in das Kunstsystem knüpft, die maßgeblich von der Zugänglichkeit zum Material abhängig ist (Kap. 7.1.3). Für diesen Einzug des Computerspiels in die Kunstgeschichte und die bestimmende Strategie der (parasitären) Umnutzung von Computerspielen steht prototypisch das Kunstwerk Arsdoom, das in einem zweiten Teil einer Analyse unterzogen wird (Kap. 7.2). Zunächst werden die Art der Modifikation und die Ansatzpunkte der Veränderungen bestimmt. Es wird aufgezeigt, was die Künstler im Vergleich zu dem Ausgangsmaterial verändert haben. Die räumlichen Konfigurationen und deren Ausgestaltung werden detailliert behandelt (Kap. 7.2.1), genauso wie die Spielregeln und die Handlungsmöglichkeiten innerhalb der umgestalteten, verfremdeten Spielwelt (Kap. 7.2.2). Die Tatsache, dass Arsdoom den musealen Raum als Modell abbildet, in dem es ausgestellt ist, wird als subversive, selbstreflexive Strategie identifiziert (Kap. 7.2.3). Für diese Strategie der Verdoppelung des Ausstellungsraums finden sich viele andere Beispiele, die in einem weiteren Unterkapitel besprochen und als Museums-Maps bezeichnet werden (Kap. 7.2.4). In Kapitel 7.2.5 wird ein Fazit zu Arsdoom gezogen. Hier wird das Kunstwerk im Vergleich zum Ausgangsmaterial als verfremdete Spielwelt positioniert, wodurch sich ein Gegentwurf zu Doom II ablesen lässt.

7.1 D AS PROTOTYPISCHE M ATERIAL KÜNSTLERISCHER C OMPUTERSPIELMODIFIKATION : D OOM Bei Doom (id Software, 1993) und dem Nachfolger Doom II: Hell on Earth (id Software, 1994) handelt es sich um Spiele, die beide auf der von John Carmack programmierten Game Engine id Tech 1 basieren. Auf dieser Engine baut auch das Kunstprojekt Arsdoom auf. Die Spiele werden auf Personalcomputern mit Maus und Tastatur gespielt und sind dementsprechend dem Computerspieldispositiv der ‚Arbeit‘ zuzuordnen (vgl. Kap. 2.3.4.2). 7.1.1 Die Bildlichkeit des Ego-Shooters Bei den Computerspielen Doom sowie dem direkten Nachfolger Doom II handelt es sich um Spiele, die das Genre des Ego-Shooters in technischer wie ästhetischer Weise definiert haben. Gemeinsam mit dem direkten Vorgänger Wolfenstein 3D (id Software, 1992, PC; vgl. die Modifikation SOD, Kap. 11) markiert diese Gruppe der Spiele die historische Zäsur zwischen dem zweidimensionalen und dreidimensionalen Computerspiel. An sie knüpft sich die Ausformulierung eines neuen Genres, das im deutschsprachigen Raum als Ego-Shooter und im englischsprachigen

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Raum als First-Person-Shooter (FPS) bezeichnet wird (vgl. zur Ausformulierung des Genres und relevanten Vorläufern zudem Kap. 11.1.1).441 Die Bezeichnung rührt daher, dass sich Ego-Shooter einer subjektiven Sicht auf das Spielgeschehen bedienen: Sie bringen die audiovisuelle Raumzeitlichkeit des Spiels durch die angenommenen Augen der Spielfigur – eines First-Person-Avatars – zur Darstellung.442 Diese spezifische Bildlichkeit bedingt das Spielprinzip – nämlich der „Umstand, dass das, was auf dem Bildschirm zu sehen ist, das ist, was man sehen könnte, wenn man sich innerhalb der simulierten Welt an eben derjenigen Stelle befände, an welcher die selbst nicht sichtbare Spielfigur lokalisiert ist.“443 7.1.1.1 Handlungs- und Regelkomplex: Durchquerung und Aneignung des wehrhaften Raums Diese Spiele sind nicht die ersten, die die Erste-Person-Perspektive einsetzen444, weshalb der Darstellungsmodus nicht allein ausschlaggebend für die historische Genrebildung sein kann. Für das Genre des Ego-Shooter ist die Darstellung des Geschehens mittels einer simulierten subjektiven Kamera nicht die einzige, notwendige Bedingung. Ein Handlungs- und Regelkomplex aus Zielen, Schießen und Treffen ist ebenso ausschlaggebend wie ein spezifischer „Topos der Bewegung“, der durch eine grundsätzliche (diegetische) Funktion der „‚gewalttätigen Raumaneignung‘“ gekennzeichnet ist.445 Die Manipulations- und Zielregeln der Games lassen sich abseits der Darstellung demnach wie folgt beschreiben: Es gilt die als Bild dargebrachten räumlichen Konfigurationen mittels Maus und Tastatur so zu bewegen,

441

Zu einer medienübergreifenden Vorgeschichte des Ego-Shooters an der Schnittstelle zum Film mit besonderem Hinblick auf die subjektive Kameraeinstellung vgl. Galloway 2006b.

442

Zum First-Person-Avatar, der im Bild bedingt durch die Bildanlage der Erste-PersonPerspektive üblicherweise nicht zu sehen dessen ‚Körper‘ aber dennoch intradiegetisch ‚anwesend‘ ist vgl. Beil 2012, S. 171-199.

443

Günzel 2006, URL: http://www.bildwissenschaft.org/image/ausgaben?function= fnArticle&showArticle=89 [22.08.2012].

444

„Neue Dimensionen der Raumdarstellung eröffnen Night Driver (1976) und Battlezone (1980). [...] Battlezone ist das erste kommerzielle Spiel, das sich tatsächlich in einer virtuellen dreidimensionalen Umgebung entfaltet. Den Grundstein legte abermals eine Gruppe Studierender. Mit The Maze (oder auch Maze War) entwickelten sie 1974 bei der NASA eine VR-Umgebung, [...]. [...] Der immersive First-PersonView erlaubt dabei nur eine begrenzte Einsicht in den Raum“ (Lohoff/Schwingeler 2009, S. 21). Vgl. zudem Schwingeler 2008, S. 127-135.

445

Bopp et al. 2009a, S. 8f.

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dass das Zentrum des Bildes mit beweglichen Objekten zur Deckung gebracht wird (Zielen und Treffen). Auf Knopfdruck (Schießen) verschwinden diese Objekte dann nach einiger Zeit aus dem Bildraum bzw. vom Spielfeld. In der Diegese des Spiels dringen die SpielerInnen in von Aggressoren besetzte labyrinthische Architekturen ein und eignen sich diese Räume durch Töten aller Gegner und durch Durchquerung an.446 Die Räume zeigen sich dabei wehrhaft: sie schicken Agenten aus, um sich gegen ihre „Durchquerung zu wehren.“447 7.1.1.2 Bildelemente des Ego-Shooters Formalästhetisch kommt die Darstellung einer Waffe am unteren Bildrand hinzu, die – manchmal verkürzt – in den zentralperspektivischen Raum hineinzuragen vorgibt (Abb. 14). Die Darstellung der Waffe, die im Falle von Doom von einer Faust über den Lauf einer Schrotflinte bis hin zu einer Kettensäge reicht, verweist auf die Existenz der Spielfigur im angenommenen Raum des Spiels.

Abb. 14: Screenshots aus den Spielen Doom (id Software, 1992) und Doom II (id Software, 1994) Die Interaktionsform mit den Bildobjekten des Ego-Shooters beruht auf der Variation der Fluchtpunkte im perspektivisch dargebrachten Bild. Die Bewegung der Maus und das Drücken der Tasten in realiter bedingt jeweils eine Neuberechnung des perspektivischen Bildes.448 Die bestimmende Handlung ist das Anvisieren von Objekten und das Schießen auf Objekte (vgl. zur Emergenz des Gameplay Anm. 83). Dabei sind der Fluchtpunkt des Bildes und das oftmals im Bild dargestellte Fadenkreuz der Waffe untrennbar aneinander gekoppelt, „wodurch Objektsehen (in der Bildinteraktion: das Zentrieren oder ‚Anvisieren‘) und –erkennen (in der Bildin-

446

Vgl. Nohr 2008, S. 47f.

447

Mertens 2005, URL: http://www.bpb.de/themen/VLU0YO,0,0,A_Mind_Forever_ Voyaging.html [21.01.2011].

448

Vgl. Schwingeler 2008.

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teraktion das Bestätigen oder ‚Schießen‘) zusammenfallen.“449 Die hauptsächlichen Formmerkmale des Ego-Shooters sind „die Manipulationsmöglichkeit der zentralperspektivischen Raumerscheinung sowie die Kopplung des Fluchtpunktes der geometrischen Bildkonstruktion mit dem Zielpunkt der Bildhandlung“.450 Das Bild des Ego-Shooters weist extradiegetische Bildelemente auf, die aus der Spielwelt ausgelagerte Informationen enthalten, die für den Spieler vor dem Bildschirm bestimmt sind. Am unteren Bildrand sieht der Spieler zum Beispiel Prozentanzeigen und Zahlenwerte, die über den Gesundheitszustand der Spielfigur und die verfügbare Munition informieren. In der Mitte des unteren Bildrandes befindet sich das animierte Konterfei des namenlosen Protagonisten, das sich bei einem erlittenen Treffer schmerzvoll zu verzerren scheint und auf diese Weise verschiedene Gesundheitszustände repräsentieren kann. Dieses Element dient sowohl als extradiegetisches (spielerisches) Informations- als auch als diegetisches (narratives) Identifikationsangebot an den Rezipienten. 7.1.2 Narrative Auskleidung der Spielwelt Die Games der Doom-Serie bilden zusammen mit ihrem direkten Vorgänger Wolfenstein 3D (id Software, 1992) Inkunabeln und Archetypen des Ego-Shooters, die die zentralperspektivische Bildanlage und die Durchquerung des Raumes in dieser frühen Form vorführen (vgl. zu weiteren Vorläufern Kap. 11.1.1). Dazu gehört auch die (1993/94 als extrem empfundene) Darstellung von Gewalt, die für das Genre des Ego-Shooters ebenfalls kennzeichnend ist. Der „Chronotopos“451 der Doom-

449

Günzel 2009, S. 336.

450

Günzel 2009, S. 336.

451

Mathias Mertens benutzt den Begriff des Chronotopos in Anlehnung an den Literaturwissenschaftler Michail Bachtin (vgl. Bachtin 1989). Der Begriff bezeichnet in narrativen Texten die Konfigurierung von Raum- und Zeitstruktur zu einem sinnvollen und konkreten Ganzen. Mertens schreibt über den Chronotopos des EgoShooters: „Das Problem mit Ego-Shootern ist allerdings, dass sie ihren Chronotopos bis zum Überdruß wiederholen, immer und immer wieder. Bestenfalls variieren sie den Chronos, wenn sie statt auf einer Station auf dem Marsmond Phobos in einer irreal ausgedehnten Version von Hitlers Wolfsschanze oder einer schießgerecht aufbereiteten Dinosaurier-Zeit spielen. Der Topos bleibt unangetastet, das ist immer das außer Kontrolle geratene Labyrinth, das zu seiner Verteidigung Agenten ausschickt. Die Grundstruktur dieses Chronotopos ist seit ‚Doom‘ 1993 – oder seit Pac-Man, wie wir gesehen haben – dass ein Raum Agenten ausschickt, um sich gegen seine Durchquerung zu wehren“ (Mertens 2005, URL: http://www.bpb.de/themen/VLU0YO ,0,0,A_Mind_Forever_Voyaging.html [21.01.2011]).

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Serie lässt sich als eine Mischung aus Science-Fiction und Horror beschreiben. Die Narration, vor dessen Folie das Spielgeschehen stattfindet, lässt sich wie folgt in aller Kürze zusammenfassen: Experimente mit Teleportation auf den Marsmonden Phobos und Deimos haben unvorhergesehene Konsequenzen. Dadurch wird die Hölle geöffnet, durch deren Portale Dämonen und andere Ungeheuer ausbrechen und die labyrinthisch-verwinkelten Forschungseinrichtungen der fiktiven Union Aerospace Corporation besetzen. Um die infernalischen Gestalten zu besiegen und die Welt zu retten, müssen die SpielerInnen in der Rolle eines futuristischen Soldaten schließlich in die Hölle selbst hinabsteigen, die wiederum aus labyrinthischverwinkelten Räumen besteht. Im zweiten Teil Doom II: Hell on Earth (1994) entkommt der Protagonist aus der Hölle und stellt fest, dass sich die dämonische Invasion auf den Planeten Erde ausgedehnt hat. Das Spiel beginnt prinzipiell von vorne. Die räumlichen Konfigurationen und Spielfiguren sind dem Chronotopos entsprechend gestaltet und lassen sich den (filmischen) Genres Horror und ScienceFiction zuordnen. Die Räume erinnern durch ihre dunkle, unbunte Texturierung, die den Eindruck eines Gemäuers hervorruft, teilweise an Kerkerräume oder Verliese. In Kontrast zu diesen dunkel gehaltenen Räumen stehen Maps, deren Texturierung Assoziationen zu kühlem Metall und technischen Geräten hervorruft. So weisen die Games auch die Darstellung langer Korridore auf, die durch Neonlicht erhellt werden und an die Kulissen von Science-Fiction-Filmen wie Alien (Ridley Scott, 1979) oder Aliens (James Cameron, 1986) erinnern könnten. Eine dominante Farbe der Ausgestaltung in manchen Maps ist Kaminrot, das sich teilweise an den perspektivisch fluchtenden Wänden, in der Darstellung des Blutes und in den extradiegetischen Elementen des Bildes wiederfindet. In Maps, die das Spielgeschehen in den Außenraum erweitern, ist der Himmel in Schattierungen von Kaminrot oder Schwefelgelb gestaltet. Innerhalb der Diegese des Spiels sind die gegnerischen Figuren, die dem Rezipienten begegnen, als Zombies, Dämonen, gehörnte, pferdefüßige teuflische Gestalten und fantastische Mischwesen aus Fleisch und Metall gekennzeichnet.452

452

Der Journalist David Kushner beschreibt in seiner Biografie der Doom-Urheber die Einflüsse, die zu der Mischung aus Science-Fiction und Horror geführt haben: „Carmack, of course, had a long history with demons. There were the demons of Catholic school, the demons Romero had summoned in their Dungeons and Dragons game, the demons who’d destroyed the D&D world. Now it was time for them to make another appearance. Here was this amazing new technology, so why not have a game about demons versus technology, Carmack said, where the player is using high-tech weapons to defeat beasts from hell? Romero loved the idea. It was something no one had done before. Kevin and Adrian agreed, snickering at the Potenzial for sick, twisted art, something in the spirit of their favorite B movie, Evil Dead II. In fact they all

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7.1.3 Doom als Impulsgeber künstlerischer Computerspielmodifikation An Doom knüpft sich der Einzug des Computerspiels als künstlerisches Material in den Kontext der Kunst. Neben den technischen und computerspielhistorischen Innovationen, entwickeln sich um das Spiel die ersten Communities im Internet, die sich dem Modding widmen (vgl. Kap. 2.3.1).453 Vor Doom hat die Computerspielindustrie ihre Produkte weitestgehehend durch ‚fremden‘ Eingriff geschützt. Ein Eingriff in die Produkte war ein illegaler Hack. Im Falle von Doom wurde die Modifizierbarkeit des Spiels von den Urhebern, Designer John Romero und Programmierer John Carmack in Form von Metaregeln454 bewusst in die Software integriert und Eingriffe in die Strukturen ermöglicht.455 Diese Modifizierbarkeit begünstigt Umgestaltungen des Spiels, die im Falle von Arsdoom unter dezidiert künstleri-

agreed, that was what the game could be like; a cross between Evil Dead II and Aliens, horror and hell, blood and science. [...] They all agreed on making a fast-action game that had the sci-fi suspense of Aliens combined with the demonic B-movie horror of Evil Dead II“ (Kushner 2004, S. 101 und 105). 453

Doom machte sich neue Distributionswege zu Nutze und wurde ab 1993 als Shareware im Internet vertrieben. Diese unvollständige Shareware-Version besteht aus 9 Levels, die zusammen die erste ‚Episode‘ des Spiels bilden. Die Entwicklung des Internet begünstigte allgemein die Hinwendung von KünstlerInnen zum Computerspiel: „The introduction of and subsequent explosion in activity on the World Wide Web created social situations where digital files (such as art mods) were more easily exchanged through online communities dedicated to specific aspects of computer cultures (such as gaming). The core technologies of these digital products, the hardware (such as the graphics processing power of video processing cards) and software (such as the games themselves) developed rapidly at this time, encouraging artists who were a part of these computer cultures to consider these systems as both players and creators or modifiers“ (Cates 2011, S.5, URL: http://systemsapproach.net/ArtGame Studies/RunningAndGunning.pdf. [10.01.2011]).

454

„A meta-rule is a rule that states how rules can be changed“ (Frasca 2003a, S. 232). Zu Veränderungen von Spielregeln vgl. Kap. 2.3.4.3.

455

Schon das Vorgängerspiel Wolfenstein 3D war durch Hacking modifizierbar. Im Falle von Doom wurde die Veränderung des Games aber von der Produktionsseite forciert und die Software offener gestaltet. John Carmack äußerte sich dazu wie folgt: „The hacking that went on in wolfenstein was unexpected, but based on that, DOOM was designed from the beginning to be modified by the user community“ (Slashdot.org, 15.10.1999, URL: http://games.slashdot.org/story/99/10/15/1012230/johncarmack-answers [11.04.2012]).

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schen Vorzeichen entstehen.456 Ab 1994 entstehen die ersten spezifischen LevelEditoren, die über das Internet getauscht, zur Modifikation von Doom eingesetzt werden und die Veränderung der audiovisuellen Oberfläche des Spiels vereinfachen.457 Die künstlerischen Verfahren der Umwidmung und Appropriation setzen mit der Öffnung des Spiels Doom und der Mod Arsdoom im Jahr 1995 ein. 1997

456

Friedemann Schindler, der ursprünglich für die Konzeption der Ausstellung Welt der Spiele im ZKM verantwortlich ist, stellt schon 1997 fest: „Obwohl DOOM vom Spielinhalt her eher schlicht und archaisch ist, bietet es mit Hilfe der verfügbaren Editoren große ‚Tiefe‘. Das sogenannte DOOM-WAD-File ist ein riesiger, virtueller Baukasten mit tausenden von frei zugänglichen Zeichen, Texturen, Figuren, Animationen und Sounds. Das audiovisuelle Material kann nicht nur exportiert werden, um damit zu ‚spielen‘ (z.B. in Form von Collagen), alle Daten lassen sich beliebig verändern oder können komplett ersetzt werden; selbst völlig neue Raumkonstruktionen sind

möglich“

(Schindler/Wiemken

1997,

URL:

http://snp.bpb.de/referate/

schind_doom.htm [10.01.2011]). In Fußnote 28 bemerken die Autoren medienphilosophisch über die Editierungsmöglichkeiten in Doom: „Jaron Lanier, einer der Vorreiter der Idee der virtuellen Realität, begreift wie Vilem Flusser, der vom Alphabetverlust in der Informationsgesellschaft spricht, die Sprache als ein überholtes und nicht zeitgemäßes Kommunikationsmedium im virtuellen Raum. Seiner Meinung nach wird es bei virtuellen Begegnungen zu einem Austausch von Symbolen kommen. [...] Die Erschaffer von DOOM-Leveln gingen – ohne es zu wissen – schon einen Schritt weiter: Sie tauschen keine Worte oder Bilder mehr aus, sondern komplett selbsterdachte Szenarien, Räume und Träume (bzw. Alpträume). Aus der Sicht von William Gibson, SF-Autor und Vordenker des Cyberspace, wird erst durch den Austausch von Informationen der Computer vom ‚Vermittler‘ an einen passiven Imformationsempfänger (Rezipienten) zum ‚Mittel‘ für aktive Informationsverwerter (Partizipienten)“ (Schindler/Wiemken 1997, URL: http://snp.bpb.de/referate/schind _doom.htm [10.01.2011]). 457

Tilman Baumgärtel schreibt: „Am 25. Januar, etwas mehr als einen Monat nach der Internet-Veröffentlichung von ‚Doom‘, publizierte Brendon Wyber, ein Student der University of Canterbury in Neuseeland, im Netz den Doom Editor Utility (DEU). Dieses – immer wieder verbesserte – Programm, das mit der Hilfe von AmateurProgrammierern aus der ganzen Welt entstand, machte es noch leichter, ‚Doom‘ zu hacken und eigene Versionen zu basteln“ (Baumgärtel 2003b, URL: http://www. medienkunstnetz.de/themen/generative_tools/game_art/scroll/ [12.04.2012].) Domenico Quaranta pflichtet dem bei: „In January 1994 a New Zealand student, Brendon Wyber, put the Doom Editor Unit in circulation“ (Quaranta 2006, S. 303). Beide Autoren geben den Namen der Editierungssoftware nicht korrekt wieder. DEU steht für Doom Editing Utilities. Vgl. http://doom.wikia.com/wiki/DEU [12.04.2012].

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gibt id Software den Source Code der Games gänzlich frei und hat damit das Material des Computerspiels für die Kunst zugänglich gemacht.458 Im selben Jahr wird Doom in die Ausstellung des Medienmuseums des ZKM in Karlsruhe aufgenommen und als spielbare Installation präsentiert.459 Ein Grund, warum sich KünstlerInnen in den 1990er Jahren dem Medium des Computerspiels zuwenden, lässt sich auf die Sozialisation der KünstlerInnen zurückführen. Es musste zunächst eine Generation von Künstlern heranwachsen, die mit Computerspielen sozialisiert worden ist, die Computerspiele kennt und mit ihrem Umgang vertraut ist, um sie als Ausdrucksform zu entdecken und zu instrumentalisieren.460 Ein weiterer Grund dafür, dass sich das Computerspiel als Medium für eine künstlerische Auseinandersetzung vor dem Erscheinen des Spiels Doom 1993 versperrte, ist, dass den KünstlerInnen der Zugang zum Material verwehrt geblieben ist. Vor dem Erscheinen des Spiels Doom waren Veränderungen in Spielen in der Regel nur direkt über den Code möglich. Mit Doom aber wurde die Engine von den Bildern und Klängen strukturell getrennt, was eine Innovation innerhalb der Computerspieleprogrammierung darstellte.461 Es gibt einen Unterschied zwischen Soft-

458

Der Quellcode des Spiels Doom ist am 23.12.1997 im Internet veröffentlicht worden. Vgl. die URL der Veröffentlichung http://www.doomworld.com/idgames/?id=8802 [19.01.2011] sowie den begleitenden Text (release notes) des Urhebers John Carmack: Carmack 1997, URL: ftp://ftp.idsoftware.com/idstuff/source/doomsrc.txt [04.05.2012].

459

Vgl. Schwarz 1997. Das Spiel ist zur Zeit der Schriftlegung der vorliegenden Arbeit nicht im Medienmuseum in Karlsruhe aufgebaut.

460

„Nicht weniger bedeutend war schließlich die Tatsache, dass die erste Generation von Künstlern, die mit PCs und Videospielen aufwuchs [...], inzwischen erwachsen war. Diese jungen Künstler waren mit neuen Medien ebenso vertraut wie mit traditionelleren kulturellen Formen“ (Tribe et al. 2006, S. 10). Jon Cates argumentiert ähnlich: „For generations of media artists who had reached adulthood by passing through or along the rise of arcades, video games and computer games, the form, content, context and implications of game culture are a natural home, holding promising possibilities for contemporary artmaking“ (Cates 2011, S.2f., URL: http:// systemsapproach.net/ArtGameStudies/RunningAndGunning.pdf. [10.01.2011]

461

Im direkten Vergleich zu Modifikationen in Doom bedeutete eine Modifikation im Vorgängerspiel Wolfenstein 3D auch ein Umschreiben des Codes: „In Wolfenstein this kind of replacement always required erasing parts of the original code. Once a picture was changed, there was no easy way to bring the original back. In the case of Doom, the media files were intentionally separated from the main program and loca-

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wareprogrammierung und -Modifikation, der hier deutlich wird: Vor Doom waren Modifikatoren prinzipiell eher Programmierer, die in tiefere Ebenen der Games eingedrungen und mit den Strukturen der Software umgegangen sind (vgl. auch den SimCopter Hack, der während der Entwicklungsphase des Spiels entstanden ist; vgl. Anm. 195). Die vollzogene Trennung von reinem textbasierten Quellcode und den Bild- und Audiodateien, die unmittelbar veränderbar sind, ist „eine der wichtigsten Entwicklungen in der Geschichte der Computerspiele überhaupt“462, denn der damit einhergehende Zugang zu einem neuen Material „war für die Generierung von zahllosen ludischen Artefakten nicht nur richtungweisend, sondern eine Grundvoraussetzung“.463 Mit der Öffnung der Game Engines und der Zugänglichkeit zu den Mediendateien der Spiele steht ein neues Material zur Verfügung, das im Kern zwar aus Code besteht, aber ohne großes programmiertechnisches Wissen sicht- und hörbar zu bearbeiten ist.464 Obwohl die Bearbeitung von Computerspielen durch Doom erheblich vereinfacht worden ist, muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass an der Herstellung von Arsdoom mindestens 10 Personen beteiligt waren und die Modifikation nicht ausschließlich durch Eingriffe in die Dateien entstanden ist, sondern Reinhard Urban auch programmiert hat, um ein überzeugendes Modell des Brucknerhauses, dem Veranstaltungsort der Ars Electronica, darstellen zu können.465 Die Möglich-

ted in an accessible directory. This reorganizing of game data made it possible to replace sounds and graphics in a non-destructive manner“ (Sotamaa 2005, S. 109). 462

Tolino 2010, S. 322.

463

Ebd.

464

„Increasingly, editing levels to create these mods did and does not require comprehensive or advanced computer programming skills. The abilities required were increasingly simple familiarity with the conventions of computer and game cultures. Being familiar with the experience of operating the GUI (Graphic User Interface), navigating online networks, installing and configuring software, selecting and applying properties from menus, and other such actions (that are most often acquired through playing computer-based games and exploring computer operating systems) increasingly became the necessary skill sets required to make mods“ (Cates 2011, S. 7, URL: http://systemsapproach.net/ArtGameStudies/RunningAndGunning.pdf. [11. 01.2011]).

465

Insgesamt hat ein Team von mindestens zehn Personen an Arsdoom gearbeitet. Neben Reinhard Urban spricht Orhan Kipcak in einem Interview von acht Assistenten, die die Dateien verändert haben. Die technische Umsetzung hat hauptsächlich Reinhard

Urban

verantwortet

(vgl.Ja nsson

2009b,

URL:

http://www.

gamescenes.org/2009/11/interview-orphan-kipcak-arsdoom-arsdoom-ii-1995.html [11.04.2012]). Zu den üppigen, technischen Details vgl. außerdem die ausführliche

196 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

keit, Doom zum kreativen Ausdruck umzunutzen, dient auch als Argument dazu, die Aufnahme des Spiels in die Ausstellung des 1997 eröffnenden Medienmuseums des ZKM zu integrieren und unterstreicht die kunsthistorische Rolle der Software zusätzlich.466 In einem Interview bekräftigt Orhan Kipcak die These, dass Künstler durch die Öffnung der Doom-Engine ‚id Tech 1‘ Zugang zu einem neuen Material bekamen, das ihnen davor weitgehend verwehrt geblieben ist. Kipcak berichtet: „An then Id Software opened up the Doom engine, allowing everybody to tinker with the Level Editor. It was such a powerful tool! It was an epiphany. [...] Last but not least: I chose a videogame for technical and practical reasons. The Doom engine was an open-source solution, easy to handle and very popular at the time. It made our life so much easier!“467 Schließlich antwortet Kipcak auf die Frage „Why did you choose Doom for your art project?“ knapp mit einem Wort: „Availability.“468 Das so entstandene Projekt Arsdoom steht im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen.

7.2 E INDRINGEN

IN DIE

R ÄUME

DER

K UNST : A RSDOOM

Arsdoom stellt keine Modifikation des Quellcodes des Spiels Doom dar, sondern ist ursprünglich ein von den Künstlern gestalteter Raum, eine Map, die in Form einer WAD-Datei („ARS.WAD“) mittels einer registrierten Kopie von Doom II gespielt

Dokumentation auf der Website des Architekten und Mathematikers Reinhard Urban, der auch eigene Software zur Herstellung von Arsdoom geschrieben hat: http://rurban.xarch.at [19.01.2011]. Im Katalogartikel der Ars Electronica heißt es dazu „Mit einer eigenen Autolisp-Routine sind die so erstellten 3-D-Daten in den Editor unserer Arsdoom-Spielumgebung exportiert worden“ (Kipcak 1995, S. 263). Orhan Kipcak sagt dazu: „All the modules were then assembled technically by Reini Urban. Reini also programmed a little extension that bypassed the limitations of the Doom Level Editor: the original editor could only design squared rooms. But we needed a room with pointed angles in order to reproduce the complex geometry of the physical design of the Ars Electronica center, the Brucknerhaus“ (Jansson 2009b, URL:

http://www.gamescenes.org/2009/11/interview-orphan-kipcak-arsdoom-ars

doom-ii-1995.html [11.04.2012]). 466

Vgl. Schwarz 1997.

467

Jansson 2009b, URL: http://www.gamescenes.org/2009/11/interview-orphan-kipcakarsdoom-arsdoom-ii-1995.html [11.04.2012].

468

Ebd.

A RSDOOM : K ÜNSTLERISCHE N EUDEKORATION

| 197

werden kann.469 Diese Map stellt das Brucknerhaus dar, in dem Arsdoom während der Ars Electronica ausgestellt worden ist. Der Nachbau des Brucknerhauses innerhalb und mittels des Spiels Doom II ist aufgrund der originalen Baupläne erfolgt (Abb. 15).470 Durch die Modifikation der audiovisuellen Oberfläche entfernt sich Arsdoom hinsichtlich der Präsentation vom Ausgangsmaterial. Es handelt sich demnach um eine Neudekoration z.B. ähnlich der Simpsons Map, die die Architekturen sowie Bild- und Audiodateien ersetzt (vgl. Kap. 2.3.3; Abb. 5). Die Tonkulisse stammt vom österreichischen Komponisten elektronischer Musik Curd Duca.

Abb. 15: Brucknerhaus in Linz und Modell des Brucknerhauses in der dreidimensionalen Umgebung von Arsdoom

469

Vgl. die release notes der Urheber zu Arsdoom: Kipcak/Urban 1995, URL: ftp://ftp.fuberlin.de/pc/msdos/games/idgames/themes/xrated/i_am_old_enough_to_lo ok_at_this/ars_sml.zip [12.04.2012].

470

„Auf Grundlage der originalen Baupläne wurde mit Autodesk/Autocad (einer Standard-CAD-Software) das digitale alter ego des Brucknerhauses konstruiert. Mit einer eigenen Autolisp-Routine sind die so erstellten 3-D-Daten in den Editor unserer Arsdoom-Spielumgebung exportiert worden. Hier wurde der Charakter der Interaktionen zwischen Besuchern, den Kunstwerken und dem digitalen Raum definiert. Ebenso wurde hier das Inventar an ‚festverdrahteten‘ Akteuren angelegt sowie die, in speziellen Soundeditierprogrammen erstellte, Geräuschkulisse implementiert. Komplettiert wurde der digitale Raum mit diversen Oberflächen-Texturen, wobei die eingesetzten Texture-Mappings entweder durch das Scannen analoger Bildvorlagen oder durch das Digitalisieren von Videoaufzeichnungen (wie etwa im Fall der das Brucknerhaus umgebenden Landschaft) entstanden sind. Schließlich sind in diese Umgebung die digitalen Kunstwerke eingefügt worden“ (Kipcak 1995, S. 264).

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7.2.1 Ausgestaltung des Bildraums als Kunstausstellung Die SpielerInnen können durch die räumlichen Strukturen der Map navigieren. In den Räumen treffen sie auf gegnerische Figuren, die nur aus Köpfen bestehen und sich den SpielerInnen zu nähern scheinen. Es handelt sich dabei um die digitalisierten Gesichter verschiedener Künstler und anderer Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Ars Electronica – u.a. Peter Weibel, Jörg Schlick, Ecke Bonk und Heimo Zobernig –, die sich aktiv an dem Projekt Arsdoom beteiligt haben (Abb. 16).471 Diese KünstlerInnen haben neben ihren Portraitfotos auch Kunstwerke digitalisieren lassen, die in Arsdoom als Texturen an den Wänden des nachempfundenen Brucknerhauses zu sehen sind. So kreieren Kipcak und Urban einen Ausstellungsraum im Ausstellungsraum, der von den SpielerInnen erkundet werden soll.

Abb. 16: KünstlerInnen in Arsdoom. Abgebildet sich von links nach rechts: Peter Weibel, Andrea Mayr und Katharina Copony.

471

Im Ausstellungskatalog findet sich folgende Auflistung beteiligter Personen: „Seichi Furuya, Peter Kogler, Heimo Zobernig, Peter Weibel, Jörg Schlick, Stephen Pusey, Michael Smith, Sabine Bitter, Stefan Nessmann, Ecke Bonk, Manfred WolffPlottegg, Curd Duca, Orhan Kipcak + Special Guests. Ein Raum wird von Studenten der Meisterklasse Visuelle Medien gestaltet: Norbert Pfaffenbichler, Wolfgang Hilbert, Andrea Mayr, Katharina Copony, Rich.Art“ (Ebd.).

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Abb. 17 kann als Beispiel für die Auskleidung des virtuellen Raums fungieren. Die Abbildung zeigt das Symbol ‚Sonne Busen Hammer‘, das für die ‚Lord Jim Loge‘ um Jörg Schlick und Martin Kippenerger als Logo fungierte, als Textur an der Wand von Arsdoom. An der Wand links unter der digitalisierten Fotografie ist deutlich das Motto der Lord Jim Loge „Keiner hilft Keinem“ zu lesen.

Abb. 17: Das Symbol ‚Sonne Busen Hammer‘ als Textur an der Wand von Arsdoom. Die Waffen in diesem Ego-Shooter verweisen auf Persönlichkeiten der jüngeren Kunstgeschichte. Die SpielerInnen bewaffnen sich durch Aufheben bestimmter Symbole mit Nam June Paiks Fernbedienung, Georg Baselitz’ Daumen, Arnulf Rainers Pinsel, Hermann Nitschs Blut oder Joseph Beuys’ Kreuz. Mit den Waffen werden die gegnerischen Figuren ‚abgeschossen‘ bis sie in einer grünlichen Wolke effektvoll verpuffen. Darüber hinaus sind ikonoklastische Gesten möglich, die sich gegen die digitalisierten Kunstwerke richten. Kunstwerke an der Wand lassen sich z.B. mit schwarzen Strichen durchkreuzen, unkenntlich machen und ausstreichen (Abb. 18). So dringen die SpielerInnen in die Ausstellung der Ars Electronica ein und zerstören in der brutal-machistischen Bildanlage des Ego-Shooters Kunstwerke und lassen KünstlerInnen explodieren. Kipcak äußerte sich zu dem Ikonoklasmus wie folgt: „I chose those artists because they were well known and their art had a brutal aspect to it. This is important for an ego shooter: With Arnulf Rainer you

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paint over artworks, with Nitsch you soak them in blood, with Baselitz you turn them upside-down.“472

Abb. 18: Ikonoklastische Geste: Ausstreichen eines an der Wand befindlichen Bildes in Arsdoom. 7.2.2 Ikonoklastische Gesten in Arsdoom Es handelt sich bei Arsdoom um eine Umgestaltung der audiovisuellen Oberfläche des Computerspiels, ohne dessen spielerische Strukturen, in den Grundzügen zu verändern. Das Programm ist immer noch ein Ego-Shooter – ein progressives Agôn-Spiel –, dessen Chronotopos sich nur oberflächlich von Doom unterscheidet: An die Stelle der bedrohlich wirkenden Kulissen von Raumstationen, Kerkern und Verliesen rückt ein Modell des Brucknerhauses, das als Raum der Kunst Kunstwerke versammelt. Die Dateien, die gegnerische, teuflische Unholde darstellen, werden mit „virtuellen Künstlern“ überschrieben, „die ihre Kojen ‚bewachen‘“473 . Die Zielregeln des gewalttätigen Eindringens in Räume und damit einhergehende Aneignung bleiben erhalten. Arsdoom ist der Kohärenz verpflichtet: Es besteht aus logisch, plausibel zusammenhängenden Räumen und die Art der Bewegung durch diese Räume funktioniert bezogen auf das Gameplay konventionell; nämlich so, wie sie Rezipienten von Ego-Shootern auch 1995 schon gewohnt sind. Der Game Space hat sich gegenüber Doom II hauptsächlich durch sein Aussehen verändert; damit ändert sich aber auch die narrative Ebene des Spiels.474

472

Jansson 2009b, URL: http://www.gamescenes.org/2009/11/interview-orphan-kipcakarsdoom-arsdoom-ii-1995.html [12.04.2012].

473

Urban 1995, URL: http://rurban.xarch.at/ars/review.html, [21.01.2011].

474

Hier ist Axel Stockburgers Modell von Game Space und User Space adressiert. Der Game Space hat sich im Falle von Arsdoom in zwei Unterkategorien geändert: Die Umgestaltung der Oberflächen verändert den Audiovisual Representational Space. Dadurch, dass keine dämonischen Gestalten in Verliesen mehr dargestellt werden,

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| 201

Der Handlungs- und Regelkomplex aus Zielen, Schießen und Treffen richtet sich nun nicht gegen dämonische Schreckensgestalten, sondern gegen die digitalisierten Portraitfotografien real existierender Persönlichkeiten des Kunstbetriebs sowie – in ikonoklastischen Gesten – gegen die Kunstwerke im Ausstellungsraum. Hier zeigt sich, dass die Umgestaltung der audiovisuellen Oberfläche zwar keine direkten Auswirkungen auf die Ziel- und Manipulationsregeln des Ego-Shooters hat, sich aber auf die übergerodnete Handlungsmaxime auswirken kann (vgl. kap. 2.3.4.3). Bezieht sich diese in Doom und Doom II auf die Abwehr fantastischer Gestalten aus der ‚Hölle‘ und dem damit zusammenhängenden ‚Retten der Welt‘ qua exzessiver Gewaltakte, richtet sich die Aggression in Arsdoom gegen Kunst und KünstlerInnen. In diesem Zusammenhang ist Arsdoom als satirisch interpretiert worden. Das modifizierte Spiel präsentiere eine grobe Satire; einen „inside joke, a tongue-incheek take on the Artworld“475 : „Die [...] Zerstörungsorgie lässt sich getrost als Rache des geschmähten Mediums Videospiel am Kunstbetrieb lesen.“476 Es gehe nicht nur darum, das ursprüngliche Spiel zu verändern, sondern auch – mit düsterem Humor – die Regeln, die Ordnung und die Werte des Kunstfestivals Ars Electronica zu invertieren. Dies zeigt sich an der Beobachtung, dass ein besonders beliebtes Ziel bei den Rezipienten der künstlerische Leiter Peter Weibel gewesen sein soll.477 7.2.3 Topoi des Eindringens und Verdoppelns Ein wesentliches Thema eines Ego-Shooters und damit auch Arsdoom ist das Eindringen in Räume. Das Thema des Eindringens funktioniert bei Arsdoom auf mehrerlei Ebenen: Zunächst dringen die SpielerInnen in den Symbolraum der Kunst ein

ändert sich die Diegese – der Narrative Space. Der Rule Space bleibt weitest gehend erhalten; genauso wie der Kinaestehic Space, der die Simulation von Bewegung im dargestellten Raum bezeichnet. Vgl. Stockburger 2009; vgl. Anm. 178). 475

Jansson 2009b, URL: http://www.gamescenes.org/2009/11/interview-orphan-kipcakarsdoom-arsdoom-ii-1995.html [12.04.2012].

476

Doepp 2010, URL: http://www.zeit.de/digital/games/2010-03/kunst-spieleanspiel ungen [12.04.2012].

477

„Beliebtestes Opfer der ‚ars doom‘-Spieler soll Ausstellungsleiter Peter Weibel gewesen

sein“

(Baumgärtel

2003b,

URL:

http://www.medienkunstnetz.de/

themen/generative_tools/game_art/scroll/ [06.10.2010]). „As documented by various writers, playersparticularly enjoyed destroying an image of the exhibition director Peter Weibel. Weibel‘s role as the most desirable target for destruction is a simple illustration of the carnivalesque inversion of the social order or hierarchical power structures of the festival“ (Cates 2011, S.11, URL: http://systemsapproach.net/ ArtGameStudies/RunningAndGunning.pdf. [10.01.2011]).

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und verhalten sich – bedingt durch die Regelstruktur des Spiels – entgegen aller üblichen Normen in einem Kunstmuseum, indem sie sich als der Kunst gegenüber feindlich und sogar als Ikonoklasten gebären müssen. Darüber hinaus ist das Kunstwerk selbst dadurch erst entstanden, dass Kipcak und Urban in die Strukturen des Ausgangsmaterials Doom II eingedrungen sind, diese verändert und sich damit angeignet haben. Drittens steht Arsdoom auch für ein neues Medium sowie künstlerisches Material, das erstmals in traditionelle Räume der Kunst eindringt. Die WAD-Datei, die den Kern des Projekts darstellt, ist ursprünglich in spielbarer Form als interaktive Installation im Brucknerhaus in Linz zur Ars Electronica 1995 großformatig an prominenter Stelle in der Eingangshalle präsentiert worden.478 Neben der Präsentation in diesem installativen Dispositiv ist die Datei zu Arsdoom während der Ars Electronica auch im Internet über einen Server der Technischen Universität Graz verbreitet worden.479 Interessierte konnten sich die Map herunterladen und in ihren privaten Räumen offline auf dem Heimcomputer im klassischen Computerspieldispositiv ‚Arbeit‘ spielen (vgl. den Abschnitt über Hardware-Modifikationen und Computerspiel-Dispositive in Kap. 2.3.4). Den Künstlern zufolge war es auch geplant, dass sich SpielerInnen von zuhause über ein Netzwerk in laufende Multiplayer-Partien einloggen sollten: „‚Arsdoom‘ wird so zu einem Ereignis im telematischen Raum“480, heißt es im von Orhan Kipcak formulierten Katalogartikel. Aufgrund technischer Probleme ist diese Erweiterung des virtuellen Raums in die Privatheit der Wohnzimmer in der geplanten, globalen Form aber nicht realisiert worden.481 Konzeptionell ist die Erweiterung des Ausstellungsraums in den virtuellen Raum des Internet aber angelegt.

478

Reinhard Urban schreibt: „Wir haben uns gleich am Eingang im Erdgeschoß aufgebaut. Direkt neben dem Aufgang zum Foyer. Jeder muß bei uns vorbei. Der Weibel hat uns sogar eine Großbildleinwand organisiert“ (Urban 1995, http://rurban. xarch.at/ars/review.html [21.01.2011]).

479

Die ursprüngliche, heute nicht mehr erreichbare URL lautete ftp://flinux.tugraz.ac.at/pub/arsdoom/. Vgl. den Downloadlink unter Urban 1995, URL: http://rurban.xarch.at/ars/review.html [21.01.2011]. Im Katalog wird eine Adresse der Universität Linz angegeben (ftp: ars.uni-linz.ac.at) (Kipcak 1995, S. 262).

480

„Die Netzwerkfähigkeit von ‚Arsdoom‘ ermöglicht die Interaktion von bis zu vier Besuchern. Darüber hinaus ist es möglich über Internet weltweit die von uns geschaffene, virtuelle Umgebung aufzusuchen“ (Ebd., S. 263).

481

Reinhard Urban berichtet: „Leider war aus technischen Problemen dann der internationale Walkthrough übers Netz unmöglich. Ich hab mir ja vorher vorgestellt Leute von draußen in unserem Museum rumzuführen, damit die mal wissen, wie es so im Brucknerhaus in Linz aussieht. Einzig unsere 4 Rechner im Foyer waren manchmal miteinander vernetzt. Und der IRC Channel #sympos war weltweit erreichbar, ob-

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Parallel zu der Zeit von Arsdoom – Mitte der 1990er Jahre – waren die Diskurse über Multimedia und virtuelle Realität (VR) auch im Kunstkontext mit der Idee vom virtuellen Museum auf einem Höhepunkt.482 Kipcak und Urban haben eine solche räumliche Konfiguration für Doom II entworfen und den Ausstellungsraum im digitalen Raum verdoppelt. Im Falle von der im Brucknerhaus ausgestellten Version von Arsdoom findet sich der gesamte reale Ausstellungsraum als Modell in der Software gespiegelt. Eine Pointe ist, dass die Software den Ort als Modell nachempfindet, in dem sie sich selbst befindet. Der Raum des Brucknerhauses verdoppelt sich so im Computerspiel. Metaphorisch gesprochen zeigt Arsdoom in dieser Hinsicht Ansätze eines Bildes im Bild – eines Mise en Abyme. 7.2.4 Verdoppelung des Ausstellungsraums: Museums-Maps als Subkategorie künstlerischer Computerspielmodifikation Arsdoom ist nicht die einzige Computerspielmodifikation, die den Raum verdoppelt, in dem sie ausgestellt ist und diesen innerhalb ihrer Strukturen simuliert. 483

wohl nur deutsch gesprochen wurde“ (Urban 1995, URL: http://rurban.xarch.at/ ars/review.html, [21.01.2011]). 482

Vgl. Eva Grubingers Arbeit C@C – Computer Aided Curating (1995), die den Diskurs über die die Auslagerung des Museums ins globalen Datennetz zum Thema hat (vgl. Grubinger 1995). Vgl. zudem Roy Ascotts utopische Ausführungen: Ascott 1996, URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/6/6077/1.html [12.01.2011]. Der Diskurs lässt sich außerdem über die Website der seit März 1997 jährlich stattfindenden Konferenz Museums and the Web nachvollziehen: http://www.archimuse.com/ conferences/mw.html [13.01.2011].

483

Es gibt viele weitere Beispiele für Computerspielmodifikationen, in denen Museen oder Ausstellungsräume nachgebaut sind. Die Quake-Map NoRoomGallery (1999) von Imre Osswald und Florian Muser ist ein Nachbau des Anbaus der Hamburger Kunsthalle. In Chris Reillys Serie Everything I Do is Art, But Nothing I Do Makes Any Difference (2005-2006) für das Spiel Half-Life 2 findet sich u.a. der Nachbau der School of the Art Institute of Chicago (vgl. Debatty 2006, URL: http://we-makemoney-not-art.com/archives/2006/12/everything-i-do.php [13.04.2012]). In Michiel Van Der Zandens Machinima Pwned Paintings #2 (2008) ist zu sehen wie mit einer Schrotflinte Gemälde von den Wänden einer Galerie geschossen werden (vgl. URL: http://www.gamescenes.org/2010/01/game-art-michiel-van-de-zandens-museumkiller-2008.html [21.01.2011]). In Hunter Jonakins Arbeit Jeff Koons must Die! (2011) lassen sich Kunstwerke von Jeff Koons zerstören (vgl. URL: http:// killscreenmagazine.com/articles/jeff-koons-must-die [13.04.2012]).

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Weitere finden sich z.B. bei Palle Torsson (*1970) und Tobias Bernstrup (*1970) in der Serie Museum Meltdown (1996-1999). Museum Meltdown (1996-1999) liegt in drei unterschiedlichen Versionen vor und repräsentiert drei unterschiedliche Museen, in die die Rezipienten während des Spiels gewaltsam eindringen. Die einzelnen Versionen sind dementsprechend in den Museen ausgestellt worden, die sie abbilden. Die erste Version aus dem Jahr 1996 ist eine Modifikation des Spiels Duke Nukem 3D (3D Realms, 1996, PC) und stellt ein Modell des Arken Museum of Modern Art in Kopenhagen dar. Die Arbeit wurde 1996 auf der Ausstellung The Scream: Borealis 8 in den Räumen des Arken Museums ausgestellt.484 Somit hat auch Museum Meltdown den realen Ausstellungsraum im Computerspiel verdoppelt. Die zweite Version aus dem Jahr 1997 ist ein Nachbau des Contemporary Art Centre of Vilnius in Litauen für die Ausstellung Funny vs. Bizarre in diesem Haus.485 Die Modifikation erweiterte das Handlungsspektrum dahin gehend, dass die ausgestellten Kunstwerke zerstörbar wurden. Die dritte Fassung ist eine Map des Moderna Museet in Stockholm. Die Half-LifeModifikation wurde speziell für das Moderna Museet angefertigt. In dieser dritten Fassung ist es z.B. möglich, das Große Glas (1915-1923) von Marcel Duchamp mit einer Brechstange zu zerschlagen (Abb. 19).486 Die Map des Stockholmer Museums bildet nicht nur die Räume des Museums ab, sondern auch die Hängung sowie Platzierung der Kunstwerke so wie sie im Realraum des Museums zu besichtigen sind. So ist es möglich, sich als Rezipient tatsächlich in den Räumen des Museums aufzuhalten, während man innerhalb des Computerspiels die abgebildeten Räume zu begehen scheint und die Kunstwerke zerstört.487

484

Vgl. Levin 1996.

485

Vgl. die Website der Künstler unter folgender URL: http://www.bernstrup.com/melt down/old/exhiv.html [13.04.2012].

486

Die Neuvermählte/Braut wird von ihren Junggesellen entkleidet, sogar (oder: Großes Glas) (La Mariée mise à nu par ses célibataires, même) (Marcel Duchamp, 1915– 1923). Das Moderna Museet in Stockholm ist im Besitz einer Kopie des Großen Glases aus dem Jahr 1961. Das Original befindet sich im Philadelphia Museum of Art.

487

„Rather than exhibiting the artists, these museums are exhibited by the artists who have been invited to model them. These models (of the museums and their collections) are then virtually defaced and destroyed by the forms of play that are required or encouraged with these art mod projects“ (Cates 2011, S.13, URL: http://systems approach.net/ArtGameStudies/RunningAndGunning.pdf. [10.01.2011].

