Krone, Kirche und Verfassung: Konservatismus in den englischen Unterschichten 1815-1867 9783666370090, 9783525370094, 9783647370095

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Krone, Kirche und Verfassung: Konservatismus in den englischen Unterschichten 1815-1867
 9783666370090, 9783525370094, 9783647370095

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft

Herausgegeben von Helmut Berding, Dieter Gosewinkel, Jürgen Kocka, Paul Nolte, Hans-Peter Ullmann, Hans-Ulrich Wehler Band 192

Vandenhoeck & Ruprecht

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Jörg Neuheiser

Krone, Kirche und Verfassung Konservatismus in den englischen Unterschichten 1815 – 1867

Vandenhoeck & Ruprecht

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Ausgezeichnet mit dem Dissertationspreis 2008 des Arbeitskreises Deutsche England-Forschung (ADEF)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-37009-4 Umschlagabbildung: Ausschnitt aus »Humours of an Election«, The Illustrated London News, 31. Juli 1847 Gedruckt mit Unterstützung der FAZIT-Stiftung, Frankfurt am Main, und mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein.  2010 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: a Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Loyalismus und Patriotismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 1 Feiern um die Monarchie: Loyalismus, Radikalismus und die Identität der Menge, 1820 – 1832 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Untersuchung von „Crowds“ und die Popularität der Monarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Monarchie in der Provinz . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Hauptstadt feiert die Krone . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 2 „True Friends of Her Majesty“: Plebejische Konservative und Debatten um Krone, Verfassung und Patriotismus . . . . . . . . . . . . 81 a) Die Entstehung konservativer Arbeitervereine und die konservative Variante des Popular Constitutionalism . . . . . 84 b) Interpretationen von Krone und Konstitution in Wahlkämpfen und Festkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Nationale Elemente und lokale Differenzen . . . . . . . . . . 116 II. Protestantismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Kapitel 3 „Above All, be Faithful to Your God“: Konfessionelle Konflikte und plebejische Konservative . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Konflikte um die Emanzipation der Katholiken . . b) Das Ringen um die Städte: Konfessionelle Gegensätze in lokalen Machtkämpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das konservative Verfassungsverständnis nach der Emanzipation der Katholiken . . . . . . . . . . . . . .

. . . 133 . . . 138 . . . 156 . . . 169

Kapitel 4 Konservative Spektakel, Protest oder irenfeindlicher Rassismus? Antikatholische Aspekte der englischen Straßenkultur . . . a) Die Guy-Fawkes-Feiern vor 1850 . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die „Papal Aggression“ und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . c) Paraden, Dinner, Vorträge: Der englische Oranierorden und die No-Popery-Prediger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Protest, Spektakel und Antikatholizismus: St. George’s-in-the-East, 1859 – 1860 . . . . . . . . . . . . . .

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III. Sozialer Ausgleich und konservative Moralvorstellungen . . . . . . 217 Kapitel 5 Im Namen der Ungleichheit? Tory Radicalism, soziale Protestbewegungen und plebejische Gerechtigkeitsvorstellungen . . . a) Soziale Strukturen und politische Sprache der Protestbewegungen in den 1830er Jahren . . . . . . . . . . b) Lokale Bündnisse zwischen Tories und Radikalen . . . . . c) Oastlers Freunde? Die konservativen Arbeitervereine nach 1842 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 219 . 223 . 243 . 256

Kapitel 6 „Beer and Britannia“ oder „Moral Reform“? Paternalistischer Populismus, Besserungsideale und die Rolle der Geschlechter . . . . . 263 a) Früher Paternalismus und Forderungen nach „Moral Reform“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Familienideale, Häuslichkeit und die politische Mobilisierung von Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Archivalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veröffentlichungen des Parlaments (Parliamentary Papers) 3. Zeitungen und Magazine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Quellensammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gedruckte Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . .

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295 295 297 297 298 298

Register 1. 2. 3.

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341 341 345 347

. . . . . Namen Orte . Sachen

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Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Oktober 2007 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen worden. Für die Drucklegung wurde der Text geringfügig erweitert und überarbeitet. Über die Jahre der Arbeit am Manuskript habe ich vielfältige Hilfen und Anregungen erhalten, ohne die die Veröffentlichung nicht möglich gewesen wäre. Besonders danke ich meinem Doktorvater Hans-Peter Ullmann, der mich in jeder Phase mit offenem Ohr und klugem Rat betreute, mir zugleich aber alle Freiheiten ließ, das für ihn ungewohnte englische Thema zu behandeln. Mit Andreas Fahrmeir stand ihm dabei ein ausgewiesener EnglandExperte zur Seite, der viel mehr als nur ein Zweitgutachter im Dissertationsverfahren war. Er gehörte zu den Mitgliedern des Arbeitskreises Deutsche England-Forschung (ADEF), mit denen ich immer wieder über den populären Konservatismus diskutierte und deren kritische Lektüre einzelner Kapitel oder größerer Teile der Arbeit für mich unverzichtbar war. Zu ihnen zählten auch Willibald Steinmetz und Detlev Mares, die unermüdlich Mut machten und weit über das Maß guter Kollegialität hinaus halfen, wenn mir im Nebel der englischen Popular Politics gelegentlich die Orientierung fehlte. Andreas Pecˆar war schon vor Beginn der Dissertationsphase ein enger Freund; das gemeinsame Interesse an englischer Geschichte, wenn auch mit Blick auf verschiedene Epochen, hat zumindest meine Forschung oft genug beflügelt. Darüber hinaus haben mir zahlreiche andere Kolleginnen und Kollegen an verschiedenen Stellen geholfen, vielleicht ohne dass ihnen klar geworden ist, wie wichtig mir ihre Hilfe zu diesem Zeitpunkt war. Einige werden sich kaum an mich erinnern, aber ich habe ihre Hinweise und Tipps nicht vergessen und möchte sie hier dankbar erwähnen: Jon Lawrence, Antony Taylor, Philip Salmon, Steven Farrell, Matthew Roberts, Hans-Christoph Schröder, Rudolf Muhs, Andreas Rödder, Domenik Geppert, Mark Willock, Daniel Menning und Vera Nünning waren bereit, Gedanken oder Entwürfe anzuhören, zu lesen und zu kommentieren. Frank O’Gorman, dessen Werk ich sehr bewundere, sollte sich an mich erinnern, denn sein deutlicher Verriss meines Exposs brachte mich kurzfristig an den Rand des Abbruchs meiner Arbeit. Das Projekt hat seine ziemlich pauschale Kritik überlebt und auf irgendeine Weise vermutlich auch von ihr profitiert. Wichtiger waren viele Gespräche mit Michael Schaich in London und Aribert Reimann in Köln; Ari las auch einige Kapitel der Arbeit mit klugem Blick. Inhaltliche Anregungen kamen schließlich von den Herausgebern der Kritischen Studien, bei denen ich mich für die Aufnahme in die Reihe bedanke. 7

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Der Studienstiftung des deutschen Volkes und der Frankfurter FAZITStiftung bin ich für großzügige Promotionsstipendien zu Dank verpflichtet. Ein großer Teil der Niederschrift erfolgte am Institut für Europäische Geschichte in Mainz, das ich nicht nur wegen seiner finanziellen Unterstützung in bester Erinnerung habe. Den Druck der Arbeit machten ein weiterer Zuschuss der FAZIT-Stiftung und eine Förderung durch die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften möglich. Der Weg zum historischen Buch führt über Bibliotheken und Archive. Das Deutsche Historische Institut in London, der Deutsche Akademische Austauschdienst und die Universität zu Köln förderten mehrere Reisen nach England; alle dort besuchten Institutionen sind im Quellenverzeichnis aufgeführt. Überall fand ich freundliche Aufnahme und engagiertes Personal – das gilt auch für die deutschen Universitätsbibliotheken in Köln, Mainz und Tübingen sowie die Berliner Staatsbibliothek. Besonders wichtig waren die Monate im Newspaper Reading Room der British Library in Colindale. Jeder, der ein paar Tausend Meter Mikrofilm in den dortigen Dunkelkammern gelesen hat, weiß um die Eigenart dieser Erfahrung; vom Umgang mit den zugänglichen Originalzeitungen ganz zu schweigen. Vor wenigen Tagen wurde die Schließung der Bibliothek im Niemandsland der Northern Line und die Digitalisierung der einzigartigen Bestände angekündigt. Forschung in England wird nicht mehr sein, was sie war. Ein Dank geht auch an Mandy O’Keeffe: Ein besseres Zimmer in London, eine angenehmere Vermieterin und eine klügere britische Dame wird man nicht finden. Angela Hülsenbusch hat sich die Mühe gemacht, die fertige Doktorarbeit Korrektur zu lesen; für das überarbeitete Manuskript übernahm Katrin Höller die Korrekturen. Bei der Bearbeitung für den Verlag waren Chelion Albersmann und Sophie Stern an der Erstellung des Registers beteiligt; Letztere hat auch das Quellen- und Literaturverzeichnis für die Drucklegung vorbereitet. Der letzte Dank gilt meiner Familie, neben meiner Mutter und meiner Schwester besonders auch meinem Onkel Bernd Cöntges. Jenn wird sich kaum vorstellen können, was ihr Mann machen soll, wenn er nicht mehr an seinem Text sitzt; Emma mag dem manchmal abwesenden Vater vergeben. Mein eigener Vater, Siegfried Neuheiser, hat den Abschluss meiner Dissertation nicht mehr erlebt. Seinem Andenken ist dieses Buch gewidmet. Tübingen, im Februar 2010 Jörg Neuheiser

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Einleitung Warum gab es in England im 19. Jahrhundert keine Revolution? Wie erklärt sich die im europäischen Vergleich bemerkenswerte Stabilität der englischen Gesellschaft, ihre Fähigkeit, tief greifende Wandlungsprozesse ohne einschneidende Brüche, eskalierende Konflikte oder gewaltsame Umgestaltung der staatlichen Institutionen zu bewältigen? England stand im Jahrhundert nach der Französischen Revolution gewiss nicht weniger als andere europäische Gesellschaften vor den Herausforderungen der Moderne, die sich mit Begriffen wie Industrialisierung und Urbanisierung, Bevölkerungswachstum und Demokratisierung nur vorsichtig andeuten lassen. Am Ende des 19. Jahrhunderts lebten in England gut 30 Millionen Menschen; um 1800 waren es keine neun Millionen gewesen. Weit über zwei Drittel von ihnen wohnten 1901 in Städten, die ihre Größe in kürzester Zeit verdoppelt, oft verdreifacht oder vervierfacht hatten; in den Jahrhunderten zuvor machten Stadtbewohner nie mehr als rund 27 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Immer weniger Menschen arbeiteten im landwirtschaftlichen Bereich, immer mehr fanden Beschäftigung in Handel, Transport und Industrie; nach dem Ende der Napoleonischen Kriege war England endgültig zur bedeutendsten Wirtschaftsmacht der Welt aufgestiegen. Während zu Beginn des Jahrhunderts kaum drei Prozent der Bevölkerung das aktive Wahlrecht besaßen, konnte um 1900 praktisch jeder erwachsene Mann wählen und ins Parlament gewählt werden. Ungeachtet der Debatte über die Frage, inwieweit das Vereinigte Königreich bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein als Ancien Regime betrachtet werden muss, an der Wende zum 20. Jahrhundert erscheint es als weitgehend demokratisch regierte Industriegesellschaft.1 Keine andere Nation in Europa erlebte einen ähnlichen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Wandel ohne eine vollständige Umgestaltung der staatlichen Strukturen. Am Beginn einer Studie zur politischen Kultur der englischen Unterschichten im 19. Jahrhundert ist es wichtig, sich diese Fragen und Fakten in Erinnerung zu rufen. Denn die Untersuchung der konservativen Aspekte dieser Kultur macht vor allem besser verständlich, warum die gewaltigen sozialen Konflikte, die im 19. Jahrhundert auch in England unübersehbar waren, nicht eskalieren mussten. Es geht jedoch nicht um die Darstellung eines 1 Vgl. zu den Zahlen Law, Growth, Wrigley, Urban Growth und Hilton, Mad, Bad and Dangerous People, S. 6. Die Angaben beziehen sich auf England, nicht auf das Vereinigte Königreich insgesamt, ließen sich aber leicht entsprechend erweitern. Die Darstellung der englischen Gesellschaft vor 1832 als Ancien Regime geht auf J. Clark, English Society zurück. Für eine grundlegende Kritik an seiner Interpretation vgl. J. Phillips, Social Calculus.

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englischen Sonderwegs: Die lange Tradition eines populären Konservatismus, die im Mittelpunkt dieser Arbeit steht, kann das Ausbleiben einer englischen Revolution allein nicht erklären. Dazu wären vergleichende Untersuchungen notwendig, die nicht zuletzt nach Möglichkeiten der breiten konservativen Mobilisierung auch in anderen Ländern Europas fragen. Dennoch verweisen die hier untersuchten Phänomene auf die Komplexität politischer Auseinandersetzungen im Königreich und die Vielfalt der Antworten, die in England auf soziale Herausforderungen möglich waren. Plebejische Akteure interpretierten ihre Welt und die Veränderungen, die sie erlebten und erlitten, höchst unterschiedlich. Viele suchten Halt in Positionen, die den rasanten Wandel ablehnten oder eine sichere Steuerung versprachen, ohne überkommene Strukturen zu verwerfen. Es war deshalb schwierig bis unmöglich, sie zum Träger revolutionärer Ideale zu machen. Die These dieses Buchs ist freilich nicht, dass die englische Gesellschaft im Grunde konservativ war und deshalb einer Revolution entging. Es will auch nicht die Anstrengungen und Leistungen der Menschen diskreditieren, die aus Verzweiflung und sozialem Elend heraus für radikale gesellschaftliche Veränderungen kämpften. Noch wird bestritten, dass ein großer Teil der englischen Unterschichten an solchen Kämpfen teilnahm und Hoffnungen auf eine bessere Zukunft mit demokratischen Idealen sowie Vorstellungen von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit verband. Es wird jedoch gezeigt, dass „Kirche und Krone“ zwischen 1815 und 1867 stets auch dort auf Zustimmung trafen, wo üblicherweise der Ruf nach Reformen, der Kampf um die People’s Charter oder der Widerstand in Form von Streiks, sozialen Protesten oder Maschinenstürmerei als natürlicher Ausdruck der politischen Haltung gelten. Spezifisch konservative Vorstellungen von Monarchie und Protestantismus, von Verfassung und Nation ebenso wie von sozialer Gerechtigkeit, Geschlechterbeziehungen und englischer Lebensart hatten einen großen Einfluss auf das politische Handeln von sozialen Gruppen aus den englischen Unterschichten im 19. Jahrhundert. Sie prägten die Feiern im Umfeld der Monarchie, lokale Konflikte in parlamentarischen Wahlkämpfen und um die Kontrolle örtlicher Verwaltungsgremien. Sie spiegelten sich in konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen Anglikanern und Nonkonformisten wider, aber auch in Kämpfen zwischen Katholiken und Protestanten oder irischen und englischen Arbeitern. Sie konnten in soziale Protestbewegungen einfließen oder Arbeiter für die Tories mobilisieren und waren über Vereine, Festwie Alltagskultur im Leben plebejischer Engländer verankert. Davon handelt diese Arbeit. In ihrem Zentrum steht ein Bild der englischen Unterschichten im Plural und der Zweifel an gleichförmigen kulturellen Deutungen sozialer Erfahrungen. Politische und soziale Identitäten waren vor allem heterogen und komplex, gekennzeichnet von Stimmungskonjunkturen, bisweilen widersprüchlich und wechselhaft. Zugespitzt lässt sich sagen: Die englische Auseinandersetzung um Reform und Bewahrung, zwischen populären Traditionen des Radikalismus wie des Konservatismus fand nicht zwi10

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schen „oben“ und „unten“ statt, sondern auf allen Ebenen der englischen Gesellschaft, besonders auch innerhalb der englischen Unterschichten. Die Frage nach der erstaunlichen Stabilität der englischen Gesellschaft im Zeitalter der Revolutionen hat den Blick der Historiker auf die englischen Unterschichten wesentlich beeinflusst. Ein großer Teil der Forschung, die sich mit der Geschichte, Identität und dem politischen Handeln „einfacher Engländer“ befasst, hat die betont im Singular wahrgenommene englische Working Class lange Zeit zugleich als Produkt und als Verlierer der großen sozialen Prozesse des 19. Jahrhunderts gesehen. Angesichts ihrer Rolle wurde die harmonische Entwicklung der englischen Gesellschaft bezweifelt. In betonter Abgrenzung zur älteren Whig-Interpretation mit ihrer „großen Erzählung“ der englischen Geschichte, die vom Siegeszug des Liberalismus geprägt war und ein Bild der organischen Reformen sowie der langsamen, aber stetigen Entfaltung eines zutiefst englischen Freiheitsgedankens gezeichnet hatte, haben Sozialhistoriker bis weit in die 1980er Jahre hinein Konflikte zwischen sozialen Klassen in den Mittelpunkt ihrer Darstellungen gestellt.2 Eine besondere Rolle spielten dabei die Studien Edward Thompsons. In seinem 1963 erschienen Buch „The Making of the English Working Class“ schilderte er die Entstehung einer klassenbewussten Arbeiterschaft, die mit Beginn der Industrialisierung aus den Wurzeln des Radikalismus des 18. Jahrhunderts wuchs und von langen Kämpfen um soziale Reformen wie politische Partizipation geprägt wurde. Um 1830 war diese Klasse „gemacht“ und strebte zunehmend selbstbewusster nach politischer Inklusion sowie einer sozial gerechten Gesellschaft. Thompsons unorthodoxer Marxismus verstand Kategorien wie „soziale Klassen“ oder „Klassenbewusstsein“ nie in engen ökonomischen Begriffen; dennoch ging es ihm und vielen anderen Historikern um ein Verständnis der englischen Geschichte über Klassenkämpfe. Für Anhänger seiner einflussreichen Interpretation fanden derartige Kämpfe ihren frühen Höhepunkt im Auftreten des Chartismus, der als erste umfassende Artikulation einer neuen selbstbewussten Arbeiterklasse gewertet wurde – demokratisch in seinen Zielen, bisweilen revolutionär in seinen Mitteln. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage nach dem Ausbleiben der Revolution in England umso dringender.3 Die großen Debatten der Labour History um soziale Disziplinierung durch bürgerliche Dominanz, den Niedergang des Chartismus, die Reformorientierung einer gut ausgebildeten Schicht von Labour Aristocrats unter den Arbeitern und die späte Entstehung einer politischen Partei der englischen Arbeiterbewegung kreisten letztlich um diesen Aspekt. Sie wurden zunächst von Historikern mit marxistischem 2 Vgl. Butterfield, Whig Interpretation. 3 Für explizite Auseinandersetzungen mit der Frage nach dem Ausbleiben einer englischen Revolution vgl. etwa Rud, Warum, Schröder, Revolution, Royle, Revolutionary Britannia und Bavaj, Reform statt Revolution.

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Hintergrund geführt, beeinflussten aber auch die Arbeiten von Forschern, die sich an eher liberalen Sozialtheorien von Max Weber, Seymour Lipset oder Ralph Dahrendorf orientierten. Auch ihre Beiträge, die sich besonders auf die Wahlforschung sowie die Analyse von lokalen Wahlergebnissen konzentrierten, betonten letztlich die grundlegende Prägung politischer Konflikte durch sozio-ökonomische Faktoren und sahen die englische Gesellschaft im 19. Jahrhundert zunehmend von Klassengegensätzen dominiert.4 Angesichts der kaum angezweifelten Bedeutung sozialer Klassen und der frühen Stärke der englischen Arbeiterbewegung erschien die Stabilität der englischen Gesellschaft einerseits höchst zweifelhaft, andererseits besonders erklärungsbedürftig. Entsprechend schlugen sich diese Debatten in einer charakteristischen Periodisierung des 19. Jahrhunderts nach dem Ende der Napoleonischen Kriege nieder, die um den plötzlichen Rückzug der selbstbewussten Arbeiterschaft um 1850 kreiste. Nach Jahrzehnten des Kampfs um soziale und politische Reformen, die mit dem Scheitern der Chartisten endeten, entspannte sich die gesellschaftliche Lage gegen Mitte des Jahrhunderts. Jahre des wirtschaftlichen Aufschwungs ließen die sozialen Gegensätze in den Hintergrund treten und schufen den „hochviktorianischen Konsens“, der bis in die 1880er Jahre bestand. Den Liberalen gelang es, weite Teile der Arbeiterschaft in ihre Reihen zu integrieren, und politische wie soziale Debatten kreisten um kleinschrittige Reformen sowie Verbesserungen im Arbeitsleben. Bürgerliche Begriffe wie Respektabilität, Ordnung, Selbsthilfe und eine liberale Fortschrittsidee überlagerten gewerkschaftliche, radikale oder frühsozialistische Forderungen. Eine selbstbewusst agierende Arbeiterklasse, wie Thompson sie schon 1830 entdeckt hatte, ließ sich dagegen erst im späten 19. Jahrhundert wieder erkennen, als der Aufstieg der Labour Party den Bruch der Arbeiter mit den Liberalen verdeutlichte und soziale Gegensätze wieder stärker ins Zentrum der politischen Auseinandersetzungen rückten. Im Mittelpunkt der sozialhistorischen Interpretation des „langen 19. Jahrhunderts“ von 1815 bis 1914 stand so zwar keine Revolution, aber zumindest ein fundamentaler Bruch in der englischen Geschichte um 1850.5 Alles das wirkt heute aktuell und eigenartig überholt zugleich. Wenige Entwicklungen in der englischen Historiographie der letzten 20 Jahre waren so deutlich wie die Abkehr vom Konzept der „Klasse“ und die Hinwendung zur Konstruktion von sozialen Identitäten über Sprache oder symbolische 4 Marxistisch inspiriert waren zum Beispiel Studien wie Hobsbawm, Labouring Men, ders., Worlds of Labour, Rud, Crowd, R. Harrison, Before the Socialists, Hollis, Pressure, Gray, Labour Aristocracy, ders., Aristocracy of Labour, Crossick, Labour Aristocracy and its Values, ders., Artisan Elite, Prothero, Artisans and Politics, D. Thompson, Chartists, Belchem, Orator Hunt und N. Kirk, Growth of Working Class Reformism. Die wichtigsten Beiträge auf liberaler Seite stammen von Vincent, Formation, Clarke, Lancashire, ders., Electoral Sociology und Nossiter, Influence. Die beste Übersicht über die Debatte findet sich bei Lawrence, Speaking for the People, S. 11 – 25. 5 Vgl. Lawrence, Speaking for the People, S. 13 ff., McWilliam, Popular Politics, S. 16 ff.

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Formen der Kommunikation infolge des „linguistic“ oder „cultural turns“.6 Gareth Stedman Jones’ Artikel „Rethinking Chartism“ bildete 1983 den Auftakt zu langen hitzigen Debatten um die Neuinterpretation grundlegender politischer Konflikte in der englischen Gesellschaft. Zwei Entwicklungen trafen dabei zusammen: Zum einen stimmten zahlreiche Historiker der Betonung der relativen Eigenständigkeit der politischen Sprache zu. Stedman Jones hatte in seiner Untersuchung zum Chartismus eine Deutung von politischen Bewegungen, die deren Sprache in erster Linie als Ausdruck sozioökonomischer Bedingungen verstand, entschieden abgelehnt. Seine daraus folgende Betonung der relativen Autonomie und Langlebigkeit einer Sprache der radikalen Kritik an den gesellschaftlichen Machtverhältnissen in England inspirierte zahlreiche Studien zum englischen Radikalismus, die seine Perspektive bis ins späte 19. Jahrhundert ausweiteten.7 Zum anderen wurde das „Klassen“-Paradigma der englischen Sozialgeschichte vor 1980 von Untersuchungen in Frage gestellt, die von poststrukturalistischen Theorien und feministischen Ansätzen beeinflusst waren. Politische Debatten und soziale Konflikte wurden in ihnen nicht mehr als Ausdruck gegensätzlicher sozioökonomischer Interessen verstanden, sondern nach expliziten oder impliziten kulturellen Vorstellungen befragt, welche die Gesellschaft als Ganze strukturierten. Die Untersuchung des Verhältnisses der Geschlechter sprengte den Rahmen vermeintlicher Klassengegensätze. Geschlechtsspezifisch getrennte Sphären und die Verbreitung des Ideals weiblicher Häuslichkeit etwa beeinflussten Konservative wie Radikale und soziale Gruppen aus der Aristokratie ebenso wie aus den Unterschichten.8 Aus anderer Richtung hoben Historiker wie Dror Wahrman, Patrick Joyce und James Vernon die Heterogenität sozialer Identitäten in vermeintlich geschlossenen Formationen wie dem Bür6 Gute Übersichten liefern Mares, Abschied vom Klassenbegriff, ders., Verhältnis, Lawrence, Speaking for the People, Part 1, McWilliam, Popular Politics und Pedersen, Political History. Cannadine, Rise beschreibt umfassend die Bedeutung des Begriffs der „Klasse“ in der englischen Gesellschaft und Historiographie. P. Burke, Cultural History behandelt besonders die methodischen Debatten um kulturgeschichtliche Ansätze in der englischen Geschichte. 7 Wichtige Arbeiten in diesem Zusammenhang stammten etwa von Biagini u. Reid, Introduction, M. Taylor, Decline, Lawrence, Party Politics, ders., Speaking for the People und Mares, Suche. Vgl. auch Biagini, Liberty, ders., Citizenship und A. Reid, Social Classes. Aus anderer Perspektive betonte auch Steinmetz, Das Sagbare die Eigenständigkeit der politischen Sprache als wesentlichen Faktor für Entwicklungen innerhalb der parlamentarischen Reformdebatten. Wirsching, Parlament, bes. S. 268 ff. kam im Zusammenhang einer Untersuchung des Verhältnisses von Unterhaus und Öffentlichkeit vor 1832 zu ähnlichen Ergebnissen bei der Interpretation der Sprache radikaler Protestbewegungen. 8 Frühe feministische Studien bemühten sich zunächst allerdings eher, Geschlechterfragen in die gängige Klassenperspektive einzubeziehen. A. Clark, Struggle for the Breeches, S. 1 ff. etwa verstand ihre Arbeit als Ergänzung und Erweiterung der Darstellung Edward Thompsons. In diesen Zusammenhang gehören auch die Arbeiten von Davidoff u. Hall, Family Fortunes und S. Rose, Limited Livelihoods. Die Ausdifferenzierung feministischer Ansätze dokumentieren Einleitung und Beiträge in Gleadle u. Richardson, Women sowie die Studien von Tosh, Manliness zur Maskulinität in England.

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gertum oder den englischen Unterschichten hervor. Sie zeigten diskursive Praktiken auf, die jenseits von „harten“ sozio-ökonomischen Strukturen zur Verbreitung von bestimmten Vorstellungen, Mentalitäten und Selbstwahrnehmungen in komplexen sozialen Gruppen führten, die sich nicht mehr mit Klassenbegriffen beschreiben ließen.9 Obwohl Positionen und Ansätze dieser Untersuchungen im Einzelnen alles andere als einheitlich waren, haben sie ein Bild des „Revisionismus“ entworfen, das neben der Skepsis gegenüber sozio-ökonomischen Geschichtsdeutungen einige weitere Gemeinsamkeiten aufweist. Die mit Blick auf die Frage nach der ausbleibenden englischen Revolution wichtigste ist die starke Betonung langer Kontinuitätslinien in der englischen Geschichte und im politischen Handeln sozialer Gruppen aus den Unterschichten. Während frühere Studien in den sozialen Protesten der 1830er und 1840er Jahre mit dem Auftreten eigenständiger Arbeiterorganisationen einen klaren Bruch mit älteren Formen der sozialen Auseinandersetzung erkannten, ordnen die Revisionisten den Chartismus und andere Protestbewegungen in die Tradition des englischen Radikalismus des 18. Jahrhunderts ein. Aus ihrer Sicht war die Sprache der Reform nicht von einem neuen Gesellschaftsverständnis geprägt, das seine Wurzeln in den ökonomischen Gegensätzen einer Industriegesellschaft hatte, sondern von demokratischen Vorstellungen aus der Zeit der Französischen Revolution. Bis weit ins 19. Jahrhundert standen Forderungen nach politischen Reformen wie dem allgemeinen Wahlrecht oder liberalen Grundrechten im Vordergrund des Kampfs um Reformen, nicht soziale Anliegen oder der Gegensatz von Klassen mit unterschiedlichen ökonomischen und politischen Interessen. Auch wenn Arbeiter und andere Gruppen aus den Unterschichten zunehmend selbständiger politisch aktiv wurden, handelten sie nicht als neue soziale Formation, sondern als Teil einer alten, schichtübergreifenden Reformbewegung. Angesichts dieser Deutung wird der Bruch in der englischen Geschichte um 1850 weniger wichtig, da die Niederlage des Chartismus nun nicht mehr als tiefer Einschnitt in einer fast unvermeidlichen Folge von Klassenkämpfen erscheint, sondern als Verschiebung in einer lang währenden Auseinandersetzung um die Reform der englischen Verfassung. Die starke Betonung heterogener Identitäten auf allen sozialen Ebenen fügt sich in diese Interpretation leicht ein: Die Kontinuitätsthese und das neue Bild von der Heterogenität der englischen Gesellschaft bedingen einander.10 Wenig überraschend mag auf den ersten Blick eine zweite Gemeinsamkeit scheinen. Nicht selten verbindet revisionistische Studien eine ausgeprägte programmatische Abgrenzung von marxistischen Ansätzen der älteren Sozi9 Vgl. Wahrman, Imagining the Middle Class, P. Joyce, Visions, ders., Democratic Subjects, Vernon, Politics and the People. Eher an klassisch sozialhistorischen Methoden orientierte Studien, die dennoch starke Zweifel an einer geschlossenen Formation der Arbeiterklasse äußerten, legten K. Brown, English Labour Movement und Golby u. Purdue, Civilization vor. 10 Vgl. die in Anm. 5 zitierten Arbeiten.

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algeschichte.11 Am Beginn des 21. Jahrhunderts kann das bisweilen rhetorisch wirken; erst kürzlich hat Susan Pedersen das Aufstellen von marxistischen Strohpuppen kritisiert, die vor allem dazu dienten, den eigenen Ansätzen auch nach 20 Jahren intensiver Diskussion noch einen innovativen Anstrich zu geben.12 Es gibt allerdings Gründe für die nicht enden wollende Diskussion älterer Positionen. Zum einen hat die marxistisch inspirierte Forschung seit den 1970er Jahren eine große Zahl empirischer Studien geschaffen, deren Ergebnisse kulturgeschichtliche Untersuchungen nicht übergehen können. Ein wesentlicher Teil der revisionistischen Forschung beruht auf der detaillierten Analyse lokaler politischer Auseinandersetzungen, die fast zwangsläufig eine kritische Prüfung früherer Lokalstudien aus dem Umfeld der alten Labour History nach sich zieht. Zum anderen ist der Revisionismus nicht ohne Kritiker geblieben. Auch wenn eine explizite Berufung auf marxistische Positionen heute selten geworden ist, haben Sozialhistoriker in den letzten Jahren immer wieder klassenorientierte Studien sozialer und politischer Strukturen in der englischen Geschichte vehement verteidigt. Angriffe auf die Revisionisten stammten zum Teil von „Veteranen“ der Debatten der 1970er und 1980er Jahre wie Robert Gray, Neville Kirk oder dem Thompson-Schüler James Epstein, aber auch von jüngeren Historikern wie Mike Savage und Andrew Miles, die 1994 provokativ das „Remaking of the British Working Class“ postulierten, oder Paul Pickering und Marc Steinberg, die in ihren Studien zu Chartismus und Arbeiterbewegung explizit an das Werk Edward Thompsons anknüpfen.13 Vor diesem Hintergrund wird eine dritte Gemeinsamkeit der revisionistischen Studien verständlich. Bei aller Betonung der Heterogenität von politischen Identitäten innerhalb sozialer Gruppen stehen bei der Betrachtung des politischen Handels der englischen Unterschichten weiterhin Reformbestrebungen und soziale Proteste im Vordergrund, vor allem bei der Untersuchung politischer Konflikte vor 1860. Bedingt durch Debatten um Chartismus und Radikalismus bleibt auch bei den Revisionisten häufig der Eindruck bestehen, dass Unterschichten und Arbeiterbewegung weitgehend austauschbare Begriffe seien. Zwar haben insbesondere Patrick Joyce und James Vernon in ihren Studien zur politischen Kultur stets auch die Verbreitung konservativer 11 Vgl. etwa Biagini u. Reid, Introduction, S. 3, Biagini, Liberty, M. Taylor, Decline, S. 3, Stedman Jones, Rethinking Chartism, ders., Anglo-Marxism, P. Joyce, History and Post-Modernism, ders., End of Social History, ders., Refabricating Labour History, ders., Social in Question: Einleitung und Vernon, Who’s Afraid. 12 Vgl. Pedersen, Political History, S. 42 ff. 13 Vgl. Gray, Aristocracy of Labour, ders., Class, N. Kirk, Defence of Class, ders., Social Class, ders., Change, Continuity and Class, ders., Decline, J. Epstein, Rethinking, ders., Populist Turn, ders., In Practice, Pickering, Chartism, Steinberg, Great End, ders., Fighting Words und ders., Talk and Back Talk. Differenzierter argumentiert August, British Working Class, der aber insgesamt ebenfalls am Singular der „Arbeiterklasse“ festhält. Vgl. auch Eley, Edward Thompson und die übrigen Artikel in Kaye u. McClelland, Thompson: Critical Perspectives.

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Traditionen betont und ihre Rolle in lokalen Konflikten wie populären Debatten untersucht. Sowohl Joyces frühe Darstellung der Entstehung einer populären Tory-Tradition in den nordenglischen Industriegebieten der Grafschaft Lancashire nach 1850 als auch Vernons Hinweise auf einen populären konservativen Konstitutionalismus beschreiben die Verbreitung konservativer Positionen in den Unterschichten jedoch als eine Entwicklung der zweiten Jahrhunderthälfte.14 Revisionistische Studien tragen daher indirekt zu einer neuen Bekräftigung der alten Periodisierung der englischen Sozialgeschichte bei. Ihre deutlichste Formulierung legte Neville Kirk 1998 in seinem Buch „Change, Continuity and Class“ vor. Gerade mit dem Hinweis auf das späte Aufkommen einer populären konservativen Tradition nach 1850 verteidigt er den grundsätzlichen Bruch in der englischen Geschichte um 1850 und zeichnet erneut das Bild einer in sich geschlossenen Arbeiterklasse vor der Jahrhundertmitte; angesichts der allgemeinen Dominanz der Chartisten innerhalb der englischen Unterschichten sei ein populärer Konservatismus nicht nur nicht zu entdecken, sondern geradezu absurd.15 Aus völlig anderer Perspektive kam vor kurzem Philip Harling zu dem Ergebnis, dass die alte Dreiteilung des englischen 19. Jahrhunderts trotz aller Debatten über Kontinuitätslinien im Bereich der großen politischen Kontroversen Bestand hat. Nach wie vor sei die Veränderung der politischen Kultur um 1850 eines der wichtigsten Phänomene im Laufe des Jahrhunderts; die revisionistischen Studien hätten mit neuen Methoden und Perspektiven das alte Bild zwar differenziert und erweitert, aber nicht grundsätzlich erschüttert.16 An dieser Stelle setzt die vorliegende Studie zu konservativen Traditionen in den englischen Unterschichten und ihrer Bedeutung für politische Auseinandersetzungen in England im 19. Jahrhundert an. Sie gewinnt ihre konkrete Fragestellung aus der vernetzten Betrachtung verschiedener Diskussionen, die in den letzten 20 Jahren weitgehend ohne Bezug zueinander geführt worden sind. Im einzelnen behandeln sie Fragen des Loyalismus und Patriotismus in der Zeit nach der Französischen Revolution, konservative Wahlerfolge bei Unterschichtswählern im späten 19. Jahrhundert, die Rolle der Verfassung als Bezugspunkt breiter gesellschaftlicher Debatten um Reformen sowie konfessionelle Konflikte und die Bedeutung der Religion im Leben der englischen Unterschichten. Erstens. Seit Mitte der 1980er Jahre diskutieren hauptsächlich Frühneuzeitforscher über loyalistische Reaktionen auf die Französische Revolution in England.17 Einerseits wird dabei der demonstrative Loyalismus weiter Teile 14 Vgl. P. Joyce, Popular Toryism, ders., Factory Politics, ders., Visions und Vernon, Politics and the People. Vgl dazu auch unten S. 21 – 26. 15 Vgl. N. Kirk, Change, Continuity and Class, S. 97 f. Vgl. auch ders., Ethnicity und ders., Growth of Working Class Reformism, S. 310 – 348. 16 Vgl. Harling, Equipose Regained. 17 Vgl. zur Debatte allgmein Philp, Introduction, S. 1 – 18; neuere Literaturzusammenfassungen

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der englischen Bevölkerung betont. Die diskutierten Phänomene umfassen die riesige Auflage antirevolutionärer Flugschriften und Pamphlete, die Rolle der Kirchen aller Konfessionen als Plattform für die Verbreitung konservativer Ideen zum Beispiel durch loyalistische Predigten oder das weit verzweigte Netzwerk der Reeves-Associations, die ab 1792 in zahlreichen Städten und Gemeinden gezielt gegen radikale Anhänger der Revolution agitierten.18 Ohne Zweifel erreichten ideologische Positionen konservativer Denker die Mittelund Unterschichten im späten 18. Jahrhundert in popularisierter Form. Ihre Inhalte kreisten um ein positives Bild von Monarchie und Kirche, der englischen Verfassung sowie den in ihr verankerten Grundrechten und bestärkten die Akzeptanz der bestehenden Ordnung oder ein patriotisches Gefühl der Überlegenheit englischer wie britischer Eigenarten. Auch Erfolge bei großen Teilen der Unterschichten lassen sich belegen: So traten in den 1790er Jahren immer wieder Church-and-King-Mobs auf, die aggressiv gegen lokal bekannte Radikale vorgingen, deren Häuser angriffen oder Buchhandlungen verwüsteten, in denen revolutionäre Schriften verkauft wurden.19 In ähnlicher Stimmung versammelten sich im Winter 1792/3 in fast allen englischen Städten loyalistische Mengen, um in volksfestartiger Stimmung der Verbrennung von Puppen des Autors der demokratischen ,Rights of Man‘, Thomas Paine, beizuwohnen.20 Die Fruchtbarkeit patriotischer Appelle lässt sich auch an der Bereitschaft zahlreicher Briten aus allen Schichten erkennen, angesichts der Bedrohung durch französische Truppen Dienst in den ab 1803 von der Regierung ausgehobenen Freiwilligenverbänden zur Landesverteidigung zu leisten.21 Vor diesem Hintergrund hob vor allem Harry Dickinson die Fähigkeit der konservativen politischen Eliten hervor, nach 1789 weite Teile der englischen Bevölkerung mit konservativen Botschaften für die Erhaltung der bestehenden Ordnung zu mobilisieren; auch Eckhard Hellmuth wies auf

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finden sich in Mori, Britain, Emsley, Britain and the French Revolution, Archer, Social Unrest und Macleod, British Attitudes, S. 696 ff. Die Entwicklungen in Schottland beschreibt Wold, Loyalism. Vgl. A. Mitchell, Association Movement, Ginter, Loyalist Association Movement, S. 179 ff., Knickerbocker, Tract, Hole, Counter-Revolutionary Propaganda, Dozier, King, Constitution and Country, O. Smith, Politics, Pedersen, Hannah More, McGovern, Conservative Ideology, Weinzierl, Freiheit, Duffy, William Pitt, Grenby, Anti-Jacobin Novel: British Fiction, ders., AntiJacobin Novel: British Conservatism und Gilmartin, Theater. Schon E. Thompson, Making, S. 74 – 84, 90, 122 wies auf solche Phänomene hin, hielt sie aber für nachrangig. Ältere Interpretationen finden sich bei Rud, Crowd, S. 135 – 148 und Stevenson, Popular Disturbances, S. 137 – 142. Vgl. für die neuere Diskussion vor allem Booth, Reform, ders., Popular Loyalism, ders., English Popular Loyalism, Pottle, Loyalty und N. Rogers, Crowds, S. 195 – 214. Ebd. O’Gorman, Political Ritual, ders., Paine Burnings zählt mehr als 500 belegte Verbrennungen und verweist darauf, dass die Quellen häufig bemerken, sehr viel mehr Verbrennungen als die berichteten hätten stattgefunden. Vgl. Cookson, Volunteer Movement, ders., Patriotism, daneben Western, Volunteer Movement, Dickinson, Popular Conservatism und Colley, Britons, Kap. 7.

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die Existenz einer „genuinen plebejischen Feindschaft gegen die radikale Sache“ hin und kam zu dem Ergebnis, dass konservative Vorstellungen um 1800 mindestens ebenso verbreitet waren wie radikale.22 Andererseits haben Historiker wie John Dinwiddy, David Eastwood und Mark Philp die Grenzen des konservativen Konsenses in der englischen Gesellschaft um 1800 und die Doppeldeutigkeit loyalistischer Phänomene in den Vordergrund gerückt.23 Sie halten loyalistische Wellen in den 1790er Jahren für eher temporäre Erscheinungen und argumentieren, dass auch eine loyalistische Mobilisierung unterer Gesellschaftsschichten deren Blick auf politische Prozesse veränderte und Forderungen nach politischer Partizipation oder gesellschaftlichen Reformen auslösen konnte. Schon Alan Booth hatte in seinen Untersuchungen zum massiven Auftreten der Church-and-King-Mobs 1792 – 3 eine Wandlung der vorherrschenden Stimmung angesichts von Wirtschaftskrisen in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts beschrieben.24 Philps Analysen der Propaganda der Reeves-Associations führten ihn zu dem Schluss, dass radikale Gedanken zum Teil tief in loyalistische Argumentationsketten vorgedrungen waren und diesen bisweilen einen subversiven Anstrich verliehen.25 Studien zu den Freiwilligenverbänden brachten außer einer verbreiteten Bereitschaft zum Kampf für König und Vaterland auch Beispiele von Einheiten zum Vorschein, die gegen einen Einsatz zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung etwa bei Streiks rebellierten, Forderungen nach demokratischen Befehlsstrukturen erhoben und mit radikalen Vorstellungen eine bessere Versorgung der Bevölkerung forderten.26

22 Vgl. Dickinson, Popular Conservatism, ders., Popular Loyalism, ders., Politics und Hellmuth, Kommunikation, S. 84. Daneben auch Christie, Stress und ders., Conservatism. 23 Vgl. Dinwiddy, Interpretations, Eastwood, Patriotism und Philp, Vulgar Conservatism. Noch schärfer argumentierte Wells, Insurrection, und ders., English Society entlang letztlich schon von Edward Thompson geprägter Linien, dass während der Napoleonischen Kriege alles andere als ein schichtübergreifender Konsens herrschte: „It would be idiotic to assume the loyalty of the British masses“ (Insurrection, S. 264). 24 Vor allem in seiner Dissertation interpretierte Booth, Reform, bes. S. 124 das Aufkommen loyalistischer Mobs entlang von Konjunkturwellen. In den relativ prosperierenden frühen 1790er Jahren sei dabei die Bereitschaft zur Abwehr von Protestbewegungen verbreitet gewesen; nachdem sich die wirtschaftliche Lage durch die Kriegsentwicklung um 1795 deutlich verschlechtert hatte, habe die Protestbereitschaft zugenommen und loyalistische Vorkommnisse seien verschwunden. Ähnlich, aber weniger eindeutig, beurteilte er die Entwicklung in ders., Popular Loyalism. 25 Vgl. Philp, Vulgar Conservatism. Ähnlich auch K. Watson, Bonfires. Vgl. daneben die weiterführenden Gedanken zum komplexen Verhältnis von Radikalismus und Loyalismus in den 1790er Jahren in Philp, Disconcerting Ideas. 26 Colley, Britons und Cookson, Volunteer Movement beschreiben zum einen die große Bereitschaft zur Verteidigung des Vaterlands durch die Freiwilligen, warnen aber vor einer einseitigen Interpretation und betonen die oft ambivalente Haltung der Verbände. Vgl. auch Gee, British Volunteer Movement, die Beiträge in Philp, Resisting Napoleon und Linch, Citizen. Cookson, Regimental Worlds weitet diese Perspektive auch auf die regulären Armeeverbände aus.

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Vor allem aber betonen sie die verbreitete Verbindung von patriotischen Argumenten und radikalen Reformforderungen. Über weite Strecken des 18. Jahrhunderts reklamierten gerade Radikale patriotische Gefühle für sich und stellten ihre Reformforderungen mit Verweis auf die Verkommenheit der bestehenden politischen Ordnung sowie den damit verbundenen Niedergang Englands und seiner freiheitlichen Traditionen. Kampf für das Vaterland wurde verstanden als Kampf für die Rettung der politischen Moral; angesichts von Korruption und Missständen musste die Macht der gesellschaftlichen Eliten durch die politische Beteiligung unverdorbener und genuin englisch fühlender Gruppen der Gesellschaft gebrochen werden.27 Zwar gestehen auch die Zweifler am verbreiteten Loyalismus zu, dass es nach der Französischen Revolution einen Wandel in der Nutzung patriotischer Argumente gegeben habe und sich um die Jahrhundertwende Konservative um die Prägung eines Patriotismus bemühten, der Forderungen nach Reformen mit Franzosentum und gefährlicher Demagogie gleichsetzte. Zugleich argumentieren sie aber, dass die radikalen Patrioten sich letztlich schon nach 1800 gegen solche konservativen Gegenstrategien behaupten und spätestens seit dem Ende der Napoleonischen Kriege die politische Debatte nicht nur wieder dominieren, sondern bis weit ins 19. Jahrhundert hinein praktisch ohne Widerspruch Patriotismus mit Radikalismus gleichsetzen konnten.28 Insgesamt entsteht so das Bild einer durch radikale Aufstands- und Protestbewegungen geprägten Gesellschaft im Konflikt, in der selbst loyalistische und patriotische Wellen letztlich die Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung unterminierten und eine langfristig unaufhaltsame Reformdynamik entfalteten. Die Parallelität zur klassischen Dreiteilung des englischen 19. Jahrhunderts mit dem Aufstieg einer selbstbewussten radikalen Arbeiterklasse ist unverkennbar ; auch der Bruch um die Jahrhundertmitte wird integriert. Denn erst nach 1850 erkennen die Anhänger dieser Interpretation eine Änderung der Grundstimmung in der englischen Gesellschaft; parallel zur Ausprägung eines hochviktorianischen Konsenses entwickelte sich dann 27 Die Tradition eines radikalen Patriotismus reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Vgl. zur Geschichte des Begriffs und seiner politischen Verortung in England allgemein M. Dietz, Patriotism. Zu den Debatten des 18. Jahrhunderts und der häufig gegen die „Old Corruption“ gerichteten Kritik radikaler Reformer vgl. Rubinstein, End, Harling, Rethinking und Hellmuth, Why. Die starke Betonung des radikalen Patriotismus in der englischen Forschung hat ihre Wurzeln nicht zuletzt im Beginn der Debatte im Kontext der politischen Auseinandersetzungen um den Falklandkrieg. Wichtige Impulse zur Erforschung des englischen Nationalismus und Patriotismus gingen von einer Konferenz der History-Workshop-Gruppe 1983 aus, deren Beiträge in Samuel, Patriotism gesammelt wurden. 28 Geprägt wurde diese Sicht auf den englischen Patriotismus vor allem von Cunningham, Language und Colley, Britishness. Zuletzt argumentierte insbesondere Harling, Leigh Hunt’s Examiner, ders., Duke of York Affair, ders., Robert Southey gegen eine Überschätzung des loyalistischen Patriotismus in den Jahren vor 1815. Vgl. auch Newman, Anti-French Propaganda, ders., Rise, Belchem, Republicanism, M. Dietz, Patriotism, Eastwood, Intellectual Origin, ders. Patriotism, ders., Meanings of Patriotism sowie Finn, Radical Patriotism.

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auch der Patriotismus zu einem Konzept der politischen Rechten.29 Wichtige Fragen bleiben allerdings offen: Wie konnte es Radikalen schon während der Napoleonischen Kriege gelingen, offensichtlich populäre loyalistische Vorstellungen um Krone und Kirche nahezu vollkommen zu verdrängen? Reichten ambivalente Tendenzen einer loyalistischen Mobilisierung aus, um aus Church-and-King-Mobs protestbereite Radikale zu machen? Verschwanden konservative Gegenstrategien wirklich oder blieben über Jahrzehnte folgenlos? Solche Fragen stellen sich umso dringender, wenn man eine völlig andere Diskussion um Wahlen am Ende des 19. Jahrhunderts betrachtet. Zweitens. Die Wahlerfolge der Conservative Party nach den Wahlrechtsreformen im letzten Drittel des Jahrhunderts und die Fähigkeit der Tories, größere Teile der unorganisierten Arbeiterschaft zu mobilisieren, haben früh große Aufmerksamkeit gefunden. Um 1900 stimmten im Schnitt mindestens ein Drittel der neu in die Wählerschaft aufgenommenen Männer aus den Unterschichten für konservative Kandidaten; auch im 20. Jahrhundert stammten meist etwa 50 Prozent der Stimmen der Konservativen aus der Arbeiterschaft.30 Schon Zeitgenossen registrierten diese Wahlerfolge mit Erstaunen, nachdem nicht zuletzt Konservative selbst erwartet hatten, dass die allmähliche Demokratisierung der englischen Gesellschaft zur dauerhaften Schwächung ihrer Partei führen würde – ungeachtet der Tatsache, dass sich mit Benjamin Disraeli ein konservativer Premier für die Wahlrechtsreform von 1867 verantwortlich zeichnete und Teile der Partei wenige Jahre später die „Tory Democracy“ propagierten.31 Bei Linken lösten konservative Wähler aus der Arbeiterschaft dagegen Entsetzen oder Empörung aus; Marx und Engels etwa reagierten 1868 nach konservativen Wahlerfolgen mit heftigen Vorwürfen an verführte Arbeiter.32 Die historische Forschung hat sich lange Zeit vor allem für die organisatorischen Voraussetzungen derartiger Erfolge interessiert, etwa die Aktivitäten der konservativen Primrose League von 1883 oder den Ausbau der Parteiorganisation, sowie die Schwäche der Liberalen bei den jeweiligen Wahlen diskutiert. Darüber hinaus wurde die Haltung der Parteiführung sowie der Parlamentsabgeordneten zur sozialen Frage in England breit thematisiert.33 29 Der entscheidende Umschwung wird dabei vor allem in den 1870er Jahren gesehen. Vgl. Cunningham, Jingoism, ders., Conservative Party, Evans, Englishness, N. Kirk, Working Class Culture, ders., Labour, Bd. 2 passim sowie ders., Change, Continuity and Class. 30 Vgl. Pugh, Making, S. 81 ff., ders., Popular Conservatism, daneben Belchem, Class, S. 18 – 35, ders., Industrialization. 31 Vgl. Pugh, State and Society, S. 30 ff. 32 Vgl. Briefe Engels an Marx, 18. 11. 1868, 20.11.1868. In: Marx u. Engels, Gesamtausgabe, 3. Abt., 4. Bd., S. 126 f. 33 Vgl. Robb, Primrose League, Pugh, Tories sowie die Standardwerke zur Geschichte der Konservativen Partei von Shannon, Age of Disraeli, ders., Age of Salisbury, Blake, Conservative Party, B. Coleman, Conservatism und Ramsden, Appetite. Eine Literaturzusammenfassung bietet D. Watts, Tories. Die „negative Interpretation“ konservativer Wahlerfolge als Konsequenz aus niedriger Wahlbeteiligung und liberaler Schwäche findet sich insbesondere bei Cornford,

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Bis in die 1990er Jahre hinein erklärten Historiker in der Tradition der Labour History das konservative Wahlverhalten von Arbeitern in der Regel über den Begriff des Deferential Votings, wobei Deference eine Haltung des traditionellen Respekts vor sozialen Eliten bezeichnete und mit der unkritischen Anerkennung ihrer Führungsrolle verbunden war.34 Diese Erklärung beruhte auf einer Gleichsetzung der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeiterschaft mit den Zielen der frühen Arbeiterbewegung. Arbeiter, die konservativ wählten, wichen von der Norm ab; ihr Verhalten wurde entweder über kurzfristige pragmatische Interessen oder eine unmittelbare Abhängigkeit, in der Regel aber über ein ideologisch vermitteltes falsches Bewusstsein erklärt.35 Erst seit Anfang der 1990er Jahre hat Jon Lawrence in Studien zum späten 19. Jahrhundert aus kulturhistorischer Perspektive deutlich gemacht, dass sich das Wahlverhalten sozialer Gruppen nicht aus einer im engeren Sinne sozialen und ökonomischen Positionierung ihrer Mitglieder erklären lässt, und die Konstruktion von Identitäten, die bewusste Schaffung von politischen Koalitionen durch symbolische Aktivitäten sowie die Rolle von verbindenden Elementen wie Pub- und Sportkultur, Maskulinität und Geschlechterrollen als Teile einer solchen Konstruktion in den Mittelpunkt seiner Untersuchung von konservativen Wahlerfolgen gestellt.36 Im Anschluss an seine Arbeiten ist in den letzten Jahren eine Reihe von Publikationen erschienen, die insbesondere auch die Rolle von patriotischen, imperialistischen und religiösen Elementen Transformation, S. 35 – 66, ders., Adoption, E. H. H. Green, Radical Conservatism, ders., Crisis, Kap. 3, Shannon, Age of Salisbury, S. 313 und kürzlich wieder bei Brodie, Politics, S. 99, 113 und 200 f. 34 Vgl. McKeanzie u. Silver, Angels, Nordlinger, Working Class Tories, Pugh, Making, ders., Popular Conservatism, Belchem, Class und Boughton, Working Class Conservatism. Frühe Kritik an solchen Erklärungen findet sich bei Parkin, Working Class Conservatives und Pelling, Working Class Conservatives. Zum Begriff der Deference, der bisweilen als entscheidendes Kennzeichen des englischen politischen Systems und des Wahlverhaltens überhaupt betrachtet wurde, vgl. R. Davis, Whigs, ders., Deference, Newby, Deferential Dialectic, ders., Deferential Worker, D. C. Moore, Politics of Deference, Pocock, Theory of Deference, Spring, Bagehot, McKibbin, No Marxism, S. 310 – 324, J. Clark, English Society, S. 94, 274 f., 293. Vor allem P. Joyce, Work, Society and Politics, S. 90 – 133, J. Phillips, Electoral Behaviour, S. 46 – 64, ders., Social Calculus, O’Gorman, Electoral Deference und ders., Voters, Patrons, Parties, S. 225 – 244 haben gegen ein zu einfaches Verständnis von Deference als unmittelbare Abhängigkeit oder naive Gefolgsamkeit hervorgehoben, dass hierarchische Beziehungen etwa zwischen Adeligen und ihren Pächtern oder Fabrikanten und ihren Arbeitern stets auch ein Moment des gegenseitigen Aushandelns umfassten; Deference und die Zustimmung zur Führung beruhten auf einem sorgfältig ausgehandelten Interessenausgleich. 35 Vgl. Pugh, Popular Conservatism und Belchem, Class, S. 26 ff. Pugh und Belchem nennen neben dem Deferential Voting das Pragmatic Voting der gehobenen Arbeiterschaft, die sich mit Mittelschichtsidealen identifiziert oder unmittelbar von bestehenden sozialen Ungleichheiten profitiert. 36 Vgl. Lawrence, Class and Gender und ders., Speaking for the People. Wichtige Vorarbeiten in dieser Richtung leistet die bereits erwähnte Arbeit von P. Joyce, Work, Society and Politics, die allerdings zu einseitig ökonomische Hierarchieverhältnisse als Erklärungsansatz für die Nähe größerer Teile der Arbeiterschaft zu den Konservativen privilegiert.

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als Bestandteile eines konservativen Weltbilds hervorgehoben haben, das besonders für Wähler aus den Unterschichten und in Arbeiterbezirken bindende Kraft hatte.37 Im Kern argumentieren diese Untersuchungen, dass es den Konservativen im anbrechenden Zeitalter der Massendemokratie gelang, zahlreiche Menschen aus den Unterschichten in die Nähe ihrer Organisationen zu bringen, sich zum Fürsprecher ihrer populären Freizeitvergnügungen zu machen und mit vorsichtigen Forderungen nach staatlichen Sozialreformen ihre alltäglichen Interessen zu vertreten. Eine geschickte Strategie der unterschiedlichen Vermittlung konservativer Werte in einer respektableren Form für das bürgerliche Vorstadtpublikum und einem handfesteren Format für die Arbeiterbezirke ermöglichte die Bildung erfolgreicher politischer Bündnisse über soziale Gegensätze hinweg. Besonders vor dem Hintergrund der loyalistischen Mobilisierung um 1800 stellt sich angesichts der Erfolge der Konservativen Partei im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Frage nach Verbindungen zwischen beiden Phänomenen. Der loyalistische Patriotismus und die konservativen Vorstellungen von Nation, Empire und Gesellschaft, wie sie die Tories um 1900 propagierten, weisen eine hohe Verwandtschaft auf – spielten sie wirklich über 50 Jahre hinweg keine Rolle in politischen Auseinandersetzungen mit Beteiligung der Unterschichten? Welche politischen Konsequenzen hatten konservative Vorstellungen in der Alltagskultur, in der Wahrnehmung der Geschlechter und der sozialen Verantwortlichkeit in der Arbeitswelt zwischen 1815 und 1860? Zu wenig ist zudem über organisatorische Vorläufer der Tory-Arbeiterklubs und der Primrose League im späten 19. Jahrhundert bekannt. Zwar hat David Walsh in einer unveröffentlichten Dissertation die Entstehung sogenannter Operative Conservative Associations in den 1830er Jahren untersucht, in einer bisweilen naiven marxistischen Perspektive jegliche Nähe von Arbeitern zu bürgerlichen oder aristokratischen Tories aber lediglich über die zeitweilige Kooperation in sozialen Fragen wie der Fabrikgesetzgebung oder der Armenfürsorge erklärt.38 Er nimmt dabei ältere Positionen zum Tory Radicalism auf, die sich mit der Bedeutung von paternalistischen Arbeiterführern wie Richard Oastler oder Joseph Raynor Stephens und ihrer Rolle in sozialen Protestbewegungen wie der Fabrikbewegung gegen Kinderarbeit oder dem Widerstand gegen das neue Armenrecht von 1834 beschäftigt hat-

37 Vgl. Readman, 1895 General Election, ders., Conservative Party, Windscheffel, Villa Toryism, M. Roberts, Villa Toryism und ders., Constructing, daneben die etwas älteren, aber in diesen Zusammenhang gehörenden Studien von Coetzee, Party or Country und Cain, Conservative Party. 38 Vgl. Walsh, Working Class Political Integration, ders., Conservative Party Organisation. Cragoe, Great Reform Act behandelt im Rahmen seiner jüngsten Untersuchung konservativer Verbandsgründungen nach 1832 beiläufig auch Operative Conservative Associations, fragt aber nicht spezifisch nach Tory-Versuchen, Gruppen aus den Unterschichten zu organisieren.

