Kumulierte Serienrezeption: Ein Modell zur Erklärung des Rezeptionsphänomens Binge Watching [1. Aufl. 2019] 978-3-658-26841-1, 978-3-658-26842-8

Was macht den Reiz aus, mehrere Folgen einer Serie am Stück anzusehen? Dieser Frage widmet sich Miriam Czichon in ihrem

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Kumulierte Serienrezeption: Ein Modell zur Erklärung des Rezeptionsphänomens Binge Watching [1. Aufl. 2019]
 978-3-658-26841-1, 978-3-658-26842-8

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIV
Einleitung (Miriam Czichon)....Pages 1-11
Digitale Revolution (Miriam Czichon)....Pages 13-31
Serielles Erzählen (Miriam Czichon)....Pages 33-106
Narratives Verstehen (Miriam Czichon)....Pages 107-134
Narratives Erleben (Miriam Czichon)....Pages 135-190
Forschungsmodell (Miriam Czichon)....Pages 191-211
Methode (Miriam Czichon)....Pages 213-287
Ergebnisse (Miriam Czichon)....Pages 289-340
Diskussion und Ausblick (Miriam Czichon)....Pages 341-351
Back Matter ....Pages 353-476

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Miriam Czichon

Kumulierte Serienrezeption Ein Modell zur Erklärung des Rezeptionsphänomens Binge Watching

Kumulierte Serienrezeption

Miriam Czichon

Kumulierte Serienrezeption Ein Modell zur Erklärung des Rezeptionsphänomens Binge Watching

Miriam Czichon Institut für Kommunikationswissenschaft Universität Bamberg Bamberg, Deutschland Zgl. Dissertation an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2018

ISBN 978-3-658-26841-1 ISBN 978-3-658-26842-8  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-26842-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Danksagung Die vorliegende Arbeit stellt die leicht überarbeitete Form meiner Dissertationsschrift dar, die ich im Mai 2018 an der OttoFriedrich-Universität Bamberg eingereicht habe. Weil das Anfertigen einer Doktorarbeit weit mehr umfasst als die reine Niederschrift der Ideen und Ergebnisse, möchte ich an dieser Stelle einigen Personen von Herzen danken. Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater Carsten Wünsch, der mir immer mit gutem Rat zur Seite gestanden hat und jederzeit ein offenes Ohr für meine Fragen hatte. Du hast gelenkt, wo es nötig war, motiviert, wenn es notwendig war und dabei immer an mich und mein Projekt geglaubt. Danke! Ebenfalls ein großes Dankeschön geht an meine Zweitgutachterin Daniela Schlütz, die mit ihrem einschlägigen Fachwissen und ihrer ansteckenden Begeisterung für Serielles Erzählen im Allgemeinen und Quality TV im Besonderen meine Arbeit ungemein bereichert hat. Unser erstes Telefonat war ein unglaublicher Motivationsschub für mich! Der empirische Teil der Arbeit wäre nicht zu realisieren gewesen ohne die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meiner Seminarkurse im Wintersemester 2015/16 und Sommersemester 2016; ohne die finanzielle Förderung durch die Ludwig-Delp-Stiftung; und ohne die beiden studentischen Hilfskräfte Johanna H. und Christine G., die mich beim Codieren unterstützt haben. Weiterhin möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen am Bamberger Institut für Kommunikationswissenschaft bedanken – dafür, dass ich immer gerne an meinen Arbeitsplatz komme, für angeregte Tür-und-Angel-Gespräche und die Entlastung in der Endphase der Dissertation. Besonderer Dank gilt Andrea und Claudia und zwar dafür, dass sie sind, was sie sind, die guten Seelen des Instituts, und natürlich Sarah, Theresa und Sophie. Was hätte ich nur ohne euch gemacht? Nicht nur, dass ihr meine Arbeit Korrektur gelesen habt. Ihr habt auch immer in den richtigen Momenten für Ablenkung, Entlastung und Aufmunterung gesorgt. Ihr seid die besten!

VI

Danksagung

Maike und Jakob dürfen ebenfalls nicht fehlen in der Liste der Danksagungen. Danke für eure tolle Freundschaft, die Dienste wie Korrektur lesen, Sorgen zerstreuen und gemeinsam Lebenshöhepunkte feiern umfasst! Stellvertretend für viele weitere helfende Hände möchte ich Minu, Christina, Julia und Jessi Danke sagen. Bei einem langjährigen Projekt wie einer Promotion leidet die Familie sicherlich am stärksten mit. Meiner Familie danke ich für ihre Geduld, Unterstützung und bedingungslose Liebe, die mich in schwierigen Momenten immer getragen hat. Wenn es jemanden gab, der nicht an der erfolgreichen Fertigstellung der Arbeit gezweifelt hat, dann seid ihr das gewesen! Zuletzt möchte ich meiner Großmutter Emma Sommerkorn danken. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Ohne sie hätte ich nie eine solche Leidenschaft fürs Fernsehen entwickelt. Schon Jahrzehnte, bevor das Wort ‚Binge Watching‘ durch alle Medien geisterte, gehörten lange gemeinsame Fernsehabende zu unserem festen Sommerferienritual. Zwanzig Jahre später schaue ich noch immer gerne lange fern. Lediglich die Inhalte haben sich im Verlauf der Zeit etwas geändert: Komödiantenstadel und Alfred Biolek stehen nicht mehr auf meiner Watch-Liste. Bamberg, im Frühjahr 2019 Miriam Czichon

Inhalt 1 Einleitung

1

2 Digitale Revolution

13

2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.4

14 16 17 20 26 29

Fernsehen vor der digitalen Revolution Fernsehen in Zeiten der digitalen Revolution From Flow to File to Flow Netflix: Sinnbild der digitalen Revolution Veränderungen in den Sehgewohnheiten Zwischenfazit

3 Serielles Erzählen

33

3.1 Serielle Unterhaltung in den Massenmedien 3.2 Fernsehserien 3.2.1 Charakteristika serieller Fernsehunterhaltung 3.2.1.1 Mehrteiligkeit und Verknüpfung der Teile 3.2.1.2 Offene Narrationsstruktur 3.2.2 Formen serieller Fernsehunterhaltung 3.2.2.1 Episodenserien 3.2.2.2 Fortsetzungsserien 3.2.2.3 Hybridformen 3.2.2.4 Anthologie-Serien 3.3 Quality TV 3.3.1 Begriffsgenese und -abgrenzung 3.3.2 Historische Entwicklung des Quality TV 3.3.2.1 Phase I: Network-Fernsehen für die Massen 3.3.2.2 Phase II: Konkurrenz und Zielgruppen-Fernsehen 3.3.2.3 Phase III: First-Order-Relations und Branding 3.3.2.4 Phase IV: Fernsehen in Zeiten von Konvergenz 3.3.3 Werkimmanente Charakteristika von Quality TV 3.3.3.1 Narrative Komplexität und Ambiguität

34 44 45 47 53 57 59 62 65 68 70 71 75 77 81 84 87 91 92

VIII

Inhalt

3.3.3.2 Authentizität und Vielschichtigkeit 3.3.3.3 Ästhetik und Stil 3.4 Zwischenfazit

96 100 103

4 Narratives Verstehen

107

4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3

108 113 116 119

4.4

Stufen des Verstehens Mentale Modelle Event-Indexing-Model Model of Narrative Comprehension and Engagement Limited Capacity Model of Mediated Message Processing Zwischenfazit

124 131

5 Narratives Erleben

135

5.1 Rezeptionsmodi 5.1.1 Involvierte Rezeption 5.1.1.1 Empathie mit Medienpersonen 5.1.1.2 Parasoziale Interaktionen 5.1.1.3 Immersives Erleben 5.1.2 Analysierende Rezeption 5.1.2.1 Ästhetisches Erleben 5.1.2.2 Appreciation 5.2 Rezeptionsgenuss 5.3 Rezeptionsmotivation 5.4 Zwischenfazit

136 138 139 148 157 164 165 174 178 183 188

6 Forschungsmodell

191

6.1 6.2 6.3

191 197 204

Allgemeines Rezeptionsmodell Spezifisches Modell der kumulierten Serienrezeption Forschungsfragen und Hypothesen

Inhalt

IX

7 Methode

213

7.1 Design der Studie 7.1.1 Untersuchungsanlage 7.1.2 Befragung 7.1.3 Stichprobe 7.1.4 Stimulus 7.2 Durchführung und Ablauf der Studie 7.3 Operationalisierung abhängige Variablen 7.3.1 Operationalisierung Narratives Verstehen 7.3.1.1 Operationalisierung Informationsverarbeitung 7.3.1.2 Operationalisierung Verstehensstufen 7.3.2 Operationalisierung Narratives Erleben 7.3.2.1 Operationalisierung Erlebensfacetten 7.3.2.2 Operationalisierung Rezeptionsgenuss und Rezeptionsmotivation 7.4 Fragebogenkonstruktion 7.4.1 Prärezeptiver Fragebogen 7.4.2 Postrezeptiver Fragebogen 7.5 Datenauswertung 7.5.1 Stichprobenbereinigung 7.5.2 Auswertung Skalen 7.5.3 Auswertung Informationsverarbeitungssubprozesse 7.5.4 Auswertung Situationsmodell 7.5.5 Zum Einsatz kommende statistische Verfahren

213 213 216 220 222 231 236 236 236 244 249 249

8 Ergebnisse

289

8.1 8.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.4 8.4.1

289 290 302 302 310 320 320

Beschreibung der Stichprobe Gruppenegalität und grundlegende Befunde Befunde Narratives Verstehen (FF1) Informationsverarbeitung Verstehensstufen Befunde Narratives Erleben (FF2) Involvierte Rezeption

257 259 260 266 271 272 275 279 283 286

X

8.4.2 8.5 8.6 8.7

Inhalt

Analysierende Rezeption Befunde Rezeptionsgenuss & -motivation (FF3) Zusammenhänge zwischen den Konstrukten (FF4) Fazit

327 328 331 337

9 Diskussion und Ausblick

341

Anhang

353

Fragebögen Codebücher

353 397

Literatur

447

Verzeichnis der Abbildungen Abb. 1: Die fünf Stufen des Narrativen Verstehens ..................... 112 Abb. 2: Model of Narrative Comprehension and Engagement .. 120 Abb. 3: Ltd. Capacity Model of Mediated Message Processing .. 126 Abb. 4: Zwei-Ebenen-Modell parasozialer Interaktionen ............ 155 Abb. 5: Model of Aesthetic Appreciation & Judgements ............ 171 Abb. 6: Model of Complex Entertainment Experiences .............. 181 Abb. 7: Allgemeiner Rezeptionsprozess – Stufe 1 ........................ 194 Abb. 8: Allgemeiner Rezeptionsprozess – Stufe 1 und 2 ............. 194 Abb. 9: Allgemeiner Rezeptionsprozess – alle Stufen .................. 196 Abb. 10: Modell der kumulierten Serienrezeption ........................ 203 Abb. 11: Art der gegebenen Informationen (Katie Connor) ....... 308 Abb. 12: Art der gegebenen Informationen (Arthur Frobisher) . 309 Abb. 13: Anzahl genannter Ereignisse (Katie Connor) ................ 309 Abb. 14: Anzahl genannter Ereignisse (Arthur Frobisher) .......... 310 Abb. 15: Situationsmodell-Dimension ‚Ereignisse‘ ....................... 315 Abb. 16: Situationsmodell-Dimension ‚Handlungsstränge‘ ......... 315 Abb. 17: Situationsmodell-Dimension ‚Figuren‘ ........................... 316 Abb. 18: Situationsmodell-Dimension ‚Brückeninferenzen‘........ 316 Abb. 19: Situationsmodell-Dim. ‚Emotionale Gestimmtheit‘ ..... 317 Abb. 20: Situationsmodell-Dim. ‚Persönlichkeitseigenschaften‘ . 317

Verzeichnis der Tabellen Tab. 1: Quality TV-Kriterien nach Thompson, 1996 ..................... 74 Tab. 2: Begriffe für Reaktionszeittests ............................................ 240 Tab. 3: Recognition-Test ................................................................... 243 Tab. 4: Dramaturgie- & Stil-Skala (adapt. Appel et al., 2002) ...... 247 Tab. 5: Tieferer Sinn-Items (Eigenkonstruktion) .......................... 248 Tab. 6: State-Empathie-Skala (Shen, 2010) .................................... 251 Tab. 7: PSI-Items (Schramm & Hartmann, 2008)......................... 253 Tab. 8: Narrative Engagement-Skala (Busselle & Bilandzic, 2009) ............................................................................................................... 254 Tab. 9: Transportability-Items (Dal Cin et al., 2008) .................... 264 Tab. 10: Medienempathiefähigkeit-Items (Leibetseder et al., 2001) ............................................................................................................... 265 Tab. 11: Überblick Cronbachs Alpha .............................................. 278 Tab. 12: Zusammensetzung der Stichprobe ................................... 290 Tab. 13: Nutzungshäufigkeiten narrativer Medienangebote ........ 292 Tab. 14: Mittelwerte ‚Serienliebhaber‘ & ‚Anzahl Serien‘ ............. 293 Tab. 15: Mittelwerte ‚Intensität kum. Sehen‘ & ‚Anzahl Folgen‘ 294 Tab. 16: Üblicherweise genutzte Übertragungskanäle .................. 295 Tab. 17: Mittelwerte ‚Seriengeschmack‘ & ‚Mitmach-Motivation‘ ............................................................................................................... 296 Tab. 18: Mittelwerte ‚Empathie- & Transportationsfähigkeit‘ .... 296 Tab. 19: Rezeptionssituation............................................................. 299 Tab. 20: Antwortverhalten Wort-Reaktionszeittest ...................... 304 Tab. 21: Ergebnis Subprozess ‚retrieval‘ ......................................... 306 Tab. 22: Ergebnis Subprozess ‚encoding‘ ....................................... 306 Tab. 23: Ergebnisse Subprozess ‚storage‘ ....................................... 306

XIV

Verzeichnis der Tabellen

Tab. 24: Ergebnisse Situationsmodelle ........................................... 311 Tab. 25: Ergebnisse Dramaturgie & Stil sowie Tieferer Sinn ...... 319 Tab. 26: Ergebnisse Medienempathie ............................................. 321 Tab. 27: Lieblingsfiguren aus der Serie ‚Damages‘ ........................ 322 Tab. 28: Ergebnisse Empathie: Ellen Lieblingsfigur ..................... 322 Tab. 29: Ergebnisse Empathie: Ellen nicht Lieblingsfigur ........... 323 Tab. 30: Ergebnisse PSI-Prozesse.................................................... 324 Tab. 31: Ergebnisse PSI-Prozesse: Ellen Lieblingsfigur ............... 324 Tab. 32: Ergebnisse PSI-Prozesse: Ellen nicht Lieblingsfigur ..... 325 Tab. 33: Ergebnisse Immersives Erleben ....................................... 326 Tab. 34: Ergebnisse Ästhetisches Erleben & Appreciation ......... 328 Tab. 35: Ergebnisse Rezeptionsgenuss & -motivation ................. 330 Tab. 36: Zusammenhang Verarbeitung & Verstehensstufen....... 332 Tab. 37: Zusammenhang Situationsmodell & involv. Modus ..... 333 Tab. 38: Zusammenhang Erleben & Rezeptionsgenuss ............... 335 Tab. 39: Zusammenhang Rezeptionsgenuss & -motivation ........ 336

1

Einleitung

Hillary Clinton tut es. Barack Obama auch. Genauso wie Michelle Obama. Und Ellen DeGeneres. Oder Jennifer Lawrence. Was dieser illustre Kreis an prominenten Menschen gemeinsam hat? Sie alle tun das, was gemeinhin als Binge Watching bezeichnet wird. Das heißt, sie sehen sich mehrere Folgen einer Serie am Stück an. Im Falle der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin sind es Serien wie The Good Wife, Madam Secretary und House of Cards, von denen sie nicht genug haben kann (Jenkins, 2015). Beim amerikanischen ExPräsidenten stehen die Serienhits Breaking Bad und Mad Men ganz oben auf der Binge Watching-Liste (Shear, 2013). Seine Ehefrau wiederum ist ein großer Fan der Serie Scandals, seit sie auf einem Flug von Washington D. C. nach Hawai eine Folge nach der anderen verschlungen hat (Maresca, 2014). Die Talkshow-Moderatorin Ellen DeGeneres bevorzugt die Netflix-Shows Orange is the New Black sowie Arrested Development (TheEllenShow, 2013). Und die zweifache Oscar-Gewinnerin Jennifer Lawrence bingewatched am liebsten den Serienhit Homeland (Larkin, 2014). Zumindest hinsichtlich ihres Rezeptionsverhaltens unterscheiden sich die aufgezählten Promis nicht sonderlich von ihren Landsleuten. Im Rahmen einer Studie von TiVo, dem größten Festplatten-Set-Top-Box-Anbieter in den USA, gaben 92 Prozent der 12 500 befragten Personen an, schon einmal gebingewatched zu haben (DTVE Reporter, 2015). In einer anderen, vom Consulting-Unternehmen Deloitte in Auftrag gegebenen Umfrage heißt es, dass 70 Prozent der US-Amerikanerinnen und Amerikaner regelmäßig mehrere Folgen einer TV-Sendung am Stück rezipieren (Spangler, 2016). Und auch mit ihrer Serienwahl befinden sich Clinton und Co. in bester Gesellschaft: Im Jahr 2014 gehörten Breaking Bad (Platz 1), House of Cards (Platz 2), Homeland (Platz 7) und Mad Men (Platz 8) zu den zehn am häufigsten gebingewatchten Sendungen (Gachman, 2014). © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Czichon, Kumulierte Serienrezeption, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26842-8_1

2

1 Einleitung

Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2017 ist Binge Watching in Deutschland ebenfalls zu einem gängigen Rezeptionsverhalten geworden, das besonders bei den 14- bis 29-Jährigen beliebt ist (Kupferschmitt, 2017). In Online- und Printmedien wird diese Form der Seriennutzung durchaus kritisch beäugt (siehe auch Riddle, Peebles, Davis, Xu, & Schroeder, 2017). Als krankhaft wird das Verhalten in der journalistischen Berichterstattung bisweilen beschrieben, das zudem einsam mache (z. B. Bassist, 2013; Charisius, 2015; Dvorak, 2013). Nun ist es aber nicht gerade so, dass die eingangs aufgezählten Promis dem Bild einer depressiven, sozial isolierten couch potatoe entsprechen würden. Auch stehen sie nicht im Verdacht, über besonders viel Freizeit zu verfügen. Was also hat das Rezeptionsphänomen Binge Watching an sich, dass so viele Menschen – vom 14-jährigen Teenagermädchen bis zum ehemaligen Präsidenten der USA – diesem frönen? Der Beantwortung dieser Frage widmet sich die vorliegende Arbeit. Das allgemeine Forschungsinteresse lautet demnach: Was macht den Reiz aus, Binge Watching zu betreiben? In einem Artikel, der auf der Onlineseite der Washington Post erschienen ist, schreibt die Journalistin Jessica Goldstein (2013) über eben jenes Phänomen, innerhalb kurzer Zeit, ganze Staffeln einer Serie zu rezipieren. Überschrieben ist der Artikel mit der Frage „If it sounds so bad why does it feel so good?“. Damit bringt sie die Ambivalenz auf den Punkt, die mit Binge Watching einhergeht. Denn Binge Watching ist zunächst ein negativ konnotierter Begriff (Czichon & Schlütz, 2016, 20). Das englische Wort ‚binge‘ bedeutet so viel wie Gelage und wird im Englischen im Zusammenhang mit den Suchtkrankheiten Binge Drinking (= Komasaufen) und Binge Eating (= eine Essstörung, bei der in kurzer Zeit viel Essen zu sich genommen wird) verwendet. Binge Watching vor diesem Hintergrund als krankhaftes Suchtverhalten zu interpretieren, liegt nahe. Befeuert wird die Suchtassoziation noch dadurch, dass sich Serienfans, wenn auch spaßhaft, gerne als Serienjunkies bezeichnen und der intensive Serienkonsum bisweilen als guilty pleasure beschrieben wird, also als etwas, wofür man sich im Zweifel schämen

1 Einleitung

3

muss. Andererseits scheint Binge Watching aber auch für Freude, Spaß und gute Unterhaltung zu stehen. Das legt zumindest Goldsteins Titel nahe. Andere euphorische Artikel (z. B. auf zeit online oder jetzt.de in eigens dafür geschaffenen Binge WatchingKolumnen erschienen) und zahlreiche Memes und GIFS im Netz zeugen ebenfalls von dieser Auffassung. Diese Ambivalenz im Umgang mit Binge Watching lässt sich nicht nur in der öffentlichen Diskussion entdecken, sondern spiegelt sich auch in den wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen wider, die es bisher zu dem Rezeptionsphänomen gibt. So untersuchten Sung, Kang, und Lee (2015), welche Persönlichkeitsfaktoren Binge Watching begünstigen, und entdeckten dabei folgende Zusammenhänge: Je einsamer und depressiver sich eine Person fühlte, desto eher neigte sie dazu, sich mehrere Folgen einer TVSerie am Stück anzusehen. Zudem zeigte sich, dass diejenigen, die Schwächen in der eigenen Selbstkontrolle offenbarten, eher dazu tendierten, Binge Watching zu betreiben. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Tukachinsky und Eyal (2017). Sie stellten fest, dass diejenigen Personen, die Anzeichen einer Depression aufwiesen und über mangelnde Selbstregulierungskompetenzen verfügten, am intensivsten bingewatchten. Beide Studien beziehen sich in ihrer theoretischen Argumentation auf die depression-self regulationHypothese von LaRose, Lin, und Eastin (2003). Diese basiert auf der Annahme, dass depressive Menschen Medien gezielt dazu nutzen, ihre Stimmung aufzuhellen. Das kann bei wiederholter Nutzung in einem Automatismus, also in „a conditioned response“ münden, die „dysphoric states with media use” (LaRose et al., 2003, 233) verknüpft. Die Folge ist, dass der für funktionierende Selbstkontrolle wichtige Subprozess der Selbstbeobachtung (siehe auch Bandura, 1991) nicht mehr länger greift und sich die Rezipierenden fortan in einem Zustand befinden, „in which conscious selfcontrol is relatively diminished“ (LaRose et al., 2003, 232). Letzteres bezeichnen LaRose et al. (2003) unter Bezugnahme auf die Social Cognitive Theory (Bandura, 1986, 1991, 2001) als deficient selfregulation, was in einem problematischen Mediennutzungsverhalten

4

1 Einleitung

enden kann, aber nicht muss. Anzeichen eines Kontrollverlusts lassen sich auch in anderen, überwiegend qualitativen Studien finden. Darin berichten Bingewatchende von einer gewissen Ohnmacht gegenüber dem eigenen Rezeptionsverhalten, was dazu führt, dass mehr Episoden am Stück gesehen werden als ursprünglich geplant (de Feijter, Khan, & van Gisbergen, 2016; Flayelle, Maurage, & Billieux, 2017; Kranz, 2015; Perks, 2015; WaltonPattison, Dombrowski, & Presseau, 2016). Dies kann negative physische Folgen haben, wie z. B. Schlafmangel, und geht soweit, dass Aufgaben im Haushalt oder das Lernen für Prüfungen aufgeschoben und Termine abgesagt werden. Mitunter plagt die betroffenen Personen anschließend ein schlechtes Gewissen und sie bereuen, zu viel Zeit vor dem Fernseher verbracht zu haben, anstatt einer in ihren Augen sinnvolleren Tätigkeit nachgegangen zu sein. Empirische Befunde weisen aber auch darauf hin, dass es sich bei dem unabsichtlichen, mit Kontrollverlust einhergehenden Binge Watching nur um eine spezielle Form des Rezeptionsverhaltens handelt. So zeigte sich in der Studie von Riddle et al. (2017), dass Rezipierende beides kennen: das intendierte und das nonintendierte Binge Watching. Nur letzteres, so die Autorinnen, gehe mit Suchtsymptomen einher, wie sie Horvath (2004) für Vielseher und Vielseherinnen des klassischen, linearen Fernsehens beschrieben hat.1 Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch in den qualitativen Studien ab. Sowohl Perks (2015), als auch Kranz (2015) und Flayelle et al. (2017) berichten von Rezipierenden, die sich überwiegend bewusst dafür entschieden haben, mehrere Folgen am Stück zu rezipieren. Meist erfolgt dies nach einem bestimmten Muster: So findet intendiertes Binge Watching immer dann statt, wenn Rezipierende ausreichend Freizeit haben, also in den Semesterferien, zwischen zwei Jobs, im Urlaub, am Wochenende oder 1

Als suchtgefährdet gilt demnach, wer Items wie „When I stop intentionally/unintentionally binge watching some shows, I feel a void in my life” oder „I keep intentionally/unintentionally binging even though it is causing problems in my life” positiv beantwortet.

1 Einleitung

5

am Feierabend. In letzterem Fall dient Binge Watching häufig als Belohnung für einen langen Arbeitstag und markiert den Eintritt in den Feierabend. Hinzu kommen Fälle, in denen aus Binge Watching ein regelrechtes Happening gemacht wird und Freunde eingeladen werden, um gemeinsam Folgen der Lieblingsserie zu schauen. Allen Formen intendierten Binge Watchings ist dabei gemein, dass gegen die alltäglichen Pflichten abgewogen wird, ob es sinnvoll ist, eine weitere Folge zu schauen. Was aber motiviert überhaupt dazu, egal ob intendiert oder nicht, Serien kumuliert zu rezipieren? Pittmann und Sheehan (2015) befragten Binge Watchende zu ihren Motiven. Neben den üblichen Unterhaltungsmotiven Entspannung, Zeitvertreib und Hedonismus waren es Items wie „I feel more engaged with the characters when I binge watch“ oder „I feel more engaged when I binge watch“, die auf große Zustimmung stießen. Ähnlich äußerten sich auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der qualitativen Studien (Flayelle et al., 2017; Perks, 2015). Als Begründung für ihr Verhalten, innerhalb kurzer Zeit ganze Staffeln zu konsumieren, führten sie die starke emotionale Bindung zu den Figuren an und berichteten von intensiv erlebten Gefühlen wie Glück, aber auch Trauer und Wut. Perks (2015) beschreibt in ihrer Studie, dass sich die Rezipierenden über die Maßen stark mit den Figuren identifizierten und eine so intensive Beziehung zu ihnen aufbauten, dass sie häufig in parasocial mourning verfielen, nachdem eine Serie zu Ende rezipiert worden war. Auch Tukachinsky und Eyal (2017) fanden Belege für hohes Involvement. So konnten sie in ihrer quantitativen Studie einen positiven Zusammenhang zwischen dem Binge Watching-Ausmaß und den Konstrukten Identifikation sowie Parasoziale Beziehungen (PSB) feststellen, nicht aber zwischen Binge Watching und dem Transportiertsein in eine Geschichte. In einer zweiten Studie, in der sie die Befragten baten, sich entweder an eine Situation zurückzuerinnern, in der sie eine Serie im wöchentlichen Rhythmus rezipierten (Gruppe traditional viewing) oder an eine solche, in der sie eine Serie bingewatchten, wollten sie überprüfen, ob Binge Watching „a fundamentally different invol-

6

1 Einleitung

vement opportunity“ (Tukachinsky & Eyal, 2017, 17) bietet als traditional viewing. Tatsächlich zeigten diejenigen, die eine Serie kumuliert rezipiert hatten, stärkere Anzeichen von Transportation und PSB, nicht aber von Identifikation. Alle drei Zusammenhänge bestanden selbst dann noch, als um die Variable deficient self-regulation kontrolliert wurde. Granow, Reinecke, und Ziegele (2018) wiederum stellten fest, dass Binge Watching positive Effekte auf das psychologische Wohlbefinden einer Person haben kann, wobei hier das wahrgenommene Autonomiegefühl der Rezipierenden der entscheidende Faktor war. Es scheint jedoch nicht nur das intensive Erleben zu sein, das motiviert, am Stück zu rezipieren. In besagter Studie von Pittmann und Sheehan (2015) war es auch das Item „Binge-watching helps me follow the intricate story lines“, das als starker Indikator für Binge Watching-Verhalten fungierte. Selbiges Muster zeichnete sich auch in der qualitativen Studie von Perks (2015) ab. Darin berichteten die Befragten, dass Binge Watching es ihnen ermögliche, „a fresh memory of the story“ (Perks, 2015, 75) zu haben, wodurch es ihnen leichter falle, Details und Nuancen einer Geschichte wahrzunehmen. Horvath, Horton, Lodge, und Hattie (2017) konnten zudem im Rahmen eines Experiments zeigen, dass Personen, die eine sechsteilige Miniserie am Stück rezipierten, 24 Stunden nach Ende der letzten Folge die Inhalte der Serie signifikant besser erinnerten als Personen, die täglich eine Episode oder die die Folgen im wöchentlichen Rhythmus sahen. Welcher Eindruck lässt sich nun aus diesen Befunden gewinnen? Vielleicht jener, dass Binge Watching die bessere Art ist fernzusehen, ermöglicht es doch ein intensives Erleben und Verstehen der Geschichte. Eine nicht unerhebliche Rolle spielt dabei die Art des zu rezipierenden Textes. Grundsätzlich können wir alles am Stück konsumieren, so lange es aus mindestens zwei Teilen besteht. Also auch Dokumentationen, Reality TV, Talkshows, etc. Auffällig ist jedoch, dass Binge Watching an „a certain kind of text” (Jenner, 2017, 311) gebunden ist. Zu nennen ist hier zunächst einmal die fiktionale TV-Serie. Doch selbst unter fiktionalen Serien

1 Einleitung

7

gibt es solche, die eine besonders hohe „bingability“ (Brunsdon, 2010, 66) aufweisen bzw. die besonders „binge-worthy“ (Jenner, 2017, 304) sind (siehe auch Schlütz, 2016, 134ff). TiVo führt, wie eingangs bereits erwähnt, unter den Top 10 der am meisten gebingewatchten Sendungen für das Jahr 2014 Serien wie Breaking Bad, House of Cards, Homeland und Mad Men an. Zudem befinden sich Shows wie Game of Thrones und The Walking Dead auf besagter Liste. Was haben alle diese Serien gemeinsam? Sie verfügen über „exceptionally complex narrative structures“ (Jenner, 2017, 312). Es sind Serien dieses Typus, die „intense and repeated viewing attractive“ (Brunsdon, 2010, 69) machen und für die Binge Watching die geeignete Rezeptionsstrategie zu sein scheint (Perks, 2015). Binge Watching mag nicht nur die bessere Art sein fernzusehen, vor allem ist es die neue Art fernzusehen. Denn Binge Watching setzt voraus, dass die Rezipierenden jederzeit, also immer dann, wenn sie es wollen, auf mehrere Folgen oder gar ganze Staffeln einer Serie Zugriff haben. Das Rezeptionsphänomen ist deshalb eng verknüpft mit dem Aufkommen neuer Kommunikationstechnologien und Distributionsstrategien, die „autonomous viewership“ (Jenner, 2017, 310), also selbstbestimmte Seriennutzung möglich machen (siehe auch Brunsdon, 2010; Jenner, 2017; Kranz, 2015; Mikos, 2016; Perks, 2015; Tukachinsky & Eyal, 2017). Erwähnt sei hier der Festplattenrekorder, wodurch sich Fernsehsendungen zeitversetzt rezipieren lassen. Wesentlich stärkere Treiber für Binge Watching waren jedoch auf DVD erschienene Serien und – besonders wichtig – legale wie illegale Video-On-DemandPortale (VoD). Bei diesen Kommunikationstechnologien können wir nicht nur bestimmen, wann wir eine Serienepisode ansehen, sondern auch wie viele davon und wie viele davon auf einmal. Vor diesem Hintergrund scheint es unzureichend, Binge Watching nur darauf zu beschränken, „high-dosage continuous media consumption“ (Conlin & Tefertiller, 2016, 6) bzw. eine exzessive Form der Seriennutzung zu sein (Kranz, 2015). Unklar ist in diesem Zusammenhang auch, wie viele Folgen am Stück rezipiert

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1 Einleitung

werden müssten, damit das Rezeptionsverhalten als exzessiv zu kategorisieren ist. Während die einen zwei Folgen als Minimalanforderung definieren (Conlin & Billings, 2015; Kranz, 2015; Mikos, 2016), beginnt für andere Binge Watching erst ab drei Folgen (Riddle et al., 2017; Sung et al., 2015; Tukachinsky & Eyal, 2017). Wie empirische Untersuchungen zudem zeigen, variiert die durchschnittliche Anzahl von Person zu Person stark (de Feijter et al., 2016; Granow, Meier, & Reinecke, 2018; Walton-Pattison et al., 2016). Was aber bedeutet ‚exzessiv‘ in diesem Zusammenhang überhaupt? Für Jenner (2017) gilt: „to determine excess, there needs to be a ‘norm’“ (S. 307). Beim Serienkonsum ist die Norm stark durch das traditionelle, lineare Fernsehen geprägt. Fernsehsender strahlen in der Regel einmal in der Woche eine neue Folge einer Serie aus. Das bedeutet: Wenn wir zwei Folgen am Stück rezipieren, dann weichen wir bereits von der Norm ab (Jenner, 2017, 307). Hinzu kommt, dass je nach Genre Serienfolgen unterschiedlich lang sind. Während Sitcom-Episoden eine durchschnittliche Länge von ca. 20 Minuten haben, liegt die Sendungslänge bei Drama-Serien zwischen 40 und 90 Minuten. Wer sich also drei Folgen von How I Met Your Mother hintereinander ansieht, hat am Ende weniger lang ferngesehen als jemand, der sich zwei Folgen á 55 Minuten von den Sopranos angesehen hat. Aus diesen Gründen erscheint es wenig sinnvoll, Binge Watching ausschließlich an einer konkreten Zahl von Folgen festzumachen. Vielmehr legen die bisherigen empirischen Ergebnisse nahe, dass das Besondere am neuen Rezeptionsphänomen im Erleben des narrativen Medieninhalts liegt. Perks (2015) beschreibt die Rezeptionsweise deshalb auch als „story world immersion” (S. 15) bzw. als „rapidly engaging with a story world“ (S. 8); Jenner (2017) spricht von einer „excessive audience-text relationship“ (S. 305). Es ist eben nicht „mindless indulgence“ (Perks, 2015, 8), sondern geht – im Gegensatz zum normalen Fernsehkonsum, bei dem man sich schnell ablenken lässt – mit hoher Aufmerksamkeit und Konzentration auf das Geschehen einher (Czichon & Schlütz, 2016, 20). Häufig wird auch der Vergleich zum Lesen eines page-turners, eines richtig guten

1 Einleitung

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Buchs, das man nicht weglegen kann, bemüht (Dreher, 2010, 31; Jenner, 2017, 314): Die Rezipierenden versinken dabei derart in die Geschichte, dass sie in einen regelrechten Flow-Zustand geraten, der sie Zeit und Umwelt vergessen lässt. Sie nehmen sich damit gleichzeitig eine kleine Auszeit vom Alltag, weshalb Perks (2015) Binge Watching als „a media-filled floating holiday” (S. 35) bezeichnet. Aufgrund der negativen Konnotation des Begriffs wird zunehmend dazu übergegangen, andere Bezeichnungen als Binge Watching zu verwenden. So plädiert Perks (2015) dafür, dieses Rezeptionsverhalten media marathoning (S. 8) zu nennen. Tukachinsky und Eyal (2017) prägen mit marathon television viewing (S. 2) einen ähnlichen Begriff. Schlütz (2016) schlägt hierfür den Terminus Kompakter Serienkonsum (S. 134) vor. In dieser Arbeit soll das Rezeptionsverhalten fortan neutral als kumulierte Serienrezeption bezeichnet werden. Damit kommt einerseits zum Ausdruck, dass etwas gehäuft, also am Stück angesehen wird, ohne dass andererseits ein extremes Verhalten unterstellt wird – eine Bedeutung wie sie das Wort ‚Marathon‘ noch immer unterschwellig transportiert. Was aber zeichnet nun die kumulierte Serienrezeption aus? Unter diesem Begriff wollen wir im Folgenden jene Rezeptionsweise verstehen, bei der zwei oder mehr Folgen einer komplexen Serie am Stück und in der Konsequenz ganze Staffeln einer Serie innerhalb eines kurzen Zeitraums konsumiert werden und die einhergeht mit einem intensiven Verstehen und Erleben des narrativen Medieninhalts. Dies kann dazu führen, dass mehr Folgen am Stück rezipiert werden als ursprünglich geplant. Die kumulierte Serienrezeption setzt voraus, das Rezipierende jederzeit Zugriff auf zu rezipierende Inhalte haben und dass diese Inhalte eine kumulierte Rezeption lohnenswert machen. Es handelt sich damit also um ein relativ neues Rezeptionsphänomen, das das Ergebnis eines technologischen Wandels und eines sich stark veränderten Serienangebots ist. Dass die Rezeptionsweise bisweilen besorgniserregende Ausmaße annimmt, kann nicht ausgeschlossen werden, soll in dieser Arbeit aber nicht weiter im Fokus stehen.

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1 Einleitung

Eben weil die kumulierte Serienrezeption ein neues Phänomen ist, ist es ein bisher wenig erforschtes Feld. Die wenigen Studien, die es hierzu gibt, sind teilweise bislang nur auf Tagungen präsentiert und noch nicht veröffentlicht worden. Dabei wurde überwiegend explorativ vorgegangen, wie es bei der Erforschung eines neuen Phänomens durchaus üblich ist. Arbeiten, die den Rezeptionsprozess beim kumulierten Sehen einer Serie mit der traditionellen, linearen Nutzung vergleichen und somit den Einfluss des Rezeptionsrhythmus systematisch untersuchen, liegen bisher kaum vor. Auch fehlt es an entsprechenden Studien, die einen Zusammenhang zwischen den Komponenten Narratives Verstehen und Narratives Erleben berücksichtigen. Dieser Forschungslücke will sich die vorliegende Arbeit annehmen. Lautete die eingangs formulierte Fragestellung noch recht allgemein, was den Reiz ausmache, Binge Watching zu betreiben, kann diese nun wie folgt konkretisiert werden: Welchen Einfluss hat das kumulierte Sehen einer Serie auf den Rezeptionsprozess? Letzterer Begriff bezieht sich auf die kognitiven und affektiven Vorgänge, die in einer konkreten Rezeptionssituation in einem Individuum ablaufen (Suckfüll, 2016). Das betrifft zum einen die Verarbeitung eines Medieninhalts und zum anderen das Erleben (Bilandzic, Schramm, & Matthes, 2015, 11f). In dieser Arbeit wird sich folglich auf die kommunikative Phase der Medienrezeption fokussiert und nicht auf die vor- und nachgelagerten Phasen, wie die Selektion eines Medieninhalts oder dessen Einbettung in den Alltag (Bilandzic, 2006, 246f). Forschungsleitend sind dabei folgende vier Fragen: Welchen Einfluss hat das kumulierte Sehen auf den Rezeptionsgenuss und die Rezeptionsmotivation einer Person? Welchen Einfluss hat das kumulierte Sehen auf das Narrative Verstehen? Welchen Einfluss hat ein hoher Rezeptionsrhythmus auf das individuelle Narrative Erleben? Wie hängen Narratives Verstehen und Narratives Erleben zusammen? Zur Beantwortung dieser Fragen werden Ansätze und Konstrukte aus der kommunikationswissenschaftlichen Rezeptionsforschung mit Modellen aus der psychologischen Kognitionsfor-

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schung verbunden sowie mit Erkenntnissen aus der überwiegend medienwissenschaftlich geprägten Serienforschung in Bezug gesetzt. Auf diese Weise soll die Arbeit einen Beitrag dazu leisten, mehr Klarheit über ein aktuelles Rezeptionsphänomen zu erhalten, und gleichzeitig dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die Bedeutung des Rezeptionsrhythmus bei der kontinuierlichen Rezeption von fiktionalen Medieninhalten zu erhalten. Die Arbeit ist dabei wie folgt aufgebaut: Zunächst werden in Kapitel 2 und 3 die Rahmenbedingungen beschrieben, aus denen die kumulierte Serienrezeption als neue Rezeptionsweise hervorgegangen ist. In Kapitel 2 wird der technologische Wandel nachgezeichnet, der eine souveräne Mediennutzung möglich gemacht und so Sehgewohnheiten nachhaltig verändert hat. Kapitel 3 befasst sich mit der Geschichte, den Charakteristika und unterschiedlichen Formen seriellen Erzählens und arbeitet die Bedeutung des sogenannten Quality TV für die kumulierte Serienrezeption heraus. In Kapitel 4 wird der dritte Theoriebaustein behandelt, das Narrative Verstehen, welches zusammen mit Kapitel 5 die analytische Grundlage der im empirischen Teil der Arbeit vorzustellenden Studie bildet. Es werden die verschiedenen Stufen Narrativen Verstehens voneinander abgegrenzt und drei Modelle vorgestellt, die den Informationsverarbeitungsprozess während der Rezeption erklären. Den Theorieteil abrunden wird das fünfte Kapitel, in dem die verschiedenen Facetten Narrativen Erlebens inklusive der Konstrukte Rezeptionsgenuss und Rezeptionsmotivation thematisiert werden. Dabei wird unterschieden zwischen dem involvierten und dem analysierenden Rezeptionsmodus. Ausgehend von diesem theoretischen Fundament wird in Kapitel 6 ein Modell zur kumulierten Serienrezeption entwickelt, das für die anschließende empirische Untersuchung handlungsleitend ist. Der empirische Teil der Arbeit beginnt in Kapitel 7 mit der Darstellung des methodischen Vorgehens. Im achten Kapitel erfolgt dann die Präsentation der Ergebnisse der empirischen Studie, bevor die Arbeit mit der Diskussion der Befunde und einem Ausblick abschließt.

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Digitale Revolution

Wenn wir Serien kumuliert rezipieren, dann tun wir das frei von irgendwelchen Programmzwängen. In diesem Kapitel soll eben dieser Wandel nachgezeichnet werden von television flow hin zu autonoumus viewership. Es handelt sich hierbei, wie in der Einleitung bereits erwähnt, um eine Grundvoraussetzung für die kumulierte Serienrezeption. Im Folgenden soll deshalb der Fokus auf den technologischen Entwicklungen liegen, die dazu geführt haben, dass die Rezeption am Stück zu einem weitverbreiteten Rezeptionsphänomen geworden ist. Zusammen mit Kapitel 3 bilden die nachfolgenden Ausführungen den rahmenden Hintergrund der empirischen Arbeit. Um den durch die Digitalisierung ausgelösten Umbruch auf dem Unterhaltungsmarkt – hier bezeichnet als digitale Revolution (siehe auch Lotz, 2007, 2014) – nachvollziehen zu können, wird zuerst beschrieben, wie früher, also vor Einführung von technischen Innovationen wie DVDs und Festplattenrekordern, ferngesehen wurde. Anschließend wird nachgezeichnet, welche Veränderungen mit der digitalen Revolution – letztere setzte Ende des 20. Jahrhunderts ein und hält immer noch an (siehe z. B. Lotz, 2007, 2014) – einhergehen. Besonders hervorgehoben wird dabei die Rolle des VoD-Anbieters Netflix, der mit einer neuartigen, das kumulierte Sehen fördernden Distributionsstrategie den Unterhaltungsmarkt nachhaltig verändern sollte. Inwieweit sich die Digitalisierung auch auf die Sehgewohnheiten und hier speziell auf die genutzten Verbreitungswege von (Fernseh-)Inhalten auswirkt, wird anschließend separat thematisiert. Zum Abschluss dieses Kapitels werden die wichtigsten Aspekte noch einmal in Form eines Zwischenfazits zusammengetragen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Czichon, Kumulierte Serienrezeption, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26842-8_2

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2.1

2 Digitale Revolution

Fernsehen vor der digitalen Revolution

Zeitversetzte Fernsehnutzung, daran war vor der digitalen Revolution nicht zu denken. Wer am Sonntag nicht pünktlich um 20.15 Uhr das Erste Programm einschaltete, der verpasste die neueste Tatort-Folge. Fernsehen war früher noch ein ganz und gar flüchtiges Medium oder, wie Newman und Levine (2012) es ausdrücken, „television text was like time itself, constantly moving on from moment to moment, leaving itself behind forever in the past” (S. 139). Fernsehinhalte ließen sich nur live bzw. linear, also zum Zeitpunkt der Ausstrahlung, rezipieren. Wer nicht zur rechten Zeit am rechten Ort war, hatte Pech gehabt. Viele Möglichkeiten, das Verpasste nachzuholen gab es nicht: Entweder man blieb wach, um die Wiederholung in den frühen Morgenstunden anzusehen, oder aber man wartete darauf, dass genau diese Ausgabe des Tatorts irgendwann einmal in einem der Dritten Programme wiederholt wurde. Fernzusehen bedeutete, sich den festen Programmstrukturen und -zeiten der Fernsehsender zu unterwerfen (Mittell, 2010, 422f). Dies konnte so weit gehen, dass andere Freizeitaktivitäten um das Fernsehprogramm herum geplant und Einladungen allein deshalb ausgeschlagen oder Termine nur deswegen verschoben wurden, weil an diesem Abend die Lieblingssendung im Fernsehen lief, die man keinesfalls verpassen wollte. Da in den ersten Fernsehjahrzehnten nur lineares Fernsehen möglich und die Auswahl an Sendern noch übersichtlich war, versammelte sich jeden Abend mehr oder weniger die ganze Nation vor dem Fernseher und rezipierte zeitgleich dieselben Fernsehinhalte (Mittell, 2010, 413f). Über diesen Lagerfeuereffekt verfügen in heutigen Zeiten, in denen die Fernsehlandschaft stark fragmentiert ist, nur noch sehr wenige Sendungen (z. B. einzelne Tatort-Folgen oder die Übertragung von Sportgroßereignissen). Von Anbeginn lautete das Credo der Fernsehsender, das Publikum möglichst lange, im Idealfall einen ganzen Abend lang, an das eigene Programm zu binden (Williams, 1974, 93ff). Entsprechend fiel auch die Programmplanung aus: Die Inhalte wurden so aneinandergereiht, dass ein program flow und damit in der Konsequenz ein audience flow ent-

2.1 Fernsehen vor der digitalen Revolution

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stand (Mittell, 2010, 414). Um also von einer Sendung auf die nächste keine Zuschauerinnen und Zuschauer zu verlieren, wurden – und werden immer noch – ähnliche Formate nacheinander programmiert, sodass die Übergänge fließend sind (Eick, 2007, 108ff). Dieser television flow ist es, der aus Sicht von Raymond Williams (1974) das System ‚(lineares) Fernsehen‘ wie auch das Erlebnis ‚(lineares) Fernsehen‘ auszeichnet: „In all developed broadcasting systems the characteristic organisation, and therefore the characteristic experience, is one of sequence or flow. This phenomenon of planned flow, is then perhaps the defining characteristic of broadcasting, simultaneously as a technology and as a cultural form.” (S. 86)

Der typische Fernsehzuschauer, die typische Fernsehzuschauerin sei passiv, lethargisch, dem television flow hilflos ausgeliefert – so lautete zumindest der gängige Vorwurf, den Kulturkritikerinnen und -kritiker dem Medium ‚Fernsehen‘ in seinen Anfangsjahren machten (Mittell, 2010, 414; Newman & Levine, 2012, 15ff) Etwas mehr Kontrolle über das eigene Fernseherlebnis brachte die Fernbedienung, die Ende der 1950er Jahre auf den Markt kam. Diese erlaubte es dem Fernsehpublikum, den television flow zu unterbrechen, indem nun einfach und bequem das Programm gewechselt werden konnte (Mittell, 2010, 416; Newman & Levine, 2012, 129f). Gleichzeitig hatte dies den angenehmen Nebeneffekt, dass sich Werbepausen fortan umgehen ließen. Seit den 1970er Jahren, mit der Einführung des Videokassenrekorders (VCR), war es zudem möglich, das Fernsehprogramm aufzunehmen und zu einem späteren Zeitpunkt anzusehen (Mittell, 2010, 414; Newman & Levine, 2012, 129f). Dieses Vorgehen, im Englischen time shifting genannt, stellte eine weitere Methode dar, sich über das Programmdiktat der Fernsehsender hinwegzusetzen. Doch zumindest in den USA wurde die technische Erfindung weniger dazu genutzt, Fernsehinhalte zeitversetzt zu rezipieren. Stattdessen diente es in erster Linie dazu, gekaufte oder in Videotheken ausgeliehene Filmkassetten abspielen zu können (Mittell, 2010, 416f, 426). Dass Videorekorder selten dazu eingesetzt wurden, um Fernsehsendungen

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2 Digitale Revolution

aufzuzeichnen, hängt wiederum mit den begrenzten Speicherkapazitäten von Videokassetten zusammen. Wenn nur zwei Stunden Speicherplatz pro Kassette zur Verfügung stehen, wird eine ganze Serienstaffel aufzunehmen, schnell zu einem teuren Unterfangen (Mittell, 2010, 423). Erst mit der Erfindung der DVD und des digital video recorders (DVR) sollte die zeitversetzte Rezeption von Fernsehinhalten an Bedeutung gewinnen und die Emanzipation vom program flow der Fernsehsender einsetzen. 2.2

Fernsehen in Zeiten der digitalen Revolution

Die neue Fernsehära zeichnet sich laut Lotz (2007, 245) durch folgende fünf Cs aus: choice, control, convenience, customization und community. Anstelle des von den Fernsehsendern vorgegebenen program flows tritt die Nutzung digitaler Dateien (Mittell, 2010, 422). Letztere regen zur aktiven Selektion an, „rather than passively viewing the linear flow of whatever ‘comes on next’ or ‘is on’” (Lotz, 2007, 59). Damit rückt der eigentliche Inhalt, den man zu sehen gedenkt, wieder stärker in den Fokus. Wir sehen nicht mehr länger fern – ein Ausdruck so unspezifisch, dass sich daraus gar nicht ableiten lässt, was wir uns eigentlich ansehen, der aber genau deshalb wunderbar mit dem Zeitalter des television flows korrespondiert –, sondern wir sehen uns eine konkrete Sache an: eine Serie, einen Film, eine Dokumentation. Digitale Technologien wie DVDs, DVRs und VoD-Plattformen versprechen den Nutzerinnen und Nutzern „a newfound empowerment promoting the ideal of the individual who programs his or her own media experience” (Newman & Levine, 2012, 130). Diese durch die Digitalisierung hinzugewonnene Nutzungssouveränität soll im Folgenden herausgearbeitet werden.2 2

Nicht weiter thematisiert werden andere Veränderungen, die mit der Digitalisierung einhergegangen sind, wie die bessere Bildauflösung (HD-TV) oder der Anstieg an Fernsehsendern. Letzterer ist darauf zurückzuführen, dass die Umstellung auf digitale Fernsehsignalübertragung multicasting erlaubte,

2.2 Fernsehen in Zeiten der digitalen Revolution

2.2.1

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From Flow to File to Flow

Der Wandel im Fernseherlebnis, der mit dem Wechsel von der analogen Videokassette hin zur digital video disc einherging, mag sich uns nicht sofort erschließen, erlaubte doch bereits erstere Erfindung die zeitversetzte Nutzung von Fernsehinhalten. Weil aber diese Funktion selten genutzt wurde und genuine TV-Inhalte wie TV-Serien aus Kostengründen in der Regel nicht auf Videokassette erschienen sind (stattdessen waren es überwiegend Hollywoodfilme, die auf diese Weise weitervermarktet wurden) (Mittell, 2010, 423f), stellten DVDs eine Revolution auf dem Fernsehmarkt dar. Dank deren digitaler Technik wurde es für Fernsehinstitutionen attraktiv, TV-Serien nach deren Erstausstrahlung im linearen Fernsehen für den Home Video-Markt herauszubringen. Denn die digitale Komprimierung von Informationen erlaubte es, Serienstaffeln in hoher Qualität (sowohl was die Bildauflösung als auch den Ton anbelangt) abzuspeichern, ohne dass deren Verstauung gleich ein ganzes Bücherregal in Beschlag nahm, wie das bei Videokassetten aufgrund deren geringer Speicherkapazität noch der Fall gewesen wäre (Mittell, 2010, 424). Für die Rezipierenden wiederum bedeuteten DVDs mehr Komfort, weil sich hier die einzelnen Episoden in chronologischer Reihenfolge (chronological shifting) rezipieren ließen, man also von ganz vorne beginnen konnte, wenn man beispielsweise erst zu einem späteren Zeitpunkt in eine Serie eingestiegen war, als sie bereits seit mehreren Staffeln im Fernsehen lief. Des Weiteren ermöglichte die neue Technologie den Nutzerinnen und Nutzern, selbst über das Rezeptionstempo zu bestimmen und so einen eigenen Flow zu kreieren (Lotz, 2007, 61). Hinzu kommt, dass DVDs werbefrei sind. Diese Kontrolle über die eigene viewing experience veranlasste manchen Serienfan dazu, erst dann damit zu beginnen, eine neue Serie bzw. eine neue Serienstaffel anzusehen, nachdem diese auf DVD erschienen war (stock piling) (Lotz, 2007,  sprich ein Programmkanal fortan bis zu fünf Unterkanäle haben konnte. Mehr Informationen zu diesen beiden Themen finden sich bei Mittell (2010, 418ff).

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2 Digitale Revolution

61; Mittell, 2010, 424). Eben weil DVDs „commercial free experience of TV“ (Newman & Levine, 2012, 136) erlauben, glich die Rezeption fortan mehr der eines Films im Kino – in beiden Fällen wird die Narration nicht durch Werbung unterbrochen. Dies trug laut Newman und Levine (2012) erheblich zur Legitimierung des Mediums ‚Fernsehen‘ und seiner Inhalte als Kunst bei. Fernsehserien wurden nun „an object bought, collected, and viewed multiple times” (Mittell, 2010, 424). Neben DVDs gehören digitale Festplattenrekorder zu den sogenannten Anti-Fernsehflow-Technologien (Newman & Levine, 2012, 131). Auch sie gestatten es, Fernsehinhalte zeitversetzt zu konsumieren und gleichzeitig Werbung zu umgehen. In den USA ist der bekannteste digital video recorder die Set-Top-Box von TiVo. Das Gerät wurde um die Jahrtausendwende auf den Markt gebracht und trug bedeutsam zum Wandel auf dem Fernsehmarkt bei (Mittell, 2010, 426; Newman & Levine, 2012, 130). In Deutschland ist ein vergleichbares Produkt der Digital HD-Recorder von Vodafone Kabel Deutschland. Mit digitalen Festplattenrekordern lassen sich Fernsehinhalte bequem und einfach aufzeichnen. Die Geräte können derart programmiert werden, dass alle Episoden einer Serie automatisch aufgenommen werden (Mittell, 2010, 427; Newman & Levine, 2012, 131). Diese lassen sich dann zu einem späteren Zeitpunkt ansehen und, je nachdem, wie viele Folgen bereits vorliegen, kann die Rezeption sogar kumuliert erfolgen. Auch ist es möglich, eine Live-Sendung anzuhalten und bis zu 30 Minuten vorzuspulen. Dies hat den Vorteil, dass Werbepausen übersprungen werden können. Mit DVRs, so Mittell (2010), sind Fernsehzuschauerinnen und Fernsehzuschauer „always in the time shifting mode“ (S. 427). Hinzu kommt, dass TiVo den Rezipierenden, basierend auf bisher aufgezeichneten Sendungen, Vorschläge macht, welche Formate noch von Interesse sein könnten (Mittell, 2010, 427; Newman & Levine, 2012, 131). All dieser Komfort ist jedoch nicht umsonst: Erstens kosten Festplattenrekorder wie TiVo eine monatliche Gebühr und zweitens sammeln sie Nutzungsdaten. Weil die Kundinnen und Kunden aber im Gegenzug

2.2 Fernsehen in Zeiten der digitalen Revolution

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die Wahl haben, wann sie was wie ansehen und so ihr Fernseherlebnis optimieren können, wird diese ‚Überwachung‘ hingenommen – wenn sie den Rezipierenden denn überhaupt bewusst ist. Komplementiert wird die Entwicklung von „scheduled flow to digital files“ (Mittell, 2010, 426) durch die Online-VoDPlattformen, die Mitte der 2000er Jahre aufkamen. Sie werden häufig als (virtuelle) Bibliotheken bezeichnet (z. B. Lotz, 2014, 39; Schmieder, 2015), deren Mitglieder – meist gegen eine monatliche Gebühr – unbegrenzten Zugang zu Filmen, Serien etc. erhalten, die dort auf Servern als digitale Dateien gespeichert sind und die den Abonnentinnen und Abonnenten jederzeit auf Abruf zur Verfügung stehen. Waren es zu Beginn vor allem illegale, kostenfreie Filesharing-Seiten (Martens & Herfert, 2013, 101; Mittell, 2010, 424f), sind es mittlerweile hauptsächlich legale, kostenpflichtige Anbieter wie Netflix, Amazon Prime Video, Hulu (in den USA) sowie Maxdome und Sky Go (in Deutschland), die für die VoD-Nutzung verwendet werden (Kupferschmitt, 2017, 450). Hinzukommen die Mediatheken der Fernsehsender – in Deutschland beispielsweise die der öffentlich-rechtlichen Sender, die sich großer Beliebtheit erfreuen (Kupferschmitt, 2017, 449). Dass es sich für Fernsehinstitutionen finanziell lohnt, Fernsehinhalte gegen eine Gebühr online zur Verfügung zu stellen, machte iTunes bereits 2005 vor: Produktionsfirmen und Network-Sender begannen damals damit, ihre Inhalte kurz nach Ausstrahlung im linearen Fernsehen über den iTunes-Store zum Download anzubieten. Für rund zwei Dollar ließ sich so die neueste Episode von Lost oder Desperate Housewives dauerhaft erwerben (Mittell, 2010, 425). Während sich jedoch andere VoD-Anbieter weiterentwickelten von reinen Distributionsplattformen hin zu Herstellern von original content (Netflix z. B. mit House of Cards oder Amazon Prime Video mit der Serie Transparent), hat iTunes nach wie vor nur Fremdproduktionen im Angebot. Dies hat aus Sicht von Kritikern dazu beigetragen, dass iTunes die Vorreiterrolle auf dem VoD-Markt mittlerweile eingebüßt hat (Postinett, 2017). Hinzu kommt, dass das pay-per-download-Modell von

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Apple für Serienfans teuer werden kann. Das Flatrate-Modell der Konkurrenz erscheint bei intensiver Nutzung sehr viel attraktiver. Schon mit DVDs war es möglich, Serien kumuliert zu rezipieren und sich so seinen eigenen Flow zu kreieren. Doch mit VoDPlattformen wie Netflix oder Amazon Prime Video fällt dieses Freizeitvergnügen nun deutlich kostengünstiger aus. Im Gegensatz zu DVRs, mit denen nur das Programm aufgenommen werden kann, das die Sender auf ihren Kanälen ausstrahlen, locken die datengetriebenen VoD-Plattformen mit einer großen, personalisierten Auswahl an Kinofilmen und Fernsehinhalten. Die Rezipierenden sind folglich viel autonomer in ihrer Entscheidung, was sie wann wie oft in welcher Frequenz ansehen (autonomous viewership). Das bedeutet nicht, dass das Flow-Erlebnis, wie es für das System ‚lineares Fernsehen‘ kennzeichnend war, mit dem Aufkommen der VoD-Portale verschwunden wäre. Doch dank digitaler Technik können wir jetzt selbst über diesen Flow bestimmen (Lotz, 2007, 34). 2.2.2

Netflix: Sinnbild der digitalen Revolution

Stellvertretend für alle anderen kommerziellen VoD-Anbieter soll im Folgenden das amerikanische Unternehmen Netflix genauer vorgestellt werden. Der Aufstieg von Netflix steht sinnbildlich für die digitale Revolution auf dem Fernsehmarkt. Mit geschicktem Marketing und einer neuartigen, an den Bedürfnissen der Rezipierenden orientierten Distributionsstrategie schaffte es das Unternehmen, innerhalb kürzester Zeit in den alltäglichen Sprachgebrauch einzugehen („Netflix and chill“) und eine Vormachtstellung auf dem vielfältigen VoD-Markt einzunehmen. 3 Die 1997 von Reed Hastings und Marc Randolph gegründete Firma startete einst als Online-DVD-Verleiher (Netflix, 2018). 3

Wie vielfältig der VoD-Markt ist, zeigen z. B Martens und Herfert (2013, 102) auf. Sie unterscheiden in (1) Free VoD; (2) verschiedene Varianten des Electronic Sell Through (EST); (3) Ad-supported VoD; (4) Subscription VoD; und (5) Transactional VoD.

2.2 Fernsehen in Zeiten der digitalen Revolution

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Damals wählten Netflix-Abonnentinnen und Abonnenten online aus, welche DVDs sie ausleihen mochten. Diese wurden ihnen anschließend per Post zugesendet und für eine begrenzte Zeit zur Verfügung gestellt. Weil die USA ein großes Flächenland ist und längst nicht jede Ortschaft über eine eigene Videothek verfügte, gelang es Netflix, sich mit dieser Geschäftsidee auf dem hart umkämpften amerikanischen Unterhaltungsmarkt zu etablieren. Zehn Jahre später, 2007, machte sich das amerikanische Unternehmen dann erneut die Vorteile der Digitalisierung zu Nutze und führte einen eigenen Streamingdienst ein, mit dem Abonnentinnen und Abonnenten Filme und Serien sofort auf dem Computer ansehen konnten (Netflix, 2018). War es zu Beginn lediglich ein zusätzlicher Service, entschieden die Verantwortlichen von Netflix drei Jahre später, den Schwerpunkt fortan auf das Streamingangebot zu legen (Jenner, 2014, 5). Zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen bereits Kooperationen mit Herstellern von Fernsehgeräten, Spielkonsolen, Festplatten-Set-Top-Boxen, etc. abgeschlossen, damit die Nutzung nicht auf den PC beschränkt blieb (Netflix, 2018). Zur Auswahl standen den Abonnentinnen und Abonnenten zu Beginn hauptsächlich Hollywoodfilme sowie TV-Serien, die zuvor schon im linearen Fernsehen zu sehen waren (Jenner, 2014, 5). Seit 2012 setzt das Unternehmen zudem auf original programming und hier in erster Linie auf eigenproduzierte Serien (Lotz, 2014, 72).4 Für Aufsehen sorgte 2013 die Politserie House of Cards, eine Adaption der gleichnamigen BBC-Miniserie aus dem Jahr 1990 und hochkarätig besetzt mit dem damals noch nicht in Verruf geratenen Hollywoodschauspieler Kevin Spacey. Im selben Jahr veröffentlichte Netflix auch Orange is the New Black, eine hochgelobte Dramedy-Serie über das Leben einer Gruppe weiblicher Gefängnisinsassen. Beide Formate sorgten für viel (social) media buzz (Jenner, 2014, 11) und machten das Unternehmen über die Landes4

Die erste eigenproduzierte Serie war Lilyhammer – eine nowergisch-USamerikanische Krimiserie, die nach drei Staffeln eingestellt wurde (Lotz, 2014, 72).

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grenzen hinaus bekannt. Dies war zum einen der hohen Qualität der beiden Serien geschuldet, lag zum anderen aber auch in der Distributionsstrategie begründet, die das Unternehmen für die seriellen Eigenproduktionen wählte. Denn Netflix veröffentlichte alle Staffelfolgen simultan und erlaubte so seinen Kundinnen und Kunden, die Serien kumuliert zu rezipieren. Als datensammelndes Unternehmen war es den Verantwortlichen von Netflix nicht entgangen, dass Serienrezipierende dazu neigen, sich mehrere Folgen am Stück anzuschauen. Dieser Rezeptionsgewohnheit passten sie ihre Distributionsstrategie an und avancierten so zum Branchenprimus unter den VoD-Anbietern. Neben House of Cards und Orange is the New Black sorgte im Jahr 2013 mit Arrested Development noch eine dritte Netflix-Eigenproduktion für Furore unter Serienfans. Die Show lief zuvor schon drei Staffeln lang auf dem amerikanischen Network-Sender FOX und erarbeitete sich dort schnell den Status einer Cult TV-Sendung, wurde dann aber 2006 aufgrund geringer Einschaltquoten eingestellt (Jenner, 2014, 7). Die Verantwortlichen bei Netflix beschlossen, die Serie fortzusetzen und eine vierte Staffel davon zu produzieren. Hintergrund dieser Entscheidung war die Erkenntnis, dass die Serie zwar über eine eher kleine Fangemeinschaft verfügt, dafür aber über eine besonders motivierte, die bereit ist, Geld für die Fortsetzung der Lieblingsserie zu zahlen. Dieses Vorgehen – ehemals erfolgreiche, aber im linearen Fernsehen abgesetzte Serien fortzuführen, um nostalgische, zahlungswillige Fans zu Netflix zu locken – wendete das Unternehmen anschließend noch öfter an. Jüngere Beispiele hierfür sind Fuller House, die Fortsetzung der 1980er Jahre Sitcom Full House, oder die vier neuen Folgen in Spielfilmlänge des Serienhits Gilmore Girls. Netflix ist längst nicht mehr nur eine Distributionsplattform für audiovisuelle Inhalte (darunter auch Dokumentationen, Standup-Comedy-Shows usw.), sondern produziert immer häufiger Sendungen selbst. Waren es anfangs ausschließlich eigenproduzierte Serien, mit denen das Unternehmen von sich reden machte, umfasst das Streamingangebot zunehmend eigenproduzierte Filme (z. B. den Blockbuster Bright mit Will Smith), Dokumentationen

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(z. B. One of Us oder Chelsea Does) und Talkshows (z. B. My Next Guest Needs No Introduction mit David Letterman). Damit ähnelt das Netflix-Programm immer mehr dem des klassischen Fernsehens – mit teilweise sogar identischen Akteuren wie David Letterman oder Chelsea Handler, die zuvor bereits erfolgreiche Shows im linearen Fernsehen hatten. Im Unterschied aber zu klassischen Fernsehsendern bestimmen die Nutzerinnen und Nutzer von Netflix selbst über die Zusammensetzung ihres Unterhaltungsprogramms und wann und wo sie dieses rezipieren wollen. Dass Rezipierende diese Wahlfreiheit und Flexibilität zu schätzen wissen, legen folgende Zahlen nahe (Busse, 2018): Das Unternehmen Netflix zählt weltweit 118 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten und erzielte 2017 einen Jahresumsatz von rund 12 Milliarden Dollar. Dank eigenproduzierter Serienhits wie Stranger Things und The Crown5 konnte Netflix seinen Gewinn im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifachen auf nun 559 Millionen Dollar. Allein in 2017 ist die Abonnentenzahl nochmal um 24 Millionen gestiegen, wobei der Großteil der neuen Nutzerinnen und Nutzer im Ausland hinzugewonnen wurde. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren massiv expandiert und ist mittlerweile in 190 Ländern verfügbar. Seit 2014 ist Netflix auch in Deutschland abzurufen und nimmt dort im Ranking der am häufigsten genutzten VoD-Anbieter den zweiten Platz nach Amazon Prime Video6 ein 5

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Diesen Erfolg hat sich Netflix teuer erkauft: Angeblich gab das Unternehmen 130 Mio. US-Dollar für die zehn Folgen umfassende erste Staffel aus, was The Crown zur teuersten Serie überhaupt machen würde (IT Times, 2016). Leisten kann sich das Neflix nur deshalb, weil es im Gegenteil zu den linearen Fernsehsendern kein kostenintensives Füllprogramm produzieren muss, sodass mehr Geld für Distinktionsprogramme übrig bleibt (Lotz, 2007, 117; Schlütz, 2016, 96). Der Abo-Service Prime von Amazon umfasst neben Amazon Prime Video noch Flatrates für andere Medien sowie einen kostenlosen, schnellen Lieferservice für bei Amazon bestellte Waren. Dies mag ein Grund sein, warum in Deutschland, wo Pay-TV lange Zeit einen schweren Stand hatte (Woldt, 2013, 116), Amazon Prime Video Marktführer ist. Wer sowieso schon Amazon Prime nutzt, um Pakete versandkostenfrei und zügig geliefert zu bekommen, macht lieber von der dazugehörigen Online-Videothek Gebrauch, anstatt ein weiteres kostenpflichtiges Abo abzuschließen.

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2 Digitale Revolution

(Kupferschmitt, 2017, 451). Um in ausländischen Märkten Fuß zu fassen, setzt das Unternehmen häufig auf länderspezifische Eigenproduktionen. In Deutschland ist das z. B. die Serie Dark, die im Dezember 2017 veröffentlicht wurde, in Italien das Mafia-Drama Suburra (Ignatowitsch, 2017). In den USA ist Netflix bereits Marktführer, doch auch dort will die Firma weiter wachsen. Damit dies gelingt, hat der Unternehmensvorsitzende Reed Hastings angekündigt, 2018 rund acht Milliarden Dollar in original programming zu investieren (Busse, 2018). Denn Beobachter wie auch der Firmenchef selbst sind davon überzeugt, dass es die eigenproduzierten Serien waren, die Netflix so erfolgreich gemacht haben. Deren Bedeutung für den Unternehmenserfolg liegt wiederum im Finanzierungsmodell von Netflix begründet: Das amerikanische Unternehmen finanziert sich über Abonnements. In den USA kostet ein Abo zwischen 7,99 und 13,99 Dollar. In Deutschland stehen Abos ab 7,99 Euro zur Auswahl. Weil Netflix nicht der einzige VoD-Anbieter ist und es aus Kundensicht kostenlose Alternativen gibt (seien es illegale Plattformen oder klassische Fernsehsender), muss das Unternehmen exklusive Inhalte, also Inhalte, die es nirgendwo anders zu sehen gibt, bereitstellen, die die Mehrkosten eines Abos rechtfertigen. Die Wahl fiel auf hochwertige, eigenproduzierte Serien, deren Episoden Netflix-Kundinnen und Kunden exklusiv und – wenn gewollt – auf einmal zu sehen bekamen. Damit bediente sich das Unternehmen einer Strategie, die in Teilen zuvor schon der amerikanische Kabelsender HBO mit großem Erfolg als Mittel zur Kundengewinnung einsetzte (siehe Kap. 3). Dank der seriellen Eigenproduktionen und der Distributionsstrategie, alle Folgen simultan zu veröffentlichen, gelang es dem VoD-Anbieter, eine brand identiy zu schaffen, d. h. zu einer wiedererkennbaren Marke auf dem stark fragmentierten Unterhaltungsmarkt zu werden (Jenner, 2014, 7).7

7

Amazon nutzt diese Distributionsstrategie nur vereinzelt, z. B. für die Serie Transparent (Jenner, 2017, 309). Ansonsten veröffentlicht das Unternehmen neue Folgen einer Serie überwiegend im traditionellen wöchentlichen

2.2 Fernsehen in Zeiten der digitalen Revolution

25

Weiterhin ist es der Komfort, der Netflix attraktiv für Nutzerinnen und Nutzer macht. Nicht nur, dass man jederzeit von überall auf mehreren Geräten Zugriff auf das Streamingangebot hat und das sogar in Originalsprache. Auch die Selektionsentscheidung, was als nächstes angesehen werden soll, wird stark vereinfacht: Bereits seit 2000 arbeitet das Unternehmen mit einem personalisierten Empfehlungssystem, d. h. anhand von Mitgliederbewertungen und basierend auf bisherigen Sehgewohnheiten und Präferenzen schlägt das VoD-Portal Inhalte vor, die man mögen könnte (Netflix, 2018). Eine zeitintensive Suche nach neuen interessanten Inhalten erübrigt sich so: Weiblich, 30 Jahre alt, gerade Gilmore Girls geguckt? Dann könnte dir auch New Girl gefallen. Angeblich 90 Prozent aller Nutzerinnen und Nutzer verfahren nach diesem Prinzip (Kühl, 2017), verlassen sich also auf die Vorschläge der VoD-Plattform. Dieser Komfort geht allerdings auf Kosten von Anonymität und Privatheit. Denn das Unternehmen weiß ganz genau, welche Person was ansieht, wie oft eine Person einen Inhalt nutzt, an welcher Stelle sie auf Pause drückt, wie lange diese ist, usw. (siehe hierzu auch Kühl, 2017; Schmieder, 2015). Dass Netflix Informationen über seine Nutzerinnen und Nutzer sammelt, ist kein Geheimnis. Trotzdem scheint die Tatsache, dass der VoD-Anbieter genauestens über das Nutzungsverhalten der eigenen Kundinnen und Kunden Bescheid weiß, letzteren nicht immer bewusst zu sein (siehe hierzu Kühl, 2017). Mit dem auf persönliche Vorlieben zugeschnittenen Angebot will Netflix erreichen, dass Kundinnen und Kunden dem Portal treu bleiben (Jenner, 2017, 308). Denn wer dort regelmäßig fündig wird, neigt weniger dazu, sein Abo zu kündigen. Deshalb arbeitet Netflix z. B. auch mit personalisierten Vorschaubildern, wie das Unternehmen selbst in einem Blogeintrag offen legt (Kühl, 2017). Dort wird anhand des Beispiels Good Will Hunting erklärt, dass denjenigen Personen, die in der Vergangenheit viele romantische Komödien auf Netflix gesehen haben, ein Vorschaubild mit Minnie  Rhythmus, sodass das Binge Watching-Distributionsmodell viel stärker mit Netflix als mit Amazon Prime Video verbunden ist.

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2 Digitale Revolution

Driver und Matt Damon angezeigt wird. Männer hingegen, die Comedy-Formate bevorzugen, bekommen Robin Williams als Standbild zu sehen. Das soll die Chancen erhöhen, dass ein Medieninhalt ausgewählt wird, womit gleichzeitig das Risiko gesenkt wird, dass sich eine Kundin/ein Kunde von Netflix abwendet. Auch hier ist Netflix den traditionellen Fernsehsendern gar nicht so unähnlich, denn letztlich soll damit genau eines bezweckt werden: audience flow. Diese Intention zeigt sich besonders deutlich bei den auf Netflix abrufbaren Serien. Hier ist der Stream so programmiert, dass mit dem Ende einer Folge automatisch die nächste abgespielt wird (siehe auch Perks, 2015, xxv). Möchten die Rezipierenden das nicht, müssen sie selbst aktiv werden und auf die Stopp-Taste drücken. Ansonsten beginnt direkt die nächste Episode. Für die kumulierte Serienrezeption bedeutet das: „Instead of having to opt-in to a marathon, viewers are made to opt-out” (Perks, 2015, xxvi). Das mag sich positiv auf das Transportiertsein in eine Geschichte auswirken, kann Rezipierende aber auch ihres Autonomiegefühls berauben, welches sie eigentlich mit VoDPlattformen verbinden (siehe zu letzterem Aspekt auch Granow, Reinecke et al., 2018). Denn tatsächlich wird den Rezipierenden hier die Entscheidung nicht nur erleichtert, sie wird ihnen de facto abgenommen. 2.3

Veränderungen in den Sehgewohnheiten

Noch dominiert in Deutschland die lineare Fernsehnutzung: Rund drei Viertel der Bevölkerung sehen sich Fernsehsendungen zum Zeitpunkt der Ausstrahlung an (Engel, Mai, & Müller, 2017, 361). Auch in den USA ist das traditionelle Fernsehen nach wie vor von zentraler Bedeutung (Mittell, 2010, 417; Newman & Levine, 2012, 132). Ein Grund hierfür könnte sein, dass sich bei einigen Fernsehgattungen die zeitversetzte Nutzung von Fernsehinhalten gar nicht erst anbietet. Man denke nur an Sportgroßereignisse wie die Fußball-WM oder den Super Bowl, deren Fernsehübertragung davon lebt, live zu sein. Doch auch Appointment TV, sich also bei-

2.3 Veränderungen in den Sehgewohnheiten

27

spielsweise im Terminkalender den Sonntagabend für die neue Tatort-Folge zu blocken, findet nach wie vor statt (Zubayr & Gerhard, 2017). Bisher fällt die zeitversetzte Fernsehnutzung relativ gering aus, aber die Reichweite der kommerziellen Streamingdienste steigt rasant an, wie die Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2017 zeigen. 38 Prozent der deutschsprachigen Personen ab 14 Jahre nutzt zumindest selten eine Streamingplattform (Kupferschmitt, 2017, 448). Dies bedeutet ein Wachstum um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein Zuwachs in der Nutzung von kostenpflichtigen Streamingdiensten ist in allen Altersgruppen zu verzeichnen, die höchste Reichweite weisen Netflix und Co. aber bei den 14- bis 29-Jährigen auf (Kupferschmitt, 2017, 449). Hier nutzen 31 Prozent einmal oder mehrmals in der Woche Streamingdienste, 14 Prozent sogar täglich. Allein Netflix kommt auf eine Tagesreichweite von neun Prozent in dieser Altersgruppe, was, so Kupferschmitt (2017, 452), ein außergewöhnlich hoher Wert für ein einzelnes Angebot sei. Interessant ist angesichts dieser Zahlen die Frage, ob junge Menschen in Deutschland Streamingdienste komplementär oder substitutionell zum linearen Fernsehen nutzen. Deshalb wurde in der ARD/ZDF-Onlinestudie 2017 erstmals untersucht, ob es zu Verschiebungen in den Sehgewohnheiten kommt. Um Vergleichbarkeit herstellen zu können, wurde sich auf die Nutzung folgender vier Fernsehgattungen konzentriert: Filme und Serien, wobei hier differenziert wurde zwischen deutschen und amerikanischen/internationalen Produktionen, sowie Dokumentationen und Ratgebersendungen (Kupferschmitt, 2017, 452f). Zudem wurde abgefragt, über welche Verbreitungswege die zur Auswahl stehenden Fernsehgattungen konsumiert werden. Wenig überraschend erzielen fiktionale Formate eine deutlich höhere Reichweite als Informationsformate (Kupferschmitt, 2017, 453ff). Während in der Gesamtbevölkerung deutsche wie amerikanische/internationale Filme am häufigsten gesehen werden, dominieren in der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen amerikani-

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2 Digitale Revolution

sche/internationale Serien. Was die Nutzungsplattformen angeht, fällt auf, „dass das Fernsehen trotz der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Verbreitungswege nach wie vor eine sehr dominante Position innehat“ (Kupferschmitt, 2017, 454). 67 Prozent aller Befragten sehen mindestens mehrmals im Monat Filme und Serien im Fernsehen an. Weit abgeschlagen folgen Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime Video mit 18 Prozent auf dem zweiten Platz. Etwas anders stellt sich jedoch die Sachlage dar, wenn man sich die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen ansieht und hier speziell die Nutzung amerikanischer/internationaler Filme und Serien (Kupferschmitt, 2017, 456). Denn dann liegen lineares Fernsehen (32 bzw. 34%) und Streamingdienste (29 bzw. 34%) gleich auf; beide Verbreitungswege werden also gleich häufig genutzt. Um herauszufinden, ob es sich dabei um einen Substitutionseffekt handelt, sollten diejenigen, die Streamingplattformen als häufigsten Nutzungsweg angegeben hatten, ferner die Frage beantworten, welchen Verbreitungsweg sie vorher nutzten, als es noch keine Streamingdienste gab (Kupferschmitt, 2017, 457). Über die Hälfte der Befragten berichtet davon, dass „das Fernsehen früher die erste Adresse war, wenn es um den Konsum ausländischer Fiction ging“ (Kupferschmitt, 2017, 457). Bei Serien (60%) traf das noch öfters zu als bei Filmen (56%). Neben dem linearen Fernsehen sind es DVDs/Bluerays, die durch Streamingplattformen substituiert werden. Hier geben 15 bzw. 20 Prozent an, vorher auf diesem Wege amerikanische Serien bzw. Filme rezipiert zu haben. Angesichts dieser Ergebnisse ist es wenig verwunderlich, dass sich unter den Top 10 der am häufigsten gesehenen Serien im deutschen Fernsehen keine amerikanischen Serien befinden (Zubayr & Gerhard, 2017). Diese wurden schon längst über andere Distributionskanäle gesehen. Durchaus problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass diese Form der Nutzung bei den Einschaltquoten nicht berücksichtigt wird.

2.4 Zwischenfazit

2.4

29

Zwischenfazit

Dass Rezipierende mehrere Stunden am Tag mit Bewegtbildern verbringen, ist nichts Neues. Schließlich ist das Fernsehen seit jeher darum bemüht, einen audience flow herzustellen. Neu ist jedoch, dass Rezipierende fernab vom linearen Fernsehprogramm ihren eigenen Flow erzeugen und Serien kumuliert rezipieren können. Dieser Wandel geht auf die Digitalisierung zurück, womit in Kapitel 2 die kumulierte Rezeption vor allem als technologiegetriebenes Phänomen beschrieben wurde. Zwar war es schon vorher möglich, Fernsehinhalte zeitversetzt zu rezipieren, doch wurden Videorekorder kaum für diese Zwecke genutzt. Stattdessen dienten sie hauptsächlich als Abspielgeräte für Kaufkassetten oder ausgeliehene Blockbuster aus der Videothek. Erst mit technologischen Neuheiten wie dem DVR erhielten die Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer mehr Kontrolle über das eigene Fernseherlebnis. Wer wollte, konnte sich von den starren Programmstrukturen der Fernsehsender befreien und selbst bestimmen, wann was angeschaut wird. Auch machte es erst die Digitalisierung für Fernsehinstitutionen lohnenswert, Fernsehserien als Home Video auf den Markt zu bringen. Denn dank digitaler Komprimierungstechnik benötigte man für die Speicherung ganzer Serienstaffeln nun nur noch wenige Speichermedien (in dem Fall: DVD-Rohlinge), was den Herstellungsprozess von Home Videos deutlich vergünstigte. Serienfans nahmen dieses Angebot dankend an, erlaubte es doch chronological shifting, die kumulierte Rezeption und das wiederholte Sehen der Lieblingsserie. Besonders unter jungen Menschen erfreuen sich zudem VoD-Portale großer Beliebtheit, die, was die Seriennutzung in dieser Altersgruppe anbelangt, dabei sind, dem klassischen Fernsehen den Rang abzulaufen. Nicht nur, dass sie auf den VoDPortalen Serien in Originalsprache rezipieren können, ihnen steht ferner eine riesige Auswahl an Fernsehinhalten zur Verfügung, die sie jederzeit von überall an mehreren Geräten gleichzeitig abrufen können. Zwar bot die DVD bereits viele dieser Annehmlichkeiten, doch durch das Flatrate-System der VoD-Plattformen ist ein hoher Serienkonsum nicht mehr länger ein kostenintensives Freizeitver-

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2 Digitale Revolution

gnügen. Netflix wusste das Rezeptionsverhalten serienaffiner Menschen für sich zu nutzen und machte die kumulierte Serienrezeption gar zum Markenkern des Unternehmens. Indem mit dem Ende der einen Folge automatisch die nächste beginnt, fordern VoDPlattformen wie Netflix oder Amazon Prime Video zudem regelrecht heraus, dass Serien am Stück rezipiert werden. Bedeutet die voranschreitende Digitalisierung damit das Ende des Broadcasting-Systems? Noch ist das klassische Fernsehen der häufigste Verbreitungsweg für Fernsehinhalte. Aber eben nicht mehr bei den jüngeren Leuten. Die Frage wird also sein, ob es sich hierbei um einen Alters- oder Kohorteneffekt handelt (siehe auch Lotz, 2014, 158). Werden diejenigen, die mittlerweile hauptsächlich VoD-Plattformen zur Serienrezeption nutzen, später, wenn sie älter sind, wieder dazu übergehen, ProSieben einzuschalten, um sich The Big Bang Theory anzusehen? Reed Hastings, der Chef von Netflix, hat sich bereits festgelegt, was die Zukunft des traditionellen Fernsehens anbelangt: Er glaubt nicht daran, dass es dieses in ein paar Jahren noch geben wird (Halberschmidt, 2015). Was aber ist mit Fernsehformaten, die von ihrem Live-Charakter leben? Also Sportevents, Nachrichten, Samstagabendunterhaltungsshows. Hier werden die klassischen Fernsehsender wohl nach wie vor eine wichtige Rolle einnehmen, zumindest so lange, bis die VoDAnbieter auch dafür einen Stream anbieten. Denn auffallend ist, wie sehr die VoD-Portale, allen voran Netflix, ihr Programm an dem der klassischen Fernsehsender orientieren. Serien, Filme, Dokumentationen, Talkshows – all diese typischen Fernsehinhalte sind mittlerweile auch auf den VoD-Plattformen zu finden. Und in einer weiteren Sache ähneln sie dem traditionellen Fernsehen sehr: So setzt besonders das Abo-finanzierte Netflix alles daran, dass die Nutzerinnen und Nutzer möglichst viel Zeit auf der unternehmenseigenen Plattform verbringen. Auch das amerikanische VoDPortal gibt einen program flow vor, einen personalisierten zwar, aber nichts destotrotz einen Flow, von dem es schwer fallen kann, sich zu lösen. Die Konsequenz ist: kumuliertes Sehen.

2.4 Zwischenfazit

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Gleichzeitig erinnert die neue Art des Fernsehens stark an ein anderes, altes Medium: das Buch. Häufig werden VoD-Portale mit Bibliotheken verglichen, aus denen sich Rezipierende jederzeit das für sie passende Angebot ausleihen können. Hinzu kommt, dass die für VoD-Plattformen typische Rezeptionsweise von Serien – mehrere Folgen am Stück zu konsumieren – der Nutzung von Büchern nicht unähnlich ist. Dass diese Assoziation zumindest auf Seiten von Netflix durchaus gewollt ist, zeigt folgendes Beispiel: Bei eigenproduzierten Serien heißen die einzelnen Teile Kapitel und nicht Folgen. Auch, dass es ausgerechnet Serien sind, die kumuliert rezipiert werden, ist kein Zufall. Genauso wenig wie es Zufall ist, dass Netflix erst mit seriellen Eigenproduktionen der große Durchbruch gelungen ist. Auf diese Zusammenhänge soll im nächsten Kapitel näher eingegangen werden und damit die zweite Rahmenbedingung kumulierter Rezeption genauer beleuchtet werden: das serielle Erzählen.

3

Serielles Erzählen

In Kapitel 2 haben wir die kumulierte Rezeption als ein überwiegend technologiegetriebenes Phänomen kennengelernt. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, dass die Rezeption am Stück ebenso ein inhaltsgetriebenes Phänomen ist. Denn auch wenn sich grundsätzlich alles kumuliert rezipieren lässt, sofern es aus zwei Teilen oder mehr besteht, sind es vor allem fiktionale Fernsehserien, auf die diese Rezeptionsweise zutrifft. Was aber prädestiniert Serien für die Rezeption am Stück? Antworten auf diese Frage liefert Kapitel 3, in dem die zweite Voraussetzung für die kumulierte Rezeption vorgestellt wird: serielles Erzählen. Serien sind wie Filme und Romane Narrationen. Bordwell und Thompson (1986, 83) verstehen darunter „a chain of events in cause-effect relationships occuring in time and space“. Ausgelöst wird die Kausalkette an Ereignissen durch Figuren und deren persönliche Ziele (Thompson, 2003, 37). Weiterhin lassen sich Narrationen in zwei Ebenen differenzieren: die Story (oder auch histoire) und den Plot (oder auch discourse) (siehe u. a. Bordwell, 1985; Segal, 1995a). Mit ersterem ist die Geschichte gemeint, also das, was erzählt wird, während letzteres die Form beschreibt, also das Wie (Rothemund, 2013, 59). Wenn wir serielles Erzählen allerdings nur darauf beschränken, eine Erzählform zu sein, werden wir der Sache nicht gerecht. Denn Serien sind immer auch ein ökonomisches Produkt und zweckgebunden (siehe auch Bock, 2013; Jurga, 1999; Schlütz, 2016). Mit seriellem Erzählen wird Geld verdient; es wird bewusst eingesetzt, um Produktloyalität zu einem Medium bzw. Medienangebot aufzubauen (Hagedorn, 1995, 28). Serien sind Kunst und Kommerz zugleich. Der Warencharakter von Serien lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass der Begriff auch in der Industrieproduktion beheimatet ist. Dort meint ‚etwas in Serie zu produzieren‘ die „kontinuierliche Produktion von Varianten eines glei© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Czichon, Kumulierte Serienrezeption, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26842-8_3

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3 Serielles Erzählen

chen Typs, bzw. einer Gruppe gleichartiger Dinge, die nach einem einheitlichen Formmuster oder Modell erstellt werden“ (Jurga, 1999, 91). Massenware ist kostengünstiger zu produzieren als handgefertigte Unikate. Nicht anders verhält es sich bei Medienprodukten. Kontinuierlich und innerhalb kürzester Zeit wird bei seriellen Erzählformaten eine große Anzahl an Teilen hergestellt, die sich in ihrer Grundstruktur stark ähneln, und die anschließend täglich bzw. wöchentlich (je nach Medium und Format), in jedem Fall aber in einer hohen Taktung, veröffentlicht werden. Um serielles Erzählen in all seinen Facetten abzubilden, wäre es deshalb unzureichend, sich nur auf Darstellungsmerkmale zu konzentrieren. Auch die Ware ‚Serie‘ müssen wir thematisieren. Entsprechend wird zunächst beleuchtet, welchen Stellenwert serielle Unterhaltung in den Massenmedien einnimmt. Anschließend wird der Schwerpunkt auf Fernsehserien gelegt und herausgearbeitet, was die Charakteristika serieller Fernsehunterhaltung sind und welche Formen es zu unterscheiden gilt. Der dritte Teil des Kapitels nimmt dann eine Sonderform serieller Unterhaltung genauer in Augenschein, das Quality TV. Dieses verfügt über spezifische Eigenschaften, welche die kumulierte Rezeptionsweise besonders begünstigen und lohnenswert machen, und ist das Ergebnis diverser technischer, politischer und ökonomischer Entwicklungen auf dem US-Fernsehmarkt. Das Kapitel abschließen wird ein kurzes Zwischenfazit. 3.1

Serielle Unterhaltung in den Massenmedien

Serielles Erzählen ist so alt wie das Geschichtenerzählen selbst (Kelleter, 2012, 12). Die Ursprünge liegen weit vor dem Aufkommen des Mediums, mit dem wir Serien heutzutage in erster Linie verbinden: dem Fernsehen. Mielke (2006) sieht in den Geschichten von 1001 Nacht den „Prototyp[en] der zyklisch-seriellen Narration“ (S. 2) und zeichnet die Entwicklung des seriellen Erzählens vom orientalischen Mittelalter über den europäischen Zeitungsroman zu den deutschen Daily Soaps im Fernsehen nach. Für Hi-

3.1 Serielle Unterhaltung in den Massenmedien

35

ckethier (1991, 17) sind neben den Erzählungen Scheherazadens die rapsodischen Gesänge Homers die ältesten Beispiele serieller Unterhaltung. Mikos (1994, 13) nennt die Verbreitung von Schrift und die technischen Möglichkeiten des Drucks als Voraussetzung für serielles Erzählen, weshalb er den Beginn der Geschichte der Serie auf das 17. Jahrhundert und die zu dieser Zeit entstehende Kolportageliteratur zurückdatiert. Hagedorn (1995) wiederum erachtet die Industrialisierung im 19. Jahrhundert und die damit eng verbundene kapitalistische Marktlogik als entscheidend für die Entwicklung seriellen Erzählens. Es sei kein Zufall, dass immer dann, wenn ein Medium an der Schwelle zum Massenmedium8 stehe, auf Serien gesetzt werde. Hagedorn (1995, 28f) führt zwei Funktionen an, die serielle Erzählformate aus seiner Sicht erfüllen: (1) Sie schaffen Publikum und (2) sie binden Publikum. Ist das Publikum durch Serien erst einmal angelockt, werde es sich auch für die anderen Angebote des Mediums interessieren. Entsprechend hegte er schon bei der Veröffentlichung seines Aufsatzes im Jahr 1995 keinen Zweifel daran, dass serielles Erzählen Bestand haben wird (Hagedorn, 1995, 41). Der Erfolg von VoD-Portalen wie Netflix, das, wie wir in Kapitel 2.2.2 gesehen haben, gezielt auf serielle Unterhaltung setzt, gibt ihm in seiner Einschätzung recht. Es handelt sich dabei, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, aber lediglich um das jüngste von einer ganzen Reihe an Beispielen für Hagedorns Behauptung: „When a medium needs an audience, it turns to serials“ (1995, 29). Serielles Erzählen in Zeitungen Der Konkurrenzkampf zweier Verleger Mitte der 1830er Jahre gilt als die Geburtsstunde seriellen Erzählens in französischen Zeitun-

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Hagedorn (1995) verwendet das Wort ‚Massenmedium‘ in dem Sinne, dass es Massen anzieht. Ganz allgemein werden mit dem Begriff ‚Massenmedien‘ die Medien der öffentlichen Kommunikation wie Zeitung, Fernsehen, Radio bezeichnet (Beck, 2006, 165).

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3 Serielles Erzählen

gen (Hagedorn, 1995, 30). Émile de Giradine und Armand Dutacq brachten zeitgleich zwei neue Produkte (La presse bzw. Le siècle) auf den französischen Zeitungsmarkt; beide wollten ihre Zeitungen für einen günstigeren Kaufpreis anbieten als branchenüblich. Dies ließ sich jedoch nur finanzieren, wenn es gelang, neue (politisch weniger interessierte) Käuferschichten anzusprechen und so den Absatz zu erhöhen. De Giradine verfolgte den Plan, seinen Kundinnen und Kunden etwas zu bieten, was sie in keiner anderen Zeitung zu lesen bekamen: fiktionale Geschichten. Um sicher zu gehen, dass seine Strategie erfolgreich sein würde, entschied er sich für einen Roman von Honoré de Balzac, seinerzeit der bekannteste Schriftsteller Frankreichs. Der eigentliche Clou bestand nun darin, den Roman in Fortsetzung abzudrucken, um so die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser und damit die Verkaufszahlen konstant hoch zu halten. Giradines Geschäftsstrategie stellte sich als äußerst erfolgreich heraus, entsprechend schnell machten es ihm die Konkurrenten nach (Hagedorn, 1995, 30). Fortan wurden in französischen Zeitungen Romane von u. a. Honoré de Balzac, Alexandre Dumas und Émile Zola als Fortsetzungserzählungen abgedruckt, um für die ‚Massen‘ attraktiv zu werden und so die Auflagezahlen zu steigern – entstanden war das ‚Massenmedium‘ Zeitung. Nicht nur in Frankreich wurde der Fortsetzungs- bzw. Feuilletonroman schnell zu einem festen Bestandteil von Tageszeitungen und Wochen- bzw. Monatszeitschriften. Auch in England – hier beispielsweise zunächst in Form von Charles DickensRomanen und dann in Form von Sherlock-Holmes-Geschichten – oder später in Deutschland – in Form von Theodor FontaneWerken – stellte serielles Erzählen ein bewährtes Mittel zur Publikumsbindung dar (Frey-Vor, 1996, 25; Jurga, 1999, 96f; Mikos, 1994, 131f). Während jedoch die Werke von de Balzac, Dickens und Co. erst nach Fertigstellung ‚scheibchenweise‘ veröffentlicht wurden, war der französische Roman Les mystères de Paris von Eugène Sue von Anfang an als Fortsetzungsroman konzipiert (Hickethier, 1994, 55f). 1842 und 1843 im Journal des Débats erschienen und

3.1 Serielle Unterhaltung in den Massenmedien

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während dieser Zeit auch geschrieben, gilt er als bekanntester Feuilletonroman, der mit Cliffhangern und diversen Nebengeschichten ein großes Publikum – vom Anwalt bis zur einfachen Magd – zu begeistern wusste (Hickethier, 1994, 55f; Mikos, 1994, 131). Neben den Feuilleton- bzw. Fortsetzungsromanen etablierte sich einige Jahrzehnte später noch ein weiteres fortführendes Erzählformat in den Zeitungen: der Comic Strip (Hagedorn, 1995, 31f). Wieder war der Konkurrenzkampf unter Zeitungsverlegern Ausgangspunkt für die Entwicklung. Seit der Erfindung der Fotogravur 1873 konnten Illustrationen kostengünstig in Zeitungen abgedruckt werden. Als der amerikanische Verleger William Randolph Hearst 1895 die Zeitung New York Morning Journal aufkaufte und sich fortan gegen Konkurrenzblätter wie die New York World behaupten musste, ließ er eine Comicserie entwickeln. Hearsts Taktik ging auf: The Yellow Kid, Amerikas erster Comic Strip, machte das New York Morning Journal schnell zur größten Zeitung in den USA (Hagedorn, 1995, 32). Serielles Erzählen im Kino Das Kino setzte ebenfalls früh auf serielle Unterhaltung. In den 1910er Jahren lockten Serien diverser Genres (u. a. Comedyserien wie Bébe und Kriminalserien wie Joe Deebs) zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer in Europa und den USA ins Kino. Nach einem deutlichen Rückgang in den 1920er Jahren dominierten serielle Formate in den 1930er Jahren erneut das Kinoprogramm (Wedel, 2012, 24f). Ausschlaggebend hierfür war die Weltwirtschaftskrise. Um auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten dem Publikum den Kinobesuch schmackhaft zu machen, wurde das double bill (zwei Filme für den Preis von einem) eingeführt: Vor dem eigentlichen Abendfilm, dem höherwertigen A-Movie, bekamen die amerikanischen Zuschauerinnen und Zuschauer günstig zu produzierende B-Movies gezeigt, bei denen es sich meistens um Serien handelte (Junklewitz & Weber, 2011, 338). Produktionen wie Tarzan und

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3 Serielles Erzählen

Sherlock Holmes fallen in diesen Zeitraum. Der Höhenflug serieller Unterhaltung hielt bis in die 1940er Jahre an – ein Jahrzehnt, in dem laut einer Studie 20 Prozent aller gezeigten Kinofilme in den USA Serienproduktionen waren (Wedel, 2012, 25). Anschließend ging die Zahl der Kino-Serien in den USA deutlich zurück, da die Hollywoodproduzenten angesichts der neuen Konkurrenz durch das Fernsehen fortan auf Eventkino in Form von aufwendigen Großproduktionen setzten (Junklewitz & Weber, 2011, 340). Gegenteilig zu der Entwicklung in den USA entdeckten deutsche Produzenten in den 1950er Jahren die Serie als Publikumsfänger für sich (Wedel, 2012, 25). Erfolgreiche serielle Produktionen wie Sissi, Winnetou und die Edgar-Wallace-Filme entstanden. In den 1970er Jahren kehrte das Serienformat auch in den USA wieder auf die Kinoleinwand zurück, dieses Mal jedoch in Form teurer Blockbuster-Produktionen wie Der Pate, Stars Wars und Indiana Jones (Wedel, 2012, 25). Das wirtschaftliche Kalkül dahinter sah dabei wie folgt aus: Durch die Ausgestaltung finanziell aufwendiger Kinofilme als Serie ließ sich von der für serielle Formate typischen Publikumsbindung und dem damit verringerten finanziellen Risiko profitieren. Gleichzeitig wurde, indem die einzelnen Episoden in großen Zeitabständen ausgestrahlt wurden, der Eventcharakter beibehalten, der die einzelnen Episoden besonders erscheinen ließ (Junklewitz & Weber, 2011, 345ff). Dieser Franchise-Gedanke ist auch heute noch zu finden; dabei werden Kinofilme teilweise nur deshalb fortgesetzt, weil sich der ‚erste Teil‘ als zufällig sehr erfolgreich herausstellte und sich durch eine Fortführung weitere Erfolge an der Kinokasse erhofft werden. Die Geschichte seriell zu erzählen ist in diesen Fällen eher Mittel zum Zweck und nicht so sehr eine bewusste Entscheidung für die serielle Erzählweise. Beispiele hierfür sind u. a. Fast and Furious und Ice Age (Schleich & Nesselhauf, 2016, 26f).

3.1 Serielle Unterhaltung in den Massenmedien

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Serielles Erzählen im Radio Mit dem Aufkommen des Radios entstand schließlich ein neues Seriengenre: die Radio Soap Opera. Der privatwirtschaftlich organisierte Hörfunk in den USA begann sich früh über Werbeeinnahmen zu finanzieren und Konsumgüterunternehmen wie die Waschmittel- und Seifenhersteller Colgate-Palmolive und Procter & Gamble entdeckten das Radio als idealen Werbekanal für sich (FreyVor, 1996, 27f; Hagedorn, 1995, 34ff). Sie ließen ab den 1930er Jahren dramatisch inszenierte, dialoglastige Fortsetzungsserien wie The Romance of Helen Trent oder Ma Perkins produzieren bzw. sponserten diese, um zu Beginn jeder Folge ihre Produkte, vornehmlich Waschmittel (deswegen auch ‚Soap‘ Opera) zu bewerben (FreyVor, 1996, 27f). Die anvisierte Zielgruppe der tagsüber ausgestrahlten 15-minütigen Seifenopern waren amerikanische Hausfrauen, die sich mit den dargestellten Figuren identifizieren und so in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden sollten. Während damals in den USA Radio Soap Operas eine feste Komponente im Radioprogramm waren – 1940 wurden landesweit 64 verschiedene Soaps ausgestrahlt (Hagedorn, 1995, 36) –, konnte sich das serielle Erzählformat im deutschen Radio nicht durchsetzen. Mikos (1994, 132f) und Mielke (2006, 485ff) führen als Erklärung für diese konträre Entwicklung die unterschiedlichen Mediensysteme an, die sich in den beiden Ländern zu dieser Zeit etablierten. Der staatlich organisierte Hörfunk im Deutschland der Weimarer Republik verfolgte den Anspruch, gehobene, bildungsbürgerliche Unterhaltung zu senden. Entsprechend wurden vor allem Theateraufführungen und Konzerte übertragen. Für vermeintlich triviale Unterhaltung wie Soap Operas war kein Platz (Mielke, 2006, 485f). Als Konsequenz aus den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus wurde der Rundfunk in Deutschland nach 1945 öffentlich-rechtlich organisiert und mit einem Informations- und Bildungsauftrag versehen. Wenn fiktionale Programminhalte ausgestrahlt wurden, handelte es sich dabei überwiegend um anspruchsvolle Hörspiele bekannter deutscher Autorin-

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3 Serielles Erzählen

nen und Autoren wie Ingeborg Bachmann oder Wolfgang Borchert (Mielke, 2006, 485f). Nur vereinzelt ließen sich serielle Formate wie die deutsche Hörspielversion der britischen Kriminalserie Paul Temple im Programm finden. Mit dem Einzug des Fernsehgeräts in die amerikanischen Wohnzimmer endete auch in den USA die Ära der Radio Soap Opera. Angesichts sinkender Radioreichweiten wanderten die gesponserten Seifenopern in das neue Medium ‚Fernsehen‘ ab (FreyVor, 1996, 29). Serielles Erzählen im Fernsehen In den USA nahmen serielle Erzählformate von Anfang an einen festen Platz im Fernsehprogramm ein. Das aus dem Radio schon bekannte Format der Soap Opera etablierte sich auch im Fernsehen schnell. Während zu Beginn häufig Fernsehadaptionen von erfolgreichen Radio Soap Operas ausgestrahlt wurden (u. a. Ma Perkins oder The Guiding Light), dominierten bald eigens für das Fernsehen konzipierte Seifenopern das Programm, darunter äußerst erfolgreiche Serien wie General Hospital oder Days of Our Lives, die auch heute noch Dauerbrenner im US-Fernsehen sind (Hagedorn, 1995, 37f; Schleich & Nesselhauf, 2016, 39f). Im Verlauf der Jahrzehnte verlängerte sich die Episodenlänge einer durchschnittlichen Soap-Serie von vormals 15 auf teilweise 60 Minuten und auch thematisch ließen sich Veränderungen feststellen: Im Fokus standen nun nicht mehr so sehr Familien- und Alltagsprobleme, stattdessen wurde sich auf persönliche Befindlichkeiten und Konflikte konzentriert (Schleich & Nesselhauf, 2016, 40). Auch Sitcoms gehörten von Beginn an zum amerikanischen Fernsehen dazu. Als erste Sitcom ging 1947 Mary Kay und Johnny auf Sendung, 1951 folgte die äußerst erfolgreiche Sitcom I love Lucy (Holzer, 1999, 44ff; Schleich & Nesselhauf, 2016, 40). Beide Male handelte die Geschichte vom Alltag eines jungen, verheirateten Ehepaars, das in New York lebt. Ebenso wie bei den Seifenopern diente auch bei den Sitcoms das Radio als Vorbild. So ging I love

3.1 Serielle Unterhaltung in den Massenmedien

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Lucy aus der Radiositcom My favourite husband hervor und Amos n‘ Andy lief bereits erfolgreich im Radio, bevor es auch für das Fernsehen adaptiert wurde. Drehte sich in Sitcoms anfangs alles um das Thema ‚Familie‘, kamen später Science-Fiction-, Büro-, WG-, Krankenhaus-Sitcoms, etc. hinzu (Holzer, 1999, 47ff). Während Seifenopern heute deutlich an Beliebtheit verloren haben, sind Sitcoms nach wie vor ein wesentlicher Eckpfeiler der Programmplanung. Zusätzlich zu Sitcoms und Seifenopern wurden in den 1950er und 1960er Jahren in den USA zahlreiche Western- und Familienserien (u. a. Bonanza, Father Knows Best) ausgestrahlt. Die 1970er Jahre standen dann ganz im Zeichen der Kriminalserie: Serien wie Charlie’s Angels und Starsky & Hutch gingen auf Sendung (Schleich & Nesselhauf, 2016, 41). Auch die Verfilmung von Büchern als Mehrteiler (u. a. Roots) erfreute sich in diesem Jahrzehnt großer Beliebtheit (Hagedorn, 1995, 38f). Mit Dallas und Dynasty9 eroberte das Soapformat in den 1980er Jahren dann erstmals die Primetime. Überhaupt machten Serien (u. a. St Elsewhere10, Hill Street Blues) mittlerweile einen großen Teil des Abendprogramms aus (Hagedorn, 1995, 39). In den 1990er Jahren kamen Serien wie Twin Peaks und Emergency Room auf und mit ihnen wurde das Label Quality TV gesellschaftsfähig (Blanchet, 2011, 37; Schleich & Nesselhauf, 2016, 48f). Als besonderer Motor für die Serienentwicklung in den USA stellte sich das Pay-TV heraus. Um Abonnentinnen und Abonnenten langfristig an sich zu binden, setzten Kabelsender wie HBO und Showtime seit Mitte der 1990er Jahre vermehrt auf eigenproduzierte Serien. Ihre bisherige Strategie – Kinoblockbuster in Erstausstrahlung zu zeigen – war angesichts der Konkurrenz durch DVDs und illegale Downloads wirtschaftlich unrentabel geworden (Schleich & Nesselhauf, 2016, 44f). Es galt, wieder exklusive Inhalte anzubieten, d. h. Inhalte, die nirgendwo sonst zu sehen waren, und für die Kundinnen und Kunden bereit waren, Geld zu zahlen. 9

Im deutschen Fernsehen lief die Serie unter dem Titel Der Denver-Clan. Im deutschen Fernsehen lief die Serie unter dem Titel Chefarzt Dr. Westphall.