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Abb. 19: Marchel Duchamps Das Große Glas vor und nach seiner Zerstörung in Palle Torssons und Tobias Bernstrups Museum Meltdown (1996-1999) – einem Modell des Moderna Museet in Stockholm basierend auf dem Game Half-Life. Computerspielmodifikationen, in denen Ausstellungsräume nachgebaut sind, können als „‚Subkategorie‘ des künstlerischen Zugriffs auf Computerspiele“ bezeichnet werden: „Ego-Shooter nämlich, deren Szenerie direkt in das ‚Betriebssystem Kunst‘ verlegt bzw. auf dieses hin adaptiert wird.488 Tilman Baumgärtel identifiziert ausgehend von Arsdoom eine „gewisse „Tradition“,„Computerspiele als Kommentar auf den Kunstbetrieb und seine Institutionen einzusetzen“.489 Jon Cates nennt dies einen „specific discourse“ im Hinblick auf die Simulation von Ausstellungsräumen, Museen und Galerien in Computerspielmodifikationen.490 So lassen sich zusammenfassend gemeinsame Charakteristika der als Ausstellungsräume umgestalteten Computerspiele herausstellen: Formal handelt es sich um Architekturen real existierender Gebäude, die mittels der Game Engine eines kommerziellen Ego-Shooters konstruiert sind. Die Kunstwerke sind dabei den Ausstellungsräumen nachempfunden, in denen sie in realiter gezeigt werden. Der real existierende Raum, in dem sich das Kunstwerk befindet, wird innerhalb des Kunstwerkes selbst im Raum des Computerspiels nachempfunden. So wird sowohl die Ausstellungs- als auch und Rezeptionssituation verdoppelt. SpielerInnen haben den Eindruck, die in der subjektiven Erste-Person-Perspektive dargestellten räumlichen Konfigurationen durchstreifen zu können. Dabei treffen sie auf gegnerische Figu-

488

Kuni 2009, S. 317.

489

Baumgärtel 2003b, URL: http://www.medienkunstnetz.de/themen/generative_tools/ game_art/scroll/ [08.01.2011].

490

„Already, within the slightly more than ten-year history of these new media art forms, a discourse has developed that places various projects in conversation“ (Cates 2011, S.13, URL: http://systemsapproach.net/ArtGameStudies/RunningAndGunning. pdf. [10.01.2011]).

206 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

ren, die es abzuschießen gilt. Das brutale Abschießen und ‚Töten‘ gegnerischer Figuren lenkt die Aufmerksamkeit auf medial vermittelte – dennoch realistisch wirkende – Gewaltdarstellungen, die typisch für Ego-Shooter als Computerspielgenre sind. Die Gewaltdarstellungen werden rekontextualisiert, indem sie nicht mehr in den typischen, narrativ aufgeladenen, düster-verschachtelten Architekturen des Ego-Shooters stattfinden, sondern in Räumlichkeiten, deren Zweck es ist, eine Sammlung bedeutsamer und lehrreicher Gegenstände für die Öffentlichkeit aufzubewahren, zu kategorisieren, erforschen und Teile davon auszustellen. Die Mods sind in der Regel so gestaltet, dass die Zerstörung von Kunstwerken möglich ist: Dies evoziert einen kritischen und aggressiven Impetus gegenüber einer traditionellen, durch Institutionen repräsentierten Kunst, die zum einen Ausdruck durch das Museum als Ort und zum anderen Ausdruck in den digital nachempfundenen Kunstwerken findet, die den Gattungen Malerei und Skulptur zuzuordnen sind. 491 Eine mögliche Interpretation ist, dass durch die ikonoklastischen Gesten eine Hierarchisierung der künstlerischen Medien angedeutet ist und die Vormachtstellung traditioneller, künstlerischer Ausdrucksformen sowie ihrer institutionellen Präsentation und Bewahrung radikal in Frage gestellt wird. In den nachempfundenen Architekturen wird eine Extremform des Paragone inszeniert, indem die alten Bilder innerhalb eines neuen Mediums symbolisch von der Museumswand geschossen werden. Interpretiert man die in den räumlichen Konfigurationen der Computerspiele stattfindende Zerstörung der Bilder nicht in erster Linie als aggressiv, sondern abgeschwächt und weniger wertend als ‚manipulativ‘, ließe sich Folgendes feststellen: Die Zerstörung der Bilder ist schlicht auch eine Manipulation derselben. Hier deutet sich eine tiefgehende Selbstreflexion der medialen Eigenschaften des Computerspiels an; denn der Kern der Funktionsweise des Mediums ist das Spielen mit Bildern. Das Spiel entfaltet sich durch die Handlung mit und im Bild, indem es von den Rezipienten manipuliert wird.492 Thomas Hensel hat diese sich andeutende, tiefe Selbstreflexion des Computerspielbildes am Beispiel des so genannten Flaschenrätsels aus Resident Evil 4 (Capcom, 2005) deutlich gemacht. In dem Rätsel geht es darum, dass der Spieler in einem Schießstand auf ein im Spielraum befindliches Stilleben schießen muss. Trifft

491

„These basic principles are: the recreation/simulation/modeling of the exhibition space using a game engine; technically unaltered rules of game play inherited from the game engine itself (whose meaning is culturally shifted by being relocated and recontextualized inside the simulated exhibition space); an engagement with questions of ‚realism‘ and violence raised by the first-person shooter as a genre; and the mobilization of institutional critiques“ (Cates 2011, S.13, URL: http://systems approach.net/ArtGameStudies/RunningAndGunning.pdf. [10.01.2011]).

492

Vgl. Hensel 2011a.

A RSDOOM : K ÜNSTLERISCHE N EUDEKORATION

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er eine auf dem Gemälde abgebildete Flasche oder ein mit Wein gefülltes Glas, zerspringen diese, Wein läuft über die Leinwand und ein neuer Levelabschnitt öffnet sich. Hier reflektiert sich das Medium selbst, da es ebenfalls aus Bildern besteht, die einer Manipulation unterzogen werden. Die Handlung mit dem Bild wiederum lässt sich mit den Museums-Maps genauso in Verbindung bringen wie mit dem Kunstwerk Alter Meister (kleines Schießbild) (um 1961) von Niki de Saint Phalle, in dem ein von einem Projektil getroffenes Gemälde scheinbar farbig zu ‚bluten‘ beginnt und damit ein Eigenleben des Bildes als ‚Agens‘ suggeriert wird. 7.2.5 Verfremdung der Spielwelt Arsdoom präsentiert im Vergleich zu Doom II eine neu dekorierte, alternative, verfremdete Spielwelt. Die Verlegung eines Ego-Shooters in den Kontext der Institutionen der Kunst ist dabei doppelbödig, da Arsdoom den Raum simuliert, in dem es in realiter ausgestellt und rezipiert worden ist. Das subversive und auch selbstreflexive Moment des Kunstwerks liegt in der Verdoppelung und Verschachtelung der räumlichen Situationen, indem Arsdoom den Raum abbildet, in dem es ausgestellt ist und diesen Raum in effigie einer Zerstörung durch die Rezipienten unterzieht (was auch in vielen anderen Museums-Maps zu beobachten ist). Arsdoom ist als Prototyp der künstlerischen Computerspielmodifikation zu bezeichnen. Die weiteren in der vorliegenden Arbeit analysierten Kunstwerke setzen viel stärker an der Verschiebung der Transparenz zur Opazität an, indem sie Inkohärenzen und Dyfunktionalitäten etablieren (Kap. 8-11). Was anhand von Arsdoom aber deutlich wird, ist der Ansatz der Umnutzung, Zweckentfremdung und (parasitären) Aneignung des Computerspiels als Material sowie die Eatblierung einer eigenen Ästhetik, die im Vergleich zum Ausgangsmaterial des Mainstream-Computerspiels als unkonventionell zu bezeichnen ist. Arsdoom repräsentiert das Eindringen eines neuen Mediums in die Symbolräume der Kunst.

8. QQQ: Verungegenständlichung der audiovisuellen Oberfläche

Im Folgenden wird die Arbeit QQQ (2002) des britischen Medienkünstlers Tom Betts (*1973) analysiert, der auch unter dem Pseudonym Nullpointer bekannt ist. Anhand von QQQ lässt sich zeigen, wie die Transparenz des Computerspiels durch Abstraktion der audiovisuellen Oberfläche in Opazität überführt wird. Die Installation QQQ ist eine Modifikation des Computerspiels Quake III Arena (id Software, 1999, abgekürzt Q3A) (Abb. 20). QQQ stellt ein vielschichtiges Beispiel künstlerischer Computerspielmodifikation dar. Es handelt sich um eine systematische Dekonstruktion der medialen Eigenschaften des Computerspiels. QQQ etabliert dabei eine spezifische Ästhetik der Bildstörung – nämlich das bewusste Erzeugen von scheinbaren Fehlern und Glitches über die Grafik Engine und die audiovisuelle Oberfläche des Computerspiels. Tom Betts sieht seine Arbeit in Verbindung zur VJ-Kultur der britischen Nachtclubs und der Design-Praxis, sich Programmfehler und Glitches als ästhetische Kategorie anzueignen.493

493

Der Künstler charakterisiert sein Werk wie folgt: „With the current obsession of VJ culture it is suprising that little game-engine software is used outside of the sphere of PC gaming. Similarly much of contemporary design practice draws from video game culture and hack/glitch aesthetics” (Nullpointer.co.uk, URL: http://www.null pointer.co.uk/qqq/qqq1.htm [13.01.2011]). Zur Rolle (und einer spezifischen Ästhetik) des Glitch in zeitgenössischer Design-Praxis vgl. Moradi 2009 und Menkman 2010.

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Abb. 20: Bilder aus QQQ und Quake III Arena im Vergleich. Links die ungegenständliche Oberfläche der künstlerischen Computerspielmodifikation. Rechts eine Spielszene aus Quake III Arena: Der Avater ‚Sarge‘ betritt eine Kampfarena. Der Spieler sieht das Geschehen aus der Erste-Person-Perspektive; der Lauf einer Waffe ragt ins Bild. Zur Identifikationssteigerung ist das Spiegelbild des First-Person-Avatars zu sehen. Das Kunstwerk QQQ stellt nicht nur die Überführung der audiovisuellen Oberfläche in abstrakte Formen dar, sondern ist zudem mit dem Internet verbunden und bezieht so die Infrastruktur von Online-Spielen sowie das Milieu der Spieler mit ein.494 Tom Betts hat einen eigenen Server betrieben, auf dem sich Spieler einloggen, um Quake III Arena gegeneinander zu spielen. Die Handlungen dieser Spieler werden direkt in QQQ abgebildet. Rezipienten des Kunstwerks QQQ sehen im Ausstellungsraum also zu, wie andere Quake III Arena in ihren privaten Räumen am Heimcomputer spielen. Ohne es zu wissen, werden diese User und ihre ins Internet übertragenen Handlungen Teil des Kunstwerks. Tom Betts beschreibt die Arbeit wie folgt: „This piece is called QQQ and in this piece, what we are looking at is a modification of the Quake III game. Now in this piece there are up to twelve people playing online, competitevily fighting each other. And in the installation the visitor can choose to follow different people who are playing the game. They can change the camera and can watch a different person who is moving through a different part of the game level. They can also move in and out of the person’s body so you will just get a view with the person in front or just from the eyes of the player. And you can also move in and out into the scene so you can zoom in and out with a different camera. The people who are actually playing the piece are all playing at home on

494

Vgl. Baumgärtel 2003b, URL: http://www.medienkunstnetz.de/themen/generative _tools/game_art/scroll/ [23.07.2011].

QQQ: V ERUNGEGENSTÄNDLICHUNG DER AUDIOVISUELLEN O BERFLÄCHE

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their own computers anywhere else in the world. To them the game looks normal. It looks the same. It is only us in the installation who can see the modified version of the game.“495

Zunächst wird Quake III Arena ausführlich aus verschiedenen Teilperspektiven betrachtet (8.1). Es werden Aussagen über das Genre, das Regelwerk, die Art und Struktur des Spiels und die möglichen Handlungsweisen innerhalb der Spielwelt getroffen (Kap. 8.1.1). Ausgehend davon wird die vom Spiel aufgeworfene Diegese beschrieben. Vor dem Hintergrund der narrativen Ebene des Spiels wird die Gestaltung der audiovisuellen Oberfläche mit ihren Architekturen und Spielfiguren analysiert, die in der Modifikation QQQ einer Dekonstruktion unterzogen wird (Kap. 8.1.2 und Kap. 8.1.3). Künstlerische Computerspielmodifikationen lassen sich nur vor dem Hintergrund ihres Ausgangsmaterials und im Vergleich mit dem Computerspiel, aus dem sie hervorgegangen sind, sinnvoll erfassen und ergründen (vgl. Kap. 3.2). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Tilman Baumgärtel in QQQ fälschlicherweise eine Modifikation des Computerspiels Doom (id Software, 1993) vermutet hat (vgl. Kap. 7.1).496 Es handelt es sich bei Doom und Quake III Arena um zwei verschiedene Spiele mit unterschiedlichen Regeln, audiovisuellen Raumzeitlichkeiten, Narrationen, technischen Voraussetzungen und letzlich Engines und Quellcodes. Zwischen Doom und Quake III Arena liegen sechs Jahre, in denen sich medienhistorisch Spielmodi in Netzwerken entwickelt und durchgesetzt haben. Quake III Arena ist für das Spiel mit mehreren Spielern in lokalen oder Online-Netzwerken entworfen worden, während Dooms Game Design in erster Linie auf einen einzelnen Spieler ausgerichtet ist.497 Dieser Mehrspielermodus und die Anbindung an das Internet stellen einen integralen Aspekt des Kunst-

495

Diese Erläuterung zu fromalen Aspekten des Kunstwerks durch den Künstler findet sich in einem Video, das auf der Website netzspannung.org unter dem Datenbankeintrag zu Tom Betts zu sehen ist. Das Transkript stammt vom Verfasser. Der Beitrag wurde

am

08.04.2004

zu

netzspannung.org

hinzugefügt:

URL:

netzspan-

nung.org/cat/servlet/CatServlet?cmd=netzkollektor&subCommand=showEntry&entr yId=138669&lang=de [20.07.2011]. 496

Baumgärtel behauptet: „Geübte Gamer erkennen die Figuren: Es sind die martialischen Kämpfer aus dem Ego-Shooter ‚Doom‘, die durch das Spiel hetzen, um sich zu ‚fraggen‘, d.h. einander abzuschießen“ (Baumgärtel 2003b, URL: http://www. medienkunstnetz.de/themen/generative_tools/game_art/scroll/ [23.07.2011]).

497

Doom lässt sich mit mehreren Spielern rezipieren. Das Game Design bezieht sich aber hauptsächlich auf einen einzelnen Spieler. Dies verhält sich anders bei Quake III Arena, wo der Mehrspielermodus deutlich im Vordergrund steht. Vgl. den Eintrag zu Multiplayer im Doom-Wiki unter der URL: http://doom.wikia.com/wiki/Multiplayer [17.04.2012].

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werks QQQ dar. Der Fehler wird 2003 durch die Autorin Katrin Mundt im Katalog zur Dortmunder Games-Ausstellung nur beinahe korrigiert, wenn sie QQQ als „‚Quake‘-Modifikation“498 bezeichnet. Bei Quake handelt es sich aber um eine Serie von Spielen – alle Spiele unterscheiden sich voneinander.499 Im Hinblick auf QQQ ist dementsprechend noch keine präzise Aussage über das Computerspiel als künstlerisches Material getroffen worden. Vor dem Hintergrund der Betrachtungen des Ausgangsmaterials widmet sich der zweite Teil des Kapitels (8.2) der Modifikation des Games Quake II Arena. Die Art und die Ansatzpunkte der Modifikation QQQ werden bestimmt und die nunmehr durch Bildstörungen ins Ungegenständliche überführte audiovisuelle Oberfläche einer Analyse unterzogen. Es wird herausgearbeitet auf welche Weise die angestrebte Transparenz von Quake III Arena in Opazität überführt wird (Kap. 8.2.1; zum Begriffspaar Transparenz/Opazität vgl. Kap. 6). Da QQQ auch ein Netzkunstwerk ist, das im Internet stattfindet und sich aus einem Online-Spiel speist, werden in einem weiteren Schritt die räumlichen Konfigurationen zwischen Ausstellungsraum, privaten Räumen der SpielerInnen und Datenraum analysiert (Kap. 8.2.2). Ferner wird in der Analyse aufgezeigt, welche Handlungsmöglichkeiten den Rezipienten von QQQ zur Verfügung stehen und wie diese mit den Handlungen der SpielerInnen von Quake III Arena korrespondieren (Kap. 8.2.3). Zusammenfassend wird QQQ im Sinne des Countergaming (vgl. Kap. 4.3.1) als Gegententwurf zu seinem Ausgangsmaterial interpretiert (Kap. 8.2.4). QQQ kehrt die medialen und apparativen Bedingungen des Computerspiels hervor. Die Ungegenständlichkeit der Bilder lenkt den Blick auf ihre Entstehungsprozesse. Die im Ausgangsmaterial kohärenten Räume und Architekturen lösen sich in bewegliche Farben und Formen auf und konkretisieren auf diese Art die prinzipielle Funktionsweise eines Computerspiels – nämlich Bilder hervorzubringen, die vom Rezipienten als (narrative) räumliche Konfigurationen erfahren und zum Zwecke des Spiels manipuliert werden.

498

Baumgärtel 2003a, S. 49

499

Der erste Teil mit dem Titel Quake erscheint 1996, die Nachfolger Quake II, Quake III Arena sowie Quake 4 werden 1997, 1999 und 2005 veröffentlicht. Alle Spiele unterscheiden sich hinsichtlich ihrer audiovisuellen Oberfläche, Narration und technischer Determiniertheit. Den Spielen liegen jeweils andere Game Engines zu Grunde: Quake basiert auf der Quake Engine, Quake II basiert auf der Engine id Tech 2, Quake III Arena läuft auf id Tech 3; Quake 4 wird konsequent durch die Engine id Tech 4 betrieben.

QQQ: V ERUNGEGENSTÄNDLICHUNG DER AUDIOVISUELLEN O BERFLÄCHE

8.1 K ULISSEN

IM

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N ETZWERK : Q UAKE III A RENA

Bei Quake III Arena handelt es sich um einen Ego-Shooter für Heimcomputer.500 Die Manipulations- und Zielregeln bestehen aus einem Komplex aus Zielen, Schießen und Treffen wie bei anderen Shootern auch. Mit der Tastatur steuert der Spieler seine Spielfigur durch dreidimensionale Umgebungen. Bewegungen sind dabei in alle Richtungen möglich, die Avatare können sich auch ducken und springen. Die Bewegung der Maus hat Einfluss auf den Blickwinkel im dargestellten Bildraum. Abhängig von der Bewegung der Maus berechnet das Computerprogramm ein neues perspektivisches, auf den Rezipienten bezogenes Bild. Ein Mausklick löst einen Schuss aus. 8.1.1 Spielprinzip Multiplayer Das Spiel ist für mehrere Spieler konzipiert, die in Netzwerken lokal oder online gegeneinander spielen. Dazu werden verschiedene Computer entweder lokal vernetzt (LAN) oder die Spieler loggen sich auf speziellen Servern im Internet ein, auf dem Spiele stattfinden. Dieser Spielmodus wird bei Quake III Arena und anderen Ego-Shootern als Deathmatch bezeichnet: Auf architektonisch ausgestalteten Spielfeldern schießen die Spieler gegenseitig mit verschiedenen Waffen auf ihre Avatare. Sinken die Lebenspunkte einer Spielfigur durch Treffer auf Null, scheidet sie aus dem laufenden Match aus, erscheint aber wenig später wieder an bestimmten Stellen des Spielfeldes.501 Das Match endet üblicherweise nach einem festgelegten Zeitlimit oder nach einer bestimmten Anzahl von Abschüssen.502 Der Spieler, der die meisten anderen Spieler aus dem Spiel geworfen hat, gewinnt. Während des Matches haben die Spieler die Möglichkeit, verschiedene Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände aufzusammeln, die sich auf die Fähigkeiten der eigenen Spiel-

500

Quake III Arena is am 02. Dezember 1999 für PC erschienen. Es liegt auch in mehreren Portierungen für Konsolen vor (PlayStation 2, XBox, Dreamcast). Im Folgenden konzentriert sich der Verfasser auf die PC-Version des Spiels, da der Künstler Tom Betts die PC-Version des Spiels als Material eingesetzt hat.

501

Dieses erneute Erscheinen auf der Map wird als Spawnen oder Re-Spawnen bezeichnet. Die Stellen, an der die Avatare erscheinen, sind so genannte Spawnpunkte.

502

Das Abschießen eines Gegners im Ego-Shooter wird im Jargon häufig als Frag (Verb: fraggen) bezeichnet.

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figur positiv auswirken, um so Vorteile gegenüber den anderen Spielern zu erlangen.503 Das Spiel lässt sich trotz seiner Ausrichtung auf den Mehrspielermodus auch als Einzelspieler spielen. Die gegnerischen Figuren werden in diesem Fall automatisch vom Computer gesteuert. Vom Computer gesteuerte Figuren werden in diesem Zusammenhang als Bots bezeichnet. Q3A ist für mehrere Spieler konzipiert; das eigentliche emergente Spielprinzip entfaltet sich erst durch das Zusammenspiel mehrerer menschlicher Mitspieler in den so genannten Deathmatches im Netzwerk. Demnach bildet Agôn – der Wettkampf – die Grundkategorie von Quake III Arena. Durch die Präsentation des Bildes, die hohe Geschwindigkeit des Spiels und die Art der Bewegung durch den Spielraum weist das Spiel auch erhebliche Elemente des Ilinx auf (Vgl. Kap. 2.2.3.1). Damit sind Aspekte des schnellen Drehens, des Schwindels und wirbelnder Bewegung gemeint. Im Gegensatz zu Doom verfügt Quake III Arena über die Möglichkeit, das man den Blick der angenommenen Spielfigur völlig frei bewegen kann.504 Auf Knopfdruck kann der Spieler den Avatar in die Höhe springen lassen; in vielen Maps gibt es Plattformen, die wie Trampoline wirken und die Avatare hoch in die Luft schleudern. Ausgehend von den verschiedenen Sprungtechniken, die in Quake III Arena möglich sind, hat sich im Sinne eines transformativen Spielens (Vgl. Kap. 2.2.3.2).505 ein neues Ilinx-Spiel aus den Communities entwickelt, das eigenen Regeln gehorcht: Spieler bauen ihre eigenen Parcours, versuchen diese möglichst elegant und flink zu durchqueren und so die Grenzen des Spielraumes und der Bewegung in demselben auszuloten.506

503

Es gibt Variationen des Spielmodus Deathmatch. So kann etwa ein Zeitlimit durch ein Abschusslimit ersetzt werden. Weitere Varianten sind z.B. Team Deathmatch, wobei verschiedene Teams gegeneinander spielen oder Capture The Flag. Capture The Flag wird auf symmetrischen Maps mit zwei Teams gespielt. Die Teams müssen jeweils eine Fahne einsammeln, die sich auf der Spielfeldseite des gegnerischen Teams befindet, um das Match zu gewinnen. Für einen Überblick der Spielmodi vgl. die zahlreichen Websites der Quake-Community wie z.B. http://planet quake.gamespy.com, http://quake.wikia.com oder auch den englischsprachigen Wikipedia-Artikel http://en.wikipedia.org/wiki/Deathmatch_(gaming).

504

Zum so genannten Free Mouse Look in Computerspielen vgl. Schwingeler 2008, S. 131f. sowie S. 140-144.

505

„Transformative play is a special case of play that occurs when the free movement of play alters the more rigid structure in which it takes shape“ (Salen/Zimmerman 2004, S. 305; vgl. Kap. 2.2.3.2 in dieser Arbeit).

506

Einen Einblick in die Communities, die so genanntes Trickjumping betreiben, gibt Danny Kringiel. Vgl. Kringiel 2011. Vgl. zudem Knorr 2009.

QQQ: V ERUNGEGENSTÄNDLICHUNG DER AUDIOVISUELLEN O BERFLÄCHE

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8.1.2 Spielgeschehen innerhalb narrativer Architekturen Die Spieler von Quake III Arena sehen die bewegten Bilder des Spiels aus der Erste-Person-Perspektive in zentralperspektivischer Bildanlage. Der Lauf der Waffe ragt perspektivisch verkürzt am unteren Bildrand in das Bild. In der Mitte des Bildes ist ein Fadenkreuz erkennbar, das als Zielpunkt dient. Zum Bild gehören weitere Elemente, die der fiktiven Spielwelt und dem Bildraum extradiegetisch ausgelagert sind. Dies sind Informationen in Form von Zahlenwerten, Text und Icons, die Aufschluss über den Status des laufenden Spiels geben.507 Die Narration des Spiels ist den Regeln gemäß reduziert. Das Computerspiel erzählt keine längere sich entfaltende Geschichte aber es verfügt über einen Plot und ein Setting. Der Plot bezieht sich auf nicht näher bestimmte Wesen namens ‚Vadrigar‘, die an einem nicht näher benannten Ort im Weltraum zu ihrem Amusement Gladiatorenkämpfe ausrichten. Zu diesem Zwecke hätten die Vadrigar, so die Geschichte, die titelgebenden Arenen errichtet.508 Zur Einordnung der Hintergrundge-

507

Diese informativen Elemente werden bei Computerspielen als HUD (Heads-up display) bezeichnet. Informationen zum Status der Spielfigur sind am unteren Bildrand als Zahlenwerte abzulesen: Die drei Werte bedeuten verbleibende Munition, Lebensenergie und Rüstungspunkte. Den Zahlen sind Icons beigeordnet, die Aufschluss über die Art der Bewaffnung und Rüstung geben. Zentral am unteren Bildrand ist der Kopf des ausgewählten First-Person-Avatars zu erkennen, der von links nach rechts blickt und bei einem Treffer kurz anzuschwellen scheint. Sammelt der Spieler einen Gegenstand ein, wird dazu kurz eine Information eingeblendet. Am rechten unteren Bildschirmrand finden sich Information zu den Abschüssen in der Reihenfolge Abschusslimit, Anzahl der getätigten Abschüsse, Anzahl der erlittenen Abschüsse. Am oberen Bildrand werden die letzten Ereignisse des Spiels protokollarisch aufgeführt (vgl. Abb. 20).

508

In der ausführlichen Variante liest sich der Plot wie folgt: „Untold centuries ago the Vadrigar, the mysterious Arena Masters, constructed the Arena Eternal for their own infernal amusement. Virtually nothing is known of these beings except that they savor the carnage and clamor of battle. As such, they have stocked the arena with the greatest warriors of all time. And you have just joined their ranks. As a gladiator in the Arena Eternal, you must not only survive, but also win each and every battle against ever more powerful opponents. Don’t worry overly much about getting ‚fragged.‘ The Vadrigar won’t be cheated of their favorite sport by a little thing like death. Those who fall are instantly restored to life and immediately thrust back into the battle, perhaps a little wiser for their misfortunes. When the dust, blood, and gibs settle, all warriors will have earned the right to battle again, providing further entertainment for the Vadrigar. But only the warrior who has fragged the most foes will be lauded

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schichte in den Gesamtzusammenhang der Quake-Serie ist ein Blick auf die Narrationen der ersten beiden Spiele angebracht, die einfachsten Regeln der Fantastik folgen.509 Das erste Spiel der Serie Quake ist von Aspekten des Cthulhu-Mythos des amerikanischen Autors übernatürlicher Horrorliteratur H.P. Lovecraft inspiriert: In Quake sieht sich die Menschheit mit einer Bedrohung von monströsen, dämonischen Wesen konfontiert, die durch Tore aus einer anderen Dimension auf die Erde kommen.510 Der Plot des ersten Quake ist ein Hinabstieg des Protagonisten Ranger in eine infernalische Umgebung in Form einer rudimentären Heldenreise. Eine ähnliche Diegese findet sich im Nachfolgespiel Quake II (1997). Der düstere Ton des Horror-Genres wird hier aber stärker mit Science-Fiction-Elementen durchwebt: So wird die Invasion der Dämonen des ersten Teils in der Fortsetzung durch den Angriff außerirdischer Cyborgs namens ‚Strogg‘ ersetzt. Im dritten Teil der Serie Quake III Arena ist das im zweiten Teil der Serie etablierte gemischte Setting beibehalten und lässt sich als Science-Fiction-Horror bezeichnen.511 Ähnlichkeiten zu den Doom-Spielen sind offensichtlich (vgl. Kap. 7.1.2). Die grundlegenden Regeln des Spiels Quake III Arena – wie etwa das Wiedererscheinen der Avatare auf dem Spielfeld – werden narrativ unterfüttert: Die in der Diegese des Spiels gleichsam mysteriösen wie allmächtigen Vadrigar stehen über dem Tod und erwecken getötete Gladiatoren erneut wieder zum Leben.512 Dieser Umstand wird im Spiel nicht näher erklärt. Beim Wiedererscheinen in der Spielwelt handelt es sich eigentlich um eine nicht-diegetische Maschinenhandlung (hier: das Programm setzt die Spielfigur zurück). Diese selbstständige Handlung des Programms wird durch die Narration als diegetisch, der Spielwelt zugehörig, verschleiert, was zu einer Transparenzsteigerung des Spiels führt. Trotz der bewusst lückenhaften Erzählfolge des Plots, lässt sich die Charakterisierung von Quake III Arena als ein „Actionspiel ohne Story“513 nicht aufrechterhalten, da das Spiel in einen narrativen Rahmen eingespannt ist. Die Repräsentation der Spielräume und Spielfiguren ist durch ihre Ausgestaltung narrativ aufgeladen –

as the winner. The victorious gladiator advances to a more challenging array of arenas, until, at last, he or she faces Xaero, Lord of the Final Arena“ (vgl. Quake-Wiki, URL: http://quake.wikia.com/wiki/Vadrigar [17.07.2011]). 509

Vgl. Todorov 1992.

510

Es finden sich in Quake u.a. Hinweise auf von H.P. Lovecraft erdachte Figuren. Die fiktionale Gottheit Shub-Niggurath stellt z.B. den letzten Gegner des Spiels dar.

511

Vgl. Koebner 2003, S. 11.

512

„The Vadrigar won’t be cheated of their favorite sport by a little thing like death. Those who fall are instantly restored to life and immediately thrust back into the battle [...]“ (Quake-Wiki, URL: http://quake.wikia.com/wiki/Vadrigar [17.07.2011]).

513

Enwezor 2002, S. 74.

QQQ: V ERUNGEGENSTÄNDLICHUNG DER AUDIOVISUELLEN O BERFLÄCHE

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die Räume des Spiels lassen sich als narrative Architektur bezeichnen.514 So wird der Spieler diegetisch an fantastische Orte versetzt – nämlich navigierbare Räume mit begehbaren Architekturen, die aussehen sollen wie Raumstationen, Verliese, Burgen, Fabrikanlagen und Tempel (Abb. 21).515

Abb. 21: Architekturen aus Quake III Arena: Ansichten der Maps Q3Tourney1 Power Station 0218, Q3DM1 Arena Gate, Q3DM4 The Place of Many Deaths sowie Q3DM14 Grim Dungeons

514

Der Gedanke, Game Design als Gestaltung ‚narrativer Architektur‘ aufzufassen, stammt von Henry Jenkins „Game designers don’t simply tell stories; they design worlds and sculpt spaces. It is no accident, for example, that game design documents have historically been more interested in issues of level design than on plotting or character motivation. A prehistory of video and computer games might take us through the evolution of paper mazes or board games, both preoccupied with the design of spaces, even where they also provided some narrative context“ (Jenkins 2004, S. 121).

515

Eine Übersicht der Maps bietet die Website Planetquake: http://planetquake. gamespy.com/View.php?view=Guides.Detail&id=44&game=4 [19.07.2011].

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Die Abbildungen (Abb. 21) verdeutlichen den dramatischen Charakter der Kulissen. Die Umgebungen sind geprägt von düsteren Gängen, gleißendem Neonlicht, Lavaströmen, dunkelrotem Himmel oder schweflig-gelbem Nebel. Eine Lichtführung, die besonders an den am Gemäuer angebrachten Fackeln zu beobachten ist, weckt Assoziationen zu barockem Chiaroscuro und dramatisiert die Atmosphäre der Umgebungen zusätzlich. Die durch die Bauformen angedeutete und durch den Titel bestätigte Nutzung mancher Räume ist dabei rein narrativer Natur: So handelt es sich in der Diegese des Spiels bei der Power Station 0218 (Dateiname: Q3Tourney1) um ein Kraftwerk, bei Brimstone Abbey (Q3DM8) und Temple of Retribution (Q3DM7) um fiktive okkultistische Sakralbauten. Die Assoziation okkulter und satanistischer Praxis stellt sich besonders deutlich bei der Map House of Pain (Q3DM2) ein. An der Decke des Innenbereichs ist zentral ein Pentagramm zu sehen, das als Symbol für die „teuflische Zeichenwelt“ eine modische Umnutzung in z.B. Heavy-Metal-Szenen erfahren hat.516 Insgesamt wirkt die Atmosphäre der Spielwelt düster und bedrohlich. Die Lichtsituation wird im Bewegtbild durch hell aufflackerndes Gewehrfeuer noch zusätzlich ins kontrastive Hell-Dunkel gesteigert. Das Spiel ist extrem brutal und inszeniert Gewaltakte en detail. 517 ‚Abgeschossene‘ Avatare zerspringen in viele blutige Teile. Die Geräuschkulisse untermalt die dramatische Atmosphäre. Sie ist geprägt von abgefeuerten Schüssen und Kampflauten. Die Hintergrundmusik besteht aus schnellem Heavy-Metal und rhythmischer, treibender Spannungsmusik, die in einigen Maps auch den Charakter eines Klangteppichs aufweisen kann.518 8.1.3 Game Design: Form und Funktion der Kulissen Die architektonische Gestaltung der Umgebungen folgt Prinzipien des Game Design und ist losgelöst von Funktionen, die Gebäude im realweltlichen Raum erfüllen.519 Die Maps dienen dem Spielgeschehen aus Zielen, Schießen und Treffen und

516

Vogelgesang 1999, S. 365.

517

Quake III Arena ist in der Bundesrepublik Deutschland indiziert, d.h. es darf weder an Jugendliche unter 18 Jahren verkauft, noch öffentlich zugänglich oder beworben werden. Vgl. BPjS Aktuell 4/2001.

518 Zur stilistischen Einordnung: Die Musik des ersten Quake (1996) ist vom amerikanischen Komponisten Trent Reznor komponiert worden, der insbesondere durch die Industrial-Band Nine Inch Nails bekannt geworden ist. 519

Der Designer Ernest Adams äußert sich zum Verhältnis von Computerspielarchitektur und Architektur im realen Raum wie folgt: „The primary function of architecture in games is to support the gameplay. Buildings in games are not analogous to buildings in the real world, because most of the time their real-world functions are either

QQQ: V ERUNGEGENSTÄNDLICHUNG DER AUDIOVISUELLEN O BERFLÄCHE

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sind so aufgebaut, dass sie eine Balance aus offenen Gebieten und Rückzugsmöglichkeiten gewährleisten. Die Maps verfügen teilweise über symmetrische Grundrisse (Abb. 22). Die symmetrische Anlage unterscheidet diese Maps z.B. von Umgebungen des Spiels Doom, die im Sinne des progressiven Spielprinzips viel eher auf lineare Durchquerung ausgelegt sind und einzelne Räume und Korridore nacheinander schlauchartig aufreihen. Im Gegensatz zur Durchquerung in Doom erfordert das emergente, repetitive Gameplay in Q3A Architekturen die kreisende Bewegungsmuster in den Spielumgebungen erlauben. Die Punkte, an denen die Avatare nach einem Abschuss wieder im Spiel erscheinen, sind vor den anderen Spielern geschützt, so dass ein Wiedereintritt in das laufende Match möglich ist. Besonders starke Ausrüstungsgegenstände sind in der Regel an Orten zu finden, die für die SpielerInnen schwer zugänglich sind.

Abb. 22: Symmetrischer Grundriss der Map Q3DM4 The Place of Many Deaths Der Spieler kann seine Spielfigur aus verschiedenen Typen wählen: Neben Robotern, Zombies und Aliens gibt es Soldaten in futuristischen Raumanzügen, eine

irrelevant – the real-world activity that the building serves isn't meaningful in the game – or purely metaphorical“ (Adams 2002, URL: http://www.designersnotebook. com/Columns/047_The_Role_of_Architecture/047_the_role_of_architecture.htm [23.08.2012]).

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kurvige, weibliche Gestalt sowie ein grün schimmerndes Skelett zur Auswahl und als Identifikationsangebot. Wählbar sind z.B. ferner ein Augapfel, der auf Händen läuft, und ein Kampfmönch in orangenem Gewand (Abb. 23). Diese grotesken Gestalten und fantastischen Mischwesen fügen sich in das Setting zwischen ScienceFiction und Horror ein und erfüllen zudem die (Gender-)Klischees grimmiger, männlicher Actionhelden sowie leicht bekleideter Amazonen. Die Avatare sind jeweils mit rudimentären Hintergrundgeschichten versehen, um sie narrativ plastischer zu gestalten. Sie tragen Namen wie Sarge, Bones oder Crash. Die Protagonisten der Vorgängerspiele – Ranger aus Quake und Bitterman aus Quake II – sind als Avatare ebenfalls anwählbar. Dies trägt dazu bei, den Diegesen der gesamten Serie eine narrative Kohärenz zu verleihen.

Abb. 23: Die Spielfiguren Crash, Bones und Orbb

8.2 S TÖRUNG

DER

B ILDMASCHINE : QQQ

Der Künstler Tom Betts setzt das Ausgangsspiel Quake III Arena als Material für die künstlerische Computerspielmodifikation QQQ ein, die als Installation auf Ausstellungen und Festivals im Kunstkontext präsentiert worden ist.520 Betts hat an

520

QQQ wurde auf dem Evolution Festival in Leeds vom 03.-13. Oktober 2002 erstmals ausgestellt. Weitere Stationen sind u.a. die Ausstellungen Games. Computerspiele von KünstlerInnen vom 11.10.-30.11.2003 in Dortmund, Killer Instinct vom 12.12.2003-01.02.2004 im New Museum of Contemporary Art in New York und das International Film Festival Rotterdam im Jahr 2004. Vgl. die Website des Künstlers unter der URL: http://www.nullpointer.co.uk/qqq/qqq1.htm [23.07.2011].

QQQ: V ERUNGEGENSTÄNDLICHUNG DER AUDIOVISUELLEN O BERFLÄCHE

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mehreren Ebenen der Software in das Spiels eingegriffen, den Code der Engine aber nicht umgeschrieben. So hat er u.a. Texturen bearbeitet und das ‚korrekte‘ Verhalten der Grafikkarte verändert.521 Auf diese Weise wird Einfluss auf den Entstehungsprozess der Bilder ausgeübt. Das Ergebnis der Modifikation ist, dass die Engine die audiovisuelle Oberfläche fehlerhaft darstellt: „it’s an intervention of sorts, the game logic is the same, but the audiovisual rendering is deliberately corrupted.“522 8.2.1 Trübung der Transparenz durch Bildstörung Während die audiovisuelle Oberfläche von Quake III Arena aus narrativen Architekturen samt grotesken Avataren besteht, die der Spieler in der Form von perspektivischen Bildern mit ‚realistischem‘ Anspruch sieht, wirkt QQQ „wie aus einem zersplitterten Kaleidoskop“523. Die vom Programm berechnete Computergrafik ist mit Fehlern und Bildstörungen – grafischen Glitches – angereichert. Aus dem manipulativen Eingriff des Künstlers resultieren Nachbildeffekte, computergrafische Artefakte und Verwischungen der Bewegung. Die Räumlichkeit des Spiels wird in Fragmente zerlegt, die in der Interaktion zu dynamisch-abstrakten Schemen verlaufen und so immer neue ungegenständliche Bilder scheinbar automatisch, verselbsständigt generieren. Die architektonischen Elemente und die Avatare der veränderten Maps verschwimmen und verändern ihre Farbe und Form: Treppenstufen werden zu sich überlagernden spitzen Zacken, Torbögen, Fassaden und Wände zerfasern zu bewegten, farbigen Strukturen, die teils großflächig und teils sich kleinteilig wiederholend ineinander übergehen. In der Bewegung des Bildes lässt sich die Räumlichkeit des Bildes noch erahnen; durch die Inkonsistenz der Form ist ein Verlust des dreidimensionalen Eindrucks erreicht, indem Farbe, Form und damit die Konstruktion des Bildes opak in den Vordergrund rücken (Abb. 24). Die Räumlichkeit des Ausgangsbildes wird verflacht.

521

In einer Nachricht an der Verfasser vom 16.04.2012 schreibt Tom Betts: „QQQ is mostly resource hacks, textures, sounds, models, shaders, no actual engine code changed, so it could act as authentic client“ (URL: http://twitter.com/Tom Nullpointer/status/191924230902915072 [17.04.2012]).

522

Tom Betts in einer Nachricht an der Verfasser vom 17.04.2012 via Twitter (URL: https://twitter.com/#!/TomNullpointer/status/192245551461441536 [17.04.2012]).

523

Baumgärtel 2003b, URL: http://www.medienkunstnetz.de/themen/generative_tools/ game_art/scroll/ [23.07.2011].

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Abb. 24: Die Maps Q3DM18 Space Chamber und Q3DM4 The Place of Many Deaths in der modifizierten Version von QQQ Betts hat zwölf unterschiedliche Maps des Spiels Quake III Arena bearbeitet und mit unterschiedlichen Ergebnissen verändert.524 Die Maps laufen in der Installation in einem Zeitraum von ein bis zwei Stunden nacheinander ab; danach beginnt der Zyklus erneut.525 Jede der zwölf modifizierten Maps folgt eigenen Gestaltungsprinzipien, die sich besonders an dem unterschiedlichen Einsatz der Farbe manifestieren. Manche Maps tauchen den Raum in gleißendes Weiß und kühles Blau. Im Kontrast dazu sind andere von warmen Brauntönen und bernsteinfarbenen Elementen geprägt. Die einen wirken wie zerbrochen, zersprungen und aufgerissen, die anderen wie ineinander verwischt. Gemein ist allen, dass sie eine Farbigkeit evozieren, die von den natürlich und haptisch wirkenden Texturen des Ausgangsmaterials und dessen Oberflächenfarben stark abweicht. Während die Bilder von Quake III Arena Oberflächen aufweisen, die z.B. im Sinne der Transparenz aussehen sollen wie Stein, Metall oder auch Fleisch und damit einen gewissen ‚realistischen‘ Charakter aufweisen, erinnert die Farbigkeit von QQQ nicht an natürliche Materialien oder Inkarnat, sondern wirkt künstlich und technoid. Die Loslösung von der Darstellung, Repräsentation und Referenz bewirkt, dass bewegliche Formen und Farben abstrakt in den Vordergrund treten und die zweidimensionale Bildebene in opaker Form hervortritt.

524

Auf Tom Betts Website sind neun der zwölf Maps dokumentiert: Es handelt sich um die Maps: Q3DM1 Arena Gate, Q3DM4 The Place of Many Deaths, Q3DM14 Grim Dungeouns, Q3DM16 Bouncy Map, Q3DM17 The Longest Yard, Q3DM18 Space Chamber, Q3Tourney1 Power Station 0218, Q3Tourney2 The Proving Grounds, Q3Tourney5 Fatal Instinct. Vgl. die Website des Künstlers unter der URL: http://www.nullpointer.co.uk/qqq/qqq4.htm [23.07.2011].

525

Tom Betts bemerkt dies in einem Interview, das bei Google Video zu sehen ist. (http://video.google.com/videoplay?docid=2386349748162118411 [23.07.2011]).

QQQ: V ERUNGEGENSTÄNDLICHUNG DER AUDIOVISUELLEN O BERFLÄCHE

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Die narrativ aufgeladenen Räume des Spiels werden dekonstruiert und führen in der Negation die Funktionsweise des Computerspiels vor Augen, nämlich navigierbare Raumkonstruktionen hervorzubringen, von denen die Rezipienten den Eindruck haben können, sie ließen sich begehen. Dies verweist auf die Bildhaftigkeit des Computerspiels: Die Konstruktionsweise des bewegten, interaktiven Bildes wird in der Überformung ansichtig. Es wird deutlich, dass die Grafik Engine des Computerspiels im Kern ein Bildgenerator ist, der perspektivische Bilder von plausibel wirkenden Räumen hervorbringt. Tatsächlich bestehen diese vermeintlich begehbaren Räume aber nur aus von einem Apparat berechneten Bildern. Indem Betts die Bilder aber von ihrer Funktion loslöst und ihnen ihren Verweischarakter nimmt, offenbart sich ihre eigentliche Qualität. Die eigentliche Qualität eines jeden Computerspielbildes besteht darin, vom Rezipienten manipulierbar zu sein und auf Eingaben in für den Rezipienten sinnvoller Weise zu reagieren. Drückt der Spieler einen Knopf, entsteht ein neues Bild, dessen Entstehung der Rezipient auf seine Handlung zurückführt. Die Bildlichkeit von QQQ ist demnach nicht nur abstrakt in dem Sinne, dass sie die Referenzen des Ausgangsmaterials verungegenständlicht; sondern es handelt sich auch um die Konkretion des interaktiven Computerspielbildes, das nur sich selbst zum Thema hat. Die Bilder des Ausgangsmaterials Q3A folgen dem Anspruch, den Rezipienten von einer kohärenten Spielwelt zu überzeugen, in der fantastische Gestalten in Arenen gegeneinander in den Kampf ziehen: Er soll über die apparative, technische und mediale Bedingtheit des Computerspiels hinweg und durch den Bildschirm wie durch eine Glasscheibe hindurch sehen – die Bilder losgelöst vom Bildträger als konsistente Räume erfahren (zur Metapher der Glasscheibe vgl. Anm. 371). Die narrative Ebene des Computerspiels soll zu dieser Überzeugung beitragen. Medientheoretisch strebt das Computerspiel nach größtmöglicher Transparenz – idealerweise eröffnet es fantastische, immersive Umgebungen und Welten; der Bildschirm wird durchsichtig, der Computer als Apparat wird unsichtbar (vgl. Kap. 6). Die Strategie der Formzerstörung lässt die eigentliche Qualität der Bilder in der Verfremdung aufscheinen, indem ihr Entstehungsprozess qua Grafik Engine inszeniert wird. Durch die Störung des realistischen Anspruchs und der Transparenz des Computerspielbildes werden die Bilder und damit die gesamte technische Bedingtheit des Mediums aufsässig (vgl. Anm. 432). Diese apparative Bedingtheit zeigt sich, die Unterfläche des technischen Bildes wird durch den Fehler sichtbar. Die Bedingungen des Computerspiels rücken ins Bewusstsein des Rezipienten und es wird von der Transparenz in die Opazität verstellt. Metaphorisch gesprochen wird die Glasscheibe getrübt, durch die der Rezipient die Spielwelt erblickt.

224 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

8.2.2 Verschiebung räumlicher Konfigurationen Die Installation QQQ setzt nicht nur an der Audiovisualität des Computerspiels an, sondern ist auch eine Reflexion über die verschiedenen vom Spiel aufgeworfenen räumlichen Ebenen. Bei Computerspielen lässt sich eine grundsätzliche Dichotomie vom Raum des Spielers und dem Raum des Spiels ausmachen (Vgl. Anm. 178)526. Der User Space ist die räumliche Konfiguration, in der sich der Spieler realweltlich aufhält. Im Falle von Quake III Arena ist dies ein ‚privater Raum‘. Das Spiel wird an einem Heimcomputer im Computerspieldispositiv ‚Arbeit‘ gespielt (vgl. Kap. 2.3.4.2). Dem Dispositiv entsprechend ist davon auszugehen, dass ein Q3A-Spieler in der Regel an einem Schreibtisch sitzend die Tastatur und eine Maus bedient, während er den Game Space über einen vor ihm aufgestellten Bildschirm betrachtet. Eine Besonderheit von QQQ liegt nun darin, dass zwischen User Space und Game Space eine dritte räumliche Kategorie – die des Ausstellungsraums – eingezogen wurde, ohne dass die Spieler des Spiels dies nachvollziehen können oder überhaupt von dieser Tatsache wissen. Dadurch, dass bis zu zwölf Spieler Quake III Arena auf einem vom Künstler bereitgestellten Server spielen, ist es möglich, das Geschehen im Ausstellungsraum auf einer großflächigen Projektion abzubilden. Im Ausstellungsraum ist dabei für die Besucher die modifizierte Bildlichkeit von QQQ zu sehen. Die SpielerInnen, die durch ihre Handlungen die Bilder des Kunstwerks generieren und es auf diese Weise speisen, sehen in ihren privaten Räumen aber das Geschehen des nicht modifizierten Quake III Arena und blicken in eine ‚ungetrübte‘ Spielwelt. Nur die Audiovisualtität der Programmversion, die im Ausstellungsraum zugegen ist, ist verändert worden. Die Handlungen, die die SpielerInnen online im Raum des Spiels ausführen, werden in den Ausstellungsraum übertragen. Die anonymen SpielerInnen erzeugen mit ihren Handlungen das Kunstwerk, ohne sich darüber bewusst zu sein. Sie sind die Urheber der Bilder von QQQ, die sie durch Tastendruck und Mausbewegung im privaten Umfeld generieren und die als Datenspuren im Ausstellungskontext sichtbar werden. 8.2.3 Konkretion der Handlung mit dem Bild Durch die Überführung der gegenständlichen Bilder in ungegenständliche farbige Flächen und Strukturen werden die Ebenen der Repräsentation und Narration des Spiels negiert. Das Regelwerk bleibt aber unangetastet. Das Spielgeschehen findet tatsächlich im Internet statt: Die Benutzer zielen und schießen gegenseitig auf ihre

526

Vgl. zu User Space und Game Space Stockburger 2009 sowie Anm. 178.