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ten.39 Jenseits der Vorstellung, dass es im industriellen Norden Englands Mitte der 1830er Jahre kurzfristige Bündnisse zwischen Tories und Radikalen gab, bleiben die Folgen loyalistischer Traditionen um 1800 und das vermeintlich plötzliche Auftreten eines populären Konservatismus nach 1867 jedoch unvermittelte Entwicklungen.40 Drittens. Die große Bedeutung, die Fragen des populären Verfassungsverständnisses in den Auseinandersetzungen zwischen der älteren Labour History und den Revisionisten spielten, wurde bereits angedeutet. Schon Thompson hatte argumentiert, dass radikalen Reformvorstellungen im frühen 19. Jahrhundert eine weit verbreitete positive Einschätzung der englischen Verfassung entgegenstand, die bestimmte Institutionen und Konventionen wie die Monarchie, die Rolle von Aristokratie und Kirche sowie die traditionellen Vorrechte großer Landbesitzer nahezu unantastbar machte. Eine konstitutionelle Rhetorik prägte das Denken fast aller politischen Gruppen; die fast rituelle Betonung der Vorzüge der englischen Verfassung bildete einen gängigen Topos.41 Während Thompson die Überwindung dieser Rhetorik durch einen demokratischen Republikanismus im Anschluss an Thomas Paine als wesentliches Moment der Entstehung einer unabhängigen Arbeiterklasse verstand, rückte sie spätestens mit Stedman Jones’ Neuinterpretation des Chartismus wieder in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion, da die Revisionisten die auffällige Nähe der konstitutionellen Sprache von frühen Radikalen, Chartisten und späteren liberalen Führern zur Verfassungsrhetorik des 17. und 18. Jahrhunderts hervorhoben. Für sie prägte nicht der Bruch mit älteren Formen der Verfassungsverehrung, sondern die lange Tradition eines reformorientierten Konstitutionalismus den Radikalismus des 19. Jahrhunderts.42 Zwei Aspekte der jüngeren Debatte verdienen besondere Beachtung. Einerseits bemühen sich John Belchem und James Epstein um die Überwindung des Gegensatzes zwischen dem auffällig positiven Bezug englischer Radikaler auf die bestehende Verfassung und revolutionären Tendenzen innerhalb des Radikalismus. Vor allem Belchem hat dazu den Begriff des Popular Constitutionalism geprägt, um die politische Ideologie der Radikalen im frühen 19. Jahrhundert zu beschreiben.43 Er argumentiert, dass das spezifisch radi39 Vgl. Hill, Toryism, C. Driver, Tory Radical, J. Ward, Revolutionary Tory, ders., Factory Movement und Edsall, Anti-Poor Law Movement. 40 Vgl. dazu jetzt auch M. Roberts, Popular Conservatism, bes. S. 408, der Untersuchungen zum frühen Popular Conservatism vor den 1860er Jahren als dringendes Desiderat benennt und in seiner gerade erschienenen Darstellung, ders., Political Movements, Kap. 5 u. 6 vor allem auf die Arbeiten von Walsh, J. Ward und die übrige bereits zitierte Literatur zurückgreift. 41 Vgl. E. Thompson, Making, Kap. 4, bes. S. 96. 42 Auch vor 1983 gab es bereits Kritik an Thompsons These; die Vorstellung, dass der englische Radikalismus insgesamt durch einen reformorientierten und konsensbereiten Konstitutionalismus gekennzeichnet war, vertraten beispielsweise Thomis u. Holt, Threats. Vgl. zur älteren Thompson-Kritik Donnelly, Ideology und Belchem, Republicanism. 43 Vgl. Belchem, Republicanism.

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kale Verständnis der Verfassung nicht auf einen gesellschaftlichen Konsens zielte, sondern die Infragestellung aller gesellschaftlichen Institutionen und Werte erlaubte, sofern sie von einer in früher Vorzeit etablierten idealen englischen Verfassung abwichen. Umfangreiche Reformen waren notwendig, weil Absolutismus und Korruption eine eigentlich demokratische Konstitution zerstört hätten; konkrete Forderungen erhielten ihre Berechtigung durch den Hinweis, die angestrebten Rechte und Instanzen seien Teil der ursprünglichen englischen (angelsächsischen) Verfassung vor der normannischen Unterdrückung gewesen. Gerade der Kampf gegen Unterdrückung und Absolutismus wurde von Radikalen als Inbegriff der englischen Verfassung verstanden. Der ständige Rekurs auf die Verfassung war damit ein Instrument gegen den Vorwurf, revolutionäre Umwälzungen anzustreben, ohne Forderungen nach tief greifenden gesellschaftlichen Veränderungen aufzugeben.44 Epstein weist zudem darauf hin, dass die konstitutionelle Argumentation nur eine, wenn auch die dominante Linie innerhalb des radikalen Diskurses bildete; republikanische Argumente waren seit den 1790er Jahren ebenso fester Bestandteil radikaler Diskussionen und mischten sich mit der Sprache des Popular Constitutionalism, der damit Teil einer allmählichen Ausbildung der englischen Arbeiterklasse blieb.45 Andererseits bringt Patrick Joyce den radikalen Rekurs auf die Verfassung auf den Begriff des „Populismus“, um damit eine politische Identitätsbildung jenseits von Klasseninteressen über universalere Kategorien wie „Nation“ und „Volk“ zu beschreiben.46 In seinen Studien zur Sprache von Politik und populärer Massenkultur belegt er eine breite Ideologie des „People“, die um den Gegensatz zwischen „anständigen, einfachen Menschen“ (Ordinary People, Decent Folk) und einer korrupten herrschenden Klasse kreist; anders als Epstein betont er, dass „People“ und „Working Class(es)“ keine austauschbaren Begriffe waren. Mit Hinweis auf seine bereits erwähnten Untersuchungen zum populären Konservatismus deutet er die typischen Elemente des Popular Constitutionalism zudem lediglich als Teile dieser Ideologie. Neben dem dominanten radikalen Populismus gab es – vor allem nach 1860 – auch 44 Ebd. S. 6 f. Belchems Aufsatz wurde mit seiner Hinwendung zur Sprache der Radikalen zu einem Grundpfeiler der Kritik am Bild der radikalen Protestbewegungen des frühen 19. Jahrhunderts, das Thompson geprägt hatte; gleichzeitig sah er sich selbst in der Tradition Thompsons und bestritt, zu den Revisionisten zu gehören. Vgl. dazu Belchem, Orator Hunt, Einleitung und ders., Popular Radicalism, S. 1 – 8. 45 Vgl. J. Epstein, Cap of Liberty, ders., Constitutionalist Idiom und ders. u. Karr, Playing. Dennoch gehören Epsteins Studien in den Kontext revisionistischer Debatten; seine im Vergleich zu Autoren wie Patrick Joyce und James Vernon moderatere Position in Bezug auf den Bruch mit der traditionellen englischen Sozialgeschichte und den Konsequenzen kulturgeschichtlicher und postmoderner Theorien für die Geschichte Englands im 19. Jahrhundert beschreibt er in J. Epstein, In Practice, bes. Einleitung. 46 Vgl. P. Joyce, Visions und ders., Democratic Subjects. Frühere Verwendungen des Begriffs des „Populismus“ in Bezug auf radikale Gruppen und Politiker finden sich bei Rubinstein, British Radicalism, Calhoun, Class Struggle und Himmelfarb, Ideal of Poverty, S. 228 f.

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eine konservative Form, deren konstitutionelle Aspekte James Vernon in größerer Breite dokumentiert hat: Sie leitete aus der Verehrung der Verfassung die Verpflichtung zur Verteidigung bewährter Strukturen und zur Abwehr von Reformforderungen ab. Anders als Radikale verstanden Tories die bestehende Verfassungsordnung als Ausdruck des ureigensten englischen Ideals von Freiheit, das eng verbunden war mit der Vorstellung einer protestantischen Nation und der Sicherung von Eigentum und Wohlstand. „Freiheit“ in diesem Sinne orientierte sich nicht an individueller gesellschaftlicher Partizipation, sondern an der Teilhabe am Wohl der Nation als Ganzer ; sie war kein naturrechtliches Gut, sondern ein englisches Privileg, das gegen innere und äußere Feinde verteidigt werden musste, zu denen Reformer und Radikale, Katholiken und Juden sowie rivalisierende Nationen, insbesondere Frankreich, gehörten.47 Während sich Joyces widersprüchliche Verwendung des Begriffs „Populismus“ dabei nicht bewährt, erweist sich die Einbeziehung einer populären Tory-Tradition in die breiten Debatten um die Verfassung als hilfreich.48 Vernon erweitert den Begriff des Popular Constitutionalism: Als Feld der politischen Auseinandersetzung gegensätzlicher Parteien und ideologischer Positionen wird er von einer Kategorie zur Beschreibung radikaler Argumentation, wie ihn Belchem und Epstein benutzen, zum „Master Narrative“ der englischen Politik im 19. Jahrhundert.49 Vor diesem Hintergrund stellt sich auch für das frühe 19. Jahrhundert die Frage, wie weit eine konservative Interpretation der Verfassung auf Unterstützung bei sozialen Gruppen aus den Unterschichten traf. Vernon selbst beschäftigt sich in seiner Darstellung des 47 Vgl. Vernon, Politics and the People, Kap. 8. 48 Joyces Begriff des „Populismus“ bleibt unscharf: Bisweilen scheint er ein Feld der politischen Auseinandersetzung zu beschreiben, an anderen Stellen suggeriert er eine allgemeine ideologische Haltung „des Volks“, die sich konkreter in einer widersprüchlichen „Family of Populisms“ ausgestaltete. „Populistisch“ sind bestimmte Werte und Haltungen, aber auch Politikstile und politische Methoden. Joyce verwendet den Begriff des Populismus, um sich vom Begriff der „Klasse“ zu lösen und neben die Vorstellung einer klaren ideologischen Trennung zwischen Arbeitern, Mittel- und Oberschicht die Idee klassenübergreifender Identitäten zu stellen. Gleichzeitig identifiziert er den Radical Populism als dominantes identitätsstiftendes Narrativ für weite Teile der Bevölkerung. Statt widersprüchlicher und überlappender Identitäten entsteht so doch eine relativ geschlossene soziale und ideologische Formation, die in gewisser Hinsicht an Thompsons Working Class erinnert. Joyces Schwierigkeiten einer klaren Definition von „Populismus“ als politischem Konzept sind dabei eher typisch. Vgl. zur Kritik des Begriffs die Aufsätze in Ionescu u. Gellner, Populism, Allcock, Populism sowie Retallack, Demagogentum, Populismus. 49 Vgl. Vernon, Politics and the People, S. 328. Sein Verständnis von Popular Constitutionalism inspirierte eine Reihe von neuen Studien zu Diskursen um die Verfassung innerhalb des Radikalismus. Vgl. Steinberg, Great End, J. Epstein, Real Constitution, Fulcher, English People, Wahrman, Public Opinion, P. Joyce, Constitution und Weinstein, Popular Constitutionalism. Neben radikalen Formen des Verfassungsdiskurses rückten dabei seine narrativen Strukturen in den Mittelpunkt der Diskussion, insbesondere seine melodramatischen Elemente. Schon vor Vernon untersuchte Schwoerer, Celebrating kontroverse Traditionen der Verfassungsinterpretation im 19. Jahrhundert; zuletzt erschien Saunders, Parliament and People.

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populären Tory-Verfassungsdiskurses nur vage mit der sozialen Herkunft der Anhänger konservativer Verfassungsvorstellungen und kommt über allgemeine Hinweise auf die nicht zu unterschätzende Popularität entsprechender Ideale nicht hinaus. Zwar erwähnt er die Existenz konservativer Arbeiter ; aus seinen Quellen, die zumeist aus den Jahren nach 1860 und häufig aus Debatten in jenen konservativen Parteiorganisationen stammen, deren Mitgliedschaft sich ausschließlich aus den lokalen Eliten und der gehobenen Mittelschicht der von ihm untersuchten Wahlkreise rekrutierte, lässt sich aber ein eher traditioneller Blick auf die soziale Trägerschaft konservativer Vorstellungen und ihre zunehmende Popularität im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ablesen.50 Zudem wird die Rolle der Monarchie für ihn nicht zum Thema seiner Diskussion des Popular Constitutionalism. Kann es aber sein, dass die Tory-Variante des populären Konstitutionalismus nach der Jahrhunderthälfte in keinem Zusammenhang zum populären Loyalismus um 1800 steht, der sein antirevolutionäres Gesellschaftsideal nicht zuletzt mit einer positiven Beschreibung der bestehenden Verfassung und einer betonten Nähe von Verfassung, Krone und Kirche propagierte? Inwiefern lassen sich Ansätze zu einer konservativen Organisationsbildung in den 1830er und 1840er Jahren darüber erklären, dass ein konservativer Konstitutionalismus gerade dann zum Kristallisierungspunkt für Tories aus den Unterschichten wurde, als radikale Gruppen und Protestbewegungen mit einem alternativen Bild der Verfassung Forderungen nach weitreichenden gesellschaftlichen Reformen erhoben? Gibt es jenseits des Tory-Radicalism eine Nähe zwischen Tories aus gesellschaftlichen Eliten und ihren Anhängern aus den Unterschichten? Viertens. Studien zur religiösen Kultur im England des 19. Jahrhunderts zeichnen ein komplexes und widersprüchliches Bild zur Verbreitung religiöser Überzeugungen und ihrer Rolle bei der Ausprägung politischer Identitäten in den englischen Unterschichten. Seit über 100 Jahren etwa diskutieren Historiker den Einfluss evangelikaler Bewegungen und insbesondere des Methodismus, der bisweilen als konservatives, bisweilen als ambivalentes Phänomen betrachtet wird, da seine Organisationsformen sowie die wichtige Rolle von Arbeitern in den Gemeinden zur Entwicklung einer selbstbewussten Arbeiterklasse beigetragen hätten.51 Gleichzeitig hält sich der vor allem aus dem Kontext von Debatten um die Säkularisierung stammende Eindruck von weitgehend kirchenfernen und unreligiösen Unterschichten.52 Zwar liegt seit einigen Jahren eine Reihe von Lokalstudien vor, die sowohl in städtischen als auch ländlichen Unterschichten engere Bindungen an Kirchen und Konfessionen belegen.53 Erst zuletzt aber konnte Callum G. Brown eindrucksvoll 50 Vgl. Vernon, Politics and the People, Kap. 8. 51 Die Grundpositionen formulierten Halevy, Naissance, ders., Histoire und E. Thompson, Making. Vgl. zur Debatte Hempton, Methodism, S. 11 ff. und McWilliam, Popular Politics, S. 64 f. 52 Vgl. Inglis, Nineteenth-Century England, ders., Victorian England, McLeod, Religion and the Working Class und S. Gunn, Ministry. 53 Vgl. etwa Laqueur, Religion, Obelkevich, Religion and Rural Society, Cox, English Churches,

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zeigen, dass zwischen 1800 und 1960 Gläubige aus den Unterschichten die Mehrheit der Kirchenbesucher in allen Konfessionen stellten und ihre Teilnahme am religiösen Leben der Gemeinde sich insbesondere unter besser ausgebildeten Arbeitern nicht von der anderer Schichten unterschied. Im gesamten 19. Jahrhundert konnte er keine Periode erkennen, in der die Unterschichten etwa als Folge einer beschleunigten Urbanisierung oder durch eine politische Radikalisierung in größerer Zahl den Kirchen fernblieben.54 Angesichts dieser Ergebnisse drängen sich Fragen nach dem konkreten Einfluss religiöser Positionen und konfessioneller Gegensätze auf politische Haltungen in den Unterschichten auf. Wie weit waren plebejische Engländer auch als Nichtwähler in die klassischen politisch-konfessionellen Milieus der Parteien einbezogen? Lassen sich die gängigen Frontlinien zwischen einem anglikanischen Torymilieu und dem reformorientierten Milieu der traditionellen Konfessionen der Nonkonformisten (Presbyterianer, Kongregationalisten, Baptisten und Quäker) bis auf die unterste Ebene der politischen Mobilisierung fortschreiben?55 In der hohen Politik von Westminster erwiesen sich solche Zuschreibungen häufig als problematisch, wie sich in den 1830er Jahren etwa in den Debatten um die Staatskirche zeigte, als der liberale Premier Lord Grey die Verbindung von Staat und Anglikanischer Kirche entschieden verteidigte, während sein konservativer Herausforderer Robert Peel gegenüber nonkonformistischen Reformforderungen Kompromissbereitschaft andeutete.56 Konnten Kandidaten und lokale Parteiverbände derartige Entwicklungen in den Wahlkreisen nutzen, um durch individuelle Positionen und die Gewichtung dominanter Themen Unterstützung entgegen den üblichen Verbindungslinien zwischen Parteien und Konfessionen zu gewinnen? Welche Rolle spielten dabei regionale Unterschiede in der Stärke der einzelnen Konfessionen? Schließlich überlagerten antikatholische Positionen innerprotestantische Gegensätze. Zwar konnte die eigene Erfahrung der rechtlichen Benachteiligung bei Nonkonformisten eine Solidarisierung mit katholischen Forderungen nach Gleichberechtigung erzeugen, vor allem dann, wenn sie mit einer prinzipiellen Ablehnung jeder Verbindung von Staat und Kirche einherging, wie sie bei vielen Liberalen verbreitet war. Entsprechend unterstützten Katholiken, die im Zuge der irischen Einwanderung eine kontinuierlich wachsende Gruppe bildeten, vor allem liberale Politiker und bildeten ein erkennBartlett, Churches, M. Smith, Religion in Industrial Society, S. J. D. Green, Age of Decline und McLeod, Religion and Society. 54 Vgl. C. Brown, Death of Christian Britain, bes. Kap. 7; ähnliche Ergebnisse für Nonkonformisten finden sich schon bei M. Watts, Dissenters, S. 319 ff. und Hempton, Religion and Political Culture. 55 Vgl. für typische Beschreibungen des Torymilieus Sack, Jacobite to Conservative, Kap. 8 – 10 und Wende, Großbritannien, S. 78, zur Politik von Nonkonformisten Gilbert, Religion and Society, Kap. 3 – 5, Larsen, Friends und Floyd, Church, Chapel and Party. 56 Vgl. Machin, Politics and the Churches.

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bares katholisch-irisches Element im englischen Radikalismus.57 Andererseits einte die Ablehnung der Emanzipation der Katholiken und anderer rechtlicher Konzessionen an die Katholische Kirche durch weite Teile der Konservativen die Protestanten verschiedener Konfessionen. Vorbehalte gegen Katholiken und rassistische Haltungen gegenüber katholischen Einwanderern aus Irland waren eine wesentliche Grundlage für die politischen Erfolge der Tories im späten 19. Jahrhundert und trugen ihnen gerade in den Unterschichten Sympathien zu; ein antikatholischer Protestantismus hatte schon im 18. Jahrhundert entscheidend zur Prägung eines britischen Nationalbewusstseins beigetragen.58 Vor diesem Hintergrund muss die Untersuchung populärer konservativer Traditionen zwischen 1815 und 1867 zum Beispiel mit der Frage nach der Bedeutung der rechtlichen Gleichstellung der Katholiken von 1829 und der Rolle von antikatholischen Elementen in lokalen politischen Konflikten sowie der Alltags- und Festkultur verbunden werden. Welche Funktion hatte die Verbindung von Nation, Protestantismus und Antikatholizismus für die Prägung politischer Identitäten innerhalb der englischen Unterschichten? Zusammengefasst ergibt sich aus der Betrachtung der vier Diskussionsstränge ein Eindruck von der komplexen Vielfalt unterschiedlicher Faktoren, welche die politische Identitätsbildung und das Handeln sozialer Gruppen innerhalb der Unterschichten beeinflussten. Debatten um Loyalismus und Patriotismus, die Verfassung und soziale Gerechtigkeit spiegelten langfristige ideologische Prägungen sowie unterschiedliche soziale Erfahrungen in der Zeit der Industrialisierung. Religiöse Bindungen und ethnische Differenzen waren ebenso von Bedeutung wie eher habituell vermittelte Vorstellungen von englischen Bräuchen, vom Verhältnis der Geschlechter oder von Ansprüchen einfacher Menschen gegenüber gesellschaftlichen Eliten. Mit drei Leitfragen soll dieser Komplex in der vorliegenden Studie untersucht werden: 1.) Lassen sich zwischen 1815 und 1867 zum einen in politischen Konflikten mit unmittelbarer Beteiligung plebejischer Akteure, insbesondere aber auch in der populären Festkultur, im Alltags- und Familienleben sowie in der Arbeitswelt Hinweise auf die Verbreitung konservativer Vorstellungen in den englischen Unterschichten finden? 2.) Wie und warum gelang es der Konservativen Partei und ihr nahestehenden Organisationen schon vor 1867, politische Unterstützung aus sozialen Gruppen in den englischen Unterschichten zu gewinnen? 3.) In welchem Verhältnis standen konservative Positionen zu den politischen Alternativen, die Radikalismus und Liberalismus sowie die entstehende Arbeiterbewegung boten? Wie sich an diesen Leitfragen erkennen lässt, verfolgt die Arbeit eine mehrfache Zielsetzung: Zum einen will sie die Verankerung von konservativen Haltungen, Vorstellungen und Identitäten in einer Vielzahl von Lebensberei57 Vgl. Belchem, Working Class Radicalism. 58 Vgl. Colley, Britons, dies., Britishness und J. Clark, Protestantism.

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chen plebejischer Engländer untersuchen und ihren Einfluss auf politische Konflikte jenseits der Einbindung in parteipolitische Milieus oder Organisationen darstellen. Zum anderen fragt sie nach Möglichkeiten der Konservativen Partei, derartige Haltungen zu nutzen und konservativ geprägte Akteure aus den Unterschichten in ihre Vereine, Wahlkämpfe und sonstigen politischen Aktivitäten einzubinden. Zusammengenommen sollen beide Aspekte dazu beitragen, die auf Englisch üblicherweise Popular Politics genannte Ebene der politischen Auseinandersetzung im Zeitraum nach dem Ende der Napoleonischen Kriege und vor der zweiten Wahlrechtsreform um eine konservative Dimension zu erweitern; es geht darum, das rätselhafte Wesen, den „Conservative Working Man“, besser zu verstehen. Dazu müssen einige grundlegende Begriffe erläutert werden. Neben der Popular Politics stehen die Begriffe „konservativ“ und „Unterschichten“ im Zentrum dieser Untersuchung. Gemeinsam mit ihnen muss näher bestimmt werden, was im Rahmen dieser Arbeit gemeint ist, wenn parallel zu „Konservativen“ oder „Tories“ von „Whigs“, „Liberalen“ und „Radikalen“ sowie von „plebejischen Engländern“ und „sozialen Gruppen“, „Milieus“ und „politischen Lagern“ gesprochen wird. Zunächst soll kurz die Untersuchungsebene der Studie klarer vorgestellt werden. Deutsche Leser haben meist keine Schwierigkeiten, den auch in englischen Beiträgen so gut wie nie näher bestimmten Begriff der Popular Politics zu verstehen; dennoch erweist er sich als kaum übersetzbar, da deutsche Übertragungen wie „populäre“ oder „außerparlamentarische Politik“ Missverständnisse hervorrufen und eine Wiedergabe mit „politischer“ oder „lokalpolitischer Kultur“ zu unbestimmt bleibt. Gemeint ist ein Bereich der politischen Auseinandersetzungen jenseits der hohen Politik der Kabinette und Ministerien, aber auch jenseits der parlamentarischen Debatten. In ihm geht es um die politische Mobilisierung auf lokaler und regionaler Ebene, um die gesellschaftliche Verankerung von Politik durch symbolische Inszenierungen und Rituale, um politische Kultur in Wahlkampagnen individueller Kandidaten, Protestbewegungen oder Machtkonflikten am Ort. Gefragt wird nach der Beteiligung großer Gruppen der Bevölkerung an politischen Konflikten. Letztlich bezeichnet Popular Politics den Bereich des englischen politischen Systems, in dem die Debatten und Entscheidungen der hohen Politik im erweiterten Rahmen ausgehandelt und unterschiedlichste soziale Gruppen in den politischen Prozess einbezogen wurden, ohne dass diese durch das Wahlrecht oder sonstige klar definierte Beteiligungsrechte formal integriert waren.59 Auf dieser Ebene sollen „konservative“ Einstellungen untersucht werden. Aufgrund der komplexen Semantik des Begriffs wird „konservativ“ in Anlehnung an eine breite Diskussion in der Forschung zunächst allgemein als 59 Die wachsende Bedeutung dieser außerparlamentarischen Öffentlichkeit für die Debatten und Entscheidungen im Parlament im frühen 19. Jahrhundert betont Wirsching, Parlament.

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eine Haltung des Bewahrens definiert, die sich als Gegenbewegung zur Aufklärung und Französischen Revolution um die Aufrechterhaltung der bestehenden sozialen und politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ordnung bemühte bzw. Widerstand gegen radikale Reform- und Revolutionsbemühungen leistete. Inhaltlich verbinden sich mit dieser Haltung Grundzüge, die exemplarisch etwa von Edmund Burke in seinen 1790 erschienenen „Reflections on the Revolution in France“ formuliert wurden. Dazu gehören das positive Verständnis der bestehenden Gesellschaft als Ergebnis eines organischen Wachstums sowie die Betonung der begrenzten Möglichkeiten zur Gestaltung der sozialen Verhältnisse, des grundsätzlichen Werts von Stabilität und der Notwendigkeit von staatlicher Autorität wie Ordnung.60 Konservative Positionen sind jedoch stets durch ein grundsätzliches Spannungsverhältnis gekennzeichnet, das sich aus dem Willen zur Bewahrung und dem tatsächlich erfolgenden gesellschaftlichen Wandel ergibt; damit verbindet sich eine unvermeidliche Dynamik des konservativen Denkens und Handelns, da ausgehend von wenigen Grundprinzipien immer wieder neu bestimmt werden muss, was auf welche Weise bewahrt werden soll. Entsprechend bleiben abstrakte Konservatismusdefinitionen meist unbefriedigend; konservative Haltungen haben höchst unterschiedliche konservative Bewegungen hervortreten lassen, deren konkrete Entwicklung in die Bestimmung des Begriffs „konservativ“ einbezogen werden muss.61 Mit Blick auf England erweist sich das zunächst als schwierig.62 Die For60 Diese Elemente finden sich in fast allen Bestimmungen konservativen Denkens. Die hier angeführte Form orientiert sich vor allem an O’Gorman, British Conservatism, S. 1 – 65. Vgl. aber auch: Stillich, Die politischen Parteien, Mannheim, Konservatismus, ders., Konservatives Denken, Viereck, Conservatism revisited, R. Kirk, Conservative Mind, Romein, Über den Konservativismus, White, Conservative Tradition, Greiffenhagen, Dilemma, Kaltenbrunner, Schwieriger Konservatismus, K. Epstein, Genesis, Hogg, Case, Rhonheimer, Konservatismus, O’Sullivan, Conservatism (1976), ders., Conservatism (1993), Quinton, Imperfections, Rosenfeldt, Grundbuch, Scruton, Meaning, Norton u. Aughey, Conservatives, Harbour, Foundations, Vierhaus, Konservativ, Nisbet, Conservatism, Köhler, Wer oder was, Barry, Conservatism, Norton, Conservative Party, Suvanto, Conservatism, Muller, Conservatism. 61 Auf eine ausführlichere Herleitung dieser Definition und Darlegung der grundlegenden Probleme des Konservatismusbegriffs wird hier verzichtet; vgl. dazu Vierhaus, Konservativ und Rödder, Radikale Herausforderung, S. 41 ff. 62 Der Begriff „conservative“ wurde in England etwa ab 1817/20 zur Bezeichnung einer parlamentarischen Gruppierung verwendet; er ersetzte dabei ältere Termini wie „Jacobite“ und trat neben das bis heute geläufige „Tory“. Jeder dieser Begriffe ist im englischen Kontext und in Verbindung mit den Konservativen des 19. Jahrhunderts problematisch; so hat etwa „Tory“ seine Bedeutung vom frühen 18. Jahrhundert bis zum frühen 19. Jahrhundert völlig verschoben. Vgl. dazu Sack, Quarterly Review, ders., Jacobite to Conservative, Schofield, Conservative Political Thought, B. Coleman, Conservatism, Leonhard, Liberalismus, S. 486 – 494 und bes. Rödder, Radikale Herausforderung, S. 41 f., 62 ff. Etwas später setzt Gash, Age of Peel, S. 56 f. das Aufkommen des Begriffs „conservative“ an und verweist auf die erste Reformkrise um 1830. In politischen Debatten wurden „Tory“ und „Conservative“ nach 1820 bisweilen verwendet, um unterschiedliche Positionen innerhalb des englischen Konservatismus zu bezeichnen, häufig aber ohne Unterschied benutzt, um die Kandidaten und Politik der Conservative Party zu

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schung zum Konservatismus in Großbritannien zeichnet sich in der Regel durch eine starke Orientierung auf die englische Conservative Party und eine Vernachlässigung der Frage nach inhaltlich-ideologischen Aspekten des englischen Konservatismus als politischer Ideologie aus. Angesichts der langen organisatorischen Kontinuität der englischen Konservativen Partei treten ihre ideologische Veränderung und die damit verbundene Schwierigkeit der Formulierung eines beständigen ideologischen Kerns konservativen Handelns auch im europäischen Vergleich besonders hervor.63 Entsprechend stammen englische Versuche der Darstellung konservativer Grundwerte vor allem aus dem Umfeld der Partei selbst oder finden sich in programmatischen Schriften konservativer Theoretiker und entsprechenden Anthologien.64 Politikgeschichtliche Darstellungen betonen dagegen die Machtorientierung konservativer Politik und analysieren die inhaltliche Seite konservativer Politik fast ausschließlich mit Blick auf führende Politiker im Parlament und im Zusammenhang mit Fragen nach ihrem politischen Handeln.65 Gängige Darstellungen sehen die Konservative Partei dabei als Interessenvertretung der traditionellen Landed Interests bzw. des Landed Property, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts auch den neuen bürgerlichen Führungsschichten in Industrie und Finanzwirtschaft geöffnet hat und größere Teile der aufstrebenden Mittelschichten in zunehmendem Maße integrieren und an sich binden konnte.66 Mit Blick auf die parlamentarische Elite der Partei werden damit für das frühe 19. Jahrhundert in der Regel drei Ziele verbunden: 1) die Verteidigung der traditionellen Stellung der Krone und anderer konstitutioneller Institutionen, vor allem des Oberhauses; 2) die Verteidigung der Stellung der Anglikanischen Kirche als Staatskirche und des Protestantismus als dominierende Religion insgesamt; 3) die Ver-

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benennen. Im Rahmen dieser Arbeit wird auf eine detaillierte Unterscheidung verzichtet: „Tory“ findet allerdings nur Verwendung, wenn von klar an die Partei, ihre Abgeordneten oder Kandidaten bzw. Vereine gebundenen Personen oder Positionen die Rede ist. Explizite Zweifel an einer inhaltlichen Identität der Politik englischer Konservativer formulierte zum Beispiel Greenleaf, Character ; später stellte er ihre Positionen allerdings sehr viel differenzierter dar. Vgl. ders., British Political Tradition, Bd. 2, S. 189 – 346. Vgl. für parteinahe Darstellungen der Konservativen etwa S. Moore, Conservative Party, Norton u. Aughey, Conservatives, Osborne, Toryism und Norton, Conservative Party. Beispiele für konservative Theoretiker und Anthologien konservativer Selbstbestimmungen sind White, Conservative Tradition, O’Sullivan, Conservatism, Scruton, Meaning, ders., What is Conservatism, Quinton, Imperfection, Harbour, Foundations, O’Gorman, British Conservatism und Muller, Conservatism. Vgl. die in Anm. 33 zitierte Literatur zur Geschichte der Konservativen Partei. In gewisser Hinsicht bildet die Studie von Rödder, Radikale Herausforderung mit ihrem starken Interesse an der inhaltlichen Programmatik der Konservativen Partei eine Ausnahme; auch sie teilt aber die Orientierung an der parlamentarischen Ebene und den Positionen von konservativen Spitzenpolitikern. In dieser Form schildern zahlreiche Handbücher die Entwicklung der Konservativen Partei. Vgl. etwa Hoppen, Mid-Victorian Generation oder Niedhart, Geschichte Englands; das Muster findet sich bereits bei H. Dietz, Konservatismus und Lane, Conservative Party.

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teidigung des gesellschaftlichen Führungsanspruchs traditioneller Eliten (aristokratische Führungsschichten bzw. Landed Interests) und ihrer ökonomischen Interessen im Rahmen paternalistischer Gesellschaftsvorstellungen.67 Im Laufe des 19. Jahrhunderts erweiterte sich das inhaltliche Spektrum konservativer Politik vor allem durch Benjamin Disraeli, der die Partei als „National Party“ stärker patriotisch prägte und für imperiale Ziele öffnete. Seine Zeit als Parteiführer wird mit einer Modernisierung verbunden, welche die Partei aus ihrer Bindung an ländliche Strukturen löste und einen Brückenschlag in die Mittelschichten möglich machte, ohne den aristokratischen Führungsanspruch aufzugeben. Das ökonomisch orientierte Beharren auf Schutzzöllen, das die Partei 1846 gespalten hatte, trat in den Hintergrund, der Kampf gegen Radikale und Demokratie verband sich zunehmend mit der Versöhnung von Stadt und Land, und ein erweiterter Eigentumsbegriff umfasste nun neben ländlichem Grundbesitz Geldvermögen und Bildung. Die Partei der Landed Interests hatte die Manufacturing Interests integriert und konnte in Form eines „antiradikalen Radikalkonservatismus“ defensive Reformen wie die zweite Wahlrechtsreform von 1867 durchsetzen.68 Für die Fragestellung dieser Arbeit bleibt eine solche Beschreibung konservativer Positionen entlang der Entwicklungslinien der Konservativen Partei im parlamentarischen Prozess unzureichend. Zum einen ignoriert die enge Sicht auf dominante Linien innerhalb der Führungszirkel der Partei innerparteiliche Meinungsverschiedenheiten, wie sie etwa zwischen dem in den 1820er Jahren entstandenen administrativen „Liberalkonservatismus“ Robert Peels oder älteren Traditionen folgenden „Country-Positionen“ sogenannter „Tory Ultras“ bestanden.69 Zum anderen macht sie es unmöglich, außerparlamentarische Entwicklungen im Um- und Vorfeld einer Partei einzubeziehen, die bis weit ins 19. Jahrhundert hinein keinen geschlossenen organisatorischen Verband darstellte und in ihrer konkreten Politik weit von den genannten Elementen abweichen konnte. Darüber hinaus bietet sie keine Erklärung für den Einfluss konservativer Werte und ideologischer Aspekte auf soziale Kreise, die weit über die mit der Partei verbundenen aristokratischen Trägerschichten der Landed Interests und die aufstrebenden Mittelschichten der Manufacturing Interests hinausreichten. Eine Untersuchung der Phänomene des Konservatismus auf der Ebene der Popular Politics und in den englischen Unterschichten erfordert deshalb 67 So etwa Stewart, Foundation, S. XII, B. Coleman, Conservatism, S. 3 ff., Sack, Jacobite to Conservative und zahlreiche Handbücher. 68 Vgl. Rödder, Radikale Herausforderung, S. 502 und passim. 69 Vgl. zum Liberal Conservatism Gash, Secretary Peel, ders., Sir Robert Peel, jeweils passim, Mandler, Aristocratic Government, S. 5 f., Sack, Jacobite to Conservative, Kap. 6, Ramsden, Appetite, Kap. 1, Hilton, Mad, Bad and Dangerous, S. 314 – 328, und S. Lee, George Canning. Zu den Tory Ultras und der Tradition konservativer „Country-Positionen“ vgl. Simes, Ultra Tories, Stewart, Foundation, S. 2 – 36 und Colley, Defiance.

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eine Erweiterung der Definition, die einerseits über die abstrakte Beschäftigung mit konservativen Grundwerten und andererseits über die politische Haltung der Conservative Party hinausgeht. In das Verständnis des Begriffs muss ein sozio-politisches Feld einbezogen werden, in dem konservative Gruppen ihre Identität nur teilweise über einen an Edmund Burke angelegten konservativen Wertekanon oder die zentralen politischen Ziele der parlamentarischen Konservativen konstituierten. Ausgeprägter Patriotismus und Loyalismus, die Verteidigung eines traditionellen English Way of Life und damit verbundener Liberties und Rights, ein entschiedener Anti-Katholizismus und Protestantismus sind wesentliche Elemente eines „populären Konservatismus“, dessen Identität über lokale Feste und Rituale, eine Kultur des Pubs und des Sports sowie die Inszenierung paternalistischer Gesellschaftsstrukturen in öffentlichen und familiären Lebensräumen ebenso wie in der Arbeitswelt konstruiert wurde. „Konservativ“ bezeichnet damit eine spezifische Mischung aus politischen Überzeugungen, paternalistischen Gesellschaftsvorstellungen und traditionellen Lebensentwürfen; diese Mischung legte eine Bindung an die Konservative Partei nahe, war einem Engagement für Kandidaten der Partei oder ihren tagespolitischen Zielen aber vorgelagert. Sie prägte sich in vielfältigen Konflikten aus, an denen die parlamentarischen Konservativen nicht unmittelbar beteiligt sein mussten. Auch für in diesem Sinne konservative Gruppen war die Ablehnung von liberalen und radikalen Gesellschaftsvorstellungen ein entscheidendes Bindeglied und diente zur Abgrenzung von anderen Gruppen, die auch als „Whigs“ oder allgemein als „Reformers“ bezeichnet werden konnten. Wie „conservative“ bezeichneten jedoch auch die Begriffe „liberal“ und „radical“ keine klar definierten politischen Parteien oder feststehende Programme, sondern vielfältige Positionen und Haltungen, die mit komplexen Bestrebungen zur Reform der englischen Gesellschaft verbunden waren und durch zahlreiche soziale, symbolische und rituelle Praktiken verbreitet wurden.70 Ihre Bedeutung im englischen Kontext unterschied sich von kontinentalen Verwendungen der Bezeichnungen. „Liberal“ etwa wurde in England ab 1815 zunächst von konservativer Seite zur polemischen Beschreibung von Haltungen verwendet, die traditionell mit den parlamentarischen Whigs verbunden waren und um eine freiheitliche Interpretation der englischen Verfassungstradition kreisten. Gemeint waren vor allem Forderungen nach einer Reform des Parlaments unter Erweiterung der Wählerschaft oder einer starken Ausgabenbeschränkung des Staats sowie die Kritik als korrupt wahrgenommener Regierungspraktiken der Tories. Im Laufe der 1820er Jahre und insbesondere der Reformdebatten im Umfeld der Wahlrechtserweiterung von 1832 entwickelte sich der Begriff zu einer positiven Selbstbestimmung der parlamentarischen Reformbefürworter, die zunehmend als 70 Vgl. J. Epstein, Radical Dining, ders., Cap of Liberty und ders., Radical Expression.

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Liberal Party wahrgenommen wurden.71 Dagegen war der Begriff des Radicalism schon seit dem späten 18. Jahrhundert auch mit plebejischen Protestbewegungen und außerparlamentarischen Forderungen nach einer Reform des politischen Systems verbunden worden, die aus den freiheitlichen Traditionen des englischen Konstitutionalismus den Anspruch auf das allgemeine Wahlrecht ableiteten.72 Nach 1820 einte Liberale und Radikale eine oben bereits erwähnte konstitutionelle Sprache, mit der sie unter Betonung der Souveränität des Volkes und der Autorität des Parlaments gegenüber Krone wie traditionellen Eliten eine Erweiterung und Neudefinition der bestehenden verfassungsgemäßen Bürgerrechte anstrebten, ohne revolutionäre Forderungen zu erheben.73 Trennend wirkten die semantische Verbindung von „liberal“ mit den aristokratischen Whigs im Parlament und der eher plebejische Charakter von „radical“; inhaltlich äußerten sich Differenzen in unterschiedlich weitreichenden Vorstellungen von notwendigen Reformen. Spezifisch „radikal“ waren etwa demokratische Forderungen nach dem allgemeinen Wahlrecht, geheimen Abstimmungen, jährlichen Wahlen und der gleichmäßigen Aufteilung der Wahlkreise. Längst nicht alle politischen Gruppen und Akteure, die sich als Radikale verstanden, traten jedoch mit diesem Programm auf. Zwischen eher moderaten liberalen Reformvorstellungen und radikalen Forderungen existierte ein breites Spektrum unterschiedlicher Reformvorschläge, das von Konservativen leicht auf den Begriff „Whig-Liberalism“ oder „Whig-Radicalism“ gebracht werden konnte.74 Aus diesem Spektrum von Reformern stammen die Politiker, Vereine und Bewegungen, die in dieser Arbeit als „liberal“ oder „radikal“ bezeichnet werden. Während die Komplexität der politischen Begriffe, die in der Studie Verwendung finden, vor allem auf ihren Charakter als „Bewegungsbegriffe“ (Koselleck) zurückzuführen ist, sind sozialdeskriptive Bezeichnungen wie „Klassen“, „Schichten“, „Arbeiter“ oder „Handwerker“ im Zuge der methodischen Debatten um die kulturelle und sprachliche Konstruktion sozialer Identitäten problematisch geworden. Selbst mit feinsten soziologischen Differenzierungen ist es schwierig, die klassische und von Historikern gängigerweise benutzte grobe Dreiteilung der englischen Gesellschaft in „Working Class“, bürgerliche „Middle Classes“ und „Aristocracy“ 71 Die mit Abstand beste Darlegung der Semantik des Begriffs „Liberalismus“ im europäischen und englischen Kontext findet sich bei Leonhard, Liberalismus. Vgl. hier bes. S. 225 – 239 und S. 400 – 412. 72 Vgl. Lottes, Politische Aufklärung, ders., Bürgerliche Grundrechte, Wright, Popular Radicalism, Belchem, Popular Radicalism und Leonhard, Liberalismus, S. 239 – 251. 73 Vgl. J. Epstein, Constitutionalist Idiom, Belchem, Popular Radicalism, S. 1 – 8. 74 Biagini u. Reid, Introduction beschreiben radikale Positionen deshalb auch als „working class liberalism“ (S. 4) oder sprechen von „radical liberalism“ (S. 5). Vgl. auch Biagini, Liberty, S. 1 – 8.

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fortzuschreiben; jeder Versuch, die soziale Wirklichkeit mit entsprechenden Begriffen zu deuten, führt unweigerlich vor das Problem, die auf allen Ebenen festzustellende Heterogenität sozio-ökonomischer Formierungen mit der sowohl in zeitgenössischer Verwendung als auch im heutigen wissenschaftlichen Sprachgebrauch umstrittenen Semantik sozialer Stratifikationsbegriffe in Einklang zu bringen.75 Neuere Untersuchungen zur Industrialisierung und den tatsächlichen Erfahrungen von üblicherweise „Arbeiter“ genannten Gruppen etwa heben die erheblichen Unterschiede der alltäglichen Arbeitserfahrungen von Menschen hervor, die traditionell über ihre abhängige Stellung in Fabriken oder eine hauptsächlich durch physische bzw. manuelle Tätigkeiten bestimmte Arbeitsweise als zunehmend homogene Schicht definiert wurden; zugleich bezweifeln sie für weite Teile des 19. Jahrhunderts die Zentralität der neuen Fabrikproduktion und beschreiben für Unterschichten in urbanen Räumen den raschen Wechsel von Beschäftigung und Phasen der Arbeitslosigkeit sowie das Nebeneinander von selbständigem Kleinhandel und Handwerk, abhängiger Lohnarbeit und Elementen von Subsistenzwirtschaft.76 Bezieht man das vielfältige Netz von Familien- und Verwandtschaftsbeziehungen über scheinbare soziale Grenzen hinweg oder geschlechterdifferenzierte Arbeits- und Lebensweisen mit ein, entsteht ein noch komplexeres Bild, dessen Gültigkeit auch für ländliche Räume belegt werden konnte.77 Soziale Hierarchien werden damit nicht geleugnet; aber es wird notwendig, Begriffe zu verwenden, die dem heterogenen Charakter sozialer Formationen gerecht werden. Vor diesem Hintergrund werden in dieser Arbeit die Menschen, die im allgemeinen Sprachgebrauch des 19. Jahrhunderts unterhalb der „Middle Classes“ standen und mit Begriffen wie „Lower Orders“ (bzw. „Ranks“ oder „Classes“), „Operatives“, oder „Working Classes“ (bzw. „Labouring“, „Humbler“ oder „Poorer Classes“) bezeichnet wurden, als „Unterschichten“ beschrieben. Um umständliche Adjektivbildungen zu vermeiden und eine Abgrenzung zur Vorstellung einer einheitlichen „Arbeiterklasse oder

75 Vgl. allgemein Reddy, Concept, A. Reid, Social Classes und Cannadine, Rise; spezifisch für bürgerliche Mittelschichten Seed, Middling Sort, Wahrman, Imagining the Middle Class, S. Gunn, Public Sphere, ders., Public Culture, S. 3 f. und 14 – 24 sowie Kidd u. Nicholls, Introduction. 76 Vgl. etwa Samuel, Workshop, Cannadine, Past and Present, Sabel u. Zeitlin, Historical Alternatives, P. Joyce, Visions und ders., Work. Zumindest für die ersten zwei Drittel des 19. Jahrhunderts scheint über diese Darstellung unter Sozialhistorikern inzwischen Konsens zu bestehen; auch Savage u. Miles, Remaking betonen die Heterogenität der englischen Unterschichten für das frühe 19. Jahrhundert und erkennen eine homogene englische Arbeiterklasse erst um 1900 bzw. in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. 77 Vgl. Reay, Microhistories, S. 133 – 155, der die von ihm geschilderte heterogene Gruppe ländlicher Unterschichten allerdings weiterhin als ländliches Proletariat bzw. „rural working class“ bezeichnet.

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-schicht“ zu betonen, werden sie daneben „plebejisch“ genannt.78 Zu den „plebejischen Unterschichten“ gehörten verschiedene Gruppen, von Facharbeitern in Fabriken über städtische Bettler bis hin zu Landarbeitern oder Hausangestellten.79 Solche Gruppen lassen sich von bürgerlichen Gruppen wie beispielsweise Unternehmern und Kaufleuten, Juristen und Pfarrern klar trennen, nur schwer jedoch von Kleinhändlern wie etwa Bäkkern und Metzgern oder selbständigen Handwerkern und Heimproduzenten, die über respektable Einkommen verfügen konnten, nicht selten aber kulturell wie sozial tief in Unterschichtskreise eingebunden waren und über keinen höheren Lebensstandard verfügten als Fabrikarbeiter. Sowohl auf radikaler als auch auf konservativer Seite spielten solche „kleinbürgerlichen“ Kreise eine wichtige Rolle in Vereinen und bei politischen Aktivitäten; sie lassen sich allerdings insbesondere im frühen 19. Jahrhundert nur schwer als gesonderte Gruppe erfassen.80 Viele der politischen Akteure, die als Individuen in den Quellen greifbar werden, erlebten – bedingt durch ihre Aktivitäten – einen sozialen Aufstieg, gewannen Anschluss an soziale Eliten oder sonderten sich als Aktivisten von früheren Zirkeln ab.81 Wichtiger als eine kategoriale Unterscheidung zwischen „Upper Lower Class“ und „Lower Middle Class“ erscheint daher die jeweils möglichst genaue Erfassung der Gruppen, die an konkreten Auseinandersetzungen beteiligt waren oder sich in Vereinen organisierten. Entsprechend wird auf eine an sozio-ökonomi78 Eine ähnliche Verwendung des Adjektivs findet sich bei Lottes, Politische Aufklärung und Wirsching, Parlament, bes. S. 253 ff. 79 Vgl. etwa Hoppen, Mid-Victorian Generation, Kap. 1 – 3 und Price, British Society, Kap. 1. Insgesamt handelte es sich bei den „Unterschichten“ je nach Schätzung um zwischen 60 bis 80 Prozent der Bevölkerung. 80 Die Schwierigkeit einer klaren Fassung der sozialen Grenze zwischen Unterschichten und Kleinbürgertum zieht sich wie ein roter Faden durch die Debatte um die „Menu Peuple“, „Petite Bourgeoisie“ oder „Lower Middle Class“. Obgleich ihre Rolle etwa in der Französischen Revolution oder als Führungsschicht im englischen Radikalismus immer wieder bemerkt wurde, betonen Definitionen die fließenden Übergänge sowohl in die Unterschichten als auch zu höher stehenden mittelständischen Kreisen; klarer scheint die Gruppe der Kleinhändler und Handwerksmeister erst im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert erfassbar. Vgl. Crossick u. Haupt, Introduction, S. 3 – 35 sowie dies., Petite Bourgeoisie, bes. S. 1 – 16, daneben Crossick, Lower Middle Class, ders., Urban Society, ders., Petite Bourgeoisie in NineteenthCentury Britain, Winstanley, Shopkeeper’s World und Bailey White Collars. Abzulehnen sind dagegen Definitionen wie die von Mayer, Lower Middle Class, die sozio-ökonomische Kriterien mit ideologischen mischen, um ein inhärent konservatives Kleinbürgertum zu konstruieren und dessen historische Rolle über die Epochengrenzen hinweg untersuchen. Allzu oft dient die Unterscheidung von gehobener Unterschicht und Kleinbürgertum ideologischen Zwecken – es ist etwa nicht einzusehen, warum der schon von E. Thompson, Making, passim als typischer Aktivist der frühen Arbeiterbewegung beobachtete radikale Schuster Teil der Arbeiterschaft sein soll, während sein konservativer Kollege zum Kleinbürger wird. Für eine detaillierte Lokalstudie zur Komplexität sozialer Schichtung in englischen Industrieregionen im 19. Jahrhundert insbesondere in den Übergängen zwischen Unterschichten und unteren Mittelschichten vgl. Pearson, Knowing One’s Place. 81 Vgl. für eine Studie zu diesem Prozess unter aktiven Chartisten R. Hall, United People.

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schen Parametern wie Einkommen oder Beruf, Bildungsniveau oder Wohnort entwickelte Definition von „Unterschichten“ bewusst verzichtet; eine solche Definition erscheint angesichts der angedeuteten Übergänge zwischen sozialen Schichten, individueller sozialer Mobilität innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchie und großer Unterschiede zwischen Regionen sowie ländlichen wie urbanen Lebenswelten nicht sinnvoll. Ein derartiger Unterschichtsbegriff würde Homogenität suggerieren, wo Heterogenität das entscheidende Charakteristikum ist und der Plural von in sich uneinheitlichen Unterschichten betont werden muss. Zur genaueren Erfassung politischer Akteure sowohl innerhalb der Unterschichten als auch in lokalen Eliten werden deshalb statt sozio-ökonomischen Schicht- und Klassenbegriffen Beschreibungskategorien wie „soziale Gruppen“, „Milieus“ und „politische Lager“ verwendet. „Soziale Gruppen“ beschreiben in Anlehnung an Pierre Bourdieus Definition reale Ensembles von Akteuren, die aufgrund ähnlicher Stellungen, Konditionen und Konditionierungen im sozialen Raum Zusammenhänge bilden, sich durch ähnliche Handlungsdispositionen auszeichnen, daher relativ leicht gemeinsam mobilisiert werden können und schließlich zu einer tatsächlich in das Geschehen eingreifenden Verbindung zusammenfinden.82 Gemeint sind handelnde Gruppen, die sich auch, aber nicht ausschließlich über sozioökonomische Kriterien definieren, sondern ihren Zusammenhalt zudem über kulturelle Prägungen, religiöse Identitäten oder einen gemeinsamen Habitus begründen; Mitglieder einheitlicher Berufsgruppen wie plebejische Handwerker oder bürgerliche Unternehmer können daher in unterschiedlichen sozialen Gruppen als politische Akteure auftreten.83 Neben so verstandenen sozialen Gruppen treten in der Arbeit pragmatisch breit definierte „Milieus“ und „politische Lager“ in Erscheinung, mit denen gruppenübergreifende soziale Formationen bezeichnet werden. Während „Milieus“ dabei besonders im Zusammenhang mit politischen und religiösen Vereinen oder Organisationen beschrieben werden und deren Mitglieder oder unmittelbar mit ihnen verbundene Kreise benennen (etwa ein anglikanisches Torymilieu in einzelnen Wahlkreisen), wird in Anlehnung an Karl Rohe allgemein zwischen einem konservativen und einem reformorientierten „politischen Lager“ unterschieden, die sich schichtübergreifend beobachten lassen und entlang der mit den politischen Begriffen verbundenen Meinungsspektren gegensätzliche Identitäten ausprägten.84 82 Vgl. Bourdieu, Sozialer Raum und ,Klassen‘, S. 12 ff. 83 Der Begriff des Habitus als Form vorbewussten Wissens um das im Sinne einer Gruppe ,richtige‘ und ,normale‘ soziale Auftreten wie Verhalten, das die soziale Praxis von Gruppen sowie ihr Selbstverständnis entscheidend prägt, wird Bourdieu, Sozialer Sinn, S. 97 ff. entnommen. 84 Vgl. zum Begriff „Milieu“ die Definition sozialmoralischer Milieus von Lepsius, Parteiensystem und Sozialstruktur, S. 383: „Soziale Einheiten, die durch eine Koinzidenz mehrerer Strukturdimensionen wie Religion, regionale Tradition, wirtschaftliche Lage, kulturelle Orientierung, schichtspezifische Zusammensetzung der intermediären Gruppe gebildet werden. Das Milieu

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Methodisch orientiert sich die vorliegende Arbeit an revisionistischen Studien zur Popular Politics, ohne sich selber unter das Banner des Revisionismus zu stellen oder ein programmatisches Bekenntnis zu „postrevisionistischen“ Versuchen einer Zusammenführung von sozialhistorischen Darstellungen und revisionistischen Analysen der politischen Sprache abzulegen.85 Aus dem bisher Gesagten ist bereits deutlich geworden, dass die revisionistische Betonung einer relativen Eigenständigkeit des Politischen sowie der Sprache der in gesellschaftlichen Konflikten involvierten Akteure die Fragen und Ziele dieser Studie inspiriert hat. Die mit revisionistischen Ansätzen einhergehende Hinwendung zur Untersuchung von politischen Diskursen und zur historischen Analyse von sozialen Praktiken wird ausdrücklich begrüßt. Wie Stedman Jones mit Blick auf den Chartismus schon 1983 formulierte, erfordert ein adäquates Verständnis politischer Akteure und ihres Handelns die Untersuchung dessen, was diese „actually said or wrote, the terms in which they addressed each other or their opponents“; sein betont wort- und textorientiertes Argument muss dabei um symbolische Kommunikation und damit verbundene Sinn- und Identitätsstiftung erweitert werden.86 Gleichzeitig sollen die Schwächen besonders radikaler revisionistischer Studien nicht übersehen werden; gerade Patrick Joyce und James Vernon etwa hat der völlige Verzicht auf sozialhistorische Untersuchungen häufig zu einer undifferenzierten Darstellung geführt, wie an Vernons drastisch vereinfachender Gegenüberstellung von Elite und „dem Volk“ oder Joyces bereits diskutiertem Populismuskonzept vielleicht am deutlichsten wird.87 In dieser Arbeit sollen solche Schwächen durch die Einbeziehung möglichst genauer sozialer Analysen der beteiligten Gruppen in die Unist ein sozio-kulturelles Gebilde, das durch die spezifische Zuordnung solcher Dimensionen auf einen bestimmten Bevölkerungsteil charakterisiert wird.“ Lepsius’ Bestimmung ist durch Rohe, Wahlanalyse, S. 346 – 353, ders., Politische Kultur, ders., Politische Kultur – politische Milieus, S. 186 ff. aus der Perspektive der historischen Wahlanalyse präzisiert worden. Zuletzt hat Welskopp, Banner, S. 49 Milieus als konkrete Personennetzwerke mit der Formulierung „soziale Gemeinschaften, die auf der Selbstverständlichkeit sozialer Nähe nach innen und sozialer Abgrenzung nach außen basieren“ definiert. Vgl. auch Rink, Politisches Lager. „Politische Lager“ werden nach Rohe, Politische Kultur – politische Milieus, S. 188 ff. ,von oben‘ geschaffen, sie entstehen durch Inszenierungen und haben ihre Grundlage „weniger positiv in sozial-moralischen Beziehungen, wohl aber negativ in tief in der Lebenswelt verankerten Vorurteilen und Bedrohungsängsten“. Lager verfügen über „jeweils eigene infrastrukturell abgeleitete politische Deutungskulturen, die es den jeweiligen Eliten ermöglichen, die gesellschaftlich vorgefundenen Vorurteile und Ressentiments immer erneut zu mobilisieren und die Erinnerung an Stiftungsereignisse, denen die Lager ihre Existenz verdanken (…) von Zeit zu Zeit zu aktualisieren.“ Fraglich ist an dieser Bestimmung allein die einseitige Betonung einer Konstruktion ,von oben‘. 85 Vgl. McWilliam, Popular Politics, S. 98 – 101. 86 Vgl. Stedman Jones, Rethinking Chartism, S. 94. 87 Vgl. Vernon, Politics and the People, passim und P. Joyce, Visions. Ähnliche Probleme verbinden sich mit den Arbeiten von Gareth Stedman Jones. Vgl zur Kritik an Joyce, Vernon und Stedman Jones vor allem Lawrence, Speaking for the People, S. 48 – 61.