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3 Serielles Erzählen

Nachdem die Vergangenheit gezeigt hatte, dass serielles Erzählen die Produktloyalität erhöht, fiel die Wahl – wenig überraschend – auf Serien. Da Pay-TV-Sender u. a. nicht an die Einhaltung von Sittenregeln wie ihre frei empfangbare Konkurrenz gebunden sind, konnten sie zahlreiche innovative Serienformate wie Sex and the City, The Sopranos und Queer as Folk entwickeln, die sowohl bei den Kundinnen und Kunden als auch bei Kritikerinnen und Kritikern auf gute Resonanz stießen (Blanchet, 2011, 37ff). Im Kampf um die Zuschauergunst und damit um Werbegelder sahen sich nun wiederum die großen vier Network-Sender ABC, CBS, NBC und FOX in Zugzwang und legten ihrerseits seit den 2000er Jahren mit erfolgreichen Serien wie z. B. 24, Greys Anatomy, The Good Wife und This Is Us nach. Dieser andauernde Konkurrenzkampf führt dazu, dass laut Schleich und Nesselhauf (2016, 50) mittlerweile sogar ein Überangebot an Serien besteht. In Deutschland gestaltete sich die Etablierung serieller Fernsehformate gleichsam schwieriger. In der Bundesrepublik der 1950er Jahre setzte man auf Bildungsfernsehen. Serien, die nach wie vor als triviale Unterhaltungsform angesehen wurden, blieben deshalb die Ausnahme (Hickethier, 1991, 22; Hickethier & Hoff, 1998, 235). Zudem hatten sich angesichts des geringen Sendeumfangs der ARD und der Dritten Programme noch keine festen Programmstrukturen mit wiederkehrenden Programmplätzen gebildet (Hickethier, 1991, 22), sodass die Notwendigkeit für serielle Formate noch nicht vorhanden war. Nur vereinzelt wurden Serien ausgestrahlt wie die erste langlaufende Fernsehserie im deutschen Fernsehen, die Familienserie Unsere Nachbarn heute Abend: Die Schölermanns. Mit der Gründung des ZDF im Jahr 1963 und dem Wandel der deutschen Fernsehlandschaft von einem Mono- hin zu einem Duopol brach erstmals ein Wettstreit um Zuschauerinnen und Zuschauer aus. Serien wurden nun als probates Mittel betrachtet, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Als Folge des weiteren Programmausbaus auf rund sieben Stunden Sendezeit pro Tag

3.1 Serielle Unterhaltung in den Massenmedien

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kauften die Sender vermehrt amerikanische Serien für das Nachmittagsprogramm ein (Buß & Darschin, 2004, 16; Hickethier, 1991, 23). Tierserien wie Lassie und der Familienwestern Bonanza fielen in dieses Jahrzehnt. Deutsche serielle Produktionen waren deutlich seltener, aber nicht weniger populär. Meist handelte es sich dabei um kurze, abgeschlossene Mehrteiler wie z. B. die Durbridge-Krimis (u. a. Das Halstuch), die abends zur besten Sendezeit ausgestrahlt wurden und sich zu regelrechten ‚Straßenfegern‘ entwickelten (Hickethier, 1991, 23, 2003, 399). In den 1970er Jahren bildete sich dann die sozialkritische Vorabendserie als Sendeformat heraus (Hickethier, 1991, 24ff). Der Serienklassiker Ein Herz und eine Seele ist hierfür ein Beispiel. Außerdem entdeckten renommierte Kinoregisseure wie Rainer Werner Faßbinder die serielle Erzählform für sich und steuerten einige sozialkritische Mehrteiler zum Fernsehprogramm bei. Auch der heute noch populäre Tatort feierte in diesem Jahrzehnt seinen Fernseheinstand. Mit Produktionen wie Dallas, Denver-Clan, Schwarzwaldklinik und Lindenstraße waren Serien ab den 1980er Jahren dann endgültig nicht mehr aus dem deutschen Fernsehprogramm wegzudenken (Hickethier, 1991, 26f). Als nach Einführung des dualen Rundfunksystems die privaten Fernsehsender SAT1 und RTL und später ProSieben auf Sendung gingen, wurde Ende der 1980er Jahre ein neuer Höchststand an Serien im deutschen Fernsehen erreicht. Denn die Privatsender setzten konsequent auf serielle Erzählformate und hier aus Kostengründen zunächst ausschließlich auf amerikanische Serien, um sich in der deutschen Fernsehlandschaft zu etablieren (Hickethier, 1991, 29). Der Serien-Zenit, zeigte sich Hickethier deshalb 1991 überzeugt, sei nun überschritten: „Ein weiterer Ausbau der Serienanteile scheint unter den gegenwärtigen Konstellationen des Medienmarktes, der sehr stark von medienexternen Bindungen abhängig ist, wenig wahrscheinlich. Eine allgemein wachsende Fernsehunlust, wie sie erst jüngst der Spiegel-Redakteur Peter Stolle feststellte, scheint auch mit dem Übermaß an Serien im Fernsehen zu tun zu haben.“ (S. 29)

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3 Serielles Erzählen

Tatsächlich war Hickethier mit dieser Prognose etwas voreilig. In den 1990er Jahren kamen weitere private Fernsehsender (RTLII, Vox, Kabel1) hinzu und damit die Notwendigkeit, Sendeplatz kostengünstig zu füllen. Zudem eroberten serielle Formate wie Daily Soaps und Sitcoms die deutschen Fernsehbildschirme. GZSZ, Verbotene Liebe und Co. erzielten vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen hohe Einschaltquoten (Hickethier, 2003, 400). Während es sich bei den im Vorabendprogramm gezeigten Daily Soaps um deutsche Produktionen handelte, waren die meisten Sitcoms – bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Die Camper, Lukas, Nikola) – amerikanische Importe (z. B. The Fresh Prince of Bel-Air, Full House, Friends, Married…with Children11, Roseanne). Nach einem leichten Rückgang zu Beginn der 2000er Jahre, der den damals aufkommenden Reality-TV-Formaten geschuldet war, sind Fernsehserien heute erneut omnipräsent (Krüger, 2012, 491f). Die Fernsehsender ARD, ZDF und ProSieben bauen ihren Anteil an fiktionalen Fernsehserien seit Mitte der 2000er Jahre wieder kontinuierlich aus; ProSieben bestritt 2015 sogar rund die Hälfte des Programms mit Serien (Krüger, 2016, 175f). Während die öffentlich-rechtlichen Sender überwiegend auf deutsche Serien setzen, dominieren bei ProSieben US-Importe (Krüger, 2012, 492f). 3.2

Fernsehserien

Serielles Erzählen ist „keine fernsehgenuine Form“ (Hickethier, 1991, 17). Das sollte aus den bisherigen Ausführungen deutlich geworden sein. Gleichwohl steht kein anderes Medium so sehr für serielle Unterhaltung wie das Fernsehen. Dies hat ganz wesentlich mit der Programmstruktur des Fernsehens zu tun, die auf Serialität ausgerichtet ist. Im Gegensatz zum Kino oder Theater wechselt das Fernsehpublikum nicht von Vorstellung zu Vorstellung, sodass jeden Tag neue Inhalte geliefert werden müssen, will man die Zuschauerinnen und Zuschauer dazu bewegen, täglich einzuschalten. 11 Im deutschen Fernsehen bekannt unter dem Namen Eine schrecklich nette Familie.

3.2 Fernsehserien

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Für Hickethier (1991) ist es deshalb nur eine logische Konsequenz, dass das Fernsehen auf Serien setzt: „Der ständige Bedarf nach permanenter Unterhaltung und Information führt auf der Programmebene zur Einrichtung wiederkehrender Programmplätze, die in ähnlicher und dann auch in gleicher Weise gefüllt werden wollen. Daraus entsteht relativ rasch eine regelmäßige und kontinuierliche – und damit auch serielle – Produktion des Programms. Ihr Übergang zur Serienproduktion ist zwar nicht zwangsläufig, aber naheliegend.“ (S. 12)

Für die Zuschauerinnen und Zuschauer wiederum bedeutet Serialität Verlässlichkeit und Struktur (Czichon & Schlütz, 2016, 20; Naab, 2013, 23f). Jeden Tag oder jede Woche warten die Serienfiguren nur darauf, uns an ihrem Schicksal teilhaben zu lassen. Ehe man sich versieht, wird die Serie in den Alltag integriert und zum täglichen bzw. wöchentlichen Begleiter. Sie wird zum „ersten Date am Abend“, wie die deutsche Daily Soap Verbotene Liebe einst warb (AJFanpage, 2009). Dies gilt selbst dann noch, wenn Serien nicht mehr linear im Fernsehen, sondern über VoD-Portale verfolgt werden. Auch hier haben sich bereits Rituale entwickelt, wie bisherige Studien zur kumulierten Serienrezeption zeigen (siehe Kap. 1): Serien belohnen für einen Lernmarathon oder läuten den Feierabend ein. Serienschauen stellt nach wie vor den Übergang von Arbeit zu Freizeit dar und strukturiert damit den Alltag. Doch was macht eine Erzählung eigentlich zu einer Serie? Im Folgenden soll herausgearbeitet werden, was die Charakteristika serieller Fernsehunterhaltung sind. 3.2.1

Charakteristika serieller Fernsehunterhaltung

Es existieren zahlreiche Definitionen zu Fernsehserien. Meistens handelt es sich dabei jedoch um „Binnendifferenzierungen“ (Weber & Junklewitz, 2008, 15), d. h. es werden spezielle Formen von Fernsehserien definiert, wie die Daily Soap oder die Familienserie (z. B. Frey-Vor, 1996; Geraghty, 1981; Kreutzner, 1991; Mikos, 1994). Allgemeine Definitionen sind selten oder so offen gehalten,

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3 Serielles Erzählen

dass sie nicht spezifisch genug sind. Weber und Junklewitz (2008) sprechen beispielsweise dann von einer Serie, wenn sie „aus zwei oder mehr Teilen [besteht], die durch eine gemeinsame Idee, ein Thema oder ein Konzept zusammengehalten werden und in allen Medien vorkommen können“ (S. 18). Sie bieten somit einen medienübergreifenden Serienbegriff an, der für unsere Zwecke nicht geeignet ist. Hickethier (2006) wiederum versteht unter dem Begriff ‚Fernsehserie‘ „eine Präsentations- und Vermittlungsform des Fernsehprogramms […], die einzelne Teile eines größeren Ganzen in einzelnen Portionen und in zeitlichen Abständen darbietet“ (S. 18). Folglich fallen für ihn – aufgrund ihrer seriellen Struktur – auch non-fiktionale Fernsehsendungen wie Nachrichten, Quizsendungen, Talkshows, Reality TV etc. unter die Bezeichnung und damit nahezu alles, was im Fernsehen gesendet wird. Weil mit dieser Auslegung des Begriffs ‚Serie‘ eine Differenzierung schwer fällt und wir uns außerdem im Folgenden auf fiktionale Fernsehserien konzentrieren wollen, erscheint auch Hickethiers Definition wenig zielführend. Wie Schleich und Nesselhauf (2016, 65) zudem hervorheben, macht es einen Unterschied, ob etwas lediglich seriell ausgestrahlt wird (z. B. Nachrichten) oder ob der Plot seriell strukturiert ist. Zwar können auch Nachrichtengeschehnisse aufeinander basieren, doch fehle hier dann immer „das Element einer strukturierten fiktionalen Erzählung“ (Schleich & Nesselhauf, 2016, 65). Neben der Tatsache, dass einige Definitionen zu unspezifisch sind, kommt hinzu, dass sich manche der Charakteristika, die im Zusammenhang mit Fernsehserien genannt werden, nicht mehr länger als konstituierende Merkmale eignen. So können „die Einbindung in einen Programmzusammenhang und das Auftreten zu gleichförmig wiederkehrenden Zeiten“ (Hickethier, 1994, 58) bzw. „the regular appearance, in the same slot every week of the year“ (Geraghty, 1981, 9) angesichts der zunehmenden technischen und inhaltlichen Medienkonvergenz und der damit einhergehenden Veränderungen in der Rezeptionsweise von Serien kaum noch als Charakteristika gelten (siehe auch Bock, 2013, 39).

3.2 Fernsehserien

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Eine Definition, die diesen Umstand berücksichtigt, und gleichzeitig spezifisch auf fiktionale Fernsehserien bezogen ist, findet sich bei Schlütz (2016). Auf ihrem Verständnis von seriellem Erzählen baut diese Arbeit auf. Sie versteht unter einer Fernsehserie „eine mehrteilige Abfolge abgegrenzter, aber miteinander verknüpfter (fiktionaler) Fernsehfilme. Durch Verknüpfung der einzelnen Episoden auf formaler, inhaltlicher und struktureller Ebene entsteht eine kontinuierliche Erzählung mit offener Narrationsstruktur.“ (S. 13)

Was genau mit den konstituierenden Merkmalen – Mehrteiligkeit und Verknüpfung der Teile sowie offene Narrationsstruktur – gemeint ist, soll im Folgenden erläutert werden. 3.2.1.1

Mehrteiligkeit und Verknüpfung der Teile

Das Prinzip der Mehrteiligkeit ist eine notwendige Bedingung seriellen Erzählens (Hickethier, 1991, 8; Weber & Junklewitz, 2008, 15) und dient zur Abgrenzung von anderen Erzählformen. Im Unterschied zum Spielfilm (im Englischen: single play) sind Serien „auf Fortsetzung hin konzipiert und produziert“ (Hickethier, 1991, 8). Eine Serie muss, so lässt sich eine Minimalanforderung definieren, aus mindestens zwei Teilen bestehen. Nach oben hin existieren dagegen keine Einschränkungen: Eine Serie kann sich theoretisch aus unendlich vielen Teilen zusammensetzen, auch wenn normalerweise selbst die langläufigste Serie irgendwann endet bzw. abgesetzt wird (Hickethier, 1991, 8). Die einzelnen Teile, im Kontext von Fernsehserien als Folgen oder Episoden bezeichnet, „stellen von ihrer Dramaturgie und Produktionsstruktur her erkennbare, abgegrenzte Einheiten dar, die in unterschiedlicher Weise Anknüpfungen an vorangegangene Folgen herstellen und Anknüpfungspunkte für die nachfolgenden bieten“ (Hickethier, 1991, 9).

Die dadurch entstehenden „Ketten von Einzelfolgen“ (Hickethier, 1991, 9; Herv. i. O.) ermöglichen ganz andere Erzählweisen, als

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3 Serielles Erzählen

das ein Film könnte: „Simply in terms of hours alone the series and serial can produce breadth of vision, a narrative scope and can capture an audience’s involvement in a way equalled by a few contemporary media” (Creeber, 2004, 4). Während ein Film 90 Minuten Zeit hat, um die Handlung auszubreiten, kann eine Serie mit fünf Staffeln à 20 Folgen 4.300 Minuten lang eine Geschichte erzählen. Das gibt den Serienmachern Zeit, um diverse Nebenstränge in den Plot einzubauen und die Figuren facettenreich zu gestalten (Schleich & Nesselhauf, 2016, 113). Diese Fülle an Stoff und Inhalt erleichtert es wiederum den Rezipientinnen und Rezipienten, eine emotionale Bindung zu den Figuren aufzubauen, was folglich dazu führt, dass die Serie regelmäßig weiterverfolgt wird. Die Einzelfolgen einer Serie sind dabei auf dreifache Weise miteinander verknüpft: formal, inhaltlich und strukturell. Durch die Anknüpfung an vorangegangene und folgende Episoden entsteht Wiedererkennbarkeit für die Rezipierenden und – je nach Serienform – auch Kontinuität im Handlungsverlauf. Verknüpfung auf formaler Ebene Was zunächst banal klingen mag, ist gleichzeitig das wichtigste Verknüpfungsmerkmal auf formaler Ebene: Der Serienname. Sämtliche Folgen einer Serie sind damit überschrieben und geben so den vielen Einzelfolgen mit ihren jeweiligen individuellen Episodentiteln einen gemeinsamen Rahmen. Besonders deutlich wird diese rahmende Funktion bei Serienreihen wie dem Tatort, bei dem verschiedene Ermittlerteams völlig unabhängig voneinander agieren und für Rezipientinnen und Rezipienten zunächst nur anhand des gemeinsamen Namens ersichtlich wird, dass die einzelnen Spielfilme Teile eines großen Ganzen sind. Ohne den gemeinsamen Titel ließen sich die einzelnen Folgen einander nur schwer zuordnen. Der Serienname ermöglicht den Zuschauerinnen und Zuschauern somit auch eine zweifelsfreie Identifizierung der Einzelfolgen z. B. im Fernsehprogramm oder in VoD- Portalen.

3.2 Fernsehserien

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Zusätzlich zum Seriennamen werden die einzelnen Episoden durch das Intro formal miteinander verbunden (Schlütz, 2016, 14f). Es setzt sich in aller Regel aus der Titelmelodie der Serie und einer kurzen Filmsequenz mit Titelbild zusammen.12 Das Intro erfolgt entweder zu Beginn einer Folge oder nach den ersten Auftaktszenen und soll ebenfalls der Wiedererkennung der Serie dienen (Schleich & Nesselhauf, 2016, 188f). Titelmelodie und Vorspann sind quasi die ‚Visitenkarte‘ der Serie, fassen sie doch in wenigen Sekunden Thema, Stil und Atmosphäre selbiger zusammen (siehe auch Schleich & Nesselhauf, 2016, 188f; Schlütz, 2016, 15). So macht das Intro von Emergency Room mit einer Aneinanderreihung hektischer Szenen aus der Notaufnahme deutlich, dass es sich hierbei um eine Krankenhausserie handelt. In Damages erschließt sich schon anhand der Refrainzeile des Titelsongs, „When I am through with you, there won’t be anything left“, die zerstörerische Grundstimmung der Serie und in Downton Abbey skizziert bereits der Vorspann samt Titelbild eine Gesellschaft von oben (der Adel) und unten (die Dienerschaft). Als weiteres formales Verbindungsmerkmal führt Schlütz (2016, 14) den regelmäßigen Ausstrahlungsrhythmus an. So wurden z. B. die sechs Staffeln von Downton Abbey in Großbritannien jeweils im Herbst gesendet, wobei das jeweilige Staffelfinale immer auf die Weihnachtsfeiertage fiel. Darauf konnten sich die Briten Jahr für Jahr verlassen; für nicht wenige wird das Staffelfinale zu Weihnachten dazugehört haben. Der feste Sendeplatz einer Serie bietet neben Verlässlichkeit auch Planbarkeit für die Zuschauerinnen und Zuschauer, allerdings nur, solange die Zuschauerquoten stimmen. Ansonsten wird keine Zeit (und damit Geld) verschwen-

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Schlütz (2016, 15) gibt zu bedenken, dass eine Kombination aus Titelmelodie und Filmsequenz nicht zwangsweise gegeben sein muss. Sie merkt an, dass eine große Bandbreite an verschiedensten Intros existiert. So begnügen sich einige Serien mit nur einem kurzen Standbild (u. a. The Fall und The Good Wife), Intros anderer Serien wie z. B. Dexter seien dagegen ein „Kunstwerk für sich“ (Schlütz, 2016, 15). Und selbst innerhalb einer Serie kann es zu gelegentlichen Variationen im Intro kommen, wie Schleich und Nesselhauf (2016, 189f) aufzeigen.

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3 Serielles Erzählen

det, Serien zu verschieben, z. B. ins Nachtprogramm, wo sie schnell ‚versendet‘ werden – ein Schicksal wie es den ARDMehrteiler Im Angesicht des Verbrechens ereilte. Weber und Junklewitz (2008, 15) geben zu bedenken, dass feste Sendezeiten nicht von Anfang an ein Merkmal serieller Fernsehunterhaltung waren: Die deutsche Serie Ein Herz und eine Seele wurde z. B. sehr unregelmäßig ausgestrahlt und auch mit der Platzierung einiger US-Serien im deutschen Fernsehen sei in den 1950er Jahren äußerst flexibel umgegangen worden. Hinzu kommt, dass Serien heutzutage auch non-linear rezipiert werden können. Ein regelmäßiger Ausstrahlungsrhythmus lässt sich deshalb nur noch schwer als konstituierendes Merkmal von Fernsehserien ansehen. Verknüpfung auf inhaltlicher Ebene Inhaltlich erfolgt die Verknüpfung der Einzelfolgen durch narrative Kontinuität auf Ebene der Figuren, der Handlung und des Settings (Schlütz, 2016, 15; Weber & Junklewitz, 2008, 15f). Zumindest die Hauptprotagonistinnen und -protagonisten einer Serie kehren von Folge zu Folge auf die Bildschirme zurück und sorgen so für inhaltliche Beständigkeit. Auf der Handlungsebene wird narrative Kontinuität erzeugt, indem z. B. die Kommissarin jedes Mal aufs Neue einen Mordfall löst (Episodenserie) oder die Handlung der einen Folge unmittelbar durch die nachfolgende Episode fortgesetzt wird (Fortsetzungsserie). Neben immer wiederkehrenden Schauplätzen (bei Friends z. B. das Central Perk Café; bei The Good Wife die Anwaltskanzlei und Alicia Florricks Privatwohnung) sorgen zwischenmenschliche Beziehungen – seien sie freundschaftlicher, feindlicher oder verwandtschaftlicher Natur – für weitere erzählerische Konstanz. Mikos (1994, 136) spricht in diesem Zusammenhang auch von einer räumlichen und sozialen Gemeinschaft, die Serien auszeichnet.

3.2 Fernsehserien

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Verknüpfung auf struktureller Ebene Auf struktureller Ebene, also auf Ebene des narrativen Aufbaus und der Handlungskomposition, wird eine Verbindung zwischen den einzelnen Episoden durch die für Serien typische „doppelte Formstruktur (Herv. i. O.)“ (Hickethier, 1991, 10) und das mehrsträngige Erzählen (Krützen, 2010, 337) hergestellt (Schlütz, 2016, 15f). Hickethier (2003) weist mit dem von ihm geprägten Begriff auf die zwei Dramaturgie-Ebenen einer Serie hin, die zusammen eine doppelte Struktur ergeben: „Zum einen gibt es einen die Serie als Ganzes übergreifenden dramaturgischen und inszenatorischen Zusammenhang, zum anderen eine nur die einzelne Folge betreffende Einheit von Dramaturgie, Figurengestaltung und Handlungsführung. Seriendramaturgie und Folgendramaturgie sind zwar aufeinander bezogen, aber nicht identisch. So sind z. B. langlaufende Serien zum Ende hin prinzipiell offen, also auf Endlosigkeit hin angelegt, ihre einzelnen Folgen sind jedoch immer genau auf ein Ende hin kalkuliert.“ (S. 398)

Zuschauerinnen und Zuschauer können Serien folglich auf zwei Ebenen rezipieren, wobei die einzelnen Episoden die Mikroebene der Serie darstellen, die zu Staffeln zusammengefassten Folgen die Makroebene (siehe auch Schleich & Nesselhauf, 2016, 115). Zusammen erschaffen sie einen in „sich abgeschlossene[n] Kosmos“ (Hickethier, 1991, 10; Herv. i. O.). Jedes Serienformat – ob fortlaufend erzählt oder eher in abgeschlossenen Episoden – weist diese Doppeldramaturgie auf, allerdings werden die beiden Ebenen je nach Format unterschiedlich stark betont. Bei eher episodisch geprägten Serienformaten wie Sitcoms (z. B. The Big Bang Theory) und Krimis (z. B. Castle) liegt der Schwerpunkt in der Narration – und damit auch in der Rezeption – klar auf den einzelnen Folgen. Doch selbst hier wird sich immer wieder auf den „narrativen Gesamtzusammenhang“ (Schlütz, 2016, 16) bezogen, sei es, weil sich wie bei Castle die Tätigkeit des Hauptprotagonisten – er ist Krimiautor und verarbeitet die Erfahrungen, die er in seiner Zusammenarbeit mit der New Yorker Polizei macht, in seinen Büchern – als

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3 Serielles Erzählen

roter Faden durch die Geschichte zieht, oder weil sich Liebesbeziehungen im Verlauf der Folgen entwickeln oder wieder auflösen (z. B. bei The Big Bang Theory). Bei fortlaufenden Serien nimmt dagegen die Makroebene einen ganz wesentlichen Teil der Narration ein. So trägt bei der Serie The Affair jede Folge dazu bei, aufzuklären, warum der Hauptprotagonist Noah Solloway – ein Familienvater, der eine außereheliche Beziehung eingeht – von der Polizei befragt und später angeklagt wird. Nachdem sich zum Ende der ersten Staffel herausstellt, dass er unter Verdacht steht, an einem tödlichen Unfall beteiligt gewesen zu sein, geht die zweite Staffel der Frage nach, wie es dazu kam und wer tatsächlich dafür verantwortlich ist. Hier gleicht also die Serie einem Puzzle, wobei jede Folge ein einzelnes Puzzleteil darstellt, mit dem man der Lösung näherkommt. Gleichzeitig weist aber auch jede Episode für sich eine eigene Dramaturgie auf und ist eben, wie Hickethier (2003) sagt, „genau auf ein Ende hin kalkuliert“ (S. 398). Neben der doppelten Formstruktur ist es die Mehrsträngigkeit, die die einzelnen Teile strukturell miteinander verknüpft.13 Serienplots basieren immer auf mehreren Handlungssträngen, die zumeist parallel zueinander verlaufen, sich aber auch bisweilen kreuzen und so einen fließenden Übergang von einer Plotline zur nächsten erzeugen können (Schlütz, 2016, 16). Hickethier (2003) spricht deshalb von einer „Zopfdramaturgie“ (S. 401), Krützen (2010) schlägt hierfür den Ausdruck „alternierende Plotlines“ (S. 345) vor. Viele Serien verwenden eine Dreistrangdramaturgie, d. h. jede Episode weist drei Handlungsstränge auf, die jedoch nicht alle gleich stark gewichtet sein müssen und die sich von Folge zu Folge ändern können (Eschke & Bohne, 2010, 131f). In Masters of Sex beispielsweise existieren diverse Plotlines, die mal mehr, mal weniger intensiv weitergesponnen werden: Im Zentrum der Geschichte stehen der Gynäkologe Mr Masters und seine Assistentin Virginia 13

Mehrsträngiges Erzählen lässt sich auch in Filmen finden (siehe hierzu Krützen, 2010). Es ist also nichts Serienspezifisches, verursacht bei Serien aber – aufgrund der Folgenstruktur – nochmal eine ganz andere Komplexität und dient zudem der Verknüpfung auf struktureller Ebene.

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Johnson, die gemeinsam das menschliche Sexualverhalten erforschen (Hauptplot); gleichzeitig wird aber auch die verkappte Homosexualität des Leiters der Universitätsklinik, Barton Scully, thematisiert und welche Auswirkungen dies auf seine Ehe hat. Ein anderer Erzählstrang handelt wiederum von der ehemaligen Prostituierten Betty Dimello, die lesbisch ist, trotzdem vorhat einen reichen Mann zu heiraten, ihm verheimlicht, dass sie nicht schwanger werden kann. Je mehr Protagonistinnen und Protagonisten eine Serie aufweist – und seien es nur Nebenfiguren –, desto mehr Handlungsstränge sind möglich, sodass am Ende eine dichte, in zahlreiche Segmente unterteilte Narration entsteht. Dies wirkt sich wiederum auf die Serienrezeption aus, denn „diese Vielzahl narrativer Stränge und fiktiver Personen [eröffnet] eine Fülle möglicher Lesarten und damit Quellen der Unterhaltung“ (Schlütz, 2016, 16). 3.2.1.2

Offene Narrationsstruktur

Wie bereits thematisiert, sind Serien nicht endlos: Denn auch die erfolgreichste Serie geht irgendwann zu Ende (Hickethier, 1991, 8). Dass trotzdem immer wieder der Eindruck von potentieller Unendlichkeit entsteht, liegt an der offenen Narrationsstruktur von Serien (Allrath, Gymnich, & Surkamp, 2005, 22ff; Frey-Vor, 1996, 19; Schlütz, 2016, 17f): Serielle Formate sind auf Rückkehr ausgerichtet, was nichts anderes bedeutet, als dass das Ende so lange hinausgezögert wird, wie es der Publikumserfolg zulässt (Kelleter, 2012, 26f). Dadurch dass der narrative Abschluss permanent aufgeschoben wird, wird den Rezipierenden das Gefühl von Zukunft suggeriert (Geraghty, 1981, 11). 14

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Serien sind nicht nur offen in ihrer Narrationsstruktur, sondern mindestens ebenso in ihrer Produktionsweise. Zunächst wird nur der Pilot zu einer Serie gedreht, anschließend entscheiden die Senderverantwortlichen, ob die Erzählung fortgeführt wird oder nicht. Auch wie viele Staffeln eine Serie am Ende umfasst, steht bei Produktionsbeginn noch nicht fest, sondern dies hängt im Wesentlichen davon ab, ob und wie lange das Format ein Publikumserfolg ist (Schleich & Nesselhauf, 2016, 116f). Hinzu kommt,

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Ein bewährtes narratives Mittel, die Erzählung ‚ongoing‘ zu halten, sind Cliffhanger. Diese sind nichts anderes als eine „intendierte Unterbrechung der Narration“ (Weber & Junklewitz, 2010, 113). Jurga (1998) beschreibt Cliffhanger darüber hinaus als einen „abrupten Handlungsabbruch an einer besonders spannenden Stelle, der der Markierung des Endes einzelner Erzählsegmente und -einheiten dient und den (temporären) Endpunkt eines klimatischen Handlungsverlaufes bildet.“ (S. 472)

Cliffhanger können sowohl am Ende einer Folge oder Staffel auftreten, als auch Werbepausen einleiten (Schlütz, 2016, 17).15 Die Unterbrechung der Narration wirkt sich positiv auf die Publikumsbindung aus: „Cliffhangers typically suggest different paths a story might take, thus encouraging viewers both to imagine how the plot will develop and to continue watching the series because they want to know if their possible worlds will be actualized“ (Allrath et al., 2005, 28). Die durch die Unterbrechung entstandenen narrativen Leerstellen laden zu Spekulationen auf Seiten der Zuschauerinnen und Zuschauer ein und bauen bei ihnen Spannung auf, die erst mit der nächsten Episode gelöst wird.16 Besonders  15 16

dass die Drehbücher zur Serie meist parallel zur Ausstrahlung geschrieben werden (Martin, 2013; Nelson, 1997, 42). Cliffhanger, die innerhalb einer Folge die Narration unterbrechen, werden auch Binnencliffhanger genannt (Schleich & Nesselhauf, 2016, 166). Spannung kann sowohl ein Rezeptionserlebnis beschreiben (Rezeptionsperspektive) als auch das Charakteristikum eines Medienangebots sein (Werksperspektive). Für das subjektive Spannungserleben von Rezipierenden können folgende sechs Dimensionen als zentral gelten: (1) Die Zuschauenden müssen die Serienfigur mögen, ihr also positiv gegenüber eingestellt sein. (2) Diese positive affektive Disposition ist ausschlaggebend dafür, ob Rezipierende empathisch mit der Serienfigur sind. (3) Darüber hinaus ist es wichtig, dass Rezipierende antizipieren, dass eine Handlung immer auf mindestens zwei Weisen enden kann. (4) Welcher Handlungsverlauf am Ende tatsächlich eintritt, darüber herrscht Unsicherheit auf Seiten der Rezipierenden. Aus Sicht der Zuschauerinnen und Zuschauer deutet für die Protagonistin/den Protagonisten zunächst vieles darauf hin, dass es kein Happy End geben wird. (5) Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Rezipierenden ein Risiko wahrnehmen, dass sie also das Schicksal der Serienfigur bedroht sehen. (6) Gerade weil die Rezipierenden mit der Figur empathisch mitleiden, sind sie nicht indifferent hinsichtlich

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anschaulich zeigte sich dieser Effekt am Ende der dritten Staffel von Dallas. Die Folge „A House Divided“ ging in die FernsehGeschichtsbücher ein, stellten sich doch, nachdem der Geschäftsmann und Öl-Magnat J. R. Erwing niedergeschossen wurde, alle die Frage, „Who shot JR?“. Erst sieben Monate später erfolgte die Auflösung in der ersten Episode der vierten Staffel mit dem Titel „Who Done It“ (Schleich & Nesselhauf, 2016, 42f; Schlütz, 2016, 70; Thompson, 1996, 34). Neben dem Einsatz von Cliffhangern unterstreichen vorübergehende Auflösungen einzelner Plotlines den offenen Erzählcharakter von Serien (Schlütz, 2016, 17). Den Zuschauerinnen und Zuschauern wird regelmäßig ein vermeintliches, oft versöhnliches Ende eines Handlungsstrangs präsentiert, nur um nach einer kurzen Phase der Harmonie diesen erneut aufzurollen. In Downton Abbey sieht es z. B. zunächst so aus, als wäre mit der Hochzeit von Lady Sybil Crawley, der jüngsten Tochter der Adelsfamilie, und des Chauffeurs Tom Branson deren Liebesgeschichte zu einem glücklichen Abschluss gebracht. Dann aber stirbt Sybil bei der Geburt des gemeinsamen Kindes und fortan wird Toms Leben als Witwer im Kreise der Familie Crawley weitererzählt. Während bei Fortsetzungsserien die offene Narrationsstruktur in nahezu jeder Folge evident ist – nicht zuletzt aufgrund des Einsatzes von Cliffhangern am Ende –, scheint bei klassischen Episodenserien die Handlung zunächst nach 20, 40, 60 oder 90 Minuten abgeschlossen zu sein. So wird in Krimi-Serien in aller Regel am Ende der Folge die Mörderin oder der Mörder präsentiert, womit der Fall gelöst und zu Ende erzählt ist. Und auch Sitcoms verfolgen ein Erzählmuster (Ausgangssituation – Störung/Konflikt – Wiederherstellung der Ausgangssituation), das auf einen narrativen Abschluss innerhalb einer Episode abzielt. Doch selbst vermeintlich abgeschlossene serielle Erzählformate weisen eine offene Nar des Handlungsausgangs: Sie haben eine klare Präferenz, wie die Geschichte ausgehen soll. Treffen all diese Komponenten zusammen, entsteht Spannung, die sich erst mit der Kenntnis um den tatsächlichen Handlungsausgang abbaut (Czichon, Wünsch, & Briselat, 2017).

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rationsstruktur auf, denn serielles Erzählen ist auf Wiederholung angelegt: „Auch abgeschlossene Erzählungen drängen darauf, sich weiterzuführen und zu vermehren. Diese sogar besonders: Popularität und Wiederholung gehören offenbar eng zusammen, von der Gutenachtgeschichte zu standardisierten Unterhaltungsgenres wie der Krankenhaus-Fernsehserie oder dem Kriminalroman. In der Regel zeichnen sich derartige Formate zwar durch runde Schlüsse und definitive Ergebnisse aus, aber welches Paradox besteht eigentlich darin, dass sie solches immer wieder liefern, ohne erlösenden Gesamtabschluss? Am Ende eines Kriminalromans mag das Verbrechen somit aufgeklärt und Gerechtigkeit wieder hergestellt sein, doch immer lauert schon eine weitere Untat im Hintergrund der scheinbar beendeten Erzählung. Sherlock Holmes, der vielleicht erste Serienheld der modernen Medienwelt, wurde nicht deshalb mit fast übernatürlichem Scharfsinn ausgestattet, um nur einen einzigen Fall zu lösen und dann anderen Beschäftigungen nachzugehen. Was wäre eine Kommissar Brunetti, was ein J.R. Erwing, wenn sie bloß einmal im Leben einen Mörder überführen oder nur eine einzige Intrige in Gang setzen würden? Wir genießen diese Figuren ausdrücklich als Serienfiguren, die uns immer wieder aufs Neue mit den gleichen, schrittweise nur mutierenden Eigenschaften begegnen.“ (Kelleter, 2012, 12)

Nichts in der narrativen Anlage eines Krimis lässt vermuten – sofern die Hauptfigur nicht stirbt oder den Dienst quittiert –, dass die Kommissarin/der Kommissar nicht auch nächste Woche wieder in einem neuen Fall ermittelt, denn „[s]o wie jedes Rätsel eine Lösung fordert, so fordert jede Lösung ein weiteres Rätsel.“ (Kelleter, 2012, 12). Gleichwohl findet jede Serie irgendwann ein Ende. Allerdings hat dies weniger damit zu tun, dass sie zu einem narrative closure gekommen wären, sondern viele Serien werden schlicht deswegen beendet, weil sie die geforderten Einschaltquoten nicht mehr länger erfüllen und damit wirtschaftlich unprofitabel werden (Kelleter, 2012, 26f). In den seltensten Fällen geht die Absetzung einer Serie mit einer tatsächlichen inhaltlichen Abgeschlossenheit der Narration einher. Dies gilt selbst bei Serien wie Twin Peaks oder Lost, die den Zuschauerinnen und Zuschauern von Anfang an eine finale Auflösung der Geschichte versprochen haben (Kelleter,

3.2 Fernsehserien

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2012, 27). Nur wenigen Serien ist es vergönnt, einen runden narrativen Abschluss zu finden (z. B. The Good Wife, ER, How I Met Your Mother). Doch selbst das vorläufige Ende einer Serie muss nicht das Ende der Geschichte bedeuten. Irgendein Erzählstrang bleibt immer unvollendet, irgendwas bleibt immer unerzählt. So werden mittels Spin-Offs populäre Serienfiguren zu neuem Leben erweckt oder schon längst vergangene Serien ‚wiederbelebt‘ und fortgesetzt. Jüngste Beispiele hierfür sind The Good Fight als Ableger von The Good Wife, Fuller House als Fortsetzung von Full House und die Fortführung der Gilmore Girls in Form von vier Folgen in Spielfilmlänge.17 3.2.2

Formen serieller Fernsehunterhaltung

Es lassen sich – das klang bereits an – zwei Grundformen serieller Fernsehunterhaltung unterscheiden: Serien mit abgeschlossener Folgenhandlung, im Folgenden auch als Episodenserien bezeichnet (im Engl. series) und Fortsetzungsserien, die sich durch horizontale Handlungsbögen auszeichnen (im Engl. serial), (siehe u. a. Creeber, 2004; Eschke & Bohne, 2010; Hickethier, 2003; Kozloff, 1992; Mikos, 1994; Schlütz, 2016; Weber & Junklewitz, 2008). Es handelt sich dabei nicht um binäre Opponenten, sondern die beiden Grundformen stellen vielmehr die Endpunkte eines Kontinuums dar, welches Serien nach ihrem Serialitätsgrad anordnet. So schlagen Allrath, Gymnich und Surkamp (2005) vor, Serien danach zu differenzieren, über wie viele Folgen bzw. Staffeln sich die Erzählbögen einer Serie erstrecken: „An analysis of the degree of continuity of serialized TV narratives has to take into consideration such factors as whether overarching storylines are restricted to just a few episodes (for example many of Ally McBeal’s love affairs), to one season (for exam17

Wie Schleich und Nesselhauf (2016, 145f) aufzeigen, sind Spin-Offs keine Erfindung der heutigen Zeit. Schon früher gab es Ableger von erfolgreichen Serien wie z. B. All in the family.

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3 Serielles Erzählen ple the fight against one particular arch-enemy in Buffy the Vampire Slayer) or whether they transcend the season (for example The X-Files).” (S. 6)

Weber und Junklewitz (2008, 23f) geben zu bedenken, dass bei einer solchen Unterscheidung unberücksichtigt bliebe, wie stark die einzelnen Folgen narrativ aufeinander aufbauen. So weise nach dieser Systematisierung X-Files einen höheren Serialitätsgrad auf als Buffy the Vampire Slayer, obwohl bei ersterer Serie der folgenübergreifende Handlungsbogen – die Invasion von Außerirdischen und die Vertuschung selbiger durch die US-Regierung – wenig Relevanz für das Verständnis der einzelnen Episoden habe, während bei letzterer die Folgen narrativ so stark verbunden seien, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer wöchentlich einschalten müssen, um der Geschichte folgen zu können. Sie ergänzen deshalb den Vorschlag von Allrath, Gymnich und Surkamp (2005) um den Aspekt der Fortsetzungsdichte, die zusammen mit der Fortsetzungsreichweite die intraseriale Kohärenz ergibt: „Entsprechend möchten wir bei der intraserialen Kohärenz zwischen zwei Merkmalen differenzieren: Der Fortsetzungsreichweite, die angibt, über welche Distanz sich ein Handlungsbogen erstreckt, und der Fortsetzungsdichte, die das quantitative Verhältnis beschreibt zwischen den Folgen, die fortgesetzt erzählen, und denjenigen, die abgeschlossen sind.“ (Weber & Junklewitz, 2008, 24)

Für Bock (2013, 37) wiederum leitet sich der Serialitätsgrad einer Serie aus der Intensität der Handlungs- und Figurenentwicklung ab. Bei der von ihr vorgeschlagenen Differenzierung fällt also zusätzlich ins Gewicht, wie stark sich der Charakter einzelner Figuren über den Verlauf der Serie hinweg entwickelt. Alle drei vorgestellten Systematisierungen gehen davon aus, dass, bezugnehmend auf das eingangs skizzierte Kontinuum, der Serialitätsgrad in Richtung Fortsetzungsserie zunimmt. Betrachtet man nun die konkrete Verteilung auf dem Kontinuum, stellt man fest, dass es sich bei den meisten Serien um sogenannte Hybridformen handelt (siehe auch Schlütz, 2016, 27). Sie sind nicht eindeutig den Episodenserien zuzuordnen, aber auch nicht klar den

3.2 Fernsehserien

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Fortsetzungsserien. Vielmehr handelt es sich um eine Kombination aus beiden Formen. Bisweilen wird sogar angezweifelt, ob es sowas wie eine reine Episodenserie überhaupt gibt bzw. ob diese jemals existiert hat (z. B. Kozloff, 1992; siehe hierzu auch Kap. 3.2.2.1). Hagedorn (1995) und Kozloff (1992) kamen beide unabhängig voneinander in ihren Analysen zu dem Schluss, dass schon bei den Serien der 1980er Jahre ein Trend zur Serialisierung auszumachen war, den Mittel (2015) für die folgenden zwei Jahrzehnte bestätigt und der mit aktuellen Serien wie Game of Thrones oder House of Cards sicher noch kein Ende gefunden hat. Wenn also im Folgenden die beiden Endpunkte des Kontinuums – Episodenserie und Fortsetzungsserie – näher betrachtet und die für das jeweilige Format typischen Erzählkonventionen herausgearbeitet werden, inklusive der Vor- und Nachteile, die die jeweilige Erzählweise mit sich bringt, dann geschieht dies vor dem Hintergrund, dass einige Serien von ihrer grundlegenden Erzählstruktur her stark episodisch geprägt, andere Formate dagegen stark fortsetzungsorientiert sind. Die in dieser Arbeit aus praktischen Gründen vorgenommene Kapitelunterteilung in Episoden-, Fortsetzungs- und Hybridserien suggeriert dabei eine analytische Trennschärfe, die mit Blick auf obige Ausführungen gar nicht gegeben sein kann. Der fließende Übergang zwischen den einzelnen Formen schlägt sich in dieser Arbeit dahingehend nieder, dass einige serielle Formate im Folgenden bei entweder Episodenserien oder Fortsetzungsserien und bei den Hybridformaten aufgeführt werden. Das Kapitel abschließen wird eine Sonderform seriellen Erzählens, die Anthologie-Serie. 3.2.2.1

Episodenserien

Episodenserien zeichnen sich durch ein konstantes Erzählschema (Ausgangssituation – Störung/Konflikt – Wiederherstellung der Ausgangssituation) aus (Schlütz, 2016, 21; Weber & Junklewitz, 2008, 19). Aufgrund dieser Rückkehr zur Ausgangssituation wird diese Form seriellen Erzählens auch Status Quo-Serie genannt

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3 Serielles Erzählen

(Schleich & Nesselhauf, 2016, 120). Zwar erleben die Figuren innerhalb einer Folge diverse Abenteuer – womit Serien dieses Typus eine hohe „binnenepisodische Handlungsfreude“ (Schleich & Nesselhauf, 2016, 123) aufweisen –, jedoch bleiben diese Ereignisse in aller Regel ohne Konsequenz für die nachfolgenden Episoden. Entsprechend findet auf der Makroebene der Serie wenig bis keinerlei Weiterentwicklung statt (Schleich & Nesselhauf, 2016, 120; Schlütz, 2016, 21). Alles verharrt im Status Quo und jede weitere Folge unterstreicht diesen Eindruck, indem ein um das andere Mal Identisches – dieselben Figuren (zumindest derselbe Hauptcast; Nebenfiguren können alternieren), dieselben Schauplätzen, dieselbe Grundsituation – wiederkehrt (Eco, 1990, 305). Zu den klassischen Episodenserien zählen Zeichentrickserien wie The Simpsons, Family Guy oder South Park, die die sogenannte Reset-Technique auf die Spitze treiben. Obwohl Homer Simpson schon Astronaut, Boxer, Eisverkäufer, Feuerwehrmann usw. war, arbeitet er zu Beginn jeder neuen Folge wieder im Kernkraftwerk von Springfield (Schleich & Nesselhauf, 2016, 122f). In Southpark dagegen stirbt in den ersten fünf Staffeln am Ende fast jeder Episode die Figur Kenny McCormick, nur um in der nächsten Folge wieder quicklebendig zu sein (Schlütz, 2016, 21). Laut Schleich und Nesselhauf (2016, 120f) eignen sich Zeichentrickserien besonders gut für das Status-Quo-Format, weil animierte Serienfiguren weder Alterungsprozessen noch sonstigen physikalischen Regeln unterworfen sind. Wo Schauspielerinnen und Schauspieler im Verlauf der Staffeln nun mal natürlicherweise altern, können Zeichentrickfiguren wie Lisa und Bart Simpson seit 30 Jahren in die Grundschule gehen, ohne dass es (zumindest optisch) unrealistisch wirkt. Auch Sitcoms sind episodisch aufgebaut.18 Nach einer vorübergehenden Störung der Harmonie kehrt die Handlung am Ende der Folge zum Ursprungszustand zurück (Holzer, 1999, 11; Prommer, 2012, 146f). Trotzdem sind Sitcoms nur „Episodense18

Ausnahmen bestätigen die Regel: Sitcoms, die von der für das Genre eigentlich typischen Erzählstruktur etwas abweichen, werden in Kapitel 3.2.2.3 thematisiert.

3.2 Fernsehserien

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rien im weiteren Sinne“ (Schlütz, 2016, 21), da sich im Unterschied zu Zeichentrickserien dauerhafte Veränderungen nicht vermeiden lassen. So wuchsen die Darstellerinnen der kleinen Michelle aus Full House vor den Augen des Publikums vom Baby zum Grundschulkind heran, was sich zwangsweise auch im Drehbuch niederschlug. Den Autorinnen und Autoren von I love Lucy blieb anlässlich der Schwangerschaft der Hauptdarstellerin ebenfalls nichts anderes übrig, als diese in die Serienhandlung miteinzubauen (Kozloff, 1992, 92). Überhaupt weisen Sitcoms immer wieder einzelne kontinuierliche Handlungsstränge auf, wie Kozloff (1992) exemplarisch an der Sitcom Roseanne aufzeigt. Hier zieht sich die Entwicklung der Teenager-Töchter zu jungen Frauen wie ein roter Faden durch das Leben der amerikanischen Arbeiterfamilie Connor und damit auch durch die Serie. Verglichen mit Fortsetzungsserien handelt es sich hierbei jedoch um sehr zaghafte Handlungsfortschreibungen, die eher darauf zurückzuführen sind, dass die Darstellerinnen und Darsteller „signs of aging“ (Thompson, 1996, 21) zeigen, denn auf ein echtes Vorantreiben der Ereignisse. Neben einer insgesamt geringen Handlungsentwicklung auf Makroebene kennzeichnet Sitcoms ein stereotypes, festes Figurenensemble (,die Hübsche‘, ‚die Dumme‘; Holzer, 1999, 23ff). Die Figuren machen von Folge zu Folge dieselben Fehler, ohne daraus etwas für die Zukunft zu lernen (Thompson, 2003, 59), sodass auch auf Figurenebene wenig Serialität zu verzeichnen ist. Krimi-Serien weisen aufgrund ihrer case of the week-Struktur ebenfalls deutliche Merkmale der episodischen Erzählform auf. Weil moderne Krimi-Serien wie The Mentalist oder Castle aber nicht ohne Rahmenhandlung auskommen (bei The Mentalist die Suche nach dem Mörder der Ehefrau und Tochter des Hauptprotagonisten), werden sie in dieser Arbeit den Hybridformaten zugerechnet. Einzig bei älteren Serien wie Derrick oder Der Alte erfahren die Zuschauerinnen und Zuschauer tatsächlich nichts über das Privatleben der Kommissare (Eschke & Bohne, 2010, 140). Somit sind diese den klassischen Episodenserien zuzuordnen.

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3 Serielles Erzählen

Episodisches Erzählen mag aufgrund der ständigen Wiederholung der Grundsituation bisweilen monoton wirken, dennoch bringt diese Form des seriellen Erzählens einige Vorteile mit sich: Zuschauerinnen und Zuschauer wissen bei Episodenserien genau, was sie in der nächsten Folge erwarten wird. Böse Überraschungen oder Enttäuschungen sind damit ausgeschlossen (Schlütz, 2016, 21; Thompson, 1996, 22). Außerdem wird aufgrund der geringen Handlungs- und Figurenentwicklung kein Vorwissen benötigt, sodass auch Personen, die nur gelegentlich zusehen, der Serie inhaltlich folgen können (Hickethier & Hoff, 1998, 235). Dies macht Episodenserien für Fernsehsender und andere Distributoren zu einer attraktiven Erzählform, weil auf diese Weise der potentielle Zuschauerkreis (regelmäßige und unregelmäßige Zuschauerinnen und Zuschauer) groß gehalten wird und damit das wirtschaftliche Risiko klein. Gleichzeitig können episodisch aufgebaute Serien wegen der grundsätzlichen Austauschbarkeit der Folgen in mehr oder weniger beliebiger Reihenfolge rezipiert und gesendet werden (Hickethier, 2003, 401) Schließlich sind Episodenserien auch günstiger in der Produktion, weil immer das gleiche Setting benutzt werden kann und teure Außenaufnahmen in aller Regel vermieden werden (Schlütz, 2016, 21; Thompson, 1996, 22). 3.2.2.2

Fortsetzungsserien

Bei der Beschreibung von Fortsetzungsserien wird oft der Vergleich zu romanhaftem Erzählen gezogen, wobei die einzelnen Folgen das Äquivalent zu Buchkapiteln bilden (siehe u. a. Newcomb, 2004, 423; Schlütz, 2016, 22). Im Gegensatz zu Episodenserien kommt es bei Serien dieses Typus zu keiner Handlungsstagnation auf Makroebene. Stattdessen wird die Handlung mittels story arcs, die sich über mehrere Folgen, eine ganze Staffel, mehrere Staffeln oder gar die ganze Serie spannen können (letzteres wäre dann eine Rahmenhandlung), stetig und kontinuierlich weitergeführt. Schleich und Nesselhauf (2016, 127) sprechen deshalb auch von progressiven seriellen Formaten. Die verschiedenen Hand-

3.2 Fernsehserien

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lungsstränge ziehen sich parallel durch die Serie, sodass die für Fortsetzungsserien typische horizontale Erzählform entsteht (Schlütz, 2016, 22). Während sich bei episodenhaften Serien mit der Rückkehr zur Ausgangssituation am Ende der Folge das über die Episode hinweg aufgebaute Spannungsgefühl der Zuschauerinnen und Zuschauer auflöst, erfolgt bei Fortsetzungsserien selbiges erst mit dem Ansehen der nächsten Folge (Czichon & Schlütz, 2016, 28). Entsprechend wirkt sich Erzählen in Fortsetzung positiv auf die Publikumsbindung aus. Fortsetzungsserien sind aufgrund ihrer Vielzahl an Handlungssträngen, die sich teilweise überlappen, sich in jedem Falle aber über mehrere Folgen erstrecken, per se komplexer als Episodenserien, setzen sie doch die Erinnerung vergangener Serienereignisse beim Publikum voraus. Jedes Verpassen einer Folge führt zu Verständnisschwierigkeiten bei der weiteren Rezeption, denn Fortsetzungsserien erfordern Vorwissen und kontinuierliches Zuschauen (siehe auch Schleich & Nesselhauf, 2016). Dadurch dass jede Folge aufeinander aufbaut, ist das Ansehen in chronologischer Reihenfolge nicht mehr länger optional, sondern nunmehr obligatorisch. Auch der spätere Einstieg in die Serie, wenn bereits die ersten Folgen im Fernsehen ausgestrahlt wurden, wird deutlich erschwert (Weber & Junklewitz, 2008, 20). Dies ist vermutlich ein Grund, warum Fortsetzungsserien wie Damages im deutschen Fernsehen gescheitert sind und Fernsehsender lieber auf klassische Episodenserien und Hybridformen setzen. Um Zuschauerinnen und Zuschauern trotz aller Komplexität den Einstieg in die Serie zu erleichtern bzw. um das Gedächtnis aufzufrischen, arbeiten viele Fortsetzungsserien mit „Previously-on“-Segmenten vor dem Beginn der eigentlichen Folge (siehe auch Schleich & Nesselhauf, 2016, 70). Dabei handelt es sich um eine kurze Zusammenfassung aller bisherigen Ereignisse zu Beginn einer Episode, die für das Verständnis der nachfolgenden Handlung relevant sind. Ein serielles Format, das diese narrative Technik in der Regel zu Beginn jeder Folge einsetzt, sind Seifenopern. Aufgrund der hohen Handlungsentwicklung sind sie eindeutig den Fortsetzungs-

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3 Serielles Erzählen

serien zuzuordnen. Kontinuierlich ergänzen neue Protagonistinnen und Protagonisten das Figurenensemble, wodurch immer wieder neue Beziehungskonstellationen und damit auch neue Konflikte entstehen (Schleich & Nesselhauf, 2016, 127). Auf diese Weise lässt sich die Handlung – zumindest theoretisch – unendlich lang fortsetzen. Entsprechend verwundert es auch nicht, dass unter den Serien, die bereits am längsten im deutschen oder amerikanischen Fernsehen laufen, überwiegend Soaps zu finden sind (z. B. GZSZ, Lindenstraße, General Hospital). Außerdem fallen viele der sogenannten Quality TV-Serien (u. a. Breaking Bad, Damages oder The Wire) in die Kategorie ‚Fortsetzungsserie‘, wobei hier „die einzelnen Episoden nur Teil eines ‚Installments‘ sind und die Hierarchie klar zu Gunsten [des] epischen Handlungsverlaufs geordnet ist“ (Schleich & Nesselhauf, 2016, 130). Im Gegensatz zu Soaps, wo die Gute immer gut und der Böse immer böse bleibt, findet bei Quality TV-Serien zusätzlich zur Handlungs- auch eine Figurenentwicklung statt (siehe auch Kap. 3.3.3.2). Schlütz (2016) und Mikos (1994) zählen ferner Mehrteiler (im Engl. miniseries) zu Serien, die in Fortsetzung erzählt werden. Im Unterschied zu z. B. Soap Operas, bei denen der Plot parallel zur Ausstrahlung weiterentwickelt wird, steht bei Mehrteilern der Handlungsverlauf von Beginn an fest (Schleich & Nesselhauf, 2016, 136). Die Folgen sind von Anfang bis Ende durchkomponiert und zielen auf einen narrativen Abschluss. Mehrteiler sind auf eine Staffel begrenzt, die zudem meist nur wenige Folgen umfasst.19 Sie werden häufig als ‚Eventfernsehen‘ bezeichnet, weil sie

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Nicht selten kommt es jedoch vor, dass aus einem Mehrteiler eine mehrere Staffeln umfassende Fortsetzungsserie wird. Die drei Damen vom Grill und Praxis Bülowbogen waren beispielsweise ursprünglich auf wenige Folgen beschränkt, weil sie aber auf so starke Zuschauerresonanz stießen, wurden sie fortgesetzt (Hickethier, 1991, 8). Selbiges gilt für den ZDF-Dreiteiler Tannbach – Schicksal eine Dorfes (2015): Aufgrund des großen Quotenerfolgs der ersten drei Teile gab das ZDF Tannbach II in Auftrag und erzählt damit die Geschichte des geteilten Dorfes an der bayerisch-thüringischen Grenze weiter (ZDF Presse, 2016). Dies belegt einmal mehr den Warencharakter

3.2 Fernsehserien

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historische Ereignisse wie in Holocaust oder Unsere Mütter, unsere Väter sowie Literaturklassiker wie Pride und Prejudice oder Die Buddenbrooks aufwendig in Szene setzen (siehe auch Creeber, 2004, 6ff). 3.2.2.3

Hybridformen

Viele der heute im Primetime-Fernsehen ausgestrahlten Serien sind Hybridformen (Schlütz, 2016, 25). Da sie neben Handlungssträngen, die innerhalb einer Episode zum Abschluss gebracht werden, auch Handlungsbögen enthalten, die sich über mehrere Episoden oder gar ganze Staffeln erstrecken, hat sich hierfür der Begriff ‚flexi narrative‘ etabliert (Creeber, 2004, 12; Nelson, 1997, 24, 30ff, 2000). Die dadurch entstehende dynamische Erzählstruktur bietet sich besonders bei Krimi-, Anwalts- und Krankenhausserien an, die in jeder Folge einen alternierenden Fall (case of the week oder auch monster of the week) behandeln (Schleich & Nesselhauf, 2016, 134). Typisch für Hybridformen ist dabei folgende inhaltliche und strukturelle Aufteilung: „Diese Sendungen tendieren […] dazu, Episoden- und Fortsetzungsstrukturen bestimmten Genrenormen zuzuordnen: So werden Beziehungsgeschichten wie in Soaps von Folge zu Folge weitergeführt, wohingegen die jeweiligen Polizei- und Medizinfälle normalerweise innerhalb einer Folge abgeschlossen oder als Zweiteiler gereiht werden. Anders als in Soaps stellt die einzelne Folge demnach keinen bloßen Schritt auf einer langen narrativen Reise dar, sondern verfügt über eine einigermaßen klar ausgewiesene Identität.“ (Mittell, 2012, 106)

Für die Folgendramaturgie bedeutet dies: Bezüglich der Gewichtung der einzelnen Handlungsstränge wird sich überwiegend auf Erzählstrang A (z. B. einen Mordfall) konzentriert, der bis zum Ende der Folge abgeschlossen ist. Zusätzlich werden horizontale Nebenhandlungen wie Liebesbeziehungen, persönliche Schicksals von Serien und dass selbst vermeintlich abgeschlossene Erzählungen offen sind in ihrer Narrationsstruktur.

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3 Serielles Erzählen

schläge der Hauptfiguren usw. (Erzählstrang B, C usw.) vorangetrieben, die jedoch – verglichen mit Erzählstrang A – von untergeordneter Bedeutung für den Episodenplot sind (Eschke & Bohne, 2010, 131). Für die Seriendramaturgie sind kontinuierliche Nebenhandlungen dagegen umso wichtiger, bilden sie doch die Rahmenhandlung, die alle Folgen miteinander verbindet. Newcomb (2004) bezeichnet diese Erzählweise, bei der die einzelne Episode für sich stehen kann, aber gleichzeitig immer wieder Verknüpfungen zu vorangegangenen Folgen hergestellt werden, als „cumulative narrative“ (S. 422). Sie ermöglicht den Zuschauerinnen und Zuschauern einen „doppelten Rezeptionsmodus“ (Schlütz, 2016, 27) und erweitert dadurch den Publikumskreis einer Serie: „Regular viewers are rewarded with the pleasure of remembering these references, understanding complexities rising from new character developments, and recognizing the potential for future events and characterizations, whereas single-episode viewers take pleasures in the full completion of a specific plot.” (Newcomb, 2004, 422)

Mit ihrer episodischen Fallstruktur, die ein gelegentliches Verpassen einer Folge erlaubt, und den folgenübergreifenden Handlungsbögen, die das Publikum langfristig an die Serie binden, machen sich Hybridformen die jeweiligen Vorteile der beiden Grundformen seriellen Erzählens zu Nutze (siehe auch Schlütz, 2016, 25). Was bisher ein typisches Erzählmuster für Krimi-, Anwaltsund Arztserien war, gilt dabei zunehmend auch für Sitcoms (Schleich & Nesselhauf, 2016, 135). Serien wie Friends oder How I Met your Mother zeichnen sich neben dem auf eine Folge begrenzten Plot durch eine staffelübergreifende Rahmenhandlung aus, die bewusst vorangetrieben wird (bei Friends die Beziehung zwischen Rachel und Ross oder Monica und Chandler; bei How I Met Your Mother die Frage, wie Ted Mosby die Mutter seiner Kinder kennengelernt hat). Besonders How I Met Your Mother verlässt sich dabei auf das Seriengedächtnis seines Publikums und erzählt einige

3.2 Fernsehserien

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Handlungsstränge, wie den Slap-Deal zwischen Barney und Marshall, in – bisweilen äußert großen – Abständen weiter. 20 Hybride Erzählstrukturen sind jedoch keineswegs per se ein Garant für erfolgreiche Serien, denn es bedarf einiges an Geschick, um die richtige Mischung zwischen episodischem und fortsetzungsorientiertem Erzählen zu finden und diese konsequent beizubehalten (Jacobs, 2001, 434). Besonders die Figurenentwicklung wird dabei zu häufig außer Acht gelassen, denn nur wenige Hybridformate weisen auch hinsichtlich der Charakterzeichnung einen hohen Seralitätsgrad auf (Eschke & Bohne, 2010, 130). Eine Serie, der es gelungen ist, eine Balance zwischen horizontaler und vertikaler Erzählweise herzustellen, ist The Good Wife. Auf der einen Seite wird in jeder Folge ein neuer juristischer Fall verhandelt, auf der anderen Seite dürfen sich die Protagonistinnen und Protagonisten staffelübergreifend weiterentwickeln: Im Falle von Alicia Florrick von einer betrogenen Ehefrau hin zu einer taffen Anwältin und Geschäftsfrau, die sich nicht mehr länger darum schert, was andere von ihr denken oder erwarten; im Falle von Cary Agos vom eingebildeten Karrieristen hin zu einem verlässlichen Freund und Geschäftspartner. Es sind wohl Serien wie diese und hier vor allem deren dynamische Erzählstruktur, die Mittel (2012) meint, wenn er von einem „Gütesiegel narrativer Komplexität“ (S.107) spricht.

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Hintergrund des Slap-Deals, der sich durch die gesamte Serie zieht, war eine Wette in Staffel 2, Folge 9: Robin will nicht verraten, warum sie Shopping Malls hasst. Daraufhin schließen Barney und Marshall eine Wette ab, wobei derjenige, der den richtigen Grund für Robins Aversion errät, dem anderen eine Ohrfeige geben darf. Nachdem beide jeweils fälschlicherweise für einen kurzen Moment dachten, mit ihrer Vermutung richtig gelegen zu haben, erhält Marshall am Ende der Folge das Recht zugesprochen, Barney fünf Mal eine Ohrfeige verpassen zu dürfen. Im Verlauf der Serie löst Marshall dann nach und nach seine fünf Versuche ein.

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3 Serielles Erzählen

3.2.2.4

Anthologie-Serien

Anthologie-Serien, im Deutschen geläufiger unter dem Begriff ‚Reihe‘, sind mehrteilige Erzählungen, die lediglich durch eine gemeinsame Grundidee miteinander verbunden sind (Douglas, 2008, 14; Schleich & Nesselhauf, 2016, 139f; Weber & Junklewitz, 2008, 24f). Die Art und Weise, wie bei Anthologie-Serien über die Einzelfolgen hinweg erzählerische Kontinuität erzeugt wird, kann sich von Reihe zu Reihe unterscheiden (Weber & Junklewitz, 2008, 24): So gibt es Serien, deren einzelne Episoden neben dem gemeinsamen Genre nur durch den Erzähler (z. B. The Twilight Zone), den Starautor bzw. Starregisseur (z. B. Masters of Horror), die Starpersönlichkeit der Hauptdarstellerin (z. B. Geschichten aus dem Leben mit Evelyn Hamann) oder den Star-Moderator (z. B. Alfred Hitchcock Presents) zusammengehalten werden. Andere Reihen wiederum zeichnen sich – zusätzlich zum Genre, das sie verbindet – durch den Einsatz kontinuierlicher Figuren aus. So begrüßt Das Traumschiff zwar jede Folge andere Gäste an Bord und erzählt damit jede Folge andere Schicksale, die Nebenrollen (in Form der Schiffscrew) bleiben aber über alle Episoden hinweg konstant. Auch beim Tatort ändert sich jeden Sonntag das Ermittlerteam, allerdings kehren die einzelnen Kommissarinnen und Kommissare – wenn auch unregelmäßig – immer wieder auf die Bildschirmfläche zurück. Der Tatort stellt unter allen Anthologie-Serien sicher nochmal eine Besonderheit dar, handelt es sich hierbei doch nicht nur um eine Verknüpfung einzelner Folgen, sondern um die Zusammensetzung ganzer Episodenserien zu einer Reihe, die sich einen gemeinsamen Seriennamen und einen Vorspann teilen.21 Allen bisher aufgelisteten Anthologie-Serien ist gemein, dass sie in abgeschlossene Episoden erzählen, d. h. in jeder Folge steht eine andere Geschichte im Mittelpunkt. Darüber hinaus zählen zu Anthologien aber auch solche seriellen Erzählformate, deren Setting und Cast (Figuren und Schauspielerinnen bzw. Schauspieler) 21

Gleiches trifft auch auf die ZDF-Krimireihe Soko zu oder auf die ARDVorabendreihe Heiter bis tödlich.

3.2 Fernsehserien

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sich erst von Staffel zu Staffel verändern, wie es bei True Detective oder American Horror Story der Fall ist (Schleich & Nesselhauf, 2016, 138f). Die erste Staffel von True Detective spielt beispielsweise in Louisiana, USA, wo die von Matthew McConaughey und Woody Harrelson verkörperten Kommissare auf der Suche nach einem Serienmörder sind. Die zweite Staffel mit u. a. Colin Farrell, Rachel McAdams und Vince Vaughn in den Hauptrollen handelt dann vom organisierten Verbrechen in Kalifornien. Innerhalb der einzelnen Staffeln wird in Fortsetzung erzählt und mit dem Ende der Staffel findet auch die erzählte Geschichte einen narrativen Abschluss. Nicht zwangsweise zu Reihen gezählt werden in dieser Arbeit all die seriellen Formate, die im deutschen Fernsehprogramm auch als solche betitelt werden. Laut Weber und Junklewitz (2008, 22) werden in der deutschen Produktionspraxis alle Serien mit einer Folgenlänge von 90 Minuten als ‚Reihe‘ bezeichnet. Damit würden auch Serien wie Ein starkes Team oder Bella Block als Anthologien gelten, bei denen es sich jedoch nur um einfache Episodenserien handelt, denn Cast und Setting bleiben von Folge zu Folge gleich, lediglich der ‚Fall‘ ändert sich von Mal zu Mal. Weber und Junklewitz (2008, 22) differenzieren deswegen zwischen Objekt- und Metasprache, wobei erstere die medienpraktische Terminologie darstellt und letztere die wissenschaftliche Verwendung des Begriffs. Reihen haben den Vorteil, dass kein Vorwissen vorausgesetzt wird, womit eine unregelmäßige und non-chronologische Rezeption möglich ist. Im Falle von True Detective kann „jede Staffel quasi als selbstständige ‚Serie‘ verstanden werden“ (Schleich & Nesselhauf, 2016, 140), sodass die beiden Staffeln unabhängig voneinander rezipiert werden können. Diese Flexibilität geht jedoch auf Kosten der Erwartbarkeit: Anthologie-Serien sind für Zuschauerinnen und Zuschauer weit weniger ausrechenbar als Episodenserien. Dies führt dazu, dass die Publikumsbindung von einer Folge bzw. Staffel zur nächsten stark schwanken kann, was wiederum ein größeres wirtschaftliches Risiko für die Programm-

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3 Serielles Erzählen

verantwortlichen mit sich bringt (Schlütz, 2016, 24). Während die erste Staffel von True Detective als großer Erfolg verbucht wurde, blieb die zweite Staffel hinter den Erwartungen zurück (Schleich & Nesselhauf, 2016, 141). Auch der Tatort weist von Ermittlerteam zu Ermittlerteam ganz unterschiedliche Zuschauerquoten auf (Schlütz, 2016, 24): Spitzenreiter ist das Duo aus Münster, während das Erfurter Team aufgrund schlechter Kritiken und Zuschauerzahlen schnell wieder vom Bildschirm verschwand. 3.3

Quality TV

Aus Kapitel 3.2 wissen wir, dass sich serielles Erzählen durch eine offene Narrationsstruktur auszeichnet. Entsprechend ist es nicht weiter verwunderlich, dass Serien zum Weitersehen animieren. Allerdings, so wird dieses Kapitel zeigen, gibt es eine spezielle Form seriellen Erzählens, welche das Bedürfnis, unmittelbar weiterzusehen, nochmals intensivieren kann: das Quality TV. Serien als qualitativ wertvoll zu bezeichnen, galt lange Zeit als abwegig, schließlich heftete ihnen das Image an, trivial zu sein (siehe Kap. 3.1). Zwar litt serielles Erzählen noch nie unter mangelnder Beliebtheit – Serien waren schon immer Quotengaranten (Czichon & Schlütz, 2016, 14) –, doch als „Distinktionsunterhaltung“ (Dellwing & Harbusch, 2015, 9) dienten sie zunächst nicht. Erst vereinzelt in den 1970er und 1980er Jahren sowie endgültig mit den 1990er Jahren änderte sich diese Sichtweise. Plötzlich war allerorts – im Feuilleton-Teil von Zeitungen, unter Kunstschaffenden, bei Serienfans – von einer neuen Serienform die Rede: dem Quality TV (Nelson, 2014; Newman & Levine, 2012). Dabei ist es wichtig zu betonen, dass Quality TV kein Label ist, das sich auf das Fernsehprogramm allgemein bezieht. Es handelt sich vielmehr um einen „Oberbegriff für anspruchsvolle [überwiegend; Anmerk. M. C.] US-amerikanische Serien, die tabuisierte oder moralisch relevante Themen behandeln. Sie bedienen sich dafür komplexer, romanartiger Erzählungen, die über den Rezeptionsakt hinaus Wirkung entfalten. Ihr Kunstanspruch wird durch ästhetische Ansprüche

3.3 Quality TV

71

und den Bezug zum Auteur verdeutlicht.“ (Schlütz, 2016, 68; Herv. i. O.)

Die Zuschreibung, was qualitativ hochwertig ist und was nicht, ist dabei in Teilen Sache des persönlichen Geschmacks (Schlütz, 2016, 68), denn Unterhaltungsqualität, so Schlütz (2016, 56), besteht aus zwei Komponenten: werkimmanente Kriterien und Publikumszuweisungen. Trotz dieser teilweise subjektiven Qualitätsbewertung herrscht in der (medienwissenschaftlichen) Literatur Einigkeit über prototypische Exemplare des Formats (Schlütz, 2016, 69): Immer wieder genannt werden Serien wie Hill Street Blues, ER, The Wire, Mad Men, Breaking Bad oder The Sopranos (z. B. Bignell, 2013; Martin, 2013; Mittell, 2015; Rothemund, 2013). Was Quality TV genau ausmacht, damit wollen wir uns nun im Folgenden befassen. Einmal mehr wird dabei deutlich werden, dass mit Serien zuallererst Geld verdient werden soll. In Anlehnung an Schlütz (2016) wird zunächst auf die Begriffsgenese eingegangen und erklärt, wie sich Quality TV von anderen Begriffen abgrenzt. Anschließend werden die strukturellen Gründe herausgearbeitet, die zu einem Paradigmenwechsel im amerikanischen Fernsehen führten und Quality TV zu einer festen Größe im Programm machten. Zum Abschluss werden die werkimmanenten Charakteristika beschrieben, die das Phänomen ‚Quality TV‘ inhaltlich auszeichnen und welche die kumulierte Rezeptionsweise besonders begünstigen und lohnenswert machen. 3.3.1

Begriffsgenese und -abgrenzung

Mit seiner Monographie Television‘s Second Age: From Hill Street Blues to ER machte Thompson (1996) den Begriff ‚Quality TV‘ zu einem feststehenden medienwissenschaftlichen Ausdruck (Blanchet, 2011, 43f; Schlütz, 2016, 71).22 Obwohl seine Überlegungen mittlerweile rund 20 Jahre alt sind und ihnen andere Serien zugrunde 22

Tatsächlich in den medienwissenschaftlichen Diskurs eingebracht hat ihn Feuer (1984b), auf die sich Thompson (1996) deshalb in seinem Werk auch immer wieder bezieht.

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3 Serielles Erzählen

lagen als jene, die heutzutage im Zentrum der Quality TVDiskussion stehen, prägt er bis heute die Debatte um serielle Qualität (siehe u. a. Blanchet, 2011; Schleich & Nesselhauf, 2016; Schlütz, 2016). Thompson (1996) selbst verortet den Ursprung der Bezeichnung in den USA der 1970er Jahre, als Fernsehkritikerinnen und -kritiker diese verwendeten, um damit ein neues, innovatives Fernsehprogramm hervorzuheben, „that they thought was better, more sophisticated, and more artistic than the usual network fare“ (S. 12). Darunter fielen z. B. die Sitcom Mary Tyler Moore Show, die entgegen der damals üblichen Fernsehpraxis nicht vom heimeligen Familienleben handelte, sondern das Berufsleben einer Single-Frau in den Mittelpunkt rückte; oder die Sitcom M*A*S*H, die von einem Militärärzteteam, das im Koreakrieg im Einsatz ist, erzählte (Thompson, 1996, 28f). War es zunächst lediglich ein Label, mit dem Kritikerinnen und Kritiker ungewöhnlich gute Serien versahen und das nicht genauer definiert war, entwickelte sich daraus für Thompson (1996, 13) in den 1980er Jahren ein eigenes Seriengenre. Ausgehend von Serien wie Hill Street Blues, St. Elsewhere und ER formulierte er zwölf Kriterien, die aus seiner Sicht Quality TV auszeichnen (siehe auch Blanchet, 2011; Schleich & Nesselhauf, 2016; Schlütz, 2016) und die in Tabelle 1 aufgelistet sind. Andere Autorinnen und Autoren betonen zudem die über die reine Rezeptionssituation hinausgehende Wirkung, die von Quality TV ausgeht: Serien wie The Sopranos oder Breaking Bad lösten beispielsweise damals einen regelrechten „water-cooler buzz“ (Epstein, Reeves, & Rogers, 2006, 18) aus. Diese für Quality TV typische hohe Anschlusskommunikation ist ferner auch darauf zurückzuführen, dass Serien diesen Labels ein besonderer kultureller Status zugeschrieben wird (Newman & Levine, 2012; Schlütz, 2016) – sie sind eben nicht normales Fernsehen, sondern ein „gesellschaftlich akzeptierter Indikator guten Geschmacks“ (Czichon & Schlütz, 2016, 14). Entsprechend hat Quality TV immer auch einen symbolischen Nutzen, und hier zuallererst den, sich von anderen zu distinguieren (Schlütz, 2016, 141).

3.3 Quality TV

73

Neben dem von Thompson (1996) geprägten Terminus ‚Quality TV‘ wird der medienwissenschaftliche Diskurs um serielle Qualität zunehmend unter Verwendung neuer, aber semantisch ähnlicher Begriffe geführt (siehe auch Schleich & Nesselhauf, 2016, 90f): Dreher (2010) spricht beispielsweise von „Autorenserien“, Mittell (2006, 2012, 2015) führte den Begriff „Complex TV“ ein und Nelson (2007, 2014) verwendet hierfür den Begriff „‘high-end‘ TV Drama“. Vor allem letztere Bezeichnung legt nahe, dass serielle Comedy-Formate nicht unter Quality TV fallen. Feuer merkte hierzu schon 1984 an: „[F]rom the standpoint of Quality TV the charge leveled against stereotyped characters has always been that they lack psychological realism and the potential for identification from the ‘quality’ audience. The sitcom remains forever on the far side of quality for this reason, since a certain amount of stereotyping is necessary to get laughs.” (Feuer, 1984b, 37)

Entsprechend werden Sitcoms in den nachfolgenden Kapiteln nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen, wobei nicht ausgeschlossen werden soll, dass einige der von Thompson (1996) aufgeführten Kriterien auch auf Serien wie The Big Bang Theory oder How I Met Your Mother zutreffen. Ebenfalls oft im Zusammenhang mit Quality TV diskutiert wird der Begriff Cult TV (Hills, 2004; Schlütz, 2016, 71f). Kultfernsehen entsteht immer dann, wenn sich hochmotivierte Fans eine Serie dahingehend aneignen, dass sie deren Inhalte transformieren (Schlütz, 2016, 72). Sie werden also zu sogenannten Prosumern, d. h. einerseits konsumieren sie ganz normal die Inhalte, wie jeder andere Zuschauer auch. Zusätzlich werden sie jedoch zu Produzenten und erstellen fan fiction bzw. fan art: Dabei werden die Protagonistinnen und Protagonisten aus der Lieblingsserie in einen neuen (literarischen) Kontext gerückt (siehe auch Jenkins, 1992). Schlütz (2016, 71f) bezeichnet Cult TV als extremste Ausprägung von Quality TV, was so viel bedeutet wie: Quality TV und Cult TV können miteinander einhergehen, müssen aber nicht.

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3 Serielles Erzählen

Tab. 1: Quality TV-Kriterien nach Thompson, 1996 Nr.

Merkmal 1.

Quality TV lässt sich am besten damit beschreiben, was es nicht ist: Es ist kein normales Fernsehen. Es bricht mit Regeln und Konventionen.

2.

Quality TV wird von Künstlerinnen und Künstlern gemacht, die sich schon in anderen Branchen (z. B. Film oder Buch) einen Ruf erarbeitet haben.

3.

Quality TV zieht ein gebildetes, eher junges Publikum an.

4.

Quality TV weist nicht die höchsten Zuschauerquoten auf, weshalb Serien dieser Art gegen kommerzielle Bedenken der Sender ankämpfen müssen.

5.

Quality TV-Serien verfügen über ein großes Figurenensemble, was es ihnen ermöglicht, mehrere Plotlines zu bedienen und so unterschiedliche Perspektiven aufzuzeigen.

6.

Quality TV hat ein Gedächtnis, d. h. es werden immer wieder Referenzen zu vergangenen Ereignissen der Serie hergestellt und die Figuren entwickeln sich weiter.

7.

Quality TV bringt neue Genres hervor, indem bereits etablierte Genres miteinander kombiniert werden.

8.

Quality TV ist komplex geschrieben und erinnert damit an Literatur.

9.

Quality TV ist selbst-reflexiv, d. h. es verweist auf sich selbst als ein Produkt des Fernsehens, um sich damit vom ‚normalen‘ Fernsehprogramm abzuheben.

10.

Quality TV behandelt kontroverse Themen (z. B. Homosexualität, Rassismus, Religion) und nimmt dabei einen liberalen Standpunkt ein („Quality TV is liberal TV“ (Feuer, 1984b, 56 zit. nach Thompson, 1996, 15))

11.

Quality TV will ‚realistisch‘ sein.

12.

Quality TV-Serien sind Feuilleton-Lieblinge und werden mit zahlreichen Preisen wie den Emmy-Awards ausgezeichnet.

3.3 Quality TV

3.3.2

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Historische Entwicklung des Quality TV

Obwohl Serien wie The Wire oder Breaking Bad das Werk von Kunstschaffenden sind (siehe Thompsons Kriterium Nr. 2), wäre es zu kurz gegriffen, Quality TV ausschließlich als das Ergebnis eines kreativen Schaffensprozesses zu verstehen. Vielmehr ist es auch auf technische, rechtliche und politische Änderungen im USamerikanischen Fernsehsystem zurückführen, dass qualitativ hochwertige serielle Unterhaltung heutzutage kein Randphänomen mehr ist (Schlütz, 2016, 73ff). Historisch betrachtet hat sich in den letzten Jahrzehnten ein tiefgreifender Strukturwandel auf dem USamerikanischen Fernsehmarkt vollzogen, der sich auf die gesamte Wertschöpfungskette von Fernsehinhalten ausgewirkt und als Folge Quality TV begünstigt hat (Schlütz, 2016, 75f).23 Sowohl was die Finanzierung, Produktion, Distribution und das Marketing angeht, als auch, was die Nutzung und Rezeption betrifft, sind deutliche Veränderungen im Zeitverlauf zu erkennen. Ausgehend von diesen Beobachtungen identifiziert Schlütz (2016, 75ff) vier verschiedene Phasen des US-Fernsehmarkts: (I) (II) (III) (IV)

23

die Ära des massentauglichen Network-Fernsehens (ca. 1948–1975), die Epoche des Zielgruppenfernsehens (ca. 1975– 1995), das Zeitalter von First-Order-Relations und Branding (ca. 1990–2010), Fernsehen im Zeitalter der Konvergenz (ab 2010).

Dagegen haben in Deutschland, wo ein völlig anderes Fernsehsystem greift, qualitativ hochwertige Serien bisher eher einen schweren Stand. Serien wie Im Angesicht des Verbrechens oder Deutschland 83 sind quotentechnisch gefloppt; auch The Sopranos war kein Erfolg im deutschen Fernsehen (Dreher, 2014; Schleich & Nesselhauf, 2016, 52ff). Das soll nicht heißen, dass es Quality TV in Deutschland nicht gibt. Serien wie Im Angesicht des Verbrechens, Weißensee, Deutschland 83 oder jüngst Babylon Berlin beweisen ja das Gegenteil, doch sind Serien diesen Formats immer noch die Ausnahme und enttäuschen meist wirtschaftlich.

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3 Serielles Erzählen

Ähnlich argumentieren auch Nelson (2014), Lotz (2007, 2014), Bock (2013) sowie Rogers, Epstein und Reeves (2002), wobei bei ihnen jeweils Phase IV fehlt. Mit der Einteilung in vier Phasen wird im Folgenden ein linearer Anstieg des Quality TV im US-Fernsehprogramm nachgezeichnet. Keineswegs soll damit aber behauptet werden, dass qualitativ hochwertige Unterhaltung ausschließlich ein Phänomen der heutigen Zeit ist. Vielmehr gilt: „Zu jeder Zeit existierten aufwändigere, komplexere und weniger fordernde Fernsehinhalte parallel und wurden bzw. werden – häufig von denselben Personen – genutzt“ (Schlütz, 2016, 75). Aber erst mit Phase III wird Quality TV prägend für eine ganze Fernsehepoche und zu einem klaren Wettbewerbsvorteil im Kampf um Zuschauerinnen und Zuschauer. Bevor mit der Vorstellung der einzelnen Phasen begonnen wird, sei noch auf eine Besonderheit des amerikanischen Broadcasting-Systems hingewiesen: Die Distribution des frei zu empfangenden Fernsehprogramms ist in den USA auf drei Akteure aufgeteilt: Networks, lokale Fernsehstationen und Syndikatoren (Mittell, 2010, 25). Während in Deutschland nahezu alle Fernsehsender und deren Programm landesweit und rund um die Uhr zu empfangen sind, setzt sich das Broadcasting-System in den USA im Wesentlichen aus lokalen Fernsehstationen zusammen, die ihre Inhalte nur innerhalb eines kleinen regionalen Radius ausstrahlen (Schlütz, 2016, 78f). Hinzu kommen vier große Network-Sender, die verantwortlich sind für aufwändige Produktionen wie z. B. Fernsehfilme und Serien und deren Programm aufgrund rechtlicher Bestimmungen auf wenige Stunden beschränkt ist.24 Die Lokalstationen gehören entweder zu einem der landesweit operierenden Networks (dann handelt es sich um owned-and-operated stations, abgekürzt O&Os) oder sie agieren unabhängig davon und schließen sich nur vorübergehend als affiliates einem Network an (Schlütz, 2016, 78f). 24

1970 wurde die Prime Time Access Rule eingeführt. In der Verordnung wurde festgelegt, dass die Networks nur drei Stunden Primetime-Programm pro Tag senden dürfen, um lokalen Fernsehproduktionen mehr Raum im Fernsehprogramm zu geben (Bock, 2013, 25).

3.3 Quality TV

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Neben günstigen Eigenproduktionen (z. B. Lokalnachrichten, Stadtmagazine) senden die O&Os bzw. affiliates zu ausgewählten Tageszeiten und in der abendlichen Primetime NetworkProgramm. Zusätzlich erwerben sie zu verhältnismäßig günstigen Konditionen Lizenzprodukte bei anderen Filmstudios. Dieser Vorgang wird Syndizierung (syndication) genannt, wobei zwischen first-run-syndication und off-network-syndication unterschieden wird (Schlütz, 2016, 79). Bei ersterem werden die Inhalte ausschließlich für Lokalstationen hergestellt (z. B. die Syndizierungshits Star Trek und Baywatch), bei der anderen Syndizierungsform ist das Programm zuvor schon bei den Network-Sendern ausgestrahlt worden. Sollte letzteres der Fall sein, erhalten die lokalen Fernsehstationen nur noch Wiederholungsrechte, d. h. die erworbenen Inhalte werden bei den Lokalstationen lediglich als rerun ausgestrahlt. Die Syndizierung ist eine wichtige Re-Finanzierungsquelle für Produktionsfirmen, denn zunächst ist bei neuen Serien eine DefizitFinanzierung üblich (Schlütz, 2016, 78). Dies bedeutet, dass die Networks zwar eine Lizenzgebühr für die ein- oder mehrmalige Ausstrahlung eines Produkts bezahlen, sie deckt aber längst nicht alle Kosten. Um Gewinne zu erwirtschaften, vermarkten die Filmstudios die Serien in Form von reruns weiter an lokale Fernsehstationen, Kabelsender oder – heutzutage – VoD-Anbieter. 3.3.2.1

Phase I: Network-Fernsehen für die Massen

Zwar zog Ende der 1940er, Anfang der 1950er Jahre mit dem Fernsehgerät eine neue Technik in die amerikanischen Wohnzimmer ein, doch sonderlich innovative Unterhaltungsformate brachte das neue Medium anfänglich nicht hervor. Drei Fernseh-Networks – die American Broadcasting Company (ABC), das Columbia Broadcasting System (CBS) und die National Broadcasting Company (NBC), FOX kam erst in Phase II dazu –, prägten die erste Ära des USamerikanischen Fernsehens (ca. 1948–1975). Zusammen kamen sie auf einen Marktanteil von rund 90 Prozent, was sich bis weit in die 1970er Jahre hinein nicht ändern sollte (Mittell, 2015, 25; Schlütz,

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3 Serielles Erzählen

2016, 77). Die Networks setzten zunächst auf altbekannte Inhalte und bedienten sich dabei großzügig bei anderen Medien: „Like a poor relative, television drama borrowed from art, literature, theatre, film, and radio to form an eclectic entertainment, information, and eventually, advertising medium” (Hawes, 1986, 2). Entsprechend dominierten zu Beginn aus dem Radio bekannte Formate wie Soap Operas, Quizshows, Sitcoms und Musical Varieté Shows25 sowie Fernsehadaptionen von Broadway-Stücken, Kinofilmen oder Literaturklassikern das Fernsehprogramm. Gegen Ende des Jahrzehnts kamen dann noch Western- und Familienserien hinzu. Trotz dieser vermeintlichen Einfallslosigkeit gingen die 1950er Jahre als erstes Golden Age of TV in die Fernsehgeschichte ein (siehe u. a. Bachem, 1995; Thompson, 1996). Dies hatte laut Thompson (1996, 21) ganz wesentlich mit den damals populären Anthologie-Serien (z. B. Kraft Television Theater, Robert Montgomery Presents oder Goodyear TV Playhouse) zu tun. Im wöchentlichen Rhythmus wurden Fernsehadaptionen von bekannten DramaStücken oder eigens für das Fernsehen konzipierte dramatische single plays ausgestrahlt, die unter Kritikerinnen und Kritikern großen Zuspruch fanden.26 Dass die Anthologien meist schon im Titel den Namen ihres Sponsors trugen, verdeutlicht dabei einmal mehr die enge Beziehung zwischen US-amerikanischem Fernsehen und der Werbeindustrie. So war es in den Anfangsjahren üblich, dass Fernsehinhalte (z. B. Soap Operas oder Quizshows) von Werbeagenturen produziert wurden, die die werbetreibende Wirtschaft dann den Networks zur Verfügung stellte (Bock, 2013, 49). Erst mit dem Quizshow-Skandal Ende der 1950er Jahre27 setzte eine klare Tren-

25 26

27

Die Fernseh-Networks gingen teilweise aus Radio-Networks hervor, sodass der Rückgriff auf Radio-Inhalte naheliegend war (Bock, 2013, 22). Auch wenn unter Kritikerinnen und Kritikern beliebt, die erfolgreichsten Sendungen beim amerikanischen Publikum der 1950er Jahre waren Westernserien und die Sitcom I love Lucy (Thompson, 1996, 22). 1958 wurde bekannt, dass bei vielen Quizshows der Sieger bzw. die Siegerin von vorneherein feststand. Den entsprechenden Kandidatinnen und Kandidaten wurden die korrekten Antworten vorab mitgeteilt. Ende der 1950er

3.3 Quality TV

79

nung zwischen Werbung und Fernsehinhalt ein, was eine tiefgreifende Umstrukturierung der Werbung zur Folge hatte (Bock, 2013, 49f; Thompson, 1996, 23f). Von nun an beschränkten sich die Werbemaßnahmen der Konsumgüterwirtschaft auf kurze Werbespots, deren Sendezeit sie sich bei den drei Networks teuer erkauften. Dies führte im Umkehrschluss dazu, dass die Einschaltquote die neue, alles entscheidende Währung im amerikanischen Fernsehen wurde (Bachem, 1995, 24; Thompson, 1996, 24). Die finanzielle Abhängigkeit der Networks von Werbeeinnahmen blieb nicht folgenlos für die Zielvorgaben an das ausgestrahlte Programm: Fernsehinhalte, die langfristig eine Einschaltquote von unter 30 Prozent generierten, galten als gescheitert und wurden schnell abgesetzt (Thompson, 1996, 40). Um solche Ausfälle zu vermeiden und stattdessen möglichst viele Zuschauerinnen und Zuschauer für sich zu gewinnen, setzten ABC, CBS und NBC auf die sogenannte LOP-Strategie („least objectionable programming“)28. Das Ergebnis war ein ‚weichgespültes‘ Fernsehprogramm für den Massengeschmack, das, so Schlütz (2016, 78), lediglich den kleinsten gemeinsamen Nenner bediente. Gutes Fernsehen war aus Sicht der Senderverantwortlichen alles, was hohe Einschaltquoten erzielte, womit sie „Qualität […] ausschließlich im Sinne von Popularität verstanden“ (Schlütz, 2016, 78). Berühmt wurde in diesem Zusammenhang die wenig schmeichelnde Zustandsbeschreibung des amerikanischen Fernsehens Anfang der 1960er Jahre als ‚vast wasteland‘ durch den gerade neu ernannten Vorsitzenden der Federal Communiations Commission (FCC)29, Newton Midow. In seiner viel  Jahre fiel der Betrug auf, was gleichzeitig das Ende für viele QuizshowProduktionsteams bedeutete (Fellow, 2013, 281ff). 28 Diese Strategie geht auf Paul Klein, den ehemaligen Vize-Programmchef von NBC, zurück. Er war der Ansicht, dass Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Programmentscheidung nicht danach treffen, was ihnen am besten gefällt, sondern er ging davon aus, dass sie Fernsehinhalte danach auswählen, wogegen sie die geringste Abneigung hegen (Thompson, 1996, 38f). 29 Die FCC ist eine dem US-Kongress unterstellte Bundesbehörde und kontrolliert das privatwirtschaftlich organisierte, amerikanische BroadcastingSystem. Sie hat den Auftrag, die Wahrung des Gemeinwohls sicherzustellen. Die FCC vergibt und erneuert Lizenzen für lokale Rundfunkstationen,

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3 Serielles Erzählen

zitierten Rede vor amerikanischen Broadcastern im Jahr 1961 forderte er selbige auf, sich einmal einen ganzen Tag lang ihr eigenes Programm anzusehen (Thompson, 1996, 25). Zu sehen bekämen sie dann folgendes: „You will see a procession of game shows, violence, audience participation shows, formula comedies about totally unbelievable families, blood and thunder, mayhem, violence, sadism, murder, Western bad men, Western good men, private eyes, gangsters, more violence and cartoons. And, endlessly, commercials – many screaming, cajoling and offending. And most of all boredom. True, you will see a few things you enjoy. But they will be very, very few.” (Midow zit. nach Thompson, 1996, 25)

Als Reaktion auf diese Kritik entstanden sogenannte New Frontier Sitcoms und Dramas30 wie The Dick Van Dyke Show und The Defender, die sowohl beim Publikum als auch bei den Kritikerinnen und Kritikern beliebt waren (Thompson, 1996, 26ff). Die erfolgreichste Serie dieser Dekade wurde aber einmal mehr mit The Beverly Hillbillies eine recht durchschnittliche Sitcom. Anfang der 1970 startete CBS dann eine Comedy-Offensive mit hochgelobten Formaten wie M*A*S*H* und The Mary Tayler Moore Show, die weder ein – wie bisher üblich – ländliches Setting aufwiesen noch die amerikanische Kernfamilie als Protagonisten hatten (Thompson, 1996, 28). Durch diese Änderungen sollten vermehrt jüngere, höher gebildete Zuschauerinnen und Zuschauer angelockt werden, die für die werbetreibende Wirtschaft besonders interessant waren (Feuer, 1984a, 3f). Damit läutete CBS den Beginn einer neuen Fernsehepoche ein, in der das Programm nicht mehr so stark auf das Massenpublikum  30

sie fällt rechtlich verbindliche Entscheidungen und erlässt Verordnungen (Bachem, 1995, 62). US-Präsident John F. Kennedy prägte den Begriff ‚new frontier‘, als er 1960 seine Nominierungsrede vor der Democratic National Convention hielt. Darin beschrieb er ein Amerika, das mit dem neuen Jahrzehnt vor neuen Herausforderungen bzw. neuen Grenzen stehe, die es zu überwinden gelte (u. a. in der Wissenschaft und in Fragen der sozialen Gerechtigkeit sowie was den Weltfrieden anbelangt). Bezogen auf Serien, beschreibt der Begriff serielle Formate, die neue innovative Wege eingeschlagen und damit vormals geltende Grenzen überschritten haben.