QQQ: V ERUNGEGENSTÄNDLICHUNG DER AUDIOVISUELLEN O BERFLÄCHE

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Avatare, die sich in Architekturen zu bewegen scheinen. Ziel- und Manipulationsregeln haben sich für die SpielerInnen von Q3A nicht geändert. Für die BenutzerInnen von Q3A bleibt es ein emergentes Agôn-Spiel, das sich für die Betrachter im Ausstellungsraum wie ein reines Ilinx-Spiel aus wirbelnden und schillernden Farben, Formen und Flächen darstellt. Durch die Handlungen der SpielerInnen entstehen die Bilder des Kunstwerks. Das Kunstwerk wird demnach von Menschen unwissentlich gesteuert, die ihre Handlungen ins Internet und damit in den Ausstellungsraum übertragen. Dies bedeutet, dass sich die so generierten Bilder niemals gleichen, da die menschlichen Spieler im Netzwerk niemals ein und dieselbe Handlung wiederholt ausführen. Damit bildet QQQ auch die Spuren menschlichen Verhaltens im Datenraum ab. QQQ wird im Ausstellungskontext nicht gespielt, sondern zuvordererst betrachtet. Dennoch handelt es sich um ein interaktives Kunstwerk, da die Rezipienten im Ausstellungsraum auch Einfluß auf die Bewegung der Bilder ausüben können. Das Ausgangsspiel wird eigentlich mit Tastatur und Maus bedient. Am Steuerungselement von QQQ sind aber nur drei Tasten angebracht, durch deren Betätigung sich die Bilder manipulieren lassen. Die Tatsache, dass auch das Eingabefeld, das Interface, von Quake III Arena reduziert ist, macht QQQ auch zu einer HardwareModifikation. Die Reduktion des Interface versperrt die Möglichkeit, die Software im Sinne des Spiels zu bedienen. Das Spiel lässt sich nur eingeschränkt steuern; damit wird die Transparenz von Quake III Arena zusätzlich getrübt. Zum Zwecke der Einflußnahme auf die Bilder hat Betts ein Podium entworfen, das vor der Projektion aufgebaut wird. Um die Bilder zu verändern, muss ein Rezipient im Ausstellungsraum dieses Podium betreten. Damit nimmt dieser eine hervorgehobene Stellung im Vergleich zu anderen Rezipienten ein, was den performativen Charakter der Handlung mit dem Bild zusätzlich betont, indem der Rezipient eine Art Bühne betreten muss. Gleichzeitig fungiert das Podium wie ein Sockel, der den Kunstkontext des Dispositivs festigt. Die Betätigung der drei Tasten verändert den Standpunkt der virtuellen Kamera. Auf Knopfdruck lässt sich zwischen den verschiedenen Spielern umschalten, die ihre Avatare durch die Maps des Spiels steuern. So sieht man das Geschehen aus der Erste-Person-Perspektive, die sich jeweils auf einen anderen Spieler im Netzwerk bezieht. Die Rezipienten im Ausstellungsraum können die Handlungen der Spieler auf diese Weise verfolgen und beobachten. Die Art der Perspektive ist ebenfalls veränderbar. Aus der Erste-Person-Perspektive lässt sich mit der virtuellen Kamera herausfahren, so dass sich das Bild nicht durch das angenommene Augenpaar eines Avatars darstellt, sondern dass die Spielfigur in der Mitte des Bildes fragmentiert zu sehen ist, wie sie von einem Fremden durch die Map gesteuert wird. In der Stellungnahme des Künstlers zu QQQ heißt es:

226 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL „The modified engine creates a continuous stream of glitched images and abstracted video sequences. The constant modulation of the digital landscape, coupled with the 24/7 interaction of online players creates an environment in flux, with no end or beginning.“527

Dies rückt das Kunstwerk in die Nähe regelbasierter, generativer Kunstwerke, die den Prozess ihrer (automatischen) Entstehung abbilden und reflektieren.528 Bei QQQ entstehen die Bilder aus der Verbindung von menschlichem Handeln und technischen, reaktiven Prozessen, indem Menschen auf das Verhalten von Algorithmen reagieren und Algorithmen wiederum auf die Handlungen der Spieler. Dieser kybernetische Regelkreis aus Aktion und Reaktion hinterlässt seine Spuren in den Formen und Farben des Kunstwerks QQQ und wird darin abgebildet (vgl. Zum Regelkreis Anm. 180). Das Regelsystem des Computerspiels, dem sich die SpielerInnen unterordnen, ist in einen künstlerischen Kontext verlagert und wird dadurch zu einem neuen Regelsystem zur Erzeugung eines Kunstwerks.529 Das Werk entsteht durch die Handlungen der Spieler selbstorganisierend, autonom und prozessual. Wenn, z.B. keine SpielerInnen auf den Servern des Games eingeloggt sind und damit das Kunstwerk speisen, steht das Bild im Ausstellungsraum still. Das OnlineSpiel bietet dabei den Mechanismus zur Erzeugung der Bilder, die in ihrer Entstehung medialen und apparativen Gesetzmäßigkeiten unterliegen aber im Ergebnis ihrer Erscheinungsform unvorhersehbar sind. 8.2.4 Inszenierung der Entstehungsprozesse der Bilder Im Sinne des Countergaming (Vgl. Kap. 4.3.1) lässt sich zusammenfassend Folgendes konstatieren: QQQ kehrt die apparativen und medialen Bedingungen des Computerspiels hervor und überführt die Transparenz des Ausgangsmaterials in Opazität. Das narrative Spielgeschehen wird negiert und das ungegenständliche Bild rückt gegenüber der perspektivischen, ‚realistischen‘ Spielwelt in das Zentrum des Kunstwerks. Die Modifikation produziert Bildstörungen, die die Darstellung kohärenter Raumkonfigurationen nahezu vollständig überlagern. So wird nicht nur die Bildebene als Konkretion des interaktiven Computerspielbildes inszeniert, sondern der Blick wird auch auf die Entstehungsprozesse der Bilder gelenkt, indem sich die berechnete Unterfläche des doppelten, digitalen Bildes in der Fehlfunktion zu zeigen scheint und die menschliche Handlung mit dem Bild als Spur im Netzwerk in-

527

Website des Künstlers Nullpointer.co.uk, URL: http://www.nullpointer.co.uk/qqq/ qqq1.htm [23.07.2011].

528

Vgl. Ihmels/Riedel 2004, URL: http://www.medienkunstnetz.de/themen/generative _tools/generative_art/ [17.04.2012].

529

Vgl. zur Verbindung zu Sol LeWitt Anm. 210.

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szeniert wird. Die Grafik Engine simuliert im Ausgangsmaterial bestimmte physikalische Prozesse, z.B. den gesetzmäßigen Lichteinfall in den Architekturen. Diesem kohärenten physikalischen Verhalten setzt QQQ eine dysfunktionale Version entgegen, die keine optisch korrekten Bilder, sondern ungegenständliche Gegenentwürfe generiert. Schließlich versperrt sich das Kunstwerk im Ausstellungsraum seiner Verwendung zum Zwecke des Spiels, indem die Handlungsmöglichkeiten auf die Steuerung der virtuellen Kamera beschränkt werden. Das Regelsystem des Spiels wird ebenfalls umgenutzt und als Regelsystem zur Erzeugung eines generativen Kunstwerks zweckentfremdet. Es handelt sich bei QQQ um eine Deprivation, in der sich das Computerspiel metaphorisch gesprochen selbst bewusst wird.

9. Super Mario Clouds: Das Computerspiel im Schwebezustand

Cory Arcangels (*1978) Konsolenspielmodifikation Super Mario Clouds (20022009), die auf dem 8-Bit-Videospiel Super Mario Bros. (Shigeru Miyamoto et al., 1985) basiert, gehört zu den prägendsten Kunstwerken, die Computerspiele als Material verwenden (Abb. 25).530 Das Kunstwerk war u.a. auf der Whitney Biennale in New York im Jahr 2004 zu sehen.531

530

Auf der Website des Künstlers sind drei Versionen des Kunstwerks dokumentiert. Der ursprünglich 2002 von Arcangel geschriebene Code ging laut eigenen Angaben durch den Diebstahl eines Laptops verloren. Die verlorene Arbeit führt der Künstler unter dem Titel Super Mario Clouds v2k2. Im Zuge der Produktion der Versionsnummer v2k2 hat Arcangel eine Anleitung im Internet veröffentlicht, die detailliert erklärt, wie er den Hack des Videospiels vorgenommen hat. Der Künstler habe nach dem dem Diebstahl eine neue Version, Super Mario Clouds v2k3, erstellt, für deren Programmierung er seine eigene zuvor veröffentlichte Anleitung benutzt habe. Eine dritte Überarbeitung mit der Nummer v2k9 aus dem Jahr 2009 behebt einen Grafikfehler und ist bis dato die endgültige Fassung des Kunstwerks. Vgl. die Website des Künstlers: Coryarcangel.com, URL: http://www.coryarcangel.com/things-i-made/ supermarioclouds/ [12.08.2011].

531

Vgl. Iles 2004. Vgl. zudem die Website der Ausstellung unter der URL: http:// whitney.org/www/2004biennial/flash/main.swf [26.08.2012].

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Abb. 25: Super Mario Clouds (2002-2009). Screenshot der ROM-Datei, die auf Cory Arcangels Website bereitgestellt ist. Die Form der aus wenigen Bildpunkten zusammengesetzten titelgebenden Wolken fungiert heute prototypisch – wie eine Art Logo – für den gesamten Bereich der Kunst mit Computerspielen, wie ein Titelblatt des EA Magazins – einer Branchenpublikation – illustrieren kann (Abb. 26).532 Auch die Abbildung auf einer weiteren Zeitschrift bestätigt die Einführung der Arbeit 2009 in den Mainstream des zeitgenössischen Kunstkontexts: Die renommierte Zeitschrift Artforum International widmet Arcangel im März 2009 ihren Titel und unterstreicht zusätzlich den Logocharakter der Wolken (Abb. 26).

532

EA Magazin für digitale Spielkultur: Nr. 1, 2008.

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Abb. 26: Titelblätter von EA Magazin und Artforum International Super Mario Clouds zeigt ein nahezu quadratisches, leicht querrechteckiges Bild. Vor einem einfarbigen Hintergrund sind aus einzelnen Bildpunkten zusammengesetzte weiße Wolken zu sehen. Der Farbton des Hintergrunds ist zwischen Cyanblau und Lichtblau anzusiedeln. Die Wolken sind schwarz umrandet und weisen innerhalb der weißen Innenfläche Bildpunkte in einem dunkleren Blauton auf. Diese Bildpunkte wirken wie Schattierungen und verleihen der Form eine Binnenstruktur, die die Plastizität der Wolken erhöht. Es handelt sich bei dem Kunstwerk um ein bewegtes Bild. Die Wolken bewegen sich gleichfömig, Bildpunkt für Bildpunkt, von rechts nach links. Die Wolkenformen, die am linken Bildrand angekommen sind, verschwinden nach und nach aus dem Bild ins Off, während an der rechten Seite neue Wolken nachrücken. Es gibt drei Wolkenformen in Super Mario Clouds: eine einzelne Wolke, eine zweifach und eine dreifach zusammengesetzte. Die verschiedenen Formen tauchen immer wieder aufs Neue auf. Es gibt verschiedene mediale Varianten von Super Mario Clouds. An den Verfasser schreibt der Künstler: „It [Super Mario Clouds] exists as a website (ROM & instructions), as a multi-screen installation, as a poster sold off of my website a few years ago, and yes, at one point I did show it on a single 4:3 TV monitor.“533 Im Folgenden steht die Variante der Arbeit im Mittelpunkt der Ausführungen, die als Software (ROM) vorliegt und das Bild der Wolken über ein Steckmodul für die Spielkonsole NES der japanischen Firma Nintendo zur Anschauung bringt. Diese Version steht im Mittelpunkt der Betrachtungen, da es sich dabei um Software handelt, die Prozesse auf Hardware auslöst und nicht um eine Übersetzung in ein ande-

533

E-Mail von Cory Arcangel an den Verfasser vom 04. April 2009.

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res Medium wie dies z.B. auf das Poster zurtrifft. Obwohl das Kunstwerk auf einem Videospiel basiert und über die Konsole NES von Nintendo visualisiert wird, ist es nicht interaktiv; Eingaben des Betrachters sind nicht möglich. Es handelt sich bei Super Mario Clouds damit um eine Negation des Ausgangsmaterials (vgl. Kap. 4.3.1). Es folgt eine ausführliche Analyse des Kunstwerks unter Berücksichtigung des Ausgangsmaterials. Zunächst wird das Spiel Super Mario Bros. unter verschiedenen Teilperspektiven betrachtet (Kap. 9.1). Es werden das Genre, der räumliche Modus sowie Manipulations- und Zielregeln bestimmt. Davon ausgehend werden die Bildelemente des Spiels beschrieben und ihre Funktionen zwischen Vorder- und Hintergrund identifiziert (Kap. 9.1.1). In einem weiteren Schritt wird die narrative Struktur des Spiels in der Nähe westlicher Märchen verortet (Kap. 9.1.2). Super Mario Bros. ist ein Videospiel, das eine enorme Rezeptionsbreite entwickelt hat. Im Zuge dessen ist die titelgebende Figur Mario zu einer populär-kulturellen Ikone avanciert, die auch in anderen künstlerischen Gattungen (z.B. Malerei) rezipiert worden ist. Diese Umstände werden in Kapitel 9.1.3 thematisiert. Auf diese Weise wird das Game computerspielhistorisch eingeordnet und in einen größeren kulturellen Kontext gestellt. In Kapitel 9.1.4 wird auf die Tatsache hingewiesen, dass es sich bei Super Mario Bros. im Gegensatz zu Doom und Q3A (vgl. Kap. 7.1 und 8.1) um streng reglementierte, proprietäre Software handelt, deren Veränderung durch Dritte einen lizenzrechtlichen Verstoß darstellt. Modifikationen sind bei proprietärer Software nicht gestattet. Der Künstler Cory Arcangel begeht dementsprechend einen unautorisierten Eingriff in die Strukturen des Games. Die Analyse des veränderten Games, Kapitel 9.2, beginnt mit der Bestimmung der Modifikation und ihrer Ansatzpunkte. Arcangel macht sich die Technik des ROM-Hacking zu Nutze. Um diese Technik ranken sich Communities, in deren Nähe sich Arcangel positioniert. Er gebärdet sich als Amateur, der sich einer veralteten Technik zuwendet. Nach der Bestimmung dieser Technik wird nachvollzogen, auf welche Weise Arcangel Super Mario Clouds hergestellt hat (Kap. 9.2.1). In Kapitel 9.2.2 wird die Bildlichkeit des Kunstwerks untersucht. Es werden Bezüge zu scheinbar ‚leeren‘ Bildern hergestellt. Darüber hinaus wird die Rezeption von Super Mario Clouds als Leerstelle analysiert. In einem weiteren Analyseschritt wird Super Mario Clouds als technisches, veraltetes Bild interpretiert, in dem die apparative Bedingtheit des Mediums Computerspiel sichtbar wird (Kap. 9.2.3). Unter anderem durch die Gestaltung der Wolken als Komposition aus einer bestimmten Anzahl von Bildpunkten zeigt sich die Natur des doppelten Computerspielbildes, das aus einer sichtbaren Oberfläche und einer berechenbaren Unterfläche besteht. Kapitel 9.2.4 bringt einen möglichen konzeptuellen Vorläufer des Kunstwerks in die vorliegende Arbeit ein. Die kanadische Künstlerin Myfanwy Ashmore hat ab dem Jahr 2000 Modifikationen des Spiels Super Mario Bros. hergestellt, in denen alle gegnerischen Figuren, Hindernisse und weitere Bildelemente gelöscht worden sind. In-

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wieweit Super Mario Clouds das Medium des Computerspiels opak werden lässt, wird daraufhin zusammengefasst und das Kunstwerk im Sinne des Countergaming als Negation – als unspielbares Spiel – interpretiert (Kap. 9.2.5). Die Funktionsweise des Computerspiels wird radikal in Frage gestellt, indem das Ausgangsmaterial seiner Interaktivität beraubt und das Spiel in eine Art Schwebezustand versetzt wird. Eine Spielhandlung ist nicht mehr möglich; der Apparat berechnet aber prozessual weiterhin immer wieder ein neues Bild.

9.1 Ö FFNUNG DES H INTERGRUNDES UND V ERSCHLIESSEN DER T ECHNIK : S UPER M ARIO B ROS . Super Mario Clouds basiert auf Super Mario Bros. aus dem Jahr 1985. Das vom japanischen Designer Shigeru Miyamoto federführend entworfende Videospiel ist ein seitlich von links nach rechts scrollendes Jump ’n’ Run534 für einen Spieler535. Der Spieler muss seine Spielfigur (hier: Super Mario) in zweidimensionaler Seitenansicht von links nach rechts durch einen Level, einen von vielen räumlich begrenzten Abschnitten des Spiels, navigieren und sich den dargebotenen Raum durch Durchquerung aneignen. Laufen und Springen bilden die grundsätzlichen Handlungsmöglichkeiten. Der Levelbeginn befindet sich links und das Ziel erscheint nach Durchquerung des Levels am rechten Bildrand.

534

In Spielen des Jump ’n’ Run-Genres werden Spielfiguren springend und laufend über Plattformen und Hindernisse manövriert. Der Begriff ist ein Scheinanglizismus. Im englischen Sprachraum wird das Genre als Platform Game oder Platformer bezeichnet.

535

Es gibt einen Modus für zwei Spieler. Dabei wechseln sich die Spieler bei Verlust eines Lebens ab. Die zweite Spielfigur trägt den Namen Luigi und stellt in der Diegese Marios Bruder dar. Luigi kommt erstmalig in dem Arcade-Spiel Mario Bros. (1983) vor. Luigis Sprite (grün und weiß) ist bis auf die Farbgebung identisch mit Marios Spielfigur (rot und blau). In späteren Spielen der Serie werden die Super Mario Bros. weiter ausdifferenziert, was nicht nur die Erscheinung (Luigi ist deutlich schlanker als Mario), sondern auch das Gameplay betrifft; so kann Luigi in vielen Spielen höher springen als Mario. Die Unterscheidung der Brüder durch die Farben rot und grün bleibt stets erhalten.

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9.1.1 Vorder- und Hintergrund: Bildelemente und ihre Funktionen

Abb. 27: zeigt einen Screenshot aus Super Mario Bros. (1985). Mit Funktionen ausgestattete Bildelemente bilden den Vordergrund. Der Hintergrund ist mit Bildelementen ausgestattet, die über keinerlei Funktion für das Gameplay verfügen. Dazu gehören der Hügel und die buschig wirkende Pflanze sowie die am blauen Himmel befindlichen Wolken. Abb. 27 zeigt die wichtigsten Elemente eines beispielhaften Bildes aus Super Mario Bros. In Super Mario Clouds sind im Gegensatz dazu bis auf die Wolken alle Bildelemente verschwunden. Hier ist die Situation abgebildet, in der die Spielfigur das erste Hindernis des Spiels in Form einer beweglichen, gegnerischen Figur überwunden hat. Die Ziffer in der rechten oberen Ecke zeigt an, dass das Spiel seit 27 Sekunden läuft (Das Zeitlimit für Level 1-1 beträgt insgesamt 400 Sekunden). Am oberen Bildrand befinden sich aus der Diegese der Spielwelt augelagerte aber im Bild präsente Informationen.536 Die Spielfigur befindet sich sich am unteren Bild-

536

Es handelt sich dabei um den Namen der Spielfigur (Mario oder Luigi), sechsstellige Punktzahl, Anzahl eingesammelter Goldmünzen, Nummerierung des Levels und verbleibende Zeit rückwärts zählend von 400 in Sekunden.

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rand auf einem mit steinernen Strukturen befestigten Weg. Über der Figur sind – scheinbar in der Luft schwebend ohne erkennbare Befestigung –unterschiedliche, quadratische Blöcke zu sehen, die wichtige Gameplay-Elemente darstellen. Von oben nach unten sind ein Block mit einem Fragezeichen und darunter gemauerte, feste Blöcke sowie scheinbar ‚entleerte‘ Quadrate zu sehen. Rechts neben der Figur befinden sich ein beweglicher Pilz sowie eine grüne Röhre. All diese Bildelemente sind interaktiv und erfüllen eine Funktion im Spiel. Sie gehören zum Vordergrund des Bildes. Der Farbton des Hintergrunds liegt zwischen kräftigem Cyanblau und einem hellen Lichtblau. Am unteren Bildrand sind ein Hügel sowie ein buschig wirkendes, grünes Gewächs abgebildet. Die Unterscheidung von Vordergrund und Hintergrund lässt sich an dem Unterschied zwischen dieser Vegetation und der Röhre verdeutlichen. Das Gewächs hat (genau wie die Wolke) als intradiegetisches Bildelement keine Funktion für das Spiel: es scrollt ohne Einfluß auf die Spielfigur hinter ihr vorbei. Mit diesen Objekten kann die Spielfigur nicht in Interaktion treten. Die Figur wird an dieser Form vorbeigelenkt, andere bewegliche Objekte des Bildes bewegen sich ebenfalls an dem Busch vorbei, was durch Überlappung der beiden Formen deutlich gemacht wird. Die Abbildung zeigt, dass sich das Objekt des Pilzes vor der Pflanze befindet. Im Gegensatz dazu kommt die Figur an der Röhre aber nicht vorbei; der Spieler muss die Figur auf Knopfdruck (‚A‘) über dieses Hindernis springen lassen. Die Wolken, die den Mittelpunkt und das Motiv des Kunstwerks Super Mario Clouds bilden, sind, wie die angedeutete Vegetation, dem Hintergund zugehörig. Sie ziehen während des Spiels scheinbar am Betrachter vorbei; sind selbst aber unbewegt. Das Scrolling funktioniert so, dass sich die Darstellung der Umgebung (Wolken, Topografie, Vegetation) an der Figur von rechts nach links vorbei bewegt. Dies erklärt auch, warum sich die Wolken in der modifizierten Version entgegen der westlichen Leserichtung von rechts nach links bewegen. Der Rückweg zum Beginn des Levels ist nicht möglich. Super Mario Bros. scrollt nur von links nach rechts; nicht in die Gegenrichtung. Die Wolken sind zusammen mit den angedeuteten Pflanzen und Hügeln nur dazu da, die Spielwelt wie eine Kulisse atmosphärisch auszukleiden und sie damit belebter und – obwohl es sich um abstrahierte Naturformen handelt – gegenständlicher zu gestalten. Diese natürlichen Formen wirken dabei wie Icons, die zeichenhaft für Wolken bzw. Vegetation stehen. Vor Super Mario Bros. war es üblich, den Hintergrund digitaler Spiele nicht auszugestalten, sondern einfach schwarz zu lassen. Dies sollte auch einer optischen Ermüdung vorbeugen und den Spieler nicht vom Geschehen im Vordergrund ablenken.537 Die Entscheidung, dass Geschehen vor einer blauen Fläche zu

537

Der Urheber des Games Shigeru Miyamoto äußert sich dazu in einem Interview: „Zur damaligen Zeit wollten Videospiele-Designer den schwarzen Hintergrund bei-

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inszenieren, markiert nicht nur einen Durchbruch im Designprozess von Super Mario Bros., sondern damit auch die Öffnung des Hintergrunds in der Computerspielgeschichte und eine damit verbundene Auffassung der ‚realistischen‘ Ausgestaltung von Spielumgebungen als Terrain. In einem Interview gibt der Programmierer Toshihiko Nakago, der am Design von Super Mario Bros. beteiligt war, seiner Verblüffung beim ersten Anblick des Hintergrunds mit folgenden Worten Ausdruck: „Damals war nur der blaue Himmel mit den weißen Wolken und dem Boden auf dem Bildschirm zu sehen und ich dachte nur: ‚Das sieht unglaublich aus!‘“538 Auch in Super Mario Bros. gibt es Spielabschnitte, die sich vor einem schwarzem Hintergrund entfalten. Der schwarze Hintergrund wird aber im Gegensatz zu anderen Spielen dieser Zeit mit inhaltlicher, narrativer Bedeutung versehen und kennzeichnet den Nachthimmel sowie Innenräume und Untergründe. Das Blau des Himmels kennzeichnet die Außenwelt und transportiert die Assoziation von Luft und Tageslicht. Im Gegensatz zu den Elementen im Hintergrund, kann die Spielfigur mit den Elementen im Vordergrund in Interaktion treten. Wird die Figur in Richtung des sich bewegenden Pilzes gelenkt und kommt in Kontakt mit diesem, wächst die Figur auf ihre doppelte Größe an. Springt sie im kleinen Status unter einen gemauer-

behalten, weil er die Augen der Spieler weniger ermüdete. Ich hatte jedoch das Gefühl, dass die Leute es langsam satt hatten und dachte mir, es wäre nicht schlecht, eine Primärfarbe für den Hintergrund zu wählen, die zudem variiert. Wir nutzten die technischen Möglichkeiten des Famicom-Systems bis zum Äußersten und haben uns entschieden, ‚Super Mario Bros.‘ auf dem Konzept aufzubauen, dass eine große Figur eine Welt zu Lande, zu Wasser und in der Luft bereist“ (Iwata 2010, URL: http://www.nintendo.de/NOE/de_DE/news/iwata/iwata_fragt_new_super_mario_bro s_wii_16795_16846.html [19.09.2011]). 538

Das Zitat lautet in Gänze: „Nakago: Ich kann mich noch genau erinnern, wie zu Beginn der Entwicklung der blaue Himmel auf dem Bildschirm erschienen ist. Iwata: Spiele aus damaliger Zeit hatten immer einen schwarzen Hintergrund, nicht wahr? Nakago: Das ist richtig. Damals war nur der blaue Himmel mit den weißen Wolken und dem Boden auf dem Bildschirm zu sehen und ich dachte nur: ‚Das sieht unglaublich aus!‘ Iwata: Sie haben so etwas noch nie gesehen? Nakago: Genau. Ich habe noch nie so ein Spiel gesehen. Als ich dieses Bild sah, war es schon spät am Abend, aber ich habe Mr. Miyamoto sofort angerufen und ihm gesagt: ‚Wir haben etwas Unglaubliches hinbekommen!‘ (lacht) Iwata: (lacht) Nakago: Sogar ich war überrascht, dass das Famicom-System solch lebhafte Grafik darstellen konnte“ (Iwata 2010a, URL:

http://www.nintendo.de/NOE/de_DE/news/iwata/iwata_fragt_new_super_ma

rio_bros_wii_16795_16847.html [12.09.2011]).

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| 237

ten Block, scheint dieser kurz nachzugeben. Springt die Figur als großer Super Mario gegen einen solchen Block, zerbricht dieser und verschwindet. Ein wichtiges Element in den Super Mario-Spielen ist ein mit einem Fragezeichen versehener Block, dessen charakteristisches Aussehen und spezifische Funktion selbst zum Mittelpunkt künstlerischer Appropriation geworden sind.539 Springt Mario unter einen solchen Block, wird er meist mit einem Power-Up oder einem anderen Bonus belohnt: ein Pilz oder eine Blume wachsen z.B. aus dem Block heraus, die der Spielfigur beue Fähigkeiten verleihen. 540 Cory Arcangels Aneignung des Spiels wertet den Hintergrund zum eigentlichen Bildinhalt auf und lenkt den Blick buchstäblich hinter das Spielgeschehen. Das leuchtende Blau füllt das gesamte sichtbare Bild; alle anderen handlungsstiftenden Elemente sind verschwunden. Mit den Wolken ist ein hintergründiges Element des Bildes zum Hauptmotiv avanciert, das im Ursprungsbild eine untergeordnete ‚kosmetische‘ Funktion einnimmt. Die Wolken sind funktionslos und für das Gameplay reines Dekorum. 9.1.2 Struktur einer repetitiven Heldenreise Durch das Hervorkehren des Hintergrundes in Super Mario Clouds wird auch die Narration des Originalspiels weitgehend negiert. Die vom Spiel aufgerufene Narration stellt wie bei vielen anderen Computerspielen eine auf wesentliche Aspekte reduzierte Form der Heldenreise dar. Der naive Plot lässt sich wie folgt in aller

539

Zum Beispiel wurden die Fragezeichenblöcke zum Thema in einem Projekt der Street Artists Ryan North und des anonymen Posterchild, der eine Bastelanleitung für die Blöcke im Internet bereitgestellt hat. Die Fragezeichenblöcke sollten im öffentlichen Raum angebracht werden. Eine Gruppe von fünf Mädchen zwischen 16 und 17 Jahren brachte der Aufforderung folgend mehrere der Bastelarbeiten auf öffentlichen Plätzen an, was in der kleinen Stadt Ravenna in Ohio im Jahr 2006 soweit führte, dass die Würfel aus Pappe für gefährlich gehalten wurden. Ein zur Rettung gerufenes Bombenentschärfungskommando konnte Schlimmeres verhindern und die Stadt von den Super Mario-Blöcken befreien. Jane McGonigal widmet dieser Intervention im öffentlichen Raum ein Kapitel in ihrer Dissertation über ubiquitious play und pervasive games, in dem sie erklärt, dass sich die Bastelanleitung zu einem Internet-Meme ausgewachsen hat. Menschen auf der ganzen Welt haben inzwischen von Super Mario inspirierte Fragezeichenblöcke im öffentlichen Raum angebracht (vgl. McGonigal 2006, S. 238-247).

540

Die Liste der Power-Ups ist innerhalb der Spiele-Serie immer mehr erweitert worden. Ausführliche Informationen zu den einzelnen Items sind beispielsweise im Super Mario-Wiki zu finden: URL: http://www.mariowiki.com/Main_Page [12.01.2011].

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Kürze zusammenfassen: König Koopa hat Prinzessin Toadstool entführt. Der böse König erinnert sowohl an einen Drachen als auch eine Schildkröte. Mario muss der Handlung zu Folge das Pilzkönigreich (von links nach rechts) durchqueren und die Prinzessin retten. Die Motive Prinzessin und Drache evozieren Assoziationen zu westlichen Märchen.541 Die Tatsache, dass der Held Mario zu Super Mario heranwächst, wenn er in Kontakt mit einem Pilz kommt, weckt Assoziationen zu Lewis Carrolls Geschichten von Alice im Wunderland und unterstreicht damit den fantastischen Charakter der Spielwelt (zur Metapher des ‚Wunderlandes‘ bezogen auf Virtual Reality und Computerspiele vgl. zudem Anm. 388).542 Strukturell besteht das Spiel aus acht Welten mit jeweils vier Levels. Im vierten Level einer Welt dringt Mario jeweils in König Koopas Festung ein und überwindet den feuerspeienden Endgegner. Sieben Mal stellt sich heraus, dass die Prinzessin in einer anderen Burg gefangen gehalten wird und das Spiel noch nicht zu Ende ist. Dieser Umstand, der stets mit dem eingeblendeten Text ‚Thank you Mario! But our princess is in another castle!‘ kommentiert wird, paraphrasiert den repetitiven Charakter und die rudimentäre Narration von Computerspielen der 1980er Jahre. Gleichzeitig ist aber die Tat-

541

Die Nähe der Narrationen von klassischen Computerspielen zu Märchen ist evident. Gonzalo Frasca bemerkt unter Bezugnahme auf Janet Murrays Hamlet on the Holodeck von 1997: „As Murray pointed out, there is a clear similitude between adventure games such as Mario Bros. or Tomb Raider and folk tales. Both are plot centric products with a clear goal (‚rescue the princess‘, ‚find the treasure‘), where the main character has to overcome problems in order to complete a quest“ (Frasca 2001, URL: http://www.siggraph.org/artdesign/gallery/S01/essays/0378.pdf [06.12.2011]).

542

In einem Interview mit Businessweek aus dem Jahr 2005 äußert sich Shigeru Miyamoto über die Verwandtschaft von Mario und Alice: „Mario ended up being too big, so we shrank him. Then we thought, ‚What if he can grow and shrink? How would he do that? It would have to be a magic mushroom! Where would a mushroom grow? In a forest.‘ We thought of giving Mario a girlfriend, and then we started talking about Alice

in

Wonderland“

(Hall/O’Connell

2005,

URL:

http://www.business

week.com/magazine/content/05_45/b3958127.htm [17.09.2011]). In einem Interview von 2010 widerspricht Shigeru Miyamoto dann der direkten Beeinflussung durch Lewis Carroll: „Vor einiger Zeit wurde ich interviewt und ich habe über ‚Alice im Wunderland‘ gesprochen. Offenbar gab es aber ein paar Missverständnisse und seitdem wird behauptet, ich wurde von ‚Alice im Wunderland‘ beeinflusst. Das war nicht der Fall. Es ist nur, es gab schon immer eine Verbindung zwischen Pilzen und magischen Welten. Deshalb habe ich entschieden, dass Mario einen Pilz benötigt, um Super

Mario

zu

werden“

(Iwata

2010,

URL:

http://www.nintendo.

de/NOE/de_DE/news/iwata/iwata_fragt_new_super_mario_bros_wii_16795_16846.h tml [19.09.2011]).

S UPER M ARIO C LOUDS : D AS C OMPUTERSPIEL IM S CHWEBEZUSTAND

| 239

sache, dass das Spiel ein Ende hat und nicht kontinuierlich weiter läuft bis der Spieler verliert, eine Innovation zu dieser Zeit. 9.1.3

Rezeption und Bildwürdigkeit: Die Figur des Super Mario als populär-kulturelles Phänomen

Super Mario kommt sowohl computerspielhistorisch als auch kunsthistorisch eine besondere Rolle zu: Durch den enormen wirtschaftlichen Erfolg hat das Spiel eine entsprechende Rezeptionsbreite erfahren. Darüber hinaus hat es eigene charakteristische Bildtopoi entworfen und ist dadurch auch für KünstlerInnen, die in anderen Gattungen (z.B. Malerei) arbeiten, bildwürdig geworden und als Motiv rezipiert worden. Das Spiel markiert den erfolgreichen Eintritt der japanischen Firma Nintendo in den westlichen Computerspielmarkt. Die Spielfigur Mario avanciert im Zuge dessen zu einer rentablen Marke und zu einer populär-kulturellen Ikone. Mit über 40 Millionen verkauften Exemplaren gehört das Videospiel heute zu den meist verbreiteten digitalen Spielen und war das meistverkaufte Videospiel überhaupt.543 In Japan kam 1983 der Familiy Computer, das Famicom von Nintendo auf den Markt, während die Videospielindustrie in den USA – insbesondere repräsentiert durch die Firma Atari – mit einer schweren wirtschaftlichen Krise zu kämpfen hatte und beinahe vollkommen zusammenbrach.544 Die Krise, die u.a. auf eine Übersättigung des Marktes und schlechte Produktqualität zurückgeführt werden kann, führte zu dem Bankrott etlicher amerikanischer Unternehmen. 1985 wurde eine leicht veränderte Variante des Famicom unter dem Namen Nintendo Entertainment System (bekannt als NES) in den USA und 1986 auch in Europa veröffentlicht, was die Krise überwinden konnte und damit beendete. Eines der ersten erhältlichen Spiele war Super Mario Bros., das Cory Arcangel als Material für seine Arbeit Super Mario Clouds gewählt hat. Das Spiel und die Popularität der Mario-Figur545 haben da-

543

Vgl. den Eintrag auf der Website der Guinness World Records aus dem Jahr 2006 unter „Best-Selling Video Games“. Der Eintrag ist unter folgender URL archiviert: http://web.archive.org/web/20060317005503/http://www.guinnessworldrecords.com/ content_pages/record.asp?recordid=52404 [18.09.2011]. Heute ist das Spiel Wii Sports (2007) das meistverkaufte Videospiel mit über 70 Millionen Exemplaren. Vgl. die aktuelle Website der Guinness World Records unter folgender URL: http://www. guinnessworldrecords.com/records-1000/best-selling-video-game/ [18.09.2011].

544

Vgl. Malliet/De Meyer 2005. S. 34f.

545

„In contrast with Pac-Man, Mario was not an abstract disc, but an actual person with a family and a job. His appearance was inspired by cartoons in the japanese manga

240 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

zu beigetragen, die Firma Nintendo als weltweiten Marktführer der Videospielindustrie der 1980er und 1990er Jahre zu installieren. Die Figur Super Mario wird seitdem nicht nur als Sympathiefigur und Maskottchen der japanischen Firma eingesetzt, sondern avanciert in den 1980er und 1990er Jahren auch zu einer Ikone des Mediums per se. 1993 ist die Popularität und Bekanntheit so hoch, dass Super Mario Bros. als gleichnamiger Kinofilm (Budget $42 Mio.) remediatisiert wird.546 Diese Tatsache unterstreicht die enorme Bekanntheit der Mario-Figur und erklärt die Entdeckung ihrer Bildwürdigkeit durch Künstler, die sie z.B. als in Malerei umsetzen. Obwohl die vorliegende Arbeit von Kunstwerken handelt, die als Software, Prozesse auf Hardware auslösen (vgl. Kap. 2.1.2), soll im Folgenden in aller Kürze auf die Rezeption der Mario-Figur in anderen künstlerischen Gattungen eingegangen werden, um die Rolle der Figur als populär-kulturelle Ikone zu unterstreichen. Im Kunstkontext wird die Figur Mario schon in den 1990er Jahren rezipiert. Der luxemburgische Maler Michel Majerus nimmt Mario neben anderen Computerspielfiguren als Motiv ab 1996 auf.547 Der griechischstämmige Künstler Miltos Manetas untersucht die Bildwürdigkeit von Computerspielwelten und -charakteren und stellt sowohl Videos als auch großformatige Abzüge basierend auf Computerspielbildern her: Ein Video zeigt z.B. den schlafenden Mario; auf Vibracolor-Abzügen ist Mario abgebildet, der z.B. ein an der Wand hängendes Bild betrachtet.548

tradition, giving Mario a high cuteness factor that helped set Nintendo’s reputation as the video game equivalent of Disney” (ebd., S. 35). 546

Vgl. den Eintrag zu der Verfilmung von Super Mario Bros.in der IMDb unter folgender URL: http://www.imdb.com/title/tt0108255/ [21.09.2011].

547

„Super Mario erscheint im Verhältnis mit anderen Figuren in Majerus’ Bildreservoir geradezu respektabel. Nicht dass seine Popularität nicht auch zum forcierten Abverkauf von Krempel aller Art herhalten musste und muss. Aber im Vergleich mit den meisten anderen Pop-Ikonen, die Majerus zitiert, ist Mario eine eingeführte Größe, die nicht nur bei Kindern, sondern auch Erwachsenen ohne ComputerspielBackground einen gewissen Wiedererkennungs-Effekt auslösen [kann]“ (Baumgärtel 2005, S. 83).

548

Alle oben genannten Arbeiten basieren auf dem Spiel Super Mario 64 (1996) für die Nintendo-Konsole Nintendo 64. Wenn der Spieler einige Minuten keine Eingaben tätigt, wird automatisch eine Animation abgespielt, die zeigt, wie sich Mario hinlegt und einschläft. Diesen Prozess hat Manetas in dem Video Super Mario Sleeping (1997) festgehalten. Hier legt sich Mario unter einen Baum. Bei dem Video handelt es sich um eines der ersten Machinima im Kontext der Bildenden Kunst. Manetas dokumentiert so eine eigenständige intradiegetische Handlung des Apparates, die paradoxerweise gerade dadurch ausgelöst wird, dass der Spieler eine Handlung ver-

S UPER M ARIO C LOUDS : D AS C OMPUTERSPIEL IM S CHWEBEZUSTAND

| 241

Indem die Bildwelt und der sozio-kulturelle Hintergrund eines populären Mediums in Form eines Kunstwerks rekontextualisiert werden, zeigt auch Super Mario Clouds Bezüge zur Pop Art der 1960er Jahre. In Cory Arcangels Œuvre findet sich mit dem Werk I Shot Andy Warhol (2002) eine noch deutlichere Verbindung zur Pop Art und eine gleichzeitige Abgrenzung (Abb. 28). Die Arbeit stellt ebenfalls die Modifikation eines Nintendo-Spiels dar. Der Spieler ist angehalten, mit einer Lichtpistole auf grobpixelige Schießbudenfiguren zu zielen: Darunter befinden sich Darstellungen des Papstes, des bekannten Rappers Flavor Flav, des (fiktiven) Colonel Sanders, Maskottchen der Fastfood-Kette Kentucky Fried Chicken sowie des titelgebenden Andy Warhols, den es abzuschießen gilt.549 Das Spiel eröffnet direkte Bezüge zu dem Attentat auf Andy Warhol vom 03. Juni 1968 durch die radikale Frauenrechtlerin Valerie Solanas, die den Künstler lebensgefährlich mit einer

wehrt – eine Nichthandlung löst eine Handlung aus, was unüblich für das Medium des Computerspiels ist. Das Spiel befindet sich in einer Art Schwebezustand, es ist ein Spiel ohne Spieler. Dieser Zustand wurde von den Spieleentwicklern damit illustriert, dass sie die Spielfigur schlafen legen. Damit sind Fragen nach dem Verhältnis des Spielers zum Spiel, seiner Einbindung in den kybernetischen Regelkreis und grundsätzlich zu Interaktivität aufgeworfen. Vgl. Jansson 2010a, URL http:// www.gamescenes.org/2010/07/interview-miltos-manetas-the-first-machinimamaker. html [21.09.2011]. Miltos Manetas hat auch Vibracolor-Abzüge angefertigt. Ein Vibracolor-Abzug zeigt einen scheinbar bildbetrachtenden Mario, der ebenfalls aus dem Spiel Super Mario 64 stammt. In diesem Spiel betritt Mario die einzelnen Levels, indem er durch Bilderrahmen hindurch springt, die in einem frei begehbaren Schloß als Texturen an den Wänden angebracht sind. Das Motiv ist Teil der Serie After Video Games (1998), die unter der URL http://www.manetas. com/aftervideogames/ [21.09.2011] dokumentiert ist und noch viele andere Motive der ‚Computerspielfolklore‘ bietet (u.a. Doom und Tomb Raider). Auf der Website findet sich auch die Dokumentation der Performance Abstract SuperMario, die 1998 in der LUX Gallery in London stattgefunden haben soll. Manetas entwickelt darin Ansätze, die Bildwelten von Computerspielen zu abstrahieren. In der Performance, in der eine junge Frau das auf dreidimensionaler Grafik beruhende Spiel Super Mario 64 vor Publikum spielt, ist das Bild mit einem Mosaik-Effekt verfremdet und zeigt eine Ansammlung von vergrößerten Bildpunkten, was die Auflösung des Bildraums und Trübung der Transparenz zur Folge hat. Vgl. Bittanti/Quaranta 2006, S. 198-207. 549

I Shot Andy Warhol basiert auf dem Videospiel Hogan’s Alley (Nintendo, 1984). Das Besondere daran ist, das es mit einer Pistole aus Plastik (NES Zapper) gespielt wird, die auf den Bildschirm gerichtet wird (Abb. 28). Vgl. Cory Arcangels Website unter der

URL:

2011].

http://www.coryarcangel.com/things-i-made/ishotandywarhol/

[22.09.

242 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

Schusswaffe verletzte.550 Dieser aggressive Impetus lässt sich als Abgrenzung zur Pop-Art verstehen. Im selben Maße lässt sich I Shot Andy Warhol aber auch als Hommage an Warhol lesen, der – so wie Arcangel es auch praktiziert – „mit fremdem Bildmaterial und industriellen Reproduktionstechniken“ arbeitete.551

Abb. 28: I Shot Andy Warhol, (Cory Arcangel, 2002), Installation und Screenshot mit den Figuren Andy Warhol, Johannes Paul II. und Colonel Sanders, Maskottchen der Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken. 9.1.4

Verschlossene Technik: Proprietäre Software

Das Bildmaterial und die Technik findet Cory Arcangel in Form von Software für eine veraltete Videospielkonsole mit dem Namen Nintendo Entertainment System – kurz NES. Die 1984 auf den Markt gebrachte Konsole der Firma Nintendo war im technischen Sinne wenig innovativ – der ursprüngliche 8-Bit-Mikroprozessor 6502, auf dem das System basiert, kam in einer ersten Version schon 1975 auf den Markt.552 Es handelt sich bei dem NES um eine Spielkonsole, die im Wohnzimmer an den Fernseher angeschlossen werden kann. Super Mario Bros. steht für das Computerspieldispositiv ‚Wohnen‘ (vgl. Kap. 2.3.4.2). Als Speichermedium für die

550

Die Geschehnisse um das Attentat sind 1996 unter gleichem Titel von Mary Harron verfilmt worden. Vgl. den Eintrag zu dem Film I Shot Andy Warhol in der IMDb unter der URL: http://www.imdb.de/title/tt0116594/ [16.04.2012].

551

Gygax 2005, S. 120.

552

Der Prozessor des amerikanischen NES ist ein Ricoh 2A03 oder RP2A03 mit einen 6502-Kern (vgl. Covell 2008, URL: http://www.chrismcovell.com/NESTech FAQ.html).

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| 243

Software fungieren ROM-Chips in auswechselbaren Kassetten, die auch als Cartridges oder Module bezeichnet werden. ROM steht für Read-Only Memory, also einen Festwertspeicher, von dem Daten nur gelesen werden können. Das Schreiben von Daten auf einen solchen Speicher, wie etwa auf eine Festplatte oder den Magnetspeicher einer Diskette, ist nicht möglich. Die Arbeit Super Mario Clouds umgeht diese Beschränkung durch die Technik des ROM-Hacking. Diese technische Einflussnahme, die im Folgenden näher beschrieben wird, stellt einen unautorisierten Eingriff in die Strukturen der Software dar. Die Herstellung kompatibler Module lag ausschließlich in der Verantwortung der Firma Nintendo und fand unter ihrer strengen Kontrolle statt. Um Spiele für das NES zu entwickeln und an dem Geschäft mit der Konsole teil zu haben, war es notwendig, eine Lizenz von Nintendo zu erwerben.553 Bei Spielen für das NES handelt es sich demnach um streng reglementierte, proprietäre Software, die in der Plastikhülle des Moduls versiegelt ist. Das Öffnen des Moduls ist untersagt und die Software darf durch Dritte weder kopiert noch in irgendeiner Weise verändert werden. Das buchstäbliche Verschließen des Codes und das Versperren des Zugriffs von außen hängt mit der Kommerzialisierung des Computerspiels in den frühen 1970er Jahren zusammen.554 Bei Super Mario Clouds handelt es sich um ein Aufbrechen und eine Öffnung dieser Versiegelung.

9.2 H ERVORKEHRUNG DES H INTERGRUNDES UND K ULTIVIERUNG DER L EERSTELLE : D IE N EGATION S UPER M ARIO C LOUDS Super Mario Clouds basiert auf der Technik des ROM-Hacking, die Arcangel für verschiedene Kunstwerke verwendet hat. Damit ist dezidiert die Modifikation von Konsolenspielen gemeint, die als ROMs vorliegen. ROMs sind Festwertspeicher, auf die Daten nur geschrieben werden können. Super Mario Clouds ist durch einen solchen Eingriff entstanden und steht damit im Gegensatz zu Modifikationen von PC-Spielen wie Doom oder Quake, deren Veränderung, Umprogrammierung und

553

Zu Nintendos Lizensierungspraxis vgl. Sheff 1993.

554

„Der Computer im Wohnzimmer, den die PC-Utopisten erhofften, stand eigentlich schon da. PONG & Co. verschließen (nach anfänglichen Basteleien) ihre Geräte zu black boxes im besten Sinne: Computerspiele werden in den 70ern produktförmig, werden eingeschweißt in kleine Kisten und eingegossen in buntes Plastik, so daß es an ihnen nichts mehr zu basteln und nichts mehr zu verstehen gibt außer den (von Anfang an gut geschützten) neuesten Spielen“ (Pias 2005a, S. 238f.).

244 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

Erweiterung von den Urhebern sogar intendiert ist und einen Teil des Geschäftsmodells darstellt (vgl. Kap. 2.3.1 sowie Kap. 7.1), das durch die aktive Einbindung der Community im Internet die Lebensdauer des Produkts zu erhöhen vermag. Arcangel arbeitet seit 2002 mit Videospielen für Konsolen und hat verschiedene Modifikationen erstellt, die auf dieser Technik basieren. Dazu gehören z.B. die Arbeiten Super Mario Clouds (2002), I Shot Andy Warhol (2002), F1 Racer Mod (alternativer Titel: Japanese Driving Game. 2004) und Super Mario Movie (2005). Bevor in der vorliegenden Arbeit die konkrete Durchführung der Modifikation beschrieben wird, ist eine Betrachtung des Kontextes angebracht, in dem ROM-Hacking praktiziert wird. 9.2.1 Aufbrechen verschlossener Strukturen: Die Technik des ROM-Hacking Es entsteht auch nach 2010 noch neue Software für das NES, obwohl es sich eigentlich um ein veraltetes System handelt, das längst vom Computerspielemarkt verschwunden ist. Eine Szene hochspezialisierter Hobbyisten produziert noch immer autodidaktisch Spiele, Demos, Übersetzungen fremdsprachiger Spiele etc. Es entstehen auch weiterhin neue Levels für alte Spiele oder Farben und Figuren werden ausgetauscht und die audiovisuelle Oberfläche vorgefundener Spiele damit verändert. Die veraltete Technik wird auf diese Weise erkundet und ihre Möglichkeiten ausgelotet. Die Produkte der Communities werden als so genannte ROM-Dateien im Internet angeboten und getauscht.555 Die Technik des ROM-Hacking ist von den Urhebern der modifizierten Spiele – hier: Nintendo – nicht autorisiert, sondern ausdrücklich untersagt. Dennoch haben sich Communities engagierter Bastler und Amateure entwickelt, die in die versiegelten Spiele eingreifen, sie umprogrammieren und umgestalten.556 Diese freien Entwicklerszenen, in denen das Programmieren für das NES oder andere Konsolen und das Modifizieren von Spielen als Hobby betrieben wird, sind gezwungen, steti-

555

Einen

guten

Einblick

in

die

Szene

bietet

die

Website

samt

Forum

http://nesdev.parodius.com/, auf der auch praktische, technische Fragen zum (lizenzrechtlich untersagten) Eingriff in proprietäre Nintendo-Software beantwortet werden. Vgl. http://nesdev.parodius.com/ [17.09.2011]. 556

Vgl. zur Orientierung und für einen Einblick ein ROM-Hacking-Wiki unter der URL: http://magicstone.de/rhwiki/article/Hauptseite [19.04.2012]. Weitere Informationen bietet ein FAQ zu dem Thema unter der URL: http://magicstone.de/rhw/ index.php?pn=faq [19.04.2012].