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tersuchung ihrer sozialen Praxis vermieden werden. Sie bezieht sich dabei sowohl auf Clifford Geertz’ Theorie der dichten Beschreibung als auch auf die im Werk von Pierre Bourdieu entwickelte Theorie der sozialen Praxis und versteht sich in diesem Sinne als praxeologische Untersuchung.88 Gerade mit Blick auf konservative Gruppen in den Unterschichten, die in vielen Fällen nur wenige explizite Dokumente ihres politischen Denkens hinterlassen haben, verspricht eine an diesen Theorien orientierte Analyse neue Erkenntnisse. Die Hinwendung zu symbolischen Handlungen von Gruppen im Rahmen ihrer sozialen Praxis macht nicht nur allgemein vorbewusste und habituelle handlungsleitende Strukturierungen von historischen Akteuren jenseits ihres Bewusstseins erfassbar. Sie erlaubt vor allem auch, jene Gruppen, von denen außerhalb von Berichten und Darstellungen über ihr soziales Verhalten in der Regel keine Selbstzeugnisse vorliegen, auf ihre Identität und Mentalität sowie ihre politischen Ideale und Ziele hin zu untersuchen.89 Den Rahmen solcher Untersuchungen bildet ein kulturgeschichtliches Verständnis von Politik als „soziales Handeln, als ein Netz von Bedeutungen, Symbolen, Diskursen, in dem – oft widersprüchliche – Realitäten konstruiert werden“ (Thomas Mergel); die Haltung des Historikers gleicht der des Ethnologen, der mit dem Blick des Fremden auf die politischen Konflikte vergangener Zeiten blickt.90 Dem Interesse an der Popular Politics entspricht eine Darstellung lokaler politischer Zusammenhänge, die den Blick nicht an starren Ortsgrenzen enden lässt. Diese Studie schildert konservative Phänomene mit Beteiligung der Unterschichten daher vornehmlich anhand von Untersuchungen aus 88 Vgl. bes. Geertz, Dichte Beschreibung und Bourdieu, Entwurf sowie ders., Sozialer Sinn. Zur Kompatibilität dieser beiden auf den ersten Blick vielleicht widersprüchlich erscheinenden Theorien vgl. Reckwitz, Transformation der Kulturtheorien. 89 Spätestens seit Lutz Niethammer in so umfassender wie polemischer Weise die weit verbreitete unreflektierte Nutzung von (kollektiven) Identitätsbegriffen kritisiert hat, muss deutlich gemacht werden, dass mit der Verwendung von Begriffen wie Identität und Mentalität in dieser Arbeit keine normative Forderung zur Schaffung kollektiver Identitäten oder auch nur ihre Akzeptanz als in irgendeiner Weise „natürliche“ Vorstellungen verbunden ist. Im Gegenteil: Durch das Gesagte sollte deutlich geworden sein, dass Identität und Mentalität im Sinne des explizit formulierten oder implizit erkennbaren Selbstverständnisses von Gruppen und Individuen stets als (wandelbare) Konstruktionen verstanden werden, deren Entstehung untersucht werden muss, gerade weil sie keine unproblematischen Konzepte sind. Zudem bleiben Identitäten und Mentalitäten situativ : Akteure können gleichzeitig verschiedene und widersprüchliche Identitäten haben, die je nach Kontext handlungsrelevant werden – ebenso wie sie gleichzeitig verschiedenen Gruppen mit durchaus widersprüchlichen Interessen angehören können. In diesem Verständnis bleiben die Begriffe nützlich und praktikabler als die von Niethammer vorgeschlagene Verwendung von „Wir-Perspektiven“. Vgl. ders., Kollektive Identität, bes. S. 625 ff. 90 Vgl. Mergel, Überlegungen, S. 605. Insgesamt wird die Methode dieser Arbeit damit eher aus deutschen Diskussionszusammenhängen gewonnen als aus englischen Debatten um den Revisionismus. Vgl. zur Methodik auch Schindler, Spuren sowie Habermas u. Minkmar, Einleitung.

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drei englischen Städten, die häufig um Analysen aus den umliegenden Nachbarorten, den Grafschaften sowie der Region erweitert werden. Im Mittelpunkt stehen so zunächst der Großraum London, das West Riding in Yorkshire mit seiner größten Stadt, Leeds, sowie die Umgebung von Bolton in Lancashire. Ergänzend bezieht die Arbeit im Einzelfall Material aus entfernteren Orten ein, zudem lassen sich zahlreiche andere Lokalstudien mit den Ergebnissen aus den hauptsächlich untersuchten Städten verbinden. Insgesamt spannt sich zwischen allen behandelten Orten ein Netz, das von Exeter im Südwesten bis York im Nordosten, von Liverpool im Nordwesten bis zur Isle of Sheppey im Südosten reicht sowie weitere Beispiele aus den Grafschaften Devon, Kent, Sussex, Northamptonshire oder Worcester umfasst. Während Material aus Lancashire, Yorkshire und der englischen Hauptstadt deshalb eine besondere Rolle für die Arbeit spielt, fragt sie auf lokaler Ebene nach einem englischen Phänomen. England ist dabei nicht gleichbedeutend mit Großbritannien oder dem Vereinigten Königreich; Irland, Schottland und Wales gehören nicht zum Untersuchungsraum. Die Auswahl von Bolton, Leeds und London mag zunächst an den nicht zu Unrecht kritisierten Kanon der klassischen Arbeitergeschichte erinnern, sie orientiert sich außer an pragmatischen Aspekten (etwa vorhandenen Vorarbeiten und Quellenbeständen) aber an einer Reihe von wichtigen Kriterien. Zum einen wurden bewusst unterschiedliche Städtetypen ausgewählt, von der Metropole London über das Provinzzentrum Leeds bis hin zur kleineren Industriestadt Bolton mit ihrer Orientierung auf das nahegelegene wirtschaftliche Zentrum Manchester. Bolton und Leeds waren zudem „neue Städte“, die erst im Zuge der Wahlrechtsreform von 1832 zu Wahlkreisen wurden. Ausgehend von ihnen lassen sich die politischen Strukturen der sie umgebenden Grafschaften betrachten; daneben ermöglicht der Blick auf den Großraum London, der vor 1832 in drei Wahlkreise aufgeteilt war und nach der Reform über sieben Stimmbezirke verfügte, eine Untersuchung, die insgesamt vielfältige alte und neue, städtische Wahlkreise und regional ausgedehnte Stimmbezirke in Grafschaften einbezieht.91 Zum anderen repräsentieren die drei Städte mit ihrer Umgebung verschiedene Industriestrukturen, die traditionellerweise häufig mit unterschiedlichen Mentalitäten und Ausprägungen von politischen Haltungen innerhalb der Unterschichten verbunden werden. So gilt London 91 Vor 1832 umfasste der Großraum London die Wahlkreise Westminster, Southwark mit jeweils zwei Abgeordneten und die City of London mit vier ; nach 1832 kamen die Wahlkreise Finsbury, Greenwich, Lambeth, Marylebone und Tower Hamlets hinzu, die jeweils zwei Abgeordnete wählten. Der größte Teil von London lag in der Grafschaft Middlesex (zwei Abgeordnete). Bolton und Leeds wählten nach 1832 je zwei Abgeordnete. Die Grafschaft Lancashire verfügte vor 1832 über zwei Abgeordnete und wurde durch den Reformakt in North und South Lancashire mit je zwei Abgeordneten geteilt; Bolton lag im Nordteil der Grafschaft. Yorkshire wählte vor 1832 zwei Abgeordnete, nach 1832 wurde die Grafschaft in drei Wahlbezirke aufgeteilt, die jeweils zwei Kandidaten nach Westminster sandten. Leeds gehörte zum West Riding of Yorkshire.

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neben Birmingham als typisches Beispiel einer Stadt mit kleingliedriger, durch Handel, Verwaltung sowie selbständige Handwerksbetriebe und selbstbewusste Master Artisans geprägten Wirtschaftsstruktur. Neben der Funktion als Regierungssitz und kulturelles Zentrum wurde gerade in dieser Struktur häufig die Ursache für die relativ geringe Militanz der Arbeiterbewegung in der Hauptstadt gesehen; sie erklärte die Dominanz eines von Handwerkern getragenen Radikalismus, der zum Bündnis mit bürgerlichen Kreisen bereit und von starker Reformorientierung geprägt war.92 Dagegen verkörpern sowohl Leeds als auch Bolton Formen von vergleichsweise jungen Industriestädten, mit denen sich unterschiedliche Strukturen der nordenglischen Textilproduktion verbinden lassen. Bolton war als „Milltown“ etwa 50 km nordwestlich von Manchester typisch für die ausgedehnte Baumwollproduktion in Lancashire; es war durch größere Spinnereien und Färbereien in weit höherem Maße von Fabrikarbeit und Industrialisierung gekennzeichnet als London.93 Leeds hatte als provinzielles Zentrum für die umliegenden Städte Bradford, Huddersfield und Halifax zwar auch als Handelsplatz und Verkehrsknotenpunkt Bedeutung. Letztlich war es aber wie Bolton durch industrielle Textilproduktion geprägt, auch wenn die regionale Wirtschaftsstruktur im West Riding mit unterschiedlichen Schwerpunkten in den Bereichen Wolle, Flachs, Kammgarn und Baumwolle weniger einheitlich als in Lancashire war und darüber hinaus auch größere Maschinenbauanteile sowie Bergbau umfasste.94 Beide Städte lagen in Industrieregionen, die häufig mit der militanteren nordenglischen Variante der Arbeiterbewegung, Maschinenstürmerei und dem Physical-ForceChartismus verbunden werden.95 Schließlich zeigen die drei Städte unterschiedliche Muster in Hinblick auf die erwähnten konservativen Wahlerfolge bei Wählern aus den Unterschichten im späten 19. Jahrhundert. Bolton entwickelte sich nach 1868 zu einer konservativen Hochburg, die regelmäßig Tory-Kandidaten ins Parlament entsandte und deren Lokalpolitik von den Konservativen dominiert wurde; auch in den Jahrzehnten zuvor war es den Konservativen immer wieder gelungen, politischen Einfluss in der Stadt auszuüben und bei Wahlen zumindest einen der beiden Parlamentssitze zu gewinnen. In den 92 Vgl. etwa Stedman Jones, Outcast London, Crossick, Artisan Elite, Prothero, Artisans and Politics und Goodway, London Chartism. Zuletzt haben D. Green, From Artisans to Paupers, ders., Metropolitain Economy, ders., Lines of Conflict und Johnson, Economic Development das klassische Bild der Londoner Wirtschaftsstruktur und Arbeiterbewegung im frühen 19. Jahrhundert stark differenziert. Vgl. auch Schwarz, London in the Age of Industrialisation, ders., London 1700 – 1840, Inwood, History of London und Fahrmeir, Ehrbare Spekulanten. 93 Anders als andere Cotton Towns in Lancashire verfügte Bolton allerdings auch über nennenswerte Anteile im Maschinenbau. Vgl. Walsh, Working Class Political Integration, Kap. X, B. Lewis, Bourgeois Ideology, Einleitung und P. Taylor, Popular Politics, S. 154 ff. und passim. 94 Vgl. Unwin, Leeds und Connell u. Ward, Industrial Development. 95 Vgl. zu den regionalen Strukturen und Städtenetzwerken in Nordengland Walton, North.

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1840er Jahren kontrollierten sie für mehrere Jahre den Stadtrat.96 In Leeds konnten die Tories nach 1868 die langjährige liberale Überlegenheit bei den Parlamentswahlen und auf lokalpolitischer Ebene verringern, ohne allerdings eine ähnliche Dominanz wie in Bolton zu erringen. Vor dem Reformakt von 1868 war die noch ausschließlich bürgerliche Wählerschaft der Stadt über Jahrzehnte zwar relativ gleichmäßig in liberale und konservative Blöcke gespalten; ein hauptsächlich nonkonformistisch geprägtes liberales Milieu hatte die politischen Strukturen jedoch immer dann kontrolliert, wenn es geschlossen aufgetreten war. Nach der zweiten Wahlrechtsreform konnten die Tories in Leeds 1874, 1885 und 1900 die Mehrheit der inzwischen drei bzw. fünf Sitze in verschiedenen Wahlkreisen der Stadt gewinnen; zwei Mal erhielten sie dabei mehr als 50 Prozent der abgegeben Stimmen.97 Anders als Leeds entwickelte sich London im späten 19. Jahrhundert durchaus zu einer konservativen Bastion und folgte damit dem Beispiel anderer urbaner Zentren wie Sheffield und Birmingham; die politischen Verhältnisse der Stadt vor 1868 unterschieden sich aber nicht nur aufgrund der ungleich komplexeren Strukturen deutlich von denen Boltons. London war im frühen 19. Jahrhundert eine Hochburg der Liberalen und Radikalen, in denen konservative Kandidaten kaum eine Chance hatten, auf größere Unterstützung zu treffen. Abseits der parlamentarischen Zirkel der Konservativen am Regierungssitz galt lange Zeit, dass ein Londoner Konservatismus nicht existierte.98 Angesichts solcher Unterschiede zwischen den Städten erlaubt ihre Auswahl eine vielschichtige Untersuchung konservativer Phänomene mit Beteiligung der Unterschichten im Zeitraum von 1815 bis 1867. Der zeitliche Rahmen der Arbeit folgt dabei aus den Periodisierungen, die sich durch die geschilderten Debatten um den populären Loyalismus während der Napoleonischen Kriege und die konservativen Wahlerfolge nach der zweiten Wahlrechtsreform ergeben. Alle ausgewählten Städte veränderten ihr Gesicht über diesen langen Zeitraum erheblich; besonders auffällig ist dabei das extreme Wachstum der Bevölkerungszahl, das vor allem durch die starke regionale Zuwanderung entstand. London war zu Beginn und zum Ende des Zeitraums die größte Stadt der Welt; ihre Einwohnerzahl hatte sich jedoch von reichlich einer Million im Jahre 1811 auf weit über drei Millionen mehr als verdreifacht. Noch schneller wuchs Leeds, in dem 1811 gut 62.000 und 1871 fast 260.000 Einwohner gezählt wurden, während Bolton im gleichen 96 Vgl. P. Joyce, Work, Society and Politics, passim, R. Poole, Popular Leisure, Garrard, Leadership and Power, Kap. 9 u. 10 und P. Taylor, Popular Politics. 97 Vgl. Fraser, Politics in Leeds, ders., Politics and Society und M. Roberts, Popular Conservatism, S. 221. Ab 1867 wurden im Wahlkreis Leeds drei Abgeordnete gewählt, nach 1885 teilte sich die Stadt in fünf Stimmbezirke (Zentrum, Nord, Süd, Ost und West) mit jeweils einem Abgeordneten. 98 Vgl. Claus, Real Liberals, Windscheffel, Villa Toryism, Fahrmeir, Ehrbare Spekulanten, S. 307 ff., 397 ff. und Baer, Westminster.

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Zeitraum eine ähnliche Wachstumsrate wie London verzeichnete und seine Einwohnerzahl von 24.000 auf gut 92.000 erhöhte.99 Die damit verbundenen städtebaulichen, verkehrstechnischen und sanitären Probleme prägten den Alltag der Bewohner aller Städte erheblich und spiegelten sich ab dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts immer stärker in den lokalen politischen Auseinandersetzungen wider. Gegen Mitte des Jahrhunderts schufen eine Verlangsamung des Städtewachstums und die allgemeine wirtschaftliche Erholung nach 1850 finanzielle Spielräume, um den Folgen der Explosion der Bevölkerungszahlen unter dem Stichwort „Improvement“ Herr zu werden. In den Jahrzehnten zuvor waren in allen Städten die Auswirkungen einer langgezogenen Krise nach dem Kriegsende von 1815 zu spüren, welche die einzelnen Lokalwirtschaften zwar auf unterschiedliche Weise beeinträchtigte, insgesamt aber ähnliche Tiefpunkte in den Jahren 1817 bis 1820, 1829 bis 1831 und 1837 bis 1842 mit sich brachte.100 Während die hohen Kriegsschulden die öffentlichen Haushalte stark belasteten, führten industrielle Innovation und das starke Wachstum der Gesamtbevölkerung zu großen sozialen Umbrüchen in den Städten. Alles das bildet den Rahmen für die folgende Untersuchung. Dass sie sich weitgehend auf urbane Räume beschränkt, ist im Wesentlichen eine Folge der Quellenlage und der Methodik dieser Arbeit. Die Frage nach Phänomenen auf der Ebene der Popular Politics führt fast zwangsläufig zur umfangreichen Lektüre der englischen Lokalzeitungen, die in dieser Arbeit die Hauptquelle bilden. Mit Recht werden die englischen Zeitungen des 19. Jahrhunderts bisweilen als Protokollbücher des sozialen, kulturellen und politischen Lebens der Städte beschrieben; Abläufe in lokalen Gremien, Gemeinden und Stadträten wurden in ihren Berichten besser dokumentiert als in offiziellen Akten und Protokollen, die zudem vielfach nicht erhalten geblieben sind. Über lokale Ereignisse und Feste, Aktivitäten von Vereinen und Parteien oder Protestveranstaltungen gibt es in der Regel keine anderen Aufzeichnungen, auf die zurückgegriffen werden kann. Gleichzeitig beschränkt die Lektüre von Zeitungen den Blick weitgehend auf urbane Lebenswelten, da Zeitungen in Städten erschienen, in aller Regel hier ihre Leserschaft fanden und auch in ländlichen Regionen vor allem Ereignisse in örtlichen Kleinstädten oder Marktzentren beschrieben. Für dörfliche Strukturen fehlen entsprechende Quellen, auch wenn vor allem die englische Provinzpresse durchaus bemüht war, ihren Lesern eine regionale Berichterstattung zu bieten, die Vorkommnisse im Umland einschloss. Die Entwicklung und Vielfalt der englischen Presselandschaft im 99 Vgl. für London Inwood, History of London, für Leeds C. J. Morgan, Demographic Change und für Bolton Clegg, Annals of Bolton. Die Zahlen beruhen jeweils auf den offiziellen Volkszählungen. 100 Vgl. zur Konjunkturentwicklung in Großbritannien etwa Daunton, Progress and Poverty, passim.

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19. Jahrhundert ist von zahlreichen Historikern beschrieben worden; das Wachstum der Zahl von Zeitungen und Journalen muss hier nicht erneut dargestellt werden.101 In vielen Städten gab es zumindest zwei Zeitungen, die meist den unterschiedlichen politischen Lagern angehörten und es dem Historiker ermöglichen, Berichte von zwei gegensätzlichen Seiten zu prüfen, um lokale Ereignisse möglichst genau zu rekonstruieren. Die Pressestrukturen in Leeds waren typisch: Neben dem liberalen Leeds Mercury erschien über den gesamten Untersuchungszeitraum der konservative Leeds Intelligencer. Beide Wochenzeitungen standen in scharfer wirtschaftlicher und politischer Konkurrenz zueinander, wobei der Mercury über eine deutlich höhere Auflage verfügte. Darüber hinaus gab es zu verschiedenen Zeiten weitere kurzlebigere wöchentlich erscheinende Zeitungen in Leeds, unter anderem die wichtigste Publikation der Chartisten, den Northern Star. In Bolton prägten sich ähnliche Strukturen etwas später aus ; ab Mitte der 1820er Jahre wurde der Bolton Chronicle zunächst als eher radikale, später konservative Zeitung einmal pro Woche veröffentlicht. Knapp ein Jahrzehnt später trat die liberale Bolton Free Press an seine Seite, die 1847 einging; ihr folgte aber eine Reihe weiterer liberaler Zeitungen in der Stadt. Anders als in Bolton und Leeds war die Presselandschaft in London vor allem durch die verschiedenen überregionalen Zeitungen geprägt, allen voran der Times und einer Reihe weiterer wichtiger Tages- und Wochenzeitungen. Ihre Dominanz verhinderte lange Zeit die Entstehung spezifisch „Londoner“ Zeitungen, die in stärkerem Maße auf lokale Ereignisse und Konflikte unterhalb der Ebene des Parlaments abhoben; erst nach 1850 entstanden in rascher Folge für alle Stadtteile Londons gesonderte Lokalzeitungen. Dadurch wird die Rekonstruktion der Londoner Popular Politics einerseits erschwert, andererseits ermöglicht die Lektüre der überregionalen Zeitungen immer wieder eine Weitung des Blicks auf andere Grafschaften, Städte und englische Regionen. Da die Rekonstruktion lokaler Ereignisse im Mittelpunkt der Zeitungsauswertung steht, ist die Frage nach der Leserschaft der jeweiligen Zeitungen zunächst weniger wichtig für die Untersuchung. Methodisch wurden vor allem Berichte und die zahlreichen protokollartigen Schilderungen von Abläufen, Reden und Veranstaltungen bearbeitet, um möglichst genaue Eindrücke von relevanten Ereignissen zu erhalten. Dagegen ist die Rolle der lokalen Zeitungen als meinungsbildende Medien für eine vornehmlich bürgerliche Leserschaft von geringerer Bedeutung; entsprechend wurde Leitartikeln und Kommentaren weniger Beachtung geschenkt. Dennoch sollte die unmittelbare Wirkung der Berichterstattung von „bürgerlichen“ Lokalzeitungen und der überregionalen Presse bis in unterste Schichten der Gesellschaft nicht unterschätzt werden. Auch wenn vor allem 101 Vgl. beispielsweise Aspinall, Politics and the Press, Asquith, 1789 – 1855, Lee, 1855 – 1914 und Jones, Powers of the Press. Speziell für Nordengland vgl. Read, North of England Newspapers, ders., Reform Newspapers und D. Joyce, Leeds Intelligencer.

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im frühen 19. Jahrhundert der hohe Preis von Zeitungen, der bis 1853 durch Zeitungssteuern noch gesteigert wurde, ihren Erwerb für ein plebejisches Publikum erschwerte, erreichten die Publikationen über unterschiedlichste Kanäle eine ausgedehnte Leserschaft. Dabei spielten Pubs und Gasthäuser eine wichtige Rolle, in denen die Zeitungen nicht nur auslagen, häufig vorgelesen und diskutiert, sondern nach einigen Tagen auch kostengünstig weiterverkauft wurden. Darüber hinaus bildeten sich im frühen 19. Jahrhundert immer wieder kleinere Lesezirkel und Bibliotheken, die Zeitungen abonnierten und nach der Lektüre durch ihre Mitglieder zum Kauf anboten; auch gemeinsame Zeitungskäufe in plebejischen Nachbarschaften oder durch Klubs und Vereine sind belegt.102 Entsprechend erreichten einzelne Ausgaben einer Zeitung eine große Zahl von Lesern, die bisweilen bis auf 20 pro Exemplar geschätzt wird. Unabhängig von der nicht unerheblichen Zahl von radikalen Zeitungen, die zum Teil illegal „ungestempelt“, also ohne Zeitungssteuer vertrieben wurden, verfügten auch bürgerliche Zeitungen über eine plebejische Leserschaft – England galt kontinentalen Beobachtern nicht umsonst als Land der Zeitungsleser. Neben Zeitungen konnte eine Reihe weiterer Quellengruppen ausgewertet werden, welche die Presseberichterstattung ergänzen. Dazu gehören Akten des Innenministeriums zu Ausschreitungen, Stimmungsberichte von Militärs und lokalen Beamten sowie Planungsakten zu öffentlichen Veranstaltungen wie etwa Krönungsfeiern, aber auch lokale Verwaltungsakten und Protokolle aus städtischen Gremien. Einzelne Berichte aus den umfangreichen Protokollen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse treten neben Nachlässe von Politikern und lokale Sammlungen von Wahlplakaten und Flugblättern, Aufzeichnungen über Wahlkämpfe, Stimmabgabe (Poll Books) und Ortsverzeichnisse mit Personendaten (Directories). Von höherer Bedeutung sind zeitgenössische Darstellungen, Flugschriften und Pamphlete, für die insbesondere auch die umfangreiche Sammlung zur Fabrikbewegung und zum Protest gegen das neue Armenrecht von 1834 durch Richard Oastler in der Londoner Goldsmith Library bearbeitet wurde. Gemeinsam mit der detaillierten Presseberichterstattung erlauben diese Quellengruppen einen gründlichen Einblick in die lokale politische Kultur der behandelten Städte. Konkret werden vor allem zwei Ebenen behandelt. Zum einen geht es um unterschichtsnahe Diskurse, etwa Reden von unterschiedlichsten Akteuren in Wahlkämpfen oder vor Arbeitervereinen, auf Demonstrationen oder im Bereich religiöser Organisationen. Dabei handelt es sich entweder um direkte Äußerungen von plebejischen Aktiven oder von Politikern, Priestern und anderen Akteuren, die unmittelbar an ein plebejisches Publikum gerichtet waren und Aufschluss über Vorstellungen 102 Vgl. Aspinall, Politics and the Press, Coltham, English Working-Class Newspapers, Hollis, Pauper Press, Mountjoy, Working-Class Press, McCalman, Ultra-Radicalism, ders., Radical Underworld, Gilmartin, Print Politics, J. Rose, Intellectual Life, und Wirsching, Parlament.

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und Positionen der beteiligten Personen geben. Zum anderen rekonstruiert die Studie soziale Praktiken im Bereich der Fest-, Arbeits- und Alltagskultur sowie im Rahmen von Auseinandersetzungen etwa in Wahlkämpfen oder zwischen unterschiedlichen plebejischen Gruppen; Ziel ist hier, aus dem Verhalten plebejischer Akteure Rückschlüsse auf sie leitende Einstellungen und Haltungen zu gewinnen. Diskurs und soziale Praxis stehen bei diesen Verfahren in einem Spannungsverhältnis, da sie nicht immer ohne weiteres unmittelbar aufeinander bezogen werden können. So lässt sich zum Beispiel die Teilnahme eines großen Teils der Bevölkerung an offiziellen Feiern nicht einfach als Zustimmung zu den Positionen der Organisatoren werten. Dennoch ist es in vielen Fällen möglich, durch detaillierte Analysen der Abläufe und Kontexte Verbindungslinien zwischen beiden Ebenen aufzuzeigen, die über eine schlichte Plausibilitätsvermutung hinausgehen und verlässliche Rückschlüsse auf den Charakter und die Verbreitung eines populären Konservatismus zulassen. Im ersten Kapitel wird dieses Problem mit Blick auf die Feiern im Umfeld der Monarchie gesondert diskutiert. Die Gliederung der Arbeit spiegelt das Spannungsverhältnis zwischen Diskursanalysen und Studien von sozialen Praktiken in der Aufteilung der Kapitel wider. Grundsätzlich teilt sich die Arbeit in drei große thematische Felder, die jeweils den gesamten Zeitraum behandeln. Diskurs und soziale Praxis werden dabei stets eng vernetzt behandelt ; dennoch lassen sich die Kapitel in den drei Teilen in je ein Praxis- und ein Diskurskapitel trennen. Im ersten Abschnitt werden Phänomene untersucht, die dem Bereich „Loyalismus und Patriotismus“ zugeordnet werden können. Während das erste Kapitel die Feiern der Monarchie bis 1832 behandelt und sich insbesondere mit dem Verhalten der daran teilnehmenden Mengen beschäftigt, folgt das zweite Kapitel der weiteren Entwicklung dieser Feiern in enger Verbindung zur Untersuchung der Lokalpolitik sowie der Entstehung von konservativen Arbeitervereinen ab den 1830er Jahren. Im Mittelpunkt stehen die Konflikte um das richtige Verständnis von Krone und Verfassung sowie die Frage, inwieweit konservative Haltungen in diesem Zusammenhang von sozialen Gruppen aus den Unterschichten vertreten oder unterstützt wurden. Der zweite Abschnitt fragt unter der Überschrift „Protestantismus“ nach der Rolle antikatholischer Haltungen und innerprotestantischer Konflikte für die Ausprägung einer konservativen Haltung innerhalb der Unterschichten. Das dritte Kapitel diskutiert den aktiven Widerstand gegen die Emanzipation der Katholiken und die religiöse Dimension des Verfassungsverständnisses konservativer Gruppen aus den Unterschichten. Im vierten Kapitel geht es dagegen um soziale Praktiken, die sich auf den Straßen der behandelten Orte sowie in populären Massenveranstaltungen abspielten; untersucht werden die Feiern des Guy-Fawkes-Tags am 5. November, antikatholische und antiirische Ausschreitungen, die Reaktionen auf die sogenannte „Papal Aggression“ von 1851 sowie ihre Konsequenzen in den 1850er und 1860er Jahren. Im dritten Abschnitt werden schließlich Aspekte diskutiert, 46

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die sich auf den Begriff „Sozialer Ausgleich und konservative Moralvorstellungen“ bringen lassen. Das fünfte Kapitel behandelt die Frage der Zusammenarbeit von Radikalen und Tories in den Protestbewegungen gegen Kinderarbeit und das neue Armenrecht von 1834; geprüft wird, ob vermeintlich konservative Haltungen innerhalb der Unterschichten lediglich die Folge pragmatischer Entscheidungen plebejischer Arbeiter waren, die im Kampf um soziale Reformen auf die konservative Opposition zu den regierenden Liberalen setzten. Abschließend klärt das sechste Kapitel das konservative Verhältnis zu Bestrebungen, Bildung und Lebenswandel einfacher Engländer durch „moralische Reformen“ zu heben und fragt nach Ansätzen für eine populistische Politik im Zeichen von „Beer und Britannia“ sowie der Bedeutung traditioneller Vorstellungen von der Rolle der Geschlechter für die konservative Mobilisierung.

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I. Loyalismus und Patriotismus

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Kapitel 1 Feiern um die Monarchie: Loyalismus, Radikalismus und die Identität der Menge, 1820 – 1832 Die Nachricht vom Tod Georgs III. Ende Januar 1820 erreichte die englische Gesellschaft inmitten einer tiefen politischen Auseinandersetzung zwischen konservativen Loyalisten und radikalen Reformern. Erst wenige Monate zuvor, im August 1819, hatte eine große Demonstration für demokratische Reformen mit bis zu 100.000 Teilnehmern auf dem St. Peter’s Field bei Manchester zu einem Blutbad geführt. Elf Tote und mehrere Hundert Verletzte blieben zurück, nachdem die örtlichen Magistrate den Befehl zur Auflösung der Demonstration gegeben hatten und berittene Verbände wahllos in die Menge gestürmt waren. Liberale wie Radikale reagierten mit Empörung und landesweiten Protestveranstaltungen auf das „Massaker von Peterloo“, während die Regierung unter Lord Liverpool mit den Six Acts eilig repressive Gesetze erließ, die durch Beschränkungen der Versammlungs- und Pressefreiheit weitere Proteste unmöglich machen sollten. Der Zwischenfall von Manchester war der Höhepunkt einer nach dem Ende der Napoleonischen Kriege entstandenen Krise: Nach jahrelangen Auseinandersetzungen standen sich die Interessen des konservativen Establishments und die Forderungen der radikalen Reformer unvereinbar gegenüber. Beide Seiten beanspruchten für sich, die breite Mehrheit „des Volkes“ zu vertreten.1 In die erzwungene Ruhe des Frühjahrs 1820 fiel der Thronwechsel. Er machte zahlreiche Feiern notwendig, in denen Georg IV. wenige Tage nach dem Tod seines Vaters in allen Städten und Gemeinden des Königreichs als neuer König proklamiert wurde. Während sich damit einerseits die Möglichkeit einer Demonstration des Loyalismus und der Verbindung der Bevölkerung zur Monarchie ergab, stellte sich andererseits die Frage, ob die Feiern zu neuerlichen Protesten gegen die Regierung führen und ein Forum für weitere Forderungen nach Reformen bieten würden. Nach Ablauf der Feierlichkeiten zeigte sich ein wenig eindeutiges Bild. Zwar war es bei den zahlreichen Proklamationen zu keinen Zwischenfällen gekommen, und überall im Lande hatten große Menschenmengen an den Feiern teilgenommen, doch eine Welle der Begeisterung für den neuen König und die

1 Zum Ablauf von „Peterloo“ und zur radikalen Agitation der Jahre 1816 bis 1821 vgl. die jüngste Schilderung von R. Poole, March. Diskussionen der älteren Literatur bei N. Kirk, Commonsense und E. Thompson, Peterloo.

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Monarchie war ausgeblieben.2 Die einzelnen Feiern ließen Spielraum für konservative wie radikale Erfolgsmeldungen. So berichtete die konservative Zeitung Wheeler’s Chronicle mit spürbarer Erleichterung von den Feierlichkeiten in Manchester, dass „the most zealous loyalty pervaded the conduct of the people, and the air rang with acclamations and applause.“3 Einige Tausend Zuschauer hatten sich versammelt, als die Stadtspitze vor den in Manchester stationierten Armeeregimentern und Milizverbänden auf dem St. Anne’s Square feierlich die offizielle Proklamation Georgs IV. verkünden ließ, begleitet von Salutschüssen und dem Singen der Nationalhymne. Nach der Auftaktversammlung zog eine Parade durch die Stadt bis ins benachbarte Salford; auf dem Weg wurde die Proklamation unter dem Jubel der Zuschauer wiederholt verlesen. Lediglich eine versuchte Störung der Prozession bemerkte Wheeler’s Chronicle, die aber von den umstehenden Zuschauern sofort unterbunden worden sei und den Jubel nur verstärkt habe; insgesamt sei der Tag ein „complete triumph of loyalty“ gewesen.4 Die liberale Cowdroy’s Gazette hingegen hielt in ihrer Darstellung der Parade nach Ablauf des Tages fest, dass die Feiern praktisch keine Unterstützung bei der Bevölkerung gefunden hätten: Nur „a very small portion of the people assembled joined the authorities of the town and the soldiers in giving nine cheers“.5 Vor dem Hintergrund solcher widersprüchlichen Berichte von Feiern um die Monarchie haben Historiker wiederholt davor gewarnt, aus der bloßen Präsenz großer Zuschauermengen auf deren Haltung zu schließen und die immer wieder erwähnten jubelnden Massen bei derartigen Feiern vorschnell als Beleg für eine grundsätzlich konservative Stimmung in der Bevölkerung zu werten. Insbesondere Mark Harrison betont in seiner vor allem auf Bristol fußenden Studie den komplexen Charakter der Feiern von Proklamationen und Krönungen im frühen 19. Jahrhundert und argumentiert, dass der öffentliche Ausdruck loyalistischer Gefühle oberflächlich lokale Konflikte überdecken konnte, diese bei genauerer Analyse in der Regel aber unterstrich.6 2 Der Brighton Herald berichtete von mindestens 15.000 Zuschauern in Brighton (5. 2. 1820), der Liverpool Mercury meldete sogar 100.000 Zuschauer in Liverpool (25. 2. 1820). Laut Times (1. 2. 1820) und Observer (6. 2. 1820) nahmen auch in London riesige Menschenmengen an den Proklamationen teil. 3 Wheeler’s Manchester Chronicle, 12.2.1820. 4 Ebd. Auch der Kommandeur der Truppen in Manchester berichtete ähnlich nach London: „My chief inducement to address your Lordship is to inform you how extensively the true spirit of Loyalty seemed to pervade all classes of His Majesty’s subjects – the rich and the poor, the merchant and the labourer, the manufacturer and the lowest artizan.“ Vgl. Morris an Sidmouth, 20. 7. 1821, Home Office, Disturbance Correspondence, National Archive Kew, HO 40/16 ff. 397. 5 Cowdroy’s Manchester Gazette, 12. 2. 1820, zitiert nach M. Harrison, Crowds, S. 256. Vgl. zudem den Manchester Observer, 12.2.1820. 6 M. Harrison, Crowds, S. 260 – 267 und passim. Vgl. etwa Vernon, Politics and the People, S. 79, der zwar die Popularität der „flag-waving, monarchy-loving, patriotic celebrations“ betont, mit seiner Deutung der Feiern als Gelegenheiten zum Protest gegen die offizielle nationale Identität durch diejenigen, die durch rechtliche und soziale Beschränkungen von der politischen Nation ausgeschlossen waren, aber der Interpretation M. Harrisons nahe kommt.

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Während Harrison einerseits die grundsätzliche inhaltliche „Leere“ loyalistischer Rituale beschreibt und angesichts der Schwierigkeiten einer eindeutigen Interpretation der Bedeutung solcher Ereignisse für alle Teilnehmer zu Recht möglichst genaue Analysen lokaler und spezifischer Kontexte von Ritualen fordert, fällt er andererseits in seiner Untersuchung der Feierlichkeiten um die Proklamation und Krönung Georgs IV. in Bristol, Liverpool, Norwich und Manchester in eine vereinfachende Sicht zurück. So wertet er fehlende Hinweise auf eine durch die städtischen Behörden geplante symbolische Beteiligung der Bevölkerung an den offiziellen Festlichkeiten von 1820 und 1821 als gezielten Ausschluss und sieht die Berichterstattung der liberalen und radikalen Presse über den geringen Jubel der Zuschauer als Beleg für einen ideologischen Gegensatz zwischen den städtischen Führungsschichten und der breiten Bevölkerung.7 Entsprechend interpretiert Harrison auch die umgekehrten Vorzeichen der Feierlichkeiten bei der Krönung des von politischen Reformern geschätzten Wilhelm IV. 1831 entlang von Klassenlinien und betont erneut den Gegensatz zwischen den jetzt widerwillig die Feiern planenden konservativen Führungsschichten und den Reformforderungen der den König bejubelnden Mengen aus der breiten Bevölkerung.8 Eine Untersuchung von Festen um die Monarchie und der Beteiligung von sozialen Gruppen aus den Unterschichten an diesen Feiern gerade auch zu Zeiten jenseits zugespitzter politischer Krisen lässt die Annahme eines solchen Gegensatzes zwischen den politischen Interessen der teilnehmenden Mengen und den von den politischen Führungsschichten verfolgten Zielen allerdings als zu einfach erscheinen. Mit Blick auf Leeds, Bolton und London zeigt sich, dass schon in den 1820er Jahren keineswegs von einem klaren Konflikt zwischen städtischen Autoritäten und feiernden Mengen gesprochen werden kann. Darüber hinaus ergibt sich bei einer Ausweitung der Perspektive über die 1820er Jahre hinaus ein komplexeres Bild der politischen Positionen, die von teilnehmenden Zuschauern an Festen um die Monarchie vertreten werden konnten. Entgegen der einseitigen Opposition von „oben“ und „unten“ zeigen sich auch innerhalb der Mengen Zeichen von Meinungsverschiedenheiten und wechselnden Identitäten, die Rückschlüsse auf ideologische Brüche sowie unterschiedliche Positionen innerhalb der sozialen Gruppen, welche die Mengen konstituierten, erlauben. Vor dem Hintergrund der Debatten um die Rolle von Loyalismus und Monarchie in England vom späten 18. Jahrhundert bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts lassen sich in Feiern um die Monarchie Ansätze eines populären Konservatismus beobachten, die jenseits einseitiger Vorstellungen von unüberwindlichen gesellschaftlichen Konfliktlinien oder der Annahme eines grundsätzlich existie7 Vgl. M. Harrison, Crowds, S. 257 ff. Bezeichnenderweise stützt Harrison seine Bemerkungen zu Manchester ausschließlich auf die liberale Presse und übersieht die konservative Darstellung der Feiern im Wheeler’s Chronicle. 8 Ebd.

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renden gesellschaftlichen Konsenses auf die Verbreitung konservativer Haltungen innerhalb der englischen Unterschichten verweisen.

a) Die Untersuchung von „Crowds“ und die Popularität der Monarchie Mark Harrisons Untersuchung von „Crowds“ (Menschenmengen) im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert versteht sich als Versuch, die historische Interpretation von Massenphänomenen in England aus der zu rigiden Definition von Mengen durch Eric Hobsbawm, Edward Thompson und George Rud zu lösen. In ihren Studien hatten sich die drei marxistischen Historiker bemüht, die stark negative, von Revolutionsangst geprägte Perspektive auf bedrohliche und unberechenbare „Massen“, die spätestens mit Gustav Le Bons „La psychologie des foules“ (1895) zum Kennzeichen vieler soziologischer und sozialanthropologischer Untersuchungen von Mengen geworden war, durch fundierte sozialhistorische Untersuchungen zu ersetzen; zudem wollten sie eine verkürzende Gleichsetzung von „Massen“ mit „dem Volk“ oder „den Unterschichten“ überwinden.9 Statt des psychologischen Verschwindens des Einzelnen in der Masse und der Auflösung von individuellen sozialmoralischen Maßstäben im Verhalten der Gruppe stellten sie die unmittelbaren sozialen Hintergründe des Auftretens von Mengen und das durchaus rationale, koordinierte und klar zielgerichtete Verhalten von Crowds in den Mittelpunkt ihrer Analysen; vor allem Thompson prägte in diesem Zusammenhang das vielzitierte Konzept der „Moral Economy“ von Mengen.10 Gleichzeitig beschränkten sie ihre Interpretationen aber auf Phänomene, die unmittelbar mit sozialem Protest, Unruhen und gewaltsamen Ausschreitungen verbunden waren. Rud etwa schloss explizit Mengen von der Untersuchung aus, die an zeremoniellen, religiösen und karnevalesken Ereignissen teilnahmen oder sich als Zuschauer bei öffentlichen Vorführungen versammelten.11 Trotz ihrer zunächst nur pragmatischen Beschränkung auf Phänomene der Protestkultur prägte diese Orientierung die weitere Forschung; „Crowds“ und „Disturbance“ blieben in der englischen Forschung lange eng verbunden.12 9 Vgl. zur Tradition der Studien von Mengen J. S. McClelland, The Crowd and the Mob. Auch die deutlich positivere Sicht auf die Gleichheit schaffenden Mengen bei Canetti, Masse und Macht, orientiert sich am Aufgehen des Einzelnen in der Menge. 10 Vgl. Hobsbawm, Primitive Rebels, Rud, Crowd und E. Thompson, Moral Economy. Vgl. zur Debatte um das Konzept der „Moral Economy“ Dickinson, Politics, S. 125 – 153, zur Wirkung und Verbreitung Randall u. Charlesworth, Moral Economy and Popular Protests. 11 Rud, Crowd, S. 4. Vgl. zur Kritik an dieser Definition Holton, Crowd in History. 12 Vgl. etwa Stevenson, Social Control, ders., Popular Disturbances, Richter, Riotous Victorians und Bohstedt, Riots. Harrison zählt allein 17 weitere Studien aus den 1970er und 80er Jahren auf, die Mengen und Unruhen verbinden. Jüngere Beispiele sind Archer, Flash and a Scare, ders.,

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Harrison entwickelt dagegen in Anlehnung an kontinentale Forschungen zur Festkultur einen erweiterten Begriff von Crowd, die er als im Freien versammelte große Gruppe von Menschen bestimmt und mit dem Kriterium der Dichte verknüpft. Mengen müssen hinreichend dicht sein, um den beteiligten Menschen zu ermöglichen, ihr Verhalten gegenseitig zu beeinflussen; ihre Nähe zueinander muss so groß sein, dass sie zeitgenössischen Beobachtern als Versammlung erscheinen konnten. Gleichzeitig entwickelt er ein vorbildliches Analyseraster zum Verhalten von Mengen, das in die Untersuchung systematisch gesammelte Daten wie das genaue Datum des Auftretens, die Tageszeit (allgemeine Arbeitszeit oder eher Freizeit), den Ort der Versammlung bzw. die Route einer Gruppe oder Parade sowie das Wetter einbezieht, um diese Informationen im Rahmen einer an Clifford Geertz orientierten dichten Beschreibung zu verwerten.13 Bewusst bezieht er Mengen in seine Untersuchung mit ein, die an zeremoniellen Veranstaltungen teilnahmen und zunächst nur als Zuschauer erscheinen konnten; zugleich bezweifelt er die ideologische Geschlossenheit von Akteuren in Crowds. Dennoch bleibt Harrison vor allem in seiner Deutung zeremonieller Ereignisse wie den provinziellen Proklamationen und Krönungsfeiern der einseitig protestorientierten Tradition der englischen Sozialgeschichtsschreibung verbunden. Das zeigt sich nicht nur in seiner durchaus berechtigten Ablehnung einer von mile Durkheim inspirierten Sicht patriotischer Rituale als Ereignisse, in denen Gesellschaften sich über gemeinsame Werte und Vorstellungen verständigen oder in quasi-religiöser Haltung einen moralischen Konsens zelebrieren.14 Es wird darüber hinaus in einer Position deutlich, die differenzierte Untersuchungen von Festen und zeremoniellen Ereignissen fast ausschließlich mit einer Rekonstruktion subversiver Haltungen verbindet und stets bemüht ist, die grundsätzliche Opposition der englischen Unterschichten gegenüber den sozialen Eliten im Sinne der alten Labour History fortzuschreiben. Gerade in seiner Analyse der Feiern um die Krone im frühen 19. Jahrhundert gelingt es Harrison daher nicht, wechselnde Stimmungen, widersprüchliche Positionen und Haltungen, die sich bei Teilnehmern an ein und derselben Veranstaltung, letztlich also in einer Menge zeigen können, zu erfassen. Seine Studie verdient im Zusammenhang dieser Untersuchung nicht nur deshalb große Aufmerksamkeit, weil sie mit ähnlichen Methoden arbeitet, Social Unrest, N. Rogers, Crowd and People, Randall u. Newman, Protest, Proletarians and Paternalists, Wells, Resistance, ders., Southern Chartism und ders., Crime and Protest. Vgl. zur Kritik an dieser Tradition Westermayr, Public Festivities und O’Gorman, Paine Burnings, bes. 133 f. 13 Vgl. M. Harrison, Ordering und ders., Crowds, S. 40 – 45. 14 Vgl. M. Harrison, Crowds, S. 260 f. Die Interpretation des Zeremoniellen bei Durkheim, Les formes lmentaires, Kap. 7, bes. S. 285 ff. führte Shils u. Young, Meaning zu einer entsprechenden Deutung zeitgenössischer Krönungen; Bland, Royal Way of Death ist ein Beispiel für ähnliche Deutungen von Beerdigungen im englischen Königshaus.

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sondern auch, weil sie zugleich eine Interpretation der Popularität der englischen Krone bekräftigt, die sich in das Bild des Verschwindens einer um 1800 populären loyalistischen „Kirche-und-König“-Haltung einfügt. In Verbindung zu der in der Einleitung geschilderten Debatte um die Verbreitung loyalistischer Haltungen in der englischen Bevölkerung wurden die Rolle der Monarchie und die Popularität englischer Monarchen in eine Interpretation eingebunden, die Patriotismus und nationale Begeisterung als ambivalente Konzepte zwischen Konsens und Konflikt bestimmt. Bis heute wird die Forschung dabei von zwei einflussreichen Beiträgen von Linda Colley und David Cannadine geprägt, die vor etwa 25 Jahren das Bild einer Monarchie zeichneten, die unter Georg III. bis 1815 zu einer populären nationalen Institution aufstieg, unter seinen Nachfolgern aber ebenso unpopulär wie umstritten war und erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts unter nicht zuletzt imperialen Vorzeichen wieder zu einem Symbol für britische Überlegenheit und nationale Identifikation wurde.15 Colley beschrieb zunächst den Wandel Georgs III. vom jungen König, der mit seiner Betonung der eigenen Rolle in der Politik den englischen Verfassungskompromiss des 17. Jahrhunderts gefährlich in Frage zu stellen schien, zur nationalen Identifikationsfigur, die spätestens ab 1790 im Mittelpunkt eines neuen „anti-democratic brand of patriotism“ stand. Damit ging eine wachsende Zahl von royalistischen Selbstinszenierungen und Feiern einher, die den König als Personifikation der politischen Ordnung zelebrierten. Der Geburtstag des Königs und der Jahrestag seiner Thronbesteigung wurden zu festen Bestandteilen des öffentlichen Festkalenders und in weiten Teilen des Königreichs unter großer Beteiligung der Bevölkerung öffentlich begangen; Ereignisse wie das goldene Thronjubiläum im Jahre 1809 oder die Erholung des Königs von der ersten Phase seiner Geisteskrankheit 1789 lösten landesweit Jubel und aufwendige Feierlichkeiten aus.16 Während die Popularität Georgs III. in den langen Jahren des Krieges gegen Frankreich dazu beitrug, die Nation zu einen und die Monarchie als Symbol der nationalen Größe erscheinen zu lassen, schilderte Cannadine die Entwicklung der Monarchie ab 1820 als Geschichte des Niedergangs einer nationalen Institution. Schon vor dem Tod Georgs III. hatte die Popularität des Königshauses abgenommen, nachdem 1811 sein Sohn Georg IV. als Prinzre15 Colley, Apotheosis und Cannadine, Context. Vgl. daneben Colley, Britons, Kap. 5, Hammerton u. Cannadine, Conflict, Cannadine u. Price, Rituals and Royalty und Cannadine, Biography to History. Aus anderer Perspektive kamen Golby u. Purdue, Monarchy zu ähnlichen Ergebnissen. Einen Überblick über den Forschungsstand liefert Olechnowicz, Historians, bes. S. 24 ff. Vgl. auch Craig, Crowned Republic. 16 Colley, Whose Nation und dies., Britons, S. 227 f. gesteht durchaus zu, dass die Teilnahme an Festen um die Monarchie nicht uneingeschränkt als Beleg für eine loyalistische Haltung der Teilnehmer gewertet werden kann, führt aber auch Beispiele an, die eine solche Annahme nahelegen. Vgl. zusätzlich N. Rogers, Crowds, S. 184 – 188, Blanning, Culture, S. 322 – 356 und Semmel, Radicals.

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gent den alternden König de facto abgelöst und das Bild des treusorgenden Vaters der Nation durch seinen Ruf sexueller Promiskuität und eine Reihe von Skandalen um das Königshaus ersetzt hatte. Mit der Affäre um die Rückkehr seiner von ihm getrennt lebenden Frau Caroline nach der Thronbesteigung von 1820 fiel das Ansehen des Königshauses auf einen Tiefpunkt, der aus Sicht Cannadines mit dem Rückzug von öffentlichen Feiern und Inszenierungen der Monarchie einherging. Auch unter Wilhelm IV. und Königin Viktoria änderte sich das Bild weitgehend unpopulärer Herrscher nicht grundlegend; erst in den letzten Jahrzehnten der Regentschaft Viktorias nutzte das Könighaus die Möglichkeiten royalistischer Festereignisse gezielt, um in Form einer „invention of tradition“ die Monarchie nach langen Jahren wieder als nationales Symbol zu etablieren.17 Obwohl das von Colley und Cannadine gezeichnete Bild der Monarchie und ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit durchaus kritisiert und differenziert wurde, ist die von ihnen geprägte Interpretation eines Königshauses, das zwischen 1815 und 1870 praktisch keine Rolle für eine patriotische und loyalistische Identität breiter Schichten der englischen Bevölkerung gespielt habe, noch immer dominant.18 Jüngere Studien zu öffentlichen Debatten um die Monarchie im 19. Jahrhundert haben zwar das kontinuierliche Nebeneinander einer konservativ-loyalistischen Tradition der Verehrung des Königshauses mit der verbreiteten Ablehnung des Königshauses und scharfer Kritik an den jeweils herrschenden Monarchen aus den Reihen des englischen Radikalismus betont, letztlich aber die Periodisierung der Interpretation Colleys und Cannadines bekräftigt.19 Erst in den letzten Jahren ist eine Reihe von Aufsätzen erschienen, die schon in der Frühphase der Regentschaft von Königin Viktoria eine merkliche Veränderung in der Haltung gegenüber der Krone in weiten Teilen des Bürgertums feststellen oder den auffällig positiven Bezug von Chartisten auf die Krone belegen.20 Insbesondere mit Blick auf die 17 Vgl. Cannadine, Contexts, der in seiner Interpretation der Entwicklung der Popularität Viktorias zwei frühen Studien von Martin, Magic und ders., Crown folgt. 18 Kritik an Cannadines Methodik und seiner ,Erfindungsthese‘ hat neben Arnstein, Disinvention besonders Kuhn, Democratic Royalism vorgebracht, ohne mit seiner Untersuchung der Elitensicht auf Monarchie und Zeremoniell nach 1860 zu einer grundsätzlichen Umdeutung der Entwicklung ihrer Popularität zu kommen. 19 Vgl. R. Williams, Contentious Crown. Auch andere Studien, die im letzten Jahrzehnt Aspekte der Monarchie und ihrer öffentlichen Wahrnehmung untersucht haben, stellen Cannadines Interpretation nicht in Frage. Vgl. Wienfort, Monarchie, S. 149 – 168, Prochaska, Royal Bounty, Schrendt, Royal Mourning, Homans, Royal Representations, S. Poole, Politics of Regicide und S. Gunn, Public Culture, S. 163 – 186. E. A. Smith, George IV. zeichnet in seiner Biographie zwar ein positiveres Bild Georgs IV. als frühere Darstellungen und bezweifelt seine Unpopularität; dieser Sicht wurde aber von Parissien, Inspiration widersprochen. A. Taylor, Down with the Crown und ders., Aristocratic Monarchy schildern dagegen die bis weit ins 19. Jahrhundert verbreitete grundsätzliche Kritik an der Krone. 20 Vgl. Tyrrell u. Ward, Popularising, Loughlin, Allegiance und Pickering, Hearts of the Millions. Plunkett, Queen Victoria gehört als Studie zur Rolle der Monarchie in den Medien in diesen Zusammenhang. Vgl. die Kritik in Mares u. Neuheiser, Rezension.

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englischen Unterschichten und ihre Beteiligung an Festen im Umfeld der Monarchie vor 1870 blieb aber das Bild einer tendenziell antimonarchistischen und bestenfalls gedankenlos feiernden Masse dominant, ohne dass entsprechende Ereignisse bisher gezielt auf konservative Haltungen in Teilen der Unterschichten untersucht worden wären.21 Der Blick auf entsprechende Feiern in verschiedenen Städten des Königreichs sowie der Vergleich zwischen provinziellen Abläufen und den Ereignissen in London ermöglicht jedoch einen relativ direkten Eindruck von der Vielfalt der Haltungen innerhalb der Bevölkerung zu Monarchie und loyalistischen Positionen. Sie eignen sich daher gut als Indikator für den Fortbestand einer populären Tradition des Loyalismus über ihren vermeintlichen Niedergang zwischen 1800 und 1815 hinaus. Wichtig ist allerdings, den Blick nicht auf wenige herausragende Ereignisse zu beschränken, sondern die Feste um die Krone als das zu betrachten, was sie waren: Bestandteile eines Festkalenders, der sich jährlich wiederholte und Jahr für Jahr mit unterschiedlichen Bedeutungen verbunden werden konnte. Erst vor diesem Hintergrund erlauben die Feiern einen tieferen Einblick in die unterschiedlichen Perspektiven auf aktuelle politische Debatten und Konflikte, die sich in ihnen widerspiegelten. Im Folgenden werden daher zunächst die Mengen untersucht, die in den 1820er und frühen 1830er Jahren an Krönungsfeiern und Königsgeburtstagen teilnahmen, bevor die Perspektive im zweiten Kapitel deutlich ausgeweitet wird. Das Hauptaugenmerk liegt stets auf der Beteiligung von unterschiedlichen sozialen Gruppen aus den Unterschichten an entsprechenden Ereignissen; abgeschätzt wird jeweils, wie weit die Abläufe einen verlässlichen Eindruck von Stimmungen und Positionen in den gewaltigen Menschenmengen möglich machen.

21 Feiern um die Monarchie und die Beteiligung breiter Schichten der Bevölkerung im 19. Jahrhundert wurden bisher nur im Ansatz untersucht. Vgl. die wenigen Bemerkungen in Glen, Urban Workers, S. 63 f., Arnstein, Disinvention und R. Williams, Contentious Crown, S. 266 u. passim; Williams beendete seine Darstellung der Debatten um die Monarchie mit der dringenden Forderung nach weiteren Lokalstudien. M. Harrison, Crowd, S. 234 – 268 beschränkt sich bei der Untersuchung von entsprechenden Festen in Bristol, Norwich, Manchester und Liverpool auf die Jahre 1809, 1820/1 und 1831, Pickering, Hearts of the Millions auf 1838. Tresidder, Coronation Day folgt in seiner Interpretation der Krönungsfeierlichkeiten von 1821 der Sicht Harrisons. Vernon, Politics and the People, S. 74 – 79 schildert die zahlreichen Feiern um die Krone in den von ihm untersuchten Wahlkreisen nur knapp und interpretiert sie vor allem als Momente der Konstruktion einer lokalen Öffentlichkeit, in denen wechselseitig die Stadt über Symbole der Nation oder die Nation über Symbole der Stadt kritisiert werden konnten. Whatley, Royal Day beschränkt seine Darstellung auf Schottland und schildert den Geburtstag des Monarchen als beliebten Anlass für weitgehend unpolitische, rowdyhafte Ausschreitungen, Wienfort, Zurschaustellung behandelt lediglich die Kronjubiläen Georgs III. von 1807 bzw. Viktorias von 1897.

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b) Die Monarchie in der Provinz Die Schwierigkeiten, die Teilnahme von Mengen an Feiern um die Monarchie entlang der von Mark Harrison vorgeschlagenen Linien eines klar erkennbaren Gegensatzes zwischen der Masse der Zuschauer und den städtischen Eliten zu interpretieren, zeigen sich schon beim Blick auf die Feierlichkeiten anlässlich des Geburtstags Georgs IV. im Bolton der 1820er Jahre. Für Darstellungen der Abläufe kann für Bolton in der Regel nur auf die Berichte des radikalen und entschieden auf Seiten der Reformer der Stadt stehenden Bolton Chronicle zurückgegriffen werden; dennoch zeigen sich im Verlauf der 1820er Jahre erhebliche Unterschiede in den Schilderungen der Feierlichkeiten und der an ihnen teilnehmenden Mengen. Zwar lassen sich bei den Feiern in Bolton in den Jahren 1820/21 und 1831 zunächst ähnliche Spannungen wie in den von Harrison ausgewählten Orten beobachten.22 Zwischen beiden Daten fehlen bei den Festen jedoch Hinweise auf Konflikte, wie sie sich in den Jahren der Krise um die Queen Caroline Affair und der Agitation für die erste Wahlrechtsreform Anfang der 1830er Jahre in den Feierlichkeiten niederschlugen. In den 1820er Jahren verliefen die Feierlichkeiten in Bolton Jahr für Jahr nach dem gleichen Muster. Die führenden Verwaltungsbeamten der beiden Gemeinden der Stadt, die Boroughreeves und Constables von Great wie Little Bolton, planten in den Wochen vor dem 23. April, der als Geburtstag Georgs III. auch nach dem Thronwechsel als Feiertag beibehalten worden war, eine große Parade durch die mit Flaggen an allen wichtigen Gebäuden geschmückte Stadt. Angekündigt durch Anzeigen im Bolton Chronicle, begannen die unmittelbaren Vorbereitungen für die Parade jeweils am Vormittag mit der Aufstellung der teilnehmenden Gruppen auf dem zentralen New Market in Great Bolton. Geführt von einer Vorhut der Kavallerie der lokalen Yeomanry-Abteilungen zogen Vertreter örtlicher Vereine und Verbände, die Truppen der lokalen Milizen mit ihren Offizieren und Kapellen sowie die städtischen Beamten und der Klerus der Anglikanischen Kirche durch die Hauptstraßen der Stadt. Zu den prominenten Teilnehmern der Parade zählten in Bolton insbesondere der Vikar der Stadt, Reverend James Slade, und der Kommandeur der örtlichen Yeomanry, Colonel Ralph Fletcher. Beide gehörten zu den bekanntesten Konservativen der Stadt; Slade entstammte einer Familie von Klerikern, die im anglikanisch-konservativen Milieu eine führende Rolle spielte, und galt als einer der wichtigsten Gegenspieler der Liberalen und Radikalen in Bolton, während Fletcher als Magistrat und Kommandeur der Yeomanry-Kavallerie mitverantwortlich für den Einsatz der Truppen bei der

22 Vgl. Wheeler’s Chronicle, 19. 2. 1820 und Bolton Chronicle, 10.9.1831. Wie in Bristol, Liverpool, Norwich und Manchester waren die Krönungsfeierlichkeiten 1831 in Bolton deutlich von liberalen Positionen und von Hoffnungen auf die Wahlrechtsreform geprägt.