3.3 Quality TV

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ausgerichtet war, sondern bestimmte demographische Zielgruppen stärker in den Fokus rückten. 3.3.2.2

Phase II: Konkurrenz und Zielgruppen-Fernsehen

Während sich also die erste Fernsehära durch ein massenkonformes TV-Programm auszeichnete, setzte in der zweiten Phase (ca. 1975–1995) die Fragmentierung des Fernsehpublikums ein (Schlütz, 2016, 80). Zuschauerinnen und Zuschauer hatten eine deutlich größere Auswahl an Sendern zur Verfügung und Nischenfernsehen mit Kultprogrammen wie Hill Street Blues und später XFiles entstand. Die steigende Konkurrenz auf dem Fernsehmarkt führte zu Qualitätsoffensiven im Fernsehprogramm, womit besonders die werberelevante Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren erreicht werden sollte. Dieses Publikumssegment machte nicht zwangsweise die Mehrheit aus, aber u. a. wegen ihrer hohen Kaufkraft war sie – und ist es immer noch – sehr attraktiv für die werbetreibende Wirtschaft (Schlütz, 2016, 81). Besondere Innovationskraft ging laut Thompson (1996) dabei immer von dem Network aus, das sich im Kampf um die Marktplatzierung auf Platz 3 wiederfand: „Being in the third place has proved to be a powerful catalyst for the quality drama ever since” (S. 44). Da eine Verschlechterung nicht mehr zu befürchten war, aber eine Positionsverbesserung zu hoffen bestand, zeigte man sich eher gewillt, etwas zu riskieren und innovativen Formaten Zeit zur Entfaltung zu geben (Thompson, 1996, 44). So gestaltete NBC Anfang der 1980er Jahre – damals eben auf Position 3 gelegen – den Donnerstagabend radikal um und nahm Qualitätsserien wie Fame, Hill Street Blues und St. Elsewhere ins Programm auf. Gemäß Thompson (1996) war dies der Beginn des Second Golden Age of TV. Beworben wurde diese Maßnahme als „best night of television on television“ (Thompson, 1996, 39), womit ‚Yuppies‘ angelockt werden sollten – eine Zielgruppe, für die die werbetreibende Wirtschaft besonders viel Geld zahlte. Massen waren auf diese Weise nicht zu erreichen, entsprechend kam St. Elsewhere auch nur

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3 Serielles Erzählen

auf einen jährlichen Marktanteil zwischen 19 und 22 Prozent – Werte, die in der ersten Fernsehepoche zur Absetzung geführt hätten (Thompson, 1996, 39f). Die neue Strategie lautete also „class appeal“ anstatt „mass appeal“ (Thompson, 1996, 38), wobei ersteres nur durch qualitativ hochwertige Unterhaltung zu erreichen war. Ganz ähnlich verfuhr auch der vierte große NetworkSender Fox, der 1986 den US-Fernsehmarkt betrat. Um im hart umkämpften Wettbewerb bestehen zu können, zielte Fox bewusst auf eine spezifische Zielgruppe (die ‚Generation X‘) ab und betrieb damit eher „narrowcasting“ als „broadcasting“ (Fink, 2016, 30). Mit Serien wie The Simpsons, die 1989 auf Sendung ging, gelang es Fox, sich als junger, hipper Sender zu inszenieren und sich dadurch von den drei etablierten Networks abzuheben (Fink, 2016, 30ff). Doch nicht nur das neue Network sorgte dafür, dass ABC, CBS und NBC zunehmend unter Druck gerieten und ihr gemeinsamer Marktanteil Ende der 1980er Jahre auf 67 Prozent geschrumpft war (Thompson, 1996, 36). Durch das Aufkommen neuer Kabel- und Satellitensender fing die Dominanz der ‚Big Three‘ bereits in den 1970er Jahren zu bröckeln an (Schlütz, 2016, 81). Zwar gab es schon seit Ende der 1940 Jahre Kabelfernsehen in den USA, doch erst die Übertragung von Fernsehinhalten per Satellit – und damit der landesweite Empfang – verhalf den Kabelsendern zum Durchbruch (Bock, 2013, 24). Als das fünf Jahre zuvor gegründete Home Box Office (HBO) 1977 erfolgreich gegen die stark einschränkenden cable rules klagte, stand der Expansion von Pay-TV-Sendern endgültig nichts mehr im Wege (Bock, 2013, 24). Auch wenn HBO heutzutage in erster Linie mit qualitativ hochwertigen Serien in Verbindung gebracht wird (siehe Phase III), so waren es in Phase II vor allem die exklusiven Fernsehpremieren von Hollywood-Blockbustern, die das zahlungswillige Publikum anlockten (Blanchet, 2011, 38; Thompson, 1996, 38). Trotzdem wirkten sich die Kabelsender schon in Phase II positiv auf die Entwicklung hochwertiger, serieller Unterhaltung aus, denn die Networks mussten nun ihrerseits reagieren, um nicht zu viele Zuschauerinnen und Zuschauer zu verlieren. Ihre Antwort bestand in

3.3 Quality TV

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einem „new type of programming“: Serien wie Hill Street Blues waren „literaly, visually dense, and filled with language that sounded more like the movies than television” (Thompson, 1996, 38). Damit ging auch die Abkehr von klassischen Episodenserien und die zunehmende Etablierung von serials bzw. Hybridformen in der Primetime einher (Thompson, 1996, 31ff). Neben der Lockerung der strengen cable rules ließ sich der zu beobachtende Innovationsschub noch auf eine weitere rechtliche Entscheidung zurückführen: 1971 verabschiedete die FCC die Financial Interest and Syndication Rules, womit es den Networks fortan verboten war, Sendungen, die sie extern produzieren ließen, wiederzuverwerten (rerun und syndication) (Bock, 2013, 25). Die FCC wollte damit erreichen, dass der Produktionsprozess kreativer und das Fernsehprogramm vielfältiger wird (Bock, 2013, 26). Als Konsequenz aus dieser Entscheidung konnten sich kleine, unabhängige Produktionsgesellschaften wie MTM Enterprise (Erfinder u. a. von The Mary Tayler Moore Show und Hill Street Blues) im Serienmarkt etablieren (Schlütz, 2016, 84), denn die Network-eigene Serienproduktion war ohne das Recht auf Zweitverwertung wirtschaftlich unrentabel geworden (Bock, 2013, 25f). Mitunter als „the modern cradle of quality television“ (Martin, 2013, 171) beschrieben und ohne das es laut Thompson (1996, 46) kein Second Golden Age of TV gegeben hätte, begründete MTM Enterprise die Ära der writerproducer und etablierte die Rolle des auteurs (Schlütz, 2016, 84). Kreativen wie dem Autor Stephen Bochco (u. a. Hill Street Blues) wurden von den Produzentinnen und Produzenten alle Freiheiten im Schaffensprozess eingeräumt, sodass das Endprodukt – obwohl in Kollaboration entstanden – die deutliche ‚Handschrift‘ des Autors bzw. der Autorin trug (Schlütz, 2016, 84). Die große Auswahl an Sendern führte zu einer erhöhten Fluktuation des Publikums (Bock, 2013, 24). Auch technische Erfindungen wie der Videokrekorder trugen dazu bei, dass die Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer mehr Souveränität gegenüber den Sendern erlangten (siehe Kap. 2). Wirklich charakteristisch wurde die Emanzipierung des Publikums aber erst in Phase III, als eine

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3 Serielles Erzählen

Neusortierung des Verhältnisses zwischen Zuschauerinnen und Zuschauern einerseits und den Sendern andererseits und damit ein Wandel von Second-Order- hin zu First-Order-Beziehungen einsetzte. 3.3.2.3

Phase III: First-Order-Relations und Branding

Schon seit Aufkommen der Abo-finanzierten Kabelsender wurde Fernsehunterhaltung direkt an das Publikum vertrieben, doch erst in Phase III (ca. 1990–2010) entstanden flächendeckend sogenannte First-Order-Beziehungen auf dem Fernsehmarkt (Schlütz, 2016, 87ff). In Phase I und II sah das Geschäftsmodell der werbefinanzierten Network-Sender in der Hauptsache noch so aus: Sie zogen mit ihren Fernsehinhalten die Aufmerksamkeit des Publikums an, welche sie dann an die werbetreibende Wirtschaft verkauften (Schlütz, 2016, 87). Ein attraktives Programm für Zuschauerinnen und Zuschauerinnen zu entwickeln, war lediglich Mittel zum Zweck, denn je höher die Zuschauerreichweite war, desto höhere Werbepreise konnten verlangt werden (Schlütz, 2016, 87). Vorrangiges Ziel war also „to ‚deliver‘ audiences to advertisers“ und nicht so sehr „to deliver programming to the people” (Feuer, 1984a, 2). In Anlehnung an Roger, Epstein und Reeves (2002, 46) bezeichnet Schlütz (2016) diese Form der Publikumsbeziehung als Second-Order-Relation. Auch in Phase III stellten Werbeeinnahmen die Hauptfinanzierungsquelle für Networks dar. Aufgrund der immer größer werdenden Konkurrenz (durch die Digitalisierung nahm die Anzahl der Fernsehsender nochmals zu) bei gleichzeitig fehlender Aufstockung der Etats durch die werbetreibende Wirtschaft brachen zwangsweise einige Werbeeinnahmen weg (Bock, 2013, 52). Entsprechend mussten alternative Vermarktungsstrategien gefunden werden, wobei die Direktvermarktung von Fernsehcontent immer wichtiger wurde (Bock, 2013, 52ff; Schlütz, 2016, 87ff). Durch die Lockerung der in Phase II beschlossenen Financial and Syndication Rules Mitte der 1990er Jahre war es den Networks wieder möglich,

3.3 Quality TV

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Serienrechte an lokale und internationale Fernseh- oder Kabelsender zu verkaufen (Bock, 2013, 52). Diese rechtliche Änderung, die eine zunehmende Verschmelzung von Produktionsstudios und Networks nach sich zog, zusammen mit der gesetzlichen Bestimmung, welche es Sendern erlaubte, mehr als zwölf Sendestationen in einer Region zu besitzen, solange sie nicht mehr als 35 Prozent der amerikanischen Fernsehhaushalte erreichten, führte zu zahlreichen Fusionierungen auf dem Fernsehmarkt. Die Folge war, dass riesige Medienunternehmen wie Walt Disney Company oder Time Warner Inc. entstanden (Bock, 2013, 28f). Neben den Erlösen aus der Syndizierung wurden auch DVD-Verkäufe bald zu profitablen – wenn auch nicht zu entscheidenden – Einnahmequellen für die Sender (Schlütz, 2016, 88). So war The X-File eine der ersten Serien, die auch auf DVD vertrieben wurde (Bock, 2013, 56; Mittell, 2010, 424). Überhaupt bezahlte sich für qualitativ hochwertige Fortsetzungsserien diese Form der Direktvermarktung besonders aus: The Wire war auf DVD ein größerer Erfolg als bei der Erstausstrahlung auf HBO und die Produktionskosten von The Sopranos ließen sich allein durch die Einnahmen aus den DVD-Verkäufen amortisieren (Schlütz, 2016, 89). Mit der zunehmenden Bedeutung von First-Order-Relations kam der inhaltlichen Qualität von Fernsehprodukten in Phase III eine entscheidende Rolle zu, denn eine DVD ließ sich nur dann verkaufen und Zuschauerinnen und Zuschauer schlossen nur dann ein Kabelsender-Abo ab, wenn die zu sehenden Inhalte die Mehrkosten rechtfertigten (Schlütz, 2016, 89). Die wahrgenommene Qualität von Fernsehprodukten ließ sich, so Schlütz (2016, 89) nun direkt zu Geld machen. Dies stärkte die Position der Zuschauerinnen und Zuschauer gegenüber den Sendern und machte sie zu „wichtige[n] Stakeholder[n] im wirtschaftlichen Aushandlungsprozess“ (Schlütz, 2016, 88). Qualität wurde nun zu einem unique selling point im Kampf um die Zuschauergunst, was im Falle von The Sopranos und HBO in einem Anstieg um fünf Millionen Abonnentinnen und Abonnenten mündete (Dreher, 2014, 25). Eine vermehrte Produktion von Quality TV-Serien war deshalb die logische Kon-

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sequenz. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Kabelsender HBO (siehe auch Kap. 3.1). Die bisherige Strategie des Senders – Hollywoodfilme unzensiert und ohne Werbeunterbrechung in Erstausstrahlung zu zeigen – stellte angesichts der Konkurrenz durch andere Pay-TV-Sender, die HBOs Erfolgsrezept bereits kopiert hatten, kein Alleinstellungsmerkmal mehr dar (Blanchet, 2011, 38). Hinzu kam, dass sich Spielfilme mittlerweile auch über andere Distributionskanäle (DVDs, Internet) beziehen ließen und dies mitunter umsonst (Blanchet, 2011, 38). Um ihre Abonnentinnen und Abonnenten nicht zu verlieren und sie weiterhin langfristig an sich zu binden, lancierte HBO Ende der 1990er Jahre eine Qualitätsoffensive mit seriellen Eigenproduktionen wie The Sopranos, Sex and the City und The Wire (Blanchet, 2011, 38). Andere Pay-TV-Sender wie Showtime (u. a. Dexter, Homeland) oder AMC (Mad Men, Breaking Bad) legten ihrerseits wieder nach, sodass diese Phase als Drittes Golden Age of Television in die Fernsehgeschichte eingegangen ist (Martin, 2013). Die drei Kabelsender hatten es dank ihrer eigenproduzierten Quality TV-Serien geschafft, Medienmarken mit hohem Wiedererkennungswert aufzubauen (Schlütz, 2016, 90). In punkto erfolgreiches Branding nahm HBO dabei einmal mehr die Vorreiterrolle ein. Durch Oz, eine Mitte der 1990er Jahre entstandene qualitativ hochwertige HBO-Serie, konnte sich der Sender bei Kulturschaffenden das Image einer kreativen Spielwiese erarbeiten, auf der vieles möglich war, was andernorts nicht zu realisieren gewesen wäre. Dies führte dazu, dass etablierte Filmschauspielerinnen und Filmschauspieler eine Serienrolle und Regisseure eine Zusammenarbeit in Betracht zogen – eine Entwicklung, die in der Folge zu einem festen Bestandteil der Marke HBO werden sollte (Schlütz, 2016, 90). Durch den Slogan „It’s not TV, it’s HBO“ unterstrich der Sender zudem öffentlichkeitswirksam seine Andersartigkeit, wobei er sich als ‚besseres‘ Fernsehen inszenierte. Diese Selbstüberhöhung funktioniert auch deshalb gut, weil die starke Rolle des auteurs im Produktionsprozess von Quality TV eine Personalisierung des Produkts möglich machte und serielles Erzählen

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nicht mehr länger anonym hergestellte Massenware war. Auf diese Weise tragen Autorinnen und Autoren bis heute zur Markenbildung bei, denn sie werten Serien zu Kunstprodukten auf und sorgen so für ihre Legitimierung als Quality TV (Schlütz, 2016, 93). Gleichzeitig entsteht dadurch ein symbolischer Nutzen für Rezipientinnen und Rezipienten, denn Quality TV verschafft Distinktion. Darüber hinaus dienen Medienmarken Zuschauerinnen und Zuschauern als Orientierung, um den Qualitätsgehalt einer Sendung besser einschätzen und so Selektionsentscheidungen angesichts eines stark fragmentierten Fernsehmarkts leichter treffen zu können (Schlütz, 2016, 91). Zur Brandingstrategie eines Senders bzw. einzelner Sendungen gehört auch der Verkauf von klassischen Merchandising-Artikeln wie DVDs, Büchern, T-Shirts und Soundtrack-Alben (Bock, 2013, 92). Hinzu kommen Online-Angebote wie die sendungseigene Homepage mit Informationen zu den Figuren und den neuesten Trailern sowie Blogs und von Fans betriebene Foren, in denen die Serienwelt weitergesponnen wird (Bock, 2013, 59ff). Wie Bock (2013, 61) am Beispiel der HBO-Serie True Blood aufzeigt, verschmilzt dabei zunehmend die fiktionale mit der realen Welt, wenn Fans der Serie ein Getränk namens Tru Blood käuflich erwerben können, welches auch in der Vampire-Serie eine bedeutende Rolle spielt, oder wenn für zwei lediglich in der Serienwelt existierende Interessensgruppen aufwendige Homepages mit eigenen Nachrichtenbeiträgen und Meldungen betrieben werden. Möglich geworden ist diese Art des Brandings und die dadurch entstandene Intertextualität durch die in Phase III einsetzende Digitalisierung, die in Phase IV zu einer völlig konvergenten Medienwelt führen sollte mit VoD-Akteuren wie Netflix. 3.3.2.4

Phase IV: Fernsehen in Zeiten von Konvergenz

Die vierte und derzeitige Phase (seit ca. 2010) des amerikanischen Fernsehmarkts steht ganz im Zeichen der Konvergenz: Als Folge der Digitalisierung verschmelzen immer mehr Medien- und Kom-

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3 Serielles Erzählen

munikationsbereiche miteinander, die früher noch klar voneinander zu unterscheiden waren (Hasebrink, Mikos, & Prommer, 2004, 9). Dies betrifft Endgeräte genauso wie Verbreitungswege und die Produktion von Fernsehinhalten. Während Fernsehen ursprünglich eine Einheit von Programm, Empfangsgerät und Distributionsweg bedeutete (Hallenberger, 2006, 157), lassen sich heutzutage auf diversen Geräten (Fernsehgerät, Laptop, Tablet, Smartphone) über verschiedene Distributionskanäle (Terrestrik, Kabel, Satellit, DVD, Breitband-Internet) Fernsehinhalte rezipieren, die neben klassischen Fernsehsendern auch von Streaming-Anbietern wie Netflix oder Amazon Prime Video produziert worden sein können. Fernsehserien sind damit längst nicht mehr zwangsläufig Serien, die auch im Fernsehen angesehen werden (Bock, 2013, 41f). Für Lotz (2014) nimmt Netflix hier eine besondere Vorreiterrolle ein, denn das Unternehmen „disrupted the long acculturated sense that television content should be viewed on a television set“ (S. 71). Sogenannte All-in-one-Geräte wie Laptops haben es außerdem möglich gemacht, Serien überall bzw. ortsunabhängig zu rezipieren (space shifting) – sei es im Zug, im Seminarraum oder im Wartezimmer beim Arzt (Mittell, 2010, 428f). Nicht annähernd so neu wie die technische Konvergenz ist die Konvergenz auf Angebotsebene. Letztere funktioniert nach dem Prinzip, Inhalte, die in einem Medium erfolgreich waren, für andere Medien zu adaptieren (Hallenberger, 2006, 160). So wurden schon früh bekannte Romane verfilmt (z. B. James Bond). Ferner basieren viele der Kinofilmserien der 1930er und 1940er Jahre auf Comic-Strips oder Radiosendungen (Hagedorn, 1995, 33f; Schleich & Nesselhauf, 2016, 24ff). Neuer ist da schon die „Ergänzung von Angeboten eines Mediums durch Angebote in einem anderen“ (Hallenberger, 2006, 160), allerdings war dies schon für Phase III typisch. Neben der technischen und inhaltlichen wird ferner die ökonomische Konvergenz unterschieden. Damit ist die Verschmelzung ehemals unabhängiger Branchen gemeint, „deren Produkte und Dienstleistungen sich sinnvoll und markttauglich miteinander

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kombinieren lassen und Wertschöpfungsprozesse beeinflussen“ (Schlütz, 2016, 97). Als Beispiel sei hier der Internetkonzern Amazon aufgeführt. Ursprünglich als Online-Buchhändler angefangen, hat sich das Unternehmen mittlerweile zu einer Plattform gewandelt, die alle Entertainmentbranchen miteinander vereint: Auf Amazon lassen sich neben Büchern auch Musik und Filme bzw. Serien kaufen oder streamen. Hinzu kommt, dass das Unternehmen nicht mehr länger nur eingekaufte Serien zum Abruf bereitstellt, sondern mittlerweile auch dazu übergegangen ist, Serien selbst zu produzieren. Konvergenz ist jedoch nicht nur ein „top-down corporatedriven process“, sondern auch ein bottom-up consumer-driven process“ (Jenkins, 2008, 18). Das bedeutet: „Corporate convergence coexists with grassroots convergence. Media companies are learning how to accelerate the flow of media content across delivery channels to expand revenue opportunities, broaden markets, and reinforce viewer commitments. Consumers are learning how to use these different media technologies to bring the flow of media more fully under their control and to interact with other consumers.” (Jenkins, 2008, 18)

Durch VoD-Anbieter wie Netflix und Amazon Prime Video haben Rezipierende eine noch größere Auswahl an Unterhaltungsangeboten. Sie werden souveräner und unabhängiger vom television flow, weil sie jetzt selbst bestimmen können, wann sie was wo wie oft und in welcher Frequenz ansehen (siehe auch Kap. 2.2). Darüber hinaus zeichnet sich das neue Fernsehzeitalter durch eine in „Gemeinschaften organisierte Partizipationskultur“ (Schlütz, 2016, 97) aus, von Jenkins (2008) auch „collective intelligence“ (S. 4) genannt. In Blogs und Foren arbeiten besonders motivierte Fans daran, „den Verlauf der Serien und die Beschaffenheit ihrer Universen bis ins kleinste Detail zu dokumentieren“ (Blanchet, 2011, 41). Unter den Begriff fallen aber auch die Bemühungen der Fans, ihre Lieblingsserien fort- bzw. umzuschreiben, wodurch sie zusätzlichen Content schaffen. Bock (2013) beschreibt diesen Umstand, dass „neben den eigentlichen Fernsehserien diverse Zusatzangebo-

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te existieren, die Zuschauer über die bloße Serienrezeption hinaus nutzen können“, als „intermediale Vernetzung“ (S. 58). Mit dem Aufkommen der VoD-Plattformen ist der Kampf auf dem amerikanischen Fernsehmarkt noch einmal verschärft worden. Dreher (2014, 31) befürchtet, dass der Erfolg der Streamingdienste zu Lasten von Kabelsendern gehen könnte, da erstere deutlich günstiger im Abopreis sind als HBO und Co.31 Damit könnte sich auf lange Sicht das Angebot und hier vor allem die Auswahl an Quality TV-Serien wieder deutlich schmälern. Um dennoch bestehen zu können, sollte weiterhin auf exklusive, hochwertige Inhalte gesetzt werden. Schließlich gilt in Phase IV endgültig: Content is king. In Zeiten von Medienkonvergenz und damit einhergehend dem Rückgang des linearen Fernsehkonsums wird Publikumsbindung „nicht mehr über eine regelmäßige Ausstrahlung erreicht, sondern über Content-Qualität“ (Schlütz, 2016, 95). Bei VoD-Plattformen ist die Nachfrage nach einzelnen Formaten direkt messbar ist (in Form von Abrufzahlen32; Schlütz, 2016, 88), was dazu führt, dass Rezipierende mit ihrem NutzungsAcht Kabelnetz-Betreiber teilen sich den gesamten US-Fernsehmarkt nach Regionen untereinander auf, was de facto einem Monopol gleichkommt (Dreher, 2014, 27). Kundinnen und Kunden dieser Kabelnetzbetreiber können zwischen verschiedenen Senderpaketen wählen, die je nach Umfang und Senderkombination (z. B. nur basic cable oder auch premium cable) unterschiedlich viel kosten. Bei Comcast, einem der größten Anbieter, muss man laut Dreher (2014, 29) für ein Paket mit ca. 80 Sendern rund 80 Dollar im Monat bezahlen. Die in solchen Paketen enthaltenen Sender bekommen von Comcast einen Abschlag von 40 Cent pro Monat und Abonnent bezahlt. Der Kabelsender AMC konnte auf diese Weise 2013 30 Millionen Dollar pro Monat erwirtschaften (Dreher, 2014, 29). Basis-Kabelsender wie AMC sind bereits in dem Grundpaket eines Kabelnetzbetreibers enthalten. Weil sie einen geringeren Abschlag erhalten als Premium-Sender, sind sie meist zusätzlich werbefinanziert. Für Premium-Kabelsender wie HBO und Showtime müssen Abonnentinnen und Abonnenten tiefer in die Tasche greifen, was jedoch den angenehmen Nebeneffekt hat, dass sie werbefrei sind. 32 Diese werden aber von den VoD-Unternehmen in aller Regel nicht veröffentlicht. Und weil die kommerzielle Publikumsforschung immer noch nicht in der Lage ist, non-lineare Nutzung bei der Fernsehquotenmessung zu berücksichtigen, bleibt unklar, von wie vielen Personen bestimmte Inhalte tatsächlich gesehen werden und welche Reichweiten diese erzielen. 31

3.3 Quality TV

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verhalten unmittelbar beeinflussen können, was zukünftig auf den Portalen angeboten wird. Schon die DVD-Verkäufe gaben einen Hinweis darauf, welche Serien von Direktmarketing profitieren würden. Laut Mittell (2010, 424f) waren es narrativ komplexe Serien, die gekauft und gesammelt wurden. Es handelt sich dabei um ein Merkmal, das typisch ist für Quality TV, wie im nächsten Kapitel aufgezeigt werden wird. 3.3.3

Werkimmanente Charakteristika von Quality TV

Wurden bisher die Rahmenbedingungen beleuchtet, die die Entwicklung von Quality TV begünstigten, sollen nun im Folgenden die werkimmanenten Charakteristika von Quality TV herausgearbeitet werden. Thompson (1996) trifft in seinem Kriterienkatalog zu Quality TV (siehe Kap. 3.3.1) bereits einige Aussagen darüber, wie die Serie beschaffen sein muss, damit sie das Gütesiegel ‚qualitativ hochwertig‘ verdient (siehe Kriterium 1 und 5 bis 11). Spätere Autorinnen und Autoren schließen sich Thompson (1996) an, wobei seine zwölf Kriterien zusammengefasst und auf in der Regel drei Charakteristika reduziert werden: Dreher (2010, 59) spricht beispielsweise davon, dass sich Autorenserien durch komplexe Erzähl- und Personenstrukturen auszeichnen, eine realistische Anmutung haben und innovativ in der Machart sind. Schleich und Nesselhauf (2016, 91) listen als werkimmanente Merkmale innovative Themen, experimentelle Ästhetik und narrative Komplexität auf. Bignell (2013) führt u. a. „distinctive visual styles and characters“ sowie „complex storylines across several episodes“ (S. 185) und „blend[ing] genres together“ (S. 186) als Kriterien auf. Für Mittell (2006, 2015) ist die narrative Komplexität ausschlaggebend, wozu er auch eine besondere Ästhetik zählt. Aus Nelsons Sicht sind high end dramas gekennzeichnet durch einen „mix of stories with episodic closure and continuing serial stories“ und durch die „integration of formerly distinct televisual, musical and cinematic modalities“ (2007a, 26). Ähnlich argumentiert auch Schlütz (2016, 101ff): Sie betrachtet narrative Komplexität und Ambiguität, Au-

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thentizität und Vielschichtigkeit sowie Ästhetik und Stil als wesentliche werkimmanente Charakteristika von Quality TV. Es ist Schlütz‘ Differenzierung, die für die spätere empirische Untersuchung angewendet wird (siehe Kap. 7.1.4) und an der sich die nachfolgende Kapitelunterteilung orientiert. 3.3.3.1

Narrative Komplexität und Ambiguität

Systeme, Sachverhalte, Dinge sind dann komplex, wenn sie aus vielen Einzelteilen bestehen. Übertragen auf Narrationen bedeutet das: Eine Vielzahl an Figuren(-konstellationen) und Plotlines steigert die Komplexität (Rothemund, 2013, 71). Pluralität alleine führt jedoch noch zu keiner komplexen Serie, denn eine große Anzahl an parallel verlaufenden Handlungssträngen, die miteinander verwoben sind und die sich über eine unterschiedliche Menge an Folgen erstrecken, ist sowohl für Quality TV als auch für Soaps typisch.33 Letzteres Format steht aber eher selten im Verdacht, besonders anspruchsvoll und hochwertig zu sein. Es kommt folglich auch auf die Beschaffenheit der Verknüpfung dieser Handlungsstränge an (Rothemund, 2013, 72f). Soaps wie GZSZ oder Dallas vermögen es nicht, einen „strong sense of artistic unity“ (Thompson, 1996, 70) herzustellen. In Quality TV-Serien dagegen läuft die fortgesetzte Handlung auf ein (vorübergehendes) Ziel hinaus (in Staffel 1 von Damages z. B. darauf, warum der Verlobte der Hauptprotagonistin sterben musste), bisweilen sogar auf ein konkretes Ende der Geschichte (wie z. B. bei Lost) (siehe auch Schlütz, 2016, 103). Nichts passiert willkürlich, vielmehr ist jede Episode ein Puzzleteil, die, wenn man sie zusammensetzt, ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Diese narrative Integrität lässt sich nur durch eine starke Verschränkung der vertikalen mit den horizontalen Handlungsbögen herstellen (Schlütz, 2016, 104). Whiteboards im 33

Tatsächlich wird Quality TV häufig mit Soaps verglichen: Thompson (1996, 70) sieht in Hill Street Blues ein Beispiel für ein neues Genre, das mit Dallas aufkam, und auch Martin (2013, 105) spricht von Parallelen zwischen den beiden seriellen Formaten, wenn auch mit einigen Abstrichen.

3.3 Quality TV

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writers‘ room, auf denen sowohl die einzelnen Episodenhandlungen als auch die horizontale Entwicklung der Geschichte festgehalten wird, dienen den Autorenteams dabei als Hilfsmittel, um narrative Kontinuität und Konsistenz über eine Vielzahl an Staffeln zu gewährleisten (Schlütz, 2016, 25, 103). Im Ergebnis entsteht eine romanhafte, detailreiche, komplexe Narration, bei der die Seriendramaturgie eine mindestens genauso große Rolle einnimmt wie die Folgendramaturgie. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer hat das zwei Konsequenzen: Um der Handlung folgen zu können, muss die Serie auf zwei Ebenen rezipiert werden: auf der Mikround auf der Makroebene. Des Weiteren ist im Quality TV, wo nahezu nichts ohne Grund passiert, das Zurückerinnern an vergangene Serienereignisse wesentlich elementarer für das Verständnis zukünftiger Handlungsentwicklungen, als das bei herkömmlichen Serien jemals der Fall wäre (siehe Thompsons 6. Kriterium: Quality TV hat ein Gedächtnis). Zusätzliche Komplexität erhält eine Serie zudem immer dann, wenn sie verschiedene Zeitebenen aufweist (Rothemund, 2013, 71). Der Plot der ersten Staffel von Damages beispielsweise setzt am Höhepunkt der Geschichte ein. Gleich in den ersten Minuten wird gezeigt, wie die Hauptprotagonistin blutüberströmt aus einem Aufzug steigt, orientierungslos durch die Straßen New Yorks läuft und anschließend von der Polizei verhört wird. In Rückblenden wird dann erzählt, wie es zu den dramatischen Ereignissen kommen konnte. Weil aber gleichzeitig Flashforwards den Erzählstrang in der Vergangenheit unterbrechen, kommt es zu einem ständigen Wechsel zweier Zeitebenen. Das Ergebnis ist eine non-lineare Erzählstruktur ohne einfachen Ursache-Wirkung-Zusammenhang (Rothemund, 2013, 74f). Schließlich tragen multiple Erzählperspektiven zur Komplexität einer Narration bei (Rothemund, 2013, 71). In The Affair wird der sogenannte Rashomon-Effekt auf die Spitze getrieben, wenn ein und dieselben Ereignisse rund um die Affäre zwischen Noah Solloway und Alison Lockhart zweimal erzählt werden: Die ersten 30 Minuten einer Folge beinhalten immer die Sichtweise des einen, wäh-

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rend im zweiten Teil der Episode die sich zugetragenen Ereignisse nochmal wiederholt werden, jetzt aber aus der Perspektive des anderen. Ab Staffel 2 wird die Erzählung erneut komplexer, dann nämlich kommen noch die Sichtweisen der Ex-Ehepartner des Liebespaars hinzu. Eine intellektuelle Herausforderung sind qualitativ hochwertige Serien auch deshalb, weil sie narrativ ambig sind. Postmoderne Texte zeichnen sich durch eine „formal openness, a strategic refusal to close down meaning“ (Nelson, 1997, 246) aus. Quality TV deutet manches nur an und belässt vieles (zunächst) in der Schwebe, wodurch einige Leerstellen in der Narration entstehen (Schlütz, 2016, 105) – eine Beobachtung, die Thompson (1996) so auch schon für Hill Street Blues machte: „It was not uncommon for a single episode to follow threads from over a dozen stories. Eventually some of these threads would be tied up, but some of them would lead nowhere, or would finally be picked up many episodes or even many seasons later.” (S. 70)

Von den Rezipierenden wird verlangt, Verknüpfungen über ganze Episoden oder gar Staffeln hinweg zu bilden und die sich (vorübergehend) auftuenden Leerstellen auszuhalten oder durch eigene Schlussfolgerungen zu füllen (Schlütz, 2016, 104). Mit letzterer Interpretationsleistung ist ein gewisses Maß an Unbestimmtheit verbunden, denn Quality TV-Serien sind eben mehrdeutig, es ist also immer mehr als eine Auslegung der Ereignisse möglich. Dazu sei nochmals auf The Affair und hier auf die erste Staffel verwiesen: Die Schilderungen der Geschehnisse durch die beiden Hauptprotagonisten weichen bisweilen deutlich voneinander ab. So beschreibt Noah seine Geliebte als aufreizende femme fatale, während in Alisons Version die Initiative zur Affäre von ihm ausging. Welche Version nun die richtige ist, bleibt offen. Hinzu kommt, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer zunächst nicht verstehen (können), warum das Liebespaar in dem Erzählstrang, der in der Zukunft spielt, von einem Kommissar verhört wird (auch hier wird mit zwei Zeitebenen gearbeitet). Erst im Verlauf

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der ersten Staffel wird klar, dass Noah die Beteiligung an einem tödlichen Autounfall, bei dem es sich potenziell auch um einen Mord handeln kann, vorgeworfen wird. Die Ungewissheit, wer tatsächlich für das Unglück verantwortlich ist, zieht sich bis zum Ende der zweiten Staffel, wobei das Publikum selbstständig diverse Schlüsse gezogen haben muss, um die Zusammenhänge der einzelnen Handlungsstränge bis dahin verstanden zu haben. Dass bisweilen falsche Fährten gelegt werden und die Geschichte raffinierte Wendungen annimmt, ist dabei typisch für qualitativ hochwertige Serien. Zwar mögen nicht alle gerade erwähnten narrativen Techniken völlig neu sein, doch werden sie „im Quality TV häufiger, subtiler und ausdauernder eingesetzt“ (Schlütz, 2016, 106). Serienspezifische Wikis (wie z. B. zu Game of Thrones oder The Good Wife) oder Serienblogs wie serienjunkies.de, auf denen Nacherzählungen einzelner Staffeln bzw. Episoden (sogenannte recaps) mit bisweilen Interpretationen sowie Hintergrundinformationen zu den Figuren, Handlungsorten usw. zu finden sind, können den Rezipierenden dabei helfen, ambige, erzählerisch dichte Serien besser nachzuvollziehen. Intermedialität kann Serien aber auch komplexer machen, nämlich immer dann, wenn ergänzende Medienangebote die Geschichte nicht nur einordnen, sondern weiterspinnen. Zu Heroes existieren beispielsweise eine Vielzahl an Online-Comics, in denen die Handlungsstränge von Nebenfiguren weiterentwickelt und neue Figuren hinzugefügt werden (Schlütz, 2016, 111). Doch selbst ohne Zusatzangebote ist Quality TV immer auch intertextuell. Qualitativ hochwertige Serien sind (selbst)referenziell, d. h. sie sind u. a. reich an Referenzen zur Popkultur im Allgemeinen sowie zu Film und Fernsehen im Speziellen (Schlütz, 2016, 108; siehe auch Thompsons Regel 9). In Suits z. B. machen sich die beiden Anwälte Harvey Specter und Mike Ross einen Spaß daraus, über Filmzitate miteinander zu kommunizieren. Auch werden darin Serien wie The Wire, Downton Abbey oder The Sopranos referenziert. Intermediale Verweise müssen nicht verstanden werden, um die Geschichte als solches zu verstehen (Schlütz, 2016, 113). Tut man es trotzdem, macht das die Serie um eine In-

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terpretationsebene reicher und damit komplexer, gleichzeitig aber auch unterhaltsamer. Quality TV zeichnet sich folglich durch eine hohe intra- und intertextuelle Komplexität aus (Schlütz, 2016, 113). Serien dieser Art sind kognitiv anspruchsvoll und erfordern Engagement auf Seiten der Rezipierenden (Mittell, 2012; 2015). Soll sich den Rezipierenden der Sinn der Ereignisse und jeglicher Interpretationsebenen erschließen, ist eine konzentrierte und kontinuierliche Rezeption obligatorisch. Zur sporadischen oder nebensächlichen Rezeption taugt Quality TV nicht. Der Dekodierungsaufwand, den qualitativ hochwertige Serien für sich beanspruchen, ist hierfür einfach zu groß (Schlütz, 2016, 113). 3.3.3.2

Authentizität und Vielschichtigkeit

Quality TV will realistisch sein, lautet Thompsons 11. Regel. Schlütz (2016, 114ff) führt die hohe wahrgenommene Authentizität von Quality TV-Serien auf drei Faktoren zurück: auf (1) die starke Verankerung des Erfundenen in der Realität, (2) die Behandlung kontroverser Themen und (3) die Verwendung vielschichtiger Charaktere. Bezugnehmend auf Hall (2003) beschreibt Schlütz (2016, 114f) sechs Dimensionen, anhand derer der Realitätsgrad medialer Texte bewertet wird und wodurch selbst eine fiktionale Geschichte real erscheint. Ist eine Erzählung plausibel (im Sinne von „So hätte es sein können“), erhöht dies die Authentizität einer Geschichte. Die Story, dass ein Endvierziger, dessen Ehe vor sich hin plätschert und der einer verpassten Karriere als Schriftsteller nachtrauert, eine außereheliche Beziehung mit einer jungen, attraktiven, ihm intellektuell unterlegenen Frau zur Aufpolierung seines Selbstbewusstseins beginnt (wie bei The Affair), dürfte für viele Zuschauerinnen und Zuschauer einleuchtend klingen. Zu großer Realitätsnähe führen außerdem Erzählungen, die nicht nur glaubhaft wirken, sondern die sich so tatsächlich auch hätten zutragen können (Typizität/Repräsentativität), wie z. B. die Geschichte, dass

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ein Chemielehrer, der aufgrund seiner Ausbildung über das entsprechende Fachwissen verfügt, synthetische Drogen herstellt (Breaking Bad). Beruhen fiktionale Erzählungen teilweise auf Fakten, beschreiben sie also etwas, wie es wirklich war (Faktizität), dann trägt dies ebenfalls dazu bei, dass Erfundenes echt wirkt. The Crown beispielsweise basiert auf realen Begebenheiten rund um die ersten Jahrzehnte der Amtszeit von Queen Elizabeth II und suggeriert so Echtheit. Selbst Geschichten, die qua ihres Genres offensichtlich erfunden sind (z. B. Fantasy- oder Science-FictionSerien), können als authentisch wahrgenommen werden, solange sie emotional realistisch erscheinen. Zwar mag es die Kontinente Westeros und Essos nicht geben (Game of Thrones), aber die dargestellten Gefühle, die einhergehen mit Kriegen, Machtkämpfen und Liebesbeziehungen, verleihen der Serie Authentizität. Ist eine Geschichte in sich logisch aufgebaut, ist sie also narrativ kohärent, erhöht dies ebenfalls den wahrgenommenen Realitätsgrad. In Damages fügen sich die zahlreichen Plotlines am Ende einer Staffel zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen, keine der vielen vermeintlichen Einzelhandlungen erfolgt grundlos. Weisen Erzählungen zudem eine hohe stilistische Überzeugungskraft auf wie es bei Mad Men der Fall ist (hier wird das Amerika der 1960er Jahre glaubhaft umgesetzt), wirkt sich auch das positiv auf die wahrgenommene Echtheit einer Geschichte aus. Alle sechs Merkmale führen dazu, dass erfundene Erzählungen authentisch erscheinen, „auch wenn man diese Echtheit eigentlich gar nicht beurteilen kann“ (Schlütz, 2016, 116). Weil Quality TV plausibel, repräsentativ, faktisch, emotional realistisch und/oder narrativ kohärent ist sowie eine hohe stilistische Überzeugungskraft besitzt, sind die Erzählungen trotz aller Fiktion stark in der Realität verankert. Authentizität stellt sich allerdings nicht automatisch ein. Sondern die Verwendung einiger stilistischer Mittel wie z. B. der Einsatz von Laiendarstellerinnen und -darstellern sind notwendig, um die Darbietung realistischer zu machen (Schlütz, 2016, 117). Martin (2013) beschreibt an verschiedenen Stellen in seinem Buch, dass nicht wenige Polizisten und Drogendealer Baltimores auf der

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Gehaltsliste von The Wire standen. Auch ER war bekannt dafür, echte Krankenschwestern und Pfleger für die Serie zu rekrutieren. Kameraarbeit, die mehr an eine Dokumentation erinnert, denn an Hochglanz-Fernsehen, sorgte schon bei Hill Street Blues dafür, dass die Serie echter wirkte als alles davor dagewesene (Thompson, 1996, 67f). Des Weiteren trägt Musik dazu bei, dass fiktionale Geschichten zu einem realistischen Erlebnis werden (Schlütz, 2016, 117). So auch bei The Wire, wo die musikalische Untermalung Teil der Story ist. Ein weiteres wichtiges stilistisches Mittel, das Authentizität transportiert, ist für Schlütz (2016, 117) die Ausdrucksweise der Figuren: ER wirkt u. a. deswegen wie ein perfektes Abbild eines realen Krankenhausalltags, weil nahezu keine Konversation ohne Rückgriff auf zahlreiche medizinische Fachausdrücke erfolgt. Dies geht so weit, dass es für den medizinischen Laien bisweilen schwierig wird, den Gesprächen zu folgen (Schlütz, 2016, 116f). In Im Angesicht des Verbrechens unterhalten sich die Figuren streckenweise nur auf Ukrainisch, was angesichts eines Settings in der russisch-ukrainischen Mafiawelt nur folgerichtig ist. Echt wirken Figuren zudem immer dann, wenn sie, ganz wie im echten Leben, fluchen dürfen und bisweilen eine derbe oder sexualisierte Wortwahl an den Tag legen. Als Beispiele seien hier The Wire oder The Affair angeführt, bei denen Wörter wie „Fuck“ zum Grundwortschatz gehören. Serien, die auf Kabelsendern ausgestrahlt werden, haben diesbezüglich einen Wettbewerbsvorteil, dürfen sie doch radikaler in ihrer Ausdrucksweise sein, weil sie weder unter der Kontrolle der FCC stehen noch Rücksicht auf Werbekunden und deren Moralvorstellungen nehmen müssen (Bock, 2013, 44). Schließlich bedarf es umfassender Kenntnisse, um einer Serie einen Anstrich von Typizität und Faktizität zu verleihen (Schlütz, 2016, 117f). David Simon arbeitete erst als Polizeireporter und volontierte später bei der Polizei in Baltimore, bevor er seine Eindrücke in Homicide niederschrieb und sie anschließend zusammen mit seinem Co-Autor, Ed Burns, einem ehemaligen Polizisten, in The Wire verfilmte (Martin, 2013). Von Julian Fellowes ist überliefert, dass er akribisch die historischen Hintergründe

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und den Zeitgeist der für Downton Abbey relevanten Epochen recherchierte (The Greene Space at WNYC & WQXR, 2016). ER wirkt selbst für Ärztinnen und Ärzte authentisch (Scherer, Baumann, & Schlütz, 2005), weil das Drehbuch dazu von einem ihrer Kollegen stammt, dem Arzt und Autor Michael Crichton. Realitätsnähe in Erzählungen lässt sich auch dadurch erzeugen, dass gesellschaftlich relevante und mitunter tabuisierte, in jedem Falle aber kontroverse Themen verhandelt werden (Schlütz, 2016, 118). Quality TV-Serien befassen sich mit Terrorismus (Homeland), Geschlechterrollen (Mad Men), Drogen (Breaking Bad), dem Tod (Six Feet Under), etc., wobei sie häufig polarisieren und selten die Mehrheitsmeinung vertreten (Schlütz, 2016, 118). Meist werfen sie einen kritischen Blick auf die Zustände und zeigen bisweilen – wie im Falle von David Simon sowie Ed Burns und The Wire – eine klare gesellschaftspolitische Haltung (siehe hierzu Martin, 2013). Auch hier gilt das, was schon hinsichtlich der Ausdrucksweise angemerkt wurde: Kabelsender können bei der Themenwahl risikofreudiger sein, weil es keine Werbekunden zu berücksichtigen gilt, die eine ‚heile Welt‘ als Werbeumfeld bevorzugen. Dieser Umstand erleichtert gleichzeitig die Umsetzung eines anderen Hauptthemas, denn „dolled up with social consciousness sex is a principle ingredient of quality television” (Thompson, 1996, 42). Explizite Sexszenen lassen sich in jeder Quality TVSerie finden, Serien wie Masters of Sex, Californication oder The Affair zentrieren gar die ganze Handlung um das Thema und sorgen so für hinreichend Realitätsbezug. Hinzu kommt, dass Figuren in Quality TV-Serien vielschichtig angelegt sind und damit Echtheit verkörpern (Schlütz, 2016, 118ff). Figuren wie Tony Soprano (The Sopranos) oder Patty Hewes (Damages) entsprechen keinem Stereotyp, denn sie sind fürsorglicher Vater bzw. besorgte Mutter und kaltblütiger Mörder bzw. skrupellose Geschäftsfrau zugleich. Facettenreiche Figuren sind weder eindeutig gut, noch eindeutig böse. Sie sind stattdessen moralisch ambivalent (Schlütz, 2016, 119). Serien wie Breaking Bad oder Dexter rücken Figuren in den Mittelpunkt ihrer Erzählung, die

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3 Serielles Erzählen

Held und Bösewicht in einer Person sind. Diese sogenannten Antihelden agieren mitunter aus edlen Motiven heraus (Schlütz, 2016, 121), sie werden also nur deshalb zum Drogenbaron, weil sie die eigene Krebsbehandlung finanzieren müssen (Breaking Bad), oder zum Mörder, weil sonst Verbrecherinnen und Verbrechern keine gerechte Strafe zuteilwerden würde (Dexter). Glaubhaft sind Figuren immer dann, wenn ihre psychologische Entwicklung gezeigt und so ihr Handeln für die Zuschauerinnen und Zuschauer nachvollziehbar wird (Schlütz, 2016, 119). Im Falle von Tony Soprano geben z. B. die Sitzungen bei seiner Psychotherapeutin Einblick in sein Seelenleben und in Masters of Sex erscheint dem Publikum mit Verweisen auf seine schwierige Kindheit die widersprüchliche Persönlichkeit von William Master (kühler Wissenschaftler; eifersüchtiger und leidenschaftlicher Liebhaber; abweisender Vater und Ehemann) ein Stück weit einleuchtender. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer bedeutet Vielschichtigkeit: Figuren und damit der weitere Handlungsverlauf sind nicht mehr so leicht ausrechenbar wie bei herkömmlichen Serien (Schlütz, 2016, 121f). So können zentrale Charaktere einer Serie völlig unerwartet sterben (siehe Game of Thrones oder Sons of Anarchy) – ganz wie im echten Leben. Jeder Handlungsausgang erscheint bei Quality TV-Serien möglich (Rothemund, 2013, 76f). Diese narrative Kontingenz führt zu großer Unsicherheit über das weitere Schicksal der Figuren, was wiederum förderlich für das Spannungserleben der Zuschauerinnen und Zuschauer ist. 3.3.3.3

Ästhetik und Stil

Quality TV ist, „where writing and mise-en-scène are prioritized” (Bignell, 2014, 162). Visuelle Distinktion ist folglich ein mindestens genauso wichtiges Kriterium wie narrative Komplexität und Authentizität (Schlütz, 2016, 124). Qualitativ hochwertige Serien haben hohe production values (Nelson, 2014, 43) und sind oftmals „‘cinematically‘ rich” (Bignell, 2013, 188), d. h. sie erinnern in ihrer filmischen Umsetzung ans Kino. Dieser Vergleich ergibt sich in Teilen

3.3 Quality TV

101

aus den Produktionsbedingungen, denn viele der Qualitätsserien werden in Hollywood-Studios und mit single film cameras gedreht. Dies führt zu „greater depth of colour, contrasts of lighting and more elaborate camera movement” (Bignell, 2013, 187) – alles Merkmale, die herkömmlichen Serien wie Soaps und Sitcoms fehlen.34 Hill Street Blues setzte z. B. auf eine dokumentarische Kameraführung und hob sich auf diese Weise visuell von anderen Serien ab (Thompson, 1996, 67f). Schnelle Schnitte und dramatische Musik wurden das Markenzeichen von ER, bei CSI waren es die starken Farbakzente und zahlreiche Close-Ups von verletzten Körperteilen (Bignell, 2013, 181, 187f). Ein aufwendiges mise-en-scène erzeugt nicht nur eine ansprechende Ästhetik, sondern hat zugleich „erzählstrategische Wirkung und generiert – unabhängig von der Narration oder ergänzend zu ihr – Bedeutung“ (Schlütz, 2016, 124). In Hill Street Blues trägt die filmische Gestaltung z. B. ganz wesentlich dazu bei, dass die dargestellte Polizeiarbeit authentisch wirkt; in ER wird den Zuschauerinnen und Zuschauern nicht nur narrativ, sondern auch auf visueller und auditiver Ebene die Lebensbedrohlichkeit einer Situation vermittelt; und in The Affair ist es nicht zuletzt die Kamera, die auf die Unterschiede in den Berichten von Noah und Alison aufmerksam macht. Lang und Dreher (2013, 33ff) sprechen deshalb davon, dass bei Quality TV die explizite Dramaturgie, also die eigentliche Handlung, durch eine implizite Dramaturgie ergänzt wird. Neben der Bildsprache prägen innovative Erzähltechniken die Ästhetik einer Serie (Schlütz, 2016, 124ff). Dramaturgische Mittel wie achronologisches Erzählen oder Multiperspektivität machen Geschichten nicht nur komplexer, sondern sie erzeugen zugleich einen erkennbaren Stil. Damages zeichnet sich, wie an anderer Stelle schon erwähnt, durch das Erzählen in Rückblenden aus. In The 34

Hierzu muss aber angemerkt werden, dass Serien, die auf Network-Sendern ausgestrahlt werden – und das sind meistens Sitcoms sowie Hybridformate – aus in der Regel 24 Folgen pro Staffel bestehen, während z. B. HBO- oder Netflix-Serien nur rund zwölf Episoden haben, sodass mehr Zeit und Geld für die Produktion der einzelnen Folge bleibt, was sich wiederum in Ästhetik und Narration zeigt (Martin, 2013).

102

3 Serielles Erzählen

Affair ist dagegen das Schildern ein und derselben Situation aus zwei Perspektiven das Erkennungszeichen der Serie. Zum Stil und damit zur Markenbildung tragen diese Techniken aber nur bei, wenn sie regelmäßig eingesetzt werden und somit tatsächlich den ästhetischen Kern einer Serie ausmachen. Erzählerisch innovativ sind Serien zudem immer dann, wenn sie mehrere Genres miteinander mischen (siehe Thompsons 7. Kriterium). The Sopranos erregte auch deswegen so viel Aufsehen, weil es einen Mix aus Mafiagenre und Soap Opera darstellte (Schlütz, 2016, 147). House M. D. dagegen wirkte in Teilen wie eine Krimisendung, obwohl es eigentlich ein medical drama war (Blanchet, 2011, 58). Schließlich sind eine selbstreflexive und intertextuelle Inszenierung stilbildend und typisch für Quality TV (Schlütz, 2016, 125f). Fink (2016) sieht in den zahlreichen Verweisen auf die eigene Konstruiertheit als Sitcom und in den Bezügen zu anderen Filmtexten die Ästhetik der Simpsons begründet. Wenngleich wahrscheinlich keine andere Serie so viele selbstreflexive und intertextuelle Referenzen aufweist wie The Simpsons, lässt sich diese Erzähltechnik auch bei anderen Quality TV-Serien finden: In House of Cards z. B. spricht Kevin Spacey in seiner Rolle als Francis Underwood das Publikum direkt an und durchbricht so die erzählerische Illusion (Schlütz, 2016, 126). Serien wie Suits dagegen leben stilistisch weniger von hoher Selbstreflexivität, sondern mehr von den vielen popkulturellen Referenzen, die in keiner Folge fehlen dürfen. All die genannten Stilmittel eröffnen den Rezipierenden weitere Interpretationsebenen und tragen so zur Komplexität einer Geschichte bei. Wie schon in Kapitel 3.3.3.1 erwähnt, muss die Ästhetik nicht zwangsweise entschlüsselt werden, um der Narration folgen zu können. Werden die Stilmittel jedoch erfolgreich erkannt und dekodiert, wirkt sich das positiv auf den Rezeptionsgenuss aus (Schlütz, 2016, 113f).

3.4 Zwischenfazit

3.4

103

Zwischenfazit

Nicht erst seit Netflix und Co. wird über süchtig machende Serien diskutiert. Bereits 1988 warnte eine Familienratgeberzeitschrift vor dem Suchtpotenzial von Serien: „Schon im Mutterleib bekommen Babies ,Denver‘ und ,Dallas‘ mit. Im späteren Leben können sie dann nicht mehr auf solche Serien verzichten. Denn schon vor der Geburt sind sie manipuliert und auf bestimmte Filme programmiert worden – süchtig nach ihnen. Deshalb: Lieber keine Fernsehserien, wenn Sie schwanger sind!“ (Junge Familie. Das Baby-Journal, H. 5, 1988, S. 38, zitiert nach Krewani, 1995, 214)

Tatsächlich liegt es in der Natur der Sache, dass Serien zu einer kontinuierlichen und – der in unserem Falle besonders interessierenden – kumulierten Rezeption verleiten. Schließlich ist die offene, d. h. auf Fortsetzung, zumindest aber auf Wiederholung angelegte Narrationsstruktur ein wesentliches Charakteristikum seriellen Erzählens. Besonders evident ist dieses Merkmal bei Fortsetzungsserien: Hier entwickelt sich die Handlung von Folge zu Folge weiter, keiner der vielen Erzählstränge ist am Ende einer Episode endgültig aufgelöst. Bisweilen bedienen sich die Serienautoren dabei dramaturgischer Mittel wie dem Cliffhanger und unterbrechen die Handlung vorübergehend an der spannendsten Stelle. Auch weil die Zuschauerinnen und Zuschauer über den Verlauf vieler Sendeminuten eine emotionale Bindung zu den Figuren der Serie aufgebaut und mit ihnen viele Höhen und Tiefen erlebt haben, stellt sich bei ihnen ein Spannungsgefühl ein bzw. ist bei ihnen die Neugierde auf die nächste Episode geweckt. Sie wollen wissen, wie die Geschichte aus- oder weitergeht und setzen deshalb die Rezeption immer weiter fort. Selbst Hybridserien, bei denen zumindest eine Plotline (case of the week) innerhalb einer Folge zu Ende erzählt wird, animieren zum Weitersehen, weil Serien eben immer mehrsträngig erzählen und sich einzelne Handlungsstränge, und hier meist die besonders gefühlsbeladenen, horizontal über mehrere Folgen bis hin zu ganzen Staffeln erstrecken.

104

3 Serielles Erzählen

Damit verhalten sich die Zuschauerinnen und Zuschauer genau so, wie von Sendern oder VoD-Anbietern intendiert. Denn Serien sind in erster Linie Ware und erst in zweiter Linie Kunst. Serielles Erzählen soll (ein großes) Publikum an einen Sender oder ein Medium binden und – zumindest wenn sie privatwirtschaftlich organisiert sind – für hohen Umsatz sorgen. Hagedorn (1995) macht sich auch deshalb keine Sorgen um die Zukunft des Erzählformats, weil serielles Erzählen aus seiner Sicht schon immer der entscheidende Erfolgsfaktor bei der Durchsetzung neuer Medien (-angebote) gewesen ist. Dass Netflix und Amazon Prime Video erst mit Serien und hier vor allem mit Eigenproduktionen zu etablierten Marken auf dem Fernsehmarkt geworden sind, scheint Hagedorns Argumentation zu stützen. Nicht zuletzt aufgrund dieses Warencharakters eilte seriellem Erzählen lange der Ruf voraus, trivial zu sein. Es ist ein Phänomen der neueren Zeit, dass sich Serien als interessantes, gesellschaftlich akzeptiertes Konversationsthema eignen. Dieser Imagewandel geht auf die vermehrte Produktion und Rezeption von qualitativ hochwertigen US-Serien zurück. Dass heutzutage nahezu kein USSender auf eine prestigeträchtige Serie verzichten will, ist wiederum das Ergebnis eines tiefgreifenden Strukturwandels auf dem USFernsehmarkt. Wo sich über Jahrzehnte zuerst an den Bedürfnissen der Werbewirtschaft und nur indirekt an denen des Publikums orientiert wurde (second-order-Beziehungen), nimmt in Zeiten von Digitalisierung und Medienkonvergenz die Direktvermarktung von Fernsehcontent eine zunehmend wichtigere Rolle ein. Weil die wahrgenommene Qualität eines Produkts das verkaufsentscheidende Argument sein kann (unique selling point) und der USFernsehmarkt mittlerweile hochfragmentiert ist (Network-Sender, Kabelsender, Streamingdienste), hat sich das Programmieren bzw. Streamen von Quality TV zu einer erfolgreichen BrandingStrategie entwickelt. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung, dass viele der gehypten Quality TV-Serien erst dann zu einem Publikumserfolg wurden, als sie auf DVD erhältlich waren. Im linearen Fernsehen dagegen scheitert diese Art des seri-

3.4 Zwischenfazit

105

ellen Erzählens in aller Regelmäßigkeit an schwachen Einschaltquoten, was die Absetzung der Serie zur Folge hat. Wer hierfür nach Gründen sucht, muss sich mit den Charakteristika von Quality TV beschäftigen, die auch für den empirischen Teil der Arbeit von Relevanz sein werden (siehe Kap. 7.1.4). Qualitativ hochwertige Serien sind narrativ komplex und deswegen anstrengend zu rezipieren. Zwar weist jedes serielle Format eine doppelte Formstruktur auf, doch anders als bei herkömmlichen Serien ist im Quality TV die Seriendramaturgie von mindestens so großer Bedeutung wie die Folgendramaturgie. Das führt einerseits zu einem stimmigen narrativen Gesamtbild – wie bei einem guten Roman eben –, gleichzeitig muss die Serie aber auch konstant auf zwei Ebenen rezipiert werden: der Mikro- und der Makroebene. Kommen verschiedene Zeitebenen oder Erzählperspektiven, intertextuelle Bezüge und zahlreiche narrative Leerstellen hinzu, macht das die Serie nur noch komplexer. Ebenfalls zur Komplexität trägt bei, dass die Figuren vielschichtig gestaltet sind, wodurch narrative Kontingenz entsteht. Das wiederum führt dazu, dass Handlungsverläufe nicht so durchschaubar sind wie bei herkömmlichen Serien. Auch bleibt es nicht beim reinen Nachvollziehen der Handlung, denn Ästhetik und Stil spielen bei qualitativ hochwertigen Serien eine ebenso große Rolle wie die eigentliche Geschichte. Ein gelungenes mise-en-scène und andere stilistische Mittel sind nicht nur schön anzusehen, sondern sie fügen der Narration immer auch eine weitere Interpretationsebene hinzu. Es sind diese Merkmale, die eine kumulierte Rezeption nahelegen und es zu einem inhaltsgetriebenen Rezeptionsphänomen machen, denn: „Compiling a serial allows viewers to see a series differently, enabling us to perceive in ongoing narratives aesthetic values traditionally used for discrete cultural works – viewing a DVD edition helps highlight the values of unity, complexity, and clear beginnings and endings, qualities that are hard to discern through the incremental releases of seriality.” (Mittell, 2015, 39)

Eine stufenweise Veröffentlichung erschwert also, oder verhindert gar, die Wahrnehmung einer Serie als Kunstwerk. Erst dank DVD

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3 Serielles Erzählen

oder Streamingdiensten können Serien, die wie ein Roman aufgebaut sind, auch wie ein solcher rezipiert und gewürdigt werden. Zwar bestehen Serien nach wie vor aus vielen Einzelfolgen, denn jede Folge hat ihre eigene Dramaturgie, die sich auch nicht mit der kumulierten Rezeption auflöst, aber die Rezipierenden bestimmen bei dieser Rezeptionsweise selbst, an welcher Stelle sie die Rezeption unterbrechen und wann sie sie wieder fortsetzen wollen. Eine von den Sendern oder anderen Seriendistributoren auferlegte wöchentliche Zwangspause zwischen den einzelnen Folgen erscheint nicht zuletzt dann wenig sinnvoll, wenn man sich bewusst macht, wie Informationsverarbeitung generell und die Verarbeitung narrativer Inhalte im Speziellen funktioniert. Genau darum soll es im nächsten Kapitel gehen.

4

Narratives Verstehen

Während in Kapitel 2 und 3 die Rahmenbedingungen dargelegt wurden, aus denen die kumulierte Serienrezeption als neue Rezeptionsweise hervorgegangen ist, bilden Kapitel 4 und 5 die analytische Grundlage der im empirischen Teil der Arbeit vorzustellenden Studie. Es soll gezeigt werden, dass die kumulierte Serienrezeption nicht nur technologie- und inhaltsgetrieben ist, sondern dass es sich hierbei auch um ein rezeptionsprozessgetriebenes Phänomen handelt. Zunächst kommen wir aber nochmals auf die Unterscheidung in Plot und Story zurück, die zu Beginn des dritten Kapitels getroffen wurde. Ersteres beschreibt, wie etwas erzählt wird, während letzteres ausdrückt, was erzählt wird. In Kapitel 4 beschäftigen wir uns nun damit, wie aus dem Wie das Was wird, wie es also Rezipierende schaffen, aus einem Plot eine sinnvolle Geschichte zu konstruieren. Um diese Frage zu beantworten, wird sich dem Bereich der Kognitionspsychologie zugewendet. Dieser Teilbereich der Psychologie befasst sich damit, wie Menschen Informationen verarbeiten und wie sie Bedeutung aus einer Narration ziehen. Viele der im Folgenden vorzustellenden Modelle wurden entwickelt, um Textverstehen zu erklären (siehe auch Glaser, 2016, 131). In dieser Arbeit interessiert jedoch, wie audiovisuelle Inhalte und hier speziell Serien verarbeitet werden. Die Frage ist also, ob sich die Verarbeitung eines Buchplots von der eines Serienplots unterscheidet. Werden andere Verarbeitungsprozesse in Gang gesetzt, wenn wir einen Sherlock Holmes-Kriminalfall im Fernsehen verfolgen anstatt das Buch zu lesen? Studien legen nahe, dass zumindest höhere Verstehensstufen – auf denen im Folgenden das Augenmerk liegen soll – in allen Medien relativ ähnlich funktionieren (z. B. Graesser & Wiemer-Hastings, 1999; Magliano, Miller, & Zwaan, 2001). Entsprechend verwundert es auch nicht, dass alle einschlä© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Czichon, Kumulierte Serienrezeption, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26842-8_4

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4 Narratives Verstehen

gigen Verstehensmodelle für sich in Anspruch nehmen, unabhängig vom Medium gültig zu sein, obwohl sie häufig vor dem Hintergrund der Textverarbeitung formuliert worden sind (siehe auch Schwan, 2014, 195). Wenn also im Folgenden drei Modelle zum Thema Narratives Verstehen (Event-Indexing-Model, Model of Narrative Comprehension and Engagement, Limited Capacity Model of Mediated Message Processing) vorgestellt werden, dann geschieht dies unter der Prämisse, dass die darin getroffenen Aussagen genauso für die Rezeption von Serien gelten. Bevor jedoch vertieft auf die einzelnen Modelle eingegangen wird, soll zunächst dargelegt werden, was ‚Verstehen‘ im Zusammenhang mit Narrationen eigentlich bedeutet. Tatsächlich können damit ganz unterschiedliche Aspekte gemeint sein. Denn Verstehen, so werden die nachfolgenden Ausführungen zeigen, ist ein mehrstufiger Prozess. 4.1

Stufen des Verstehens

Narratives Verstehen meint, Sinn aus dem Dargestellten zu ziehen. Medieninhalte obliegen dabei immer einer Sinnvermutung, d. h. die Rezipierenden gehen davon aus, dass am Ende alles Sinn ergeben wird, auch wenn es anfänglich nicht den Anschein haben mag (diegetic trust; Schwan, 2014, 191). Erzählungen sind im besten Fall so konstruiert, dass sie zahlreiche Fragen aufwerfen (Carroll, 1990, 128ff) – im Fall von Damages beispielsweise die Frage: Was hat die junge Anwältin mit dem Mord an ihrem Verlobten zu tun? Die Zuschauerinnen und Zuschauer stellen Vermutungen über den weiteren Verlauf der Geschichte an, d. h. sie bilden Vorwärtsinferenzen, und erwarten, dass die folgenden Szenen bzw. Buchkapitel Antworten auf ihre Fragen geben. Medienrezeption lediglich als Informationsberieselung abzutun, wird der Sache folglich nicht gerecht, erfordert das Nachvollziehen einer Erzählung doch enormen kognitiven Aufwand. Verstehen wird in der Kognitionspsychologie deshalb auch als aktiver, mehrstufiger Konstruktionsprozess beschrieben (Glaser, 2016,

4.1 Stufen des Verstehens

109

131; Schwan, 2014, 191). Van Dijk und Kintsch (1983, 10ff) unterscheiden drei Verarbeitungsebenen, wobei für sie die kognitive Repräsentation der Oberflächenstruktur eines Textes (= exakte Abbildung von verwendetem Wortlaut, Syntax und Intonation) die niedrigste Verstehensstufe darstellt. Die propositionale Textstruktur, also die semantische Bedeutung des Gesagten abzubilden, verorten sie eine Ebene höher. Die dritte und für sie höchste Verarbeitungsebene ist die Bildung eines Situationsmodells, sprich einer dauerhaften mentalen Repräsentation der in einer Erzählung geschilderten Ereignisse. Für Schwan (2014, 194) fällt neben den schon genannten Ebenen auch (a) das im Text Beschriebene nachzuerleben, (b) der Geschichte eine Moral oder Pointe zuzuschreiben und (c) zu erkennen, welche dramaturgischen und stilistischen Mittel in einer Narration verwendet wurden und diese zu würdigen, unter den Begriff ‚Verstehen‘. Damit schließt er sich dem Stufenmodell von Graesser, Olde und Klettke (2002) an, die in ihrer Constructionist Theory zwischen folgenden sechs Verstehensebenen differenzieren: surface structure, textbase, agent perspective, situation model, thematic point und genre. Einige der genannten Verstehensstufen sind obligatorisch, d. h. sie müssen durchlaufen werden, damit ein erfolgreiches Verstehen eintreten kann, andere sind optional und lassen sich nur unter bestimmten Bedingungen verwirklichen (Schwan, 2014, 194): Verstehen als Textentzifferung (surface structure + textbase) Stufe 1 und 2 haben zum Ziel, die grammatikalische Struktur eines Satzes zu analysieren, Schriftzeichen als Wörter zu identifizieren sowie den Worten eine Bedeutung zuzuweisen. Ohne diese obligatorischen, aber niedrigen Verarbeitungsschritte wäre ein Roman für uns nicht verständlich. Audiovisuelle Inhalte sind im Vergleich dazu etwas leichter zu verarbeiten, weil sie optische und akustische Reize verwenden, die eine hohe Ähnlichkeit mit den Prozessen der natürlichen Wahrnehmung haben (Schwan, 2014, 192, 195). Nehmen wir als Beispiel eine Pistole: Der Schuss aus einer Waffe hört

110

4 Narratives Verstehen

sich in einem Film oder eine Serie ähnlich an wie in der Realität und auch optisch unterscheidet sich die Pistole einer Tatortkommissarin kaum von der einer echten Polizistin. Hinfällig sind die genannten Verarbeitungsschritte bei audiovisuellen Inhalten dennoch nicht: Denn auch bei Filmen und Serien müssen die sprachlichen Regeln beherrscht werden, damit das Erzählte nachvollzogen werden kann. Die wenigsten von uns würden eine chinesische Serie verstehen – aufgrund des nicht vorhandenen Wortschatzes und mangelnder Grammatikkenntnisse. Gleichwohl lässt sich bei einer chinesischen Serie – dank der Bilder und des Tons – noch mehr verstehen als bei einem auf Mandarin verfassten Roman. Verstehen als Bildung eines Situationsmodells (situation model) Ebenso wichtig wie die Textentzifferung, aber eine tiefergehende Form der Verarbeitung ist die Bildung eines Situationsmodells (auch mentales Modell genannt). Dabei handelt es sich um eine widerspruchsfreie, kohärente mentale Repräsentation der in einer Narration beschriebenen Situation (Schwan, 2014, 195). Welche Eigenschaften ein Situationsmodell aufweist und welche Prozesse an der Bildung eines mentalen Modells beteiligt sind, wird in Kapitel 4.2 ausführlich beschrieben. Für jetzt soll es ausreichen zu wissen, dass die Konstruktion eines Situationsmodells für gelingendes Verstehen unabdingbar ist: Wer kein mentales Modell von einer Geschichte aufgebaut hat, der wird sie nicht verstanden haben. Verstehen als Nacherleben (agent perspective) Auch die dritte Ebene wird ausführlich in einem anderen Kapitel besprochen. Das Dargestellte nachzuerleben, wird in dieser Arbeit als Rezeptionserleben interpretiert und deshalb erst in Kapitel 5 thematisiert. Dann wird auch auf damit verbundene medienpsychologische Prozesse wie Medienempathie, Parasoziale Interaktionen und Immersion eingegangen.

4.1 Stufen des Verstehens

111

Verstehen als Tieferer Sinn (thematic point) Das Gesehene oder Gelesene zu interpretieren und nach einer tieferen Bedeutung zu suchen, ist eine weitere, höhere Stufe des Verstehens. Dass Rezipierende das einer Serie oder einem Buch zugrundeliegende Thema erkennen und benennen können, ist dabei eine Form der Sinninterpretation. Die Moral einer Geschichte zu identifizieren, die im Gegensatz zur Themennennung nicht nur den Inhalt in allgemeiner Form wiedergibt, sondern zusätzlich eine auf soziale Normen basierende Bewertung beinhaltet, ist die andere (Schwan, 2014, 202f). Unklar ist in beiden Fällen, ob das Nachdenken über den Tieferen Sinn einer Erzählung bereits während der Rezeption erfolgt (on-line) (z. B. Schwan, 2014, 203) oder erst auf Nachfrage und nach Beendigung der Narration (off-line) (z. B. Graesser et al., 2002, 235f). Weil zudem interindividuelle Unterschiede hinsichtlich der Verstehenstiefe existieren (Schwan, 2014, 202), handelt es sich beim Erkennen des Themas oder der Moral nur um einen optionalen Verarbeitungsschritt. Verstehen als Erkennen von dramaturgischen und stilistischen Mitteln (genre) Ebenfalls nicht obligatorisch ist das Erkennen von dramaturgischen und stilistischen Mitteln (Schwan, 2014, 195). Ob bei einer Serie die ‚Handschrift‘ eines Autors oder einer Autorin erkannt wird; ob ein Buch der richtigen Epoche zugeordnet werden kann; ob den Rezipierenden die für den Tod stehenden Symbole in der Narration auffallen; oder ob ihnen bewusst ist, dass zahlreiche popkulturelle Referenzen gezogen werden – all das wirkt sich nicht auf die Bildung eines Situationsmodells und damit auf das unmittelbare Verstehen einer Geschichte aus. Trotzdem werden hier Informationen verarbeitet, und zwar auf einem kognitiv sehr hohen Level. Inwiefern solche weiteren Bedeutungsebenen identifiziert werden können, hängt dabei von der Expertise und dem Vorwissen der Rezipierenden ab (Schwan, 2014, 196): Medienwissenschaftlerinnen, Feuilleton-Kritikern und Quality TV-Fans dürfte das Erkennen dramaturgischer und stilistischer Mittel deutlich

112

4 Narratives Verstehen

leichter fallen als Laien oder unregelmäßigen Zuschauerinnen und Zuschauern. Auch macht es einen Unterschied, ob ein und derselbe Medieninhalt zum ersten oder zum wiederholten Male rezipiert wird (Schwan, 2014, 196): Mit jedem Male, mit dem man sich die DVD-Staffelboxen von The Sopranos oder The Wire erneut ansieht, werden einem bisher nie beachtete Bedeutungsebenen auffallen.35

Abb. 1: Die fünf Stufen des Narrativen Verstehens Quelle: eigene Darstellung

35

Es sei hier allerdings auch angemerkt, dass durch die adäquate dramaturgische und formale Gestaltung eines Medieninhalts obligatorische Verstehensprozesse wie die Bildung eines Situationsmodells positiv beeinflusst werden können (Schwan, 2014, 201f). Der Einsatz von Zeitraffern beispielsweise soll dem Publikum deutlich machen, dass zwischen zwei Ereignissen viel Zeit vergangen ist. In solchen Fällen dienen Darstellungskonventionen folglich als Verstehenshilfe, wobei erstere meist gar nicht bewusst wahrgenommen werden.

4.2 Mentale Modelle

4.2

113

Mentale Modelle

Situationsmodelle stehen im Mittelpunkt sämtlicher Ansätze zur Erklärung Narrativen Verstehens. Allerdings setzte sich erst ist den 1980er Jahren die heute allgemeingültige Erkenntnis durch, dass bei der Verarbeitung von Medieninhalten von der Situation, die ein Text beschreibt, eine dauerhafte mentale Repräsentation gebildet wird und nicht vom Text selbst (Zwaan & Radvansky, 1998, 162). Johnson-Laird (1983) sowie van Dijk und Kintsch (1983) sind hier als Vorreiter zu nennen, die zeitgleich, aber unabhängig voneinander, zu dem Schluss kamen, dass Rezipierende neben der bloßen Textentzifferung zusätzlich Energie darauf verwenden, mental models (Johnson-Laird, 1983) bzw. situations models (van Dijk & Kintsch, 1983) zu konstruieren. Doch was genau ist mit den beiden, häufig synonym verwendeten Begriffen (siehe z. B. Töpper, 2008; Zwaan & Radvansky, 1998) eigentlich gemeint?36 Graesser et al. (2002) verstehen unter einem Situationsmodell Folgendes: „The situation model for a story is a microworld with characters who perform actions in pursuit of goals, events that present obstacles to goals, conflicts between characters, emotional reactions of characters, spatial settings, the style and procedure of actions, objects, properties of objects, traits of characters, and mental states of characters.” (S. 230)

Bauen Rezipierende also ein mentales Modell einer Story auf, dann umfasst es Informationen rund um die am Geschehen beteiligten Protagonistinnen und Protagonisten, deren Ziele, Gefühlzustände und Charaktereigenschaften, aber auch Orts- und Zeitangaben zu den einzelnen Ereignissen sind darin enthalten. Zu den weiteren Eigenschaften eines Situationsmodells gehört die chronologische Organisation dieser Informationen. Selbst wenn eine Geschichte achronologisch erzählt wird – wie bei The Affair oder Damages –, erfolgt die Anordnung der Informationen – zwar unter einigem 36

Auch in dieser Arbeit werden sie synonym verwendet. Zur Unterscheidung der beiden Begriffe sei auf Westbrook (2006) verwiesen.

114

4 Narratives Verstehen

kognitiven Aufwand, aber nichtsdestotrotz – in der korrekten zeitlichen Reihenfolge (Schwan, 2014, 200). Denn Ziel des Konstruktionsprozesses ist es, alle enkodierten Informationen widerspruchsfrei aufeinander zu beziehen, sodass Rezipierende am Ende eines z. B. Staffelfinales auf ein kohärentes, in ihrem Langzeitgedächtnis abgespeichertes Situationsmodell zurückgreifen können. Widerspruchsfreiheit wird u. a. dadurch erreicht, dass Rezipierende eigenständig Schlussfolgerungen ziehen. Bei sogenannten Brückeninferenzen werden verschiedene Elemente eines Medieninhalts verknüpft, wobei hier zwischen lokalen, die unmittelbar benachbarte Elemente, und globalen Inferenzen, die entfernte Elemente eines Medieninhalts miteinander verbinden, unterschieden wird (Schwan, 2014, 198). In Damages taucht z. B. bereits zu Beginn eine zwielichtige Gestalt auf, die eine Protagonistin beschattet und einen Auftragsmord vorschlägt. Aber erst zum Ende der ersten Staffel stellt sich heraus, dass besagte Figur gleichzeitig auch Polizist ist und in dieser Rolle Beweismittel vom Tatort hat verschwinden lassen. Rezipierende müssen in diesem Fall also eine globale Inferenz bilden und damit eine enorme Eigenleistung erbringen, soll die Geschichte Sinn ergeben. Von Brückeninferenzen zu differenzieren sind elaborierte Inferenzen, bei denen Elemente des Medieninhalts mit dem Vorwissen der Rezipierenden verknüpft werden (Schwan, 2014, 198). Ohler (1994, 32ff) unterscheidet in seinem Modell der kognitiven Verarbeitung von Filmen drei Arten von Vorwissen, die die Bildung von mentalen Modellen erleichtern. Eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung filmischer Geschichten nimmt demnach das narrative Wissen ein. Darunter versteht er Wissensstrukturen wie typische Plots, Figurenrollen, Handlungssettings und Handlungssequenzen im Rahmen typischer Genres. Auf Quality TV bezogen bedeutet das: Die Zuschauerinnen und Zuschauer erwarten regelrecht – aufgrund entsprechender Vorerfahrungen mit Serien dieser Art – komplizierte Plots, unvorhergesehene Wendungen sowie dass nichts umsonst passiert und alles irgendwie zusammenhängt. Sie sind deshalb in der Folge aufmerksamer, achten auf noch so kleine

4.2 Mentale Modelle

115

Hinweise und rezipieren damit den Medieninhalt auf eine Weise, wie es bei herkömmlichen Serien wohl nicht zu erwarten wäre. Neben dem narrativen Wissen greifen Rezipierende bei der Verarbeitung von Medieninhalten auch auf ihr generelles Weltwissen zurück, nämlich immer dann, wenn eine Narration temporale Ellipsen aufweist. Keine Erzählung kommt ohne Auslassungen aus, das ist platz- bzw. zeitmäßig nicht möglich. Nehmen wir als Beispiel folgende zwei Szenen aus Damages: Zu Beginn der Serie sehen wir, wie die Hauptprotagonistin blutüberströmt durch die Straßen New Yorks läuft. In der nächsten Szene sitzt sie bereits im Verhörraum der Polizei. Müssten wir in eigenen Worten wiedergeben, was sich zugetragen hat, würden wir höchstwahrscheinlich erwähnen, dass sie von der Polizei festgenommen und auf die Polizeiwache gebracht worden ist. Tatsächlich gesehen haben wir die Verhaftung jedoch nie, hier weist die Erzählung also eine temporale Ellipse auf. Dass wir sie trotzdem in unserem Situationsmodell abbilden und damit selbiges um eine Information anreichern, die nur implizit in der Narration enthalten ist, liegt daran, dass wir unter Zuhilfenahme unseres generellen Weltwissens, also auf Basis kognitiver Schemata und Scripts, Schlussfolgerungen anstellen: Wir wissen, dass sie, um im Verhörraum der Polizei zu sitzen, vorher festgenommen worden sein muss. So funktioniert unsere Welt, die wir als eine Art Blaupause über die Geschichte legen. Als drittes erleichtert unser Wissensbestand über filmische Darstellungsformen (z. B. Einstellungsgrößen, Schnitte, Kameraperspektiven, Zooms, Farbgebung, Musik) die Verarbeitung von Informationen. So lässt z. B. ein langsamer Anstieg dramatischer Musik vermuten, dass die Protagonistin/der Protagonist gleich in eine gefährliche Situation geraten wird. Auch signalisieren Großaufnahmen von Gegenständen den Rezipierenden in aller Regel deren Wichtigkeit für den weiteren Handlungsverlauf. Damit umfasst das von den Rezipierenden zu bildende mentale Modell einerseits mehr Informationen, als tatsächlich in einer Erzählung aufgeführt werden. Gleichzeitig wird längst nicht jede in einer Narration enthaltene Information Teil unseres Situationsmo-

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4 Narratives Verstehen

dells (Schwan, 2014, 200). Auf letzteren Aspekt wird in Kapitel 4.3 nochmal genauer eingegangen. Jetzt sollen jedoch erst einmal aus der Vielzahl an existierenden, sich in ihrer Argumentation aber stark ähnelnden Erklärungsmodellen37 zur Konstruktion eines Situationsmodells (siehe auch Töpper, 2008) zwei Ansätze – das Event-Indexing-Model und das Model of Narrative Comprehension and Engagement – genauer vorgestellt werden. Ersteres ist ein prominenter Ansatz in der Kognitionspsychologie, während letzteres Modell aus der Kommunikationswissenschaft stammt und kognitive Verstehensprozesse mit dem Narrativen Erleben verbindet. 4.2.1

Event-Indexing-Model

Das von Zwaan und Kollegen entwickelte Event-Indexing-Model stellt die in einer Narration enthaltenen Ereignisse und die intendierten Handlungen der Figuren (deswegen auch Event-IndexingModell) in den Mittelpunkt. Sie sind die „building blocks“ (Zwaan & Radvansky, 1998, 167) des Situationsmodells. Drei Stufen in der Konstruktion mentaler Modelle Ab Szene 1 ist unser Kognitionsapparat damit beschäftigt, ein aktuelles Situationsmodell zu bilden. Dieser Prozess setzt sich bis zum Ende der Rezeption fort, wobei das Event-Indexing Model drei verschiedene Stufen in der Konstruktion mentaler Modelle unterscheidet (Zwaan & Radvansky, 1998, 165f): (1) das current model, (2) das integrated model und (3) das complete model. Mit ersterem Modell ist das „model currently under construction“ (Zwaan & Radvansky, 1998, 165) gemeint, also jenes, welches Rezipierende im Zeitpunkt tn bilden, wenn sie Satz n lesen oder Szene n sehen. Die Bildung des current model findet im short-term working memory 37

Für weitere Lektüre sei auf Graesser, Olde, und Klettke (2002) sowie McNamara und Magliano (2009) verwiesen: Erstere liefern eine Auflistung sämtlicher Erklärungsmodelle und letztere stellen die wichtigsten Ansätze kompakt vor.

4.2 Mentale Modelle

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statt. Das integrierte Modell dagegen umfasst alle sich bis Zeitpunkt tn-1 zugetragenen Geschehnisse und Ereignisse einer Narration. Es ist im long-term working memory lokalisiert, wo es für die Rezipierenden kognitiv noch relativ leicht verfügbar ist. Das Modell integriert alle current models tn bis tx, womit es globaler als das current model ist. Das dritte Modell, das complete model, ist jenes, welches am Ende der Rezeption, wenn alle Informationen verarbeitet wurden, im Langzeitgedächtnis abgespeichert ist. Es ist quasi die Summe aller im Zuge der Rezeption gebildeten current models. Trotzdem hat das komplette Modell nur vorläufigen und nicht finalen Charakter (Zwaan & Radvansky, 1998, 166). Vorläufig deshalb, weil das complete model kein statisches Modell ist. Nehmen wir als Beispiel unsere Serienrezeption: Mit dem Ende einer Serienepisode verfügen wir zwar über ein vollständiges Situationsmodell jener Folge, nicht aber über das der erzählten Geschichte, denn mit der nächsten Episode wird diese fortgeschrieben. Fünf Dimensionen eines Situationsmodells Was die weitere Beschaffenheit eines Situationsmodells angeht, nimmt das Event-Indexing Model an, dass die Rezipierenden die Ereignisse einer Narration hinsichtlich mindestens folgender fünf Dimensionen verarbeiten (Zwaan, Langston, & Graesser, 1995, 292): Raum und Zeit des Geschehens, Ursache des Ereignisses, am Geschehen beteiligte Personen sowie deren Ziele. Für jede dieser Dimensionen wird ein eigener Index angelegt, dessen konkrete Ausprägung den aktuellen Stand der Geschichte beschreibt. Sobald es auf einer der fünf genannten Dimensionen zu Veränderungen kommt – spielt z. B. die nächste Szene nicht mehr im Krankenhaus, sondern im Kommissariat –, muss der entsprechende Index upgedatet werden (Zwaan, Langston et al., 1995, 292). Updating meint dabei nichts anderes als „forming links between the current model and the retrieved elements of the integrated model“ (Zwaan & Radvansky, 1998, 166). Der nun veraltete Index wird in das integrated model integriert, das damit automatisch wieder auf den aktu-

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4 Narratives Verstehen

ellen Stand gebracht ist. Gleichzeitig wird ein neuer Indexwert angelegt, also ein neues current model gebildet. Dieser UpdatingProzess wird so lange fortgeführt, bis die Narration (vorläufig) zu Ende erzählt und das complete model im Langzeitgedächtnis abgespeichert ist (Zwaan & Radvansky, 1998, 166). Weitere Dimensionen Zwaan und Kollegen gehen von fünf Dimensionen aus, anhand derer Ereignisse im Situationsmodell abgebildet werden. Studien von anderen Forscherinnen und Forschern haben zudem gezeigt, dass auch Informationen über die emotionale Gestimmtheit der Figuren (Gernsbacher, Goldsmith, & Robertson, 1992) oder stabile Persönlichkeitseigenschaften (Rapp, Gerrig, & Prentice, 2001) Bestandteil des Situationsmodells sind (Schwan, 2014, 199). Kontinuität vs. Diskontinuität Jede Index-Aktualisierung beansprucht kognitive Ressourcen. Narrationen sind immer dann leicht zu verarbeiten, wenn es sich um eine Aneinanderreihung kontinuierlicher Ereignisse handelt (Zwaan, Graesser, & Magliano, 1995, 387). Diskontinuitäten wie z. B. achronologisches oder multiperspektivisches Erzählen, führen dazu, dass Rezipierende gezwungen sind, hin- und herzuspringen „from building one substructure to building another“ (Zwaan, Graesser et al., 1995, 387). Diese ständigen Wechsel strapazieren die „resources available in working memory” (Zwaan, Graesser et al., 1995, 387), was sich z. B. auch daran erkennen lässt, dass sich an diesen Stellen in einer Narration die Lesezeit erhöht. Foregrounding Um den Verarbeitungsprozess so reibungslos wie möglich zu gestalten, arbeitet das menschliche Gehirn mit Signalstichworten (cues) (Zwaan & Radvansky, 1998, 166f). Letztere stellen eine Brü-

4.2 Mentale Modelle

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cke dar vom short-term working memory zum long-term working memory und erlauben den Rezipierenden, current models schnell zu verarbeiten, ohne „extensive long-term memory searches“ (Zwaan & Radvansky, 1998, 166) betreiben zu müssen. Ein solches Stichwort kann z. B. der Name der Hauptfigur sein. Teilt sich ein gerade im current model abgebildetes Ereignis dieses Stichwort mit anderen schon im long-term working memory abgespeicherten Ereignissen, lässt sich dieses leichter in das Situationsmodell integrieren (Zwaan & Radvansky, 1998, 167). Hätte dasselbe Ereignis dagegen eine neue, bisher noch unbekannte Figur zur Protagonistin gehabt, wäre die Verarbeitung zeitintensiver ausgefallen. Cues sind kognitiv verfügbarer als andere Informationen, sie werden im Situationsmodell besonders hervorgehoben (foregrounding). Während bei Orten immer der letztgenannte oder letztgezeigte Raum mental am präsentesten ist, sind die unerfüllten Ziele des Protagonisten oder der Protagonistin selbst dann noch leicht zugänglich, wenn deren Nennung schon etwas länger, also ein paar Sätze oder Szenen her ist (Zwaan & Radvansky, 1998, 167). Nehmen wir als Beispiel wieder Damages: Dass die Polizei, aber auch die Hauptprotagonistin, aufklären will, wer ihren Verlobten umgebracht hat, werden die Zuschauerinnen und Zuschauer so lange kognitiv präsent haben, bis der Fall aufgeklärt ist – also eine ganze Staffel lang. 4.2.2

Model of Narrative Comprehension and Engagement

Das von Busselle und Bilandzic (2008) entwickelte Model of Narrative Comprehension und Engagement verbindet kognitionspsychologische Ansätze des Narrativen Verstehens mit Fragestellungen der kommunikationswissenschaftlichen Unterhaltungsforschung. Erklärt werden soll u. a., wie es bei der Rezeption von Narrationen zu einem völligen Eintauchen in die Geschichte und damit einhergehend zu einem vorübergehenden Ausblenden der Umwelt kommen kann. Dieses Rezeptionsphänomen wird in der Kommunikationswissenschaft unter dem Schlagwort Immersion diskutiert und soll uns in Kapitel 5.1.1.3 genauer beschäftigen. Für jetzt soll es ausreichen zu

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4 Narratives Verstehen

wissen, dass Busselle und Bildanzic (2008) die erfolgreiche Konstruktion kohärenter mentaler Modelle als Voraussetzung für Narratives Erleben und speziell für Transportationserleben definieren. Neben dem schon bekannten situation model unterscheiden sie zwei weitere mentale Modelle: das story world model und das characters model. Zusammen ergeben sie die Verstehenskomponente des Modells, wobei sowohl Weltwissen als auch narrative Schemata unterstützend bei der Informationsverarbeitung wirken sollen (siehe Abb. 2).

Abb. 2: Model of Narrative Comprehension and Engagement Quelle: Darstellung nach Busselle & Bilandzic, 2008, 272

Situation model Das Situationsmodell ist für Busselle und Bilandzic (2008) das „primary mental model in story comprehension“ (S. 257). Hier werden die enkodierten Informationen so angeordnet, dass sie zusammen ein logisches und kohärentes Abbild der erzählten Geschichte ergeben. Das Situationsmodell gleicht dabei einer Großbaustelle, an der kontinuierlich gearbeitet wird und bei der immer etwas zu tun ist:

4.2 Mentale Modelle

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„Before it lie bits of information that are yet unknown – events, behaviors, or facts that have not yet been encountered in the narrative. Behind it lies a coherent and logical assemblage of the information that has been encountered so far in the narrative, albeit with questions and uncertainties that may provide suspense or require resolution.“ (Busselle & Bilandzic, 2008, 257)

Besonders zu Beginn einer Narration weist das Situationsmodell viele Fragen und Unklarheiten auf, die sich erst mit der weiteren Rezeption beseitigen lassen. Denken wir an die Einstiegsszene von Damages: Es bedarf einer ganzen Staffel, um zu verstehen, warum die Hauptprotagonistin blutüberströmt aus dem Fahrstuhl steigt und wie es zu dem Mord an ihrem Verlobten gekommen ist. Busselle und Bilandzic (2008) wählen als Metapher einen Zug, dessen Gleisbett erst mit erstmaligen Passieren der Strecke gelegt wird, um den ‚work in progress‘-Status eines Situationsmodells zu unterstreichen: „It is tempting to invoke the metaphor of a train moving along its tracks. But this would be inaccurate because with the situation model, the tracks are not assembled until the train passes. In front of the train would lie unrelated pieces of rail, wooden ties, and railroad spikes. Behind it would lie an intact railway. Under the train, representing the present moment in the narrative, the pieces are being put together and the track is being constructed as the narrative unfolds. Most important is that, at any given moment, the track being assembled must fit with the track that already has been assembled both immediately previously and miles back on the narrative’s path.” (S. 258)

Ist dies nicht der Fall, also lassen sich neu enkodierte Informationen nicht mehr logisch in das bis dahin schon konstruierte Situationsmodell integrieren, leidet das Transportationserleben. Denn nur wenn Erzählungen plausibel und narrativ kohärent sind, sind keine Schwierigkeiten bei der Verarbeitung zu erwarten. Narrative Inkonsistenzen dagegen verhindern eine reibungslose Informationsverarbeitung und damit das Eintauchen in eine Geschichte (Busselle & Bilandzic, 2008, 256). Anders ausgedrückt und in der Metapher von eben gesprochen: Wenn die nachfolgenden Gleise nicht nahtlos an vorausgehende Gleise anknüpfen, dann entgleist der Zug.

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4 Narratives Verstehen

Story world model Das story world model ist, im Gegensatz zum Situationsmodell, ein statisches Konstrukt (Busselle & Bilandzic, 2008, 259). In ihm wird das generelle Setting einer Geschichte festgehalten, also an welchem Ort und zu welcher Zeit eine Serie oder ein Film spielt. Aus dem story world model ergibt sich die story world logic, womit „a set of implicit constraints and rules” (Busselle & Bilandzic, 2008, 259) gemeint ist, die vorschreiben, was in dieser Welt möglich ist und was nicht. Call the Midwife beispielsweise spielt im Londoner East End der 1950er und 1960er Jahre, in einer Zeit also, in der Hausgeburten noch normal waren, es keine Ultraschallaufnahmen gab und die Hebammen per Bote oder von der Telefonzelle aus zur Geburt gerufen wurden. Ereignisse wie die Anfertigung von 3DAufnahmen eines Fötus oder die Hebamme per Handy über eingesetzte Wehen zu informieren, sind in diesem Setting undenkbar. Bei der Verarbeitung narrativer Inhalte gehen die Rezipierenden zunächst immer davon aus, dass die story world unserer realen Welt gleicht (Busselle & Bilandzic, 2008, 259; siehe auch Segal, 1995a). Tatsächlich kommt es aber häufig zu deutlichen Abweichungen, beispielsweise weil es sich bei dem zu rezipierenden Medieninhalt um eine Fantasy-Serie handelt und in der Serienwelt Figuren hexen und zaubern sowie Gegenstände sprechen und fliegen können. Die Zuschauerinnen und Zuschauer müssen dann erst einmal ihr ‚Weltbild‘ korrigieren. Zugleich sind sie damit beschäftigt, sicherzustellen, dass diese neue, so andere als die reale Welt in sich logisch aufgebaut ist (Busselle & Bilandzic, 2008, 259). Generell gilt dabei: „The more the story world varies from what we know, the more work we must to do construct it“ (Busselle & Bilandzic, 2008, 260). Auch wenn das story world model ganz entscheidend ist für das Verständnis einer Geschichte, so sind wir uns dieses doch in den wenigsten Fällen bewusst (Busselle & Bilandzic, 2008, 259). Erst wenn es zu einer Verletzung der story world logic kommt, beispielsweise weil in Call the Midwife eine Hebamme ein Handy zückt, um

4.2 Mentale Modelle

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ihre Kolleginnen als Unterstützung anzufordern, rufen wir uns die story world aktiv ins Gedächtnis und stellen fest, dass die Narration an dieser Stelle nicht konsistent ist. Characters model Im characters model sind die Identitäten und Persönlichkeitsmerkmale der Figuren abgebildet (Busselle & Bilandzic, 2008, 260). Wie auch beim story world model handelt es sich hierbei um ein konstantes Konstrukt, denn Charaktereigenschaften von Figuren bleiben normalerweise einen ganzen Film oder eine ganze Serie hindurch relativ gleich. Das soll nicht heißen, dass sich Figuren nicht weiterentwickeln können (Busselle & Bilandzic, 2008, 260), so gehen Serienfiguren im Zuge ihres Serienlebens diverse Beziehungen zu verschiedenen Figuren ein, womit zwangsweise Veränderungen in ihrer Lebenssituation eintreten. An ihrer grundsätzlichen Persönlichkeitsstruktur ändert sich jedoch nichts. Nehmen wir als Beispiel Rachel aus Friends: Zwar ist ihr Beziehungsstatus zu Ross als durchaus wechselhaft zu bezeichnen (ein Umstand, der im Situationsmodell abgebildet wird), sie selbst bleibt ihrer Person aber treu (mal abgesehen von den wechselnden Haarschnitten). Bei Quality TV-Serien dagegen, vor allem bei solchen, bei denen die Hauptfiguren einen grundlegenden Wandel durchmachen, wie Walter White aus Breaking Bad, sind im Verlauf der Zeit ein paar Anpassungen im characters model notwendig, womit letzteres auch weniger stabil sein dürfte. Bei der Verarbeitung von Figuren und deren Charaktereigenschaften kommt uns dabei einmal mehr unsere Vorerfahrung zugute (Busselle & Bilandzic, 2008, 260). Wenn wir als Zuschauerinnen und Zuschauer dem Mediziner William Masters zum ersten Mal in der Serie The Masters of Sex begegnen, dann werden wir seine Persönlichkeit und sein Handeln vor dem Hintergrund des Schemas bzw. Stereotyps ‚Wissenschaftler‘ interpretieren. Dies bedeutet nicht, dass unsere Sicht auf eine Person im Verlauf einer Geschichte nicht veränderbar wäre; zunächst geben uns Schemata

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4 Narratives Verstehen

oder Stereotype jedoch Orientierung bei der Informationsverarbeitung und erleichtern diese damit ungemein. Narratives Verstehen, das sollte aus den bisherigen Ausführungen deutlich geworden sein, ist ein hochkomplexer kognitiver Prozess. Er umfasst verschiedene Kognitionsbereiche wie die Wahrnehmung, den Arbeitsspeicher, das Langzeitgedächtnis und die Vorstellungskraft (Zwaan & Singer, 2003, 114). Nach diesem Kapitel sollten wir zudem einen Eindruck bekommen haben, aus welchen Komponenten ein Situationsmodell besteht. Allerdings geben die beiden in Kapitel 4.2.1 und 4.2.2 vorgestellten Modelle nur wenig Hinweise darauf, wie die einzelnen involvierten Kognitionsbereiche konkret ineinandergreifen und wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Deshalb sollen unsere Erkenntnisse, die wir aus den beiden bisherigen Modellen gewonnen haben, um einen weiteren Ansatz ergänzt werden, der das Zusammenspiel der verschiedenen involvierten Kognitionsbereiche genauer erläutert und darlegt, welche Auswirkungen dies auf die Informationsverarbeitung hat. Bei dem besagten Ansatz handelt es sich um das Limited Capacity Model of Mediated Message Processing von Annie Lang (2000, 2009), welches im Folgenden vorgestellt wird. 4.3

Limited Capacity Model of Mediated Message Processing

Lang (2000) entwickelte ihr Limited Capacity Model of Mediated Message Processing speziell zur Erklärung der Verarbeitung von Fernsehinhalten.38 Es ist datenabgeleitet und verknüpft kognitionspsychologische Ansätze der Informationsverarbeitung mit Fragen der massenmedialen Wirkungsforschung. In ihrem Aufsatz aus dem Jahr 2000, in dem sie erstmals das Modell als Ganzes skizziert, formuliert sie zwei Grundannahmen, auf welchen ihre weiteren 38

In einer späteren Publikation spricht Lang (2009, 193) davon, dass das Modell universal d. h. auf alle Medien, Inhalte, Situationen sowie Rezipientinnen und Rezipienten anwendbar sei.

4.3 Limited Capacity Model of Mediated Message Processing

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Überlegungen basieren: Der Mensch ist, erstens, ein „information processor“, dessen Informationsverarbeitungsfähigkeiten, zweitens, limitiert sind (Lang, 2000, 47). Da aber Informationen zu verarbeiten ein sehr ressourcenintensiver Prozess ist, stößt das menschliche Gehirn schnell an Grenzen: „You can think about one thing, or two, or maybe seven, at the same time, but eventually all your resources are being used, and the system cannot think yet another thing without letting a previous thought go“ (Lang, 2000, 47). Informationsverarbeitung versteht Lang (2009) dabei als „simultaneous, continuous, over time operation of at least (but not necessarily only) three basic subprocesses – encoding, storage, and retrieval“ (S. 194). Jeder dieser einzelnen Subprozesse erfordert ausreichend kognitive Kapazitäten, sollen die Informationen sorgfältig verarbeitet werden: „If, at a given moment, sufficient resources are available to allow the user to understand, encode, and store the message, it will be thoroughly processed. However, if any one of the subprocesses has insufficient resources to completely carry out its tasks, then performance on that task will suffer. This has been referred to as cognitive overload.“ (Lang, 2009, 197; Herv. i. O)

Zwei Szenarien sind wahrscheinlich, wenn es zu einem cognitive overload kommt (Lang, 2000, 50f): (1) Die Rezipierenden erteilen dem Fernsehinhalt nicht die Aufmerksamkeit, die für eine erfolgreiche Informationsverarbeitung erforderlich wäre. Beispielsweise werden neben dem Fernsehschauen noch andere Aufgaben erledigt, die ebenfalls kognitive Ressourcen beanspruchen, wie bügeln, Facebook checken, WhatsApp-Nachrichten beantworten. (2) Vorstellbar ist auch, dass der Fernsehinhalt die Rezipierenden überfordert, weil ihre kognitiven Fähigkeiten nicht ausreichen, um das Gesehene angemessen zu verarbeiten. Denken wir z. B. an Kinder, die mit einer Reportage über die Parteienfinanzierung in Deutschland oder einer komplexen Quality TV-Serie wie Borgen sicher wenig anzufangen wüssten. Das Fernsehen ist dabei, im Gegensatz zu einem Buch oder dem Radio, „made up of two streams of variably redundant infor-

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4 Narratives Verstehen

mation, one audio and one video“ (Lang, 2000, 51). Kontinuierlich fließen Informationen über den Bildschirm – seien sie inhaltlicher (z. B. Figur A und B sind nun ein Paar) oder struktureller Art (z. B. Kameraperspektiven) –, die verarbeitet werden müssen (Lang, 2000, 51). Während bei einem Buch das Lesetempo selbst bestimmt werden kann, ist in audiovisuellen Medien die Verarbeitungsgeschwindigkeit vorgegeben. Erst dank Aufnahmetechnik wie Video- oder DVD-Rekordern und non-linearen Medienangeboten wie DVDs und VoD-Streamingdiensten ist es theoretisch möglich, sich Szenen nochmal anzuschauen bzw. zurückzuspulen, falls man etwas verpasst oder nicht richtig verstanden haben sollte.

Abb. 3: Ltd. Capacity Model of Mediated Message Processing Quelle: eigene Darstellung

Die Haupterklärungskomponente in Langs Informationsverarbeitungsmodell sind jedoch die limitierten kognitiven Kapazitäten. Diese sind vor allem deshalb relevant, weil die drei für die Informationsverarbeitung notwendigen, mental aber aufwendigen Subprozesse simultan verlaufen. Da die Teilprozesse gleichzeitig und

4.3 Limited Capacity Model of Mediated Message Processing

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nicht nacheinander auftreten, müssen die nur begrenzt vorhandenen mentalen Ressourcen auf encoding, storage und retrieval aufgeteilt werden. encoding Encoding umfasst dabei alles von „getting the message out of the environment (i.e., off the page or off the screen) and into a person’s brain“ (Lang, 2000, 47). Entsprechend ist dieser Teilprozess in mehrere Subprozesse untergliedert: in (1) die Wahrnehmung und (2) Selektion von Informationen sowie in (3) die anschließende Bildung mentaler Repräsentationen. Damit Informationen in das zu bildende Situationsmodell integriert werden können, müssen sie zunächst von unseren Sinnesorganen wahrgenommen werden, in unserem Falle also von Augen und/oder Ohren. Die wahrgenommenen Informationen landen zuerst im sensory store, wo sie, falls sie nicht für die weitere Verarbeitung selektiert worden sind, nach wenigen Sekunden gelöscht werden (Lang, 2000, 48). Nur ein Bruchteil der Informationen, die wir hören oder sehen, gelangt in unser Arbeitsgedächtnis und wird so Bestandteil des mentalen Modells. Dies wirft die Frage auf, nach welchen Kriterien Informationen selektiert werden. Lang (2000, 48f) geht davon aus, dass der Selektionsprozess in der Regel automatisch und damit unbewusst abläuft und durch eine Orientierungsreaktion gesteuert wird. Informationen, die unser Gehirn auswählt und enkodiert, sind entweder solche, die der persönlichen Zielerreichung dienen, oder es handelt sich um neuartige, unerwartete, die Umwelt verändernde Informationen (Lang, 2000, 52). Wenn wir uns 60 Minuten lang einen Krimi ansehen, dann tun wir das, um herauszufinden, wer der Mörder ist bzw. wie es soweit kommen konnte. Entsprechend wird unser Kognitionsapparat auch alle Hinweise, die uns in Bezug auf die Frage „whodunit“ gegeben werden, wahrnehmen und verarbeiten. Beispiele für die zweite Kategorie sind ein plötzlicher lauter Ton oder schnelle Bewegungen sowie neue Figuren in der

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4 Narratives Verstehen

Handlung. Beide Informationstypen fungieren für das Gehirn als signal stimuli und lösen eine Orientierungsreaktion aus (Lang, 2000, 52f). Dies bedeutet nichts anderes, als dass das menschliche Gehirn dem Subprozess encoding reflexhaft kognitive Ressourcen zuteilt, um mentale Repräsentationen der selektierten Informationen bilden zu können. Somit erfolgt die Informationsselektion entweder „as a result of stimulus properties or in unconscious support of the conscious goals of the user” (Lang, 2009, 195). storage Storage dagegen beschreibt „the process of creating a long-term representation of the encoded information“ (Lang, 2009, 195). Es werden also die gerade enkodierten Informationen mit bereits im (Langzeit-)Gedächtnis abgespeicherten Informationen verknüpft. Im Ergebnis, d. h. nach diversen Speicherungsvorgängen, entsteht auf diese Weise ein dichtes „associative memory network“ (Lang, 2000, 49). Je mehr Verbindungen eine Information innerhalb des associative memory network aufweist, desto besser ist sie abgespeichert (Lang, 2000, 50). Da aber nicht für jeden Speicherungsvorgang gleich viele mentale Ressourcen aufgewendet werden (können) und manche Informationen generell weniger Anknüpfungspunkte aufweisen, ist nicht jede Information gleich stark im Gedächtnis verankert. Besonders gut abgespeichert werden emotionale Botschaften und Ereignisse. Lang (2000, 54, 61f) erklärt dies damit, dass emotionsauslösende Stimuli ebenfalls eine Orientierungsreaktion nach sich ziehen und zwar dahingehend, dass vermehrt kognitive Ressourcen für den Abspeicherungsvorgang zur Verfügung gestellt werden. retrieval Damit neue mit schon bekannten Informationen verknüpft werden können, müssen letztere während der Rezeption aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden. Dieser Vorgang wird retriev-

4.3 Limited Capacity Model of Mediated Message Processing

129

al genannt und meint „the process of searching the associative memory network for a specific piece of information and reactivating it in working memory“ (Lang, 2000, 50). Es ist dieser Verarbeitungsschritt, der entscheidend dafür ist, wie viele kognitive Ressourcen für die anderen beiden Subprozesse im Verlauf der Rezeption zur Verfügung stehen (Lang, 2000, 54, 63). Denn wenn das Gehirn viel Energie darauf verwenden muss, Informationen aus dem Langzeitgedächtnis zugänglich zu machen, bleiben weniger Kapazitäten für encoding und storage übrig. Während man also bei einem Nachrichtenbeitrag über die EU noch überlegt, was genau nochmal die im Beitrag erwähnte Montanunion war, prasseln bei einem flüchtigen Medium, wie es das Fernsehen eines ist, längst neue Informationen auf einen ein. Diese können nun im Zweifel nicht enkodiert werden, da man zu beschäftigt damit ist, sich an bereits bekannte und für das weitere Verständnis notwendige Informationen zu erinnern. Wie viele mentale Ressourcen für den Subprozess retrieval nötig sind, hängt dabei von zwei Faktoren ab: vom zu rezipierenden Inhalt und von der Verfügbarkeit des eventuell dafür benötigten Vorwissens (Lang, 2000, 54). Fernsehinhalte sind immer dann leicht zu verarbeiten, wenn die erfolgreiche Rezeption an keinerlei Vorwissen geknüpft ist. Nehmen wir als Beispiel einen Rosamunde Pilcher-Film: Weder muss man bisherige Filme der Pilcher-Reihe gesehen haben, noch sind Kenntnisse über das politische oder wirtschaftliche System Großbritanniens notwendig, um der Geschichte folgen zu können. Anders verhält es sich bei der Tagesschau: Hier ist ein regelmäßiges Verfolgen der Nachrichtenlage und ein gewisses Maß an Allgemeinbildung unabdingbar, sollen die Nachrichten verstanden werden. Auch Serien wie House of Cards oder Borgen lassen sich nur dann in Gänze nachvollziehen, wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer mit politischen Prozessen vertraut sind. Hinzu kommt, dass bei Fortsetzungsserien (und hierunter fallen Quality TV-Serien besonders oft) Vorwissen im Sinne von Kenntnissen über die bisherigen Serienereignisse notwendig sind, um ein kohärentes Situationsmodell aufbauen zu können. Bei

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4 Narratives Verstehen

klassischen Episodenserien hingegen, bei denen jede Folge inhaltlich wieder bei null anfängt, bedarf es keiner großen Vorkenntnisse, um die Episodenhandlung verstehen zu können. Entsprechend sind bei der Rezeption von Episodenserien deutlich weniger kognitive Ressourcen für den Subprozess retrieval von Nöten als bei Fortsetzungs- und hier vor allem bei Quality TV-Serien. Wenn zur erfolgreichen Rezeption eines Fernsehinhalts Vorwissen benötigt wird, dann ist entscheidend, wie leicht abrufbar und damit zugänglich bzw. kognitiv verfügbar selbiges für Rezipierende ist. Novizen, die wenig Vorwissen bezüglich eines Sachverhalts haben, kostet der Abruf der für das weitere Verständnis notwendigen Informationen deutlich mehr Energie als Personen, die sich bereits eingehend mit einer Thematik auseinandergesetzt haben (Lang, 2000, 54). Langs Annahme beruht dabei auf zwei kognitiven Effekten, ohne dass sie diese explizit erwähnen würde: dem frequency effect und dem recency effect. Ersterer beschreibt die empirische Beobachtung, dass Informationen immer dann leicht zugänglich sind, wenn wir ihnen häufig ausgesetzt sind (Wyer & Srull, 1989, 88f). Noch positiver wirkt es sich jedoch auf die Verfügbarkeit von Informationen aus, wenn es noch nicht so lange her ist, dass wir sie in unserem Gedächtnis abgespeichert oder zuletzt verwendet haben (Baddeley & Hitch, 1993; Ericsson & Kintsch, 1995; Wyer & Srull, 1989, 88f). Dieses Phänomen wird recency effect genannt. Wenn also, wie von Lang (2000) unterstellt, eine politisch interessierte Zuschauerin, die neben Fernsehnachrichten auch eine Tageszeitung liest und zudem noch Spiegel-Abonnentin ist, tagesaktuelle politische Ereignisse besser verarbeiten kann, als jemand, der sich selten damit auseinandersetzt und beim Zappen eher zufällig bei der Tagesschau-Ausgabe gelandet ist, dann hat das zwei Gründe: Erstens kommt unsere ‚Politikexpertin‘ häufiger mit politischen Informationen in Kontakt und zweitens liegt selbiger höchstwahrscheinlich noch nicht allzu weit in der Vergangenheit zurück. Wollen wir diese Erkenntnisse auf die Serienrezeption übertragen, bedeutet das: Jemand, der eine (Fortsetzungs-)Serie regelmäßig rezipiert, wird sie besser verstehen, als eine gelegentliche

4.4 Zwischenfazit

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Zuschauerin/ein gelegentlicher Zuschauer. Aus dem recency und frequency effect ergeben sich aber auch: Geschehnisse einer Folge, die wir gerade eben rezipiert haben, können wir leichter abrufen als Inhalte einer Episode, die eine, zwei oder noch mehr Wochen her sind. Und Personen, Ereignisse, etc., die regelmäßig und häufig in einer Serie thematisiert werden, sind kognitiv verfügbarer als solche, die nur gelegentlich Teil der Narration sind. Der Subprozess retrieval, wie er bisher beschrieben wurde, meint also den Abruf von im Gedächtnis abgespeicherten Informationen während der Rezeptionssituation. Neben diesem concurrent retrieval unterscheidet Lang (2000, 62f) noch das later retrieval, also den Abruf des complete models nach Ende der Rezeption. Wie viele Informationen dann abgerufen werden können, hängt u. a. davon ab, wie viele mentale Ressourcen den Subprozessen encoding und storage während der Rezeption zur Verfügung standen: „What a viewer remembers from a television message is the result of how much of the message was encoded, how well the encoded material was stored, and how much of the stored material is retrievable” (Lang, 2000, 56). Konnten viele Informationen enkodiert und gespeichert werden, weil wenig Ressourcen benötigt wurden, um auf im Gedächtnis abgespeicherte Informationen zuzugreifen, wirkt sich das folglich positiv auf den Umfang und die Detailgenauigkeit des complete model aus. 4.4

Zwischenfazit

Aus einem Plot, also einer Aneinanderreihung von Szenen, ‚schlau zu werden‘ und daraus eine sinnvolle Geschichte zu konstruieren, ist anstrengend. Es ist deshalb anstrengend, weil uns Menschen nur begrenzte kognitive Kapazitäten für die Informationsverarbeitung zur Verfügung stehen. Insgesamt sind drei simultan verlaufende und um kognitive Ressourcen konkurrierende Subprozesse (encoding, storage, retrieval) am Aufbau eines kohärenten, widerspruchsfreien Situationsmodells – dem Herzstück Narrativen Verstehens – beteiligt. Ein Situationsmodell ist die mentale Repräsenta-

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4 Narratives Verstehen

tion der in einer Narration geschilderten Ereignisse und eine notwendige Verarbeitungsstufe, wenn das Erzählte verstanden werden soll. Die Informationsselektion, also die Entscheidung, welche inhaltlichen und formalen Informationen Eingang in das mentale Modell finden, erfolgt weitgehend automatisiert. Auslöser sind sogenannte Signalstimuli, also neuartige Reize. Im Kontext von Narrationen sind damit z. B. Änderungen in der Geschichte gemeint, die eine Indexaktualisierung nach sich ziehen. Denn narrative Ereignisse, die im Mittelpunkt eines Situationsmodells stehen, werden anhand mindestens folgender fünf Dimensionen verarbeitet: Raum und Zeit des Geschehens, Ursache des Ereignisses, am Geschehen beteiligte Personen sowie deren Ziele. Für jede dieser Dimensionen wird ein eigener Index angelegt, welcher den aktuellen Stand der Geschichte widerspiegelt. Immer wenn es auf einer dieser Dimensionen zu Veränderungen kommt, findet dies im Situationsmodell – in Form eines Index-Updates – seine Abbildung. Was aber sind potenzielle Hindernisse beim Aufbau eines kohärenten Situationsmodells? Was erschwert das Verständnis einer Narration? Medieninhalte sind grundsätzlich immer dann schwerer zu verarbeiten, wenn sie Vorwissen voraussetzen. Aber auch, wenn sie viele narrative Diskontinuitäten aufweisen, z. B. weil sie ständig zwischen verschiedenen Zeitebenen wechseln oder die Geschichte aus Sicht verschiedener Figuren präsentieren, macht das die Verarbeitung schwieriger. Schließlich muss jedes Mal der Index upgedatet werden. Beides – Vorwissen und Diskontinuitäten – sind typisch für Quality TV, handelt es sich bei letzterem doch überwiegend um Formate, die in Fortsetzung erzählt werden, und die sich häufig durch eine achronologische und/oder multiperspektivische Erzählweise auszeichnen. Quality TV ist also alles andere als leicht zu verarbeiten. Es stellt, leicht überspitzt formuliert, eine Herkulesaufgabe für den menschlichen Kognitionsapparat dar. Zu zusätzlichen Schwierigkeiten kommt es, wenn Erzählungen narrativ inkonsistent sind. Ursache hierfür können zum einen handwerkliche Fehler sein, indem z. B. ein offensichtlicher Widerspruch zwischen der in einer Narration skizzierten story world und einzelnen

4.4 Zwischenfazit

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narrativen Ereignissen besteht. Eine Geschichte kann aber auch dann unlogisch werden, wenn aufgrund eines Kapazitätenengpasses, meist dadurch verursacht, dass der Subprozess retrieval zu viel Energie beansprucht, wichtige Informationen nicht enkodiert worden sind. Die Konsequenz ist jeweils die gleiche: Die einzelnen Ereignisse lassen sich nicht mehr widerspruchsfrei aufeinander beziehen. Auf handwerkliche Fehler können Rezipierende keinen Einfluss nehmen, wohl aber auf die kognitive Ressourcenverteilung. Entscheidend bei der Verarbeitung neuer Informationen ist, wie schnell auf die bereits im Gedächtnis abgespeicherten alten Informationen zurückgegriffen werden kann, die für das weitere Verständnis notwendig sind. Sind diese kognitiv leicht verfügbar, bleiben mehr Ressourcen für die anderen beiden Subprozesse, encoding und storage, übrig. Einfach zugänglich sind Informationen immer dann, wenn sie erst vor kurzem dem Gedächtnis hinzugefügt worden sind. Denn unser Gedächtnis funktioniert nach dem recencyPrinzip, d. h. wir erinnern uns besser an das, was gerade eben passiert ist, als an das, was vor einer Woche war. Zwar mag es einzelne Serienereignisse geben, die uns aufgrund ihrer Dramatik selbst Wochen später noch sehr präsent sind. Die Sache mit Quality TV aber ist: Man weiß nicht, welche Information später wichtig werden wird. Häufig sind es die Details und damit nicht das Offensichtliche, das von großer Bedeutung für das Verständnis zukünftiger Folgen ist. Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus nun für die kumulierte Serienrezeption ziehen? Serien am Stück zu konsumieren müsste eine leichtere und effektivere Informationsverarbeitung ermöglichen, schließlich können sich dadurch der recency effect und die damit einhergehenden Verarbeitungsvorteile zu Eigen gemacht werden. Wurde gerade eben eine Episode gesehen und direkt im Anschluss eine weitere, befindet sich das zu konstruierende Situationsmodell noch im Arbeitsgedächtnis. Oder mit den Worten von Zwaan und Kollegen ausgedrückt: Hier wird noch am integrated model gebaut. Weil Informationen im Arbeitsgedächtnis kognitiv

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4 Narratives Verstehen

verfügbarer sind als im Langzeitgedächtnis, sollte der Subprozess retrieval beim kumulierten Sehen verhältnismäßig wenig kognitive Ressourcen beanspruchen. Fällt der Rückgriff auf bereits abgespeicherte Informationen leicht, hat das folgende Auswirkungen auf die weitere Informationsverarbeitung: Die vom Subprozess retrieval nicht beanspruchten Kapazitäten stehen dem encoding zur Verfügung: Das Mehr an kognitiven Ressourcen führt dazu, dass die Rezipierenden mehr Informationen wahrnehmen, selektieren und in das Situationsmodell integrieren können, sodass am Ende ein komplexeres complete model entsteht. Über ein umfassenderes Situationsmodell zu verfügen bedeutet auch, dass mehr Anknüpfungspunkte für die Integration neuer Informationen bestehen. Dies hat zur Folge, dass die in einer Narration enthaltenen Ereignisse besser abgespeichert werden können, weil sie – aufgrund der vielen Anknüpfungspunkte – gut im associative memory network vernetzt sind. Wenn die obligatorische Konstruktion des Situationsmodells dank eines hohen Rezeptionsrhythmus mühelos erfolgt, dann sollte sich das auch positiv auf die anderen, optionalen Verarbeitungsschritte auswirken: Es müssten nun noch mentale Reserven vorhanden sein, um über den Tieferen Sinn einer Geschichte nachdenken oder auf dramaturgische und stilistische Mittel achten zu können. Bei Quality TV sind diese beiden Verarbeitungsstufen, wie wir aus Kapitel 3 wissen, noch dazu besonders lohnenswert. Denn bei diesen Formaten ist das mise-en-scène mindestens genauso wichtig wie die Handlung selbst. Es fügt der Narration eine weitere Bedeutungsebene hinzu und erhöht den Rezeptionsgenuss. Nun ist es aber nicht so, dass sich nur das Nachdenken über den Tieferen Sinn einer Geschichte oder die Würdigung der Ästhetik einer Serie positiv auf den Rezeptionsgenuss der Rezipierenden auswirkt. Auch für medienpsychologische Konstrukte wie Empathie, Parasoziale Interaktionen und Immersion stellt Verstehen – hier aber im Sinne eines kohärent aufgebauten Situationsmodells – eine entscheidende Voraussetzung dar. Genau daran soll im nächsten Kapitel angeknüpft werden.