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| 245

ge Lizenz- und Urheberrechstverletzungen zu begehen und demnach rechtlich illegal zu handeln.557 Diesen Gruppen hat sich Arcangel zugewandt, und sich ihr technisches Wissen für den Kunstkontext angeeignet.558 Cory Arcangel bezeichnet diese Hobbyprogrammierer als die „true heroes of contemporary computer art“559 und stellt gleichzeitig klar, dass er selbst kein Programmierer ist.560 Arcangel positioniert sich in der Nähe der Hobbyszenen, verhält sich aber gleichzeitig als Außenstehender. Er eignet sich also nicht nur das Bildmaterial und die Reproduktionstechnik der Firma Nintendo an, sondern darüber hinaus auch die Technik der Communities, mit diesen Fertigteilen als künstlerisches Material umzugehen (so eignet sich Arcangel auch Spezialwissen über die Technik an). Indem Arcangel aber klarmacht, dass er im Gegensatz zu den Hobbyisten, in deren Nähe er sich verortet, kein Programmierer ist, der kompetent mit diesem Material umzugehen weiß, gebärdet er sich auch als Dilettant außerhalb der spezialisierten Szene. Dieses Kokettieren mit Subkulturen und Ausdrucksformen, die mit dem Ausdruck low gekennzeichnet werden können, ist ein wesentlicher Ansatzpunkt in Arcangels Gesamtwerk.561 Seine Arbeiten versieht der Künstler stets mit einem Hinweis auf die Gruppe BEIGE, das als eine Art Plattenlabel aber auch als Programmiererkollektiv fungiert.562 Während sich die Bastler der Hobbyprogrammierer-Szene oft mit der Modifikation von ROM-Dateien – also digitalen Kopien von Chips aus Spielmodulen – begnügen, geht Arcangels ROM-Hacking darüber hinaus, da auch auf physischer

557

Vgl. das Dokument zu lizenz- und urheberrechtlichen Fragen auf der NintendoWebsite mit dem Titel Legal Information (Copyrights, Emulators, ROMs, etc.). URL: http://www.nintendo.com/corp/legal.jsp#independent [17.09.2011].

558

Folgende Aussage unterstreicht Cory Arcangels Hinwendung zu spezialisierten Hobbyszenen:„I learned to program in assembly language looking at examples of code posted by Chris Covell, and as with a lot of this 8-bit work, information comes mostly from a hobby scene“ (Arcangel 2005, S. 107).

559

Ebd.

560

„I would like to take this opportunity to state that I am not really a programmer“ (ebd.).

561

Vgl. Gygax 2005.

562

Das ‚Label‘ BEIGE ist von Paul B. Davis, Cory Arcangel, Joseph Beuckmann und Joe Bonn gegründet worden. Produkte von BEIGE sind experimentelle Internetprojekte, Computerspielmodifkationen, Videos aber auch elektronische Musik. Die Schallplatte The 8-Bit-Construction Set (2000) besteht aus Samples von 8-BitComputern und Spielkonsolen (vgl. ebd., S. 117). Die Gruppe „organisiert[e] einen alljährlichen Wettbewerb für ‚Cassetten-Diskjockeys‘“ (Baumgärtel 2003a 2003, S. 47).

246 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

Ebene die Hardware – nämlich das Spielmodul – in die Modifikation eingebunden ist. Super Mario Clouds basiert nicht nur auf der Software von Super Mario Bros., sondern in demselben Maße auf der Tatsache, dass sich die Software auf einem Chip in einem Steckmodul befindet (Abb. 29). Damit reiht sich das Kunstwerk in eine Tradition der Modifikation von elektronischen Geräten ein, die seit den 1960er Jahren vor allem im musikalischen Bereich als Circuit bending bekannt ist und damit erneut die Nähe zu Bastlern und Hobbyisten unterstreicht.563 Gleichzeitig sind Ähnlichkeiten zu Eingriffen in das Material des Apparates – z.B. bei Nam June Paiks frühen TV-Arbeiten (Zen for TV, 1963; Magnet TV, 1965) – offenkundig. Das von Arcangel modifizierte Spielmodul ist als Objekt zu verstehen, dem eine wichtige Rolle im Gesamtkonzept des Kunstwerks zukommt. Die Veränderung des Originalspiels besteht demnach in einer Kombination aus Hardware- und SoftwareModifikation.

Abb. 29: Modifiziertes NES-Steckmodul: An der Vorderseite sieht man die Öffnung der Plastikhülle und den ersetzten PRG Chip. Das Modul ist mit Paketband beklebt und mit Kugelschreiber bewusst nachlässig beschriftet. Der neue Titel Super Mario Clouds ist diagonal über den Originaltitel geklebt, durchkreuzt und ersetzt die Namensgebung. Der Originaltitel Super Mario Bros. ist bedingt durch die leichte Transparenz des Paketbandes noch lesbar und scheint als Spur hindurch.

563

Vgl. Ghazala 2005.

S UPER M ARIO C LOUDS : D AS C OMPUTERSPIEL IM S CHWEBEZUSTAND

| 247

Arcangels ROM-Hacking-Arbeiten können in die Nähe des Hacktivismus und des situationistischen Détournements gerückt werden. Zum einen eignen sie sich – in Form von Piraterie – illegal Materialien an. Damit lenken sie den Blick auf die von der Computerspielindustrie vertretene Trennung von proprietärer/freier Software sowie von User/Programmierer und dem damit zusammenhängenden restriktiven Umgang von Technik und Wissen über dieselbe. Zum anderen stellt Super Mario Clouds die Rekontextualisierung und die damit eingeleitete Transformation eines kommerziellen Produkts in ein kritisch-reflexives Kunstwerk dar.564 Aus dem Videospiel Super Mario Bros. wird durch die Zweckentfremdung und Umnutzung das Kunstwerk Super Mario Clouds. In einer Anleitung erklärt Cory Acangel detailliert, wie er den Hack der Nintendo-Cartridge durchgeführt hat und gibt so das von ihm angeeignete Wissen durch Veröffentlichung weiter.565 Die Arbeit wird in die Nähe der Konzeptkunst gerückt, indem Arcangel ausführlich und Schritt für Schritt den Herstellungsprozess des Werkes erklärt und eine Anleitung öffentlich zur Verfügung stellt. Dies evoziert nicht nur Fragen nach dem Status von Original, Kopie sowie Autorschaft im Kontext digital basierter und digital distribuierter Kunst sondern zeigt auch deutlich die Nähe Arcangels zu den DIY- und Open-Source-Bewegungen, der Hobby- und

564

„Die Transformation eines kommerziellen Produkts der digitalen Medien in ein kritisch-reflexives Kunstwerk ist eine beliebte Form des Détournement im Kontext des Hacktivism (aus ‚Hacking‘ und ‚Activism‘) und des Artivism (aus ‚Art‘ und ‚Activism‘) in und außerhalb der digitalen Medien“ (Simanowski 2008, S. 87).

565

Vgl. Arcangel 2005. Der von Arcangel verfasste Text nimmt direkten Bezug auf einen 2002 erstmals im WWW veröffentlichten Anleitungstext zur Herstellung der Super Mario Clouds (vgl. die Website des Künstlers unter der URL: http://www.cory arcangel.com/things-i-made/supermarioclouds/ [13.01.2011]). Es existiert auch eine Anleitung in Form eines Videos, das die einzelnen Schritte en detail dokumentiert. Das 74-minütige Video von 2004 ist auf der Website von Electronic Arts Intermix käuflich zu erwerben oder auszuleihen und wie folgt beschrieben: „In the first part of this work, Arcangel silently documents the real-time construction of his video game cartridge piece, Super Mario Clouds, in which he hacked a ‚Mario Brothers‘ cartridge, erasing everything but the blue sky and clouds. The Making of..., which Arcangel calls ‚a documentary on making a cartridge,‘ records the artist in his apartment, making the cartridge for the 2004 Whitney Biennial, where Super Mario Clouds was exhibited. While The Making of Super Mario Clouds poses as an instructional video, willfully amateur camerawork and the omission of any soundtrack indicate the artist’s intentions: to give viewers, in his words, ‚a feel for the process, in its gloriously boring true detail.‘ The second part is a 9-minute video re-scan of the clouds“ (URL: http://www.eai.org/title.htm?id=8784 [22.09.2011]).

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Liebhaberszene und den Amateuren und Freizeitanwendern.566 Er gebärdet sich selbst als bastelnder, tüftelnder Amateur567 und zeigt sich der Szene zugehörig, indem er angibt, dass er sich Code von einem Hobbyprogrammier und NESLiebhaber namens Chris Covell ‚geliehen‘ hat, Covell als „NES genius“ lobt und ihn so indirekt als Mitautor des Werks kennzeichnet.568 Arcangel gibt die Autorschaft seiner Arbeit ab, indem er den Herstellungsprozess minutiös erklärt und auch den Quellcode veröffentlicht: „people of course were free to use these directions to make their own Super Mario Clouds“569. Die Anleitung schließt mit der Aufforderung zur Titelei und Signatur: „Don’t forget to label it!“ 570 . In einem NES-Modul befinden sich zwei ROM-Chips: Bei dem einen handelt es sich um den CHR (Character) Chip, der die Grafik des Spiels enthält. Der andere Chip ist der PRG (Program) Chip, auf dem das Programm gespeichert ist und bedingt, wann und in welcher Weise die grafischen Elemente (hier: die Wolken) des CHR Chips im Bild auf dem Fernsehbildschirm erscheinen. Die charakteristischen Wolkenformationen der Super Mario Clouds entstehen dadurch, dass der PRG Chip, der den Code enthält, entnommen worden und durch einen neuen Chip ersetzt worden ist. Arcangel hat ein neues Programm in Assemblersprache geschrieben, dieses Programm mittels eines speziellem EEPROM-Brenners auf einen leeren Chip gebrannt und diesen neuen, modifizierten Chip wieder in das Modul eingesetzt. Dazu öffnet Arcangel das NES-Modul, indem er die Plastikhülle an der Vorderseite z.B. mit einer Bohrmaschine aufbricht und sich so mit Gewalt Zugang verschafft. Dieses modifizierte Modul wird nun in ein handelsübliches, unmodifiziertes NES eingelegt. Das Programm auf dem ersetzten PRG Chip sorgt dafür, dass der CHR Chip nicht das interaktive Bild der Super Mario Bros. sondern die Super Ma-

566

Vgl. insbesondere zu DIY als Überblick die Dokumentation der Ausstellung Do it yourself: die Mitmach-Revolution im Museum für Kommunikation Frankfurt (25.8.2011 bis 26.2.2012) sowie im Museum für Kommunikation Berlin (30.3.2012 bis 2.9.2012) (vgl. Hornung 2011).

567

Vgl. zur Rolle des Amateurs im Hinblick auf die Mitgestaltung von digitalen Medien: Simanowski 2008, S. 75-100; Beil et al. 2009.

568

„This code is from a Canadian NES genius named Chris Covell, who apparently got it from Duck Hunt. Awesome. I learned to program in assembly language looking at examples of code posted by Chris Covell, and as with a lot of this 8-bit work, information comes mostly from a hobby scene“ (Arcangel 2005, S. 107).

569

Arcangel 2005, S. 105.

570

Ebd., S. 115.

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rio Clouds darstellt.571 Das Gameplay ist verschwunden und nur ein Bild davon geblieben: Super Mario Clouds kann man nur betrachten. Die gesamte Hardware des NES – die Verbindung von Modul, Konsole und Bildschirm bzw. Projektion – funktioniert in technischer Hinsicht wie vorgesehen, indem die Software auf dem Chip durch Rechenprozesse ein Bild zur Anschauung bringt: „Therefore, since I do not touch the graphics from the original cartridge, the clouds you see are the actual factory soldered clouds that come on the Mario cartridge. There is no generation loss, and no ‚copying‘, because I did not even have to make a copy.“572 Bei den Wolken handelt es sich gewissermaßen um ‚vorgefundene‘ Strukturen. Die Subtilität des Eingriffs und der damit verbundenen Störung besteht in der Zweckentfremdung. Der Apparat stellt etwas dar, was nicht der kommerziellen Intention entspricht. So wird ein Bild gezeigt, dass der Rezipient nicht mehr zum Zwecke des Spiels manipulieren kann, sondern ein transformiertes Computerspielbild als Kunstwerk zu zeigen, dessen Interaktivität verschwunden ist. Das Computerspielbild ist aber immer noch ein Bild, das auf Prozessen beruht, die in Verbindung von Software und Hardware stattfinden. Der Rezipient hat darauf allerdings keinen Einfluss mehr. 9.2.2 Bezüge zu gelöschten und monochromen Bildern Super Mario Clouds zeigt ein Bild, auf dem alle vordergründigen, funktionalen Bildelemente sowie Teile des Hintergrundes (Topografie und Vegetation) verschwunden sind.573 Der eigentlich als transparent gekennzeichnete Hintergrund des Spiels rückt opak in den Vordergrund und avanciert zum eigentlichen Bildinhalt, der passiv rezipiert – nur betrachtet – wird. Super Mario Clouds ist eine Negation des Ausgangsmaterials – ein unspielbares Spiel. Alle Spielregeln sind unwirksam. Gleichzeitig wird die ikonische Differenz von Detail und Ganzem adressiert, da der Blick auf die untergeordnete Einzelheit der aus Pixeln konstruierten Wolke gelenkt wird, der im normativen Spielvollzug wenig Beachtung geschenkt wird (vgl. Kap. 6.2.2). Das Bild wird in einem stetigen Prozess immer wieder berechnet. Es ist im-

571

Zur technischen Durchführung und zu den Ansatzpunkten der Modifikation vgl. Franklin 2009 (URL: http://www.ctheory.net/articles.aspx?id=609 [22.09.2011]) sowie Cory Arcangels ausführliche Anleitung Arcangel 2005.

572

Ebd., S. 109.

573

Es finden sich etliche Beispiele in der Kunstgeschichte, die das Löschen des Bildes als künstlerische Strategie einsetzen. Eine ausführliche Sammlung dieser Werke findet sich bei Debuysere 2008, URL: http://www.diagonalthoughts.com/?p=445 [22.09.2011].

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mer noch ein Bild, das von der Hardware des NES bewegt wird – ein Teil der visuellen Oberfläche des Spiels ist also noch vorhanden. Die Wolken verbleiben als Motiv und Bildinhalt und bilden eine Spur, die an das Ursprungsbild erinnert. Die Strategie der visuellen Substraktion hat dazu geführt, dass das Kunstwerk mit Robert Rauschenbergs Erased de Kooning Drawing (1953)574 verglichen worden ist.575 In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass die Gattungen bzw. Medien Zeichnung und Videospiel gewiss nicht vergleichbar sind. Eine Gemeinsamkeit zwischen Super Mario Clouds und Rauschenbergs Werk besteht lediglich in einer ähnlichen künstlerischen Strategie, den Bildinhalt des Ausgangsmaterials nahezu zum Verschwinden zu bringen. Diese Geste des Löschens bringt rezeptionsästhetische Leerstellen und eine „Ästhetik der Absenz“ hervor, indem die Abwesenheit eines Kunstwerks thematisiert wird.576 Wie bei Rauschenberg entsteht bei den Super Mario Clouds ein neues Bild aus einem alten, indem das alte Bild in einer ikonoklastischen Geste negiert wird. Spielt sich Rauschenbergs Erased de Kooning Drawing (1953) stets im System der Kunst und in der Gattung der Zeichnung ab, kommen bei Arcangel weitere Aspekte der Transformation hinzu. Ein Bild aus einem Videospiel – aus dem Kontext der Unterhaltungsindustrie – wird in den Kunstkontext überführt und ein Kunstwerk entsteht. Das Originalbild ist zudem interaktiv und erfüllt den Zweck des aktiven Spiels. Die Abwendung von der Interaktivität führt zudem dazu, dass das Medium des Computerspiels radikal in Frage gestellt wird, indem das Spiel vordergründig aufhört, ein Spiel zu sein. Das gesamte Regelwerk wird negiert. In Super Mario Clouds ist Bildinhalt in Form der Wolken übrig geblieben. Das Kunstwerk macht so ein spezifisches Rezeptionsangebot, indem die BetrachterInnen „zu Komplizen, als Kenner eines anwesend-abwesenden ‚Bildes im Kopf‘“ werden:577 Das Wiedererkennen des Originals durch das Erkennen der Spur ist in der Rezeption ein wesentlicher Aspekt. Obwohl Arcangel angibt, sich der veralteten Technik nicht aus nostalgischen Gefühlen und/oder (eigenen) Kindheitserinnerun-

574

Der junge Künstler Robert Rauschenberg radierte eine Zeichnung des damals künstlerisch etablierten Willem de Kooning in einem aufwändigen Prozess aus. Das aus einem alten Werk neu entstandene quasi-monochrome Bild stellt sowohl eine Hommage an de Kooning als auch eine Überwindung der amerikanischen Künstlergeneration des Abstrakten Expressionismus durch eine neue Avantgarde dar (vgl. Stevens/Swan 2006, S. 358ff.). Vgl. zudem Schröter 2004 sowie die Website des SF MoMA

zu

dem

Werk

unter

multimedia/videos/24# [22.09.2011]. 575

Vgl. Tribe/Grosenick 2006, S. 28.

576

Lehmann 2002, S. 36.

577

Ebd., S. 38

der

URL:

http://www.sfmoma.org/explore/

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| 251

gen zugewandt zu haben578 , sondern eher aus Gründen der praktischen Handhabbarkeit und Obsoleszenz, kann Super Mario Clouds bei Betrachtern, die mit dem Originalspiel vertraut sind, eine spezifische Form von Mediennostalgie hervorrufen.579 Indem die Herkunft der Wolken erkannt wird, erinnert man sich an das Spielen mit Mario. Mit dem Original vertraute Personen können die fehlenden Elemente auf die leere Fläche imaginieren und lenken die Spielfigur im Geiste durch einen Parcours, der als mentales Bild erscheinen mag.580 In der Betrachtung kann das Bild der Wolken zu einem Spiel mit dem Bild animiert werden, was den intermedialen Bruch zwischen nicht-interaktivem Bild und interaktivem Computerspielbild adressiert. Rezeptionsästhetisch eröffnet Super Mario Clouds eine Leerstelle, die durch die Imagination des Betrachters gefüllt wird.581 Das Blau des Hintergrunds wird wortwörtlich zur Projektionsfläche; denn im Falle einer großformatigen Projektion ist zu beobachten, dass sich auf dem Blau der Leinwand die Schatten der Betrachter niederwerfen und so zum Teil des Bildes werden (Abb. 30). Dies wiederum weckt Assoziationen zu Robert Rauschenbergs White Paintings (1951), die als „‚Landebahnen‘“ für Schatten beschrieben worden sind.582

578

„‚I like these systems not cause of nostalgia, but because they are cheap and easy to work‘“ (Quaranta 2006, S. 51).

579

„Mediennostalgie im Bereich der Videospiele kann somit etwa als Verlangen und Wiederholen des ersten Moments des Spielens von Games aus den späten Siebzigern bzw. frühen Achtzigern verstanden werden und somit eine Sehnsucht nach dem speziellen audiovisuellen Stil der frühen achtziger Jahre, des ‚goldenen Zeitalters‘ und der Videospiel-Ikonen, wie etwa Pacman [sic!] (Midway Games 1980), Donkey Kong (Nintendo 1981) und ähnlichem. Hier wird das nostalgische Sehnen zu einem Teil des Mainstreams der Populärkultur, der beständig schon vorhandene Elemente aufgreift und neu kombiniert. Allerdings ist der Stil der achtziger Jahre nur eine mögliche Facette innerhalb des Feldes der Gaming Nostalgia. Je nach dem, zu welchem Zeitpunkt ein Nutzer mit einem spezifischen System, also einer Kombination aus Hardware und Software in Kontakt kam, ergibt sich eine andere Prägung. Daher ist Retrogaming auch recht schwer auf eine Epoche festzulegen. Mit dem Ausdruck kann sowohl die Auseinandersetzung mit Spielhallen-Automaten der späten Siebziger, Heimcomputer-Systemen von Commodore, Atari und anderen aus den Achtzigern oder Spiele-Konsolen von Nintendo, Sony und Sega aus den frühen Neunzigern gemeint sein“ (Felzmann 2010, S. 204).

580

Vgl. Baumgärtel 2003a, S. 47.

581

Vgl. Kemp 2008, S. 254f. Vgl. auch Huber 2000.

582

„Ebenso, wie die Komposition 4’33’’ die ästhetische Erwartung unterläuft und untererfüllt und auf diese Weise die ästhetische Aufmerksamkeit der wartenden Zuhörer auf die realen kleinen Geräusche im und außerhalb des Konzertsaals lenkt, waren die

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Abb. 30: Super Mario Clouds als Installation. Die Schatten der Betrachter werden in der großformatigen Projektion zum Teil des Bildes. Über Rauschenbergs White Paintings (1951) heißt es auch, die weißen Leinwände seien keine Kunstobjekte aus sich selbst heraus, sondern vielmehr passive Rezeptoren, die ihre – durch ein Publikum in der Betrachtung initiierte – Verwandlung in Kunst erwarten. Kunst findet also nicht im Bild direkt auf der Leinwand statt, sondern vielmehr außerhalb des Bildes im Kontext der Ausstellung sowie im Akt der Rezeption.583 Der Betrachter erfährt eine erhebliche Aufwertung im Falle ‚entleer-

‚White Paintings‘ völlig neutrale, farblose, wandartige Tafeln, deren Leere den Blick auf die realen und kontingenten situativen optischen Ereignisse auf der Fläche lenkt. ‚Analog dazu sah Cage die White Painting als ‚Landebahnen‘ für Staubflocken, Licht und Schatten‘“ (Meinhardt 1997, S. 117). 583

Tim Barker vergleicht Medienkunst, die einer Ästhetik der Störung folgt, (z.B. JODIs 404.org oder auch Iman Moradis Glitchbrowser) mit Rauschenbergs White Paintings. Dabei bezieht er sich auf David Hopkins’ After Modern Art: „Also we can see simililarities between the art of the error and Rauschenberg’s White Paintings (1951). These large rectangular white canvases, following Hopkins, are ‚passive receptors, awaiting events rather than prescribing sensations.‘ The canvases exist not as art objects in themselves, but await an audience to initiate their transformation into art. The works exist as empty spaces that are to be filled by the audience and all those peripheral events that occur around them. Art is not inside the White Paintings, but ra-

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ter‘ Bilder; so auch im Falle der Super Mario Clouds. Über den Akt der Rezeption bezogen auf Kasimir Malewitschs Weißes Quadrat (1917/18) heißt es dazu etwa bei Ulrike Gehring: „Der Vorgang der Bildrezeption wird damit zum konstitutiven Bestandteil des Kunstwerks, obwohl dieses fast nichts als weiße Farbe zeigt. An die Stelle der Bildinterpretation tritt das Bilderleben.“584 9.2.3 Apparative Bedingtheit: Super Mario Clouds als technisches und obsoletes Bild Das Kunstwerk Super Mario Clouds stellt ein Computerprogramm dar, das das Motiv der atmosphärisch flüchtigen Wolke – eines sich stets verändernden, ephemeren Phänomens, das nur durch genaue Naturbeobachtung fassbar wird und sich doch stets entzieht – in immer gleich bleibender Form aus ein paar Zeilen Assemby-Code berechnet.585 Dabei ist das Motiv an einem rigiden Raster aus Pixeln ausgerichtet. Das NES hat im amerikanischen Raum mit dem Fernsehstandard NTSC eine Auflösung von 256×224 sichtbaren Pixeln und kann gleichzeitig 16 von insgesamt 52 verfügbaren Farben darstellen.586 Eine einzelne Wolke besteht aus 32x24 Bildpunk-

ther outside them“ (Barker 2010, S. 49f., David Hopkins zitiert nach Hopkins 2000, S. 42). 584

Gehring 2006, S. 60.

585

„So können die Wolken auch als ironischer Kommentar auf die klassische Wolkenmalerei betrachtet werden, die aus der Perspektive der kunsthistorischen Forschung als Experimentierraum für die abstrakte Malerei angesehen werden. Gleichzeitig sind die Wolken auch das vollendet abstrakte Gebilde – eine einzige Aneinanderreihung von Codereihen“ (Gygax 2005, S. 118). Über den Abstraktionsgrad von in Assembly geschriebenem Code bemerkt Seb Franklin: „What is crucial about assembly languages, compared to more common programming languages, is that they consist of sets of mnemonics that correspond directly to the binary variations of 1’s and 0’s that the system hardware reads as voltage differences“ (Franklin 2009, URL: http://www. ctheory.net/articles.aspx?ip=609 [22.09.2011]). Arcangel selbst äußert sich über die Faszination von Assembly in ähnlicher Weise: „Assembly language is the lowest somenone can program. It is one step away from the ones and zeros. I tend to prefer assembly because it gives me control over the machine and assures me that aesthetic choices are based on the hardware of the machine and not, say, some dupe at Macromedia“ (Arcangel 2005, S. 107).

586

Vgl. Covell 2008, URL: http://www.chrismcovell.com/NESTechFAQ.html [08.09. 2011].

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ten und drei Farben (weiß, schwarz, blau).587 Die zufällige Gestalt des Himmelskörpers ist einem uniformen Muster gewichen, das durch einen heute veralteten Algorithmus erzeugt wird. Die Super Mario Clouds ziehen dabei nicht am Betrachter vorbei und verändern zufällig ihre Form – wie es Wolken in der Natur gewöhnlich tun – sondern ‚stottern‘ sprunghaft diskret von rechts nach links über den kräftig hellblauen Hintergrund. Vergleicht man verschiedene Abbildungen und Versionen sowohl von Super Mario Bros. als auch von Super Mario Clouds. ist festzustellen, dass die Blautöne des Spiels und der Modifikation stets variieren. Dies hat verschiedene Gründe. Das NES ist dafür konzipiert an einen herkömmlichen Röhrenfernseher angeschlossen zu werden. Unterschiedliche Fernsehgeräte stellen Farben unterschiedlich dar. Auch die unterschiedlichen analogen Fernsehnormen NTSC und PAL bedingen eine in Nuancen unterschiedliche Darstellung. Dazu kommt, dass es weitere Versionen der Super Mario Clouds gibt, die das Bild der Wolken nicht über ein NES visualisieren, sondern die ursprüngliche Darstellung der Spielkonsole teilweise zu Dokumentationszwecken nachahmen. Dazu gehören eine animierte Gif-Datei, ein digitales Video sowie eine ausführbare ROM-Datei für NES-Emulatoren, die die Arbeit auf einem Heimcomputer nachahmt und darstellt (Abb. 31).

Abb. 31: Variationen des Blautons: Gif-Datei, Screenshot des Videos sowie Screenshot der emulierten ROM-Datei im Vergleich Arcangel selbst attestiert beispielsweise der im Internet weit verbreiteten Gif-Datei „a different background color“ (Abb. 31).588 Ein weiterer Faktor, der zur Verwir-

587

Bezogen auf die Farbpalette des NES handelt es sich konkret um die Farben: $0d (black), $30 (white), $11 (highlight blue) sowie $21 (powder blue) für den Hintergrund (vgl. Arcangel 2005, S. 108f.).

588

Auf seiner Website schreibt Arcangel zu dem Gif: „When I originally posted this on the Internet in 02, the web wasn’t actually able to contain video (it sounds funny now, but remember youtube didn’t start making waves till like 05ish??), therefore I made a gif of the video. Of the gazillion bootlegs of this project, most are from this

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rung hinsichtlich der Verwendung des Blautons beiträgt ist, dass Arcangel die Technik des modifizierenden Eingriffs in das Modul aus der Hobby-Szene erlernt hat und sich am Hobby-Programmierer Chris Covell orientiert hat. In den Communities ist man sich gänzlich uneins über die Originalfarben des NES und die zur Verfügung stehende Palette.589 Cory Arcangel hat auf der Ebene des Assembly Codes für den Hintergrund die Farbe „$21 (powder blue)“ und für die Schattierung der Wolken den Blauton „$11 (highlight blue)“ verwendet wie aus der Dokumentation der Arbeit hervorgeht.590 Eine im Internet kursierende ROM-Datei des Originalspiels Super Mario Bros. vermittelt aber den Eindruck, es handele sich bei der Farbe des Hintergrunds eher um $22 der NES-Palette und nicht die verwendete $21 (Vgl. Abb. 27 und Abb. 32). Dies würde bedeuten, dass Arcangel für den Hintergrund der Wolken einen anderen Blauton gewählt haben könnte, als ursprünglich in Super Mario Bros. zu sehen ist.

Abb. 32: Mögliche Blautöne der NES-Palette. Super Mario Clouds verwendet den Farbton 21, während es gut möglich ist, dass für den Hintergrund des Originalspiels den Blauton 22 verwendet wird. Dies würde bedeuten, Cory Arcangel hätte den Hintergrund verändert (vgl. Abb. 27).

gif, which has a reduced frame rate, and a different background color“ (Cory Arcangels Website. URL: http://www.coryarcangel.com/things-i-made/supermarioclouds/ [20.09.2011]). 589

Ein User namens Carnivac bemerkt im Forum der Website http://nesdev. parodius.com im Thread mit dem Thema „NES Palette(s)“ Folgendes: „There seem to be so many different palettes out there claiming to be what the NES uses. I know it’s supposedly impossible to say what the ‚true‘ colors are [...]“ Ferner heißt es: „You won’t find a definitive NES palette [...].“ Der Thread findet sich unter der URL: http://nesdev.parodius.com/bbs/viewtopic.php?t=8121 [20.09.2011].

590

Arcangel 2005, S. 109.

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Die Art der Darstellung der Wolken vor diesem Hintergrund ist durch die technischen Voraussetzungen des Apparates mit seiner spezifischen Auflösung und durch den Code des Programms bedingt. Der Nintendo-Apparat, der die Wolken zur Anschauung bringt, vermag diese nicht anders zu visualisieren. So lenken die Super Mario Clouds den Blick auf die apparative Bedingtheit digitaler Bilder im Allgemeinen und das Konstruktionsprinzip durch Bildpunkte im Besonderen. Der Grafiker der die Form der Cloud ursprünglich erfunden hat591, verstand es, die wesentlichen Charakteristika einer Cumulus-Wolke mit ihrer in der Horizontalen verlaufenden Basis und den sich darauf auftürmenden Anhäufungen, auf überzeugende Weise aus wenigen Bildpunkten – wie ein Mosaik – abzubilden und so das Icon einer Wolke zu schaffen.592 In diesem Zusammenhang ist es interessant, auf den Umstand hinzuweisen, dass die im Originalspiel Super Mario Bros. am unteren Bildrand auftauchenden ‚buschig‘ wirkenden Gewächse die gleiche Form wie die oberen zwei Drittel der Wolken aufweisen. Sie unterscheiden sich nur durch eine andere, grüne Farbgebung (Abb. 33). Es handelt sich sowohl bei den Wolken als auch bei der Vegetation um wiederkehrende Bildelemente, die wie Icons fungieren. Die Form kann dabei arbiträr für verschiedene Naturformen eingesetzt werden. So haben die Urheber von Super Ma-

591

Wer genau die spezifische Form der Wolke gestaltet hat, ist nicht bekannt. Wie aus einem Interview mit den Entwicklern hervorgeht, haben Shigeru Miyamoto und Takashi Tezuka die Level gemeinsam gezeichnet: „Iwata: Wer hat denn die Level entworfen? Miyamoto: Mr. Tezuka und ich. Tezuka: Das haben wir gemeinsam gemacht. Miyamoto: Außer uns beiden hat niemand daran mitgezeichnet“ (Iwata 2010b, URL: http://www.nintendo.de/NOE/de_DE/news/iwata/super_mario_bros_25 _jahrestag_19226_31910.html [18.09.2011]). Insgesamt waren sechs Personen direkt an der Entwicklung von Super Mario Bros. beteiligt: Shigeru Miyamoto, Co-Director Takashi Tezuka, Komponist Kōji Kondō sowie die Programmierer Kazuaki Morita, Toshihiko Nakago und Yasunari Nishida. Vgl. den Eintrag zu Super Mario Bros. in der Datenbank IMDb: http://www.imdb.de/title/tt0177266/fullcredits#cast [17.09. 2011].

592

Luke Howard (*1772-†1864) definiert die Cumulus-Wolke in seinem 1803 erstmals erschienenen einschlägigen Text über die Wolkenformen Essay on the Modification of Clouds wie folgt: „Convex or conical heaps, increasing upward from a horizontal base“ (Howard (1803) 1865, S. 3).

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rio Bros. dieselben Elemente (teilweise mit anderen Farbgebungen) immer wieder verwendet, die sie im Prozess des Level Design mit Planungsblättern verwaltet haben (Abb. 34).593

Abb. 33: Super Mario Bros.: Form der Wolken und der Vegetation im Vergleich

Abb. 34: Planungsblatt aus der Entwicklung von Super Mario Bros., ca. 1984-85 593

In einem Interview mit dem Präsidenten von Nintendo Satoru Iwata spricht Shigeru Miyamoto über ein Planungsblatt aus der konzeptionellen Vorbereitungsphase des Spiels: „Oben rechts auf diesem Planungsblatt befindet sich eine Art Palette. Damit haben wir die Elemente verwaltet und z. B. Bäume, Sträucher und Wolken aus denselben Teilen erstellt. Iwata: Das Laub und die Wolken bestehen aus denselben Elementen, und für jedes konnten nur vier Farben verwendet werden. In die Palette haben sie dann die vier Farben aufgenommen, die verwendet werden sollten. Das war eine der Eigenschaften der Famicom-Hardware – wenn man die Kombination der vier Farben änderte, sah ein und dasselbe Objekt verblüffend anders aus. Das haben wir damals für unsere Absichten voll ausgeschöpft. Miyamoto: Ja. Um ein größeres als die bisher da gewesenen Spiele an die beschränkte Kapazität des FamicomSteckmoduls anzupassen, mussten wir uns derartige Dinge einfallen lassen. Sonst hätten wir nicht alle Inhalte untergekriegt“ (Iwata 2010b, URL: http:// www.nintendo.de/NOE/de_DE/news/iwata/super_mario_bros_25_jahrestag_19226_ 31910.html [18.09.2011]).

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In der Spielentwicklung war und ist es zudem notwendig, mit möglichst wenig Speicherplatz auszukommen und trotzdem eine atmosphärische Umgebung samt ausdrucksstarken Figuren zu gestalten. Dies ist zum Beispiel auch der Grund, warum die Figur des Super Mario eine Mütze und einen Schnurrbart trägt. Mit den grafischen Möglichkeiten zu Beginn der 1980er Jahre war die Darstellung eines dynamischen Haarschopfs sowie der überzeugenden Physiognomie eines Mundes für den Zweck eines digitalen Spiels für eine Heimkonsole nicht umzusetzen.594 Alle Gestaltungselemente des Bildes sind demnach technischen Bedingtheit der Hardware und damit dem Konstruktionsprinzip des Pixels unterworfen. Das Pixel als Gestaltungselement fungiert wie ein Mosaikstein, der an eine festgelegte Fläche und damit an ein striktes Raster gebunden ist. An der Gestalt der Wolken zeigt sich die technische und apparative Bedingtheit des Bildes und damit – als pars pro toto – des gesamten Mediums. Die Form der Wolken folgt eben nicht einem freien, gestalterischen Willen , sondern der strikten Logik des Computerchips, die dadurch ansichtig wird und die apparative Bedingtheit opak aufscheinen lässt. Abb. 35 illustriert diesen Umstand an einem Beispiel aus Space Invaders (1978). Die Grafik des Aliens folgt in seinem Aufbau der strikten, rigiden Logik des Apparates. Daran lässt sich im Umkehrschluss die technische Bedingtheit der Darstellung ablesen. Dasselbe Prinzip gilt bei Super Mario Clouds.

594

Das ursprüngliche Erscheinungsbild der Spielfigur Mario hat Shigeru Miyamoto für den Spielautomaten Donkey Kong (1981) entworfen. Den Designprozess der damals noch namenlosen Figur beschreiben Mertens und Meißner: „Die Figur bekam als erstes eine Nase, denn er [Miyamoto] war davon überzeugt, dass es einen Riesenunterschied macht, eine Nase zu haben oder keine. Dann kam ein Schnurrbart hinzu, riesige Kulleraugen und eine rote Kappe, weil Haare zu schwierig darzustellen waren. Um in der grobpixeligen Darstellung auf dem Bildschirm gut rüberzukommen, bekam er noch eine rote Latzhose über einem blauen T-Shirt. Irgendwie sah die Figur wie ein Zimmermann aus, deshalb musste die Handlung dort spielen, wo ein Zimmermann für gewöhnlich arbeitet, auf einer Baustelle zum Beispiel“ (Mertens/Meißner 2002, S. 84). In den folgenden Jahren entwickelt sich die Figur weiter: Sie wird Mario genannt und fortan als italienischer Klempner aus Brooklyn bezeichnet. Shigeru Miyamoto beschreibt die Erfindung der Mario-Figur und seine Entscheidungen im Design-Prozess in einem Interview mit Satoru Iwata (vgl. Iwata 2010, http://www.nintendo.de/NOE/de_DE/news/iwata/iwata_fragt_new_ super_mario_bros_wii_16795_16846.html [19.09.2011]).

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Abb. 35: Die Form des Alien-Sprites im Spiel Space Invaders belegt genau 10 Byte. Ein Bildpunkt ist 1 Bit. Eine Reihe besteht aus 8 Bit, was wiederum 1 Byte bedeutet. Insgesamt sind zehn Reihen à 1 Byte zu sehen. Die Form ist somit den technischen Bedingungen des Apparats unterworfen und folgt seinen Prinzipien. Die lineare Bewegung der Wolken unterstreicht das Sichtbarwerden der Logik des Apparates zusätzlich. Wie erwähnt, ziehen die Bildelemente nicht in einer flüssigen, kontinuierlichen Bewegung am Betrachter vorbei, sondern sie wechseln abrupt ihre Position. So zeigt sich, dass das Bild auf einer Matrix aus Bildpunkten beruht und die Pixel diskret ihre Lage verändern, indem das Bild stets an und wieder abgeschaltet wird. Dadurch wird die Transparenz des Computerspiels gestört. Die Wolke führt damit das Konstruktionsprinzip rastergrafischer digitaler Bilder vor Augen und das Computerspiel als Medium wird opak: „This is math made visible“.595 Das Sich-Zeigen des Apparats durch das Konstruktionsprinzip des Bildes kann als nichtdiegetische Maschinenhandlung bezeichnet werden, nämlich als Verkörperungshandlung des Apparats und seiner Logik.596 Über das Pixel zeigt sich indirekt die berechenbare Unterseite des doppelten, digitalen Bildes.

595

Galloway 2006a, S. 32ff.

596

Alexander Galloway bezeichnet dies genauer als machinic embodiment, als Verkörperungshandlung des Apparates und seiner Logik: „These are any number of machinic embodiments that emanate outward from a game to exert their own logic on the gamic form. For example, the graphic design of the aliens in the Atari 2600 version of Space Invaders is a direct embodiment of how a byte of data, equivalent to eight zero-or-one bits, may be represented as a strip of eight pixels turned on or off. The alien invaders are nothing more than a series of byte strips stacked together. This is

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Die grafischen Fähigkeiten einer Spielkonsole von 1983 bzw. 1985 sind heute technisch überholt; die Obsoleszenz des technischen Bildes ist in die Hardware eingebaut. Heute werben Computerspielhersteller damit, neben flüchtigen Erscheinungen wie Feuer, Rauch und Nebel auch volumetrische Wolken wirklichkeitsnah abbilden zu können.597 Computergrafik strebt die fotorealistische Abbildung des Phänomens an (vgl. zum Hyperrealismus Kap. 6.2.4). Bei den Volumengrafiken, die Wolken abbilden, handelt es sich um dreidimensionale Objekte und nicht bloß um zweidimensionale Texturen, die in Abhängigkeit der Bewegung, des Blickwinkels und der Lichtsituation von der Engine gerendert werden; das bedeutet, dass diese Objekte den Gesetzen der Perspektive unterliegen. Aber auch diese Bilder sind durch ihre technische Bedingtheit der Obsoleszenz verschrieben. Die Super Mario Clouds führen auch das Veralten der technischen Bedingtheit vor Augen. Arcangel selbst bezeichnet die von ihm verwendete, obsolete Technik (Hardware samt Software) als ‚Müll‘.598 9.2.4 Möglicher konzeptioneller Vorläufer der Super Mario Clouds: mario battle no.1 Super Mario Clouds verfügt möglicherweise über einen unbekannten konzeptionellen Vorläufer. Die Kanadierin Myfanwy Ashmore (*1970) hat ab dem Jahr 2000 Modifikationen des Spiels Super Mario Bros. veröffentlicht, in denen sie Elemente aus der Spielumgebung entfernt bzw. durch Veränderung die Spielumgebung und Spielinhalt negiert und auf diese Weise ins Absurde überführt. Ob diese Arbeiten gleichzeitig mit Super Mario Clouds oder davor entstehen, lässt sich nicht mit Si-

math made visible. The shape and size of Mario in the NES Version of Super Mario Bros.is determined not simply by artistic intention or narrative logic but by the design specifications of the 8-bit 6502 micropchip driving the game software. Only a certain number of colors can be written to the NES screen at one time, and thus the design of Mario follows the logic of the machine by using only specific colors and specific palettes“ (Galloway 2006a, S. 32). 597

Vgl. etwa die offizielle Website der CryENGINE 2 der deutschen Firma Crytek. Dort ist von „Volumetric, Layer and View Distance Fogging“ als technische Neuerung die Rede (vgl. die URL: http://crytek.com/cryengine/cryengine2/overview [08.09.2011]).

598

In der Anleitung zur Herstellung der Super Mario Clouds schreibt Cory Arcangel: „I like the idea of making things out of trash (one can easily find an NES in a dumpster these days), and I like the idea of actually having to break into something that I find in the trash even better“ (Arcangel 2005, S. 107).

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cherheit sagen; die Künstlerin räumt diese Möglichkeit aber ein.599 Arcangel gibt als Entstehungsjahr der Super Mario Clouds das Jahr 2002 an. Von 2000 bis 2006 hat Ashmore insgesamt vier unterschiedliche Modifikationen hergestellt. Die vier interaktiven, spielbaren Arbeiten tragen die Titel mario battle no.1 (2000), mario doing time, mario drowning (beide 2004) und schließlich mario going nowhere (2006). Die Arbeiten mario battle no.1 (2000), mario doing time und mario drowning (beide 2004) sind als mario trilogy600 ausgestellt worden.601 Neben der Präsentation im Ausstellungskontext wurden die Arbeiten als Dateien über das Internet vom Medienkunstkollektiv Year Zero One sowie dem renommierten Softwarekunst-Portal runme.org verteilt602. Year Zero One hat die Dateien zusätzlich auf Floppy-Disketten zur Verfügung gestellt.603 Außerdem wurden die Arbeiten auf einer DVD der kanadischen Website NoMediaKings veröffentlicht.604

599

In einer Nachricht an den Verfasser vom 7. Januer 2011 erklärt Myfanwy Ashmore ihre Arbeit im Verhältnis zum Werk Cory Arcangels: „The first incarnation – was the original super mario bros. rom, modified. [...] As for whether or not my work was before Arcangel’s clouds – I am not certain because when I was working on the mod, I heard from Rob Ray when he saw what I was doing (deadtech gallery) who knew some people in NYC working on art game mods, perhaps it was paul davis, or arcangel. I believe that the works are very different. What was important to me in my work, was the erasure of the battle, or the goals, but the residual play left intact. This in turn changes the goals and for some leaves a conundrum, and for others is liberating. While my piece allows time for leisure, it also asks the question What do you do with your time while you’re here? Whereas, I believe Arcangel provides leisure, and the daydream, maybe even an afterlife.“ Auf Bitte des Verfassers hat Ashmore ein Video von mario battle no.1 im Internet veröffentlicht, das unter folgender URL auf dem Videoportal Vimeo zu sehen ist: https://vimeo.com/18502121 [20.04.2012].

600

Auf Myfanwy Ashmores Website findet sich eine Beschreibung von mario trilogy unter der URL: http://myfanwy.ca/html/trilogy.html [05.01.2011].

601

Vgl. Myfanwy Ashmores Lebenslauf unter der URL: http://www.myfanwy.ca/html/ documents/ashmore_cv.pdf [05.01.2011].

602

Vgl. die Website Year Zero One und Runme.org unter den Adressen www.year01. com/mario sowie http://www.runme.org/project/+mariobattle/ [beide 06.01.2011].

603

Auf der Website Year Zero One findet sich der Hinweis: „The work entitled ‚mario battle no.1‘ was made in 2000, and is in keeping with this traditon, distributed with ROM and emulator on floppies across North America, generally outside the gallery system“ (Year Zero One, URL: http://www.year01.com/mario/ [06.01.2011]).

604

Vgl. Novel Amusements DVD Zine #5 Games and Shames. Vgl. eine Rezension der DVD unter der URL: http://www.brokenpencil.com/view.php?id=5089 [06.01.2011].

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Abb. 36: mario battle no.1 (Myfanwy Ashmore, 2000): möglicher, konzeptioneller Vorläufer der Super Mario Clouds. Alle Hindernisse, Gegner und funktionalen Bildelemente sind aus dem Bild verschwunden. Screenshot der ersten ROM-Version und Titelscreen der zweiten ROM-Version (datiert auf das Jahr 2000) Die Arbeit ist die Modifikation einer ROM-Datei, die sich über einen Emulator am Computer abspielen lässt und die das Originalspiel nachempfindet. Es handelt sich im Gegensatz zu Cory Arcangels Ansatzpunkt nicht um die Modifikation des Spiels mitsamt seiner Hardware (die charakteristischen Cartridges der NES-Konsole) in seiner ursprünglichen Form, sondern stellt den Eingriff in eine schon vorher veränderte Version des Spiels dar. Ashmore hat eine ROM-Datei benutzt, die von sich aus schon eine Modifikation darstellt. Eine zweite Version der Arbeit beruht auf der ROM-Datei mit dem Namen Super Mario Bros. (World) [Graphic Hack by Flamepanther v2.0] (~Super Mario Brothers DX) ROM und stellt eine grafische Verbesserung des Originalspiels dar.605 In der Arbeit mario battle no. 1 (2000) hat Ashmore alle Objekte entfernt, die in Interaktion mit der titelgebenden Spielfigur Mario treten können. Alle gegnerischen

605

Zu der Verwendung der ROM schreibt Ashmore am 07. Januar 2011 an den Verfasser: „I ended up re-making the mod using the DX rom – which was more stable and played on more emulators. You may be the first person to notice the difference! The dx rom is one that was circulating in the game mod communities.“ Die Rom-Datei Super Mario Bros. (World) [Graphic Hack by Flamepanther v2.0] (~Super Mario Brothers DX) ROM des anonymen Autors flamepanther v2.0 kursiert im Internet und ist u.a. unter folgender URL herunterladbar: http://www.emuparadise.org/Nintendo_ EntertainmentSystem_ROMs/Super_Mario_Bros._(World)_%5BGraphic_Hack_by_ Flamepanther_v2.0%5D_(~Super_Mario_Brothers_DX)/57100 [07.01.2011].

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Figuren und funktionalen Bildelemente sind entfernt worden. Außerdem sind alle architektonischen Elemente wie Blöcke, Plattformen etc. verschwunden, die im Vordergrund die Hindernisse darstellen und die Struktur der einzelnen Levels definieren. Nach mario battle no.1 verdüstern sich Ashmores Arbeiten in der Folge. Während die erste Arbeit noch als zweckloser Spaziergang (zwar mit dem unausweichlichem Tod der Spielfigur am Ende des Spiels) gelesen werden kann 606, wird Mario in mario doing time zum Sterben in ein Gefängnis versetzt und in mario drowning in einem See ertränkt. Es ist unmöglich, die Spielfigur über die Mauer bzw. aus dem Wasser zu manövrieren. Im Gegensatz zur Negation der Super Mario Clouds handelt es sich bei Ashmores Ansatz um Deprivationen (vgl. Kap. 4.3 sowie Anm. 267), da sie interaktiv sind. 9.2.5 Negation des Gameplay: Leerlaufende Prozesse Im Vergleich mit dem Ausgangsmaterial Super Mario Bros. ist festzustellen, dass Arcangels Modifikation Super Mario Clouds folgende Aspekte des Countergaming erfüllt (Vgl. Kap. 4.3.1)607: Es handelt sich um eine Bewusstmachung des Apparativen sowie eine Sichtbarmachung des Konstruktionsprinzips des Computerspielbildes, indem dieses Konstruktionsprinzip in Form der Wolken zum Bildinhalt wird. Die Wolken bilden eine Spur des Originalbildes. Während QQQ (vgl. Kap. 8) medientheoretisch und metaphorisch mit einer getrübten Glasscheibe vergleichbar ist, handelt es sich bei Super Mario Clouds eher um ein Palimpsest. Durch die Beschränkungen der Interaktivität wird das Spiel vollständig negiert.608 All dies stört die Transparenz des Mediums und lässt es in der Negation opak werden. Auf der räumlichen Ebene stellt sich dies wie folgt dar: Der Rule Space und der Narrative Space sind verschwunden; dadurch wird eine Verschränkung von User Space und Game Space verhindert (vgl. Anm. 178). Spielerhandlungen mit dem ehemals interaktiven Bild sind nicht mehr möglich. Die Handlung von seiten der Rezipienten ist vielmehr vor das Bild in den Ausstellungsraum sowie in die individuelle Imagination des einzelnen Betrachters verlagert.

606

Ashmores Beschreibung auf Runme.org: „Now as a game player, all you can do is go for a walk. Eventually you run out of time and die“ (Runme.org, URL: http:// www.runme.org/project/+mariobattle/ [06.01.2011].

607

Galloway 2006c, S. 124f.

608

Laut Alexander Galloway handelt es sich um eine Negation im Sinne der Countergaming-Ästhetik: „With negation, the game is stripped of all possibilities of game play, left to lapse back to other media altogether (video, animation)“ (Galloway 2008, S. 495).