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Zerschlagung der Peterloo-Demonstration gewesen und seitdem zu einer besonderen Reizfigur für radikale Oppositionelle geworden war.23 Das Ziel der Parade lag zunächst auf dem Bradford Square, wo die Marschierenden von dem jeweils in der Stadt stationierten Regiment empfangen wurden.24 Vor zahlreichen Zuschauern feuerten die Soldaten feierlich Salutschüsse; die Militärkapellen spielten im Wechsel patriotische Lieder wie Rule Britannia und populäre Melodien. Anschließend zog die Parade, nun verlängert durch die Regimenter, weiter durch die umliegenden Straßen nach Little Bolton, von wo sie abschließend zum New Market zurückkehrte. Hier fand vor großer Menschenmenge erneut eine Kundgebung statt; alle beteiligten Gruppen beendeten den Umzug mit drei mal drei Hochrufen auf den König, bevor mit dem feierlichen Singen der Nationalhymne der offizielle Teil der Feierlichkeiten beendet wurde. Obwohl der Chronicle in den politischen Auseinandersetzungen der Stadt das Organ der radikalen Herausforderer der konservativen und von der Gentry der Umgebung gestützten Stadtführung war, musste er den von seinen politischen Gegnern dominierten Feiern über Jahre wachsende Zustimmung in der Bevölkerung attestieren.25 Erfolg oder Misserfolg der Feiern scheinen lange eher vom Wetter als von den Anstrengungen der städtischen Führungsschichten zur Kontrolle einer bedrohlichen Menge abhängig gewesen zu sein. Von Jahr zu Jahr nahmen größere Mengen an den Feiern teil, die als Volksfest inszeniert wurden; 1828 stellte der Chronicle dabei fest: „On no previous occasion have we ever witnessed such general enthusiasm as animated all classes of the inhabitants on that day.“26 Erst ein Jahr später konnte er berichten, dass wesentlich weniger Zuschauer als gewohnt zur Parade gekommen waren – nur rund 12.000 Zuschauer wurden am Straßenrand gezählt. Den fehlenden Enthusiasmus erklärte sich der Chronicle aber vor allem durch das Fehlen der „orangemen and other bigoted ultras“. Diese hatten wohl aus Enttäuschung über ihren Misserfolg im Kampf gegen die rechtliche Gleichstellung der Katholiken wenige Tage nach der Verabschiedung des Catholic Emancipation Act am 13. April 1829 ihre übliche Teilnahme an den Feiern verweigert.27 23 Vgl. Bolton Express, 24. 4. 1824; Bolton Chronicle, 28. 4. 1827, 26. 4. 1828, 25.4.1829. Zu James Slade und Ralph Fletcher, dessen Todestag in den 1830er und 1840er Jahren von den Tories in Bolton alljährlich gefeiert wurde vgl. P. Taylor, Popular Politics, S. 66 f. und passim. Fletchers Rolle im Kampf gegen Luddisten und Radikale vor 1819 beschreiben Darvall, Disturbances, passim, Hammond u. Hammond, Skilled Labourer, passim und Thomis, Luddites, S. 128. 24 1828 etwa sechs Kompanien des 67th Foot Regiments; ein Jahr später das 50th Regiment. Vgl. Bolton Chronicle, 26. 4. 1828, 25.4.1829. 25 Der von P. Taylor, Popular Politics, Kap. 2 ausführlich geschilderte Machtkampf zwischen einer radikal geprägten aufstrebenden Mittelschicht und dem alten Tory-Patriziat, der die städtischen Institutionen Boltons Ende der 1820er Jahre prägte, spiegelt sich in den Berichten von den Feierlichkeiten nicht wider. 26 Vgl. Bolton Chronicle, 26.4.1828. 27 Vgl. Bolton Chronicle, 25.4.1829. Der Chronicle bemerkte darüber hinaus mit Genugtuung, dass

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Auch wenn die knappen Darstellungen des Chronicles nur bedingt Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der an den Feierlichkeiten teilnehmenden Mengen sowie deren Stimmungen und Reaktionen zulassen, kann von einem klar erkennbaren Gegensatz zwischen städtischen Eliten und protestbereiter Bevölkerung keine Rede sein. Wie 1820/1 in Bristol und Liverpool waren in Bolton zu keiner Zeit Handwerksvereinigungen oder klar als Repräsentanten der Unterschichten zu deutende Gruppen am offiziellen Teil der Feierlichkeiten beteiligt; nicht einmal die radikale Presse scheint das aber als Beleg für eine gezielte Ausgrenzung plebejischer Kreise von den Feiern gewertet zu haben.28 Dagegen nahmen eher aus den unteren Schichten der Gesellschaft rekrutierte Gruppen wie die örtlichen Logen des Oranierordens offensichtlich regelmäßig an den Feierlichkeiten teil, ohne damit Widerspruch oder Auseinandersetzungen auszulösen. Gerade der besondere Erfolg der Feier im April 1828 kurz nach der Aufhebung des Test and Corporation Act im März des Jahres, der nonkonformistische Protestanten von der Übernahme öffentlicher Ämter und Parlamentsmandate ausgeschlossen hatte, und inmitten der Debatte um die zukünftigen Rechte der Katholiken ist auffällig. Die starke Konfrontation zwischen ultrakonservativen Kreisen, die in der Gleichberechtigung der Katholiken einen tiefen Einschnitt in die englische Verfassungsordnung und eine Bedrohung der protestantischen Identität der englischen Nation sahen, und ihren liberalen und katholischen Gegnern spiegelte sich in den Feiern nicht wider, obwohl der Konflikt in den kommenden Monaten auch in Bolton zu heftigen Konfrontationen führte.29 Vor allem die bekannte Opposition des Königs gegen die von Radikalen und Liberalen geforderten Maßnahmen zugunsten der Katholiken hätte die Feiern erheblich beeinträchtigen können, umso mehr, als sie in Bolton klar von ToryUltras dominiert wurden und der Oranierorden an ihnen beteiligt war. Anders als während der Queen Caroline Affair 1821 blieb eine radikale Mobilisierung der Menge aber aus; die Verbreitung antikatholischer Haltungen in der englischen Bevölkerung und die Verbindung zwischen Loyalismus und Antikatholizismus scheint 1828 eher zum besonderen Erfolg der Feier beigetragen zu haben. Auf keinen Fall lässt sich die Entwicklung der Feiern des Königsgeburtstags in Bolton dagegen als Konfrontation zwischen Eliten und „Volk“ interpretieren.30 Vielmehr entschieden die politischen Rahmenbedingungen Colonel Fletcher nur als Privatperson an den Feierlichkeiten teilnahm und nicht in die Hochrufe auf den König einstimmte. Organisation und Ablauf der Feierlichkeiten lagen aber weiterhin in den Händen des Tory-Establishments der Stadt; neben den konservativen Magistraten nahm wiederum Reverend Slade an prominenter Stelle an der Parade teil. 28 Für M. Harrison, Crowds, S. 251 – 260 ist dagegen insbesondere die Teilnahme bzw. das Fehlen der Trades in Bristol Beleg für die Beteiligung oder den symbolischen Ausschluss der Bevölkerung von den Feiern. 29 Vgl. zur Debatte um die Catholic Emancipation und zur Bedeutung des Protestantismus für den populären Konservatismus unten Kapitel 3 und 4. 30 Tresidder, Coronation Day geht in seiner Interpretation noch über M. Harrison, Crowds hinaus,

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und die jeweilige Haltung der Mehrheit der zuschauenden Teilnehmer darüber, ob Konflikt oder Konsens das Bild der Feier prägten. Binnen weniger Jahre konnten wechselnd entschieden radikale oder eher konservativ-loyalistische Stimmungen in den Mengen dominieren. Auch in den Städten des West Ridings in Yorkshire trafen Radikale und Liberale in den 1820er Jahren nur in den beiden Jahren nach der PeterlooDemonstration auf nennenswerte Unterstützung in den zuschauenden Mengen am Rande der Feiern um die Monarchie. Selbst zu Beginn des Jahrzehnts zeigten sich allerdings eher wenige Zeichen einer deutlich von radikalen Haltungen geprägten Menge. So klagte der konservative Leeds Intelligencer 1821 einige Wochen vor der Krönung Georgs IV. zwar, dass weder die Thronbesteigung im Februar 1820 noch der Geburtstag des Königs in Leeds angemessen gewürdigt worden seien, und hoffte besorgt, dass bei den kommenden Feiern anlässlich der Krönung alle Parteigegensätze ruhen und hinter ein allgemeines Gefühl von „national joy“ zurücktreten würden.31 In den Berichten der liberalen und konservativen Presse von den Feiern aus Leeds, Huddersfield und den Städten der Umgebung lassen sich aber nur vereinzelt Hinweise auf Proteste aus den Reihen der Mengen finden. Vorfälle, wie sie Mark Harrison aus den von ihm untersuchten Städten beschreibt, in denen aus den Reihen der Zuschauer Versuche unternommen wurden, die offiziellen Feierlichkeiten in Demonstrationen gegen die Person des Königs und seine konservative Regierung zu wenden, sind 1820 weder bei der Proklamation Georgs IV. noch bei den Trauerfeiern zum Begräbnis seines Vaters oder den Geburtstagsfeiern am 23. April zu erkennen. Erst nachdem der Prozess um Königin Caroline ab Juni 1820 auch im West Riding zu einer breiten Mobilisierung ihrer Anhänger durch Radikale geführt hatte, änderte sich der Charakter der Feiern in Leeds und Huddersfield kurzfristig. 1820 fanden die Proklamationen in Leeds und Halifax in einem ähnlichen Rahmen wie in Manchester statt und ähnelten in ihren Abläufen mit Paraden von Armeeeinheiten und Miliz, Vereinen und Verbänden sowie den Magistraten der Stadt den Feierlichkeiten am Geburtstag des Königs in Bolton. Sowohl der Intelligencer als auch sein liberaler Konkurrent, der Leeds Mercury, schilderten knapp die Paraden durch alle Teile der Städte mit der mehrmaligen offiziellen Proklamation Georgs IV. und betonten die Trauer um seinen Vater als vorherrschende Stimmung bei den Teilnehmern.32 Lediglich in Huddersfield kam es am Rande der Prozession, an der auch hier der örtliche Oranierorden teilnahm, zu Störungen und Protesten gegen die Proklamation. indem er die Auseinandersetzungen bei den Feierlichkeiten 1821 als Kulmination einer langen, im späten 18. Jahrhundert beginnenden Entwicklung wachsender Gegensätze zwischen städtischen Eliten und der plebejischen Bevölkerung wertet, welche die Feiern zunehmend als „an occasion for their counter-theatre of opposition and sedition“ (S. 12) genutzt und gezielt auf den Ausschluss von populären Elementen bei den Feiern reagiert hätten. 31 Vgl. Leeds Intelligencer, 18.6.1821. 32 Vgl. Leeds Intelligencer, 7. 2. 1820; Leeds Mercury, 12.2.1820.

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Der Mercury beschrieb die Menge aber ausdrücklich als gespalten und betonte, dass ein Teil der über 10.000 Zuschauer am Rande ohne Zögern in die Hochrufe auf den neuen König einstimmte.33 Knapp zwei Wochen später wurden anlässlich der Beerdigung Georgs III. erneut Feiern und Paraden in vielen Orten der Umgebung abgehalten, ohne dass die durch das ganztägige Läuten von Kirchenglocken, das Schließen der Geschäfte und zahlreiche Gottesdienste ausgedrückte Trauer um den König zu öffentlichen Konfrontationen oder Protesten führte.34 Darüber hinaus wurde der Geburtstag des neuen Königs zwei Monate später ohne Zwischenfälle mit „suitable demonstrations of joy“ begangen.35 Die scheinbare Harmonie bei den Feiern um die Monarchie im Frühjahr 1820 darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese wie in anderen Regionen Englands in äußerst angespannter Atmosphäre stattfanden. Zahlreiche Teilnehmer der Peterloo-Demonstration waren aus Leeds, Huddersfield und anderen Orten Yorkshires nach Manchester gewandert, um für radikale Ziele und demokratische Reformen zu kämpfen. Proteste und Ausschreitungen hatten 1819 die Region wiederholt erschüttert und die örtlichen Konservativen in Angst und Schrecken versetzt. Die Feiern im Frühjahr 1820 wurden von wiederaufflammendem Luddismus begleitet und parallel zu Arbeitskämpfen in der Umgebung von Leeds abgehalten, hinter denen eine der ersten Gewerkschaften der Weber und kleinen Tuchhändler, die Clothiers’ Union, stand.36 Entsprechende Klagen aus konservativen Kreisen über die radikale Haltung der Lower Classes, ihre Mobilisierung durch Radikale und Staatsfeinde sowie die Abwendung der Unterschichten von ihrer früheren Bereitschaft, für Krone und Kirche einzustehen, finden sich häufig.37 Angesichts der Erinnerung an den erst wenige Monate zurückliegenden Einsatz der Miliz gegen die Demonstration in Manchester und der starken Präsenz von Militär, Milizen und Behörden bei den königlichen Proklamationen, Trauer- und Geburtstagsfeiern in Yorkshire kann daher der fehlende 33 Vgl. Leeds Mercury, 12.2.1820. 34 Vgl. Leeds Intelligencer, 21.2.1820. 35 Vgl. Leeds Intelligencer, 1.5.1820. Das Fehlen von Berichten über die Feierlichkeiten im Leeds Mercury lässt vermuten, dass die Feiern wenig ausgeprägt waren, belegt aber auch, dass es nicht zu Zwischenfällen kam. 36 Das Ausmaß radikaler Agitation und der Ängste der Konservativen vor revolutionären Umstürzen lässt sich etwa an der hektischen Berichterstattung des Intelligencers über eine Aufstandsbewegung in der Umgebung von Huddersfield Ende März 1820 ablesen. Tatsächlich kam es zu einem Versuch einer kleinen radikalen Gruppe von ca. 300 Mann, die Stadt zu besetzen; dieser konnte aber schon im Ansatz unterbunden werden. Vgl. Leeds Intelligencer im August 1820. Vgl. zu den Vorgängen zudem Thompson, Making, S. 725, Brooke, Folly Hall Uprising und Hargreaves, Popular Protest. Zur Clothiers’ Union vgl. Brooke, Labour Disputes und Chase, Trade Unionism, S. 145. 37 Vgl. etwa entsprechende Kommentare im Leeds Intelligencer am 10. 4. 1820, 23. 10. 1820 oder 25. 12. 1820; die Reden beim Jahrestreffen des Leeds Pitt Clubs, Leeds Intelligencer, 29. 5. 1820, oder die achtteilige Serie des Intelligencers über radikale Aktivitäten im Jahre 1819 vom 10. 4. 1820 bis zum 21.8.1820.

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Protest der zuschauenden Mengen nicht überraschen oder gar als Beleg für loyalistische und konservative Haltungen gewertet werden. Andererseits unterscheidet sich das Fehlen von Hinweisen auf Proteste in den Städten des West Ridings auch in liberalen Publikationen auffällig von der Situation in Manchester und Liverpool, wo liberale Kreise entweder die negative Stimmung der Bevölkerung betonten oder das Fehlen von Protesten mit dem parteiübergreifenden Charakter der Feste rechtfertigten und explizit davor warnten, in ihnen ein konservatives Zeichen zu sehen.38 Zudem schreckten Einschüchterung und die Gefahr militärischer Gewaltanwendung Radikale und streikende Arbeiter in Yorkshire nicht davon ab, abseits der offiziellen Feiern ihre antimonarchistische Position symbolisch zum Ausdruck zu bringen. So empörte sich ein anonymer Leserbriefschreiber im Leeds Intelligencer darüber, dass am Tag der Beerdigung Georgs III. Mitglieder der Clothiers’ Union in Batley, Littletown und einigen anderen Orten demonstrativ mit Trommeln, Musik und Rufen durch die Ortschaften marschiert waren und gezielt die vorherrschende Trauer gestört hätten.39 Gerade das Nebeneinander von öffentlichem Protest und kaum bis gar nicht gestörten Festen um die Monarchie mit hohen Teilnehmerzahlen lässt Zweifel daran aufkommen, dass die Zuschauer in stillem Protest an den Feiern teilgenommen hätten. Selbst in Hochphasen radikaler Mobilisierung scheint nur ein Teil der Mengen den loyalistischen Tenor der offiziellen Feierlichkeiten in Frage gestellt zu haben, während sich der Protest gegen die Politik des Königs und seiner Regierung eher abseits der Feste äußerte. Die deutlich konfliktreicheren Feierlichkeiten nach der Affäre um Königin Caroline bestätigen letztlich diesen Eindruck. Wie in vielen anderen englischen Regionen spitzte der Prozess um die Scheidung Georgs IV. von seiner Frau Caroline auch im West Riding die politischen Auseinandersetzungen zwischen Konservativen, Liberalen und Radikalen zu.40 Im September 1820 hatten einige Tausend Teilnehmer bei einer Demonstration in Leeds eine Petition beschlossen, in der die Regierung zum Rücktritt aufgefordert und Königin Caroline die Unterstützung der Stadt Leeds zugesichert wurde. Auf dem Podium fanden prominente Liberale wie Edward Baines und die radikalen Wortführer Mason, Mann und Brayshaw zueinander, während der Intelligencer wütend feststellte, dass nur die „very lowest classes“ der Stadt sich durch solche Redner irreleiten ließen.41 Nach dem Scheitern des Prozesses gegen Caroline Anfang November organisierten Liberale und Radikale demonstrative Festbeleuchtungen der Städte in Yorkshire, die besonders in den Arbeitervierteln auf große Resonanz stießen. Während die konservative Presse die hell erleuchteten Randbezirke scheinbar erleichtert als Beleg dafür 38 39 40 41

Vgl. M. Harrison, Crowds, S. 254 ff. Vgl. Leeds Intelligencer, 28.2.1820. Vgl. Hargreaves, Popular Protest. Vgl. Leeds Intelligencer, 11. 9. 1820; Leeds Mercury, 9.9.1820.

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wertete, dass gestandene und wohlhabende Bürger sich durch den Protest der Straße nicht beirren ließen, stellten liberale Zeitungen fest, dass „das Volk“ Regierung und König misstraue und nach grundsätzlichen Reformen verlange.42 Wie verbreitet der radikale Protest in den städtischen Unterschichten tatsächlich war, lässt sich in den Quellen nur schwer erkennen. Der Intelligencer behauptete etwa Ende des Jahres, dass nur ein kleiner Teil der Lower Classes an den radikalen Demonstrationen teilnehme; die schweigende Mehrheit stehe dagegen loyal zu Altar und Thron und bleibe nur aufgrund ihres ruhigen und unauffälligen Verhaltens unbemerkt.43 Die riesigen Mengen, die im Herbst 1820 Königin Caroline zujubelten und immer wieder ihren Unmut gegen den König sowie seine konservative Regierung zum Ausdruck brachten, lassen diese konservative Einschätzung zwar mehr als zweifelhaft erscheinen. Immerhin wurde in Leeds im Oktober 1820 aber auch die Einsetzung des neuen konservativen Bürgermeisters William Hay feierlich mit einer Parade der Stadtspitze und einem Festgottesdienst begangen. Der damit verbundene erste Auftritt der neugegründeten Leeds Volunteers zog eine große Menschenmenge an, ohne dass der Aufmarsch einer Einheit, die gezielt zur Unterstützung der „Civil Power“ aufgestellt worden war, Proteste oder Unruhen zur Folge gehabt hätte. Zumindest in Leeds konnte die konservative Stadtelite also selbst in Hochphasen radikaler Mobilisierung öffentlich ihren Status und ihr Selbstverständnis vor zahlreichen Zuschauern demonstrieren, ohne durch Proteste aus der Menge in Frage gestellt zu werden.44 Erst bei den Feierlichkeiten anlässlich der Krönung Georgs IV. im Juli 1821 kam es in Leeds und den Städten der Umgebung zu Szenen, die an die von Harrison beschriebenen Konflikte erinnern. Übereinstimmend schilderten Intelligencer und Mercury den Tag der Krönung als Feiertag, der mit Festen in Schulen, Fabriken und auf den Straßen begangen wurde. Freibier und Festmahle für Arbeiter prägten das Bild der Feiern ebenso wie Salutschüsse, Schmuck an öffentlichen Gebäuden, das Läuten der Kirchenglocken und Pa42 Vgl. Leeds Intelligencer, 20. 11. 1820, 27. 11. 1820; Leeds Mercury, 18. 11. 1820, 25.11.1820. 43 Vgl. Leeds Intelligencer, 18.12.1820. 44 Vgl. Leeds Intelligencer, 2.10.1820. Auffällig ist das Fehlen einer Schilderung der Parade im Mercury in dessen Bericht vom 7.10.1820. Angesichts des üblichen Spiels aus Bericht, Widerspruch und Bekräftigung der eigenen Version zwischen beiden Blättern wäre eine liberale Attacke auf die konservative Corporation und William Hay zu erwarten gewesen. Das Schweigen des Mercurys könnte darauf hindeuten, dass die alljährliche Zeremonie der Einsetzung des Bürgermeisters als Ausdruck der städtischen Identität grundsätzlich die Stadt als Ganzes repräsentierte und insofern unkontrovers war; auch in anderen Jahren finden sich nur selten Berichte über die Feiern. William Hay allerdings spaltete durch seine ultrakonservative Politik und zahlreiche Versuche, Kundgebungen gegen den König während der Caroline-Affäre zu unterbinden oder zu verhindern, die Stadt erheblich; seine Haltung und seine Amtsführung fanden immer wieder den heftigen Widerspruch des Mercurys. Das Fehlen von Protesten bei seiner öffentlichen Einsetzung ist deshalb durchaus bemerkenswert. Zu den Leeds Volunteers vgl. Hargrave, Leeds Volunteers.

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raden durch die Stadt; der Tag klang mit Banketten für die konservative Stadtspitze und die an den Feiern beteiligten Regimenter aus. In Leeds stand erneut eine Parade der Volunteers und der hier stationierten regulären Truppen im Mittelpunkt, die geschlossen aus der Stadt heraus marschierten. Unter den Augen von etwa 20.000 Zuschauern zelebrierten sie auf dem Feld bei Woodhouse Moor die Übergabe von Fahnen und Standarten, die von „Ladies“ aus der Stadt gestiftet worden waren. Während der Intelligencer allerdings „utmost good humour“ und „heart-cheering loyalty“ unter den Zuschauern bemerkte, verwies der Mercury auf die begrenzte Freude der Zuschauer. Er schilderte Zwischenfälle am Rande der Prozession, bei denen ein Plakat mit der Losung „God save the King and the Queen“ gezeigt wurde, sowie zahlreiche Jubelrufe auf die Königin bei den Feiern in Fabriken und am Rande der Zeremonie in Woodhouse Moor.45 Die Proteste steigerten sich im Laufe des Tages und führten am Abend zu Angriffen auf die in verschiedenen Gasthäusern der Stadt feiernden Volunteers. Eine rund 500 Mann umfassende randalierende Menge zog dabei quer durch den Stadtteil Brickgate und bewarf die Gasthäuser mit Steinen, beschimpfte die Freiwilligen und attackierte einige Volunteers körperlich.46 Ähnlich wie die Studien Harrisons ergibt damit die Analyse der Feiern der Monarchie im West Riding für die Jahre 1820 und 1821 alles andere als das Bild eines schichtübergreifenden Konsenses im Sinne loyalistisch-konservativer Politik. Direkte Störungen und Angriffe auf die Feiern gingen allerdings nur von einer kleinen Minderheit der Zuschauer aus; während ein Großteil der Festbesucher unauffällig an den Feiern teilnahm, neigten entschieden radikale Gruppen wie die Clothiers’ Union dazu, ihren Protest abseits der offiziellen Feiern zu demonstrieren. Selbst wenn man zugesteht, dass der größere Teil der zuschauenden Teilnehmer 1821 eher gegen den konservativen Tenor der Feiern gerichtet war, bleibt das Bild eines klaren Gegensatzes zwischen konservativen Eliten und radikal geprägten Mengen einseitig. Auch in der angespannten Lage zur Zeit der Krönung Georgs IV. suchte nur ein kleiner Teil der Mengen den offenen Konflikt mit den städtischen Führungsspitzen und kämpfte für eine Umdeutung der loyalistischen Symbolik der Feiern. Nach 1821 blieben derartige Konfrontationen um die Feiern im West Riding aus. Bis 1827 beschrieben Mercury wie Intelligencer oft fast gleichlautend die üblichen Feierlichkeiten am Geburtstag des Königs im April, ohne irgendwelche Zwischenfälle zu vermerken.47 Höhepunkte der stets gut besuchten 45 Vgl. Leeds Intelligencer, 23. 7. 1821, 30. 7. 1821; Leeds Mercury, 21.7.1821. Knapp, aber mit ähnlichen Einschätzungen berichten beide Zeitungen zudem über die Feiern in Huddersfield, Halifax und weiteren Städten und Ortschaften der Umgebung von Leeds. 46 Vgl. den Bericht vom Prozess gegen vier vermeintliche Rädelsführer des Mobs im Leeds Intelligencer vom 29.10.1821. Weder Mercury noch Intelligencer bemerken die Ausschreitungen in ihren eigentlichen Berichten zum Festtag. 47 Vgl. Leeds Intelligencer, 29. 4. 1822, 24. 4. 1823, 29. 4. 1824, 28. 4. 1825, 27. 4. 1826, 26. 4. 1827; Leeds Mercury, 27. 4. 1822, 29. 4. 1826, 28.4.1827.

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Feiern in diesen Jahren waren das Gastspiel einer Theaterkompagnie aus der Hauptstadt, die 1822 mehrere Tage lang Szenen der Londoner Krönungszeremonie Georgs IV. in Leeds aufführte, und die mit hohem Aufwand begangene Grundsteinlegung für die neue anglikanische Kirche im Stadtteil Woodhouse im Jahr darauf.48 Besonders viele Zuschauer säumten die Straßen, als die Stadtspitze, gefolgt von den Logen des Oranierordens und einigen anderen Verbänden, zur Baustelle zog, um ganz bewusst den Geburtstag des Königs mit einer religiösen Botschaft zu verbinden. Proteste oder Konflikte um die Deutung der Feiern lassen sich selbst 1826 nicht feststellen, als die lokalen Feiern in Leeds und den Städten der Umgebung von Streiks und Unruhen angesichts verbreiteter Arbeitslosigkeit in der Region begleitet wurden.49 Lediglich in den Jahren 1828 und 1829 deuteten sich Auseinandersetzungen um den Festtag an, die aber nicht entlang sozialer Grenzen, sondern zwischen den politischen Lagern der Stadt verliefen: Während der Mercury im Frühjahr 1828 die Feiern ignorierte, schilderte der Intelligencer die umfangreiche Parade in Verbindung mit Berichten über erfolgreiche Unterschriftensammlungen gegen die Gleichstellung der Katholiken.50 Ein Jahr später klagte die nun verbitterte konservative Zeitung am Geburtstag Georgs über das Inkrafttreten des Emancipation Acts und forderte die Protestanten der Stadt zum Kampf für die verbliebenen Bestandteile der Verfassung auf; der Mercury berichtete dagegen von eher bescheidenen „demonstrations of loyalty“.51 Da offensichtlich zahlreiche Teilnehmer der Paraden in den Jahren zuvor aus den Reihen des antikatholischen Oranierordens stammten, mussten die Feierlichkeiten nach der Gleichstellung der Katholiken in wesentlich kleinerem Rahmen stattfinden, da die von Krone und Regierung enttäuschten plebejischen Loyalisten aus den Oranierlogen sich von den Feiern zurückzogen. Die Feste um die Monarchie im West Riding ähnelten darin stark den Boltoner Feiern in den 1820er Jahren. Wie dort dominierten konservative Kreise die örtlichen Feierlichkeiten, ohne dass dies zu Protesten aus den Reihen der Zuschauer gegen die loyalistischen Botschaften der Feiern geführt oder einen großen Teil der Bevölkerung von der Teilnahme abgehalten hätte. Für viele Menschen aus den Städten des West Ridings scheinen sie gerade als loyalistische Feiern populär gewesen zu sein. In den Konflikten um die Feiern der Jahre 1828 und 1829 zeichnete sich allerdings bereits ein Wandel der politischen Rahmenbedingungen ab, der nach dem Thronwechsel im Sommer 1830 einen deutlich veränderten Charakter der Feiern zur Folge hatte. Nach dem Tod Georgs IV. galt sein Nach48 Vgl. Leeds Intelligencer, 2. 5. 1822, 29.4.1823. Zur Popularität von ähnlichen Inszenierungen der Krönung durch Theatertruppen in London vgl. S. Williams, Three Coronations. 49 Vgl. dazu Chase, Trade Unionism, S. 125 ff. 50 Vgl. Leeds Intelligencer, 24. 4. 1828; Leeds Mercury, 26.4.1828. 51 Vgl. Leeds Intelligencer, 23. 4. 1829; Leeds Mercury, 25.4.1829.

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folger Wilhelm IV. als Anhänger von Reformen und wurde von Liberalen wie Radikalen in betonter Absetzung von seinem Vorgänger als „Patriot King“ verehrt. Die Feiern zu Beginn seiner Regentschaft waren daher von einer großen Mobilisierung der Reformbewegung begleitet und führten zu außergewöhnlich umfangreichen Mengen, die Wilhelm als Volkskönig und Reformer feierten. Schon seine Proklamation im Juli 1830 verfolgten in Leeds mehr Zuschauer als in den Jahren zuvor – für den Mercury eine Konsequenz der liberalen Stimmung und der mit dem neuen Monarchen verbundenen Hoffnungen. Offensichtlich nahmen nun auch diejenigen an den Feiern teil, die der loyalistische Charakter der Paraden und Feste am Geburtstag Georgs IV. in den Jahren zuvor davon abgehalten hatte. Allerdings scheint sich zunächst nur die Zahl der Teilnehmer verändert zu haben; Hinweise auf eine besondere Begeisterung von sozialen Gruppen aus den Unterschichten oder eine symbolische Umdeutung der traditionellen Abläufe der Feiern im Sinne der Deutung Harrisons lassen sich bei der Proklamation Wilhelms nicht erkennen. Entsprechend konnte der konservative Intelligencer die ungewöhnlich gut besuchten Feiern ebenfalls positiv notieren und als deutliches Zeichen für die Verbundenheit des Volkes mit dem Thron werten.52 Ein Jahr später war die liberale Prägung der Feiern anlässlich der Krönung Wilhelms jedoch eindeutig, nachdem sich die politische Stimmung endgültig gewandelt hatte. Nur wenige Tage nach der Thronbesteigung Wilhelms IV. Anfang Juli 1830 war in Paris die Juli-Revolution ausgebrochen, die auch in England eine neue Welle von radikalen Protesten auslöste und liberale Forderungen nach einer Reform des Parlaments erheblich verstärkte. Fast zeitgleich entluden sich soziale Spannungen infolge der letztlich seit dem Ende der Napoleonischen Kriege anhaltenden wirtschaftlichen Krise in ausgedehnten Unruhen von Landarbeitern in Südengland. Inmitten der verbreiteten Krisenstimmung gelang es liberalen und radikalen Reformern, unterschiedliche Protestbewegungen hinter der Forderung nach einer Ausdehnung des Wahlrechts zu einen; im November 1830 trat der Herzog von Wellington als Premierminister zurück und Lord Grey konnte eine Regierung bilden, die im Frühjahr 1831 begann, umfangreiche Reformprojekte vorzubereiten.53 Angesichts dieser Entwicklung wurden die Krönungsfeiern im September 1831 in vielen Städten zum symbolischen Ausdruck des Aufbruchs in eine Epoche, die sich mit dem neuen König verbinden sollte. Wie in den von Harrison beschriebenen Beispielen hielten sich die konservativen Eliten in den Städten des West Ridings schon bei der Planung der Abläufe zurück oder stritten mit den örtlichen Liberalen über ihre Finanzierung.54 Infolgedessen 52 Vgl. Leeds Intelligencer, 8. 7. 1830; Leeds Mercury, 10.7.1830. 53 Vgl. Rud, Warum, Gruner, Großbritannien und Quinault, French Revolution. 54 Der Mercury klagte schon am 4. 6. 1831 darüber, dass der konservative Vikar der Stadt dem neuen König das Glockenläuten zu seinem Geburtstag verweigert habe. Im Vorfeld der lokalen Krönungsfeierlichkeiten erhob dagegen der Intelligencer am 8. 9. 1831 Vorwürfe gegen ver-

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blieben die offiziellen Feierlichkeiten etwa in Leeds eher bescheiden oder mussten wie in Halifax ganz abgesagt werden. Dennoch versammelten sich in allen Städten riesige Menschenmengen auf den Straßen, um ihren König zu feiern. Während die von Radikalen dominierten Handwerkervereinigungen in Halifax angesichts der Streitigkeiten innerhalb der Stadtspitze eine eigene Festparade organisierten, die Wilhelm als Reformkönig hochleben ließ, machten in den benachbarten Städten die Zuschauer der offiziellen Festlichkeiten immer wieder deutlich, dass die Popularität des neuen Monarchen auf seiner vermeintlichen Unterstützung für die Reformpläne der neuen Regierung beruhte. Selbst der Intelligencer musste in seinen Darstellungen den Erfolg der liberalen und radikalen Reformer eingestehen und beschrieb ein „general and spontaneous display of loyalty and attachment“ zum König, obwohl weite Teile des Festprogramms im strömenden Regen buchstäblich ins Wasser fielen.55 Auch die Krönungsfeiern von 1831 im West Riding belegen jedoch keinen dauerhaften Konflikt zwischen konservativen städtischen Eliten und von radikalen Protesthaltungen geprägten Unterschichten, wie ihn Harrison vor allem bei den gleichzeitigen Feiern in Bristol und Liverpool zu erkennen glaubte.56 Zwar schlug sich die verbreitete Reformstimmung ein Jahr später noch einmal in den Festen um die Krone nieder. Die Beteiligung der Bevölkerung an den Feierlichkeiten zum Geburtstag Wilhelms im Mai 1832 blieb auffällig gering, nachdem die Auseinandersetzungen um die Wahlrechtsreform gezeigt hatten, dass der König entgegen der verbreiteten Wahrnehmung alles andere als ein Befürworter der Reform Bill war. Die Feiern seines Geburtstags standen in Leeds wie in vielen anderen Städten Englands deutlich im Schatten der von den Reformern organisierten Paraden, Konzerte und öffentlichen Festessen, mit denen die Erweiterung des Wahlrechts wenige Tage später begangen wurde.57 Trotz dieser symbolischen Missbilligung der Unterstützung Wilhelms IV. für die konservativen Gegner der Wahlrechtsreform verliefen die Paraden und Feste an seinem Geburtstag 1833 aber wieder ohne Zwischenfälle oder Zeichen einer Umdeutung der Abläufe durch die zuschauenden Mengen.58 In Verbindung mit den deutlich loyalistisch geprägten Feiern der Jahre vor der Reformagitation zeigte die plötzliche wie kurzfristige Veränderung des politischen Charakters der Feste in den Jahren 1831 und 1832 deshalb weniger eine Verschiebung der Machtverhältnisse in einem lange währenden Kampf zwischen sozialen Eliten und der Masse der Bevölkerung als die grundsätz-

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mögende liberale Bürger der Stadt, die nicht bereit seien, die Kosten für Feiern im größeren Stil zu tragen. Vgl. Leeds Mercury, 10. 9. 1831; Leeds Intelligencer, 15. 9. 1831 (Zitat). Vgl. M. Harrison, Crowds, S. 257 ff. Vgl. Leeds Intelligencer, 31. 5. 1832; Leeds Mercury, 2. 6. 1832, 9. 6. 1832, 16.6.1832. Vgl. Leeds Intelligencer, 1.6.1833.

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liche Wandelbarkeit der Feiern um die Monarchie. In den teilnehmenden Mengen dominierten keine klar erkennbaren und dauerhaft gefestigten loyalistischen, liberalen oder radikalen Stimmungen. Ebensowenig konnte eine elitäre Stadtspitze die Feiern kontrollieren oder zur Propagierung eines konservativen Gesellschaftsideals unter dem Schutz der Krone nutzen. Die Feiern wurden stattdessen stets in die aktuellen Konflikte einbezogen und konnten konkurrierenden Parteien als Schauplatz symbolischer Auseinandersetzungen dienen, sei es im Kontext der Konflikte um die Emanzipation der Katholiken oder um die Frage der Parlamentsreform. Die teilnehmenden Mengen drückten nicht die Haltung einer in sich geschlossenen Unterschicht oder gar selbstbewussten Arbeiterklasse aus, sondern spiegelten die wechselnden Stimmungen und unterschiedlichen politischen Identitäten wider, welche die heterogenen sozialen Gruppen kennzeichneten, aus denen sich die Zuschauer und plebejischen Mitwirkenden rekrutierten.

c) Die Hauptstadt feiert die Krone Die sich aus dem Blick auf Bolton und die Städte des West Ridings ergebende Perspektive auf die Feiern um die Monarchie bis 1832 bestätigt eine Untersuchung der gleichen Feste in London. Durch die Präsenz des Hofes und der Person des Königs hatten Festtage um die Krone in der Hauptstadt einen anderen Charakter als in den Provinzstädten. Höfisches Zeremoniell, offizielle Staatsakte und die Darstellung lokaler Identität durch die beteiligten Gemeinden Londons verbanden sich in der öffentlichen Begegnung zwischen Monarchie und Mengen. Während in Leeds und Bolton die Feiern eher das lokale Verhältnis von konservativer Stadtspitze, ihren liberalen und radikalen Gegnern sowie der breiten Bevölkerung in Gestalt der Mengen in den Vordergrund rückten, erlaubten die persönliche Teilnahme des Königs und die größere Zahl von Gelegenheiten, bei denen Monarchie und Öffentlichkeit einander begegnen konnten, den zuschauenden Mengen in London eine direkte Auseinandersetzung mit der Person des Monarchen und den politischen Akteuren auf der nationalen Ebene. Staatsbesuche, Empfänge und öffentliche Auftritte des Monarchen von der Parlamentseröffnung bis zum scheinbar privaten Theaterbesuch zogen Neugierige und Zuschauer in hoher Zahl an und produzierten in dichter Folge große Menschenansammlungen auf den Straßen Londons. Die oft beschriebenen Vorgänge in London während der Queen Caroline Affair scheinen dabei eindrucksvoll sowohl Mark Harrisons Interpretation der Feiern um die Krone als auch den Charakter Londons als traditionellem Zentrum radikaler Agitation zu bestätigen. Über Monate demonstrierten 1820 gewaltige Menschenmassen Tag für Tag ihre Unterstützung für Königin Caroline und verbanden ihren Protest gegen die Demütigung der Frau des Kö70

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nigs mit radikalen Forderungen nach Parlaments- und Verfassungsreformen; bisweilen schien die Hauptstadt am Rande einer Revolution zu stehen.59 Während sich die Unterstützung für die Königin immer wieder in Protestzügen, feierlichen Paraden mit der Übergabe von hunderttausendfach unterschriebenen Grußadressen sowie Petitionen ihrer Anhänger aus dem ganzen Land niederschlug und mehrmals große Unruhen hervorrief, stand Georg IV. wie kaum ein anderer Monarch vor ihm in der Kritik der Öffentlichkeit. Schon wenige Monate nach Peterloo war er im November 1819 bei der Parlamentseröffnung von einer großen Menschenmenge ausgebuht und mit den Rufen „Manchester, Murder, Shame“ gegrüßt worden. Im Herbst 1820 verband sich der Jubel für Caroline mit scharfer Kritik an seiner Person und seinen politischen Überzeugungen, und noch im September 1821 führte die Beerdigung Carolines zu großen Ausschreitungen zwischen radikalen Anhängern der verstorbenen Königin und dem in London stationierten Militär.60 Dennoch blieb die Haltung der Mengen an offiziellen Festtagen der Monarchie in London Anfang der 1820er Jahre bemerkenswert positiv. Die Proklamation Georgs IV. in London wurde Ende Januar 1820 von Jubel für den neuen König begleitet und von großen Menschenmengen gefeiert. Nachdem die Proklamation in Anwesenheit Georgs vor seiner Residenz im Carlton House zum ersten Mal verlesen worden war, zog eine Parade aus Magistraten der City of Westminster und hochrangigen Vertretern des königlichen Haushalts, begleitet von Soldaten der Life Guard des Königs, die Pall Mall entlang Richtung Charing Cross, wo die Proklamation erneut verlesen wurde. Anschließend wandte sich die Parade der City of London zu und zog über Temple Bar zur Chancery Lane, nachdem sie – nach traditionellem Ritual an der Stadtgrenze der City kurz durch den Lord Mayor gestoppt – die förmliche Erlaubnis zum Betreten der Stadt erhalten hatte. Beim Zug durch die City führte eine lange Prozession, die vom Lord Mayor, den Mitgliedern des Stadtrats und weiteren Vertretern der City gebildet wurde, die Abordnung des Königshauses; mehrmals wurde die Proklamation unter dem Jubel der Zuschauer an verschiedenen Orten der City verlesen, begleitet vom Singen der Nationalhymne, Hochrufen auf den neuen König und Salutschüssen der beteiligten Soldaten. Die Zahl der Menschen auf den Straßen war außerordentlich groß; immer wieder wiesen die Berichte in der Times und im Observer auf die Schwierigkeiten der Prozession hin, sich einen Weg durch die Zuschauermassen zu bahnen. Anders als noch bei der Parlamentseröffnung im Dezember schlugen sich die politischen Spannungen zwischen Radikalen und Konservativen aber 59 Die klassischen Darstellungen der Affäre stammen von Stevenson, Queen Caroline Affair und Prothero, Artisans and Politics, S. 132 – 158. Vgl. dazu das Kapitel zu „Caroline’s Crowds“ in N. Rogers, Crowds, S. 248 – 273 mit einem guten Überblick über die inzwischen umfangreiche Literatur zur Affäre. Zuletzt schilderte A. Clark, Scandal, S. 177 – 207 die Vorgänge. Vgl. diese Titel auch im Folgenden. 60 Ebd. Zur Parlamentseröffnung vgl. den Bericht im Observer, 28.11.1819.

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nicht in Protesten gegen den Monarchen nieder. Lediglich der konservative Lord Mayor des Vorjahrs, Alderman Atkins, der aufgrund seiner Verteidigung des Militäreinsatzes in Manchester wiederholt öffentlich von radikalen Mengen angegriffen worden war, erntete bei der Proklamation erneut Buhrufe und Spott aus der Menge. Insgesamt verlief die Feier aber bemerkenswert harmonisch. Nicht der Protest gegen konservative Beigeordnete oder symbolische Gesten der Solidarität der zuschauenden Mengen mit den radikalen Opfern der Vorgänge in Manchester dominierten den Ablauf, sondern Enthusiasmus für die Krone und ein „general sense of pleasure“ bei den Feierlichkeiten.61 Wie schon in Leeds und dem West Riding zeigte sich in London ein auffälliges Nebeneinander von ausgedehnten, zum Teil aggressiven Protesten gegen König und Regierung sowie harmonischen Feiern der Monarchie, in denen sich durchaus ein Bild der Krone als symbolischer Spitze der Nation und die Akzeptanz eines konservativen Verständnisses der englischen Monarchie bei den teilnehmenden Mengen abzeichnete. Ohne die weite Verbreitung radikaler Haltungen in den Unterschichten um 1820 zu bezweifeln, lässt sich in den jubelnden Mengen das Fortleben einer Tradition des populären Monarchismus erkennen, die radikale Forderungen nach Demokratie und die verbreitete Kritik an der Krone nicht völlig in den Hintergrund treten ließen. Nicht einmal die bald nach der Proklamation einsetzende monatelange Agitation für Caroline stellte diese populäre Tradition dauerhaft in Frage. Im Gegenteil: Bereits die klassischen Studien der Caroline-Affäre von John Stevenson und Walter Laqueur wiesen darauf hin, dass die radikale Mobilisierung der Mengen in London nur möglich wurde, weil Solidarität für eine gedemütigte Königin auch aus loyalistischen Gefühlen wachsen konnte und die Unterstützung für Caroline in eigenartiger Weise eine Verbindung von Loyalismus und Respekt vor der Krone, Empörung über die falsche Behandlung und Entrechtung einer Ehefrau sowie Verzweiflung über die politische und wirtschaftliche Lage der Bevölkerung kanalisierte. Nur weil die radikalen Führer in London es verstanden, die unterschiedlichen Stränge der populären Wahrnehmung der Affäre geschickt mit den politischen Forderungen ihrer Bewegung zu verbinden, gelang es, über so lange Zeit ein hohes Maß an öffentlichem Protest aufrechtzuerhalten.62 Entsprechend wies schon Stevenson darauf hin, dass bald nach dem Scheitern des Prozesses gegen die Königin ihre Popularität spürbar nachließ.63 Zum einen lag dies daran, dass Caroline im Frühjahr 1821 eine Pension der 61 So das Fazit der liberalen Times, 1. 2. 1820, die in ihren Berichten vom Herbst 1819 scharfe Kritik an den Vorgängen in Manchester geübt hatte und mit großer Sympathie über die landesweiten Protestkundgebungen gegen das Vorgehen der konservativen Regierung berichtet hatte. Vgl. für den Ablauf der Proklamationsfeiern zudem die Berichte im Observer, 6.2.1820. 62 Vgl. Stevenson, Queen Caroline Affair und Laqueur, Politics as Art. 63 Vgl. Stevenson, Queen Caroline Affair, S. 132 ff.

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Regierung annahm, wodurch sie in den Augen vieler Radikaler ihre Anhänger verriet und Teil des in den Monaten zuvor so heftig kritisierten korrumpierten Systems wurde. Zum anderen konnten Konservative und Loyalisten mit gezielter Propaganda in Form von Flugschriften, Pamphleten und der schnell weit verbreiteten populären loyalistischen Wochenzeitung John Bull genau jene „Church-and-King“-Tradition wiederbeleben, die sich in den Londoner Proklamationsfeiern trotz der politischen Krise gezeigt hatte.64 Entscheidend war hierbei das Nebeneinander loyalistischer und radikaler Stimmungen in den Mengen auf den Straßen: Nicht der Gegensatz zwischen konservativen Eliten und radikaler Bevölkerung prägte den Ablauf monarchistischer Feiern und öffentlicher Auftritte des Königs, sondern die Gleichzeitigkeit von radikalem Protest und monarchistischer Begeisterung im Verhalten der Mengen. Im Frühjahr 1821 wurde dies etwa bei den von beiden Seiten jeweils sorgfältig vorbereiteten öffentlichen Auftritten der Königin und des Königs bei Theaterbesuchen deutlich. Während sich das Verhalten des Publikums vor und während der Vorstellungen durch gezielte Bekanntgabe des bevorstehenden Besuchs und die Platzierung von Anhängern relativ leicht steuern ließ, waren die Reaktionen der zum Teil neugierigen, zum Teil gezielt durch Anhänger des jeweiligen Lagers mobilisierten Mengen auf den Straßen um die Theater kaum zu kontrollieren. So musste Georg sich im Februar seinen Weg ins Drury Lane Theater und nach Covent Garden durch eine in Anhänger und Gegner gespaltene Menge bahnen.65 Ähnliche Szenen wiederholten sich im März und im Mai, wobei die Zahl der Menschen in den Mengen, die den König ausbuhten und mit Jubel für die Königin konfrontierten, deutlich abzunehmen schien.66 Gleichzeitig konnte aber auch die Königin bei ihren Besuchen mit der Unterstützung zumindest eines Teils der Versammelten rechnen.67 Wie schwierig die Haltung der Londoner Mengen insgesamt einzuschätzen war, ließ sich schließlich im Sommer bei der Krönung Georgs IV. in Westminster Abbey erkennen.68 Während die Krönungsfeiern 1821 in weiten Teilen Englands einen letzten großen Höhepunkt der radikalen Agitation für Caroline darstellten, scheiterte die Königin in London mit ihrem Versuch, durch eine demonstrative Teilnahme an der Krönung ohne Einladung noch einmal 64 Vgl. ebd. und Fulcher, Loyalist Response. N. Rogers, Crowds, S. 267 zweifelt an Fulchers Darstellung eines völligen Stimmungsumschwungs im Frühjahr 1821, übersieht aber die Belege für eine zunehmend ambivalente Rezeption der Königin bei ihren öffentlichen Auftritten. 65 Vgl. Times, 7. 2. 1821, 8. 2. 1821; John Bull, 11.2.1821. 66 Vgl. Times, 21. 3. 1821, 8. 5. 1821, 10. 5. 1821; John Bull, 25. 3. 1821, 13.5.1821. E. A. Smith, George IV., S. 183 wertet die Rezeption des Königs in den Theatern zu einseitig als Beleg für einen Stimmungsumschwung der öffentlichen Meinung gegen die Königin und übersieht die großen Anstrengungen beider Seiten zur Inszenierung der Besuche. 67 Vgl. Times, 21. 5. 1821, 25. 5. 1821; John Bull, 27.5.1821. Beide Zeitungen streiten wie üblich über das Verhältnis von Anhängern und Gegnern, schildern aber übereinstimmend gleichzeitigen Jubel und Ablehnung in den Theatern und bei den Mengen auf den Straßen. 68 Für eine detaillierte Schilderung des Ablaufs der offiziellen Feierlichkeiten vgl. Cumming, Pantomine.

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die breite Unterstützung der Straße für ihre Rechte zu gewinnen. Zahlreiche Beobachter stellten durchaus überrascht fest, dass sich die Unterstützung für Caroline auf einen kleinen Teil der Menge beschränkte und bemerkten mit Erleichterung, dass die befürchteten Unruhen über einige eingeworfene Fenster von festlich geschmückten Häusern nicht hinausgingen. Dagegen erhielt der König auffällig viel Beifall aus den Mengen, und die ausgedehnten Feierlichkeiten, die neben der feierlichen Parade des Hofes zur Kathedrale ein großes Volksfest im Hyde Park, den spektakulären Aufstieg eines Heißluftballons und eine abendliche Festbeleuchtung der ganzen Stadt mit abschließendem Feuerwerk umfassten, verliefen ohne Zwischenfälle.69 Nur wenig später schien die Stadt dagegen wieder fest in der Hand radikaler Anhänger der Königin, als der Trauerzug der kurz nach der Krönung verstorbenen Caroline eine der heftigsten Straßenschlachten in der Londoner Geschichte auslöste, in der Zehntausende von Anhängern der Königin gewaltsam erzwangen, dass der Sarg der Verstorbenen quer durch die Stadt gezogen und so Gelegenheit zu einer letzten überwältigenden Ehrbezeugung durch die Londoner Bevölkerung gegeben wurde.70 Insgesamt waren die Feiern im Umfeld der Monarchie Anfang der 1820er Jahre damit ähnlich wie in Leeds und Bolton alles andere als von einem konservativem Konsens geprägt. Die Konflikte, die sich in ihnen widerspiegelten, folgten allerdings auch in der Hauptstadt nicht aus einem Gegensatz zwischen konservativen Eliten und radikalen Zuschauern aus dem Rest der Bevölkerung. Vielmehr zeigten sich in London einmal mehr die Vielschichtigkeit und das Nebeneinander von unterschiedlichen Stimmungen und Haltungen in den Mengen. Selbst in der Hochphase radikaler Agitation in den Jahren 1820 und 1821 schlugen sich im Verhalten der Mengen Verehrung für den König und Unterstützung für seine Politik ebenso nieder wie antimonarchistische Positionen und radikale Reformforderungen. Dominierten radikale Proteste die Mengen immerhin so sehr, dass das Bild einer die Nation symbolisch einenden Monarchie und die konservative Botschaft der Feiern 69 Die prominente Einschätzung der Krönung als großen Misserfolg und negative Weichenstellung für die Popularität der Krone und ihrer Feste bis zum Ende des Jahrhunderts bei Cannadine, Context, S. 115 ff. beruht auf einer einseitigen Untersuchung der Krönungsfeierlichkeiten. Zwar erklärten die Anhänger der Königin, allen voran die Times, die während des gesamten Konflikts Partei für die Königin ergriffen hatte, in ihren Berichten die Krönung für gescheitert, erkannten einen großen Erfolg der Königin auf den Straßen und schilderten allgegenwärtige Unterstützung für Caroline in der Stadt. Sowohl die konservative Presse als auch zahlreiche Beobachter der Feierlichkeiten waren sich aber einig in ihren Schilderungen einer Feier, in der nur wenige Anhänger der Königin bemerkbar wurden und zum Teil auf heftigen Widerspruch stießen. Vgl. John Bull, 22. 7. 1821, 29.7.1821. Berichte von Augenzeugen bei Stevenson, Queen Caroline Affair, S. 135, E. A. Smith, George IV., S. 189 und Parissien, Inspiration, S. 309 f. Für die radikale Interpretation der Ereignisse vgl. Times, 20.7.1821. Nicht einmal die Times bestritt aber die große Zustimmung zur Festbeleuchtung der Stadt und den Erfolg der Feierlichkeiten im Hyde Park. 70 Vgl. Times, 15. 8. 1821; John Bull, 20.8.1821.

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bzw. der königlichen Zeremonien weit in den Hintergrund traten, zeigte sich in den nächsten Jahren, wie stark der Eindruck einer umstrittenen Monarchie ohne Unterstützung in der Bevölkerung an die besonderen politischen Rahmenbedingungen politischer Krisen der englischen Gesellschaft gebunden war. Mitte der 1820er Jahre ließ sich der Gegensatz zwischen radikalen und konservativen Stimmungen in den teilnehmenden Mengen bei den Feiern in London nicht mehr erkennen. Der Geburtstag des Königs wurde wie in den Provinzstädten im April mit Jahr für Jahr steigendem Aufwand gefeiert; anders als im West Riding oder in Bolton stand allerdings nicht eine Parade der Spitzen der Londoner Gemeinden oder des Hofes im Mittelpunkt der Feierlichkeiten, sondern ein großer Staatsempfang des Königs für die höfische und politische Elite der Hauptstadt. Auch das Eintreffen der Staatsgäste hatte durchaus Paradencharakter : Große Zuschauermengen versammelten sich in Pall Mall, um die Kutschen der Gäste auf ihrem Weg zur Residenz des Königs zu beobachten und mit Jubel zu begleiten. Militärkapellen unterhielten die Zuschauer mit populären Melodien und dem wiederholten Abspielen der Nationalhymne; der Aufmarsch der in London stationierten Regimenter, Salutschüsse, Glockengeläut und eine abendliche Festbeleuchtung der mit zahlreichen Flaggen geschmückten Straßen der Stadt rundeten das Bild der Feiern ab. Wie in Bolton erreichten die Feiern 1828 einen Höhepunkt; ein Jahr später spiegelten sich die Konflikte um die Emanzipation der Katholiken, die in London im Herbst 1828 zu Ausschreitungen geführt hatten, in bescheideneren Feierlichkeiten wider. Angesichts der häufigen Präsenz des Königs in der Stadt waren die Feiern in der Hauptstadt insgesamt allerdings von geringerer Bedeutung als in den Provinzstädten; die unspektakulären Berichte sowohl der konservativen als auch der liberalen Presse unterschieden sich deutlich von den ausführlichen Darstellungen in Bolton und Leeds.71 Jubelnde Mengen bei öffentlichen Auftritten Georgs in London und der näheren Umgebung waren in den späten 1820er Jahren keine Seltenheit: Begeisterung empfing den König nicht nur bei Militärparaden oder Staatsbesuchen, sondern darüber hinaus beim Besuch der Rennen in Ascot, deren Jahr für Jahr größere Zuschauermengen die königliche Familie jeweils begeistert empfingen.72 71 Vgl. Observer, 27. 4. 1828; Times, 24. 4. 1828, 24. 4. 1829; John Bull, 26.4.1829. Spektakulärer war die Beteiligung der Bevölkerung an den jährlichen Feiern des tatsächlichen Geburtstags des Königs im August in Windsor. Vgl. John Bull, 17. 8. 1828, 16. 8. 1829; Times, 14. 8. 1828, 14.8.1829. 72 Vgl. etwa die Berichte über die jubelnde Menge beim Besuch von Don Miguel, Prinz von Portugal, mit Militärparade im Hyde Park, in Observer, 6. 1. 1828, Times 7.1.1828. Die Zuschauerzahlen in Ascot steigerten sich in den 1820er Jahren in die Hunderttausende und wurden von der Presse als Verbindung von „highest and lowest alike“ gefeiert. Vgl. John Bull, 21.6.1829. Für Berichte über begeisterten Jubel für den König in Ascot vgl. auch Times, 4.–7.6.1828, 17.–19.6.1829.