5

Narratives Erleben

Aufbauend auf Kapitel 4, wird in den nachfolgenden Abschnitten die zweite analytische Grundlage der empirischen Arbeit diskutiert, das Narrative Erleben. Die Bedeutung einer Narration, so viel wissen wir nun aus dem vorangegangenen Kapitel, muss von den Rezipierenden selbstständig entschlüsselt werden. Dies bleibt nicht folgenlos für das Erleben, das die Zuschauenden während der Rezeption haben, denn „[v]om Ergebnis dieses Rekonstruktionsprozesses hängt ab, was das Angebot mit dem Zuschauer machen kann“ (Charlton & Borcsa, 1997, 254; Herv. i. O). In anderen Worten: Medieninhalte können nur dann ihre Wirkung entfalten und sich positiv auf das Narrative Erleben auswirken, wenn die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Geschehnissen einer Geschichte halbwegs verstanden wurden und wenn auf die verschiedenen Bedeutungsebenen einer Narration geachtet wurde. Narratives Erleben wird in dieser Arbeit definiert als die Summe der affektiv-kognitiven Erfahrungen, die Rezipierende im Zuge der Rezeption eines Medieninhalts und als Folge der Informationsverarbeitung machen. Vom Narrativen Erleben hängt ab, ob Rezeptionsgenuss entsteht und ob Rezipierende motiviert sind, die Rezeption fortzusetzen. Entsprechend sind diese beiden Punkte auch dem Hauptkapitel ‚Narratives Erleben‘ zugeordnet, auch wenn sie im Rezeptionsprozess vermutlich erst nachgelagert erfolgen. Zunächst sollen die während der Rezeption einer Erzählung möglichen Erfahrungen mithilfe des Konzepts der Rezeptionsmodi systematisiert werden. Anschließend werden die einzelnen Modi mit ihren dazugehörigen medienpsychologischen Konstrukten (Empathie, Parasoziale Interaktionen, Immersives Erleben, Ästhetisches Erleben, Appreciation) ausführlich vorgestellt. Im Anschluss daran werden die Begriffe Rezeptionsgenuss sowie Rezeptionsmotivation genauer definiert und in Bezug zum Narrativen Erleben gesetzt. Ein kurzes Zwischenfazit schließt auch dieses Kapitel wieder ab. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Czichon, Kumulierte Serienrezeption, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26842-8_5

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5.1

5 Narratives Erleben

Rezeptionsmodi

Wollen wir die Erfahrungen, welche Rezipierende während der Rezeption machen, systematisieren, bietet sich die Dichotomiethese, wie sie Vorderer (1992) beschreibt, an: Er unterscheidet bei der Rezeption filmischer Erzählungen im Fernsehen zwischen einer involvierten und der analysierenden Rezeption. Unter ersterer Rezeptionsweise versteht er diejenige Rezeptionshaltung, „bei der die Rezipienten kognitiv und emotional derart in das fiktive Geschehen (…) involviert werden, daß sie sich der Rezeptionssituation selbst nicht mehr bewußt sind, sondern quasi im Wahrgenommenen ‚mitleben‘.“ (S. 83)

Mit dem Begriff analysierende Rezeption beschreibt er dagegen „eine distanzierte Haltung gegenüber dem fiktiven (hier: filmischen) Geschehen (…), aus der heraus die Fernsehzuschauer als (an diesem Geschehen weitgehend unbeteiligte) Beobachter am Aufbau des Films, an den Schauspielern und am Drehort und insbesondere an bestimmten – vom Film angesprochenen – Themen interessiert sind.“ (Vorderer, 1992, 83)

Die Art und Weise, wie etwas rezipiert wird, soll im Folgenden Rezeptionsmodus genannt werden. Befinden sich die Rezipierenden nun also im analysierenden Modus, „denken [sie] über, nicht aber (wie bei der ‚involvierten Rezeption‘) in dem Film“ (Vorderer, 1992, 83; Herv. i. O.). Damit wendet Vorderer (1992) eine Unterscheidung an, die so schon Rapp (1973, 75ff) im Hinblick auf die Rezeption von Theaterstücken getroffen hatte. Letzterer differenziert zwischen den Begriffen Illusion und In-lusion: Im Zustand der Illusion leben die Theaterzuschauerinnen und -zuschauer mit den Figuren regelrecht mit, d. h. das Publikum wird emotional so stark mitgerissen, dass es das Dargestellte wie das reale Alltagsgeschehen erlebt. In der inlusiven Rezeptionshaltung hingegen distanzieren sich die Rezipierenden von den Ereignissen der Geschichte und konzentrieren sich vielmehr auf die Darbietungsweise. Hier wird das „Spiel als Spiel“ (Rapp, 1973, 76; Herv. i. O.) genossen.

5.1 Rezeptionsmodi

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Diese Differenzierung findet sich später auch bei Charlton und Borcsa (1997) wieder, wobei die beiden betonen, dass Rezipierende selbst in der in-lusiven Haltung in den Medieninhalt involviert seien. Dass ihr Einwand durchaus berechtigt ist, zeigt ihre Definition von Involvement: Sie verstehen darunter den Grad der inneren Beteiligung am Mediengeschehen und betrachten Illusion und In-lusion deshalb als zwei Formen von Involvement (Charlton & Borcsa, 1997, 255f). Ähnlich argumentieren auch Suckfüll und Scharkow (2009). Sie sind genauso wie Charlton und Borcsa (1997) der Ansicht, dass Rezipierende selbst im analysierenden Modus involviert sein können, dann aber eher bezüglich formaler Gestaltungsmerkmale. Als Beispiel nennen sie einen Fan, der ein großer Bewunderer eines Regisseurs ist. Jene Person wird vermutlich in der Analyse der Machart des neuestens Werks des Regisseurs völlig aufgehen, also involviert sein (Suckfüll & Scharkow, 2009, 366). Der Auffassung, dass das Nachdenken über die einer Geschichte zugrundeliegenden Themen und das Reflektieren über formale Merkmale auch eine starke innere Beschäftigung mit dem Medieninhalt ausdrückt, soll in dieser Arbeit nicht widersprochen werden. Wenn aber im Folgenden trotzdem an den Begrifflichkeiten von Vorderer (1992) festgehalten wird, dann geschieht dies deshalb, um deutlich zu machen, dass die Rezipierenden im involvierten Modus derart stark in die narrativen Geschehnisse eintauchen, dass sie die Figuren als reale Personen erleben. Es handelt sich also um eine spezifische Erfahrungssituation, „bei der es möglich ist, vorübergehend ‚kognitiv-emotional aus der Realität auszubrechen‘, um dabei (spielerisch) ‚Quasi‘- bzw. ‚stellvertretende Erfahrungen‘ zu machen“ (Vorderer, 1992, 84). Im analysierenden Modus dagegen wird der Medieninhalt vor allem als ästhetisches Konstrukt wahrgenommen und als ein solches genossen (Vorderer, 1992, 80). Einigkeit herrscht darin, dass die Rezipierenden innerhalb einer Rezeptionssituation zwischen den Rezeptionsmodi hin- und herwechseln, und zwar je nach Medieninhalt und Person unterschiedlich oft (Charlton & Borcsa, 1997; Rapp, 1973; Suckfüll

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5 Narratives Erleben

& Scharkow, 2009; Vorderer, 1992). Das Fernsehpublikum fiebert also streckenweise stark mit ihren Lieblingsfiguren und deren Schicksalen mit, in anderen Momenten wiederum ist es eher distanziert gegenüber den Geschehnissen und konzentriert sich ganz auf die Analyse z. B. formaler Merkmale. Vorderer (1992, 266ff) kommt im Rahmen seiner empirischen Untersuchung sogar zu dem Ergebnis, dass die Rezipierenden in ein- und demselben Moment sowohl große Anteilnahme am narrativen Geschehen verspüren (rezeptionsbegleitende Beantwortung der Frage „Wie sehr leben Sie gerade im Film ‚mit‘?“) als auch über den Film als solches nachdenken können (rezeptionsbegleitende Beantwortung der Frage „Wie intensiv denken Sie gerade über den Film nach?“). 5.1.1

Involvierte Rezeption

Die Kommunikationswissenschaft kennt gleich mehrere Ansätze, die die starke emotionale Verbundenheit zwischen den Rezipierenden und einem Medieninhalt respektive den darin vorkommenden Medienfiguren erklären wollen. Brown (2015) listet beispielsweise in seinem Aufsatz zum Thema audience involvement die Konstrukte Transportation, Parasoziale Interaktion/Parasoziale Beziehungen, Identifikation und Worship auf. Aber nur das erstgenannte Konstrukt, welches sich auch unter dem Begriff Immersives Erleben erfassen lässt, und in Teilen das zweitgenannte thematisieren das Involviertsein im Moment der Rezeption. Die anderen, zumindest wie Brown (2015) sie in seinem Pfadmodell skizziert, beziehen sich auf die enge Verbundenheit zwischen Rezipierenden und Medienfiguren über die eigentliche Rezeptionssituation hinaus. Uns aber interessiert das emotionale Mitleben mit dem Dargestellten, weshalb wir uns im Folgenden auf die Konstrukte (1) Empathie mit Medienpersonen, (2) Parasoziale Interaktionen mit Medienfiguren und (3) Immersionserleben konzentrieren wollen. Während erstere beiden Konstrukte Involvementprozesse mit einer spezifischen Medienperson beschreiben, bezieht sich letzteres auf das Involviertsein in einen

5.1 Rezeptionsmodi

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narrativen Medieninhalt als Ganzes (Moyer-Gusé, 2008; Tukachinsky & O'Connor, 2017, 818).39 5.1.1.1

Empathie mit Medienpersonen

Warum sind wir traurig, wenn einer Serienfigur ein Schicksalsschlag widerfährt? Und warum sind wir glücklich, wenn der Filmprotagonist endlich seine große Liebe heiraten darf? Offensichtlich löst die Beobachtung von Gefühlen Emotionen in uns aus. Verantwortlich hierfür ist das psychologische Konstrukt der Empathie. Umgangssprachlich als Einfühlungsvermögen bezeichnet, beschreibt es die Fähigkeit des Menschen, sich in andere Personen hineindenken zu können und mit ihnen mitzufühlen (z. B. Döring, 2013, 297; Wünsch, 2014, 223). Aus dieser Definition lässt sich bereits ableiten, dass in dieser Arbeit von einer tragenden Rolle kognitiver Prozesse und hier speziell der Perspektivübernahme bei der Entstehung von Empathie ausgegangen wird. Tatsächlich existieren aber zwei sehr unterschiedliche Erklärungsansätze darüber, wie Empathie entsteht (Nathanson, 2012, 114ff). Die einen (z. B. Berger, 1962) konzeptualisieren Empathie als eine erlernte Reaktion, die sich im Verlauf der Zeit herausbildet. Verfechterinnen und Verfechter dieser Tradition gehen davon aus, dass bestimmte kognitive Fähigkeiten und ein gewisses Maß an Lebenserfahrung notwendig sind, damit es zu Empathie kommen kann. So können beispielsweise Kleinkinder ihrer Ansicht nach keine empathischen Reaktionen zeigen, weil sie kognitiv noch nicht in der Lage sind, sich gedanklich in andere Personen hineinzuversetzen. Ihnen fehle die entsprechende Fähig39

Damit sollte auch deutlich geworden sein, dass Involvement in dieser Arbeit nicht, wie es das Ursprungskonzept von Krugman (1965, 1966) vorsieht, als intervenierende Variable (Involvement = persönliche Relevanz eines Themas) betrachtet wird, sondern als Wirkung, die ein Medieninhalt auf Rezipierende hat (zu den verschiedenen Verwendungen des InvolvementBegriffs in der Kommunikationswissenschaft sei auf Suckfüll (2004), Suckfüll und Scharkow (2009) bzw. Tukachinsky und O'Connor (2017) verwiesen).

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5 Narratives Erleben

keit, zwischen sich selbst und anderen differenzieren zu können. Andere Autorinnen und Autoren (z. B. Hatfield, Cacioppo, & Rapson, 1993) betrachten Empathie dagegen als eine automatische, primitive und ungelernte Reaktion. Empathie ist nach diesem Verständnis nicht mehr als mimicry: Wir ahmen die Mimik einer beobachteten Person nach und lassen uns lediglich von ihren Gefühlen anstecken. Als klassisches Beispiel werden weinende Babys auf einer Neugeborenen-Station im Krankenhaus angeführt: Wenn eines anfängt zu schreien, stimmen die anderen automatisch ein. Sozialpsychologisch betrachtet stellt Empathie die Voraussetzung für prosoziales, solidarisches Verhalten dar: Empfinden wir mit einer in Not geratenen Person empathisch mit, erhöht das unsere Bereitschaft, dieser Person selbstlos zu helfen (Wünsch, 2014, 224). Denken wir an eine alte Frau, die beim Überqueren der Straße stürzt und sich verletzt: Der Dame aufzuhelfen und den Rettungswagen zu rufen hat keinen unmittelbaren Vorteil für uns. Weil wir uns aber in ihre Lage versetzen und ihre Verzweiflung nachfühlen können, helfen wir. Die Emotionen anderer wahrnehmen zu können, ergibt dabei aus evolutionärer Perspektive in zweierlei Hinsicht Sinn: Zum einen dient es dem Erhalt der eigenen Spezies (Wünsch, 2014, 224). Zum anderen lassen sich auf diese Weise die Absichten der Mitmenschen besser einschätzen, d. h. wir wissen, ob uns Gefahr droht und wir deshalb lieber verschwinden sollten oder ob uns das Gegenüber wohlgesinnt ist (Früh & Wünsch, 2009, 193). Empathie ist also ein psychologischer Mechanismus, dem wir im Alltag ständig ausgesetzt sind, und der auch in medial vermittelten Situationen greift. Zillmann (1980, 1991; Zillmann & Cantor, 1977) führte das psychologische Konstrukt Empathie in die Kommunikationswissenschaft ein, um damit starke affektive Reaktionen während der Rezeption zu erklären. Ihm zufolge bedarf es einer positiven affektiven Disposition gegenüber einer Figur – sie muss einem also sympathisch sein –, damit wir mit ihr hoffen und bangen. Mitfühlen ohne Sympathie funktioniere nicht, denn ansonsten entstehe nicht Empathie, sondern Counterempathie. Ob wir

5.1 Rezeptionsmodi

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eine Protagonistin sympathisch finden oder nicht, hängt dabei, so Zillmann (1980, 1991) davon ab, ob sie sich moralisch korrekt verhält oder nicht. Dass Empathie auch in medial vermittelten Situationen entsteht, gilt nicht zuletzt dank Zillmanns zahlreichen Studien als empirisch gut belegt. Nichtsdestotrotz macht es einen Unterschied, ob wir mit Medienpersonen mitleiden oder mit Personen, denen wir in realen Situationen begegnen. So konnten Früh und Wünsch (2009, 203ff) zeigen, dass empathische Reaktionen bei der Mediennutzung geringer ausfallen als gegenüber direkt wahrgenommenen Personen im Alltag. Davon aber abgesehen weisen Empathie und Medienempathie starke strukturelle Ähnlichkeiten auf. Dies gilt insbesondere für die verschiedenen Komponenten, aus denen sich die beiden Konstrukte zusammensetzen. Empathiekomponenten Empathie ist ein mehrdimensionales Konstrukt. Gängig ist die Differenzierung in kognitive und affektive Empathie (z. B. Davis, 1996; Döring, 2013; Nathanson, 2012; Wünsch, 2014). Ersteres beschreibt die Fähigkeit des Menschen, die Gefühle anderer wahrzunehmen und sich gedanklich in deren Lage hineinversetzen zu können. Entscheidend hierbei ist der Prozess der Perspektivübernahme, was nichts anderes meint, als die Welt kurzfristig mit den Augen einer anderen Person zu betrachten und zu überlegen, welche Gefühle, Gedanken, Ziele, etc. die andere Person in der betreffenden Situation haben könnte. Hier wird Empathie also als ein analytischer, rationaler Prozess verstanden (Davis, 1996; Wünsch, 2014, 225), der die mentale Repräsentation der beobachteten Geschehnisse voraussetzt. Nur so lässt sich für Rezipierende die Situation des Gegenübers internal nachvollziehen. Ist dagegen von affektiver Empathie die Rede, steht das emotionale Erleben im Mittelpunkt der Betrachtungen. Damit sind die affektiven Reaktionen gemeint, die in einem selbst durch die Beobachtung von Gefühlen anderer ausgelöst werden. Im Unterschied zur automatischen

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5 Narratives Erleben

Emotionsansteckung spielen bei der affektiven Empathie, wie sie im Rahmen dieser Arbeit verstanden wird, auch Bewertungsprozesse eine Rolle (Döring, 2013, 297). Immer dann, wenn uns Personen bzw. Figuren nahestehen oder wir sie sympathisch finden – sie also positiv bewerten –, gleicht unser emotionales Erleben dem der beobachteten Person. Negative Bewertungen führen dagegen zu schon erwähnter Counterempathie und damit zu komplementären Emotionen wie z. B. Schadenfreude. Wurden affektive und kognitive Empathie lange Zeit als zwei unterschiedliche Phänomene betrachtet (Davis, 1996, 9ff), ist es mittlerweile wissenschaftlicher Konsens, dass die beiden Komponenten eng miteinander verbunden sind (u. a. Davis, 1996; Shen, 2010; Wünsch, 2014): Denn „shared affect without shared cognition would mean little more than mimicry. Similarly, shared cognition without shared affect would be sympathy, instead of empathy” (Shen, 2010, 507). Es wird also davon ausgegangen, dass es erst zu einer Perspektivübernahme kommen muss und in der Folge können dann bei der Beobachterin/beim Beobachter kongruente Emotionen zu dem beobachteten Gefühlszustand entstehen. Wenn zwischen affektiver und kognitiver Empathie unterschieden wird, dann deshalb, weil dies eine unterschiedliche Gewichtung der Subprozesse erlaubt (Wünsch, 2014, 226). Bei der kognitiven Empathie steht der Subprozess der Perspektivübernahme im Vordergrund. Wird dagegen die affektive Empathie diskutiert, liegt der Fokus der Betrachtungen klar auf der Emotionsgenese. Shen (2010, 507) unterscheidet darüber hinaus noch eine weitere Dimension von Medienempathie, die er assoziative Empathie nennt. Damit beschreibt er eine spezifische Form empathischer Prozesse (Wünsch, 2014, 235), die auch besser bekannt ist unter dem Namen ‚Identifikation‘. Cohen (2006) definiert letzteres Rezeptionsphänomen wie folgt: „Identification with media characters is an imaginative process that is evoked as a response to characters presented in mediated texts. Mediated texts construct worlds in which characters are seen to operate. Viewers often respond to such texts by feeling as if they are part of these fictional worlds, and are experiencing the

5.1 Rezeptionsmodi

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events occurring in them from within the text. Identifying with a character means feeling an affinity toward the character that is so strong that we become absorbed in the text and come to an empathic understanding for the feelings the character experiences, and for his or her motives and goals. We experience what happens to the characters as if it happens to us while, momentarily at least, forgetting ourselves as audience members, and this intensives our viewing experience.” (S. 184)

Für die Dauer der Rezeption oder zumindest für einen kleinen Moment tritt das Bewusstsein um die mediale Vermitteltheit der Situation und die eigene Identität in den Hintergrund (Wünsch, 2014, 234). Ob es dabei zu einer Verschmelzung zwischen beiden Identitäten kommt – also zwischen der des Rezipierenden und der Medienfigur –, bleibt strittig. Zillmann (1980, 1996) argumentiert dagegen und führt als Begründung an, dass die Rezipierenden in aller Regel einen Wissensvorsprung gegenüber den Protagonistinnen und Protagonisten besitzen. Als Beispiel benennt er die Rezeption eines Westernfilms, in der die Helden gerade gut gelaunt in die Stadt hineinreiten und – im Gegensatz zu den Zuschauerinnen und Zuschauern – völlig ahnungslos sind, dass hinter den Salontüren bewaffnete Banditen lauern. Würden die Rezipierenden wirklich vorübergehend die Identität der Protagonisten annehmen, müssten sie in diesem Moment so fröhlich sein wie die Cowboys selbst. Viel wahrscheinlicher sei aber, dass sie Angst um die Sicherheit ihrer Lieblingsfiguren haben. Das wiederum sei ein eindeutiges Indiz dafür, dass die Rezipierenden über ein Restbewusstsein ihrer eigenen Identität verfügen und es zu keiner vollkommenen Verschmelzung der Identitäten gekommen ist. Cohen (2001) ist hier ganz anderer Ansicht: Er geht davon aus, „while identifying with a character, an audience member imagines him- or herself being that character and replaces his or her personal identity and role as audience member with the identity and role of the character within the text.” (Cohen, 2001, 250f)

Bisher haben wir Empathie immer als Voraussetzung für die Realisierung einer kongruenten Emotion in einer spezifischen Situation verstanden. Dies wird auch als situative Empathie (im Engl. state em-

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5 Narratives Erleben

pathy) bezeichnet (Davis, 1996; Döring, 2013; Wünsch, 2014). Davon zu unterscheiden ist die dispositionale Empathie bzw. trait empathy. Sie beschreibt die allgemeine bzw. situationsunabhängige Tendenz einer Person, mit anderen Menschen bzw. Figuren eher stärker oder schwächer empathisch mitzuempfinden. Empathiebeeinflussende Faktoren Die Empathiefähigkeit eines Menschen, also das Persönlichkeitsmerkmal Empathie, ist eine wichtige Mediatorvariable bei der Entstehung von situativer Empathie (Döring, 2013, 297). Als relevante Einflussgröße gilt in diesem Zusammenhang auch das Geschlecht: Frauen sind (medien-)empathischer als Männer (Früh & Wünsch, 2009, 209). Entscheidend sind aber nicht nur Personenmerkmale, sondern es kommt auch auf die spezifische Konstellation zwischen Beobachter und Beobachtendem an (Wünsch, 2014, 224): Aus jahrzehntelanger sozialpsychologischer Forschung ist bekannt (siehe hierzu im Überblick Preston & de Waal, 2002, 3), dass empathische Reaktionen dann stärker ausfallen, wenn eine hohe Vertrautheit mit dem empathieauslösenden ‚Objekt‘ vorliegt. Kommen wir deshalb nochmal auf unser Beispiel mit der älteren Dame, die gestürzt ist, zurück: Handelt es sich bei besagter Person um unsere Großmutter, wird das deutlich stärkere emotionale Reaktionen in uns hervorrufen, als wenn es eine uns unbekannte, nicht nahestehende Person gewesen wäre. Und bezogen auf die Medienrezeption lässt sich ableiten: Mit einer Figur, die wir allabendlich zu Besuch in unserem Wohnzimmer haben, werden wir stärker mitfiebern, als mit Protagonistinnen und Protagonisten, denen wir nur gelegentlich begegnen. Weiterhin wirkt es sich begünstigend aus, wenn die beobachtete Person hohe Ähnlichkeit mit dem Beobachtenden hat, also wenn sich die beiden beispielsweise hinsichtlich Alter, Geschlecht oder Charakter gleichen. Darüber hinaus ist es von Vorteil, wenn die emotionsauslösende Situation eine hohe Salienz besitzt. Besonders hervorgehoben sind Situationen z. B.

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immer dann, wenn sie mit einer hohen Lautstärke einhergehen, in unmittelbarer Nähe geschehen oder wenn sie realistisch dargestellt sind. Zudem steigt das Empathieempfinden, wenn die beobachtende Person bereits ähnliche Erfahrungen gemacht hat, wenn sie also die beobachtete Situation selbst schon einmal erlebt hat. Strittig ist jedoch, ob es sich dabei um identische Erfahrungen handeln muss. Können wir die Gefühle, welche mit der Geburt eines Babys einhergehen, wirklich nur dann nachempfinden, wenn wir selbst schon einmal ein Kind entbunden haben? Eine Studie von Sapolsky und Zillmann (1978) kam zu dem Ergebnis, dass die Rezipierenden, die selbst schon eine Geburt miterlebt hatten, zwar bei der filmischen Darstellung einer gebärenden Frau eine höhere Herzfrequenz aufwiesen, sie aber emotional nicht stärker auf die Protagonistin reagierten als die Rezipierenden ohne identische Vorerfahrung. Zillmann (1991) folgert deshalb in einer späteren Publikation, dass es sich nicht um identische Erfahrungen handeln muss, sondern es würde bereits ausreichen, wenn wir nur ähnliche Situationen erlebt haben, auf die wir das Dargestellte beziehen können. Nathanson (2012) geht sogar noch einen Schritt weiter und argumentiert, dass man lediglich die beobachtete Emotion schon einmal erlebt haben muss, nicht aber die Situation: „It seems (…) that having experience with these basic emotions, rather than experience with the situation or related situations, is the most important element of prior experience. Reducing prior experience to this more basic level implies that all empathic responses are likely once individuals have accumulated enough life experiences to have felt all basic emotions and combinations of them.” (S. 118)

Entsprechend betrachtet sie die Lebenserfahrung und damit automatisch auch das Alter als wichtige Determinante für empathische Reaktionen. Bezogen auf medial vermittelte Situationen ist zudem ausschlaggebend, wie plausibel und authentisch das Dargestellte erscheint (Shen, 2010, 508). Wird eine Situation oder eine Story als wenig plausibel wahrgenommen – ist die Geschichte z. B. an den Haaren herbeigezogen oder ist sie narrativ inkonsistent –, wirkt

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5 Narratives Erleben

sich das negativ auf das Mitdenken und Mitfühlen mit den Medienpersonen aus. Gleiches gilt, wenn Schauspielerinnen und Schauspieler Gefühle nicht glaubhaft vermitteln können. Denn entscheidend für Zuschauerinnen und Zuschauer ist, wie Ang (1986, 57) im Rahmen ihrer Rezeptionsstudie zur TV-Serie Dallas zeigen konnte, der emotionale Realismus, also ob das Dargestellte emotional glaubwürdig ist. Ob Geschichten hingegen nur erfunden sind, hat – das legen auch andere Studien nahe (z. B. Busselle & Bilandzic, 2009; Green & Brock, 2000) – wenig Einfluss auf das Ausmaß an Involvement. Als Erklärung hierfür kann das aus der Literaturtheorie stammende Konstrukt suspension of disbelief herangezogen werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass Rezipierende fiktionale Inhalte nur dann genießen können, wenn sie „external stimuli and internal cognitions that (might) distract from the enjoyment of the mediated story and environment“ (Wirth et al., 2007, 513f) ausblenden können. Rezipierende stellen die Welt, die ihnen in Büchern, Filmen, Serien usw. präsentiert wird, mag sie auch noch so fantastisch und surreal sein, so lange nicht in Frage, so lange sie narrativ konsistent und in sich logisch ist. Entsprechend akzeptieren sie auch die Protagonistinnen und Protagonisten einer Geschichte als vorübergehend reale Personen. Aus gleichem Grund sollte von untergeordneter Bedeutung sein, ob Rezipierende mit einer realen Medienfigur (wie z. B. in Talkshows oder Dokumentationen) oder mit fiktiven Personen (z. B. in Serien oder Filmen) konfrontiert werden. Zwar gibt Döring (2013, 298) zu bedenken, dass die Beobachtung von Talkshow-Gästen oder von Protagonisten einer Kriegsdokumentation viel stärker einer unvermittelten sozialen Situation gleicht. Weil aber fiktionale Charaktere wie soziale Akteure wahrgenommen werden und empathische Reaktionen evolutionär verankert sind (Döring, 2013, 299), sollten die empathischen Reaktionen mit fiktiven Figuren mindestens genauso stark ausfallen. Mitunter sind sie sogar intensiver, weil die Darstellung fiktionaler Figuren in narrativen Formaten in aller Regel mit einer umfangreichen Situationsbeschreibung einhergeht (Wünsch, 2014, 229). Das wiederum führt dazu, dass uns fiktionale Figuren

5.1 Rezeptionsmodi

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und deren Gedanken und Gefühle deutlich vertrauter sind als die eines beliebigen Talkshow-Gasts, über den wir nur sehr wenig wissen. Viel wichtiger als der Realitätsgrad einer Medienfigur ist für Zillmann (1980, 1996) ohnehin, dass sie den Rezipierenden sympathisch ist. Diese Annahme scheint besonders in Zeiten von Quality TV obsolet, dessen Markenzeichen ambigue Figuren sind. Vorderer (1994, 335f) argumentierte bereits Mitte der 1990er Jahre und damit weit vor Serienhits wie The Sopranos und Breaking Bad, dass auch Mitleid mit denjenigen Figuren empfunden werden kann, die einem eigentlich unsympathisch sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Figuren komplexer gezeichnet sind. Für ihn ist Sympathie deshalb keine notwendige Voraussetzung für Empathie. Vielmehr sei die Tatsache entscheidend, dass die Rezipierenden das Gefühl haben, die Protagonistin/den Protagonisten zu kennen und zu verstehen. Es geht also nicht so sehr darum, das Verhalten der Figuren gutzuheißen, sondern mehr darum, es nachvollziehen zu können. Diese Einschätzung wird durch zwei neuere Studien bestätigt: So stellten Shafer und Raney (2012) fest, dass Wissen über die Hintergründe eines sogenannten Antiheroes weit wichtiger ist für den Rezeptionsgenuss solcher Narrationen als auf moralischen Urteilen basierende Sympathiebekenntnisse. Und Krakowiak und Oliver (2012) konnten zeigen, dass die innere Beteiligung bei charakterlich schlechten und moralisch ambiguen Figuren genauso stark ausfällt wie bei den guten, obwohl nur letztere wirklich vom Publikum gemocht wurden. Schließlich gibt es auch situative Faktoren, die das Ausmaß der inneren Beteiligung beeinflussen. Zu Beginn dieses Kapitels wurde die Wahrnehmung von Situationen, Zielen, Emotionen einer beobachteten Person als Voraussetzung für Empathie definiert. Eine unkonzentrierte Rezeption, in Folge derer viele Situationen gar nicht erst wahrgenommen werden, sollte deshalb hinderlich für Medienempathie sein. Wer also nebenbei vielen Beschäftigungen nachgeht, z. B. im Internet surft oder WhatsApp-Nachrichten beantwortet, und wer dadurch vom Geschehen am Bildschirm abgelenkt ist, der wird nie sonderlich stark in das Geschehen involviert

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sein. Auch die Rezeption in der Gruppe kann sich negativ auf das Empathieerleben auswirken (Zillich, 2013, 217). Zum einen wird durch Unterhaltungen – die sich zwangsweise ergeben, wenn zu mehreren rezipiert wird – die Aufmerksamkeit vom Medieninhalt und damit auch von den Protagonistinnen und Protagonisten vorübergehend abgezogen. Zum anderen unterdrücken Rezipierende unter Umständen in diesem Kontext bewusst emotionale Reaktionen, weil sie sie als unangemessen betrachten. 5.1.1.2

Parasoziale Interaktionen

Ein weiteres kommunikationswissenschaftliches Konstrukt, das sich mit medienfigurenbezogenem Involvement auseinandersetzt, ist das der Parasozialen Interaktion. In dem Ursprungskonzept von Horton und Wohl (1956) geht es darum, das gegenseitige Verhalten von Rezipierenden und Medienpersonen während einer Rezeptionssituation zu erklären. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich Rezipierende gegenüber Medienpersonen ähnlich verhalten, wie sie das in einer realen, nicht medial vermittelten Situation tun würden. Weil es aber eben keine normale, sondern eine parasoziale Interaktion ist, bestehen offensichtlich Unterschiede in den beiden Interaktionsformen (Hartmann, 2010, 12ff): Eine sogenannte faceto-face oder orthosoziale Interaktion zeichnet sich dadurch aus, dass sie wechselseitig bzw. reziprok ist. Das heißt, die an der Interaktion beteiligten Personen können sich gegenseitig beobachten und aufeinander reagieren. In einer medial vermittelten Situation, in der einer der Interaktionspartner eine Medienperson ist, trifft das Merkmal der Reziprozität nicht mehr länger zu. Stattdessen zeichnet sich diese Form der Interaktion durch Einseitigkeit aus. Denn eine Nachrichtensprecherin oder eine Talk-Show-Moderatorin kann nur vermuten, wie sich das Publikum vor dem Fernsehbildschirm verhalten wird, tatsächlich beobachten kann sie es nicht. Richtet sie nun ihr eigenes Verhalten nach den antizipierten Reaktionen des Publikums aus, entsteht bei letzterem der Eindruck einer normalen gegenseitigen sozialen Interaktion. Dadurch also,

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dass die Moderatorin oder Nachrichtensprecherin so tut, als ob sie das Verhalten der Zuschauerinnen und Zuschauer wahrnehmen könnte und sie diese auch direkt adressiert, schafft die Medienperson die Illusion einer normalen sozialen Interaktion. Nachdem letztere aber in Wirklichkeit nur Einbildung ist, handelt es sich um eine parasoziale Interaktion. Das Paradoxe daran ist dabei nun Folgendes: Die Zuschauerinnen und Zuschauer geben sich dieser Illusion zwar willentlich hin, sie sind sich aber gleichzeitig dem einseitigen Charakter der Interaktion vollkommen bewusst (Hartmann, 2010, 25ff). Als Horton und Wohl (1956) ihr Ursprungskonzept formulierten, hatten sie eine ganz bestimmte Gruppe von Medienpersonen im Sinne, mit denen sich parasozial interagieren lässt. Als mediale Interaktionspartner – sie prägten hierfür den Begriff Persona bzw. im Plural Personae – kamen für sie in erster Linie Nachrichtensprecher, Show- oder Quizmaster in Frage und damit hauptsächlich real existierende Menschen. Eine solch enge Auslegung, so Hartmann (2010, 34f) ist durchaus gerechtfertigt, wenn man, wie Horton und Wohl (1956) unter Parasozialen Interaktionen ein „simulacrum of conversational give and take“ verstehe. Heutzutage dominiere jedoch ein deutlich breiteres Verständnis davon, was Parasoziale Interaktionen sind und somit auch, mit wem parasozial interagiert werden kann. Für Hartmann, Schramm, und Klimmt (2004) fallen darunter z. B. sämtliche Formen sozialer Wahrnehmung und Interpretation von Medienfiguren, weshalb für sie der Begriff Persona alles umfasst – fiktionale Film- oder Serienfiguren genauso wie Nachrichtensprecherinnen oder Showmaster. Erst mit einer solchen breiten Definition wird nachvollziehbar, warum empirische Untersuchungen immer wieder zu dem Ergebnis kommen, dass Rezipierende neben realen Medienpersonen auch zu fiktionalen Charakteren eine über die reine Rezeptionssituation hinausgehende, meist freundschaftliche Bindung aufbauen (z. B. Gleich, 1997; Vorderer, 1996). Letzteres wird Parasoziale Beziehung (PSB) genannt, die das Resultat wiederholter Parasozialer Interaktion ist (Gleich, 1997; Hartmann, 2010; Horton & Wohl,

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1956). Denn ähnlich wie im echten Leben eine dauerhafte Bindung zwischen zwei Menschen nur durch wiederholten Kontakt entstehen kann, setzt auch die Entwicklung einer Parasozialen Beziehung mit Medienfiguren mehrmalige Interaktion voraus (Döring, 2013, 302). Weil Rezipierende in jeder Interaktionssituation mehr über ihr Gegenüber lernen und diese Informationen genauso dauerhaft abspeichert werden, wie die Gefühle, die sie für die Persona hegen, spricht Hartmann (2010, 52f) davon, dass Parasoziale Beziehungen zwar in der Interaktionssituation geprägt werden, diese aber überdauern. Ähnlich argumentiert auch Gleich (1997), der davon ausgeht, dass sich PSB und PSI gegenseitig bedingen und verstärken. Er skizziert einen Kreisprozess, „in dem der aktuelle Zustand einer Beziehung sowohl als Ergebnis vorheriger wie auch als Determinante weiterer parasozialer Interaktionsprozesse begriffen wird“ (Gleich, 1997, 73). Intensive PSI in der Rezeptionssituation führen demnach zu einer starken PSB, was wiederum motiviert, erneut den Kontakt zur Medienperson zu suchen, und so weiter und so fort. Dadurch, dass Serien qua ihrer Beschaffenheit eine regelmäßige Interaktion mit einer Vielzahl an Figuren ermöglichen, sind sie idealer Nährboden für Parasoziale Beziehungen (siehe Kap. 3). Wenn dann eine liebgewonnene Figur aus einer Serie ausscheidet oder eine Serie endet, entsteht häufig sogenannter parasocial breakup distress (Eyal & Cohen, 2006; siehe auch Perks, 2015). Das heißt die Rezipierenden sind traurig und unglücklich darüber, dass der Handlungsstrang einer Figur oder gar die ganze Geschichte zu Ende erzählt ist. Zweifelsohne sind PSB ein wichtiger Treiber für kontinuierliche Seriennutzung. Uns interessiert aber im Folgenden das Erleben, welches in der Rezeptionssituation selbst entsteht. Deswegen soll nun wieder der Fokus auf PSI liegen und mit dem Zwei-EbenenModell parasozialer Interaktionen von Hartmann et al. (2004) eine Konzeptualisierung vorgestellt werden, die die parasozialen Interaktionsprozesse im Rezeptionsverlauf in den Mittelpunkt rückt. Obwohl für jede Art von Persona formuliert, gehen wir bei der

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nachfolgenden Modellvorstellung von Medienpersonen in einem fiktionalen Medienangebot wie Filme oder Serien aus. Zwei-Ebenen-Modell parasozialer Interaktionen nach Hartmann et al. Wie bereits erwähnt, vertreten Hartmann et al. (2004) ein weites Verständnis von PSI. Sie modellieren in ihrem Zwei-EbenenModell all jene Reaktionen von Rezipierenden, die sich aus der Wahrnehmung und Interpretation einer oder mehrerer Medienfiguren ergeben können. Weil ihre Auffassung von PSI stark vom Ursprungskonzept von Horton und Wohl (1956) abweicht, die eine gesprächsähnliche Interaktion im Sinne hatten, plädieren Schramm und Hartmann (2008, 387) in einer späteren Publikation dafür, für ihre Auslegung von PSI den allgemeineren Begriff parasocial processing zu verwenden. In Gang gesetzt wird eine solche parasoziale Verarbeitung dadurch, dass Rezipierende Medienfiguren innerhalb weniger Millisekunden als soziale Identitäten identifizieren und spontan ein Urteil über diese fällen (Hartmann et al., 2004, 27f). Diese erste Eindrucksbildung wird über einfach wahrzunehmende Merkmale wie das äußere Erscheinungsbild einer Figur (z. B. Kleidung, Körpergröße, Haarfarbe), verbale Zuordnungen durch Dritte (z. B. „Darf ich vorstellen: Dr. Masters, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Gynäkologie“) und leicht interpretierbare Mimiken (z. B. Lachen oder Weinen) gesteuert. Basierend auf diesen wenigen Anfangsinformationen werden im Kognitionsapparat der Rezipierenden passende Schemata aktiviert (z. B. das Schema ‚Arzt‘), was in der Konsequenz zu einer ersten schematischen bzw. stereotypen Beurteilung der Medienfigur führt (siehe hierzu auch die Ausführungen zum Figurenmodell in Kap. 4.2.2). Wie sich die Rezipierenden im weiteren Interaktionsverlauf gegenüber der sozialen Entität verhalten, hängt zunächst von dieser ersten Eindrucksbildung ab. Hartmann et al. (2004, 29f) betonen allerdings, dass ihre Ausführungen zur Entstehung des ersten Eindrucks die Situation während eines Erstkontakts beschreibt, also dann, wenn Rezipie-

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5 Narratives Erleben

rende noch kein Wissen über die Medienfigur angehäuft haben. Im Verlauf der Rezeption, wenn die Mediennutzerinnen und -nutzer immer mehr Informationen über die Medienfiguren enkodiert und abgespeichert haben, kann diese erste Urteilsbildung entsprechend angepasst werden. Bei einem erneuten Kontakt, der bei der Serienrezeption die Regel ist, geht es dann nicht mehr darum, sich einen ersten Eindruck zu bilden, sondern vielmehr darum, die Figur wiederzuerkennen. Mit der Wiedererkennung werden die Informationen aus dem Situations- und Figurenmodell genauso abgerufen wie die persönliche Einstellung zu einer Persona – Hartmann et al. (2004, 30) nennen dies Beziehungsschema –, sodass der von Gleich (1997) beschriebene Kreisprozess entsteht und die PSB Einfluss auf die konkrete Interaktionssituation nimmt. Erst die Auseinandersetzung mit einer Medienfigur nach der ersten Urteilsbildung bzw. dem Wiederkennen wird von Hartmann et al. (2004, 30) als Parasoziale Interaktion bezeichnet. Diese hält so lange an, wie die Medienfigur in einem Medieninhalt wahrnehmbar, also sicht- und/oder hörbar ist. Das Modell sieht nun drei verschiedene Arten von Reaktionen vor: perzeptiv-kognitive, affektive und konative PSI-Prozesse. Jede dieser drei Dimensionen setzt sich aus vielen Teilprozessen zusammen, die während der personaorientierten Medienrezeption ablaufen können, aber nicht müssen. Am bedeutsamsten, so Hartmann et al. (2004, 31), sind die perzeptiv-kognitiven Prozesse. Dazu zählen sie (1) die Aufmerksamkeitsallokation, (2) die Rekonstruktion bzw. das Bemühen um das Verständnis der Lage der Persona, ihrer Ziele, Gedanken, Wünsche, Handlungen, (3) die Anknüpfung der beobachteten personabezogenen Informationen an Gedächtnisinhalte, (4) die antizipierende Beobachtung, also die Bildung von Vorwärtsinferenzen, was den weiteren Handlungsverlauf angeht (5) die Bewertung der Persona z. B. in moralischer Hinsicht oder bzgl. des Wahrheitsgehalts der von ihr getätigten Aussagen sowie (6) die Herstellung eines Bezugs zwischen der Medienfigur und der rezipierenden Person durch soziale Vergleiche. Ob und wie intensiv die aufgezählten Teilprozesse vonstattengehen, hängt sowohl vom Medienangebot

5.1 Rezeptionsmodi

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ab (und hier z. B. vom Thema), als auch von der Menge und Art des Vorwissens der Rezipierenden. Was die affektive Dimension betrifft, unterscheiden (Hartmann et al., 2004, 34f) drei verschiedene PSI-Teilprozesse: Neben empathischer Anteilnahme fallen für sie auch jene Emotionen darunter, die zwar erst durch das Verhalten der Medienfigur entstanden, aber nicht kongruent mit deren Gefühlslage sind. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn man sich über eine leichtsinnige Aktion einer Filmfigur ärgert. Darüber hinaus sei auch denkbar, dass es zu Übertragungen von Stimmungen komme, dass sich also die Rezipientin/der Rezipient von z. B. der melancholischen Stimmung einer Serienfigur anstecken lässt. Von außen beobachtbare, an die Medienfigur adressierte Verhaltensweisen stellen die dritte Reaktionsgruppe dar. Hierbei unterscheiden Hartmann et al. (2004, 35f) in (1) motorische Reaktionen wie Kopfdrehungen, (2) mimische und gestische Verhaltensweisen (z. B. Zurücklächeln, Zuwinken), sowie (3) verbale Äußerungen. Neben der Ausdifferenzierung in drei verschiedene Dimensionen und deren Teilprozesse basiert das Modell auf der Annahme, dass die Verarbeitung von Medienfiguren heuristisch oder elaboriert erfolgen kann (Hartmann et al., 2004, 30f; Hartmann, 2010, 49). Ersteres trifft dann zu, wenn eine Persona nur flüchtig wahrgenommen und oberflächlich, also rein schemageleitet, verarbeitet wird (Low-Level-PSI). Beobachten die Rezipierenden dagegen aufmerksam das Verhalten einer Medienfigur, interpretieren und ordnen es sorgfältig ein, handelt es sich um die elaborierte Form der Verarbeitung (High-Level-PSI). Sofern auf mindestens einer der drei Dimensionen Teilprozesse auftreten, die eine intensive Beschäftigung mit der Medienfigur nahelegen, ist die Interaktion als HighLevel-PSI zu bezeichnen. Nur wenn auf allen drei Dimensionen eine heuristische parasoziale Verarbeitung zu beobachten ist, sprechen Hartmann (2010, 31) von Low-Level-PSI. Gar nicht erst parasozial zu interagieren ist hingegen keine Option. Denn sobald eine Persona von einer Zuschauerin/einem Zuschauer wahrgenommen wird, folgen automatisch PSI (Hartmann, 2010, 30, 37). Weiterhin

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5 Narratives Erleben

nehmen die Autoren an, dass man mit mehreren Figuren gleichzeitig parasozial interagieren kann und dass die Intensität der PSIProzesse im Verlauf der Rezeption dynamischen Schwankungen unterliegt (Hartmann et al., 2004, 37). Ob eher Low-Level-PSI oder eher High-Level-PSI eintritt, hängt laut Hartmann et al. (2004, 37) in erster Linie von folgenden Faktoren ab: (1) Obstrusivität und Persistenz, (2) die Adressierungsart durch die Persona sowie (3) die Motivation der Rezipierenden. Eine elaborierte Verarbeitung kann nur dann eintreten, wenn die Medienfigur über entsprechend hohe Bildschirmpräsenz verfügt und Rezipierende somit ausreichend Gelegenheit haben, mit dieser zu interagieren. Obstrusivität meint in diesem Zusammenhang die Aufdringlichkeit einer Persona in einer Szene. Wenig obstrusiv ist eine Medienfigur dann, wenn sie z. B. nur im Hintergrund zu sehen ist. Kommt noch hinzu, dass die Dauer ihres Auftritts (= Persistenz) kurz ist, bleibt keine Zeit für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit ihr (Hartmann et al., 2004, 38). Weiterhin ist die Art der Adressierung des Publikums bedeutend für die Intensität der PSI. Werden die Zuschauerinnen und Zuschauer direkt angesprochen, macht das High-Level-PSI wahrscheinlich. Zwar ist dies bei fiktionalen Medienangeboten eher selten der Fall (wobei es Ausnahmen gibt wie z. B. die Serien House of Cards, Grey’s Anatomy oder Malcom mittendrin), doch stehen auch hier Mittel zur Verfügung, beispielsweise der direkte Blick in die Kamera, um Nähe und Unmittelbarkeit zu schaffen (Hartmann et al., 2004, 38f). Als letzten Faktor zählen die Autoren die Motivation des Publikums auf, sich mit einer Persona eingehender auseinanderzusetzen. Diese fällt immer dann hoch aus und damit auch die PSI, wenn die Medienfigur als attraktiv empfunden wird. Attraktivität bezieht sich dabei nicht nur auf äußerliche Merkmale, sondern auch auf die ‚inneren Werte‘ einer Figur. Ferner steigert die persönliche Relevanz, die eine Persona für eine Rezipientin/einen Rezipienten hat, die Motivation, mit ihr intensiver zu interagieren. Persönlich relevant sind Figuren dann, wenn man sich ihnen zugehörig fühlt oder

5.1 Rezeptionsmodi

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sich von ihnen Verständnis für die eigene Situation erhofft (Hartmann et al., 2004, 39ff).

Abb. 4: Zwei-Ebenen-Modell parasozialer Interaktionen Quelle: Darstellung nach Hartmann et al., 2004, 43

Vergleicht man die in dieser Arbeit getätigten Aussagen zu Medienempathie und PSI, liegt es nahe, zu schlussfolgern, es handele sich um ein und dieselbe Erlebensweise. Sich zu bemühen, das Handeln einer Figur internal nachzuvollziehen, haben wir als kognitive Empathie kennengelernt. Kongruente oder ähnliche Emotionen zum Gemütszustand der Medienperson zu erleben, wurde in Kapitel 5.1.1.1 als affektive Empathie definiert. Das Konstrukt PSI umfasst also in der Tat einige empathische Prozesse. Allerdings wird in dem Konzept nicht jede Form von Empathie berücksichtigt – im Gegenteil, die assoziative Empathie wird sogar explizit ausgeschlossen. Sowohl Horton und Wohl (1956) als auch Hartmann et al. (2004) gehen davon aus, dass sich die Rezipierenden der medialen Vermitteltheit ihres Gegenübers bewusst sind und mit ihnen eben interagieren und nicht zu einer Identität verschmelzen. Ferner liegt

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5 Narratives Erleben

der Fokus des PSI-Konzepts nicht ausschließlich auf dem empathischen Miterleben, sondern geht deutlich darüber hinaus. Als Interaktion wird demnach auch gewertet, wenn man sich Gedanken macht, wie es für die Persona weitergeht oder wenn man beobachtete persona-bezogene Informationen mit dem im Gedächtnis angesammelten Vorwissen zu einer Medienfigur verknüpft. Zudem zeichnet sich das PSI-Konzept dadurch aus, dass es von außen beobachtbare, auf die Persona gerichtete Verhaltensweisen in den Mittelpunkt rückt, anhand derer sich der interaktive Charakter besonders gut ablesen lässt. Zusammengefasst lässt sich also sagen: Es gibt durchaus größere Überschneidungen zwischen den beiden Konzepten, es handelt sich aber dennoch um zwei eigenständige Rezeptionsphänomene. PSI/PSB-beeinflussende Faktoren Einige Faktoren, die die Intensität von PSI beeinflussen, wurden bereits genannt: Obstrusivität und Persistenz, Adressierung und Motivation. Diese lassen sich auch empirisch bestätigen. So kamen Hartmann und Klimmt (2005) zu dem Ergebnis, dass Zuschauerinnen und Zuschauer der TV-Serie Der Alte intensiver mit der Hauptfigur Leo Kress parasozial interagierten, je attraktiver sie ihn fanden. In einer anderen Studie von Schramm und Hartmann (2008) ließ sich zudem bestätigen, dass es zu stärkeren kognitiven Verarbeitungsprozessen kommt, wenn eine Medienfigur häufiger und sichtbarer zu sehen ist. Im Rahmen eines Experiments von Hartmann und Goldhoorn (2011) ließ sich ferner nachweisen, dass Personen die das Treatment ‚direkte bzw. indirekte Adressierung‘ erhielten, stärker das Gefühl hatten, mit der Persona zu interagieren als jene Probandinnen und Probanden, die das Treatment nicht bekamen. Die Forschung zu PSB zeigt zudem, dass sowohl das Geschlecht der rezipierenden Person als auch der Medienfigur ein relevanter Einflussfaktor ist (Hartmann, 2010, 90ff). Demnach hegen Frauen stärkere Parasoziale Beziehungen als Männer. In der

5.1 Rezeptionsmodi

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Intensität mögen sich die beiden Geschlechter unterscheiden, nicht aber in der Wahl ihrer parasozialen Bezugspartner: Frauen wie Männer neigen eher dazu, zu männlichen Medienfiguren eine PSB aufzubauen. Dass Studien immer wieder zu dem Ergebnis kommen, dass auch mit fiktionalen Charakteren eine PSB möglich ist, wurde bereits erwähnt. Mehrere Studien liefern sogar Indizien dafür, dass PSI und PSB mit fiktionalen Medienfiguren intensiver ausfallen (z. B. Branch, Wilson, & Agnew, 2013; Hu, 2016). In jedem Falle scheint die wahrgenommene Ähnlichkeit eine wichtige Einflusskomponente zu sein. Wie Schiappa, Allen, und Gregg (2007) in ihrer Metaanalyse zeigen können, fallen PSB umso intensiver aus, je höher die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Medienfigur und Rezipientin/Rezipient ist. Dass PSB vor allem von schüchternen Menschen intensiv gepflegt werden, die damit mangelnde soziale Kontakte im echten Leben kompensieren wollen – eine Hypothese, wie sie sich im U&G-Ansatz wiederfindet – lässt sich dagegen nicht bestätigen (Hartmann, 2010, 97). Vielmehr scheint es so, dass das Entstehen von PSB eine natürliche Folge von Medienrezeption ist (Hartmann, 2010, 10f). 5.1.1.3

Immersives Erleben

Immersion beschreibt das Rezeptionsphänomen, wonach Rezipierende völlig in einer Narration aufgehen, gar das Gefühl haben, Teil der Geschichte zu sein, und dabei die mediale Vermitteltheit der fiktionalen Welt weitestgehend ausblenden (z. B. Busselle & Bilandzic, 2008; Gerrig, 1993; Green & Brock, 2000). Auf den ersten Blick gleicht Immersives Erleben damit stark dem, was wir in Kapitel 5.1.1.1 noch Identifikation genannt haben. Tatsächlich ist es so, dass Immersion auf empathischen Prozessen aufbaut, denn das Eintauchen in eine Geschichte setzt voraus, dass die Situation der Protagonistinnen und Protagonisten kognitiv nachvollzogen werden kann (Busselle & Bilandzic, 2009, 323; Wünsch, 2014, 232). So gesehen ist Immersion das umfassendere Konzept, das psychologische Konstrukte wie Empathie und Identifikation mitdenkt, sich aber

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5 Narratives Erleben

vor allem darauf fokussiert, den damit einhergehenden Zustand der völligen Konzentration und Selbstvergessenheit zu beschreiben und zu erklären. Immersives Erleben tritt nicht nur bei der Rezeption fiktionaler Medieninhalte ein, auch andere Freizeitaktivitäten besitzen das Potenzial, uns Zeit und Umwelt vergessen zu lassen. In seinem Flow-Konzept beschreibt Csikszentmihalyi (1975, 1990; Csikszentmihalyi, Abuhamdeh, & Nakamura, 2014), dass Menschen beim Malen, Tanzen, Schach spielen, usw. so in die Tätigkeit vertieft sein können, dass sie um sich herum nichts anderes mehr wahrnehmen. Obwohl sich die Handelnden in einem Zustand höchster Konzentration befinden, der viele mentale Ressourcen erfordert, erfolgt die Ausführung der Tätigkeit scheinbar mühelos. Entscheidend für dieses Flow-Erleben ist, dass die Herausforderung zur individuellen Fähigkeit passt: Die Aufgabe muss von ihrem Schwierigkeitsgrad dergestalt sein, dass sie für einen persönlich zu schaffen ist. Auch wenn sich immersive Prozesse keineswegs nur auf die Mediennutzung beschränken lassen, so soll im Folgenden doch genau darauf der Fokus liegen. Nicht weiter von Relevanz wird dabei das häufig im Kontext von Computer- und Videospielen angewendete Präsenz-Konzept (z. B. Lombard & Ditton, 1997; Wirth et al., 2007) sein. Dieses dreht sich um die subjektive Wahrnehmung, während der Rezeption eines Spiels im virtuellen Raum anwesend zu sein. Weil dieses Gefühl der Präsenz aber auch ohne das Vorhandensein einer nennenswerten Geschichte eintreten kann (Bilandzic, 2014, 285), erscheint für unser Zwecke das Konzept der Transportation, wie es erstmals Gerrig (1993) beschrieben hat, geeigneter. Er verwendet den Begriff als Synonym für das kognitive und emotionale Eintauchen in eine Erzählung: Die Rezipierenden, die er auch als Reisende bezeichnet, werden derart in die fiktionale Welt transportiert, dass sie im Geiste an die verschiedensten Orte der Narration reisen, wodurch die reale Welt für sie vorübergehend nicht mehr zugänglich ist:

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„Someone (‘the traveler’) is transported by some means of transportation, as a result of performing certain actions. The traveler goes some distance from his or her world of origin, which makes some aspects of the world of origin inaccessible. The traveler returns to the world of origin, somewhat changed by the journey.” (Gerrig, 1993, 10f)

Sie erleben die narrative Welt so intensiv, dass Folgendes eintritt: „Readers become ‘lost in a book’ (Nell, 1988); moviegoers are surprised when the lights come back up; television viewers care desperately about the fates of soap opera characters; museum visitors are captivated by the stories encoded in daubs of pain. In each case, a narrative serves to transport an experiencer away from the here and now.” (Gerrig, 1993, 3)

In den nächsten Abschnitten werden zwei Ansätze vorgestellt, die Gerrigs Gedanken aufgreifen und weiterentwickeln. Es handelt sich zum einen um das Transportation-Imagery Model von Green und Brock (2000, 2005) und zum anderen um das schon in Teilen in Kapitel 4.2.2 vorgestellte Model of Narrative Comprehension and Engagement von Busselle und Bilandzic (2008, 2009). Beide verknüpfen Immersives Erleben mit narrativer Persuasion. Sie wollen erklären, warum es durch die Rezeption von Narrationen zu Einstellungsänderungen kommen kann. Transportation-Imagery Model von Green & Brock In Anlehnung an Gerrig (1993) definieren Green und Brock (2000) Transportation als „a convergent process, where all mental systems and capacities become focused on the events occuring in the narrative“ (S. 701). Für die Rezipierenden äußert sich das dahingehend, dass sie „may lose track of time, fail to observe events going on around them, and feel that they are completely immersed in the world of a narrative” (Green, 2004, 247). So gesehen gleicht Transportation sehr dem, was Csikszentmihalyi (1975, 1990) als Flow bezeichnet. Darüber hinaus bedeutet Transportation aber auch hohes Involvement mit den handlungstragenden Figuren: „Readers may not only enter a narrative world, they may also be-

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5 Narratives Erleben

come highly involved with the people they find there” (Green & Brock, 2000, 702). Obwohl sie hauptsächlich von Leserinnen und Lesern sprechen, inkludiert der Begriff für sie jede Form der Rezeption von narrativen Inhalten (Green & Brock, 2000; Green, Brock, & Kaufman, 2004). Dabei liegt es an den Rezipierenden, aus den Informationen – seien sie geschriebener Natur oder aus einem visuellen und/oder auditiven Stream bestehend – „vivid mental images“ (Green, 2004, 247) zu generieren. Transportation wie Green und Brock (2000, 2005) es verstehen, umfasst damit drei Komponenten: attentional focus, affect und imagery. Was einerseits eine intensive Form der Verarbeitung darstellt, begünstigt gleichzeitig eine unkritische Rezeption (siehe auch Bilandzic, 2014; Bilandzic & Kinnebrock, 2006): Denn „transportation into a story causes people to be less motivated (or less able) to disbelieve any particular conclusion; transported individuals are so absorbed in the story that they would likely be reluctant to stop and critically analyze propositions presented therein.“ (Green & Brock, 2000, 703)

Transportation, so eine zentrale Annahme des Modells, geht mit geringerem counterarguing einher, was in der Konsequenz dazu führt, dass transportierte Rezipierende anfälliger für Einstellungsänderungen sind. Model of Narrative Comprehension and Engagement von Busselle & Bilandzic Das Model of Narrative Comprehension and Engagement stellt eine konzeptionelle Weiterentwicklung des Transportationskonzepts von Green und Brock (2000, 2005) dar. Die Stärke des Modells von Busselle und Bilandzic (2008, 2009) liegt darin, den bei Green und Brock (2000, 2005) nur angedeuteten Zusammenhang zwischen Informationsverarbeitung und narrativem Erleben präziser herauszuarbeiten (siehe hierzu auch Sukalla & Bilandzic, 2016). Die zentrale Annahme lautet dabei, dass Rezipierende, um eine Geschichte verstehen zu können, mentale Modelle von selbiger konstruieren

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müssen (siehe hierzu auch Kap. 4.2.2). Konkret handelt es sich dabei um das situation model, das story world model und das character model. Auf dieser Prämisse aufbauend und bezugnehmend auf Csikszentmihalyis Flow-Konzept, verstehen Busselle und Bilandzic (2008) unter Transportation das Flow-Erleben, das durch die reibungslose Konstruktion des Situationsmodells entsteht: „High levels of experiential engagement with a narrative can be seen as a flow-like state centered on the construction or realization of the narrative. ‘Being lost’ (Nell, 1988) can be understood as losing self-awareness as a result of complete focus on constructing and elaborating mental models to represent the narrative at hand. Transportation into narrative then can be seen as the extent to which an audience member becomes absorbed into the activity of constructing mental models.” (S. 261)

Mit dem Aufbau eines Situationsmodells einher geht ein Perspektivenwechsel: Denn um eine Narration wirklich verstehen zu können, müssen die Rezipierende einen deictif shift (siehe auch Duchan, Bruder, & Hewitt, 1995; Segal, 1995b) vollziehen. Das heißt, sie verorten sich innerhalb der Geschichte „by shifting the center of their experience from the actual world into the story world“ (Busselle & Bilandzic, 2008, 262). Weil die Rezipierenden die Geschehnisse nun aus der Perspektive der handlungstragenden Figuren erleben, entsteht bei ihnen der Eindruck, Teil der Geschichte zu sein. Sie identifizieren sich mit den Charakteren und sind deswegen auch emotional am Geschehen beteiligt. Erleichtert wird dieser Vorgang durch die Verwendung deiktischer Wörter wie z. B. „ich“, „jetzt“, „hier“ sowie durch die Selbstauskunft der Figuren bezüglich ihres psychischen Zustands (z. B. „Ich bin tieftraurig.“) (Busselle & Bilandzic, 2008, 262). Bei audiovisuellen Medien kommen Kameraperspektiven (z. B. wenn die Geschehnisse aus der Sicht einer spezifischen Person gezeigt werden) und Kameraeinstellungen wie Close-Ups, wodurch sich Emotionen leichter vom Gesicht ablesen lassen, als Verstehenshilfen hinzu. Wie Green und Brock (2000, 2005) gehen auch Busselle und Bilandzic (2008, 2009) davon aus, dass Transportation, oder wie

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sie es nennen, narrative engagement40, zu geringerem counterarguing führt und damit Einstellungsänderungen wahrscheinlicher macht. Entscheidend für die Entstehung des Flow-Erlebens während der Rezeption einer Narration sind dabei folgende vier Dimensionen (Busselle & Bilandzic, 2009, 341): (1) Rezipierende müssen zunächst ihre Aufmerksamkeit der Geschichte widmen (Dimension Aufmerksamkeitsfokus). (2) Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sie „die Ereignisse und Figuren sinnvoll im Situationsmodell zueinander in Bezug setzen können“ (Sukalla & Bilandzic, 2016, 245) (Dimension Narratives Verstehen). (3) Aufgrund des deictic shifts haben sie das Gefühl, in der narrativen Welt der Geschichte präsent zu sein, was gleichzeitig dazu führt, dass sie sich ihrer Außenwelt nicht mehr bewusst sind (Dimension Narrative Präsenz). (4) Weil sie sich mit den Figuren identifizieren, fühlen sie und leiden sie mit ihnen mit (Dimension Emotionale Beteiligung). Immersionsbeeinflussende Faktoren Busselle und Bilandzic (2008, 2009) nehmen an, dass alles, was den Aufbau mentaler Modelle erleichtert, narrative engagement verstärkt. Denn nur wenn die Konstruktion des Situationsmodells problemlos verläuft, können Rezipierende in die Geschichte transportiert werden. Damit unterstellen sie ein hierarchisches Verhältnis der Dimensionen, wofür es auch erste empirische Hinweise gibt: In dem konkreten Experiment von Sukalla, Bilandzic, Bolls und Busselle (2013) wurden Fehler in die Narration eingebaut, was zu Einbußen beim Narrativen Verstehen führte. Weil aber die Narrative Präsenz und die Emotionale Beteiligung ebenfalls gelitten haben, schlussfolgert Bilandzic (2014, 279), dass Narratives Verstehen die Voraussetzung für Erlebnisarten höherer Ordnung darstellt. 40

Weil der Vorgang des Transportiertwerdens nicht ohne das Zutun der Rezipierenden erfolgen kann – sie müssen schließlich mentale Modelle konstruieren –, schlagen Busselle und Bilandzic (2009) vor, stattdessen den Begriff narrative engagement zu verwenden. Dieser bildet aus ihrer Sicht die „hochgradig aktive Natur des Verarbeitungsprozesses und des Erlebens“ ((Bilandzic, 2014, 279) besser ab.

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Als negativ für narrative engagement sehen Busselle und Bilandzic (2009, 326) zudem all das an, was Aufmerksamkeit von der Verarbeitung der Geschichte abzieht. Denn die Konstruktion mentaler Modelle ist ein ressourcenintensiver Prozess, bei dem sich mangelnde Ressourcen sofort bemerkbar machen. Es ist also davon auszugehen, dass in Rezeptionssituationen, in denen mit geteilter Aufmerksamkeit zu rechnen ist (z. B. bei der Rezeption in der Gruppe oder wenn vielen Nebenbeschäftigungen nachgegangen wird) das Immersionserleben weniger intensiv ausfällt. Darüber hinaus kommt der Qualität des zu rezipierenden Medieninhalts eine entscheidende Rolle zu: Green und Brock (2000, 2005) gehen davon aus, dass sich hohe Erzählkunst positiv auf das Transportationsgefühl auswirkt – und deren Mangel negativ: „Just as a leaky boat does a poor job of transporting people across the water, poorly constructed narratives do not help readers enter the story world“ (Green et al., 2004, 320). Bilandzic und Kinnebrock (2006) greifen diesen Gedanken auf und konkretisieren ihn unter Zuhilfenahme des aus der Literaturwissenschaft stammenden Konzepts der Narrativität: Sie nehmen an, dass Narrativitätsfaktoren wie Konflikthaltigkeit, Vielzahl möglicher Handlungsverläufe, Figurenwandel oder hohe Kunstfertigkeit das intensive Miterleben in der Geschichte fördern, weil sie die Erzählung interessanter und reichhaltiger machen. Wie wir aus Kapitel 3 wissen, handelt es sich dabei um für Quality TV typische Charakteristika. Entsprechend steht zu vermuten, dass die Rezeption von qualitativ hochwertigen Serien einhergeht mit einem intensiven Immersionserleben. Wie Green (2004; Green et al., 2008) im Rahmen zweier voneinander unabhängiger Untersuchungen zudem zeigen konnte, kann auch der Faktor Vertrautheit eine relevante Determinante sein. So wiesen diejenigen Probandinnen und Probanden, die über einschlägiges Vorwissen bzgl. des Fraternity-Systems in den USA verfügten, höhere Transportwerte auf als die Vergleichsgruppe bei der Rezeption einer Geschichte zu genau diesem Thema (Green, 2004). Und diejenigen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, die bereits das Buch Harry Potter and the Chamber of Secrets kannten,

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5 Narratives Erleben

waren in die Verfilmung der Geschichte transportierter als jene, die das Buch nie gelesen hatten (Green et al., 2008). In beiden Studien wird als Begründung angeführt, dass die Rezipierenden mit entsprechendem Vorwissen „an easier time imagining story events“ (Green, 2004, 250) hatten. Als genauere Erklärung folgt bei der Harry Potter-Studie zudem der Hinweis, dass durch die vorangegangene Buchrezeption ein in Grundzügen aufgebautes Situationsmodell wahrscheinlich noch im Gedächtnis vorhanden ist, was die Verarbeitung des Films erleichtern dürfte (Green et al., 2008, 515). Ob die erzählte Geschichte dagegen auf Fakten beruht oder nicht, ist, wie schon beim Empathieerleben erwähnt, nicht ausschlaggebend. Im Rahmen diverser Studien (Appel & Malečkar, 2012, 2012; Green & Brock, 2000; Green & Donahue, 2011) konnte belegt werden, dass die Tatsache, ob ein Inhalt erfunden ist oder auf wahren Begebenheiten beruht, keinen Einfluss auf das Immersionserleben hat. Solange die fiktionale Geschichte in sich schlüssig ist und keine nennenswerten inhaltlichen Fehler aufweist, sind keine Einbußen bezüglich des Involvements zu erwarten (Busselle & Bilandzic, 2008). Hinsichtlich Personenmerkmale ist bekannt, dass die grundsätzliche Transportationsfähigkeit eines Menschen, wie sie von Dal Cin, Zanna und Fong (2008) vorgeschlagen wurde, positiv mit der situativen Transportation korreliert. Dasselbe gilt für trait empathy (Hall & Bracken, 2011), was nur einmal mehr belegt, dass Empathie und Immersion eng miteinander verbunden sind. 5.1.2

Analysierende Rezeption

Wie bereits in Kapitel 5.1 erwähnt, zeichnet sich die analysierende Rezeption durch eine distanziertere Haltung gegenüber den persönlichen Erlebnissen der Medienfiguren aus. Statt in dem Medieninhalt zu denken, wird hier über den Medieninhalt nachgedacht. Gegenstand dieses Reflexionsprozesses können sowohl optische bzw. formale Merkmale sein als auch die einer Geschichte zugrun-

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deliegenden Themen. Zwei Konstrukte, die sich genau mit dieser Art der tiefergehenden Reflexion befassen, sind zum einen das Konzept des Ästhetischen Erlebens und zum anderen das AppreciationKonzept. Beide sollen im Folgenden genauer vorgestellt werden. 5.1.2.1

Ästhetisches Erleben

Wir verwenden im Alltag immer dann das Prädikat ästhetisch, wenn uns ein Gegenstand kunstvoll, wohlgestaltet, schön erscheint. Diese Attribute treffen nicht nur auf klassische Kunstwerke wie Gemälde oder Skulpturen zu. Sondern auch Musik, Romane, TVSerien und selbst Dinge, die mit Kunst gar nichts zu tun haben (z. B. eine Blumenwiese, ein Regenbogen oder eine Person) können ästhetisch sein (Suckfüll, 2014, 308). Deshalb spricht Jacobsen (2006) auch lieber von ästhetischen Entitäten und meint damit „a thing, a living being, an event, scenery or an environment“ (S. 158). Gerade weil grundsätzlich alles ästhetisch erlebt werden kann, sind ästhetische Erfahrungen ein wesentlicher Bestandteil unserer Lebenswelt, so Suckfüll (2014, 308). Sie beschreibt Ästhetisches Erleben in Anlehnung an Allesch (2006) „als eine spezifische Betroffenheit, ausgelöst durch ‚Etwas‘, das in den Vordergrund tritt, die alltägliche Routine durchbricht und zum Innehalten einlädt“ (Suckfüll, 2014, 308). Dieses ‚Etwas‘ muss zunächst wahrgenommen werden; Ästhetisches Erleben ist also untrennbar mit Sinneserfahrungen verbunden. Nicht weiter verwunderlich ist daher, dass sich neben der Philosophie auch die Psychologie diesem Forschungsfeld widmet. Während sich jedoch erstere Disziplin bereits seit der Antike mit Fragen der Ästhetik beschäftigt, befasst sich die Psychologie erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts damit, wie Entitäten ästhetisch wahrgenommen und empfunden werden (Carolus & Schwab, 2016, 238). Fechner (1871) gilt mit seinen Experimenten zur ästhetischen Wirkung des Goldenen Schnitts als Begründer der psychologischen Ästhetikforschung (Berlyne, 1974b, 5; Suckfüll, 2014, 305): Seine Studien ebneten den Weg für eine empirisch-

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5 Narratives Erleben

psychologische Perspektive auf Ästhetik (Carolus & Schwab, 2016, 239). Im Folgenden sollen nun zwei prominente Ansätze vorgestellt werden, die auf dieser Tradition aufbauen. Es handelt sich dabei zum einen um Berlynes New Experimental Aesthetics-Ansatz (u. a. Berlyne, 1960, 1971, 1974b) sowie um das Model of Aesthetic Appreciation and Aesthetic Judgements von Leder, Belke, Oeberst, und Augustin (2004) (siehe auch Belke & Leder, 2006). Ästhetisches Erleben nach Berlyne Kaum jemand prägte die psychologische Ästhetikforschung so nachhaltig wie Berlyne. Es sei sein Verdienst, so Suckfüll (2014, 311), dass der Gegenstandsbereich ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts neuen Aufschwung erlebte (siehe auch Jacobsen, 2006, 156). Zudem sei es ihm zu verdanken, dass der Bereich von primär kunstbezogenen Fragen auf eine alltägliche Ästhetik ausgeweitet wurde (siehe auch Allesch, 2006, 79). Denn er vertrat die Ansicht, „that everything in life has its aesthetic side“ (Berlyne, 1974b, 1), weshalb er seine Ästhetikforschung auch nicht auf Kunst beschränkte. Bis heute dient sein experimentelles Vorgehen als Vorbild für zahlreiche Studien auf diesem Gebiet (Allesch, 2006, 79). Sein New Experimental Aesthetics-Ansatz wird als neobehavoristisch bezeichnet (z. B. Carolus & Schwab, 2016, 239; Kreitler & Kreitler, 1972), weil er ästhetische Erfahrungen als Reaktionen auf eine bestimmte Reizstruktur begreift (Allesch, 2006, 76). Weiterhin wird sein Ansatz wahlweise als (evolutions-)biologisch (z. B. Carolus & Schwab, 2016, 239) oder motivationspsychologisch (z. B. Suckfüll, 2014, 309) beschrieben. Dies liegt darin begründet, dass er versuchte „das menschliche Verhalten insgesamt und das ästhetische Verhalten im Besondern aus basalen Bedürfnissen, Verhaltensdispositionen und Verhaltensmotivationen des Menschen abzuleiten“ (Allesch, 2006, 76). Ästhetisches Erleben, wie Berlyne (1980) es versteht, ist „intrinsically motivated stimulus-seeking behavior“ (S. 329). Seinem Verständnis nach ist der Mensch evolutionär bedingt darauf ausgerichtet, auf

5.1 Rezeptionsmodi

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neue Reize mit Neugier zu reagieren, was wiederum zur Exploration des Reizes führt (Berlyne, 1960, 1971). Von der Beschaffenheit des Reizes hängt dabei ab, wie hoch das von ihm ausgehende Erregungspotenzial ist. Berlyne (1960, 1971, 1974a) befasste sich in seiner Forschung nun hauptsächlich damit, zu ergründen, welche Reizeigenschaften zu Erregung führen und wo das optimale Erregungsniveau liegt. Er unterschied dabei drei Arten von Reizen (Berlyne, 1971, 177ff): psychophysical variables (z. B. Kontrast, Farbe, Größe), ecological variables (z. B. Gefahr, Sexualität) und collative variables. Zu letzteren zählte er die Eigenschaften Neuartigkeit, Konflikt, Ungewissheit und Komplexität. Ihnen, und hier speziell der Komplexität, widmete er in seinen Studien viel Aufmerksamkeit (Suckfüll, 2014, 309). Unter einem ästhetischen Objekt versteht er „a stimulus pattern whose collative properties, and possibly other properties as well, give it a positive intrinsic hedonic value“ (Berlyne, 1974b, 8). In zahlreichen Studien untersuchten Berlyne und Kollegen deshalb, wie sich der hedonische Wert in Abhängigkeit von der Intensität der Reizeigenschaften verändert (Berlyne, 1974a). Konkret wurden die Probandinnen und Probanden gebeten, ein Urteil zur Ästhetik verschiedener Objekte abzugeben. Dabei sollten sie auf einer siebenstufigen Skala bewerten, wie gut ihnen die gezeigten Muster und Formen gefallen und als wie interessant sie sie einstufen. Berlyne und Kollegen stellten im Rahmen ihrer Experimente einen kurvilinearen Zusammenhang zwischen der Qualität eines Reizes und der ausgelösten Erregung fest: Am höchsten fällt demnach das Ästhetische Erleben bei einer mittleren Ausprägung der Reizeigenschaften aus. Zu komplexe genauso wie zu wenig komplexe Objekte führen dagegen zu einem negativen hedonischen Wert (Berlyne, 1974b, 10).

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5 Narratives Erleben

Ästhetisches Erleben nach Leder, Belke, Oeberst und Augustin Dank der Forschung von Berlyne und seinem Team wissen wir, welche Reizeigenschaften sich positiv auf unser Ästhetisches Erleben auswirken. Die Frage nach der Qualität dieses Erlebens bleibt jedoch unbeantwortet, kritisieren Allesch (2006, 79) und Suckfüll (2014, 311). Wesentlich mehr Erklärungskraft für das Zustandekommen ästhetischer Erfahrungen bietet deshalb laut Suckfüll (2014) das Model of Aesthetic Appreciation and Aesthetic Judgements von Leder et al. (2004). Das Autorenteam selbst geht davon aus, dass ihr Ansatz zu einem besseren Verständnis ästhetischer Erfahrungen beiträgt (Belke & Leder, 2006, 24). Suckfüll (2014, 311) bescheinigt dem Modell darüber hinaus das Potenzial, eine neue Ära in der psychologischen Ästhetikforschung einläuten zu können. Obwohl eigentlich für das Ästhetische Erleben von visueller Kunst und hier speziell moderner Kunst entwickelt, schließen Leder et al. (2004) eine Anwendung ihres Modells auf andere ästhetische Phänomene nicht aus: „[T]he mechanisms we describe should also be transferable to aesthetic experiences with other forms of art and aesthetic experiences“ (S. 489f). Leder et al. (2004) konzeptualisieren Ästhetisches Erleben als einen mehrstufigen Informationsverarbeitungsprozess, an dessen Ende die ästhetische Emotion und das ästhetische Urteil stehen. Kognitive, hierarchisch angeordnete Prozesse sind dafür verantwortlich, dass die Auseinandersetzung mit einem ästhetischen Objekt zu „affective, often positive and self-rewarding aesthetic experiences“ (Leder et al., 2004, 489) führt. Ästhetische Erfahrung definieren sie deshalb als einen „cognitive process accompanied by continuously upgrading affective states that vice versa are appraised, resulting in an (aesthetic) emotion“ (Leder et al., 2004, 493). Im Folgenden soll nun das Modell mit seinen fünf Verarbeitungsstufen genauer vorgestellt werden (siehe auch Abb. 5): Ausgelöst wird der ästhetische Verarbeitungsprozess durch ein Kunstwerk oder, um es allgemeiner zu halten, durch ein ästhetisches Objekt (Leder et al., 2004, 493f). Wichtig ist in diesem Zu-

5.1 Rezeptionsmodi

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sammenhang die Vorklassifizierung jenes Objektes als ästhetischen Gegenstand (Belke & Leder, 2006, 5). Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Kontext, in dem das Objekt wahrgenommen wird: Ein im Museum ausgestelltes Pissoir wird viel eher zu ästhetischen Erfahrungen führen als die Toilette im heimischen Bad. Das Museum fungiert folglich als ein „strong contextual cue for classifying an object that warrants aesthetic processing” (Leder et al., 2004, 493). Weiterhin gehen die Autoren und die Autorin davon aus, dass der affektive Zustand zu Beginn des Verarbeitungsprozesses ein positiver ist (Leder et al., 2004, 494). Die eigentliche Verarbeitung beginnt mit der perzeptuellen Analyse des ästhetischen Objekts (Stufe 1). Bezugnehmend auf Forschungserkenntnisse von u. a. Berlyne (1974a), Frith und Nias (1974), Martindale und Moore (1988), Ramachandran und Hirsch (1999) listen Leder et al. (2004, 494f) eine ganze Reihe an Faktoren auf, die zu ästhetischen Präferenzen beitragen. So berücksichtigen sie die aus Berlynes Arbeiten schon bekannten und sich in anderen Studien bestätigten Reizeigenschaften Komplexität, Kontrast, Symmetrie und Ordnung und ergänzen diese um das aus der Gestaltpsychologie stammende Merkmal Grouping. Mit letzterem ist das Zusammenfügen von Informationen zu informativen Einheiten gemeint, was wiederum eine belohnende, selbstverstärkende Wirkung für die Betrachterin/den Betrachter mit sich bringt (Suckfüll, 2014, 313). Diese erste Verarbeitungsstufe läuft schnell und unbewusst ab (Belke & Leder, 2006, 9). Dasselbe gilt für die zweite Phase des Modells, die implizite Gedächtnisintegration. Hier findet ein Abgleich zwischen den Ergebnissen der Wahrnehmungsanalyse aus Phase I und den Vorerfahrungen der Betrachtenden statt (Suckfüll, 2014, 313). Drei Merkmale heben Leder et al. (2004, 495ff) hervor, die sich als wirkungsvoll bei der Integration von Gedächtnisinhalten erwiesen haben. Zum einen sei die Vertrautheit mit dem ästhetischen Objekt entscheidend für ästhetische Präferenzen. Diese wird beispielsweise dadurch erreicht, dass sich wiederholt einem Objekt ausgesetzt wird. Darüber hinaus kann Prototypikalität eine wichtige Einflussgröße sein.

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5 Narratives Erleben

Damit ist der Umfang gemeint, „to which an object is representative of a class of objects” (Leder et al., 2004, 496). Die Beurteilung, ob etwas prototypisch ist oder nicht, hängt dabei ganz wesentlich vom Expertenstatus der Betrachtenden ab. Wer über einschlägiges Wissen zu Van Goghs Werken verfügt, dem dürfte es deutlich leichter fallen, beim Betrachten eines seiner Bilder Prototypikalität zu erkennen. Als letztes Merkmal führen Leder et al. (2004, 496f) das peak-shift-Phänomen an. Dieses kommt vor allem bei Karikaturen zum Einsatz, wo typische Eigenschaften eines Objekts übertrieben betont werden. Wird die Darstellung als Übertreibung erkannt, hat das einen selbstbelohnenden Effekt und wirkt sich positiv auf den ästhetischen Genuss aus (Belke & Leder, 2006, 13). Erst in der dritten Phase, der der expliziten Klassifikation, tritt eine bewusste Auseinandersetzung mit dem ästhetischen Objekt ein (Leder et al., 2004, 497f). Hier wird vom Betrachtenden der Inhalt und Stil eines Gegenstandes analysiert, wobei die getroffenen Annahmen verbalisiert werden können. Leder et al. (2004, 498) gehen davon aus, dass die Fähigkeit, den Stil eines ästhetischen Objekts erkennen zu können, ganz wesentlich von der Expertise der betrachtenden Person abhängt. Vorerfahrungen zu einer Künstlerin/einem Künstler und der Epoche wirken sich zudem auch auf die Verarbeitungstiefe des Inhalts positiv aus: „We believe that with expertise, the artwork, its historical importance, or the knowledge about the artist also become the content of the aesthetic object. For example, for a naive perceiver, Monet’s painting La Gare St Lazare (1877) is a depiction of a train station. For a more experienced perceiver, it has a different explicit content. It is classified as an Impressionist painting that reveals visual properties of light, scattered by steam.” (Leder et al., 2004, 497)

Die erfolgreiche Klassifikation von Stil und Inhalt geht, wie schon in Phase II, mit „self-rewarding cognitive experiences“ (Leder et al., 2004, 499) einher. Die vierte Verarbeitungsstufe zeichnet sich durch die kognitive Bewältigung des ästhetischen Objekts aus, also durch tiefergehende Reflexionen (Leder et al., 2004, 499ff). Hier versuchen die Betrach-

5.1 Rezeptionsmodi

171

tenden das Dargestellte zu verstehen, indem sie bewusst Verknüpfungen zu bereits vorhandenem Wissen (bereichsspezifischem Wissen und Weltwissen) herstellen (Suckfüll, 2014, 314). Einmal mehr kommt dabei dem Expertenstatus eine entscheidende Rolle zu: Betrachterinnen und Betrachter ohne entsprechende Expertise neigen zu „self-related processing“ (Leder et al., 2004, 500), d. h. sie interpretieren das Dargestellte vor dem Hintergrund persönlicher Erfahrungen. Expertinnen und Experten suchen dagegen die Bedeutung im ästhetischen Objekt selbst. Weil die Interpretation eines Werks nicht ohne dessen stilistische und inhaltliche Klassifizierung erfolgen kann, sieht das Modell an dieser Stelle eine Feedback-Schleife vor.

Abb. 5: Model of Aesthetic Appreciation & Judgements Quelle: Darstellung nach Leder et al., 2004, 492

In der fünften Verarbeitungsstufe wird der Bedeutungsfindungserfolg evaluiert. Entsprechend weist das Modell hier nochmal eine Feedback-Schleife auf, denn sollte das Ergebnis der Evaluierung nicht zufriedenstellend ausfallen, muss Verarbeitungsstufe 4 wie-

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5 Narratives Erleben

derholt werden (Leder et al., 2004, 499). Im Zuge dessen kann auch eine wahrgenommene Mehrdeutigkeit verringert werden, wobei eine völlige Auflösung der Ambiguität gar nicht möglich und nötig ist: „It might be an art-inherent feature that a residual ambiguity might be left open and accepted by the perceiver“ (Leder et al., 2004, 501). Jede der fünf vorgestellten Verarbeitungsstufen kann sich positiv oder negativ auf den affektiven Zustand des Betrachtenden auswirken (Leder et al., 2004, 501). Verläuft der Informationsverarbeitungsprozess erfolgreich, sind positive ästhetische Emotionen wie Genuss, Zufriedenheit und Freude die Konsequenz. Gerät der Verarbeitungsprozess dagegen ins Stocken, weil beispielsweise die Betrachtenden vom Objekt überfordert sind, zieht das eine negative ästhetische Emotion nach sich (Leder et al., 2004, 502). Von der ästhetischen Emotion zu unterscheiden ist das ästhetische Urteil. Letzteres ist die subjektive Einschätzung der ästhetischen Qualität eines Objekts (z. B. „Ich finde das Bild gelungen“). Meist weisen die ästhetische Emotion und das ästhetisches Urteil die gleiche Valenz auf. Sie können aber auch unterschiedlich ausfallen, wie Leder et al. (2004, 502) an einem Beispiel vorführen: So ist durchaus vorstellbar, dass eine Kunstexpertin ein Gemälde als qualitativ schlecht bewertet, sie den Prozess, der zu ihrem Urteil führt, aber als sehr belohnend und positiv wahrnimmt. Der Prozess der ästhetischen Erfahrung muss nicht immer vollständig durchlaufen werden, um sich ein ästhetisches Urteil bilden zu können. Gerade bei Personen ohne einschlägiges Expertenwissen ist davon auszugehen, dass „ästhetische Urteile sehr schnell auch aufgrund spontaner visueller Eindrücke, wie der Farbigkeit oder der Typikalität der Darstellung, gefällt werden und eine ausgedehnte Evaluation gar nicht stattfindet“ (Belke & Leder, 2006, 21).

5.1 Rezeptionsmodi

173

Faktoren, die das Ästhetische Erleben beeinflussen Einige Faktoren, die Ästhetisches Erleben beeinflussen, wurden bereits erwähnt. Diese seien deshalb im Folgenden nur nochmal kurz aufgezählt und um wenige weitere Einflüsse ergänzt: Entscheidend ist zunächst das Objekt selbst. Dank Berlyne und Kollegen wissen wir, dass sich u. a. neuartige, konflikthaltige, komplexe Reize positiv auf das Ästhetische Erleben auswirken – alles Eigenschaften, die wir bereits als Merkmale für qualitativ hochwertiges serielles Erzählen kennengelernt haben. Hinzu kommen persönliche Einflussgrößen: Über die Frage, was schön ist, lässt sich auch deshalb so vortrefflich streiten, weil ästhetisches Urteil und ästhetische Emotion stark vom persönlichen Interesse und persönlichen Geschmack abhängen (Leder et al., 2004, 501). Wer kein Fantasy mag, der wird keinen Gefallen finden an Game of Thrones, Doctor Who und Co. – mögen die Drehbücher auch noch so gut geschrieben sein und die Serien von vielen abgöttisch geliebt werden. Leder et al. (2004) werden außerdem nicht müde zu betonen, wie entscheidend Expertise bei der Entstehung Ästhetischen Erlebens ist. Deswegen schlussfolgern sie auch: „The more expertise a perceiver acquires, the more differentiated and presumably more rewarding aesthetic experiences might be“ (Leder et al., 2004, 500). Weitere personenbezogene Faktoren sind laut Jacobsen (2006, 156) der kulturelle und ökonomische Hintergrund einer Person sowie deren emotionaler Zustand zum Zeitpunkt der Rezeption. Zudem nimmt der Kontext, in dem ein Objekt wahrgenommen wird, eine ganz wesentliche Rolle beim Entstehen ästhetischer Erfahrungen ein. Thompson (1996), den wir aus Kapitel 3.3 kennen, moniert in seiner Monographie über Quality TV, dass niemand auf die Idee komme, eine in der Primetime ausgestrahlte Serie als qualitativ hochwertig anzusehen: „The very fact that ‚quality TV‘ acquired such a label suggests that most people don’t expect quality on prime time. An art museum, of course, would never advertise a collection of ‘quality painting and sculpture’. It’s assumed that if it’s in a museum it

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5 Narratives Erleben must be good. No such assumption has ever been made about television.” (S. 17)

Der Kontext ‚Fernsehen‘ verhinderte damals, dass Serien als ästhetisches Objekt wahrgenommen wurden. Das Beispiel macht zugleich deutlich, dass ästhetische Erfahrungen immer auch eine Frage des Zeitgeistes sind (Jacobsen, 2006, 159): Heute würden nur noch die wenigsten den Qualitätsanspruch des Fernsehens in Frage stellen. 5.1.2.2

Appreciation

Dass neben der Optik auch der Inhalt zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit einem Objekt anregen kann, wurde bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnt. Dass dieser Reflexionsprozess unter Umständen belohnend bzw. befriedigend wirkt, klang ebenfalls schon an. Tatsächlich aber ist die Erkenntnis, dass die Suche nach dem Tieferen Sinn eine Gratifikation darstellt und emotional ergreifende Medieninhalte als sinnstiftend wahrgenommen werden können, in der kommunikationswissenschaftlichen Unterhaltungsforschung eine relativ neue: Zu dominant war lange Zeit die Annahme, dass Rezipierende einzig nach Spaß und guter Laune streben (pleasure seeking) und Medieninhalte danach auswählen, ob sie ihre hedonischen Bedürfnisse befriedigen (Oliver & Bartsch, 2010; Oliver & Hartmann, 2010; Vorderer & Reinecke, 2015). Vor allem Zillmann (1988; Zillmann & Cantor, 1977) protegierte in seinen Theorien (Mood Management-Ansatz, Affective Disposition Theory) dieses hedonische Menschenbild. Mittlerweile jedoch herrscht im Fach Konsens darüber, dass bei der Mediennutzung neben hedonischen Gratifikationen auch solche eine Rolle spielen, die wahlweise als eudaimonische Gratifikationen (Oliver & Raney, 2011; Wirth, Hofer, & Schramm, 2012), nonhedonic bzw. higher order needs (Tamborini et al., 2011; Tamborini, Bowman, Eden, Grizzard, & Organ, 2010; Vorderer & Ritterfeld, 2009) oder Appreciation bezeichnet werden. Letzterer, von Oliver (2008) bzw. Oliver und Bartsch (2010) geprägter Begriff beschreibt jene Facette des Narra-

5.1 Rezeptionsmodi

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tiven Erlebens, das gekennzeichnet ist durch „the perception of deeper meaning, the feeling of being moved, and the motivation to elaborate on thoughts and feelings inspired by the experience“ (S. 76). Auslöser für diese veränderte Sichtweise war die u. a. von Oliver (1993) gemachte Beobachtung, dass traurige Filme und sogenannte tear jerkers große Verkaufsschlager an den Kinokassen sind (z. B. Vom Winde verweht, Schindler’s Liste, Titantic) und offensichtlich auch zu Unterhaltungszwecken rezipiert werden. Als Erklärung dafür, dass traurige Inhalte zu einer positiven Beurteilung des Medieninhalts und des eigenen Unterhaltungserlebens führen, schlug sie das Konzept der Meta-Emotion vor (siehe auch Bartsch, Mangold, Viehoff, & Vorderer (2006) oder Dohle (2011); siehe auch das Konzept der Makro-Emotion bei Früh, Schulze, & Wünsch (2002) und der Valenztransformation bei Wünsch (2006b)). Demnach ist zu differenzieren zwischen der direkten Emotion (z. B. Traurigkeit) und der kognitiven Bewertung dieser direkten Emotion, der Meta-Emotion. Eine Emotion mit negativer Valenz (wie z. B. Traurigkeit) kann, so Oliver (1993, 318ff), als sinnstiftend wahrgenommen werden und damit eine positive Meta-Emotion nach sich ziehen, was wiederum zu der vermeintlich paradoxen Situation führt, dass selbst tragische Inhalte genossen und als unterhaltsam empfunden werden. Auf dieser Ausgangsbeobachtung baut auch das AppreciationKonzept auf, das jedoch genauere Antworten darauf geben will, welche spezifischen Gratifikationen Rezipierende durch traurige oder zumindest dramatische Medieninhalte erhalten. So geht das Autorenteam davon aus, dass „sad content may have the straightforward function of stimulating eudaimonically rewarding experiences of self-reflection, insight, and personal growth” (Bartsch, Kalch, & Oliver, 2014, 127). In einer Studie von Oliver und Hartmann (2010, 135ff) konnte gezeigt werden, dass Rezipierende traurige Filme wie Hotel Ruanda und Garden State deshalb wertschätzen, weil sie einem den Wert und die Flüchtigkeit des (eigenen) Lebens in Erinnerung rufen; aufzeigen, dass sich Durchhaltevermögen

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5 Narratives Erleben

auszeichnet; einem Glauben an die eigene Kraft geben; und gleichzeitig bewusst machen, dass Schmerz und Trauer zum Leben dazugehören. Appreciation, wie Oliver und Kolleginnen und Kollegen es verstehen, lässt sich aber keinesfalls auf empathische Traurigkeit beschränken. Vielmehr gilt: „[T]he most typical response to movies considered as meaningful is a mixed affective reaction, reflecting both sad and happy emotions” (Oliver & Hartmann, 2010, 142). So gaben in der schon erwähnten Studie diejenigen Personen, die einen sinnstiftenden Film gesehen hatten, an, Gefühle wie Traurigkeit und Freude verspürt zu haben (Oliver & Hartmann, 2010, 139ff). Vor diesem Hintergrund wundert auch das Ergebnis einer Studie von Oliver und Bartsch (2010, 63) nicht: Sie stellten fest, dass die Items „I enjoyed this movie“ und „I appreciated this movie“ stark miteinander korrelieren. Die Befragten, so scheint es, differenzierten nicht zwischen den beiden Aussagen, die eigentlich zwei unterschiedliche Konstrukte erfassen sollten: Enjoyment (im Sinne von pleasure seeking) und Appreciation. Anstatt die beiden Konstrukte als binäre Opponenten aufzufassen, plädiert das Forscherteam um Oliver deshalb dafür, Unterhaltung breiter zu denken und darunter neben hedonischen auch eudaimonische Gratifikationen zu verstehen (Bartsch et al., 2014; Oliver & Bartsch, 2010, 2011; Oliver & Hartmann, 2010; Oliver & Raney, 2011). Gemeinsam tragen die beiden Unterhaltungsdimensionen dazu bei, dass ein Film von Rezipierenden positiv bewertet wird (Oliver & Bartsch, 2010, 65). Ähnlich argumentieren auch Vorderer und Ritterfeld (2009) sowie Tamborini und Kollegen (Lewis, Tamborini, & Weber, 2014; Tamborini et al., 2010; Tamborini et al., 2011) in ihrem TwoLevel Model of Entertainment Motivation bzw. in ihrem Dual Process Model of Media Enjoyment and Appreciation. Darin werden jeweils Enjoyment und Appreciation als zwei voneinander unterscheidbare Unterhaltungserfahrungen konzeptualisiert, wobei genauso wie bei Oliver und Bartsch (2010) unter ersterem „a purely pleasurable response“ (Lewis et al., 2014, 398) verstanden wird und unter letz-

5.1 Rezeptionsmodi

177

terem „a meaningful response with mixed emotions“ (Lewis et al., 2014, 398). Im Gegensatz zu Oliver und Bartsch (2010) wird in den beiden erwähnten Modellen jedoch die Self Determination Theory (Deci & Ryan, 1985) als theoretischer Zugang gewählt. Diese besagt, dass Individuen immer dann motiviert sind, Aktivitäten nachzugehen, wenn sie damit grundlegende psychologische, also intrinsische Bedürfnisse befriedigen können. Konkret handelt es sich dabei um die Bedürfnisse Autonomie, Kompetenz und Verbundenheit. Für die Unterhaltungsforschung schlussfolgern Vorderer und Ritterfeld (2009) deshalb, dass „all entertainment experiences should be considered in light of both the immediate but lower-level functions of homoestatic regulation (enjoyment) and the less immediate, higher-order goals, such as autonomy, competence, and relatedness.” (S. 458f; Herv. i. O.)