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Das Spiel ist aller Möglichkeiten der interaktiven Teilhabe beraubt, und in einem Zustand der Schwebe. Dabei wird das Bild aber noch immer in einem stetigen Prozess vom Apparat neu berechnet. Dies verweist auf die Handlungen des Apparats, die weiterhin ablaufen. Die stetige Bewegung der Wolken von rechts nach links verweisen auf eine Maschinenhandlung, die zwischen diegetisch und nichtdiegetisch und damit zwischen Transparenz und Opazität schillert. Die Bewegung der Wolken steht für eine nicht-diegetische Maschinenhandlung, nämlich die stetige Berechnung des Bildes aufgrund einiger Zeilen Code, die auf dem PRG Chip befindlich, den CHR Chip beeinflussen. Die Wolken sind – wie die angedeutete Vegetation – ein Bildelement, das zur fiktiven Spielwelt von Super Mario gehört und (trotz ihrer abstrakten Form) zu einer gegenständlichen Ausgestaltung des Bildraums beitragen. Die Wolken verweisen auf die Diegese des Spiels und damit auf alle anderen verschwundenen Bildelemente. Die Wolken sind Rudimente der Diegese. Dies rückt die Super Mario Clouds in die Nähe eines Ambience Act. Es handelt sich dabei um das diegetische Weiterexistieren einer Spielwelt ohne Eingaben und Einfluss des Spielers. So ist z.B. in vielen Spielen ein Wechsel der Tageszeiten programmiert oder NPCs gehen weiterhin ihren programmierten Handlungen nach etc.609 Ambience Acts halten die Diegese der Spielwelt aufrecht und sind demnach diegetische Maschinenhandlungen. Im übertragenen Sinne ist der Spieler bei einem Ambience Act im Pausenmodus. Der Apparat handelt aber weiter in einem Schwebezustand des ständigen Prozesses der Berechnung.610

609

Alexander Galloway beschreibt den Ambience Act am Beispiel des Spiels Shenmue (Sega, 1999): „One plays Shenmue by participating in its process. Remove everything and there is still action, a gently stirring rhythm of life. [...] When games like Shenmue are left alone, they often settle into a moment of equilibrium. Not a tape loop, or a skipped groove, but a state of rest. The game is slowly walking in place, shifting from side to side and back again to the center. It is running, playing itself, perhaps. The game is in an ambient state, an ambience act“ (Galloway 2006a, S. 8f.).

610

„The machine is still on in an ambience act, but the operator is away. [...] The ambience act is the machine’s act. The user is on hold, but the machine keeps on working. [...], it is the operator who is paused in an ambience act, leaving the machine hover in a state of pure process.“ (ebd., S. 10).

10. Dead-in-iraq: Die Spielwelt als Bühne

Die voran gegangenen Ausführungen haben verschiedene Strategien der künstlerischen Computerspielmodifikation exemplarisch vorgestellt: Neudekoration (Arsdoom, vgl. Kap. 7) und Abstraktion/Reduktion (QQQ und Super Mario Clouds, vgl. Kap. 8 und 9). Das folgende Kapitel stellt einen weiteren Umgang mit Computerspielen als künstlerisches Material vor. Es handelt sich um die Arbeit dead-in-iraq (2006-2009) des US-amerikanischen Künstlers Joseph DeLappe (*1963), die auf dem Ego-Shooter America’s Army (ab 2002) basiert und innerhalb der Strukturen des Spiels – online in dessen virtueller Umgebung – als Performance vom Künstler inszeniert wird.611 Das Ausgangsspiel America’s Army ist von der United States Army in Auftrag gegeben und veröffentlicht worden. Als offizielles Computerspiel der Streitkräfte der USA wird es zu Werbe- und Rekrutierungszwecken eingesetzt. Von offizieller Seite wird das Game propagandistisch als „Groundbreaking Tool for Strategic

611

„[...] [C]ontemporary game environments represent public spaces that can be used for performances based artistic interventions“ (Stockburger 2007a, S. 234). Die Durchführung erster Performances in virtuellen Welten werden Antoinette LaFarge zugesprochen. Ab 1994 führt sie mit der von ihr gegründeten Gruppe der Plaintext Players kurze Stücke in verschiedenen, textbasierten MOOs im Internet auf (vgl. Jansson 2011, URL: http://www.gamescenes.org/2011/10/interview-antoinette-lafarge.html [22.04.2012], vgl. Dragona 2010a, S. 163). Vorläufer in Joseph DeLappes Œuvre lassen sich bis 2001 zurückverfolgen. Die erste Performance in einem Online-Spiel trägt den Titel Howl: Elite Force Voyager. DeLappe hat sich mit dem Usernamen Allen Ginsberg in die Multiplayer-Version des Shooters Star Trek: Voyager – Elite Force (Raven Software, Activision, 2001) eingeloggt und Allen Ginsbergs berühmtes Gedicht Howl (1955), das als herausragendes Beispiel für Literatur der Beat Generation der 1950er Jahre in den USA gilt, über die Chatfunktion in der Spielumgebung verbreitet. Vgl. Winet 2007.

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Communication“612 bezeichnet und erschließt erfolgreich den Zugang zur Zielgruppe bestehend aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab 13 Jahren.613 Die erste Version des Ego-Shooters America’s Army ist symbolträchtig am Unabhängigkeitstag, dem 04. Juli 2002, in den USA veröffentlicht worden.614 Entwickelt vom MO-

612

Vgl. Davis 2004.

613

In einer offiziellen Veröffentlichung zu America’s Army, in der auch die Urheber der Software zu Wort kommen, wird die Zielgruppe mit 13- bis 21-Jährigen angegeben. Das Spiel wird aber auch von vielen älteren, teilweise aktiven Soldaten und Veteranen gespielt, die innerhalb der Community einen besonderen Expertenstatus einnehmen: „Who are the fans? As it happens, though America’s Army aimed for thirteen-to twenty-one year olds, the scatter hit a much wider target. The AA community includes many adults with a core constituency of a number of active-duty servicemen and veterans from all branches (and even from foreign militaries). [...] Highly influential in shaping the fan culture, Soldiers and Vets are valued by civilian unit members as experts on military life“ (Li 2004, S. 25). David B. Nieborg gibt in seiner Untersuchung des Spiels – einer ausführlichen Master Thesis der Universität Utrecht aus dem Jahr 2005 – die Zielgruppe mit 18- bis 24-Jährigen an (vgl. Nieborg 2005, S. 105). In einem Aufsatz charakterisiert Nieborg die Zielgruppe außerdem als Schulabbrecher, ohne dies hinreichend zu belegen: „With the launch of the Army game, the Army possessed a new vehicle to get their message across to their target group, young adolescents

and

preferably

High

School

drop-outs“

(Nieborg

2004,

URL:

http://www.gamespace.nl/content/ISAGA_Nieborg.PDF [08.12.2011]). Die aktuelle Version 3.2 des Spiels ist in Europa mit einer Altersfreigabe ab 16 Jahren der PEGI (Pan European Game Information) eingestuft. In den USA fällt America’s Army unter das Teen Rating (T) des ESRB (Entertainment Software Rating Board) und ist ab 13 freigegeben. Vgl. den offiziellen FAQ des Spiels unter der URL: http://www. americasarmy.com/aa/support/faqs.php?t=9&z=61#qa61 [06.12.2011]. 614

Das Spiel America’s Army liegt in vielen unterschiedlichen Versionen vor und ist für unterschiedliche Plattformen wie PC, Xbox und PlayStation erhältlich. Zur Zeit der Niederschrift dieser Arbeit ist die aktuelle Nummer der PC-Version 3.2 – das Spiel trägt den vollständigen Titel America’s Army 3 und basiert auf der Unreal Engine 3.0. Die Version 1.0 – basierend auf der Unreal Engine 2.0 – trägt den vollständigen Titel America’s Army: Recon. Es ist anzunehmen, dass sich Joseph DeLappes künstlerische Intervention zunächst auf die Versionsnummer 2.6 (America’s Army:Special Forces Link-Up, veröffentlicht am 9. Februar 2006) bezieht, da DeLappe nach eigenen Angaben im März 2006 mit der Durchführung von dead-in-iraq begonnen hat: „This work commenced in March of 2006, to roughly coincide with the 3rd anniversary of the start of the Iraq conflict“ (Website des Künstlers unter der URL: http://www.unr.edu/art/delappe/DeLappe%20Main%20Page/DeLappe%20Online%2

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VES Institute615 wird das Spiel als kostenloser Download zur Verfügung gestellt. Die Army hat in der Vergangenheit außerdem mindestens 1,2 Millionen Kopien auf CD verteilt.616 Seit Veröffentlichung im Jahr 2002 sind laut Angaben der offiziellen Website über 9 Millionen Registrierungen eingegangen.617 America’s Army verweist in seiner Produktion, Distribution und Rezeption deutlich auf Verbindungen von Militär und Computerspielindustrie.618 Dieser militärisch-industrielle Kom-

0MAIN.html [07.12.2011]). Für eine Übersicht der Versionen bis 2005 vgl. den Anhang C aus David B. Nieborgs Studie Changing the Rules of Engagement (Nieborg 2005, S. 218). Für die Versionsgeschichte von America’s Army 3 vgl. die offizielle Website des Spiels unter der URL: http://www.americasarmy.com/intel/versions.php [07.12.2011]. 615

Das MOVES Intitute (Modeling, Virtual Environments and Simulation Institute) ist an die Naval Postgraduate School – eine Universität für die wissenschaftliche Ausund Weiterbildung von Offizieren in Monterey, Kalifornien – angegliedert. Am MOVES Institute entstehen Simulationen zu militärischen Trainings- und Analysezwecken. „Our mission is to enhance the operational effectiveness of our joint forces and our allies by providing superior training and analysis products, education, and exemplary research in the field of modeling and simulation. [...] America’s Army was our first venture into the use of video game technology for defense applications“ (Movesinstitute.org, URL: http://www.movesinstitute.org [07.12.2011]).

616

Vgl. Patalong 2002, URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,203945 ,00.html [07.12.2011].

617

Vgl. die offizielle Website von America’s Army unter der URL: www.http://www. americasarmy.com/aa/about/makingof.php [07.12.2011].

618

Vgl. den Sammelband Joystick Soldiers (Huntemann/Payne 2010) und dazu und konkreter zum militärisch-unterhaltungsindustriellen Komplex die Einleitung (Huntemann/Payne 2010a, S. 3ff.). Die Techniken, die im militärischem Kontext erfunden und entwickelt worden sind, diffundieren als Massenmedien in die Gesellschaft und beginnen dann auch der Unterhaltung zu dienen. Die Verbindung des Computerspiels zum militärischen Kontext lässt sich bis auf die Anfänge des Mediums zurückführen. 1958 konstruierte der amerikanische Physiker William Higinbotham für den Tag der offenen Tür des Brookhaven National Laboratory das Bildschirmspiel Tennis for Two. Higinbotham wurde 1945 Leiter der Elektronikabteilung vom ManhattanProject in Los Alamos. Im selben Jahr distanzierte er sich von der Atombombe und wurde erster Generalsekretär der Federation of American Scientists, die gegen die Verbreitung von Kernwaffen kämpfte. Die Erfindung des Computerspiels ist in diesem Zusammenhang als „Rüstungsabfall“ bezeichnet worden (Lischka 2002, S. 19). Friedrich Kittler konstatiert im Hinblick auf Militär, Industrie und Medien in seinen

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plex619 ist bezogen auf das Medium des Computerspiels schon seit den frühen 1980er Jahren offen sichtbar, als die U.S. Army eine spezielle Version des kommerziellen Computerspiels Battlezone (Atari, 1980) zu Trainingszwecken einsetzt.620 Im Gegensatz zur Neudekoration bei Arsdoom, Abstraktion bzw. Reduktion bei QQQ und Super Mario Clouds handelt es sich bei der im Folgenden untersuchten Arbeit nicht um eine direkte Veränderung des Ausgangsmaterials. Das Kunstwerk dead-in-iraq nimmt America’s Army als seinen Ausgangs- sowie Ansatzpunkt und findet innerhalb von America’s Army als Prozess statt: Joseph DeLappe loggt sich auf einen Server von America’s Army ein, legt seine Waffe nieder und beginnt, die Namen und Todesdaten von Soldaten der U.S. Army in den intergrierten Chat zu schreiben, die im Irakkrieg ums Leben gekommen sind. Dead-in-iraq unterscheidet sich somit in einem entscheidenden Aspekt von den vorhergegangenen Kunstwerken aus dem Bereich der künstlerischen Computerspielmodifikation. Im Gegensatz zu Werken wie Arsdoom, QQQ oder Super Mario Clouds setzt die Modifikation von America’s Army nicht an der Software oder Hardware des Computerspiels an, sondern an der Ebene der Spielregeln (vgl. Kap. 2.3.4.3). Sie greift weder direkt in

medientheoretischen Ausführungen allgemein: „Unterhaltungsindustrie ist in jedem Wortsinn Mißbrauch von Heeresgerät“ (Kittler 1986, S. 149). 619

Von einem „military establishment“ spricht schon 1956 der amerikanische Soziologe Charles Wright Mills in Die amerikanische Elite (Mills 1962). In diesem Zusammenhang ist auf zwei Kunstausstellungen hinzuweisen, die auch den militärisch-unterhaltungsindustriellen Komplex adressieren. Zum einen handelt es sich um die Ausstellung M_ARS, die eine allgemeinere Position zu zeitgenössischer Kunst und Krieg darstellt und Krieg als Massenkultur des 21. Jahrhunderts bezeichnet (vgl. Weibel 2003). Zum anderen handelt es sich um die Ausstellung Serious Games aus dem Jahr 2011, in der in einer Videoarbeit von Harun Farocki auch die spielerischen Trainingssimulationen des Militärs zur Schau gestellt und kritisch reflektiert werden. „‚Serious Games. Krieg – Medien – Kunst‘ untersucht die permanente Umwandlung von Kriegsbildern zu Unterhaltungsbildern und damit die Militarisierung der Imagination. Es geht darum, welche Bilder Kriege erzeugen – und wie diese in der Kunst der Gegenwart aufgegriffen und gespiegelt werden. Beantwortet wird diese Frage in Fotografien, Videos, Computerspielen, Gemälden und Rauminstallationen, u.a. von Peggy Ahwesh, Oliver van den Berg, Kota Ezawa, Harun Farocki, Jean-Luc Godard, Richard Hamilton, Walid Raad, Martha Rosler, Allan Sekula und Hito Steyerl.“ Ankündigung der Ausstellung Serious Games auf der Mathildenhöhe Darmstadt, vom 27. März bis 24. Juli 201 (vgl. Beil/Ehmann 2011).

620

Diese Version von Battlezone ist auch unter den Namen The Bradley Trainer, Military Battlezone oder Army Battlezone bekannt (vgl. Halter 2006, S. 131).

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die Dateien, die Engine oder den Code des Spiels ein, wodurch audiovisuelle oder physikalische Veränderungen des medialen Angebots entstehen, noch wird das Dispositiv des Ausgangsmaterials physisch verändert (das Kunstwerk entsteht im Dispositiv ‚Arbeit‘ in DeLappes privaten Räumen und entfaltet sich online in der Umgebung des Spiels. Vgl. Kap. 2.3.4.2). Das Kunstwerk dead-in-iraq setzt an der spielerischen Ebene an und beugt die Regeln und Ziele des Spiels im Sinne des transformativen Spiels (vgl. Kap. 2.2.3.2).621 So wird eine direkte Auswirkung auf die soziale Komponente des Spiels und auf die Mitspieler erzielt. Indem Joseph DeLappe innerhalb des Spielraums von America’s Army bestimmte Handlungen vollzieht, sich auf eine spezifische Weise verhält, entsteht das Kunstwerk dead-iniraq als Performance im Material des Computerspiels selbst.622 Das Publikum sind DeLappes Mitspieler, die das Verhalten des Künstlers registrieren und bewerten. Die Performance dead-in-iraq ist als Intervention im Raum des Kriegsspiels und als Protest gegen den Irakkrieg zu verstehen.623

621

Vergleichbare Strategien finden sich bei den Urhebern des Kunstwerks Velvet-Strike (2001): Brody Condon, Anne-Marie Schleiner und Joan Leandre nutzen die Spielumgebung des Ego-Shooters Counter-Strike (2001), um hierin pazifistische Botschaften als ‚Graffiti‘ an die Wände der Maps anzubringen. Die gegen die Spielintention gerichteten Botschaften werden von der Spielergemeinschaft entsprechend aggressiv kommentiert. Der (gesellschafts-) kritische Impetus stößt in der Community auf Unverständnis. Neben den ‚Sprays‘ haben die Autoren situationistische Intervention Recipes entwickelt: So soll man beispielsweise einen Server als Gruppe betreten und sich mit seinen Avataren in der Spielumgebung so aufstellen, dass die Form eines Herzens entsteht (vgl. Tribe et al. 2006, S. 82).

622

„DeLappe’s practice can be regarded as an attempt to engage with the audience of online games in the form of a performance based on the narrative modalities that make up the game space“ (Stockburger 2007a, S. 234).

623

„Bringing the performative aspect into these hyperviolent spaces was, in a way, an intervention, an aesthetic protest“ (ebd.).

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Abb. 37: Spielszene aus America’s Army – gespielt von Joseph DeLappe unter dem User-Namen dead-in-iraq – sowie Screenshot aus DeLappes Dokumentationsvideo seiner Performance in dem Moment des Knopfdrucks, der zum ‚Niederlegen‘ der Waffe führt.624 Die folgenden Ausführungen haben die Analyse von dead-in-iraq unter Berücksichtigung des Ausgangsmaterials America’s Army zum Thema. Das Kapitel nimmt innerhalb der methodischen Gesamtstruktur der vorliegenden Arbeit eine Art Sonderstatus ein, da im Folgenden weniger von der bildlichen Ebene des Computerspiels ausgehend argumentiert wird (vgl. zur bildwissenschaftlichen Position Kap. 3.2.1 sowie Kap. 5). Vielmehr stehen die vom Künstler inszenierten Handlungen innerhalb der audiovisuellen Raumzeitlichkeit des Games America’s Army im Mittelpunkt der Betrachtungen. Um diese Handlungen einordnen zu können, ist eine vorgeschaltete, detaillierte Analyse des Games America’s Army notwendig, da es sich bei diesem Spiel um die ‚Bühne‘ handelt, auf der sich dead-in-iraq als Aufführung entfaltet und wirksam wird. Zunächst werden in Kapitel 10.1 Aussagen über das Spiel America’s Army getroffen: Die Spielregeln und Spielmodi des Games werden beschrieben. Daraufhin werden die Avatare und Spielumgebungen näher untersucht (Kap. 10.1.1). America’s Army weist die Besonderheit auf, dass die Spieler stets die Rolle der U.S. Army einnehmen und ausnahmslos gegen als fremd gekennzeichnete, feindliche Figuren agieren, die keine realweltliche Entsprechung haben, die Vorstellung eines bestimmten Feindbildes aber indizieren. Einen Rollenwechsel lässt das Computerprogramm nicht zu. Die Handlung des Spiels findet in einer fiktiven Region statt, die sowohl süd- als auch osteuropäische Merkmale aufweist. Nach diesen allgemeineren Aussagen zu dem Game wird es aus der Sicht von drei unterschiedlichen Perspektiven analysiert (Kap. 10.1.2): Americas Army ist ein Spiel, dass sowohl als

624

Das Video mit dem Titel dead in iraq, America’s Army online protest/memorial – hochgeladen von User delappe – ist unter folgender URL auf YouTube abrufbar: http://www.youtube.com/watch?v=VTnuUMM7frk [08.12.2011].

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Werbemittel als auch als Propagandainstrument eingesetzt wird (Kap. 10.1.2.1). Darüber hinaus vermittelt es realweltliches Wissen (z.B. über den theoretischen Gebrauch von Waffen und den Einsatz von Erster Hilfe) und ist deshalb auch als Spiel mit didaktischem Anspruch interpretierbar (Kap. 10.1.2.2). Eine dritte Funktion des Games liegt darin, dass die U.S. Army es als Experimentierfeld verwendet: Das Spiel wird beispielsweise zu internen Trainingszwecken eingesetzt und es wird der Umgang mit neuer Technik geübt (Kap. 10.1.2.3). Dieser gesamte Kontext wird von Joseph DeLappe als Bühne für die Performance dead-in-iraq gewählt (Kap. 10.2). Zunächst wird beschrieben, welche Handlungen DeLappe innerhalb der Spielumgebungen durchführt, wie das Kunstwerk strukturiert ist und welche Bilder der Künstler inszeniert (Kap. 10.2.1). Daraufhin werden die durchgeführten Handlungen vor dem Hintergrund der Spielregeln als Verweigerung und Protest interpretiert (Kap. 10.2.2). Die durchgeführten Handlungen werden ferner als Verfremdungseffekte charakterisiert, die dazu beitragen, dass die mediale und apparative Bedingtheit der Spielinszenierung dem Publikum der Mitspieler bewusst werden kann (Kap. 10.2.3). Dies lässt sich medientheoretisch in das Spannungsfeld von Transparenz und Opazität einordnen (vgl. Kap. 6). In Kapitel 10.2.4 werden schließlich die Konsequenzen der Verfremdung aufgezeigt. Der Künstler wird spieltheoretisch als Spielverderber charakterisiert, der den normativen Spielvollzug stört und verändert, indem er das Game nicht spielt und auf die außerspielerische Realität des Irakkriegs aufmerksam macht. Im Sinne des Countergaming handelt es sich um eine radikale Spielhandlung, die gegen das Transparenzstreben von America’s Army gerichtet ist (vgl. Kap. 4.3.1).

10.1 R EALWELTLICHE B EZÜGE UND IDEOLOGISCHE I MPLIKATIONEN IM C OMPUTERSPIEL AM B EISPIEL VON A MERICA ’ S A RMY Aus der Sicht des Spielers handelt es sich bei America’s Army um einen EgoShooter, dessen Großteil mit mehreren Spielern im Netzwerk via Internet oder LAN gespielt wird. Im Gegensatz zu klassischen Shootern wie Doom oder Quake ist das Spielprinzip von America’s Army teambasiert und stellt geplantes, taktisches Vorgehen in den Mittelpunkt des Gameplay. Zwei Teams von zwei bis 16 Spielern treten in verschiedenenen Missionen gegeneinander an. Innerhalb der Teams füllen verschiedene Spieler auch verschiedene Rollen aus, die sie zu Beginn einer jeden Runde auswählen.625 Die Rollen unterscheiden sich durch ihre Bewaffnung. Jede

625

Die Struktur der Teams ist der Befehlskette der U.S. Army nachempfunden: „In America’s Army gamers are part of a squad, similar to the U.S. Army. A squad con-

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Mission hat ein eigenes Spielziel: So muss etwa eine Spielfigur von einem Team an eine bestimmte Stelle auf einer Map eskortiert oder Waffenlager müssen eingenommen werden. Ein Team gewinnt eine Runde, wenn z.B. alle gegnerischen Figuren getötet worden sind oder das Missionsziel erreicht ist. Die Notwendigkeit zum sorgfältigen Taktieren auf den Maps des Spiels entsteht vor allem durch die Tatsache, dass eine tödlich getroffene Spielfigur nicht sofort wieder ins laufende Spiel einsteigen kann wie es in anderen Shootern üblich ist (vgl. Quake III Arena, Kap. 8.1). Damit können Wartezeiten bis zur Beendigung einer Runde während des Spiels entstehen. Diesen Leerlauf nutzt der Künstler in dead-in-iraq, indem er nach einem tödlichen Treffer seine Spielfigur zwar nicht mehr auf der Map bewegen kann aber dennoch die Möglichkeit hat, die integrierte Chat-Funktion des Spiels zu nutzen und darüber Nachrichten an alle Mitspieler zu versenden. Um America’s Army zu spielen, ist ein Account notwendig. Man muss sich also zunächst auf einem zentralen Server registrieren. Dort werden alle absolvierten Trainingseinheiten und der so genannte Honor level gespeichert, der mit dem Account assoziiert ist. Bei dem Honor level handelt es sich um ein Punktesystem, das sich wie in einem Rollenspiel (RPG) auf bestimmte Werte der eigenen Spielfigur auswirkt. Dieser Honor level setzt sich aus folgenden Werten zusammen, die zugleich den offiziellen Army Values nachempfunden sind, die die U.S. Army als Ehrenkodex propagiert: Loyalität, Pflichtgefühl, Respekt, selbstloser Dienst, Ehre, Integrität und Mut.626 Bei erfolgreichem, konformem Spielvollzug steigen diese Wer-

sists of different so called fireteams and the leader of a squad is the Staff Sergeant. A fireteam consists of four soldiers. The fireteam leader is the Sergeant, assisted by a rifleman, a grenadier and an ‚Automatic Rifleman‘“ (Nieborg 2005, S. 17). 626

In der Spielanleitung sind die Army Values (Loyalität, Pflichtgefühl, Respekt, selbstloser Dienst, Ehre, Integrität und Mut) detailliert beschrieben und mit folgenden Spielregeln versehen: „Each Army Value correlates to actions a Soldier performs in game. Neutralizing enemies will earn you score in Personal Courage for example. When you achieve a scoring opportunity, you will receive a notification on the HUD. If you achieve enough points in an Army Value, its level will increase. When you have advanced your Army Value scores, your total Honor level increases. Loyalty is teamwork based scoring. Assisting teammates completing objectives, neutralizing enemies, and other actions earns you points in Loyalty. To earn Loyalty points you must be linked to a teammate when they achieve a scoring opportunity. Duty is mission and objective based scoring and is earned when a player wins missions and completes objectives. Respect is scoring based on following orders and showing respect for others. Respect points are earned by actions such as completing leaderassigned objectives and securing enemy Soldiers. Selfless Service is scoring based on helping others and doing the right thing. Players gain Selfless Service points through

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te. Strafpunkte gibt es bei Verstößen gegen die Verhaltensregeln des Spiels – die Rules of Engagement: Zielt ein Spieler beispielsweise auf ein befreundetes Teammitglied wird er mit Punktabzug bestraft. Je nach Einstellungen des Servers kann ein Spieler bei mehrfacher und schwerer Missachtung der Regeln auch in eine Gefängniszelle verbannt werden.627 10.1.1 Feindbilder: Avatare und Spielumgebungen Eine Besonderheit von America’s Army ist die Rollenverteilung bzw. die Repräsentation des Feindes. So ist es unmöglich, eine andere Rolle als die der U.S. Army zu verkörpern. Man kämpft ausnahmslos gegen die als OpFor [Opposing Forces] bezeichneten feindlichen Figuren.628 Der Spieler sieht sich und seine Teammitglieder

such actions as performing medical care on fellow Soldiers, responding to injured and incapacitated Soldiers quickly and performing triage on fellow soldiers in the correct order. Honor is the average of all other Army values. When you achieve enough points in your Army Values scores, your Honor level increases. An increase in your Honor level earns a Soldier advancement points and increases the Soldier’s rank. Integrity is the only Army Value which can cause points to be lost as well as gained. Integrity points are lost by harming fellow Soldiers, damaging military equipment, or harming incapacitated enemy Soldiers. Personal Courage is scoring based on courageous behavior by a Soldier. Players earn Personal Courage points from activities such as neutralizing enemies and completing objectives while badly wounded“ (Spielanleitung von America’s Army unter folgender URL: http://manual.americasarmy.com/index.php/Honor_and_Advancement [10.12.2011]). 627

„The military character and the top-down gameplay of America’s Army are most apparent in the Rules of Engagement, or ROE. Unlike Counter-Strike, in America’s Army ‚friendly fire‘ is always on. When a player in any way hurts a team-member or a civilian (e.g. a nurse in the SF Hospital map), he will be punished by receiving ROE-points – these points will be directly deducted from the accumulated Honorpoints. Depending on the severity and the moment of a ROE-violation, points are deducted which may lead to removal of a player from the server he’s playing on. Directly aiming and shooting at a fellow U.S. Soldier at the beginning of a round can lead to more ROE-points than the death of a team-mate by a badly thrown grenade. Depending on the server-settings (default is minus 500 points), a player will be sent to a virtual prison cell in the Ft. Leavenworth military prison when playing too recklessly“ (Nieborg 2005, S. 25).

628

„The most distinct characteristic, setting the game apart from any other online multiplayer FPS game, is that a gamer always has the role of as a U.S. Army soldier. Through the use of a software trick every gamer sees himself and his team as U.S.

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folglich stets als amerikanische Soldaten. Die eigene Spielfigur wird auf den Bildschirmen der gegnerischen Mitspieler wiederum aber immer als OpFor dargestellt. Dies bedeutet, dass die Unmöglichkeit in der Spielmechanik von America’s Army auf der grundsätzlichen Ebene des Programms verankert ist, einen Rollenwechsel zu vollziehen und sich gegen die U.S. Army zu wenden. So ist eine übergeordnete Handlungsmaxime in die Software eingezogen (vgl. Kap. 2.3.4.3), wodurch die Rolle der Amerikaner als uneingeschränkt positiv perspektiviert wird. Schüsse auf amerikanische Soldaten abzufeuern ist zwar möglich, verstößt aber gegen die Regeln des Spiels und wird sanktioniert. Das Aussehen der Gegner variiert: in den ersten Versionen des Jahres 2002 des Spiels gab es Figuren, die wie Skinheads aussahen; andere waren arabisch konnotierte Stereotypen mit Turban als Kopfbedeckung. Die OpFor der aktuellen Versionen ab 2009 tragen Masken sowie militärische Kleidung und sprechen eine fiktive Sprache gemischt aus osteuropäischen Sprachen und Spanisch.629 So sind die OpFor aus amerikanischer Sicht zwar deutlich mit Attributen des Fremden belegt, lassen sich aber nicht eindeutig einer ethnischen Gruppe oder einer Staatsangehörigkeit zuordnen. In diesem Zusammenhang ist auf die Spielumgebung hinzuweisen: frühere Versionen von America’s Army spielen in einem Wüstenszenario, das Assoziationen zum Irakkrieg weckt, ohne direkte Referenzen an den Irak oder an Afghanistan explizit zu benennen. Seit 2009 ist die Spielumgebung in die fiktive Odporzhia-Region verlegt, der eine eigene Geschichte, Kultur und Sprache angedichtet ist und aus der eine Mischung aus süd- und osteruopäischen Kulturkreisen deutlich wird. Die Verlegung der Handlung könnte darauf hindeuten, dass ein Wüstenszenario zu deutlich an realweltliche Ereignisse gekoppelt ist. Die gesamte Diegese könnte sich im Osten Europas abspielen, ohne dass dies ausdrücklich formuliert wird. Das Geschehen entfaltet sich vor dem fiktiven Hintergrund eines politischen Konflikts zwischen der Democratic Republic of

soldiers and the other team as the Opposing Forces (OpFor). It is impossible to play as OpFor and together with the ROE this means that gamers never ever have to intentionally kill a U.S. Soldier“ (ebd., S. 26f.). 629

„After some initial changes, the enemy soldiers have various ethnicities and uniforms. The first versions of America’s Army simulated the enemy as skinheads and turban-wearing Arab stereotypes. In later versions, the opposing forces are most of the time uniformed, wearing masks and caps and in some urban maps the enemy wears civilian clothing. The enemies are explicitly not linked to any country and the enemy consists of a mix of irregular forces. The OpFor speak a different language from U.S. Army soldiers. With the help of the Defense Language Institute, the development team created a fictive enemy language, referred to by gamers as ‚OpForian‘“ (ebd.).

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the Ostregals und deren nationalistischem Nachbarstaat Czervenia.630 Sowohl die Phonetik als auch das Schriftbild wecken Assoziationen an slawische Sprachen. Im Falle der Democratic Republic of the Ostregals ist der ‚Osten‘ gar Teil des Namens. America’s Army befähigt jeden, sich aktiv an einem fiktionalen, militärischen Konflikt zu beteiligen – allerdings ist dies (aus westlicher Perspektivierung) stets gegen die Seite des Fremden gerichtet. 10.1.2 Drei Interpretationsansätze von America’s Army: Werbung, Vermittlung, Experiment Nach diesen Aussagen über das Ausgangsmaterial, soll das Game America’s Army näher interpretiert werden, um herauszuarbeiten, welche Inhalte von dem Spiel transportiert werden. Der Künstler DeLappe hat das Game bewusst als Bühne für seine Performance gewählt, da es besonders deutlich ideologisch zu verstehen ist. Den Kontext herauszuarbeiten, in dem dead-in-iraq stattfindet, ist das Ziel der folgenden Ausführungen. America’s Army eröffnet unterschiedliche Möglichkeiten der Interpretation, die über die interne Bezeichnung als „Groundbreaking Tool for Strategic Communica-

630

„Those who created the world of America’s Army 3 were required to consider Czervenian soldier and civilian points of view: landscapes, architecture, languages, and even Czervenian weapons were all carefully invented to coincide with Czervenian customs and norms. Artists started talking about a ‚cultural palette‘ of colors common in Czervenia and the Ostregals. Using Google image searches, they found structures and cities in Spain, the Czech Republic, Slovenia, and other countries which fit their image of Czervenian geography. Eastern European vocabularies and Spanish grammar were combined to create a Czervenian language, and war-torn settings in Iraq, Afghanistan, and elsewhere became references for battlefield environments in the game. (Although an artist told me that he ‚[did]n’t want to get into Googling ‚war zones‘ because you get a lot of messed up imagery.‘) Game developers explained to me that these kinds of extrapolations from the actual world were deliberately appropriated in ways that reflect their referent only obliquely. Direct references to Iraq and Afghanistan were avoided in this game world, and in order to create a political situation that could never exist, a new and vaguely Eastern European theater of conflict was created“ (Allen 2011, S. 84f.; ähnlicher Text unter der URL: http://washington.academia.edu/RobertsonAllen/Papers/166504/Games_Without_Te ars_Wars_Without_Frontiers [11.12.2011].) Vgl. auch den fiktiven historischen Hintergrund zur Odporzhia-Region in der Spielanleitung zu America’s Army 3 unter folgender URL: http://manual.americasarmy.com/index.php/Odporzhia_Region [11.12. 2011].

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tion“631 hinausgehen und als drei Interpretationsansätze des Spiels bezeichnet werden können.632 So lässt sich der Komplex des Spiels mit seiner Produktion, Distribution und Rezeption unter drei unterschiedlichen Perspektiven betrachten: Es handelt sich bei America’s Army (1.) um ein Werbemittel zur Rekrutierung neuer Soldaten und ein Propagandainstrument, (2.) um ein Lernspiel mit didaktischem Anspruch sowie (3.) um ein Experimentierfeld für die U.S. Army. Diese drei Ebenen sind nicht scharf voneinander zu trennen, sondern stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. Auf alle Ebenen soll in der Folge gesondert eingegangen werden, um den Kontext mit seinen realweltlichen Bezügen deutlich zu konturieren, in dem DeLappe die Performance dead-in-iraq durchführt. 10.1.2.1 America’s Army als Werbung und Propagandainstrument Zuvordererst ist America’s Army ein Computerspiel, das Werbezwecken dient.633 Als so genanntes Advergame macht es die Marke ‚U.S. Army‘ bekannt und transportiert ein vermeintlich positives und wehrhaftes Bild von den amerikanischen Streitkräften. Die Armee ist als Marke zu verstehen, die eine spezifische Corporate Identity mit eigenen Slogans, Logos, Popsongs und Marketing-Etats aufweist.634 Das Spiel wird von den Urhebern als Simulation des Soldatentums mit realistischem Anspruch gekennzeichnet und soll die Erfahrung ermöglichen, die Aufgaben und Pflichten eines Soldaten der U.S Army im virtuellen Raum angeblich authentisch und realitätsnah nachzuerleben.635 Dieser realitätsnahe Anspruch wird an ver-

631

Vgl. Davis 2004.

632

Die Analyse von America’s Army unter verschiedenen Gesichtspunkten oder Dimensionen schlägt David B. Nieborg vor. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an Nieborgs Vorschlag: „By analysing the production, distribution, the game itself and its reception I will propose four different dimensions of the game, being a recruiting tool, an edugame, a test bed and tool, and a propagame“ (Nieborg 2005, S. 82; vgl.

Nieborg

2004,

URL:

http://www.gamespace.nl/content/ISAGA_Nieborg.

PDF [06.05.2012]). Nieborgs Unterscheidung zwischen „recruiting tool“ und „propagame“ wird in der vorliegenden Arbeit unter dem Gesichtspunkt der ‚Werbung‘ zusammengefasst. 633

Zum Themenfeld des Advergames vgl. Marolf 2007.

634

„ [T]he different branches within the U.S. military have become distinctive brands, all with accompanying slogans, logos and a vast marketing apparatus“ (Nieborg 2005, S. 85). „As of 2001 it was possible to ‚Accelerate Your Life‘ in the U.S. Navy or to ‚Cross into the Blue‘ by joining the U.S. Air Force“ (ebd., S. 90).

635

„The Army did have a requirement: that the game be played absolutely straight, as an honest representation of the service, especially regarding ethics, codes of conduct,

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schiedenen Aspekten des Game Design deutlich. So kann der Spieler beispielsweise im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Shootern wie Counter-Strike die Waffe nicht frei wählen. Stattdessen korrespondiert die Wahl der Waffe mit der Einheit, in der sich der Spieler befindet, und ist an diese gebunden. Das Verhalten der Schusswaffen ist aus ballistischer Perspektive ebenfalls authentischer als in anderen Shootern. Unbedacht abgefeuerte Schüsse sind häufig unpräzise und die Waffen leiden hin und wieder unter einer Ladehemmung, die der Spieler fachmännisch zu lösen hat. Bei einer Verletzung läuft die Figur des Spielers Gefahr, Blut zu verlieren, was durch die Behandlung eines Sanitäters unterbunden werden kann. Die Besonderheit einer solchen medizinischen Ersthilfe besteht darin, dass ein Sanitäter etwaige Blutungen zwar stillen, aber nicht vollständig heilen kann. Vor dem hier beschriebenen Hintergund von America’s Army als Werbespiel lässt sich die Werbebotschaft auch als propangadistisch deuten. Da America’s Army die Werbebotschaft der U.S. Army verbreitet, Teil einer Marketing-Kampagne ist und zum Ziel hat, Interesse bei potenziellen Rekruten zu wecken, kann es auch als politisches Propagandainstrument bezeichnet werden.636 Die interne Bezeichnung des Spiels als Tool for Strategic Communication unterstreicht die Rolle, auch politische und ideologische Überzeugungen zu transportieren.637 Der Slogan des Spiels

and professional expectations, and extending to accurate depiction of hierarchy, missions, weapons, equipment, uniforms, settings, discipline, tactics, procedure – in short, this was to be a game a platoon sergeant could play without wincing“ (Davis 2004a, S. 9). 636

David B. Nieborg verwendet dafür den Begriff propagame. Vgl. Nieborg 2004, URL: http://www.gamespace.nl/content/ISAGA_Nieborg.PDF [23.08.2012] sowie Nieborg 2005.

637

America’s Army ist nicht das einzige Computerspiel, das eine explizit politische Botschaft transportiert und als propangadistisches Mittel fungiert. Es gibt zahlreiche andere Beispiele wie etwa der 2003 von der Hisbollah publizierte Ego-Shooter Special Force, in dem gegen israelische Streitkräfte gekämpft wird. Vgl. die englischsprachige Website – archiviert bei Wayback Machine – unter der URL: http://web.archive. org/web/20050105091655/www.specialforce.net/english/indexeng.htm [09.12.2011]. Die vom syrischen Verlag Dar al-Fikr publizierten Shooter Under Ash (2001) und der Nachfolger Under Siege (2005) inszenieren den Kampf gegen Israel aus palästinensischer Sicht während der zweiten Intifada zwischen 1999 und 2002. Vgl. die Website mit englischsprachigen Informationen zu beiden Spielen unter folgender URL: www.underash.net [09.12.2011]. Vgl. zudem ein Interview mit Rawan Kasmiya von Akfar Media Damaskus, dem Entwickler des Spiels bei Telepolis: Hackensberger 2006, URL: http://www.heise.de/tp/artikel/22/22922/1.html [17.12.2011]. Under Siege war Teil der großen Game Art-Ausstellung Homo Ludens Ludens im LABoral

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lautet „Empower yourself. Defend Freedom“, was implizit mit dem Diskurs um den Euphemismus für den zweiten Irakkrieg – der Operation Iraqi Freedom – in Verbindung zu bringen ist. Ein Aspekt des Spiels, der deutlich macht, dass mit der Software auch eine spezifische Ideologie verbreitet wird, ist die Tatsache; dass sich das Spiel nicht nur an mögliche, neue Rekruten wendet, sondern via Distribution über das Internet potenziell die ‚gesamte Welt‘ als Publikum anspricht. Auf der Website lautet die sendungsbewusste Antwort auf die Frage, ob das Spiel auch außerhalb der USA gespielt werden kann: „There are no restrictions on who can play America’s Army. We want the whole world to know how great the U.S. Army is.“638 Die Botschaft der U.S. Army ist nicht auf die USA beschränkt, sondern international verbreitet. Studiert man die zu Grunde liegende Lizenzvereinbarung (EULA), der man beim Download des Programms zustimmen muss, fällt aber auf, dass entgegen dieser Aussage die weltweite Distribution in aller Deutlichkeit eingeschränkt ist. Dies macht die politische Brisanz der Software sichtbar. Das Spiel darf in mit den USA verfeindeten Staaten (Kuba, Libyen, Nordkorea, Iran, Syrien und Sudan) weder heruntergeladen, gespielt, besessen noch auf anderem Wege in diese Länder exportiert werden.639 Dies zeigt die realweltlichen Bezüge des Games in aller Deutlichkeit.

Centro de Arte y Creación Industrial in Gijón 2008 (vgl. Berger et al. 2008, S. 328331). 638

Offizieller FAQ zu dem Spiel auf den Supportseiten der Website www. americasarmy.com, erreichbar unter der URL: http://www.americasarmy.con/ aa/support/faqs.php?t=3 [08.12.2011].

639

„You may not download, use or otherwise export or re-export the Software or any underlying information or technology except in full compliance with all United States and other applicable laws and regulations. In particular, but without limitation, neither the Software nor any underlying information or technology may be downloaded, used or otherwise exported or re-exported (i) into (or to a national or resident of) Cuba, Libya, North Korea, Iran, Syria, Sudan and any other country to which the United States has embargoed goods or (ii) to anyone on the U.S. Treasury Department’s list of specially Designated Nationals or the U.S. Commerce Department’s Table of Deny Orders. By downloading or using the Software, you represent and warrant that you are not located in, under the control of or a national or resident of any such country or on any such list“ (EULA (End User Licence Agreement) unter: http://manual.americasarmy.com/index.php/I_agreed_to_the_America's_Army_EULA_when_I_installed_the_game_but_I_didn't_read_it._Can_I_read_it_now %3F [08.12.2011]). Auf einem Windows-PC, auf dem das Spiel installiert ist, findet sich die Lizenzvereinbarung unter C:\Program Files\America's Army\System\ ArmyGameEULA.rtf.

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Ein deutlicher Bruch des realitätsnahen Anspruchs mit der angeblich realistischen Simulation von Kampfhandlungen liegt in der Repräsentation von Verletzungen und den Auswirkungen von Gewalt, was ebenfalls auf einen propagandistischen Unterton deuten mag. Die äußere Erscheinung der Avatare verändert sich nie, auch nicht bei einer erlittenen Verletzung. Dass ein Avatar Blut verliert, wird lediglich durch einen blinkenden roten Punkt im Bild gekennzeichnet. In der rechten unteren Bildecke befindet sich als extradiegetisches Bildelement die Silhouette eines Soldaten (Abb. 37). Anhand der Farbe dieser stilisierten Figur lässt sich die gesundheitliche Verfassung des Avatars – gekennzeichnet mit grün, gelb bis rot – ablesen. Spuren von Gewalt werden demnach in Form von Icons und arbiträrer Zeichen kodiert. Die Darstellung von Verletzungen ist in dem Spiel vollständig ausgespart, obwohl auf nahezu allen anderen Ebenen des Game Design großer Wert auf Authentizität gelegt worden ist und das Spiel als ‚Simulation‘ beworben wird. Die Darstellung von Blut und schweren Verletzungen hätte aus Gesichtspunkten des Jugendschutzes eine Freigabe des Spiel ab 13 Jahren in den USA und 16 Jahren in Europa unterbunden. Durch die vordergründige Abwesenheit physischer Spuren von Gewalt wird hingegen das Bild eines sauberen Krieges entworfen.640 10.1.2.2 Didaktischer Anspruch von America’s Army Ein weiterer Aspekt von America’s Army, der neben Werbung und Propaganda realweltliche Bezüge aufweist, ist die Tatsache, dass das Spiel spezialisiertes Wissen vermittelt. Obwohl America’s Army nicht in erster Linie als Serious Game bzw. Lernspiel konzipiert worden ist, weist es doch didaktische Aspekte auf, die dem Spieler realweltliches Wissen vermitteln und es damit als wertvoll legitimieren sollen. Die Wahrnehmung von America’s Army als bloßes Schießspiel würde der Markenkommunikation zuwiderlaufen und einem „public relations disaster“ gleichkommen.641 Dementsprechend lautet die Werbestrategie der Produzenten von America’s Army: „not persuasion, but education.“642

640

„These games (America’s Army and other FPS games, DBN) may be ultra-realistic down to the calibre of the weapons, but when bullets hit flesh, people just crumple serenely in a heap. They’re like Tom Clancy novels made into episodes of the ATeam. No blood. No exit wounds. No screams” (O'Hagan 2004, URL: http://www.guardian.co.uk/technology/2004/jun/19/games.theguide

[10.12.2011]).

Vgl. auch Nieborgs Bemerkungen zu der Abwesenheit von Verletzungen und Blut in America’s Army: Nieborg 2004, URL: http://www.gamespace.nl/content/ISAGA_ Nieborg.PDF [23.08.2012] und ausführlicher Nieborg 2005, S. 174-177. 641

„All parties understood that setting the right tone was key to avoiding publicrelations disaster. The Army could not be perceived as celebrating trigger-happy

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Jeder Spieler, der sich in die Missionen einloggen möchte, muss zuvor als Einzelspieler obligatorische Trainingslevels absolvieren, bevor es überhaupt möglich ist, America’s Army als Shooter mit mehreren Kontrahenten zu verwenden.643 Dieses Training – im Game Design als Tutorial bezeichnet – lässt sich nicht überspringen oder auslassen und fungiert als integraler Bestandteil der gesamten Spielerfahrung.644 Das Training ist in vereinfachter Form der Ausbildung in der U.S. Army nachempfunden. So werden etwa die verschiedenen Waffen, mit denen die U.S. Army operiert, auch im Spiel thematisiert und implizites, theoretisches Wissen über deren Gebrauch vermittelt.645 Im Vergleich zu anderen Shootern sind diese Tutori-

Rambos, nor, by downplaying lethal force, be guilty of deceit and hypocrisy; must not pander to the testosterone of the demographic, yet must keep teens engaged; must avoid charges of jingoism, mesmerism, cynicism, cliché, exploitation of vulnerable youth, incitement to violence, or a hundred other incorrectnesses“ (Davis 2004a, S. 9). 642

Ebd.

643

„Prior to commencing multiplayer games, participants must complete Army basic training, which is modeled directly from the actual training bases used by the U.S. Army. Training includes obstacle courses, rifle and sniper ranges, weapons instruction and the U.S. Airborne School, complete with 250 ft jump tower. Players also proceed through Military Operations in Urban Terrain (MOUT) training complete with the Multiple Integrated Laser Engagement System (MILES), the military’s version of laser tag. Thus, in AA:O, even the simulators are simulated“ (Shilling et al. 2002, URL: http://www.movesinstitute.org/~zyda/pubs/ShillingGameon2002.pdf [09.12. 2011]).

644

Michael Nitsche macht darauf aufmerksam, dass schon kurz nach Veröffentlichung des Spiels die ersten Hacks aufgetaucht sind, die ein Umgehen der Trainingsphase ermöglichten (vgl. Nitsche 2008, S. 9).

645

Die Spieler von America’s Army werden mit implizitem Wissen über die Verwendung bestimmter Schusswaffen ausgestattet. „Besides training (motor) skills, all types of learning mentioned here are present in America’s Army, as well as the possibility to train all levels within the military. Tacit knowledge, the understanding of practices such as the reloading procedure of a M16A2 rifle, is gained by an ingame animation simulating a rifle reloading. According to the official FAQ, knowledge and information about basic rifle marksmanship does not teach young adults how to shoot a weapon, because ‚there is no way that manipulating a keyboard and mouse, as players do in the Army’s game, can provide vital cues on key elements of marksmanship‘” (Nieborg 2005, S. 129). Nieborg zitiert aus dem FAQ des Spiels. Ferner heißt es dort zur Vermittlung von Wissen über Schusswaffen und deren Gebrauch: „Even today, in an age when computer games are ubiquitous, teaching rifle marks-

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als sehr umfangreich. Verschiedene Rollen im Spiel, z.B. die eines Sanitäters oder eines Scharfschützen, müssen mittels gesonderter Trainingsmissionen freigespielt werden. Um die aktuelle Version des Spiels in der Rolle eines Sanitäters zu verwenden, ist es beispielsweise notwendig, vier verschiedene ‚Kurse‘ zu belegen, die u.a. Wissen über Erste Hilfe, Wiederbelebung und Schockbehandlung vermitteln.646 In einem Level dieses Medic Training blickt die Figur des Spielers in ein Klassenzimmer auf eine Leinwand. Auf dieser Leinwand werden innerhalb der virtuellen Umgebung Videos abgespielt, die echte Menschen – als Real Heroes bezeichnet – bei der Erklärung verschiedener Sachverhalte zeigen. Einer dieser Vorträge erklärt etwa die Verwendung eines Tourniquets zum Abbinden von Blutungen. Vor dem Gesichtsfeld des Spielers befindet sich ein Tisch, auf dem eine in dreidimensionaler Computergrafik nachempfundene Erste-Hilfe-Puppe liegt (Abb. 38). Als Simulation innerhalb der Simulation werden an der Puppe unterschiedliche Übungen vollzogen. In Form von Multiple-Choice-Tests wird darüber hinaus das vermittelte Wissen von einer am Rednerpult stehenden Figur wieder abgefragt.

manship is a major hurdle in basic training and a major element of Army refresher training for Soldiers in the force. If games taught Soldiers to become marksmen, Army training would be greatly simplified. However, games don’t teach our Soldiers how to shoot so we train them with real weapons and ammo on real rifle ranges. Games may simulate the real world but they do not recreate it. No one would believe that a child could master a racecar by playing a racing game. Likewise, clicking a mouse, as a player does in the Army game, will never teach a person how to shoot.“ Der FAQ zum Spiel ist erreichbar unter der URL: http://www.americas army.com/aa/support/faqs.php?t=9&z=69 [10.12.2011]. 646

Die offizielle Website des Spiels beschreibt das Training zur Game Role des Medic wie folgt: „America’s Army players have the option of participating in virtual medical training classes that teach them vital real-world lifesaving skills. In order to be qualified as an America’s Army Medic, players must pass 4 separate training courses at the virtual Brook Army Medical Center. These courses are the Airway Management class in which players learn how to administer medical attention to casualties that are not breathing; the Controlling Bleeding course that teaches how to treat wounded Soldiers and control blood loss; a Treating Shock class for learning how to treat casualties who are in shock; and the final course, the Field Test in which players must put their new skills to work under the same conditions they will experience in the game. Those individuals who successfully complete medical training will be able to assume the role of a Combat Medic. As a Combat Medic, players can earn extra points and contribute to their team’s success by administering medical aid to injured team members“ (Offizielle Website des Computerspiels America’s Army unter der URL: http://www.americasarmy.com/aa/intel/roles.php?id=3 [10.12.2011]).