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Erst im Umfeld der von Liberalen und Radikalen getragenen Agitation für die Ausdehnung des Wahlrechts zu Beginn der 1830er Jahre zeigten sich am Rande der offiziellen Feiern der Monarchie in der Hauptstadt noch einmal deutlich radikale und liberale Haltungen in den Mengen. Ende Mai 1831 wurde der Geburtstag Wilhelms IV. mit einer großen Festbeleuchtung in der ganzen Stadt gefeiert, nachdem der Tag zuvor mit Glockengeläut und Salutschüssen, Flaggenschmuck und einer öffentlichen Truppeninspektion begangen worden war. Der auffällig andere Charakter der Feiern in diesem Jahr blieb skeptischen konservativen Beobachtern wie dem John Bull nicht verborgen, vor allem die liberale Presse Londons aber überschlug sich angesichts der neuen Begeisterung für Krone und Reform in der Stimmung auf den Straßen. Für den Observer war der neue König ganz offensichtlich der populärste König seit dem sagenumwobenen König Alfred in angelsächsischer Zeit, während die Times sich im Spott über Loyalisten erging, die mit dem „Reformer King“ nichts anzufangen wüssten.73 Dennoch waren die Feiern in London nicht im gleichen Maße von politischen Gegensätzen zwischen Konservativen und Reformern geprägt wie in vielen Städten der Provinz. Das zeigte sich wenige Monate später bei der Krönung Wilhelms IV. im September 1831. Da die Planung der Feierlichkeiten in der Hauptstadt weitgehend in der Verantwortung des Hofes lag und das Krönungszeremoniell in Westminster Abbey sowohl die offiziellen Abläufe bestimmte als auch im Mittelpunkt des Interesses der Zuschauer und Schaulustigen stand, spielten parteipolitische Konflikte schon im Vorfeld keine Rolle. Die symbolische Teilnahme von radikal geprägten Gewerkschaften oder loyalistischen Logen des Oranierordens, die in anderen Städten zu heftigen Auseinandersetzungen um die Botschaft der Feiern führen konnte, war in London unmöglich. In viel größerem Maße als in der Provinz bestimmten Militärverbände und offizielle Würdenträger Festumzüge oder Rituale wie das Feuern von Salutschüssen. Das Königspaar und die Staatsgäste, der Hof und die vielen Hochadeligen dominierten die Feiern; dagegen rückten die Politiker der neuen Reformregierung ebenso wie ihre konservativen Kontrahenten in den Hintergrund. Entsprechend ging von der Krönung in London keine klare Reformbotschaft ins Land. Die riesigen Mengen im Palast- und Regierungsviertel, welche die Fahrt des neuen Monarchen zur Krönung verfolgten oder die Ankunft der geladenen Gäste in der Kathedrale bejubelten, verbanden ihre Neugier und Begeisterung für die Krone nicht mit Forderungen nach der Erweiterung des Wahlrechts. Die Times bemühte sich zwar, mit einem zweifelhaften Vergleich zur angeblich gescheiterten Krönungsfeier von Georg IV. die neue Popularität der Krone als Zeichen der Reformstimmung zu werten, musste sich von konservativer Seite aber darauf hinweisen lassen, dass der Ruf nach Reformen

73 Vgl. John Bull, 29. 5. 1831; Observer, 29. 5. 1831; Times, 30.5.1831.

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nirgendwo zu hören gewesen sei.74 Liberale Zeitungen wie der Observer konnten weder im Umfeld der offiziellen Abläufe noch bei den begleitenden Volksfesten in den Parks oder der Festbeleuchtung der Stadt am Abend eine klare politische Färbung erkennen.75 Im Jahr darauf dokumentierte sich die auch in der Hauptstadt erfolgreiche Mobilisierung der Reformbewegung allerdings deutlicher. Bei der Feier des Geburtstags Wilhelms IV. schlug sich dessen Ablehnung der Reform Bill in starker Zurückhaltung der Bevölkerung nieder. Zwar fanden die offiziellen Feierlichkeiten wie üblich statt und sorgten erneut für stattliche Mengen auf den Straßen, doch klagte etwa die Königin öffentlich, sie sei bei vielen Gelegenheiten „cruelly and undeservedly insulted and caluminated“ worden.76 Ganz offensichtlich hatten die Feiern in den Jahren zuvor von der Popularität der vermeintlichen Reformhaltung des Königs profitiert und auch jene zu den Feiern gezogen, denen ihre loyalistische Botschaft sonst fremd geblieben war. Nun zeigte sich, wie sehr die Begeisterung für die Krone bei weiten Teilen der Bevölkerung Anfang der 1830er Jahre von der Frage abhing, ob der Monarch tatsächlich bereit war, die Reformpolitik der Mehrheit im Unterhaus zu unterstützen. Zwar gab es selbst jetzt noch Gelegenheiten für den König, sich in der Öffentlichkeit von großen Menschenmengen feiern zu lassen, insbesondere dann, wenn er am Rande seiner Auftritte besonders heftig attackiert wurde. So führte ein Steinwurf auf Wilhelm bei den Rennen in Ascot wenige Tage nach seinem Geburtstag zu einer Solidarisierung der anwesenden Zuschauer mit dem König.77 Ende des Monats allerdings musste er eine Militärparade der Grenadier Foot Guards im Hyde Park unter Buhrufen und Pfiffen aus der Menge der vielen Tausend Zuschauer abnehmen.78 Der Höhepunkt der Reformkrise im Sommer 1832 war zweifellos der Tiefpunkt der Popularität der Krone bei der Londoner Bevölkerung. Insgesamt aber zeigen die Feiern um die Monarchie in der Hauptstadt ein ähnliches Muster wie die entsprechenden Ereignisse in Bolton und den Städten des West Ridings. Die Haltung der Mengen erweist sich als wechselhaft, bald gespalten, bald deutlich loyalistisch geprägt, bisweilen von Sympathien für radikale Reformforderungen gezeichnet. Die von Harrison beobachteten dauerhaften Konfliktlinien zwischen protestorientierten Unterschichten und loyalistischen Eliten lassen sich dagegen nicht feststellen. Stattdessen boten die Feiern den unmittelbar an den offiziellen Abläufen beteiligten Akteuren wie den zuschauenden Mengen Spielräume zur Darstellung der eigenen Position, jeweils geprägt von ihrer grundsätzlichen Sicht auf Krone und Gesellschaft, zudem aber abhängig von den Rahmenbedingungen 74 75 76 77 78

Vgl. Times, 9. 9. 1831; John Bull, 11.9.1831. Vgl. Observer, 11.9.1831. Vgl. Times, 29. 5. 1832, 4.6.1832. Vgl. John Bull, 24.6.1832. Vgl. Times, 27.6.1832.

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der einzelnen Feiern, die sich aus den aktuellen politischen Konstellationen und Debatten ergaben. In der Praxis wurde dabei immer wieder deutlich, wie sehr loyalistische Positionen in vielen Jahren auch die Zustimmung der beteiligten sozialen Gruppen aus den Unterschichten fanden. Führt diese Interpretation nicht doch zu weit? Immerhin wurden die Feiern in den meisten Fällen von lokalen Eliten, häufig der städtischen Verwaltung oder in London durch den Hof organisiert. Nicht selten waren sie mit Freibier oder öffentlichen Festessen verbunden und erforderten zumindest die von Arbeitgebern akzeptierte oder geförderte Arbeitsunterbrechung, um breiten Teilen der Bevölkerung die Teilnahme an normalen Wochentagen zu ermöglichen. Muss die friedliche und scheinbar zustimmende Haltung großer Mengen deshalb nicht doch auf eine manipulative Mobilisierung „von oben“ zurückgeführt werden, die Aussagen über die tatsächlichen Positionen der Beteiligten unmöglich macht? Erst kürzlich hat Frank O’Gorman mit Blick auf die in ganz England verbreiteten Verbrennungen von Thomas-Paine-Puppen im Winter 1792/3 entsprechende Deutungen loyalistischer Rituale und Feste, wie sie etwa Nicholas Rogers vorgelegt hat, entschieden kritisiert.79 Vor allem zwei Punkte seiner Kritik lassen sich auch auf die Feiern um die Monarchie in den 1820er Jahren beziehen. Zum einen nahm wie bei den PaineVerbrennungen landesweit ein großer Teil der englischen Bevölkerung an den Festen teil. Die Untersuchungen in diesem Kapitel beschränken sich auf wenige Städte, ließen sich aber leicht um zahllose Beispiele erweitern; nichts deutet darauf hin, dass die zwar selten konkret angegebenen, stets aber hohen Zuschauerzahlen bei den Abläufen in Bolton, Leeds und London ungewöhnlich waren. In vielen Fällen muss nahezu die Hälfte der Stadt auf den Beinen und beteiligt gewesen sein. Schon dies macht es unwahrscheinlich, dass die zuschauenden Mengen unter Zwang oder Druck standen, wenn sie an den Feiern um die Krone teilnahmen. Zum anderen waren die Abläufe wie das Ritual der Puppenverbrennung von ausgedehnter Dauer. Häufig begannen sie am Vormittag und zogen sich über Stunden, bisweilen bis in den Abend hin, vor allem, wenn Elemente wie die Festbeleuchtung der Stadt oder Volksfeste integriert waren. Die im Mittelpunkt stehenden Paraden weiteten den Ort der Abläufe auf große Teile des Stadtgebiets aus und schufen durch wiederholte Darbietungen, Proklamationen oder Salutschüsse unterschiedliche Zentren; nicht nur die Teilnehmer der eigentlichen Umzüge waren deshalb in Bewegung, auch ein großer Teil der Zuschauer zog umher. Die beteiligten Mengen wechselten mehrmals den Ort, lösten sich auf und formierten sich an anderen Stellen neu. Es scheint kaum vorstellbar, das Zehntausende von Menschen gegen ihren Willen über Stunden zu solchen Manövern gezwungen werden konnten, zumal Missfallenskundgebungen und Proteste nicht etwa ausgeschlossen waren, sondern zu bestimmten Zeiten sogar in den Vordergrund traten, ohne dass dies für die Beteiligten negative Konsequenzen hatte. 79 Vgl. O’Gorman, Paine Burnings und N. Rogers, Crowds.

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Alles das sagt noch nichts über die unmittelbare Motivation der einzelnen Teilnehmer aus und erlaubt nur vage Rückschlüsse auf den Charakter der loyalen oder radikalen Vorstellungen, die verschiedene Gruppen in den versammelten Mengen mit den Feiern verbanden. Sie bleiben einer Untersuchung, die sich zunächst nur auf äußere Beschreibungen von Abläufen und ihre Interpretation über die Rahmenbedingungen beschränkt, zwangsläufig verborgen. Zudem lassen sich dynamische Massenprozesse, wie sie am eindrucksvollsten vielleicht Elias Canetti in seinen Studien zur Menge beschrieb, kaum erfassen. Aspekte wie das Berauschen an der Größe und Dichte einer Versammlung, am gleichgerichteten Handeln ungezählter Einzelner oder an der massenhaften Fixierung des Interesses auf ein gemeinsames Zentrum müssen für die Feiern eine Rolle gespielt haben; sie lassen sich in den oft knappen Beschreibungen erahnen, aber nicht grundsätzlich erfassen.80 Die Menge bleibt daher, allerdings in einem völlig anderen Sinn, als es Theorien von der bedrohlichen Masse formulieren, bis zu einem gewissen Grad unberechenbar und unergründlich. Dennoch erlaubt die Betrachtung der Feiern in Provinzstädten und in der Hauptstadt zwei vorsichtige Rückschlüsse auf die Verbreitung politischer Haltungen in breiten Teilen der Bevölkerung, die im Widerspruch zur bisherigen Forschung stehen. Einerseits waren die Feiern um die Monarchie nicht von Klassengegensätzen geprägt, die sich in radikaler Kritik an der offiziellen Botschaft der Feiern und ihrer nationalen Symbolik in Bezug auf die Monarchie entluden. Prägend für die Abläufe waren der jährlich wechselnde Kontext der einzelnen Feiern und die jeweils dominante Sichtweise innerhalb der versammelten Mengen auf die Ereignisse. Im raschen Wechsel konnten dabei eher radikale oder eher loyalistische Stimmungen das Verhalten der Zuschauer und damit letztlich den Charakter der Feste bestimmen. Andererseits lässt sich kein grundlegender Bruch mit der Tradition von Feiern mit loyalistischen Botschaften im späten 18. Jahrhundert erkennen. Die lokalen Feste nach 1820 unterschieden sich nicht von denen, die Linda Colley für die Regentschaft Georgs III. beschrieben hat; die Monarchie blieb auch unter seinem Sohn das zentrale Element der nationalen Identifikation und konnte in der Regel an den mit ihr verbundenen Festtagen auf große Zustimmung hoffen. Georg IV. mochte Radikalen und Liberalen als erschreckende Figur auf dem Thron erscheinen. Seine Rolle in der englischen Gesellschaft wurde dennoch oft genug überwältigend gefeiert. Die Monarchie erwies sich damit lange vor ihrer scheinbaren Neuerfindung im späten 19. Jahrhundert immer wieder als populär und konnte in Anlehnung an populäre loyalistische Haltungen um 1800 weiterhin als Bindeglied für politische Überzeugungen fungieren, die sich gegen radikale Reformforderungen formierten.

80 Vgl. Canetti, Masse und Macht.

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Kapitel 2 „True Friends of Her Majesty“: Plebejische Konservative und Debatten um Krone, Verfassung und Patriotismus Mitte November 1839 hörten die rund 400 Teilnehmer, die beim jährlichen Dinner der Operative Conservative Society im Rathaus von Little Bolton versammelt waren, erstaunliche Worte vom anglikanischen Vikar der Stadt, Reverend James Slade. Ausdrücklich nahm er Königin Viktoria gegen Vorwürfe aus konservativen Reihen in Schutz und mahnte die Anwesenden, dass sie eine Person sei, „who ought to be dear to every Conservative heart“. Nicht die Königin sei für die jüngsten „royal acts“ verantwortlich, sondern die liberale Regierung, deren Mitglieder die unerfahrene Monarchin als rücksichtslose und liederliche Berater umgäben. Als Königin schulde man ihr Respekt, als junger Frau Nachsicht.1 Dass ausgerechnet konservative Wortführer ihre Anhänger zu Loyalität gegenüber der Krone anhalten mussten, war Folge einer Affäre, die scheinbar allzu deutlich die Unterstützung Viktorias für die Liberalen und ihre Reformen demonstrierte. Wenige Monate vor den Ermahnungen Slades hatte die junge Königin die Bitte des konservativen Parteiführers Robert Peel um eine symbolische Änderung der Zusammensetzung ihres königlichen Haushalts abgewiesen. Nach dem Rücktritt des liberalen Premiers Lord Melbourne im Mai 1839 standen die Konservativen kurz vor der Regierungsübernahme; Peel bat Viktoria um ein Zeichen ihres Vertrauens und die Entlassung der Frauen einiger führender liberaler Politiker aus dem ehrenvollen Kreis der Ladies of the Bedchamber, die der Königin bei öffentlichen Anlässen zur Seite standen. Viktorias Weigerung löste die Bedchamber Crisis aus und stieß bei den Konservativen auf scharfe Kritik. Demonstrativ hatte die Königin Partei für die regierenden Whigs genommen und durch ihre königlichen Prärogativrechte einen Machtwechsel verhindert. Ironischerweise profitierten dabei die Liberalen von königlichen Rechten, die sie stets in Frage gestellt hatten, während die Tories, die sich traditionell als Partei der Krone und Verteidiger der Rechte des Monarchen verstanden, von der jungen Königin auf die Oppositionsbänke verwiesen wurden.2 1 Vgl. Times, 15.11.1839. 2 Vgl. D. Thompson, Queen Victoria, S. 30, Rubinstein, Britain’s Century, S. 68 und R. Williams, Contentious Crown, S. 85 f. Die besondere symbolische Bedeutung der Ladies of the Bedchamber ergab sich aus der persönlichen Nähe der Frauen des Kreises zur Monarchin. Üblicherweise handelte es sich bei den Ladies um Frauen von Hochadeligen, die häufig zu engen Vertrauten der

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Schon in den Jahren zuvor hatte Viktoria Sympathien für die Liberalen und ihre Reformpolitik angedeutet. Das hatte die englischen Konservativen vor das Problem gestellt, ihre Position zur Krone neu definieren zu müssen, während Liberale die Königin als Anhängerin ihrer Politik feiern und ein Verständnis von Loyalismus propagieren konnten, das liberale Prinzipien und eine patriotische Unterstützung der Krone eng verband.31837 etwa waren die Liberalen in Bolton mit dem Slogan „For the Queen and Liberty“ in den Wahlkampf gezogen.4 Dagegen propagierten die Konservativen ihre Sicht auf die Monarchie wie die Verfassung und präsentierten sich, in den Worten eines Vorredners von Reverend Slade, als „real supporters of her [Victoria’s] monarchy and her throne“.5 Wie schon in den loyalistischen Feiern zu Beginn der 1830er Jahre zeigte sich in den Konflikten am Ende des Jahrzehnts, dass Loyalismus und Patriotismus als heftig umstrittene Konzepte in der politischen Auseinandersetzung tiefe Gegensätze zwischen den politischen Lagern der Konservativen, Liberalen und Radikalen schufen, die jenseits von sozialen Grenzen der gesellschaftlichen Hierarchie unterschiedliche soziale Gruppen politisch verbanden. So verteidigte Slade die junge Königin vor den Mitgliedern eines konservativen Arbeitervereins, der in Bolton wie in vielen anderen Städten Englands wenige Jahre zuvor gegründet worden war. Die Entstehung lokaler Parteiorganisationen der Liberalen und Konservativen und die damit verbundene parteipolitische Mobilisierung bis in untere Gesellschaftsschichten hinein ergaben sich aus der Wahlrechtsreform von 1832.6 Mit dieser Entwicklung veränderten sich die Rahmenbedingungen für die politischen Auseinandersetzungen um das richtige Verständnis von Loyalismus und Patriotismus erheblich; zugleich wurde in den Konflikten zwischen politischen Organisationen, die um breite Zustimmung bei Wählern und Nichtwählern konkurrierten, deutlich, wie seit langem verbreitete Interpretationen der Rolle von Krone, Verfassung und Patriotismus einerseits zur Mobilisierung von Anhängern instrumentalisiert, andererseits von diesen zur Formulierung von Ansprüchen und Erwartungen an politische Führer und lokale Eliten genutzt werden konnten. Sowohl innerhalb der Organisationen als auch in der Auseinandersetzung zwischen Politikern und Massen bei Wahlkämpfen, in Konflikten über Feiern der Monarchie bis hin zur Mobilisierung von Männern für den Dienst in militärischen Freiwilligenverbänden wurde über das richtige

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Königin wurden. Da die gerade zwanzigjährige Viktoria in den Augen der Öffentlichkeit als jung und beeinflussbar galt, wurden die sonst eher nebensächliche Rolle der Ladies und ihre Nähe zur Königin Gegenstand einer Debatte, auf die Peels Bitte reagierte. Vgl. R. Williams, Contentious Crown, S. 83 ff. Vgl. Wahlplakat „The Tory Requiem“ von 1837 in Bolton Local Studies Library and Archive, ZZ 360; Bolton Chronicle, 29.7.1837. Vgl. Times, 15.11.1839. Vgl. zur Debatte um die Bedeutung der Wahlrechtsreform von 1832 für die organisatorische Entwicklung der Parteien vor allem Salmon, Electoral Reform.

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Verständnis von Monarchie und Verfassung gestritten; diskursive und symbolische Formen der Kommunikation waren dabei eng miteinander verbunden. Im Folgenden soll durch eine Erweiterung der Perspektive auf politische Diskurse im Umfeld der neugegründeten konservativen Arbeitervereine und der lokalen politischen Öffentlichkeit gezeigt werden, dass konservative Vorstellungen eine wichtige Rolle in den Auseinandersetzungen um das Verständnis der englischen Verfassung spielten. Wie in den Auseinandersetzungen zwischen Church-and-King-Mobs und ihren radikalen Gegenspielern im späten 18. Jahrhundert sowie den divergierenden Botschaften im Umfeld der Feiern der Monarchie im Jahrzehnt nach Peterloo blieb auch für die turbulenten Jahre des Chartismus und der Kämpfe um Fabrikgesetzgebung und Armenrecht das Nebeneinander konservativer, reformorientierter und radikal-revolutionärer Positionen prägend. In der Untersuchung geht es einerseits darum, seit langem verbreitete Vorstellungen von Begriffen und Symbolen, die im Zusammenhang mit den Feiern um die Monarchie von hoher Bedeutung waren, genauer zu erfassen und zu prüfen, inwieweit sie bis in die Unterschichten hinein identitätsstiftend und mobilisierend wirkten. Andererseits wird vor dem Hintergrund der in der Einleitung geschilderten Debatte um den Popular Constitutionalism eine neue Deutung der konservativen Arbeitervereine vorgeschlagen. Insbesondere David Walshs Einschätzung, nur sogenannte „Bread and Butter“-Themen, die unmittelbaren Bezug zur Arbeits- und Lebenswelt von Arbeiterfamilien hatten, seien in den Jahrzehnten vor 1850 für konservative Erfolge in den Unterschichten relevant gewesen, ist dabei zu hinterfragen.7 In den Hunderten von Zeitungsberichten, die seit Mitte der 1830er Jahre die Abläufe von Festessen der Operative Conservative Associations, ihre Treffen, Prozessionen und Aktivitäten begleiteten, spielten Probleme wie das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitern, die Forderungen nach einer humanen Fabrikgesetzgebung und einer Rücknahme der liberalen Reformen des Armenrechts zwar keine unbedeutende Rolle, aber in unzähligen Reden vor den versammelten Mitgliedern der örtlichen Vereine fehlte jeder Hinweis auf entsprechende Themen. Immer wieder bemühten sich die Redner dagegen, ein konservatives Verständnis von Monarchie und Verfassung zu propagieren, die Rolle der Anglikanischen Kirche als Staatskirche zu verteidigen und die Angriffe von Reformern und Radikalen auf die gewachsenen Strukturen der englischen Gesellschaft zu attackieren.8

7 Vgl. Walsh, Working Class Political Integration, Kap. XI und ders., Conservative Party Organisation. Walsh teilt die Themen der Vereine zudem in Working Class Issues und Middle Class Issues auf, bleibt aber jeden Beleg für diese Interpretation schuldig (Working Class Political Integration, S. 402 f.). 8 Neben den Lokalzeitungen der untersuchten Wahlkreise konnten über die Berichterstattung der Londoner Times zahlreiche Veranstaltungen der Operative Conservative Associations in weiten Teilen Englands rekonstruiert werden.

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Vor allem das besondere Verhältnis der Konservativen zur Krone stand dabei im Mittelpunkt und löste Beifallsstürme bei den Zuhörern aus, wie etwa in Bradford während der Rede des örtlichen Vorsitzenden John Moss vor der Operative Conservative Association im Februar 1838: „Es ist unsere Pflicht, loyal zum regierenden Monarchen zu sein – nicht die Art von Loyalität zu zeigen, mit der unsere Gegner aufgetreten sind, die nur so lange loyal waren, so lange sie ein Parteiziel verfolgten, und seitdem ,Nieder mit der Königin‘ rufen. (…) Das ist nicht die Loyalität der Operative Conservatives. (Lauter Beifall.) Nein, unsere Loyalität beruht auf einer unlösbaren Verbindung durch gute und schlechte Zeiten mit unserer jungen Königin.“9 Wütende Tiraden auf die scheinheilige Loyalität von Liberalen und Radikalen wurden von Mitgliedern aus den Unterschichten und prominenten Unterstützern ebenso bejubelt wie antiliberale Beschlüsse der konservativen Mehrheit im House of Lords oder die Aktivitäten lokaler Tory-Politiker im Kampf gegen die „Disgraceful Whigs“. Angesichts solcher Haltungen gilt es, die Bedeutung konservativer Positionen zu Krone, Verfassung und Patriotismus im umkämpften Feld plebejischer Identitätsbildung neu zu betrachten.

a) Die Entstehung konservativer Arbeitervereine und die konservative Variante des Popular Constitutionalism Konservative Vereine für „Operatives“ waren seit 1835 in zahlreichen englischen Städten gegründet worden. Ihre Entstehung stand zunächst im engen Zusammenhang mit dem generellen Ausbau lokaler Parteiorganisationen nach der Wahlrechtserweiterung von 1832. Die Bestimmungen des Reform Act koppelten das Wahlrecht an strenge Besitzregelungen sowie die regelmäßige Bezahlung aller Steuern und schrieben eine jährliche Überprüfung der Wählerverzeichnisse vor neu geschaffenen Registration Courts vor.10 Schon die ersten Wahlen nach der Reform zeigten, dass im neuen System häufig Einsprüche gegen potentielle Wähler der gegnerischen Partei und die regelmäßige Sorge um eine Registrierung der eigenen Anhänger das entscheidende Kriterium für Erfolg oder Misserfolg der Kandidaten waren. Entsprechend 9 Übersetzt aus dem Leeds Intelligencer, 10. 2. 1838, S. 8: „He considered it their duty to be loyal to the reigning monarch – to exhibit not that kind of loyalty manifested by their opponents, who were loyal as long only as a party object was to be attained but who had since cried ,Down with the Queen‘ (. . .) This was not the loyalty of the Operative Conservatives. (Loud cheers.) No, their loyalty was founded on the undeviating attachment through good and evil report, to their young queen.“ Der deutsche Text wurde in den Indikativ gesetzt, um einen besseren Eindruck von der Wirkung des Redners zu geben. Üblicherweise gaben englische Reporter im 19. Jahrhundert Reden im Konjunktiv wieder. 10 Vgl. zu den konkreten Verfahrensvorschriften und der praktischen Umsetzung des Reform Acts in den Wahlkreisen Salmon, Electoral Reform.

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wurden schlagkräftige Parteiorganisationen in den Wahlkreisen notwendig, die anders als die früheren meist nur in Wahlkampfzeiten aktiven Unterstützungskomittees einzelner Kandidaten eine kontinuierliche Arbeit der Parteien am Ort möglich machten. Zudem hatte die Wahlrechtsreform mit einer Auflösung vieler besonders kleiner Wahlkreise mit oft nur einer Handvoll Wahlberechtigter (sogenannter Rotten Boroughs), der Bildung von neuen Wahlkreisen in Industriestädten wie etwa Liverpool und Manchester und der zwar moderaten, aber dennoch bedeutenden Ausdehnung des Wahlrechts eine Wählerschaft geschaffen, die wesentlich stärker als vor der Reform auf politische Debatten reagierte und immer weniger durch traditionelle Faktoren wie den Einfluss und Druck adeliger Grundbesitzer oder unmittelbare Bestechung zu kontrollieren war.11 Mit Hilfe neuer Organisationsformen bemühten sich die Parteien daher auch um eine dauerhaftere Bindung von Anhängern an ihre Politik und eine stärkere Ausprägung politischer Identitäten entlang parteipolitischer Linien. Insbesondere die Konservative Partei stand in den 1830er Jahren vor der Herausforderung, sich nach der Niederlage im Kampf gegen die Wahlrechtsreform und der großen liberalen Mobilisierung der Jahre 1830 bis 1832 neu zu organisieren. Innerhalb kurzer Zeit entstanden in zahlreichen Grafschaften und Städten neue Conservative Associations. Einige Impulse kamen dabei aus London: Schon seit 1830 gingen aus dem Umfeld der Parteiführung Initiativen für eine besser koordinierte Unterstützung von konservativen Kandidaten in den Wahlkreisen hervor; gleichzeitig entstand mit dem Carlton Club und durch die Arbeit von Robert Peels Vertrautem Francis R. Bonham eine Art Parteizentrale. Dennoch beruhten die Gründungen konservativer Parteigliederungen meist auf lokaler Initiative und wurden eher gegen eine skeptische, nur langsam auf die veränderten Rahmenbedingungen des politischen Systems reagierende Parteiführung durchgesetzt. In den Associations fanden sich Konservative aus den lokalen Eliten und dem gehobenen Mittelstand wieder, 11 Inwieweit der Reform Act von 1832 einen tiefen Einschnitt in das englische politische System bedeutete, wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Umstritten sind dabei zum einen die Bedeutung der insgesamt nur vorsichtigen Ausweitung des Wahlrechts und die Tiefe des Bruchs mit den politischen Strukturen vor der Reform. Während J. Clark, English Society das Gesetz als wichtigen Schritt zur Beendigung eines englischen Ancien Regime beschreibt, betont O’Gorman, Voters, Patrons, Parties und ders., Campaign Rituals mit Blick auf die Abläufe von Wahlen und die symbolischen Formen, die dabei zur Anwendung kamen, eher die Kontinuitätslinien über den vermeintlichen Einschnitt von 1832 hinweg. Dagegen haben J. Phillips, Great Reform Act und J. Phillips u. Wetherell, Parliamentary Parties sowie dies., Great Reform Act of 1832 in ihren Untersuchungen zur Parteienentwicklung und dem Wählerverhalten erneut die stark modernisierenden Aspekte des Akts betont und verstehen die Reform von 1832 mit ihren Auswirkungen auf die Parteiorganisation und die engere Bindung von Wählern an die Parteien als Beginn des Zweiparteiensystems in Großbritannien. In den letzten Jahren zeichnet sich durch die Arbeiten von Salmon, Electoral Reform und die Aufsätze in Lawrence u. Taylor, Party, State and Society ein Konsens ab, der wieder stärker die Veränderungen des Systems durch die Reform von 1832 betont. Vgl. dazu auch Harling, Equipose Regained.

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die gemeinsam mit einflussreichen Adeligen und dem alten Tory-Establishment bemüht waren, die politische Basis der Partei zu verbreitern, konservative Wähler zu registrieren und konservative Kandidaten bei lokalen und nationalen Wahlen durchzusetzen. Bis 1837 entstanden so praktisch in allen Wahlkreisen konservative Parteiverbände.12 Während die Conservative Associations führenden Gesellschaftsschichten in den Wahlkreisen vorbehalten blieben und sich neben ihren politischen Aktivitäten mit Festessen und Bällen häufig auch als wichtige Träger des gesellschaftlichen Lebens etablierten, konnten sie als relativ elitäre Organisationen nur bedingt auf eine breite Öffentlichkeit einwirken oder Anhänger aus niedrigeren Schichten für konservative Ziele mobilisieren. Um auch solche Gruppen in konservative Parteiorganisationen zu integrieren, wurden ab 1835 spezielle konservative Vereine für Tradesmen und Operatives gegründet, die gezielt Mitglieder aus den Mittel- und Unterschichten an die Konservative Partei binden sollten.13 Während die Conservative Tradesmen Associations meist kleine Geschäftsleute, gehobene Angestellte und Ladenbesitzer aus den unteren Mittelschichten rekrutierten, bemühten sich die Operative Associations besonders um die Mitgliedschaft von Arbeitern und Handwerkern. Eine strikte Trennung zwischen verschiedenen Schichten war allerdings nicht vorgesehen, zumal nur in wenigen Städten beide Organisationen nebeneinander existierten; insbesondere in den Operative Associations mischte sich dabei in der Regel ein plebejisch-kleinbürgerliches Milieu aus selbständigen Handwerkern, kleinen Ladenbesitzern und einfachen Angestellten mit Arbeitern aus Industriebetrieben.14 12 In einigen Wahlkreisen existierten schon zuvor Associations. Vgl. Hill, Toryism, S. 32 – 70, Gash, Bonham, ders., Age of Peel, S. 393 – 427, ders., Organization, Petrie, Carlton Club, G. Kent, Beginnings, Stewart, Foundation, bes. Kap. VII, Walsh, Working Class Political Integration, Kap. V und Cragoe, Great Reform Act. 13 Die Begriffe Tradesman und Operative sind insgesamt recht schillernd und dürfen nicht als Hinweise auf eine enge Schichtzugehörigkeit der Mitglieder begriffen werden. Zwar gehört der Begriff „Operatives“ semantisch sicher in den Kontext von Bezeichnungen wie „Humbler Classes“ oder „Lower“ bzw. „Working Classes“, theoretisch konnte er aber ähnlich wie „Industrious Classes“ vom ungelernten Arbeiter bis zum Bankier alle sozialen Gruppen umfassen. Meist wurde er allerdings für ein Milieu aus Arbeitern, Handwerkern und einfachen Angestellten verwandt. Ähnlich konnte auch der Begriff „Tradesmen“ durchaus Handwerker und gelernte Arbeiter bezeichnen. Vgl. zur Komplexität der Verwendung von Berufsbezeichnungen im 19. Jahrhundert allgemein Armstrong, Use und Crossick, From Gentleman to the Residuum. 14 Die soziale Zusammensetzung der Mitgliedschaft lässt sich nur ungenau rekonstruieren. Walsh, Working Class Political Integration, Kap. VI, X und Anhang, fand lediglich für die Association in Blackburn, einer durchaus mit Leeds oder Bolton vergleichbaren Industriestadt in Nordengland, genaue Angaben für einen Teil der Führungsmitglieder, die in den späten 1830er Jahren etwa 300, in den 1840er Jahren rund 400 Mitgliedern vorstanden. Der Vorstand des Vereins umfasste 20 Mitglieder ; dabei handelte es sich um Textilarbeiter (Weber und Spinner) oder kleine, zum Teil selbständige Handwerker im Textilbereich (Stoffhändler, Tuchmacher, Tuchfertiger und Baumwollhersteller) sowie Schuster, Hutmacher und Tischler. Einige stammten aus höheren Schichten und bezeichneten sich als Angestellter eines Anwalts, Buchmacher, Lebensmittelhändler, Schulleiter und Steinbruchbesitzer. Geht man davon aus, dass Vorwürfe aus

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Die Initiative für solche Gründungen ging zum Teil von den späteren Mitgliedern selbst aus; in der Regel waren es aber führende Mitglieder der eigentlichen Parteiorganisationen, die diese anregten und mit finanziellen Mitteln förderten. Veranstaltungen der Associations wurden von prominenten Politikern besucht und zielten häufig darauf ab, Gelegenheiten für Begegnungen von konservativen Adeligen, Fabrikbesitzern und Politikern mit einfachen Anhängern der Partei zu ermöglichen. Ziel war es, außer der allgemeinen Verbreitung konservativer Werte und Ideen Wähler aus den Mittelund Unterschichten zu integrieren bzw. konservative Anhänger aus diesen Gruppen mit ihrem Wissen über bekannte Wähler und deren finanzielle Verhältnisse vor Ort in die Auseinandersetzungen um die Registrierung in den Wählerverzeichnissen einzubeziehen.15 Zudem ließen sich die Mitglieder der Associations für die zahlreichen politischen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien und politischen Gruppen mobilisieren, die in Wahlkämpfen, bei Kundgebungen oder am Rande von Sitzungen der Gremien der Lokalverwaltung häufig recht handfest geführt und nicht selten über die Zahl der jeweiligen Anhänger entschieden wurden.16 Für die Mitglieder hatten die Associations darüber hinaus auch soziale Funktionen. Ähnlich wie Gewerkschaften, die Unions und Associations von Radikalen und Chartisten sowie weltanschaulich offenere friendly societies bildeten die konservativen Arbeitervereine Sparguthaben zur Unterstützung

liberalen Zeitungen, die Arbeiter in den konservativen Vereinen würden ihren Vorarbeitern hinterherrennen, anzeigen, dass die normalen Mitglieder eher eine niedrigere soziale Stellung hatten als die Mitglieder des Vorstands, erhält man eine Vorstellung des einfachen sozialen Hintergrunds, aus dem die Mitglieder der Association insgesamt stammten. Interessanterweise erlebten die Vorstandsmitglieder in Blackburn über die Jahre einen sozialen Aufstieg: Hatte 1837 nur der Buchmacher das Wahlrecht, waren es in den 1840er Jahren (bei leicht veränderter Zusammensetzung) 14 von 20 Mitgliedern; ebenso arbeitete etwa Henry Kenyon jr., der langjährige Sekretär des Vereins, zunächst als Weber in einer Fabrik (power-loom operative), bevor er Angestellter eines Anwalts wurde. Später fungierte er als Präsident der Blackburn Operative Association. 15 Wähler aus den Unterschichten gab es in Städten, die schon vor 1832 Wahlkreisstatus hatten. Vor 1832 war das Wahlrecht in städtischen Wahlkreisen lokal geregelt; die einzelnen Bestimmungen unterschieden sich von Ort zu Ort erheblich. In vielen Städten qualifizierten sich weite Teile der (männlichen) Handwerker- und Arbeiterschaft für das Stimmrecht. Der Reform Act hob zwar die lokalen Bestimmungen auf, entzog aber keinem Wähler das Wahlrecht, der es vor der Reform besessen hatte und weiterhin die alten Qualifikationen erfüllte. Nach 1832 gab es daher in einigen Städten weiterhin Wähler aus den unteren Mittel- und Unterschichten, die allmählich aus den Wählerverzeichnissen ausschieden, zunächst aber von den Parteien umworben wurden. Den relativen Erfolg der Konservativen kann man an den Wahlergebnissen in jenen 47 Städten ablesen, in denen Arbeiter und Handwerker über ein Drittel der Wählerschaft stellten: 1832 gewannen konservative Kandidaten dort nur 22 %, in den Jahren nach 1835 jeweils mehr als 50 % der Stimmen (1835: 51 %, 1837: 53 %, 1841: 57 %). Vgl. Raymond, English Political Parties, S. 189, zitiert nach Salmon, Electoral Reform, S. 66. 16 Vgl. zu den Tätigkeitsfeldern der konservativen Operative Associations insgesamt die Darstellung der Geschichte der Vereine in Paul, History, einer Flugschrift der Association in Leeds.

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von Mitgliedern in Krankheits- und Todesfällen.17 In der Regel mieteten die Associations Räume für Versammlungen und richteten in ihnen Bibliotheken und Lesesäle ein, in denen die Mitglieder abends oder an bestimmten Wochentagen Bücher, konservative Zeitungen und Periodika lesen konnten.18 Solche Bildungsangebote an die Mitglieder wurden durch Spenden der örtlichen Conservative Associations oder durch Beiträge prominenter konservativer Politiker und Unternehmer finanziert. Die Häufigkeit von Treffen und Sitzungen lässt sich nur schwer ermitteln und variierte sicherlich von Ort zu Ort und je nach politischer Lage; herausragende Ereignisse waren jedoch stets die feierlichen Annual Dinners, die an den Jahrestagen der Gründung der Vereine organisiert und als konservative Demonstrationen inszeniert wurden.19An ihnen nahmen außer den örtlichen Mitgliedern auch Gäste aus den umliegenden Regionen und benachbarten Vereinen teil; vor allem aber trafen sich hier einfache Mitglieder mit den konservativen Größen am Ort und hörten Reden von lokalen Abgeordneten, konservativen Pfarrern und anderen Prominenten. Bisweilen wurden zu solchen festlichen Anlässen auch die Frauen der Mitglieder eingeladen; gelegentlich endeten sie mit Musik und Tanz.20 Die Verbindung von sozialen und politischen Aktivitäten unter Patronage einflussreicher konservativer Persönlichkeiten am Ort erwies sich Mitte der 1830er Jahre als erfolgreiches Konzept. Nach der ersten Gründung einer Operative Conservative Association in Leeds im Februar 1835 folgten in rascher Folge weitere Vereine in den nordenglischen Industriestädten. Bis Ende des Jahres gab es Associations in 22 Städten; 1836 folgten weitere acht Städte 17 Vgl. Hill, Toryism, S. 55 f., Walsh, Working Class Political Integration, S. 230 und Salmon, Electoral Reform, S. 69. 18 Typisch etwa ein Bericht der Times vom 23. 1. 1836, in dem mit wohlwollendem Erstaunen über die Eröffnung von Lesesälen in Manchester, Bolton, Wigan und Pilkington berichtet wird. Zur Lektüre angeboten wurden alle wichtigen konservativen Zeitungen und Journale (Times, Post, Standard, John Bull, The Age, Blackwood’s Edinburgh Magazine) sowie die konservative Provinzpresse (Manchester Courier, Liverpool Standard, Leeds Intelligencer und Bolton Chronicle). 19 Über das Tagesgeschäft der Vereine sind kaum Aufzeichnungen erhalten; lediglich für die Operative Conservative Society in Bradford konnte ein Protokollbuch für die Jahre 1837 – 1839 gefunden werden, das recht häufige Treffen des Vorstands und vierteljährliche Treffen aller Mitglieder belegt (Bradford Archive, Deed Box 4, Case 1, Nr. 3). Berichte für andere Vereine sprechen bisweilen von wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Treffen, gelegentlich von monatlichen oder vierteljährlichen Versammlungen. Vgl. etwa Paul, History, Leeds Intelligencer 26. 5. 1838, 29.12.1838. In Wahlkampfzeiten konnten sich die Aktivitäten erheblich verdichten – so berichtete der Ten Towns Messenger 1841 in den Monaten vor der Wahl Ende Juni fast in jeder Ausgabe über Aktivitäten der konservativen Operatives in Kidderminster. Gerade in Orten mit häufigen Treffen in kleineren Runden lässt sich gegen Walsh, Working Class Political Integration, S. 227 auf eine sehr viel größere Unabhängigkeit der normalen Mitglieder in den einzelnen Vereinen schließen, als die relativ passive Rolle der einfachen Mitglieder bei den großen Annual Dinners vermuten lässt. 20 Vgl. etwa Times, 23. 4. 1838 über „Salford Operative Conservative Ball“, Leeds Intelligencer, 5.5.1838.

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und Gemeinden.21 In den Jahren darauf drangen die Vereine auch in die Industrieregionen der Midlands und Städte wie Kidderminster und Birmingham vor; insgesamt betrug ihre Zahl deutlich mehr als 100.22 Bis auf das auffällige Fehlen entsprechender Organisationen im Großraum London waren die Associations in allen Ballungsgebieten und Industrieregionen Englands vertreten; darüber hinaus gab es auch einige Vereine in Schottland und Irland.23 Wie bei den eigentlichen konservativen Parteiorganisationen handelte es sich bei den Vereinen für Operatives meist um lokale oder regionale Initiativen.24Zwar gab es durchaus Hinweise auf ein gewisses Interesse der Parteiführung an der Ausweitung der Anhängerschaft unter konservativen Arbeitern, zugleich aber herrschte in London Skepsis gegenüber der politischen Organisation von Nichtwählern, da man eine Radikalisierung und zunehmende Unruhen im Lande fürchtete.25 Die Zahlen der Mitglieder der einzelnen Vereine variierten von Ort zu Ort und konnten von einigen Dutzend bis zu einigen Tausend reichen. Der Bolton 21 1835 wurden Vereine in Leeds, Manchester, Salford, Liverpool, Bolton, Warrington, Oldham, Ashton under Lyne, Middleton, St. Helens, Blackrod, Pilkington, Stockport, Lees, Bradford, Barnsley, Sheffield, Ripon, Wakefield, Huddersfield, Blackburn und Darwen gegründet; 1836 folgten Horwich, Atherton, Chadderton, Wigan, Rochdale, Bury, Chorley und Preston. Nicht mitgezählt wurden die untergeordneten Vereine in den umliegenden Dörfern und Vorstädten der Großstädte Leeds und Manchester. Die Angaben zum Gründungsdatum einzelner Associations stimmen nicht überall ganz überein; meine Aufzählung stützt sich auf die Listen in Paul, History, S. 26 ff. und im Bolton Chronicle, 12.11.1836. Walsh, Working Class Political Integration, Kap. VI, kommt zu geringfügig anderen Zahlen. 22 Vgl. Times, 3. 8. 1836, 5. 12. 1838, Ten Town’s Messenger, 28. 5. 1841; zur regionalen Ausdehnung vgl. Hill, Toryism, S. 47 ff., Gash, Organization sowie Salmon, Electoral Reform, S. 66. 23 Vgl. Bericht über Gründung eines Vereins in Limerick in Times, 13. 11. 1837, in Cork in der Times, 17. 1. 1837 und über ein Treffen der Operative Conservatives in Dublin, Times, 24.1.1842. Die Entwicklung einer Operative Conservative Association in Glasgow untersucht J. Ward, Some Aspects. 24 Insbesondere in Lancashire scheint die Gründung von Vereinen zentral gefördert worden zu sein. Mitte 1836 wurde mit dem Rechtsanwalt Charles Wilkins ein regionaler Organisator mit der Gründung weiterer Verbände beauftragt. Vgl. Walsh, Working Class Political Integration, S. 211 ff. 25 So plädierte Blackwood’s Edinburgh Magazine, Juli 1835, S. 6 – 18, für die flächendeckende Gründung von Conservative Associations und forderte die Einbindung der Lower Classes. Auch innerhalb der Parteiführung gibt es einige Briefwechsel, die Interesse an der Verbreiterung der Anhängerschaft auf konservative Arbeiter vermuten lassen – letztlich finden sich aber keine Hinweise auf eine Beteiligung der Parteiführung bei der Gründung von Operative Conservative Societies. Vgl. Walsh, Working Class Political Integration und ders., Conservative Party Organisation, der fälschlicherweise einen Brief von Cavie Richardson, Gründungsmitglied der Association in Leeds, an Peel über die Gründung des Vereins dem prominenten Fabrikanten und Abgeordneten aus Blackburn Feilden zuschreibt und als Beleg für ein hochrangiges Interesse an der Mobilisierung von Arbeitern wertet, Richardson an Peel 26. 3. 1835 (Peel Papers, BL Add. 40418 ff 172). Daneben Brief von Arbuthnot an Herries, undatiert 1834, über Möglichkeiten der Beeinflussung der öffentlichen Meinung in den Gebieten um Leeds und Manchester durch Presse und Pamphlete (Herries Papers BL Add. 57371 ff 98). Auch in den Briefwechseln des inoffiziellen Parteiorganisators Francis Bonham (Peel Papers Add. 40616, 40617) finden sich keine entsprechenden Hinweise.

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Chronicle zählte mit Verweis auf die Zahlen von R. S. Sowler bereits im November 1836 rund 6.500 Mitglieder in den Associations allein in den 20 Vereinen der Grafschaft South Lancashire; in den Jahren darauf stieg die Zahl der Mitglieder und Vereine weiter an.26 Vorsichtig geschätzt dürften Anfang der 1840er Jahre auf dem Höhepunkt der Verbreitung der Vereine einige Zehntausend Operatives in konservativen Organisationen Mitglieder gewesen sein und damit insgesamt eine recht substantielle politische Kraft in den englischen Städten gebildet haben. Zwar waren die konservativen Vereine weit davon entfernt, eine Massenbewegung zu sein, und konnten niemals auch nur annähernd so große Anhängerzahlen mobilisieren wie die Chartisten, die 1839 dem Parlament in Westminster eine Million Unterschriften unter die People’s Charter mit ihren Forderungen nach dem allgemeinen Wahlrecht und demokratischen Reformen präsentieren konnten; vielerorts waren die Mitgliedszahlen in den Operative Conservative Associations aber durchaus vergleichbar mit den organisierten Mitgliedern in den Political Unions der Chartisten, Gewerkschaften oder liberalen Clubs mit Anhängern aus den Unterschichten.27 Da ähnlich wie in den konkurrierenden Vereinen und Organisationen selbst die relativ geringen jährlichen Beiträge viele potentielle Anhänger von einem Eintritt in die Associations abgehalten haben werden, war die Zahl der Anhänger insgesamt sicher deutlich höher als die Zahl der registrierten Mitglieder.28 Konservative Arbeitervereine und ihre politischen Aktivitäten konnten damit durchaus einen erheblichen Teil der englischen Unterschichten erreichen.29

26 Vgl. Bolton Chronicle, 12.11.1836. 27 Vgl. Salmon, Electoral Reform, S. 66 – 69. In Bolton klagte 1836 der liberale Politiker Robert Heywood über die Größe der Operative Conservative Association, deren rund 400 Mitglieder die 100 Mitglieder der Reform Association bei weitem übertrafen. Vgl. Brief Heywood an James Coppock, nicht datiert [ca. Ende Dezember, Anfang Januar 1836], Bolton Local Studies Library and Archive, ZHE 26/3/110. Auch in Kidderminster scheint 1841 die Zahl der konservativen Operatives erheblich größer als die der organisierten Chartisten gewesen zu sein. Vgl. Ten Towns’ Messenger, 28.5.1841. 28 Die Mitgliedsbeiträge waren nicht einheitlich geregelt. In Ausnahmefällen war die Mitgliedschaft kostenlos, üblich waren aber Beiträge um ein bis zwei Shilling pro Jahr. In Bradford etwa betrugen die Beiträge sechs Pence pro Vierteljahr, was einem Jahresbeitrag von zwei Shilling entspricht; hier wurden Arbeitslose allerdings ausdrücklich von der Zahlung ausgenommen. Vgl. Rules and Regulations of the Bradford Operatives’ Conservative Society (Bradford Archive: Deed Box 16, Case 22, Nr. 24); daneben Times 5. 12. 1838, 30.12.1839. Gemessen an den Durchschnittslöhnen der Zeit waren die Beiträge nicht unbedeutend, insbesondere wenn man zusätzlich die monatlichen Zahlungen in die Krankheits- und Sterbekassen der Vereine berücksichtigt: So konnte etwa um 1840 ein vollbeschäftigter Weber im West Riding maximal zwölf Shilling pro Woche verdienen, während die Löhne von ungelernten Arbeitern oder Spinnereiarbeitern noch niedriger waren. Vgl. Brooke, Social and Political Response, S. 116 – 119 und Appendix I. 29 Vgl. die Einschätzung von Walsh, Working Class Political Integration und Salmon, Electoral Reform. Zu anderen Ergebnissen kommen dagegen etwa Sykes, Popular Politics, N. Kirk, Change, Continuity and Class, P. Taylor, Popular Politics und B. Lewis, Middlemost, die wie viele

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Welche Motive Arbeiter zum Eintritt in konservative Organisationen bewegten, ist kaum abschließend zu klären. Während die liberale und radikale Presse in den konservativen Operatives Abtrünnige und Verräter sah, die blind dem Ruf und Druck ihrer Vorgesetzten nachgaben, betonten die Mitglieder der Vereine stets die Verbindung von „Sound Loyalty and Honourable Independence“.30 Tatsächlich gingen Gründungen von Operative Associations zum Teil auf die Initiative von konservativen Fabrikbesitzern zurück, und die Verbindung von Patronage und Zwang mag manchen Textilarbeiter in die Vereine getrieben haben. Im Boltoner Vorort Horwich etwa forcierte 1836 der Fabrikant und Tory-Politiker Joseph Ridgway die Gründung der Association, und die Mehrheit der Mitglieder scheint aus dem Kreis der 400 Arbeiter in seiner Färberei gestammt zu haben.31 Sicher konnten schon die sozialen Leistungen im Krankheits- und Todesfall Anreiz für eine Mitgliedschaft sein. Sie lassen sich im Zusammenhang mit dem Einfluss von Arbeitgebern als frühe Beispiele für eine patriarchalische Fabrikkultur werten, die Patrick Joyce als Entwicklung der 1850er und 60er Jahre besonders mit dem konservativen Fabrikantenmilieu in Verbindung gebracht hat.32 Andererseits blieben die Einflussmöglichkeiten von Fabrikanten auf ihre Arbeiter immer begrenzt. Streiks und gegen die eigenen Interessen gerichtete politische Proteste konnten auch konservative Arbeitgeber nicht verhindern. In den außerhalb Boltons gelegenen Fabrikvorstädten wie Horwich etwa dominierten generell konservative Industrielle, ohne dass sich dies in großen Unterschieden bei politischen Aktivitäten oder Arbeitskämpfen niederschlug.33 Die konservativen Arbeitervereine standen in unmittelbarer Konkurrenz zu den Aktivitäten von Chartisten, liberalen Arbeitervereinen sowie radikalen Reformorganisationen und behaupteten sich als Minderheit in ihren sozialen Milieus in Zeiten turbulenter politischer Konflikte. Zumindest für einen großen Teil ihrer Mitglieder müssen auch die konservativen Werte und Haltungen, mit denen sie auf den Parteiveranstaltungen oder in den Leseräumen der Vereine konfrontiert wurden und in politischen Auseinandersetzungen mit ihren Gegnern agierten, eine hohe Überzeugungskraft gehabt haben. Der soziale Rahmen, den die Vereine ihren Mitgliedern boten, lässt sich nicht von dem semanti-

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andere englische Historiker ihr Urteil über den Konservatismus in den Unterschichten zu einseitig auf die antikonservativen Attacken der liberalen und radikalen Presse stützen. Beispiele für liberale Vorwürfe gegen konservative Arbeiter und den Zwang der Fabrikbesitzer lassen sich etwa in der Bolton Free Press vom 29. 10. 1836, 5. 11. 1836 und 19. 11. 1836 finden; für ähnliche Angriffe vgl. Halifax Express, 15. 4. 1837, Leeds Mercury, 29. 4. 1837 und 16.4.1842. Paul, History, S. 7 f., schildert dagegen die Entstehung der konservativen Arbeitervereine als Ausdruck konservativer und antiradikaler Überzeugungen unter den einfachen Arbeitern. Vgl. Horwich Operative Association First Annual Dinner, 1836. Bolton 1836, zitiert nach P. Taylor, Popular Politics, S. 67. Vgl. P. Joyce, Work, Society and Politics, Kap. 4 – 6. Für Untersuchungen zu den politischen Überzeugungen der Unternehmer in Bolton vgl. P. Taylor, Popular Politics, S. 67.

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schen Raum trennen, in dem sie sich bewegten: Konservative Symbole und Tory-Rhetorik bildeten eine in sich schlüssige Einheit mit Patronage und sozialen Leistungen, Freizeitmöglichkeiten und politischen Forderungen an das einzelne Mitglied; in der Verbindung dieser Elemente konnten die Associations eine konservative Identität ausprägen, die bis weit in die Unterschichten mobilisierend wirkte. Die Sprache, welche die Mitglieder der Operative Conservative Associations dabei verband, war vor allem die eines konservativen Konstitutionalismus und patriotischen Loyalismus. Besonders deutlich wird das bei einer Untersuchung des ersten konservativen Arbeitervereins in Leeds.34 Anders als bei vielen späteren Gründungen ging seine Entstehung zunächst auf die Initiative dreier Operatives zurück, die keine besondere Verbindung zu den gehobeneren konservativen Kreisen der Stadt gehabt zu haben scheinen.35 Die Gründung erfolgte jedoch nur einen Monat nach dem ersten konservativen Wahlerfolg in Leeds im Januar 1835, und schnell entstand auch hier eine enge Zusammenarbeit zwischen den Operatives und führenden konservativen Politikern der Stadt, allen voran dem neugewählten Abgeordneten Sir John Beckett und seinem Wahlkomitee.36 Ein Jahr nach der Gründung und nach einer schwierigen Anlaufphase hatte sich die Association mit über 200 Mitgliedern etabliert. Beim ersten feierlichen Annual Dinner im März 1836 schworen die Vorsitzenden die Mitglieder des Vereins auf ihre Pflichten ein

34 In die Analyse wurden Veranstaltungen aller Operative Conservative Associations im Großraum Leeds einbezogen, insbesondere aus den Leedser Vororten Pudsey und Bramley, aber auch aus dem benachbarten Huddersfield. 35 Vgl. Bericht über die Gründung der Association in Paul, History. Als Gründungsmitglieder werden die „Operatives“ William Paul, William Beckett und Cavie Richardson genannt. Laut der Leeds Times vom 29. 9. 1838 war William Paul Arbeiter in der Flaxspinnerei der Tories Hives and Atkinson und arbeitete daneben auch als Lehrer in einer Sonntagsschule. Er verdiente ca. 10 £ im Jahr und konnte bei der Wahl 1837 abstimmen; 1838 wurde er bei der Registrierung gestrichen, weil er die finanziellen Qualifikationen nicht mehr erfüllte. Bei William Beckett handelte es sich vermutlich um den Bruder von John Beckett, einem Reporter des Leeds Intelligencers, dessen Herausgeber Robert Perring den Arbeiterverein förderte. Vgl. dazu Fraser, Politics in Leeds. Cavie Richardson war ein Aktivist der frühen Bewegung für bessere Arbeitsbedingungen in Fabriken und hatte zu Beginn der 1830er Jahre als enger Vertrauter von Richard Oastler als Angestellter des West Riding Central Short Time Committees in Leeds gearbeitet. Seine soziale Herkunft ist nicht genau zu ermitteln. Scheinbar arbeitete er um 1830 als Strumpfwarenhändler ; 1834 wird im Adressverzeichnis von Leeds unter seinem Namen ein Buchhändler und Lehrer aufgeführt. Zu keinem Zeitpunkt verfügte er über das Wahlrecht. Zudem wurde er 1831 vom Leeds Mercury (24. und 31. 12. 1831) als „supposed Methodist local preacher“ angegriffen. Vgl. Brief an Richardson von 1833 in Oastler Collection, Bd. 2, Pamphlet 9, S. 19; Parson u. White, Directory ; Baines, Directory. Beckett fungierte später lange als Präsident des Vereins, Paul blieb der langjährige Sekretär der Association, während Richardson Leeds 1836 verließ. 36 Vgl. Leeds Intelligencer, 5. 3. 1836, 9.4.1836. Neben Beckett unterstützten besonders Robert Hall und Thomas Blayds die Association.

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und stellten fest: „Truth, justice, independence, loyalty, and patriotism, all summon us to fight the battle of the Constitution.“37 In zahlreichen Reden und Pamphleten wurde den Mitgliedern in Leeds in den Jahren darauf immer wieder verdeutlicht, was ein von Loyalismus und Patriotismus geprägter Kampf für die Verfassung aus konservativer Sicht bedeutete. Stabilität und Wohlstand aller Engländer beruhten auf dem Erfolg der Verfassung in ihrer jetzigen Form. Jede Veränderung gefährdete Ruhe wie Ordnung und drohte das Land in ein unvergleichliches Chaos zu stürzen. Unter Bannern wie „Rally Round the Throne“ priesen Redner die englische Verfassung als „the very best constitution ever framed by human wisdom“ und als Garant für gleiche und unparteiische Rechte für alle – „the high and the low, the rich and the poor, the peer and the peasant“.38 Während liberale Reformer und Radikale die freiheitliche Tradition der englischen Verfassung als Argument für demokratische Reformen anführten und deren „Korruption“ scharf kritisierten, nutzten konservative Politiker vor den Operatives Schlüsselbegriffe des radikalen Diskurses wie Liberty und Equality, um die Vorzüge der englischen Konstitution hervorzuheben und vor jeder Verfassungsreform zu warnen. Monarchie, Kirche und Verfassung wurden als „safeguards (…) of liberty and order“ verstanden; Gleichheit konnten sie in der Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen staatlichen Institutionen und unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen erkennen.39 Gerade weil die englische Verfassung aus konservativer Sicht in vorbildlicher Weise „Privileges and Blessings“ für alle Engländer sicherte sowie eine „Limited Monarchy“ und „Limited Power and Chastened Freedom“ garantierte, mussten Tories die liberalen Forderungen nach immer neuen Reformen und Verfassungsänderungen als besonders verwerflich erscheinen.40 Entsprechend bestand ein Großteil der konservativen Reden zur Verfassung aus scharfen Abgrenzungen gegen Reformer und der Gegenüberstellung des re37 First Annual Report of the Leeds Operative Conservative Society, Leeds 1.3.1836. Abgedruckt in Paul, History, S. 10 f. Der ganze Absatz lautet: „What, then, is the duty of the members of the Leeds Operative Conservative Society? Not to grow cold, lukewarm or indifferent in the cause of loyalty, or to suffer themselves to be lulled into a criminal apathy, because the sun of prosperity gilds their [Whig-Radicals] path, and victory places its laurels on their brows. No, this circumstance ought to prompt to increasing action, and invigorate us forward in our constitutional career. Duty prompts, zeal animates, ambition fires. Truth, justice, independence, loyalty, and patriotism, all summon us to fight the battle of the Constitution. We have entered the lists, we have buckled on the armour. Our motto is ,onward‘; our watchword is ,Persevere.‘ Past success animates our present position, while future prospects irresistably impel us forward, and all conspire to proclaim us a final and undisputed triumph.“ 38 Vgl. Leeds Intelligencer, 22. 4. 1837 (Banner und Rede Col. Tempest). Vgl. auch Dinner in Bramley bei Leeds, geschildert in Leeds Intelligencer, 20. 5. 1837 (Banner und Rede Rev. Furbank), Dinner in Leeds am 16. 4. 1842 (Rede Mr. Hall). 39 Vgl. Leeds Intelligencer, 1. 4. 1837 (Zitat in Rede Mr. Bond), 22. 4. 1837, 20. 5. 1837, 6. 6. 1840 (Rede Rev. Jenkins). 40 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 22. 4. 1837 (vorgelesener Brief von Col. Tempest), 5. 5. 1838 (Rede Rev. Jenkins).