Vorderer und Ritterfeld (2009) unterscheiden Enjoyment und Appreciation demnach danach, welche Bedürfnisse befriedigt werden (low vs. higher-order needs). Für Tamborini und sein Team dagegen sind die kognitiven Prozesse entscheidend, die den beiden Unterhaltungsdimensionen zugrunde liegen (Lewis et al., 2014, 398). Für sie ist Enjoyment „a positive response that results from quick, intuitive processing. It occurs when an entertainment experience satisfies one or more instinctive needs. All other things being equal, an individual is more likely to respond quickly and enjoy a media experience in which all salient needs are satisfied.” (Lewis et al., 2014, 399)

Appreciation wiederum „is a positive response characterized by the type of slower, controlled appraisals necessary for weighing the salience of conflicting needs” (Lewis et al., 2014, 399). Faktoren, die Appreciation verstärken Oliver und Bartsch (2010) konnten zeigen, dass das Genre eines Films Einfluss darauf hat, wie sehr ein Medieninhalt als sinnstiftend erlebt wird. Demnach fällt Appreciation bei Dramen am stärksten aus, bei Thrillern mittelmäßig und bei Komödien am wenigsten

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5 Narratives Erleben

stark. Gleichzeitig betonen sie aber auch, dass sich diese Facette des Narrativen Erlebens nicht auf ein spezifisches Genre oder einen bestimmten Medieninhalt beschränken lässt: „Light and actionoriented films, although lower on ratings of appreciation than dramas, were not devoid of appreciation” (Oliver & Bartsch, 2010, 76). Darüber hinaus existieren personenabhängige Einflussgrößen wie das Lebensalter und das Kognitionsbedürfnis eines Menschen (need for cognition). Laut Oliver und Raney (2011) weisen ältere und sich gerne kognitiv betätigende Individuen eine höhere Präferenz für sinnstiftende Inhalte auf. Kein großer Zusammenhang bestehe dagegen zwischen eudaimonischen Präferenzen und ob ein Mensch eher zu Pessimismus und zum Unglücklich sein neigt. 5.2

Rezeptionsgenuss

Bisher haben wir uns darauf konzentriert, verschiedene Facetten des Narrativen Erlebens zu beleuchten und dieses Erleben danach zu unterscheiden, ob sich die Rezipierenden eher in einem involvierten oder analysierenden Modus befinden. In diesem Kapitel sollen nun die bisherigen Betrachtungen mithilfe des Models of Complex Entertainment Experiences von Vorderer, Klimmt, und Ritterfeld (2004) in einen breiteren Kontext gerückt und aufgezeigt werden, wie Narratives Erleben und Rezeptionsgenuss zusammenhängen. Die Autoren und die Autorin des Modells betrachten Enjoyment, wofür wir im Deutschen den Begriff Rezeptionsgenuss verwenden wollen, als das Herzstück jeglicher Unterhaltungserfahrung (siehe Abb. 6). Enjoyment definieren sie dabei als „‘pleasant’ experiential state (…) which includes physiological, cognitive, and affective components” (Vorderer et al., 2004, 393). Ähnlich argumentieren auch Nabi und Krcmar (2004), die darunter „a threedimensional construct comprised of affective, cognitive, and behavioral information” (S. 296) verstehen oder Raney und Bryant (2002), die von einer Kombination aus kognitiven und affektiven Reaktionen auf einen Stimulus ausgehen.

5.2 Rezeptionsgenuss

179

Im Gegensatz zu Kapitel 5.1.2.2, in dem wir den Begriff noch als Synonym für pleasure seeking und damit als die Befriedigung ausschließlich hedonischer Bedürfnisse kennengelernt haben, erfolgt in diesem Modell nun eine deutlich breitere Auslegung und Anwendung des Konstrukts: Rezeptionsgenuss kann sich demnach sowohl in Emotionen wie Freude und Spannung, als auch in Traurigkeit und Melancholie manifestieren (Vorderer et al., 2004, 394f) und umfasst damit „satisfaction of both hedonic and nonhedonic intrinsic needs“ (Tamborini et al., 2011, 1026). Zu unterscheiden ist außerdem zwischen einer message- und einer experience-relatedDimension des Begriffs Enjoyment. Unter ersterem verstehen Nabi und Krcmar (2004) „the extent to which the content was evaluated positively or negatively, based on cognitive and affective assessments“ (S. 291), unter letzterem „the extent to which the consumption experience is itself pleasurable, based [sic!] a broader range of information, including social or environmental factors” (S. 291).41 Diese Differenzierung soll in dieser Arbeit beibehalten werden. In dem nun genauer vorzustellenden Model of Complex Entertainment Experiences wird Enjoyment als positive Bewertung des eigenen Unterhaltungserlebens und damit als subjektive Erfahrung konzeptualisiert. Vorderer et al. (2004) formulieren sowohl Voraussetzungen auf Seiten der Rezipierenden wie auch auf Seiten des Medienangebots und beziehen Nutzungsmotive mit ein, um die Entstehung von Unterhaltung zu beschreiben. Ferner werden in dem Modell Symptome und Wirkungen von Unterhaltung aufgeführt. Was die Voraussetzungen seitens der Rezipierenden anbelangt, werden fünf Bedingungen aufgezählt, die in Kombination miteinander auftreten können und von denen aber mindestens eine

41

Weil in der Unterhaltungsforschung zwischen den Begriffen Rezeptionsvergnügen, Rezeptionsgenuss, Enjoyment und Unterhaltung (entertainment) nicht hinreichend differenziert wird, werden sie auch in dieser Arbeit synonym verwendet.

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5 Narratives Erleben

gegeben sein muss, damit sich Rezipierende (gut) unterhalten fühlen (Vorderer et al., 2004, 395ff): Enjoyment hänge demnach ab von „the audience’s readiness and ability to suspend disbelief, to empathize with the characters at play, to engage in parasocial interactions and relationships with the personae, to be present somewhere else and with somebody else, and to have an interest in what the media presents.“ (Vorderer et al., 2004, 397)

Drei der fünf genannten Voraussetzungen haben wir bereits ausführlich diskutiert: Medienempathie, PSI bzw. PSB und Immersion. Schon Zillmann (1991, 1996) zeigte sich überzeugt, dass das Hoffen und Bangen mit einer Medienfigur zu Rezeptionsgenuss führt. In empirischen Studien konnte zudem immer wieder ein starker Zusammenhang zwischen den Variablen Medienempathie und Enjoyment festgestellt werden (z. B. Busselle & Bilandzic, 2009; Raney & Bryant, 2002; Shafer & Raney, 2012). Selbiges gilt für Immersives Erleben und Enjoyment (z. B. Bilandzic & Busselle, 2011; Busselle & Bilandzic, 2009; Krakowiak & Oliver, 2012). Auch, dass PSI bzw. PSB und Rezeptionsgenuss miteinander korrelieren, ist empirisch gut belegt (z. B. Hartmann & Klimmt, 2005; Konijn & Hoorn, 2005). Suspension of disbelief wurde bereits im Zusammenhang mit Medienempathie diskutiert und dort sozusagen als Voraussetzung für empathisches Erleben mit fiktiven Figuren kennengelernt (siehe Kap. 5.1.1.1). Aufgrund der Konstruktähnlichkeit sollte gleiches auch für parasoziale Phänomene gelten. Immersives Erleben ist ohne die Bereitschaft, die eigene Ungläubigkeit auszusetzen, ebenfalls nicht vorstellbar, denn wie soll man in eine fiktionale Welt eintauchen, wenn deren Rechtmäßigkeit in Frage gestellt wird? Suspension of disbelief wiederum kann nicht losgelöst vom Interesse am Medieninhalt betrachtet werden, denn nur wenn selbiges vorhanden ist, wird man sich auf eine fiktionale Welt einlassen können. Nehmen wir als Beispiel eine Person, die Fantasy nicht besonders gerne mag und dennoch gezwungen ist, sich z. B. Harry Potter anzusehen: Es steht zu vermuten, dass sich die Person über schwebende Gegenstände und Zaubersprüche lustig machen wird, anstatt, wie andere Zuschauende, mit den Protagonistinnen und Protagonisten mitzu-

5.2 Rezeptionsgenuss

181

fiebern. Das Desinteresse am Genre verhindert in diesem Fall, dass der oder die Rezipierende die eigene Ungläubigkeit aufgibt. Gleichzeitig wird damit jegliches involvierte Narrative Erleben blockiert. Ausgehend von diesen Überlegungen muss das Modell von Vorderer et al. (2004) leicht angepasst werden, denn nach unserem Verständnis sind suspension of disbelief und Interesse den anderen drei involvierten Erlebensweisen vorgelagert. Weil Vorderer et al. (2004, 397) zugleich betonen, dass ihre Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, soll die Liste an Voraussetzungen noch um jene Formen des Narrativen Erlebens ergänzt werden, die wir unter dem Schlagwort analysierende Rezeption kennengelernt haben. Sowohl die theoretischen Konzeptualisierungen der Konstrukte Ästhetisches Erleben und Appreciation in Kapitel 5.1.2 als auch die dort beschriebenen empirischen Befunde sprechen dafür, dass sie ihren Teil zu media enjoyment beitragen.

Abb. 6: Model of Complex Entertainment Experiences Quelle: Modifizierte Darstellung nach Vorderer et al., 2004, 393

182

5 Narratives Erleben

Dass Ästhetik von Bedeutung für Enjoyment ist, sehen auch Vorderer et al. (2004, 397ff), allerdings zählen sie diese zu den Voraussetzung auf Medienseite. Dort listen sie auch Faktoren wie Technologie (z. B. Bildschirmgröße) und Design (z. B. interaktives Design) als ausschlaggebend auf für positive Unterhaltungserfahrungen. Gleichzeitig betonen die Autoren und die Autorin die herausragende Rolle, die der Content, also der Inhalt, bei der Frage nach dem Rezeptionsgenuss spielt, ohne diesen Gedanken jedoch genauer auszuführen. Deshalb sei an dieser Stelle auf die Erkenntnisse verwiesen, die wir in anderen Kapiteln bereits gesammelt haben: So wissen wir z. B. aus der Ästhetikforschung, dass komplexe Inhalte bei Rezipierenden besser abschneiden als unterkomplexe. Zudem ist aus Kapitel 3 bekannt, dass Quality TV-Serien deshalb so erfolgreich und beliebt sind, weil die Handlungen komplex und ambig und die Figuren authentisch und vielschichtig sind. Ein starkes Narratives Erleben und einschlägige Merkmale auf Medienseite alleine reichen jedoch nicht aus, damit Enjoyment entstehen kann. Die Rezipierenden müssen auch gewillt oder, anders gesagt, motiviert sein, sich unterhalten zu lassen. Vorderer et al. (2004, 399ff) nennen drei Motive, warum Unterhaltungsangebote rezipiert werden: (1) Zum einen lässt sich dadurch für einen kurzen Moment dem Alltag entfliehen (Motiv Eskapismus). (2) Auch kann man damit kurzfristig die eigene Stimmung verbessern (Motiv mood management). (3) Und speziell bei interaktiven Unterhaltungsmedien wie Computer- und Videospielen gilt: Das eigene Können zu messen und sichtbare Erfolge zu erzielen (Motiv achievement) ist einer der Gründe, warum man sich diesen Angeboten zuwendet. Schließlich thematisiert das Model of Complex Entertainment Experiences auch noch die Konsequenzen, die sich aus Unterhaltungserfahrungen ergeben können (Vorderer et al., 2004, 402f). Diese seien der Vollständigkeit halber hier aufgeführt, auch wenn sie in der weiteren Argumentation keine Rolle spielen werden: Aufgelistet wird neben kurzfristigen Effekten wie dem Excitation Transfer und langfristigen Lerneffekten auch das psychologische well-being

5.3 Rezeptionsmotivation

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einer Person, im Modell als Katharsis beschrieben. Letzteres trifft vor allem bei sinnstiftenden Medieninhalten wie Dramen oder traurigen Filme zu. 5.3

Rezeptionsmotivation

Am Ende des vorangegangenen Kapitels wurde bereits dargelegt, warum Menschen Medien nutzen. Daran soll in diesem Abschnitt angeknüpft werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, was dazu motiviert, die Rezeption eines Medieninhalts zu wiederholen bzw. fortzusetzen. Zunächst soll deshalb der Begriff Motivation näher definiert werden. Rheinberg und Vollmeyer (2012) verstehen darunter die „aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (S. 15). Gleichzeitig betonen Rheinberg und Engeser (2018, 424), dass bereits die Ausführung der Tätigkeit zur Erreichung des Zielzustands als höchst belohnenswert empfunden werden kann. Dies habe zur Folge, dass diese Tätigkeit möglichst häufig, lange und intensiv betrieben wird. Sie sprechen in diesem Zusammenhang auch von intrinsischer Motivation (Rheinberg & Engeser, 2018, 426). Die Motivation für eine Handlung, egal welcher Art, ergibt sich dabei immer aus der Wechselbeziehung von Person und Situation (Dohle, 2014, 145). Die Motive bzw. Bedürfnisse einer Person bestimmen, wie eine Situation wahrgenommen und bewertet wird. Die Situation selbst wiederum ist ausschlaggebend dafür, welche Anstöße sie zum Handeln gibt, wie stark also ihr Aufforderungscharakter ist, und mit welchen Restriktionen zu rechnen ist (Dohle, 2014, 145). Die Kommunikationswissenschaft kennt eine ganze Reihe an Motiven, die entscheidend für die Hinwendung zu Medien sein können (siehe hierzu im Überblick Schweiger, 2007, 80ff). So wird in Uses-and-Gratifications-Approach (UaGA)-Studien häufig unterschieden in kognitive (z. B. Orientierung), affektive (z. B. Erholung, Eskapismus) und soziale Bedürfnisse (z. B. Parasoziale Beziehungen) sowie Identitätsbedürfnisse (z. B. Identifikation). Der UaGA basiert dabei auf folgenden Grundannahmen (Katz, Blumler,

184

5 Narratives Erleben

& Gurevitch, 1974; Rosengren, 1974): Es wird von einem aktiven Individuum ausgegangen, das Medien(-inhalte) zielgerichtet nutzt. Sinn und Zweck von Mediennutzung ist es, die eigenen Bedürfnisse, die sozialen und psychischen Ursprungs sind, zu stillen. Die Rezipierenden sind sich ihrer Motive bzw. Bedürfnisse bewusst und in der Lage, Auskunft darüber zu erteilen. Das Medienangebot, das am besten zu den gesuchten Gratifikationen passt, wird vom Rezipierenden ausgewählt. Dieses steht jedoch sowohl in Konkurrenz zu anderen Medien(-angeboten) als auch zu nichtmedialen Aktivitäten. Aufbauend auf diesen Annahmen entwickelten Palmgreen und Rayburn (1979) zunächst das Diskrepanzmodell und anschließend das Expectancy Value Model (1982). In ersterem Modell führten sie die Unterscheidung in gratifications sought (= vom Individuum gesuchte Gratifikationen; GS) und gratifications obtained (= die durch die Medienrezeption erhaltenen Gratifikationen; GO) ein. Dabei wird prognostiziert, dass Rezipierende sich für jenen Medieninhalt entscheiden, bei dem die Differenz bzw. Diskrepanz zwischen GS und GO am geringsten ist. Im Expectancy Value Model wird diese Differenzierung wieder aufgegriffen und darüber hinaus erklärt, wie GS entstehen. Es wird argumentiert, dass gesuchte Gratifikationen das Produkt von Erwartungen und Bewertungen sind. Während mit letzterem gemeint ist, wie wichtig einer Person die GS ist, sind Erwartungen das Resultat früherer Rezeptionserfahrungen. Mit dem Ziel, die gesuchten Gratifikationen möglichst umfassend zu erhalten, wird sich nun genau dem Medieninhalt zugewendet, von dem angenommen wird, dass er das vorhandene Bedürfnis am besten stillen kann. Erst nach der Mediennutzung stellt sich aber heraus, ob die gesuchten Gratifikationen auch tatsächlich befriedigt wurden. Dies hat wiederum Konsequenzen für die zukünftige Wahrnehmung eines Medieninhalts und die Erwartungen, die mit diesem verbunden sind. Die Annahme, dass vorangegangene Rezeptionserfahrungen unsere Erwartungshaltung hinsichtlich der Folgen, die durch unsere Handlung bzw. Wahl entstehen, beeinflussen, lässt sich auch in

5.3 Rezeptionsmotivation

185

weiteren Medienselektionsansätzen finden. So geht die Mood Management-Theorie (Zillmann, 1988) ebenfalls davon aus, dass die (unbewusst getroffene) Entscheidung für ein Medienangebot auf Vorerfahrungen der Rezipierenden basiert. Wenn beispielsweise das Anschauen einer Folge von How I Met Your Mother schon öfters dazu geführt hat, dass sich die eigene Stimmung verbessert, setzt beim Rezipierenden eine Art Konditionierung ein, die zukünftige Handlungsentscheidungen – in unserem Fall die Serienauswahl – prägt. Ferner sei die Social Cognitive Theory (Bandura, 1986; LaRose et al., 2003) genannt, in der angenommen wird, dass die Durchführung einer Tätigkeit davon abhängt, welche Konsequenzen zu erwarten sind. Erwartungen sind dabei entweder das Resultat eigener Erfahrungen oder sie entstehen durch die Beobachtung von Erfahrungen Dritter. Welche Erkenntnisse lassen sich daraus nun für die generelle Motivation, sich einem Medieninhalt kontinuierlich hinzuwenden, ableiten? Wenn sich ein Individuum auf der Suche nach Unterhaltung einer Serie zuwendet und die Erfahrung gemacht hat, dass diese gut unterhält, wird die Person motiviert sein, bei erneuter ähnlicher Bedürfnislage wieder eine Folge der Serie zu rezipieren. Gleichzeitig wissen wir, dass bereits die Ausführung einer Tätigkeit zur Zielerreichung – in unserem Beispiel Unterhaltung – Freude bereiten kann, weil – wie im Falle eines narrativen Medieninhalts – mit den Protagonistinnen und Protagonisten mitgefiebert, parasozial interagiert und in die Geschichte eingetaucht wird. Diese als angenehm empfundenen Erfahrungen regen dazu an, die gleiche oder ähnliche Aktivität zu wiederholen bzw. fortzusetzen. Immersives Erleben, Parasoziale Interaktionen, etc. sind also nicht nur Wirkungen, die während der Rezeption eines Medieninhalts eintreten, sondern diese Erlebensweisen sind auch ursächlich dafür, warum bestimmte Medieninhalte kontinuierlich, d. h. immer wieder, rezipiert werden. Weiterhin ist anzunehmen, dass speziell ein hohes Empathieerleben nicht folgenlos für die Rezeptionsmotivation bleibt: Wer während der Rezeption stark mit den Figuren mitgefiebert hat, will auch wissen, wie es weitergeht. Denn Verstehen ist, so

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5 Narratives Erleben

Schwan (2014, 191), nicht nur Sinngenerierung, sondern auch ein zentrales Motiv der Medienrezeption. Wie aber wird aus einem generellen Bedürfnis, die Rezeption fortzuführen, ein unmittelbares? Oder anders gefragt: Warum kann man nicht mehr damit aufhören, wenn man einmal damit begonnen hat, eine Folge einer Serie zu schauen? Lohnenswert empfundene Tätigkeiten möglichst lange aufrecht zu erhalten ist die eine Begründung, warum wir motiviert sind, nach Folge 1 gleich die nächste anzusehen. Wie eingangs erwähnt, reichen Bedürfnisse alleine jedoch nicht aus, denn die Motivation für eine Handlung – in diesem Fall die Rezeption unmittelbar fortzuführen – ist immer ein Zusammenspiel aus Person und Situation. Es bedarf also zusätzlich einer Situation mit hohem Aufforderungscharakter. Serien, und hier speziell Fortsetzungsserien, sind bekannt dafür, Rezipierende möglichst lange im Ungewissen darüber zu lassen, wie die einzelnen Handlungsstränge zusammenhängen (siehe Kap. 3.2.1), und weisen somit einen hohen Aufforderungscharakter auf. Erreicht wird letzteres durch das gezielte Zurückhalten wichtiger Informationen, also durch das Schaffen von Informationslücken bzw. narrativen Leerstellen, wodurch die Narration zunächst inkohärent wirkt. Aus Kapitel 4.2.2 wissen wir, dass narrative Inkonsistenzen Verständnisschwierigkeiten zur Folge haben. Doch, und das mag zunächst paradox klingen, müssen sich Verstehenshindernisse nicht zwangsweise negativ auf die Medienrezeption auswirken (Schwan, 2014, 192). Vielmehr können sie – zumindest in kleinen Dosierungen – positive Effekte für die Informationsverarbeitung haben: Sie wecken Neugier und Interesse, „was wiederum zu einer erhöhten Zuwendung von Aufmerksamkeit und einer intensivierten mentalen Verarbeitung führt“ (Schwan, 2014, 192). Dass Menschen herausgefordert werden wollen und danach streben, Inhalte zu verstehen, konnte Berlyne (1966) schon in den 1960er Jahren zeigen. In seinem Konzept der epistemischen Neugier postuliert er, dass wahrgenommene Wissenslücken zur Informationssuche und damit zum Wissenserwerb motivieren. Im Rahmen seiner Ästhetikstudien wies er zudem nach, dass komplexe Muster

5.3 Rezeptionsmotivation

187

größere Neugier auslösen, also motivierender sind, als einfache Sachverhalte (Berlyne, 1960; 1971, 1974a). Loewenstein (1994) baute auf diesen Erkenntnissen auf und ergänzte Berlynes Konzept der epistemischen Neugier um weitere Einflussfaktoren: So gelang es ihm zu zeigen, dass es einen positiven Zusammenhang gibt zwischen dem bereits vorhandenen Wissen einer Person zu einem Sachverhalt und deren Neugier, mehr zu erfahren (Loewenstein, 1994, 89f). Nur wenn die Informationslücke als nicht zu groß und schnell zu schließen erscheint, steigt die Neugier und damit die Aufmerksamkeit. Zu große Informationslücken stellen dagegen eine „barrier to curiosity“ (Loewenstein, 1994, 91) dar, weil sich in diesen Fällen eher darauf konzentriert wird, was man weiß und nicht auf das, was man nicht weiß: „[P]eople will not expose themselves to curiosity-inducing situations in which there is only a slim chance of satisfying the curiosity or in which there would be a long delay before the information is received“ (Loewenstein, 1994, 90).

Wichtig für die Entstehung epistemischer Neugier ist ferner, dass überhaupt ein Informationsdefizit wahrgenommen wird. Ist dies nicht der Fall, baut sich Neugier gar nicht erst auf (Loewenstein, 1994, 91). Wenn Serienfans also immer wieder eine neue Folge ihrer Lieblingsserie anschauen, dann tun sie dies, um wahrgenommene Wissenslücken zu schließen und im Vertrauen darauf, dass die nächste Episode Antworten liefert (diegetic trust; siehe auch Kap. 4.1). Letzterer Punkt ist besonders wichtig, denn die Rezipierenden müssen das Gefühl haben, dass sich die kognitiven Herausforderungen durch eigene Schlussfolgerungen und dadurch, dass sie die Rezeption fortsetzen, meistern lassen (Schwan, 2014, 194). Damit ist auch klar, dass der Zusammenhang zwischen Verständlichkeit und Aufmerksamkeit kein linearer, sondern vielmehr ein kurvilinearer ist. Sowohl eine hohe Unverständlichkeit, als auch eine problemlose Verständlichkeit verringern die Aufmerksamkeit (Schwan, 2014, 194) und können somit zur dauerhaften Abwendung von einem Medienangebot wie unseren Serien führen.

188

5.4

5 Narratives Erleben

Zwischenfazit

Narratives Verstehen und Narratives Erleben, das hat dieses Kapitel gezeigt, sind eng miteinander verknüpft. Eigentlich können die beiden Prozesse gar nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, denn letzteres lässt sich nicht ohne ersteres erklären. Trennscharf sind die beiden Rezeptionsprozesskomponenten folglich nicht. Empathie, z. B., erfordert ein sich Hineindenken in die Lage der Protagonistin/des Protagonisten, sprich das kognitive Nachvollziehen ihres/seines Verhaltens. Erst dann lassen sich die Gefühle der Figuren nacherleben. Kognitive PSI-Prozesse umfassen ebenfalls figurenbezogene Verstehensvorgänge wie das schon erwähnte Hineinversetzen in eine Medienperson, aber auch Vorwärtsinferenzen bzgl. der Zukunft eines fiktionalen Charakters bilden und neue personabezogenen Informationen sinnvoll mit alten zu verknüpfen gehören dazu. Immersives Erleben wiederum setzt die mühelose Konstruktion des Situationsmodells voraus. Erst dadurch tauchen die Rezipierenden in die Welt der Geschichte ein. Auch die beiden Erlebensweisen, die wir als analysierende Rezeption bezeichnet haben – Ästhetisches Erleben und Appreciation – basieren auf Verstehensprozessen. Gegenstände, Personen, Landschaften etc. können nur dann ästhetisch erfahren werden, wenn die Betrachter in der Lage sind, Stilmittel zu identifizieren und zu interpretieren. Und ein Medieninhalt kann nur dann als sinnstiftend erlebt werden, wenn zuvor über den Tieferen Sinn der Geschichte nachgedacht wurde. Nehmen wir nun an, wie in Kapitel 4.4 beschrieben, dass die kumulierte Rezeption eine effektivere Informationsverarbeitung ermöglicht, dann sollte sich ein hoher Rezeptionsrhythmus auch positiv auf die dem Narrativen Verstehen nachgelagerten Erlebensprozesse auswirken. Ein intensives analysierendes und involviertes Narratives Erleben wiederum ist ausschlaggebend dafür, ob Rezeptionsgenuss entsteht oder nicht. Nur wenn eine Erzählung mindestens empathisch oder immersiv oder ästhetisch oder sinnstiftend erlebt wird oder parasozial interagiert wurde, führt das zu einer positiven Bewertung des eigenen Unterhaltungserlebens und des Unterhaltungswerts

5.4 Zwischenfazit

189

des Medieninhalts. Je mehr Erlebensfacetten zutreffen, desto höher fällt der Rezeptionsgenuss aus. Was aber begünstigt konkret die einzelnen Erlebensformen? Menschen sind immer dann besonders empathisch, wenn sie Gemeinsamkeiten zum empathieauslösenden Objekt aufweisen, sie bereits ähnliche Erfahrungen wie die beobachtete Person gemacht haben oder ihnen das Gegenüber besonders vertraut ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn man viel über eine Person weiß. Wer über ein dichtes, an Informationen reiches Situationsmodell verfügt – ausgelöst beispielsweise durch die kumulierte Rezeption –, dem sollte das Hineinversetzen in die Lage der Medienfigur deutlich leichter fallen als jemandem, der nicht so viel geschichtsspezifisches Wissen angehäuft hat. Der Realitätsgehalt einer Medienfigur und der dargestellten Situation ist hingegen von untergeordneter Relevanz. Auch für das Zustandekommen Parasozialer Interaktionen ist dies nicht entscheidend. Viel ausschlaggebender ist hier, wie stark das Publikum direkt adressiert wird, wie attraktiv die Charaktere gestaltet sind und wie motiviert die Rezipierenden sind, sich mit den Figuren tiefergehend auseinanderzusetzen. Bei letzterem sollte sich u. a. ein durch die Rezeption am Stück entstandenes informationsreiches mentales Modell – hier in Form eines umfangreichen Beziehungsschemas – positiv auf die Bereitschaft auswirken, parasozial zu interagieren. Schon erwähnt wurde, dass für Immersives Erleben eine reibungslose Konstruktion des Situationsmodells maßgeblich ist. Alles, was den Aufbau der mentalen ‚Miniwelt‘ erleichtert, verstärkt folglich das Eintauchen in die Geschichte. Ein möglicher Faktor ist dabei, wie vertraut man mit der Erzählung oder den in der Erzählung angesprochenen Themen ist. Aufgrund einschlägigen Vorwissens – beispielsweise erworben durch die kumulierte Rezeptionsweise – lassen sich schneller Verknüpfungen zwischen einzelnen Informationen herstellen, was den Konstruktionsprozess eines Situationsmodells vereinfacht. Ist die Erzählung zudem von hoher hand-

190

5 Narratives Erleben

werklicher Qualität, wirkt sich dies ebenso positiv auf das Immersionserleben aus. Von der Qualität des Medieninhalts hängt auch ab, wie stark die ästhetischen Erfahrungen während der Rezeption ausgeprägt sind. Ausschlaggebend ist weiterhin, wie viel kunstbezogenes Vorwissen ein Rezipierender besitzt. Wer z. B. viel Erfahrung mit Quality TV-Serien hat und weiß, was dieses Format auszeichnet, wird einen Teil des Rezeptionsgenusses aus der Analyse stilistischer Merkmale ziehen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Person genügend kognitive Kapazitäten hat, neben der Geschichte auch über die Ästhetik einer Serie nachzudenken. Denn letzteres, wissen wir, ist nur eine optionale Verarbeitungsstufe, die jedoch von der kumulierten Rezeption in besonderer Weise profitieren dürfte. Erfahrung, hier aber mehr im Sinne von Lebenserfahrung, spielt auch bei Appreciation eine große Rolle. Ältere Menschen sind eher geneigt, nach einer tieferen Bedeutung zu suchen als junge. Zudem hängt es vom Genre ab, wie sinnstiftend das Erleben ausfällt. Dramen und traurige Medieninhalte fördern diese Erlebensform stärker als z. B. Thriller oder Komödien. Doch gilt auch hier: Über den Tieferen Sinn kann nur dann nachgedacht werden, wenn ausreichend mentale Ressourcen – wie im Falle der kumulierten Serienrezeption – vorhanden sind, um diese optionale Verarbeitungsstufe durchzuführen. Nur wenn der Rezeptionsgenuss zufriedenstellend ausfällt und ihren Erwartungen entsprochen hat, werden die Rezipierenden gewillt sein, einen Medieninhalt erneut zu rezipieren. Die Motivation zur kontinuierlichen Rezeption hängt also ganz wesentlich davon ab, wie stark ein ums andere Mal das Narrative Erleben ausfällt. An dieser Stelle sind nun alle Erkenntnisse zusammengetragen, die es zur Entwicklung eines Forschungsmodells benötigt, das die kumulierte Serienrezeption nicht nur als technologie- und inhaltsgetriebenes Phänomen, sondern auch als rezeptionsprozessgetriebenes Phänomen versteht. Wie sich dieses genau zusammensetzt, soll im nächsten Kapitel beschrieben werden.

6

Forschungsmodell

In der Einleitung zu dieser Arbeit wurde als Ziel formuliert, ein Modell der kumulierten Serienrezeption zu entwickeln. Der besseren Nachvollziehbarkeit halber soll zunächst ein allgemeines Modell entworfen werden, das den Prozess bei der Rezeption narrativer Medieninhalte beschreibt. Dieses ergibt sich aus den theoretischen Überlegungen, die in den vorangegangenen Kapiteln angestellt wurden. Unter Berücksichtigung des Rezeptionsrhythmus als Einflusskomponente wird das in Kapitel 6.1 entwickelte Modell anschließend dahingehend angepasst, dass es die kumulierte Serienrezeption erklären kann. Aus dem so entstandenen Modell der kumulierten Serienrezeption leiten sich die Forschungsfragen und Hypothesen ab, die am Ende dieses Kapitels vorgestellt werden. 6.1

Allgemeines Rezeptionsmodell

Das Modell, welches im Folgenden skizziert wird, bezieht sich auf die kommunikative Phase der Rezeption. Eine von drei Determinanten im Rezeptionsprozess ist die Person, die einen Medieninhalt rezipiert (siehe auch Bilandzic et al., 2015, 24f). Personenabhängige Merkmale, die die affektiven und kognitiven Vorgänge während der Rezeption mitbeeinflussen, sind das Interesse an einem Medieninhalt bzw. der persönliche Geschmack, das Geschlecht, die Empathie- und Transportationsfähigkeit eines Menschen sowie das Vorwissen, das eine Person zum Dargestellten besitzt (siehe Kap. 4 und 5). Was aber passiert nun, wenn sich ein Individuum einem narrativen Medieninhalt zuwendet? Welche kognitiven und affektiven Vorgänge werden ausgelöst? Zunächst muss die Rezipientin/der Rezipient das Gezeigte oder Beschriebene verstehen (siehe Kap. 4). Medieninhalte, egal welcher Art, bestehen aus einer Aneinanderreihung an Informationen. Bei Narrationen (z. B. Spielfilme, TV-Serien, Romane) sind es durch Figuren und deren Handlungs© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Czichon, Kumulierte Serienrezeption, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26842-8_6

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6 Forschungsmodell

ziele ausgelöste Ereignisse, die durch Raum und Zeit in Bezug zueinander gesetzt werden (siehe Kap. 3). Weil aber eine Narration über zwei Ebenen verfügt – der Story, also das, was erzählt wird, und dem Plot, also das, wie erzählt wird – und diese selten parallel verlaufen, tun sich zu Beginn einer Erzählung mehr Fragen als Antworten auf. Dass das anfängliche Unverständnis nicht gleich zum Abbruch des Rezeptionsvorgangs führt, liegt darin begründet, dass Verstehen ein zentrales Motiv der Mediennutzung ist. Wohldosierte Informationslücken wecken epistemische Neugier und motivieren dazu, die Rezeption fortzusetzen (siehe Kap. 5.3). Die Aufgabe der Rezipierenden ist es nun, im Verlauf der Rezeption aus dem Plot eine sinnvolle Geschichte zu konstruieren. Insgesamt sind drei simultan verlaufende Subprozesse an diesem Informationsverarbeitungsprozess beteiligt: das encoding, was alles umfasst vom Wahrnehmen über die Selektion bis hin zur Integration einer Information in das Situationsmodell; das storage, was nichts anderes bedeutet, als enkodierte Informationen im Gedächtnis dauerhaft abzuspeichern; und das retrieval, also den Abruf von im Langzeitgedächtnis abgespeicherten Informationen, um neue Informationen sinnvoll in das Situationsmodell integrieren zu können (siehe Kap. 4.3). Weil aber die kognitiven Kapazitäten eines Menschen begrenzt sind, konkurrieren die drei Subprozesse um die vorhandenen mentalen Ressourcen miteinander. Wie schwer oder leicht es fällt, Informationen zu verarbeiten, hängt dabei auch von der Beschaffenheit des narrativen Medieninhalts ab. Der Medieninhalt ist folglich eine weitere Determinante des Rezeptionsprozesses (siehe auch Bilandzic et al., 2015, 24f). Nicht einfach zu verarbeiten ist eine Erzählung dann, wenn sie zahlreiche narrative Diskontinuitäten aufweist. Denn jeder Wechsel auf Ereignisdimensionen wie Raum und Zeit zieht ein Update des Situationsmodells nach sich (siehe Kap. 4.2.1). Eine solche Aktualisierung, also die Verknüpfung einer neuen Information mit bereits im Situationsmodell vorhandenen alten Informationen, ist kognitiv aufwendig, schließlich müssen mentale Ressourcen dafür aufgewendet werden, Informationen aus dem Langzeitgedächtnis wieder zugänglich zu

6.1 Allgemeines Rezeptionsmodell

193

machen. Kommt dann noch hinzu, dass eine Erzählung Vorwissen voraussetzt, stellt das eine weitere kognitive Herausforderung dar. Entscheidend für die Informationsverarbeitung ist in diesem Fall, wie schnell auf die im Langzeitgedächtnis abgespeicherten Informationen zugegriffen werden kann. Dem Subprozess retrieval kommt folglich eine Schlüsselrolle im Informationsverarbeitungsprozess zu. Er gibt vor, wie viele Ressourcen für die anderen beiden Subprozesse übrig bleiben (siehe Kap. 4.3). Die Bildung eines Situationsmodells, sprich einer dauerhaften mentalen, in sich schlüssigen, chronologisch angeordneten Repräsentation der in einer Narration enthaltenen Ereignisse, ist ein notwendiger, wenn auch nicht der einzige Verarbeitungsschritt im Zusammenhang mit narrativen Medieninhalten. Denn Narratives Verstehen ist ein mehrstufiger Prozess (siehe Kap. 4.1). Wer auf Dramaturgie und Stil einer Narration achtet oder sich Gedanken darüber macht, was der Tiefere Sinn einer Geschichte sein könnte, der setzt sich ebenfalls intensiv mit dem Dargestellten auseinander. Es handelt sich hierbei allerdings nur um optionale Verarbeitungsstufen, d. h sie können durchlaufen werden, müssen aber nicht. Die Geschichte als solches wird man auch so verstanden haben. Damit die beiden anspruchsvollen Verarbeitungsschritte überhaupt ausgeführt werden können, darf die obligatorische Konstruktion des Situationsmodells nicht zu viele kognitive Ressourcen verbrauchen. Auch das Enkodieren und Abspeichern formaler Merkmale eines narrativen Medieninhalts sowie die Herstellung über den Medieninhalt hinausgehender Verknüpfungen kostet schließlich Energie. Lohnenswert sind die optionalen Verarbeitungsschritte in jedem Fall, eröffnen sie einem doch weitere Bedeutungsebenen (siehe Kap. 3.3; siehe Abb. 7).

194

Abb. 7: Allgemeiner Rezeptionsprozess – Stufe 1 Quelle: eigene Darstellung

Abb. 8: Allgemeiner Rezeptionsprozess – Stufe 1 und 2 Quelle: eigene Darstellung

6 Forschungsmodell

6.1 Allgemeines Rezeptionsmodell

195

Wer sich einem narrativen Medieninhalt zuwendet, der denkt im ersten Moment gar nicht unbedingt an eine kognitive Herausforderung. Viel wahrscheinlicher ist es, dass man sich in den nächsten Minuten oder Stunden einfach nur gut unterhalten lassen will. Damit Rezeptionsgenuss entsteht, müssen Rezipierende eine oder verschiedene Facetten des Narrativen Erlebens erfahren haben (siehe Kap. 5.2; siehe Abb. 8). Sie müssen die Perspektive der Figuren eingenommen und mit ihnen mitgefühlt haben (Medienempathie); sie müssen stark kognitiv, affektiv und/oder konativ auf die Figuren reagiert haben (Parasoziale Interaktionen); sie müssen völlig in die Narration eingetaucht sein, sprich das Gefühl gehabt haben, Teil der Geschichte zu sein, und damit einhergehend die Außenwelt für den Moment völlig vergessen haben (Immersives Erleben); sie müssen über die Gestaltung eines Medieninhalts reflektiert und sich ein ästhetisches Urteil gebildet haben (Ästhetisches Erleben); und/oder sie haben während der Rezeption sinnstiftende Erfahrungen gemacht, d. h. der narrative Medieninhalt hat zu tiefgreifenden Erkenntnissen über den Sinn bzw. Wert des (eigenen) Lebens geführt, wodurch man als Mensch gewachsen ist (Appreciation). Um aber einen narrativen Medieninhalt dergestalt erleben zu können, ist Narratives Verstehen unabdingbar: Die Situation des medial vermittelten Gegenübers lässt sich nur dann internal nachvollziehen und die damit einhergehenden Gefühle nur dann nachempfinden, wenn die beobachteten Geschehnisse beim Rezipierenden zuvor mental repräsentiert worden sind. Spekulationen über den weiteren Handlungsverlauf anzustellen setzt ebenfalls die Bildung eines Situationsmodells voraus. Transportation wurde als das FlowErleben definiert, das erst durch die mühelose Konstruktion des Situationsmodells entsteht. Ästhetisches Erleben wurde wiederum als ein Informationsverarbeitungsprozess beschrieben, bei dem inhaltliche und formale Merkmale eines Objekts wahrgenommen und Verbindungen hergestellt werden zu im Langzeitgedächtnis abspeicherten Wissen. Und etwas als sinnstiftend wertzuschätzen setzt voraus, dass man sich zuvor Gedanken darüber gemacht hat, worin der Tiefere Sinn einer Geschichte bestehen kann (siehe Kap.

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6 Forschungsmodell

5.1). Will man die verschiedenen Facetten des Narrativen Erlebens kategorisieren, dann stehen Medienempathie, PSI und Immersives Erleben für eine involvierte Rezeptionshaltung, bei der StellvertreterErfahrungen gemacht werden, und Ästhetisches Erleben und Appreciation für eine analysierende Rezeptionsweise, bei der sich auf die Machart eines narrativen Medieninhalts und die ihm zugrundeliegenden Themen konzentriert wird. Je mehr Erlebensfacetten zutreffen, desto höher fällt der Rezeptionsgenuss aus (siehe Kap. 5.2). Letztgenannter äußert sich darin, dass man sowohl das während der Rezeption erfahrene Erleben als auch den Medieninhalt positiv evaluiert. Ein positives Erlebnis motiviert wiederum dazu, sich demselben oder einem ähnlichen narrativen Medieninhalt, der dieses ausgelöst hat, zukünftig wieder zuzuwenden (siehe Kap. 5.3; siehe Abb. 9).

Abb. 9: Allgemeiner Rezeptionsprozess – alle Stufen Quelle: eigene Darstellung

6.2 Spezifisches Modell der kumulierten Serienrezeption

6.2

197

Spezifisches Modell der kumulierten Serienrezeption

Kumulierte Serienrezeption wurde als die Rezeptionsweise beschrieben, bei der zwei oder mehr Folgen einer Quality TV-Serie am Stück rezipiert werden, mit dem Ergebnis, dass ganze Serienstaffeln innerhalb eines kurzen Zeitraums konsumiert werden (siehe Kap. 1). Die Frage ist nun, welche Auswirkungen das auf den in Kapitel 6.1 beschriebenen Rezeptionsprozess hat? Wenn im Folgenden also das spezifische Modell der kumulierten Serienrezeption vorgestellt wird, dann bezieht sich dessen Gültigkeit auf die Rezeption von Quality TV-Serien. Zunächst muss das Modell dahingehend angepasst werden, dass es nicht mehr irgendein narrativer Medieninhalt ist, der rezipiert wird, sondern Serien und hier konkret Quality TV. Nachdem die Beschaffenheit eines Medieninhalts Auswirkungen auf dessen Verarbeitung hat, soll an dieser Stelle kurz rekapituliert werden, was dieses Erzählformat charakterisiert (siehe Kap. 3.3.3). Generell zeichnet sich serielles Erzählen durch Mehrteiligkeit und eine offene Narrationsstruktur aus. So auch Quality TV. Quality TV-Serien sind Fortsetzungsserien mit einer Vielzahl an Handlungssträngen, die sich häufig auf zwei Zeitebenen verteilen. Mehrsträngigkeit alleine ist jedoch noch kein Qualitätsmerkmal. Was Quality TV von herkömmlichen Fortsetzungsserien unterscheidet, ist die starke Verschränkung von vertikalen mit horizontalen Handlungsbögen. Bei qualitativ hochwertigen Serien ist nichts zufällig. Stattdessen läuft die Handlung auf ein konkretes Ziel oder gar Ende hinaus und mit jeder Episode nähert man sich diesem an. Dies führt einerseits zu einem stimmigen narrativen Gesamtbild, macht aber andererseits die Narration sehr komplex. Hinzu kommt, dass Quality TV-Serien manches nur andeuten und vieles (zunächst) im Ungewissen lassen, wodurch einige Leerstellen in der Narration entstehen, die ausgehalten oder von den Rezipierenden eigenständig geschlossen werden müssen. In der Summe entsteht dadurch eine komplexe Narrationstruktur, bei der beide Dramaturgieebenen – die Makro- und die Mikroebene – von gleich großer Wichtigkeit sind. Für Rezipierende bedeutet das wiederum: Um der

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6 Forschungsmodell

Handlung folgen zu können, muss die Serie auch auf beiden Ebenen rezipiert werden. Und es wird ihnen eine enorme Erinnerungsleistung abverlangt, müssen doch teilweise über mehrere Folgen oder gar ganze Staffeln hinweg Verknüpfungen zwischen einzelnen Ereignissen hergestellt werden. Neben narrativer Komplexität zeichnet Quality TV Vielschichtigkeit aus. Die Figuren sind nicht eindimensional angelegt, sondern weisen viele, teils widersprüchliche Charakterzüge auf. Mit dieser Vielschichtigkeit einher geht narrative Kontingenz, denn der weitere Handlungsverlauf ist nicht mehr so vorhersehbar wie bei herkömmlichen Serien mit stereotypen Figuren. Als drittes Charakteristikum ist die besondere Ästhetik qualitativ hochwertiger Serien zu nennen. Quality TVSerien verfügen über eine ausdrucksstarke Bildsprache, die es lohnt, zu dekodieren, weil sie der Narration eine weitere Bedeutungsebene hinzufügt. Dass sich in Quality TV-Serien neben der expliziten Dramaturgie noch eine implizite Dramaturgie versteckt, trägt dabei wieder zu deren Komplexität bei. Diese werkimmanenten Charakteristika im Hinterkopf behaltend, wenden wir uns nun dem eigentlichen Rezeptionsprozess zu, also den kognitiven und affektiven Vorgängen, die während der kumulierten Rezeption von Quality TV-Serien ablaufen. Es sind keine anderen als die schon in Kapitel 6.1 vorgestellten, allerdings wird nun der Rezeptionsrhythmus als Einflusskomponente berücksichtigt, was, wie zu zeigen sein wird, nicht folgenlos für das Verstehen und Erleben einer seriell angelegten Narration bleibt. Stellen wir uns vor, ein Individuum beginnt damit eine neue, qualitativ hochwertige Serie, von der bereits eine komplette Staffel vorliegt, anzusehen. Nachdem der Plot komplex ist, wird sich das Individuum in der ersten Folge hauptsächlich darauf konzentrieren, Sinn aus dem Dargestellten zu ziehen, also ein einigermaßen kohärentes Situationsmodell aufzubauen, soweit das bei einem Medieninhalt, der viele narrative Leerstellen aufweist, eben möglich ist. Am Ende der ersten Episode angelangt, wird die Person, sofern sie sich gut unterhalten gefühlt hat, also transportiert und/oder empathisch war und/oder stark parasozial interagiert

6.2 Spezifisches Modell der kumulierten Serienrezeption

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hat, motiviert sein, die Rezeption fortzusetzen. Nachdem sich aber die Motivation für eine Handlung aus der Wechselbeziehung zwischen Person und Situation ergibt, kommt es nun auch darauf an, wie stark der Aufforderungscharakter einer Situation ist und wie gering die Restriktionen sind, die mit einer Situation einhergehen. Weil Quality TV-Serien Fortsetzungsserien sind, deren Episoden noch dazu häufig mit einem Cliffhanger enden, und weil dank VoD die nächste Folge, wenn überhaupt, nur einen Mausklick entfernt liegt, dürfte am Ende dieser ersten Episode der Anstoß von außen groß sein, die Rezeption fortzuführen. Wenn noch dazu keine Restriktionen bestehen, – man also nicht mit Freunden verabredet ist, der Wecker nicht früh am nächsten Morgen klingelt und keine Klausur ansteht, auf die sich noch vorbereitet werden müsste –, steht dem Vorhaben nichts im Wege, unmittelbar nach der ersten Folge gleich die zweite Folge anzusehen. Interessant ist nun, was ab Folge 2 passiert, also dann, wenn die Rezeption kontinuierlich wird bzw. wenn angefangen wird, die Serie kumuliert zu rezipieren. Auch jetzt geht es wieder in erster Linie darum, Sinn aus dem Dargestellten zu ziehen. Nachdem es sich um eine Fortsetzungsserie handelt, sprich die Handlungsstränge aus Folge 1 weitergeführt werden, wird das Individuum nicht umhinkommen, auf Wissen aus der ersten Folge zurückzugreifen, um die Informationen aus Folge 2 sinnvoll in das Situationsmodell integrieren zu können. Der Abruf von Informationen aus dem Gedächtnis kostet allerdings kognitive Ressourcen, die, weil die drei am Informationsverarbeitungsprozess beteiligten Subprozesse simultan verlaufen, dann nicht dem encoding und storage zur Verfügung stehen. Wie viele Ressourcen der Subprozess retrieval in Anspruch nimmt, hängt davon ab, wie lange es her ist, dass die gesuchte Information dem Gedächtnis hinzugefügt wurde. Denn das menschliche Gedächtnis funktioniert nach dem recencyPrinzip. An die Informationen, die noch nicht so lange in der Vergangenheit zurückliegen, erinnern wir uns besser als an das, womit wir uns zuletzt vor einer Woche beschäftigt haben (siehe Kap. 4.3). Was bedeutet das nun für unser Individuum, das gerade eben erst

200

6 Forschungsmodell

die erste Folge gesehen hat? Unserer Beispielperson dürfte bei der zweiten Folge der Verarbeitungsschritt retrieval nun verhältnismäßig leicht fallen, schließlich befindet sich das in Folge 1 aufgebaute Situationsmodell noch im Kurzzeitgedächtnis, wovon es sich leichter abrufen lässt, als aus dem Langzeitgedächtnis. Man könnte auch sagen, dass sich das Dokument, an dem nun weitergeschrieben wird, noch geöffnet im Arbeitsspeicher befindet und nicht erst aufwendig auf der Festplatte danach gesucht werden muss. Wenn dem so ist, also wenn der Subprozess retrieval relativ wenig kognitive Ressourcen benötigt, bleiben mehr für die anderen beiden übrig. Es lassen sich folglich mehr Informationen kodieren und die enkodierten Informationen lassen sich besser abspeichern. Das wiederum führt zu einem komplexeren Situationsmodell. Komplexer deshalb, weil mehr Informationen wahrgenommen und in das Situationsmodell integriert werden konnten und weil die einzelnen Informationen besser miteinander verknüpft sind. Wenn es dem Individuum leicht fällt, die für das Verständnis der Geschichte notwendigen Informationen zu einem kohärenten Situationsmodell zu verarbeiten, dann sollten nun noch kognitive Kapazitäten vorhanden sein, sich auf Dramaturgie und Stil sowie den Tieferen Sinn einer Serie zu konzentrieren, also auf die optionalen Verstehensstufen. Dass dies bei Quality TV besonders lohnenswert ist, wissen wir aus Kapitel 3. Zusammengefasst lässt sich also sagen: Nach der ersten Folge gleich die zweite anzusehen, ist ressourceneffizient. Die Tatsache, dass für den Abruf von alten, im Gedächtnis abgespeicherten Informationen weniger Ressourcen benötigt werden, löst eine Kettenreaktion aus, die darin endet, dass das Narrative Verstehen als Ganzes, also mit all seinen Verstehensstufen, davon profitiert. Dies bleibt wiederum nicht folgenlos für das Narrative Erleben, das untrennbar mit dem Narrativen Verstehen verbunden ist. Mit Figuren mitzufühlen bedeutet, sich in deren Lage hineinzuversetzen. Je vertrauter man mit dem Gegenüber ist, desto leichter fällt einem dieser Perspektivwechsel und desto stärker empfindet man mit (siehe Kap. 5.1.1.1). Vertraut ist man dann, wenn man viel

6.2 Spezifisches Modell der kumulierten Serienrezeption

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über eine Person bzw. die Hintergründe zu einer Situation weiß. Wer nun über ein dichtes, an Informationen reiches Situationsmodell verfügt, hat genau dieses Wissen angehäuft, das es bedarf, um sich leichter in eine andere Person und deren Situation hineinzudenken und damit intensiver mitzufühlen. Dieser Informationsreichtum schlägt sich auch im Beziehungsschema nieder, das neben dem Situations- das Figurenmodell und die Einstellungen und Gefühle des Rezipierenden gegenüber einer Serienfigur umfasst. Es beeinflusst, wie stark wir in einer Rezeptionssituation mit den Charakteren parasozial interagieren (siehe Kap. 5.1.1.2). Aus Kapitel 5.1.1.3 ist zudem bekannt, dass alles, was den Aufbau eines Situationsmodells erleichtert, auch das Eintauchen in die Geschichte erleichtert. Denn das damit einhergehende Flow-Erleben entsteht erst durch die mühelose Konstruktion des Situationsmodells. Wenn also die kumulierte Rezeption einer Serie förderlich für die Konstruktion eines Situationsmodells ist, dann sollte sich das auch positiv auf das immersive Erleben einer Person auswirken. Etwas anders verhält es sich mit jenen Facetten des Narrativen Erlebens, die wir als analysierende Rezeption bezeichnet haben. Zwar spielt auch hier das Situationsmodell eine Rolle, aber eher in dem Sinne, dass sich diese Erlebensfacetten nur dann realisieren lassen, wenn parallel zu dessen Konstruktion noch genügend kognitive Ressourcen vorhanden sind, um die optionalen Verstehensstufen auszuführen. Denn nur wenn man die Ästhetik einer Serie wahrnimmt, also auf Dramaturgie und Stil achtet, kann auch Ästhetisches Erleben Teil der Erfahrungen werden, die man während der Serienrezeption macht. Selbiges gilt für Appreciation, wobei hier das Nachdenken über den Tieferen Sinn einer Geschichte das Entscheidende ist. Eine Serie kumuliert zu rezipieren steigert hierfür folglich die Chancen. Am Ende dieser zweiten Folge dürfte das Bedürfnis, die Rezeption fortzusetzen, noch größer sein als bei der ersten Folge. Schon in Folge 1 hat unser Individuum mit den Figuren empathisch mitgefiebert, parasozial interagiert und war transportiert, doch diese Erlebensfacetten wurden durch den hohen Rezeptions-

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6 Forschungsmodell

rhythmus nun nochmal verstärkt. Hinzu kommt, dass jetzt auch die analysierenden Erlebensfacetten erfahren wurden, was den Rezeptionsgenuss insgesamt höher ausfallen lässt. Weil zugleich die Situation nichts von ihrem hohen Aufforderungscharakter verloren hat – nach wie vor trifft zu, dass die Geschichte noch nicht zu Ende erzählt ist, und wie schon nach der ersten Episode bietet sich auch jetzt wieder dank VoD die Gelegenheit, das Bedürfnis schnell und einfach zu stillen – wird gleich im Anschluss die dritte Folge angeschaut. Da die Ereignisse aus Folge 1 und 2 noch äußerst präsent sind, bereitet es dem Individuum wieder keinerlei Mühen, neue Informationen sinnvoll in das schon bestehende Situationsmodell zu integrieren. Der bereits durch die kumulierte Rezeption von Folge 1 und 2 aufgebaute Wissensvorsprung steigt nochmals an, schließlich bleibt nun noch mehr Zeit, auf Details zu achten, die – das weiß man bei Quality TV nie – zukünftig noch wichtig für die weitere Handlung werden könnten. Auch entdeckt man Muster in Dramaturgie und Stil, die man, würde man nicht über die entsprechenden kognitive Kapazitäten verfügen darauf zu achten, ansonsten gar nicht wahrgenommen hätte. Das wiederum hat Konsequenzen für alle nachgelagerten kognitiven und affektiven Vorgänge. Denn je tiefer das Verständnis einer Narration ist, desto stärker fallen das Erleben und damit auch der Rezeptionsgenuss aus. Weil dieser als angenehm erlebte Zustand am Ende einer Episode beibehalten werden soll, wird die Rezeption fortgesetzt. Kumuliertes Sehen, so lässt sich also schlussfolgern, hat einen selbstverstärkenden Effekt. Es setzt eine Spirale in Gang, die in einem besseren narrativen Verständnis, einem intensiveren Narrativen Erleben und einem höheren Rezeptionsgenuss mündet.

6.2 Spezifisches Modell der kumulierten Serienrezeption

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Abb. 10: Modell der kumulierten Serienrezeption Quelle: eigene Darstellung

Theoretisch ließe sich der in Abbildung 10 beschriebene Kreislauf immer weiter fortführen. Trotzdem wird er irgendwann vorübergehend unterbrochen werden und dies nicht unbedingt ausschließlich aus dem Grund, weil man am Serienende angelangt wäre. Wie lässt sich ein vorübergehendes Aussetzen der Rezeption in Einklang bringen mit dem beschriebenen Modell? Bisher sind wir immer davon ausgegangen, dass ein starkes Rezeptionsbedürfnis auf eine Situation mit hohem Aufforderungscharakter und wenig Restriktionen trifft, was dazu führt, dass die Rezeption unmittelbar fortgesetzt wird. Diese Wechselbeziehung ist aber durchaus Veränderungen unterworfen. Vielleicht ist irgendwann das Bedürfnis zu schlafen höher als das, die Rezeption fortzuführen. Auch wachsen irgendwann die Restriktionen – es ist schon spät und man muss morgen früh aufstehen oder man muss dringend an einer Hausarbeit weiterschreiben. Kommt dann noch hinzu, dass die Folge dieses Mal nicht mit einem Cliffhanger endet, fällt der Aufforderungscharakter am Ende dieser Episode deutlich geringer aus. Zwar mag das Bedürfnis alles in allem immer noch groß sein, die

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6 Forschungsmodell

Rezeption fortzusetzen, die Rahmenbedingungen haben sich nun aber derart geändert, dass die Entscheidung, die Rezeption an der Stelle fortzuführen, nicht mehr so attraktiv bzw. verlockend scheint wie all die Folgen zuvor. Auch situative Faktoren sind damit eine wesentliche Determinante des Rezeptionsprozesses. 6.3

Forschungsfragen und Hypothesen

Nachdem in Kapitel 6.2 ein Modell der kumulierten Serienrezeption entwickelt wurde, sollen daraus nun Forschungsfragen und Hypothesen abgeleitet werden, die es anschließend in einer empirischen Untersuchung zu überprüfen gilt. Betrachtet man die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel, müsste die eigentliche und einzige Hypothese lauten, dass das vorgeschlagene Modell in seiner Gesamtheit zutrifft. Das Testen einer solchen Annahme erfolgt normalerweise über eine Strukturgleichungsanalyse. Will man ein stabiles Schätzergebnis für ein Strukturgleichungsmodell erhalten, ist eine große Fallzahl notwendig (Kline, 2016, 14ff). Wie groß diese konkret sein muss, hängt von mehreren Modell- und Datenmerkmalen ab, u. a. von der Gesamtzahl der Indikatoren im Modell und der durchschnittlichen Anzahl von Indikatoren pro Faktor (Urban & Mayerl, 2014, 105f). Als Faustregel gilt dabei, dass pro zu schätzenden Parameter zehn oder 20 Beobachtungen notwendig sind (z. B. Kline, 2016, 16; Tanaka, 1987, 135). Ohne die Operationalisierung der abhängigen Variablen an dieser Stelle schon vorgestellt zu haben, sollte bereits anhand der Vielzahl der im Modell aufgeführten Konstrukte klar sein, dass eine sehr große Fallzahl, in etwa N = 2000, von Nöten wäre, um ein Strukturgleichungsmodell sinnvoll zu berechnen. Eine solch riesige Fallzahl im Rahmen eines Dissertationsprojekts zu generieren, hinter dem kein (kommerzieller) Auftraggeber steckt, ist jedoch schwer, wenn nicht

6.3 Forschungsfragen und Hypothesen

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gar unmöglich, zu leisten. Deshalb wird in dieser Arbeit davon abgesehen, eine Strukturgleichungsanalyse durchzuführen. 42 Wie aber lässt sich das Modell trotzdem bestmöglich überprüfen? Betrachtet man die Ausführungen in Kapitel 6.2., wird darin davon ausgegangen, dass alle Modellelemente vom Rezeptionsrhythmus abhängen. Gleichzeitig wird angenommen, dass die einzelnen Modellbausteine aufeinander aufbauen. Deswegen ist es sinnvoll, beim Testen des Modells folgende analytische Unterteilung vorzunehmen: In einem ersten Schritt wird überprüft, ob sich bivariate Zusammenhänge zwischen dem Rezeptionsrhythmus und allen davon abhängigen Variablen finden lassen. In einem zweiten Schritt soll dann getestet werden, ob die benachbarten Elemente im Modell tatsächlich, wie im selbigen unterstellt, zusammenhängen. Folgt man dieser Testlogik, ergeben sich vor dem Hintergrund des in Kapitel 6.2 vorgeschlagenen Modells folgende vier Forschungsfragen: FF1: Welchen Einfluss hat die kumulierte Serienrezeption auf das Narrative Verstehen? FF2: Welchen Einfluss hat die kumulierte Serienrezeption auf das Narrative Erleben? FF3: Welchen Einfluss hat die kumulierte Serienrezeption auf Rezeptionsgenuss und -motivation? FF4: Wie hängen die einzelnen Modellkomponenten zusammen? Zu jeder dieser Forschungsfragen lassen sich aufgrund der theoretischen Vorüberlegungen, die in dieser Arbeit angestellt wurden, Hypothesen formulieren. Diese sollen im Folgenden der Reihe nach vorgestellt werden.

42

Auch wenn man die Stichprobengröße nach dem Monte-Carlo-Verfahren bestimmen würde, wie es Urban und Mayerl (2003) vorschlagen, wäre die Fallzahl aufgrund der Komplexität des Modells noch unerreichbar hoch.

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6 Forschungsmodell

Hypothesen zu FF1 Was das Narrative Verstehen betrifft, wurde im vorangegangen Kapitel argumentiert, dass sich das kumulierte Sehen von Quality TVSerien positiv auf den beschränkten kognitiven Kapazitäten unterliegenden Informationsverarbeitungsprozess auswirkt. Es wurde als eine ressourceneffiziente Rezeptionsweise beschrieben, bei der die Rezipierenden vom sogenannten recency-Effekt profitieren. Das bedeutet: Das menschliche Gedächtnis ist dergestalt organisiert, dass zuletzt hinzugefügte Informationen kognitiv leichter verfügbar und damit schneller abrufbar sind. Nachdem sich die kumulierte Rezeption gerade dadurch auszeichnet, dass die Rezeption der einzelnen Folgen noch nicht so lange her ist, sollte der Subprozess retrieval bei dieser Rezeptionsweise relativ schnell ausgeführt werden können. Werden dafür wenige kognitive Ressourcen benötigt, können sich die Rezipierenden stärker auf die simultan dazu verlaufenden anderen beiden Subprozesse konzentrieren. Die Konsequenz ist nicht nur, dass mehr Informationen enkodiert werden können, sondern auch, dass diese gründlicher abgespeichert werden können. Die Hypothesen zum Informationsverarbeitungsprozess lauten demnach wie folgt: H1.1: Kumuliert Rezipierende können serienspezifische Informationen schneller abrufen. H1.2: Kumuliert Rezipierende können mehr Informationen aufnehmen. H1.3: Kumuliert Rezipierende können Informationen gründlicher abspeichern. Wer viele kognitive Ressourcen darauf verwenden kann, Informationen zu enkodieren und abzuspeichern, der verfügt am Ende des Rezeptionsvorgangs über ein komplexeres Situationsmodell. Doch auch die anderen beiden Verstehensstufen profitieren davon, wenn kumuliert rezipiert wird. Denn wenn durch diese ressourceneffiziente Rezeptionsweise nun der obligatorische Aufbau eines Situationsmodells problemlos gelingt, dann dürften noch ausreichend

6.3 Forschungsfragen und Hypothesen

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kognitive Kapazitäten vorhanden sein, um auf Dramaturgie und Stil einer Serie genauer zu achten und über den Tieferen Sinn einer Geschichte intensiver nachzudenken. Daraus ergeben sich folgende Hypothesen: H1.4: Kumuliert Rezipierende verfügen über ein komplexeres Situationsmodell. H1.5: Kumuliert Rezipierende achten stärker auf Dramaturgie und Stil der Serie. H1.6: Kumuliert Rezipierende achten stärker auf den Tieferen Sinn der Serie. Hypothesen zu FF2 Bezüglich der verschiedenen Facetten des Narrativen Erlebens wurde im vorangegangenen Kapitel davon ausgegangen, dass ein tieferes Verständnis der Serie zu einem intensiveren Erleben selbiger führt. Durch die kumulierte Rezeption entsteht ein detailreiches Situationsmodell. Das wiederum erleichtert es den Rezipierenden, sich in die Lage der Serienfiguren hinein zu versetzen. Je mehr man folglich über Figuren und deren Hintergründe weiß, desto empathischer ist man mit ihnen. Dieser Effekt sollte sich auch für Parasoziale Interaktionen zeigen, deren Intensität wesentlich von Umfang und Detailliertheit des beim Rezipierenden abgespeicherten Beziehungsschemas abhängt. Was das Immersive Erleben anbelangt, wurde argumentiert, dass alles, was die mentale Repräsentation der in einer Narration enthaltenen Ereignisse erleichtert, das Eintauchen in die Geschichte verstärkt. Wer sich eingehend mit Dramaturgie und Stil eines Medieninhalts befasst, der wird daraus einen größeren ästhetischen Genuss ziehen, als jemand, der impliziten Bedeutungsebenen einer Narration aufgrund mangelnder kognitiver Ressourcen wenig Beachtung schenkt. Dasselbe gilt für sinnstiftende Erfahrungen während der Rezeption: Nur wer die nötige Zeit hat, sich mit dem Tieferen Sinn einer Erzählung auseinanderzusetzen, kann sie auch dahingehend erleben. Die Hypothesen zum Narrativen Erleben fallen demnach wie folgt aus:

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6 Forschungsmodell

H2.1: Kumuliert Rezipierende weisen ein stärkeres empathisches Erleben auf. H2.2: Kumuliert Rezipierende weisen stärkere PSI-Prozesse auf. H2.3: Kumuliert Rezipierende weisen ein stärkeres Immersionserleben auf. H2.4: Kumuliert Rezipierende weisen ein stärkeres ästhetisches Erleben auf. H2.5: Kumuliert Rezipierende weisen stärkere Appreciation auf. Hypothesen zu FF3 An verschiedenen Stellen der Arbeit, zuletzt in Kapitel 6.2 wurde dargelegt, dass sich die Stärke des Rezeptionsgenusses aus den Erlebensfacetten speist. Je stärker eine Serie empathisch, parasozial interagierend, immersiv, ästhetisch und/oder sinnstiftend erlebt wird, desto intensiver sollte das Unterhaltungserleben ausfallen und desto positiver sollte das Medienangebot bewertet werden. Nachdem angenommen wird, dass sich die kumulierte Serienrezeption positiv auf die dem Rezeptionsgenuss vorgelagerten Prozesse auswirkt, wird auch ein positiver Effekt für das subjektive Unterhaltungsgefühl und die Bewertung des Medienangebots selbst erwartet. Das wiederum sollte nicht folgenlos für die Rezeptionsmotivation bleiben. Grundsätzlich führt eine als angenehm empfundene Erfahrung zur Wiederholung der Handlung, die sie ausgelöst hat. Je höher der Rezeptionsgenuss ausfällt, desto größer sollte auch der innere Drang sein, die Rezeption unmittelbar wie generell fortzusetzen. Die Hypothesen zu Forschungsfrage 3 lauten folglich: H3.1a: Kumuliert Rezipierende weisen ein stärkeres Unterhaltungserleben auf. H3.1b: Kumuliert Rezipierende beurteilen das Medienangebot besser. H3.2a: Kumuliert Rezipierende weisen eine stärkere unmittelbare Motivation auf, die Rezeption fortzusetzen.

6.3 Forschungsfragen und Hypothesen

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H3.2b: Kumuliert Rezipierende weisen eine stärkere generelle Motivation auf, die Rezeption fortzusetzen.

Hypothesen zu FF4 Die bisher aufgestellten Hypothesen basieren auf der Annahme, dass die Modellbausteine Narratives Verstehen; Narratives Erleben sowie Rezeptionsgenuss und Rezeptionsmotivation aufeinander aufbauen. Die vierte Forschungsfrage dient nun dazu, herauszufinden, inwieweit die im Modell benachbarten Komponenten tatsächlich zusammenhängen. Nachdem bereits in den Abschnitten zu FF1, FF2 und FF3 erklärt wurde, wie die einzelnen Modellelemente zusammenspielen, wird sich im Folgenden darauf beschränkt, die Hypothesen nur noch aufzuzählen. Zuerst gilt es, den unterstellten Zusammenhang zwischen dem Informationsverarbeitungsprozess und den drei im Modell angeführten Verstehensstufen zu überprüfen. Die Hypothesen hierzu lauten: H4.1: Der Informationsverarbeitungsprozess beeinflusst die Verstehensstufe ‚Situationsmodell‘. H4.2: Der Informationsverarbeitungsprozess beeinflusst die Verstehensstufe ‚Dramaturgie und Stil‘. H4.3: Der Informationsverarbeitungsprozess beeinflusst die Verstehensstufe ‚Tieferer Sinn‘. Was den Zusammenhang zwischen den Verstehensstufen und den Erlebensfacetten anbelangt, ergeben sich folgende Hypothesen: H4.4: Die Verstehensstufe ‚Situationsmodell‘ beeinflusst das empathische Erleben einer Person. H4.5: Die Verstehensstufe ‚Situationsmodell‘ beeinflusst die PSI-Prozesse einer Person. H4.6: Die Verstehensstufe ‚Situationsmodell‘ beeinflusst das immersive Erleben einer Person.

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6 Forschungsmodell

H4.7: Die Verstehensstufe ‚Dramaturgie und Stil‘ beeinflusst das ästhetische Erleben einer Person. H4.8: Die Verstehensstufe ‚Tieferer Sinn‘ beeinflusst Appreciation. Für das Verhältnis von Erlebensfacetten und Rezeptionsgenuss werden folgende Zusammenhänge vermutet: H4.9a: Empathisches Erleben beeinflusst das Unterhaltungserleben. H4.9b: Empathisches Erleben beeinflusst die Bewertung des Medienangebots. H4.10a: PSI-Prozesse beeinflussen das Unterhaltungserleben. H4.10b: PSI-Prozesse beeinflussen die Bewertung des Medienangebots. H4.11a: Immersives Erleben beeinflusst das Unterhaltungserleben. H4.11b: Immersives Erleben beeinflusst die Bewertung des Medienangebots. H4.12a: Ästhetisches Erleben beeinflusst das Unterhaltungserleben. H4.12b: Ästhetisches Erleben beeinflusst die Bewertung des Medienangebots. H4.13a: Appreciation beeinflusst das Unterhaltungserleben. H4.13b: Appreciation beeinflusst die Bewertung des Medienangebots. Und als letztes gilt es den im Modell unterstellten Zusammenhang zwischen Rezeptionsgenuss und Motivation zu überprüfen. Angenommen wird: H4.14a: Das Unterhaltungserleben beeinflusst die unmittelbare Motivation, die Serienrezeption fortzuführen. H4.14b: Das Unterhaltungserleben beeinflusst die generelle Motivation, die Serienrezeption fortzuführen.

6.3 Forschungsfragen und Hypothesen

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H4.15a: Die Bewertung des Medienangebots beeinflusst die unmittelbare Motivation, die Serienrezeption fortzuführen. H4.15b: Die Bewertung des Medienangebots beeinflusst die generelle Motivation, die Serienrezeption fortzuführen. Zu klären ist nun noch, ab wann das Modell als bestätigt gilt. Wenn einzelne Hypothesen nicht zutreffen, bedeutet das nicht, dass das Modell als Ganzes abgelehnt werden muss. Dazu sind die im Modell postulierten Zusammenhänge zu gut theoretisch fundiert. Das Entscheidungskriterium soll vielmehr wie folgt lauten: Wenn sich für Prüfschritt 1 und 2 jeweils mindestens die Hälfte aller Hypothesen bestätigen lassen, wird dies als Indiz dafür genommen, dass das Modell in seiner Grundstruktur zutrifft.

7

Methode

In diesem Kapitel wird das methodische Vorgehen der Untersuchung beschrieben. Es ergibt sich aus der theoretischen Konzeptualisierung, die in den Kapiteln 1 bis 6 vorgenommen wurde. Zuerst wird das Design der Studie vorgestellt, dann Ablauf und Durchführung derselbigen. Anschließend wird die Operationalisierung der abhängigen Variablen präsentiert, bevor auf die Fragebogenkonstruktion eingegangen wird. Zum Schluss des Methodenkapitels wird dargelegt, wie bei der Datenauswertung vorgegangen wird. 7.1

Design der Studie

Im Zuge der Vorbereitung der Untersuchung mussten mehrere Entscheidungen hinsichtlich des Designs der Studie getroffen werden. Diese sollen im Folgenden vorgestellt werden. 7.1.1

Untersuchungsanlage

Die erste Entscheidung betraf die Untersuchungsanlage: Sollte experimentell oder nicht-experimentell vorgegangen werden? In Kapitel 6.3 wurden zahlreiche Kausalhypothesen formuliert, die es im Rahmen der Studie zu überprüfen galt. Kausale Zusammenhänge lassen sich nur mittels eines Experiments nachweisen, denn „nur ein experimentelles Untersuchungsdesign ist in der Lage, ein Ursache-Wirkungsverhältnis zu identifizieren“ (Brosius, Haas, & Koschel, 2012, 199; Herv. i. O.). Ziel eines Experiments ist es, den kausalen Einfluss mindestens einer unabhängigen Variable auf mehrere zu messende abhängige Variablen zu überprüfen. Für einen eindeutigen Kausalschluss müssen mindestens zwei Gruppen miteinander verglichen werden, die sich bis auf eine variierende unabhängige Variable nicht voneinander unterscheiden dürfen © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Czichon, Kumulierte Serienrezeption, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26842-8_7

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7 Methode

(Brosius et al., 2012, 199f; Döring & Bortz, 2016, 193). Identisch sind Untersuchungsgruppen dann, wenn die Untersuchungsbedingungen von Gruppe zu Gruppe konstant bleiben und potentielle Störvariablen in beiden Gruppen annähernd gleich verteilt sind. Personengebundene Störvariablen (z. B. Geschlecht oder Mitmach-Motivation) werden z. B. dadurch kontrolliert, dass die Zuordnung der Probandinnen und Probanden auf die Versuchsgruppen zufällig erfolgt (Brosius et al., 2012, 224; Döring & Bortz, 2016, 193). Das sogenannte Randomisieren macht es bei großen Gruppen (n > 30) sehr unwahrscheinlich, dass sich personengebundene Störvariablen ungleich auf die verschiedenen Versuchsgruppen verteilen. Untersuchungsbedingte Störvariablen (z. B. Ausstrahlungseffekte Versuchsleiter) müssen, sofern sie nicht ausgeschaltet werden können, über die Versuchsgruppen hinweg gleich gehalten werden (Döring & Bortz, 2016, 196). Ein Experiment zeichnet sich demnach durch die systematische Variation bzw. Manipulation der unabhängigen Variable bei gleichzeitiger Kontrolle aller anderen Merkmale aus. Unter Manipulation wird dabei ein „aktives Herstellen von Verursachungsbedingungen“ (Döring & Bortz, 2016, 194) verstanden. Die Manipulation kann personen-, kontext- oder medienbezogen sein, wobei in kommunikationswissenschaftlichen Experimenten häufig der Medienstimulus variiert wird (Trepte, 2006, 159). Für die vorliegende Studie wurde der Kontext, konkret der Rezeptionsrhythmus, manipuliert. In der Einleitung wurde kumuliertes Sehen als jene Rezeptionsweise definiert, bei der zwei oder mehr Folgen einer Serie am Stück rezipiert werden (siehe Kap. 1). Aus forschungspraktischen Gründen wurde sich dazu entschlossen, sich bei der Operationalisierung der Versuchsbedingung kumulierte Rezeption an dieser Mindestanzahl an Folgen zu orientieren. Die Experimentalgruppe (EG) sollte also zwei Episoden einer vorgegebenen Serie am Stück konsumieren. Ziel der zweiten Versuchsbedingung war es, den klassischen, aus dem linearen Fernsehen bekannten Rezeptionsrhythmus nachzubilden. Die Kontrollgruppe (KG) musste folglich eine Woche Pause zwischen den bei-

7.1 Design der Studie

215

den Folgen einlegen. Es wurde also in zwei Nutzungskonstellationen unterschieden (kumulierte vs. traditionelle Rezeption) und damit ein 2x1-faktorielles Untersuchungsdesign angewendet. Desweiteren musste entschieden werden, ob das Experiment im Labor oder Feld stattfinden sollte. Ein Laborexperiment hat den Vorteil, dass sich die Versuchssituation sehr gut kontrollieren lässt (Brosius et al., 2012, 215f; Döring & Bortz, 2016, 205f). Selbst wenn sich untersuchungsbezogene Störvariablen nicht ganz ausschalten lassen, so können diese doch zumindest konstant gehalten werden. Experimente im Labor weisen demnach eine hohe interne Validität auf, d. h. treten Veränderungen in den abhängigen Variablen auf, sind die Effekte zweifelsfrei auf die Wirkung der unabhängigen Variable zurückzuführen (Döring & Bortz, 2016, 195). Diese hohe interne Validität geht jedoch auf Kosten der externen Validität: Laborexperimente schaffen eine künstliche Rezeptionssituation, die so in der Realität nie stattfinden wird. Entsprechend ist die Übertragbarkeit der im Rahmen eines Laborexperiments gewonnenen Erkenntnisse auf eine natürliche Rezeptionssituation nur eingeschränkt möglich (Brosius et al., 2012, 215f; Döring & Bortz, 2016, 206). Bei Feldexperimenten verhält es sich genau umgekehrt: Sie weisen eine hohe externe Validität auf, denn sie finden in der natürlichen Umgebung der Probandinnen und Probanden statt. Weil dies aber gleichzeitig mit einer verminderten Kontrolle der Rezeptionssituation einhergeht, lässt sich für eventuell gemessene Effekte nicht zweifelsohne die unabhängige Variable als Ursache bestimmen (Brosius et al., 2012, 216ff; Döring & Bortz, 2016, 206). Für die vorliegende Untersuchung wurde sich für ein Feldexperiment entschieden: Wie eingangs in dieser Arbeit beschrieben, geht die kumulierte Serienrezeption mit souveräner Mediennutzung einher (siehe Kap. 1 und 2). Serienrezipierende schätzen es, selbst darüber bestimmen zu können, wann sie einen Medieninhalt rezipieren. Ein Laborexperiment mit fest vorgegebenen Zeiten hätte die Rezipierenden ihrer Nutzungssouveränität beraubt und damit das Rezeptionsverhalten als solches konterkariert. Für die

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7 Methode

Experimentalgruppe hätte ein Laborexperiment zudem bedeutet, deutlich länger am Stück – nämlich nahezu zwei Stunden lang – in einem künstlichen, stark kontrollierten Umfeld zu verbringen, mit allen Einschränkungen, die damit einhergehen (z. B. keine Toilettenpausen oder Essen nebenbei). Dass dies folgenlos für das subjektive Unterhaltungserleben bleibt, ist nicht vorstellbar.43 Der letzte Grund ist ein forschungspraktischer: Eine Laborstudie ist mit einem hohen Aufwand für die Probandinnen und Probanden verbunden (siehe auch Döring & Bortz, 2016, 206). Sie müssten zu einem bestimmten Zeitpunkt an den Ort der Untersuchung kommen. Dies hätte die Rekrutierung von Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern, die für ihre Teilnahme nicht bezahlt wurden, ungemein erschwert. Aus den genannten Gründen und weil Ergebnisse, die im Rahmen einer Untersuchung in der gewohnten Umgebung von Rezipierenden erzielt wurden, mehr Aussagekraft für die Alltagsrezeption besitzen, wurde es als sinnvoller erachtet, ein Feldexperiment durchzuführen. 7.1.2

Befragung

Ein Experiment ist eine Untersuchungsanordnung, kein Messverfahren (Brosius et al., 2012, 197; Trepte, 2006, 158). Um Daten zu erhalten, muss folglich eine Methode der Datenerhebung angewendet werden. Für die Messung des Narrativen Erlebens stehen

43

In der in der Einleitung erwähnten Studie von Horvath et al. (2017) durfte während der Serienrezeption nicht gegessen oder das Handy benutzt werden (siehe Kap. 1). Für die Binge Watching-Gruppe bedeutete dies, dass sie in sechs Stunden nur in der halbstündigen Mittagspause etwas zu sich nehmen durften und auch nur da die Gelegenheit hatten, Nachrichten auf ihrem Smartphone zu checken. Wenig überraschend schnitt die Binge Watching-Gruppe bei der Frage „How much did you enjoy the show?“ (= einziger Indikator für die abhängige Variable Enjoyment) signifikant schlechter ab als die beiden anderen Gruppen (tägliche bzw. wöchentliche Rezeption). Es ist durchaus fraglich, was hier eigentlich bewertet wurde: Tatsächlich die Serie oder nicht eher die Rezeptionssituation? Dass letztere aufgrund der unnatürlichen äußeren Bedingungen nicht als angenehm empfunden wurde, ist durchaus nachvollziehbar.

7.1 Design der Studie

217

grundsätzlich drei Erhebungsinstrumente zur Auswahl: Beobachtung, Befragung oder psychophysiologische Messungen (Trepte, 2006, 154ff). Betrachtet man allerdings das in Kapitel 6.2 skizzierte Modell der kumulierten Serienrezeption und die darin enthaltenen theoretischen Konstrukte, kommen zwei der drei genannten Methoden nicht in Frage: Bei Beobachtungen wird das Verhalten der Rezipierenden aufgezeichnet, um anschließend anhand z. B. der Mimik und Gestik Rückschlüsse auf interne kognitive und affektive Prozesse zu ziehen (Trepte, 2006, 156). Im konkreten Fall des Narrativen Erlebens wäre der entscheidende Indikator die nonverbale Äußerung von Emotionen (Wünsch, 2006a, 184f; Zillich, 2013, 152). Es steht aber nicht zu erwarten, dass sich die uns interessierenden Erlebensdimensionen wie Medienempathie, Parasoziale Interaktionen, Immersion oder Appreciation in unterschiedlichen Emotionen ausdrücken. Alle fünf werden mit negativen Gefühlen wie Angst oder Traurigkeit, aber auch mit positiven Emotionen wie Freude und Glück einhergehen (siehe hierzu Kap. 5.1). Ähnlich verhält es sich bei psychophysiologischen Messungen: Auch hier würden die verschiedenen Erlebensfacetten zu wahrscheinlich identischen körperlichen Erregungsreaktionen wie erhöhte Herzschlagfrequenz oder erhöhter Hautleitwert führen, was eine Zuordnung zu den einzelnen auf theoretischer Ebene unterscheidbaren Konstrukten unmöglich macht. Zwar ließen sich psychophysiologische Messungen mit einer post-rezeptiven Befragung kombinieren, doch bestünde dann immer noch folgendes Problem: Durch die Verkabelung während der Rezeption wird das Eintauchen in die fiktionale Welt vermutlich erschwert, wenn nicht gar verhindert, wird man doch durch die Apparaturen konstant daran erinnert, dass man gerade an einer Untersuchung teilnimmt (Zillich, 2013, 152). Zuletzt wäre die Umsetzung psychophysiologischer Messungen außerhalb eines Labors zwar nicht unmöglich, aber doch mit sehr hohem monetären, logistischen und zeitlichen Aufwand verbunden (Trepte, 2006, 154f). Die am besten geeignete Alternative ist folglich die Befragung. Von allen Erhebungsmethoden ist sie die gängigste, wenn es um

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7 Methode

die Erfassung Narrativen Erlebens bzw. Unterhaltungserlebens geht (Trepte, 2006, 161). Auch was die Messung Narrativen Verstehens betrifft, bietet sich eine Befragung an. Etablierte Verfahren wie Reaktionszeittests lassen sich in Onlinefragebögen implementieren und auch die Operationalisierungen, die Lang (2000) zur Erfassung des Informationsverarbeitungsprozesses vorschlägt, werden im Rahmen von Befragungen umgesetzt (siehe hierzu z. B. Lang, Bolls, Potter, & Kawahara, 1999; Lang, Borse, Wise, & David, 2002; Lang, Geiger, Strickwerda, & Sumner, 1993). Befragungen basieren auf Selbstauskünften. Hier wird folglich Kommunikation mit Kommunikation gemessen, was laut Möhring und Schlütz (2013, 184) Stärke und zugleich Schwäche der Methode ist. Der Vorteil besteht darin, dass sich auf diese Weise innere Zustände der Rezipierenden messen lassen; dass sich also erfahren lässt, wie sie Medieninhalte erleben und bewerten, was sie fühlen und worüber sie nachdenken. Als Nachteil ist die Reaktivität zu nennen. Eine Befragung setzt voraus, dass sich die Befragten ihrer Erfahrungen, Eindrücke, etc. bewusst sind und diese zugleich verbalisieren können (Möhring & Schlütz, 2013, 184). Erinnern sie sich nicht bzw. sind sie sich ihres eigenen Erlebens nicht bewusst und beantworten die Fragen aber dennoch, entstehen künstliche, durch die Methode induzierte Effekte. Eine Befragung kann entweder verbal oder schriftlich erfolgen und sie findet entweder während oder nach der Rezeption eines Medieninhalts statt (Zillich, 2013, 153). In der vorliegenden Studie sollten kognitive wie affektive Prozesse untersucht werden, die während der Rezeption ablaufen. Möchte man deren dynamische Entwicklung erfassen, empfiehlt es sich, rezeptionsbegleitende, kontinuierliche Erhebungsinstrumente wie das Continuous Response Measurement (CRM) einzusetzen (Fahr, 2006; Wünsch, 2006a). Bei einem solchen Messverfahren geben die Probandinnen und Probanden über einen mechanischen Messregler kontinuierlich Feedback, d. h. sie bewerten das Gesehene hinsichtlich einer vorgegebenen Instruktion, beispielsweise dem Grad der Angenehmheit des Erlebens. Allerdings lassen sich damit nur eindimensionale

7.1 Design der Studie

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Konstrukte erfassen. Alles andere, so Wünsch (2006a), „würde die kognitiven und motorischen Fähigkeiten der Probanden überfordern und zu wenig validen Ergebnissen führen“ (S. 187). Weil aber in der vorliegenden Studie mehrere multidimensionale Erlebensund Verstehensdimensionen zusätzlich zu Informationsverarbeitungsprozessen erhoben werden sollen, scheidet eine rezeptionsbegleitende Messung aus. Hinzu kommt, dass CRM-Verfahren stark in die natürliche Rezeptionssituation eingreifen (Wünsch, 2006a, 198), was das Erfahren von Erlebensfacetten, die das kurzzeitige Ausblenden der realen Welt bzw. der medialen Vermitteltheit voraussetzen, deutlich erschweren dürfte. Übrig bleibt damit nur die post-rezeptive Befragung. Wichtig bei einer post-rezeptiven Befragung ist, dass diese unmittelbar nach Ende der Rezeption stattfindet, damit die Abstraktions- und Erinnerungsleistung, die den Befragten in diesem Moment abverlangt wird, nicht noch größer ausfallen muss (Bilandzic et al., 2015, 25; Möhring & Schlütz, 2013, 186f). Im konkreten Fall der vorliegenden Studie erfolgte die Befragung im unmittelbaren Anschluss an die zweite rezipierte Folge. Als Befragungsmodus wurde sich für eine Online-Befragung entschieden. Im Gegensatz zu einer paper and pencil-Befragung, bei der Druck- und eventuell Portokosten entstehen, lässt sich eine Online-Befragung kostengünstig umsetzen (Möhring & Schlütz, 2013, 195). Darüber hinaus lässt sich der Rücklauf in Echtzeit beobachten und die gesammelten Daten können schnell und einfach exportiert werden. Für die vorliegende Studie bedeutsamer als die schon genannten Vorteile war jedoch der Umstand, dass sich mit dem verwendeten OnlineBefragungstool Sosci Survey auch Reaktionszeittests realisieren ließen. Wie in Kapitel 7.3 noch zu zeigen sein wird, wurde damit die abhängige Variable Abrufbarkeit von Informationen gemessen. Letztere ist nur eine von vielen abhängigen Variablen, die mithilfe des Fragebogens erhoben werden mussten. Hinzu kamen potentielle Störvariablen, die es zu erfassen galt. Dass dies in einem umfangreichen Fragebogen münden würde, war also abzusehen. Um zu vermeiden, dass der Zeitaufwand für das Ausfüllen des

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7 Methode

Fragebogens im Anschluss an das Experiment den Rahmen des Zumutbaren übersteigt, wurde sich deshalb dazu entschlossen, die Befragung aufzuteilen. Situationsunabhängige Merkmale (z. B. soziodemographische Angaben) wurden schon eine Woche vor Beginn der Experimentalstudie in einem kurzen prärezeptiven Fragebogen erfasst (Bearbeitungszeit ca. 5 Min.). Alle abhängigen Variablen und andere situationsspezifische Merkmale wurden erst unmittelbar nach der Rezeption der zweiten Folge abgefragt. Diese Aufteilung hatte rein forschungspraktische Gründe: Sie diente nicht dazu, wie es bei wiederholten Befragungen normalerweise der Fall ist, Veränderungen zwischen den beiden Befragungszeitpunkten festzustellen, sondern sollte lediglich helfen, die Geduld der Probandinnen und Probanden nicht überzustrapazieren. Wie gewährleistet wurde, dass sich die anonymen Antworten aus Fragebogen 1 denen von Fragebogen 2 zuordnen lassen, wird in Kapitel 7.4 erklärt, wenn die Konstruktion der beiden Fragebögen im Mittelpunkt der Betrachtungen steht. 7.1.3

Stichprobe

In aller Regel handelt es sich bei experimentellen Stichproben um eine bewusste Auswahl (Brosius et al., 2012, 205). Das heißt, die Auswahl der Probandinnen und Probanden erfolgt nicht nach dem Zufallsprinzip, sondern nach sachlogischen Erwägungen (Brosius et al., 2012, 69). So auch in der vorliegenden Studie. Immer eine wichtige Rolle spielt dabei die Verfügbarkeit von Versuchspersonen. Häufig handelt es sich bei wissenschaftlichen Experimenten im Universitätsbereich um studentische Stichproben, weil deren Rekrutierung verhältnismäßig einfach ist (Brosius et al., 2012, 206). Zwar wurden für die vorliegende Studie keine eigenen Studierenden als Untersuchungsobjekte verwendet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für das Experiment wurden aber über die Mitglieder zweier Seminare rekrutiert. Bei der Rekrutierung galt es dabei Folgendes zu beachten: Die an der Untersuchung teilnehmenden Personen durften die zu rezipierende Serie nicht kennen, sie also

7.1 Design der Studie

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noch nie zuvor gesehen haben. So kann ausgeschlossen werden, dass Kenntnisse in Bezug auf die Serienhandlung eine potentielle Einflussvariable sind. Wie das überprüft wurde, wird in Kapitel 7.1.4 erklärt. Weiterhin wurde darauf geachtet, dass nur deutsche Muttersprachler an der Untersuchung teilnehmen, schließlich sollte im Rahmen der Studie Narratives Verstehen getestet werden, was eine einwandfreie Beherrschung der Untersuchungssprache voraussetzt. Zudem war es wichtig, dass die am Experiment teilnehmenden Personen Serien gegenüber aufgeschlossen sind. Wie in Kapitel 5.2 dargelegt, kann ein Medieninhalt nur dann ansatzweise als unterhaltsam erlebt werden, wenn grundsätzlich Interesse an einem Medienangebot besteht. Um zu verhindern, dass einschlägiges Vorwissen bezüglich der untersuchten theoretischen Konstrukte das Antwortverhalten beeinflusst, wurden keine Studierenden der Kommunikationswissenschaft höher als im zweiten Bachelor-Semester rekrutiert. Als letztes Auswahlkriterium diente das Alter: Aus rechtlichen Gründen sollten die Probandinnen und Probanden mindestens 18 Jahre alt sein. Zugleich sollten sie aber auch nicht älter als 55 Jahre sein. Hintergrund dieser Entscheidung war die Überlegung, dass ab einem bestimmten Alter Personen mit der Durchführung der Untersuchung überfordert sein könnten. Wie noch in Kapitel 7.2 bzw. 7.4 zu zeigen sein wird, setzte die Studie einen souveränen Umgang mit Computern bzw. Onlineanwendungen voraus, der, das legen die Ergebnisse der ARD/ZDFOnlinestudie nahe, in höheren Altersgruppen nicht selbstverständlich ist (Koch & Frees, 2017, 435). Welche Folgen hat nun die bewusste Auswahl für die Ergebnisse, die im Rahmen der Studie generiert werden? Nachdem die Stichprobe nicht repräsentativ ist, lassen sich auch die Befunde nicht ohne weiteres generalisieren (Brosius et al., 2012, 205f). Allerdings ist es auch nicht das Ziel eines Experiments – im Gegensatz zu einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung – verallgemeinerbare Aussagen zu machen. Stattdessen will man mit einem Experiment Kausalschlüsse ziehen, also relative Aussagen tätigen. Um dies tun zu können, ist wichtig, dass sich die beiden Ver-

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7 Methode

gleichsgruppen zufällig zusammensetzen, dass die Probandinnen und Probanden also nicht selbst entscheiden können, ob sie in die Experimental- oder in die Kontrollgruppe kommen (Brosius et al., 2012, 205f). Für die Ergebnisse, die man im Rahmen von Experimenten erhält, bedeutet das: Man darf verallgemeinern, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen zwei Variablen gibt. Die Höhe eines vielleicht festgestellten Effekts ist aber nicht generalisierbar (Brosius et al., 2012, 206). 7.1.4

Stimulus

In der vorliegenden Studie wurde, wie bereits erwähnt, nur der Rezeptionsrhythmus manipuliert (2x1-faktorielles Untersuchungsdesign). Der Medieninhalt, der den zu untersuchenden Rezeptionsprozess stimuliert, wurde demzufolge nicht variiert. Das heißt, alle Probandinnen und Probanden bekamen dieselbe Serie zu sehen. Kriterien bei der Stimulusauswahl Die in dieser Studie als Stimulus eingesetzte Serie musste mehrere Kriterien erfüllen: Zum einen sollte es eine Serie sein, auf die die in Kapitel 3.3.3 kennengelernten Charakteristika von Quality TV zutreffen. Wie schon in der Einleitung dargelegt, sind es vor allem Sendungen solchen Labels, die kumuliert rezipiert werden. Zum anderen war es wichtig, eine Serie als Stimulus zu verwenden, die die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer im Rahmen der Untersuchung zum ersten Mal sehen würden. Denn nur so kann ausgeschlossen werden, dass es nicht am einschlägigen Vorwissen liegt, dass Narratives Verstehen und Narratives Erleben eventuell höher ausfallen. Dies schränkte die Auswahl der in Frage kommenden Serien weiter ein, denn bei Quality TV-Serien wie Breaking Bad, Game of Thrones oder House of Cards musste davon ausgegangen werden, dass diese zu bekannt sind. Um das Risiko gering zu halten, dass die Probandinnen und Probanden den Stimulus kennen,

7.1 Design der Studie

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sollte es entweder eine ganz neue Serie sein oder eine verhältnismäßig alte. Nachdem wichtig war, dass die Sendung in deutscher Synchronisation vorliegt, um ausschließen zu können, dass mangelnde Sprachkenntnisse das Narrative Verstehen beeinflussen, wurde vor allem unter älteren Serien nach einem geeigneten Stimulusmaterial gesucht. Darüber hinaus sollte die ausgewählte Sendung den Geschmack von möglichst vielen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern treffen, schließlich ist Interesse am Thema die Grundvoraussetzung für Rezeptionsgenuss (siehe Kap. 5.2). Deshalb kamen Politik-Serien wie Borgen nicht in Frage, weil davon ausgegangen wurde, dass dieses Genre nicht auf breite Akzeptanz stößt. Sinnvoller erschien es stattdessen, eine Serienart zu wählen, die unter Deutschen besonders beliebt ist. In Deutschland seit Jahren unangefochten auf Nummer 1 der beliebtesten fiktionalen Fernsehgenres sind Krimis (Zubayr & Gerhard, 2017). Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen fiel die Wahl auf die US-amerikanische Serie Damages – eine Thrillerserie, die im Anwaltsmetier spielt. Die Idee zur Serie stammt von Todd Kessler, der bereits Erfahrungen im Autorenteam zu The Sopranos gesammelt hatte, sowie seinem Bruder Glenn Kessler und Daniel Zelman (Martin, 2013, 166). Die erste, dreizehn Folgen umfassende Staffel wurde 2007 auf dem amerikanischen Basis-Kabelsender FX ausgestrahlt. In den nächsten Abschnitten wird beschrieben, worum es in der Serie genau geht und warum sich diese besonders gut als Stimulusmaterial eignet. Beschreibung des Stimulusmaterials Die erste Staffel handelt von der gerade mit dem Studium fertiggewordenen Juraabsolventin Ellen Parsons, die in der renommierten Anwaltskanzlei der gewieften Star-Anwältin Patty Hewes zu arbeiten beginnt. Dort darf sie gleich an einem großen Fall mitarbeiten: Der Unternehmer Arthur Frobisher wird des Aktienbetrugs bezichtigt. Seine ehemaligen Angestellten, die von Hewes & Associates vertreten werden, werfen ihm vor, sich auf ihre Kosten

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7 Methode

durch illegale Börsengeschäfte bereichert zu haben, kurz bevor das Unternehmen Konkurs gegangen ist. Neben dieser Binnenhandlung verfügt die Serie auch über eine Rahmenhandlung: Denn im Verlauf der Verhandlungen wird Ellen Parsons Verlobter, David Connor, umgebracht. Ob und wie der Mord mit dem Fall zusammenhängt, an dem die junge Anwältin in der Kanzlei arbeitet, wird im Verlauf der ersten Staffel geklärt. Die Handlung wird demnach fortlaufend erzählt: Jede Episode baut aufeinander auf bzw. nimmt aufeinander Bezug. Im Rahmen der Studie wurden den Probandinnen und Probanden die ersten beiden Folgen der ersten Staffel gezeigt. Die Pilotfolge, die insgesamt 53 Minuten dauert, beginnt damit, dass Ellen blutüberströmt aus einem Aufzug steigt und verwirrt durch die Straßen New Yorks läuft. Anschließend sieht man sie im Verhörraum der Polizei sitzen, die darüber rätselt, wer die unbekannte Person sein könnte. Die Polizisten finden in ihren Sachen eine Visitenkarte von einem Anwalt namens Hollis Nye, auf deren Rückseite folgender Satz notiert ist: „I have been warned“. Dann wechselt die Zeitebene und es erfolgt eine längere Rückblende darauf, was sechs Monate zuvor passiert ist: Ellen sitzt im Büro von Hollis Nye, der ihr gerade einen Job in seiner Kanzlei angeboten hat. Doch die junge Anwältin zögert. Es stellt sich heraus, dass sie noch ein Vorstellungsgespräch bei Patty Hewes abwarten will. Ellen unterschreibt also den angebotenen Vertrag nicht und wird abends, als sie mit ihrem Freund David in einer Bar in New York feiern geht, deswegen nochmal von Hollis Nye aufgesucht. Er warnt sie eindringlich vor Patty Hewes und lässt sich von ihr schriftlich geben, dass er genau das getan hat – sie gewarnt. In der nächsten Szene ist Patty Hewes zu sehen, wie sie gerade ein Fernsehinterview gibt, in dem sie Arthur Frobisher vorwirft, den Aktienkurs seiner Firma manipuliert zu haben. Es stellt sich heraus, dass Patty Hewes seine ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertritt, die für eine Entschädigung kämpfen. Am selben Tag erscheint Ellen zum Vorstellungsgespräch bei Hewes & Associates, doch der Termin wird verschoben und zwar ausgerechnet auf

7.1 Design der Studie

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den Tag, an dem Ellens Schwester heiratet. Währenddessen sucht Ray Fiske, der Anwalt von Arthur Frobisher, Patty Hewes im Hundepark auf, um mit ihr über den Fall zu verhandeln. In der nächsten Szene wird gezeigt, wie Ellen frustriert ob der verpassten Chance an der Hochzeit ihrer Schwester teilnimmt. Doch plötzlich taucht dort Patty Hewes auf, die ihr einen Job in ihrer Kanzlei anbietet. Ellen Parsons nimmt an und gleich am ersten Tag im neuen Job wird sie von ihren Kollegen zum Frobisher Fall gebrieft. Die Zuschauerinnen und Zuschauer erfahren, dass sich Frobisher just zu dem Zeitpunkt in Florida aufgehalten hat und dort u. a. ein Spa-Besuch eingelegt hat, als zur selben Zeit auch sein Börsenmarkler vor Ort war. Ein Treffen zwischen Frobisher und seinem Börsenmakler konnte aber bisher nicht nachgewiesen werden. Beruflich scheint Ellen also auf der Erfolgsspur zu sein und auch privat ist sie glücklich, denn ihr Freund David macht ihr einen Heiratsantrag. In der nächsten Szene sieht man, wie Ray Fiske Katie Connor – Davids Schwester – in ihrem kurz vor der Eröffnung stehenden Restaurant besucht und sie bittet, eine Geheimhaltungsvereinbarung zu unterschreiben. Anschließend bekommen die Zuschauerinnen und Zuschauer Arthur Frobisher gezeigt, der seinen ehemaligen Mitarbeiter Larry mit Geld besticht, damit dieser die anderen dazu bringt, ein von Frobisher unterbreitetes Vergleichsangebot anzunehmen. Später trifft sich Ray Fiske mit Patty Hewes um eben jenes Angebot (100 Mio. Dollar) zu unterbreiten. Entgegen des Willens von Patty Hewes stimmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der eigens dafür einberufenen Versammlung für das Vergleichsangebot. Anschließend sieht man Patty Hewes auf einer Veranstaltung, wo sie für ihre Arbeit ausgezeichnet wird. Bevor sie die Veranstaltung verlässt und ins Auto zu Ellen und ihrem engsten Vertrauten, Tom Shayes, steigt, telefoniert sie mit ihrem Ehemann und erzählt ihm von Schulproblemen des Sohns. Im Auto kommt es dann zum Eklat zwischen Patty und Tom, worauf sie ihm vor den Augen von Ellen kündigt. Abends berichtet Katie ihrem Bruder und Ellen, dass sie Arthur Frobisher kennt, weil sie einmal für ihn in Florida gekocht hat. Die

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7 Methode

beiden versuchen sie zu überzeugen, als Zeugin aufzutreten und eine Aussage zu machen. Nach diesem Gespräch wird Ellen klar, warum sie eingestellt wurde, und sie wendet sich an Tom, um zu erfahren, ob sie mit ihrer Vermutung richtig liegt. Dieser wiegelt ihre Bedenken ab. Währenddessen findet Katie ihren geliebten Hund Saffron tot in ihrer Küche. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen anschließend, wie Uncle Pete, der persönliche Handlanger von Patty Hewes, Tom ein Souvenir für Patty überreicht. Katie hat sich mittlerweile entschieden, mit der Staranwältin zusammenzuarbeiten und gegen Frobisher auszusagen. Nun erfolgt wieder ein Wechsel in der Erzählebene: Im Erzählstrang der Gegenwart findet die Polizei in der Wohnung von Ellen und David letzteren tot in der Badewanne. In einer erneuten Rückblende trifft sich Patty mit Tom, der ihr das von Uncle Pete stammende Souvenir übergibt. Anschließend wirft Hewes ein Hundehalsband in den Atlantik. In der letzten Szene der ersten Folge, die wieder in der Gegenwart spielt, verlangt die bis dato schweigsame Ellen nach einem Anwalt. Folge 1 endet also mit einem Cliffhanger und die Zuschauerinnen und Zuschauer bleiben mit zahlreichen offenen Fragen zurück. Der zweiten Folge (Länge: 45 Min.) vorangestellt ist ein Previously-on-Segment. Der eigentliche Plot beginnt dann damit, dass die Polizei die Mordwaffe findet. Es handelt sich dabei um eine Miniaturnachbildung der amerikanischen Freiheitsstatue. Wie sich in der nächsten Szene herausstellt, die in der Vergangenheit spielt und in der Ellen ihren Geburtstag feiert, ist die Mordwaffe eine der beiden Buchstützen, die Ellen von Katie anlässlich ihres Geburtstags geschenkt bekommt. Die darauffolgende Szene spielt am Frühstückstisch des Ehepaars Frobisher, wo Holly Frobisher ihrem Ehemann Vorwürfe macht, seine Familie nicht ausreichend zu schützen. Als Frobisher später Ray Fiske in dessen Büro besucht, erkundigt er sich, was im Falle einer Scheidung auf ihn zukommen würde. Währenddessen trifft sich Katie zu einer ersten Aussage mit Patty Hewes, diese glaubt ihr aber nicht und schickt sie weg. In der Zwischenzeit erhält Frobisher das Angebot, Katie Connor

7.1 Design der Studie

227

umbringen zu lassen, welches dieser entrüstet ablehnt. In der nächsten Szene ist zu sehen, wie Patty Hewes Tom damit beauftragt, mehr über Ellen herauszufinden. Unterdessen, als er sich gerade mit einer Prostituierten im Auto vergnügt und Kokain konsumiert, gibt Frobisher nun doch den Auftrag, Katie umbringen zu lassen. In der darauffolgenden Szene sieht man, wie Ellen Patty Hewes wegen ihres Umgangs mit Katie zur Rede stellt. Anschließend trifft sich Ellen mit Hollis Nye und bittet ihn um Rat, wie sie mit der Situation umgehen soll. Beim erneuten Szenenwechsel werden die Zuschauerinnen und Zuschauer Zeugen, wie Katie auf offener Straße von einem Mann verfolgt wird. Katie kann jedoch, auch mithilfe von Passanten, ihren Auftragsmörder in die Flucht schlagen. Doch das Ereignis wirkt nach und Katie, am Ende ihrer Kräfte, unterschreibt die Verschwiegenheitserklärung, woraufhin Frobisher den Mord wieder absagt. Er besucht Katie sogar in dem von ihm finanzierten Restaurant und bedankt sich für die Unterschrift. In der nächsten Szene sieht man, wie Katie Patty Hewes in deren Wohnung besucht und nun ausführlich über die besagte Nacht in Florida, in der sie für Frobisher gekocht hat, berichtet. Demnach hatte sie einen One-Night-Stand mit einem Mann, von dem sie schwanger wurde. Sie trieb das Kind ab und hat nach eigener Aussage noch nicht einmal eine Telefonnummer vom Kindsvater. Währenddessen bekommt Ellen von Patty völlig überraschend eine Wohnung in Manhatten vermittelt. In der Zwischenzeit beobachtet Tom, der den Auftrag hat, Katie zu beschatten, wie sich diese mit Greg Malina, dem Kindsvater, trifft. Das hält Patty Hewes jedoch nicht davon ab, Katie einen Hundewelpen zu schenken. Ellen und David sind überglücklich über die neue Wohnung und besichtigen diese. Die zweite Folge endet damit, dass Ellen, nun wieder in der Gegenwart, die blutüberströmte Mordwaffe in der Hand hält und völlig apathisch in die Kamera blickt.