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Abb. 38: Die Figur des Spielers befindet sich während des Medic Training in einem Klassenraum und hört den Vortrag des ‚Real Hero‘ Jason Mike im Video.

10.1.2.3 Experimentierfeld America’s Army Das Computerspiel suggeriert nicht nur, Wissen über die Aufgaben eines Soldaten zu transportieren, sondern wird auch intern zur Übung verwendet. Spezielle Versionen von America’s Army werden auch innerhalb der U.S. Army zu Trainingszwecken eingesetzt.647 So wird z.B. das korrekte Einschätzen von Distanzen anhand von Screenshots aus dem Spiel oder in der Spielumgebung selbst trainiert. Das Spiel wird auch als Experimentierfeld für die U.S. Army eingesetzt, indem das Game z.B. als Umgebung für Experimente genutzt wird, die der Frage nachgehen wie sich eine realitätsnahe Geräuschkulisse auf die Emotionen des Spielers und den Lernerfolg in

647

Vgl. Nieborg 2004, URL: http://www.gamespace.nl/content/ISAGA_Nieborg.PDF sowie Jean 2006, URL: http://www.nationaldefensemagazine.org/archive/2006/ February/Pages/games_brance3042.aspx [beide 09.12.2011]

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| 283

militärischen Simulationen auswirken kann.648 Auch neue Waffensysteme werden in America’s Army.649

10.2 T RANSFORMATIVE H ANDLUNGEN :

DEAD - IN - IRAQ

Der bewusst detailliert beschriebene Kontext von America’s Army mit seinen mannigfaltigen realweltlichen, politischen Bezügen wird von Joseph DeLappe in seiner Arbeit dead-in-iraq adressiert. Die Umgebung von America’s Army mit ihren ideologischen Implikationen wird als Bühne für die Performance verwendet. DeLappe loggt sich unter seinem Account mit dem Namen dead-in-iraq in eine Mission des Spiels ein und lässt seinen Avatar die Waffe von sich werfen. DeLappe beginnt, die Namen und Todesdaten von amerikanischen Soldaten in den Chat zu schreiben, die im Irakkrieg ums Leben gekommen sind. Das Kunstwerk dead-in-iraq hat als fortlaufende, prozessuale Performance im März 2006 begonnen. Im Laufe der Jahre hat DeLappe 4484 Namen und Daten in das Spiel eingegeben.650 Am 15. Dezember 2011, dem Tag des Abzugs der amerikanischen Streitkräfte aus dem Irak, lässt DeLappe im Internet verlauten, dass er das Projekt beendet hat (Abb. 39).

648

We discuss our research in terms of the parallel development in the MOVES Institute of the videogame ‚America’s Army: Operations‘, which we use as an experimental test bed and tool“ (Shilling et al. 2002, URL: http://www.movesinstitute.org/ ~zyda/pubs/ShillingGameon2002.pdf [09.12.2011]).

649

„During the development of America’s Army, new weaponry such as Pursuit Deterrent Munition (PDM), Bunker Defeat Munition (BDM) and the XM25 airburst grenade launcher, will be included into the public version of the game to test their use in the (virtual) field“ (Nieborg 2005, S. 140. Für einen ausführlicheren Überblick über America’s Army als Experimentierfeld vgl. S. 134-146).

650

DeLappe benutzt die Website icasualties.org als Quelle für seine Namensliste. Vgl. die

Website

des

Künstlers

unter

folgender

URL:

http://www.unr.edu/art/

DELAPPE/Gaming/Dead_In_Iraq/dead_in_iraq%20JPEGS.html [11.12.2011].

284 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

Abb. 39: Statusmeldung auf Joseph DeLappes Facebook-Profil vom 15. Dezember 2011 (mit Link zu einem Artikel der New York Times), in der er das Projekt deadin-iraq für beendet erklärt. Die Performance dead-in-iraq beginnt stets mit dem Ablegen der Waffe, die als theatrale Geste fungiert und die Verweigerungshaltung unterstreicht. Dann beginnt DeLappe damit, die Namen und Todesdaten der umgekommenen Soldaten in den integrierten Chat zu schreiben, der dem Game extradiegetisch ausgelagert ist. Das Prinzip von dead-in-iraq setzt sich demnach aus zwei unterschiedlichen Handlungen zusammen, die der Künstler innerhalb und außerhalb der Diegese des Spiels vollzieht: Das Niederlegen der Waffe bezieht sich auf die diegetische Relation des Spiels, während das Schreiben in den Chat aus der Diegese des Spiels ausgelagert ist und als extradiegetische Spielhandlung bezeichnet werden kann (vgl. Anm. 175 und Anm. 180). Innerhalb der Diegese ist nicht-regelkonformes Verhalten verboten und wird etwa mit Punktabzug bestraft. Verstöße gegen die Rules of Engagement von America’s Army werden entsprechend geahndet, im Extremfall durch den Ausschluss aus dem Spiel oder der Gemeinschaft, die sich um das Spiel rankt. 10.2.1 Inszenierung des gefallenen Soldaten Innerhalb der Diegese des Spielraums steht der Soldat nun unbewaffnet in einer kriegerisch umkämpften Gegend. In der Regel dauert es nur wenige Sekunden bis der Avatar tödlich getroffen wird und zu Boden fällt. Daraufhin erzeugt der Künstler mithilfe der virtuellen Kamera ein spezifisches Bild: America’s Army ist ein Ego-Shooter, der in der Erste-Person-Perspektive gespielt wird; das martialische

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Geschehen wird durch die angenommenen Augen des Avatars betrachtet und dargeboten. Wird der Avatar tödlich getroffen, fährt die virtuelle Kamera, die zuvor noch die subjektive Sicht des Avatars dargestellt hat, aus dem Körper der Spielfigur heraus und beginnt, über diesem zu schweben. Die Assoziation, dass die Seele im Zeitpunkt des Todes den Körper verlässt, kann sich dabei einstellen. Die subjektive Sicht des Spielers wird in diesem Moment von dem angenommenen Körper des First-Person-Avatars abgekoppelt, Spieler und Spiel treten auseinander, der Regelkreis aus Aktion und Reaktion ist unterbrochen – der Spieler sieht den leblosen Körper, durch dessen Augen er einen Augenblick zuvor die Spielwelt wahrgenommen hat, am Boden liegen. Der Spieler kann in diesem Moment die virtuelle Kamera noch bewegen und sich innerhalb der Umgebung umsehen. DeLappe richtet die Kamera auf den Körper des Avatars und erzeugt so das Bild eines gefallenen Soldaten – häufig aus einer für das Spiel ungewöhnlichen Perspektive – wie etwa extremer Aufsicht oder nah am Körper der Spielfigur (Abb. 40).651

Abb. 40: Nachdem Joseph DeLappes Spielfigur in America’s Army getroffen worden ist, komponiert der Künstler mithilfe der virtuellen Kamera das Bild eines gefallenen Soldaten. 10.2.2 Reibung an den Grenzen des Game: Gegen die Regeln gerichtete Handlung Im Mittelpunkt von dead-in-iraq stehen die durch menschliche Handlungen ausgelösten Prozesse innerhalb der audiovisuellen Raumzeitlichkeit des Computerspiels, die als Aufführungsraum verwendet wird. Die Handlungen innerhalb des virtuellen Spielraums, die Prozessualität der Arbeit und die daraus entstehenden sozialen Konsequenzen (Reaktionen der Mitspieler – positiv wie negativ) lassen Assoziatio-

651

Vgl. das Interview mit Joseph DeLappe in der Videodokumentation Returning Fire von Roger Stahl (Stahl 2011).

286 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

nen zu Grundprinzipien des Konzepts der Sozialen Plastik aufkommen. Auch der politische Protestcharakter des Werks trägt zu einer konzeptuellen Nähe bei.652 Bei Joseph DeLappes Werk dead-in-iraq handelt es sich demnach nicht um eine direkte Modifikation der Software oder Hardware, sondern um ein Beugen und Ausloten der spielerischen Ebene samt Regeln und Zielen (vgl. Kap. 2.2 sowie 2.3.4.3) in Form von inszenierten Handlungen. Das Regelsystem aus Programm-, Ziel- und Manipulationsregeln bleibt intakt. Die Army ist gegen die Herstellung von Modifikationen von America’s Army.653 DeLappe nutzt gewissermaßen den gesamten Kontext des Spiels als künstlerisches Material. Er umgeht das lizenzrechtliche Verbot der Modifikation, indem er innerhalb des Spiels agiert und sich den Game Space wie eine Bühne aneignet. Der Spielraum wird zum Träger außerspielerischer – hier des normativen Spielvollzugs entgegen gesetzter – künstlerischer Handlung. Protest gegen den Krieg findet innerhalb eines Kriegsspiels statt. 654 Die Subversion besteht darin, dass Joseph DeLappe das Spiel nicht spielt.655 Damit attackiert DeLappe die von dem Game transportierten impliziten Verhaltensregeln und die übergeordnete Handlungsmaxime (vgl. Kap. 2.3.4.3) . Er verweigert sich

652

Über den auf Joseph Beuys zurückgehenden Begriff bemerkt Barbara Lange: „Im ausdrücklichen Gegensatz zu einem allein formalästhetisch begründeten Verständnis schließt das von ihm [Beuys] propagierte Kunstkonzept ganz allgemein das menschliche Handlen mit ein, das auf eine Strukturierung und Formung der Gesellschaft [...] ausgerichtet ist. Damit wird Kunst nicht auf das materiell fassbare Artefakt beschränkt. Kunst ist hier vielmehr auch und vor allem die auf soziale Konsequenzen hin reflektierte Handlung. Beuys ist damit Teil der Bewegung, die mit einem dematerialisierten Kunstbegriff operiert und den Blick auf Prozesse lenkt“ (Lange 2002, S. 276).

653

„You agree not to modify, decompile, disassemble, or otherwise reverse engineer the Software“ (EULA (End User Licence Agreement) unter der URL: http://manual.americasmy.com/index.php/I_agreed_to_the_America's_Army_EULA _when_I_installed_the_game_but_I_didn't_read_it._Can_I_read_it_now%3F[08.12.2 011]). Auf einem Windows-PC, auf dem das Spiel installiert ist, findet sich die Lizenzvereinbarung unter C:\Program Files\America's Army\System\ArmyGame EULA.rtf.

654

Laut Angaben des Künstlers soll dead-in-iraq in erster Linie an die gefallenen Soldaten erinnern. Der Protest gegen den Krieg ist laut DeLappe zweitrangig. Vgl. den FAQ zu dead-in-iraq auf der Website des Künstlers unter folgender URL: http://www.unr.edu/art/DELAPPE/Gaming/Dead_In_Iraq/deadiniraqQandA.html [11.12.2011].

655

„The underlying rule system remains active but its use is subverted“ (Nitsche 2008, S. 10).

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den von dem Spiel verlangten Handlungsanforderungen, die wie bei anderen Shootern auch aus Zielen, Schießen und Treffen bestehen. Die Analyse des Ausgangsmaterials hat gezeigt, dass America’s Army mannigfaltige realweltliche Bezüge aufweist und damit eine Ideologie transportiert, die im Sinne der U.S. Army den Irakkrieg bewirbt und ein positives Bild von kriegerischen Handlungen entwirft. Dieser Kontext wird zur Bühne für DeLappes inszenierte Verweigerungshaltung. Darüber hinaus zweckentfremdet der Künstler die Chat-Funktion. Er verwendet diese nicht wie intendiert, um sich mit anderen Spielern auszutauschen, sondern sie wird zu einem einseitigen Kommunikationskanal und einer Stimme, die zur Erinnerung aufruft. Die Tatsache, dass dadurch eine lange Liste mit den Namen von Toten entsteht, rückt die Arbeit in die Nähe von Kriegsdenkmälern, die eine Namensliste zur Schau stellen; wie etwa das Vietnam Veterans Memorial in Washington, D.C. oder das World Trade Center Memorial.656 Hier liegt aber auch ein wesentlicher Unterschied: Die Chat-Kommunikation ist prozessual und flüchtig; der virtuelle Raum des Spiels existiert nur für einen bestimmten Zeitraum, indem er in der Verbindung von Servern, Hardware, Software und den Handlungen der Mitspieler zum Zwecke des Spielvollzugs konstituiert wird und genauso wieder ‚abgeschaltet‘ werden kann. Ein Denkmal wie das Vietnam Veterans Memorial dagegen muss zum Erinnern und Gedenken Nachhaltigkeit besitzen, was gewiss auch durch die Materialität massiven Granits transportiert wird. Die Namen der Toten werden in Stein gemeißelt. Das Monument ist für die Ewigkeit gemacht. Im Gegensatz zu architektonischen und plastischen Werken schreibt DeLappe metaphorisch Geschichte fort.

656

Auf DeLappes Website ist zu lesen, dass der Wettbewerb für das World Trade Center Memorial im Jahre 2003 ein Impulsgeber und Inspiration für die Konzeption von dead-in-iraq gewesen sein soll. Das Vietnam Veterans Memorial gibt DeLappe ebenfalls als Inspirationsquelle an: „In 2003 there was an international call for ideas for the design for a memorial for the 9/11 site that resulted in 5,210 proposals. I was alternately struck by the outpouring of ideas for this particular context, while at the same time wondering just what the memorial to those soldiers dying in the war in Iraq might eventually be. I was also wondering if there would ever be a memorial to the many thousands of innocent civilians to die in the war in Iraq - but I digress. Much of my inspiration to engage in this project came from thinking about Maya Lin’s incredibly powerful Vietnam Veteran’s Memorial in Washington DC“ (Website des Künstlers unter folgender URL: http://www.unr.edu/art/DELAPPE/Gaming/Dead_ In_Iraq/deadiniraqQandA.html [11.12.2011]).

288 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

10.2.3 Die Störung der Einfühlung: Verfremdungseffekt als künstlerische Strategie Die Verschiebung des Computerspiels von der Transparenz zur Opazität (vgl. Kap. 6) lässt sich im Falle von dead-in-iraq – da es sich um eine Performance handelt – adäquat mit einem Begriff aus der Theatertheorie Bertolt Brechts bezeichnen. Es handelt sich bei DeLappes Intervention im Game Space um eine Inszenierungsstrategie, die als Verfremdungseffekt von Bertolt Brecht im Rahmen der Theorie des Epischen Theaters entwickelt worden ist.657 Verfremdungseffekte zielen auf eine Bewusstmachung der medialen Rahmenbedingungen der Aufführung, z.B. durch ein selbstreflexives Thematisieren der aufgeworfenen Diegese durch das Durchbrechen der Vierten Wand (vgl. zu Vierten Wand bezogen auf Computerspiele Anm. 392).658 Verfremdungseffekte sind medientheoretisch mit der Hervorkehrung der medialen und apparativen Bedingungen des Computerspiels eng verwandt.659 Deadin-iraq entlarvt so die Bedingungen und die Mechanismen des Computerspiels, indem DeLappe sich innerhalb der Spielwelt entgegen der Regeln verhält. Rezeptionsästhetisch wird die willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit auf Seiten der anderen Spieler durch einen Verfremdungseffekt verletzt.660 Der Brecht’sche V-Effekt richtet sich gegen das Konzept der Einfühlung des Aristotelischen Theaters. Der Begriff der Einfühlung korrespondiert medientheoretisch aufs Engste mit dem Be-

657

Vgl. Brecht 1967.

658

„Anderseits kann eine Aufführung – und hierfür steht paradigmatisch das Theater Bertold Brechts [sic!]– den theatralen Rahmen und seine Mechanismen entlarven und den ZuschauerInnen bewusst machen, dass sie sich im Theater befinden. Einen solchen Prozess beschreibt der Begriff ‚hypermediacy‘. Wird im Fall der unmittelbaren Transparenz (transparent immediacy) die Medialität der Aufführung ausgeblendet und verneint, so sie wird sie im Fall der ‚hypermediacy‘ ausgestellt und gezeigt“ (Mirčev 2011, S. 25).

659

Für den Bereich des Game Design hat Gonzalo Frasca die Möglichkeiten, auf Transparenz zielende Design-Konventionen mittels Brecht’scher V-Effekte herauszufordern und kritisch zu hinterfragen, schon 2001 angesprochen. Vgl. Frasca, Gonzalo: Rethinking Agency and Immersion: videogames as a means of consciousness-raising. Siggraph

2001

Conference,

Los

Angeles,

2001,

http://www.siggraph.org

/artdesign/gallery/S01/essays/0378.pdf [06.12.211]. 660 Hier ist das Konzept der willing suspension of disbelief von Samuel Taylor Coleridge adressiert, das sich auf die Bereitschaft des Rezipienten bezieht, die Vorgaben eines Werkes der Fiktion vorübergehend zu akzeptieren (vgl. Coleridge 1817).

D EAD - IN - IRAQ : D IE S PIELWELT ALS B ÜHNE

| 289

griff der Transparenz (vgl. Kap. 6).661 In diesem Zusammenhang könnte man das Streben aktueller Computerspiele zur Unmittelbarkeit und den Eskapismus vieler Spiele theatertheoretisch als aristotelisch bezeichnen. Dieses aristotelische Konzept des Computerspiels und die damit zusammenhängenden „traditional Aristotelian design conventions“662 der Unmittelbarkeit können mittels Brecht’scher Verfremdungseffekte herausgefordert und kritisch hinterfragt werden – was im Falle von dead-in-iraq geschieht. 10.2.4 Konsequenzen der Verfremdung: Der Performer als Spielverderber Die Verfremdung der Spielwelt richtet sich dabei an die anderen Spieler als Publikum, die sich verkörpert durch ihre Avatare innerhalb des Game Space aufhalten. Die Namen der tatsächlich gefallenen Soldaten sind ein Fremdkörper in der Diegese des Spiels: DeLappe führt ein realweltliches Element in die hyperreale Spielwelt ein, was zu einem Bruch der Diegese führt.663 Die Grenzen der abgeschlossenen fiktionalen Spielwelt werden bewusst durch dieses realweltliche Element attackiert.664 Der Verweis auf die außerspielerische Realität des Krieges samt seiner Konsequenzen stört auf narrativer Ebene die Diegese. Sowohl die rezeptionsseitige

661

Arthur C. Danto bringt die aristotelische Einfühlung, die dem Brecht’schen Verfremdungseffekt entgegen steht, mit der Transparenztheorie in Verbindung: „Es gibt entsprechende Ideologien z.B. in den darstellenden Künsten, wenn etwa die Schauspielerin bei der vollständigen Realisierung ihrer Kunst als sie selbst verschwinden sucht, zur Glasscheibe wird, auf die das Bild der Phädras so eindrucksvoll projiziert wird, daß die Zuschauer unter Berücksichtigung sprachlicher Parallaxen glauben, sie sähen auf der zwar wirklichen, aber ebenso verschwindenden Bühne der Comédie genau das, was sie in Theben gesehen hätten.“ (Danto 1984, S. 233).

662

Frasca 2001, URL: http://www.siggraph.org/artdesign/gallery/S01/essays/0378.pdf [11.12.2011].

663

„[I]nserting very ‚real‘ written content into these ‚hyper-real‘ environments. By imposing highly charged poetry or political speech into these games – it is a quiet gesture of significant language into an overwhelmingly, escapist visual environment“ (Casolari 2006, S. 125).

664

„Your performances break the players’ illusion of what is commonly called ‚the magic circle‘, the idea that game-spaces are somehow sacred and separated from ‚real life‘. You deliberately break this fantasy, making the players aware of the reality that lies outside the simulation“ (Jansson 2010, URL: http://www.gamescenes.org/ 2010/05/interview-with-joseph-delappe-a-pioneer-of-on-line-performancewhen-didyou-start-to-use-on-line-gaming-for-your-performances.html [23.08.2012]).

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Immersion in die Spielwelt als auch die mediale Transparenz des Computerspiels erfahren so eine erhebliche Störung. Die Gebärde des Spielverderbers, das Nichtspielen bzw. die Verweigerung, Spielhandlungen regelkonform auszuführen, tragen zur Opazität der medialen Erfahrung bei. Die Störung der Einfühlung bei dead-in-iraq hat konkret zur Folge, dass die Medialität des Computerspiels ins Bewusstsein der Mitspieler rückt und die medialapparative Ebene des Spiels opak wird (vgl. Kap. 6). Gleichzeitig wir der realweltliche Kontext des Irakkriegs deutlich. DeLappes Mitspieler fühlen sich von seinem Verhalten gestört, obwohl er nicht direkt in die Spielhandlung eingreift, sondern dies über ein extradiegetisches Element – nämlich den Chat – vollzieht. DeLappes Mitspieler reagieren teilweise zornig und beginnen, den Künstler zu beschimpfen. Immer wieder insistieren DeLappes Mitspieler darauf, dass es sich bei America’s Army doch ‚nur‘ um ein Spiel handelt, das von der Realität abgekoppelt sei.665 Dem steht das Design-Konzept entgegen, das das Game als möglichst authentische, ‚realistische‘ Simulation bewirbt. Die realweltlichen Bezüge und der politische Kontext des Spiels werden von vielen Mitspielern rezeptionsseitig interessanterweise angeb-

665

Vgl. zu den Reaktionen der Mitspieler das Interview in der Dokumentation von Roger Stahl Returning Fire (Stahl 2011). In dem Interview weist DeLappe insbesondere darauf hin, dass viele Mitspieler darauf bestehen, es handele sich bei America’s Army doch nur um ein Spiel. Vgl. auch die Diskussion in den Kommentaren zu DeLappes Dokumentation

auf

YouTube

unter

der

URL:

http://www.youtube.com/

all_comments?v=VTnuUMM7frk [11.12.2011]. Daraus sei stellvertretend Kommentator namens „R31ncarnated“ zitiert, der den realweltlichen Kontext des Spiels zu negieren versucht: „It may just be me, but I honestly don’t see AA as more of a game. I’m a regular on the game myself, and pretty much find all stereotypes towards AA (and gamers) false. Have a great social life, great academics, no desire to join the army whatsoever, plans for college, etc.“ In einem Interview mit Mathias Jansson bemerkt DeLappe zu den Reaktionen: „Reactions to my work have been most fierce within the context of the ongoing project, ‚dead-in-iraq‘, commenced in 2006. Other players routinely insult me, demand to know why I am doing what I am doing and are generally very hostile. There have, however, been instances of other players defending my actions, saying things like ‚what is wrong with what he is doing?‘ I even know of two players who at one point decided to stand in front of my avatar and take bullets so that I could continue my reading. What has been very interesting and unexpected has been engaging in debates on the internet outside of the game proper.“ (Jansson 2010, URL: http://www.gamescenes.org/2010/05/interview-with-josephdelappe-a-pioneer-of-on-line-performancewhen-did-you-start-to-use-on-line-gamingfor-your-performances.html [12.12.2011]).

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| 291

lich ausgeblendet und durch DeLappes Handlung entgegen ihren Willen deutlich ins Bewusstsein gerückt. Indem sich der Künstler nicht entprechend der Regeln verhält – diese gar ignoriert, tritt der Performer gegenüber seinen Mitspielern als Spielverderber auf.666 Dieser hat keinerlei Interesse an dem Spiel und dem von diesem aufgeworfenen,

666

Salen und Zimmerman definieren den Spielverderber als einen von fünf grundsätzlichen Spielertypen, die sie in Verbindung mit dem Brechen von Regeln bringen und diese dazu ins Verhältnis setzen. Sie bezeichnen den Spielverderber als nihilistischen Spielertyp, der keinerlei Interesse am Spielvollzug hat. Sie unterscheiden: Standard player, dedicated player, unsportsmanlike player, cheater [Mogler] und spoil-sport [Spielverderber]. „The standard player is the typical rule-following player that obeys the restrictions of the game and possesses the lusory attitude. Even if the standard player is a theoretical fiction, it is important to acknowledge this player position, which stands in contrast to the other four types. A dedicated player is similar to the standard player but has an extra zealousness toward succeeding at a game. The dedicated player follows the rules, is interested in winning, and possesses the lusory attitude. Unsportsmanlike players violate the implicit rules of a game without actually breaking operational rules. Their strong interest in winning gives them license to violate rules of etiquette and proper game behavior. Cheaters break operational rules of a game in order to win. Cheating players thus possess a strong interest in winning, but will forgo the normal means of achieving victory. Acknowledging that other players can invoke the authority of the rules, cheaters break rules secretly. A spoil-sport is a player that refuses to acknowledge the authority of a game in any way. These nihilistic players do not hesitate to destroy the magic circle of a game. The five player types are not always distinct. During a single game, a player can move from one category to another. The same behavior in different contexts can fall into different player categories. A degenerate strategy or exploit is a way of playing a game that ensures victory every time. Dedicated players and unsportsmanlike players make use of degenerate strategies. In general, degenerate strategies are detrimental to a game. However, within a community of players, degenerate strategies can sometimes act to expand the space of possibility. There are many examples of the integration of rulebreaking into game design and player experience, including professional sports, digital games, and games that sanction cheating such as Illuminati. Game designers need to recognize that rule-breaking is a common phenomenon in gaming and incorporate it into their game design thinking. One solution, which comes from the New Games Movement, is to empower players to be more like game designers by creating games with rules that are meant to broken and modified“ (Salen/Zimmerman 2004, S. 284f.).

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geschützten Zauberkreis (vgl. zum Konzept des Zauberkreises Anm. 60).667 Schon bei Johan Huizinga heißt es zur Figur des Spielverderbers 1939: „Dadurch, dass er sich dem Spiel entzieht, enthüllt er die Relativität und die Sprödigkeit der Spielwelt, in der er sich mit den anderen für einige Zeit eingeschlossen hatte. Er nimmt dem Spiel die Illusion, die inlusio, buchstäblich die Einspielung – ein bedeutungsschweres Wort!“668

Medientheoretisch ausgedrückt stört der Spielverderber die Transparenz des Computerspiels. Spezifischer – in einer theatertheoretischen Wendung – ist anzumerken, dass im Aristotelischen Theater die Einfühlung – hier: inlusio – nicht nur das Publikum sondern auch den Schauspieler betrifft.669 Der Performer DeLappe beugt sich aber nicht dieser Einfühlung, sondern agiert als „Abgesandter aus der Welt außerhalb des Spiels“, indem er das Spiel ignoriert und realweltliche Tatsachen in den geschützten Raum des Spiels einführt.670 Durch dieses Verhalten wird das Spiel verändert. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, eine Definition des Spielens [play] in Erinnerung zu rufen: „Play is free movement within a more rigid structure”671 . Das Verhalten des Performers verändert diese feste Struktur – das game–, weshalb DeLappes Verhalten spieltheoretisch als transformatives Spielen bezeichnet werden kann (vgl. Kap. 2.2.3.2).672 In dead-in-iraq wird eine künstlerische Strategie verfolgt, die sich als nicht-konforme Handlung innerhalb des Materials gegen die üblichen, regelkonformen Handlungen innerhalb der Spielräume richtet und dadurch die außerspielerische Realität und Qualität eines Kriegsspiels wie America’s Army opak zu Tage treten lässt. Im Sinne der Strategien des Countergaming (vgl. Kap. 4.3.1) ist hier die Kritik angebracht, dass es sich bei DeLappes Handlungen

667

„His destruction of the game does not require concealment, because the rule structure that would condemn his action as illegal is exactly the authority the spoil-sport wishes to undermine“ (ebd., S. 275). Zum Begriff des Spielverderbers vgl. außerdem Fuchs 2010.

668

Huizinga (1939) 1987, S. 20.

669

„In theater, immersion does not only affect the spectators, but performers, too“ (Frasca 2001, URL: http://www.siggraph.org/artdesign/gallery/S01/essays/0378.pdf [06. 12.211]).

670

Mathias Fuchs bezieht sich auf Katie Salen und Eric Zimmerman, die den Spielverderber als „representative of the world outside the game“ bezeichnen (Fuchs 2010, S. 173; Originalzitat bei Salen/Zimmerman 2004, S. 275).

671

Salen/Zimmerman 2004, S. 304.

672

„Transformative play is a special case of play that occurs when the free movement of play alters the more rigid structure in which it takes shape“ (ebd., S. 305).

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| 293

innerhalb der Spielwelt um ein Verhalten handelt, dass sich gegen das Gameplay wendet und es schließlich negiert, anstatt eine echte – spielerische – Alternative aufzuzeigen.

11. SOD: Vom ungegenständlichen zum unspielbaren Spiel

Das folgende Kapitel widmet sich zuvordererst dem Kunstwerk SOD (1999) des niederländisch-belgischen Künstlerpaares JODI (Joan Heemskerk, *1968 und Dirk Paesmans, *1965). Als Abschluss des Kapitels und als argumentativer Schlusspunkt der vorliegenden Arbeit wird zudem das Kunstwerk Arena eingebracht, das Teil von JODIs Serie Untitled Game (1998-2001) ist. Bei SOD handelt es sich um ein Kunstwerk, anhand dessen die Strategien, Gegenentwürfe zu kommerziellen Computerspielen zu entwickeln, besonders deutlich hervortreten. Die interaktive Modifikation SOD, die auf dem Game Wolfenstein 3D (id Software, 1992) basiert, überführt die auf Transparenz angelegte Bildwelt dieses Ego-Shooters in Ungegenständlicheit und kehrt so seine mediale und apparative Seite opak hervor (Abb. 41). Die ungegenständlichen, schwarz-weißen Formen, die wie Glitches die Assoziation der Bildstörung evozieren673, überlagern die narrative Ebene des Gameplay, so dass das Spiel zu einem Spiel mit dem Bild selbst wird. Die Ungegenständlichkeit der visuellen Oberfläche versperrt den Blick in die darstellerische Spielwelt, was dazu führt, dass die Software für ungeübte User zu einem paradoxen Artefakt werden kann – einem unspielbaren Spiel, das sich seiner normativen, konventionellen Be-

673

„Das Paradigma des Defekts hat auch bei den künstlerischen Modifikationen von Computerspielen eine Rolle gespielt, wenn auch interessanterweise eine wesentlich geringere als bei Netz- und Softwarekunst. Die Störung – oder sollte man sagen: die kreative Abwandlung? – steht dabei vor allem bei Arbeiten im Mittelpunkt, die sich genau darauf konzentrieren, die genuine Bildlichkeit von Games als ‚visuellen Rohstoff‘ zu benutzen [...]“ (Baumgärtel 2003b, URL: http://www.medienkunstnetz.de /themen/generative_tools/game_art/scroll/ [06.10.2010]).

296 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

dienung entzieht.674 Diese Widersprüchlichkeit zeigt sich schließlich deutlich an Arena.

Abb. 41: Wolfenstein 3D und SOD im Vergleich Anhand von SODs Bedienung, wird ein wichtiger Unterschied zu Super Mario Clouds deutlich (vgl. Kap. 9) auf den es hinzuweisen gilt. Cory Arcangels Arbeit ist auch ein unspielbares Spiel, das in Form einer Negation des Ausgangsmaterials jegliche interaktive Benutzung einbüßt und nur betrachtet werden kann. SOD ist aber interaktiv. Es lässt sich benutzen – aber nicht mehr in der intendierten Weise zum Zwecke des Spiels Wolfenstein 3D verwenden. SOD bietet zunächst Handlungsan-

674

Unspielbare Spiele gibt es schon vor künstlerischen Computerspielmodifikationen in der Kunstgeschichte. Vgl. Alberto Giacometti (*1901-†1966): Circuit (1931) (vgl. Flanagan 2009, S. 90 sowie das Kapitel Artists and Surreal Games, S. 88-94).

SOD: V OM UNGEGENSTÄNDLICHEN ZUM UNSPIELBAREN S PIEL

| 297

gebote an und unterläuft diese in der Folge. Demnach handelt es sich bei SOD um eine Deprivation, die die Funktionsweise des Computerspiels hervorkehrt und damit auch das Gameplay kritisch reflektiert (vgl. Kap. 4.3.1). JODI haben einen künstlerischen Hintergund in der Netzkunst der 1990er Jahre und gehören zu den Protagonisten dieser Gattung.675 Die bestimmende künstlerische Strategie ihrer Netzkunstarbeiten ist ebenfalls die Hervorkehrung von Opazitäten beispielsweise durch simulierte Systemabstürze, inszenierte Störungen in Webbrowsern oder vorgetäuschten Computervirenbefall (vgl. u.a. OSS••••, 1998; %Wrong Browser, 2000-01).676 Horst Bredekamp zieht – am Beispiel von JODI – eine Parallele zwischen Videokunst und Netzkunst, die in der Hervorkehrung von Opazitäten durch Störung liegt: „Ähnlich wie die Videokunst gegenüber dem Fernsehen, versuchte die ‚Netzkunst‘, der sich die Kunstgeschichte gleichsam in Echtzeit gewidmet hat677, das eigene Medium durch Störung und Intensivierung zu beleuchten. Hierzu gehören etwa crashsites wie jodi.org [...].“678 Diese kritische, nahezu aufklärerische Haltung gegenüber neuen Medien679, die sich in den Gegenent-

675

In diesem Kapitel (11) stehen JODIs Computerspielmodifikationen – insbesondere SOD – im Mittelpunkt. Zu JODIs Arbeiten aus dem Bereich der Netzkunst vgl. Baumgärtel 1998, Cramer 2002.

676

Zu JODIs Netzkunstarbeiten als vorgetäuschte Störung bemerkt Florian Cramer: „Tatsächlich sind diese Übertragungsstörungen in den Daten selbst simuliert. Im Gegensatz zu Nam June Paiks störmanipulierten Fernsehern aus den 1960er Jahren spielen JODIs Störungen sich nicht in der Hardware und mit oft unvorhersehbaren Resultaten ab, sondern sind clevere Vortäuschungen von Unvorhersehbarkeit auf SoftwareEbene“ (Cramer 2002, S. 21).

677

Vgl. Kerscher et al. 1998.

678

Bredekamp 2008, S. 367.

679

Andreas Broeckmann, Leiter der Berliner Transmediale im Jahr 2001, auf der erstmals ein Preis für künstlerische Software vergeben worden ist, sieht in der Hervorkehrung der Opazitäten ein aufklärerisches Moment. In einem Auszug aus einem Interview mit Bildwelten des Wissens formuliert er diese Haltung aus: „Bildwelten: Der Impetus eine solche Arbeit zu prämieren [Adrian Ward, *1976: AutoIllustrator, 2001-02], wirkt wie der Versuch, in durchaus aufklärerischem Sinn die Augen dafür zu öffnen, was sich hinter den ‚glatten Oberflächen‘ kommerzieller Produkte verbirgt. Die von Ihnen beschriebenen Projekte betonen immer wieder parasitäre, piratenhafte oder inversive Angriffe auf Strukturen. Sie fördern demnach die Bestimmung des Künstlers als eines aufklärerischen Störenfrieds. Andreas Broeckmann: Das aufklärerische Moment beruht für mich zuerst darin, überhaupt bewusst zu machen, wie Software funktioniert. Dies lässt sich tatsächlich über eine Störung besser vermitteln als in der Eins-zu-Eins-Begegnung. [...]. Aus meiner Sicht geht es bei der

298 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

würfen, Opaziäten und Versperrungen zeigt, lässt sich auch im Bereich künstlerischer Computerspielmodifikation nachweisen, wie die voran gegangenen Analysen ausführlich gezeigt haben. Das Kunstwerk SOD führt dies zusammenfassend in besonders anschaulicher Form vor, weshalb dieses Kunstwerk in Verbindung mit Arena aus der Serie Untitled Game (1998-2001) den Schlusspunkt in der Argumenation der vorliegenden Arbeit bildet. In einem Interview äußern sich Joan Heemskerk und Dirk Paesmans zu ihrem künstlerischen Ansatz und fassen mit ihren Worten zusammen wie sie die angestrebte Transparenz des Computerspiels hin zu Opazität verschieben: „What our interest in modifying the game was, was that we always worked in the style of abstraction. Games in general are the total opposite from that. They have a narrative and they are very figurative [...] what we wanted to do was in general to erase the story and the figurative site of this games. The starting idea was to find very basic forms like just a line or a square, just black and white, and attach these forms to the behaviour of the code so that we would have a better view on how such a game is driven, what are the dynamics of the game. So it’s bringing those games back to the abstract dynamics of it and we were also trying to find out a little bit, how they do create the so called 3-D space. That’s the whole trick of these games, that they are perspective engines.“680

Kapitel 11.1 nimmt zunächst das Ausgangsmaterial Wolfenstein 3D (id Software, 1992) in den Blick. Die vorgeschaltete Betrachtung des Ausgangsmaterials Wolfenstein 3D (id Software, 1992) nimmt im Folgenden weniger Raum ein als bei den vorangegangenen Analysen (Kap. 7-10). Durch die eingängige Beschreibung und Analyse von Doom, Quake III Arena und America’s Army ist die Spielform des Ego-Shooters bereits in aller Ausführlichkeit zum Thema geworden (vgl. Kap. 7.1, 8.1, 10.1). Dennoch ist es wichtig, die Hauptmerkmale des Spiels in die Arbeit einzubringen, um die Aspekte der darauf basierenden Modifikation und die künstlerischen Verschiebungen herauszuarbeiten und sichtbar werden zu lassen. Ein Hauptmerkmal ist die herausragende Rolle, die Wolfenstein 3D in der Computerspielge-

kritischen, künstlerischen Auseinandersetzung mit Technologien weniger darum ‚das Parasitäre‘ oder ‚das Destruktive‘ zu glorifizieren oder Widerständiges zu manifestieren. Viel entscheidender ist das Moment der Vermittlung von Medienkompetenz, die über die Störung gewohnter Abläufe zu erfahren ist“ (Pratschke et al. 2005, S. 87f.). 680

Francis Hunger gibt auf seiner Website den Entstehungszeitraum des Interviews mit „September

2003“

an.

Vgl.

die

URL:

http://www.irmielin.org/wp-con

tent/uploads/2012/01/jodi_games.pdf [26.04.2012]. Das Interview wird 2007 in Clarke und Mitchells Sammelband Videogames and Art abgedruckt. Hunger 2007, S. 152-160, hier S. 153ff.

SOD: V OM UNGEGENSTÄNDLICHEN ZUM UNSPIELBAREN S PIEL

| 299

schichte einnimmt. Das Spiel gehört mit Catacomb 3-D (id Software, 1991) und Doom (id Software, 1993) zur Gruppe der ersten genrebildenden, klassischen EgoShooter. Die computerspielhistorische Rolle des Spiels Wolfenstein 3D wird in Kapitel 11.1.1 skizziert. Die Annahme, es handele sich bei Wolfenstein 3D um den ersten Ego-Shooter wird im Zuge dessen relativiert. Kapitel 11.1.2 geht auf die von dem Game vorgeführte audiovisuelle Oberfläche ein, die sich durch zwei hauptsächliche Aspekte auszeichnet: Zum einen steht das Spiel prototypisch für extreme Gewaltdarstellungen in Actionspielen und zum anderen zeigt es nationalsozialistische Symbole, was in der BRD 1992 einem Tabubruch gleichkam und 1994 eine Beschlagnahmung provozierte. Kapitel 11.1.3 widmet sich dem von Wolfenstein 3D vermittelten Raumeindruck, der Anfang der 1990er Jahre eine Innovation darstellte und Computerspielen eine neue als ‚realistisch‘ gekennzeichnete, dritte Dimension verlieh, indem das Spiel suggeriert, dass sich der Spieler in den Bildraum hineinbewege und sich diesen durch Durchquerung aneignen könne. Kapitel 11.2 fokussiert das Kunstwerk SOD. In einem historischen Vorspann wird zunächst bestimmt, wann sich JODI der künstlerischen Computerspielmodifikation widmen. SOD wird dabei als eine der frühesten Auseinandersetzungen mit Games in JODIs Œuvre positioniert. Davon ausgehend werden die Art und die Ansatzpunkte der Modifikation identifiziert. JODI arbeiten an der Ebene des Quellcodes. Hier wird ein aleatorisches Moment in SOD deutlich, da nicht immer vorhersehbar ist, welche Ergebnisse eine Codemodifikation nach sich ziehen kann (Kap. 11.2.1). Durch die Modifikation des Codes hat sich die visuelle Oberfläche des Ausgangsmaterials Wolfenstein 3D radikal verändert und ist in Ungegenständlichkeit überführt worden. Die spezifische Bildlichkeit von SOD wird daraufhin en detail untersucht, wodurch sich zeigt, dass JODI die Techniken und Bedingungen des Computerspiels offen legen (Kap. 11.2.2). In Kapitel 11.2.3 werden die Konsequenzen aufgezeigt, die die Modifikation nach sich zieht. Die KünstlerInnen haben nur die visuelle Oberfläche des Spiels verungegenständlicht: Die Ebenen des Tons und der Spielregeln bleiben unverändert. Dennoch hat die abstrakte Oberfläche indirekten Einfluss auf das Regelwerk des Spiels: Eine konventionelle Verwendung von SOD im Sinne des Ego-Shooters Wolfenstein 3D (Regelkomplex: Zielen, Schießen, Treffen) grenzt an Unmöglichkeit, wodurch das Kunstwerk in die Nähe eines paradoxen, unspielbaren Spiels gerückt wird. Das Spiel wird zu einem Spiel mit dem Bild als solchem, was einem konkreten Computerspiel gleichkommt, das nur sich selbst zum Thema hat. Dadurch konkretisieren sich die Handlungen, die während eines Computerspiels in einem Regelkreis aus Aktion und Reaktion immer wieder stattfinden. Kapitel 11.2.4 bringt das Kunstwerk Arena aus der Serie Untitled Game (1998-2001) von JODI in die vorliegende Arbeit ein, da es sich um eine konsequente Weiterentwicklung von SOD handelt und die radikale Widersprüchlichkeit eines unspielbaren Spiels deutlich vor Augen führen kann. Arena bildet auch den Schlusspunkt der Argumention der vorliegenden Arbeit. In Arena ist der

300 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

gesamte diegetische Bildraum des Ego-Shooters Quake (id Software, 1996) einer monochrom weißen Fläche gewichen, die wie eine getrübte Galsscheibe wirkt und ‚hinter‘ der sich das Game weiterhin abspielt. Diese Löschung verweist auf eine ikonoklastische Tendenz, die hyperrealistischen Computerspielbildern zu Eigen ist, nämlich im angestrebten Idealzustand der Transparenz ganz und gar aufzugehen und letztlich zu verschwinden (Kap. 11.2.5). Im Gegensatz zu diesem Transparenzstreben stehen die Kunstwerke in der vorliegenden Arbeit (Arsdoom, QQQ, Super Mario Clouds, dead-in-iraq und SOD), die diesem Verschwinden Opazitäten entgegen setzen und damit die Gemachtheit des Mediums Computerspiel und seiner Bilder hervorkehren.

11.1 A RCHETYPUS

DES

E GO -S HOOTERS : W OLFENSTEIN 3D

SOD basiert auf dem kommerziellen Computerspiel Wolfenstein 3D (id Software) aus dem Jahr 1992. Computerspielhistorisch kommt Wolfenstein 3D eine besondere Rolle zu, da es sich um einen der ersten weit verbreiteten Ego-Shooter handelt, der das Genre mitbegründet hat und gemeinhin als ein Archetypus dieser Spielform gilt. Wolfenstein 3D verfügt über den Regel- und Handlungskomplex aus Zielen, Schießen und Treffen (vgl. Kap. 7.1.1.1) in Verbindung mit der typischen zentralperspektivischen Bildanlage, die am unteren Bildrand über die Darstellung einer Hand bzw. Waffe verfügt (vgl. Kap. 7.1.1.2). Das Spiel handelt von der Durchquerung des Raums und dessen Aneignung durch Navigation. 11.1.1 Vom zweidimensionalen zum dreidimensionalen Computerspiel Diese grundsätzlichen Elemente des Ego-Shooters sind schon vorher vereinzelt in anderen Games angelegt: die subjektive Sicht findet sich z.B. schon in Maze War (Steve Colley, 1974), in Night Driver (Atari, 1976) und Battlezone (Atari, 1980). Die in den stufenlos, beweglichen Bildraum ragende Hand findet sich schon in Catacomb 3-D von 1991, das ebenfalls von id Software und den Urhebern John Romero und John Carmack stammt. Die Gruppe der Spiele Catacomb 3-D, Wolfenstein 3D und Doom markiert eine sich abzeichnende Wende vom zweidimensionalen zum dreidimensionalen Computerspiel in der Geschichte des Mediums, die sich zu Beginn der 1990er Jahre vollzieht (auch bedingt durch technische Erneuerungen wie die CD, mittels derer größere Datenmengen bearbeitbar werden).681 Im Gegen-

681

Wolfenstein 3D wird häufig als erster Ego-Shooter beschrieben. Maze War (1974), Night Driver (Atari, 1976) und Battlezone (Atari, 1980) gelten als Vorläufer hinsicht-

SOD: V OM UNGEGENSTÄNDLICHEN ZUM UNSPIELBAREN S PIEL

| 301

satz zu Catacomb 3-D werden Wolfenstein 3D und Doom als Shareware über das Internet verteilt, was durch Kopien zu weiterer Verbreitung und zu höherem kommerziellen Erfolg sowie größerer Bekanntheit führte.

lich der subjektiven Erste-Person-Perspektive. Zwei direkte Vorläufer von id Software sind in der Forschungsliteratur dabei vernachlässigt. Hovertank 3D (id Software, 1991) verfügt über ein Fadenkreuz in der Mitte des zentralperspektivisch angelegten Bildraums. In Catacomb 3-D (id Software, 1991) ragt schon die genrebildende Hand in den texturierten und beweglichen Bildraum, hält aber keine Waffe: „To play, the gamer ran through the maze, shooting fireballs out of a hand that was drawn in the lower center of the screen, as if one was looking down on one’s own arm, reaching into the computer. By including the hand, id Software was making a subtle but strong point to its audience: You are not just playing the game, you’re inhabiting it“ (Kushner 2004, S. 75). Steven Poole charakterisiert Wolfenstein 3D als erstes genrebildendes Beispiel für einen Ego-Shooter, ohne Hovertank 3D und Catacomb 3-D zu berücksichtigen, die auch schon über ‚Räume‘ verfügen: „People usually say that the first true ‚immersive‘ 3D game was Wolfenstein 3D, released by iD in 1992. This did indeed kick-start a blossoming genre, the first-person shooter, where the screen displays the supposed viewpoint of the player’s character wandering around an enemyinfested arena with a battery of projectile weaponry. […] Yet it was Wolfenstein that first situated the player in ‚rooms‘, connected with doors, with walls receding realistically into the distance and other humans wandering around to be killed“ (Poole 2004, S. 123). Von Poole ausgehend macht diese Einschätzung Karriere. Steven Malliet und Gust DeMeyer konstatieren auf Poole bezogen: „In contrast with earlier games that already used perspective or an isometric standpoint, this did not just mean that there was depth in the images. 3D meant that the player could actually manipulate and explore the image. In Wolfenstein 3D each wall existed in three dimensions. And it was possible to walk around it. This possibility did not exist in any of the twodimensional games produced before” (Malliet/De Meyer 2005, S. 38). Aber auch Hovertank 3D und Catacomb 3-D verfügen über bewegliche dreidimensionale Bildräume. Mela Kocher, René Bauer und Beat Suter beziehen sich im einschlägigen Sammelband zum Shooter ebenfalls auf Poole: „Mit WOLFENSTEIN kam 1992 das erste 3D-Spiel auf den Markt, in dem der Spieler nun als Ich-Avatar mit einem Arsenal von Waffen durch die Gegend ballern konnte und dabei reihenweise Feinde niedermähen durfte. Die Immersion der Ich-Perspektive wurde hier durch zwei Neuerungen gesteigert: Erstens durch die klare Aufteilung des Spielfeldes in Räume, die Wände und Türen hatten und perspektivisch richtig gezeichnet waren. [...] Zweitens geschah dies durch die simple Einführung von Spielerhänden mit einer Waffe, die am unteren Rand des Spielfeldes direkt in den Raum hinein zielt“ (Kocher et al. 2009, S. 92).

302 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

Abb. 42: Catacomb 3-D (id Software, 1991) 11.1.2 Szenario der Gewalt John Romero und John Carmack „shocked the world by introducing Castle Wolfenstein 3D.“682 Dieser Schock, den das Spiel hervorrief, zeichnete sich zum einen durch den neuartigen Illusionismus des Raumeindrucks aus. Zum anderen ist das Spiel sehr brutal und zeigt detaillierte Gewaltdarstellungen. Getroffene gegnerische Figuren fallen blutend zu Boden und geben einen schmerzverzerrten Ton von sich oder es ertönt z.B. der Ruf „Mein Leben!“ in rudimentärer Sprachausgabe.683 Im Bild erscheinende rote Bildpunkte stehen für spritzend vergossenes Blut (Abb. 41). Darüber hinaus ist das Game in einem Szenario angesiedelt, in dem der Spieler offensichtlich gegen Nazis kämpfen muss. Die Spielfiguren sind deutlich als nationalsozialistische Soldaten in unterschiedlichen Uniformen gekennzeichnet und geben z.B. ein „Achtung!“ von sich. Als Texturen an den Wänden sind teilweise Hakenkreuze, SS-Runen und Porträts von Adolf Hitler zu sehen, der gar als letzter Gegner des Spiels als Abziehbild eines ‚Superschurken‘ in einem futuristisch anmutendem Kampfanzug auftritt (Abb. 43).684 Wegen Abbildung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist die PC-Version von Wolfenstein 3D 1994 im gesamten Bundesgebiet beschlagnahmt worden.685 Der naive Plot lässt sich wie folgt beschreiben: SpielerInnen nehmen die Rolle eines amerikanischen Soldaten ein, der zunächst aus einer von Nazis bevölkerten

682

Malliet/De Meyer 2005, S. 40.