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lativen Wohlstands, den die englische Verfassung allen gesellschaftlichen Gruppen sicherte, mit den Unsicherheiten und Gefahren, die bei vorschnellen Verfassungsänderungen und übertriebenen Ansprüchen an den Staat drohten. Immer wieder warfen Konservative ihren Gegnern vor, genau jene „Liberty“ zu zerstören, die sie eigentlich erreichen wollten, und mit ihren Forderungen nach Demokratie tatsächlich eine „Tyranny“ zu schaffen.41 Dabei verkehrten konservative Politiker nicht nur die Wertigkeit der Schlagwörter des radikalen Diskurses in ihr genaues Gegenteil, sondern bezogen geschickt die gerade in unteren Gesellschaftsschichten verbreitete Enttäuschung über die Ergebnisse der liberalen Reformpolitik seit der Wahlrechtsreform von 1832 in ein konservatives Bild der Verfassung mit ein: Weder die Reform von 1832 noch die folgende Reform der städtischen Verwaltung von 1835 hätten den einfachen Leuten ein Recht auf Mitbestimmung eingeräumt; stattdessen würde ihnen mit dem neuen Armenrecht und durch Maßnahmen, welche die Möglichkeiten der Kirche zur Unterstützung der Armen beschränkten, dringend notwendige Hilfe in Not und Elend geraubt.42 Konsequenterweise hätten die Operatives dabei das Interesse an demokratischen Reformen verloren: Geheime Abstimmungen, Stimmrecht für jeden Haushalt, jährliche Wahlen wurden von konservativen Politikern als liberale Dogmen abgelehnt.43 Auf Parteiveranstaltungen verwiesen immer wieder gerade Redner, die als Operatives vorgestellt wurden, darauf, dass viele der Mitglieder früher für Reformen gekämpft hätten oder aktive Radikale gewesen seien.44 In Leeds konnten Konservative dabei besonders auf die Gründung von Arbeitervereinen in radikalen Hochburgen verweisen, wie etwa in Pudsey, einem Arbeitervorort bei Leeds, der sich während der Reformagitation zu Beginn der 1830er Jahre den Ruf besonderer Hartnäckigkeit und Radikalität erworben hatte.45 Das Motiv der politischen Enttäuschung und der Desillusionierung ehemaliger Reformer verbanden die Konservativen gezielt mit der Gegenüberstellung von Ordnung und Chaos. Die „Glorious and Free Constitution“ stand 41 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 1. 4. 1837 (Reden von Mr. Cariss, Mr. Bond), 22. 4. 1837 (Rede Col. Tempest), 20. 5. 1837 (vorgelesener Brief Col. Tempest), 23. 10. 1841 (Rede Mr. Eggleston). 42 Vgl. Paul, History, S. 17 – 20; Leeds Intelligencer, 5. 5. 1838, besonders im von Mr. William Mathews vorgetragenen Lied „The Political Ass“; daneben Bericht vom 6. 6. 1840 (Rede Mr. Farrar). 43 Vgl. Paul, History, S. 16: „They are opposed to all dogmas which are trumpeted forth by a certain class of political empirics, viz. Vote by Ballot, Household Suffrage, and Annual Parliaments, &c., believing that the adoption of these measures would, so far from tending to produce the real welfare of the country, lead to a train of national evils the most woeful and lasting in their consequences.“ 44 Vgl. Leeds Intelligencer, 27. 5. 1837 (Reden von Mr. Barrett und Mr. Bennett), 22. 4. 1837 und 5. 5. 1838 passim, 21. 8. 1841 (Rede Mr. Ray), daneben Paul, History. 45 In Pudsey wurde im Frühjahr 1837 eine Operative Conservative Association gegründet, die bald darauf eine Bibliothek einrichtete und 1838 bereits über 200 Mitglieder hatte. Vgl. Leeds Intelligencer, 22. 4. 1837, 5.5.1838.

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für Dauer, Stabilität und Verlässlichkeit; schon die Vorväter hätten für die in der Verfassung verankerten Rechte gekämpft und ihr Blut gelassen.46„WhigRadicalism“ und Reformen wurden dagegen mit Unsicherheit, Unruhe und Zerstörung gleichgesetzt. „Wir [die Operative Conservatives] sind nicht Teil eines unheiligen Bündnisses mit dem Ziel, Menschen ihr Eigentum zu nehmen, wir schließen uns nicht mit dem Ziel zusammen, Mensch und Gesellschaft ins Elend zu stürzen, wir haben uns nicht verbunden, um die Saat von Anarchie und Verwirrung in allen Teilen des Landes zu säen“, rief William Paul, der Sekretär der Association in Leeds, 1837 seinen politischen Freunden in Pudsey zu.47 Schon 1836 hatten die konservativen Operatives in Leeds ihrem Selbstverständnis als Vertreter von „Peace, Security and Order“ Ausdruck verliehen; Liberale, Radikale und Reformer aller Art konnten sie dagegen mit dem Begriff „Destructives“ (Zerstörer) belegen.48 Blieb in den Tiraden gegen die politischen Gegner der positive Bezug zu Verfassung und Ordnung eher abstrakt, konnten konservative Politiker je nach aktueller Zuspitzung der Reformdebatte auf nationaler und lokaler Ebene allgemeine Aussagen zur Verfassung mit Hinweisen auf bestimmte Institutionen konkretisieren und vehement für deren Erhalt oder die Ablehnung von spezifischen Reformvorhaben streiten. Nach 1835 stand etwa neben der stets diskutierten Frage der Aufhebung des Staatskirchenstatus der Anglikanischen Kirche vor allem der Widerstand gegen die Reform des britischen Oberhauses im Mittelpunkt konservativer Agitation.49 Keine Veranstaltung der Operative Conservatives verging, ohne dass Redner die besondere Bedeutung der Lords hervorhoben und ihre Unabhängigkeit, Nüchternheit und Besonnenheit betonten. Gerade weil die Mitglieder des Oberhauses unbeeinflusst von Wahlen und wechselnden Stimmungen in der Bevölkerung Entscheidungen träfen, könnten sie in hervorragender Weise den Exzessen der Parteipolitik widerstehen und sich falschen Entscheidungen entgegenstellen, die nur auf die Vorteile politischer Gefolgsleute zielten.50 Ihre Aufgabe bestehe dabei in einem doppelten Kampf gegen die Gefahr einer Tyrannei: Zum einen verhinderten die Lords die demokratische Willkürherrschaft einer kleinen Mehrheit innerhalb des Unterhauses; zum anderen 46 Vgl. Leeds Intelligencer, 1. 4. 1837 (Rede Mr. Sidney), 21. 8. 1841 (Rede Mr. Hall). 47 Übersetzt und im Indikativ wiedergegeben nach Leeds Intelligencer, 22. 4. 1837: „They were not leagued together in an unhallow confederacy for the purpose of robbing any man of his property ; they were not leagued together for the purpose of making man and society miserable; they were not banded together for the purpose of sowing the seeds of anarchy and confusion in any part of the land; (…)“ 48 Vgl. First Annual Report of the Leeds Operative Conservative Society, März 1836, zitiert in Paul, History, S. 10 f.; für die Verwendung des Begriffs „destructives“ in Leeds vgl. Leeds Intelligencer, 28. 11. 1835 (Rede G. S. Bull), 1. 4. 1837 (Rede Mr. Bond). 49 Zur Rolle des Protestantismus und Fragen des Disestablishments der Anglikanischen Kirche sowie der Kämpfe um die Church Rates vgl. unten Kapitel 3. 50 Vgl. Leeds Intelligencer, 22. 4. 1837 (Rede Col. Tempest), 20. 5. 1837 (Brief Col. Tempest), 22. 4. 1838 (Rede Lord Wharncliffe).

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seien sie die eigentlichen Garanten gegen ein Ausufern königlicher Rechte und eine absolute Monarchie.51 Das gängige Argument der besonderen Ausgewogenheit innerhalb der englischen Verfassung und der geglückten Balance zwischen den verschiedenen Ständen und Institutionen der englischen Gesellschaft verbanden konservative Redner dabei mit den aktuellen politischen Auseinandersetzungen Mitte der 1830er Jahre. Da das House of Lords sich im Kampf gegen die radikaleren Reformvorstellungen liberaler Regierungen, die sich auf Mehrheiten im Unterhaus und das wilde Drängen der Straße stützten, erfolgreich widersetzt habe, sei der Ruf nach seiner Auflösung in den letzten Jahren immer lauter geworden. Jene Reformen, die sich inzwischen vor allem für die unteren Schichten als besonders schädlich erwiesen hätten, wären noch gefährlicher geworden, wenn das Oberhaus nicht entsprechend seiner konstitutionellen Rolle mäßigend und traditionswahrend gewirkt hätte. Gerade für die Unterschichten seien die Lords daher besonders wichtig; immer wieder zeigten sie sich als die wahren Freunde der Armen.52 Der Blick auf die Reformauseinandersetzungen der 1830er Jahre konnte aber auch in historischer Perspektive erweitert werden. So verwies ein Redner beim Dinner zum Jahrestag der Gründung der Operative Conservative Association in Leeds 1837 mit Blick auf Forderungen nach einer Reform des Oberhauses auf die klassische Rolle der Lords in der englischen Geschichte und zitierte – zweifellos ohne von seinen Zuhörern eine genaue Kenntnis der Quelle zu erwarten – die berühmt gewordenen Worte aus dem Statute of Merton „We will not have the laws of England changed“, mit denen die englischen Barone sich 1236 gegen Versuche einer Angleichung des englischen Gewohnheitsrechts an kanonische Vorschriften aus Rom gewandt hatten.53 Typischer war der direkte Hinweis auf die Magna Carta und die Rolle der „tapferen Barone“, die seit den Anfangstagen der englischen Verfassungsgeschichte stets die Verteidiger von „True Liberty and Constitutional Rights“ gewesen waren. Auch in ihrem Verständnis der Verfassungsgeschichte wandelten konservative Politiker zentrale Begriffe liberaler Forderungen in konservative Grundwerte um und verbanden mit ihnen betont die Absage an weitgehende Reformen, um die Mitglieder der Arbeitervereine zur Verteidigung von Institutionen wie dem Oberhaus zu mobilisieren.54 Die Gegenüberstellung von Chaos und Ordnung im konservativen Diskurs ließ sich auch für das Oberhaus konkretisieren: Schon immer hätten sich die Lords als unüberwindliche Barriere gegen die brutalen und gewalttätigen Ströme des Ruins und der Revolution erwiesen.55

51 Vgl. Leeds Intelligencer, 1. 4. 1837 (Rede Mr. Bond), 22. 4. 1837 (Reden Col. Tempest, Mr. Perring). 52 Vgl. Leeds Intelligencer, 22. 4. 1837 (Rede Col. Tempest), 28. 4. 1838 (Rede Mr. Dearden). 53 Vgl. Leeds Intelligencer, 1. 4. 1838 (Rede Mr. Bond). 54 Vgl. Leeds Intelligencer, 28. 4. 1838 (Rede Mr. Dearden). 55 Vgl. Leeds Intelligencer, 22. 4. 1838 (Rede Lord Wharncliffe).

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Schließlich verorteten die Reden vor den konservativen Arbeitern das House of Lords in einem nationalistischen Wertehorizont. Die Mitglieder des Oberhauses wurden – ob in der Vergangenheit oder der unmittelbaren Gegenwart – stets als besonders patriotisch und wahlweise „englisch“ oder „britisch“ dargestellt.56 Zum einen verkörperten sie eine typisch „englische“ Tradition, die manche Redner explizit hervorhoben, um nationale Unterschiede in Auseinandersetzungen um die Verfassung zu betonen und die politische Stabilität des englischen Königreichs etwa vom revolutionsgeplagten Frankreich abzugrenzen, das sich fatalerweise vom politischen Einfluss seiner Aristokratie getrennt hätte.57 Zum anderen unterstrichen konservative Politiker die nationale Haltung der Lords. „True British Feelings“ inspirierten, patriotische Ideale leiteten sie, gemeinsam kämpften sie gegen die inneren und äußeren Feinde Englands für das Wohl aller Klassen der Gesellschaft.58 Gerade die Betonung der „Englishness“ der Lords verband die Verteidigung des Oberhauses mit der patriotisch gefärbten Sprache innerhalb der konservativen Arbeitervereine. Unermüdlich beschrieben die Redner vor den Operatives die Haltung der Konservativen zur Verfassung in nationalen Begriffen, grüßten die Mitglieder als „True Englishmen“ oder in „Old-Fashioned English Style“.59 Immer wieder verwiesen sie auf die Interessen des Landes, die jeder Konservative bis zum letzten Tropfen Blut verteidigen würde, oder verstanden gerade jene Institutionen der englischen Verfassung, deren Verteidigung im Mittelpunkt der konservativen Politik stand, als besonderen Ausdruck „englischen“ Ruhms und „englischer“ Größe. So konnten die Monarchie, einzelne Mitglieder des Königshauses, die anglikanische Staatskirche, das House of Lords oder schlicht die gesamte englische Verfassung als „England’s Glory“ gefeiert werden.60 Entsprechend boten konservative Politiker ihren Anhängern aus den Unterschichten ein überaus patriotisches Selbstverständnis an. Nicht nur waren die Operative Conservative Associations ein Segen für die Nation, jedes Mitglied führte letztlich auch die Pflichten aus, die es Gott, sich selbst und seinem Land schuldete.61 Ein solches Selbstverständnis wurde von den Mitgliedern begeistert angenommen und stets mit Jubel bedacht; stolz bezeichneten sich die Mitglieder des Vereins in Pudsey auf ihren Abzeichen als „Protestant Patriots of Pudsey“.62

56 Auf die Austauschbarkeit von „englisch“ und „britisch“ in konservativen Kreisen innerhalb Englands hat schon Evans, Englishness hingewiesen. 57 Vgl. Leeds Intelligencer, 21. 8. 1841 (Rede Henry Hall). 58 Vgl. Leeds Intelligencer, 22. 4. 1837 (Rede Col. Tempest), 28. 4. 1838 (Rede Mr. Dearden). 59 Vgl. Leeds Intelligencer, 28. 11. 1835 (Rede Richard Oastler), 1. 4. 1837 (Rede Mr. Paul), 22. 4. 1837, 18. 4. 1838 (passim). 60 Vgl. Leeds Intelligencer, 28. 11. 1835, 1. 4. 1837, 22. 4. 1837, 20.5.1837. 61 Vgl. Leeds Intelligencer, 1. 4. 1837 (Rede Mr. Paul), 20.5.1837. 62 Vgl. Leeds Intelligencer, 22.4.1837.

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Dabei war den Konservativen durchaus bewusst, dass sie mit ihrem Verständnis von Patriotismus in direkter Konkurrenz zu liberalen Rednern und Politikern standen, die ihrerseits Forderungen nach politischen Reformen als Inbegriff von Patriotismus und Ausdruck der Verbundenheit mit den wahren politischen Traditionen des eigenen Landes deuteten. Anders als in weiten Teilen der Forschung angenommen, ließen sie aber keineswegs zu, dass Radikalismus und Patriotismus zu gleichbedeutenden Begriffen wurden, sondern kämpften entschieden gegen anderslautende Patriotismusvorstellungen.63 In ihren Reden drückte sich das zum einen in der starken Betonung der patriotischen Haltung von konservativen Parteiführern wie Sir Robert Peel oder des Duke of Wellington aus, zum anderen in scharfen Attacken auf führende liberale Parlamentarier. Neben Lord Russell war insbesondere der parlamentarische Führer der irischen Katholiken, Daniel O’Connell, Zielscheibe konservativer Kritik. Nicht nur würde er in Irland seine Anhänger durch Beleidigungen Englands mobilisieren, sein Patriotismus sei zudem nur vorgeschoben und käme immer dann zum Vorschein, wenn er mit „patriotischen“ Argumenten selbstgefällig seinen eigenen Interessen nützen und England schaden könnte.64 Aber auch die ganze liberale Regierung, gestützt auf solche „unpatriotischen“ Mehrheitsbeschaffer, stand im Feuer der konservativen Kritik: Gerade als „True Englishman“, erklärte zum Beispiel Sir Francis Burdett 1838 in Leeds, könne er nicht anders als allen Engländern und Freunden Englands klarzumachen, dass er bis zum letzten gegen eine solche Regierung kämpfen werde.65 Die Whigs waren aus Sicht der Konservativen eine Schande für den englischen Charakter ; Radikale und Liberale verdienten nicht, als Engländer bezeichnet zu werden.66 Weit entfernt davon, ihren politischen Gegnern das Feld „patriotischer“ Argumente zu überlassen, prägten konservative Politiker also lange vor 1870 im Rahmen ihres Verfassungsverständnisses einen eigenen konservativen Patriotismus und Nationalismus, den sie aggressiv gegen ihre politischen Gegner einsetzten und zur Mobilisierung von Anhängern in den unteren Gesellschaftsschichten erfolgreich nutzen konnten. Zentrales Kernstück der patriotischen Mobilisierungsstrategien vor den Mitgliedern der konservativen Arbeitervereine war schließlich die Betonung der besonderen Loyalität und Treue der Konservativen zum englischen Königshaus und zur Institution der Monarchie als Teil der englischen Verfassung. 63 Vgl. insbesondere Cunningham, Language und Colley, Britons. Zum liberal-radikalen Verständnis von Patriotismus und zur Vorstellung, dass ab etwa 1815 reformorientierte Patriotismus-Konzeptionen konservative und loyalistische verdrängten vgl. oben, Einleitung. 64 Vgl. Leeds Intelligencer, 1. 4. 1837 (Rede Mr. Cariss), 28. 4. 1838 (Rede Francis Burdett). 65 Vgl. Leeds Intelligencer, 18. 4. 1838 (Rede Francis Burdett). 66 Vgl. Leeds Intelligencer, 1. 4. 1837 (Rede Mr. Sidney), 18. 4. 1838 (Rede Lord Maidstone). Mit solchen Vorwürfen knüpften die Redner auch an parlamentarische Auseinandersetzungen an, in denen konservative Abgeordnete und Kommentatoren die Liberalen als „unenglish“ attackierten. Vgl. Parry, Politics, S. 129 ff.

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Zwar stellten die Redner in ihrer Beschreibung der englischen Verfassung durchaus die begrenzte Autorität der englischen Krone dar und priesen die „Limited Monarchy“ als Gegenstück zu absolutistischer Unrechtsherrschaft, gleichzeitig dokumentierten sie aber immer eine bedingungslose Loyalität zum Thron, verstanden sich als entschlossene Kämpfer gegen Republikaner wie Feinde der Monarchie und nutzten ihren Loyalismus als distinktives Merkmal im Kampf gegen den politischen Gegner.67 Loyalistische Angriffe wie die oben bereits zitierte Attacke des Vorsitzenden der Operative Conservatives in Bradford, John Moss, auf die fehlende Loyalität und Doppelmoral von Liberalen wie Radikalen in ihrem Verhältnis zur Krone waren auch in Leeds ein fester Bestandteil aller Veranstaltungen der Association. Hier konnte die immer wiederkehrende rhetorische Beschwörung der Nähe der Konservativen zum Monarchen direkt mit persönlichen Attacken auf einen der einflussreichsten Liberalen der Stadt verbunden werden. Edward Baines, liberaler Politiker sowie Besitzer und Chefredakteur der auflagenstärksten Zeitung der Region, des Leeds Mercurys, hatte sich während einer Demonstration für die Wahlrechtsreform aus Verärgerung über die ablehnende Haltung Wilhelms IV. und seiner Frau Anfang der 1830er Jahre dazu hinreißen lassen, die versammelte Menge zu Unmutsäußerungen gegen Königin Adelaide aufzufordern.68 Seine „Three Groans for the Queen“ wurden für die Konservativen der Stadt zum Inbegriff liberaler Scheinloyalität und erlaubten es den Führern der Operative Conservatives, immer wieder den völlig anderen Charakter ihrer Haltung zur Krone darzustellen. Unter dem Motto „Fear God, Honour the King“ entwickelten sie ein auch religiös aufgeladenes Verständnis ihrer Treue zur Monarchie; entsprechend warf William Paul den Liberalen der Stadt schon 1835 in biblischen Begriffen Doppelmoral vor: Sie riefen „Hosianna“ in der Gegenwart des Königs, aber schon am nächsten Tag „Kreuzigt ihn!“69 Wenige Jahre später, als liberale Politiker nach der Thronbesteigung Viktorias mit ihrer besonderen Nähe zur jungen Königin Wahlkampf machten, argumentierten die konservativen Redner im West Riding, dass liberale und radikale Reformforderungen am Ende auf eine Republik und die Abschaffung der Monarchie zielten. Gegen den liberalen Schlachtruf „Queen and Reform“ fassten sie ihr Verständnis von konservativem Loyalismus in dem Satz „The Queen, the Church, the Constitution, and the People“ zusammen.70

67 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 28. 11. 1835, 22. 4. 1837, 4. 5. 1839, 23.10.1841. 68 Vgl. Leeds Intelligencer, 17.5.1832. Vgl. zur Rolle Baines’ in Leeds auch Fraser, Baines, ders., Life, Winstanley, Researching, Thornton, Mr. Mercury und ders., Baines. 69 Vgl. Leeds Intelligencer, 28.11.1835. 70 Vgl. Leeds Intelligencer, 22. 4. 1837 (Rede Col. Tempest), 18. 4. 1838 (Rede Mr. Dearden), 28. 4. 1838 (Rede Mr. Charlesworth).

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b) Interpretationen von Krone und Konstitution in Wahlkämpfen und Festkultur Die konservative Variante des Popular Constitutionalism blieb in ihrer identitätsprägenden Wirkung nicht auf den engen Raum der konservativen Arbeitervereine und die Teilnehmer an ihren jährlichen Großveranstaltungen beschränkt. Zwar wuchsen die Operative Conservative Associations nach ihrer Entstehung Mitte der 1830er Jahre bis zur Spaltung der Konservativen Partei in England über die Frage der Kornzölle weiter und erreichten bis zum Verschwinden der meisten Vereine um 1846 zunehmend mehr eingeschriebene Mitglieder – in Leeds auf dem Höhepunkt des Wachstums Anfang der 1840er Jahre nach eigenen Angaben über 800 Operatives, in Bolton um 1840 immerhin rund 600 Mitglieder ; doch boten sich konservativen Politikern in Wahlkämpfen, in Konflikten um die Feiern der Monarchie und bei sonstigen öffentlichen Auftritten auch andere Gelegenheiten, ein konservatives Verfassungsverständnis bis in die unteren Gesellschaftsschichten zu propagieren.71 Der Streit um die Verfassung prägte den politischen Diskurs aller Parteien und wurde in allen Bereichen des politischen Raumes geführt; über symbolische Formen erreichte er weit größere Teile der Gesellschaft als jene, die unmittelbar den unterschiedlich gefärbten Reden zum Verfassungsverständnis verschiedener politischer Gruppen zuhörten. Schon die Botschaften der Annual Dinners und anderer Veranstaltungen der konservativen Arbeitervereine konnten erheblich mehr als nur die anwesenden Teilnehmer erreichen. Reden und Abläufe der Veranstaltungen wurden über Berichte in der lokalen und überregionalen Presse nicht nur einer breiten Zeitungsleserschaft zugänglich gemacht, häufig erschienen darüber hinaus entsprechende Darstellungen als Flugschriften der Associations, die unter Mitgliedern und Interessierten Verbreitung fanden.72 Zudem blieben die Treffen der Operative Conservatives keine isolierten Einzelveranstaltungen, sondern wurden oft in zeitlicher Nähe zu anderen Festereignissen abgehalten oder gezielt in Wahlkämpfe eingebunden. Die Gründung der Operative Conservative Association in Kirkstall bei Leeds fand 1837 ganz bewusst am 18. Geburtstag von Prinzessin Viktoria und in Verbindung mit den zahlreichen sonstigen Feiern des Tages in der Umgebung statt. Ähnlich verschoben die konservativen Operatives in Bolton in diesem Jahr ihr Dinner nach dem Tod Wilhelms IV., um es unmittelbar in die Zeit der feierlichen Proklamation der neuen Königin und die Wochen vor den landesweiten Neuwahlen anlässlich der Thronbesteigung von Viktoria begehen zu können.73 Entspre71 Vgl. zu den Mitgliedszahlen Leeds Intelligencer, 5. 12. 1840; Bolton Chronicle, 15. 7. 1837, 15.11.1839. 72 Vgl. etwa die folgenden Flugschriften von örtlichen Vereinen: Warrington Operative Conservative Association, Report, Gathercole, Address und Quin, Corn Laws. 73 Vgl. Leeds Intelligencer, 27. 5. 1837; Bolton Chronicle, 1.7.1837. Das Dinner sollte ursprünglich

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chend orientierte sich die Inszenierung der Feiern in vielen Fällen an den symbolischen und rituellen Formen, die für die Organisation politischer Demonstrationen und Wahlkampfveranstaltungen in England im frühen 19. Jahrhundert typisch waren. Sie integrierte durch Umzüge mit Bannern und Musik, großen Fahnenschmuck an Häusern von Anhängern sowie die Errichtung von besonderen Festzelten und Pavillons als Veranstaltungsorte für die Feiern zahlreiche Elemente, welche die Aktivitäten der Vereine ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit rückten.74 Insbesondere Paraden im Vorfeld der Feste trugen konservative Vorstellungen von Patriotismus und Verfassung demonstrativ in die Städte und Dörfer. Vor allem in den ersten Jahren nach ihrer Gründung bemühten sich die Vereine, ihre Stärke auch auf der Straße zu beweisen. Auf Plakaten mit Botschaften wie „Church, King and Constitution“ und Fahnen mit entsprechenden Slogans oder Wahlparolen der örtlichen Kandidaten verdichteten die Konservativen ihre Ideen auf wenige Schlagwörter und führten sie auch Zuschauern der in Reih und Glied marschierenden Vereinsmitglieder vor Augen. Nicht selten konnten die Operative Conservative Associations für solche Paraden einige Hundert Teilnehmer mobilisieren; bisweilen fanden sich auch über 1.000 Mitglieder in den Umzügen.75 Union Jacks unterstrichen die nationale Gesinnung der Marschierenden. Das typische Symbol der konservativen Arbeitervereine, die Krone über Zepter und Bibel, war auf zahlreichen Flaggen und Bannern unübersehbar, immer wieder umgeben von der blauen Farbe der Konservativen, die sich in den konservativen Arbeitervereinen schon früh als eindeutiges Symbol für die politische Haltung ihrer Mitglieder durchsetzte. Auch die Festzelte, Pavillons oder Versammlungsräume der Vereine, in denen die Paraden endeten, wurden von außen mit entsprechenden Symbolen und Fahnen geschmückt und erinnerten Passanten oft tagelang an die Feiern der Konservativen.76

am 5. Juli stattfinden und wurde nach dem Tod Wilhelms auf den 12.7. verschoben. Ohnehin war es aber bereits vorgezogen wurden, weil Wahlen für den Herbst des Jahres erwartet wurden – der eigentliche „Geburtstag“ der Association in Bolton war der 5. November. 74 Pavillons für besonders große Festveranstaltungen wurden 1837 in Bolton, 1838 in Leeds und Salford errichtet. Vgl. Bolton Chronicle, 15. 7. 1837, 21. 4. 1838; Leeds Intelligencer, 18.4.1838. Zum rituellen Ablauf von Wahlen in England vgl. O’Gorman, Campaign Rituals und Hoppen, Grammars; hilfreich bleibt auch Gash, Age of Peel, Kap. 5 und 6. 75 1836 etwa fanden Paraden der Vereine in Horwich bei Bolton, Blackburn und Chorley statt. Vgl. Times, 3. 9. 1836, 14. 11. 1836, 24.11.1836. Über 1.000 Teilnehmer zogen im Dezember des Jahres durch Wigan. Vgl. Wigan Gazette, 30.12.1836. 76 Das Wappen der Associations findet sich etwa in Paul, History. Nationalflaggen, besondere Vereinsfahnen und Banner wurden bei fast jedem Treffen der konservativen Operatives benutzt; die Farbe Blau war dabei überall Erkennungssymbol der konservativen Arbeiter. Die frühe Einheitlichkeit der farblichen Identifikation bei den Operative Associations ist auffällig, da konservative Parlamentskandidaten und andere konservative Vereine landesweit erst relativ spät zu einer einheitlichen Farbsymbolik gefunden haben. Vernon, Politics and the People, S. 164 ff., argumentiert mit Verweis auf die uneinheitliche Verwendung von Farbsymbolik

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Begleitet wurden die Operatives stets von Kapellen, die mit patriotischen Melodien den Takt vorgaben und die Beobachter der Paraden unterhielten. Ihr Repertoire unterschied sich zunächst nur bedingt von dem entsprechender Kapellen bei Umzügen von Liberalen und Radikalen; wie diese spielten auch konservative Bands häufig die Nationalhymne und geläufige patriotische Lieder wie Rule Britannia. Durch typische Elemente, wie etwa das demonstrative Grölen der Zeilen „Confound their politics, frustrate their knavish tricks“, konnten die konservativen Operatives aber auch politisch weitgehend neutrale Lieder wie die im politischen Raum allgegenwärtige Nationalhymne für sich in Anspruch nehmen. Andere Lieder, wie das oft genutzte „With a Jolly Full Bottle“ mit seinem Refrain „Here’s a health to old England / The King and the Church / May all plotting contrivers / Be left in the lurch“, waren unmissverständlich parteigebunden und zogen gelegentlich den Spott der Gegenseite auf sich; dem ähnlich klassisch konservativen Lied „The Fine Old English Gentleman“, das in typischer Weise eine nostalgische Welt des sozialen Ausgleichs zwischen Reich und Arm beschwor, wurde sogar die Ehre zuteil, von Charles Dickens mit der Unterzeile „To be sung at all Conservative dinners“ für den liberalen Examiner persifliert zu werden.77 Folgte schon die symbolische Kommunikation konservativer Patriotismusund Verfassungsvorstellungen am Rande der Feiern konservativer Arbeitervereine den in Wahlkämpfen üblichen Formen und Ritualen, verdichtete sich die Auseinandersetzung um das richtige Verständnis von Konstitution, Nation und loyalen Haltungen zur Krone um die Wahlereignisse selbst. Englische Wahlen boten durch ihren öffentlichen Ablauf dazu bis ins späte 19. Jahrhundert in besonderer Weise Gelegenheit. Die Wahlberechtigten stimmten bis 1872 offen ab und mussten ihre Unterstützung für die jeweiligen Kandidaten namentlich bekennen. Dadurch waren am Wahlgang Wähler und Nichtwähler beteiligt. Die Wahl lief von der Nominierung der Kandidaten auf großen Tribünen vor versammelten Scharen von Anhängern, Gegnern und sonstigen Interessierten über die eigentliche Stimmabgabe der Wahlberechtigten bis hin zur Verkündung der Ergebnisse sowie den abschließenden Paraden der neuen Abgeordneten und ihrer Unterstützer im Rahmen einer lokalen Öffentlichkeit ab und versetzte die Wahlkreise in einen spannungsgeladenen Ausnahmezustand zwischen Volksfest und politischem Straßenkampf. Die Entscheidung durch die Parteien und Kandidaten in den von ihm untersuchten Wahlkreisen für Zurückhaltung bei der Annahme einer früh etablierten national einheitlichen politischen Kultur. Dagegen gilt allerdings für die hier untersuchten Wahlkreise insgesamt, dass Konservative stets die Farbe Blau nutzten, Liberale Gelb bzw. Orange und radikale Kandidaten Weiß oder Grün. Die von Vernon zitierte Ausnahme des Londoner Radikalen William Newton, der 1852 in Tower Hamlets unter blauer Farbe antrat, scheint weniger Ausdruck spezifisch lokaler Strukturen als Folge einer heftigen Konkurrenz unter mehreren radikalen Kandidaten und wurde möglich, weil es keinen konservativen Kandidaten gab. 77 Dickens’ „The Fine Old English Gentleman: New Version“ erschien erstmals am 7. 8. 1841 im liberalen Examiner. Zitiert nach Allingham, Charles Dickens.

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über die Vertretung von Stadt oder Grafschaft blieb zwar den wenigen Stimmberechtigten vorbehalten, diese standen aber unter dem Druck der Masse der Nichtwähler, mussten sich ihren Weg zu den Wahlbeamten oft handfest bahnen und für ihre Präferenzen geradestehen. Klagen über gewaltsame Übergriffe, Boykott gegen parteigebundene Geschäftsleute und Händler, Bestechung und Stimmenkauf bis hin zur Entführung von Wählern durch gegnerische Parteianhänger bildeten den üblichen Rahmen englischer Wahlen.78 Zudem fand nach der Benennung der Kandidaten vor der Stimmabgabe der Wähler eine Abstimmung per Hand statt, in der die versammelte Menge ihren Kandidaten kürte. Der Erfolg beim „Show of Hands“ war prestigeträchtig und bei allen Parteien begehrt, denn siegreiche Kandidaten konnten für sich in Anspruch nehmen, auch die Nichtwähler als „Volkskandidaten“ zu vertreten. Die Reden der Kandidaten nach ihrer Nominierung spielten deshalb eine wichtige Rolle. Waren die Parteien in langen Paraden mit Kapellen, Fahnen und Parteiparolen zu den Wahltribünen marschiert, sahen sich die angehenden Abgeordneten hier ihren Gegnern unmittelbar gegenüber und standen vor bis zu einigen Zehntausend Zuschauern, welche die Mischung aus Spektakel und ernsthafter politischer Auseinandersetzung verfolgten. Meist handelte es sich um die einzige direkte Konfrontation der Kandidaten. In Grundsatzreden stellten sie sich vor und erläuterten, begleitet vom Jubel ihrer politischen Freunde und der lautstarken Ablehnung der anderen Parteien, ihre Prinzipien und Ziele. Damit die oft unhörbaren Reden die Menge auch tatsächlich erreichten, wurden sie häufig schon im Vorfeld verfasst und am Rande der Versammlung auf Flugblättern verteilt oder auf Plakaten abgedruckt. Neben anderen Flugschriften, den Bannern der Parteien mit ihren Schlagworten sowie den Zeitungsberichten über programmatische Wahladressen und Reden im Vorfeld der Wahlen vermittelten dadurch besonders die Nominierungsreden der breiten Bevölkerung ein Bild der jeweiligen Kandidaten.79 Vor allem in den 1830er und 1840er Jahren waren die Reden konservativer Politiker deutlich von jenem patriotischen und loyalistischen Verfassungsdenken geprägt, das sie auch bei den Versammlungen der konservativen Ar78 Vgl. O’Gorman, Campaign Rituals, Hoppen, Grammars. Nicht jede Wahl folgte diesem Muster; vor allem in ländlichen Gebieten fanden sich angesichts der klaren politischen Machtverhältnisse oder (auch nach der Reform von 1832 und der Abschaffung der meisten Rotten Boroughs mit nur wenigen Wählern unter der Kontrolle einflussreicher Familien) eindeutiger Patronageverhältnisse nicht immer mehr Kandidaten als Sitze für den Wahlkreis. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden solche nicht umkämpften Wahlkreise seltener, aber selbst in Bolton einigten sich Liberale und Konservative noch 1859 auf eine Aufteilung der beiden Sitze ohne Wahlkampf. In solchen Fällen endete die ,Wahl‘ mit der Nominierung der Kandidaten. 79 Zahlreiche Beispiele für Plakate und Flugschriften aus den Wahlkämpfen finden sich in den Election Collections der Archive in Bolton (ZZ 130 und ZZ 360), Bradford (DB 3, Case 50; DB 13), Huddersfield (KC 174 und KC 380), Leeds (WYL 163 und WYL 454) sowie der Sammlung der Bibliothek der Thoresby Society in Leeds (SA 2 und 22 C 1).

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beitervereine propagierten. Zwar unterschieden sich die Äußerungen auf den Wahltribünen grundsätzlich darin von den Reden auf Parteiversammlungen, dass sie die persönlichen Qualitäten des Kandidaten, seinen Lebenslauf sowie sein bisheriges politisches Leben in den Mittelpunkt stellten und zudem häufig recht detailliert über aktuelle parlamentarische Entscheidungen und Wahlanlässe reflektierten.80 Die politische Tradition eines tiefen Misstrauens gegenüber Parteiungen und Fraktionierungen im Parlament führte zudem oft zu einer starken Betonung der Unabhängigkeit und Ungebundenheit des einzelnen Kandidaten, unbeeinflusst von seiner Zugehörigkeit zu einem politischen Lager.81 So präsentierte sich Colonel Tempest, einer der konservativen Kandidaten in Leeds bei der Wahl im Januar 1835, mit den Worten: „I declare to you, gentlemen, that I can never consent to go into the House of Commons otherwise than as a free and independent representative of the British people. (Hear, hear, and cheers.) And if you do me the honour to return me to Parliament I will not be diverted from my straightforward path of my public duty, either by self-interest, the frowns of power or the war-whoop of faction.“82 Es ist aber falsch, mit James Vernon angesichts solcher Äußerungen das Fortdauern einer Tradition des Zweifels gegenüber jeder Parteipolitik zu betonen und die Besonderheiten lokaler Identitäten abseits nationaler Parteiideologien und Organisationsstrukturen hervorzuheben.83 Colonel Tempest etwa konnte nur wenige Sätze nach der Betonung seiner politischen Unabhängigkeit ein klares Bekenntnis zu den Tories und den Prinzipien des Tamworth Manifestos von Robert Peel ablegen.84 Die politische Sprache der Kandidaten aller Schattierungen in den Wahlkreisen des West Ridings, Boltons und Londons oszillierte zwischen klaren Bekenntnissen zur Zugehörigkeit zu einem bestimmten politischen Lager und der Bekräftigung der eigenen Unabhängigkeit als Abgeordneter, die vor allem persönliche Integrität und Unbestechlichkeit dokumentieren sollte. Gerade die Bezugnahme auf eine der verschiedenen Varianten des Popular Constitutionalism erlaubte den Kandi-

80 Da die Wahlen im 19. Jahrhundert keinem festen Rhythmus folgten, sondern unregelmäßig nach politischen Krisen oder Thronwechseln stattfanden, gab es stets tagesaktuelle Fragen, die zur Auflösung des Parlaments geführt hatten und in der Folge auch die Wahlkämpfe dominierten. 81 Vgl. zu dieser aus dem 18. Jahrhundert stammenden Tradition J. Gunn, Factions, Brewer, Party Ideology, S. 55 – 76 und Hawkins, Parliamentary Government. 82 Vgl. Leeds Intelligencer, 10.1.1835. Ähnliche Bekenntnisse zur individuellen Unabhängigkeit finden sich in allen untersuchten Wahlkreisen bei Vertretern aller Parteien. 83 Vgl. Vernon, Politics and the People, S. 172 – 177. 84 Das Tamworth Manifesto war Peels programmatische Erklärung als Kandidat für den Wahlkreis Tamworth vor der Wahl 1835, bei der er als Premierminister einer Minderheitsregierung antrat. In ihm akzeptierte er den Reform Act von 1832 als „final and irrevocable settlement“ und definierte konservative Politik als „the firm maintenance of established rights, the correction of proved abuses and the redress of real grievances“. Es wird häufig als erstes konservatives Parteiprogramm betrachtet. Vgl. Douglas, Documents, Bd. 12.1, Nr. 52.

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daten, ihre Parteizugehörigkeit bei aller Beschwörung der eigenen Unabhängigkeit unzweifelhaft klarzumachen. Während liberale und radikale Politiker bis weit in die 1840er Jahre immer wieder auf libertäre Reformtraditionen zu sprechen kamen, die sie vertraten und für die sie den Kampf um die Wahlrechtserweiterung von 1832 geführt hatten, konnten konservative Kandidaten mit ihrem Verständnis von Patriotismus, Loyalismus und der Verfassung um Unterstützung werben und sich zugleich als wahre Engländer und Garanten für eine nationale Politik präsentieren. So stellte sich Colonel Tempest 1835 in der bereits zitierten Rede als „true and loyal Englishman“ und „staunch supporter of your matchless constitution in Church and State“ vor und warnte davor, die Wahl als einen Kampf zwischen Tories und Whigs zu sehen: „It is for the life and death of your constitution.“85 Auch der zweite konservative Kandidat in Leeds, Sir John Beckett, stand ihm in konstitutionellem Eifer nicht nach und erläuterte der versammelten Menge seine „Conservative Principles“ mit der Verteidigung der Verfassung bis zum letzten Tropfen Blut und einer klaren Darlegung, was er darunter verstand: Die bedingungslose Unterstützung der Prärogativrechte der Krone, die Wahrung der Einheit von Staat und Kirche sowie die Sicherung der übrigen Verfassungsinstitutionen in ihrer jetzigen Form als Grundlage jedes Zusammenhalts in der Gesellschaft.86 Zwei Jahre später, bei der Neuwahl nach der Thronbesteigung Viktorias, nahm der Konservative William Bolling als Kandidat in Bolton vor 30.000 Zuhörern ironisch liberale Schlagworte auf und bekannte sich zu den Prinzipien „Queen and Liberty“, „Queen and Constitution“ sowie „Queen and Reform“, um sie im Weiteren mit typisch konservativen Vorstellungen zu erläutern und sich dagegen zu wehren, dass die Liberalen im Wahlkampf die junge Königin als ihre Parteigängerin präsentierten.87 1847 wurde William Beckett dem Wahlvolk in Leeds von seinen konservativen Freunden als entschiedener Verfechter der Verfassung präsentiert; zugleich warnten die Konservativen vor den Prinzipien ihrer liberalen Gegner, die unausweichlich zu einer Zerstörung der „Glorious Constitution“ führen müssten. Zahlreiche Anhänger begleiteten Beckett zur Wahltribüne und umringten diese mit Fahnen und Bannern, die unter anderem das Leitmotiv vieler Versammlungen der konservativen Arbeitervereine „The Altar, the Throne and the Cottage“ stolz präsentierten.88 Bereits sechs Jahre zuvor hatte Beckett sich als eingeschworener Verteidiger des Throns, der Kirche und Verfassung vorgestellt und gemeinsam mit seinem konservativen Mitbewerber Lord Jocelyn immer wieder als Englishman an die Wähler appelliert und ihre Unterstützung eingefordert.89 Ähnliche Worte hörten die 85 86 87 88 89

Vgl. Leeds Intelligencer, 10.1.1835. Ebd. Vgl. Bolton Chronicle, 29.7.1837. Vgl. Leeds Intelligencer, 31.7.1847. Vgl. Leeds Intelligencer, 3.7.1841.

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Mengen vor den Wahltribünen in Bradford 1837 vom konservativen William Busfeild, und selbst der Arbeiterführer Richard Oastler, der 1837 gleich zweimal bei einer Nachwahl und den späteren landesweiten Wahlen in Huddersfield für ein ungewöhnliches Bündnis aus Tories und Radikalen antrat, widmete in seiner ersten über zweistündigen Nominierungsrede einen großen Teil seiner Darlegungen einer Erläuterung zur Verfassung, die sich nur wenig von konstitutionellen Positionen anderer konservativer Politiker unterschied.90 Es wäre jedoch falsch, den konservativen Verfassungsdiskurs zu einseitig als unveränderliches und allgegenwärtiges Erfolgskonzept konservativer Mobilisierungsversuche bis weit in die Unterschichten zu verstehen. Nicht in jedem Wahlkampf der 1830er und 1840er Jahre standen konstitutionelle Argumente im Vordergrund; oft reagierten Tory-Politiker vorsichtig auf die allgemeine Stimmungslage, lokale Koalitionen oder spezifische Gegebenheiten des jeweiligen Wahlkreises. Bei den ersten Wahlen nach dem Reform Act im Dezember 1832 etwa war die Vorsicht konservativer Politiker in allen Wahlkreisen spürbar, sofern sie überhaupt eine Kandidatur wagten. Zwei Jahre lang hatten die Liberalen an der Spitze einer gewaltigen Reformbewegung für die Durchsetzung der Wahlrechtserweiterung gestritten. Im ganzen Land waren mitgliederstarke Reformklubs und Political Unions entstanden, die mit großer Unterstützung breiter Bevölkerungsteile zum Teil noch weitgehendere Forderungen nach dem allgemeinen Wahlrecht und demokratischen Verfassungsstrukturen erhoben. Nur wenige Monate vor den Wahlen befürchteten viele Beobachter nach der kurzfristigen Ablehnung des Reform Act durch die Tory-Mehrheit im Oberhaus revolutionäre Unruhen; nach dem liberalen Erfolg in der Reformkrise hatte sich die Spannung in landesweiten Jubelfeiern entladen, in denen die Reform des Wahlrechts begeistert begrüßt worden war.91 Vor diesem Hintergrund bemühten sich konservative Kandidaten gerade in neuen Wahlkreisen wie Bolton oder Leeds, die erst durch die Reform von 1832 geschaffen worden waren, nicht zu sehr mit dem Widerstand gegen die Reformbewegung identifiziert zu werden. William Bolling etwa präsentierte sich bei seiner ersten Kandidatur nicht als Bewahrer der Verfassung und monarchietreuer Patriot, sondern als moderater Reformer, betonte seine Akzeptanz der verabschiedeten Reform und hob ansonsten seine Qualitäten als Unternehmer sowie als in der Stadt geborener Townsman hervor, da keiner seiner beiden Konkurrenten aus dem liberalen Lager aus Bolton stammte.92 Michael Sadler, 1832 konservativer Kandidat in Leeds und als bisheriger Abgeordneter für Newark prominenter parlamentarischer Wortführer im Kampf gegen 90 Vgl. Halifax Express, 6.5.1837. Zur Rolle der Tory Radicals wie Richard Oastler vgl. unten Kapitel 5. 91 Vgl. LoPatin, Political Unions, S. 155 f. und Hilton, Mad, Bad and Dangerous, S. 420 ff. 92 Vgl. Bolton Chronicle, 15.12.1832.

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Kinderarbeit sowie für gesetzliche Beschränkungen der Arbeitszeit in Fabriken, wurde von seinen liberalen und radikalen Gegnern besonders hart angegriffen, da er während der Reformdebatten im Parlament klar gegen die Wahlrechtserweiterung eingetreten war. Auch er stritt aber auf der Wahltribüne nicht für eine Rückkehr zum alten Wahlrecht oder klassische konservative Positionen zur Verfassung, sondern beklagte in Anlehnung an eine patriarchalische Tory-Haltung die Reform, weil sie durch die landesweite Vereinheitlichung des Wahlrechts Arbeitern, die zuvor in manchen Wahlkreisen wählen durften, ihr Stimmrecht entzog. Angesichts dieser Situation, in der Wähler aus den Unterschichten endgültig keinerlei Einfluss mehr ausübten, deutete er sogar Unterstützung für eine weitergehende Ausdehnung des Stimmrechts an und konnte dadurch an Forderungen nach radikaleren Reformschritten anknüpfen, ohne mit konservativen Prinzipien zu brechen.93 In den Londoner Wahlkreisen, weder den lange etablierten wie Westminster oder der City of London noch den neugeschaffenen Stimmbezirken wie Tower Hamlets oder Finsbury, wagte sich 1832 erst gar kein Konservativer auf die Wahltribünen.94 Auch 1847, kurz nach der Spaltung der Konservativen Partei und dem Scheitern der Regierung Peels nach der Abschaffung der Kornzölle, taten sich konservative Kandidaten in vielen Wahlkreisen schwer, vehement für Loyalismus, Patriotismus und konservative Verfassungsideen zu streiten. Stattdessen positionierten sie sich eher wirtschaftspolitisch und nahmen ausführlich Stellung zu ihren politischen Entscheidungen der letzten Jahre.95 Aber auch unter solchen schwierigen politischen Rahmenbedingungen fehlten Versuche nicht völlig, über ein konservatives Verfassungsverständnis Unterstützung bei Wählern und Nichtwählern zu finden. James Stuart Wortley bestritt in Halifax selbst 1832 unter dem Schlagwort „King and Throne“ und „King and Constitution“ seinen Wahlkampf.96 In Bolton stellte sich William Bolling zwar bei der Nominierung als Unterstützer des Reform Act vor, bei seinem feierlichen Einzug in die Stadt wenige Tage zuvor hatte er jedoch nach einer Parade mit über 9.000 Teilnehmern, bei denen es sich zum Großteil um Arbeiter aus Fabriken konservativer Unternehmer handelte, durchaus seine Position als Wahrer der Verfassung hervorgehoben und seinen liberalen Gegnern aufgrund ihrer Verfassungsvorstellungen fehlenden Patriotismus unterstellt.97 1847 nutzte Henry Edwards in Halifax eine vehemente Verteidigung der Staatskirche in der Verfassung, um an den konservativen Verfas93 Vgl. Leeds Intelligencer, 13.12.1832. Vgl. zu Sadlers Politik grundsätzlich Seeley, Memoirs und Lawes, Paternalism. 94 Vgl. John Bull, 9. 12. 1832; Observer, 9. 12. 1832, 16. 12. 1832; Times, 10. – 13.12.1832. 95 Vgl. etwa die Berichte zu den Wahlen in Bradford, in der Grafschaft West Riding of Yorkshire und in Bolton im Leeds Intelligencer, 31. 7. 1847, 14. 8. 1847 und im Bolton Chronicle, 24. 7. 1847, 31.7.1847. 96 Vgl. Leeds Intelligencer, 5.7.1832. Vgl. zur Wahl in Halifax allgemein Webster, Parliamentary Elections. 97 Vgl. Bolton Chronicle, 8.12.1832.

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sungsdiskurs anzuknüpfen.98 Drei Jahre zuvor hatte sich John Entwistle im Kampf um die Nachwahl als Abgeordneter für die Grafschaft South Lancashire in Bolton und den übrigen Städten der Region angesichts der alles dominierenden Frage der Kornzölle weitgehend mit wirtschaftspolitischen Positionen präsentiert; bei seiner Nominierung wurde er aber ausdrücklich als entschiedener Verteidiger der „Glorious Constitution“ vorgeschlagen, während seine Anhänger eine Stimmabgabe für seinen liberalen Gegner als Angriff auf die Verfassung darstellten.99 Die konservative Variante des Popular Constitutionalism stand allen Kandidaten aus dem Lager der Tories immer zur Verfügung und wurde auch dann als Teil von Wahlkampfstrategien genutzt, wenn andere politische Fragen die Wahlen deutlich dominierten oder die Einschätzung der politischen Stimmung eine gewisse Zurückhaltung nahelegte. Der Grund für die starke Verbreitung der konservativen Rede von Krone und Verfassung in Wahlkämpfen und auf den Nominierungstribünen lag in der grundsätzlichen Popularität der in ihr verbreiteten Werte. Konservative Kandidaten mussten sich auch außerhalb der Operative Conservative Associations nicht hinter sozialpolitischen Forderungen verstecken, wenn sie über die Wahlberechtigten hinaus Unterstützung in den Massen der Nichtwähler suchten, sondern konnten mit ihrem Verständnis von Loyalismus und Patriotismus auf Sympathien bis weit in die Unterschichten hoffen. In Bolton und Leeds gewannen sie in den Jahren nach 1832 nicht nur in den meisten Fällen jeweils einen der zwei Parlamentssitze, sondern hatten auch bei den Handabstimmungen der Menge vor den Wahltribünen deutliche Erfolge.100 Zwar erzielten Konservative beim Show of Hands nur selten eine klare Mehrheit, aber auch ihren Gegenkandidaten gelang es kaum, die versammelten Wähler und Nichtwähler zu einer eindeutigen Unterstützung zu bewegen. In der Regel gingen die Abstimmungen knapp aus und zeigten, dass alle Parteien quer durch die Bevölkerung Unterstützung finden und mobilisieren konnten. Oft blieb das Ergebnis umstritten; die Wahlbeamten waren häufig gezwungen, die Abstimmung mehrmals zu wiederholen, und selbst wenn sie abschließend zu einem Ergebnis zu Gunsten der einen oder anderen Seite gekommen waren, ließ ihre Entscheidung Spielräume für Gegeninterpretationen und Proteste der unterlegenen Partei gegen die Bewertung.101

98 Vgl. Leeds Intelligencer, 31.7.1847. Vgl. zu dieser Wahl auch Jowitt, Crossroads. 99 Vgl. Bolton Chronicle, 25.5.1844. 100 In Bolton gewannen die Konservativen 1832, 1835, 1837, 1847, 1859 und 1865 einen Sitz. In Leeds 1835, 1841, 1847, 1857 und 1865. Übersichten über die Wahlergebnisse in Clegg, Annals of Bolton und Mayhall, Annals. 101 Umstrittene oder knappe Ergebnisse bei Handabstimmungen gab es in Bolton in den Jahren 1832 und 1835; in den Jahren 1847 und 1865 gewannen die Konservativen beim Show of Hands klar. In Leeds ging die Abstimmung 1832, 1835, 1837 und 1841 knapp aus; 1847 gewann ein konservativer Kandidat.

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Sicher lassen sich aus der Abstimmung per Hand in einer Menge von mehreren Zehntausend Zuhörern nur bedingt Rückschlüsse auf die politische Stimmung im Wahlkreis, die soziale Herkunft derjenigen, die für den einen oder anderen Kandidaten votierten oder gar die Motivation individuellen Stimmverhaltens für diese oder jene Partei ziehen. Untersucht man jedoch die Berichte über das Verhalten der Menge bei den Nominierungen der Kandidaten, liegen zumindest einige vorsichtige Rückschlüsse über die soziale Zusammensetzung ihrer Anhänger jenseits der Wählerschaft und deren politische Motivation nahe. In Leeds etwa versammelten sich im Juli 1837 nach Einschätzung beider Lokalzeitungen rund 60.000 Menschen vor den Tribünen im Stadtpark Woodhouse Moor, um die Vorstellung der Kandidaten zu verfolgen.102 Alle Parteien zogen in Paraden mit großem Gefolge durch die Stadt bis in den Park, begleitet von Kapellen und Fahnen. Der Umzug des konservativen Kandidaten Sir John Beckett schmückte sich mit einem Meer von Fahnen und Bannern, die sich in ihrer großen Mehrheit auf die Verfassung, patriotische und nationalistische Überzeugungen sowie insbesondere die Loyalität zur jungen Königin bezogen.103 An prominenter Stelle beteiligten sich die Mitglieder der Operative Conservative Society ; daneben nahmen aus Protest gegen Kinderarbeit einige sogenannte „Fabrikkinder“ am konservativen Zug teil und gaben diesem auch eine sozialpolitische Note. Beckett al102 Vgl. für die Darstellung der Wahl 1837 den Leeds Intelligencer, 29. 7. 1837 und den Leeds Mercury, 29.7.1837. 103 Der Leeds Intelligencer zählte im Zug des konservativen Kandidaten Sir John Beckett 34 Banner und Fahnen mit Inschriften, von denen 16 sich dem Bedeutungsfeld des konservativen Popular Constitutionalism zuordnen lassen: „The Queen, the Church and the Constitution“, „The Altar, the Throne and the Cottage“, „The Queen’s Prerogative – the People’s Rights“, „Our Glorious Constitution“, „For our Country and our Queen“, „Our Cause is our Country’s“, „England expects that every Conservative will do his duty“, „Victoria – Long to reign over us, happy and glorious, God save the Queen“, „Rally round the Throne“, „Order in the Land and Prosperity to the People“, „Church and King“, „Queen and Constitution“, „Conquer to save“, „Beckett and Old England for Ever“, „Pro Rege, Lege, Grege“, „The Queen, the Constitution and the Established Church“, „We stand firm, but not stand still“. Zwölf Banner unterstützten Beckett als Person gegen seine Gegner, klagten darüber, dass die Liberalen mit ihren zwei Kandidaten ein Monopol auf die Vertretung des Wahlkreises erringen wollten oder forderten ordnungsgemäße und saubere Wahlen: „Beckett a Plumper“, „Plump for Beckett“ (ein Plumper war die Abgabe von nur einer Stimme für einen Kandidaten; in Wahlkreisen mit zwei Sitzen hatten die Wähler sonst zwei Stimmen), „Yorkshire not Cornwall“ (einer der liberalen Kandidaten stammte aus Cornwall), „Beckett“, „A Beckett never failed us yet“, „Blue for Ever, No Surrender“, „A clear stage and no favour“, „Performance not Profession“, „Confident because honest“, „The Independence of Leeds“, „Beckett and no Deception“, „Down with Monopoly“, „The Independent Electors of Stanningley“. Fünf Plakate widmeten sich wirtschaftlichen Fragen; auf nur zwei Bannern wurde dabei mit dem Armenrecht eine konkrete soziale Frage angesprochen: „Beckett the Poor Man’s Friend“, „Beckett and no New Poor Law“, „Manufactures, Commerce and Trade“, „The Loom, the Plough and the Sail“, schließlich ein blaues Banner „Trade protected, the Poor supported, and the Mechanic fully employed“ mit einer gelben (liberalen) Rückseite „Trade neglected, the Poor imprisoned in Bastiles, and the Mechanic reduced to poverty“.