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7 Methode

Damages – eine Quality TV-Serie In Kapitel 3.3.3, als es um die werkimmanenten Charakteristika von Quality TV ging, wurde Damages immer wieder als Beispiel angeführt. Deshalb soll an dieser Stelle nur nochmal kurz wiederholt werden, warum die Verfasserin dieser Arbeit davon ausgeht, dass die Serie qualitativ hochwertig ist und sich demnach als Stimulusmaterial eignet. Quality TV zeichnet sich durch eine komplexe Narrationsstruktur aus. Allein die ersten beiden Folgen von Damages bestehen aus sechs Handlungssträngen (Ermittlungen Mordfall David; aktueller Fall der Anwaltskanzlei „Frobisher vs. Mitarbeiter“; Privatleben Ellen & David; Privatleben Patty Hewes; Privatleben Arthur Frobisher; Katie und Greg). Im Verlauf der ersten Staffel kommen dann noch weitere dazu. Nichts passiert zufällig, alles läuft darauf hinaus, zu klären, warum David Connor tot in der Badewanne liegt und was Ellen bzw. ihre Arbeit am Frobisher-Fall damit zu tun hat. Dabei schwebt das Fernsehpublikum bis zuletzt im Ungewissen, narrative Leerstellen müssen selbstständig geschlossen oder ausgehalten werden. Neben der Vielzahl an Handlungssträngen macht die Verwendung zweier Zeitebenen die Erzählung komplex. Der Plot setzt am Höhepunkt der Geschichte ein. In den ersten Minuten werden die Zuschauerinnen und Zuschauer mit einer blutüberströmten Ellen konfrontiert, die aus einem Aufzug steigt und orientierungslos durch die Straßen New Yorks läuft, bis sie von der Polizei verhört wird. In langen Rückblenden wird anschließend erzählt, wie es zu den dramatischen Ereignissen kommen konnte. Weil aber gleichzeitig Flashforwards den Erzählstrang in der Vergangenheit unterbrechen, müssen die Zuschauerinnen und Zuschauer bei der Verarbeitung der eingehenden Informationen ständig zwischen zwei Zweitebenen wechseln. Trotz dieser hohen Komplexität ist die Geschichte in sich schlüssig bzw. narrativ kohärent, was sie wiederum authentisch macht. Hinzu kommt, dass die Figuren vielschichtig angelegt sind und dadurch authentischer wirken, als Charaktere in herkömmli-

7.1 Design der Studie

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chen Serien. Patty Hewes ist einerseits eine skrupellose Geschäftsfrau, andererseits eine an ihrem Sohn verzweifelnde Mutter, die in solchen Momenten Schwäche und Verletzlichkeit zeigt. Arthur Frobisher ist ebenfalls schwer in Kategorien einzuordnen, da er zwar ein fürsorglicher Vater ist, er aber zugleich keine Scheu davor zeigt, über Leichen zu gehen, solange es opportun für ihn ist. Selbiges gilt für Ellen Parsons: In den Szenen, die in der Vergangenheit spielen, wirkt sie nett und freundlich. Auf der Polizeiwache hingegen erscheint sie emotional sehr kalt. Eben weil die Figuren so ambivalent sind, ist ihnen alles zuzutrauen, was wiederum die Unsicherheit über den weiteren Handlungsverlauf in die Höhe treibt. Auch ästhetisch überzeugt Damages. Was heute normal für qualitativ hochwertige Serien erscheinen mag, war 2007 neu und innovativ. Dies gilt zum einen dafür, dass sich die einzelnen Handlungsstränge konsequent über die ganze erste Staffel, bisweilen sogar über die ganze aus fünf Staffeln bestehende Serie erstrecken. Und dies gilt zum anderen dafür, dass achronologisch erzählt wird und der Plot am narrativen Höhepunkt der Geschichte einsetzt – eine Erzähltechnik, für deren Einsatz die Macher einer anderen, späteren Serie, nämlich Breaking Bad, von Kritikerinnen und Kritikern besonders gelobt wurden. Die für Damages stilistisch typischen beiden Erzählebenen spiegeln sich auch in der Bildsprache der Serie wider. Alle Szenen, die in der Gegenwart spielen, sind mit einem gelblichen Filter versehen. Dadurch entsteht eine fiebrige, entrückte Stimmung, was die Entsetzlichkeit der Tat nochmals betont. Bemerkenswert ist zudem, wie die beiden Erzählebenen visuell und narrativ miteinander verbunden sind. Die Großaufnahmen einzelner Gegenstände wie die Visitenkarte von Hollis Nye, der Verlobungsring oder die Buchstützen dienen zugleich als narratives Scharnier zwischen den beiden Erzählebenen, wodurch der Übergang fließend gestaltet wird. Alles in allem entsteht so der Eindruck von hoher artistic unity. Was aber bedeutet das nun für die Rezeption der ersten beiden Folgen von Damages? Auf welche formalen Merkmale hätten die

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7 Methode

Probandinnen und Probanden achten können? Es hätte ihnen auffallen können, dass sich die beiden Zeitstränge nicht nur inhaltlich sondern auch optisch voneinander unterscheiden. Oder dass bestimmte Motive wie z. B. die schon besagte Visitenkarte, aber auch der Mantel, den Ellen zu Beginn trägt, oder die Tauben, die auf dem Badfenster in der neuen Wohnung sitzen, in beiden Erzählebenen auftauchen und so für eine ‚rote Linie‘ in der Narration sorgen. Kurzum: Die Komposition und das Zusammenwirken der einzelnen Handlungsstränge hätte ins Auge stechen können. Damages – eine unbekannte Serie Damages erfüllt, das sollte aus dem vorangegangenen Abschnitt deutlich geworden sein, in mehrerlei Hinsicht die Kriterien von Quality TV. Deshalb ist es auch wenig überraschend, dass die Serie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde – u. a. mit dem Emmy- und Golden Globe-Award für Glenn Close als beste Hauptdarstellerin in ihrer Rolle als Patty Hewes (Martin, 2013, 166). Zudem fand sie großen Zuspruch unter Fernsehkritikerinnen und -kritikern (siehe z. B. Feldmer, 2010; Haas, 2008). Obwohl qualitativ hochwertig, war Damages – wie viele Serien dieser Art – im deutschen Fernsehen kein Erfolg. 2008 wurde die Serie auf Kabel1 ausgestrahlt, aufgrund geringer Einschaltquoten aber nach einer Staffel eingestellt. Dies und die Tatsache, dass der Hype um die Serie, die 2012 nach fünf Staffeln auch in den USA nicht mehr ausgestrahlt wurde, längst verflogen war, gab Anlass zu der Vermutung, dass die Serie in Deutschland relativ unbekannt ist. Feedback durch Studierende in zahlreichen Kursen zum Thema ‚TVSerien‘ bestätigte diesen Eindruck. Um ganz sicherzugehen, dass die Serie unter den Probandinnen und Probanden tatsächlich nicht bekannt ist, wurde ihnen bei der Rekrutierung eine Liste mit zehn Serien vorgelegt, darunter Breaking Bad und Downton Abbey, aber eben auch Damages. Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sollten angeben, welche der aufgelisteten Serien sie schon gesehen haben. Die Bekanntheit der Serie hätte zum Ausschluss aus der

7.2 Durchführung und Ablauf der Studie

231

Studie geführt. Zusätzlich wurde im Fragebogen selbst nochmal abgefragt, ob die Serie vorher schon einmal gesehen wurde, unabhängig von der Studie. 7.2

Durchführung und Ablauf der Studie

Wie bereits erwähnt, wurde die Untersuchung mithilfe Studierender der Otto-Friedrich-Universität Bamberg durchgeführt. Bereits im Wintersemester 2015/16 wurde das Untersuchungsdesign unter Beteiligung zweier Kurse entwickelt und anschließend einem Pretest (N = 24) unterzogen. Im Sommersemester 2016 erfolgte dann die eigentliche Datenerhebung, wieder mit der Unterstützung zweier Seminare. Der Einbezug von Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern war notwendig, um eine genügend große Anzahl an Probandinnen und Probanden rekrutieren zu können. Darüber hinaus konnte auf diese Weise eine enge Betreuung der Untersuchungsteilnehmerinnen und -teilnehmer gewährleistet werden. Dies sollte die Teilnahme an der Feldstudie verbindlicher machen und die Abbruchquoten gering halten. Weil sich die Untersuchung aus Sicht der Teilnehmenden aber zweifelsohne aufwendig gestaltete – schließlich musste fast zwei Stunden lang eine unbekannte Serie angesehen und im Anschluss an die zweite Folge ein umfangreicher Fragebogen ausgefüllt werden –, war dennoch mit einem gewissen Teilnehmerschwund zu rechnen. Gleich zu Beginn des Semesters wurde den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern mitgeteilt, dass im Rahmen des doppelstündig stattfindenden Seminars ein Experiment vorbereitet und durchgeführt werden würde.44 Nachdem die Studierenden mit der theoretischen Konzeptualisierung der Studie und dem Untersuchungsdesign vertraut gemacht wurden, bestand ihre Aufgabe ab Anfang Mai 2016 darin, vier Personen aus ihrem persönlichen Umfeld für die Teilnahme an der Studie zu rekrutieren und diese 44

An die Studie war auch die Prüfungsleistung geknüpft. In der Hausarbeit sollten sie die im Zuge der Untersuchung durchlaufenen einzelnen Stufen des Forschungsprozesses rekapitulieren.

232

7 Methode

während der Feldphase zu betreuen. Die der Rekrutierung zugrundeliegenden Kriterien wurden bereits in Kapitel 7.1.3 beschrieben. Darüber hinaus sollten die Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer darauf achten, zwei Frauen und zwei Männer für die Teilnahme zu gewinnen, damit das Geschlechterverhältnis einigermaßen ausgewogen ist. Weiterhin war es wichtig, dass die Probandinnen und Probanden nicht in die Ziele des Experiments eingeweiht waren. Deswegen wurde bei der Rekrutierung und auch im späteren Verlauf der Untersuchung mit einer Legende gearbeitet: Den potentiellen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern wurde gesagt, dass man im Rahmen eines Hochschulseminars eine Studie zur Nutzung von TV-Serien im Alltag durchführe. Dies war einerseits nahe genug an der Wahrheit dran, damit der Untersuchungsaufbau als solches von den Probandinnen und Probanden nicht in Frage gestellt werden würde. Gleichzeitig lenkte es vom eigentlichen Forschungsanliegen ab. Neben der Legende erhielten die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer bei ihrer Rekrutierung Informationen darüber, was im Falle einer Teilnahme auf sie zukommen würde (zwei Folgen einer unbekannten Serie anschauen und zwei Fragebögen ausfüllen), wann die Studie stattfindet (ab Ende Mai 2016) und wie viel Zeit diese voraussichtlich in Anspruch nimmt (rund 2,5 Stunden). Darüber hinaus wurde ihnen zugesichert, die Studie ganz bequem von zuhause durchführen zu können und dass ihnen die zu sehende Serie selbstverständlich zur Verfügung gestellt werden würde. Zusätzlich wurde versprochen, unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern fünf AmazonGutscheine im Wert von jeweils 20 Euro zu verlosen, um einen zusätzlichen Mitmach-Anreiz zu schaffen. Weitere Informationen zur Durchführung der Studie würden sie dann erhalten, wenn es losgeht. Sofern sie einer Teilnahme zustimmten, wurden sie gebeten, aus einer Liste von zehn Serien, darunter Breaking Bad, Damages und True Detective, diejenigen zu benennen, die sie schon einmal gesehen hatten (siehe Kap. 7.1.4). Am 23. Mai 2016, rund eine Woche vor Beginn der Feldzeit, erhielten die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer über ihre

7.2 Durchführung und Ablauf der Studie

233

Rekruterin/ihren Rekruter dann den Link zum ersten Onlinefragebogen mit der Bitte, diesen zeitnah auszufüllen. Wie in Kapitel 7.1.2 dargelegt, diente die Aufteilung auf zwei Fragebögen in erster Linie dazu, die postrezeptive Befragung etwas kürzer halten zu können. Darüber hinaus brachte diese Vorgehensweise noch zwei weitere Vorteile mit sich: Zum einen wirkte so das vorgeschobene Untersuchungsanliegen deutlich glaubwürdiger. Schließlich sollten die Probandinnen und Probanden im ersten Fragebogen Auskunft über ihre alltägliche Seriennutzung geben. Zum anderen erhöhte dieses Vorgehen auf Seiten der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer möglicherweise die Verbindlichkeit, die einmal begonnene Untersuchung nun auch bis zum Ende fortzuführen (‚Fuß-inder-Tür‘-Taktik). Die eigentliche Feldphase, in der die beiden ersten Folgen von Damages angesehen werden sollten, um im Anschluss daran den zweiten Fragebogen zu beantworten, startete am 03. Juni 2016 und dauerte bis 02. Juli 2016. Der Untersuchungszeitraum war bewusst so gelegt worden, um zu vermeiden, dass die Studie in zu starke Konkurrenz mit der Fernsehübertragung der Fußballeuropameisterschaft 2016 trat. Wie in Kap. 7.1.1 bereits erwähnt, musste die Verteilung der Probandinnen und Probanden auf die Versuchsgruppen zufällig erfolgen. Eine Selbstselektion nach persönlichen Präferenzen galt es zu verhindern. Unmittelbar vor dem Start der Feldzeit bekamen die Studierenden deshalb in den Seminaren das Zufallskriterium mitgeteilt, welches darüber entschied, wer in welche Untersuchungsgruppe kam. Die Anweisung an die Studierenden lautete, nach Geschlechtern getrennt eine nach Vornamen alphabetisch sortierte Liste der vier rekrutierten Personen zu erstellen. Die zwei Personen, die nach dieser Sortieranweisung an erster Stelle standen, wurden der EG zugeteilt, die anderen der KG. Die beiden Gruppen erhielten nun unterschiedliche schriftliche Instruktionen, wie die Serie rezipiert werden sollte. Während bei der EG die Anweisung lautete, die beiden Folgen am Stück zu schauen, sollte die KG fünf bis acht Tage Pause zwischen den beiden Episoden ein-

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7 Methode

legen. Beide Gruppen wurden zudem aufgefordert, die Serie auf Deutsch zu rezipieren und unmittelbar im Anschluss an die zweite Folge den zweiten Onlinefragebogen auszufüllen. Nachdem letzteres in etwa 40 Minuten ihrer Zeit in Anspruch nehmen würde, wurden sie gebeten, dies bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Weil die Untersuchungssituation möglichst einer alltäglichen Rezeptionssituation gleichen sollte, wurden ansonsten wenige Vorgaben gemacht. Die Probandinnen und Probanden durften selbst entscheiden, wann sie mit dem Serienschauen beginnen wollten. Sie sollten allerdings bis spätestens 12. Juni 2016 damit starten, um den Untersuchungszeitraum nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Auch war es ihnen freigestellt, auf welchen Geräten sie das tun und ob sie die Serie alleine oder in Gesellschaft anderer rezipieren.45 Es wurde also versucht, innerhalb bestimmter Vorgaben maximale Flexibilität zu gewährleisten, weshalb der KG auch ein Pausenzeitfenster gegeben wurde und keine feste Vorgabe von z. B. sieben Tagen, die im Zweifel schwer einzuhalten gewesen wäre. Die KG wurde gebeten, ihrer Betreuerin/ihrem Betreuer Bescheid zu geben, wenn sie mit der ersten Folge beginnen. Ihnen wurde dann fünf Tage später der Link zur zweiten Onlinebefragung zugeschickt, den sie allerdings erst öffnen sollten, wenn sie die zweite Folge gesehen hatten. Der EG wurde der Link schon zusammen mit der Instruktion zugesendet, auch hier mit dem Hinweis versehen, erst auf diesen zu klicken, nachdem die beiden Folgen angesehen worden waren. All diese Informationen erhielten die Probandinnen und Probanden in Form eines PDF-Dokuments. Darin wurde sich zunächst für die Teilnahme bedankt und nochmal kurz erläutert, was das angebliche Anliegen der Studie ist. Weiterhin wurde versichert, dass die Teilnahme anonym ist und die Daten nicht an Dritte weitergegeben wurde. Neben den schon erwähnten Anweisungen zur Vorgehensweise enthielt das Dokument außerdem den Hinweis, 45

Zwar wurden den Probandinnen und Probanden diese Dinge freigestellt, sie wurden aber sehr wohl als mögliche intervenierende Variablen im zweiten Fragebogen erfasst (siehe Kap. 7.4.2).

7.2 Durchführung und Ablauf der Studie

235

den Onlinefragebogen am Computer und nicht am Tablet oder Smartphone auszufüllen, weil es hier zu Darstellungsproblemen komme. Konkret betraf das den Reaktionszeittest, der sich nur am Computer durchführen ließ. Erst im PDF-Dokument wurde den Probandinnen und Probanden zudem mitgeteilt, welche Serie sie sehen würden. Der schriftlichen Instruktion ließ sich auch entnehmen, wie sie kostenlosen Zugriff auf die beiden Folgen erhalten. Es wurde sich dazu entschieden, das Stimulusmaterial über Amazon Instant Video zugänglich zu machen. Zum einen sollte auf diese Weise ein legaler Zugriff auf die Serie gewährleistet werden. Zum anderen stellte sich in der Vorbereitung der Studie und den damit einhergehenden Diskussionen mit den Studierenden heraus, dass längst nicht mehr jeder einen DVD-Player oder einen Computer mit DVD-Laufwerk besitzt, aber sehr viele Menschen ein Amazon-Konto haben. Ob letzteres auch auf die Probandinnen und Probanden zutraf, wurde vorab geklärt. Eine sehr große Mehrheit sprach sich für die Durchführung der Studie über Amazon aus. Die wenigen Personen, die über kein eigenes Konto verfügten, durften das ihrer Betreuerin/ ihres Betreuers nutzen. Damit den Probandinnen und Probanden keine Kosten entstanden, enthielt jedes PDF-Dokument einen eigenen Gutschein-Code, mit dem die beiden Folgen von Damages erworben werden konnten. Wie dieser einzulösen war und wie man die Serie im Angebot von Amazon Instant Video findet, wurde genauestens im Anhang der Instruktion zur Durchführung der Studie beschrieben.46 Nach dem erfolgreichen Beenden der Studie wurden die Studienteinehmerinnen und -teilnehmer von ihrer Betreuerin/ihrem Betreuer über das eigentliche Anliegen der Studie informiert.

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Eine Kooperation mit Amazon bestand nicht. Allerdings wurde das Forschungsprojekt durch die gemeinnützige Delp-Stiftung finanziell unterstützt. Damit konnte rund die Hälfte der Gutscheinkosten (jeder Gutschein hatte einen Wert von 6 Euro) bestritten werden. Den Rest der entstandenen Kosten trug die Verfasserin dieser Arbeit selbst.

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7.3

7 Methode

Operationalisierung abhängige Variablen

Nachdem im vorangegangen Kapitel Durchführung und Ablauf der Studie beschrieben wurden, soll nun im Mittelpunkt stehen, wie die abhängigen Variablen operationalisiert worden sind. Die Konstruktion der Messinstrumente ist das Herzstück einer jeden empirischen Untersuchung. Sie bestimmt die Qualität der Studie (Möhring & Schlütz, 2013, 190). Gemäß der bisherigen Struktur und Argumentation der Arbeit wird mit den Merkmalen des Narrativen Verstehens begonnen. Anschließend folgen die Operationalisierungsvorschläge für die Konstrukte des Narrativen Erlebens. Die hier beschriebene Reihenfolge der Variablen entspricht nicht der Anordnung im Fragebogen. In letzterem wurde eine andere Reihenfolge gewählt, die in Kapitel 7.4 thematisiert wird. Zudem sei angemerkt, dass in diesem Abschnitt der Arbeit lediglich beschrieben wird, wie die Konstrukte gemessen wurden. Informationen zur Auswertung der Variablen werden separat in Kapitel 7.5 gegeben. 7.3.1

Operationalisierung Narratives Verstehen

Das Kapitel Operationalisierung Narratives Verstehen ist wiederum in zwei Unterkapitel unterteilt: Informationsverarbeitung und Verstehensstufen. Für diese Variablen, wie auch für alle anderen, gilt, dass bei deren Operationalisierung, sofern möglich, auf etablierte Messinstrumente zurückgegriffen wurde. Damit soll sowohl die Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit anderen Studien sichergestellt werden als auch die Anschlussfähigkeit der Arbeit im Fach gewährleistet sein. 7.3.1.1

Operationalisierung Informationsverarbeitung

Für die Operationalisierung der Informationsverarbeitungsvariablen wurde sich hauptsächlich an Lang (2000) orientiert, die ihr Limited Capacity Model of Mediated Message Processing in zahlreichen Stu-

7.3 Operationalisierung abhängige Variablen

237

dien empirisch getestet hat (z. B. Bolls, Lang, & Potter, 2001; Lang et al., 1993; Lang et al., 2002). Eine Ausnahme stellt lediglich die Variable Abrufbarkeit von Informationen dar. Abrufbarkeit von Informationen (retrieval) Ob Informationen leicht abrufbar sind, hängt davon ab, wie kognitiv verfügbar diese sind. Kognitive Verfügbarkeit wird in der Psychologie aber auch in den Sozialwissenschaften mit Reaktionszeittests gemessen (Cameron & Frieske, 2011; Fazio, 1990). Als Indikator für die kognitive Verfügbarkeit von Informationen gilt die Antwortgeschwindigkeit: Wer schnell antwortet, bei dem ist das abgefragte Konstrukt kognitiv verfügbarer. Reaktionszeittests werden normalerweise am Computer durchgeführt. Eine spezielle Software zeichnet dabei auf, wie viele Millisekunden Befragte benötigen, bis sie auf einen präsentierten Reiz reagieren, sprich, bis sie auf eine vorgegebene Taste drücken. Wichtig ist, dass es sich dabei um einfache Stimuli handelt und es nur zwei Antwortmöglichkeiten gibt (z. B. ja/nein) (Fazio, 1990). Konkrete Vorschläge, wie solche Entscheidungsfragen lauten könnten, gibt es in der Literatur zur Durchführung von Reaktionszeittests jedoch kaum und hängt natürlich auch immer vom eigentlichen Untersuchungsanliegen ab (siehe z. B. Cameron & Frieske, 2011; Fazio, 1990). Nachdem Reaktionszeittests ein sehr sensibles Messinstrument sind, kann schon die kleinste Verzögerung zu einem ‚Rauschen‘ in den Daten führen. Um letzteres möglichst gering zu halten, empfiehlt Fazio (1990), auf drei Dinge zu achten: Dem Reaktionszeittest sollte eine Instruktion voraus gehen, in der die Probandinnen und Probanden angehalten werden, zwar korrekt zu antworten, aber gleichzeitig auch schnell. Damit soll vermieden werden, dass generelle interindividuelle Unterschiede in der Urteilsfällung zu sehr durchschlagen. So gibt es z. B. Menschen, die gerne lange und gründlich nachdenken, bevor sie eine Entscheidung treffen, obwohl sie die Antwort eigentlich bereits längst wissen. Um also lange Reaktionszeiten zu verhindern die allein daraus resultieren, dass

238

7 Methode

sich jemand viel Zeit für Urteile nimmt, müssen schnelle Antworten eingefordert werden. Weiterhin ist es sinnvoll, erst ein paar Testläufe durchzuführen, bevor mit der eigentlichen Untersuchung begonnen wird. Auf diese Weise können sich die Befragten an das Verfahren gewöhnen und auf den ersten richtigen Reiz wird nicht deshalb langsam reagiert, weil sie sich noch orientieren müssen. Als drittes schlägt Fazio (1990) vor, auch mit filler trails zu arbeiten, also mit Reizen, die nicht Teil des Erkenntnisinteresses sind, um herauszufinden, ob tatsächlich das experimentelle Design die Ursache für unterschiedliche Antwortgeschwindigkeiten ist und nicht die Tatsache, dass jemand generell langsam oder schnell auf irgendeine Art von Reiz reagiert. Wie Fazios Ratschläge in der vorliegenden Studie umgesetzt wurden, soll nun im Folgenden vorgestellt werden. Die Aufgabe der Probandinnen und Probanden bestand zunächst darin, zu entscheiden, ob es sich bei eingeblendeten Buchstabenabfolgen um ein sinnvolles Wort handelt oder nicht (siehe Anhang, Fragebogen 2/Frage 16). Sie wurden vorab instruiert, korrekt und schnell zu antworten und zur Beantwortung der Frage einen Finger (z. B. den Zeigefinger) auf die linke Pfeiltaste der Tastatur zu legen und einen anderen Finger (z. B. den Ringfinger) auf die rechte Pfeiltaste. Links bedeutete „sinnvoll“, rechts bedeutete „nicht sinnvoll“. Als Testversuch wurden ihnen nacheinander folgende vier Buchstabenfolgen eingeblendet: Damenschuh, Schmundbund, Regenbogen, Schornglas. Anschließend wurde den Probandinnen und Probanden die korrekte Lösung präsentiert: Buchstabenabfolgen 1 und 3 ergaben sinnvolle Wörter, die anderen beiden nicht. Für die Begriffe 1 und 3 hätte man also die linke Pfeiltaste drücken müssen, für die anderen beiden die rechte. Im eigentlichen Reaktionszeittest kamen dann drei verschiedene Reizarten zum Einsatz: (1) Target-Reize, (2) unsinnige Reize, bei denen die Antwort „nicht sinnvoll“ lautete, und (3) Filler-Reize. Target-Reize waren in diesem Fall Begriffe aus der ersten Folge von Damages, denn es galt die Annahme zu überprüfen, dass die EG die Inhalte aus Folge 1 besser erinnert, diese also kognitiv verfügbarer sind als bei der KG.

7.3 Operationalisierung abhängige Variablen

239

Bei der Auswahl der Target-Reize wurde darauf geachtet, dass es Begriffe sind, die zwar in Folge 1 und auch für den weiteren Handlungsverlauf von Bedeutung sind, in Folge 2 dagegen keine oder – weil das bei einer Fortsetzungsserie naturgemäß schwierig ist – nahezu keine Rolle spielen. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass die Erinnerung auf die erste Folge zurückgeht und nicht auf die zweite. Die abgefragten 16 Buchstabenabfolgen (neun Target-Trails, vier ‚falsche‘ Trails und drei Filler-Trails) lassen sich aus Tabelle 2 entnehmen. Dort ist auch kenntlich gemacht, um welche Art von Reiz es sich handelt. Die Reihenfolge der Begriffe wurde nicht rotiert, um mögliche Ausstrahlungseffekte (besitzen zwei Begriffe dieselbe ‚Valenz‘, drückt man beim zweiten Mal automatisch schneller die korrekte Pfeiltaste als wenn der zweite Begriff eine andere ‚Valenz‘ aufweisen würde) zwischen den einzelnen Individuen und Gruppen konstant zu halten. Neben dieser Buchstabenabfolge-Aufgabe wurde noch eine weitere eigenkonstruierte Variante ausprobiert, um zu messen, wie leicht abrufbar die Inhalte aus Folge 1 sind. Und zwar sollten die Probandinnen und Probanden in einer zweiten Aufgabe (siehe FB2/F17) beantworten, ob es sich bei zwei gemeinsam eingeblendeten Begriffen um eine sinnvolle Paarung handelt oder nicht. Diese Aufgabe war gleichwohl komplexer und schwieriger als die erste, mussten hier doch zwei Informationen aus der ersten Folge kognitiv verfügbar gemacht und dann eine Entscheidung getroffen werden, ob die beiden Target-Reize vor dem Hintergrund des im Gedächtnis angesammelten Serienwissens zusammenpassen oder nicht. Vom Prinzip her war der Paarungstest so angelegt wie der Buchstabenabfolge-Test, nur dass hier zwischen vier Reizarten unterschieden wurde: (1) sinnvolle Target-Reize, (2) keine sinnvollen Target-Reize, (3) sinnvolle Filler-Reize und (4) nicht sinnvolle Filler-Reize. Die 16 abgefragten Begriffspaare, vier davon ohne Serienbezug, sind ebenfalls der Tabelle 2 zu entnehmen. Ihnen voraus ging wieder ein kurzer Testversuch, in dem die folgenden drei Paarungen beurteilt werden mussten: „Universität – Professorin“, „August – Schnee“ und „Bayern – Lederhose“.

240

7 Methode

Tab. 2: Begriffe für Reaktionszeittests Buchstabenabfolgen

Paarungen

Badewanne (+)

Hamburg – Franken (FR, -)

Omnibus (o)

Ring – Verlobung (TR, +)

Halsband (+)

Mantel – grün (TR, +)

Glühapfel (-)

Katie – Ausbildung (TR, -)

Aktienverkauf (+)

Klage – Mitarbeiter (TR, +)

Mofagissen (-)

Florida – Spa (TR, +)

Banane (o)

Park – Katzen (TR, -)

Aufzug (+)

Sommer – Sonne (FR, +)

Hochzeit (+)

Ellen – Bruder (TR, -)

Vergleich (+)

Restaurant – Unterschrift (TR, +)

Tödelei (-)

Patty – Mutter (TR, +)

Börsenmakler (+)

Vegetarier – Kalbsschnitzel (FR, -)

Zahnbürste (o)

Kanzlei – Vorstellungsgespräch (TR, +)

Bangelware (-)

Kursmanipulation – Strafverfahren (TR, +)

Visitenkarte (+)

Berlin – Großstadt (FR, +)

Kündigung (+)

Ehemann – Paris (TR, -)

Buchstabenabfolgen: Die mit + gekennzeichneten Begriffe sind Target-Reize, die mit – gekennzeichneten Begriffe sind sinnlose Buchstabenabfolgen und die mit o gekennzeichneten Begriffe sind Filler-Reize. Paarungen: TR steht für Target-Reiz; FR für Filler-Reiz und das Vorzeichen gibt an, inwieweit es sich um eine sinnvolle Paarung handelt oder nicht.

Speicherung (storage) Lang (2000, 56) misst den Subprozess storage mittels eines cued recall tests. Dieser dient als Indikator dafür, wie gut und genau eine Information abgespeichert wurde. Bei einem cued recall test wird den Befragten ein einzelner Hinweisreiz gegeben. Durch die Nennung dieses cues werden all die anderen Informationen im Gedächtnis aktiviert, die dort mit dem Signalwort verknüpft sind (associate memory network; siehe Kap. 4.3). In der vorliegenden Studie wurden die Namen zweier Serienfiguren als cues verwendet. Die Probandinnen und Probanden wurden zum einen gebeten, alles aufzu-

7.3 Operationalisierung abhängige Variablen

241

schreiben, was ihnen zu der Figur Katie Connor einfällt (siehe FB2/F10). Anschließend sollten sie dieses Procedere nochmal wiederholen, dieses Mal mit der Figur Arthur Frobisher. Enkodierung (encoding) Auch für den Subprozess encoding empfiehlt Lang eine Operationalisierung. In mehreren Studien setzte sie hierfür einen recognition test ein (Lang et al., 1993; Lang et al., 1999, z. B.; Lang et al., 2002). Dieser ist nichts anderes als ein Multiple Choice (MC)-Test mit z. B. vier vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Die Befragten werden gezwungen, zu antworten, wobei nur eine Antwort die korrekte ist. Die Idee hinter dem Test: Wenn die abgefragte Information jemals von den Rezipierenden wahrgenommen und enkodiert worden ist, dann werden diese die Information wiedererkennen, sobald sie ihnen präsentiert wird. Während bei einem cued recall test nur abgerufen werden kann, was irgendwann einmal dauerhaft abgespeichert wurde, lassen sich im Rahmen eines recognition tests selbst noch solche Informationen erkennen, die es nie ins Langzeitgedächtnis geschafft haben. Für die vorliegende Studie wurde sich also an Lang und ihrem Forscherteam orientiert und ein recognition test durchgeführt. Den Probandinnen und Probanden wurden nacheinander zehn MCFragen zu Folge 2 gestellt (siehe FB2/F18 und Tab. 3). Dies ist deshalb wichtig, weil sich die beiden Gruppen erst mit der Rezeption der zweiten Folge voneinander unterscheiden. Die Logik des den Hypothesen zugrundeliegenden Modells sieht ja wie folgt aus: Weil die EG die zweite Episode gleich nach der ersten ansieht, sind die für das Verständnis der zweiten Folge zwingend notwendigen Informationen aus der ersten Folge kognitiv verfügbarer. Aufgrund der besseren Abrufbarkeit bleiben mehr kognitive Ressourcen für die anderen beiden Subprozesse übrig, d. h. die EG sollte in Folge 2 mehr Informationen kodieren können als die KG. Die Fragen bezogen sich überwiegend auf inhaltliche Informationen (z. B. „Was schenkt Katie Ellen zum Geburtstag?“). Mit

242

7 Methode

drei Fragen wurde zudem überprüft, inwiefern auch auf formale Informationen, hier verstanden als stilistische Informationen, geachtet wurde (z. B. „Welches Motiv taucht nicht auf beiden Erzählebenen auf?“). Weiterhin wurde bei der Zusammenstellung der Fragen darauf geachtet, dass neben Informationen, die in der Serie sowohl über den auditiven als auch den visuellen Stream gegeben werden, auch solche abgefragt werden, die nur über einen der beiden Kanäle erfolgen. So konnte nur, wer genau zugehört hat, folgende Frage beantworten: „Wie heißt die Ehefrau von Arthur Frobisher?“ Wer dagegen genau hingesehen hatte, wusste, wie der Name der Anwaltskanzlei korrekt geschrieben wird. Alle abgefragten Informationen betreffen Details, die für die mittel- und/oder unmittelbare Verarbeitung der Serienhandlung relevant sind. So ist z. B. das Geschenk, das Katie Ellen macht, die spätere Mordwaffe (MC-Frage 1). Und der Immobilienmakler, mit dem sich Tom trifft, stellt sich im Verlauf der Serie als der Geliebte von Arthur Frobishers Frau heraus (MC-Frage 8). Es wurde zudem darauf geachtet, dass der Schwierigkeitsgrad der Fragen variiert, wobei MC-Frage 1 z. B. relativ einfach zu beantworten ist, weil diese Information durch einen dramatischen Kameraschwenk auffallend in Szene gesetzt wird und die Information zudem mit einem emotionalen Ereignis, dem Mord, verbunden ist. MC-Frage 2 ist schwerer zu beantworten, da der Beruf von Ellens Verlobtem nur an einer Stelle kurz erwähnt wird und er an einer anderen Stelle in seiner Arbeitskleidung zu sehen ist. Um Antwortmuster zu vermeiden, wurden die einzelnen Antworten innerhalb der Frage rotiert. Außerdem war die Aufgabe mit dem Hinweis versehen, schnell zu antworten. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass die korrekten Antworten gegoogelt werden oder dass nochmal in die Folgen hineingesehen wird.

7.3 Operationalisierung abhängige Variablen

243

Tab. 3: Recognition-Test Nr.

Frage

Antworten

1.

Was schenkt Katie Ellen zum Geburtstag?

Vasen, Skulpturen, Briefbeschwerer, Buchstützen

2.

Welchen Beruf übt Ellens Verlobter aus?

Architekt, Arzt, Banker, Lehrer

3.

Weshalb hat Katie einen Strafzettel bekommen?

zu schnelles Fahren, Falschparken, bei Rot über die Ampel gefahren, Beamtenbeleidigung

4.

In welchem Stadtteil liegt die neue Wohnung von Ellen und ihrem Verlobten?

Upper West Side, Upper East Side, Lower East Side, Lower West Side

5.

Wie heißt die Kanzlei, in der Ellen arbeitet?

Hews & Associates, Hewes & Associates, Hews & Partner, Hewes & Partner

6.

Welche Farbe haben die Vorhänge in Ellens Badezimmer?

weiß, gelb, beige, orange

7.

Wie heißt die Ehefrau von Arthur Frobisher?

Sally, Dolly, Holly, Molly

8.

Mit wem trifft sich Tom im Café?

Anwalt, Detektiv, Immobilienmakler, Börsenmakler

9.

Welches Motiv taucht nicht auf beiden Erzählebenen auf?

Taube, Uhr, Ring, Mantel

10.

In der Titelmusik zur Serie heißt es: „, …, there won’t be anything left.“47

When I am done with you, When I leave you, When I am finished with you, When I am through with you

Anmerkung: Die korrekten Antworten sind unterstrichen.

47

Die Titelmusik kommt bereits in Folge 1 vor. Trotzdem wurde diese Frage für den recognition test verwendet und zwar aus folgendem Grund: Wie in Kapitel 4 dargelegt, handelt es sich beim Erkennen von dramaturgischen und stilistischen Mitteln um einen optionalen Verarbeitungsschritt, der nur dann ausgeführt werden kann, wenn noch mentale Ressourcen übrig, sind, nachdem das Situationsmodell gebildet wurde. Die Logik des Modells sieht nun vor: In Folge 1 sind noch beide Gruppen damit beschäftigt, die Geschichte zu verarbeiten. Ab Folge 2 hat die EG einen Vorteil gegenüber der KG – sie kann alte, abgespeicherte Informationen leichter abrufen –, weshalb sie jetzt mehr Kapazitäten frei haben sollte, sich auch auf formale Merkmale der Serie zu konzentrieren. Deshalb wurde diese Frage mit in den Test aufgenommen.

244

7.3.1.2

7 Methode

Operationalisierung Verstehensstufen

In Kapitel 4.1 wurde in fünf verschiedene Stufen des Verstehens unterschieden. Für die Prüfung der Hypothesen relevant sind aber nur die höheren Verarbeitungsstufen, also die Bildung des Situationsmodells, das Erkennen von dramaturgischen und stilistischen Mitteln sowie die Identifizierung des Tieferen Sinns einer Narration. Im Folgenden wird nun vorgestellt, wie diese drei Verstehensstufen für die vorliegende Studie operationalisiert wurden. Bei der Operationalisierung wurde wieder so vorgegangen, wie schon zu Beginn von Kapitel 7.3.1 beschrieben: Sofern möglich, wurden etablierte Messinstrumente verwendet. Situationsmodell Um eine Geschichte verstehen zu können, müssen wir von den narrativen Ereignissen eine logische und kohärente mentale Repräsentation bilden (siehe Kap. 4.2). Es handelt sich damit also um einen obligatorischen Verarbeitungsschritt, der kontinuierlich während der Rezeption ausgeführt wird. Am Ende des Rezeptionsprozesses verfügen die Rezipierenden dann über ein complete model, das im Langzeitgedächtnis abgespeichert und aus diesem abrufbar ist. Um herauszufinden, wie umfang- und detailreich dieses complete model ist, eignet sich der von Lang (2000; siehe auch Bolls et al., 2001) für die Erfassung des (later) retrievals vorgeschlagene free recall test. Bei einem solchen Test sollen die Befragten nach Ende der Rezeption ohne jegliche Hilfestellung wiedergeben, was sie sich von einem Medieninhalt gemerkt haben, wobei diese Erinnerungsleistung, wie in Kapitel 4.3 beschrieben, das Resultat aller drei Subprozesse ist. Für die vorliegende Studie wurden die Probandinnen und Probanden gebeten, in eigenen Worten zu beschreiben, was bisher in Folge 1 und 2 passiert ist (siehe FB2/F9). Um sie dazu zu animieren, ausführlich zu antworten und nicht nur eine Kurzusammenfassung zu geben, erstreckte sich der dafür vorgesehene Antwortkasten über eine ganze Seite. Auch wurde bewusst vermieden, von

7.3 Operationalisierung abhängige Variablen

245

einer Zusammenfassung zu sprechen. Für die spätere Auswertung war es zudem wichtig, dass sie in ganzen Sätzen antworteten (siehe Kap. 7.5). Von allen abhängigen Variablen war die Messung des Situationsmodells sicherlich mit dem größten Risiko behaftet: Immerhin hatten die Versuchspersonen der EG zu diesem Zeitpunkt seit fast zwei Stunden an der Studie teilgenommen und sollten nun noch einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen. Es bestand also die Möglichkeit, dass die Mitglieder der EG allein deshalb weniger schreiben, weil sie angesichts der zeitaufwendigen Studie keine Lust hatten, mehr Zeit als unbedingt notwendig in die Beantwortung des Fragebogens zu investieren. Natürlich wurde im Zuge der Vorbereitung der Untersuchung überlegt, wie sich dieses Problem vermeiden lässt. Eine Idee bestand darin, die KG vor der zweiten Folge von Damages noch etwas anderes, beispielsweise eine Reportage, ansehen zu lassen, um den ‚Arbeitsaufwand‘ vor der Beantwortung des zweiten Fragebogens in beiden Versuchsgruppen konstant zu halten. Weil aber nicht abzusehen war, wie sich dieser weitere Stimulus auf die Prozesse des Narrativen Verstehens und Narrativen Erlebens hinsichtlich der Serie Damages ausgewirkt hätte, wurde von dieser Idee wieder Abstand genommen. Dramaturgie und Stil Für die Operationalisierung der Variable Dramaturgie und Stil wurde sich an Appel, Koch, Schreier, und Groeben (2002) orientiert. Diese entwickelten eine 14 Dimensionen umfassenden Skala zum Leseerleben, die auf Reliabilität getestet wurde, nicht jedoch auf Validität (Appel et al., 2002, 153; siehe auch Rössler, 2011, 75f). Darin schlagen sie u. a. eine Subskala zur Erfassung der Dimension Analysierende Rezeption vor. Mit dieser lässt sich messen, wie sehr Rezipierende beim Lesen auf Aufbau und Kohärenz des Textes, Sprache/Stil sowie die Perspektive, aus der ein Text geschrieben

246

7 Methode

ist, geachtet haben.48 Es handelt sich damit also um genau jene kognitiven Prozesse, die wir im Theorieteil als die optionale Verstehensstufe Erkennen von dramaturgischen und stilistischen Mitteln kennengelernt haben. Die Autoren selbst geben keine Auskunft darüber, ob die einzelnen Dimensionen auch als Kurzskala verwendet werden dürfen, laut Trepte (2006) ist dies bei dieser Skala jedoch zulässig. Nachdem das Messinstrument ursprünglich im Hinblick auf die Rezeption von Printmedien formuliert und getestet wurde, waren kleinere Anpassungen im Wording notwendig, damit es für die vorliegende Studie eingesetzt werden konnte. Aus Sicht der Autoren stellt eine Adaption der Skala für audiovisuelle Inhalte aber kein Problem dar (Appel et al., 2002). Eben weil die Kurzskala eigentlich auf die Textrezeption ausgelegt ist, fehlt ein Item, das sich auf die auditive Gestaltung eines Medieninhalts bezieht. Entsprechend wurde die Itemliste um eine Aussage, die genau auf diesen Aspekt abzielt, ergänzt. Darüber hinaus wurden zwei Items aus der Ursprungsskala eliminiert. Es handelt sich dabei zum einen um das einzige negative Item dieser Kurzskala. Des Weiteren wurde das Item „Ich habe beim Schauen darauf geachtet, ob die Serie einen ‚Rhythmus‘ hat“ weggelassen, da die Rückmeldung der an der Konzeptualisierung der Studie beteiligten Studierenden war, dass dieses nicht verständlich sei. Damit kommt die adaptierte Skala auf insgesamt sieben Items, die sich auf drei Dimensionen verteilen (siehe Tab. 4). Die Items der Variable Dramaturgie und Stil wurden im Fragebogen zusammen mit anderen Konstrukten (Tieferer Sinn, Medienempathie und Immersives Erleben) abgefragt, um Monotonie zu vermeiden und die Konzentration hochzuhalten. Damit die Befragten bei der Beantwortung nicht zu sehr herunterscrollen mussten, was unter Umständen als lästig empfunden worden wäre, wurde die Itembatterie auf zwei Fragen aufgeteilt (siehe FB2/F6-7). Eingeleitet wurden die Items im Fragebogen mit folgendem Statement: 48

Die gesamte Leseerleben-Skala ist in Rössler (2011, 77ff) bzw. Trepte (2006, 170ff) abgedruckt. Der Aufsatz von Appel et al. (2002) enthält keine Itemauflistung.

7.3 Operationalisierung abhängige Variablen

247

„Jetzt interessiert uns, wie es Ihnen während des Serienschauens ergangen ist. Bitte geben Sie an, wie sehr folgende Aussagen auf Sie zutreffen“. Die Probandinnen und Probanden sollten auf einer siebenstufigen Likert-Skala von „1 – trifft überhaupt“ nicht zu bis „7 – trifft voll und ganz zu“ ihre Ablehnung bzw. Zustimmung zu den Items angeben. Um zu vermeiden, dass die Platzierung eines Items innerhalb der Itembatterie Auswirkungen auf dessen Bewertung hat und auf diese Weise systematische Verzerrungen entstehen, erfolgte die Anzeige im Fragebogen rotiert. Tab. 4: Dramaturgie- & Stil-Skala (adapt. Appel et al., 2002) Dimension

Items

Kohärenz, Aufbau

Während des Serienschauens habe ich darauf geachtet, ob in der Serie alles zusammenpasst. Ich habe beim Schauen darauf geachtet, ob die Serie „aus einem Guss“ ist. Ich habe beim Schauen darauf geachtet, wie die Serie aufgebaut ist.

Sprache/Stil

Beim Schauen ist mir die Bildsprache der Serie aufgefallen. Ich habe beim Schauen auf den Stil der Serie geachtet. Beim Schauen ist mir die musikalische Untermalung der Serie aufgefallen.

Perspektive

Ich habe beim Serienschauen darauf geachtet, ob die Geschichte aus der Position eines Beteiligten oder eines Außenstehenden erzählt wird.

Anmerkung: Das dritte Item der Dimension Sprache und Stil ist nicht Teil der ursprünglichen Skala von Appel et al., 2002. Items 1-3 lassen sich in Fragebogen 2 unter Frage 6 finden; Items 4-7 unter Frage 7.

Tieferer Sinn Für die Variable Tieferer Sinn ließ sich in der Literatur keine Skala finden. Deshalb wurden hier selbst Items formuliert. Aus Kapitel 4.1 wissen wir, dass die Suche nach einer tieferen Bedeutung einer Narration zweierlei bedeuten kann: Zum einen ist damit das Erkennen eines der Geschichte zugrundeliegenden Themas gemeint.

248

7 Methode

Die Moral einer Geschichte identifizieren zu können, ist die andere Form der Sinninterpretation. Diese beiden Dimensionen galt es also abzudecken. Es wurden insgesamt fünf Statements formuliert, wobei in Anlehnung an Hartmann und Reinecke (2013) auf Folgendes geachtet wurde: Die Items sind kurz und präzise zu halten und ein Item bezieht sich immer nur auf einen Sachverhalt. Weil unterschiedliche Facetten des Konstrukts Tieferer Sinn gemessen werden sollen, mussten sich die Aussagen voneinander unterscheiden. Innerhalb einer Dimension wurde darauf geachtet, dass die Items zwar sprachlich differieren, aber sie letztlich denselben Sachverhalt abbilden. Und um Antworttendenzen der Befragten zu vermeiden, wurden auch negative Items verwendet. Aus Tabelle 5 lassen sich die einzelnen Tieferer Sinn-Items samt Dimensionszuordnung entnehmen. Wie bereits erwähnt, wurden im Fragebogen die Items der Variable Tieferer Sinn zusammen mit den Items der Konstrukte Dramaturgie und Stil, Medienempathie und Immersives Erleben präsentiert. Tab. 5: Tieferer Sinn-Items (Eigenkonstruktion) Dimension

Items

Thema

Während des Schauens habe ich überlegt, was das eigentliche Thema der Serie ist. Ich habe beim Schauen kaum darüber nachgedacht, ob die Serie eine tiefere Botschaft hat.

Moral

Beim Schauen habe ich darauf geachtet, ob die Geschichte eine Moral hat. Beim Schauen habe ich mir Gedanken darüber gemacht, welche Lehren ich für mein Leben aus der Geschichte ziehen kann. Ich habe beim Schauen kaum darauf geachtet, ob mich die Serie persönlich weiterbringt.

Anmerkung: Item 2 der Dimension Thema und Item 3 der Dimension Moral sind inversiv formuliert. Items 1 und 5 sind im Fragebogen 2 unter Frage 7 zu finden; Items 2-4 unter Frage 6.

7.3 Operationalisierung abhängige Variablen

7.3.2

249

Operationalisierung Narratives Erleben

Wie schon bei den Variablen des Narrativen Verstehens, gilt auch für die Operationalisierung der Merkmale des Narrativen Erlebens, dass sich an der bisherigen empirischen Forschung zu den jeweiligen Konstrukten orientiert wurde und, wo möglich, Messinstrumente übernommen wurden. Falls Adaptionen nötig waren, wird dies bei der Vorstellung der einzelnen Operationalisierungen kenntlich gemacht. Häufig mussten die eingesetzten Skalen dergestalt umformuliert werden, dass sie auf den Sachverhalt ‚Serienrezeption‘ passen. Mitunter wurden Skalen um selbstformulierte Items ergänzt, damit das Messinstrument noch besser auf den Untersuchungsgegenstand passt. Eigenformulierungen wurden nur dann verwendet, wenn im Zuge der Literaturrecherche kein geeigneter Operationalisierungsvorschlag gefunden werden konnte. 7.3.2.1

Operationalisierung Erlebensfacetten

In diesem Unterkapitel wird die Operationalisierung all jener Facetten des Narrativen Erlebens vorgestellt, die in der Rezeptionssituation stattfinden. Konkret handelt es sich dabei um die Konstrukte Empathie mit Medienpersonen, Parasoziale Interaktionen, Immersives Erleben, Ästhetisches Erleben und Appreciation. Empathie mit Medienpersonen In Kapitel 5.1.1.1 wurde Medienempathie als ein mehrdimensionales Konstrukt beschrieben, das eine kognitive, affektive und assoziative Komponente beinhaltet. Ferner wurde differenziert in Traitund State-Empathie. Nachdem in dieser Studie Narratives Erleben als situativer Zustand betrachtet wird, gilt es State-Empathie zu messen. Entsprechend kam nur die Skala von Shen (2010) als Messinstrument in Frage, denn im Gegensatz zu den Skalen von Davis (1983) oder Früh und Wünsch (2009) erfasst sie nicht Trait-Empathie, sondern die situative Empathie. Shen (2010) schlägt zwölf, ausschließlich

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7 Methode

positiv formulierte Items vor, die sich zu gleichen Teilen auf die drei Dimensionen kognitive, affektive und assoziative Empathie verteilen. Neun der zwölf Aussagen sind figurenspezifisch formuliert (z. B. „The character’s emotions are genuine“), die anderen drei, die alle zur Dimension assoziative Empathie gehören, sind allgemein gehalten (z. B. „I can identify with the situation described in the message“). Die Skala wurde im Rahmen zweier Studien auf Reliabilität und Validität überprüft und erzielte zufriedenstellende Ergebnisse. Für die vorliegende Studie wurde Shens Messinstrument leicht angepasst: Weil die Skala im Original auf Englisch ist, wurde sie zunächst aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. Dabei wurde der bei Shen (2010) verwendete Begriff „message“ durch „beim Zuschauen“ oder „Serie“ ersetzt. Wie aus der Zusammenfassung der ersten Staffel von Damages hervorgeht, nimmt die junge Anwältin Ellen Parsons eine zentrale Rolle in der Serienhandlung ein. Auch wenn es in Damages mehrere handlungstragende Figuren gibt, so ist doch sie als die Hauptfigur zu bezeichnen: Sie ist die erste Person, die die Zuschauerinnen und Zuschauer kennenlernen, und es ist ihr Schicksal, das im Zentrum der Geschichte steht. Eben weil ihr in der Serie eine exponierte Stellung zukommt, wurde Empathie hauptsächlich für diese Serienfigur gemessen. Während Shen (2010) in seiner Originalskala nur von „character“ spricht, beziehen sich im Fragebogen alle figurenspezifischen Empathie-Items auf Ellen Parsons. Auf diese Weise ist Vergleichbarkeit gewährleistet und sichergestellt, dass sich die Angaben der Probandinnen und Probanden nicht auf die Bewertung unterschiedlicher, für die Handlung auf der Makroebene der Serie nicht gleich wichtiger Figuren (z. B. Katy Connor, David Connor, Patty Hewes, Arthur Frobisher) beziehen (siehe auch Zillich, 2013, 170). Während die figurenspezifischen Empathieaussagen gemeinsam mit den ebenfalls figurenspezifischen PSI-Items in einem Block abgefragt wurden (siehe FB2/F8), wurden die allgemein gehaltenen Items separat unter Frage 7 aufgelistet, zusammen mit den Immersions-Items und Items zum Tieferen Sinn sowie Dramaturgie

7.3 Operationalisierung abhängige Variablen

251

und Stil. Innerhalb der Itembatterien wurden die einzelnen Aussagen rotiert, um eine systematische Verzerrung im Antwortverhalten zu Gunsten des ersten oder letzten Items zu vermeiden. Die figurenspezifischen Items wurden mit folgendem Satz eingeleitet: „Jetzt interessiert uns, wie es Ihnen mit Ellen – der jungen Anwältin – ergangen ist. Auch hier wollen wir wieder wissen, wie sehr die Aussagen auf Sie zutreffen“. Alle Empathie-Items wurden über eine siebenstufige Likert-Skala erhoben, wobei 1 bedeutete, „trifft überhaupt nicht zu“ und 7, „trifft voll und ganz zu“. In Tabelle 6 sind alle zwölf Items aufgelistet, mit denen in dieser Arbeit StateEmpathie gemessen wurde: Tab. 6: State-Empathie-Skala (Shen, 2010) Dimension

Items

affektive Empathie

Ellens Gefühle sind authentisch. Beim Zuschauen durchlebte ich die gleichen Gefühle wie Ellen. Beim Zusehen war ich in einem ähnlichen Gefühlszustand wie Ellen. Ich kann Ellens Gefühle nachempfinden.

kognitive Empathie

Ich kann Ellens Sicht- und Denkweise verstehen. Mir kommt die Situation bekannt vor, in der sich Ellen befindet. Ich kann verstehen, was Ellen durchmacht. Ellens Reaktionen auf diese Situation sind nachvollziehbar.

assoziative Empathie

Ich kann nachempfinden, was Ellen durchmacht. Während des Schauens habe ich mich komplett in die Geschichte vertieft. Ich kann mich mit der in der Serie beschriebenen Situation identifizieren. Ich kann mich mit den Figuren identifizieren.

Anmerkung: Items 1-9 sind im Fragebogen 2 unter Frage 8 zu finden; Items 1012 unter Frage 7.

Schon zu Beginn des Fragebogens wurde außerdem abgefragt, wer die Lieblingsfigur der Probandinnen und Probanden war, um zu

252

7 Methode

vergleichen, ob die Hauptfigur der Serie automatisch die am meisten gemochte Figur ist (siehe FB2/F5). Parasoziale Interaktionen Auch zu PSI liegen einige valide Messinstrumente vor (siehe im Überblick hierzu Hartmann, 2010, 60ff). Die am häufigsten eingesetzte Skala in Studien zu parasozialen Phänomenen ist laut Hartmann (2010) und Liebers und Schramm (2016) die ParasocialInteraction-Scale von Rubin, Perse, und Powell (1985). Entgegen ihres Namens misst sie jedoch nicht PSI, sondern PSB, weshalb sie für unsere Forschungszwecke nicht geeignet ist. Ausgehend von ihrem Zwei-Ebenen-Modell parasozialer Interaktionen entwickelten Schramm und Hartmann (2008) ein Instrument, mit dem sich parasoziale Verarbeitung messen lässt. Wie auch das Modell ist die Skala multidimensional angelegt. Zu jedem Teilprozess der drei Dimensionen (perzeptiv-kognitive PSI, affektive PSI und konative PSI) wurden eigene Skalen formuliert, sodass die Originalskala insgesamt 89 Items umfasst. Nachdem PSI nur eines von vielen Konstrukten ist, das in der vorliegenden Studie gemessen werden sollte, wurde sich dazu entschieden, nur zwölf Items aus der Skala von Schramm und Hartmann (2008) zu verwenden. Dabei handelt es sich um jene Aussagen, die sie in ihrem Aufsatz in der kommunikationswissenschaftlichen Fachzeitschrift Communications veröffentlicht haben (Schramm & Hartmann, 2008). Die deutliche Kürzung der Skala hat zur Konsequenz, dass jeder Teilprozess innerhalb einer Dimension nur mit einem Item gemessen wurde. Beantwortet werden sollten die Aussagen im Hinblick auf die vorgegebene Figur Ellen Parsons. So lässt sich besser vergleichen, ob sich die beiden Gruppen in ihrer Interaktionsintensität unterscheiden. Nachdem man nicht nicht parasozial interagieren kann und Ellen die Hauptfigur der Serie ist und folglich über entsprechend viel Bildschirmpräsenz verfügt, sollten PSI-Prozesse in jedem Fall gut messbar sein. Wie schon im Abschnitt zu Medienempathie erwähnt, wurden die PSI-Items zusammen mit den Items von

7.3 Operationalisierung abhängige Variablen

253

Shen (2010) abgefragt. In Tabelle 7 sind alle zwölf PSI-Items aufgelistet, die zum Einsatz kamen: Tab. 7: PSI-Items (Schramm & Hartmann, 2008) Dimension

Items

perzeptivkognitive PSI

Ich habe Ellens Verhalten aufmerksam verfolgt. Ich habe kaum darüber nachgedacht, warum Ellen sich so verhalten hat, wie sie es getan hat. Mir sind bestimmte Seiten an Ellen aufgefallen, die ich sehr mochte oder auch nicht mochte. Ich habe immer wieder überlegt, ob ich Leute kenne, die Ellen ähnlich sind. Ich habe mir oftmals Gedanken darüber gemacht, wie es mit Ellen weitergeht. Hin und wieder habe ich darüber nachgedacht, ob Ellen mir selbst ähnlich oder unähnlich ist.

affektive PSI

Es gab Momente, da habe ich Ellen sehr bewundert. Wenn sich Ellen schlecht fühlte, fühlte ich mich auch schlecht. Wenn sich Ellen gut fühlte, fühlte ich mich auch gut. Ellen hat mich emotional nicht berührt.

konative PSI

Egal was Ellen gesagt oder getan hat, von meinem Gesicht ließ sich keine Regung ablesen. Bisweilen habe ich spontan etwas zu Ellen gesagt. Manchmal hätte ich am liebsten etwas zu Ellen gesagt.

Anmerkung: Item 2 der Dimensionen perzeptiv-kognitive PSI, Item 3 der Dimension afektive PSI und Item 1 der Dimension konative PSI sind inversiv formuliert. Alle Items sind im Fragebogen 2 unter Frage 8 zu finden.

Immersives Erleben Immersives Erleben wurde im Theorieteil (siehe Kap. 5.1.1.3) als mehrdimensionales Konstrukt vorgestellt. Green und Brock (2000) unterscheiden die drei Dimensionen attentional focus, affect und imagery, während Busselle und Bilandzic (2009) zwischen Aufmerksamkeitsfokus, Narrativem Verstehen, Narrativer Präsenz und Emotionaler Beteiligung differenzieren. In der vorliegenden Studie wurde sich aus dreierlei Gründen für die Skala von Busselle und Bilandzic (2009)

254

7 Methode

entschieden: Erstens wurde die Skala im Hinblick auf die Rezeption audiovisueller Inhalte formuliert und getestet, während das Messinstrument von Green und Brock (2000) auf die Rezeption von Texten ausgerichtet ist. Zweitens liegt Busselles und Bilandzics Skala bereits in deutscher Übersetzung vor. Und drittens, was zugleich der wichtigste Grund war, enthält das Messinstrument im Gegensatz zu dem von Green und Brock (2000) die Dimension Narratives Verstehen und damit eine Komponente, die in dieser Arbeit als elementar angesehen wird. Tab. 8: Narrative Engagement-Skala (Busselle & Bilandzic, 2009) Dimension

Items

Narratives Verstehen

An manchen Stellen fiel es mir schwer zu verstehen, was gerade passiert. Ich habe ein unklares Bild von den Figuren. Es ist mir schwer gefallen, den roten Faden der Geschichte zu finden.

Aufmerksamkeitsfokus

Meine Gedanken sind während des Schauens immer wieder abgeschweift. Beim Sehen ist mir aufgefallen, dass ich an etwas anderes denke. Es ist mir schwer gefallen, meine Gedanken nur auf die Serie zu richten.

Narrative Präsenz

Während des Serienschauens war mein Körper im Zimmer, aber mein Geist war inmitten der Welt, die die Geschichte geschaffen hat. Die Serie schuf eine neue Welt für mich und diese Welt verschwand plötzlich, als die Folge endete. An manchen Stellen der Serie war mir die Welt der Geschichte näher als die „echte Welt“.

Emotionale Beteiligung

Die Serie hat mich gefühlsmäßig berührt. Während des Schauens war ich froh, wenn eine Hauptfigur Erfolg hatte, und traurig, wenn ihr etwas Schlechtes passierte. Manche Figuren in der Serie haben mir Leid getan.

Anmerkung: Die Items der Dimensionen Narratives Verstehen und Aufmerksamkeitsfokus sind inversiv formuliert. Items 2-3, 5-6, 7-8 sowie 10 und 12 finden sich im Fragebogen 2 unter Frage 6; Items 1, 4, 9 und 11 unter Frage 7.

7.3 Operationalisierung abhängige Variablen

255

Busselles und Bilandzics validierte und schon vielfach eingesetzte Skala besteht aus zwölf Items, wobei jeder der vier Dimensionen drei Items zugeordnet sind. Auch bei diesem Messinstrument wurde eine leichte Anpassung für die Zwecke dieser Studie vorgenommen: Das Wort „Sendung“ wurde durch „Serie“ ersetzt. Die Items wurden auf zwei Frageblocks aufgeteilt (siehe FB2/F6-7) und zusammen mit Items der abhängigen Variablen Dramaturgie und Stil, Tieferer Sinn und Medienempathie abgefragt. Auch hier erfolgte die Anordnung der Aussagen wieder rotiert und zufällig. Aus Tabelle 8 lassen sich die einzelnen Immersions-Items samt Dimensionszuordnung entnehmen.49 Ästhetisches Erleben Am Ende einer ästhetischen Erfahrung stehen eine ästhetische Emotion und ein ästhetisches Urteil (siehe Kap. 5.1.2.1). Unter ersteres fallen laut Leder et al. (2004) Gemütszustände wie Freude, Zufriedenheit und Genuss. Somit ist die ästhetische Emotion nicht zu unterscheiden vom Rezeptionsgenuss (siehe Kap. 5.2). Um Ästhetisches Erleben dennoch als eigenständiges Konstrukt erfassen zu können, erfolgte die Operationalisierung über die subjektive Einschätzung der ästhetischen Qualität eines Objekts. Oliver und Bartsch (2010) schlagen zur Messung des ästhetischen Urteils eine drei Items umfassende Skala vor. Die artistic value-Skala entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts, in dem eine multidimensionale Skala zur Erfassung verschiedener Unterhaltungsgratifikationen, darunter Appreciation sowie Spannung und Spaß, entwickelt werden sollte. Es stellte sich jedoch heraus, dass die artistic value-Items keinen eigenen Faktor bildeten, weshalb sie für die Unterhaltungsgratifikationsskala nicht berücksichtigt wurden. Weil sie aber in sich konsistent waren (Cronbach‘s alpha lag bei ,92), empfehlen Oliver und Bartsch (2010), die artistic value-Items zur Erfassung ästheti49

Bei der in Tabelle 8 aufgeführten Skala handelt es sich um die ins Deutsche übersetzte Kurzskala der Narrative Engagement Scale. Sie ist bisher noch nicht veröffentlicht und wurde von Helena Bilandzic zur Verfügung gestellt.

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7 Methode

scher Urteile einzusetzen. Die drei Items wurden für die Studie ins Deutsche übersetzt und um drei weitere, selbst formulierte Items ergänzt. Hintergrund dieser Entscheidung war, dass sich die konkrete Ästhetik von Quality TV-Serien (artistic unity, hohe Handwerkskunst und narrative Komplexität) in den Aussagen stärker widerspiegeln sollte. Die sechs zum Einsatz gekommenen Items lauteten „Ich fand die Serie künstlerisch wertvoll“, „Ich fand die Serie sehr ästhetisch“ , „Die Serie ist ein Meisterwerk“, „Die Serie ist wohlgestaltet“, „Ich fand die Serie gut gemacht“ und „Ich fand die Serie raffiniert erzählt“, wobei die letzten drei Aussagen die selbstformulierten sind. Die Items wurden gemeinsam im Wechsel mit den Appreciation- und Rezeptionsgenuss-Aussagen in einer rotierten Itembatterie präsentiert (siehe FB2/F12). Dieser war folgende Erklärung mit anschließender Frage vorangestellt: „In diesem Abschnitt möchten wir gerne von Ihnen wissen, wie Sie die Serie – ausgehend von dem, was Sie bisher gesehen haben – beurteilen. Hierzu haben wir wieder einige Aussagen formuliert. Wie sehr stimmen Sie folgenden Aussagen zu?“. Die Probandinnen und Probanden wurden erneut gebeten, ihr Urteil mittels einer siebenstufigen Antwortskala mit den Polen „1 – stimme überhaupt nicht zu“ und „7 – stimme voll und ganz zu“ zu fällen. Appreciation Für die empirische Erfassung von Appreciation wurde sich ebenfalls an Oliver und Bartsch (2010) orientiert. Zwar existieren noch andere Skalen, mittels derer sich eudaimonische Gratifikationen messen lassen (z. B. Wirth et al., 2012), doch soll es in dieser Arbeit spezifisch um die Wertschätzung eines Medieninhalts als bewegend und sinnstiftend gehen, was in Folge darüber entsteht, dass man über den Tieferen Sinn einer Geschichte nachdenkt. Für diesen Zweck eignen sich die von Oliver und Bartsch (2010) vorgeschlagenen drei Items am besten. Sie stammen aus der bereits erwähnten Unterhaltungsgratifikationsskala, die im Rahmen zweier Studien validiert wurde (Oliver & Bartsch, 2010). Die drei Aussagen

7.3 Operationalisierung abhängige Variablen

257

wurden für die vorliegende Studie ins Deutsche übersetzt und gemeinsam mit den Variablen Ästhetisches Erleben und Rezeptionsgenuss abgefragt (siehe FB2/F12). Die Appreciation-Items lauten im Einzelnen: „Ich fand die Serie sinnstiftend“, „Mich hat die Serie bewegt“ und „Die Serie hat mich zum Nachdenken angeregt“. 7.3.2.2

Operationalisierung Rezeptionsgenuss und Rezeptionsmotivation

Abschließend wird noch die Operationalisierung jener Konstrukte vorgestellt, die sich laut des zu prüfenden Modells aus den Erlebensfacetten Medienempathie, PSI, Immersion, Ästhetisches Erleben und Appreciation ergeben. Es handelt sich dabei um die Konstrukte Rezeptionsgenuss und Rezeptionsmotivation (letzteres im Sinne von „die Rezeption fortzusetzen“; siehe Kap. 5.3). Rezeptionsgenuss Mit dem Konstrukt Rezeptionsgenuss ist nichts anderes als das overall enjoyment (Raney, 2002; Raney & Bryant, 2002) gemeint, also das Gesamturteil am Ende der Rezeption. Rezeptionsgenuss manifestiert sich sowohl in der positiven Evaluation des eigenen Unterhaltungserlebens als auch in der des Unterhaltungswerts des Medieninhalts und setzt voraus, dass mindestens eine der Facetten des Narrativen Erlebens während der Rezeption erfahren wurde (siehe Kap. 5.2 und 5.4). Die positive Bewertung des eigenen Unterhaltungserlebens wurde mithilfe dreier Items aus der bereits erwähnten Skala zum Leseerleben von Appel et al. (2002) gemessen, die alle zur Dimension Allgemeines Lesevergnügen/Pleasure gehören: „Es hat Spaß gemacht, die Serie zu schauen“, „Ich habe die Serie mit Freude geschaut“ und „Die Serie hat mir gefallen“.50 Vergleicht man die von Appel et al. (2002) vorgeschlagenen Aussagen zur 50

Im Aufsatz von Appel et al. (2002) ist die Skala mit all ihren Items nicht abgedruckt. Welche konkreten Items die Skala umfasst, lässt sich z. B. aus Rössler (2011, 77ff) entnehmen.

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7 Methode

Erfassung von Rezeptionsvergnügen mit anderen Operationalisierungsvorschlägen zu Enjoyment (z. B. Nabi, Stitt, Halford, & Finnerty, 2006; Oliver & Bartsch, 2010), sind hier große Übereinstimmungen festzustellen. Die Verwendung der drei Items, die sprachlich auf die Rezeption von Serien angepasst wurden, verspricht demnach Anschlussfähigkeit im Fach. Wie bereits erwähnt, wurden diese Items zusammen mit denen der Variablen Ästhetisches Erleben und Appreciation in einer rotierten Liste präsentiert (siehe FB2/F12). Darüber hinaus wurde mit einer separaten Frage der Unterhaltungswert der Serie erhoben (siehe FB2/F13). In Anlehnung an Weaver und Wilson (2009) sollten die Probandinnen und Probanden ein abschließendes Urteil zu Damages fällen und in einer offenen Kategorie beantworten, wie gut ihnen die Serie bisher gefallen hat. Eben weil es sich um ein Gesamturteil handelt, wurde hierfür keine siebenstufige Likert-Skala verwendet, sondern ein Bewertungssystem, mit dem die Probandinnen und Probanden sehr vertraut sind und das sie aus ihrem Alltag kennen: Schulnoten. Rezeptionsmotivation Das Konstrukt Rezeptionsmotivation setzt sich aus dem unmittelbaren und dem generellen Bedürfnis zusammen, die Serienrezeption fortzusetzen. Um ersteres zu messen, wurde zum einen gefragt, wie gerne die Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer gerade eben, unabhängig davon wie müde sie sind und ob sie überhaupt noch Zeit dafür haben, weitergesehen hätten (siehe FB2/F1). Mit dem Einschub sollte sichergestellt werden, dass eventuelle Restriktionen von außen nicht das eigentliche Bedürfnis unterdrücken. Zusätzlich wurde gefragt, wie traurig die Probandinnen und Probanden sind, dass sie nicht weitersehen konnten (siehe FB2/F2). Die Logik hinter dieser Frage ist: Jemand, der besonders traurig ist, unmittelbar nach der zweiten Folge nicht gleich die dritte sehen zu können, ist im Umkehrschluss besonders interessiert daran zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht, weshalb sich die Frage als guter Indikator für die unmittelbare Rezepti-

7.4 Fragebogenkonstruktion

259

onsmotivation eignet. Beide Fragen waren auf einer siebenstufigen Likert-Skala zu beantworten, wobei 1 bedeutete, „überhaupt nicht gerne“ bzw. „überhaupt nicht traurig“ und 7, „sehr gerne“ bzw. „sehr traurig“. Deutlich später im Fragebogen wurde dann noch die Absicht der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer abgefragt, die Serie zukünftig eigenständig zu Ende zu rezipieren (siehe FB2/F14). Diese Absichtserklärung diente als Indikator für die generelle Rezeptionsmotivation. Da Absicht und Umsetzung aber divergieren können, wurde in Anlehnung an Raney (2002) noch gefragt, für wie wahrscheinlich die Probandinnen und Probanden es halten, dass sie das tatsächlich auch tun werden (siehe FB2/F15). Dies sollte Aufschluss über die Intensität der generellen Rezeptionsmotivation geben. Auch hier wurde wieder eine siebenstufige Antwortschablone verwendet. 7.4

Fragebogenkonstruktion

Die abhängigen Variablen sind nur ein Teil der Merkmale, die im Rahmen der vorliegenden Studie erhoben wurden. Theoretisch gäbe es unendlich viele Störvariablen, die man in einer empirischen Untersuchung berücksichtigen müsste, insbesondere, wenn sie im Feld durchgeführt wird. Forschungspraktisch ist dies aber nicht möglich. Wenn deshalb in diesem Kapitel vorgestellt wird, welche weiteren Merkmale erfasst und wie diese operationalisiert wurden, dann handelt es sich hierbei lediglich um die aus Sicht der Versuchsleiterin wichtigsten intervenierenden Variablen und nicht um eine volle Abdeckung aller möglichen Einflussgrößen. Die Präsentation der zusätzlich erhobenen Merkmale geschieht getrennt nach den beiden Befragungszeitpunkten. Zunächst wird dargelegt, aus welchen Variablen sich der prärezeptive Fragebogen zusammensetzte. Anschließend wird erläutert, nach welchen Überlegungen der postrezeptive Fragebogen konstruiert wurde. Beide Fragebögen lassen sich im Anhang zu dieser Arbeit finden. Vorne weg sei jedoch noch erklärt, wie die anonymen Antworten aus den beiden Fragebögen zusammengeführt wurden: Um die

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7 Methode

Antworten der Probandinnen und Probanden aus Fragebogen 1 denen aus Fragebogen 2 zuordnen zu können, sollten die Befragten am Ende jedes Fragebogens nach einem vorgegebenen Schema eine individuelle Kennzahl vergeben. Der Code bestand aus acht Ziffern und ergab sich aus folgenden vier Fragen: „In welchem Monat hat Ihre Mutter Geburtstag?“ (Ziffer 1 & 2); „Wie lauten der zweite und dritte Buchstabe Ihres Vornamens?“ (Ziffer 3 & 4); „Wie lauten die beiden ersten Buchstaben des Mädchennamens Ihrer Mutter?“ (Ziffer 5 & 6); „An welchem Tag haben Sie Geburtstag?“ (Ziffer 7 & 8). Falls die Probandinnen und Probanden auf eine der vier Fragen keine Antwort wussten, sollten sie die betreffenden Ziffern weglassen. Wie im Ergebnisteil dieser Arbeit noch zu zeigen sein wird, hat dieses Verfahren gut funktioniert. 7.4.1

Prärezeptiver Fragebogen

Im ersten Onlinefragebogen, den die Probandinnen und Probanden eine Woche vor Beginn der Feldphase ausfüllen sollten, wurden situationsunabhängige Variablen erhoben (siehe Anhang). Er erstreckte sich über acht Seiten (inklusive Begrüßungs- und Verabschiedungsseite) und enthielt zwölf Fragen. Es wurde darauf geachtet, dass eine einzelne Seite nicht zu viele Fragen umfasste. Außerdem wurde oben rechts im Fragebogen der Bearbeitungsstand angezeigt, damit die Befragten ein Gefühl dafür erhielten, wie viel noch zu beantworten ist. Weiterhin sei angemerkt, dass es den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern bei beiden Fragebögen jederzeit frei stand, eine Frage unbeantwortet zu lassen. So sollte verhindert werden, dass Probandinnen und Probanden aus einem Antwortzwang heraus nicht zutreffende und damit invalide Antworten geben. Wurde eine Frage nicht beantwortet, erschien lediglich der Hinweis, dass einige Fragen auf dieser Seite nicht beantwortet wurden. Dies war wichtig, denn bei langen Itembatterien kann es vorkommen, dass einzelne Aussagen überlesen werden. Nach diesem Hinweis konnten die Befragten dann selbst entschei-

7.4 Fragebogenkonstruktion

261

den, ob sie diesen ‚Fehler‘ beheben wollen oder gleich weiter zur nächsten Seite gehen. Auf der ersten Seite des Onlinefragebogens wurden die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer willkommen geheißen. Es wurde ihnen nochmal für ihre Mithilfe an der Studie gedankt und sie wurden erneut über das Anliegen der Studie (mehr über die Nutzung von TV-Serien im Alltag herauszufinden) aufgeklärt. Ferner wurde ihnen mitgeteilt, dass es in der ersten Befragung um ihre allgemeine Seriennutzung gehen werde. Darüber hinaus wurde eine ungefähre Bearbeitungszeit angegeben (ca. 5 Min.) und zugesichert, dass die Angaben vertraulich behandelt werden und einzig dem Zwecke der Forschung dienen. Abschließend erhielten die Befragten Informationen dazu, wer die Studie durchführt. Zudem bekamen sie eine E-Mail-Adresse genannt, an die sie sich für weitere Informationen zur Studie wenden konnten. Erst auf Seite 2 begann dann die eigentliche Befragung. Die Probandinnen und Probanden sollten zunächst angeben, wie häufig sie die folgenden acht Medienangebote nutzen: Serien, Filme, Romane, Hörbücher, Hörspiele, Adventurespiele (PC, Konsole, Online), Rollenspiele (PC, Konsole, Online) und Comics bzw. Mangas. Ihnen standen sieben Antwortmöglichkeiten zur Auswahl, die von „täglich“ bis „nie“ reichten (siehe FB1/F1). Die Frage nach der Nutzungshäufigkeit von narrativen Medienangeboten diente als Indikator für die generelle Affinität zu Narrationen. Denn ob ein Medieninhalt genossen wird, hängt ganz wesentlich vom grundsätzlichen Interesse ab, das man einer Thematik entgegenbringt (siehe Kap. 5.2). Die zweite Frage auf dieser Seite befasste sich damit, über welchen Kanal die Probandinnen und Probanden normalerweise Serien ansehen (siehe FB1/F2). Sie konnten zwischen sechs Antworten wählen, wobei Mehrfachantworten möglich waren. Mit dieser Frage sollte in Erfahrung gebracht werden, wie typisch bzw. untypisch es für die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer ist, Serieninhalte über einen Streamingdienst zu konsumieren, um daraus Rückschlüsse für die externe Validität ziehen zu können. In der dritten Frage ging es dann nochmal um

262

7 Methode

das generelle Interesse an Serien: Mithilfe einer siebenstufigen Likert-Skala, deren Endpole 1 „überhaupt nicht gerne“ und 7 „sehr gerne“ bedeuteten, sollten die Studienteilnehmerinnen und teilnehmer beurteilen, wie gerne sie Serien mögen (siehe FB1/F3). Die zweite Seite des Fragebogens knüpfte inhaltlich an die vorangegangene an. Nun sollten die Probandinnen und Probanden angeben, wie viele Serien sie aktuell schauen (siehe FB1/F4). Auch aus der Beantwortung dieser Frage lassen sich Rückschlüsse auf die Serienaffinität eines Menschen ziehen. Hinzu kommt, dass es aus Sicht der Befragten um deren allgemeine Seriennutzung ging und sie deshalb auch ausreichend Gelegenheit haben sollten, genau darüber Auskunft zu erteilen. Weil sich die vorliegende Arbeit mit dem Phänomen der kumulierten Serienrezeption befasst, war es zudem von Interesse, ob die Befragten diese Rezeptionsweise unabhängig von der Studie anwenden. Formuliert wurde die Frage wie folgt: „Manchmal kommt es vor, dass man sich nicht nur eine Folge seiner Lieblingsserie ansieht, sondern gleich mehrere Folgen am Stück. Würden Sie sagen, das ist bei Ihnen eher die Regel oder eher die Ausnahme?“. Beurteilt werden konnte die Frage wieder auf einer siebenstufigen Likert-Skala, wobei den Befragten die zusätzliche Option gegeben wurde anzukreuzen „habe ich noch nie gemacht“ (siehe FB1/F5). Anschließend sollten die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer noch offen angeben, wie viele Folgen sie im Schnitt schauen, wenn sie sich mehrere Folgen am Stück ansehen (siehe FB1/F6). Nachdem die Befragten darüber informiert wurden, dass sie nun schon die Hälfte aller Fragen beantwortet haben, erwartete sie auf Seite 4 des Fragebogens eine längere Itembatterie zur Erfassung des Trait-Merkmals Immersion (siehe FB1/F7). Aus Kapitel 5.1.1.3 wissen wir, dass die generelle Transportationsfähigkeit eines Menschen situatives Immersives Erleben begünstigt. Es handelt sich hierbei also um eine personengebundene Störvariable. Als Messinstrument zum Einsatz kamen 14 Items aus der transportability scale51 51

Die Skala umfasst eigentlich 20 englische Items und orientiert sich an der Transportationsskala von Green und Brock (2000). Letztere ist jedoch

7.4 Fragebogenkonstruktion

263

von Dal Cin et al. (2008), die ins Deutsche übersetzt und auf die Serienrezeption angepasst wurden (siehe Tab. 9). Eingeleitet wurde die Itembatterie wie folgt: „Im nächsten Frageblock interessiert uns, wie es Ihnen typischerweise ergeht, wenn Sie sich Serien anschauen. Im Folgenden finden Sie Aussagen, mit denen sich beschreiben lässt, welche Erfahrungen man beim Serienschauen machen kann“. Einmal mehr sollten die Probandinnen und Probanden auf einer siebenstufigen Likert-Skala angeben, wie sehr die 14 Aussagen auf sie zutreffen. Den Items vorangestellt war dabei der Teilsatz „Wenn ich mir Serien zum Vergnügen anschaue, …“. Auch das Trait-Merkmal Medienempathie, das auf der nächsten Seite im Fragebogen erhoben wurde, kann eine potentielle Einflussgröße auf das Narrative Erleben einer Person sein. Es ist gut belegt, dass es einen Zusammenhang zwischen der grundsätzlichen Empathiefähigkeit eines Menschen und dem situativen Empathieempfinden einer Person gibt (siehe Kap. 5.1.1.1). Zur Erfassung der Variable Empathiefähigkeit wurden die Trait-Medienempathie-Items aus der Skala von Leibetseder, Laireiter, Riepler, und Köller (2001) verwendet (siehe Tab. 10). Die Probandinnen und Probanden sollten auf einer siebenstufigen Likert-Skala angeben, wie sehr die 13 aufgelisteten Aussagen auf sie zutreffen, wobei 1 bedeutete „trifft überhaupt nicht zu“ und 7 „voll und ganz“ (siehe FB1/F8). Die beiden Itembatterien wurden bewusst in der Mitte des Fragebogens platziert. Diese an den Anfang zu setzen, hätte aufgrund ihres Umfangs demotivierend gewirkt und unter Umständen zum Abbruch der Befragung geführt (siehe auch Möhring & Schlütz, 2010, 110f). Was die Trait-Merkmale Medienempathie- und Transportationsfähigkeit anbelangt, war es außerdem durchaus von Vorteil, die Befragung auf zwei Zeitpunkte aufzuteilen. Bei einer gleichzeitigen Abfrage von Trait- und State-Merkmalen hätte bei den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern schnell der ermüdende Eindruck entstehen können, immer nur dieselben Fragen zu  deutlich kürzer, weshalb aus der Skala von Dal Cin, Zanna, und Fong (2008) nur die Items übersetzt und verwendet wurden, die sich auch in der Skala von Green und Brock (2000) finden.

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7 Methode

beantworten. Wie schon bei den Itembatterien zur Erfassung der abhängigen Variablen erwähnt, wurden die Aussagen innerhalb einer Skala automatisch rotiert. Tab. 9: Transportability-Items (Dal Cin et al., 2008) Items

Wenn ich mir Serien zum Vergnügen anschaue… …habe ich lebhafte Vorstellungen von den Figuren. …stelle ich oft fest, dass Geschichten einen Einfluss darauf haben, wie ich Dinge sehe. …stelle ich fest, dass Ereignisse in der Geschichte relevant für meinen Alltag sind. …bin ich oft ungeduldig herauszufinden, wie die Geschichte endet. …habe ich lebhafte Vorstellungen von den Ereignissen in der Geschichte. …beschäftige ich mich gedanklich mit der Geschichte. …ertappe ich mich dabei nachzudenken, wie die Geschichte noch hätte enden können. …kann ich mir die Ereignisse in der Geschichte gut vorstellen. …finde ich es schwierig, Dinge um mich herum auszublenden. …kann ich mich selbst in der Szenerie sehen, die in der Serie dargestellt wird. …bin ich oft emotional betroffen, von dem, was ich sehe. …schweifen meine Gedanken oft ab. …fällt es mir leicht, wieder an etwas anderes zu denken, sobald die Geschichte zu Ende ist. …kann ich mich leicht in der Geschichte verlieren. Anmerkung: Items 9 und 12 sind inversiv formuliert. Alle Items sind im Fragebogen 1 unter Frage 7 zu finden.

7.4 Fragebogenkonstruktion

265

Tab. 10: Medienempathiefähigkeit-Items (Leibetseder et al., 2001) Items

Ich kann sehr leicht die Gefühle von Romanfiguren nachempfinden. Wenn ich einen interessanten Roman lese, stelle ich mir vor, wie ich mich fühlen würde, wenn mir diese Ereignisse passieren würden. In die Gefühle von Romanfiguren lebe ich mich richtig hinein. Nach einem Theaterstück oder nach einem Film fühle ich mich teilweise so, als ob ich selbst einer der Charaktere wäre. Wenn ich einen guten Film ansehe, kann ich sehr leicht die Gefühle der Hauptdarsteller nacherleben. Wenn jemand in einem Fernsehquiz Geld gewinnt, stelle ich mir oft vor, wie ich mich an seiner/ihrer Stelle fühlen würde. Bei einem guten Film kann ich mich sehr leicht in den Hauptdarsteller/die Hauptdarstellerin hineinversetzen. Ich finde es etwas übertrieben, sich in Bücher oder Filme hineinzusteigern. Es passiert mir eher selten, in einem guten Buch oder in einem guten Film besonders aufzugehen. Wenn ich einen Film sehe, stelle ich mir oft vor, wie es mir selbst anstelle der betreffenden Person erginge. Bei einer interessanten Erzählung stelle ich mir vor, wie es mir dabei erginge. Ich neige dazu, Theaterstücke oder Filme derart mitzuerleben, dass ich empfinde, als wäre ich selbst eine der handelnden Personen. Wenn ich eine interessante Geschichte lese, stelle ich mir vor, wie ich wohl in so einer Situation zurecht käme. Anmerkung: Die Items 8 und 9 sind inversiv formuliert. Alle Items sind im Fragebogen 1 unter Frage 8 zu finden.

Erst am Ende des Fragebogens, auf Seite 6, wurden dann die soziodemographischen Merkmale (Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss und aktuelle Tätigkeit) abgefragt (siehe FB1/F9-12). Damit lassen sich einerseits typische Angaben zur Stichprobe machen. Zum anderen ist aber auch aus zahlreichen Studien bekannt, dass Frauen (medien-)empathischer sind als Männer (siehe Kap.

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7 Methode

5.1.1.1). Für die vorliegende Untersuchung bedeutete das: Auch das Geschlecht ist eine personengebundene Störvariable, die es zu erfassen gilt. Wie bereits oben beschrieben, wurden die Probandinnen und Probanden zum Ende hin gebeten, nach einem vorgegebenen Muster eine persönliche Kennzahl zu erstellen. Ohne diesen Code, mit dem sich die beiden Fragebögen zuordnen lassen, wären alle vorher gegebenen Antworten nutzlos gewesen. Entsprechend war das auch die einzige Antwort, zu der die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, wenn nötig, gezwungen wurden. 7.4.2

Postrezeptiver Fragebogen

Während im ersten Onlinefragebogen die situationsunabhängigen Merkmale abgefragt wurden, galt es bei der postrezeptiven Befragung die abhängigen und weitere situationsspezifische Variablen zu erfassen. Der zweite Fragebogen bestand aus 35 (EG) bzw. 37 Fragen (KG) und erstreckte sich über 29 Seiten (siehe Anhang). Als Bearbeitungszeit waren in etwa 40 Minuten veranschlagt. Auch hier wurde darauf geachtet, die einzelnen Seiten nicht mit zu vielen Fragen zu überladen, um ein längeres Herunterscrollen zu vermeiden. Es sei zudem erwähnt, dass die beiden Gruppen unterschiedliche, auf den jeweils vorgegebenen Rezeptionsrhythmus angepasste Fragebögen erhielten. Es handelte sich hierbei jedoch nur um kleine Unterschiede, die z. B. den Begrüßungstext auf der ersten Seite des Fragebogens („gerade eben zwei Folgen“ vs. „gerade eben die zweite Folge“) oder die Überprüfung der unabhängigen Variable betrafen. Darüber hinaus musste die KG drei kurze Fragen mehr beantworten als die EG. Warum dem so war, wird an späterer Stelle in diesem Kapitel erklärt. Beiden Gruppen wurde zu Beginn der zweiten Befragung mitgeteilt, dass im Folgenden von Interesse sei, wie es ihnen beim Zuschauen ergangen ist und welchen Eindruck die Serie bei ihnen hinterlassen hat. Sie wurden nochmals dazu angehalten, den Fragebogen erst dann zu bearbeiten, nachdem sie

7.4 Fragebogenkonstruktion

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sich die beiden Folgen von Damages angesehen haben. Außerdem wurde einmal mehr betont, dass die Befragung anonym sei und keine Daten an Dritte weitergegeben werden. Im ersten Teil dieses Kapitels werden nun die Merkmale vorgestellt, die zusätzlich zu den schon in Kapitel 7.3 behandelten abhängigen Variablen im Rahmen der zweiten Befragung erhoben wurden. Die Reihenfolge ihrer Präsentation entspricht nicht der Reihenfolge im Fragebogen. Um dennoch einen Eindruck davon zu bekommen, wie die Variablen in der postrezeptiven Befragung angeordnet waren, wird im zweiten Teil dieses Kapitels auf die Dramaturgie des Fragebogens eingegangen. Zusätzlich erhobene Merkmale Nachdem das Experiment im Feld stattfand und damit außerhalb des Kontrollbereichs der Versuchsleiterin, galt es im Nachhinein zu überprüfen, inwieweit sich die Probandinnen und Probanden an die Vorgaben gehalten hatten. Die Mitglieder der EG sollten deshalb die Frage beantworten, ob sie zwischen der ersten und zweiten Folge eine Pause eingelegt haben und wenn ja, wie lange diese war (siehe FB2a/F24-25). Die Probandinnen und Probanden der KG mussten hingegen angeben, wie viele Tage sie zwischen der ersten und zweiten Folge haben verstreichen lassen (siehe FB2b/F25). Außerdem war es wichtig, mehr über den Kontext zu erfahren, in dem die beiden Folgen rezipiert wurden. Während in einem Laborexperiment sämtliche Bedingungen kontrolliert bzw. konstant gehalten werden können, ist dies in einer Feldstudie nicht möglich. Wenn potentielle Störvariablen schon nicht ausgeschaltet oder konstant gehalten werden können, so müssen sie doch zumindest erhoben werden (siehe Kap. 7.1). Bei der Datenauswertung lässt sich dann überprüfen, ob es signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen gegeben hat in Bezug auf diese Merkmale (= Testen auf Gruppenegalität). Als potentiell störend und das Narrative Verstehen und Narrative Erleben mindernd wurden

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7 Methode

angesehen: technische Probleme (siehe FB2a/F30-31 bzw. FB2b/32-33), die Unterbrechung der Rezeptionssituation durch Dritte (siehe FB2a/F28-29 bzw. FB2b/30-31), die Rezeption in der Gruppe (siehe FB2/F19) sowie Nebenbeschäftigungen (siehe FB2a/F26-27 bzw. FB2b/28-29). Alles vier lenkt – und sei es nur vorübergehend – von der Geschichte ab bzw. erschwert es, in diese emotional einzutauchen (siehe Kap. 5.1.1.1 bzw. 5.1.1.3). Ferner konnten sich die Gruppen darin unterscheiden, auf welchem Gerät sie die Serie rezipierten (siehe FB2/F21) und ob sie online nach Informationen zur Serie suchten (siehe FB2/F23). Ersteres könnte sich auf das Narrative Erleben ausgewirkt haben (großer vs. kleiner Bildschirm; siehe Kap. 5.2) und letzteres dürfte das Narrative Verstehen erleichtert haben. Weil Mitglieder der KG zudem die Gelegenheit hatten, sich zwischen Folge 1 und Folge 2 mit anderen Menschen über die Serie auszutauschen und es so möglich war, den Serieninhalt zu vertiefen, wurde auch das erfasst (siehe FB2b/F24). Zudem wurde erhoben, ob Amazon Instant Video tatsächlich als Übertragungskanal genutzt wurde (siehe FB2/F20). Wie schon mehrmals betont, hängt der Rezeptionsgenuss ganz wesentlich vom grundsätzlichen Interesse ab, das man für eine Thematik hegt. Deswegen wurde im zweiten Fragebogen – denn erst dann wusste man, welche Serie man sehen würde – abgefragt, wie sehr die Befragten eigentlich diese Art von Serie mögen (siehe FB2/F3). Eine weitere personengebundene Störvariable kann die Mitmach-Motivation sein. Entsprechend wurden die Befragten am Ende des zweiten Fragebogens gebeten, auf einer siebenstufigen Likert-Skala anzugeben, wie sehr sie sich zwingen mussten, die beiden Folgen anzuschauen und wie sehr sie sich überwinden mussten, die Fragebögen auszufüllen (siehe FB2a/35 bzw. FB2b/F37). Als dritte personengebundene Störvariable wurde erfasst, ob die Probandinnen und Probanden die Serie schon einmal unabhängig von dieser Studie gesehen hatten. Das Kennen der Serie hätte zum Ausschluss aus der Studie geführt, weil dann hinsichtlich des Narrativen Verstehens nicht die gleichen Voraussetzungen gegeben gewesen wären (siehe FB2/F4).

7.4 Fragebogenkonstruktion

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Die vierte Variablengruppe beinhaltete Fragen, mit denen erfasst wurde, wie sehr die Untersuchungssituation der alltäglichen Serienrezeption der Probandinnen und Probanden glich. Deswegen sollten beide Gruppen Auskunft darüber geben, wie typisch die Rezeptionssituation für sie im Hinblick z. B. auf das für das Serienschauen genutzte Gerät, die anwesenden Personen, den Ort, den Tageszeitpunkt usw. war (siehe FB2/F22). Ferner wurde nachgefragt, ob sie unabhängig davon, dass sie für die Untersuchung ja darum gebeten wurden, in jedem Fall gleich im Anschluss an die erste Folge die zweite Folge angesehen hätten (siehe FB2a/F34) bzw. ob sie in jedem Falle eine längere Pause eingelegt hätten (siehe FB2b/F36). Darüber hinaus wurden bei der KG zwei zusätzliche Variablen erhoben, um besser einschätzen zu können, inwiefern der vorgegebene Rezeptionsrhythmus ein eventuell vorhanden gewesenes Bedürfnis, die Rezeption nach der ersten Folge unmittelbar fortzusetzen, unterdrückt hat. Deshalb sollten die Mitglieder der KG zusätzlich angeben, wie gerne sie nach Rezeption der ersten Folge gleich die zweite gesehen hätten und wie traurig sie waren, dass sie das nicht tun konnten (siehe FB2b/F26-27). Um neben dem persönlichen Code noch zwei zusätzliche Möglichkeiten zum Abgleich zu haben, wurden im zweiten Fragebogen erneut das Geschlecht und das Alter der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer abgefragt (siehe FB2a/F32-33 bzw. FB2b/F3435). Am Ende des Fragebogens hatten die Probandinnen und Probanden außerdem die Möglichkeit, ihre E-Mail-Adresse einzutragen, sofern sie an der Verlosung der Amazon-Gutscheine teilnehmen wollten (siehe Kap. 7.2.). Fragebogendramaturgie Trotz der Aufteilung auf zwei Befragungszeitpunkte fiel der zweite Fragebogen sehr umfangreich aus. Als voraussichtliche Bearbeitungszeit veranschlagt und so auch an die Studienteilnehmerinnen und-teilnehmer kommuniziert, waren 40 Minuten. Um zu verhindern, dass Antworten verweigert werden oder gar die ganze Unter-

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7 Methode

suchung abgebrochen wird, kam der Fragebogendramaturgie eine Schlüsselrolle zu. Die Fragen mussten strategisch derart angeordnet werden, dass der Fragebogen auf die Befragten interessant und nicht langweilig oder ermüdend wirkte (Möhring & Schlütz, 2010, 110). Darüber hinaus galt es, Ausstrahlungseffekte zwischen einzelnen Fragen zu vermeiden. Weil es sich um eine postrezeptive Befragung handelte, war es ferner wichtig, Erlebenseindrücke dann abzufragen, wenn sie noch sehr präsent im Kopf der Befragten sind (Bilandzic et al., 2015, 25). Die genaue Fragenreihenfolge lässt sich aus dem Fragebogen im Anhang entnehmen; in diesem Abschnitt soll lediglich die grundsätzliche Fragebogenstruktur beschrieben werden. So wurde beispielsweise darauf geachtet, dass in der ersten Hälfte des Fragebogens, während dessen Beantwortung die Motivation noch hoch ist und die Rezeptionserfahrungen noch sehr präsent sind, viele abhängige Variablen des Narrativen Erlebens abgefragt wurden. Damit die Befragten aber nicht gleich zu Beginn mit langen Itembatterien konfrontiert und abgeschreckt werden, wurden zunächst ein paar kurze, leicht zu beantwortende Fragen gestellt (Möhring & Schlütz, 2010, 111). Bei den Variablen des Narrativen Verstehens war es wiederum wichtig, eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten: Der free recallTest musste von allen Kognitionstests als erstes durchgeführt werden, gefolgt vom cued recall-Test. Beide Messinstrumente setzen voraus, dass die Probandinnen und Probanden frei (oder nahezu frei) aus dem Gedächtnis heraus antworten und nicht schon durch irgendwelche inhaltlichen Hinweise beeinflusst worden sind. Das aber wäre genau der Fall gewesen, wenn Testverfahren wie der Reaktionszeittest oder der recognition test, die zwangsweise Informationen zur Serie enthalten, einem free recall- oder cued recall-Test vorausgegangen wären. Weil der free recall-Test, bei dem der Inhalt der ersten beiden Folgen wiedergegeben werden sollte, durchaus aufwendig in der Beantwortung ist und der Umfang dieser Wiedergabe sicherlich auch von der Motivation der Befragten abhängt, wurde dieser, genauso wie der cued recall-Test, in die erste Hälfte

7.5 Datenauswertung

271

des Fragebogens platziert. Die anderen beiden Kognitionstests wurden hingegen bewusst an den Beginn der zweiten Hälfte des Fragebogens gesetzt. Hier wurde angenommen, dass diese aufgrund ihres interaktiven Charakters für Abwechslung sorgen und gegebenenfalls die Motivation wieder ansteigen lassen würden. Im letzten Viertel des Fragebogens wurden dann jene Merkmale abgefragt, die wir als untersuchungs- bzw. personenbedingte Störvariablen kennengelernt haben; aber auch jene, mit denen überprüft werden sollte, ob die Rezeptionsrhythmus-Vorgaben eingehalten wurden und inwieweit die Untersuchungssituation einer natürlichen Rezeptionssituation gleich kam. All diese Fragen erfordern wenig Konzentration auf Seiten der Befragten, weshalb sie sich gut für den Schluss des Fragebogens eignen. Zwischen den einzelnen Frageblocks wurde mit Überleitungen gearbeitet (Möhring & Schlütz, 2010, 109). Um zum Durchhalten zu motivieren, wurde den Probandinnen und Probanden nach jedem Frageblock eine Art ‚Wasserstandsmeldung‘ gegeben, wie viel schon geschafft ist bzw. wie viel nun noch vor ihnen liegt. Den Bearbeitungsstand hätte man in einem Onlinefragebogen freilich auch über einen automatischen Fortschrittsbalken anzeigen lassen können. Für den zweiten Fragebogen wurde sich aber gegen solch eine Anzeige entschieden, weil der angezeigte Verlauf nicht dem tatsächlichen Zeitaufwand der einzelnen Fragen entsprochen hätte. So machte die Beantwortung der Fragen 9 bis 11 (free recallund cued recall-Test) zeitlich gesehen mindestens ein Viertel der Bearbeitungszeit des gesamten Fragebogens aus, die Fortschrittsanzeige hätte dies aber nur mit wenigen Prozentpunkten gewürdigt. Das wiederum hätte, so die Befürchtung, demotivierend auf die Befragten wirken können. 7.5

Datenauswertung

Zuletzt wird die Datenauswertungsstrategie vorgestellt. Begonnen wird mit der Stichprobenbereinigung. Dann wird darauf eingegangen, wie mit den verwendeten Skalen umgegangen wird. Anschlie-

272

7 Methode

ßend wird beschrieben, wie die einzelnen Subprozesse des Informationsverarbeitungsprozesses analysiert werden, bevor auf die Auswertungskriterien des Situationsmodells eingegangen wird. Zum Schluss wird thematisiert, welche statistischen Verfahren in dieser Arbeit angewendet werden. 7.5.1

Stichprobenbereinigung

Nachdem das Experiment im Feld stattfand, ließ sich die Einhaltung des vorgegebenen Rezeptionsrhythmus nicht a priori kontrollieren. Entsprechend müssen zunächst die Personen aus der Stichprobe entfernt werden, die sich nicht an den vorgegebenen Rezeptionsrhythmus gehalten haben. Dabei gilt es sicherzustellen, dass die Stichprobe nicht stärker dezimiert wird als aus forschungslogischen Gründen unbedingt notwendig. Die Entscheidung, welches Abweichen von der Vorgabe noch akzeptabel ist, wird deshalb erst nach Kenntnis der tatsächlichen Verteilung der unabhängigen Variable in der Stichprobe getroffen. Ferner müssen die Personen ausgeschlossen werden, die das Stimulusmaterial schon einmal gesehen haben, damit gewährleistet werden kann, dass eventuell auftretende Effekte tatsächlich auf die vorgegebene Nutzungskonstellation zurückgehen und nicht auf einschlägige Vorkenntnisse. Darüber hinaus werden nur die Personen berücksichtigt, die der Serie ein grundsätzliches Interesse entgegengebracht haben. Denn nur wer über ein solches verfügt, kann die verschiedenen Facetten des Narrativen Erlebens erfahren und so etwas wie Rezeptionsvergnügen verspüren (siehe Kap. 5). Wenn sich also jemand (sehr) stark überwinden musste, Damages anzusehen, er oder sie Serien dieser Art (überhaupt) nicht mag und sie mit einer Schulnote von 5 oder 6 bewertete, ist dies ein belastbarer Indikator, dass die Person diese Basisanforderung nicht erfüllt. Zuletzt werden Probandinnen und Probanden ausgeschlossen, die offensichtlich unsinnig bzw. stark inkonsistent geantwortet haben. Ersteres ist beispielsweise dann der Fall, wenn durchgehend immer nur ein und derselbe Wert angeklickt wurde oder wenn bei den offenen

7.5 Datenauswertung

273

Fragen ‚Spaßantworten‘ gegeben wurden. Als inkonsistent gilt ein Antwortverhalten z. B. dann, wenn von sich behauptet wird, voll und ganz in die narrative Welt eingetaucht zu sein, sich aber überhaupt nicht auf die Geschehnisse in der Geschichte konzentriert zu haben. Nachdem es bei einem langen Fragebogen bzw. vielen abgefragten Items zwangsweise an irgendeiner Stelle einmal vorkommt, nicht konsistent geantwortet zu haben, wird vorab festgelegt, dass maximal fünf Personen auf diese Weise aus der Stichprobe entfernt werden dürfen. Um Problemfälle zu identifizieren, wird ein Punkteverfahren angewendet: Diejenigen, die unsinnige Antworten gegeben haben, bekommen fünf Maluspunkte zugewiesen. Diejenigen, die innerhalb eines einzelnen Konstrukts oder sehr ähnlicher Konstrukte stark inkonsistent geantwortet haben, erhalten zwei Maluspunkte. Die fünf Personen, die nach diesem Verfahren die höchsten Werte erzielen, werden von der Datenauswertung ausgeschlossen. Nachdem die Kriterien der Stichprobenbereinigung ausführlich dargelegt wurden, soll nun im Folgenden erläutert werden, wie sich das praktisch auf die Stichprobengröße auswirkt. Insgesamt 189 Personen füllten den ersten Fragebogen aus. An der zweiten Befragung beteiligten sich noch 173 Personen. Demnach haben sich 16 Personen im Verlauf der Studie dazu entschieden, nicht mehr länger an der Untersuchung teilzunehmen. Nachdem das Experiment im Feld stattfand und eine Feldstudie für Teilnehmerinnen und Teilnehmer unverbindlicher wirken mochte, musste mit einem gewissen Schwund gerechnet werden. Von den 173 Personen füllten wiederum nur 157 den zweiten Fragebogen bis zur letzten Seite aus.52 Weitere 16 Personen brachen also die Studie während der Beantwortung des zweiten Fragebogens ab, wobei dies mit 11,1 zu 7,2 Prozent etwas häufiger auf die EG als auf die KG zutraf. Auch dieses Ergebnis war so zu erwarten gewesen, da der zweite Fragebogen mit angepeilter Bearbeitungszeit von 40 Minuten relativ 52

Da erst auf der letzten Seite des zweiten Fragebogens die persönliche Kennzahl abgefragt wurde, ließen sich alle vorher eventuell gegebenen Angaben mangels Matching-Möglichkeiten von FB1 und FB2 nicht verwenden.