683

„Tom [Hall] and Romero upped the shock value in other ways, most notably the screams. They stayed up late into the night, recording hellish German commands and orders: ‚Achtung!‘ and ‚Schutzstaffel!‘ They recorded last words for dying Nazis: ‚Mutti!‘ (Mommy), and, for Hitler himself, a final good-bye to his wife: ‚Eva, auf Wiedersehen!‘ To cap it off, they used a digital version of the Nazi party anthem, ‚Horst Wessel Lied,‘ to open the game“ (Kushner 2004, S. 92).

684

Zum Begriff des Superschurken vgl. Meyer 2011.

685

Vgl. Liesching 2010.

SOD: V OM UNGEGENSTÄNDLICHEN ZUM UNSPIELBAREN S PIEL

| 303

titelgebenden Burg ‚Wolfenstein‘ fliehen muss, um daraufhin die Operation ‚Eisenfaust‘ zu vereiteln. Bei dieser Operation handelt es sich um die Bemühungen des Nazi-Regimes, eine unbesiegbare Armee aus mutierten Soldaten mittels biologischer Experimente aufzubauen.686

Abb. 43: Adolf Hitler tritt in Wolfenstein 3D als letzter Gegner auf. 11.1.3 Raum und Perspektive in Wolfenstein 3D Der Spieler blickt direkt in einen transparenten, zentralperspektivischen Raum. Da der Spieler nicht als Spielfigur im Bild repräsentiert ist, wird er intradiegetisch direkt in den Darstellungsraum versetzt. Der Spieler steuert das Bild per Kopfdruck und Maus und hat den Eindruck sich in den Raum zu bewegen, da die Wände perspektivisch in die Tiefe fluchten und gleichzeitig am Bildrand vorbeizuziehen scheinen. Die durch die Manipulationsregeln festgelegte Bewegung funktioniert dabei so, dass sich eine angenommene Spielfigur entweder vorwärts oder rückwärts bzw. auf einer horizontalen Ebene zur Seite bewegt. Der Spieler verschiebt im Falle der horizontalen Bewegung den Bildausschnitt von links nach rechts oder in umgekehrter Richtung. Das Spiel verfügt beispielsweise im Gegensatz zu Quake III Arena (vgl. Kap. 8.1) nicht über den Free Mouse Look, der den Eindruck vermittelt, sich im dreidimensionalen Bildraum umsehen zu können, indem stufenlose Bewegung in jegliche Richtung ermöglicht ist (vgl. Anm. 120). Die Spielumgebung, durch dessen räumliche Konfigurationen die SpielerInnen navigieren, ist ebenfalls im Gegensatz zu Quake III Arena nicht von Grund auf dreidimensional als Architektur konstruiert, sondern erweckt mittels der computergrafischen Technik des Raycasting den Eindruck eines in die Tiefe fluchtenden Raums.687 Alle Räume können bedingt durch diese Technik nur rechtwinklig anein-

686

Vgl. Hillgärtner 2001, S. 63.

687

Raycasting verwendet Carmackt erstmals in Hovertank 3D. Über den Einsatz dieser Technik schreibt der Journalist David Kushner: „Rather than draw, in this case, arbitrary polygons, he [John Carmack] designed a program that would draw only side-

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ander stoßen und verfügen alle über dieselbe Höhe. Die Decke und der Boden weisen keine Texturen auf, sondern sind einfarbig gehalten. Die Wände sind mit Texturen versehen, die hauptsächlich Gemäuer oder Holzvertäfelungen darstellen. Die gegnerischen Figuren in Wolfenstein 3D sind als rastergrafische Bitmaps dargestellt, weshalb sie grob aufpixeln, sobald sie dem Spieler näher zu kommen scheinen.688 In aktuellen Ego-Shootern und anderen vektorgrafisch basierten Spielen sind auch die gegnerischen Figuren sowie andere Objekte aus Polygonen zusammengesetzt, deren Standpunkte, Lichtgestaltung und Bewegungen in Echtzeit nach geometrischen Regeln immer wieder neu im Raum des kartesischen Koordinatensystems berechnet werden. Die am unteren Bildrand dargestellte Waffe ist ebenfalls perspektivisch dargestellt, so dass sie in den angenommenen Raum zu zeigen scheint. Die Darstellung der Waffe lässt „auf die (virtuelle) Existenz des Schützen schließen.“689 Die Darstellung der Waffe hat keine Funktion für das Gameplay, sondern ist rein kosmetischer bzw. psychologischer Natur und erhöht die Identifikation mit dem angenommenen Schützen (First-Person-Avatar) und den immersiven Charakter des Raum-

ways trapezoids – in other words, walls but no ceiling’s [sic!] or floors. To get the computer to draw at the fastest possible speed, Carmack tried another nontraditional approach, known as raycasting. Instead of drawing out a large slab of graphics, which required a lot of memory and power, raycasting instructed the computer to paint a thin vertical strip of graphics at a time, based on the players [sic!] point of view. The bottom line: raycasting meant speed. Carmack’s final challenge was to add characters in the 3-D world. The solution was to incorporate simple though convincing graphical icons or sprites. [...] By combining these so-called scaled sprites with his limited polygons and raycasting, Carmack was able to brew up a fast 3-D world. [...] For Wolfenstein, he didn’t so much take another leap as improve his existing code: cleaning up the bugs, optimizing the speed, making it more elegant. A key decision was to let the graphics engine focus on drawing only what the player needed to see. That meant, once again, drawing the walls but not the ceilings and floors. Also to speed things up, characters and objects in the game would not be in true 3-D, they would be sprites, flat images that, if encountered in real life, would look like cardboard cutouts“ (Kushner 2004, S. 68 und 79). 688

„When the enemies got nearer they grew perspectivally by the simple means of enlarging every pixel in the drawing, so that they looked fuzzy and ‚blocky‘“ (Poole 2004, S. 124).

689

Günzel 2006, URL: http://www.bildwissenschaft.org/image/ausgaben?function=fn Article&showArticle=89 [23.04.2012].

SOD: V OM UNGEGENSTÄNDLICHEN ZUM UNSPIELBAREN S PIEL

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bildes.690 Das Bild ist durch die zentralperspektivische Anlage auf die Subjektivität des Spielers bezogen, wodurch sich die Sicht in die Spielwelt mit den Objekten, die es zu treffen gilt, zur Deckung bringen lässt: „Es kommt zu einer Kopplung von Auge und Waffe.“691

11.2 D AS

KONKRETE

C OMPUTERSPIEL : SOD

JODI wenden sich ab 1998 Computerspielen und in der Folge offenen Game Engines zu. Ihre erste Arbeit, die sich mit Computerspielen als Material auseinandersetzt ist die Map Ctrl-Space, die später einen Teil der Serie Untitled Game (1998-2001) bildet (Abb. 8). Es gibt Beispiele dafür, dass die Datierung der Serie Untitled Game mit 1996-2001 angegeben wird, was eine Fehlinformation darstellt.692 Die erste Modifikation Ctrl-Space entsteht ab 1998 als Beta-Version innerhalb eines Residency-Programms für das Budapester C3 Center for Culture & Communication Foundation und basiert auf dem Game Quake (id Software, 1996).693 Am 22.12.1999 veröffentlicht id Software den Quellcode von Quake (id Software, 1996)694 , woraufhin Ctrl-Space mittels Modifikation des nun offen zugänglichen Source Codes Ende 1999 vollständig überarbeitet wird. Dies bedeutet, bei CtrlSpace handelt es sich um den ersten Versuch der KünstlerInnen Heemskerk und Paesmans, Computerspiele als Material zu verwenden, was Dirk Paesmans in einer E-Mail an den Verfasser bestätigt.695 Die Mod SOD (1999) wiederum basiert auf

690

„But the purpose of this gun onscreen is purely cosmetic and psychological“ (Poole 2004, S. 124).

691

Günzel 2006, URL: http://www.bildwissenschaft.org/image/ausgaben?function=fn Article&showArticle=89 [23.04.2012].

692

Vgl. Menkman 2006. Die Website Electronic Arts Intermix, die eine CD-Rom der Serie verkauft, datiert die Arbeit ebenfalls auf 1996-2001; vgl. die URL: http://www.eai.org/title.htm?id=9872 [26.04.2012].

693

Vgl. die Website C3.hu mit der URL: http://www.c3.hu/events/98/ae98/jodi.html [26.04.2012].

694

Vgl. Golem.de 1999, URL: http://www.golem.de/9912/5621.html [26.04.2012].

695

In einer persönlichen E-Mail an den Verfasser vom 26. April 2012 schreibt Dirk Paesmans auf die Frage, wann JODI mit der Computerspielmodifikation beginnen und welcher Techniken sie sich dazu bedienen: „[Paesmans:] yes started in 1998 , with a first version (unpublished-in c3Budapest ) and we continued on our own, with modifying the Quake Code, ending in 99 with CTRL-SPACE as the first version, in C3 we did a residency - we showed a Quake.mod there; but it was a very beta version

306 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

dem Quellcode des Spiels Wolfenstein 3D, der schon ab 1995 offen zugänglich ist.696 SOD entsteht in dichter Folge zu Ctrl-Space und wird in einem Interview von JODI gar als ihre erste Computerspielmodifikation positioniert, da die 1998er Version von Ctrl-Space eine unvollendete künstlerische Arbeit darstellt und als experimenteller Vorläufer zu SOD sowie der Serie Untitled Game gelten darf.697 11.2.1 Cargo cult programming: Art und Ansatzpunkte der Modifikation In der Modifikation SOD sind alle Texturen und alle grafischen Details durch Eingriffe in den Quellcode entfernt bzw. durch ungegenständliche Formen ersetzt worden. Der Ansatzpunkt der Modifikation ist der direkte Eingriff in den Quellcode des Spiels, was zur Folge hat, dass sich die visuelle Oberfläche verändert und anders darstellt. Im Gegensatz zu Doom, dessen Programmstruktur eine getrennte Bearbeitung von Dateien, Engine und Source Code erlaubt, setzen Modifikationen von Wolfenstein 3D technisch den Eingriff in die Ebene des Codes voraus (vgl. Kap. 2.3.4.1 sowie Anm. 114 und 455).698 Dies bedeutet auch, dass die Veränderung der

and we totally reworked it later with the Q.code [Schwingeler: I always thought CtrlSpace was the very first of your mods, followed by SOD in 1999. Is that right? So you did Ctrl-Space – the first of the Untitled Games – for C3 / Budapest in 1998 but without source code manipulation? That’s right, right?] Wright right wrrrrrr rr its on d“ [sic!]. 696

Vgl. Carmack1995, URL: ftp://ftp.idsoftware.com/idstuff/source/wolfsrc.txt [26.04. 2012].

697

JODI geben zu Protokoll: „There were two games – the first production was the patch SOD for Castle Wolfenstein and during the next three years [1998-2001] we worked on the 12 modifications of Quake which we named all together Untitled Games.“ (Hunger 2007, S. 152).

698

„Players had to erase the original Wolfenstein code and replace it with their own images; once a Nazi was changed into Barney, there was no way to bring the Nazi back quickly. For Doom, Carmack organized the data so players could replace sound and graphics in a nondestructive manner. He created a subsystem that separated the media data, called WADs (an acronym, suggested by Tom Hall, it stood for Where’s All the Data?), from the main program. Every time someone booted up the game, the program would look tor the WAD file of sounds and images to load in. This way, someone could simply point the main program to a different WAD without damaging the original contents. Carmack would also upload the source code for the Doom level-editing and utilities program so that the hackers could have the proper tools with which to create new stuff for the game“ (Kushner 2004, S. 134).

SOD: V OM UNGEGENSTÄNDLICHEN ZUM UNSPIELBAREN S PIEL

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Oberfläche nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden kann, indem schlicht die Datei ausgetauscht und erneut mit dem Original ersetzt wird. JODI können zwar mit Code umgehen, sie sind aber laut eigenen Einschätzungen keine meisterhaften Programmierer699, so dass Momente des Zufalls in das Kunstwerk eingezogen sein können, da die KünstlerInnen die Effekte, die durch ihre ‚Programmierung‘ entstehen, nicht genau abschätzen können. Sie wissen angeblich nicht immer genau, was z.B. das Löschen von Codezeilen im Ergebnis bewirkt.700 Aus diesem Grunde bezeichnet Dirk Paesmans die Art der Modifikation und die Arbeit mit Code mit einem Jargon-Begriff aus dem Umfeld der Hacker: cargo cult programming. Cargo cult programming kennzeichnet eine inkompetente Programmiermethode und bezieht sich ursprünglich auf den Cargo-Kult; eine indigene Gruppe auf den melanesischen Inseln, die sich – durch das Anfertigen von Landebahnen und Flugzeugen aus Steinen und Holz – die Ankunft von Wohlstand in Form von Frachtgut (cargo) erhofft. Die Inselbewohner hatten im Zweiten Weltkrieg die Erfahrung gemacht, dass Flugzeuge wertvolle Dinge bringen und zogen daraus eine falsche Kausalität: Sie möchten die Erfahrung, dass Wertvolles in Form von Flugzeugen vom Himmel kommt, durch Imitation eines ‚Flughafens‘ mit ihren Mitteln wiederholen.701 Auf diese Weise gebärden sich JODI als kompetente Pro-

699

Über die Arbeit mit dem Source Code von Quake bemerken JODI: „We are not master programmers, so we need the documentation all the time“ (Hunger 2007, S. 156).

700

„Zum Beispiel glaubt jeder, dass ein Medienkunststar auch ein technischer Tausendsassa ist, denn die Medienkunst ist lange von Formalismus und technischer Brillanz dominiert gewesen. Tatsächlich ist jedoch mit dem Aufkommen von billiger und leicht zu bedienender Technik auch eine neue Gruppe von Medienkünstlern auf den Plan getreten. Die Medienkünstler von heute verehren die Maschinen, mit denen sie arbeiten, nicht mehr und sie sind ihrer manchmal noch nicht einmal ganz Herr. JODI kennen den Code, mit dem sie arbeiten, aber sie gestalten nicht jedes Detail ihrer Arbeit ganz genau und präzise“ (Bosma 2002, S. 42).

701

„Der ‚Cargo-Kult‘ war eine halb-religiöse (und eventuell sogar Freiheits–) Bewegung auf den melanesischen Inseln, bei der die Einheimischen versuchten, sich die Macht ihrer kolonialistischen Unterdrücker dadurch anzueignen, indem sie auf primitive Weise ihre Sitten und Werkzeuge kopierten und zum Beispiel Landebahnen aus Stöcken und Steinen anlegten, über die der Wohlstand [in Form von Frachtgut; cargo] zu ihnen kommen sollte“ (ebd., S. 43). Cargo Cult Programming bezeichnet im Hacker-Jargon eine inkompetente Methode der Programmierung, die zwar den Anschein erweckt korrekt zu sein aber fehlerhaft durchsetzt ist. Im Jargonfile, dem Hacker-Wörterbuch, heißt es dazu: „A style of (incompetent) programming dominated by ritual inclusion of code or program structures that serve no real purpose. A cargo cult programmer will usually explain the extra code as a way of working

308 | K UNSTWERK C OMPUTERSPIEL – D IGITALE S PIELE ALS KÜNSTLERISCHES M ATERIAL

grammierer, obwohl der kryptische Code der Software nicht vollständig durchschaubar ist und seine Veränderung unvorhergesehene Ergebnisse erzielen kann, die sich der Kontrolle der KünstlerInnen entziehen können. Indem JODI nun in den Code des Spiels eingegriffen haben, haben sie das Ausgangsmaterial Wolfenstein 3D radikal verändert. Die Veränderung der visuellen Oberfläche wird im Folgenden eingehend betrachtet. 11.2.2 Raummaschine Computerspiel: Dekonstruktion des Bildraums

Abb. 44: Das ‚entblößte‘ Game: SOD

around some bug encountered in the past, but usually neither the bug nor the reason the code apparently avoided the bug was ever fully understood [...]. The term ‚cargo cult‘ is a reference to aboriginal religions that grew up in the South Pacific after World War II. The practices of these cults center on building elaborate mockups of airplanes and military style landing strips in the hope of bringing the return of the god-like airplanes that brought such marvelous cargo during the war“ (Raymond 2003, URL: http://www.catb.org/jargon/html/index.html [24.02.2012]). Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman hat den Begriff des Cargo Cult ursprünglich auf den Wissenschaftsbetrieb angewendet. Er kennzeichnet damit ebenfalls Inkompetenz, wobei die Form den Inhalt bei weitem übersteigt: „In the South Seas there is a cargo cult of people. During the war they saw airplanes land with lots of good materials, and they want the same thing to happen now. So they’ve arranged to imitate things like runways, to put fires along the sides of the runways, to make a wooden hut for a man to sit in, with two wooden pieces on his head like headphones and bars of bamboo sticking out like antennas – he’s the controller – and they wait for the airplanes to land. They’re doing everything right. The form is perfect. It looks exactly the way it looked before. But it doesn’t work. No airplanes land“ (Hutchings et al. 1997, S. 340).

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Bei SOD handelt es sich zunächst um eine Dekonstruktion des Illusionsraums, der durch die Bildlichkeit von Wolfenstein 3D aufgeworfen wird. Dem Transzparenzstreben des Ausgangsmaterials wird durch die Überführung der visuellen Oberfläche des Spiels in Ungegenständlichkeit Opaziät entgegengesetzt. Die unbunten Farben Schwarz und Weiß bestimmen die dargebotene Bildlichkeit. JODI haben jedes Bildelement durch einfache geometrische Formen oder Buchstaben ersetzt. Die Formen entbehren jeglicher Ähnlichkeit zu den Figuren, Objekten, Architekturen und extradiegetischen Elementen des Interface, die in Wolfenstein 3D zu sehen sind und die das Szenario des Actionspiels dramatisch auskleiden und narrativ unterfüttern. So bestehen beispielsweise die gegnerischen Nazis im ersten Level aus zwei mit den Spitzen aneinander stoßenden Dreiecken, die sich nach einem Treffer in eine symmetrische Komposition aus fünf schwarzen Quadraten verändern: „The elements are replaced by simple forms, for every object we made its own very basic icon.“702 JODI geben an, dass sie sich formalästhetisch an konstruktivistischen Kompositionen und den Wahrnehmungsexperimenten der Op-Art orientiert haben, da es für sie eine typische Ästhetik der Moderne des 20. Jahrhunderts ausstrahlt. 703 Neben Assoziationen zu Kasimir Malewitschs suprematistischem Gemälde Schwarzes Quadrat (1914/15, weitere Fassung nach 1920 entstanden) evoziert SOD besonders in seinen vertikalen Strukturen aber auch gedankliche Verknüpfungen zu maschinenlesbaren Strich- und Balkencodes, die Produkte gekennzeichnen. SOD wirkt dementsprechend technisch und artifiziell. Als ein Rest des Games bleibt die genrebildende in den Raum zielende Waffe am unteren Bildrand erhalten, auch wenn sie nicht als solche dargestellt, sondern nunmehr als Ansammlung von schwarzen Bildpunkten erkennbar ist. Bei allen Bildelementen von Wolfenstein 3D handelt es sich um Pixel, die in einer spezifischen Weise angeordnet sind und denen rezeptionsseitig Bedeutung beigemessen wird. Die Konstruktionsweise der 1992 als ‚realistisch‘ empfundenen Grafik tritt nun offen zu Tage. Die extradiegetischen Elemente des Bildes, die in Wolfenstein 3D am unteren Bildrand Aufschluss über die Nummer des Levels, den Punktestand, den Gesundheitszustand der Spielfigur, Munition und Bewaffnung geben, sind durch sinnentleerte Buchstabenfolgen ersetzt, die auf die arbiträre Zeichenhaftigkeit der Code-Ebene verweisen. Das in Wolfenstein 3D in der Mitte des unteren Bildrands ersichtliche Konterfei der angenommenen Spielfigur, das zur Identifikationsund Immersionssteigerung beitragen kann, ist einem weißen Rechteck gewichen, das scheinbar willkürlich aufblinkt. Durch die Überführung der Bildlichkeit in opake Ungegenständlichkeit wird der Blick auf die Qualität der Ursprungsbilder gelenkt. Bilder, die in Ego-Shootern und anderen Computerspielen zu sehen sind, ei-

702

Hunger 2007, S. 156.

703

Vgl. ebd.

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fern einer besonderen Art von Realität nach, indem sie sich einer hyperrealistischen, fotografischen Leistungskultur verschrieben haben und in Verbindung mit der Simulation von Bewegung und Physik in hohem Maße subjektive Wahrnehmungseindrücke simulieren können (vgl. Kap. 6.2.4). JODI legen diese Illusionstechniken durch die Sichtbarmachung der geometrischen ‚Bausteine‘ der Spielgrafik offen. SOD verweist damit ebenfalls auf die Beobachtung, dass besonders geübte und gewöhnte SpielerInnen die darstellerische Oberfläche von Computerspielen während des Spielvollzugs ausblenden können. Gegnerische Figuren und Objekte werden im Zustand des Flow nicht mehr als Repräsentationen, sondern als abstrakte Spielsteine betrachtet, die es zu manipulieren und deren Funktionen es zu steuern gilt (vgl. Anm. 425).704 Die Behandlung des zentralperspektivischen Raums in Wolfenstein 3D, die einen integralen Bestandteil von Ego-Shootern als Genre ausmacht, ist nur noch durch einige Diagonalen zu erahnen, die als Zeichen für fluchtende Linien den letzten Rest der Illusionstechniken der dreidimensionalen Computergrafik bilden (Abb. 41 und Abb. 44). Manche Raumelemente bleiben sogar völlig untexturiert. Als ‚durchsichtige‘ Wände eröffnen sie Durchblicke in dahinter liegende, aber durch Navigation unzugängliche Räume und provozieren auf diese Weise Irritation und Desorientierung. So wird die Navigation innerhalb der räumlichen Konfigurationen erheblich erschwert. Erst durch die Interaktion und Bewegung in dem abstrakt dargebotenen Raummodell werden die grafischen Chiffren mit Bedeutung versehen, werden Diagonalen zu fluchtenden Linien und die sich überlagernden Geometrien als tiefenräumliche Versatzstücke lesbar. Sobald sich die ungegenständlichen Formen durch Interaktion des Rezipienten in Bewegung setzen, werden sie als räumliche Konfigurationen erkennbar und es erschließt sich eine räumliche Wirkung. Die Funktionsweise der Illusion des Ego-Shooters, sich scheinbar in einen Raum hineinzubewegen und sich diesen durch Durchquerung anzueignen, wird durch die Abstraktion der visuellen Oberfläche deutlich erkennbar und damit offen gelegt: „Through the graphics in SOD, I think you have the feeling that you are inside a perspective engine like a drawing machine.“705

704

„Das Visuelle [...] entledigt sich der Referenz auf die Welt und verweist nur noch auf das Symbolische, also die ihm zugrunde liegende Programmstruktur“ (Nohr 2004, S. 100).

705

Hunger 2007, S. 153. Über Illusionstechniken des Computerspiels bemerken JODI ferner: „That’s the whole trick of these games that they are perspective engines. All the time they create tunnels and illusions of a 3D-space and that’s part of the ‚kick‘ you have as a user that you think you explore and you enter and you move into. In fact, the only thing which is happening, is a perspective which just is drawn all the

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11.2.3 Das Spiel mit dem Bild als konkrete Computerspielhandlung Aufschlussreich ist darüber hinaus, was JODI an dem Spiel nicht durch einen direkten Eingriff verändert haben. Der Eingriff beschränkt sich auf die Ebene des Visuellen. Weder die auditive Ebene noch die Spielregeln sind direkt verändert. Es lässt sich aber erkennen, dass die verschiedenen Ebenen von Computerspielen als komplexes Beziehungsgefüge zu denken sind und stets ineinander greifen. Der Eingriff in eine Ebene kann indirekten Einfluss auf die anderen Ebenen des Spiels ausüben. JODI bemerken dazu: „We made a big separation between sound and vision and code. We tried to keep those three elements in mind all the time, how they work together.“706 Wie unterschiedliche Ebenen des Computerspiels ineinandergreifen, wird im Folgenden gezeigt. So ist auf auditiver Ebene keine Modifikation erfolgt. Der Ton des Spiels übermittelt immer noch Informationen an den Spieler. Er hört z.B. ein „Achtung!“, sobald sich ein Gegner nähert, das Drücken der Leertaste löst Schussgeräusche aus, ein Treffer hat einen Schmerzensschrei zur Folge etc. So entsteht ein Kontrast zwischen ungegenständlichem Bild und der Geräuschkulisse, die grausame Gewaltakte klangvoll untermalt. Einem Rezipienten, der mit Wolfenstein 3D vertraut ist, kann so die Spielwelt in Erinnerung gerufen und damit vor Augen geführt werden. Durch diesen Kontrast tritt die Abstraktion der visuellen Ebene noch deutlicher hervor. Es wird der Eindruck verstärkt, dass das Spiel gewissermaßen ‚hinter‘ der ungegenständlichen Oberfläche weiterhin stattfindet und der Blick in die Diegese der Spielwelt opak versperrt ist (vgl. in diesem Zusammenhang zur Metapher der Glasscheibe Anm. 371). Die Regeln des Spiels und die damit verbundenen Handlungsanforderungen an die Spieler bleiben ebenfalls unverändert. Es ist immer noch das Ziel des Spiels, durch die labyrinthartigen Architekturen der Spielwelt zu navigieren, dabei Gegner abzuschießen und nicht abgeschossen zu werden. Der Gegner ist noch präsent und er verhält sich bedingt durch seine Programmierung feindselig und greift den Spieler an – die Programmregeln sowie der Regel- und Handlungskomplex aus Zielen, Schießen und Treffen bleibt ebenso erhalten wie die Manipulationsregeln, die die Handlungsmöglichkeiten innerhalb der Spielwelt bedingen (so lässt sich das Spiel nach wie vor über die Kombination von Maus und Tastatur steuern). Dadurch, dass die visuelle Ebene durch die Ungegenständlichkeit ihren realistischen Anspruch

time – so it’s always about graphical tricks” (ebd., S. 154). Vgl. zum Computerspiel als ‚Raummaschine‘ Schwingeler 2008. 706

Hunger 2007, S. 156.

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einbüßt und damit sinnentleert ist, ändert sich aber indirekt die Handlung in der Spielwelt.707 Das Spiel ist nicht mehr ohne weiteres in dem Maße spielbar, wie im Game Design intendiert. SOD wird zu einer Handlung mit dem Bild selbst und das Bild wird dabei als eigenständig handelnde Instanz aufgewertet: „In einer Umgebung, die den Sinnen keine Orientierung bietet, kann man nur noch blindlings handeln.“708 Der in der grafischen Abstraktion begründete Kontrollverlust führt nicht selten zu Desillusion und damit einhergehender Desorientierung und Frustration.709 SOD entzieht sich seiner intendierten Verwendung und wird dadurch zu einem nahezu unspielbaren Spiel. An dieser Stelle ist anzumerken, dass es nicht gänzlich ausgeschlossen ist, dass SOD wie ein Ego-Shooter gespielt wird. Das Spiel ist theoretisch mit sehr viel Übung und einer hohen Akkomodationsleistung zu meistern. Tilman Baumgärtel attestiert SOD im Gegensatz zu beschriebenen Frustrationserfahrungen sogar ein gewisses Vergnügen bezogen auf den Spielvollzug.710 Dies wiederum verweist auf

707

Stephan Günzel geht sogar so weit zu vermuten, dass eine gegenständliche, ‚realistische‘ Darstellung eine Voraussetzung dafür ist, Ego-Shooter überhaupt erst spielen zu können: „Nur gehört zum Stil eines Computerspielbildes nicht allein das, was Objekt der passiven Rezeption oder Kontemplation ist, sondern auch, was Objekt der aktiven Interaktion ist. Das heißt, ein realistisches Simulationsbild exemplifiziert nicht allein eine realistische Sichtweise, sondern auch eine gegenständliche Interaktionsweise. Genau das ist beim Bildobjekt Ego-Shooter der Fall: Damit es spielbar ist, muss es realistisch gestaltet sein und eine Interaktion mit Gegenständen exemplifizieren, die in einer subjektiven Sichtweise erscheinen. [...] Das Simulationsbild [bei SOD] wird dadurch als Ego-Shooter unspielbar: Ein abstrakter Ego-Shooter kann zwar programmiert, nicht aber mehr benutzt werden“ (Günzel 2009, S. 339). Dagegen spricht die These, dass Gegenständliches im Spielvollzug rezeptionsseitig ausgeblendet werden kann. Fest steht aber, dass die Abstraktion der audiovisuellen Oberfläche in SOD den Spielvollzug erheblich erschwert.

708

Hillgärtner 2001, S. 66.

709

„[Es] stellt sich schnell eine Frustrationserfahrung ein, die aus der Absurdität des Bewegens in einem nicht-gegenständlichen ‚Raum‘ herrührt. Es ist ein Raum, der als solcher eigentlich schon gar nicht mehr zu erkennen ist. Ebenso erscheint auch die Interaktion mit, oder besser gesagt, die Aggression gegen etwas nicht zu Definierendes als vollkommen grotesk, und es wird deutlich, dass Actionspiele ihren Reiz nicht zuletzt aus ihrem virtuellen Naturalismus ziehen“ (ebd., S. 65).

710

„SOD ist durchaus spielbar und bringt durchaus den in Rezensionen von Computerspiel-Zeitschriften so viel zitierten ‚Spielspaß‘“ (Baumgärtel 2003b, URL:

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die Beobachtung, dass geübte Spieler die Darstellungen von Computerspielen im Spielvollzug ausblenden können und die Objekte, Figuren etc. als abstrakte Spielsteine begreifen (vgl. Kap. 6.2.5). In der Praxis grenzt eine intendierte Verwendung von SOD im Sinne eines Ego-Shooters und dessen Durchquerung aber an Unmöglichkeit. Es lässt sich festhalten, dass die SpielerInnen nicht mehr die martialischen Ziele des ursprünglichen Spiels innerhalb dessen Narration verfolgen können. Im Gegensatz dazu kann beim Rezipienten eine Bewusstwerdung der eigentlichen Handlung einsetzen, nämlich, dass er das vom Programm aufgeworfene Bild manipuliert, indem er es hin und her wendet. So haben JODI mit der Verungegenständlichung die Grundstrukturen des Spiels indirekt verschoben, ohne dass sie den Ansatzpunkt der Spielregeln zur Modifikation gewählt hätten. Mit Roger Caillois ist der Schwindel der Bewegung (Ilinx) an die Stelle des Wettbewerbs (Agôn) getreten. Das freie Handeln (paidia) hat das zielgerichtete Handeln (ludus) verdrängt (vgl. Kap. 2.2.3.1). Aus dem progressiven Ego-Shooter, dessen Räume man sich durch Durchquerung aneignen soll, ist ein emergentes, freies Spielen mit der interaktiven Bildlichkeit selbst geworden, wobei durch die Handlung des Rezipienten kaleidoskopartig immer wieder neue Muster und Strukturen entstehen können. So stellt SOD eine Reflexion über die eigentlichen Handlungen während eines Computerspiels dar – nämlich die Manipulation und Steuerung der Bilder durch die User und die (scheinbar ‚sinnvolle‘) Reaktion dieser Bilder auf die Eingaben der User. Der User evoziert durch seine Handlungen eine Reaktion des Computerprogramms – etwa, dass ein neues Bild berechnet wird. Diese Reaktion wiederum führt zu einer Reaktion des Spielers. In SOD wird die Manipulation der Bilder durch die User im Regelkreis reflektiert, die die Veränderung des Bildinhalts auf ihre Handlungen zurückführen. Das macht SOD nicht nur zu einem abstrakten, sondern auch zu einem konkreten Computerspiel, das nur sich selbst zum Thema hat.711

http://www.medienkunstnetz.de/themen/generative_tools/game_art/scroll/ [06.10.2010]). 711

Konkrete Kunst grenzt sich auf theoretischer Ebene von abstrakter Kunst ab, indem postuliert wird, nicht von Naturformen abstrahieren zu wollen: „Programmat. heißt es: ‚keine Anlehnung an die Natur‘, rein ‚bildnerische Mittel‘. Die Bildkonstruktion muß ebenso wie die Elemente, die sie bestimmen, einfach und ‚visuell kontrollierbar sein‘ und ‚wir wollen die absolute Klarheit‘“ (Olbrich 1993. S. 272f.). Ferner ist zur konkreten Kunst zu bemerken, dass sie sich formensprachlich auf geometrische und stereogeometrische Grundformen beschränkt und dass auch eine intensive Beschäftigung mit mathematischen Prinzipien eine Rolle spielen kann z.B. die Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Zufalls in Form der Aleatorik (eben diese Aspekte

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Damit weisen JODI auf die grundsätzliche Funktionsweise von computerbasierter Interaktivität hin, nämlich darauf, dass die User in einen kybernetischen Regelkreis eingebunden sind, der stets zwischen Ein- und Ausgabe, Aktion und Reaktion, Inund Output changiert und den User immer mehr an das Computerprogramm gewöhnt (vgl. Anm. 180). In diesem Zusammenhang lässt sich von einer „‚Programmierung‘ des Benutzers durch Softwarestruktur und Interface“ sprechen, wodurch die Reaktion des Users auf das Computerprogramm einer stetigen Optimierung unterzogen wird.712 Claus Pias beschreibt diese kybernetische Akkomodationsleistung wie folgt: „Actionspiele handeln also weniger von Aliens oder Bilderbuchwelten, sondern von einer Ökonomie der Optimierung: Sie bedeuten die Ausschöpfung aller normalisierten Handlungsmöglichkeiten zur richtigen Zeit am richtigen Ort. [...] Wie der Spieler den Computer nach seiner Annahme von Bewußtsein als Gegenspieler entwirft, entwirft der Computer den Spieler als Device. [...] Wie wenig Spiel noch Spiel ist, zeigte [...] der Amerikaner Bill Mitchell, der es als erster Mensch schaffte, alle 256 Level von ‚Pac-Man‘ zu spielen. Neunzehn Jahre Akkomodationsleistung waren erforderlich, um gegen diesen betagten 8-Bit-Automaten zu bestehen. Mitchell verabschiedete sich mit den denkwürdigen Worten ‚Jetzt muß ich dieses verdammte Spiel nie wieder anrühren‘ von der Spiel-Arbeit der Akkomodation [...].“713

Der Kern dieses kybernetischen Regelkreises sind abstrakte Algorithmen die auf Code beruhen. JODIs Strategie der Abstraktion bringt zur Anschauung, dass der Code im Hintergrund performativ wirksam ist714: „We reduce it to the combination of the code and the dynamics of the code. [...] [T]hen you start to understand the simple dynamics, the simple tricks of such a code.“715 Der Quellcode ist im Falle von SOD Teil der Kunstwerks, das neben der hier im Fokus stehenden interaktiven Variante eine netzkünstlerische Dimension im Internet aufweist (Abb. 45). Auf der Website zu SOD – sod.jodi.org – ist der Source Code des Spiels Wolfenstein 3D publiziert. Bei der von den KünstlerInnen in hell leuchtenden Farben gestalteten

lassen sich auch in SOD erkennen). Konkrete Kunst will demnach von nichts abstrahieren, sondern eine reine Konkretisierung ihrer selbst sein. 712

Zschocke 2005, S. 40

713

Pias 2000, S. 232ff., vgl. Pias 2002, vgl. zudem als Überblick über Pias’ wichtigste Thesen zur Computerspielgeschichte Pias 2002a. Vgl. zu den ideologischen Implikationen der von Computerspielen transportierten Arbeitslogik im Sinne einer Gewöhnung an das Arbeitsgerät Computer Anm. 370.

714

Alexander Galloway identifiziert den Computer während eines Computerspiels neben dem Spieler als handelnde Instanz. Vgl. Galloway 2006a. Vgl. Anm. 180.

715

Hunger 2007, S. 156.

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Zeichenfolge, die man zunächst über die URL sod.jodi.org erreicht, handelt es sich um das so genannte C0.ASM, das zu einem Programmstart von Wolfenstein 3D beiträgt.716 Hyperlinks in diesem Text führen zu weiteren Codefragmenten, die zwar menschenlesbar, aber nicht ohne elaborierte Programmierkenntnisse verständlich sind. In der Rezeption sinnerzeugende Bruchstücke wie „DeathScream“, „Hitler“ oder „SS“ erwecken vage Assoziationen zur gegenständlichen audiovisuellen Raumzeitlichkeit des Ausgangsmaterials.717 Mit der Abbildung des ästhetisierten Source Codes auf der Website unterstreichen die KünstlerInnen, den Stellenwert des künstlerischen Materials, dessen sie sich bedienen. Die Abbildung der Spielwelt in Reinform als Code verweist zudem auf den arbiträren Zeichencharakter des Computerprogramms, das im Kern aus Code besteht in der Rezeption von Wolfenstein 3D aber zu einer drangvollen Zeichenwelt und Spielerfahrung wird.718

716

Vgl. den Quellcode von Wolfenstein 3D „wolfscr.zip“ unter der URL: http://www. doomworld.com/idgames/index.php?id=7051 [09.02.2012]. Bei C0.ASM handelt es sich um Assembler-Code, der bei einem Programmstart bestimmte Initialisierungen vornimmt, bevor der eigentliche Programmcode aufgerufen wird. Vgl. zur Rolle von C0.ASM Smith 1999, S. 104.

717

Vgl. die URL: http://sod.jodi.org/c/wl_act2.html [27.04.2012].

718

„Indem nun das Künstlerpaar JODI auf ihrer Webseite nur noch den Softwarecode ‚ausstellt‘, entledigen sie dieses Spiel all seiner sinnlichen und vor allem psychischen Erfahrbarkeit. [...] Entlang dieser Hyperlinks kann man nun das Werk erkunden, ohne allerdings dabei neue Erkenntnisse zu gewinnen, denn es erscheinen immer weitere Seiten mit in der Programmiersprache C++ erstelltem Programmcode. Eine Ahnung, worum es hier gehen könnte, erlangt man am ehesten, wenn man zu lesen beginnt und dabei unweigerlich auf Textpassagen trifft, die Wörter wie etwa ‚Death-Scream‘, ‚Nazi‘ oder ‚Hitler‘ enthalten [...]. Manche Seiten bieten dem Besucher allerdings eine zusätzliche Attraktion: Ruft man diese Seiten auf, dann ertönt nach ein paar Sekunden Ladezeit ein Sound, welcher dem Computerspiel Wolfenstein entnommen ist. Deutlich verweisen diese auf ihren kriegerischen Kontext, denn es erklingen Wörter wie ‚Schweinehund‘, ‚Halten Sie‘ oder aber Todesschreie und Maschinengewehrsalven, wobei die Töne mit jedem neuen Laden der Seite variiert werden. Mit Hilfe der Entblößung der Bestandteile eines Actionspiels wird eine De-kontextualisierung erreicht, die aus dem ‚verfassungsfeindlichen‘ Computer-spiel eine blosse Akkumulation von Textbausteinen macht. Einzig die eingebauten Sounds haben in gewisser Weise einen Erlebniswert, tragen damit aber auch eher zu einer Art Verfremdung bei“ (Hillgärtner 2001, S. 63f.).

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Abb. 45: Die Website sod.jodi.org mit ästhetisierten Fragmenten des Source Codes von Wolfenstein 3D 11.2.4 Das Paradoxon des unspielbaren Spiels: Arena JODI haben die anhand von SOD beschriebenen Strategien, die medialen und apparativen Bedingtheiten des Ausgangsmaterials opak hervor treten zu lassen, in ihrer Serie Untitled Game (1998-2001) variiert und weiter ausgelotet. Die Serie Untitled Game besteht aus einzelnen Maps für den Ego-Shooter Quake (id Software, 1996), die die gegenständliche Oberfläche des Spiels in Abstraktion überführen und die Navigation innerhalb des Bildraums erschweren oder gänzlich versperren.719 Die

719

„‚[U]ntitled game‘ is a CD-Rom connected with a Web site containing thirteen modifications of the ego-shooter computer game ‚Quake‘ that JODI have modified and partly rewritten. JODI removed the realistic graphics, reduced the game environments to minimalist colors and shapes and in many cases made navigation difficult or impossible. For instance in ‚Ctrl-Space‘ what is left of the game is nothing but black and white moiré patterns- In ‚Arena‘ everything has been replaced by white, in ‚Spawn‘ the screen remains completely black, and only the shooting is visible as gray pixels. [...]“ (Baumgärtel 2002, o.S.). Das Werkverzeichnis in dem Katalog zur Ausstellung install.exe, die 2002 in Basel JODIs erste Einzelausstellung bildet, listet dreizehn Maps der Untitled Game-Serie auf (vgl. ebd.). Auf JODIs Website zum Kunstwerk (URL: http://www.untitled-game.org/download.html [23.08.2012]) finden sich vierzehn Level. Rosa Menkman, die 2006 ihre Master Thesis an der Universität Amsterdam über JODI verfasst, listet fünfzehn Modifikationen auf: Arena, A-X, Ctrl9, Ctrl-F6, Ctrl-Space, E1M1AP, G-R, I-N, M-W, O-O, Q-L, Slipgate, Spawn, V-Y

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Modifikation Arena aus dieser Serie stellt die weitreichendste Behandlung des Ausgangsmaterials dar, da den SpielerInnen nur eine weiße Fläche dargeboten wird, die von den extradiegetischen Bildelementen gerahmt ist (Abb. 46). Arena repräsentiert die Veränderung eines Spiels hin zu einem gänzlich unspielbaren Spiel und steht für den radikalsten Eingriff in die Strukturen des Gameplay, der überhaupt möglich ist. Der Grad der Abstraktion geht hier bis zur vollständigen Auslöschung gegenständlicher Bilder, die durch die Löschung von Codezeilen bewerkstelligt worden ist.720

sowie eine vollständig namenlose Variante (Menkman 2006a, S. 1). Anne-Marie Schleiner beschreibt Untitled Game wie folgt: „Stripped of all pretense of photorealism, game play is reduced to algorithms normally cloaked as ‚representational‘ actions. [...] Unlike ID Software, the original designers of Quake, JODI search for beautiful bugs in the system, to make glitches happen that werent supposed to, to tweak the game, even to demolish it... Another primary component of JODI’s mods is tension between user control and program control. [...] My smallest actions become triggers of algorithms that then unfold semi-autonomously from my input. [...] Output far exceeds input. Or the program becomes the performer, I am no longer player god in control – I must concede some of my agency to the code“ (Schleiner 2002, URL: http://www.opensorcery.net/2reviews.html [24.04.2012]). 720

Zur Art der Löschung bemerken JODI: „Three quarters of the work was on the graphics and lets say one quarter of the work was on the code, because the Quake code luckily became open source, so there is a lot of documentation about it online, how to change it and how to recompile it. We are not master programmers, so we need the documentation all the time. For example to make the total black and white version of the game would not be possible without changing the code because there are implemented the shading effects or the shooting explosions. So you can not just changes the pictures. So we had to literally erase a lot in the code. I prefer the word ‚erase‘ than ‚change‘ because with Untitled Games we were taking away all the time. The most extreme version in that sense is the white version, where everything is erased and this of course is just a conceptual statement“ (Hunger 2007, S. 156f.).

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Abb. 46: Die Map Arena aus der Serie Untitled Game (1998-2011) links während des Spielvollzugs (der First-Person Avatar hat soeben Munition eingesammelt) und rechts im Moment, nachdem der First-Person-Avatar durch eine gegnerische Spielfigur (hier: ein sogenannter Shambler) intradiegetisch zu Tode gekommen ist. Der Level Arena zeigt ein hauptsächlich weißes Bild (vgl. zu monochromen Bildern z.B. bei Robert Rauschenberg Kap. 9.2.2). Die visuelle Oberfläche des Spiel Quake ist fast vollständig getilgt. Als Rudimente bleiben Informationen über das laufende Spiel als extradiegetische Rahmung des monochromen Feldes bestehen – etwa wie viele Monster sich noch im Spiel befinden und wie viele Geheimnisse es noch zu entdecken gilt. Die Tilgung der Bildinformation bewirkt als Leerstelle paradoxerweise eine Bewusstmachung der Konstruiertheit des Bildes und verweist auf die fortbestehende Existenz des Bildes.721 Die auditive Ebene ist weiterhin intakt und das Spiel lässt die Eingaben des Users zu. Durch die Löschung der Bildinformation ist es aber unmöglich, das Computerprogramm im intendierten Sinne zum Zwecke des Spiels zu verwenden. Der Ton und die Veränderung der extradiegetischen Elemente (ein mit der Leertaste ausgelöster, hörbarer Schuss bedingt, dass die Ziffer am rechten unteren Bildrand herunterzählt; ‚Munition‘ wird verbraucht) erwecken den Eindruck, als finde das Spiel hinter dem opaken weißen Feld – wie hinter einer getrübten, opaken Glasscheibe – weiterhin statt (vgl. zur Metapher der Glasscheibe Anm. 371). Damit handelt es sich bei Arena um ein widersprüchliches Gebilde, das

721

Eine konzeptionelle Nähe zu Zen for Film (1964) von Nam June Paik ist evident (vgl. Gehring 2006, S. 62f.). Dirk Paesmans hat zeitweise bei Paik in Düsseldorf studiert (Baumgärtel 2002, S. 12). In der Performance Zen for Film lässt Paik einen nicht belichteten, leeren Film durch einen Projektor laufen. Das Kunstwerk lässt sich wie folgt charakterisieren: „In Analogie zu John Cage, der die Stille als Nicht-Klang in seine Musik einbezog, nutzt Paik die Leere des Bildes für seine Kunst: Ein Film, der nur sich selbst und seine Materialbeschaffenheit abbildet, soll als ‚Anti-Film‘ den Betrachter dazu anhalten, der Bilderflut von außen eigene Bilder von innen entgegenzusetzen“ (Helfert o.J., URL: http://www.medienkunstnetz.de/werke/zen-for-film/ [01. 10.2011]).

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Handlungsangebote an den Nutzer bereit hält, sich einer sinnvollen Verwendung aber vollständig entzieht. Das paradoxe Artefakt des unspielbaren Computerspiels steht in einer künstlerischen, avantgardistischen Tradition, die die Grenzen der Gattungen und Medien erforscht, sie in Widersprüchlichkeiten verstrickt und damit bis ins Extrem strapaziert: „Auf diese Weise haben wir abstrakte Malerei, Romane ohne Handlung, freie Verse und atonale Musik erhalten, um nur einige von den Denkmalen dieses Verfahrens der Kategorienforschung zu erwähnen.“722 11.2.5 Computerspielbilder als ikonoklastische Bilder: Das Verschwinden des Bildes Die komplette Löschung des vom Computerspiel aufgeworfenen ‚realistischen‘ Bildraums verweist anschaulich auf eine ikonoklastische Tendenz, die Computerspielbildern innewohnt, wie sie in Spielen wie Wolfenstein 3D, Doom, Quake oder auch America’s Army zu sehen sind. Damit ist gemeint, dass die Bilder der Computerspiele danach streben, in vollständiger Transparenz aufzugehen und sich im Zuge ganz und gar zum Verschwinden zu bringen (Vgl. Kap. 6 sowie zum utopischen Verschwinden des Bildes Anm. 388 zum Ultimate Display). Mit Gottfried Boehm lässt sich der Ikonoklasmus, der dem Hyperrealismus (vgl. Kap. 6.2.4) der digitalen Computerspielbilder zu Eigen ist, wie folgt charakterisieren: „Die moderne Reproduktionsindustrie favorisiert das Bild als Abbild, als Double der Realität. Die elektronischen Simulationstechniken steigern, – wie der Begriff der Simulation unmißverständlich zeigt – die Darstellung zu einem perfekten ‚Als-Ob‘, so sehr, daß dem Bewußtsein der Postmoderne tendenziell die Differenz zwischen Bild und Realität selbst zu schwinden schien, factum und fictum konvergieren. Die Bilderfeindlichkeit der Medienindustrie ist ungebrochen, nicht weil sie Bilder verböte, oder verhinderte, im Gegenteil: weil sie eine Bilderflut in Gang setzt, deren Grundtendenz auf Suggestion zielt, auf bildlichen Realitätsersatz, zu dessen Kriterien von jeher gehörte, die Grenzen der eigenen Bildlichkeit zu verschleiern.“723

Gottfried Boehm sieht Simulationen (und mimetische Abbilder im Allgemeinen) höchst kritisch, da sie in ihrem Kern eine ideale Transparenz anstreben: solcherlei Bilder sind ikonoklastisch, weil sie Bilder bis zu ihrer Auflösung überanstrengen;

722

Danto 1984, S. 212.

723

Boehm 2006a, S. 34

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das Bild verschleiern und in Transparenz unsichtbar werden lassen.724 Seit der Antike ist der Bilderzeuger mimetischer Bilder: „idealiter ein Ikonoklast“, weil er die größtmögliche Illusion und Nachahmung anstrebt und so das Bild negiert.725 Bilder können sich entweder selbst verleugnen, indem sie „in der Illusionierung von etwas Dargestelltem aufgehen.“726 Dem entgegen gesetzt ist, wenn (starke) Bilder „ihr bildliches Gemachtsein betonen.“727 Hier ist erneut das Begriffspaar von Transparenz und Opazität aufgerufen, das als analytischer Schlüssel in der vorliegenden Arbeit fungierte (vgl. Kap. 6). Die in der vorliegenden Arbeit besprochenen Kunstwerke setzen der angestrebten Transparenz des Ausgangsmaterials Opazitäten in verschiedener Form entgegen und betonen damit ihr Gemachtsein. Der Schlusspunkt wird durch die ikonoklastische Geste der Löschung des Bildes bei Untitled Game, Arena gesetzt, wodurch jeglicher Sinn einer Handlung mit dem Bild unterlaufen und ausgehebelt wird. Arena schillert zwischen einer Negation und einer Deprivation (vgl. Kap. 4.3.1): Es ist interaktiv, was für eine Klassifizierung als Deprivation spricht. Gleichzeitig versperrt es sich vollständig seiner Benutzung, was ein Merkmal einer Negation darstellt. So entsteht ein paradoxes Artefakt – ein unspielbares Spiel –, das qua radikaler Widersprüchlichkeit die apparativen, medialen und codierten Bedingtheiten des Mediums Computerspiel zur Anschauung bringt, obwohl und gerade weil die Steuerung ins Leere läuft und es nichts mehr zu sehen gibt.