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lerdings stellte sich seinen Wählern vor allem als Wahrer der Verfassung vor und sprach mit keinem Wort soziale Probleme an. Nach seiner Rede hoben beim Show of Hands fast die Hälfte der Versammelten, also weit über 20.000 Menschen, ihre Hand für ihn.104 In einem Wahlkreis, in dem insgesamt nur knapp 6.000 Männer das Stimmrecht besaßen, ein konservativer Arbeiterverein seit zwei Jahren erfolgreich politisch agierte und der konservative Kandidat als Abgeordneter erst ein Jahr zuvor wegen seiner Ablehnung der Factory Reform Bill heftig kritisiert worden war, lassen sich aus konservativem Wahlkampf, dem symbolischen Auftreten der Anhänger Becketts und dem Ergebnis zumindest zwei Dinge folgern:105 Zum einen muss Beckett bei der Handabstimmung erhebliche Unterstützung aus den Reihen der Nichtwähler erhalten haben, ohne dass davon ausgegangen werden kann, dass nur bezahlte Claqueure ihre Hand für ihn hoben oder dass Zwang und Druck in der unübersichtlichen Menge eine Rolle spielten. Zum anderen ist anzunehmen, dass die Zustimmung zu Becketts Kandidatur zumindest in weiten Teilen auf seine politischen Positionen und damit sein Verständnis von Verfassung, Patriotismus und Loyalismus zurückzuführen war, denn diese dominierten eindeutig seine Selbstdarstellung und die Politik der Konservativen in Leeds. Belege für eine breite Unterstützung des konservativen Verfassungsverständnisses bleiben kein Einzelfall. Vier Jahre später endete sowohl in Leeds als auch bei der Nominierung für die Grafschaft West Riding unter ähnlichen Bedingungen und vor jeweils besonders großen Menschenmengen die Handabstimmung in einem Patt zwischen den konservativen und liberalen Kandidaten, obwohl gleichzeitig die Chartisten in beiden Wahlkreisen Kandidaten für die Sitze im Parlament vorschlugen.106 Dass die Chartisten mit ihrer Forderung nach dem allgemeinem Wahlrecht und ihrem expliziten Anspruch, die Nichtwähler und die „Working Classes“ zu vertreten, die Menge vor den Wahltribünen in Yorkshire nicht für sich gewinnen konnten, zeigt deutlich, dass alle Parteien mit ihren Vorstellungen und politischen Argumenten über den Kreis der Wahlberechtigten hinaus Unterstützung aus allen Teilen der Bevölkerung erhielten.107 104 Die Abstimmung wurde dreimal wiederholt, weil der Bürgermeister keine klare Mehrheit erkennen konnte, bevor er sich schließlich unter lautem Protest der Konservativen auf die liberalen Kandidaten festlegte, während der Leeds Intelligencer Beckett vor den liberalen Kandidaten sah. 105 Zur Kritik an Beckett wegen seiner Haltung zur Fabrikreform vgl. unten Kapitel 5c. 106 Vgl. Leeds Intelligencer 23. 6. 1841, 10.7.1841. In Halifax konnte der örtliche konservative Kandidat 1841 die Handabstimmung sogar gewinnen. Für die Wahl in Halifax und die relative, wenn auch nur zum Teil richtig gedeutete breite Popularität der Tories dort vgl. Jowitt, Parliamentary Politics. 107 In seiner klassischen Darstellung des Chartismus in Leeds führt J. F. C. Harrison, Chartism das Scheitern der Chartisten beim Show of Hands 1841 auf eine Spaltung zwischen Radikalen und Chartisten sowie die allgemeine Schwäche des Chartismus in Leeds nach dem Scheitern der ersten Phase des Chartismus 1838 – 1840 zurück. Selbst wenn man aber die oft bemerkte geringe Verankerung der Chartisten in der Arbeiterschaft von Leeds berücksichtigt, kann dies

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Wie sehr auf konservativer Seite tatsächlich die Vorstellung von Verfassung und Krone mobilisierend gewirkt hat, lässt sich aus den Attacken ihrer liberalen und radikalen Gegner ablesen. Immer wieder stellten sie gerade auf den Wahltribünen die Haltung der Tories zu Reformen, ihre Ablehnung von Wahlrechtserweiterungen und geheimen, demokratischen Wahlverfahren sowie ihre Unterstützung für das Oberhaus und andere unreformierte Verfassungsinstitutionen heraus und warnten Wähler wie Nichtwähler vor der Unterstützung konservativer Kandidaten. In London, Leeds und Bolton bemühten sie sich in den 1830er und 1840er Jahren bei jeder Wahl, die Tories als Feinde der Mehrheit und Gegner des Volkes darzustellen und spitzten die Auseinandersetzung auf die Auseinandersetzung von „Toryism“ gegen „Liberty“ zu.108 Häufig wehrten sie sich auch gegen Vorwürfe aus den Reihen der Konservativen, gegen die Verfassung zu agieren; so verwahrte sich Colonel Torrens 1835 in Bolton vehement gegen den Vorwurf, ein „Destructive“ zu sein.109 Auch in London scheint dieser Vorwurf die Gegner der Tory-Kandidaten besonders herausgefordert zu haben. 1837 wurde auf fast allen Londoner Wahltribünen darüber diskutiert, wessen Haltung die Verfassung zerstöre. In Westminster brachte J. Temple Leader die Haltung der Liberalen und Radikalen auf den Punkt: „Die Tories sind die wirklichen Zerstörer [Destructives]. Sie zerstören die Institutionen des Landes, indem sie auf die Bewahrung der Missbräuche bestehen, die sie entstellt haben.“110 In ähnlicher Weise konnten Gegenkandidaten von Konservativen noch 1865 auf den Widerstand der Tories gegen die Reform Bill von 1832 verweisen und in ihnen über Generationen hinweg die Feinde von „Civil and Religious Liberty“ sehen.111 Entsprechend zeigte sich das besondere Gewicht des Verweises auf die eigene patriotische Unterstützung und Loyalität zur Krone für die politische Mobilisierung von Anhängern im Ausgreifen der Parteikonflikte auf die lokalen Feiern der Monarchie in den Wahlkreisen. Vor allem nach der Thronbesteigung Viktorias bemühten sich alle politischen Akteure, Liberale wie Konservative, aber etwa auch die Chartisten, an die allgemeine Begeisterung

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nicht die Niederlage bei der Handabstimmung für das West Riding erklären, da hier auch Wähler und Nichtwähler aus der ganzen Region und damit aus Städten wie Wakefield, Bradford, Halifax und Huddersfield vor den Tribünen versammelt waren, in denen die Chartisten relativ stark waren. Vgl. zum Chartismus in West Yorkshire auch Dalby, Chartism, Wright, Politics and Opinion, Brooke, Social and Political Response, Kap. 8 und Fraser, Politics and Society. Besonders stark waren solche Vorwürfe etwa 1837, 1847 und 1852 in Bolton; vgl. Bolton Chronicle, 29. 7. 1837, 31. 7. 1847 und 10.7.1852. Bolton Chronicle, 3.1.1835. Übersetzt und im Indikativ wiedergegeben Rede aus der Times, 26. 7. 1837: „The Tories were the real destructives. They exposed the institutions of the country to destruction by insisting on the preservation of the abuses which disfigured them.“ Vgl. auch die übrigen Wahlberichte aus der City of London, Lambeth, Finsbury und Westminster. Times, 22.7. – 27.7.1837. Vgl. etwa die Reden bei der Nominierung im Bolton Chronicle, 15.7.1865.

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für den Thron und die weit verbreitete loyalistische Grundstimmung anzuknüpfen und den Feiern ihr Verständnis der Monarchie aufzuprägen. Die Konservativen waren dabei grundsätzlich in einer günstigen Position. Wie im ersten Kapitel beschrieben, zeigte sich in der langen Tradition der Feiern um die Monarchie eine große Popularität der Krone bei den Mengen, die in enger Verbindung zu konservativen Positionen und Haltungen stand. Liberale Proteste und radikale Boykottversuche blieben selbst in Hochphasen von Reformbewegungen und Protesten gegen unpopuläre Monarchen kurzlebig. Daran hatte sich auch nach der Reformkrise wenig geändert. Schon ein Jahr nach der deutlichen Missbilligung der Unterstützung Wilhelms IV. für die konservativen Gegner der Wahlrechtsreform waren die Paraden und Feste zu seinem Geburtstag wieder ohne Zwischenfälle verlaufen. Bis zum Tod Wilhelms 1837 steigerte sich die Beteiligung der Bevölkerung von Jahr zu Jahr.112 Dabei wurde der grundsätzlich konservative Charakter der Feiern auch dadurch deutlich, dass liberale Politiker durch die Verschiebung der lokalen Machtverhältnisse im Zuge der Auseinandersetzungen um die Reform Bill in einflussreiche Positionen aufgerückt waren, vielfach die städtischen Räte und Institutionen kontrollierten und damit Einfluss auf die Organisation der offiziellen Feiern um die Monarchie bekommen hatten.113 Fast immer setzten sie sich für möglichst kleine Feiern ein und argumentierten mit Hinweis auf den hohen finanziellen Aufwand für eine Beschränkung von kostspieligen Elementen wie Festbeleuchtung, Fahnenschmuck oder das Läuten der Kirchenglocken.114 Konservative Politiker protestierten gegen solche Bemühungen, die sich nicht zufällig gegen symbolische Elemente mit konservativen Bezügen richteten, und sahen sich durch die Popularität der Feiern bestätigt.115

112 Vgl. Leeds Intelligencer, 1. 6. 1833, 31. 5. 1834, 30. 5. 1835; Bolton Chronicle, 1. 6. 1833, 31. 5. 1834, 30. 5. 1835, 4.6.1836. Für London finden sich in der überregionalen Presse in den Jahren 1833 bis 1836 lediglich Hinweise auf die offiziellen Feierlichkeiten am Hof. Diese schlossen öffentliche Elemente mit ein, auf die Reaktionen der Mengen wurde dabei allerdings nicht eingegangen. Konflikte und Missfallensäußerungen wie 1832 wären jedoch vermutlich vermerkt worden. 113 Die lokalen Auseinandersetzungen um die Macht in den städtischen Korporationen und lokalen Verwaltungsgremien schildert für Leeds vor allem Derek Fraser in vielen Publikationen, prägnant zusammengefasst in Fraser, Politics and Society ; für Bolton P. Taylor, Popular Politics. In beiden Städten konnten die Liberalen ab den 1820er Jahren immer größeren Einfluss gewinnen und in Verbindung mit der landesweiten Neuregelung der kommunalen Verwaltung durch den Municipal Corporations Act (1835) die Kontrolle über alte und neue städtische Gremien übernehmen. 114 In Leeds etwa strichen die Liberalen im November 1832 die Mittel für das Glockenläuten am Geburtstag des Königs. Vgl. Leeds Vestry Minute Book 22.11.1832. Für die generell unter Liberalen verbreitete Ablehnung eines ausgedehnten städtischen Zeremoniells und die typische drastische Einschränkung städtischer Feiern im „liberalen Jahrzehnt“ nach 1832 vgl. Sweet, English Town und dies., Civic Political Ritual. 115 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 1. 6. 1839, der sich über den scheinheiligen Umgang der Liberalen mit dem Glockengeläut am Geburtstag des Monarchen mokierte.

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Um 1837 eskalierten die Konflikte durch den Versuch der Liberalen, die offensichtlichen Sympathien Viktorias für die amtierende liberale Regierung zu nutzen und über Wahlkämpfe unter dem Motto „Queen and Reform“ hinaus ihre neue Rolle als Partei der Krone auch in Festakten um die Monarchie zu unterstreichen. In Leeds boykottierten die Konservativen schon im Mai 1837, wenige Wochen vor dem Thronwechsel, die Beratungen zur Vorbereitung von Feierlichkeiten anlässlich des 18. Geburtstags von Prinzessin Viktoria im Stadtrat, der seit der Kommunalreform von 1835 von den Liberalen dominiert wurde. In der Folge verweigerten sie auch die Teilnahme an der vom Stadtrat einberufenen öffentlichen Versammlung zur Verabschiedung einer städtischen Grußadresse an die Prinzessin, die entsprechend schlecht besucht blieb. Stattdessen inszenierte die Partei demonstrativ die gleichzeitige Gründung eines konservativen Arbeitervereins in einem Vorort von Leeds, während die konservative Presse gegen die liberale Scheinloyalität wetterte.116 Im benachbarten Huddersfield wurden die von den Liberalen betriebenen Feiern zum Geburtstag der Prinzessin kurz nach der knappen Wahlniederlage des gemeinsam von Tories und Radikalen unterstützten Arbeiterführers Richard Oastler zu Beginn des Monats als heftige Provokation empfunden. Mehrere Hundert Anhänger Oastlers drängten sich in die von der liberalen Stadtspitze organisierte Parade und störten mit einer Kapelle sowie lautstarker „Katzenmusik“ ihren Ablauf. Statt in feierlicher Würde angesichts des Festtags des Königshauses endete der Abend mit dem Verbrennen einer Puppe des liberalen Verlegers und Politikers Edward Baines vor inzwischen mehreren Tausend Zuschauern.117 In Bolton, wo die führenden konservativen Familien der Stadt bis 1838 die Umsetzung der kommunalen Verfassungsreform verhindern und damit ihre Kontrolle der alten städtischen Strukturen länger wahren konnten, blieb 1837 eine solche direkte Konfrontation aus. Statt des Geburtstags der bei den Liberalen so beliebten Prinzessin Viktoria am 24. Mai feierte man hier vier Tage später wie gewohnt den Geburtstag des zu diesem Zeitpunkt bereits schwer erkrankten Wilhelm mit Glockengeläut, Salutschüssen der lokalen Militärgarnison und einem abendlichen Festakt des konservativen Establishments. Auf eine Festparade wurde verzichtet, aber die Operative Conservative Association beging den Tag öffentlich und schmückte ihr Gebäude mit Fahnen und Bannern.118 Nach dem Tod Wilhelms Ende Juni konnte die konservative Stadtspitze auch die feierliche Proklamation der neuen Königin noch als großen städtischen Festakt vor einer begeisterten vieltausendköpfigen Menge begehen, bevor der Wahlkampf im Juli endgültig die unterschiedliche Interpretation von Loyalität und Patriotismus durch Konservative und Liberale in 116 Vgl. jeweils die Berichte im Leeds Mercury und Leeds Intelligencer, 13. 5. 1837, 20. 5. 1837, 27. 5. 1837, 3.6.1837. 117 Vgl. Halifax Express, 27.5.1837. 118 Vgl. Bolton Chronicle, 3.6.1837.

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den Vordergrund rückte.119 Ein Jahr später war die Feier der Krönung in Bolton der letzte Festakt an königlichen Feiertagen, der von der alten, konservativ kontrollierten städtischen Korporation organisiert wurde. Zwar verlief er ausgesprochen harmonisch mit einer breiten Beteiligung der Bevölkerung und einer großen Prozession aller Verbände einschließlich der Handwerkervereinigungen, doch konnten konservative Politiker nicht umhin, in der Presse, auf den Festveranstaltungen und in den Treffen der konservativen Vereine ihr Verständnis solcher Feiern zu betonen: Die allgemeine Harmonie, das Ruhen der Parteistreitigkeiten und die Krönung selbst drücke die aufrichtige Verbindung der Engländer zu den Prinzipien der Monarchie aus, die sie im Sinne der konservativen Variante des Popular Constitutionalism auslegten.120 Entsprechend konnten sich die politischen Parteien in Bolton in den folgenden Jahren nicht mehr auf gemeinsame Feiern einigen. Nachdem die Konservativen im Herbst 1838 die ersten Wahlen zum neuen Stadtrat nach der Kommunalreform boykottiert hatten, waren im Mai 1839 erstmals liberale Politiker für die offiziellen Festlichkeiten in der Stadt verantwortlich. Sie verzichteten auf eine Parade der Stadtspitze und überließen die Feierlichkeiten den Kirchen, Schulen und den in der Stadt stationierten Truppen. Am Abend fanden getrennte Dinner der konservativen und liberalen Gentlemen der Stadt statt, auf denen sich beide Parteien heftig kritisierten. Kurz nach der Bedchamber Crisis wurde auch auf Versammlungen der konservativen Arbeitervereine in Bolton heftig gegen das liberale Anbiedern an den Thron polemisiert.121 In den Jahren darauf fielen offizielle Festlichkeiten mit Beteiligung der Bevölkerung völlig aus; die Feierlichkeiten beschränkten sich auf Parteiveranstaltungen, bis nach 1845 die Konservativen nach der Beendigung ihres Boykotts der Stadtratswahlen nach und nach wieder so viel Einfluss in der Stadt gewinnen konnten, dass die Feiern zur alten Form der 1820er und frühen 1830er Jahre zurückkehrten.122 Auch in Leeds setzten sich die Konflikte um königliche Festtage zwischen Liberalen und Konservativen bis weit in die 1840er Jahre fort. Nach dem Boykott der Feiern am Geburtstag Viktorias im Mai 1837 beteiligten sich die Konservativen auch ein Jahr später nicht an den lokalen Krönungsfeiern und organisierten stattdessen günstige Festdinner als „Conservative Manifestations“ in allen Stadtteilen und Vororten.123 Die Teilnahme der Bevölkerung an der offiziellen städtischen Prozession war trotz des neuerlichen konservativen Boykotts groß, doch konnte sich die Stadtspitze in den Jahren darauf nicht entschließen, erneut in große loyalistische und letztlich ihren Zielen abträg119 120 121 122

Vgl. Bolton Chronicle, 1.7.1837. Vgl. Bolton Chronicle, 30.6.1838. Vgl. Bolton Chronicle, 25. 5. 1839; Times 15.11.1839. Vgl. Bolton Chronicle, 30. 5. 1840, 27. 5. 1843, 24. 5. 1845, 30. 5. 1846, 29. 5. 1847, 27. 5. 1848, 26.5.1849. Daneben Bolton Free Press, 28.5.1842. Eine Wiedereinführung der Parade der Stadtspitze konnten die Konservativen auch in diesen Jahren nicht durchsetzen. 123 Vgl. Leeds Intelligencer, 16. 6. 1838, 30.6.1838.

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liche Feiern zu investieren. Von 1839 an beschränkten sich die Feierlichkeiten an königlichen Festtagen deshalb auf ein bisweilen von konservativer Seite beklagtes Minimum. Prominent und populär blieb nur der jährliche Aufmarsch der in Leeds stationierten Truppen, die unter starker Beteiligung der Bevölkerung am Geburtstag der Königin im Stadtpark Salutschüsse feuerten; dieser Aspekt der Feierlichkeiten entzog sich freilich der Kontrolle des von den Liberalen dominierten Stadtrats.124 Insgesamt zeigte sich sowohl in Bolton als auch in Leeds und den übrigen Städten des West Ridings, wie sehr die Feiern um die Monarchie in die lokalen politischen Auseinandersetzungen um das richtige Verständnis von Krone, Loyalismus und Patriotismus einbezogen wurden. Die Kämpfe um Symbole, das Ringen um die Dominanz bei den Vorbereitungen und die Kontrolle der Abläufe der Feiern waren eng verbunden mit den konkurrierenden Verfassungsvorstellungen, die in den politischen Vereinen und auf den Wahlkampftribünen benutzt wurden, um Anhänger zu mobilisieren und Unterstützung bis in die untersten Gesellschaftsschichten zu gewinnen. In der Zeit zunehmender Parteibindungen nach dem Reform Act von 1832 gerieten die Feiern um königliche Festtage immer eindeutiger in die Nähe zu konservativen Vorstellungen und Haltungen. Zu sehr hatten Liberale und Radikale in den 1820er Jahren und während der Reformkrise ihre Kritik an Monarchie und Regenten auch symbolisch in die Feiern getragen, als dass sie nach 1832 ihre wachsende politische Macht in den Städten und Wahlkämpfen dazu hätten nutzen können, die loyalistischen Traditionen der Feiern und die generell konservativen Konnotationen der Krone liberal umzudeuten. Zwar bemühten sich die Liberalen um die Zeit des Thronwechsels von Wilhelm IV. zu Viktoria darum, die junge Königin als ihre Parteigängerin zu präsentieren. Letztlich zeigte sich jedoch, dass die konservativen Proteste und Feierboykotte dazu führten, dass die Liberalen lieber auf die Fortführung der Festtraditionen verzichteten und sie auf ein Minimum reduzierten als sich auf symbolische Auseinandersetzungen um Loyalismus und Monarchie einzulassen und konservative Erfolge zu riskieren. Angesichts der hohen Popularität der Feiern über die Jahrzehnte hinweg, die sich in unabhängig von den organisierenden Parteien stets großen Zuschauerzahlen und begeisterten Teilnehmermengen dokumentierte, legt der Umgang der politischen Akteure sowohl mit den Feiern um die Monarchie als auch die Art, wie Parteien und Kandidaten divergierende Haltungen zu Krone und Verfassung propagierten, aber noch einen weiteren Schluss nahe: Sie scheinen weniger bemüht gewesen zu sein, Loyalismus und Patriotismus in 124 Vgl. die kurzen Berichte über die Feiern in den Ausgaben des Leeds Intelligencers und Leeds Mercurys jeweils Ende Mai bzw. Anfang Juni von 1839 bis 1853; das Bild in Leeds unterschied sich dabei nur unwesentlich von den übrigen Städten im West Riding. Kritik an den kläglichen Feierlichkeiten übten Konservative etwa bei der Hochzeit Viktorias mit Albert im Februar 1840, vgl. Leeds Intelligencer, 15. 2. 1840 und Halifax Guardian, 15.2.1840.

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einer weitgehend indifferenten Bevölkerung zu verankern, als dass sie auf weit verbreitete loyalistische und patriotische Grundstimmungen reagierten, um diese über die symbolische Kontrolle der Feiern oder durch ihre expliziten Interpretationen und Deutungen auf Wahltribünen und Versammlungen zur Verankerung ihrer politischen Vorstellungen zu nutzen. Die Liberalen feierten Viktoria um 1837 nicht so sehr als neue Vertreterin liberaler Positionen, sondern sie versuchten, die politischen Sympathien für die junge Königin, die aufgrund ihrer Position auf dem Thron und der unabhängig von ihrer Person gegebenen Popularität der Krone äußerst beliebt war, zu nutzen, um sich als neue Partei der Krone zu präsentieren und so ihrerseits Unterstützung zu gewinnen. Das weitgehende Scheitern dieser liberalen Strategien zeigte zum einen, dass die loyalistische Grundstimmung in allen Schichten sich nur schwer dauerhaft mit einer liberalen Deutung verbinden ließ. Zum anderen machte es deutlich, warum die Konservativen mit ihrer Variante des populären Verfassungsdiskurses und ihrer Vorstellung von Loyalismus und Patriotismus relativ erfolgreich waren: Ihre Deutung nahm in den loyalistischen Traditionen verankerte Haltungen auf und propagierte Werte und Vorstellungen, die schon lange über eine nicht unbedeutende Popularität jenseits konservativer Vereine und Eliten verfügt hatten.

c) Nationale Elemente und lokale Differenzen Während die Feiern um die Monarchie in Leeds und Bolton ab Ende der 1830er Jahre in die politischen Auseinandersetzungen der lokalen Parteiverbände gerieten, schlossen in London die Präsenz des Hofes und die seit langem unangefochtene Dominanz der Liberalen in den politischen Gremien der verschiedenen Boroughs der Stadt vergleichbare Parteikämpfe um die offiziellen Festlichkeiten etwa anlässlich der Geburtstage Viktorias oder ihrer Krönung weitgehend aus. Ungeachtet spöttischer Bemerkungen prominenter Zeitgenossen über das Krönungszeremoniell und die englische Unfähigkeit, rechten Pomp und festliche Größe mit solchen Feierlichkeiten zu verbinden, nutzten Hunderttausende von Londonern jeden Anlass, um einen Blick auf die Mitglieder des Königshauses zu erhaschen oder begeistert dem Ablauf des offiziellen Zeremoniells zu folgen.125 Die öffentliche Proklamation der neuen Königin in allen Teilen Londons, Viktorias erste Amtshandlung bei der Auflösung des Parlaments, ihr offizieller Besuch der City of London – jedes mit dem Königshaus verbundene öffentliche Ereignis zog ungeheure Massen an, 125 Cannadines irreführendes Bild von der bis ins späte 19. Jahrhundert vorherrschenden großen Unpopularität der Krone beruht u. a. auf einer falschen Einschätzung von negativen Kommentaren zur Krönung und anderen höfischen Festtagen am Beginn der Regentschaft Viktorias. Vgl. ders., Context, S. 114 ff.

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die stets mit Jubel und demonstrativem Patriotismus die Abläufe verfolgten.126 Einen Höhepunkt erreichte die Mobilisierung der begeisterten Menge bei den Krönungsfeierlichkeiten Ende Juni 1838, an denen in London einige Millionen Zuschauer teilnahmen, ohne dass es Anzeichen für Missmut oder Kritik an Monarchie und Verfassung aus der Masse gegeben hätte.127 Zwei Monate nachdem die London Working Men’s Association zum ersten Mal die demokratischen Ziele der Chartisten formuliert und die Bewegung für die People’s Charter ihr schnelles Wachstum begonnen hatte, waren der in allen Teilen der Londoner Presse gefeierte Loyalismus der Straße und die offensichtliche Popularität der Königin durchaus bemerkenswert.128 Anders als im West Riding und in Bolton beschränkte sich in London die Debatte über Umfang und Formen offizieller Festlichkeiten um die Krone auf die Kommentarspalten der überregionalen Presse und die Führungszirkel der Parteien im Parlament.129 Dabei zeichneten sich zwar ähnliche Positionen ab – auch in London gab es konservative Klagen über den liberalen Geiz und das Bemühen, Kosten und symbolischen Aufwand zu minimieren –, doch schlugen sich diese Differenzen nicht in Mobilisierungsstrategien nieder, die bis auf die unterste Ebene der politischen Auseinandersetzung reichten.130 Solche Unterschiede zwischen den Wahlkreisen sind wichtig, um die Bedeutung der konservativen Variante des Popular Constitutionalism für die Mobilisierung von Anhängern aus den Unterschichten genau zu verorten. Konservative Politiker konnten in allen untersuchten Wahlkreisen mit ihrer besonderen Haltung zu Krone, Verfassung und Patriotismus Unterstützung gewinnen und dabei an einen verbreiteten Loyalismus und die über Jahrzehnte hohe Popularität der Krone anknüpfen. Auch über Bolton, Leeds und London hinaus lassen sich leicht Belege dafür finden, dass konservative Positionen zu den Grundstrukturen der englischen Gesellschaft Unterstützung bis weit in die Unterschichten fanden. 1837 etwa klagte der nicht zufällig benannte erzradikale Brighton Patriot über die Tories, die mit Dinnern und Versammlungen in der Grafschaft Sussex Nichtwähler und „conservative little men“ verführten, sie gegen das allgemeine Wahlrecht und radikale Reformen aufhetzten und dabei wie bei der Nachwahl in Lewes im April mit dem Gewinn der Handabstimmung und des Sitzes für den konservativen Kandidaten Fitzroy 126 Vgl. John Bull, 25. 6. 1837, 23. 7. 1837, 12. 11. 1837; Times, 22. 6. 1837, 10.11.1837. 127 Vgl. John Bull, 1. 7. 1838; Times, 29.6.1838. 128 Die People’s Charter wurde am 8. Mai 1838 in London veröffentlicht. Vgl. Goodway, London Chartism, S. 24. 129 Für detaillierte Analysen der Haltung der liberalen und konservativen Presse zur Krone vgl. R. Williams, Contentious Crown. 130 Eine der seltenen Ausnahmen war ein stark besuchtes Public Meeting in Southwark während der Bedchamber Crisis, bei dem Anhänger der liberalen Regierung eine Adresse an die Königin beschlossen, in der sie ihr für die Zurückweisung Peels dankten. Eine starke Gruppe Konservativer unter Führung von Alan Day versuchte, das Treffen zu stören und eine konservative Erklärung durchzusetzen, scheiterte allerdings. Vgl. Times, 22. 5. 1839, 23.5.1839.

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auch noch politische Erfolge erzielten.131 Auch im äußersten Süden der Insel wurden damit Strategien, die sich im Norden Englands bei Wahlen und in den konservativen Arbeitervereinen bewährt hatten, erfolgreich angewandt, selbst wenn sich die Mobilisierung über einen konservativen Konstitutionalismus hier nicht in der Gründung einer Operative Conservative Association niederschlug. Die Reden und Argumente, die in Sussex benutzt und von der konservativen Lokalpresse detailliert dokumentiert wurden, unterschieden sich nicht vom konservativen Sprachgebrauch in den nordenglischen Industriestädten.132 Ebenso finden sich Parteistreitigkeiten um das richtige Verständnis von Loyalismus und Monarchie, die mit der Mobilisierung von Anhängern aller Schichten einhergingen, auch jenseits von Bolton und Leeds. Im Südwesten Englands etwa konnten die Konservativen auf dem Höhepunkt der Bedchamber Crisis in der Grafschaft Devon einen Erfolg erzielen, als sie eine von liberaler Seite anberaumte öffentliche Grafschaftsversammlung nutzten, um die Mehrheit der riesigen Versammlung dazu zu bewegen, statt der geplanten Danksagung an die Königin für ihre Unterstützung der liberalen Regierung eine konservative Erklärung zu beschließen, die jede Erwähnung der Krise vermied.133 Ereignisse wie diese belegen deutlich, dass Konservative mit ihrer Rede von Verfassung und Krone in weiten Teilen Englands Unterstützung aus allen Schichten gewinnen konnten. Dennoch blieb der Erfolg der konservativen Mobilisierungsversuche von Anhängern aus den Unterschichten stark abhängig von lokalen Rahmenbedingungen und unterlag zudem deutlichen Konjunkturen, die sich an der politischen Geschlossenheit der örtlichen konservativen Eliten, den Auswirkungen der parlamentarischen Auseinandersetzungen in Westminster sowie dem Erfolg liberaler und radikaler Gegenbewegungen orientierten. Verfolgt man die unterschiedliche Entwicklung der konservativen Arbeitervereine in den Wahlkreisen über die Phase ihres größten Erfolgs Ende der 1830er und zu Beginn der 1840er Jahre hinaus, lässt sich erkennen, wie sich Entwicklungen auf nationaler und lokaler Ebene dabei gleichermaßen auswirkten. So erklärt sich das zunächst auffällige Fehlen konservativer Arbeitervereine im Großraum London durch die besondere Eigenheit der lokalen politischen Öffentlichkeit in der Metropole. Anders als in kleineren Städten fehlten eine eindeutig bestimmbare Stadtspitze und klare Verwaltungsstrukturen für die gesamte Stadt; stattdessen gab es mit dem Court of Common Council unter Vorsitz des Lord Mayor in der City of London, dem Hof in Westminster, dem nationalen Parlament und diversen Verwaltungsgremien auf der Ebene der übrigen Stadtteile und der anglikanischen Gemeinden ein unübersichtliches Gestrüpp konkurrierender Machtzentren, 131 Vgl. Brighton Patriot, etwa 31. 1. 1837, 25. 4. 1837, Zitat: 23.5.1837. 132 Vgl. Sussex Agricultural Express, 27.5.1837. 133 Vgl. Times, 11.6.1839.

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das eine Ausbildung klarer lokaler Parteiorganisationen unterhalb der parlamentarischen Ebene stark behinderte.134 Erst spät bildeten sich entlang der Grenzen der parlamentarischen Wahlkreise auch in London konservative und liberale Associations, die an die Stelle der alten Wahlkomitees der jeweiligen Kandidaten traten.135 Bei den Konservativen lag das nicht zuletzt daran, dass man sich angesichts der liberalen Dominanz in den 1830er Jahren nur wenig Chancen auf erfolgreiche Wahlkämpfe ausrechnete. Aber auch außerparlamentarische Reformbewegungen auf liberaler und radikaler Seite wie die Political Unions der Reformkrise um 1832 und die Vereine der Chartisten hatten große Schwierigkeiten, in London schlagkräftige Organisationen auszubilden.136 Die Londoner Politik ließ sich zudem kaum von der nationalen Politik trennen. Insbesondere auf konservativer Seite kontrollierten parlamentarische Spitzenpolitiker und der Carlton Club die organisatorischen Ansätze auf den politischen Ebenen unterhalb des Parlaments. Gerade hier herrschte aber eine große Skepsis gegenüber einer Einbeziehung von Arbeitern und anderen Teilen der Unterschichten in konservative Vereine, weil in der Parteispitze politische Unruhen und radikale Demonstrationen immer wieder Angst vor revolutionärem Umsturz sowie Vorstellungen von der Irrationalität und Unkontrollierbarkeit der Menge auf der Straße verbreitet hatten.137 Daher fehlte in London ein konservatives Establishment, das wie in anderen englischen Großstädten nach Verbündeten über die Wählerschaft hinaus suchte und auf Unterstützung aus der breiten Masse der Bevölkerung angewiesen war. Entsprechend blieben Initiativen für eine Gründung konservativer Arbeitervereine „von oben“ aus. Die Voraussetzungen für eine Gründung „von unten“ waren dagegen zumindest teilweise gegeben. Immerhin konnte der langjährige radikale Wortführer und Abgeordnete für den Wahlkreis Westminster, Sir Francis Burdett, nach seinem Wechsel ins konservative Lager 1837 bei seinen 134 Die Unübersichtlichkeit der Londoner Verwaltung führte 1855 zur Feststellung der Times, dass die Metropole von über 300 verschiedenen Behörden und Institutionen verwaltet wurde, deren Aufgaben 250 speziell London betreffende Acts of Parliament festlegten. Erst 1888 wurde die Verwaltung der Stadt mit der Schaffung des London County Councils zusammengefasst. Vgl. Young u. Garside, Metropolitain London, S. 21; Schwarz, London 1700 – 1840. 135 So existierten in London vor 1837 nur in einigen Stadtteilen Conservative Associations; um die Wahlen herum bemühte sich der Carlton Club um bessere Organisationsstrukturen in der Stadt, sorgte für die Gründung von neuen Associations und schuf das kurzlebige Metropolitain Conservative Journal zur besseren Vernetzung der Konservativen in der Stadt. Vgl. Metropolitain Conservative Journal, 13.1.1838. Berichte über die Gründung neuer konservativer Associations finden sich etwa im John Bull, 5. 11. 1837 (Tower Hamlets), 17. 12. 1837 (Shoreditch). 136 Vgl. zu den Schwierigkeiten der Chartisten in London vor 1840 Prothero, Chartism und Goodway, London Chartism, S. 3 – 38; für Political Unions und andere liberale und radikale Vereine Rowe, Failure. 137 Vgl. oben, S. 85 f.

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Anhängern in London durchaus erhebliche Unterstützung für seine neue konservativ-konstitutionelle Rhetorik gewinnen und im Wahlkampf vielbesuchte Veranstaltungen organisieren sowie einen Erfolg beim Show of Hands erzielen.138 Sein Wahlsieg im Frühjahr 1837 machte ihn zu einem populären Favoriten der konservativen Arbeitervereine, der 1838 bei einer groß inszenierten Rundreise über Leeds und Manchester, Salford und Huddersfield, Stockport, Liverpool und London von Tausenden konservativen Operatives begeistert gefeiert wurde.139 Es gelang ihm allerdings nicht, über seine landesweite Popularität Brücken für eine Ausdehnung der Arbeitervereine nach London zu bauen, letztlich wohl, weil die Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung solcher Vereinsstrukturen in London nicht vorhanden war.140 Aber auch in den Wahlkreisen, in denen in den 1830er Jahren konservative Arbeitervereine entstanden, blieb ihre weitere Entwicklung von lokalen Rahmenbedingungen abhängig und konnte sich unterschiedlich ausprägen. In Leeds und Bolton wurde dies in den 1840er Jahren deutlich, als die Vereine von zwei Seiten unter Druck gerieten. Zum einen verschärfte sich in beiden Städten in den Hochphasen des Chartismus und mit der populären Agitation der Anti-Corn Law League gegen die Kornzölle die politische Auseinandersetzung. Die starke Mobilisierung von sozialen Gruppen aus den Unterschichten für das allgemeine Wahlrecht bzw. gegen protektionistische Zölle und Steuern forderte die Operative Conservative Associations zunächst heraus, indem sie politische Reformen popularisierte, die Konservative ablehnten. Gleichzeitig prägte sie Vereinsstrukturen und politische Milieus aus, die zwar nicht in gleicher Weise Geselligkeit, soziale Sicherungen und Patronage durch einflussreiche Persönlichkeiten am Ort kombinieren konnten, aber ebenso wie die konservativen Vereine eine starke soziale Einbindung mit einer klaren politischen Identität anboten. Während die chartistische Agitation in den Jahren 1838 und 1839 zunächst zu verstärkten Aktivitäten der konservativen Operatives führte und sie angesichts des chartistischen Rekurs auf ein völlig anderes Verfassungsverständnis zu einer intensiven Mobilisierung für das konservative Gegenmodell trieb, erwies sich auf dem zweiten Höhepunkt des Chartismus im Sommer 1842, dass der in den 1830er Jahren oft gefeierte Weg von Radikalen 138 Vgl. John Bull, 7. 5. 1837, 14. 5. 1837; Times, 4. 5. 1837, 5. 5. 1837, 11. 5. 1837, 12. 5. 1837, 13.5.1837. Vgl. zur Politik und Bedeutung Burdetts vor seinem Schwenk zu den Konservativen allgemein Dinwiddy, Francis Burdett und Hodlin, Political Career. Einige Hinweise auf die politischen Motive für seinen Wechsel finden sich in Patterson, Francis Burdett. 139 Vgl. Leeds Intelligencer, 21. 4. 1838, 28. 4. 1838; Leeds Mercury, 21. 4. 1838; Bolton Chronicle, 21. 4. 1838; Metropolitain Conservative Journal, 28. 4. 1838; John Bull, 30. 4. 1838, 27. 5. 1838; Times, 22.5.1838. 140 Burdett trat außerdem nach seinem Wahlerfolg im Frühjahr 1837 nach dem Thronwechsel nicht noch einmal in Westminster an, sondern kandidierte in North Wiltshire und zog dort ins Unterhaus ein. Als Abgeordneter blieb er natürlich dennoch in London präsent.

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ins konservative Lager keine Einbahnstraße war. Sowohl in Bolton als auch in Leeds gab es deutliche Anzeichen, dass die Vereine Unterstützung verloren hatten und sich in den Jahren 1842 und 1843 um organisatorische Neuanfänge bemühen mussten.141 Zum anderen wirkten sich zu diesem Zeitpunkt bereits die heftigen innerparteilichen Konflikte aus, in welche die Konservativen nach der Regierungsübernahme 1841 gerieten. Peels vorsichtiger Kurs als Premierminister, der einen klaren Bruch mit der liberalen Reformpolitik vermied und sich langsam einer Zustimmung zur Aufhebung der Kornzölle näherte, musste eine Partei spalten, die einerseits traditionell die protektionistischen Interessen eines noch immer einflussreichen agrarischen Landadels vertreten hatte und andererseits einen rechten Flügel umfasste, der von der rechtlichen Gleichstellung der Katholiken über die Wahlrechtsreform bis hin zum Aufstieg eines industriellen Bürgertums alle wichtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte ablehnte und sich eine entschieden antiliberale Politik wünschte.142 Die lokalen Auswirkungen dieser Auseinandersetzungen führten zu völlig unterschiedlichen Entwicklungen in Bolton und Leeds. Wie in vielen anderen Städten überlebte die Operative Conservative Association in Leeds die innerparteilichen Spannungen Mitte der 1840er Jahre nicht. Die genauen Hintergründe lassen sich nicht ermitteln. Generell aber war die Partei in Leeds um 1846 wie überall über die Frage der Kornzölle zerstritten; anders als in anderen Städten verhinderten allerdings innerparteiliche Streitigkeiten auch auf liberaler Seite, dass die Konservativen ihren politischen Einfluss in der Stadt und auf die parlamentarische Vertretung verloren.143 Innerhalb des konservativen Establishments in Leeds dominierten die Anhänger des langjährigen Abgeordneten William Beckett, der sich nach der Spaltung der Partei auf die Seite der Protektionisten unter Stanley geschlagen hatte und 1847 wiedergewählt worden war. Sie konnten einen Zerfall der lokalen Organisationsstrukturen aber nicht verhindern. 1852 verzichtete Beckett angesichts der handlungsunfähigen Conservative Association auf eine erneute Kandidatur, und nur die kurzfristige und erfolglose Aufstellung zweier Kandidaten des Freihandels-Flügels der Partei 141 In Leeds musste die Association im März 1842 öffentlich um Spenden für ihre Bibliothek bitten; ein Jahr später wurde innerhalb der Association eine neue Debattiergesellschaft gegründet. Vgl. Leeds Intelligencer, 26. 3. 1842, 1.4.1843. In Bolton stellte man Ende 1841 zwar zufrieden fest, dass die Finanzen der Organisation gut geordnet seien, konnte aber nach 1842 kaum mehr Akzente setzen. Die Aktivitäten beschränkten sich auf den Vorort Atherton; der langjährige Gönner des Vereins Joseph Ridgway bemühte sich 1843 daneben im Vorort Horwich um Anhänger aus den Unterschichten im Rahmen der groß inszenierten Hochzeit seines Sohnes. Vgl. Bolton Chronicle, 24. 12. 1841, 27. 5. 1843, 10.6.1843. 142 Vgl. zur Spaltung der Konservativen um 1846 Stewart, Foundation, B. Coleman, Conservatism und Ramsden, Appetite. 143 Zu den innerparteilichen Problemen der Liberalen in Leeds vgl. Fraser, Voluntaryism, daneben ders., Politics in Leeds und ders., Politics and Society.

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verhinderte, dass erstmals in Leeds kein Konservativer auf den Wahltribünen stand.144 Vermutlich fehlten angesichts der inneren Spannungen in der Partei schon vor der eigentlichen Spaltung 1846 die finanziellen Mittel, auf welche die Operative Association angewiesen war. Hinweise auf ihre Existenz finden sich zum letzten Mal im Frühjahr 1843; zu diesem Zeitpunkt diskutierten die konservativen Arbeiter wie der Rest der Partei über die Kornzölle. Vermutlich konnte auch ein breites Bekenntnis zu einem konservativen Konstitutionalismus nicht verhindern, dass die Mitglieder der Association in Leeds in das Fahrwasser der Konflikte innerhalb der Partei gerieten, während sie gleichzeitig ihre finanzielle Grundlage verloren. Erst 1851 gab es Versuche zur Wiederbelebung der Organisation, die nach einer Gründungsversammlung aber ohne weiteren Erfolg blieb.145 In Bolton erwiesen sich die Vereinsstrukturen für die Konservativen aus den Unterschichten als wesentlich stabiler. Zwar verlor die Association auch hier um 1846 erheblich an Unterstützung und scheint für einige Jahre nur in einem Vorort der Stadt überlebt zu haben, doch traf die Krise der Konservativen das Parteimilieu in Bolton insgesamt weniger, da die führenden Politiker auf konservativer Seite schon in den 1830er Jahren für eine moderate Freihandelspolitik eingetreten waren und die Senkung der Kornzölle gefordert hatten. Der konservative Abgeordnete William Bolling konnte daher 1846 relativ leicht die neue Politik der Regierung Peel unterstützen, ohne in einen offenen Gegensatz mit seiner früheren Linie zu geraten.146 Zudem dominierte die Partei seit 1841 alle städtischen Gremien und erzielte – nicht zuletzt dank der Unterstützung der konservativen Operatives – erhebliche Erfolge bei den jährlichen Kommunalwahlen. Einige ehemalige Führungsmitglieder des konservativen Arbeitervereins konnten dabei bis in den Stadtrat vordringen.147 Trotz dieser Entwicklung verschwand die Operative Conservative Association auch in Bolton Mitte der 1840er Jahre aus den Spalten der örtlichen Presse. Schon 1848 wurde der Verein aber wiederbelebt und blieb bis zu seiner Ersetzung durch eine Conservative Working Men’s Association 1890 eine wichtige Stütze konservativer Politik in der Stadt.148 Anders als in Leeds und London bestand damit in Bolton über 144 Vgl. Leeds Intelligencer, 29. 5. 1852, 5. 6. 1852, 10.7.1852. 145 Vgl. Leeds Intelligencer, 1. 4. 1843, 15.4.1843. Zu den Debatten um die Kornzölle vgl. unten Kapitel 5. Ende 1851 bzw. Anfang 1852 scheiterte der Versuch einer Neugründung der Operative Conservative Association. Vgl. Leeds Intelligencer, 8. 11. 1851, 17. 1. 1852, 24. 1. 1852; Leeds Mercury, 24.1.1852. 146 Vgl. etwa die Rede Bollings im Bolton Chronicle, 15.12.1832. Auch der Kandidat bei der Nachwahl für South Lancashire, Entwistle, sprach sich bereits 1844 mit Unterstützung der Konservativen in Bolton gegen die Kornzölle aus. Vgl. Bolton Chronicle, 25.5.1844. 147 Vor den Kommunalwahlen 1847 beschlossen die Konservativen eine Dankadresse an die bisherigen Stadträte; darunter war auch Johnson Lomax, der einige Jahre zuvor im Vorstand der Operative Conservative Association war. Vgl. Bolton Chronicle, 24. 12. 1841, 18.10.1847. 148 Mitte der 1840er Jahre konnte die Presse in Bolton lediglich über die Treffen der Association im außerhalb von Bolton gelegenen Fabrikstädtchen Atherton berichten. 1848 entstand in der

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Jahrzehnte eine feste organisatorische Grundlage, die es den Konservativen immer wieder erlaubte, ihre Variante des Popular Constitutionalism zu nutzen, um Anhänger aus den Unterschichten in die lokalen Auseinandersetzungen am Ort einzubinden. Aber auch dort, wo solche organisatorischen Kontinuitäten nicht bestanden, lassen sich Elemente des konservativen Konstitutionalismus bis in die 1860er Jahre beobachten. In Leeds etwa traten auch in den 1850er Jahren konservative Politiker vor die Menge vor den Wahltribünen, die mit Vehemenz jede Form von revolutionären Veränderungen ablehnten und damit neben alten konservativen Angstvorstellungen von geheimen und allgemeinen Wahlen auch moderate Vorschläge zur Erweiterung des Wahlrechts meinten.149 Dass die Reden von Robert Hall und George Skirrow Beecroft bei den Wahlen 1857 und 1859 dabei erheblich zurückhaltender klangen als die scharfen Angriffe konservativer Kandidaten auf liberale und radikale Haltungen zur Verfassung in früheren Jahrzehnten, hing zum einen damit zusammen, dass die Konservativen in Leeds nach 1852 weiterhin von jenen dominiert wurden, die 1846 Robert Peel gefolgt und damit zwischen die Fronten traditioneller Konservativer und dem rechten Flügel der Liberalen geraten waren.150 Zum anderen aber hatten sich die Liberalen unter Führung von Lord Palmerston und dem Einfluss eines Auflebens patriotischer und nationaler Haltungen während des Krimkriegs weit auf Positionen zur Verfassung hinbewegt, die sich kaum noch vom konservativen Konstitutionalismus unterschieden.151 In Leeds war es 1857 der liberale Kandidat M. T. Baines, der die englische Verfassung als die beste der Welt und aller Zeiten feierte und nur vorsichtige Reformen zulassen wollte. Sein Gegner auf konservativer Seite lobte die Außenpolitik Palmerstons und unterstützte dessen patriotische Haltung sowie die Verteidigung der „Honour of the British Flag“ im Chinesischen Krieg, dessen kritische Beurteilung im Parlament zur Auflösung des Unterhauses und den Neuwahlen geführt hatte. Bei der Handabstimmung vor den Wahltribünen erhielten beide die Unterstützung der Menge, während der stärker an traditionellen Linien liberaler Politik orientierte John Remington Stadt erneut eine Association, die sich zunächst Operative Conservative Sick and Burial Club nannte. Aufgrund der fast ununterbrochenen Existenz des Vereins erfolgte die Umbenennung in Anpassung an die seit den 1870er Jahren in ganz England verbreiteten Conservative Working Men’s Associations erst sehr spät. Vgl. Bolton Chronicle, 7. 6. 1845, 16. 6. 1849, 20. 7. 1850, 13.9.1890. 149 Vgl. Leeds Intelligencer, 28. 3. 1857, 6. 6. 1857, 30.4.1859. 150 Vgl. ebd. Robert Hall betonte bei seiner Kandidatur, dass er im Parlament nicht auf den Bänken der konservativen Opposition, sondern als Unabhängiger auf den sogenannten Cross Benches Platz nehmen würde. Sein Nachfolger Beecroft unterstützte als unabhängiger Konservativer im Parlament die liberale Regierung unter Palmerston, bis er bei der Machtübernahme von Lord Derby wieder in die konservativen Reihen wechselte. 151 Vgl. zu Palmerstons Politik in den 1850er Jahren D. Brown, Palmerston; dort auch Überblick über die ältere Literatur. Vgl. auch Parry, Politics, zur Entwicklung patriotischer Argumentationslinien innerhalb der parlamentarischen Elite der Whigs und Liberalen.

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Mills unterlag.152 Gerade das Vordringen konservativer Rhetorik zur Verfassung bis in liberale Reihen zeigt dabei, wie sehr die mit ihr verbundenen Gesellschaftsvorstellungen und ihre spezifische Form von Patriotismus genutzt werden konnten, um Anhänger aus allen sozialen Gruppen zu gewinnen. Stärker noch als in den Wahlkämpfen und Parteiparolen wurde in den großen Sieges- und Friedensfeiern am Ende des Krimkriegs deutlich, dass ein Patriotismus und Loyalismus, der sich symbolisch an den traditionellen Formen der Feiern um die Monarchie orientierte und dabei weit entfernt war von den ebenso protest- wie reformorientierten Tönen des liberalen Patriotismus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, noch immer breite Schichten der englischen Gesellschaft mobilisieren konnte. Der Fall Sebastopols im September 1855 wurde überall in England mit großem Jubel aufgenommen und führte in vielen Städten zu spontanen und ausgelassenen Feiern. In Leeds berichtete der Intelligencer über tagelange Versammlungen von riesigen Mengen auf den Straßen, Feuerwerk, Glockengeläut und das Schmücken der Stadt mit Tausenden Bannern und Flaggen, welche die siegreichen Truppen ehrten und den britischen Erfolg zelebrierten. Die enthusiastische Beteiligung der Working Classes wurde dabei ausdrücklich betont. Kapellen zogen durch die dicht gefüllten Straßen und spielten das bekannte Repertoire patriotischer Lieder ; die Nationalhymne wurde immer wieder gesungen. „Victory“ und „Victoria“ lagen nahe beieinander, und der Jubel über die Erstürmung der russischen Festung ließ sich nicht trennen von Hochrufen auf die Königin, die Monarchie und die englische Verfassung. Die Feierlichkeiten endeten mit einer großen Festbeleuchtung der gesamten Stadt wenige Tage nach Eintreffen der Meldungen von der Krim sowie zahlreichen Dankgottesdiensten in allen Kirchen und Gemeinden. In den detailliert wiedergegebenen Predigten rechtfertigten Priester verschiedener Konfessionen den Krieg als notwendige Verteidigung christlicher Werte und britischer Zivilisation gegen barbarische Angreifer und führten den Sieg nicht zuletzt auf die fromme Haltung der Nation und die enge Verbindung von Kirche und Staat zurück, die Großbritannien auszeichne.153 Große Feste in Verbindung mit dem Krimkrieg wiederholten sich nach dem Friedensschluss im Mai 1856; sie wurden mit den üblichen Feierlichkeiten anlässlich des Geburtstags von Königin Viktoria verbunden und deshalb mit großem Aufwand und insbesondere langen Festumzügen der Stadtspitze

152 Vgl. Leeds Intelligencer, 28.3.1857. Bei der Nachwahl nach dem Tod Robert Halls wiederholte sich das Ergebnis. Mills Unterstützer attackierten Halls Nachfolger Beecroft als traditionellen Tory entlang der klassischen liberalen Linien und beschrieben die Konservativen als jahrzehntelange Gegner aller notwendigen Reformen zur Verteidigung von „civil and religious liberty“. Mill unterlag mit dieser Linie sowohl beim Show of Hands als auch an den Wahlurnen. Vgl. Leeds Intelligencer, 6.6.1857. 153 Vgl. Leeds Intelligencer, 18.9.1855. Zur Praxis der Ausrufung offizieller landesweiter Gebets-, Fasten- und Dankgottesdienste durch Krone und Regierung vgl. P. Williamson, State Prayer.

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und aller Vereine und Verbände begangen.154 Als im Juli 1856 ein Teil der siegreichen Truppen in die Kasernen nach Leeds zurückkehrte, versammelten sich erneut große jubelnde Mengen auf den Straßen.155 In London unterschieden sich die Feiern kaum von den Vorgängen in Leeds. Übereinstimmend berichteten konservative und liberale Zeitungen von der Begeisterung auf den Straßen und zeigten sich überwältigt von der allgemeinen patriotischen Haltung.156 Versuche von radikalen Gruppen, die Feststimmung zu nutzen, um an eine andere patriotische Tradition anzuknüpfen und Forderungen nach sozialen Reformen zu erheben, kamen dabei etwa im Mai 1856 im West Riding vereinzelt vor ; angesichts der Jubelstimmung der Massen auf den Straßen blieben Proteste von wenigen Chartisten wie in Halifax aber isoliert.157 Die enge Verbindung von Militär und Krone bei den Feiern am Ende des Krimkriegs war keine neue Entwicklung. Militärische Elemente wie Salutschüsse und Truppenaufmärsche galten nicht nur in London als selbstverständlicher Bestandteil des höfischen Zeremoniells, sondern bildeten auch in Bolton und Leeds über Jahrzehnte ein unverzichtbares Element der Feiern um die Monarchie. Auf die besondere Rolle lokaler Armeeeinheiten bei der Fortführung der Feiern der Geburtstage Viktorias in den 1840er Jahren wurde bereits hingewiesen. Aber auch unabhängig von offiziellen Festtagen zogen öffentliche Auftritte des Militärs stets große Mengen an, denen bei Truppeninspektionen, Taufen neuer Kriegsschiffe oder öffentlichen Manövern nicht nur militärische Schauspiele, sondern auch symbolische Inszenierungen nationaler Stärke, patriotischer Haltungen innerhalb der Armee und insbesondere ihrer loyalen Unterstützung der Krone geboten wurden.158 Wenige Jahre nach dem Krimkrieg erlebte diese Tradition im Zuge der Entstehung von militärischen Freiwilligenverbänden einen neuerlichen Höhepunkt. Die Aufstellung von Volunteers-Einheiten folgte 1859 der verbreiteten Sorge vor einer französischen Invasion infolge der Verschlechterung des anglo-französischen Verhältnisses nach dem Krimkrieg. Eine zögernde liberale Regierung sah sich dabei unter großem öffentlichen Druck 154 155 156 157

Vgl. Leeds Intelligencer, 31.5.1856. Vgl. Leeds Intelligencer, 24.7.1856. Vgl. Times, 12.9. und 14.9.1855. Vgl. Leeds Intelligencer, 31.5.1856. Vgl. zum Chartismus in Halifax nach 1847 Tiller, Late Chartism. 158 Im Großraum London mit seiner Garnison in Woolwich und den dortigen Werften finden sich Berichte über Manöver, Schiffstaufen, Jungfernfahrten und Truppeninspektionen mit großer Anteilnahme der Bevölkerung sehr häufig und zu allen Zeiten. Besonders hoch war die Beteiligung dabei stets, wenn Mitglieder des Königshauses an den Abläufen beteiligt waren. Vgl. etwa Times, 11. 10. 1828 (Jungfernfahrt), 23. 9. 1831 (Schiffstaufe durch Königin Adelaide in Begleitung von Wilhelm IV.), 20. 5. 1837 (Review im Hyde Park), 6. 7. 1838 (Review in Woolwich mit 100.000 Zuschauern), 28. 5. 1845, 2. 6. 1851 (Reviews im Hyde Park am Geburtstag der Königin), 28. 8. 1859 (Review im Hyde Park).

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gezwungen, die Bildung lokaler bewaffneter Verbände zuzulassen und verfolgte ihre landesweite Verbreitung in kürzester Zeit mit Skepsis.159 Zwar blieb die unmittelbare Mitgliedschaft in den Einheiten aufgrund relativ hoher Kosten für Uniformen und Ausrüstung weitgehend einem gehobenen kleinbürgerlichen Milieu und ländlichen Mittelschichten vorbehalten, doch zogen die wöchentlichen Übungen der Korps, ihre Paraden und Manöver auf den Straßen und in den Parks das Interesse breiter Bevölkerungsteile auf sich.160 Anfang der 1860er Jahre beobachteten in Bolton Woche für Woche große Mengen die Auftritte der Volunteers; entsprechende Berichte finden sich aus allen Regionen des Landes. Mit großer Selbstverständlichkeit übernahmen die neuen Einheiten sofort eine prominente Rolle bei den örtlichen Feiern der Geburtstage der Königin; darüber hinaus entwickelten sich ihre regionalen und überregionalen Großmanöver zu besonderen Festtagen, an denen die Truppen vor ungeheuren Zuschauermassen ihre Kampfbereitschaft, ihren Patriotismus und ihren Loyalismus demonstrierten.161 Kamen dabei in Nordengland einige Zehntausend zu den Grand Reviews, konnte in London Ende Juni 1860 die größte Volunteer-Parade im Hyde Park in Anwesenheit der Königin mehrere Hunderttausend Zuschauer mobilisieren. 20.000 Freiwillige aus allen Teilen Englands, Schottlands und Wales’ marschierten mehrere Stunden durch den Park und grüßten die Königin, gefeiert von Mengen, die nicht nur den Park dicht bevölkerten, sondern sich überall dort versammelten, wo sie einen Blick auf die Truppen werfen oder einen Moment lang die Kutschen hochstehender Besucher beobachten konnten. Die Londoner Presse zeigte sich dabei überwältigt von der allgemeinen Feststimmung und der patriotischen Begeisterung, mit der die Massen die Einheiten und die Königin grüßten.162 Gewiss lässt sich die Anteilnahme der Bevölkerung an militärischen Paraden, Siegesfeiern und Manövern trotz der engen symbolischen Verbindung von Krone und Militär, die sich dabei zeigte, nicht einseitig als Zustimmung zu konservativen Vorstellungen von Loyalismus und Patrio159 Vgl. zur Entstehung der Volunteers vor allem Cunningham, Volunteer Force, daneben auch Hale, Amateur Soldiers, Beckett, New Tasks, ders., Amateur Military Tradition, Cousins, Defenders, Westlake, Rifle Volunteers und ders., Royal Engineers. 160 Vgl. Cunningham, Volunteer Force, S. 33 ff. Es gab allerdings durchaus auch innerhalb der Unterschichten großes Interesse an einer Mitgliedschaft in den Korps, die sich etwa in Tower Hamlets in der erfolgreichen Formierung einer Workman’s Volunteer Brigade widerspiegelte. Vgl. etwa Eastern Times and Tower Hamlets Gazette, 29. 9. 1860, 6.10.1860. 161 Vgl. für Paraden in Bolton etwa Bolton Chronicle, 24. 3. 1860, 26. 5. 1860, 13. 7. 1861, 9. 7. 1864; die Times berichtete über überregionale Reviews der Freiwilligenverbände zum Beispiel am 16. 7. 1860 (Liverpool), 8. 9. 1860 (Lancashire) und 29. 9. 1860 in York. Eine große Review im Londoner Regents Park zog laut Times vom 19. 6. 1860 50.000 bis 60.000 Zuschauer an; über kleinere Manöver mit Anteilnahme der Bevölkerung im Londoner Stadtteil Tower Hamlets berichteten die Eastern Times und der East London Observer Anfang der 1860er Jahre fast in jeder Ausgabe. 162 Vgl. Times, 25. 6. 1860; Eastern Times, 30.6.1860.

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tismus werten. Die Freude am Ende des äußerst verlustreichen Krimkriegs war sicher ebenso von Erleichterung angesichts der Sorge um Soldaten und Kriegsbeteiligte geprägt wie vom Stolz auf die Leistungen der Armee und das Gefühl der Überlegenheit der siegreichen Nation. Aus der Begeisterung für die Freiwilligenverbände zu Beginn der 1860er Jahre lässt sich zwar eine verbreitete Bereitschaft zur Verteidigung des eigenen Landes ablesen, aber nicht unmittelbar auf Zustimmung zur bestehenden inneren Ordnung im konservativen Sinne schließen.163 Dennoch zeigte sich um 1860 sowohl in der Haltung zur Krone als auch in der Begeisterung für militärische Verbände ein äußerst populärer Patriotismus, der sich einerseits über eine Abgrenzung von äußeren Feinden – seien es die russischen Truppen auf der Krim oder die befürchteten Invasoren aus Frankreich – definierte.164 Andererseits umfasste er eine loyale Haltung zur Monarchie, die nicht mehr in Verbindung mit sozialen Forderungen oder der Vorstellung einer prinzipiellen Reformbedürftigkeit der englischen Verfassung oder gar der verbreiteten Korruption des politischen Systems und seiner prägenden Eliten gekennzeichnet war. In allen untersuchten Wahlkreisen ließ sich nach dem heftigen Kampf um das richtige Verständnis von Verfassung und Patriotismus in den 1830er und 1840er Jahren ein Wandel spüren. Dem Streit der Parteien, der sich bis in die Details der offiziellen Feiern der Königsgeburtstage hineingezogen und zu Boykotten wie Gegenveranstaltungen geführt hatte, folgte Mitte der 1850er Jahre eine Periode, in der durch Palmerston geprägte Liberale und konservative Politiker auf den Wahltribünen Positionen zur Verfassung vertreten konnten, die sich in mancher Hinsicht an jenen Haltungen orientierten, für die Konservative über Jahrzehnte vehement gestritten hatten. Die Feiern am Ende des Krimkriegs und die Begeisterung um die Volunteers zelebrierten eine britische Nation, die nach innen geschlossen und nach außen verteidigungsbereit hinter der Krone stand. Die Monarchie befand sich einerseits neutral über den Parteien, andererseits wurden an sie aber keine Forderungen nach Unterstützung einer reformorientierten Politik mehr gestellt.165 Zwar konnten die gespaltenen Konservativen von dieser Entwicklung in den 1850er und 1860er Jahren als Partei zunächst nur wenig profitieren. Es ist jedoch kein Zufall, dass es ihnen um 1870 immer stärker gelang, sich als Partei der nationalen Interessen zu präsentieren und mit patriotischen Parolen und der Sprache eines konservativen Konstitutionalismus eine große Anhängerschaft auch in den Unterschichten zu gewinnen, die ihnen nach den Wahlrechtserweiterungen des späten 19. Jahrhunderts 163 Vgl. Cunningham, Volunteer Force. 164 In diesen Zusammenhang gehören auch die xenophobischen und kurzfristig recht weit verbreiteten Foreign Affairs Committees von David Urquhart. Vgl. Briggs, David Urquhart, Shannon, David Urquhart und M. Taylor, Old Radicalism. 165 Zur Selbststilisierung Viktorias als überparteiliche Figur vgl. Homans, Royal Representations.