274

7 Methode

umfangreich war und die EG zum Zeitpunkt der Bearbeitung bereits rund 1,5 Stunden am Stück mit dem Projekt verbracht hatte. Die Rücklauf-Statistik von SoSci Survey zum zweiten Fragebogen zeigt zudem, dass es vor allem die Aufgabe zur Messung des Situationsmodells war, die zum Abbruch geführt hat. Offensichtlich wirkte die Aufforderung, in eigenen Worten zu beschreiben, was bisher in der Serie passiert ist, demotivierend auf einige Befragte. Von den 157 bis zum Ende ausgefüllten Fragebögen ließen sich zwei keinem Fragebogen aus Befragungszeitpunkt 1 zuordnen, weshalb die vorläufige Stichprobe letztlich 155 Fälle umfasst. 53 Nicht alle diese Fälle gehen jedoch auch in die Datenauswertung ein. Dies hat mit den Basisanforderungen an die Stichprobe zu tun, die weiter oben formuliert wurden. So stellte sich bei der Überprüfung der Einhaltung der Nutzungskonstellation heraus, dass sich in der EG von 79 Personen 17 nicht an die Vorgabe gehalten hatten, beide Folgen am Stück anzusehen. Zehn Fälle werden hierbei jedoch als unproblematisch erachtet, weil sie lediglich eine Pause von 30 Minuten oder kürzer zwischen Folge 1 und Folge 2 eingelegt hatten und dies einer Essens- bzw. Toilettenpause gleich kommt. Zwei Personen setzten zwischen ein und zwei Stunden aus, was ebenfalls noch als vertretbar angesehen wird. Zwar stellt dies schon ein größeres Zeitintervall dar, doch die Episoden wurden immer noch im weitesten Sinne gehäuft angesehen. Bei den anderen sechs Fällen betrug die Pause mehrere Stunden bis mehrere Tage, sodass diese von der Analyse ausgeschlossen werden. In der KG verhält es sich ähnlich; hier hielten 13 von 76 Personen den vorgegebenen Abstand von fünf bis acht Tagen zwischen den beiden Folgen nicht ein. Als unproblematisch wer-

53

Insgesamt funktionierte der persönliche Code als eindeutiges Zuordnungskriterium sehr gut. So kam z. B. keine Kennzahl doppelt vor, d. h. jede Probandin/jeder Proband verfügte dank der vier vorgegebenen Fragen über einen individuellen Code. Zwar gab es einige Personen, die in FB1 und FB2 leicht voneinander abweichende Codes verwendeten, diese ließen sich aber durch eine einfache Plausibilitätsprüfung (z. B. sechs von acht Ziffern stimmten überein, genauso wie die zweimal erhobenen Variablen Alter und Geschlecht) schnell matchen.

7.5 Datenauswertung

275

den wieder jene Fälle betrachtet, die nur geringfügig von der Vorgabe abgewichen waren: Dies trifft auf sieben Fälle zu, die vier bzw. neun oder zehn Tage zwischen den beiden Episoden hatten vergehen lassen. Ebenfalls in der Stichprobe belassen werden die drei Personen, die 12 bzw. 14 Tage aussetzten, da eine zweiwöchige Pause bei der Ausstrahlung einer Serie im linearen Fernsehen nicht unüblich ist und somit noch dem traditionellen Fernsehrhythmus nahe kommt. Die drei Fälle hingegen, die nur einen bzw. zwei Tage Pause einlegten, werden für die Analyse nicht berücksichtigt, weil hier die Bedingung, einen mehrtägigen Abstand zwischen Folge 1 und Folge 2 einzulegen, nicht hinreichend erfüllt ist. Ferner wird jene Person ausgeschlossen, die die Serie schon kannte, sowie die zehn Fälle, auf die folgendes Kombinationsmerkmal zutrifft: Sie mussten sich (sehr) stark überwinden, die Serie anzusehen, Serien dieser Art mögen sie (überhaupt) nicht und sie bewerteten Damages mit einer Schulnote von 5 oder 6. Letztere Personen erfüllen die Basisanforderung nicht, ein grundsätzliches Interesse gegenüber dem Stimulusmaterial zu hegen, was aber die Voraussetzung für Narratives Erleben und Rezeptionsgenuss ist. Weiterhin gehen die Angaben jener vier Personen nicht in die Auswertung mit ein, die durch unlogisches Antwortverhalten negativ aufgefallen sind.54 Damit basiert die Datenanalyse auf den Angaben von insgesamt 132 Personen, wovon 63 der EG und 69 der KG angehören. 7.5.2

Auswertung Skalen

Die Items der zum Einsatz gekommenen Skalen werden jeweils zu einem additiven, mittelwertbasierten Index zusammengefasst. Um den ursprünglichen Wertebereich der Skalen beizubehalten, werden die aufsummierten Werte durch die Anzahl der in den jeweiligen Index eingegangenen Items dividiert. Eine solche additive 54

Es wurden nur vier und nicht, wie angekündigt, maximal fünf Personen nach diesem Verfahren ausgeschlossen, da sich drei Personen den fünften Platz teilten, sie also über die gleiche Anzahl an Maluspunkten verfügten.

276

7 Methode

Indexbildung erfolgt auch für das Konstrukt Parasoziale Interaktionen, obwohl Schramm und Hartmann (2008, 396) eine MaximumIndexbildung vorschlagen. In der vorliegenden Studie interessiert jedoch, welche Versuchsgruppe in der Summe stärker mit der Hauptfigur der Serie, Ellen Parsons, parasozial interagiert, weshalb die Items zur Erfassung von PSI-Prozessen aufaddiert und gemittelt werden. Wie zuverlässig die verwendeten Skalen messen, wurde mittels des Reliabilitätskoeffizienten Cronbachs Alpha überprüft. Als akzeptabel gelten Werte ab α = ,70 (Janssen & Laatz, 2013, 581). Da aber bei Skalen mit geringer Itemanzahl Cronbachs Alpha lediglich die untere Grenze der Zuverlässigkeit darstellt und die wahre Reliabilität meist höher liegt, wurden bei Konstrukten, die mittels weniger Items erfasst wurden und ein Cronbachs Alpha unter dem Mindestwert von α = ,70 aufweisen, als zusätzliches Beurteilungskriterium der Reliabilität die Interitemkorrelationen verwendet (Zillich, 2013, 189). Alle Skalen zu Narrativem Erleben erzielen gute bis sehr gute Reliabilitätswerte zwischen α =,734 und α =,881. Einzige Ausnahme hierbei stellt die Variable Appreciation dar. Die ursprünglich zur Messung verwendeten drei Items erzielen ein fragwürdiges Cronbachs Alpha von ,603. Deshalb wurde überprüft, ob sich die interne Konsistenz verbessern ließe, wenn eines der Items exkludiert würde. Die durchgeführte Reliabilitätsanalyse ergab, dass ein deutlich besseres Cronbachs Alpha von ,715 möglich wäre, wenn das Item „Ich fand die Serie sinnstiftend“ entfernt werden würde. Entsprechend wird dieses für die Datenauswertung nicht berücksichtigt. Nachdem die Skala zu Dramaturgie und Stil stärker adaptiert wurde und die Items zum Tieferen Sinn Eigenformulierungen sind, wurde bei diesen beiden Skalen zusätzlich zum Cronbachs Alpha die Qualität der neugeschaffenen Items überprüft. Hierbei wurde sich der ‚Item zu Rest‘-Korrelationskoeffizient dieser Statements angesehen und ob sich das Cronbachs Alpha der Gesamtskala verbessert, wenn ein Item gestrichen werden würde. Wird das

7.5 Datenauswertung

277

Cronbachs Alpha durch die Eliminierung einer Aussage besser, gibt dies Aufschluss über die Qualität des betreffenden Items (Janssen & Laatz, 2013, 578ff). Zur Erinnerung: Für die Operationalisierung der Variable Dramaturgie und Stil wurde sich an der Subskala Analysierende Rezeption von Appel et al. (2002) orientiert. Weil im Vergleich zur Originalskala ein Item ergänzt und zwei weggelassen wurden, wurde kontrolliert, wie geeignet das neu hinzugefügte Item „Beim Schauen ist mir die musikalische Untermalung der Serie aufgefallen“ ist – wie gut es also mit den anderen Items harmoniert – und wie sinnvoll es ist, die Einteilung der Skala in die drei Subdimensionen Kohärenz, Aufbau, Sprache/Stil und Perspektive beizubehalten. Die durchgeführte Reliabilitätsanalyse ergab, dass das neue Item mit ,171 einen schlechten ‚Item zu Rest‘-Korrelationskoeffizient aufweist und dass sich die Gesamtreliabilität der Skala von α = ,722 auf α =,758 verbessern ließe, wenn dieses Statement entfernt werden würde. Deshalb werden bei der Auswertung der Variable nur sechs und nicht, wie ursprünglich geplant, sieben Items berücksichtigt. Was die Dimensionalität ihrer Subskala Analysierende Rezeption angeht, schlagen Appel et al. (2002, 152) eine dreifaktorielle Lösung vor. Zwar lege das Scree-Kriterium eine einfaktorielle Lösung nahe, die Eigenwerte weiterer Faktoren würden aber auf das Vorliegen von Subdimensionen hinweisen. Nachdem die von Appel et al. (2002) durchgeführte explorative Faktorenanalyse keine eindeutige Lösung ergab und in der vorliegenden Studie die Items der drei Dimensionen auf einem mittleren Niveau miteinander korrelieren, was dafür spricht, dass die Versuchspersonen bei der Bewertung der Statements keine großen Unterschiede gemacht haben, wird die Skala bei der Auswertung als eindimensional behandelt. Hinsichtlich der Variable Tieferer Sinn ergab die Reliabilitätsanalyse, dass das Statement „Während des Schauens habe ich überlegt, was das eigentliche Thema der Serie ist“ von den Versuchspersonen ganz anders bewertet wurde als der Rest der Tieferer SinnItems: Das legen zumindest der sehr schlechte ‚Item zu Rest‘-

278

7 Methode

Korrelationskoeffizient von r = ,068 nahe sowie die Tatsache, dass sich die Reliabilität der Gesamtskala von α =,559 (inakzeptabel) auf α =,659 erhöht, wenn dieses Item ausgeschlossen wird. Auch dieses Cronbachs Alpha ist noch bedenklich, lässt sich jedoch nicht mehr weiter durch den Ausschluss eines weiteren Items optimieren. Zieht man allerdings als weiteres Gütekriterium die durchschnittliche Interitemkorrelation heran, ist der Zusammenhang zwischen den einzelnen Items als moderat zu bezeichnen (r = ,332). Nachdem damit von der Dimension Thema nur noch das Statement „Ich habe beim Schauen kaum darüber nachgedacht, ob die Serie eine tiefere Botschaft hat“ übrig geblieben wäre und dieses auf einem mittleren Niveau mit der Dimension Moral korreliert (was auf theoretischer Ebene durchaus logisch und nachvollziehbar ist), wird die Skala ebenfalls eindimensional interpretiert. Tab. 11: Überblick Cronbachs Alpha Anzahl Items

Cronbachs Alpha α

Medienempathie

12

,881

Parasoziale Interaktionen

12

,803

Immersion

12

,803

Ästhetisches Erleben

6

,864

Appreciation

2

,715

Unterhaltungserleben

3

,880

unmittelbare Motivation

2

,734

generelle Motivation

2

,805

Dramaturgie und Stil

6

,758

Tieferer Sinn

4

,659

Empathiefähigkeit

13

,874

Transportationsfähigkeit

14

,715

Variable

7.5 Datenauswertung

7.5.3

279

Auswertung Informationsverarbeitungssubprozesse

Während der zur Erfassung des Subprozesses encoding eingesetzte Multiple-Choice-Test relativ simpel ausgewertet wird (es wird gezählt, wie oft eine Person über die zehn Fragen hinweg die richtige Antwort gegeben hat), ist die Auswertung der beiden anderen Subprozesse gleichwohl aufwendiger. Reaktionszeittests gelten als sehr sensible Messinstrumente. Bevor mit der eigentlichen Datenauswertung begonnen werden kann, müssen deshalb die Daten aufbereitet und bereinigt werden (Cameron & Frieske, 2011, 159). Zunächst gilt es zu überprüfen, ob sich die beiden Gruppen in ihrem Antwortverhalten unterscheiden (nicht in der Antwortgeschwindigkeit, sondern darin, wie sie antworten). Ist dies der Fall, sind Unterschiede in den Antwortzeiten nur noch schwer zu interpretieren, da sich dann die Frage stellt, ob die Differenz in der Reaktionszeit „a direct consequence of the experimental variable [is] that was manipulated to create the two conditions[.] Or is it simply a reflection of the differential amount of time that is necessary to decide upon one response alternative over another (e. g. yes versus no)?” (Fazio, 1990, 83f)

Cameron und Frieske (2011) geben außerdem zu bedenken, dass eine höhere Fehlerrate in einer Versuchsbedingung zwar mit dem zu untersuchenden Modell übereinstimmen mag, „but the latency data is usually weakened by the confound of the overall level of difficulty for the condition related to higher error rates. If one condition entails a more difficult task, differences in response time may simply reflect this task factor rather than any hypothesized effect.” (S. 161)

Davon abgesehen ist es wichtig, Ausreißer im Datensatz zu entfernen (Cameron & Frieske, 2011, 159f). Bei einer Vielzahl an Durchgängen ist es durchaus möglich, dass eine Versuchsperson vorübergehend für einige Sekunden mit den Gedanken abschweift oder, weil die Untersuchung im Feld stattfand, unterbrochen wird. Die auf diese Weise erhaltene invalide Antwortgeschwindigkeit

280

7 Methode

von mehreren tausend Millisekunden würde zu einem extremen Rauschen in den Daten führen. Doch auch das umgekehrte Extrem ist denkbar: Anstatt nachzudenken, wird wild geraten. Die so erzielte exorbitant schnelle Antwortgeschwindigkeit hätte dann ebenfalls nichts mit dem Effekt zu tun, den man eigentlich untersuchen möchte. Cameron und Frieske (2011, 159f) empfehlen deshalb, Cut-Off-Kriterien festzulegen. Reaktionen unter 200 Millisekunden seien ein Indiz dafür, dass geraten wurde, anstatt ein elaboriertes Urteil zu fällen. Greenwald, Nosek, und Banaji (2003) nennen als untere Grenze 300 Millisekunden (allerdings für implizite Assoziationstests). Auch hinsichtlich der Obergrenze divergieren die Angaben und hier sogar erheblich: Cameron und Frieske (2011, 160) schlagen 1500 Millisekunden vor, Greenwald et al. (2003) 10 Sekunden. Universal-Cut-off-Kriterien gibt es folglich nicht, was auch daran liegt, dass Reaktionszeittests selten identisch aufgebaut sind. So wäre es zum Beispiel wenig sinnvoll, für den Wort- und den Paarungstest die gleichen Unter- und Obergrenzen zu verwenden, schließlich müssen bei letzterem zwei Begriffe und nicht nur einer aus dem Gedächtnis abgerufen werden. In der vorliegenden Studie wird so verfahren, dass für den Paarungstest die Unter- und Obergrenze des Worttests verdoppelt wird. Während in Anlehnung an Cameron und Frieske (2011) sowie Greenwald et al. (2003) als unteres Cut-Off-Kriterium 300 Millisekunden gewählt werden, erfolgt die Festlegung des oberen Cut-OffKriteriums erst mit der Auswertung der Daten. Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass die einschlägige Literatur zu Reaktionszeittests aufgrund der stark voneinander abweichenden Angaben hier keine Orientierung bietet und weil Erfahrungswerte mit den spezifischen, in dieser Studie zum Einsatz gekommenen Tests fehlen. Im Zuge der Datenbereinigung muss ferner überprüft werden, ob es zu einem Speed-Trade-Off gekommen ist (Cameron & Frieske, 2011, 160). Ein solcher würde dann vorliegen, wenn mit zunehmender Antwortgeschwindigkeit häufiger die falsche Antwort gegeben wird (Fazio, 1990, 80). Liegt die Fehlerquote in den Trials jedoch bei zehn Prozent oder darunter und ist die Fehlerverteilung

7.5 Datenauswertung

281

in beiden Gruppen gleich, kann dieser Aspekt vernachlässigt werden (Cameron & Frieske, 2011, 160). Nachdem aufgezeigt wurde, wie bei der Aufbereitung der Reaktionszeitdaten vorgegangen wird, soll nun erklärt werden, wie die bereinigten Daten ausgewertet werden. Zur Erinnerung: Es soll überprüft werden, wie stark die kumulierte Serienrezeption die Abrufgeschwindigkeit von Informationen aus der ersten Folge beschleunigt. Es mag naheliegend erscheinen, die absoluten Reaktionszeiten zu vergleichen, die beide Gruppen im Durchschnitt bei der Beantwortung der Target-Trails benötigen. Ein solches Vorgehen lässt aber keine Rückschlüsse auf die individuelle, durch den Rezeptionsrhythmus beeinflusste kognitive Verfügbarkeit von Informationen zu. Schließlich können auf aggregierter Ebene festgestellte Unterschiede auch daher rühren, dass manche Personen generell dazu neigen, schneller zu antworten (Fazio, 1990, 79, 83). Will man herausfinden, ob und wie sich der Rezeptionsrhythmus auf die kognitive Verfügbarkeit einer einzelnen Person auswirkt, muss analysiert werden, wie stark die Probandinnen und Probanden bei der Beantwortung der Target-Items von ihrer normalen Antwortgeschwindigkeit abweichen. Deshalb wird jedes TargetItem an der durchschnittlichen Antwortgeschwindigkeit der negativen und neutralen Trails z-standardisiert, bei denen keine Reizaktivierung durch die Serie stattgefunden hat und die somit als Messbasislinie betrachtet werden können. Aus diesen z-Variablen wird dann pro Reaktionszeittest ein mittelwertbasierter Index gebildet, wobei nur diejenigen Personen berücksichtigt werden, die bei mindestens zwei Drittel der Target-Trails und zwei Drittel der Baseline-Trails innerhalb der Cut-off-Kriterien geblieben sind. Jene zwei Aufgaben, mit denen der Subprozess storage gemessen wird, werden mittels einer Inhaltsanalyse ausgewertet. Erhoben wird, wie viele korrekte Informationen die Probandinnen und Probanden zu den beiden abgefragten Figuren Katie Connor und Arthur Frobisher abgespeichert haben. Bei der Erstellung des induktiven Kategoriensystems wurde sich an den Antworten aus dem dieser Studie vorangegangenen Pretest (N = 24) orientiert.

282

7 Methode

Diese legen folgende acht Kategorien nahe, mit denen sich die abgespeicherten Informationen am besten erfassen und unterteilen lassen: Zum einen sind das Persönlichkeitseigenschaften, die entweder das (1) Wesen oder das (2) Äußere der abgefragten Figur betreffen. Davon zu differenzieren sind (3) situationsunabhängige Personeninformationen, man könnte auch sagen Hintergrundinformationen, wie die, dass Katie Connor Köchin oder dass Arthur Frobisher sehr vermögend ist. Weiterhin merken sich Versuchspersonen Informationen zur (4) emotionalen Gestimmtheit einer Person. Darüber hinaus werden (5) konkrete Ereignisse aus den ersten beiden Folgen memoriert. Zudem können die Antworten (6) subjektive Bewertungen enthalten wie die, dass Katie sympathisch ist, oder (7) Bewertungen auf Meta-Ebene, wie die, dass Arthur Frobisher eine interessante Serienfigur ist, weil er nicht eindeutig gut oder böse sei. Auch ist es möglich, dass im Zuge dieser Aufgabe (8) Spekulationen über den weiteren Handlungsverlauf angestellt werden. Nicht extra erhoben wird hingegen, ob die gespeicherte Information aus Folge 2 stammt. Dies hat mit der Beschaffenheit des menschlichen Gedächtnisses als associative memory network zu tun. Lang (2000) geht davon aus, dass eine Information umso besser abgespeichert ist, je mehr Verbindungen sie innerhalb des associative memory network aufweist. Wenn die Rezipierenden mit der zweiten Folge neue Informationen zu den Figuren Katie Connor und Arthur Frobisher erhalten und diese mit den bereits im Langzeitgedächtnis abgespeicherten Informationen verknüpfen, dann führt das dazu, dass auch die bereits vorhandenen aus Folge 1 stammenden Informationen besser vernetzt und somit letztere nochmals stärker im Langzeitgedächtnis verankert werden. Während also unerheblich ist, ob die von den Versuchspersonen genannten Informationen aus Folge 1 oder 2 stammen, gehen nur jene in die Analyse mit ein, die korrekt sind. Schließlich basiert die Studie auf der Annahme, dass die kumulierte Serienrezeption das Narrative Verstehen positiv beeinflusst. Wenn aber abgespeichert wurde, dass Ellen die Schwester von Katie ist, dann kann von Verstehen keine Rede sein. Für die Hypothesenprüfung ist nur rele-

7.5 Datenauswertung

283

vant, welche Gruppe in der Summe mehr Informationen abgespeichert hat. Die oben beschriebenen Kategorien sind damit lediglich Hilfskonstruktionen, um zu ermitteln, wie viele Informationen insgesamt von den Rezipierenden memoriert wurden. Das zum Einsatz gekommene Codebuch zur Erfassung des Subprozesses storage samt Kategoriensystem befindet sich im Anhang zu dieser Arbeit. Die Codierung nahm eine studentische Hilfskraft vor. Sie erhielt zwei Codiererschulungen, an deren Ende auf der Basis von 20 Fällen aus der Stichprobe ein Abgleich der Master-Codierung mit der Lösung der Codiererin stand. Hierbei konnte eine zufriedenstellende Forscherin-Codiererin-Reliabilität (nach Holsti) mit rKatie Connor = ,94 bzw. rArthur Frobisher = ,93 erzielt werden (Rössler, 2010, 197ff). Um zu überprüfen, ob die Entscheidungen der Codiererin in der ‚Feldphase‘ konstant geblieben sind, wurde die studentische Hilfskraft gebeten, 20 Fälle, die sie zu Beginn kodiert hat, nochmals zu analysieren (Rössler, 2010, 198). Auch hier zeigte sich mit rKatie Connor = ,99 bzw. rArthur Frobisher = ,98 eine angemessene Intracoder-Reliabilität (nach Holsti), sodass die Codierungen als zuverlässig und belastbar gelten können. 7.5.4

Auswertung Situationsmodell

Die Aufgabe zur Messung der Komplexität des Situationsmodells wird ebenfalls inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Kategorien, anhand derer beurteilt wird, wie umfang- und detailreich die Geschehnisse aus Damages im Langzeitgedächtnis der Probandinnen und Probanden abgebildet sind, leiten sich aus den in Kapitel 4.2 aufgeführten Erkenntnissen zur obligatorischen Verstehensstufe ab. Dort wird argumentiert, dass Ereignisse die zentralen Komponenten eines Situationsmodells sind. Deswegen wird zunächst erhoben, wie viele Ereignisse aus Folge 1 und 2 von den Probandinnen und Probanden thematisiert werden. Der besseren Erfassbarkeit halber wird Ereignis mit Szene gleichgesetzt. Die erste Episode von Damages lässt sich in 26 Szenen unterteilen, wobei das Ende einer Szene daran zu erkennen ist, dass sich die Figurenkonstellati-

284

7 Methode

on und/oder Ort und Zeit ändern sowie ein Kameraschnitt erfolgt. Episode 2 besteht aus 21 Szenen. Aus Kapitel 4.2 wissen wir zudem, dass Ereignisse von Rezipierenden hinsichtlich mehrerer Dimensionen verarbeitet werden. Eine davon sind die am Geschehen beteiligten Personen. Entsprechend wird gezählt, wie viele Figuren Eingang in das vorläufig finale Situationsmodell der Versuchspersonen gefunden haben. Neben den involvierten Figuren sind es auch die Dimensionen Ort und Zeit, hinsichtlich derer Ereignisse verarbeitet werden. Deshalb wird erhoben, wie oft Angaben zu Orten und Zeitpunkten in den Nacherzählungen der Versuchspersonen gemacht werden. Weil im Situationsmodell auch die stabilen Persönlichkeitseigenschaften der Figuren sowie deren emotionale Gestimmtheit abgebildet werden, wird ferner erfasst, wie häufig Aussagen von den Probandinnen und Probanden hierzu getroffen werden. Um ein kohärentes Situationsmodell aufbauen zu können, ist es außerdem notwendig, dass Rezipierende Verknüpfungen zwischen einzelnen, bisweilen weit auseinanderliegenden Informationen eines Medieninhalts herstellen (= Brückeninferenzen). Für das Verstehen der Handlung von Damages ist es wichtig, dass die Versuchspersonen in den ersten beiden Folgen folgende acht Zusammenhänge erkannt haben: (1) dass Katie die Schwester von Ellens Verlobtem ist; (2) dass Katie der Grund für Ellens Anstellung bei Hewes & Associates ist; (3) dass Patty Hewes (und nicht Arthur Frobisher) Katies Hund umbringen lässt; (4) dass Patty Hewes dies macht, um Katie zur Zusammenarbeit zu bewegen; (5) dass Katies Restaurant von Frobisher finanziert wird; (6) dass Frobisher dies nur deshalb tut, damit Katie nicht gegen ihn aussagt; (7) dass Katie zwar einerseits verzweifelt ist, aber Patty Hewes trotzdem weiterhin anlügt; (8) dass Katies Geburtstagsgeschenk an Ellen die spätere Mordwaffe ist. Als letzte inhaltliche Kategorie, die als Indikator für ein komplexes Situationsmodell gilt, dient die Anzahl der thematisierten Handlungsstränge. Wie in Kapitel 7.1.4 beschrieben, setzen sich die ersten beiden Folgen von Damages aus sechs Handlungssträngen zusammen. Neben den genannten inhaltlichen Kategorien kommt zudem eine formale Kategorie zum Einsatz: Die

7.5 Datenauswertung

285

Anzahl der verwendeten Wörter zur Beschreibung der ersten beiden Folgen gibt ebenfalls Auskunft darüber, wie komplex das Situationsmodell der Versuchspersonen ist. Alle genannten Kategorien werden zu einem additiven Index zusammengefasst. Je mehr Wörter verwendet, je mehr Ereignisse aus Folge 1 und 2, Figuren, Orte, Zeitpunkte, Persönlichkeitseigenschaften aufgezählt werden, je mehr Auskunft über die emotionale Gestimmtheit der Figuren erteilt wird und je mehr Brückeninferenzen gebildet werden, desto komplexer ist das Situationsmodell. Da sich die einzelnen Indikatoren in ihrem Wertebereich unterscheiden, werden sie zuvor am empirischen bzw. falls vorhanden, theoretischen Maximalwert normiert, sodass alle Kategorien gleichgewichtet in den Index eingehen. Das Codebuch zur Erfassung des Situationsmodells mit dem vollständigen Kategoriensystem ist der Arbeit angehängt. Als Codierer tätig waren die Versuchsleiterin sowie eine studentische Hilfskraft. Nach zwei Codiererschulungen konnte für die inhaltlichen Kategorien eine zufriedenstellende Intercoder-Reliabilität (nach Holsti) von rh = ,9155 erzielt werden und für die formale Kategorie von rh = 1,0 (Rössler, 2010, 197ff). Als Analysematerial dienten 20 Fälle aus dem Datensatz. Zum Ende der Codierphase wurde der Reliabilitätstest wiederholt, um zu überprüfen, ob die beiden Codiererinnen auch nach einigen Wochen noch in ihrem Urteil übereinstimmen (Rössler, 2010, 198). Wieder codierten die Codiererinnen 20 Fälle doppelt. Auch hier zeigte sich mit rh = ,89 für die inhaltlichen Kategorien und rh = 1,0 für die formale Kategorie eine angemessene Reliabilität (nach Holsti), sodass die Codierungen als zuverlässig und belastbar gelten können. Es sei außerdem noch erwähnt, dass das zu codierende Material so aufgeteilt wurde, dass die zwei Codiererinnen zu gleichen Anteilen Nacher55

Bei den beiden metrisch skalierten Kategorien Orte und Zeitpunkte wurde ein „Toleranzintervall definiert, innerhalb dessen die Codierungen noch als übereinstimmend gelten“ (Rössler, 2010, 199; Herv. i. O.). Innerhalb des Werteraums 0-10 wird eine Abweichung von +/-1 toleriert; innerhalb der Werteskala 11-20 eine Abweichung von +/-2 und innerhalb des Zahlenraums 21-30 eine Abweichung von +/-3.

286

7 Methode

zählungen der EG und der KG analysieren mussten, um systematische personenbedingte Verzerrungen zu verhindern. 7.5.5

Zum Einsatz kommende statistische Verfahren

Zuletzt wird vorgestellt, welche statistischen Verfahren bei der Auswertung der Variablen zum Einsatz kommen. Das Testen auf Gruppenegalität erfolgt, je nach Skalenniveau, mittels X2-Tests oder t-Tests für unabhängige Stichproben. Weil es bei diesen Variablen vorab keine Anhaltspunkte gibt, ob und in welche Richtung sich die beiden Gruppen unterscheiden könnten, wird hier jeweils zweiseitig getestet. Auch um die in Kapitel 6.3 vorgestellten Unterschiedshypothesen zu überprüfen, wird der t-Test für unabhängige Stichproben angewendet. Nachdem die Hypothesen gerichtet formuliert sind, werden sie einseitig getestet. Die Durchführung eines t-Tests für unabhängige Stichproben ist u. a. an folgende zwei Voraussetzungen geknüpft: Die Messwerte müssen intervallskaliert und die abhängige Variable muss in beiden Teilstichproben normalverteilt sein (Bühner & Ziegler, 2017, 301). Ob Ratingskalen, wie sie bei einigen potentiell intervenierenden Variablen sowie den Variablen des Narrativen Erlebens und in Teilen bei denen des Narrativen Verstehens verwendet werden, als intervallskaliert erachtet werden können, darüber ist sich die messtheoretische Forschung bis heute uneinig (Döring & Bortz, 2016, 250f). Allerdings hat sich in der Forschungspraxis eingebürgert, „Ratingskalen mit gleichabständiger Etikettierung und mindestens fünf Stufen sowie auch Schulnoten als intervallskaliert aufzufassen“ (Döring & Bortz, 2016, 251). Weil außerdem in der vorliegenden Studie mittels eines anwachsenden Balkens die stete Zunahme der Zustimmung visualisiert wurde, kann angenommen werden, dass die Probandinnen und Probanden die eingesetzte Skalierung als metrisch interpretiert und entsprechend intervallskalierte Urteile gefällt haben (Wünsch, 2006b, 188; Zillich, 2013, 179).

7.5 Datenauswertung

287

Was die Vorgabe der Normalverteilung anbelangt, zeigen Kubinger, Rasch, und Moder (2009), dass t-Tests robust gegenüber Verteilungsverletzungen sind und empfehlen deshalb immer die Anwendung des t-Tests, ohne vorherige Prüfung auf Normalverteilung. Ähnlich argumentieren auch Bühner und Ziegler (2017, 301f), die dafür plädieren, die nonparametrische Alternative, den U-Test, nur dann zusätzlich anzuwenden, „wenn die durch den tTest angegebene Überschreitungswahrscheinlichkeit an der Signifikanzgrenze liegt, z. B. p = 0.04 oder 0.06“ (S. 302; Herv. i. O.). Dieser Vorgehensweise soll sich im Folgenden angeschlossen werden, d. h. bei Werten an der Signifikanzgrenze wird zusätzlich der U-Test durchgeführt und dieses Ergebnis ausgewiesen, sofern es vom t-Test abweicht. Weiterhin setzt der t-Test voraus, dass die Varianzen in beiden Stichproben gleich sind. Bühner und Ziegler (2017, 297) empfehlen, unabhängig von der Frage der Varianzgleichheit, den Welch-Test zu verwenden (= t-Test für heterogene Varianzen). Um Zusammenhänge zwischen zwei Variablen zu überprüfen, wird die Produkt-Moment-Korrelation herangezogen. Ist jedoch eine der beiden intervallskalierten Variablen nicht normalverteilt, wird die Spearman-Rangkorrelation berechnet (Janssen & Laatz, 2013, 381f). Die einseitige Testung der Zusammenhangshypothesen erfolgt mittels der gesamten Stichprobe, da die zu überprüfenden Zusammenhänge unabhängig vom Rezeptionsrhythmus gelten (siehe Kap. 6.1). Zur Überprüfung der Annahme, dass die Verteilungen der Variablen einer Normalverteilung folgen, wird der Shapiro-Wilk-Test eingesetzt (Bühner & Ziegler, 2017, 123).

8

Ergebnisse

Die Ergebnisvorstellung erfolgt anhand der vier Forschungsfragen, welche in Kapitel 6.3 aufgestellt wurden. Bevor jedoch auf die Hauptbefunde der Studie eingegangen wird, muss zunächst die Stichprobe anhand von soziodemographischen Daten vorgestellt werden. Zudem wird vorab überprüft, ob Gruppenegalität zwischen den beiden Versuchsbedingungen gegeben ist. In diesem Zusammenhang werden auch erste grundlegende Befunde präsentiert. Erst danach wird sich dem Einfluss des Rezeptionsrhythmus auf das Narrative Verstehen, Narrative Erleben sowie den Rezeptionsgenuss und die Rezeptionsmotivation gewidmet. Zum Abschluss wird überprüft, ob die im Modell benachbarten Konstrukte tatsächlich miteinander zusammenhängen. 8.1

Beschreibung der Stichprobe

Wie bereits in Kapitel 7.5 beschrieben, basiert die Datenanalyse auf den Angaben von insgesamt 132 Personen, wovon 63 der EG und 69 der KG angehören (siehe Tab. 12). Mit 59,1 Prozent sind mehr Frauen als Männer in der Stichprobe vertreten. Das durchschnittliche Alter der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer liegt bei 25,8 Jahren. Der Studierendenanteil ist mit 62,9 Prozent relativ hoch. Wohl auch deshalb weist die Stichprobe einen sehr hohen formalen Bildungsgrad auf: 93,2 Prozent aller Probandinnen und Probanden haben mindestens Abitur. Die beiden Versuchsgruppen sind nahezu identisch bezüglich ihrer soziodemographischen Merkmale. Lediglich was den Studierendenanteil angeht, weichen die beiden Gruppen leicht voneinander ab. In der KG befinden sich etwas mehr Studierende als in der EG. Dieser Unterschied ist jedoch nicht signifikant.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Czichon, Kumulierte Serienrezeption, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26842-8_8

290

8 Ergebnisse

Tab. 12: Zusammensetzung der Stichprobe gesamt (N=132)

kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

Differenz

25,8

25,6

25,9

n.s.a

Anteil Frauen (%)

59,1%

58,7%

59,4%

n.s.b

Anteil Studierende (%)

62,9%

60,3%

65,2%

n.s.b

Anteil mit Abitur (%)

93,2%

92,0%

94,2%

n.s.b

Soziodemographische Merkmale Alter (in Jahren)

a b

n.s. = nicht signifikant; t-Test; 95-prozentiges Signifikanzniveau n.s. = nicht signifikant; X2-Test; 95-prozentiges Signifikanzniveau

8.2

Gruppenegalität und grundlegende Befunde

In den Fragebögen zur Studie wurden nicht nur soziodemographische und die eigentlich interessierenden abhängigen Variablen erhoben, sondern auch solche Merkmale, die potentiell intervenierend wirken können, und die nähere Auskunft über die Rezeptionssituation und deren Natürlichkeit geben (siehe Kap. 7.4). Zwar erfolgte eine randomisierte Zuweisung der Personen auf die beiden Versuchsgruppen, wodurch sich personengebundene Störvariablen gleich verteilt haben sollten. Inwiefern dies aber tatsächlich gelungen ist, gilt es in einem ersten Schritt zu kontrollieren. Hinzu kommt, dass das Experiment im Feld stattfand, wo untersuchungsbedingte Störvariablen nicht verhindert werden können. Bevor also in die Hauptanalyse eingestiegen wird, soll zunächst überprüft werden, inwiefern Gruppenegalität vorherrscht in Bezug auf mögliche intervenierende Variablen. Damit einhergehend erfolgt ein besseres Kennenlernen der Stichprobe und der Begleitumstände, in der die Rezeption stattfand.

8.2 Gruppenegalität und grundlegende Befunde

291

Generelle Seriennutzung In Kapitel 4 und 5 wurde dargelegt, dass das grundsätzliche Interesse an einem Medieninhalt sowie einschlägiges narratives Vorwissen die Prozesse des Narrativen Verstehens und Erlebens positiv beeinflussen kann. Deshalb muss zunächst überprüft werden, ob sich die beiden Gruppen hinsichtlich ihrer Seriennutzung und Präferenz für serielle Erzählformate gleich verteilen. Wer besonders häufig Serien ansieht oder andere narrative Medienangebote nutzt, sollte geübt im Umgang mit Narrationen sein und hat dadurch womöglich Vorteile bei der Informationsverarbeitung. Diejenigen, die gerne Serien mögen, erleben die Geschichte mitunter nur deshalb intensiver und bewerten die Serie nur deshalb besser, weil sie der Fernsehgattung positiver gegenüber eingestellt sind. Was die Nutzungshäufigkeit von Serien betrifft, sind keine signifikanten Unterschiede festzustellen (siehe Tab. 13). In beiden Gruppen ist der Anteil derer, die Serien mindestens mehrmals die Woche nutzen mit 71,4 Prozent (EG) und 69,6 Prozent (KG) sehr hoch. Auffallend ist zudem, dass in beiden Gruppen Serien deutlich häufiger genutzt werden als Filme oder Bücher. Bezüglich letztgenannter Medienangebote verhalten sich die zwei Gruppen nahezu identisch. Alle anderen abgefragten narrativen Medieninhalte werden nur von einem kleinen (Hörbücher, Adventurespiele, Rollenspiele) bis sehr kleinen Teil (Hörspiele, Comics und Mangas) regelmäßig genutzt. Weil hier das Nutzungsniveau so gering ausgefallen ist, ist bei diesen Variablen in zu vielen Zellen die erwartete Häufigkeit kleiner fünf. Bei diesen Merkmalen lässt sich demnach der X2-Test nicht zuverlässig interpretieren. Betrachtet man die betroffenen Medienangebote, stellt man jedoch fest, dass die zwei Versuchsgruppen nur hinsichtlich der Nutzung von Hörbüchern und Rollenspielen nennenswert voneinander abweichen. Beide Medienangebote werden von der EG häufiger genutzt auf einem insgesamt niedrigen Niveau. Aufgrund der geringen Differenz ist aber nicht davon auszugehen, dass es dadurch zu Verzerrungen in der vorliegenden Studie gekommen ist.

292

8 Ergebnisse

Tab. 13: Nutzungshäufigkeiten narrativer Medienangebote gesamt (N=132)

kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

Serien (%) hochb mittelc niedrigd

70,5% 22,0% 7,5%

71,3% 23,7% 5,0%

69,6% 20,3% 10,1%

Filme (%) hochb mittelc niedrigd

39,1% 50,9% 10,0%

39,3% 51,0% 9,7%

39,1% 50,7% 10,2%

Romane (%) hochb mittelc niedrigd

28,8% 22,0% 49,2%

28,5% 24,0% 47,5%

29,0% 20,3% 50,7%

Hörbücher (%) hochb mittelc niedrigd

5,3% 7,6% 87,1%

6,3% 9,5% 84,2%

4,2% 5,8% 90,0%

Hörspiele (%) hochb mittelc niedrigd

0,8% 7,6% 91,7%

0,0% 7,9% 92,1%

1,5% 7,2% 91,3%

Variable Nutzungshäufigkeit

Adventurespiele (%) (PC/Konsole/Online) hochb mittelc niedrigd

a

Differenz n.s.a

n.s.a

n.s.a

k.A.m.e

k.A.m.e

n.s.a 9,8% 9,1% 81,1%

12,6% 8,0% 79,4%

7,2% 10,1% 82,7%

Rollenspiele (%) (PC/Konsole/Online) hochb mittelc niedrigd

k.A.m.e 7,6% 6,1% 86,3%

8,0% 9,5% 82,5%

7,2% 2,8% 90,0%

Comics & Mangas (%) hochb mittelc niedrigd

3,0% 5,3% 91,7%

3,2% 6,3% 90,5%

3,0% 4,2% 92,8%

k.A.m.e

n.s. = nicht signifikant; X2-Test; 95-prozentiges Signifikanzniveau

8.2 Gruppenegalität und grundlegende Befunde

293

hoch = mehrmals die Woche oder täglich mittel = mehrmals im Monat oder einmal die Woche d niedrig = einmal im Monat oder seltener bzw. nie e k.A.m. = keine Signifikanzangabe möglich, da zu viele Zellen mit weniger als fünf zu erwartenden Fällen b c

Die beiden Gruppen ähneln sich nicht nur in ihrer Nutzungshäufigkeit, sie mögen Serien nach eigener Auskunft auch gleich stark (siehe Tab. 14). Dass dieser Wert relativ hoch ist, ist auf die bei der Studie angewendete Rekrutierungsstrategie zurückzuführen. Es wurde darauf geachtet, dass überwiegend serienaffine Personen für die Teilnahme am Forschungsprojekt gewonnen werden, was offensichtlich funktioniert hat. Die Begeisterung für das serielle Erzählformat spiegelt sich ferner in der Anzahl der Serien wider, die zum Zeitpunkt der ersten Befragung von den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern angesehen wurden. Während die EG im Schnitt drei Serien verfolgte, waren es bei der KG zwei. Tab. 14: Mittelwerte ‚Serienliebhaber‘ & ‚Anzahl Serien‘

Variable Serienliebhaber

kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

M

SD

M

SD

T

df

p

6,24

0,928

5,93

1,375

1,532

120,0

n.s.a

Anzahl 2,86 2,752 2,29 1,716 1,405 102,1 n.s.a Serien a n.s. = nicht signifikant; t-Test (zweiseitig); 95-prozentiges Signifikanzniveau

Was lässt sich aus diesen Daten zur allgemeinen Seriennutzung schlussfolgern? Die Begeisterung für Serien ist in beiden Gruppen hoch. Weiterhin ist festzuhalten, dass sich die Probandinnen und Probanden der zwei Versuchsbedingungen nicht systematisch in ihrer Affinität zu Serien bzw. narrativen Medieninhalten unterscheiden. Nachdem die Studie zum Ziel hat, den Einfluss kumulierten Sehens auf den Rezeptionsprozess zu untersuchen, ist zudem von

294

8 Ergebnisse

Interesse, wie natürlich diese Rezeptionsweise für die Versuchspersonen ist. Beide Gruppen geben an, dass es für sie eher die Regel ist, mehrere Folgen am Stück anzusehen (siehe Tab. 15). Tab. 15: Mittelwerte ‚Intensität kum. Sehen‘ & ‚Anzahl Folgen‘

Variable

kumulierte Rezeption (n = 62)

traditionelle Rezeption (n = 68)

M

M

SD

SD

T

df

p

Intensität kumuliertes 5,03 1,609 5,06 1,735 -0,091 128,0 n.s.a Sehen Anzahl 2,94 1,02 3,19 1,00 -1,394 124,9 n.s.a Folgen a n.s. = nicht signifikant; t-Test (zweiseitig); 95-prozentiges Signifikanzniveau

Allerdings befindet sich in beiden Gruppen auch jeweils eine Person, die die Option „habe ich noch nie gemacht“ angekreuzt hat. Diejenigen, die mindestens gelegentlich kumuliert rezipieren, sehen sich im Schnitt drei Folgen am Stück an. Dieses Ergebnis ist deckungsgleich mit anderen Studien zum Thema Kumulierte Serienrezeption (z. B. Granow, Meier et al., 2018; Walton-Pattison et al., 2016). Hierzu muss allerdings angemerkt werden, dass in der vorliegenden Studie, genauso wie in allen anderen, nicht differenziert wurde zwischen Dramaserien, deren Episoden meist 45 Minuten bis zu einer Stunde lang sind, und Sitcoms, bei denen eine Folge nur ca. 20 Minuten dauert. Die Schätzung bezieht sich also auf Serien allgemein, ungeachtet ihres Genres. Wie gängig kumuliertes Sehen in der Stichprobe ist, zeigt sich auch an diesem Ergebnis: Im zweiten Fragebogen danach gefragt, ob sie, unabhängig von der Studie, in jedem Falle nach der ersten Folge gleich die zweite angesehen hätten (EG) bzw. in jedem Falle eine längere Pause eingelegt hätten (KG), hält dies die EG für wahrscheinlich (MEG = 5,35; SD = 1,686) und die KG für unwahrscheinlich (MKG = 2,01; SD = 1,194). Dazu passt auch der Befund,

8.2 Gruppenegalität und grundlegende Befunde

295

dass die KG nach der ersten Folge gerne gleich die zweite angesehen hätte (MKG = 4,60; SD = 1,679). Auch der Umstand, dass den Studienteilnehmerinnern und -teilnehmern das Stimulusmaterial online zugänglich gemacht wurde, entspricht überwiegend dem normalen Nutzungsverhalten der Probandinnen und Probanden. Die meisten Befragten in beiden Gruppen geben an, dass sie Serien üblicherweise über BezahlStreamingdienste ansehen (siehe Tab. 16). Tab. 16: Üblicherweise genutzte Übertragungskanäle Variable übliche Übertragungskanälea

gesamt (N=132)

kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

Differenz

Fernsehen (%)

47,7%

46,0%

49,3%

n.s.b

Onlinemediatheken(%)

35,6%

33,3%

37,7%

n.s.b

BezahlStreamingdienste (%)

60,5%

58,7%

62,3%

n.s.b

andere Streamingdienste (%)

44,7%

38,1%

50,7%

n.s.b

DVD (%)

34,1%

33,3%

34,8%

n.s.b

Sonstigesd (%)

2,6%

1,6%

2,9%

k.A.m.c

Bei dieser Frage waren Mehrfachantworten möglich. n.s. = nicht signifikant; X2-Test; 95-prozentiges Signifikanzniveau c k.A.m. = keine Signifikanzangabe möglich, da zu viele Zellen mit weniger als fünf zu erwartenden Fällen d In dem zu dieser Ausprägung dazugehörigen offenen Antwortfeld wurden ‚Festplattenrekorder‘ und ‚Aufnahmen‘ genannt. a

b

Weitere personengebundene Störvariablen Neben der Nutzungshäufigkeit und allgemeinen Präferenz für Serien hätten sich die beiden Versuchsgruppen zudem in ihrem generellen Seriengeschmack grundlegend unterscheiden können. Aus Tabelle 17 ist jedoch abzulesen, dass hier keine systematischen Unterschiede vorliegen. Beide Gruppen mögen diese Art von Se-

296

8 Ergebnisse

rie, die sie im Rahmen der Studie zu sehen bekommen haben, weder besonders stark noch überhaupt nicht gerne. Bezüglich ihrer Mitmach-Motivation sind ebenfalls keine signifikanten Differenzen festzustellen. Wie zu erwarten war, kostete es die Probandinnen und Probanden deutlich mehr Überwindung, die beiden Fragebögen auszufüllen, als sich die Serie anzusehen. Tab. 17: Mittelwerte ‚Seriengeschmack‘ & ‚Mitmach-Motivation‘ kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

M

SD

M

SD

T

df

p

Seriengeschmack

4,89

1,493

4,41

1,603

1,793

129,9

n.s.a

Motivation Serie

2,57

1,563

2,49

1,568

0,288

129,0

n.s.a

Variable

Motivation 4,24 1,624 3,65 1,924 1,896 129,2 n.s.a Fragebögen a n.s. = nicht signifikant; t-Test (zweiseitig); 95-prozentiges Signifikanzniveau

Tab. 18: Mittelwerte ‚Empathie- & Transportationsfähigkeit‘

Variable

kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

M

M

SD

SD

T

df

p

Empathie4,46 1,00 4,65 0,99 -1,123 128,6 n.s.a fähigkeit Transportationsfähig4,65 0,76 4,65 0,65 0,050 122,3 n.s.a keit a n.s. = nicht signifikant; t-Test (zweiseitig); 95-prozentiges Signifikanzniveau

Auch hinsichtlich der Persönlichkeitseigenschaften Empathie- und Transportationsfähigkeit ähneln sich die Probandinnen und Probanden der zwei Versuchsbedingungen stark (siehe Tab. 18). Beide Gruppen weisen hier jeweils ein mittleres Niveau auf. Wären die

8.2 Gruppenegalität und grundlegende Befunde

297

einen grundsätzlich besser in der Lage gewesen, sich in Medienfiguren hineinzuversetzen und in die Geschichte einzutauchen, hätte das zu Verzerrungen der Ergebnisse bzgl. des Narrativen Erlebens führen können. Damit lässt sich folglich auch für die in diesem Abschnitt vorgestellten personengebundenen potentiellen Störvariablen resümieren, dass sich die beiden Gruppen in ihrer Zusammensetzung nicht signifikant voneinander unterscheiden. Rezeptionskontext und untersuchungsbedingte Störvariablen Hinsichtlich des Rezeptionskontextes soll zunächst beleuchtet werden, inwiefern die Probandinnen und Probanden den für sie kostenlosen Zugang zur Serie über Amazon nutzten und an welchem Gerät sie Damages angesehen haben. Aus Tabelle 19 lässt sich entnehmen, dass die allermeisten Personen den in der Instruktion beschriebenen Weg über Amazon wählten. Allerdings gibt es in beiden Gruppen auch Probandinnen und Probanden, die anstatt des Amazon-Streams einen alternativen Stream verwendeten. Hierbei unterscheiden sich die beiden Versuchsgruppen leicht voneinander, wobei nicht davon auszugehen ist, dass die Wahl der genutzten Plattform relevant ist für die untersuchten abhängigen Variablen. Vielmehr diente die Vorgabe, Amazon zu nutzen, dazu, einen legalen Zugriff auf die Serie zu ermöglichen. Weiterhin fällt auf, dass es offensichtlich auch eine kleine Minderheit gibt, die die ersten beiden Folgen auf DVD konsumierte. Dieses Verhalten ist jedoch über beide Gruppen gleich verteilt und deshalb konsequenzenlos für die Hauptergebnisse der Studie.56 Hinsichtlich der genutzten Geräte zeichnet sich ebenfalls ein einheitliches Bild zwischen den beiden Untersuchungsgruppen ab (siehe Tab. 19). Es dominiert der Computer: Rund ein Fünftel sah

56

Die Sony Pictures Home Entertainment GmbH stellte zur Vorbereitung der Studie einige DVD-Freiexemplare der ersten und zweiten Folge von Damages zur Verfügung. Offensichtlich wurden diese vereinzelt von den Betreuerinnen und Betreuern an die Probandinnen und Probanden weitergegeben.

298

8 Ergebnisse

sich die Serie an einem Fernsehgerät an. Nur eine Minderheit verfolgte Damages auf einem Tablet. Nachdem bei dieser Frage Mehrfachantworten möglich waren, gaben in der KG sechs Personen an, zwei unterschiedliche Geräte genutzt zu haben. Es lässt sich aber im Nachhinein nicht mehr feststellen, inwieweit die Mehrfachnennung tatsächlich darauf zurückzuführen ist, dass zu den beiden Rezeptionszeitpunkten unterschiedliche Geräte verwendet wurden oder eher darauf, dass der Computer/das Tablet an den Fernseher angeschlossen wurde, wie das bei zwei Personen aus der EG der Fall war. Nahezu identisch in der Zusammensetzung sind die beiden Untersuchungsgruppen auch im Hinblick auf die an der Rezeption beteiligten Personen (siehe Tab. 19). Zwei Drittel der Probandinnen und Probanden sahen sich die beiden Folgen alleine an, der Rest in Gesellschaft anderer. Was die Nebenbeschäftigungen angeht, fällt auf, dass die EG solchen häufiger nachgegangen ist. Dies ist nicht weiter überraschend, da diese Gruppe mehr Zeit am Stück mit der Untersuchung verbracht hatte und sich vielleicht für 45 Minuten der Impuls unterdrücken lässt, auf sein Smartphone zu schauen, nicht aber unbedingt für 1,5 Stunden. Wie Tabelle 19 zu entnehmen ist, ist die Differenz zur KG aber nicht signifikant. Diejenigen, die angeben, nebenbei noch etwas anderes gemacht zu haben, sagen von sich, nur kurz mit etwas anderem beschäftigt gewesen zu sein. Dies trifft für beide Gruppen gleichermaßen zu (MEG = 2,58, SD = 1,451; MKG = 2,52, SD = 1,486). Auch in der Intensität der Nebenbeschäftigungen unterscheiden sich die beiden Versuchsgruppen demnach nicht (T(85) = 0,186, p = ,853).

8.2 Gruppenegalität und grundlegende Befunde

299

Tab. 19: Rezeptionssituation

Variable

gesamt (N=132)

kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

Übertragungskanal (%) Amazon anderer Stream DVD

92,4% 5,3% 2,3%

95,2% 3,2% 1,6%

89,8% 7,2% 3,0%

genutztes Gerätb (%) Computer Fernseher Tablet

76,6% 22,8% 6,1%

71,4% 23,8% 4,8%

79,7% 21,7% 7,2%

Rezeption (%) allein in Gesellschaft

65,9% 34,1%

65,1% 34,9%

66,7% 33,3%

k.A.m.a

k.A.m.a

n.s.c

Nebenbeschäftigungen (%) ja nein

65,9% 34,1%

68,3% 31,7%

63,8% 36,2%

Unterbrechungen (%) ja nein

17,4% 82,6%

14,3% 85,7%

20,3% 79,7%

techn. Probleme (%) ja nein

18,2% 81,8%

15,9% 84,1%

20,3% 79,7%

Informationsrecherche (%) ja nein

Differenz

n.s.c

n.s.c

n.s.c

n.s.c 18,2% 81,8%

15,9% 84,1%

20,3% 79,7%

k.A.m. = keine Signifikanzangabe möglich, da zu viele Zellen mit weniger als fünf zu erwartenden Fällen b Bei dieser Frage waren Mehrfachantworten zulässig, weil die KG theoretisch an den zwei Rezeptionstagen zwei unterschiedliche Geräte hätte nutzen können. c n.s. = nicht signifikant; X2-Test; 95-prozentiges Signifikanzniveau a

300

8 Ergebnisse

Vier Fünftel der Probandinnen und Probanden geben an, während der Rezeption nicht unterbrochen worden zu sein (siehe Tab. 19). Bei den anderen kam es zu kurzen Unterbrechungen, wobei dies eher auf die KG zutraf. Wie die Antworten auf die offene Frage nach der Art der Unterbrechung zeigen, handelte es sich dabei zum Großteil um Telefonanrufe. Ferner wurde die Rezeption ausgesetzt, um auf die Toilette zu gehen, Essen zu holen, den Kuchen aus dem Backofen zu nehmen, die Wäsche aufzuhängen oder dem Postboten die Tür zu öffnen. Mitglieder beider Gruppen erhielten zudem spontanen Besuch von Familie oder Freunden. Ein systematischer Unterschied zwischen den Versuchsgruppen ist jedoch auch hier nicht feststellbar. Selbiges gilt für technische Störungen, die während oder im Vorfeld der Rezeption aufgetreten sind (siehe Tab. 19). Rund ein Fünftel in beiden Gruppen war davon betroffen. Meist waren Ladeschwierigkeiten das Problem. Beide Gruppen berichten ferner davon, dass Bild und Ton nicht synchron waren bzw. dass die Bildqualität schlecht war. Ursache hierfür dürfte jeweils eine langsame Internetverbindung gewesen sein. Nur ein kleiner Teil der Probandinnen und Probanden recherchierte online nach Informationen zur Serie (siehe Tab. 19). Nachdem die KG eine längere Pause zwischen den beiden Folgen einlegen sollte, hatte sie auch mehr Gelegenheiten zur Informationssuche.57 Entsprechend ist nicht verwunderlich, dass der Anteil hier etwas höher liegt, wobei die Differenz nicht signifikant ist. Eben weil in der Gruppe Traditionelle Rezeption einige Tage zwischen den beiden Episoden verstrichen sind, wurde bei dieser zusätzlich abgefragt, ob sich die Versuchspersonen mit anderen über die Serie ausgetauscht haben. Dies hätte ebenfalls die Möglichkeit gegeben, die Inhalte zu vertiefen. Insgesamt trifft das auf 29 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dieser Versuchsgruppe zu. 57

Grundsätzlich hatten beide Gruppen mit Bekanntgabe des Stimulusmaterials und bis zur Durchführung der Studie Zeit, nach Informationen zur Serie zu googeln. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass auch während der Rezeption nach zusätzlichen Informationen gesucht wurde.

8.2 Gruppenegalität und grundlegende Befunde

301

Ein Vergleich mit der Angabe, ob alleine oder zu mehreren rezipiert wurde, zeigt, dass 14 dieser 20 Personen im Beisein anderer die Serie gesehen und sich vermutlich mit diesen über das Stimulusmaterial ausgetauscht haben. Deshalb ist anzunehmen, dass sich auch in der EG über Serieninhalte ausgetauscht wurde, sofern die Serie zu mehreren verfolgt wurde, ohne dass ersteres jedoch erfasst worden wäre. Ein Grund, warum das Experiment im Feld stattfand, war, dass die Rezeptionssituation möglichst natürlich sein sollte, um so die Ergebnisse besser auf den Alltag der Rezipierenden übertragen zu können (siehe Kap. 7.1.1). Beide Gruppen bestätigen, dass die Untersuchungssituation hinsichtlich der Tageszeit, der anwesenden Personen oder des genutzten Geräts typisch für ihre alltägliche Serienrezeption war (MEG = 5,70, SD = 1,623; MKG = 5,70, SD = 1,857; T(129,8) = 0,009, p = ,993). Damit lässt sich an dieser Stelle folgendes Fazit ziehen: Zwar wurden den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern im Zuge der Studie einige Vorgaben gemacht, trotzdem kam die Rezeption von Damages einer alltäglichen Situation sehr nahe. Dazu gehört auch, dass das Stimulusmaterial online und von einem Teil am Stück rezipiert wurde. Was die Stichprobe anbelangt, scheint es gar so, als wäre nicht die kumulierte Rezeption das Ungewöhnliche gewesen, sondern die Tatsache, dass man eine längere Pause zwischen den beiden Episoden einlegen sollte. Ferner ist festzuhalten, dass die beiden Gruppen im Hinblick auf die hier beschriebenen intervenierenden Variablen gleich verteilt sind. Wenn also im Folgenden die Hauptergebnisse der Studie vorgestellt werden, dann kann davon ausgegangen werden, dass die Störvariablen kontrolliert sind. Sie sollten also keinen bzw. gleichbleibenden Einfluss auf die Ergebnisse gehabt haben.

302

8.3

8 Ergebnisse

Befunde Narratives Verstehen (FF1)

Forschungsfrage 1 behandelt den Einfluss des Rezeptionsrhythmus auf das Narrative Verstehen. Es wird überprüft, ob das Narrative Verstehen bei der kumulierten Serienrezeption signifikant von dem bei der traditionellen Rezeption abweicht. Zuerst werden die Ergebnisse für die Subprozesse des Informationsverarbeitungsprozesses präsentiert. Anschließend werden die Befunde für die einzelnen Verstehensstufen vorgestellt. 8.3.1

Informationsverarbeitung

retrieval Hypothese 1.1 besagt, dass kumuliert Rezipierende serienspezifische Informationen schneller abrufen können. Diese Annahme sollte eigentlich mittels zweier verschiedener Reaktionszeittests überprüft werden. Allerdings stellte sich bei der Aufbereitung der Daten heraus, dass die beiden Versuchsgruppen bei dem Paarungsreaktionszeittest nicht, wie erwartet, die gleichen Antworten gegeben haben, sondern diese mitunter stark voneinander divergieren. So geben beispielsweise 44 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der EG an, dass die Paarung ‚Patty – Mutter‘ sinnvoll sei (was auch korrekt ist). Dieser Auffassung sind hingegen nur 27,9 Prozent der KG. Umgekehrt verhält es sich bei der Paarung ‚Katie – Ausbildung‘. Hier sagt die Hälfte der KG, dass diese Paarung nicht sinnvoll sei (was die korrekte Antwort gewesen wäre), aber nur 36,5 Prozent der EG. Dies stellt, wie in Kapitel 7.5 beschrieben, ein Problem dar, denn die Unterschiede in den Antwortzeiten sind dann nur noch schwer zu interpretieren. Als Notlösung, weil mit einigen Unsicherheiten behaftet, schlägt Fazio (1990, 85f) vor, nur die Zeiten von jenen Trails zu berücksichtigen, bei denen korrekt geantwortet wurde. Doch hier zeigt sich ein weiteres Problem des angewendeten Reaktionszeittests: Gemessen werden sollte die kognitive Verfügbarkeit der korrekten Verknüp-

8.3 Befunde Narratives Verstehen (FF1)

303

fung zweier Informationen aus Folge 1. Ob dies aber tatsächlich gelungen ist, erscheint vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Antwortverhaltens fraglich. Vorstellbar ist, dass die Aufgabe ‚Patty – Mutter‘ von einigen auch dahingehend beantwortet wurde, ob sie generell ein mütterlicher Typ ist und nicht, ob sie tatsächlich Mutter ist. Das Urteil ‚sinnvoll‘ gefällt zu haben muss also nicht zwangsweise bedeuten, dass dies auf das Wissen zurückgeht, dass Patty Hewes einen Sohn hat. Weil mit dem Paarungstest augenscheinlich viele Fragezeichen einhergehen und die daraus resultierenden Daten deshalb wenig belastbar wären, wurde sich dazu entschlossen, den zweiten Test nicht in die Datenauswertung miteinfließen zu lassen. Damit bezieht sich die Hypothesentestung im Folgenden nur auf den Worttest. Bei letzterem besteht das Problem unterschiedlichen Antwortverhaltens nicht; hier liegen die beiden Gruppen bei der Beantwortung der einzelnen Items jeweils genauso oft richtig bzw. falsch (siehe Tab. 20). Zudem kann hier, aufgrund der Einfachheit des Tests, ausgeschlossen werden, dass Assoziationen statt Wissen – wie bei dem Paarungstest – eine Rolle gespielt haben könnten. Die meisten Schwierigkeiten hatten die Versuchspersonen mit der Buchstabenabfolge „Omnibus“. Hier drückten rund zehn Prozent aller Befragten die falsche Taste. Weil sich die beiden Gruppen in ihrem Antwortverhalten gleichen und kein Speed-TradeOff feststellbar ist, gehen auch die Antwortzeiten derjenigen Personen in die Auswertung mit ein, die eine korrekte Buchstabenabfolge als nicht sinnvoll und eine nicht sinnvolle Buchstabenfolge als korrekt bewertet haben. Wie in Kapitel 7.5 beschrieben, müssen die Reaktionszeitdaten vor der eigentlichen Auswertung bereinigt werden. Als unteres Cut-off-Kriterium wurden bereits vorab 300ms festgelegt. Von diesem Cut-off-Kriterium war allerdings niemand in der Stichprobe betroffen. Nachdem sich ein Überblick über alle Reaktionszeiten zu sämtlichen Items verschafft wurde, erfolgte die Festlegung

304

8 Ergebnisse

Tab. 20: Antwortverhalten Wort-Reaktionszeittest kumulierte Anteil korrekte Antworten gesamt Rezeption in % (N=132) (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

Badewanne (%)

97,7%

98,4%

97,1%

Omnibus (%)

87,9%

88,9%

87,0%

Halsband (%)

97,0%

98,4%

95,7%

Glühapfel (%)

93,9%

93,7%

94,2%

Aktienverkauf (%)

96,2%

96,8%

95,7%

Mofagissen (%)

99,2%

100,0%

98,6%

Banane (%)

95,5%

95,2%

95,7%

Aufzug (%)

99,2%

100,0%

98,6%

Hochzeit (%)

98,5%

98,4%

98,6%

Vergleich (%)

98,5%

96,8%

100,0%

Tödelei (%)

90,2%

90,5%

89,9%

Börsenmarkler (%)

96,2%

96,8%

95,7%

Zahnbürste (%)

95,5%

93,7%

97,1%

Bangelware (%)

97,7%

98,4%

97,1%

Visitenkarte (%)

97,7%

96,8%

98,6%

Kündigung (%)

100,0%

100,0%

100,0%

8.3 Befunde Narratives Verstehen (FF1)

305

des oberen Cut-off-Kriteriums. Es zeigte sich, dass 2500ms eine sinnvolle Grenze ist.Ab diesem Wert weichen alle darüber liegenden Personen mit ihrer Antwortgeschwindigkeit deutlich, teilweise sogar extrem vom Rest ab. Dass bei der Auswertung des Reaktionszeittest für die EG nur 61 Personen berücksichtigt wurden, hat zweierlei Gründe: Scheinbar ist es bei einer Person in dieser Gruppe zu technischen Problemen gekommen, denn für diese wurden keinerlei Reaktionszeiten aufgezeichnet. Außerdem befindet sich in der EG ein Individuum, das bei zu vielen Items über dem Cut-offKriterium lag. Nachdem die ergriffenen Maßnahmen zur Datenbereinigung vorgestellt wurden, werden nun die eigentlichen Befunde präsentiert. Wie sich aus Tabelle 21 ablesen lässt, sind die Versuchspersonen der EG bei der Beantwortung der Target-Trails im Schnitt rund zwei Drittel Standardabweichungen schneller als bei den neutralen und falschen Trails. Auch die einzelnen Mitglieder der KG weisen bei den Wörtern aus Folge 1 eine höhere Abrufgeschwindigkeit auf, allerdings fällt hier die Differenz mit durchschnittlich einer halben Standardabweichung geringer aus. Innerhalb der Stichprobe lässt sich also feststellen, dass bei denjenigen, die die beiden Folgen am Stück angesehen haben, die Antwortgeschwindigkeit durch den vorgegebenen Rezeptionsrhythmus stärker erhöht wird und demzufolge Informationen aus Folge 1 kognitiv verfügbarer sind. Doch wie der t-Test für unabhängige Stichproben zeigt, ist dieser Effekt so unsystematisch, dass das Ergebnis nicht signifikant ist. Hypothese 1.1 lässt sich demnach nicht bestätigen. Wie lässt sich dieser Befund erklären? Folge 2 war ein Previously-on-Segment vorangestellt, in dem alle wichtigen Ereignisse aus Folge 1 im Schnelldurchlauf wiederholt wurden. Dieser Recap kann dazu geführt haben, dass der eigentlich deutlich vorhandene Effekt so abgeschwächt wurde, dass er im Zuge eines Reaktionszeittests nicht mehr systematisch nachweisbar ist.

306

8 Ergebnisse

Tab. 21: Ergebnis Subprozess ‚retrieval‘

Variable retrieval

kumulierte Rezeption (n = 61)

traditionelle Rezeption (n = 69)

M

SD

M

SD

T

df

p

-,5864

,4975

-,4861

,6549

-,989

125,3

,162

Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben; es handelt sich hierbei nicht um die Einheit Millisekunden, sondern um Standardabweichungen (siehe Kap. 7.5).

Tab. 22: Ergebnis Subprozess ‚encoding‘

Variable encoding

kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

M

SD

M

SD

T

df

p

5,51

1,777

4,83

1,917

2,121

130,0

,018

Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

Tab. 23: Ergebnisse Subprozess ‚storage‘

Variable

kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

M

M

SD

SD

T

df

storage 15,19 9,092 14,38 6,914 ,575 115,4 gesamt storage (Katie 7,62 5,531 6,99 4,542 0,715 120,3 Connor) storage (Arthur 7,57 4,276 7,39 3,598 0,261 121,7 Frobisher) Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

p ,284 ,238 ,398

8.3 Befunde Narratives Verstehen (FF1)

307

encoding Hypothese 1.2 postuliert, dass die Serienrezeption am Stück eine höhere Informationsaufnahme begünstigt. Im t-Test zeigt sich ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Versuchsgruppen: Während die Probandinnen und Probanden der EG im Schnitt über die Hälfte der im Rahmen des Multiple-Choice-Tests abgefragten Informationen wahrgenommen haben, sind es bei der KG weniger als die Hälfte (siehe Tab. 22). Hypothese 1.2 gilt somit als bestätigt. Offensichtlich standen denjenigen, die sich die beiden Folgen am Stück angesehen haben, mehr kognitive Ressourcen für die Ausführung des Subprozesses encoding zur Verfügung als jene, die eine längere Unterbrechung eingelegt haben. So lässt sich erklären, warum die EG mehr Informationen – inhaltliche wie dramaturgische und stilistische – wahrnehmen konnte. storage Hypothese 1.3 nimmt an, dass kumuliert Rezipierende Informationen gründlicher abspeichern. Doch wie der t-Test für unabhängige Stichproben veranschaulicht, existiert kein signifikanter Unterschied zwischen den zwei Versuchsbedingungen (siehe Tab. 23): Beide Gruppen listen in etwa gleich viele Informationen zu den zwei abgefragten Figuren Katie Connor und Arthur Frobisher auf. Hypothese 1.3 lässt sich somit nicht bestätigen. Darüber hinaus unterscheiden sich die beiden Gruppen auch nicht nennenswert in der Zusammensetzung der Informationen, die abgespeichert wurden, wie den Abbildungen 11 und 12 zu entnehmen ist. Die meisten der von den Probandinnen und Probanden genannten Informationen beziehen sich auf konkrete Ereignisse in der Handlung, während Angaben zu Persönlichkeitseigenschaften oder der emotionalen Gestimmtheit der Charaktere in deutlich geringerem Umfang gemacht werden. Auch Bewertungen werden kaum vorgenommen und Spekulationen über den weiteren Handlungsverlauf sind ebenfalls die Ausnahme. Vergleicht man die Angaben zu den beiden Figuren miteinander, fällt auf, dass bei

308

8 Ergebnisse

Arthur Frobisher situationsunabhängige Informationen (z. B. dass er verheiratet und Millionär ist) in etwa so häufig genannt werden wie ereignisbezogene Informationen, während bei Katie Connor klar letztere dominieren. Betrachtet man ferner, auf wie viele verschiedene Ereignisse sich die ereignisbezogenen Informationen beziehen, lässt sich ebenfalls kein Muster erkennen (siehe Abb. 1314). Zwar listet die EG bzgl. Katie Connor mehr Informationen zu unterschiedlichen Ereignissen auf und auch mehr zu Folge 2 als die KG, allerdings verhält es sich bei Arthur Frobisher genau umgekehrt. Was also lässt sich nun aus diesen Befunden schlussfolgern? Ein etwaiger Überschuss an kognitiven Ressourcen – verursacht durch die kumulierte Rezeption und die dadurch entstandenen Effizienzvorteile beim Abruf von alten Informationen – kommt vor allem dem Subprozess encoding zugute und nicht so sehr dem storage. Sofern Informationen wahrgenommen wurden, wurden sie von beiden Gruppen gleich gründlich abgespeichert.

Abb. 11: Art der gegebenen Informationen (Katie Connor)

8.3 Befunde Narratives Verstehen (FF1)

Abb. 12: Art der gegebenen Informationen (Arthur Frobisher)

Abb. 13: Anzahl genannter Ereignisse (Katie Connor)

309

310

8 Ergebnisse

Abb. 14: Anzahl genannter Ereignisse (Arthur Frobisher)

8.3.2

Verstehensstufen

Situationsmodell Hypothese 1.4 besagt, dass kumuliert Rezipierende ein komplexeres Situationsmodell besitzen. In der Stichprobe ist der vermutete Effekt feststellbar (siehe Tab. 24): Die EG gibt den Inhalt der ersten beiden Folgen tatsächlich informations- und damit detailreicher wieder als die KG. Erstere Versuchsgruppe verwendet also mehr Wörter, nennt mehr Ereignisse, mehr Figuren, mehr Orte und Zeitpunkte, mehr Persönlichkeitseigenschaften, mehr emotionale Gestimmtheiten, thematisiert mehr Handlungsstränge und weist mehr Brückeninferenzen auf. Die durchgeführten t-Tests zeigen aber, dass diese Unterschiede – bis auf die Dimension Brückeninferenzen – keiner Systematik unterliegen. Hypothese 1.4 kann somit nicht bestätigt werden. Wie lassen sich diese Befunde erklären? Es erscheint naheliegend, – auch vor dem Hintergrund, dass bei dieser Aufgabe einige Personen den Fragebogen abgebrochen haben – darin in erster Linie ein methodisches Problem zu sehen. Betrachtet man z. B. die

8.3 Befunde Narratives Verstehen (FF1)

311

Tab. 24: Ergebnisse Situationsmodelle kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

Variable

M

SD

M

SD

T

df

p

Gesamtumfang Situationsmodell (normiert)

2,04

1,292

1,72

1,151

1,481

124,7

,071

Wörter

280,6

245,4

228,6

215,3

1,288

123,9

,100

Ereignisse

7,38

7,058

6,23

7,414

,912

129,8

,182

Handlungsstränge

2,41

1,087

2,30

0,960

,605

124,3

,273

Figuren

8,68

3,818

8,00

4,173

,981

123,0

,164

Orte

5,21

4,681

4,06

4,592

1,421

128,4

,079

Zeitpunkte

6,02

6,404

5,10

6,030

,843

127,1

,201

Brücken3,14 1,990 2,51 1,907 1,869 127,7 ,032 inferenzen Emotionale Gestimmt1,11 2,02 0,64 1,098 1,648 93,6 ,052 heit Persönlichkeitseigen1,19 1,424 1,01 1,398 0,715 128,5 ,238 schaften Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben; bei der Variable Gesamtumfang Situationsmodell handelt es sich um normierte Werte auf einer Skala von 0 bis 9 (siehe Kap. 7.5).

312

8 Ergebnisse

Anzahl der Wörter, die die Probandinnen und Probanden verwendet haben, um die Geschehnisse der ersten beiden Folgen zu beschreiben, fällt auf, dass in beiden Versuchsgruppen die Standardabweichung sehr groß ist. Es gibt also in beiden Gruppen Individuen, die extrem wenig58 bzw. extrem viel geschrieben haben, wobei sowohl in der EG als auch in der KG nach oben hin Ausreißer und Extremwerte zu verzeichnen sind. Diese große Streuung gibt Anlass zu der Vermutung, dass bei der Beantwortung der Frage nach dem Situationsmodell von nicht untergeordneter Relevanz gewesen sein dürfte, wie gewillt die Probandin/der Proband war, ausführlich über die narrativen Ereignisse zu berichten (siehe hierzu auch Kap. 7.3.1.2). Das heißt, es wurde wahrscheinlich nicht nur gemessen, wie viel jemand etwas über die bisherige Serienhandlung zu sagen wusste, sondern auch, wie motiviert diese Person war, darüber zu erzählen bzw. zu schreiben. Nachdem die Mitglieder der EG zum Zeitpunkt der Befragung bereits mehr als 1,5 Stunden am Stück ihrer Freizeit in das Forschungsprojekt investiert hatten, ist es denkbar, dass diese Versuchsgruppe von diesem verzerrenden Effekt besonders betroffen war. Nichtsdestotrotz ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die beiden Gruppen sowohl im Gesamtumfang ihres Situationsmodells als auch in den einzelnen Dimensionen (einzige Ausnahme: Brückeninferenzen), nicht systematisch voneinander differieren. Dennoch soll im Folgenden nochmal ausführlicher auf die erhobenen Dimensionen eingegangen werden, um einen tieferen Einblick in die Beschaffenheit des Situationsmodells der Probandinnen und Probanden zu erhalten. Begonnen wird mit der Dimension Ereignisse: Abbildung 15 veranschaulicht, dass beide Gruppen mehr über die Binnenhandlung (Ereignisse in der Vergangenheit) berichten, als über die Rahmenhandlung (Ereignisse in der Gegenwart). Dieses Verhältnis spiegelt in etwa die Gewichtung der beiden Zeitebenen in den ers58

In der KG hat eine Person diese Aufgabe ausgelassen und gar nichts hingeschrieben.

8.3 Befunde Narratives Verstehen (FF1)

313

ten beiden Folgen der Serie wider. Außerdem lässt sich aus Abbildung 15 entnehmen, dass beide Versuchsgruppen mehr Geschehnisse aus Folge 1 thematisieren denn aus Folge 2, wobei das auf die EG in stärkerem Ausmaß zutrifft. Das Ereignis, das sowohl gruppenübergreifend als auch jeweils in den beiden Gruppen am häufigsten genannt wird, ist das dramatischste der ganzen Geschichte: Es ist die Szene, in der David von der Polizei tot in der Badewanne aufgefunden wird. Hier bestätigt sich, was Lang (2000) beschrieben hat: Emotionale Ereignisse/Informationen werden sich besonders gut gemerkt. Betrachtet man die sechs Handlungsstränge, die sich durch die ersten beiden Folgen ziehen, fällt weiterhin auf, dass der aktuelle Fall der Kanzlei Patty Hewes & Associates – die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vs. Arthur Frobisher – immer erwähnt wird, sofern die Aufgabe ‚Situationsmodell‘ bearbeitet wurde (siehe Abb. 16). Auch Handlungsstrang 1 (Mord an David Connor) wird von vier Fünftel der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer thematisiert. Während das Privatleben von Ellen und David (Handlungsstrang 3) sowie von Arthur Frobisher (Handlungsstrang 5) immerhin noch in ca. 20 Prozent aller Zusammenfassungen enthalten ist, wird Patty Hewes Privatleben kaum erwähnt (Handlungsstrang 4). Selbiges trifft auch auf den sechsten Erzählstrang (Privatleben Katie Connor und Gregory Malina) zu, der ganz zum Ende der zweiten Folge in die Geschichte eingeführt wird. Was die erwähnten Figuren anbelangt, gilt (siehe Abb. 17): Immer bzw. nahezu immer genannt werden Ellen Parsons, Patty Hewes und Katie Connor. David Connor und Arthur Frobisher finden ebenfalls noch häufig Erwähnung. Alle anderen Figuren werden in weniger als der Hälfte aller Nacherzählungen aufgeführt. Einzige Ausnahme bildet hier Hund Saffron, der von 61,9 Prozent der Versuchspersonen aus der EG genannt wird. Deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen sind im Hinblick auf folgende drei Figuren zu erkennen: Hollis Nye, Carrie Parsons und der schon erwähnte Hund Saffron – allesamt Figuren, die entweder nur in

314

8 Ergebnisse

Folge 1 vorkommen oder darin eine besonders prominente Rolle spielen. Zuletzt fällt auf, dass rund ein Drittel der Probandinnen und Probanden noch weitere Figuren als jene, die im Codebuch als geschlossene Kategorien erfasst wurden, nennen. Darunter befinden sich z. B. Figuren wie der Auftragskiller, die Prostituierte oder der Börsenmakler, wobei letzterer in den ersten beiden Folgen gar nicht zu sehen ist, sondern lediglich von Patty Hewes bzw. den Anwältinnen und Anwälten ihrer Kanzlei in Gesprächen erwähnt wird. Ferner wurde erhoben, inwieweit Brückeninferenzen Teil des Situationsmodells sind. Dies ist die einzige Dimension, in der sich die beiden Gruppen signifikant voneinander unterscheiden. Abbildung 18 veranschaulicht, dass bis auf Brückeninferenz 5 (Frobisher finanziert Katies Restaurant; ein Umstand, der prominent in Folge 2 thematisiert wird) die EG überall in Führung liegt. Besonders groß ist der Unterschied bei Brückeninferenz 1 (Verwandtschaftsverhältnis Katie und Ellen) sowie bei Brückeninferenzen 3 (Patty lässt Katies Hund umbringen) und 8 (Geburtstagsgeschenk ist gleich die Mordwaffe). Offensichtlich fiel es denjenigen, die die beiden Folgen am Stück angesehen hatten, leichter, Zusammenhänge zu erkennen und relevante Informationen miteinander zu verknüpfen. Aus Abbildung 19 ist zu entnehmen, dass die emotionale Verfassung der Figuren kaum Gegenstand der abgefragten Situationsmodelle ist. Wenn die Wiedergabe der Geschehnisse in Folge 1 und Folge 2 Informationen zur emotionalen Gestimmtheit von Figuren enthält, dann betrifft dies in erster Linie Ellen Parsons und Katie Connor und in einem geringeren Ausmaß Arthur Frobisher. Alle drei Figuren werden in emotionalen Ausnahmezuständen in der Serie gezeigt, weshalb es nachvollziehbar ist, dass ausgerechnet zu diesen drei Figuren Anmerkungen bezüglich ihres emotionalen Zustands gemacht werden. Auffallend ist zudem, dass die EG deutlich häufiger zum Gemütszustand der Hauptfigur Auskunft gibt als die KG.

8.3 Befunde Narratives Verstehen (FF1)

Abb. 15: Situationsmodell-Dimension ‚Ereignisse‘

Abb. 16: Situationsmodell-Dimension ‚Handlungsstränge‘

315

316

Abb. 17: Situationsmodell-Dimension ‚Figuren‘

Abb. 18: Situationsmodell-Dimension ‚Brückeninferenzen‘

8 Ergebnisse

8.3 Befunde Narratives Verstehen (FF1)

Abb. 19: Situationsmodell-Dim. ‚Emotionale Gestimmtheit‘

Abb. 20: Situationsmodell-Dim. ‚Persönlichkeitseigenschaften‘

317

318

8 Ergebnisse

Auch was die Dimension Persönlichkeitseigenschaften betrifft, lässt sich festhalten, dass von den Probandinnen und Probanden kaum Angaben zu Charakteristika der Figuren gemacht werden (siehe Abb. 20). Wenn Eigenschaften einer Figur beschrieben werden, dann handelt es sich dabei vor allem um Ellen Parsons, die Hauptfigur. Weiterhin ist es Patty Hewes, zu deren Persönlichkeitseigenschaften zumindest noch ein Fünftel der Probandinnen und Probanden Stellung nimmt. Dies mag daran liegen, dass sie für eine Frau eher ungewöhnliche Charaktereigenschaften aufweist. Gruppenunterschiede sind jeweils nicht zu erkennen. Welche Erkenntnisse lassen sich nun aus der Feinanalyse ziehen? Vereinzelt gibt es Hinweise darauf, dass sich die beiden Gruppen in der Beschaffenheit ihres Situationsmodells unterscheiden, sie die Geschichte also unterschiedlich verarbeitet haben: So äußert sich die EG ausführlicher zu den Ereignissen aus Folge 1, erwähnt häufiger als die KG Figuren, die nur in Folge 1 vorkommen, und ist besser im Erkennen von Zusammenhängen. Im Situationsmodell der EG nimmt Folge 1 demnach eine wichtigere Rolle ein als bei der KG. Was aber passiert in der ersten Episode eigentlich? Es wird in der Hauptsache die der Serie übergeordnete Dramaturgie, man könnte auch sagen, die Makroebene der Narration, skizziert, die scheinbar einen hohen Stellenwert im Situationsmodell der EG einnimmt. Verallgemeinern lassen sich diese Befunde jedoch nicht. Dramaturgie und Stil Hypothese 1.5 postuliert, dass kumuliert Rezipierende stärker auf Dramaturgie und Stil einer Serie achten. Der t-Test für unabhängige Stichproben verdeutlicht, dass sich die Ausprägung dieser optionalen Verstehensstufe systematisch in Abhängigkeit vom Rezeptionsrhythmus unterscheidet (siehe Tab. 25). Wie erwartet, gibt die EG häufiger an, diese Verstehensstufe ausgeübt zu haben, als die KG. Hypothese 1.5 kann demnach als bestätigt gelten. Diejenigen, die keine Unterbrechung zwischen den zwei Folgen eingelegt ha-

8.3 Befunde Narratives Verstehen (FF1)

319

ben, tendieren stärker dazu, bewusst auf die formale Beschaffenheit einer Serie zu achten. Dieser Befund steht im Einklang mit dem Ergebnis aus Kapitel 8.3.1 zum Informationsverarbeitungssubprozess encoding: Neben inhaltlichen Informationen wurden im recognition test auch formale abgefragt, wobei die EG jeweils mehr wiedererkannte und demzufolge mehr Informationen wahrgenommen haben muss. Tab. 25: Ergebnisse Dramaturgie & Stil sowie Tieferer Sinn kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

Variable

M

SD

M

SD

T

df

p

Dramaturgie & Stil

3,78

1,196

3,43

1,063

1,760

124,6

,041

Tieferer 2,93 1,145 2,83 0,475 0,275 129,2 Sinn Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

,318

Tieferer Sinn Hypothese 1.6 besagt, dass stärker auf den Tieferen Sinn einer Serie geachtet wird, wenn diese am Stück rezipiert wird. Doch wie der tTest für unabhängige Stichproben veranschaulicht, existiert kein signifikanter Unterschied zwischen den zwei Untersuchungsgruppen (siehe Tab. 25). Hypothese 1.6 muss somit abgelehnt werden. Wie lässt sich dieses Ergebnis erklären? In Kapitel 4.1 wurde dargelegt, dass es in der Kognitionspsychologie unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wann über den Tieferen Sinn einer Geschichte nachgedacht wird – ob schon während der Rezeption oder erst auf Nachfrage und Beendigung der Narration. Das vorliegende Ergebnis – beide Gruppen geben zu Protokoll, dass sie während der Rezeption kaum auf den Tieferen Sinn geachtet haben – mag ein Indiz dafür sein, dass das Nachdenken über eine tiefer liegende Botschaft in erster Linie offline erfolgt, also nach Ende der Rezeption.

320

8 Ergebnisse

Welche Schlüsse lassen sich nun aus den Befunden zu den drei untersuchten Verstehensstufen ziehen? Offensichtlich wirkt sich die kumulierte Serienrezeption weniger stark auf den obligatorischen Teil des Narrativen Verstehens (Situationsmodell) aus, sondern mehr auf den optionalen (Achten auf Dramaturgie und Stil). Daraus, dass H1.2 bestätigt werden konnte, nicht aber H1.3, lässt sich ferner schlussfolgern: Sind im Rezeptionsvorgang zusätzliche kognitive Kapazitäten vorhanden, werden diese eher für die optionale Verarbeitungsstufe Achten auf Dramaturgie und Stil verwendet, denn für die Identifizierung des Tieferen Sinns einer Geschichte. 8.4

Befunde Narratives Erleben (FF2)

Forschungsfrage 2 thematisiert den Einfluss des Rezeptionsrhythmus auf das Narrative Erleben. Es wird überprüft, ob das Narrative Erleben bei der kumulierten Serienrezeption von dem bei der traditionellen Rezeption differiert. Zuerst werden die Ergebnisse für jene Erlebensfacetten präsentiert, die dem involvierten Rezeptionsmodus zugerechnet werden. Anschließend erfolgt die Präsentation der Befunde für den analysierenden Modus. 8.4.1

Involvierte Rezeption

Medienempathie Hypothese 2.1 lautet, dass kumuliert Rezipierende ein stärkeres empathisches Erleben aufweisen. Im t-Test zeigt sich ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Versuchsbedingungen: Probandinnen und Probanden der EG sind empathischer mit der Hauptfigur Ellen Parsons als die der KG (siehe Tab. 26). Dieses Muster zeichnet sich für alle drei Dimensionen des Konstrukts gleichermaßen ab. Sowohl was die kognitive, als auch was die affektive und assoziative Empathie anbelangt, erzielen diejenigen, die die beiden Folgen am Stück rezipiert haben, höhere Werte. Hypothese 2.1 kann somit als bestätigt gelten. Offensichtlich gelingt es besser,

8.4 Befunde Narratives Erleben (FF2)

321

sich in die Lage der handlungstragenden Figur hineinzuversetzen und mit ihr mitzufühlen, wenn die Serie ohne große Unterbrechungen konsumiert wird. Tab. 26: Ergebnisse Medienempathie kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

M

SD

M

SD

T

df

p

Empathie gesamt

3,99

0,961

3,63

1,012

2,113

129,8

,019

affektive Empathie

4,05

1,230

3,66

1,126

1,885

125,9

,031

kognitive Empathie

4,25

0,995

3,89

1,020

2,021

129,4

,023

Variable

assoziative 3,68 0,996 3,34 1,296 1,726 126,4 Empathie Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

,044

Dieses Ergebnis hat selbst dann noch Bestand, wenn man berücksichtigt, dass Ellen Parsons längst nicht allen Probandinnen und Probanden gleichermaßen sympathisch war. Tabelle 27 gibt einen Überblick darüber, wer von den Versuchspersonen als Lieblingsfigur genannt wurde. Zunächst fällt auf, dass die Streuung groß ist. Trotzdem führt in beiden Gruppen die junge Anwältin die Liste der beliebtesten Charaktere an, wobei nicht zu übersehen ist, dass dies für die EG in viel größerem Umfang zutrifft als für die KG. Nun könnte man argumentieren, dass dieser starke Unterschied in der Sympathiebekundung Hypothese 2a zugunsten der EG verzerrt hat. In der Tat wird die Differenz nivelliert, wenn nur jene Versuchspersonen bei der Prüfung der Hypothese berücksichtigt werden, die Ellen als Lieblingsfigur angegeben haben (siehe Tab. 28). Dies bestätigt Zillmanns Annahme, wonach Sympathie eine relevante Einflussgröße beim Empfinden von Empathie mit Medienfiguren ist (Zillmann, 1980, 1991).

322

8 Ergebnisse

Tab. 27: Lieblingsfiguren aus der Serie ‚Damages‘ Variable Lieblingsfigur

gesamt (N=132)

kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

Differenz

Ellen Parsons (%)

50,8%

60,3%

42,0%

,039

Patty Hewes (%)

16,7%

15,9%

17,4%

n.s.a

Katie Connor (%)

10,6%

6,3%

14,6%

n.s.a

David Connor (%)

6,8%

6,3%

7,2%

k.A.m.b

Arthur Frobisher (%)

3,0%

3,2%

2,9%

k.A.m.b

Hollis Nye (%)

4,5%

3,2%

5,8%

k.A.m.b

Tom Shayes (%)

4,5%

1,6%

7,2%

k.A.m.b

Phil Grey (%)

0,8%

1,6%

0,0%

k.A.m.b

keine Lieblingsfigur (%)

2,3%

1,6%

2,9%

k.A.m.b

n.s. = nicht signifikant; X2-Test; 95-prozentiges Signifikanzniveau k.A.m. = keine Signifikanzangabe möglich, da zu viele Zellen mit weniger als fünf zu erwartenden Fällen a

b

Tab. 28: Ergebnisse Empathie: Ellen Lieblingsfigur

Variable

kumulierte Rezeption (n = 38)

traditionelle Rezeption (n = 29)

M

M

SD

SD

T

df

Empathie 4,00 0,913 3,82 0,971 0,745 58,4 gesamt Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

p ,230

8.4 Befunde Narratives Erleben (FF2)

323

Entscheidender für die Argumentation ist jedoch, wie es sich bei denen verhält, die eine andere Figur als Ellen zum Serienliebling haben. Hier zeigt sich, dass neben Sympathie auch der Rezeptionsrhythmus einen positiven Effekt auf das Empathieerleben der Rezipierenden hat (siehe Tab. 29). Man muss Ellen also nicht sonderlich gerne mögen, um mit ihr mitzufiebern, solange man sich durch die kumulierte Rezeption der Folgen nur gut genug in ihre Situation hineinversetzen kann. Tab. 29: Ergebnisse Empathie: Ellen nicht Lieblingsfigur

Variable

kumulierte Rezeption (n = 25)

traditionelle Rezeption (n = 40)

M

M

SD

SD

T

df

Empathie 3,99 1,050 3,49 1,030 1,871 50,3 gesamt Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

p ,034

Parasoziale Interaktionen Weiterhin wird angenommen, dass am Stück Rezipierende über intensivere Parasoziale Interaktionen verfügen (H2.2). Wie der t-Test für unabhängige Stichproben veranschaulicht, lässt sich diese Hypothese für die Gesamtskala nicht bestätigen (siehe Tab. 30). Betrachtet man jedoch die drei PSI-Dimensionen einzeln, erhält man ein differenzierteres Bild: In Einklang mit den Befunden zu Hypothese 2.1 (Medienempathie) reagieren diejenigen systematisch stärker perzeptiv-kognitiv und affektiv auf die Hauptfigur Ellen Parsons, die Damages kumuliert rezipiert haben. Lediglich, was konative PSIProzesse anbelangt, schneidet die KG besser ab, allerdings ist diese Differenz nicht signifikant. Dass sich in Bezug auf letztgenannte Dimension keine nennenswerten Unterschiede ergeben, ist damit zu erklären, dass in den beiden Folgen auf eine direkte Adressierung des Publikums weitestgehend verzichtet wird. Nur vereinzelt blickt Ellen Parsons direkt in die Kamera, beispielsweise zu Beginn der ersten und zum Ende der zweiten Folge.

324

8 Ergebnisse

Auch für die parasoziale Verarbeitung gilt, dass starke Sympathien für Ellen Parsons die Reaktionen auf sie verstärken (siehe Tab. 31). Doch wie schon beim Empathieerleben zeigt sich darüber hinaus, dass die kumulierte Rezeption die perzeptiv-kognitiven und affektiven PSI-Prozesse entscheidend mitbeeinflusst (siehe Tab. 32). Tab. 30: Ergebnisse PSI-Prozesse kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

M

SD

M

SD

T

df

p

PSI gesamt

3,84

0,898

3,57

1,002

1,615

130,0

,055

perzeptivkognitive PSI

4,23

0,887

3,96

1,139

2,071

126,9

,020

affektive PSI

3,98

1,461

3,38

1,322

2,446

125,8

,008

konative PSI

2,73

1,318

2,99

1,331

-1,106

129,1

,136

Variable

Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

Tab. 31: Ergebnisse PSI-Prozesse: Ellen Lieblingsfigur kumulierte Rezeption (n = 38)

traditionelle Rezeption (n = 29)

M

SD

M

SD

T

df

p

perzeptivkognitive PSI

4,37

0,812

4,22

1,145

0,594

48,2

,278

affektive PSI

4,04

1,441

3,66

1,122

1,213

65,0

,115

konative PSI

2,68

1,280

3,20

1,246

-1,644

61,2

,053

Variable

Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

8.4 Befunde Narratives Erleben (FF2)

325

Tab. 32: Ergebnisse PSI-Prozesse: Ellen nicht Lieblingsfigur kumulierte Rezeption (n = 25)

traditionelle Rezeption (n = 40)

M

SD

M

SD

T

df

p

perzeptivkognitive PSI

4,25

1,002

3,76

1,108

1,818

54,9

,037

affektive PSI

3,89

1,518

3,18

1,448

1,868

49,3

,034

konative PSI

2,80

1,398

2,83

1,386

-0,094

50,8

,463

Variable

Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

Immersion Hypothese 2.3 geht davon aus, dass kumuliert Rezipierende ein stärkeres Immersives Erleben aufweisen. Der t-Test verdeutlicht, dass sich das Immersive Erleben nicht signifikant in Abhängigkeit vom Rezeptionsrhythmus unterscheidet (siehe Tab. 33). Hintergrund der Hypothese war die Annahme, dass es der EG leichter fallen müsste, ein kohärentes Situationsmodell aufzubauen. Die Dimension Narratives Verstehen der Narrative Engagement-Skala misst genau das. Vergleicht man hier nun die Mittelwerte der beiden Gruppen, stellt man fest, dass es den Probandinnen und Probanden annähernd gleich leicht gefallen ist, die Handlung zu verstehen. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass bei der Bewertung der drei Items soziale Erwünschtheit eine Rolle gespielt haben könnte. Zuzugeben, Verständnisschwierigkeiten gehabt zu haben, dürfte einem selbst in einer anonymen Befragung schwer fallen. Doch auch im Hinblick auf die Dimensionen Narrative Präsenz und Affektive Beteiligung unterscheiden sich die beiden Gruppen nicht signifikant. Lediglich, was die Dimension Aufmerksamkeitsfokus betrifft, scheint die EG konzentrierter gewesen zu sein. Wie also lassen sich die widersprüchlichen Involvementbefunde erklären? Unter Forschungsfrage 1 wurde bereits die Vermutung dargelegt, dass die Makroebene der Narration von besonderer

326

8 Ergebnisse

Wichtigkeit für die EG war. Zurückgeführt wurde diese Schlussfolgerung auf die Tatsache, dass das Situationsmodell der EG mehr Ereignisse aus Folge 1 aufweist als das der KG (siehe Kap. 8.3.2). Nimmt man nun die Befunde aus Tabelle 27 hinzu, nämlich, dass Katie Connor und Thomas Shayes, auf denen in Folge 2 ein großer narrativer Fokus liegt, von den Probandinnen und Probanden der KG häufiger als Lieblingsperson genannt wurden als von der EG, erscheint folgende Vermutung nicht ganz unplausibel: Zwar waren die Versuchspersonen beider Gruppen gleich stark transportiert, jedoch bzgl. verschiedener Handlungsebenen – die EG in die Handlung von Folge 1 und 2 und damit auf Makround Mikroebene, die KG vor allem auf letztere. Dabei handelt es sich freilich nur um eine nachträgliche Erklärung für den negativen Befund bei Hypothese 2.3. Inwiefern diese Annahme tatsächlich zutrifft, müsste nochmal separat, d. h. mit einem neuen Datensatz, getestet werden. Tab. 33: Ergebnisse Immersives Erleben

Variable Immersion gesamt Narratives Verstehen Aufmerksamkeitsfokus Narrative Präsenz

kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

M

SD

M

SD

T

df

p

4,36

0,887

4,17

0,952

1,191

129,9

,118

4,92

1,177

4,76

1,162

0,796

128,6

,214

4,94

0,906

4,49

0,996

1,774

130,0

,039

2,98

1,299

2,91

1,422

0,278

130,0

,391

Emotionale 4,60 1,371 4,51 1,461 0,369 129,9 Beteiligung Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

,356

8.4 Befunde Narratives Erleben (FF2)

327

Für den involvierten Rezeptionsmodus lässt sich somit resümieren: Die Befunde sprechen mehrheitlich dafür, dass sich die kumulierte Serienrezeption positiv auf das medienfigurenbezogene Involvement auswirkt. Dieser Effekt lässt sich jedoch nicht für das Involviertsein in den narrativen Medieninhalt als Ganzes replizieren. 8.4.2

Analysierende Rezeption

Ästhetisches Erleben Hypothese 2.4 postuliert, dass kumuliert Rezipierende stärkere ästhetische Erfahrungen machen. Der t-Test für unabhängige Stichproben zeigt, dass sich die beiden Nutzungskonstellationen in ihrer Intensität Ästhetischen Erlebens signifikant voneinander unterscheiden (siehe Tab. 34). Somit kann Hypothese 2.4 als bestätigt gelten. Der Vergleich der Mittelwerte der beiden Gruppen veranschaulicht, dass das ästhetische Urteil der Probandinnen und Probanden deutlich besser ausfällt, wenn sie Damages am Stück rezipiert haben. Ein solches kann jedoch nur gefällt werden, wenn das Stimulusmaterial dahingehend auch, bewusst oder unbewusst, erfahren wurde. Die kumulierte Rezeption ermöglicht es einem demnach, eine Serie stärker ästhetisch zu erleben und entsprechend zu bewerten. Appreciation Zuletzt nimmt Hypothese 2.5 an, dass am Stück Rezipierende stärkere Appreciation aufweisen. Der unterstellte Effekt zeigt sich nicht, sodass Hypothese 2e abgelehnt werden muss (siehe Tab. 34). Wie aber lässt sich der nicht vorhandene Unterschied erklären? Zum einen basierte die Hypothese auf der Annahme, dass sich die EG stärker auf die Identifikation des Tieferen Sinns der Serie konzentriert. Nachdem dies aber nicht der Fall ist, ist es wenig überraschend, dass sich die beiden Nutzungskonstellationen auch bezüglich ihrer sinnstiftenden Erfahrungen nicht unterscheiden. Hinzu

328

8 Ergebnisse

kommt, dass die Serie dem Krimigenre zuzurechnen ist und damit weniger Potential für sinnstiftende Erfahrungen bereithält wie beispielsweise Dramen (siehe hierzu auch Kap. 5.1.2.2). Ebenso könnte eine Rolle gespielt haben, dass die Geschichte noch nicht zu Ende erzählt ist und man demzufolge noch gar nicht deren Quintessenz, die es ja wertzuschätzen gilt, kennt. Tab. 34: Ergebnisse Ästhetisches Erleben & Appreciation kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

Variable

M

SD

M

SD

T

df

p

Ästhetisches Erleben

4,49

0,996

3,95

1,191

2,809

129,0

,003

Appreciati3,89 1,504 3,82 1,417 0,275 127,1 on Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

,392

Damit lassen sich die Annahmen zum analysierenden Rezeptionsmodus nur teilweise bestätigen. Zwar trifft es zu, dass eine Serie stärker ästhetisch erlebt wird, wenn sie kumuliert rezipiert wird. Was jedoch intensivere sinnstiftende Erfahrungen anbelangt, lässt sich keine Abhängigkeit vom Rezeptionsrhythmus feststellen. 8.5

Befunde Rezeptionsgenuss & -motivation (FF3)

Forschungsfrage 3 betrachtet den Einfluss des Rezeptionsrhythmus auf den individuellen Rezeptionsgenuss und die Motivation, die Serienrezeption fortzuführen. Deshalb wird im Folgenden überprüft, ob sich Rezeptionsgenuss und -motivation zwischen den beiden Nutzungskonstellationen systematisch unterscheiden.