724

„In extremis verleugnet sich das Bild als Bild ganz, um die perfekte Repräsentation einer Sache zustandezubringen. Dieses Ziel erreicht es, wenn wir als Betrachter getäuscht werden, das Bild für das Dargestellte selbst halten, es als Bild gleichsam übersehen“ (Boehm 2006a, S. 34).

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Boehm 2006a, S. 35.

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Ebd., S. 34.

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Ebd.

12. Ergebnisse der Analyse der künstlerischen Computerspielmodifikationen

Der analytische Teil der Arbeit (Kap. 7-11) hat sich die Erkenntnisse und Ergebnisse der theoretischen Betrachtungen (Kap. 2-6) zu Nutze gemacht und zur Anwendung gebracht. Im Zentrum der Einzelanalysen der vorliegenden Arbeit standen fünf Kunstwerke. Bei den Kunstwerken handelte es sich um: Arsdoom (Orhan Kipcak, Reinhard Urban, 1995), QQQ (Tom Betts, 2002), Super Mario Clouds (Cory Arcangel, 2002-2009), dead-in-iraq (Joseph DeLappe, 2006-2011) und SOD (JODI, 1999). Im Mittelpunkt der ersten Analyse stand die Modifikation Arsdoom (Orhan Kipcak, Reinhard Urban, 1995). Das Kunstwerk, das auf dem Spiel Doom II (id Software, 1994) basiert, wurde als historisches erstes Beispiel einer künstlerischen Computerspielmodifikation positioniert. Die Arbeit ist eine Map, die ein Modell des Brucknerhauses in Linz darstellt, in dem Arsdoom während der Ars Electronica 1995 ausgestellt worden ist. Die gegnerischen Figuren, Objekte, Waffen und Texturen innerhalb der neu ausgestalteten, verfremdeten Spielwelt verweisen auf KünstlerInnen und Kunstwerke. Zunächst wurde in Kapitel 7.1 das Ausgangsmaterial Doom II mit seinem Vorgänger Doom (id Software, 1993) einer Analyse unterzogen, wodurch insbesondere die herausragende historische Rolle dieser Games deutlich geworden ist. Die Spiele gehören nicht nur zur ersten Gruppe klassischer EgoShooter, die eine neue spezifische Art von Bildlichkeit entwickeln, sondern an sie knüpft sich auch die Öffnung der Game Engines durch die Urheber John Romero und John Carmack. In Doom ist die Möglichkeit zur Modifikation im Game Design angelegt, was das Material des Computerspiels in die Kunstgeschichte einführt und den Einzug des Computerspiels als Medium in den Kunstkontext bedingt. Die Analyse der Modifikation hat gezeigt, dass Arsdoom im Ansatz den Einsatz von Strategien der Verfremdung zeigt (indem die Spielwelt in das Brucknerhaus in Linz verlegt worden ist), aber im Vergleich zum Ausgangsmaterial noch sehr der Kohärenz verpflichtet ist (Kap. 7.2). Es handelt sich weniger um eine Dekonstrukti-

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on von Doom und Doom II, sondern eher um eine Nutzbarmachung der medialen Charakteristika des Ego-Shooters unter künstlerischen Vorzeichen und ein Experimentieren mit dem neuen Material des Computerspiels. Die Arbeit ist als Neudekoration noch der Praxis des Modding, wie es in den Communities betrieben wird, eng verbunden. Eine besondere Qualität des Kunstwerks liegt darin, dass es den Ausstellungsraum des Brucknerhauses in Linz innerhalb der eigenen Strukturen modelliert und damit verdoppelt, was das Kunstwerk zu einer Art Mise en Abyme werden lässt. Gleichzeitig variiert Arsdoom auf mehrfache Weise einen Topos des Eindringens in Räume. Dadurch, dass die Modifikation die Ausstellungsräume des Brucknerhauses abbildet, in denen sie ausgestellt ist, dringen die SpielerInnen bedingt durch die Regelstruktur des Ego-Shooters ‚gewaltsam‘ in den Symbolraum der Kunst ein. Sie verhalten sich ikonoklastisch gegenüber ausgestellten Kunstwerken. Arsdoom steht darüber hinaus für das Eindringen eines neuen Mediums in den Kontext der Kunst, indem zum ersten Mal eine künstlerische Computerspielmodifikation auf einem Kunstfestival ausgestellt worden ist. Schließlich sind die Urheber formal in die Strukturen dieses Mediums selbst eingedrungen und haben diese durch Computerspielmodifikation verändert. Von Arsdoom ausgehend, lässt sich zudem eine Subkategorie künstlerischer Computerspielmodifikation ausmachen. Es lassen sich zahlreiche Beispiele für so genannte Museums-Maps anführen, wobei insbesondere die Serie Museum Meltdown (1996-1999) von Palle Torsson und Tobias Bernstrup exemplarisch besprochen worden ist. Viele Museums-Maps eröffnen die Möglichkeit, innerhalb der räumlichen Konfigurationen Modelle von Kunstwerken in effigie zu zerstören. Diese ikonoklastischen Gesten sind dahingehend interpretiert worden, dass neue Medien den künstlerischen Status alter Medien und traditioneller künstlerischer Gattungen herausfordern. Zum anderen deutet sich ein selbstreflexives Moment des Computerspiels an, da die Zerstörung der Bilder auch eine Manipulation derselben ist, was auf den Kern der Funktionsweise eines Computerspiels hindeutet: Computerspiele entfalten sich durch die Handlungen mit Bildern, indem diese von den SpielerInnen bewegt werden und das Computerprogramm darauf reagiert. Anhand von QQQ (2002) von Tom Betts wurde exemplarisch die Hervorkehrung der medialen und apparativen Eigenschaften des Computerspiels gezeigt, indem die audiovisuelle Oberfläche des Ego-Shooters Quake III Arena (id Software, 1996) in ungegenständliche, opake Formen überführt worden ist. QQQ ist auch ein Kunstwerk, das die Vernetzung von Computerspielen im Internet zum Thema hat. Kapitel 8.1 der Analyse widmete sich dem Ausgangsmaterial: Das Spiel Quake III Arena ist en detail analysiert worden und hat gezeigt, dass die audiovisuelle sowie narrative Ausgestaltung des Computerspiels hauptsächlich der dramatischen Steigerung der Atmosphäre in der Spielwelt dient, die Ausgestaltung aber Prinzipien des Game Design folgt. Es handelt sich bei den Spielumgebungen um oberflächliche Kulissen,

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die den durch einfache Regeln strukturierten Spielvollzug dramatisieren und das Transparenzstreben des Spiels (auch auf narrativer Ebene) unterstützen sollen. So sind In Quake III Arena räumliche Konfigurationen zu sehen, die z.B. den oberflächlichen Eindruck von okkultistischen Sakralbauten erwecken, deren Architektur aber den Funktionen des Spielvollzugs dient. Die Räume sind beispielsweise so angelegt, dass sie im Sinne des Spiels einen Wechsel von freien Flächen und Deckung bieten und kreisende Bewegungen innerhalb der Maps begünstigen, was mit dem Regelwerk des Games korrespondiert. Diese Kulissenhaftigkeit des Ausgangsmaterials wird in der Deprivation QQQ einer Dekonstruktion unterzogen. Kapitel 8.2 hat analysiert, inwieweit der narrativ aufgeladenen audiovisuellen Oberfläche Opazitäten entgegen gesetzt worden sind. Dadurch, dass der Künstler Tom Betts, die Funktion der Engine verändert hat, wird die Oberfläche der Spielwelt anders dargestellt. Auf diese Weise wird sie durch Bildstörungen überlagert, in Ungegenständlichkeit überführt und der Blick in die Spielwelt opak versperrt sowie im Zuge dessen die Narration negiert. Dadurch wird die Qualität der ‚realistischen‘ Ursprungsbilder und kohärenten räumlichen Konfigurationen hinterfragt. Durch die vom Künstler hervorgebrachte Bildstörung zeigt sich die eigentlich verborgene Unterfläche des doppelten Bildes und die medialen und apparativen Bedingungen des Computerspiels werden in der Dysfunktion deutlich sichtbar. QQQ ist ein Kunstwerk, das darüber hinaus im Internet stattfindet. Es speist sich durch die Handlungen von SpielerInnen, die Quake III Arena in ihren privaten Räumen spielen und deren ins Internet übertragene Handlungen im Ausstellungsraum abgebildet werden, wo QQQ zuvordererst betrachtet wird. Die anonymen SpielerInnen hinterlassen Spuren, indem sie durch ihre Spielhandlungen das Kunstwerk bewegen. Der Künstler hat das gesamte Regelsystem des Spiels in den Ausstellungsraum verlegt, wodurch es zu einem System zur Erzeugung eines generativen Kunstwerks umgewidmet wird, das die audiovisuelle Oberfläche des Games als kaleidoskopartiges Zusammenspiel aus Farben und Formen sowie die Entstehungsprozesse der Bilder inszeniert. Die Arbeit Super Mario Clouds zeigt aus wenigen Pixeln zusammengefügte Wolken, die sich ruckartig von rechts nach links vor einem leuchtend cyanblauen Hintergrund bewegen und so am Betrachter ‚vorbei zu ziehen‘ scheinen. Während die ersten beiden Analysen von Arsdoom und QQQ die Modifikation von offenen PCSpielen der Firma id Software vorgestellt haben, hat Kapitel 9 die Veränderung eines proprietären Konsolenspiels in die Arbeit eingeführt. Kapitel 9.1 hat zunächst das Ausgangsmaterial Super Mario Bros. (Nintendo, 1985) eingehend beschrieben, von dem in der Modifikation nur noch die Wolken vor dem Hintergrund der Spielwelt zu sehen sind. Neben einer ausführlichen Beschreibung der Bildelemente und ihrer Verhältnisse zwischen Vorder- und Hintergrund wurde insbesondere die Rolle der Mario-Figur als populär-kulturelle Ikone herausgestellt. Bei Super Mario Bros.

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handelt es sich um ein Videospiel, das eine enorme Rezeptionsbreite entwickelt hat und auch in anderen künstlerischen Gattungen eine Rezeption erfahren hat (z.B. in Gemälden von Michel Majerus). Bei Super Mario Bros. handelt es sich darüber hinaus um streng reglementierte Software, deren Modifikation lizenzrechtlich nicht gestattet ist. Diese Tatsache hat Auswirkungen auf die Art der Technik der Modifikation. Der Künstler muss sich wegen der Versperrung des Materials die Technik des ROM-Hacking zu Nutze machen, was einen unautorisierten Eingriff in die Strukturen des Games darstellt. Kapitel 9.2 hat die Technik des ROM-Hacking, die sowohl die Software als auch die Hardware des Spielmoduls in die Modifikation einschließt, näher bestimmt und beschrieben. Es hat sich gezeigt, dass sich Arcangel als Amateur gebärdet, der sich einer veralteten Technik zuwendet und daher auch deren immanente Obsoleszenz erkundet. Die Bildlichkeit von Super Mario Clouds wurde zudem mit gelöschten und monochromen Bildern, wie z.B. dem Erased de Kooning Drawing (1953) und den White Paintings (1951) von Robert Rauschenberg in Beziehung gesetzt und als Leerstelle interpretiert. Super Mario Clouds als Leerstelle kann im Akt der Rezeption, durch die Imagination des Rezipienten gefüllt werden, indem z.B. die fehlenden Bildelemente als mentales Bild erscheinen (und animiert werden) und eine Spielfigur im Geiste durch einen Parcours gesteuert wird. Während QQQ mit einer getrübten Glasscheibe vergleichbar ist, die den Durchblick in die Spielwelt versperrt, ist Super Mario Clouds metaphorisch eher als Palimpsest interpretiert worden, auf dem die Wolken eine Spur des ‚gelöschten‘ Ausgangsbildes darstellen. Anhand der Anordnung der Bildpunkte, des Blautons und der diskreten Bewegung der Wolken zeigt sich zudem die technische und apparative Bedingtheit (und Obsoleszenz) des Ausgangsmaterials. Super Mario Clouds verweist so auf die berechenbare Unterfläche des doppelten, algorithmischen Bildes. In dem Kapitel ist ferner ein möglicher, konzeptioneller Vorläufer des Kunstwerks identifiziert worden. Die Kanadierin Myfanwy Ashmore hat ab dem Jahr 2000 mit dem Löschen von Bildelementen des Spiels Super Mario Bros. experimentiert und auf diese Weise verschiedene Deprivationen des Ausgangsmaterials hergestellt. Das Kunstwerk Super Mario Clouds ist im Gegensatz dazu eine Negation – ein unspielbares Spiel –, das keinerlei Eingaben von Seiten des Rezipienten mehr zulässt und die Transparenz der Spielwelt damit auf radikale Weise in Opazität überführt. Die Software verharrt in einem Schwebezustand der prozessualen Neuberechnung des Bildes und verweist damit auf die Eigenlogik und Verkörperungshandlung des Apparates sowie die Weiterexistenz der Spielwelt (in einer Art von ambience act), auf die der Rezipient keinen Einfluss mehr ausüben kann. Kapitel 10 hat eine weitere Form des künstlerischen Umgangs mit Computerspielen vorgestellt, die sich in wesentlichen Zügen von den vorangegangenen Beispielen unterscheidet. Bei dead-in-iraq handelt es sich nicht um eine direkte Modifikation

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des Materials, sondern um eine Performance innerhalb der Spielwelt des OnlineSpiels America’s Army (MOVES Institute, 2002). Der Künstler Joseph DeLappe lässt den Avatar innerhalb der Diegese des Spiels die Waffe von sich werfen und beginnt, die Namen von im Irakkrieg gefallener amerikanischer Soldaten in den Chat des Games zu schreiben. Die Modifikation setzt nicht an der Software oder Hardware an, sondern durch bestimmte Handlungen innerhalb des Spiels werden die Spielregeln im Sinne transformativen Spielens indirekt beeinflusst und gebeugt. Dieses Kapitel hat demenstprechend weniger von der Bildlichkeit des Kunstwerks ausgehend argumentiert, sondern die Handlungen des Künstlers fokussiert. Indem sich der Künstler auf eine bestimmte Weise verhält, wird eine Auswirkung auf die Mitspieler und die soziale Komponente des Spiels erreicht (dies wiederum eröffnet Bezüge zur Sozialen Plastik). Zunächst ist in Kapitel 10.1 die Spielwelt von America’s Army analysiert worden. Bei America’s Army handelt es sich um ein offizielles Game der U.S. Army, das damit auf einen industriell-miltärischen Komplex verweist und wodurch sich mannigfaltige realweltliche Bezüge anhand des Spiels ablesen lassen. Vor diesem Hintergrund wurde das Spiel unter drei Perspektiven als Werbespiel/Propagandainstrument, Lernspiel und militärisches Experimentierfeld interpretiert. In Kapitel 10.2 wurden die Handlungen innerhalb der Spielwelt von America’s Army, die vom Künstler durchgeführt werden, vor dem Hintergrund der realweltlichen Bezüge des Spiels als Verweigerung und als Protest interpretiert. DeLappe vollzieht keine intradiegetischen Spielhandlungen (abgesehen vom in der Spielwelt verorteten ‚Niederlegen‘ der Waffe) und zweckentfremdet den Chat des Spiels, indem er die Namen von im Irakkrieg gefallener Soldaten auflistet. Diese Handlungen sind als Verfremdungseffekte charakterisiert worden, die sich gegen die Einfühlung richten und eine Bewusstmachung der medialen und apparativen Spielinszenierung zur Folge haben können. Dem Performer DeLappe wurde spieltheoretisch die Rolle des Spielverderbers zugeordnet, da er das Spiel nicht spielt und seine Regeln ignoriert. Dadurch, dass sich DeLappe durch eine Nichthandlung einem normativen Spielvollzug entzieht und seine Mitspieler mit der außerspielerischen Realität des Irakkriegs konfrontiert, attackiert er das gesamte strukturelle Gefüge des Spiels und verstellt es somit von Transparenz in Opazität. Kapitel 11 widmete sich dem Kunstwerk SOD des Künstlerpaares JODI. Bei SOD handelt es sich um die Überführung der visuellen Oberfläche des Spiels Wolfenstein 3D in ungegenständliche Formen. Die auditive Ebene und die Ebene der Spielregeln des Spiels sind unverändert. Dennoch hat die Abstraktion der visuellen Oberfläche Auswirkungen auf den Spielvollzug und die Handlungen innerhalb der Spielwelt: Das Spiel wird zu einem Spiel mit dem Bild selbst und rückt die Arbeit zudem in die Nähe eines unspielbaren Spiels. Der erste Analyseschritt hat in Kapitel 11.1 besonders die computerspielhistorische Rolle des Ausgangsmaterials Wol-

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fenstein 3D (id Software, 1992) fokussiert. Wolfenstein 3D wurde gemeinsam mit den Spielen Catacomb 3-D (id Software, 1991) und Doom (id Software, 1993) als genrebildend und archetypisch für die Spielform des Ego-Shooters charakterisiert. Wolfenstein 3D präsentiert als eines der ersten Spiele eine navigable zentralperspektivische Bildanlage (samt im Bild befindlicher Waffe), die auf die Subjektivität der SpielerInnen bezogen ist und die dadurch das Transparenzstreben des Computerspiels durch den neuartigen ‚Realismus‘ der Bilder enorm unterstützen konnte. Zudem ist Wolfenstein 3D als Inkunabel extremer Gewaltdarstellungen im Computerspiel zu verstehen. Besonders in der BRD wurde das skandalöse Potenzial des Games durch die Verwendung verfassungswidriger Symbolik, wie z.B. Hakenkreuzen und SS-Runen, zusätzlich erhöht. Das Spiel Wolfenstein 3D bildet das Material für die Computerspielmodifikation SOD, die die visuelle Oberfläche des Games in Ungegenständlichkeit überführt und den Blick in die Spielwelt trübt (Kap. 11.2). Durch eine detaillerte Analyse der Bildlichkeit von SOD hat sich gezeigt, dass JODI die medialen und apparativen Bedingungen des Computerspiels offen legen. Die Veränderung der visuellen Oberfläche der Spielwelt hat zur Folge, dass sich das Spiel seiner intendierten Benutzung entzieht und nahezu unspielbar wird, obwohl das Spiel metaphorisch ‚hinter‘ der ungegenständlichen Oberfläche weiterhin stattfindet. So wird SOD zu einem Spiel mit dem Bild selbst, was auf die grundlegende Funktion von Computerspielen verweist und SOD zu einem konkreten Computerspiel macht, das nur sich selbst zum Thema hat. Versuche, das Spiel im Sinne eines Ego-Shooters zu verwenden, sind für ungeübte SpielerInnen nahezu unmöglich und haben Desorientierung, Desillusionierung und Frustration zur Folge. Das Kunstwerk macht Handlungsangebote, die es in der Folge unterläuft und damit auch die Spielregeln und die Narration aushebelt. In einem weiteren Schritt wurde schließlich eine Weiterentwicklung von SOD in die Arbeit eingebracht, anhand derer auch der argumentative Schlusspunkt der vorliegenden Arbeit herausgebildet wurde: Die Map Arena aus der Serie Untitled Game (1998-2001) zeigt hauptsächlich ein weißes Bildfeld, hinter dem das Spielgeschehen verborgen ist. Arena wurde als ein schillerndes, paradoxes Artefakt interpretiert, das Handlungsangebote bereit hält, diese aber ins Leere laufen lässt und jede Betätigung mit dem Artefakt ad Absurdum führt. Hier hat sich gezeigt, dass die Verwendung eines Computerspiels die Steuerung eines sichtbaren Bildes voraussetzt. Arena stellt als unspielbares Spiel, einen radikalen Gegenentwurf zum konventionellen Computerspiel dar. Es versinnbildlicht als opake Glasscheibe den von den KünstlerInnen getrübten Blick in die transparente Spielwelt der Games und fasst die wesentlichen Strategien künstlerischer Computerspielmodifikationen auf diese Weise in nuce zusammen. Zusammenfassend ist in der vorliegenden Arbeit eine umfassende Analyse des Computerspiels als künstlerisches Material vorgenommen worden. Es ist den Mate-

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rialeigenschaften und damit impliziten künstlerischen Potenzialen des Mediums Computerspiel en detail nachgespürt worden, die sich methodisch vor allem am Verhältnis vom kommerziellen Game (fungierend als ‚vorgefundenes‘ Ausgangsmaterial) zum modifizierten, künstlerischen Artefakt haben zeigen lassen. In den analysierten Kunstwerken wurde das Computerspiel dementsprechend nicht als Werkzeug zur künstlerischen Produktion aufgefasst, sondern die hier untersuchten Kunstwerke sind Computerspiele, finden innerhalb ihrer Strukturen statt und machen sich diese in der Aneignung und Weiterverarbeitung zu Nutze. Es hat sich so gezeigt, dass das Medium Computerspiel (allgemeiner gefasst) ein komplexes mediales, spielerisches sowie apparatives Gefüge ist, das (auch) unter künstlerischen Vorzeichen auf mannigfaltige Weise ‚eingerichtet‘ werden kann. Anhand der ausführlichen Gegenstandsbestimmung und Theoretisierung, die vom Computerspiel über das Spiel bis hin zur Computerspielmodifikation reichte, sind die vielschichtigen Facetten des Phänomens deutlich zu Tage getreten. Der Entwurf des Computerspiels als Bildmedium, das sich als und durch Bilder zeigt, hat den Gegenstandsbereich erfolgreich für eine bildwissenschaftliche und damit auch kunstwissenschaftliche Analyse geöffnet. Die Einführung des medientheoretisch sowie bild- und kunstwissenschaftlich gleichsam wirksamen Begriffspaares von Transparenz und Opazität zu Analysezwecken hat darüber hinaus gewährleistet, dass sowohl die medienimmanten Charakteristika der Games als Ausgangsmaterialien als auch deren künstlerische Modifikationen beschreib- und erklärbar wurden. Das Computerspiel als Medium strebt nach Transparenz – danach, sich im Prozess der Vermittlung zum Verschwinden zu bringen und seine Bedingtheiten zu verunsichtbaren, während – dazu gegenläufig – künstlerische Computerspielmodifikationen die Wesenmerkmale des Computerspiels inszenieren, überformen und im Zuge dessen in Opazität hervortreten lassen. Es ist sichtbar geworden, dass die ausgewählten und detailliert analysierten Kunstwerke auf jeweils andere Herangehensweisen an der Schnitt- bzw. Bruchstelle von Transparenz und Opazität ansetzen. Sie haben – wie anhand der detaillierten Analysen nachvollziehbar ist – auf unterschiedliche Weise Strategien vorgeführt, die die medialen und apparativen Bedingungen sowie spielerischen Aspekte des Computerspiels ausstellen. Diese Computerspielmodifikationen bilden künstlerische Gegenentwürfe zu Computerspielen im Sinne eines etablierten, konventionellen Game Design der Computerspielindustrie, die einer als hyperrealistisch identifizierten Leistungskultur verschrieben ist. So haben die künstlerischen Computerspielmodifikationen den Games unkonventionelle, medienreflexive Widerständigkeiten und Aufsässigkeiten entgegengesetzt. Diese Strategien reichen von der Hervorkehrung der medialen, apparativen und dispositiven Strukturen des Computerspiels durch formalästhetische Experimente über nicht-spielkonforme, sich widersetzende Handlungen bis hin zur (totalen) Versperrung der Interaktiviät. Im Extremfall des dysfunktionalen, unspielbaren Spiels zeigt sich schließlich besonders deutlich, wie das Ausgangsmaterial in einen para-

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doxen Schwebezustand überführt wird: Damit wird das Computerspiel als Medium in seinen Wesenszügen künstlerisch durchdrungen und untersucht, teilweise ins Absurde verstellt und auf diese Weise werden seine spezifischen Ästhetiken, Ausdrucksmittel, Funktionsweisen, Bedingtheiten und Bedeutungen aufgebrochen, offen gelegt und kritisch reflektiert. Diese Medienreflexionen und künstlerische Analysen können soweit gehen, dass das Ausgangsmaterial des Games der Zerstörung anheimgegeben wird. An diese Ergebnisse anknüpfend ließe sich ein über die vorliegende Arbeit hinausgehender Forschungsbedarf identifizieren und eine Fragestellung formulieren: Es ist zu beobachten, dass KünstlerInnen Computerspiele nicht nur modifizieren, sondern teilweise auch eigenständige Art Games produzieren, die vor dem Hintergrund der vorliegenden Arbeit den Gegenstandsbereich einer darauf aufbauenden akademischen Untersuchung bilden könnten. Es ließe sich fragen, ob diese künstlerischen Computerspiele im Vergleich zu künstlerischen Computerspielmodifikationen andere Qualitäten aufweisen. Eine Hypothese im Sinne eines Ausblicks könnte lauten, dass originäre Games von KünstlerInnen weniger kritisch gegen die Charakteristika des Mainstream-Computerspiels gerichtet sind, sondern sich der medialen, apparativen und spielerischen Merkmale des Mediums in ‚begrüßender‘ Weise annehmen, anstatt sich an diesen medienreflexiv zu reiben und eine widerständige Gegenposition einzunehmen. Eine Frage könnte demnach lauten, ob die in dieser Studie analysierten Artefakte, Kunstwerke einer ersten Generation von KünstlerInnen repräsentieren, die sich mit dem Medium des Computerspiels auseinandersetzen. Eine weitere Frage lautet, ob diese vermeintliche erste Generation im Begriff ist, von einer zweiten Generation abgelöst zu werden, die das Computerspiel als Gattung begreift, die das Potenzial des künstlerischen Ausdrucks in sich trägt, das sich wiederum durch die spezifische Einrichtung und Gestaltung der Wesensmerkmale des Computerspiels entfalten kann.

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Zumbansen, Lars: Dynamische Erlebniswelten: ästhetische Orientierungen in phantastischen Bildschirmspielen, München, 2008

Abbildungen

Abb. 1: Super Mario Bros. (Nintendo, 1985) und Super Mario Clouds (Cory Arcangel, 2002-2009), Screenshots von ROM-Dateien Abb. 2: Arena aus der Serie Unitled Game (JODI, 1998-2001), Screenshot, URL: http://www.untitled-game.org/ug2.html [04.05.2012] Abb. 3: ‚Creature Designer‘ im Spiel Spore, Screenshot, URL: http://cache.io9.com/assets /images/8/2008/06/6b/48/medium_6b4853476439de5b500120722930f253.png [04.05.2012] Abb. 4: Castle Wolfenstein und Castle Smurfenstein im Vergleich, Screenshots, Laukkanen, Tero: Modding Scenes – Introduction to user-created content in computer gaming, Tampere, 2005, S. 10 Abb. 5: Simpsons Map, Screenshots eines YouTube-Videos, URL: http://www.youtube. com/watch?v=34LtrnnXQTc [05.05.2012] Abb. 6: Hammer Editor zur Modifikation des Spiels Half-Life (Valve Software, 1998). Vgl. Laukkanen, Tero: Modding Scenes – Introduction to user-created content in computer gaming, Tampere, 2005, S. 35 Abb. 7: Joan Leandre: retroYou r/c series (1999-2001), Screenshots, URL: http://retro you.org/org/retroyou/www/rc_1999/index.html [04.05.2012] Abb. 8: Umprogrammiertes Quake: Der Level Ctrl-Space aus JODIs Serie Untitled Game. Screenshot, URL: http://www.untitled-game.org/ug5.html [04.05.2012] Abb. 9: Margarete Jahrmann: Pong Dress (2006-2007 sowie Mary Flanagan: [giantJoytick] (2006), Fotos der Künstlerinnen, URL: http://www.ludic.priv.at/play

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_IMGP3981.jpg und http://www.maryflanagan.com/wp-content/uploads/giant joystick-10.jpg [04.05.2012] Abb. 10: Durchquerung von Kingdom Hearts und Kingdom Hearts II, URL: http://farm3.staticflickr.com/2728/4039126932_2b79dd12f9_z.jpg und http:// farm3.staticflickr.com/2563/4038975476_73a12912e7_z.jpg [04.05.2012] Abb. 11: Kill Screen in Pac-Man (Namco, 1980), Screenshot, URL: http://en.wikipedia. org/wiki/File:Pac-Man_split-screen_kill_screen.png [04.05.2012] Abb. 12: Mediale Transparenz: Perspektivisches Rennspiel mit iPad und Flatscreen. Werbefoto von Apple Inc. http://www.apple.com/de/appletv/what-is/ [14.03.2012] Abb. 13: Display der Konsole Nintendo 3DS unter dem Mikroskop, URL: http:// ignorethecode.net/upload/437/ [04.05.2012]. Werbeposter für Kid Icarus: Uprising (Project Sora, 2012), URL: http://0.tqn.com/d/classicgames/1/0/a/E/-/-/KidIcarusUprising.jpg [04.05.2012] Bildsequenz aus Kid Icarus: Uprising (Project Sora, 2012) erstellt aus dem Video Kid Icarus Uprising (3DS) - E3 2010 Reveal Trailer, YouTube-Video, URL: http://www.youtube.com/watch?v=emnVXdvRA6I [27.03.2012] Abb. 14: Screenshots aus den Spielen Doom (id Software, 1992) und Doom II (id Software, 1994) Doom: Screenshot, Laukkanen, Tero: Modding Scenes – Introduction to usercreated content in computer gaming, Tampere, 2005, S. 11 Doom II: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/c/c7/DOOM2_ingame_1.png [04.05.2012] Abb. 15: Brucknerhaus und Modell des Brucknerhauses in der dreidimensionalen Umgebung von Arsdoom. Foto des Brucknerhauses, URL: http://www.panoramio.com/photo/5937008 [04.05. 2012] Screenshot von Arsdoom, URL: http://skulltag.ru/print.php?type=A&item_id=34 Abb. 16: KünstlerInnen in Arsdoom. Abgebildet sind von links nach rechts: Peter Weibel, Andrea Mayr und Katharina Copony. Screenshot von Peter Weibel in eigener Erstellung. Screenshots von Mayr und Copony unter der URL: http://skulltag.ru/print.php?type=A&item_id=34 [04.05.2012]

A BBILDUNGEN

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Abb. 17: Das Symbol ‚Sonne Busen Hammer‘ als Textur an der Wand von Arsdoom. Screenshot, URL: http://rurban.xarch.at/ars/arsdoom.gif [04.05.2012] Abb. 18: Ikonoklastische Geste: Ausstreichen eines an der Wand befindlichen Kunstwerks in Arsdoom. Screenshots eigene Erstellung. Abb. 19: Marchel Duchamps Das Große Glas vor und nach seiner Zerstörung in Museum Meltdown. Screenshots eigene Erstellung Abb. 20: QQQ und Quake III Arena im Vergleich. Screenshot QQQ, URL: http://www.nullpointer.co.uk/qqq/images/qdm18b.jpg [04.05.2012] Screenshot Quake III Arena: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Quake_III_Arena_q3dm0.png [04.05.2012] Abb. 21: Architekturen aus Quake III Arena: Ansichten der Maps Q3Tourney1 Power Station 0218, Q3DM1 Arena Gate, Q3DM4 The Place of Many Deaths sowie Q3DM14 Grim Dungeouns, Screenshots, URL: http://q3a.ath.cx/ [04.05.2012] Abb. 22: Symmetrischer Grundriss der Map Q3DM4 The Place of Many Deaths, Screenshot, URL: http://q3a.ath.cx/topview/q3dm4.jpg [04.05.2012] Abb. 23: Die Spielfiguren Crash, Bones und Orbb, Screenshots, URL: http://planet quake.gamespy.com/View.php?view=Guides.Detail&id=43&game=4 [04.05.2012] Abb. 24: Die Maps Q3DM18 Space Chamber und Q3DM4 The Place of Many Deaths in der modifizierten Version von QQQ, Screenshots, URL: http://www.nullpointer. co.uk/qqq/qqq4.htm [04.05.2012] Abb. 25: Super Mario Clouds (2002-2209). Screenshot der auf Cory Arcangels Website bereitgestellter ROM-Datei. Abb. 26: Titelblätter von EA Magazin und Artforum International, Scans Abb. 27: Screenshot einer ROM von Super Mario Bros. (Nintendo, 1985), eigene Erstellung Abb. 28: I Shot Andy Warhol, (Cory Arcangel, 2002), Installation und Screenshot mit den Figuren Andy Warhol, dem Papst und Colonel Sanders, URL: http://www. coryarcangel.com/things-i-made/IShotAndyWarhol/ [04.05.2012]

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Abb. 29: Modifiziertes NES-Steckmodul, Foto von Cory Arcangel, URL: http://www. coryarcangel.com/things-i-made/supermarioclouds/ [05.05.2012] Abb. 30: Super Mario Clouds als Installation, Foto des Künstlers, URL: http:// italiangreyhounds.org/errata/wp-content/uploads/2008/03/clouds.jpg [05.05.2012] Abb. 31: Gif-Datei, Screenshot des Videos sowie Screenshot der emulierten ROM-Datei im Vergleich, Screenshots, eigene Erstellung Abb. 32: Mögliche Blautöne der NES-Palette, URL: http://fc01.deviantart.net/fs31/ f/2008/221/3/c/the_NES_palette_by_eri_red.png [05.05.2012] Abb. 33: Super Mario Bros.: Form der Wolken und der Vegetation im Vergleich, PngDateien der Sprites, URL: http://www.videogamesprites.net/SuperMarioBros1/ [05.05.2012] Abb. 34: Planungsblatt aus der Entwicklung von Super Mario Bros., 1984-85, URL: http://www.nintendo.de/NOE/de_DE/news/iwata/super_mario_bros_25_jahrest ag_19226_31910.html#top [05.05.2012] Abb. 35: Alien-Sprites im Spiel Space Invaders, Galloway, Alexander R.: Gamic Action, Four Moments, In: ders. [Hrsg.]: Gaming. Essays on algorithmic culture, Minneapolis, 2006, S. 33 Abb. 36: mario battle no.1 (Myfanwy Ashmore, 2000), Screenshot des Vimeo-Videos, URL: http://vimeo.com/18502121 [05.05.2012], sowie Screenshot der zweiten ROMVersion in eigener Erstellung Abb. 37: Spielszene aus America’s Army, sowie Screenshot aus DeLappes Dokumentationsvideo, URL: http://www.delappe.net/project/dead-in-iraq/ [05.05.2012] bzw. http://youtu.be/VTnuUMM7frk [05.05.2012] Abb. 38: Screenshot aus dem Medic Training von America’s Army Abb. 39: Statusmeldung von Joseph DeLappe vom 15. Dezember 2011, Screenshot, eigene Erstellung Abb. 40: Screenshots aus dead-in-iraq, URL: http://www.delappe.net/project/dead-in-iraq/ [05.05.2012]

A BBILDUNGEN

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Abb. 41: Wolfenstein 3D und SOD im Vergleich, Screenshots von Wolfenstein 3D in eigener Erstellung. Screenshots von SOD, Hunger, Francis: Perspective Engines: An interview with JODI, In: Clarke, Andy und Mitchell, Grethe [Hrsg.]: Videogames and art, Bristol [u.a.], 2007, S. 153 Abb. 42: Catacomb 3-D (id Software, 1991), Screenshot Abb. 43: Adolf Hitler in Wolfenstein 3D, Screenshots Abb. 44: SOD, Screenshots Abb. 45: sod.jodi.org, Screenshot Abb. 46: Die Map Arena aus der Serie Untitled Game (1998-2011), Screenshots, URL: http://www.untitled-game.org/ug2.html [05.05.2012]

Zitierte Werke

[giantJoytick], Installation, Interface für ein Computerspiel (Mary Flanagan, 2006) %Wrong Browser, Computerprogramm (JODI, Joan Heemskerk und Dirk Paesmans, 2000-01) 2nd Person Shooter, Computerspiel (Julian Oliver, 2007) AIUEONN Six Features, CD-ROM (Takahiko Iimura, 1993) Alien, Spielfilm (Ridley Scott, 1979) Aliens, Spielfilm (James Cameron, 1986) America’s Army, Computerspiel (MOVES Institute, ab 2002) AvSeq, Computerspiel (Tom Betts, 2010) Battlezone, Computerspiel (Atari, 1980) Blindside, Computerspiel (Michael T. Astolfi, Aaron Rasmussen, in Entwicklung) Bubsy in Claws Encounter of the Furred Kind, Computerspiel (Accolade, 1992) Castle Smurfenstein, Castle Wolfenstein-Modifikation (Andrew Johnson und Preston Nevins, 1983) Circuit, unspielbares Brettspiel aus Holz, 4,5 x 48,5 x 47 cm, Musée National d’Art Moderne, Centre Georges Pompidou, Paris (Alberto Giacometti, 1931) Composition on the Table, interaktive Klanginstallation (Toshio Iwai, 1998/99) Die Neuvermählte/Braut wird von ihren Junggesellen entkleidet, sogar (oder: Großes Glas), (La Mariée mise à nu par ses célibataires, même), diverse Materialien, 277.5 x 177.8 x 8.6 cm, Philadelphia Museum of Art, Philadelphia, PA (Marcel Duchamp, 1915–1923) Die Sims 2, Computerspiel (Maxis, 2004) Donkey Kong, Computerspiel (Nintendo, 1981) Doom II: Hell on Earth, Computerspiel (id Software, 1994) Doom, Computerspiel (John Romero und John Carmack, id Software, 1992) Duke Nukem 3D, Computerspiel (3D Realms, 1996) Electroplankton, Computerspiel (Toshio Iwai, indieszero, 2005) Erased de Kooning Drawing, ausradierte Zeichnung, Spuren von Tusche und Kreide, San Francisco Museum of Modern Art, San Francisco, CA (Robert Rauschenberg, 1953)

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Everything I Do is Art, But Nothing I Do Makes Any Difference, Half LifeModifikation (Chris Reilly, 2005-2006) Excitebike, Computerspiel (Nintendo R&D4, 1984) F1 Racer Mod (alternativ: Japanese Driving Game), F1-Race-Modifikation, (Cory Arcangel, 2004) FarCry, Computerspiel (Crytek, 2004) fluID, Unreal-Modifikation (Sylvia Eckermann; Mathias Fuchs, 2003) Flux Ping Pong, Installation, bearbeitete Tischtennisplatte und Schläger, 135 x 275 x 76 cm, Sammlung Block Berlin (George Maciunas, 1976) Fort Paladin: America’s Army, Installation, Case-Mod (Eddo Stern, 2003) GTA IV, Computerspiel (Rockstar North, 2008) Half-Life, Computerspiel (Valve Software, 1998) Heavy Rain, Computerspiel (Quantic Dream, 2010) I Shot Andy Warhol, Hogan’s Alley-Modifikation (Cory Arcangel, 2002) Jackpot, Website, URL: http://www.adaweb.com/context/jackpot/ (Maciej Wisniewski, 1996) Jeff Koons must Die!, Unreal-Modifikation (Hunter Jonakin, 2011) Jet Set Willy Variations ©1984, Jet Set Willy-Modifikation (JODI, Joan Heemskerk und Dirk Paesmans, 2002) Journey, Computerspiel (Jenova Chen, thatgamecompany, 2012) Jurassic Park (Steven Spielberg, 1993) Kid Icarus: Uprising, Computerspiel (Project Sora, 2012) Kingdom Hearts II, Computerspiel (Square Enix, 2005) Kingdom Hearts, Computerspiel (Square Co. Ltd., 2002) L.H.O.O.Q., Bearbeitete Postkarte, 19.7 x 12.4 cm, Privatbesitz, Leihgabe an das Musée National d’Art Moderne, Centre Georges Pompidou, Paris (Marcel Duchamp, 1919) LittleBigPlanet, Computerspiel (Media Molecule, 2008) Loopwalker, Unreal-Modifikation(Axel Stockburger, 1998) Mach Rider, Computerspiel (Nintendo R&D2, 1985) Maniac Mansion, Computerspiel (Lucasfilm Games, 1987) mario battle no.1, Super Mario Bros.-Modifikation (Myfanwy Ashmore, 2000) mario doing time, Super Mario Bros.-Modifikation(Myfanwy Ashmore, 2004) mario drowning, Super Mario Bros.-Modifikation (Myfanwy Ashmore, 2004) mario going nowhere, Super Mario Bros.-Modifikation (Myfanwy Ashmore, 2006) Metal Gear Solid, Computerspiel (Konami, 1998) Metaplay, Videoinstallation (Myron Krueger, 1970) Minecraft, Computerspiel (Markus Persson, 2009) Museum Meltdown, Computerspielmodifikationen (Tobias Bernstrup und Palle Torsson, 1996-1999) Night Driver, Computerspiel (Atari, 1976) NoRoomGallery, Quake-Modifikation (Imre Osswald und Florian Muser, 1999)

Z ITIERTE W ERKE

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OSS••••, Computerprogramme auf CD-ROM (JODI, Joan Heemskerk und Dirk Paesmans, 1998) Otocky, Computerspiel (Toshio Iwai, ASCII Corporation, 1987) Pac-Man, Computerspiel (Namco, 1980) PainStation, Installation, Computerspiel (fur, Tilman Reiff und Volker Morawe, 2001) Papa Sangre, Computerspiel (Somethin‘ Else, iOS, 2011) Pencil Whipped, Computerspiel (Lonnie Flickinger, 2000) Piano – As Image Media, interaktive Klanginstallation (Toshio Iwai, 1995) Play it by Trust / White Chess Set (Yoko Ono, ab 1966) Points of View, interaktive Installation (Jeffrey Shaw, 1983-84) Pong Dress, tragbares Computerspiel (Wearable) (Margarete Jahrmann, 2006-2007) Pong, Computerspiel (Atari, 1972) Psychic Space, interaktive Installation (Myron Krueger, 1971) Psycho, Spielfilm (Alfred Hitchcock, 1960) Pwned Paintings #2, Machinima (Michiel Van Der Zanden, 2008) Q4U, Quake III Arena-Modifikation (Feng Mengbo, 2000/02) QTHOTH. The Quilted Thought Organ, Half-Life-Modifikation, Quake IIModifikation (Julian Oliver, 1998-99) Quake II, Computerspiel (id Software, 1997) Quake III Arena, Computerspiel (id Software, 1999) Quake, Computerspiel (id Software, 1996) Re-Volt, Computerspiel (Acclaim, 1999) Resident Evil 4, Computerspiel (Capcom, 2005) Resonance of 4, interaktive Installation (Toshio Iwai, 1994) retroYou r/c series, Re-Volt-Modifikation (Joan Leandre, 1999–2001) Schwarzes Quadrat, Öl auf Leinwand, 106,2 x 106,5 cm, Staatliches Russisches Museum, St. Petersburg (Kasimir Malewitsch, nach 1920 entstanden) Shooter, Portraitserie (Beate Geissler und Oliver Sann, 2000-2001) SimCopter Hack, SimCopter-Modifikation (®™ark, 1996) SimCopter, Computerspiel (Maxis Inc., 1996) SimTunes, Computerspiel (Maxis, 1996, PC) SOD, Wolfenstein 3D-Modifikation (JODI, Joan Heemskerk und Dirk Paesmans, 1999) Space Invaders, Computerspiel (Taito, 1978) Spacewar!, Computerspiel (Steve Russell, 1962) Spore, Computerspiel (Will Wright, Maxis, 2008) Super Mario Bros. (World) [Graphic Hack by Flamepanther v2.0] (~Super Mario Brothers DX) ROM, ROM-Datei (Flamepanther, o.J.) Super Mario Bros., Computerspiel (Nintendo R&D2, 1985) Super Mario Clouds, Super Mario Bros.-Modifikation (Cory Arcangel, 2002-2009)

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Super Mario Movie, Super Mario Bros.-Modifikation, Machinima (Cory Arcangel, Paper Rad, 2005) Super Noah’s Ark 3D (Eisdom Tree, 1994) Suprematistische Komposition: Weiß auf Weiß (Weißes Quadrat), Öl auf Leinwand, 79.4 x 79.4 cm, MoMA, New York (Kasimir Malewitsch, 1917/18) Tapp- und Tastkino, Aktion (Valie Export, 1968) Tetris, Computerspiel (Alexei Paschitnow, 1984) The Endless Forest, Computerspiel (Tale of Tales, Auriea Harvey und Michaël Samyn, 2005) The Intruder, Computerspiel (Natalie Bookchin, 1998-99) The King of Kong, Dokumentarfilm (Seth Gordon, 2007) The Legible City, interaktive Installation (Jeffrey Shaw, 1988-1991) The Night Journey, Computerspiel (Bill Viola, in Entwicklung) Trigger Happy, Computerspiel (Thompson & Craighead, 1998) Twenty Four Hour Psycho, Video (Douglas Gordon, 1993) Universal Square, Video (Uri Tzaig, 1997) Untitled Game, Quake-Modifikationen (JODI, Joan Heemskerk und Dirk Paesmans, 1998-2001) Velvet-Strike, Counter-Strike-Modifikation (Anne-Marie Schleiner, Joan Leandre und Brody Condon, 2002) Video Ravings, Konsolen-Modifikation (Cory Arcangel, 2002) White Paintings, Öl auf Leinwand, 182.88 cm x 274.32 cm, San Francisco Museum of Modern Art, San Fransisco, CA (Robert Rauschenberg, 1951) Wolfenstein 3D, Computerspiel (id Software, 1992) World of Warcraft, Computerspiel (Blizzard Entertainment, ab 2004) Wrecking Crew, Computerspiel (Nintendo R&D1, 1985) Zork, Computerspiel (Marc Blank und Dave Lebling, 1977)

Dank

Ich danke herzlich Ulrike Gehring dafür, dass sie stets an das Projekt geglaubt und mir die Möglichkeit gegeben hat, das Thema zu verfolgen. Darüber hinaus gilt mein Dank Peter Weibel, Bernhard Serexhe, Idis Hartmann, Michael Liebe, Thorsten Wiedemann, Markus Lohoff, Thomas Hensel, Benjamin Beil, Michael Bielicky, Adam Rafinski, Lasse Scherffig, Jonas Hansen und besonders für die Kraft und den Mut Julia Spanke. Peter Weibel und dem ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie danke ich für den Druckkostenzuschuss. Herzlicher Dank gilt dem Freundeskreis Trierer Universität e.V., der meine Dissertation mit dem Förderpreis für den wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Trier ausgezeichnet hat. Der Preis wurde gestiftet von der Stiftung Stadt Wittlich. Meinen Eltern Elvira Damiani-Schwingeler und Rainer Schwingeler möchte ich von Herzen meinen tiefsten Dank für Ihren stetigen Zuspruch und Ihre fortwährende Unterstützung aussprechen. Julia, Danke, dass Du mich begleitest. Das Buch ist Dir und Henri gewidmet. Ich liebe Euch.

Image Julia Burbulla Kunstgeschichte nach dem Spatial Turn Eine Wiederentdeckung mit Kant, Panofsky und Dorner Dezember 2014, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2715-2

Lotte Everts, Johannes Lang, Michael Lüthy, Bernhard Schieder (Hg.) Kunst und Wirklichkeit heute Affirmation – Kritik – Transformation Oktober 2014, ca. 220 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2733-6

Lilian Haberer, Annette Urban (Hg.) Bildprojektionen Filmisch-fotografische Dispositive in Kunst und Architektur November 2014, ca. 308 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-1711-5

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4) ANZ2824.p 373051158638

Image Kai-Uwe Hemken (Hg.) Kritische Szenografie Die Kunstausstellung im 21. Jahrhundert November 2014, ca. 450 Seiten, kart., ca. 39,99 €, ISBN 978-3-8376-2569-1

Annette Jael Lehmann Environments: Künste – Medien – Umwelt Facetten der künstlerischen Auseinandersetzung mit Landschaft und Natur November 2014, ca. 250 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1633-0

Ulrich Richtmeyer, Fabian Goppelsröder, Toni Hildebrandt (Hg.) Bild und Geste Figurationen des Denkens in Philosophie und Kunst Februar 2014, 222 Seiten, kart., 26,99 €, ISBN 978-3-8376-2474-8

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Image Julia Bulk Neue Orte der Utopie Zur Produktion von Möglichkeitsräumen bei zeitgenössischen Künstlergruppen Oktober 2014, ca. 308 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 33,99 €, ISBN 978-3-8376-1613-2

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Zeitschrif t für Kultur wissenschaf ten Gudrun Rath(Hg.)

Zombies Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 1/2014

Mai 2014, 120 Seiten, kart., 14,99 €, ISBN 978-3-8376-2689-6 Der Befund zu aktuellen Konzepten kulturwissenschaftlicher Analyse und Synthese ist ambivalent. Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften bietet eine Plattform für Diskussion und Kontroverse über »Kultur« und die Kulturwissenschaften ­– die Gegenwart braucht mehr denn je reflektierte Kultur sowie historisch situiertes und sozial verantwortetes Wissen. Aus den Einzelwissenschaften heraus wird mit interdisziplinären Forschungsansätzen diskutiert. Insbesondere jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kommen dabei zu Wort. Wenn die Toten zum Leben erwachen: Die Figur des Zombie ist nach wie vor populär. Aber was genau ist ein Zombie und woher rührt seine Faszinationskraft? Das aktuelle Heft der ZfK geht dem auf den Grund. Lust auf mehr? Die ZfK erscheint zweimal jährlich in Themenheften. Bisher liegen 15 Ausgaben vor. Die ZfK kann auch im Jahresabonnement für den Preis von 25,00 € (international 30,00 €) bezogen werden. Bestellung per E-Mail unter: [email protected]

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