8.5 Befunde Rezeptionsgenuss & -motivation (FF3)

329

Rezeptionsgenuss Hinsichtlich des Rezeptionsgenusses wurden zwei Hypothesen aufgestellt: Hypothese 3.1a postuliert, dass das Unterhaltungserleben stärker ausfällt, wenn kumuliert rezipiert wird. Zudem wird angenommen, dass das Medienangebot besser bewertet wird, wenn mehrere Folgen einer Serie am Stück angesehen werden (H3.1b). Wie Tabelle 35 zeigt, verfügen die Versuchspersonen der EG am Ende der zweiten Episode über ein signifikant stärkeres Unterhaltungserleben als die KG. Während sich diejenigen, die Damages kumuliert rezipiert haben, gut unterhalten fühlen, trifft das auf die Vergleichsgruppe in deutlich geringerem Maße zu. Hypothese 3.1a gilt demnach als bestätigt. Auch was die Bewertung der Serie angeht, weist der t-Test einen signifikanten Unterschied aus: Während die EG Damages im Schnitt die Schulnote 2-3 gibt, bewertet die KG das Stimulusmaterial durchschnittlich mit der Schulnote 3+ (siehe Tab. 35). Hypothese 3.1b kann somit ebenfalls als bestätigt angesehen werden. Insgesamt lässt sich also schlussfolgern: Eine Serie kumuliert zu rezipieren erhöht den Rezeptionsgenuss. Rezeptionsmotivation Hypothese 3.2a geht davon aus, dass die Motivation, die Rezeption unmittelbar fortzusetzen, höher ausfällt, wenn die Serie kumuliert rezipiert wird. Wie aus Tabelle 35 ersichtlich ist, trifft auch diese Hypothese zu. Obwohl die EG zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Folgen hintereinander gesehen hat, tendieren die Probandinnen und Probanden dieser Versuchsbedingung stärker dazu, im Anschluss an die zweite Episode gleich noch die dritte zu konsumieren. Dieser Effekt ist signifikant. Neben der unmittelbaren Rezeptionsmotivation wird zudem angenommen, dass sich die beiden Gruppen auch in ihrer generellen Motivation, die Serie zukünftig weitersehen zu wollen, unterscheiden (H3.2b). Diese Hypothese lässt sich jedoch nicht bestätigen. Wie die Feinanalyse zeigt, liegt dies vor allem an dem zweiten Item, mit dem diese Variable gemessen wurde. Danach gefragt, wie

330

8 Ergebnisse

gerne die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zukünftig, unabhängig von der Studie, Damages zu Ende sehen wollen, ergibt sich noch der erwartete Effekt: Der Wunsch, die Rezeption dauerhaft fortzuführen, ist bei der EG deutlich ausgeprägter als bei der KG (MEG =5,13 , SD = 1,486; MKG = 4,49, SD = 1,787; T(128,9) = 2,223, p = ,014). Dieser Effekt verschwindet jedoch, wenn nachgehakt wird, für wie wahrscheinlich es die Versuchspersonen halten, dass sie dies tatsächlich in nächster Zeit tun werden. Davon abgesehen, dass beide Gruppen es für eher unwahrscheinlich halten (MEG =3,10, SD = 1,624; MKG = 2,94, SD = 1,870), unterscheiden sie sich auch sonst nicht in ihrem Urteil (T(129,7) = 0,504, p = ,308). Was lässt sich aus diesen Befunden schlussfolgern? Bei der Beantwortung der zweiten Frage spielen offensichtlich noch andere Beweggründe eine Rolle, als die reine Lust, die Serie weiterzuschauen. Vermutlich fällt hier nun auch ins Gewicht, ob man überhaupt genügend Zeit hat, eine neue Serie zu konsumieren, und ob man weiterhin kostenlosen oder zumindest kostengünstigen Zugriff darauf hat. Betrachtet man jedoch nur den inneren Drang, die Rezeption weiterzuführen, ohne Rücksicht auf äußere Umstände zu nehmen, lässt sich festhalten: Dieser wird durch die kumulierte Rezeption verstärkt. Tab. 35: Ergebnisse Rezeptionsgenuss & -motivation kumulierte Rezeption (n = 63)

traditionelle Rezeption (n = 69)

Variable

M

SD

M

SD

T

df

p

Unterhaltungserleben

5,25

1,365

4,55

1,542

2,758

129,9

,004

Bewertung Serie

2,43

,767

2,69

,922

-1,796

128,9

,038

unmittelbare Motivation

4,79

1,402

4,11

1,307

2,832

126,7

,003

generelle 4,11 1,378 3,72 1,712 1,461 128,0 Motivation Signifikante Unterschiede (einseitig getestet) sind fett hervorgehoben

,073

8.6 Zusammenhänge zwischen den Konstrukten (FF4)

8.6

331

Zusammenhänge zwischen den Konstrukten (FF4)

Nachdem überprüft wurde, inwiefern bivariate Zusammenhänge zwischen der unabhängigen Variable Rezeptionsrhythmus und den abhängigen Variablen des Narrativen Verstehens, Narrativen Erlebens sowie des Rezeptionsgenusses und der -motivation existieren, wird sich nun der letzten Forschungsfrage zugewendet. Forschungsfrage 4 thematisiert, wie die einzelnen Modellkomponenten zusammenhängen. Informationsverarbeitung und Verstehensstufen Zunächst ist von Interesse, ob ein Zusammenhang zwischen der Variable Informationsverarbeitung und den einzelnen Verstehensstufen besteht. Um dies überprüfen zu können, wurde ein additiver Index aus den drei Subprozessen retrieval, encoding und storage gebildet. Nachdem diese nicht alle denselben Wertebereich besitzen und sie somit ungleichgewichtig in den Index eingegangen wären, wurden die drei Variablen vor der Indexbildung anhand der jeweiligen empirischen bzw. theoretischen Maximalwerte normiert. Es zeigt sich, dass der Prozess der Informationsverarbeitung signifikant und auf einem moderaten Niveau mit der Verstehensstufe Situationsmodell korreliert. Diejenigen, die Informationen besser verarbeitet haben, verfügen in der Tendenz über ein komplexeres Situationsmodell. Hypothese 4.1 lässt sich folglich bestätigen (siehe Tab. 36). Selbiges gilt auch für Hypothese 4.2, die annimmt, dass Informationsverarbeitung sowie Dramaturgie und Stil positiv miteinander korrelieren (siehe Tab. 36). Allerdings handelt es sich dabei mit rs = ,243 um einen schwachen Effekt. Dass der Zusammenhang eher gering ausfällt, lässt sich mit dem Model of Aesthetic Appreciation and Aesthetic Judgements von Leder et al. (2004) erklären (siehe Kap. 5.1.2.1). Darin wird postuliert, dass jene Schritte, die notwendig sind, um ein Objekt als ästhetisch zu identifizieren und wahrzunehmen, unbewusst erfolgen. Erst in der dritten Phase, der expliziten Klassifikation, tritt eine bewusste Auseinandersetzung mit dem ästhetischen Ob-

332

8 Ergebnisse

jekt ein. Hier wird vom Betrachtenden der Inhalt und Stil eines Gegenstandes unter Zuhilfenahme einschlägigen Vorwissens analysiert, was anschließend auch verbalisiert werden kann. Die Versuchspersonen können also durchaus stilistische Informationen wahrgenommen haben, ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein. Keinerlei Zusammenhang lässt sich hingegen für die Variable Informationsverarbeitung und die Verstehensstufe Tieferer Sinn feststellen (siehe Tab. 36). Hypothese 4.3 muss damit abgelehnt werden. Dieser negative Befund legt einmal mehr den Schluss nahe, dass das Nachdenken über den Tieferen Sinn einer Geschichte eher erst in der postkommunikativen Phase erfolgt und nicht schon während der Rezeption (siehe Kap. 8.3.2). Tab. 36: Zusammenhang Verarbeitung & Verstehensstufen SituationsDramaturgie Korrelationen Tieferer Sinn modell & Stil Informationsver,520*** ,243** ,014 arbeitung *** p < ,001; ** p < ,01 (einseitig getestet nach Spearman); N = 132

Verstehensstufen und Narratives Erleben Ferner gilt es zu überprüfen, ob ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Verstehensstufen und den Facetten des Narrativen Erlebens existiert. Tabelle 37 veranschaulicht, dass die Vestehensstufe Situationsmodell nicht, wie angenommen, mit dem empathischen oder immersiven Erleben einer Person korreliert und ebenso wenig mit den durchlaufenen PSI-Prozessen. Offensichtlich gab es viele Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, die zwar in knappen Worten schildern, was in den ersten beiden Folgen passiert ist, aber trotzdem intensiv mit der Hauptfigur Ellen Parsons parasozial interagierten, mit ihr mitfieberten und transportiert waren. Umgekehrt gab es auch einige Versuchspersonen, die ausführlicher über die Geschehnisse in den ersten beiden Folgen berichten, jedoch nicht sonderlich involviert in die Geschichte waren. Hypothesen 4.4 bis 4.6 können somit nicht bestätigt werden. Wie aber lassen sich diese

8.6 Zusammenhänge zwischen den Konstrukten (FF4)

333

Befunde erklären? Vermutlich handelt es sich hierbei zuallererst um ein methodisches Problem (siehe auch Kap. 8.3.2): Es wurde wahrscheinlich nicht nur gemessen, wie viel jemand etwas über die bisherige Serienhandlung zu berichten wusste, sondern auch, wie gewillt diese Person war, darüber ausführlich Auskunft zu geben. Tab. 37: Zusammenhang Situationsmodell & involv. Modus MedienKorrelationen PSI Immersion empathie Situationsmodell

,032

,017

-,009

Einseitig getestet nach Spearman; N = 132

Was den Zusammenhang zwischen Wahrnehmung von Dramaturgie und Stil einerseits und dem Ästhetischen Erleben andererseits anbelangt, lässt sich zwar ein sehr schwacher Effekt konstatieren, allerdings ist dieser nicht signifikant (rs = ,112, p = ,101 (einseitig getestet)). Hypothese 4.7 kann damit ebenfalls nicht bestätigt werden. Scheinbar beurteilen einige die Serie als sehr ästhetisch, obwohl sie nach eigenen Angaben nicht auf Dramaturgie und Stil der Serie geachtet haben. Um diesen auf den ersten Blick widersprüchlichen Befund zu erklären, sei nochmal auf das Model of Aesthetic Appreciation and Aesthetic Judgements von Leder et al. (2004) verwiesen (siehe Kap. 5.1.2.1). Darin wird angenommen, dass nicht zwangsweise alle Stufen des Modells durchlaufen werden müssen, um eine ästhetische Erfahrung machen zu können. Es reicht demnach bereits aus, ein Objekt unbewusst als ästhetisch wahrzunehmen, um dieses als ästhetisch zu erleben. Betrachtet man zuletzt den Zusammenhang zwischen der Verstehensstufe Tieferer Sinn und der Erlebensfacette Appreciation, stellt man fest: Die beiden Variablen korrelieren auf einem moderaten Niveau signifikant miteinander (rs = ,357, p < ,001 (einseitig getestet)). Je mehr also auf den Tieferen Sinn geachtet wurde, desto mehr sinnstiftende Erfahrungen wurden auch gemacht bzw. je weniger auf den Tieferen Sinn geachtet wurde, desto weniger sinnstiftende

334

8 Ergebnisse

Erfahrungen wurden gemacht. Hypothese 4.8 kann demnach als bestätigt gelten. Narratives Erleben und Rezeptionsgenuss Weiterhin ist von Interesse, ob es einen Zusammenhang zwischen den Erlebensfacetten und dem Rezeptionsgenuss gibt. Es zeigt sich, dass das empathische Erleben sowohl signifikant mit dem subjektiven Unterhaltungserleben als auch mit der Bewertung der Serie korreliert (siehe Tab. 38).59 Beide Zusammenhänge haben mit rs = ,423 bzw. -,434 einen moderaten Effekt. Hypothesen 4.9a und 4.9b können damit als bestätigt gelten. Wer sich besser in Ellen Parsons Lage hineinversetzen konnte und stärker mit ihr mitgefühlt hat, der erlebte einen höheren Rezeptionsgenuss. Es zeigte sich damit ein Zusammenhang, der sich auch schon in anderen empirischen Studien feststellen ließ (z. B. Busselle & Bilandzic, 2009; Raney & Bryant, 2002; Shafer & Raney, 2012). Darüber hinaus existiert ein signifikanter, aber schwächerer Zusammenhang zwischen den PSI-Prozessen, die die Versuchspersonen mit der Hauptfigur der Serie eingegangen sind, und dem Rezeptionsgenuss, den sie am Ende der beiden Folgen verspürt haben (siehe Tab. 38). Hypothesen 4.10a und 4.10b lassen sich somit ebenfalls bestätigen. Die verhältnismäßig geringe Höhe des Effekts mag damit zu tun haben, dass innerhalb der PSI-Prozesse-Skala recht unterschiedlich geantwortet wurde (konative Dimension vs. perzeptiv-kognitive und affektive Dimension) (siehe Kap. 8.4.1).

59

Dass bei letzterem Zusammenhang ein negatives Vorzeichen ausgewiesen wird, hat damit zu tun, dass die beiden Variablen unterschiedlich gepolt sind. Die Bewertung der Serie wurde mittels Schulnoten gemessen, wobei 1 die beste Note ist und 6 die schlechteste. Die Variablen der narativen Erlebensfacetten hingegen wurden auf einer siebenstufigen Likert-Skala erhoben, wobei 1 bedeutete „trifft überhaupt nicht zu“ und 7 „trifft voll und ganz zu“.

8.6 Zusammenhänge zwischen den Konstrukten (FF4)

335

Tab. 38: Zusammenhang Erleben & Rezeptionsgenuss Korrelationen

Unterhaltungserleben

Urteil Serie

Medienempathie

,423***

-,434***

PSI

,292***

-,337***

Immersion

,452***

-,434***

Ästhetisches Erleben

,601***

-,701***

Appreciation

,428***

-,515***

*** p < ,001 (einseitig getestet nach Spearman); N = 132

Wie schon in anderen Studien (z. B. Bilandzic & Busselle, 2011; Busselle & Bilandzic, 2009; Krakowiak & Oliver, 2012), so erweist sich auch in dieser Arbeit folgender Zusammenhang als richtig: Immersives Erleben intensiviert den Rezeptionsgenuss. Denn die Annahme, wonach das Immersive Erleben einer Person mit ihrem Unterhaltungserleben korreliert, trifft ebenso zu, wie die, dass es mit der Bewertung der Serie korreliert (siehe Tab. 38). In beiden Fällen handelt es sich um einen Zusammenhang auf mittlerem Niveau. Auch die Hypothesen 4.11a und 4.11b lassen sich demnach bestätigen. Ferner lässt sich ein starker, signifikanter Zusammenhang zwischen dem Ästhetischen Erleben einer Person und ihrem Rezeptionsgenuss konstatieren (siehe Tab. 38). Je intensiver das Ästhetische Erleben, desto besser fällt das subjektive Unterhaltungserleben und das Urteil über die Serie aus. Hypothesen 4.12a und 4.12b können somit ebenso als bestätigt gelten. Dass dieser Effekt so stark ist, lässt sich mit den Eigenschaften des Stimulusmaterials erklären. Weil Damages eine Quality TV-Serie ist und eine besondere Ästhetik aufweist, bietet sie auch entsprechend viel Potential, sie dahingehend zu würdigen (siehe Kap. 7.1.4). Zuletzt zeigt sich, dass Appreciation und die beiden Rezeptionsgenuss-Variablen signifikant miteinander korrelieren (siehe Tab. 38).

336

8 Ergebnisse

Versuchspersonen, die die Serie als sinnstiftend erlebt haben, verfügen über einen intensiveren Rezeptionsgenuss. Beide Zusammenhänge haben mit rs = ,428 bzw. -,515 einen moderaten Effekt. Damit gelten die Hypothesen 4.13a und 4.13b ebenfalls als bestätigt. Insgesamt verdeutlichen die in Tabelle 38 aufgelisteten Befunde, dass die dem analysierenden Rezeptionsmodus zugerechneten Erlebensfacetten mindestens genauso bedeutend für den Rezeptionsgenuss einer Quality TV-Serie sind, wie die des involvierten Modus. Rezeptionsgenuss und Rezeptionsmotivation Abschließend gilt es zu überprüfen, ob ein Zusammenhang zwischen den Konstrukten Rezeptionsgenuss und Rezeptionsmotivation besteht. Die Ergebnisse hierzu lassen sich aus Tabelle 39 entnehmen. Es zeigt sich, dass die entsprechenden Variablen signifikant und auf einem starken Niveau miteinander korrelieren. Hypothesen 4.14a bis 4.15b lassen sich folglich bestätigen. Wem das Anschauen der Serie Freude gemacht und wem sie gefallen hat, der ist sowohl unmittelbar als auch generell stärker motiviert, die Rezeption fortzusetzen. Tab. 39: Zusammenhang Rezeptionsgenuss & -motivation Motivation Korrelationen Motivation generell unmittelbar Unterhaltungserleben

,658***

,767***

Urteil Serie

-,656***

-,756***

*** p < ,001 (einseitig getestet nach Spearman) ; N = 132

8.7 Fazit

8.7

337

Fazit

Zum Abschluss des Empirieteils sollen die zentralen Erkenntnisse der Studie nun noch einmal kompakt und übersichtlich zusammengetragen werden. Eine der vier forschungsleitenden Fragen lautete, welchen Einfluss das kumulierte Sehen einer Serie auf Rezeptionsgenuss und Rezeptionsmotivation einer Person hat (FF3). Es bestätigte sich, dass diese Rezeptionsweise zu einem höheren Unterhaltungserleben führt (H3.1a-H3.1b) und kumuliert Rezipierende motivierter sind, die Rezeption unmittelbar fortzusetzen (H3.2a). Will man diese Befunde erklären, muss man sich damit beschäftigen, welche Auswirkungen ein hoher Rezeptionsrhythmus auf die kognitiven und affektiven Vorgänge während der Rezeption hat. Forschungsfrage 1 untersuchte deshalb, welchen Einfluss die kumulierte Serienrezeption auf das Narrative Verstehen eines Individuums hat. Was den, den einzelnen Verstehensstufen vorgelagerten Informationsverarbeitungsprozess anbelangt, wurde angenommen, dass die Rezeption am Stück förderlich für den Subprozess retrieval ist und – weil retrieval, encoding und storage simultan verlaufen – dadurch mehr kognitive Ressourcen für die Ausführung der anderen beiden Subprozesse vorhanden sind. Zwar ließ sich die Hypothese nicht signifikant bestätigen, dass Inhalte vorangegangener Episoden bei einem hohen Rezeptionsrhythmus kognitiv verfügbarer sind (H1.1). Dass diese Annahme dennoch nicht völlig unbegründet ist, zeigt folgender Befund: Diejenigen, die die beiden Folgen am Stück ansahen, nahmen mehr Informationen aus Folge 2 wahr als jene, die eine längere Pause einlegten (H1.2). Folgt man der Logik des Limited Capacity Model of Mediated Message Processing von Lang (2000, 2009) ist dies nur möglich, wenn für den Abruf von im Gedächtnis abgespeicherten Informationen verhältnismäßig wenig Ressourcen benötigt wurden. Weil keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der gründlichen Abspeicherung von Informationen gefunden werden konnten (H1.3), steht zu vermuten, dass ein etwaiger Ressourcenüberschuss eher dem Subprozess encoding zugutekommt als dem

338

8 Ergebnisse

Subprozess storage. Darauf, dass die kumulierte Serienrezeption kognitive Kapazitäten freisetzt, deuten auch die Ergebnisse zu den untersuchten Verstehensstufen hin. Während die Befunde bei dem obligatorischen Verarbeitungsschritt – dem Bilden eines Situationsmodells – zwar in die richtige Richtung weisen, aber nicht signifikant sind (H1.4), unterscheiden sich die beiden Gruppen systematisch hinsichtlich der optionalen Verstehensstufe Erkennen von dramaturgischen und stilistischen Mitteln (H1.5). Offensichtlich verfügen kumuliert Rezipierende über mehr kognitive Ressourcen, um neben dem Aufbau eines Situationsmodells noch auf Dramaturgie und Stil der Serie achten zu können. Von untergeordneter Relevanz war hingegen für beide Gruppen, sich Gedanken über den Tieferen Sinn der Geschichte zu machen (H1.6). Ein eventuell vorhandener Ressourcenüberschuss kommt damit weniger der Verstehensstufe Identifizierung des Tieferen Sinns und mehr dem Achten auf Dramaturgie und Stil zugute. Forschungsfrage 2 befasste sich mit dem Einfluss eines hohen Rezeptionsrhythmus auf das Narrative Erleben einer Person. Die Studie bestätigt die Annahme, dass durch die Rezeption am Stück das medienfigurenbezogene Involvement verstärkt wird (H2.1H2.2). Zwar lässt sich nicht belegen, dass kumuliert Rezipierende über ein komplexeres Situationsmodell verfügen, dennoch erleichtert einem die kumulierte Rezeption offenbar, sich in die Hauptfigur der Serie hineinzuversetzen und eine emotionale Bindung zu ihr aufzubauen. Dieser Effekt lässt sich allerdings nicht für das Immersive Erleben einer Person replizieren, d. h. die beiden Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich dieser Erlebensfacette nicht signifikant voneinander (H2.3). Auch andere Untersuchungen kommen hier zu widersprüchlichen Ergebnissen: So lässt sich bei Tukachinsky und Eyal (2017) in einer Studie ein Zusammenhang zwischen dem Rezeptionsrhythmus und dem Transportationsgefühl der Rezipierenden erkennen, nicht aber in der zweiten Studie. Die Tatsache, dass die EG signifikant häufiger Ellen Parsons als Lieblingsfigur nennt sowie mit ihr stärker empathisch mitfiebert und parasozial interagiert, mag ein Hinweis darauf sein, dass die beiden

8.7 Fazit

339

Gruppen zwar gleich transportiert waren, aber hinsichtlich unterschiedlicher Ebenen der Geschichte: Die KG, die häufiger als die EG prominente Personen aus Folge 2 zur Lieblingsfigur hatte, in die Folgendramaturgie; die EG, bei der zudem Ereignisse aus Folge 1 einen besonderen Stellenwert im Situationsmodell einnahmen, in die Mikro- und Makroebene der Narration. Ersteres wäre wiederum eine weitere Erklärung dafür, warum bei der KG die Motivation nicht so hoch ist, direkt nach Folge 2 die dritte anzusehen, schließlich ist die Geschichte, in die sie in der Hauptsache involviert waren, mit der zweiten Episode bereits beendet. Ob die kumulierte Rezeption tatsächlich dazu führt, dass die Makroebene einer Serie eine größere Relevanz im Rezeptionsprozess einnimmt, lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Studie jedoch nicht beurteilen. Hier ist weitere Forschung nötig. Die Annahmen zum analysierenden Rezeptionsmodus lassen sich ebenfalls in Teilen bestätigen. So wird das Ästhetische Erleben intensiviert, wenn die beiden Folgen am Stück angesehen werden (H2.4). Nicht nachweisen ließ sich hingegen ein Effekt für die Erlebensfacette Appreciation (H2.5). Letzteres Ergebnis korrespondiert mit dem Negativ-Befund für die Verstehensstufe Tieferer Sinn. Forschungsfrage 4 untersuchte, ob ein Zusammenhang zwischen den einzelnen, im Modell in Bezug zueinander gesetzten Konstrukten besteht. Die hierzu aufgestellten Hypothesen ließen sich zu großen Teilen bestätigen (H4.1-H.4.2, H4.8-H4.15b). Allerdings ist es nicht gelungen, einen Nachweis für den Zusammenhang zwischen der Verstehensstufe Situationsmodell und den involvierten Erlebensfacetten zu erbringen (H4.4-H4.6). Hierfür werden in erster Linie methodische Probleme verantwortlich gemacht, die in Kapitel 9 ausführlich diskutiert werden. Dass sich außerdem kein Zusammenhang zeigt zwischen dem Informationsverarbeitungsprozess und der Verstehensstufe Identifizierung des Tieferen Sinns, deutet darauf hin, dass letzteres erst am Ende der Rezeption und auf Nachfrage erfolgt (H4.3). Das Ergebnis hingegen, dass die Verstehensstufe Achten auf Dramaturgie und Stil nicht signifikant mit dem Ästhetischen Erleben korreliert (H4.7), lässt sich damit erklären, dass

340

8 Ergebnisse

die bewussten Stufen der Auseinandersetzung mit einem ästhetischen Objekt nicht zwangsweise durchlaufen werden müssen, um eine ästhetische Erfahrung machen zu können. Damit lassen sich die Kernergebnisse der Studie, deren Ziel es war, den Einfluss des kumulierten Sehens einer Serie auf den Rezeptionsprozess zu untersuchen, wie folgt zusammenfassen: (1) Die kumulierte Serienrezeption intensiviert den individuellen Rezeptionsgenuss. (2) Dies hat zweierlei Gründe: Diejenigen, die am Stück konsumieren, sind involvierter mit der Hauptfigur und sie erleben die Serie stärker ästhetisch. (3) Zudem nehmen kumuliert Rezipierende mehr Informationen wahr. (4) Dies wirkt sich vor allem positiv auf den optionalen Verarbeitungsschritt Erkennen von dramaturgischen und stilistischen Mitteln aus: Bei dieser Rezeptionsweise stehen mehr kognitive Ressourcen zur Verfügung, um auf Dramaturgie und Stil einer Serie zu achten. (5) Die optionale Verstehensstufe Identifizierung des Tieferen Sinns profitiert nicht von der kumulierten Serienrezeption. Es deutet allerdings auch einiges darauf hin, dass das Nachdenken über den Tieferen Sinn gar nicht während der Rezeption stattfindet.

9

Diskussion und Ausblick

Ausgangspunkt dieser Arbeit war die Beobachtung, dass sich das Serienrezeptionsverhalten in den letzten Jahren grundlegend verändert hat. Während es früher normal war, eine Woche auf die neue Folge der Lieblingsserie zu warten, werden serielle Formate mittlerweile immer häufiger kumuliert rezipiert. Dies gilt besonders für junge Altersgruppen (Kupferschmitt, 2017). Als Ursache für dieses Rezeptionsphänomen wurden in Kapitel 2 neue Kommunikationstechnologien und Distributionsstrategien ausgemacht, die eine autonome Seriennutzung ermöglichen. Die kumulierte Serienrezeption ist also in Teilen ein technologiegetriebenes Phänomen. Es ist aber genauso auch inhaltsgetrieben: Die Eigenschaften seriellen Erzählens sowie die Etablierung des sogenannten Quality TV auf dem amerikanischen Fernsehmarkt wurden in Kapitel 3 als zweite Rahmenbedingung kumulierter Serienrezeption identifiziert. In Kapitel 4 und 5 lag der Fokus dann auf dem Rezeptionsvorgang. Es wurde die Annahme formuliert, dass die kumulierte Serienrezeption zuallererst ein rezeptionsprozessgetriebenes Phänomen ist. Ein hoher Rezeptionsrhythmus, so wurde argumentiert, bleibt nicht folgenlos für die während der Rezeption ablaufenden kognitiven und affektiven Vorgänge. Entsprechend lautete die zentrale Fragestellung dieser Arbeit, welchen Einfluss das kumulierte Sehen einer Serie auf den Rezeptionsprozess hat. Es wurde hierzu ein theoretisches Modell der kumulierten Serienrezeption entwickelt, das sich zusammensetzt aus Erkenntnissen der psychologischen Kognitionsforschung, der kommunikationswissenschaftlichen Rezeptionsforschung und der überwiegend medienwissenschaftlich geprägten Serienforschung. Aus diesem Modell wurden vier Forschungsfragen abgeleitet, die im Rahmen eines Feldexperiments mittels zweier Folgen der Quality TV-Serie Damages untersucht wurden. Auf den letzten Seiten dieser Arbeit sollen nun die empirischen Ergebnisse der Untersuchung nochmals breiter diskutiert © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Czichon, Kumulierte Serienrezeption, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26842-8_9

342

9 Diskussion und Ausblick

und interpretiert sowie das Modell abschließend beurteilt werden. Danach wird das methodische Vorgehen der Studie kritisch reflektiert. Zuletzt wird thematisiert, welche weiterführenden Fragestellungen sich aus dieser Arbeit für die Kommunikationswissenschaft ergeben und welche praktischen Implikationen die Ergebnisse der Studie für die Produktion und Distribution von Quality TV haben. Diskussion und Beurteilung der Ergebnisse Kommen wir am Ende nochmal auf den Anfang zurück: Im Einleitungskapitel wurde dargelegt, dass die kumulierte Serienrezeption eine bisweilen hitzig geführte Suchtdebatte umgibt. Besonders in den Studien von Sung et al. (2015) sowie Tukachinsky und Eyal (2017) wurde die Rezeption am Stück – zumindest in Teilen – als krankhaftes, besorgniserregendes Rezeptionsverhalten beschrieben, ausgelöst durch individuelle Prädispositionen wie Depressivität, Einsamkeit und mangelnde Selbstregulierungskompetenz. Serien kumuliert zu rezipieren wird in diesen Arbeiten mit Kontrollverlust gleichgesetzt, wobei letzteres in der Tat typisch ist für Suchtverhalten. Das Gefühl, nicht aufhören zu können bzw. das Bedürfnis, immer weitersehen zu wollen, ist auch aus qualitativen Studien wie z. B. von Perks (2015) überliefert. In der vorliegenden quantitativen Studie zeigte sich dieser, wenn man so will, ‚Suchtfaktor‘ ebenso: Die Personen, die die zwei Folgen von Damages am Stück sahen, hätten am liebsten gleich noch die dritte Episode gesehen, sie waren also deutlich motivierter, die Rezeption unmittelbar fortzusetzen als diejenigen, die eine mehrtägige Unterbrechung eingelegt hatten. Als Erklärung für dieses Verhalten dienten in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht scheinbar defizitäre Persönlichkeitseigenschaften. Stattdessen wurde das ‚Suchtpotenzial‘ im Rezeptionsvorgang selbst gesucht. Es konnte gezeigt werden, dass die kumulierte Serienrezeption zu einem besseren Verständnis des Medieninhalts beiträgt: Nicht nur, dass mehr Informationen aufgenommen und besser erinnert werden können – ein Befund, der die Ergebnisse von Horvath et al. (2017) stützt –, sondern es

Diskussion und Ausblick

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wird auf diese Weise auch die implizite Dramaturgie der Serie, sprich Dramaturgie und Stil, besser wahrgenommen. Aus ersterem ergibt sich ein, wie von Tukachinsky und Eyal (2017) vermutet, fundamental anderes Involvement-Erleben: Die kumulierte Serienrezeption begünstigt ein intensives figurenbezogenes Involvement. Aus zweiterem resultiert ein starkes Ästhetisches Erleben: Nicht mehr länger die Ware, sondern das Kunstwerk ‚Serie‘ wird erlebt. Alles zusammen mündet in einem hohen Rezeptionsgenuss: Es fühlt sich gut an, die Serie am Stück zu rezipieren. Und was sich gut anfühlt, wird fortgesetzt und beibehalten. Das unter Umständen Süchtigmachende, in jedem Falle aber Besondere in dem, was gemeinhin Binge Watching genannt wird und in dieser Arbeit als kumulierte Serienrezeption bezeichnet wurde, liegt folglich in dem intensiven Narrativen Verstehen und Narrativen Erleben, das damit einhergeht. Bereits Perks (2015) beschrieb in ihrer qualitativen Studie die kumulierte Rezeption als geeignete Rezeptionsstrategie im Umgang mit komplexen Erzählungen. Dieser Eindruck ließ sich in der hier vorliegenden quantitativen Studie bestätigen: Serien am Stück zu rezipieren ist eben nicht nur ein technologiegetriebenes (nach dem Motto „Weil man es kann.“) oder inhaltsgetriebenes Phänomen (nach dem Motto „Weil man nicht anders kann.“), sondern vor allem rezeptionsprozessgetrieben (nach dem Motto „Weil man es so besser kann.“). Nimmt man diese gerade beschriebene Sichtweise auf das Rezeptionsphänomen ein und wählt keinen pathologischen defizitären Zugang, muss das Fazit wie folgt ausfallen: Serien kumuliert zu konsumieren ist sinnvoll und lohnt sich, denn genauso wie serielles Erzählen auf Seiten der Fernsehsender und VoDPlattformen eine effiziente – weil kostengünstige – und effektive – weil erfolgreiche – Strategie ist, Produktloyalität zu erhöhen, ist die kumulierte Serienrezeption auf Seiten der Rezipierenden eine effiziente – weil ressourcensparende – und effektive – weil sich positiv auswirkende – Strategie, um beim Konsum komplexer, anspruchsvoller, ästhetischer Serien den persönlichen Genuss zu maximieren.

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9 Diskussion und Ausblick

Welches abschließende Urteil lässt sich damit über das Modell der kumulierten Serienrezeption fällen? In Kapitel 6.3 wurde als Modellannahme- bzw. Ablehnungskriterium festgelegt, dass sich pro Prüfschritt jeweils mindestens die Hälfte aller Hypothesen bestätigen lassen müssen. Einschließlich der PSI-Hypothese ließen sich in Prüfschritt 1 (= Einfluss des Rezeptionsrhythmus auf die Konstrukte Narratives Verstehen und Narratives Erleben) acht der 15 aufgestellten Hypothesen bekräftigen. Ferner sei betont, dass auf deskriptiver Ebene – mit teils beachtlichen Mittelwertunterschieden – alle Ergebnisse theoriekonform ausgefallen sind, was ebenfalls von hoher kumulierter Evidenz zeugt. Hinsichtlich Prüfschritt 2 (= die Zusammenhänge zwischen den im Modell benachbarten Elementen) ist festzuhalten: Auch diese ließen sich empirisch mehrheitlich bestätigen. 17 von 22 Hypothesen erzielten jeweils ein signifikantes Ergebnis. Weil die empirischen Befunde die im theoretischen Modell getroffenen Annahmen zu großen Teilen unterstützen, kann dieses in seinen Grundzügen als vorläufig bestätigt gelten. Mithilfe des Modells ist es also gelungen, ausgehend vom Rezeptionsvorgang eine systematische Erklärung zu finden, warum bei der kumulierten Serienrezeption der individuelle Rezeptionsgenuss intensiviert wird und damit, warum Serien kumuliert rezipiert werden. Nichtsdestotrotz geben die Befunde der empirischen Studie auch Hinweise darauf, dass das Modell an manchen Stellen überarbeitet werden sollte. Wie in Kapitel 4.1 beschrieben, existieren in der Kognitionstheorie unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Verstehensstufe Tieferer Sinn on-line oder off-line erfolgt. Schwan (2014) geht beispielsweise davon aus, dass das Nachdenken über den Tieferen Sinn einer Erzählung bereits während der Rezeption einsetzt (on-line), während Graesser et al. (2002) der Meinung sind, dass dies erst auf Nachfrage und nach Beendigung der Narration geschieht (off-line). Die empirischen Befunde der vorliegenden Arbeit unterstützen letztere Sichtweise: Weder korrelierten die Variable Informationsverarbeitung und die Verstehensstufe Tieferer Sinn miteinander, noch gaben die beiden Untersuchungs-

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gruppen an, dass sie während der Rezeption über die tiefere Botschaft der Serie nachgedacht hätten. Das in Kapitel 6.2 entwickelte theoretische Modell wurde für die kommunikative Phase der Rezeption formuliert. Die empirischen Befunde dieser Arbeit legen jedoch nahe, dass es sich beim optionalen Nachdenken über den Tieferen Sinn einer Geschichte eher um eine nachgelagerte, postkommunikative Verarbeitungsstufe handelt. Eine Anpassung des Modells – dahingehend, dass die Verstehensstufe Tieferer Sinn aus selbigem entfernt wird – ist folglich empfehlenswert. Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie ist, dass sich die beiden Untersuchungsgruppen in der Beschaffenheit ihres Situationsmodells unterscheiden und zwar dahingehend, dass sich die EG ausführlicher zu den Ereignissen aus Folge 1 äußerte, häufiger als die KG Figuren, die nur in Folge 1 vorkommen, erwähnte und besser im Erkennen von Zusammenhängen war. Hinzu kommt, dass diejenigen, die die beiden Folgen am Stück ansahen, deutlich häufiger die Hauptfigur der Serie zur Lieblingsfigur hatten, während diejenigen, die eine längere Pause einlegten, Charaktere besonders oft nannten, die in der zweiten Folge eine tragende Rolle einnehmen. Weil außerdem beide Gruppen angaben, gleich involviert in die Geschichte gewesen zu sein, wurde die Vermutung aufgestellt, dass sich das Involviertsein auf unterschiedliche Ebenen der Narration bezieht (Makro- vs- Mikroebene bzw. Serienvs. Folgendramaturgie; siehe z. B. Hickethier, 2003; Schlütz, 2016). Momentan sieht das Modell eine solche Differenzierung bezüglich Narrationsebene und Immersionsgrad noch nicht vor. Dies gilt es zukünftig zu überdenken. Alles in allem soll die vorliegende Arbeit ein Plädoyer für eine stärkere Berücksichtigung der Einflusskomponente Rezeptionsrhythmus in unseren kommunikationswissenschaftlichen Rezeptionsüberlegungen sein. Die in Kapitel 4 und 5 zitierten Modelle und Ansätze denken – wenn überhaupt – die Rolle des Rezeptionsrhythmus nur sehr implizit mit, sind sie doch in aller Regel für eine einmalige Rezeption, beispielsweise eines Films oder eines Buchs, formuliert. Im Zuge des Vormarschs von VoD, der nochmal ge-

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9 Diskussion und Ausblick

stiegenen Bedeutung von seriellem Erzählen auf dem Unterhaltungsmarkt und dem wirtschaftlichen Erfolg von Quality TV (siehe Kap. 2 und 3) scheinen jedoch eine kontinuierliche Rezeption und damit einhergehend ein hoher Rezeptionsrhythmus – zumindest bei fiktionalen Medieninhalten – immer mehr die Norm zu sein denn die Ausnahme. Dass eine kumulierte Rezeption durchaus tiefgreifende Konsequenzen für das Narrative Verstehen und Narrative Erleben hat, wurde sowohl auf theoretischer wie auch auf empirischer Ebene in der vorliegenden Arbeit gezeigt. Ein Forschungsfeld, das hierbei Ähnlichkeiten zur kumulierten Rezeption aufweist, ist das der wiederholten Rezeption oder auch repeated exposure (Hoffmann, 2006; Tannenbaum, 1985) bzw. rerun viewing (Furno-Lamude & Anderson, 1992). Die in Kapitel 6.1 und 6.2 entwickelten Modelle dürften auch für diesen Untersuchungsgegenstand gewinnbringend sein, wird darin doch systematisch durchdekliniert, welche Verstehens- und Erlebensstufen bei der Rezeption fiktionaler Medieninhalte eine Rolle spielen und welchen Einfluss einschlägiges Vorwissen darauf nehmen kann. Zuletzt sei noch die bisher sehr stiefmütterliche Behandlung Ästhetischen Erlebens (einzige Ausnahmen: Schlütz, 2016 und Suckfüll, 2014) in der kommunikationswissenschaftlichen Unterhaltungsforschung angemahnt. Gerade vor dem Hintergrund, dass das für seine besondere Ästhetik bekannte Quality TV immer mehr im Mainstream ankommt (siehe Kap. 3) und, wie die empirische Studie gezeigt hat, Serien bei der kumulierten Rezeption intensiv ästhetisch erlebt werden, bedarf es einer stärkeren Berücksichtigung ästhetischer Erfahrungen im Rezeptionsprozess und damit einhergehend der Verstehensschritt Dramaturgie und Stil. Bisher geschieht dies nur vereinzelt und meist losgelöst von den anderen Stufen Narrativen Verstehens bei gleichzeitigem Fokus auf elitäres Expertenwissen.

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Kritische Reflexion über das methodische Vorgehen Zusammen mit dem theoretischen Modell wurde in dieser Arbeit ein Vorschlag gemacht, wie sich die darin enthaltenen Konstrukte messen lassen. Insbesondere die Erfassung der Prozesse des Narrativen Verstehens stellte dabei eine Herausforderung dar. So wurde mit dem Paarungsreaktionszeittest eine Variante ausprobiert, die sich schlussendlich als wenig valides Messinstrument entpuppte. Auch bei der Erfassung des Situationsmodells ist nicht auszuschließen, dass es hier zu Messfehlern gekommen ist. Die große Varianz im Umfang der schriftlich wiedergegebenen Situationsmodelle deutet darauf hin, dass die Schreibmotivation der Probandinnen und Probanden eine relevante Einflussgröße war. Nachdem die EG zum Zeitpunkt der zweiten schriftlichen Befragung bereits fast zwei Stunden am Stück mit dem Forschungsprojekt verbracht hatte, ist denkbar, dass es hier zu einer systematischen Verzerrung in der Schreibmotivation gekommen ist. Zwar wäre es möglich gewesen, der KG unmittelbar vor der zweiten Folge noch etwas anderes zum Ansehen zu geben, um die Sehzeit vor dem Ausfüllen des langen Fragebogens in beiden Gruppen konstant zu halten. Diese Idee wurde allerdings wieder verworfen, weil nicht abzusehen gewesen wäre, wie sich ein weiterer Stimulus auf die zu untersuchenden Prozesse des Narrativen Verstehens und Narrativen Erlebens ausgewirkt hätte. Da die Auswertung des Situationsmodells außerdem sehr aufwendig und zeitintensiv war, sollte im Hinblick auf zukünftige Forschung überlegt werden, ob sich dieses Konstrukt noch alternativ messen lässt. Die Entscheidung, das Experiment im Feld durchzuführen, hat sich hingegen bewährt. Einerseits erleichterte es die Rekrutierung von Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern. Außerdem wurde die Rezeptionssituation als sehr natürlich wahrgenommen, was für eine hohe externe Validität der Ergebnisse spricht. Zwar lässt sich kritisch anmerken, dass die Abbrecherquote relativ hoch war, doch dieses Risiko hätte bei einem Laborexperiment genauso bestanden. Denn auch dann hätten Probandinnen und Probanden die Unter-

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9 Diskussion und Ausblick

suchung vorzeitig abbrechen und nicht zu den vereinbarten Terminen erscheinen können. Dass die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer ‚nur‘ zwei Folgen zu sehen bekommen haben, mag ein weiterer Kritikpunkt an der Studie sein. Es könnte argumentiert werden, dass mehr Episoden ein anderes, negatives Resultat hinsichtlich des Rezeptionsprozesses erbracht hätten, da z. B. irgendwann die Aufnahmefähigkeit einer Person schwindet. Für einige Menschen mag das schon nach zwei Folgen zutreffen, für andere erst nach drei, für wieder andere erst nach fünf Episoden. Die Grenze, wann die Konzentration nachlässt, ist interindividuell also sehr unterschiedlich. Hinzu kommt, dass das Modell nicht vorsieht, dass jemand die Rezeption fortsetzt, obwohl er oder sie nur ein geringes Bedürfnis verspürt, sofort wissen zu wollen, wie die Geschichte für die Serienfiguren weitergeht, bei gleichzeitig hohen Restriktionen, die mit der Situation einhergehen – man ist z. B. am nächsten Tag nicht ausgeschlafen und fit (siehe Kap. 6.2). Deshalb – und auch aus forschungspraktischen Gründen – erschien die Orientierung an der Minimalanzahl an Folgen bei der Operationalisierung des Rezeptionsphänomens kumulierte Serienrezeption als sinnvoll und legitim. Aufgrund der geringen Stichprobenzahl und der Komplexität des Modells steht die Berechnung eines Strukturgleichungsmodells noch aus (siehe hierzu auch Kap. 6.3). Dies gilt es zukünftig nachzuholen. Die Frage wird dann allerdings sein, inwiefern ein experimentelles Vorgehen, das einen hohen Betreuungsaufwand der Probandinnen und Probanden erfordert, überhaupt noch möglich ist und wie ein legaler Zugriff auf das Serienmaterial finanziert werden kann. Beides waren die ausschlaggebenden Gründe, warum die Stichprobe für die vorliegende Untersuchung verhältnismäßig klein ausfiel. Bei einer Wiederholung der Studie sollte zudem das Stimulusmaterial variiert werden, um sicher zu gehen, dass das Modell unabhängig von der Serie Damages funktioniert. Die für die vorliegende Studie verwendete Stichprobe war verhältnismäßig jung, was typisch ist für das kumulierte Sehen von Serien

Diskussion und Ausblick

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(Kupferschmitt, 2017). Weil aber die Probandinnen und Probanden überdurchschnittlich hoch gebildet waren, wäre es bei einer erneuten Prüfung des Modells wünschenswert, auf eine größere Streuung hinsichtlich des formalen Bildungsabschlusses zu achten. Ausblick Das in dieser Arbeit vorgeschlagene und überprüfte Modell der kumulierten Serienrezeption bedarf also noch weiterer Bestätigung. Darüber hinaus ergeben sich aus dem Modell zahlreiche neue interessante Fragestellungen, denen es lohnt nachzugehen. Bereits erwähnt wurde die Frage, ob Unterschiede im Rezeptionsrhythmus dazu führen, dass man auf unterschiedlichen Ebenen in die Geschichte involviert ist. Ferner wäre es sinnvoll zu untersuchen, inwiefern das in dieser Arbeit vorgeschlagene Modell auch für die kumulierte Rezeption von Episodenserien Bestand hat bzw. wo eventuell die Unterschiede im Rezeptionsprozess liegen. Fruchtbar erscheint auch die Verknüpfung des in dieser Arbeit vorgestellten Modells der kumulierten Serienrezeption mit Fragen der Persuasionsforschung. Aus der Kultivierungsforschung ist bekannt, dass Fernsehserien die Realitätswahrnehmung und Einstellungen des Publikums beeinflussen können (z. B. Mutz & Nir, 2010; Quick, 2009; Wünsch, Nitsch, & Eilders, 2012). Als relevante Einflussgröße für Kultivierungseffekte gilt zudem, wie involviert Rezipierende in einen narrativen Medieninhalt sind (Bilandzic & Busselle, 2008; Rossmann, 2013). Eine Serie in einem hohen Rezeptionsrhythmus zu konsumieren könnte ein weiterer Einflussfaktor sein. Zum einem wissen wir nun, dass die kumulierte Serienrezeption medienfigurenbezogenes Involvement verstärkt. Zum anderen setzen sich Rezipierende bei dieser Rezeptionsweise über mehrere Tage bzw. Wochen ausschließlich einem Serienweltbild aus, ohne dass man in dieser Zeit groß mit anderen Fernsehrealitäten in Berührung käme. Berücksichtigt man ferner, dass Quality TV-Serien, also jene Serien, die besonders oft am Stück konsumiert werden, häufig kontroverse Themen behandeln und gerne

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9 Diskussion und Ausblick

gesellschaftliche Außenseiter in den Mittelpunkt der Erzählung rücken (z. B. The Wire oder Dear White People), kann dies sogar im positiven Sinne zu Einstellungsänderungen führen. Diesen Schluss legen zumindest Ergebnisse zur Parasozialen Kontakthypothese nahe, die davon ausgeht, dass durch intensiven parasozialen Kontakt zu Medienfiguren stereotype Vorurteile abgebaut werden können (Schiappa, Gregg, & Hewes, 2005, 2006). Neben viel Potential für weitere Anschlussforschung enthalten die Ergebnisse der empirischen Studie auch einige praktische Implikationen für die Distribution und Produktion von Quality TV. Denn das kumulierte Sehen einer Serie verändert nicht nur das Rezeptionserleben des Publikums, sondern auch, welche Maßstäbe zukünftig an gute serielle Unterhaltung gesetzt werden. Soll eine Quality TV-Serie auch als eine solche wahrgenommen werden, muss sie kumuliert distribuiert werden. Erst dann entfaltet sich maximaler Rezeptionsgenuss und erst dann wird das darin steckende Kunstwerk sichtbar. Überhaupt darf der Ästhetik bei der Konzeption von neuen Quality TV-Serien noch mehr Gewicht gegeben werden; die Rezipierenden werden es zu schätzen wissen – zumindest wenn sie die Serien kumuliert rezipieren. Ein stärker ausgeprägtes Ästhetisches Erleben wiederum dürfte für den dauerhaften finanziellen Erfolg einer seriellen Produktion von Vorteil sein, erleichtert es doch die Abgrenzung zum herkömmlichen Fernsehen und damit die Vermarktung als Quality TV. Zu wissen, dass das Publikum eine Serie in kurzen Intervallen konsumiert, erlaubt zudem andere Erzählmöglichkeiten: Zeitraubende Wiederholungen können eingespart werden, weil die narrativen Ereignisse noch kognitiv präsent sind; Handlungsstränge können deutlich ausgedehnt und noch stärker miteinander verwoben werden, ohne dass die Rezipierenden überfordert wären, da sie über die nötigen kognitiven Ressourcen dazu verfügen. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass Inkonsistenzen in der Story, und seien sie nur optischer Art (z. B. altern die Schauspielerinnen und Schauspieler über die Jahre, in der Geschichte selbst sind von Staffel zu Staffel aber nur wenige Wochen vergangen), eher auffallen dürften, das Publikum

Diskussion und Ausblick

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folglich kritischer wird. Alles in allem gilt damit für die Serienforschung dasselbe wie für Quality TV-Serien, die kumuliert rezipiert werden: Man muss dran bleiben, will man zukünftige Entwicklungen verstehen.

Anhang Fragebögen Nachfolgend sind alle Fragebögen aufgeführt, die in der Studie verwendet wurden. Es handelt sich dabei um den prärezeptiven Fragebogen (= Fragebogen 1) sowie den Fragebogen, der unmittelbar nach dem Ende der zweiten Folge ausgefüllt werden sollte. Die beiden Gruppen erhielten leicht voneinander abweichende Fragebögen, weshalb im Folgenden zwischen Fragebogen 2a (EG) und Fragebogen 2b (KG) unterschieden wird. Aus Platzgründen werden im Folgenden nur jene Seiten von Fragebogen 2b aufgeführt, die von Fragebogen 2a abweichen. Die Quellen, aus denen die in den Fragebögen verwendeten Items stammen, sind in Kapitel 7.3 und 7.4 aufgeführt. Fragebogen 1 Begrüßungsseite

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Czichon, Kumulierte Serienrezeption, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26842-8

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Anhang

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Anhang

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Fragebögen

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Anhang

Fragebögen

Fragebogen 2a – Experimentalgruppe Begrüßungsseite

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Anhang

Fragebögen

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Anhang

Fragebögen

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Anhang

Fragebögen

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Seite 10

Anhang

Fragebögen

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Anhang

Seite 11

Nach „Damenschuh“ wurden noch folgende drei weitere Buchstabenabfolgen in unten aufgeführter Reihenfolge eingeblendet:   

Schmundbund Regenbogen Schornglas

Fragebögen

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Anhang

Nach „Badewanne“ wurden noch folgende 15 weitere Buchstabenabfolgen in unten aufgeführter Reihenfolge eingeblendet:            

Omnibus Halsband Glühapfel Aktienverkauf Mofagissen Banane Aufzug Hochzeit Vergleich Tödelei Börsenmakler Zahnbürste

Fragebögen

  

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Bangelware Visitenkarte Kündigung

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Anhang

Seite 13

Nach „Universität – Professorin“ wurden noch folgende zwei weitere Paarungen in unten aufgeführter Reihenfolge eingeblendet:  

August – Schnee Bayern – Lederhosen

Fragebögen

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Anhang

Nach „Hamburg – Franken“ wurden noch folgende 15 weitere Paarungen in unten aufgeführter Reihenfolge eingeblendet:            

Ring – Verlobung Mantel – grün Katie – Ausbildung Klage – Mitarbeiter Florida – Spa Park – Katzen Sommer – Sonne Ellen – Bruder Restaurant – Unterschrift Patty – Mutter Vegetarier – Kalbsschnitzel Kanzlei – Vorstellungsgespräch

Fragebögen

  

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Kursmanipulation – Strafverfahren Berlin – Großstadt Ehemann – Paris

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Anhang

Folgende neun weitere Fragen wurden in unten aufgeführter Reihenfolge gestellt, wobei die vier Antworten innerhalb einer Frage rotierten (korrekte Antworten sind unterstrichen): 

Welchen Beruf übt Ellens Verlobter aus? Architekt, Arzt, Banker, Lehrer



Weshalb hat Katie einen Strafzettel bekommen? zu schnelles Fahren, Falschparken, bei Rot über die Ampel gefahren, Beamtenbeleidigung



In welchem Stadtteil liegt die neue Wohnung von Ellen und ihrem Verlobten? Upper West Side, Upper East Side, Lower East Side, Lower West Side

Fragebögen

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Wie heißt die Kanzlei, in der Ellen arbeitet? Hews & Associates, Hewes & Associates, Hews & Partner, Hewes & Partner



Welche Farbe haben die Vorhänge in Ellens Badezimmer? weiß, gelb, beige, orange



Wie heißt die Ehefrau von Arthur Frobisher? Sally, Dolly, Holly, Molly



Mit wem trifft sich Tom im Café? Anwalt, Detektiv, Immobilienmakler, Börsenmakler



Welches Motiv taucht nicht auf beiden Erzählebenen auf? Taube, Uhr, Ring, Mantel



In der Titelmusik zur Serie heißt es: „, …, there won’t be anything left.“ When I am done with you, When I leave you, When I am finished with you, When I am through with you

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Anhang

Fragebögen

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Anhang

Seite 18

Hinweis: Diese Frage wurde nur eingeblendet, wenn bei Frage 24 mit „ja“ geantwortet wurde.

Seite 19

Fragebögen

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Seite 20

Hinweis: Diese Frage wurde nur eingeblendet, wenn bei Frage 26 mit „ja“ geantwortet wurde.

Seite 21

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Anhang

Seite 22

Hinweis: Diese Frage wurde nur eingeblendet, wenn bei Frage 28 mit „ja“ geantwortet wurde.

Seite 23

Fragebögen

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Seite 24

Hinweis: Diese Frage wurde nur eingeblendet, wenn bei Frage 30 mit „ja“ geantwortet wurde.

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Seite 25

Anhang

Fragebögen

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Anhang

Fragebögen

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Seite 29

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Fragebogen 2b – Kontrollgruppe Begrüßungsseite (abweichend)

Anhang

Fragebögen

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Seite 17 (abweichend)

Hinweis: Frage 24 wurde der EG nicht gestellt und Frage 25 divergiert in der Formulierung (Anpassung an vorgegebenen Rezeptionsrhythmus).

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Anhang

Seite 18 (abweichend)

Hinweis: Die beiden Fragen wurden der EG nicht gestellt. Die EG musste auf Seite 18 die Frage beantworten, wie lange die Pause zwischen Folge 1 und 2 war, falls die Probandinnen und Probanden eine eingelegt hatten.

Fragebögen

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Seite 26 (abweichend)

Hinweis: Frage 36 divergiert – angepasst an den vorgegebenen Rezeptionsrhythmus – in der Formulierung.

Kategorie

Persönlicher Code Proband/in

Name der Codiererin

Anzahl Wörter

PC

A1_CO

UM_AW

FORMALE KATEGORIEN

Var.-Nr.

Codebuch Situationsmodell

Mit dieser Kategorie soll der Umfang des Situationsmodells gemessen werden, indem die Anzahl der verwendeten Wörter gezählt wird.

Jeder Proband/jede Probandin verfügt über einen persönlichen Code. Dieser muss hier eingetragen werden.

Beschreibung

eintragen

M.C.

2 Zahl

J.H.

eintragen

1

Code

Code

In diesem Kapitel sind die verwendeten Codebücher aufgelistet. Zuerst wird das Codebuch zur Auswertung der Situationsmodelle vorgestellt, dann die zur Analyse des Informationsverarbeitungssubprozesses storage.

Codebücher

Kategorie

Beschreibung

Code

DS_ER1_1

Ereignis 1 – Folge 1

Ellen Parsons steigt aus dem Fahrstuhl und läuft blutverschmiert und verwirrt durch New York.

vorhanden nicht vorhanden

1 0

A. Dimension Ereignisse Mit dieser Kategorie soll erfasst werden, welche und wie viele Ereignisse der Geschichte in den Nacherzählungen thematisiert werden. Als thematisiert gilt ein Ereignis dann, wenn die betreffende Szene geschildert wird. Wir verstehen Ereignisse also als Szenen. Das Ende einer Szene ist daran zu erkennen ist, dass sich die Figurenkonstellation ändert und/oder Ort und Zeit sowie ein Kameraschnitt erfolgt. Insgesamt stehen 47 Ereignisse zur Auswahl. Damit ein Ereignis als „vorhanden“ gewertet wird, ist es nicht notwendig, dieses im exakt gleichen Wortlaut in der Nacherzählung vorzufinden. Die Szene muss jedoch in der Nacherzählung weitestgehend abgedeckt sein, damit das Ereignis als „vorhanden“ gewertet werden kann. Wird gesagt, dass Katies Hund umgebracht wurde, reicht dies nicht aus, damit das Ereignis „Katie findet tote Saffron“ als „vorhanden“ zählen könnte, da sich diese Aussage auch auf andere Szenen, in denen der Tod des Hundes nochmals aufgegriffen wird, beziehen könnte. Es ist nicht entscheidend, ob die von den Probanden gegebenen Informationen zu einer Szene korrekt sind. Entscheidend ist, ob klar zu identifizieren ist, auf welche Szene sich der Proband/die Probandin bezieht.

INHALTLICHE KATEGORIENa

Var.-Nr.

398 Anhang

Ellen fährt mit ihrem Freund David Connor im Taxi zum Feiern in eine Bar, wo sie von Hollis Nye aufgesucht wird, der sie vor Patty Hewes warnt. Patty Hewes gibt ein Fernsehinterview, in dem sie Arthur Frobisher vorwirft, den Aktienkurs seiner Firma manipuliert zu haben. Tauchen bei der Beschreibung des Vorwurfs an Frobisher Signalwörter wie Börse, Aktienmanipulation, Investition in Firma usw. auf, gilt die Szene als ausreichend beschrieben und damit als vorhanden.

Ereignis 4 – Folge 1

Ereignis 5 – Folge 1

DS_ER1_4

DS_ER1_5

vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

nicht vorhanden

Ellen sitzt bei einem Vorstellungsgespräch in der Kanzlei von Hollis Nye und lehnt dessen Jobangebot ab, weil sie ein Interview bei der Staranwältin Patty Hewes abwarten will.

Ereignis 3 – Folge 1

DS_ER1_3 0

0

vorhanden

nicht vorhanden

1

Ellen sitzt im Verhörraum. Die Polizisten rätseln über ihre Identität und finden eine Visitenkarte, auf der auf der Rückseite notiert ist: „I was warned“.

Ereignis 2 – Folge 1

DS_ER1_2

1

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

Codebücher 399

Im Gespräch mit Tom Shayes erfährt Ellen, dass ihr Gespräch mit Patty Hewes am Hochzeitstermin ihrer Schwester stattfinden soll. Ray Fiske sucht Patty Hewes im Hundepark auf, um im Auftrag seines Mandanten Arthur Frobisher zu verhandeln.

Ereignis 8 – Folge 1

Ereignis 9 – Folge 1

DS_ER1_8

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vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

nicht vorhanden

Ellen erhält beim Joggen die Nachricht, dass ihr Vorstellungsgespräch vorverlegt wurde und sie erscheint daraufhin zum Vorstellungstermin bei Hewes & Associates.

Ereignis 7 – Folge 1

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0

0

vorhanden

nicht vorhanden

1

Patty Hewes vertritt seine ehemaligen Mitarbeiter, die für eine Entschädigung kämpfen. Sie hält ein Meeting mit ihnen ab und schwört ihre Mandantinnen und Mandanten darauf ein, zusammenzuhalten.

Ereignis 6 – Folge 1

DS_ER1_6

1

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

400 Anhang

David Connor macht Ellen einen Heiratsantrag, den sie annimmt. Er steckt ihr einen Ring an den Finger. Ray Fiske sucht Katie Connor im Restaurant auf und bittet sie, die Geheimhaltungsvereinbarung zu unterzeichnen. Es reicht nicht, wenn erwähnt wird, dass Katie eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben soll. Wichtig ist, dass sie von Frobishers Anwalt im Restaurant aufgesucht wird.

Ereignis 12 – Folge 1

Ereignis 13 – Folge 1

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vorhanden nicht vorhanden

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nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

nicht vorhand

Ellen erscheint zu ihrem ersten Arbeitstag und wird sofort von ihren Kollegen zum FrobisherFall gebrieft. Sie erfährt, dass versucht wird, ein Treffen Frobishers mit seinem Börsenmakler in Florida nachzuweisen.

Ereignis 11 – Folge 1

DS_ER1_11 0

0

vorhanden

nicht vorhande

1

Ellen nimmt betrübt an der Hochzeit ihrer Schwester teil, bis Patty dort auftaucht und sie einstellt.

Ereignis 10 – Folge 1

DS_ER1_10

1

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

Codebücher 401

Entgegen des Willens von Patty Hewes stimmen die Mitarbeiter auf einer Versammlung dafür, das Vergleichsangebot anzunehmen. Nachdem Patty Hewes auf einer Veranstaltung für ihre Arbeit ausgezeichnet wurde, kommt es zum Eklat zwischen Patty und Tom, woraufhin Tom angeblich gekündigt wird. Katie berichtet Ellen und David, dass sie Frobisher kennt, weil sie für ihn einmal in Florida gekocht hat.

Ereignis 16 – Folge 1

Ereignis 17 – Folge 1

Ereignis 18 – Folge 1

DS_ER1_16

DS_ER1_17

DS_ER1_18

vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

nicht vorhanden

Ray Fiske trifft sich mit Patty Hewes in einem Hundepark, um ein Vergleichsangebot (100 Mio. Dollar) zu unterbreiten.

Ereignis 15 – Folge 1

DS_ER1_15 0

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vorhanden

nicht vorhanden

1

Frobisher empfängt seinen ehemaligen Mitarbeiter Larry Popler bei sich zu Hause und besticht diesen mit Geld, damit er die anderen beeinflusst, sein Angebot anzunehmen.

Ereignis 14 – Folge 1

DS_ER1_14

1

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

402 Anhang

Katie findet bei sich in der Küche die tote Saffron zusammen mit der Botschaft, den Mund zu halten. Katie entscheidet sich, mit Patty Hewes zusammenzuarbeiten und gegen Frobisher auszusagen. Ellen übermittelt ihren Entschluss an Patty Hewes. Uncle Pete trifft sich spät abends auf einem Parkplatz mit Tom Shayes und übergibt ihm ein ‚Souvenir‘. Dieser erhält im Gegenzug Geld.

Ereignis 21 – Folge 1

Ereignis 22 – Folge 1

Ereignis 23 – Folge 1

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DS_ER1_22

DS_ER1_23

vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

nicht vorhanden

Ellen sucht den gekündigtem Tom im Reitstall seiner Tochter auf, um zu erfahren, ob ihre Vermutung stimmt. Dieser tut ihre Vermutung als Hirngespinst ab.

Ereignis 20 – Folge 1

DS_ER1_20 0

0

vorhanden

nicht vorhanden

1

Nachdem Ellen Unterlagen zu Patty gebracht hat, die sich gerade in der Schule ihres Sohnes befindet, wird ihr klar, warum sie eingestellt wurde.

Ereignis 19 – Folge 1

DS_ER1_19

1

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

Codebücher 403

In der letzten Szene der ersten Folge verlangt die apathisch wirkende Ellen nach einem Anwalt. In der ersten Szene der zweiten Folge finden die Polizisten die Mordwaffe. Sobald erwähnt wird, dass die Freiheitsstatue die Mordwaffe ist, gilt diese Szene als vorhanden.

Ereignis 26 – Folge 1

Ereignis 27 – Folge 2

DS_ER1_26

DS_ER2_27

vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

nicht vorhanden

Patty Hewes wirft das Halsband der toten Saffron in den Atlantik, das ihr Tom Shayes als Souvenir von Uncle Pete vorbeibringt.

Ereignis 25 – Folge 1

DS_ER1_25

0

0

vorhanden

nicht vorhanden

1

Die Polizei betritt die verwüstete Wohnung von Ellen und David und findet letzteren tot in der Badewanne. Hier reicht es, wenn nur beschrieben wird, dass David tot in der Badewanne liegt, damit die Szene als vorhanden gewertet wird.

Ereignis 24 – Folge 1

DS_ER1_24

1

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

404 Anhang

Frobisher sucht seinen Anwalt Ray Fiske in dessen Büro auf und erkundigt sich, was im Falle einer Scheidung auf ihn zukommen würde. Katie trifft sich mit Patty Hewes zu einer ersten Aussage, diese glaubt ihr aber nicht und schickt sie weg. Während Frobisher Tennis spielt, wird ihm das Angebot gemacht, Katie umbringen zu lassen. Er lehnt entrüstet ab.

Ereignis 30 – Folge 2

Ereignis 31 – Folge 2

Ereignis 32 – Folge 2

DS_ER2_30

DS_ER2_31

DS_ER2_32

vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

nicht vorhanden

Frobishers Frau Holly macht ihrem Mann beim Frühstück Vorwürfe, dass er die Familie nicht genügend schützen würde.

Ereignis 29 – Folge 2

DS_ER2_29 0

0

vorhanden

nicht vorhanden

1

Ellen feiert im Kreise ihrer Familie Geburtstag und bekommt von Katie Buchstützen in Form einer Freiheitsstatue geschenkt.

Ereignis 28 – Folge 2

DS_ER2_28

1

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

Codebücher 405

Ellen sucht Patty im Büro auf und stellt sie wegen Katie zur Rede.

Ellen trifft sich mit Hollis Nye im Park und bittet ihn um Rat.

Katie wird auf offener Straße von einem Mann mit einem Messer in der Hand verfolgt.

Ereignis 35 – Folge 2

Ereignis 36 – Folge 2

Ereignis 37 – Folge 2

DS_ER2_35

DS_ER2_36

DS_ER2_37

vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

nicht vorhanden

Der unter Drogeneinfluss stehende Frobisher hat Sex mit einer Prostituierten in seinem Auto und gibt per Telefon den Auftrag, Katie umbringen zu lassen.

Ereignis 34 – Folge 2

DS_ER2_34 0

0

vorhanden

nicht vorhanden

1

Patty beauftragt Tom, mehr über Katies Vergangenheit herauszufinden und übergibt ihm auch Unterlagen zu Ellen.

Ereignis 33 – Folge 2

DS_ER2_33

1

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

406 Anhang

Katie sucht Patty in ihrer Wohnung auf und erzählt nun, was wirklich an dem besagten Abend, als sie für Frobisher gekocht hat, passiert ist.

Ereignis 42 – Folge 2

DS_ER2_42

vorhanden nicht vorhanden

1 0

nicht vorhanden

0

Frobisher besucht Katie im Restaurant, erkundigt sich, wie sie mit der Eröffnung vorankommt und bedankt sich für die Unterschrift.

Ereignis 41 – Folge 2

DS_ER2_41

vorhanden

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

Frobisher bläst den Auftragsmord wieder ab.

Ereignis 40 – Folge 2

DS_ER2_40

nicht vorhanden

0

Ereignis 39 – Folge 2

DS_ER2_39

vorhanden

0 1

nicht vorhanden

1

Katie kann, mit der Hilfe von Passanten, ihren Auftragsmörder in die Flucht schlagen.

Ereignis 38 – Folge 2

DS_ER2_38

Die Aktion bleibt aber nicht folgenlos und sie unterschreibt, am Ende ihrer Kräfte, die Verschwiegenheitserklärung.

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

Codebücher 407

Patty schenkt Katie einen neuen Hund, um sie wieder versöhnlich zu stimmen.

Ellen und David besichtigen die neue Wohnung, den späteren Tatort.

In der letzten Szene der zweiten Folge sieht man Ellen im Badezimmer stehen, wie sie die blutüberströmte Mordwaffe in der Hand hält.

Ereignis 45 – Folge 2

Ereignis 46 – Folge 2

Ereignis 47 – Folge 2

DS_ER2_45

DS_ER2_46

DS_ER2_47

vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

nicht vorhanden

Katie trifft sich mit Greg, dem Mann, mit dem sie in besagter Nacht einen One-Night-Stand hatte und von dem sie schwanger wurde.

Ereignis 44 – Folge 2

DS_ER2_44 0

0

vorhanden

nicht vorhanden

1

Ellen bekommt völlig überraschend über Patty eine neue Wohnung in Manhatten (Upper West Side) vermittelt.

Ereignis 43 – Folge 2

DS_ER2_43

1

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

408 Anhang

Kategorie

Beschreibung

Code

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Ellen Parsons erwähnt wird oder nicht. Sie ist eine junge Anwältin und fängt in der Kanzlei Hewes & Associates zu arbeiten an. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Patty Hewes erwähnt wird oder nicht. Sie ist die Staranwältin, in deren Kanzlei Ellen zu arbeiten beginnt. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Arthur Frobisher erwähnt wird oder nicht. Er wird beschuldigt, seine Mitarbeiter betrogen zu haben. Gegen ihn richtet sich Patty Hewes aktueller Fall.

Ellen Parsons

Patty Hewes

Arthur Frobisher

DS_FG_EP

DS_FG_PH

DS_FG_AF

erwähnt nicht erwähnt

0

nicht erwähnt

0 1

erwähnt

nicht erwähnt

0 1

erwähnt

1

Mit den nachfolgenden Kategorien soll erfasst werden, welche Figuren erwähnt werden. Dabei müssen die genannten Figuren klar als handelnde Akteure zu erkennen sein, damit sie als erwähnt gezählt werden. Zwei Ausprägungen stehen zur Verfügung: „erwähnt“ und „nicht erwähnt“.

B. Dimension Figuren

Var.-Nr.

Codebücher 409

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Tom Shayes erwähnt wird oder nicht. Er ist einer der engsten Vertrauten von Patty Hewes und arbeitet als Anwalt in deren Kanzlei. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Gregory Malina erwähnt wird oder nicht. Er ist die Affäre Katies, von dem sie schwanger geworden ist in der für den Fall wichtigen Nacht. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Hollis Nye erwähnt wird oder nicht. Er ist sozusagen Ellens Mentor und der Mann, der ihr als erstes ein Jobangebot unterbreitet hat.

Tom Shayes

Gregory Malina

Hollis Nye

DS_FG_TS

DS_FG_GM

DS_FG_HN

erwähnt nicht erwähnt

0

nicht erwähnt

0 1

erwähnt

nicht erwähnt

0 1

erwähnt

1

nicht erwähnt

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob David Connor erwähnt wird oder nicht. Er ist der Verlobte von Ellen und der Bruder von Katie.

David Connor

DS_FG_DC 0

0

erwähnt

nicht erwähnt

1

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Katie Connor erwähnt wird oder nicht. Katie ist die Schwester von Ellens Freund bzw. Verlobtem.

Katie Connor

DS_FG_KC

1

erwähnt

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

410 Anhang

Williams Dan Rosario Ortiz

DS_FG_PO

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob die Polizisten Dan Williams und Rosario Ortiz erwähnt werden oder nicht. Sie verhören Ellen Parsons und untersuchen den Tatort.

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Larry Pople erwähnt wird oder nicht. Er ist ein ehemaliger Mitarbeiter Frobishers, den Arthur Frobisher mit Geld besticht.

Larry Pople

DS_FG_LP

und

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Holly Frobisher erwähnt wird oder nicht. Sie ist die Ehefrau von Arthur Frobisher.

Holly Frobisher

DS_FG_HF

erwähnt nicht erwähnt

0

nicht erwähnt

0 1

erwähnt

nicht erwähnt

0 1

erwähnt

1

nicht erwähnt

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Carrie Parsons erwähnt wird oder nicht. Sie ist die Schwester von Ellen.

Carrie Parsons

DS_FG_CP 0

0

erwähnt

nicht erwähnt

1

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Ray Fiske erwähnt wird oder nicht. Er ist der Anwalt von Arthur Frobisher.

Ray Fiske

DS_FG_RF

1

erwähnt

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

Codebücher 411

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Frobishers Kinder Owen und Bethie erwähnt werden oder nicht. Arthur Frobisher als Familienmensch zu bezeichnen, reicht nicht aus, damit die Kategorie „Kinder von Arthur Frobisher“ als „erwähnt“ gewertet wird, denn es werden nur Figuren gezählt, die als Akteure auftreten. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Patty Hewes Sohn Michael erwähnt wird oder nicht.

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Patty Hewes Ehemann Phil Grey erwähnt wird oder nicht.

Owen und Bethie Frobisher

Michael Hewes

Phil Grey

DS_FG_KI

DS_FG_MH

DS_FG_PG

Wird ganz allgemein von Polizei gesprochen, diese jedoch als handelnder Akteur dargestellt, dann zählt das als „erwähnt“.

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

erwähnt nicht erwähnt

0

nicht erwähnt

0 1

erwähnt

nicht erwähnt

0

1

erwähnt

1

Code

412 Anhang

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Frobishers ehemalige Mitarbeiter (als Kollektiv) erwähnt werden. Sie sind Patty Hewes Mandanten und fordern Schadenersatz von ihrem ehemaligen Chef. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob noch weitere Figuren erwähnt werden oder nicht.

Frobishers ehemalige Mitarbeiter

Weitere Figuren

DS_FG_FEM

DS_FG_WF

erwähnt nicht erwähnt

0

nicht erwähnt

0

1

erwähnt

1

nicht erwähnt

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Katies Hund Saffron erwähnt wird oder nicht. Ihr Tod ist ausschlaggebend dafür, dass Katie gegen Frobisher aussagen will.

Hund Saffron

DS_FG_SA 0

0

erwähnt

nicht erwähnt

1

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob Uncle Pete erwähnt wird oder nicht. Er ist der persönliche Handlanger von Patty Hewes, der sich z. B. um Katies Hund Saffron „kümmert“.

Uncle Pete

DS_FG_UP

1

erwähnt

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

Codebücher 413

s.o. s.o.

Weitere Figur 2

Weitere Figur 3

DS_FG_WF2

DS_FG_WF3

Figur

eintragen

eintragen

eintragen

Mit den nachfolgenden Kategorien werden alle Äußerungen erfasst, die die Persönlichkeit der Figuren beschreiben. Laut Fröhlich (2008, 154) wird bei Persönlichkeitseigenschaften differenziert zwischen Wesenseigenschaften und auf das Aussehen bezogene Eigenschaften. Wesenseigenschaften sind z. B. Naivität, Skrupellosigkeit, Schüchternheit, Freundlichkeit, usw. Achtung, wird jemand als mächtig beschrieben, ist das keine Wesenseigenschaft. Auch wenn jemand als sympathisch beschrieben wird, ist dies keine Persönlichkeitseigenschaft. Auf das äußere Erscheinungsbild bezogene Eigenschaften sind z. B. das Alter, die Haarfarbe, Attraktivität, usw. Erhoben werden soll für eine Liste an Figuren, ob in der Nacherzählung Persönlichkeitseigenschaften zu dieser Figur erwähnt werden und wie viele verschiedene Persönlichkeitseigenschaften pro Figur erwähnt werden. Gezählt werden nur Eigenschaftsbeschreibungen in Form von Adjektiven. Liegen keine Äußerungen zu Persönlichkeitseigenschaften einer Figur vor, wird hier der Wert „0“ eingegeben. Sollten jedoch Äußerungen vorliegen, wird die genaue Anzahl eingetragen. Situationsunabhängige Personeninformationen zählen nicht in diese Kategorie.

D. Dimension stabile Persönlichkeitseigenschaften

Figur

Mit dieser offenen Kategorie soll erhoben werden, welche weitere Figur erwähnt wird. Wichtig ist, dass die Figur klar als Akteur zu erkennen ist. Werden keine weiteren Figuren genannt, wird diese Kategorie leer gelassen.

Weitere Figur 1

DS_FG_WF1

Figur

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

414 Anhang

Kategorie

Beschreibung

Code

Persönlichkeitseigenschaften Ellen Parsons

Persönlichkeitseigenschaften Patty Hewes

Persönlichkeitseigenschaften Arthur Frobisher

Persönlichkeitseigenschaften Katie Connor

Persönlichkeitseigenschaften David Connor

DS_PE_EP

DS_PE_PH

DS_PE_AF

DS_PE_KC

DS_PE_DC

Zahl

Zahl

Zahl

Zahl

Zahl

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob und wie häufig Aussagen zu Persönlichkeitseigenschaften von Ellen Parsons gemacht werden. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob und wie häufig Aussagen zu Persönlichkeitseigenschaften von Patty Hewes gemacht werden. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob und wie häufig Aussagen zu Persönlichkeitseigenschaften von Arthur Frobisher gemacht werden. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob und wie häufig Aussagen zu Persönlichkeitseigenschaften von Katie Connor gemacht werden. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob und wie häufig Aussagen zu Persönlichkeitseigenschaften von David Connor gemacht werden.

eintragen

eintragen

eintragen

eintragen

eintragen

Wiederholen sich bei einer Figur die Eigenschaften, werden sie nur einmal gezählt. Wenn es also heißt „Die junge Anwältin Ellen“ und an späterer Stelle wieder „die junge Anwältin“, wird „jung“ als Persönlichkeitseigenschaft nur einmal gezählt.

Var.-Nr.

Codebücher 415

Kategorie

Persönlichkeitseigenschaften Tom Shayes

Persönlichkeitseigenschaften Gregory Malina

Persönlichkeitseigenschaften Hollis Nye

Persönlichkeitseigenschaften Ray Fiske

Persönlichkeitseigenschaften Weitere Figuren

Var.-Nr.

DS_PE_TS

DS_PE_GM

DS_PE_HN

DS_PE_RF

DS_PE_WF

Code Zahl

Zahl

Zahl

Zahl

Zahl

Beschreibung Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob und wie häufig Aussagen zu Persönlichkeitseigenschaften von Tom Shayes gemacht werden. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob und wie häufig Aussagen zu Persönlichkeitseigenschaften von Gregory Malina gemacht werden. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob und wie häufig Aussagen zu Persönlichkeitseigenschaften von Hollis Nye gemacht werden. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob und wie häufig Aussagen zu Persönlichkeitseigenschaften von Ray Fiske gemacht werden. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob und wie häufig Aussagen zu Persönlichkeitseigenschaften von weiteren Figuren gemacht werden.

eintragen

eintragen

eintragen

eintragen

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416 Anhang

DS_OR

E. Dimension Orte

Var.-Nr.

Orte

Kategorie

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erfasst, aus denen der Ort der beschriebenen Ereignisse hervorgeht. Darunter fallen sowohl Äußerungen wie die Erwähnung der Stadt New York, aber auch Berichte darüber, dass die Polizisten David tot in der Badewanne finden, oder dass Ellen bei Patty Hewes zu arbeiten anfängt. Generell sind unter diese Kategorie alle Äußerungen zu zählen, die Fragen wie „Wo?“, „Wohin?, „Woher?“ usw. beantworten. Die Präposition „bei“ führt in aller Regel einen Ort ein. Sie dient also als Signalwort. Auch Lokaladverbien wie „dort“, „hinten“, „neben“ usw. sind Ortsangaben und müssen mitgezählt werden. Es soll nicht gezählt werden, wie oft ein einzelner Ort wie z. B. New York genannt wird, sondern nur grundsätzlich, wie oft Angaben zu Orten innerhalb einer Nacher-zählung gemacht werden. Wie viele Wörter für die Beschreibung

Beschreibung

Zahl

Code

eintragen

Codebücher 417

Kategorie

DS_ZT

Zeitpunkte

F. Dimension Zeitpunkte

Var.-Nr.

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erfasst, aus denen der Zeitpunkt der beschriebenen Ereignisse hervorgeht. Darunter fallen sowohl Äußerungen wie „Sechs Monate vorher…“ und „In der Vergangenheit“ als auch zeitliche Adverbien wie „später“, „dann“, „zeitgleich“, usw. Wie viele Wörter für die Beschreibung eines Zeitpunktes verwendet werden, ist nicht relevant. Wenn es also „sechs Monate vorher“ heißt, wird dies nur als eine Zeitangabe gewertet, obwohl sie aus drei Worten besteht. Gezählt wird nur, wie oft Zeitpunkte innerhalb einer Nacherzählung generell erwähnt

eines Ortes verwendet werden, ist nicht relevant. Gezählt wird nur, wie oft Orte generell erwähnt werden. Werden keine Angaben zu Orten gemacht, wird der Wert „0“ eingetragen.

Beschreibung

Zahl

Code

eintragen

418 Anhang

Kategorie werden und nicht, wie oft einzelne Zeitpunkte wie bspw. „sechs Monate vorher“ vorkommen. Wichtig ist, dass sich die Zeitangaben auf die Handlung beziehen müssen (= erzählte Zeit). Angaben wie „Im Laufe der beiden Folgen“ beziehen sich dagegen auf die Erzählzeit und werden entsprechend nicht gezählt. Werden keine Angaben zu Zeitpunkten gemacht, wird der Wert „0“ eingetragen.

Beschreibung

Code

DS_HS_1

Ermittlungen David Connor

Mordfall

Dieser Handlungsstrang gilt als vorhanden, wenn Ereignisse/Handlungen rund um den Mordfall David Connor thematisiert werden.

vorhanden nicht vorhanden

1 0

Mit den nachfolgenden Kategorien soll erhoben werden, wie viele Handlungsstränge thematisiert werden. Insgesamt lassen sich sechs verschiedene Handlungsstränge in Folge 1 und 2 identifizieren. Es soll lediglich erfasst werden, ob der Handlungsstrang erwähnt wird oder nicht, nicht jedoch, wie viele Ereignisse einem einzelnen Handlungsstrang zugeordnet werden können.

G. Dimension Handlungsstränge

Var.-Nr.

Codebücher 419

Privatleben Patty Hewes

Privatleben Arthur Frobisher

DS_HS_4

DS_HS_5

Dieser Handlungsstrang gilt als vorhanden, wenn Ereignisse/Handlungen rund um Arthur Frobishers Privatleben thematisiert werden. Darunter fallen z. B. seine Eheprobleme oder der Prostituiertenkontakt.

Dieser Handlungsstrang gilt als vorhanden, wenn Ereignisse/Handlungen rund um Patty Hewes Privatleben thematisiert werden. Darunter fallen z. B. die Erwähnung des Sohnes und/oder Ehemanns.

vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0

1

vorhanden

1

nicht vorhanden

0

Privatleben Ellen – David

DS_HS_3

vorhanden

0 1

nicht vorhanden

1

Dieser Handlungsstrang gilt als vorhanden, wenn Ereignisse/Handlungen rund um Patty Hewes aktuellen Fall (ehemalige Mitarbeiter vs. Frobisher) thematisiert werden.

Patty Hewes aktueller Fall: ehemalige Mitarbeiter vs. Frobisher

DS_HS_2

Dieser Handlungsstrang gilt als vorhanden, wenn Ereignisse/Handlungen rund um Ellen und Davids Privatleben thematisiert werden. Darunter fallen z. B. die Geburtstagsfeier von Ellen, die Verlobung der beiden und die Besichtigung der neuen Wohnung.

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

420 Anhang

nicht vorhanden

1 0

Dieser Handlungsstrang gilt als vorhanden, wenn Ereignisse/Handlungen rund um Katie und Greg thematisiert werden. Konkret trifft dies in den ersten beiden Folgen nur auf eine Szene zu, nämlich, wenn sich Katie mit Greg an einer Parkbank trifft.

Katie und Greg

DS_HS_6

DS_BI_1

Verwandtschaftsbeziehung

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob den Probandinnen und Probanden bewusst ist, dass zwischen Ellen und Katie sozusagen eine verwandtschaftliche Beziehung besteht. Wird Katie als Schwägerin bezeichnet bzw. als Schwester des Verlobten/Freundes von Ellen ist dies Ausdruck dafür, dass diese Brückeninferenz erfolgreich geschlossen wurde.

vorhanden nicht vorhanden

1 0

Mit den nachfolgenden Kategorien soll erhoben werden, ob Verknüpfungen zwischen einzelnen Ereignissen/Sachverhalten hergestellt werden bzw. ob diese thematisiert werden. Insgesamt werden die Nacherzählungen auf acht verschiedene Brückeninferenzen hin untersucht, die für das Verständnis der ersten beiden Folgen bzw. für den weiteren Handlungsverlauf von großer Bedeutung sind.

H. Dimension Brückeninferenzen

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

Codebücher 421

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob den Probandinnen und Probanden bewusst ist, dass Patty Hewes Katies Hund umbringen lässt, um diese zu einer Zeugenaussage gegen Arthur Frobisher zu bewegen. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob den Probandinnen und Probanden bewusst ist, dass Arthur Frobisher Katies Restaurant finanziert.

Ermordung des Hundes als Druckmittel für Zeugenaussage

Finanzierung von Katies Restaurant durch Frobisher

DS_BI_4

DS_BI_5

vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0

1

vorhanden

1

nicht vorhanden

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob den Probandinnen und Probanden bewusst ist, dass Patty Hewes Katies Hund umbringen lässt und nicht Arthur Frobisher, wie man zunächst denken soll.

Ermordung von Katies Hund durch Patty Hewes

DS_BI_3 0

0

vorhanden

nicht vorhanden

1

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob den Probandinnen und Probanden bewusst ist, dass Katie der Grund dafür ist, dass Ellen als Anwältin bei Hewes & Associates angestellt wurde.

Katie der Grund für Ellens Anstellung bei Hewes & Associates

DS_BI_2

1

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

422 Anhang

=

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob den Probandinnen und Probanden bewusst ist, dass Katies Geburtstagsgeschenk an Ellen gleichzeitig die spätere Mordwaffe ist.

Geburtstagsgeschenk Mordwaffe

DS_BI_8

vorhanden nicht vorhanden

1 0

nicht vorhanden

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob den Probandinnen und Probanden bewusst ist, dass Katie nicht so unschuldig ist, wie sie tut. Zwar ist sie einerseits total verängstigt, trotzdem lügt sie Patty Hewes weiterhin an.

Lügnerin Katie

DS_BI_7 0

0

vorhanden

nicht vorhanden

1

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob den Probandinnen und Probanden bewusst ist, dass Arthur Frobisher Katies Restaurant nur deshalb finanziert, damit diese nicht gegen ihn aussagt und die Geheimhaltungsvereinbarung unterschreibt.

Tauschgeschäft Restaurant - Geheimhaltungsvereinbarung

DS_BI_6

1

vorhanden

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

Codebücher 423

Kategorie

KC_IN_AZ

Anzahl Informationen

Name der Codiererin

A2_CO

Informationen

Persönlicher Code Proband/in

PC

FIGUR KATIE CONNOR

Var.-Nr.

Codebuch storage

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die eine separate Information zu „Katie Connor“ darstellen. Die Auflis-tung der Informationen in Stichpunkten durch die Probandinnen bzw. Probanden muss dabei keineswegs deckungsgleich sein mit der tatsächlichen Anzahl an gegebenen Informationen. Hierzu ein Beispiel: Ein Proband/eine Probandin for-

Jeder Proband/jede Probandin verfügt über einen persönlichen Code. Dieser muss hier eingetragen werden.

Beschreibung

eintragen

M.C.

2

Zahl

C.G.

eintragen

1

Code

Code

424 Anhang

Var.-Nr.

Kategorie muliert als Stichpunkt „Katies Hund Saffron wird von Patty Hewes umgebracht“. Hier handelt es sich um vier separate Informationen: Information 1) Katie hat einen Hund; Information 2) Er heißt Saffron; Information 3) Er wurde umgebracht; Information 4) Er wurde von Patty Hewes umgebracht. Aus diesem Beispiel geht auch hervor, dass eine Information aus mehreren Wörtern bestehen kann. Wenn es also heißt „Katie hat einen Hund“, dann besteht diese Information zwar aus vier Wörtern, sie wird aber nur als eine Information gezählt. Es werden alle Informationen mitgezählt, ungeachtet dessen, ob es sich um korrekte Informationen handelt oder nicht. Gezählt wird die Anzahl der Informationen.

Beschreibung

Code

Codebücher 425

Code Zahl

Beschreibung Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, bei denen es sich um falsche Informationen handelt. Wird Katie beispielsweise als Schwester von Ellen bezeichnet, und nicht, wie korrekt, als Schwägerin, ist diese Information als falsch zu werten und zu zählen. Informationen sind nur dann als falsch zu werten, wenn sie eindeutig als falsch zu identifizieren sind. Wenn Katie als beste Freundin von Ellen bezeichnet wird, zählt dies nicht als falsche Information, da wir nicht wissen, ob sie nicht vielleicht nicht nur die Schwägerin sondern auch die beste Freundin ist. Katie als Schwägerin zu bezeichnen, obwohl es eigentlich nur korrekt wäre mit dem Zusatz „zukünftige“, wird nicht als falsche Information gewertet. Generell gilt: Mutmaßen die Probandinnen und Probanden über etwas, was sich als falsch herausstellt, handelt es sich hier nicht um falsche Informationen. Formulieren die Probandinnen und Probanden die falsche Information dagegen als Tatsachen-

Kategorie

Anzahl falsche Informationen

Var.-Nr.

KC_IN_FA

eintragen

426 Anhang

Kategorie behauptung, handelt es sich um eine falsche Information. Gezählt wird die Anzahl an falsch gegebenen Informationen. Wie viele Wörter eine falsch gegebene Information enthält, ist nicht relevant. Informationen, die als falsch gewertet werden, können nicht mehr den nachfolgenden Kategorien zugeordnet werden. Wird Katie als Schwester von Ellen bezeichnet (= falsche Information), wird diese Information später nicht als situationsunabhängige Personeninformation (siehe eine der nachfolgenden Kategorien) gewertet.

Beschreibung

Code

Achtung: Jede gezählte (richtige) Information muss auch einer der Kategorien zugeordnet werden.

Wenn eine Information tendenziell zu mehreren Kategorien passen würde, muss zwischen den Kategorien abgewogen werden. Als Faustregel kann gelten: Hohe Priorität hat die Kategorie „Informationen zu Ereignissen“.

!!! Ab jetzt kann jede richtige Information nur einer Kategorie zugeordnet werden !!!

Var.-Nr.

Codebücher 427

Kategorie

Zahl

Zahl

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die sich auf Katies Wesenseigenschaften beziehen. Wesenseigenschaften sind z. B. Naivität, Skrupellosigkeit, Schüchternheit, Freundlichkeit, usw. Eigenschaften müssen nicht zwangsweise in Form von Adjektiven gegeben werden. Wird Katie z. B. als eine Person beschrieben, die viel lügt, handelt es sich hier um eine Beschreibung ihres Wesens. Gezählt wird die Anzahl der Informationen, die sich auf ihr Wesen beziehen. Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die sich auf Katies äußere Erscheinungsbild beziehen. Auf das äußere Erscheinungsbild bezogene Eigenschaften sind z. B. das Alter, die Haarfarbe, Attraktivität, usw. Im Falle von Katie könnten das Beschreibungen sein, wie die, dass sie blond sei oder blauäugig. Gezählt wird die Anzahl an Informatio-

Informationen Anzahl Äußere Eigenschaften

KC_PE_ÄU

Code

Informationen Anzahl Wesenseigenschaften

Beschreibung

KC_PE_WE

Persönlichkeitseigenschaften

Var.-Nr.

eintragen

eintragen

428 Anhang

Kategorie

KC_SUPI_AZ

situationsunabAnzahl hängige Personeninformationen

Situationsunabhängige Personeninformationen

Var.-Nr.

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die sich auf Katie als Person beziehen, bei denen es sich aber nicht um Wesenseigenschaften oder äußere Eigenschaften handelt, und die situationsunabhängig sind. Im Falle von Katie wäre das z. B. die Erwähnung, dass sie Gastronomie studiert hat oder dass sie die Schwägerin von Katie oder die Schwester von David ist. Man könnte diese Informationen auch als Hintergrundinformationen zu einzelnen Figuren bezeichnen. Es kann auch der Fall auftreten, dass innerhalb einer Information zu einem Ereignis situationsunabhängige Personeninformationen auftreten. Wird z. B. gesagt, dass Katies Hund Saffron umgebracht wird, dann handelt es hier zum einen um eine Information zu einem Ereignis (Hund wurde umgebracht), aber auch um

nen, diesich auf ihr äußeres Erscheinungsbild beziehen.

Beschreibung

Zahl

Code

eintragen

Codebücher 429

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob thematisiert wird, dass Katie die Schwägerin von Ellen ist. Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob thematisiert wird, dass Katie die Schwester von David ist.

Schwägerin von Ellen

Schwester von David

Hund

KC_SUPI_SE

KC_SUPI_SD

KC_SUPI_HU

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob thematisiert wird, dass Katie einen Hund hat.

zwei situationsunabhängige Personeninformationen (Katie hat(te) einen Hund und der hieß Saffron). Gezählt wird die Anzahl der Informationen, die sich auf Katie als Person beziehen.

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

Code

430 Anhang

Köchin

KC_SUPI_KÖ

KC_EG

Informationen Anzahl Emotionale Gestimmtheit

Emotionale Gestimmtheit

Kategorie

Var.-Nr.

eintragen

0

Zahl

nicht vorhanden

1

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob thematisiert wird, dass Katie Köchin ist.

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die etwas über Katies emotionale Gestimmtheit verraten. Wird sie als panisch oder verängstigt beschrieben, wäre das eine Information, die man mit dieser Kategorie erfassen müsste. Dies gilt auch dann, wenn die Information innerhalb einer Information zu Ereignissen gegeben wird. Wenn es also heißt, dass Katie total verängstigt oder wütend war, nachdem ihr Hund umgebracht wurde, dann ist hier einmal die Information zu einem Ereignis zu zählen (dass Katies Hund umgebracht wurde) und zum anderen die Information zu ihrer emotionalen Gestimmtheit (verängstigt bzw. wütend). Gezählt wird die Anzahl an Informationen, die

vorhanden

Code

Beschreibung

Codebücher 431

KC_ER

Ereignisse

Var.-Nr.

Anzahl Informationen zu Ereignissen

Kategorie

Alle Äußerungen, die sich auf Informationen zu konkreten Ereignissen in der Geschichte beziehen. In Katies Fall könnte das sein, dass sie als Zeugin aussagen soll gegen Arthur Frobisher. Oder dass Katie schwanger war und dann abgetrieben hat (2 Informationen: Schwangerschaft und Abtreibung). Informationen zu Ereignissen lassen sich daran erkennen, dass sie meist mit Verben einhergehen. Wichtig ist, dass zu einem Ereignis mehrere Informationen vorliegen können und in dieser Kategorie nicht die Anzahl der Ereignisse gezählt wird, sondern die Anzahl an Informationen, die zu Ereignissen gegeben werden. Gezählt wird die Anzahl der Informationen, die sich auf konkrete Ereignisse beziehen.

sich auf Katies emotionale Gestimmtheit beziehen.

Beschreibung

Zahl

Code

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432 Anhang

Ereignis

Mit dieser offenen Kategorie soll erhoben werden, welche Ereignisse thematisiert werden. Es reicht aus, dieses Ereignis mit einem Stichwort zu beschreiben, es kann aber auch ausführlicher beschrieben werden. Ein Beispiel: Es wird geschrieben, dass Katie schwanger war. Dann handelt es sich hier um ein Ereignis, das sich mit dem Stichwort „Schwangerschaft“ festhalten lässt. Sollten mehr als ein Ereignis thematisiert werden, wird für jedes Ereignis eine neue Kategorie angelegt. Voreingestellt sind fünf Kategorien zur Erfassung der Ereignisse. Die nicht verwendeten Spalten leer lassen. s.o. s.o. s.o. s.o.

Ereignis 1

Ereignis 2

Ereignis 3

Ereignis 4

Ereignis 5

KC_ER_WE1

KC_ER_WE2

KC_ER_WE3

KC_ER_WE4

KC_ER_WE5

Ereignis

Ereignis

Ereignis

Ereignis

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

eintragen

eintragen

eintragen

eintragen

eintragen

Codebücher 433

Zahl

Zahl

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, bei denen es sich um Bewertungen auf Meta-Ebene der Geschichte/Serie handelt. Eine typische Aussage für diese Kategorie wäre die Erwähnung, dass Katie eine interessante Serienprotagonistin darstellt, die weder eindeutig Opfer noch Täter ist.

Informationen Anzahl Bewertungen auf MetaEbene

KC_BE_ME

Code

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die die Figur Katie Connor subjektiv bewerten und sich nicht in die Kategorie Persönlichkeitseigenschaften einordnen lassen. Meist handelt es sich dabei um Sympathie- bzw. Antipathiebekundungen à la Katie ist sympathisch. Gezählt wird die Anzahl an Informationen.

Beschreibung

Anzahl Informationen subjektive Bewertungen

Kategorie

KC_BE_SB

Bewertungen

Var.-Nr.

eintragen

eintragen

434 Anhang

Kategorie

Beschreibung

KC_SP

Informationen Anzahl Spekulationen

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die Spekulationen über den weiteren Verlauf der Geschichte (mit Bezug zu Katie) darstellen. Im Falle Katies könnten das Aussagen sein, dass sie noch eine tragende Rolle in der Geschichte haben wird oder dass man in den nächsten Folgen sicher noch mehr über Katie und Greg erfahren wird. Gezählt wird die Anzahl an Informationen, bei denen es sich um Spekulationen über den weiteren Verlauf der Geschichte (mit Bezug zu Katie) handelt.

Spekulationen über den weiteren Verlauf der Geschichte

Var.-Nr.

Zahl

Code

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Codebücher 435

Kategorie

AF_IN_AZ

Anzahl Informationen

Name der Codiererin

A3_CO

Informationen

Persönlicher Code Proband/in

PC

FIGUR ARTHUR FROBISHER

Var.-Nr.

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die eine separate Information zu „Arthur Frobisher“ darstellen. Die Auflistung der Informationen in Stichpunkten durch die Probandinnen bzw. Probanden muss dabei keineswegs deckungsgleich sein mit der tatsächlichen Anzahl an gegebenen Informationen. Hierzu ein Beispiel: Ein Proband/eine Probandin formuliert als Stichpunkt „Frobishers Frau Holly droht ihm mit der Scheidung“. Hier handelt es sich um drei separate Informationen:

Jeder Proband/jede Probandin verfügt über einen persönlichen Code. Dieser muss hier eingetragen werden.

Beschreibung

eintragen

M.C.

2

Zahl

C.G.

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1

Code

Code

436 Anhang

Kategorie

Anzahl falsche Informationen

Var.-Nr.

AF_IN_FA

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, bei denen es sich um falsche Informationen handelt. Wird Frobisher beispielsweise als Vater von zwei Töchtern bezeichnet, und nicht, wie korrekt, als Vater eines Sohnes und einer Tochter, dann ist die Information über die

Information 1) Frobisher ist verheiratet 2) Seine Ehefrau heißt Holly 3) Sie will sich scheiden lassen. Auch der Satz „Frobisher hat zwei Kinder“ besteht aus zwei Informationen: Information 1) Er hat Kinder; Information 2) Er hat zwei davon. Aus diesem Beispiel geht auch hervor, dass eine Information aus mehreren Wörtern bestehen kann. Wenn es also heißt „Arthur ist ein Familienvater“, dann besteht diese Information zwar aus vier Wörtern, sie wird aber nur als eine Information gezählt. Es werden alle Informationen mitgezählt, ungeachtet dessen, ob es sich um korrekte Informationen handelt oder nicht. Gezählt wird die Anzahl der Informationen.

Beschreibung

Zahl

Code

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Codebücher 437

Var.-Nr.

Kategorie zwei Töchter falsch. Informationen sind nur dann als falsch zu werten, wenn sie eindeutig als falsch zu identifizieren sind. Wenn Katie als beste Freundin von Ellen bezeichnet wird, zählt dies nicht als falsche Information, da wir nicht wissen, ob sie nicht vielleicht nicht nur die Schwägerin sondern auch die beste Freundin ist. Wird dagegen davon gesprochen, dass Arthur Frobisher seinen Ex-Angestellten 10 Mio. Dollar bietet, dann ist das eine falsche Information, denn in der Serie wird eindeutig von 100 Mio. Dollar gesprochen. Generell gilt: Mutmaßen die Probandinnen und Probanden über etwas, was sich als falsch herausstellt, handelt es sich hier nicht um falsche Informationen. Formulieren die Probandinnen und Probanden die falsche Information dagegen als Tatsachenbehauptung, handelt es sich um eine falsche Information. Gezählt wird die Anzahl an falsch gegebenen Informationen. Wie viele Wörter eine falsch gegebene Information enthält, ist nicht relevant.

Beschreibung

Code

438 Anhang

Kategorie Informationen, die als falsch gewertet werden, können nicht mehr den nachfolgenden Kategorien zugeordnet werden. Wenn also von Frobisher behauptet wird, dass er ein 10 Mio. Dollar Angebot macht (= falsche Information), dann geht diese Information später nicht in die Rubrik „Informationen zu Ereignissen“ ein.

Beschreibung

Code

AF_PE_WE

Informationen Anzahl Wesenseigenschaften

Persönlichkeitseigenschaften Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die sich auf Arthur Frobishers Wesenseigenschaften beziehen. Wesenseigenschaften sind z. B. Naivität, Skrupellosigkeit, Schüchternheit, Freundlichkeit, usw. Eigenschaften müssen nicht zwangsweise in Form von Adjek-

Achtung: Jede gezählte (richtige) Information muss auch einer der Kategorien zugeordnet werden.

Zahl

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Wenn eine Information tendenziell zu mehreren Kategorien passen würde, muss zwischen den Kategorien abgewogen werden. Als Faustregel kann gelten: Hohe Priorität hat die Kategorie „Informationen zu Ereignissen“.

!!! Ab jetzt kann jede richtige Information nur einer Kategorie zugeordnet werden !!!

Var.-Nr.

Codebücher 439

Kategorie

Informationen Anzahl Äußere Eigenschaften

Var.-Nr.

AF_PE_ÄU

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die sich auf Arthur Frobishers äußere Erscheinungsbild beziehen. Auf das äußere Erscheinungsbild bezogene Eigenschaften sind z. B. das Alter, die Haarfarbe, Attraktivität, usw. Im Falle von Frobisher könnten das Beschreibungen sein, wie die, dass er mittleren Alters oder weißhaarig ist. Gezählt wird die Anzahl an Informationen, die sich auf sein äußeres Erscheinungsbild beziehen.

tiven gegeben werden. Wird Frobisher z. B. als eine Person beschrieben, die viel lügt, handelt es sich hier um eine Beschreibung seines Wesens. Gezählt wird die Anzahl der Informationen, die sich auf sein Wesen beziehen.

Beschreibung

Zahl

Code

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440 Anhang

Kategorie

AF_SUPI_AZ

situationsunabAnzahl hängige Personeninformationen

Situationsunabhängige Personeninformationen

Var.-Nr.

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die sich auf Arthur Frobisher als Person beziehen, bei denen es sich aber nicht um Wesenseigenschaften oder äußere Eigenschaften handelt, und die situationsunabhängig sind. Im Falle von Frobisher wäre das z. B. die Erwähnung, dass er Familienvater ist oder aus einer Unternehmerfamilie stammt oder seine Kinder sehr liebt. Es kann auch der Fall auftreten, dass innerhalb einer Information zu einem Ereignis situationsunabhängige Personeninformationen auftreten. Wird z. B. gesagt, dass Frobisher sich erkundigt, was im Falle einer Scheidung von seiner Frau auf ihn zukommt, dann handelt es hier zum einen um eine Information zu einem Ereignis (Frobisher erkundigt sich), aber auch um eine situationsunabhängige Personeninformation (Frobisher ist verheiratet). Gezählt wird die Anzahl der Informationen, die

Beschreibung

Zahl

Code

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Codebücher 441

Kategorie

reich/Milliardär

Familienvater/Kinder

Ehefrau/verheiratet

Geschäftsmann

Var.-Nr.

AF_SUPI_RE

AF_SUPI_FV

AF_SUPI_EF

AF_SUPI_GM

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob thematisiert wird, dass Frobisher ein Geschäftsmann ist.

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob thematisiert wird, dass Frobisher verheiratet ist bzw. eine Frau hat.

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob thematisiert wird, dass Frobisher ein Familienvater ist bzw. (2) Kinder hat.

Mit dieser Kategorie wird erhoben, ob thematisiert wird, dass Frobisher sehr vermögend ist.

sich auf Frobisher als Person beziehen.

Beschreibung

vorhanden nicht vorhanden

0

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

nicht vorhanden

0 1

vorhanden

1

Code

442 Anhang

Kategorie

AF_ER

Ereignisse

AF_EG

Anzahl Informationen zu Ereignissen

Informationen Anzahl Emotionale Gestimmtheit

Emotionale Gestimmtheit

Var.-Nr.

Alle Äußerungen, die sich auf Informationen zu konkreten Ereignissen in der Geschichte beziehen. In Frobishers Fall könnte das sein, dass er seine Mitarbeiter betrogen hat oder dass er in Auftrag gibt, Katie umzubringen. Als Information zu einem Ereignis wird eine Information dann gewertet, wenn damit eine bestimmte Szene aus der Serie mehr oder weniger genau beschrieben

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die etwas über Frobishers emotionale Gestimmtheit verraten. Wird Frobisher als gestresst beschrieben, wäre das eine Information, die man mit dieser Kategorie erfassen müsste. Gezählt wird die Anzahl an Informationen, die sich auf Frobishers emotionale Gestimmtheit beziehen.

Beschreibung

Zahl

Zahl

Code

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Codebücher 443

Kategorie

Ereignis 1

Var.-Nr.

AF_ER_WE1

Mit dieser offenen Kategorie soll erhoben werden, welche Ereignisse thematisiert werden. Es reicht aus, dieses Ereignis mit einem Stichwort zu beschreiben, es kann aber auch ausführlicher beschrieben werden. Ein Beispiel: Es wird geschrieben, dass Frobisher seine Frau betrügt. Dann handelt es sich hier um ein Ereignis, das sich beispielsweise mit dem Stichwort „Affäre“ festhalten lässt. Sollten mehr als ein Ereignis thematisiert werden, wird für jedes Ereignis eine neue Kategorie

wird bzw. darauf Bezug genommen wird. Informationen zu Ereignissen lassen sich daran erkennen, dass sie meist mit Verben einhergehen. Wichtig ist, dass zu einem Ereignis mehrere Informationen vorliegen können und in dieser Kategorie nicht die Anzahl der Ereignisse gezählt wird, sondern die Anzahl an Informationen, die zu Ereignissen gegeben werden. Gezählt wird die Anzahl der Informationen, die sich auf konkrete Ereignisse beziehen.

Beschreibung

Ereignis

Code

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444 Anhang

s.o. s.o.

Ereignis 4

Ereignis 5

AF_ER_WE4

AF_ER_WE5

AF_BE_SB

Informationen Anzahl subjektive Bewertungen

s.o.

Ereignis 3

AF_ER_WE3

Bewertungen

s.o.

Ereignis 2

AF_ER_WE2

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die die Figur Arthur Frobisher subjektiv bewerten und sich nicht in die Kategorie Persönlichkeitseigenschaften einordnen lassen. Meist handelt es sich dabei um Sympathie- bzw. Antipathiebekundungen à la Frobisher ist sympathisch bzw. unsympathisch. Gezählt wird die Anzahl an Informationen.

angelegt. Voreingestellt sind fünf Kategorien zur Erfassung der Ereignisse. Die nicht verwendeten Spalten leer lassen.

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

Zahl

Ereignis

Ereignis

Ereignis

Ereignis

Code

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Codebücher 445

AF_SP

Anzahl Informationen Spekulationen

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, die Spekulationen über den weiteren Verlauf der Geschichte (mit Bezug zu Frobisher) darstellen. Im Falle Frobishers könnten das Aussagen sein, dass er noch eine tragende Rolle in der Geschichte haben wird oder dass man in den nächsten Folgen sicher noch mehr über Frobisher und seine Verstrickungen erfahren wird. Gezählt wird die Anzahl an Informationen, bei denen es sich um Spekulationen über den weiteren Verlauf der Geschichte (mit Bezug zu Frobisher) handelt.

Zahl

Zahl

Mit dieser Kategorie werden alle Äußerungen erhoben, bei denen es sich um Bewertungen auf Meta-Ebene der Geschichte/Serie handelt. Eine typische Aussage für diese Kategorie wäre die Erwähnung, dass Frobisher ein Antihero ist oder ein ambivalenter Serienheld.

Informationen Anzahl Bewertungen auf MetaEbene

AF_BE_ME

Spekulationen über den weiteren Verlauf der Geschichte

Code

Beschreibung

Kategorie

Var.-Nr.

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446 Anhang

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