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unerwartete Wahlerfolge bescherte. Der in der Forschung vielfach wahrgenommene Wandel des Konzepts des Patriotismus zwischen den Jahren 1860 und 1870 bestand nicht so sehr aus einem Verschwinden eines liberalen Reformpatriotismus und dem Aufkommen einer neuen aggressiveren und stärker imperial geprägten konservativen Variante, sondern aus einem konservativen Erfolg im langen Kampf um das Verständnis von Krone, Verfassung und Patriotismus. Insgesamt ergibt sich mit Blick auf die Mobilisierungskraft des konservativen Konstitutionalismus bei allen lokalen Unterschieden das Bild einer langen Tradition konservativer Vorstellungen von Monarchie, Patriotismus und den grundlegenden Strukturen der englischen Gesellschaft, die im zeitlichen Wandel zwar auffälligen Popularitätsschwankungen unterlag, aber letztlich immer zur Verfügung stand, um Anhänger bis weit in die untersten Schichten der Gesellschaft für konservative Positionen zu gewinnen. Hervorzuheben ist zunächst die lange Kontinuität in der Verwendung einer loyalistischen Sprache, die sich letztlich bis ins späte 18. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Schon in den massenhaft verbreiteten Schriften der antirevolutionären Reeves-Associations wurden in den 1790er Jahren Positionen zur Krone und Verfassung vorgetragen, die sich häufig kaum von den Reden vor den Operative Conservative Associations der 1830er Jahre unterscheiden lassen. Die Ausführungen zur Verfassung von William Paul in seiner Schrift über die Geschichte der konservativen Arbeitervereine etwa griffen bisweilen wörtlich Formulierungen auf, die 1793 im Pamphlet „The Advantages Peculiar to a Monarchy, and the English Constitution“ propagiert wurden.166 Auch die Geschichten und erbaulichen Episoden von Hannah More, in den Cheap Repository Tracts millionenfach aufgelegt und von hoher Popularität, hatten entsprechende Vorstellungen schon in den 1790er Jahren in eine breite Leserschaft getragen.167 Solche frühen Popularisierungen machten es späteren Loyalisten leichter, ihre Positionen zu vermitteln. Konservative Politiker benötigten im 19. Jahrhundert nicht zuletzt daher oft nur wenige Hinweise und Stichwörter, um ein distinktives patriotisches Weltbild zu beschwören, in dem Krone und Nation, Verfassung und englische Tugenden eng mit der Politik der Conservative Party verbunden waren. Die Nutzung unveränderter Slogans, Symbole und Rituale erleichterte solche Verknüpfungen. Die Parole „Church and King“, die Abbildung von Krone und Zepter sowie das Singen spezifischer konservativer Lieder prägten Feiern in den 1790er Jahren wie in den 1850er 166 Vgl. Paul, History und Reeves-Association, Association Papers, Nr. VII. Vgl. auch die übrigen Pamphlete in dieser Sammlung. Zur Reeves-Association vgl. oben Einleitung, S. 17 f. und die dort zitierte Literatur. 167 Vgl. More, Village Politics, dies., Remarks, dies., Hints und dies., Cheap Repository Tracts. Zur erstaunlich einflussreichen Rolle Mores als schreibender Frau vgl. Pedersen, Hannah More, Kowaleski-Wallace, Their Father’s Daughters, Stott, Patriotism, dies., Hannah More, Scheuermann, Praise und Gilmartin, Theater.

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Jahren; die allgegenwärtigen Flaggen und Banner, die bei festlichen Paraden, Dinnern und konservativen Demonstrationen eine patriotisch-nationale Atmosphäre schufen, blieben über viele Jahrzehnte nahezu unverändert, auch wenn die Spaltung der Konservativen von 1846 es in vielen Wahlkreisen unmöglich machte, auch eine organisatorische Kontinuität zu schaffen. Dennoch kann es vor diesem Hintergrund nicht verwundern, dass die nach 1867 neu geschaffenen Conservative Working Men’s Associations vor allem dort ihre Hochburgen hatten, wo in den 1830er Jahren Operative Conservative Associations aktiv gewesen waren.168 Der Appell der Konservativen an die englischen Unterschichten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts beruhte auf dem Fundament einer langen loyalistischen Tradition.

168 Vgl. Tether, Clubs und ders., Conservative Associations.

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II. Protestantismus

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Kapitel 3 „Above All, be Faithful to Your God“: Konfessionelle Konflikte und plebejische Konservative

Rund 40.000 Menschen hatten sich am Freitag, dem 24. Oktober 1828, auf Penenden Heath östlich von Maidstone, der wichtigsten Stadt der Grafschaft Kent, versammelt; einige Beobachter zählten sogar bis zu hunderttausend Köpfe in der Menge.1 Das freie, leicht hügelige Gelände, rund 40 Meilen von London entfernt, wurde traditionell als Gerichtsstätte und Versammlungsort für Wahlen in der Grafschaft genutzt und hatte als historisches Schlachtfeld Berühmtheit erlangt. Gegen Mittag begann eine Versammlung der „Men of Kent“, auf die politisch Interessierte im ganzen Land seit einigen Wochen gespannt warteten. Würde es den konservativen Kreisen, die gegen die Mehrheit der Abgeordneten im Unterhaus weiterhin die Catholic Emancipation bekämpften, gelingen, eine Massendemonstration zu organisieren und so zu zeigen, dass weite Teile der englischen Öffentlichkeit rechtliche Konzessionen gegenüber Katholiken ablehnten? Die Frage der rechtlichen Stellung der Katholiken war im Vereinigten Königreich über Jahrzehnte immer wieder heftig diskutiert worden. Seit dem 17. Jahrhundert blieb es Katholiken verwehrt, Abgeordneter im Parlament zu werden oder Regierungsämter zu bekleiden.2 Insbesondere die Gegensätze zwischen Katholiken und Protestanten in Irland hatten in den 1820er Jahren dazu geführt, dass Forderungen nach einer Aufhebung der Restriktionen gegen Katholiken bei englischen Liberalen und Radikalen zunehmend Unterstützung fanden – häufig verbunden mit der Forderung nach anderen gesellschaftlichen Reformen, die in ihrer schärfsten Zuspitzung bis zu demokratischen Wahlen, der Aufhebung der Sonderstellung der Anglikanischen Kirche als Staatskirche und der grundsätzlichen Trennung von Kirche und 1 Vgl. zum Kent Meeting Times, 25. 10. 1828; Observer, 26. 10. 1828, John Bull, 26. 10. 1828, Cobbett’s Weekly Register 1.11.1828. Wörtliche Zitate stammen aus den Berichten des Observers. Eine ausführliche Schilderung des Ablaufs findet sich bei K. Beresford, Men of Kent. 2 Zwei Gesetze aus den Jahren 1661 und 1673, später meist Test and Corporation Act genannt, verlangten von allen Inhabern königlicher und kommunaler Ämter, einschließlich Abgeordneter im Parlament, mindestens einmal im Jahr die Kommunion in der Anglikanischen Kirche zu empfangen sowie einen Eid auf die Krone zu schwören und eine Erklärung gegen die Transubstantiationslehre abzugeben. Er schloss neben Katholiken formal auch Nonkonformisten von öffentlichen Ämtern aus; viele Nonkonformisten sahen sich allerdings persönlich in der Lage, die Anforderungen zu erfüllen.

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Staat reichten. Seit 1823 hatten irische Katholiken mit der Catholic Association eine Massenorganisation zum Kampf für ihre rechtliche Gleichstellung aufgebaut, die von irischen Protestanten und deren politischen Freunden in Großbritannien als gefährlicher Staat im Staate betrachtet wurde. Im Gegenzug forcierten sie mit Organisationen wie dem protestantischen Oranierorden Bemühungen zur Verteidigung der protestantischen Sonderstellung.3 Die Folge waren heftige politische Auseinandersetzungen und gewaltsame Unruhen, die nach Mitte der 1820er Jahre eskalierten. Anfang Juli 1828 war der Führer der Catholic Association, Daniel O’Connell, bei einer Nachwahl zum Abgeordneten der irischen Grafschaft Clare gewählt worden, obwohl er als Katholik nicht ins Unterhaus einziehen konnte. Es war das erste Mal, dass die Catholic Association ihre auch in den vorangegangenen Jahren erfolgreiche Wahlkampfagitation nicht auf eine Unterstützung für prokatholische Protestanten beschränkte – ein deutliches Zeichen ihrer Radikalisierung, mit der sich Sorgen vor einer nationalen Revolution der irischen Katholiken verbreiteten. Wenige Tage später hatten die am 12. Juli stattfindenden Paraden des Oranierordens im irischen Norden trotz verschiedener Verbote durch Parlament und Regierung einen Höhepunkt erreicht und erhebliche Unruhen mit gewaltsamen Ausschreitungen verursacht.4 Konfrontiert mit einem drohenden Bürgerkrieg in Irland und dem parlamentarischen Druck der liberalen Opposition in Westminster begannen führende Tory-Politiker, allen voran Premierminister Wellington und Sir Robert Peel, ihre Ablehnung der Catholic Emancipation zu überdenken. Gerüchte über einen bevorstehenden Kurswechsel der Regierung riefen jedoch beim rechten Flügel der konservativen Abgeordneten Befürchtungen hervor und führten zur Gründung von Brunswick Clubs genannten protestantischen Vereinen in England und Irland, die Widerstand gegen die rechtliche Gleichstellung der Katholiken organisieren sollten.5 Die Initiative zum County Meeting in Kent war entsprechend von den sogenannten Tory-Ultras im Parlament ausgegangen, an deren Spitze mit Lord Kenyon und dem Bruder des Königs, dem Herzog von Cumberland und späteren Ernst August von Hannover, führende Mitglieder des Oberhauses standen.6 Die wichtigsten Ultras der Grafschaft, Lord Winchelsea und Sir Knatchbull, hatten die Verabschiedung einer Petition gegen die Emanzipation der Katholiken beantragt und die Versammlung einberufen lassen. Aber auch prokatholische Kreise riefen ihre Anhänger zur Teilnahme auf. Parlamentarier wie der für die Emanzipation streitende, aber konservative Lord Camden und der liberale Lord Darnley waren als Redner vorgesehen und hatten in den 3 Vgl. zur Catholic Association und der Emancipation Crisis in Irland R. Foster, Modern Ireland, S. 289 – 317 und Elvert, Geschichte Irlands, S. 323 – 340. Zum Oranierorden vgl. Senior, Orangeism. 4 Vgl. Neuheiser, Erinnerung, Kap. IV. 5 Vgl. Machin, Catholic Question und Senior, Orangeism. 6 Vgl. Best, Protestant Constitution und Simes, Ultra Tories.

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Tagen vor dem Treffen Unterstützer mobilisiert.7 Darüber hinaus reisten wichtige Mitglieder der Catholic Association, ihr Londoner Sekretär Shea und der bekannte irische Redner Richard Lalor Sheil, sowie prominente Radikale, insbesondere William Cobbett und Henry Hunt, von London nach Maidstone. Offensichtlich strebten alle politischen Gruppierungen einen offenen Schlagabtausch an, um ihren Gegnern die Unterstützung breiter Teile der Bevölkerung für ihre Position vor Augen zu führen. Das Treffen verlief tumulthaft. Die Redner der verschiedenen Parteien standen der Menge auf Podesten gegenüber, getrennt vom Sheriff der Grafschaft, dem die Veranstaltung trotz seiner Bemühungen um einen geordneten Ablauf immer wieder entglitt. Wie in Wahlkämpfen waren die Politiker in großen Paraden ihrer Anhänger auf das Feld gezogen, die Kapellen und Banner mitführten und sich durch Abzeichen kenntlich gemacht hatten. Während die Ultras auf den Schlachtruf „No Popery“ setzten, propagierten Liberale und Radikale „Civil and Religious Liberty“. Bis zum Einbruch der Dunkelheit bemühten sich die Redner aller Seiten, Anhänger für ihre Positionen zu gewinnen und sich gegen die Störungen der gegnerischen Parteien durchzusetzen. Plakate und Flugblätter wurden genutzt, um ihre Haltungen auch jenen zugänglich zu machen, die angesichts der Masse der Teilnehmer und der ständigen Unruhe aus der Menge kaum in der Lage waren, den Darlegungen auf den Podesten zu folgen. Trotz der Mobilisierung von verschiedenen Seiten zeichnete sich schon früh ein Erfolg der konservativen Ultras ab. Während ihre Reden bei der großen Mehrheit der Menge auf Zustimmung stießen und immer wieder Beifallsstürme auslösten, konnten ihre Gegner sich kaum Gehör verschaffen. Sheil, vielleicht der wichtigste der prokatholischen Sprecher und ein erfahrener Redner vor großen Menschenmengen, klagte in seiner eigenen Darstellung der Ereignisse vehement über die ungewöhnlich lauten und ununterbrochenen Störungen, die seine Rede behinderten.8 Henry Hunt und William Cobbett, gefeierte Radikale und gefürchtet für ihre demagogischen Fähigkeiten bei Massenversammlungen, mussten ihre Reden angesichts der wütenden Beschimpfungen der Menge sogar abbrechen. Als es am Abend zur Abstimmung über die Petition kam, hoben nach Schätzungen der entschieden prokatholischen Times etwa zwei Drittel der Versammelten ihre Hände und bejubelten die deutliche Ablehnung der rechtlichen Gleichstellung der Katholiken. Unter „No Popery“-Rufen und dem feierlichen Absingen der Nationalhymne endete das Treffen. Die konservativen Redner hatten an diesem Nachmittag an die historischen Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken im Königreich erinnert. Sie griffen dabei nicht auf das in England seit langem verbreitete Repertoire deftiger Tiraden gegen einen in jeder Hinsicht blutrünstigen, 7 Vgl. Spectator, 18.10.1828. 8 Vgl. Sheil, Sketches, Bd. II, S. 211 ff.

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machtbesessenen, moralisch verdorbenen und promiskuitiven Katholizismus zurück.9 Ihre Reden machten aber trotz einiger Zugeständnisse an ihre zeitgenössischen katholischen Gegner deutlich, dass katholischen Versprechen nicht zu trauen sei, die Prinzipien des katholischen Glaubens im Kern auf Intoleranz beruhten und die gegenwärtige Agitation der Catholic Association in Irland beweise, dass nach wie vor große Gefahren von der Katholischen Kirche ausgingen. Mit Blick auf die Lage in Irland bezweifelten die Konservativen, dass die Emanzipation der Katholiken zu einer grundsätzlichen Lösung der dortigen konfessionellen Konflikte führen würde. Vor allem aber begründeten sie ihre Ablehnung der Emanzipation mit einer konstitutionellen Sprache, die auf die Entstehung der englischen Verfassung während des Bürgerkriegs um das Jahr 1688 verwies und Englands Größe eng mit seiner Identität als protestantischer Nation verband. Die Sorge um die Protestanten und ihr Recht auf Religionsausübung habe das regierende Königshaus auf dem Thron etabliert und eine neue Verfassung geschaffen, unter der das Land erblüht, groß, glücklich und frei geworden sei. Loyalität zur Krone, englischer Patriotismus und Protestantismus bedingten einander und ließen sich nicht trennen. Die konservativen Redner erweiterten daher die im letzten Kapitel untersuchten Elemente des konservativen Konstitutionalismus um einen politischen Protestantismus, in dem nationale und religiöse Identitäten verbunden waren. Unter dem Jubel der großen Mehrheit der versammelten Menge warnten sie davor, die Privilegien der englischen Verfassung durch Konzessionen an Katholiken von Neuem zu gefährden, und riefen dazu auf, die Verfassung in allen ihren Teilen zu bewahren. Entsprechend verabschiedete die Versammlung eine Petition an das Unterhaus, in der sie es aufforderte, die „Protestant Constitution of the United Kingdom“ gänzlich und unverändert zu schützen. Der konservative Redner Plumtree fasste die Stimmung der Menge zusammen, als er ihr zurief: „Be loyal to your King – be firm to the Constitution – but above all, be faithful to your God. Do this, and depend upon it this great country will continue to be the glory of the world!“ Das Kent County Meeting erlangte schnell Berühmtheit in der englischen Geschichte. Schon die Zeitgenossen stritten über seine Bewertung. Zwar konnte am Erfolg der konservativen Antikatholiken kein Zweifel bestehen, aber ihre Gegner bemühten sich, die Bedeutung der Versammlung herunterzuspielen. Die Times etwa erklärte den aus ihrer Sicht desaströsen Verlauf mit der konzertierten Mobilisierung der Pächter konservativer Adeliger und Landbesitzer sowie der Aggressivität der Ultras beim Einsatz ihrer abhängigen Gefolgschaft und bezweifelte die Aussagekraft einer gekauften Abstimmung.10 William Cobbett versuchte sogar, die Mehrheiten als bloßes Versehen zu interpretieren. Seine Anhänger, die er auf etwa 15.000 und damit fast die Hälfte der Versammlung bezifferte, hätten durch ein Missverständnis geglaubt, seine 9 Vgl. Haydon, Anti-Catholicism und ders., I Love My Country. 10 Vgl. Times, 26. 10. 1828, 27.10.1828.

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Gegenpetition stünde zur Abstimmung, als der Sheriff um das Handzeichen bat – eine kaum glaubwürdige Erklärung angesichts des überaus negativen Empfangs, den ihm die versammelte Menge bereitet hatte.11 Dagegen feierte die konservative Presse das Meeting als Triumph und entschiedenes Bekenntnis des Volks zur protestantischen Identität der britischen Nation wie zur Ablehnung jeglicher Konzession an die Katholiken.12 Auch in der Forschung wurde das Treffen in Kent kontrovers diskutiert. Vor dem Hintergrund der erfolgreichen Durchsetzung der Catholic Emancipation im Frühjahr 1829 stellte sich die Frage, inwiefern Demonstrationen wie in Kent tatsächlich Ausdruck der verbreiteten Haltung der britischen Bevölkerung waren. Während die ältere Forschung das Scheitern der Ultras im Parlament vor allem auf ihre fehlende Entschlossenheit zur radikalen Mobilisierung einer entschieden antikatholischen Bevölkerung zurückführte und die Grafschaftsversammlung in Kent als einen Beleg für die „radical and rooted antipathies of the English masses“ sah, wurde diese in jüngster Zeit eher als ein letzter Höhepunkt eines zwar in den 1820er Jahren noch virulenten, letztlich aber schon entscheidend geschwächten protestantisch geprägten englischen Nationalbewusstseins verstanden.13 Für Linda Colley etwa war die Durchsetzung der Catholic Emancipation das Ende der Ära, in der eine aus der englischen Reformation gewonnene protestantische Identität zu den Kernelementen des britischen Patriotismus gehörte.14 Erkannte sie jedoch Reste dieser Identität nach 1829 vor allem in den englischen Unterschichten, betonten Studien zum Antikatholizismus in hochviktorianischer Zeit, dass gerade die Working Classes gegenüber einem aggressiv auftretenden konservativen Protestantismus weitgehend gleichgültig waren.15 Erst im späten 19. Jahrhundert sei es den Tories gelungen, über den „No-Popery-Cry“ große Unterstützung in den Unterschichten zu finden.16 Anders als Linda Colley sah insbesondere John Wolffe den Höhepunkt der Verbindung von Protestantismus und englischem Nationalismus erst im frühen 20. Jahrhundert.17

11 Vgl. Cobbett’s Weekly Register, 1.11.1828. 12 Vgl. etwa John Bull, 26. 10. 1828, 2.11.1828. 13 Vgl. für die ältere Forschung etwa B. Ward, Eve, ders., Sequel, Gwynn, Struggle, ders., Hundred Years, Hexter, Protestant Revival (Zitat auf Seite 319), Cahill, Irish Catholicism, Best, Protestant Constitution, ders., Constitutional Revolution, ders., Popular Protestantism, Machin, No Popery und ders., Catholic Question, S. 131 ff. Kürzlich hat Hickman, Religion vehement die These einer seit dem 17. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert verbreitet antikatholischen und antiirischen Bevölkerung vertreten. Ihre stark einseitige Darstellung der englischen Gesellschaft und die Ignoranz aller politischen Konflikte um die Rolle des Katholizismus und der Religion für das englische Nationalbewusstsein schwächen ihre Position aber erheblich. 14 Colley, Britons, S. 324 – 334. Ähnlich interpretierte Hinde, Catholic Emancipation, S. 117 ff. das Kent Meeting und die Proteste gegen die Emanzipation der Katholiken. 15 Vgl. Wolffe, Protestant Crusade und Paz, Popular Anti-Catholicism. 16 Vgl. N. Kirk, Change, Continuity and Class, S. 95 – 107. 17 Vgl. Wolffe, God and Greater Britain und ders., Change.

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Im Folgenden soll gezeigt werden, dass die enge Verbindung von protestantischer Identität und englischem Patriotismus nicht nur in den Kämpfen um die Emanzipation der Katholiken, sondern auch in den Jahrzehnten danach Kernbestand der konservativen Variante des Popular Constitutionalism war und bis weit in die Unterschichten politische Haltungen prägte. Religiöse Identitäten waren ein wichtiger Faktor in den politischen Auseinandersetzungen am Ort und mobilisierten entlang der Grenzen der politischen Lager Anhänger aus allen Schichten. Auf konservativer Seite spielten dabei nicht nur antikatholische Positionen, sondern auch Differenzen zwischen unterschiedlichen protestantischen Konfessionen und ihre gegensätzliche Haltung zur Rolle der Anglikanischen Kirche in der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Weder endete 1829 die Ära des protestantischen Nationalismus in England noch blieben die englischen Unterschichten nach dem Emancipation Act bis ins späte 19. Jahrhundert für konstitutionelle Argumente, in denen religiöse Aspekte eine zentrale Rolle spielten, unerreichbar. Vielmehr war die Emanzipation der Katholiken eine wichtige Etappe einer Auseinandersetzung, in der die Frage des Verhältnisses von Religion und Staat ein zentrales Element des Kampfs um das richtige Verständnis der englischen Verfassung und die Ausprägung politischer Identitäten bildete.

a) Die Konflikte um die Emanzipation der Katholiken Die Interpretation der Emanzipation der Katholiken als tiefen Einschnitt in der Geschichte des englischen Protestantismus und dessen Bedeutung für das englische Nationalbewusstsein, wie sie neben Linda Colley aus ganz anderer Perspektive ähnlich prominent J. C. D. Clark vertreten hat, beruht auf einer in sich geschlossenen Sicht auf die Auseinandersetzungen um die rechtliche Stellung der Katholiken im Königreich vom Ausgang der 1770er Jahre bis 1829.18 Aus dieser Perspektive wird von den ersten legislativen Verbesserungen bis zur Durchsetzung der nahezu vollständigen Gleichberechtigung eine klare Linie von zunehmenden Bemühungen der parlamentarischen Eliten um die Integration von Katholiken bei gleichzeitig kontinuierlich abnehmenden Widerständen innerhalb der englischen Gesellschaft erkennbar. Während 1780 rechtliche Konzessionen an Katholiken die Gordon Riots in London auslösten und randalierende Mengen tagelang die Stadt verwüsteten sowie zahlreiche Menschenleben forderten, blieben spätere Konflikte um die Emanzipation 1813 und 1821 friedlich; trotz aller Proteste gegen Wellingtons Gesetzesvorlage kam auch 1829 kein Mensch zu Schaden. In den 1790er Jahren formierten sich angesichts der militärischen Bedrohung durch das katholische Frankreich gewalttätige Mobs, die gegen die radikalen Anhänger französi18 Vgl. J. Clark, General Theory, ders., English Society, S. 393 ff. und ders., Protestantism.

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scher Reform- und Revolutionsideale ihre englische Identität mit dem Hinweis auf die Loyalität zur Staatskirche und zur Krone, „Church and King“, bekräftigten. 1829 schuf das Ende der gesetzlichen Festschreibung des protestantischen Charakters des britischen Staats Spielräume für Forderungen nach weiteren Verfassungsreformen; drei Jahre später feierten überall in England begeisterte Mengen die Durchsetzung der Wahlrechtsreform. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erschienen Historikern spätere Auseinandersetzungen um das Verhältnis der Katholiken zum Staat oder um die Stellung der Staatskirche als ein schwacher Nachhall früherer Konflikte und führten zu dem Schluss, dass nach 1829 eine protestantische Identität nicht mehr Teil eines gesellschaftlichen Konsenses sein konnte.19 Ohne die hohe Bedeutung des Emancipation Acts für die Debatten um die englische Verfassung und für das Verständnis von englischer Identität zu bestreiten, bleibt die Annahme einer kontinuierlichen Entwicklung vom antikatholischen Konsens im 18. Jahrhundert zur politischen Marginalität eines aggressiven Protestantismus nach 1829 dennoch oberflächlich. Problematisch ist bereits die Annahme eines protestantischen Konsenses. Zwar hat Linda Colley eindrucksvoll die weitreichende Bedeutung des Protestantismus für die Konstruktion eines britischen Nationalbewusstseins im 18. Jahrhundert belegt, aber schon in den Auseinandersetzungen zwischen Loyalisten und Radikalen der 1790er Jahre zeigte sich, dass über den Protestantismus der Nation und der Verfassung keineswegs Einigkeit herrschte.20 Die Gleichsetzung von Christentum und Verfassungstreue, die Gegenüberstellung des von Gott beschützten englischen Protestantismus mit der Gottlosigkeit der Französischen Revolution und dem Katholizismus der irischen Rebellen war eng verbunden mit der Propagierung konservativer Gesellschaftsvorstellungen, die schon liberale Whigs und gemäßigte Reformer aus dem loyalistischen Lager ausgrenzten.21 Der Schlachtruf „Church and King“ erfasste große Teile der Gesellschaft und mobilisierte bis weit in die Unterschichten, war zugleich aber Ausdruck einer starken politischen Polarisierung und gehörte eindeutig in den Kontext eines aggressiven Loyalismus, der auf die Verfassung, die Krone und die Staatskirche rekurrierte, um auf die Verbreitung liberaler und radikaler Reformbewegungen zu antworten. Darüber hinaus verlief die Entwicklung in der Debatte um die Emanzipation der Katholiken keineswegs linear. Forderungen nach der rechtlichen Gleichstellung der Katholiken wurden immer dann stärker, wenn englische Politiker intensiv nach einer dauerhaften Lösung für die konfessionellen Konflikte in Irland suchten. Debatten um die Emanzipation fanden entsprechend meist in Krisenphasen oder nach besonders heftigen Ausbrüchen konfessioneller Gewalt statt. Die konservativen Verteidiger der protestanti19 Vgl. zur Kritik an dieser Position Wolffe, Transatlantic Perspective. 20 Vgl. dazu oben Einleitung, S. 16 ff. 21 Vgl. K. Watson, Liberty, bes. Kap. 2, S. 47 – 90.

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schen Sonderstellung reagierten um 1800 auf solche Vorstöße mit der Betonung des protestantischen Charakters der Verfassung, der ihnen zu anderen Zeiten weniger wichtig gewesen war, wenn es darum ging, Widerstände gegen Forderungen nach anderen Reformen und Veränderungen des britischen Staats zu mobilisieren. In den frühen Flugschriften der Reeves-Associations aus den Jahren 1792 und 1793 etwa spielten Staatskirche und Protestantismus nur eine untergeordnete Rolle gegenüber der Verteidigung der Krone und den übrigen Errungenschaften der Verfassung, obwohl im Parlament in diesen Jahren auf Irland beschränkte rechtliche Konzessionen an Katholiken beschlossen wurden. Trotz der ständigen Betonung der Einheit von Kirche und Krone blieben unmittelbare Hinweise auf religiöse Aspekte der Verfassung und den protestantischen Charakter loyaler und patriotischer Haltungen selten.22 Das änderte sich einige Jahre später, nachdem im Norden Irlands Mitte der 1790er Jahre konfessionelle Gegensätze zwischen Katholiken und Protestanten bürgerkriegsähnliche Dimensionen angenommen und sich 1798 im Aufstand der United Irishmen ein Bündnis zwischen meist katholischen irischen Nationalisten und Englands Kriegsgegner Frankreich entwickelt hatte.23 Die loyalistische Propaganda antwortete mit religiösen Argumenten. Die Verteidigung des englischen Staats gegen innere und äußere Feinde wurde nun mit entschieden antikatholischen Positionen verknüpft, welche die enge Verbindung von britischer und protestantischer Identität hervorhoben.24 Mit dem 1795 gegründeten Oranierorden entstand ein Kampfbund, der mit seinen Paraden in Irland ein öffentliches Ritual zur Bekräftigung der protestantischen Sonderstellung schuf und zunächst unter irischen Protestanten schnell den Charakter einer Massenbewegung annahm. Über die englischen Truppen, die 1798 zur Niederschlagung des Aufstands nach Irland gesandt worden waren, breitete er sich darüber hinaus nach England aus und wurde mit zahlreichen Logen in allen Teilen des Landes zu einem Teil der loyalistischen Reaktion auf unterschiedliche Angriffe auf die britische Verfassung.25 Ganz anders als die Vorstellung einer linearen Entwicklung seit den 1770er Jahren nahelegt, stand um 1800 der Protestantismus des englischen Staats deutlicher im Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten als noch wenige Jahre zuvor. Die starke Zunahme dezidiert protestantischer Aspekte in den politischen Auseinandersetzungen um die Jahrhundertwende trennte zudem konservative Kreise außerhalb des Parlaments von Tory-Regierungspolitikern, die nach 22 Eine Durchsicht der Pamphlete der Reeves-Associations unterstreicht die trotz der „Churchand-King“-Ideologie erstaunlich wenigen Hinweise auf den protestantischen Charakter der Verfassung. Vgl. Reeves-Association, Association Papers. Vgl. zur Haltung der loyalistischen Vereine insgesamt J. A. Caulfield, Reeves Association, S. 221 ff. 23 Vgl. K. Watson, Liberty, Kap. 2 und S. 114. 24 Vgl. Smyth, Anti-Catholicism, S. 62 – 73. 25 Zur Ausbreitung des Oranierordens nach England vgl. Senior, Orangeism, S. 151 – 176 und unten, Kapitel 4.

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pragmatischen Lösungen zur Entspannung der Lage in Irland suchten und eine dauerhafte Integration der Katholiken in die britische Gesellschaft anstrebten. Schon William Pitt wollte die 1801 beschlossene Union mit Irland mit der Emanzipation der Katholiken verbinden, scheiterte letztlich aber am Widerstand Georgs III. 1812 war die Tory-Regierung unter Lord Liverpool über die katholische Frage gespalten, und Liverpool entschied sich, seinen Ministern die Zustimmung zu einem prokatholischen Antrag des konservativen Abgeordneten George Canning freizustellen. Sowohl im Kabinett als auch in den Reihen der konservativen Abgeordneten fand Cannings Haltung Unterstützung.26 Jenseits der Parlaments- und Regierungsebene wurde die Ablehnung aller Konzessionen an Katholiken dagegen zu einem zunehmend wichtigeren Element konservativer Identität. Die konservative Presse propagierte nach 1801 immer entschiedener die enge Verbindung von Religion und Politik sowie den protestantischen Charakter des englischen Staats. Hatten zahlreiche Publikationen im Tory-Lager bis 1800 durchaus Unterstützung für die rechtliche Gleichstellung der Katholiken signalisiert, wurden eine antikatholische Haltung und die bedingungslose Verteidigung der Staatskirche jetzt zum eigentlichen Bindeglied unterschiedlicher Stränge konservativen Denkens und prägten die Formierung relativ unabhängiger konservativer Kreise und Politiker zum Parteiverband.27 Die Verehrung der bestehenden Verfassung mit einem bedingungslosen Bekenntnis zum Protestantismus und der Absage an jede politische Konzession gegenüber Katholiken zu verknüpfen, entwickelte sich zu einem Element der konservativen Variante des Popular Constitutionalism, das ältere Formen des englischen Antikatholizismus unter dem Schlagwort No Popery integrierte und weiterführte, letztlich aber erst gegen Ende der 1820er Jahre voll ausgeprägt war. Dass eine entsprechende Haltung bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts jenseits der politischen Eliten und der relativ hochstehenden Kreise der Rezipienten konservativer Monatsschriften und überregionaler Tageszeitungen populär war, zeigte sich in der antikatholischen Welle, die in England ausbrach, als das Parlament endgültig über eine Gesetzesvorlage zur Emanzipation der Katholiken beriet. Im Winter 1812/13 fanden in zahlreichen englischen Städten und Grafschaften öffentliche Versammlungen statt, die Petitionen gegen die prokatholische Initiative beschlossen. Über Wochen gingen in beiden Häusern des Parlaments lange Listen mit Tausenden von Unterschriften ein, die gegen die Pläne zur Gleichstellung der Katholiken protestierten. Petitionen kamen aus allen Teilen des Landes, aus Bristol, aus Cornwall und Kent ebenso wie aus Nordengland. Auch in den im Rahmen dieser 26 Vgl. Machin, Catholic Question, S. 12 ff. und Hinde, Catholic Emancipation, S. 1 – 18. Im Juni 1812 erhielt Cannings Antrag, die Regierung aufzufordern, eine Verbesserung der rechtlichen Stellung der Katholiken vorzubereiten, im Unterhaus eine Mehrheit von über 100 Stimmen. 27 Vgl. Sack, Jacobite to Conservative.

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Arbeit untersuchten Städten mobilisierten die Antikatholiken: In Bolton unterschrieben über 6.000 Männer (bei einer Bevölkerungszahl von ca. 24.000), in Leeds, wo gleich mehrere Petitionen beschlossen wurden, zwischen 6.000 und 10.000 (bei ca. 62.000 Einwohnern); in der damals etwa eine Million Menschen fassenden Metropole London wurden sogar über 60.000 Unterschriften für eine entsprechende Petition gesammelt.28 Die Zahl der Unterschriften war so hoch, dass viele von ihnen aus den untersten Schichten der Gesellschaft stammen mussten, und sie beeindruckte, obwohl die Befürworter der Emanzipation im Parlament über die Methoden ihrer Sammlung klagten und ihrerseits prokatholische Petitionen vorlegten.29 Gerade ihre Vorwürfe, etwa dass antikatholische Unterschriften in London in Kirchen und Kneipen sowie beim übelsten Gesindel gesammelt worden wären, sowie die Klagen über die heftigen und völlig entstellenden antikatholischen Flugschriften, Drucke und Polemiken, die das Land aufgewühlt hätten, belegten die hohe Verbreitung des „No-Popery-Cry“ in allen Teilen der Bevölkerung.30 Zudem zeigte sich die politische Polarisierung zwischen Konservativen und ihren Gegnern: Nicht zufällig waren es vor allem ultrakonservative Parlamentarier, die sich im Frühjahr 1813 von ihren Sitzen erhoben, um antikatholische Petitionen zu präsentieren, und liberale und radikale Abgeordnete wie etwa Francis Burdett, zu diesem Zeitpunkt eine der Symbolfiguren des Londoner Radikalismus, die ihre Bedeutung anzweifelten oder auf prokatholische Demonstrationen und Petitionen verwiesen.31 Obwohl die Gesetzesvorlage im Unterhaus letztlich an der Spaltung im prokatholischen Lager und der Ablehnung durch den Prinzregenten und späteren König Georg IV. scheiterte, hatte die starke antikatholische Mobilisierung in England ihre Wirkung nicht verfehlt.32 Dennoch wäre es falsch, die antikatholische Welle im Frühjahr 1813 als Beleg für eine nach 1800 grundsätzlich dominante und jederzeit gegen katholische Vorstöße mobilisierbare protestantische Identität der englischen 28 Vgl. die Angaben zu den Petitionen in den Parlamentsprotokollen, Hansard, 1. Serie, Bd. 24, Januar und Februar 1813. Die Zahl der Unterschriften aus Bolton und London stammt aus den Protokollen (ebd., Sp. 394 bzw. Sp. 693); die Zahl der Unterschriften aus Leeds wurde 1828 im Zuge der Emanzipationskrise im Leeds Intelligencer, 1. 5. 1838, diskutiert. Petitionen aus Leeds gegen die Emanzipation wurden im Unterhaus am 8. 2. 1813 und 23. 2. 1813 eingebracht; weitere Petitionen aus dem Großraum Leeds erreichten das Parlament ebenfalls in diesen Tagen (Huddersfield Petition: 5. 2. 1813 im House of Lords, 8. 2. 1813 im House of Commons; Halifax Petition: 25. 2. 1813 im House of Lords). Zu den Einwohnerzahlen vgl. für Bolton Clegg, Annals of Bolton, S. 24; für Leeds C. J. Morgan, Demographic Change, S. 48 sowie für London Schwarz, London 1700 – 1840. 29 Aus Leeds im Unterhaus etwa am 25. 2. 1813, vgl. Hansard, 1. Serie, Bd. 24. 30 Entsprechende Diskussionen begleiteten die Einbringung vieler Petitionen; besonders intensiv wurde etwa die Petition aus Westminster und London diskutiert, vgl. ebd., Sp. 693. 31 Ebd. 32 Vgl. zu den parlamentarischen Auseinandersetzungen Machin, Catholic Question, S. 14 f. und Hinde, Catholic Emancipation, S. 2 f.

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Bevölkerung zu werten. Nicht nur die Annahme einer kontinuierlichen Abnahme der Bedeutung des Protestantismus für das englische Nationalbewusstsein vereinfacht das Bild der Rolle religiöser Aspekte für politische Identitäten innerhalb der Unterschichten im frühen 19. Jahrhundert, sondern auch die Vorstellung antikatholischer Massen, die bereitwillig auf ultrakonservative Impulse reagierten. So wurde die Frage der Emanzipation der Katholiken nach 1813 jedes Jahr im Parlament debattiert, ohne dass sich erneut eine starke antikatholische Bewegung formierte oder zahlreiche Petitionen in Westminster eintrafen. Auch als Anfang der 1820er Jahre zum ersten Mal eine knappe Mehrheit im Unterhaus ein Gesetz zur Emanzipation befürwortete, blieben die öffentlichen Reaktionen bemerkenswert ruhig, bevor das Oberhaus die Vorlage stoppte.33 Die Emanzipationsdebatte im Parlament folgte 1821 kurze Zeit nach dem Ende der Affäre um Königin Caroline und den monatelangen tumulthaften Protesten um die Scheidung Georgs IV. von seiner Frau. Wie im ersten Kapitel geschildert, zeigte sich in den zugespitzten politischen Auseinandersetzungen zwischen Konservativen, Liberalen und Radikalen eine hohe Popularität für radikale Reformbestrebungen. Neben dem allgegenwärtigen Ruf nach Wahlrechtsreformen und der Garantie von Presse- und Versammlungsfreiheit gehörte dazu unter dem Stichwort „Justice for Ireland“ häufig die Forderung nach völliger Religionsfreiheit und einer Emanzipation der Katholiken.34 Obwohl die konservative Presse durchaus vehement gegen Katholiken polemisierte und die Verteidigung der protestantischen Verfassung sowie die Wahrung der protestantischen Identität Englands forderte, blieb eine starke Protestbewegung, die über konservative Eliten hinausreichte, im Frühjahr 1821 aus.35 Zwar hatte sich schon bei Demonstrationen der Jahre 1819 und 1820 gezeigt, dass die prokatholische Haltung radikaler Politiker auf weniger Unterstützung in den versammelten Mengen stieß als ihre Forderung nach demokratischen Reformen. Zudem war es konservativen Kandidaten bei den Wahlen nach der Thronbesteigung Georgs IV. im März 1820 in den Londoner Hochburgen der Protestbewegung gelungen, das Lager der Reformer mit antikatholischen Positionen zumindest in Verlegenheit zu bringen.36 Solche 33 Vgl. ebd. 34 Vgl. Belchem, Working Class Radicalism. 35 Vgl. zu entsprechenden Beiträgen und Kommentaren in konservativen Zeitungen etwa John Bull, 25. 3. 1821, 15. 4. 1821, 22. 4. 1821; Leeds Intelligencer, 12. 3. 1821, 26. 3. 1821, 2.4.1821. 36 Bei einer Demonstration im Londoner Stadtteil Smithfield hatte Henry Hunt im Juli 1819 vehement für die Gleichberechtigung der Katholiken plädiert. Die entsprechende Passage der am Ende beschlossenen Petition erhielt zwar bei der Abstimmung der rund 20.000 Teilnehmer eine klare Mehrheit; allerdings war die prokatholische Forderung die einzige, gegen die aus der Menge Protest geäußert wurde. Vgl. Times, 22. 7. 1819; Observer 25.7.1819. Antikatholische Stimmungen bei Wahlen zeigten sich im März 1820 bei der Nominierung in Southwark, wo der konservative Kandidat Turton durch „No-Popery“-Forderungen die liberal-radikalen Kandidaten an den Rand einer Niederlage bringen konnte. Vgl. Times, 9. 3. 1820, 11. 3. 1820; Observer, 13.3.1820.

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Stimmungen manifestierten sich aber ein Jahr später nicht in einer breiten öffentlichen Ablehnung der Emanzipation: Nur wenige Petitionen gegen den Gesetzentwurf erreichten das Parlament. Der Stimmungsumschwung gegen die radikale Protestbewegung und die Anhänger der Königin, der sich etwa zeitgleich in loyalistischen Festen und deutlichen Bekenntnissen zur Krone manifestierte, formierte sich um die positive Wahrnehmung der Monarchie sowie einen Patriotismus, der kaum auf protestantische Elemente zurückgriff.37 Selbst in den elitären Pitt-Clubs, in denen landesweit nationale und lokale konservative Führungszirkel zusammentrafen, um die Erinnerung an Pitt mit der Propagierung einer konservativen Haltung zu verbinden, beschworen Reden und Debatten 1821 die entschlossene Ablehnung radikaler Bestrebungen und die Qualitäten der bestehenden englischen Verfassung, ohne auf antikatholische Ressentiments zurückzugreifen oder den protestantischen Charakter der englischen Konstitution besonders zu betonen.38 Angesichts der verbreiteten Angst vor einer demokratischen Revolte waren protestantische Identitäten im konservativen Lager 1821 anders als in den Jahren nach 1800 wieder von geringerer Bedeutung. Solche Bedeutungsschwankungen in bestimmten Phasen der politischen Auseinandersetzung zwischen Konservativen, Liberalen und Radikalen sind jedoch kein Beleg für einen grundsätzlichen Wandel der Rolle des Protestantismus in der englischen Gesellschaft oder einen Durchbruch zur Akzeptanz der Emanzipation der Katholiken. Vielmehr zeigen sich in den Verschiebungen der öffentlichen Debatte um die Emanzipation von 1790 bis 1820 wie schon in den Popularitätsschwankungen konkurrierender Loyalismusund Patriotismuskonzeptionen Konjunkturen politischer Ideen, die auf die Komplexität der Mobilisierungsmechanismen auf der untersten politischen Ebene und das Wechselspiel zwischen scheinbar diametral entgegengesetzten Identitätsangeboten von radikaler und konservativer Seite verweisen. Nach dem Ende der Napoleonischen Kriege war es radikalen Politikern gelungen, eine breite Bewegung für grundlegende Reformen der englischen Gesellschaft zu formieren, die ihre Popularität nicht zuletzt dadurch gewann, dass sie die wirtschaftliche Notlage in der ökonomischen Krise nach der Demobilisierung und soziale Spannungen, die sich aus dem Bedeutungsverlust traditioneller Handwerker gegenüber neuen industriellen Produktionsweisen und rasanten Urbanisierungsprozessen ergaben, in Proteste gegen die seit langem bestehenden Strukturen der englischen Verfassung kanalisieren konnte.39 Ihren Höhepunkt erreichte diese Bewegung während der Affäre um Königin Caroline, nachdem 1820 mit dem neuen König Georg IV. ein Akteur an die Spitze 37 Vgl. oben, Kapitel 1, S. 72 ff. und Fulcher, Loyalist Response. 38 Vgl. die Berichte über die Pitt-Club Meetings 1820 und 1821 in London und Leeds Times, 29. 5. 1820, 29. 5. 1821; Leeds Intelligencer, 29. 5. 1820, 4.6.1821. Zur Rolle der Pitt-Clubs insgesamt vgl. Sack, Memory. 39 Vgl. E. Thompson, Making, Kap. 15, Wright, Popular Radicalism, Kap. 4 und Belchem, Class, S. 70 – 83.

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des politischen Systems gelangt war, dessen selbstgerechter Umgang mit Macht und den Ansprüchen seiner Frau sich in das Bild eines korrupten und degenerierten englischen Staats einfügte, das radikale Wortführer verbreiteten. Schon mit Blick auf die Feiern um die Monarchie in dieser Phase konnte gezeigt werden, dass das Bild einer radikalisierten protestierenden Unterschicht selbst für die Hochphasen des radikalen Protests nicht zutrifft und das politische Kräfteverhältnis auch zu diesen Zeiten eher durch das Nebeneinander von Proteststimmung und loyalistisch-patriotischen Haltungen innerhalb heterogener Unterschichten geprägt war. Entscheidend ist aber, dass Kernbegriffe des liberalen und radikalen Protests, etwa die Forderung nach „Civil and Religious Liberty“, der Wahrung der traditionellen Freiheitsrechte von Engländern oder die patriotische Klage über die Verkommenheit der politischen Eliten an der Spitze des Staats durch geringfügige Bedeutungsverschiebungen in einen konservativen Kontext übernommen werden konnten. Der von Mark Philp mit Blick auf loyalistische Konservative in den Unterschichten um 1800 konstatierte jederzeit mögliche Wechsel ins radikale Lager war daher auch in umgekehrter Richtung nicht unwahrscheinlich.40 Mit dem Ruf nach „Civil and Religious Liberty“ mochte sich aus radikaler Sicht zwangsläufig die Forderung nach völliger Religionsfreiheit und katholischer Gleichberechtigung verbinden. Mit Hinweis auf die historischen Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken sowie der Betonung katholischer Intoleranz konnte das gleiche Schlagwort zum Symbol für die Verteidigung der rechtlichen Diskriminierung von Katholiken werden. Auf dem Höhepunkt der politischen Krise in den Jahren 1820 und 1821 war die Dominanz radikaler Stimmen zu groß, als dass durchaus populäre antikatholische Positionen zu einem Meinungsumschwung hätten führen können. Aber selbst zu diesem Zeitpunkt finden sich Anzeichen, dass die Forderung nach der Emanzipation der Katholiken auch unter Anhängern radikaler Ideen auf Widerspruch stieß. Es bedurfte daher nur einer geringfügigen Verschiebung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, um die protestantische Identität des englischen Nationalismus wieder in den Vordergrund treten zu lassen, damit sie im Kontext konservativer Gesellschaftsvorstellungen als Bindeglied für eine völlig gegensätzliche populäre Bewegung fungieren konnte. Wenige Jahre später war diese Verschiebung erfolgt. Drei Faktoren spielten dabei eine wichtige Rolle. Erstens verlor die radikale Protestbewegung nach dem Ende der Caroline-Affäre an Einfluss. Zum Teil war das eine späte Konsequenz staatlicher Repressionsmaßnahmen, die schon nach der PeterlooDemonstration 1819 veranlasst und 1820 verschärft worden waren; neben der Einschränkung der Versammlungs- und Pressefreiheit wirkten sich insbesondere Haftstrafen gegen führende Radikale wie Henry Hunt und scharfe Urteile gegen Beteiligte an vereinzelten gewaltsamen Aufständen negativ auf 40 Vgl. Philp, Vulgar Conservatism, S. 66 f.

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die Bewegung aus. Zudem trugen die Erfolge der konservativen Gegenbewegung bei der Propagierung loyalistischer Haltungen nach dem aus radikaler Sicht enttäuschenden Ende der Affäre zur Schwächung der Forderungen nach Reformen bei. Schließlich verbesserte sich die wirtschaftliche Lage zu Beginn der 1820er Jahre spürbar und reduzierte soziale Spannungen, welche die politischen Konflikte nach 1816 verschärft hatten.41 Zweitens führte die eingangs bereits erwähnte Eskalation der konfessionellen Gegensätze zwischen Katholiken und Protestanten in Irland nach 1823 dazu, dass sich in Parlamentsund Regierungskreisen das Drängen auf eine grundsätzliche Lösung der rechtlichen Stellung der Katholiken verstärkte. Während die englische Presse detailliert über die gewaltsamen Ausschreitungen zwischen den verfeindeten Gruppen in Irland berichtete und damit einer breiten Öffentlichkeit die Bedeutung religiöser Identitäten für die Strukturen der britischen Gesellschaft erneut vor Augen führte, rückte die Frage der Emanzipation der Katholiken wieder in den Mittelpunkt der politischen Debatten in England.42 Drittens erreichte gegen Mitte der 1820er Jahre eine religiöse Erneuerungsbewegung ihren Höhepunkt, die schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts puritanische und evangelikale Haltungen innerhalb des britischen Protestantismus verstärkt hatte. Die Botschaft eines evangelischen Erwachens war ausgehend von Methodisten und Nonkonformisten über reisende Prediger, Bibelgesellschaften und neue Gemeinden bis in die Anglikanische Kirche populärer geworden und verband sich mit millenaristischen und chiliastischen Vorstellungen eines nahen Weltendes, die vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Kriegs- und Revolutionsepoche an Einfluss gewonnen hatten. Mit den Vorstellungen der ,Zweiten Reformation‘ verstärkten sich antikatholische Positionen innerhalb der protestantischen Konfessionen in England. Zugleich führte die Erwartung der Wiederkehr Christi zu einem religiösen Eifer, der ein kompromissloses protestantisches Bekenntnis als eine wichtige individuelle und gesellschaftliche Aufgabe verstand.43 Insgesamt hatte sich in kurzer Zeit das politische Klima so weit verändert, dass ein erneuter Versuch zur Durchsetzung der Emanzipation der Katholiken die nationale Bedeutung des Protestantismus in den Mittelpunkt konservativer Auseinandersetzungen mit reformbereiten Kräften treten ließ. Schon bei den Parlamentswahlen im Juni 1826 wurde diese Entwicklung deutlich. In der Grafschaft Yorkshire traten die beiden konservativen Kandidaten Richard Fountayne Wilson und William Duncombe mit klaren antikatholischen Parolen an und propagierten ein entschieden protestantisches 41 Vgl. E. Thompson, Making, Kap. 16, Wright, Popular Radicalism, Kap. 4 und Belchem, Class, S. 82 – 89. 42 In allen für diese Arbeit gelesenen Zeitungen, sowohl der nationalen als auch der lokalen Presse, nahmen Berichte über die Lage in Irland in den frühen 1820er Jahren einen bemerkenswerten Umfang der Ausgaben ein. 43 Vgl. Wolffe, Protestant Crusade, ders., Change, Hempton, Religion and Political Culture, S. 93 ff. und passim, ders., Religion of the People und Hilton, Corn, Kap.1.

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Verständnis der englischen Gesellschaft, um sich von ihren liberalen Gegnern abzugrenzen. Auf ihren Wahlkampfreisen durch die Städte des West Ridings unterstrichen sie nicht nur ihre Ablehnung der Katholikenemanzipation, sondern präsentierten sich vor allem als Schützer einer englischen Verfassung, die für sie im Kern auf protestantischen Prinzipien und der engen Verbindung von Staat und Religion beruhte: Jede Form des Regierens müsse auf göttlichem Recht und dem wahren Glauben aufgebaut sein.44 Vor den rund 20.000 bis 30.000 Zuhörern, die sich schließlich am Tag der Nominierung vor den Wahltribünen in York versammelt hatten, begründete Henry Hall, Bürgermeister von Leeds und einer der prominentesten Konservativen der Stadt, seine Unterstützung für Wilson damit, dass es bei dieser Wahl nicht um die Frage Tory oder Whig gehe, sondern um die Verteidigung der Verfassung, die durch weitere Konzessionen an Katholiken zerstört werden würde.45 Zu diesem Zeitpunkt hatten die konservativen Kandidaten bereits eine lange Kutschenfahrt von Leeds in die Grafschaftshauptstadt hinter sich, auf der sie in zahlreichen Dörfern und Ortschaften von versammelten Anhängern jubelnd begrüßt und mit blauen Fahnen und Bannern wie „Protestant Cause“, „King and Constitution“ und „No Popery“ empfangen worden waren. Ihren krönenden Abschluss fand diese Demonstration mit einem Erfolg der ToryKandidaten am Ende der Nominierung, als sie ihre liberalen Gegenkandidaten nach scharfen Angriffen auf einen nicht nur unveränderten, sondern grundsätzlich unveränderlichen und zutiefst intoleranten Katholizismus bei der Abstimmung der versammelten Menge distanzieren konnten. Sechs Jahre nachdem der konservative Kandidat Stuart Wortley im Grafschaftswahlkampf 1820 sowohl in Leeds als auch in York von aufgebrachten Mengen heftig attackiert und massiv mit Reformforderungen und Vorwürfen gegen die ToryRegierung und ihre Maßnahmen gegen Radikale konfrontiert worden war, konnte der Leeds Intelligencer 1826 angesichts der völlig veränderten Stimmung gegenüber den konservativen Kandidaten einen „Protestant Triumph“ feiern.46 Eine detailliertere Rekonstruktion des Wahlkampfes von 1826 lässt zwar Zweifel am Ausmaß des protestantischen Triumphs der Konservativen in York aufkommen. Denn anders als der Intelligencer stellte die liberale Presse nach der Nominierung fest, dass die konservative Mehrheit über die liberalen Kandidaten bei der Handabstimmung äußerst knapp gewesen sei. Die Abstimmung hätte drei Mal wiederholt werden müssen, bevor das Ergebnis sicher war, obwohl einflussreiche Tory-Landbesitzer auf unfaire Weise dafür gesorgt hätten, dass ihre Pächter und sonstigen Abhängigen in großer Zahl vor den Wahltribünen versammelt waren.47 Zudem erhielt der unabhängige 44 45 46 47

Vgl. Leeds Intelligencer, 8. 6. 1826, 15.6.1826. Vgl. Leeds Intelligencer, 15.6.1826. Vgl. ebd. Zum Wahlkampf 1820 vgl. Leeds Intelligencer 6. 3. 1820 und 27.3.1820. Vgl. Times, 14.6.1826.

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Kandidat Richard Bethall trotz seiner eindeutigen Unterstützung der Emanzipation der Katholiken mehr Handzeichen als die konservativen Kandidaten. Dennoch erscheint die positive Deutung der Ereignisse durch die Konservativen weitgehend plausibel. Angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der die unterlegene Partei jeden Erfolg der anderen Seite stets auf unlautere Methoden bei der Mobilisierung von Anhängern zurückführte, hatte der liberale Hinweis auf die Rolle von Patronage und Druckausübung nur geringe Bedeutung. Der Einfluss konservativer Landbesitzer in der Umgebung um York war kaum so groß, dass sie jederzeit eine gefügsame Masse von Anhängern versammeln konnten; andernfalls hätten offene Abstimmungen bei Nominierungen in der Grafschaft stets zu eindeutigen Tory-Ergebnissen führen müssen.48 Darüber hinaus konnte der Intelligencer darauf verweisen, dass der Erfolg Bethalls vor allem darauf beruhte, dass sowohl Konservative als auch Liberale darauf spekulierten, durch ihre Unterstützung für ihn dafür zu sorgen, dass bei der Wahl der vier Abgeordneten der Grafschaft zumindest ein Kandidat der gegnerischen Seite keinen Sitz erhielt. Bethall hatte vor diesem Hintergrund im Wahlkampf eine Festlegung in der Emanzipationsfrage vermieden; nach seiner Rede in York konnte er nicht mehr auf die Unterstützung der konservativen Wähler rechnen und zog seine Kandidatur unmittelbar nach der Abstimmung der Menge zurück.49 Selbst wenn die Konservativen wohl keinen triumphalen Erfolg erzielen konnten, zeigten die Auseinandersetzungen zwischen den Parteien im Wahlkampf und bei der Nominierung dennoch, dass konservative Vorstellungen über die Propagierung eines protestantischen Verfassungsideals in Yorkshire nur wenige Jahre nach dem Höhepunkt der großen Reformbewegung zu Beginn der 1820er Jahre erhebliche Unterstützung bei weiten Teilen der Bevölkerung fanden und dass Fragen der religiösen Identität 1826 wieder in den Mittelpunkt des politischen Konflikts gerückt waren. Auf ähnliche Weise dominierte die Frage der Emanzipation der Katholiken die Auseinandersetzungen in den Londoner Wahlkämpfen. Zwar stellte sich nur im Wahlkreis Southwark ein konservativer Kandidat mit eindeutigem 48 Zudem verwies der Intelligencer in seiner nächsten Ausgabe in ähnlicher Diktion wie die liberale Presse darauf, dass die Liberalen nach der Niederlage bei der Nominierung besonders große Anstrengungen unternommen hätten, um bei der Verkündung des eigentlichen Wahlergebnisses wenige Tage später ihre Kandidaten mit einer prokatholischen Menge zu unterstützen. Trotz Einschüchterungsversuchen und Mobilisierungsversuchen in Fabriken liberaler Unternehmer blieb die Menge aber konservativ gestimmt. Vgl. Leeds Intelligencer, 22.6.1826. 49 Ebd. Bei den Wahlen zuvor waren die Sitze in der Grafschaft Yorkshire jeweils ohne eigentliche Wahl auf konservative und liberale Kandidaten aufgeteilt worden. 1826 hofften beide Parteien auf einen Wahlgang, um das Patt in der Grafschaft beenden zu können, verzichteten aber auf die Nominierung weiterer eigener Kandidaten. Der Grund hierfür mag die Erhöhung der Zahl der Abgeordneten für die Grafschaft von zwei auf vier gewesen sein, die es schwierig machte, geeignete Kandidaten mit den notwendigen finanziellen Mitteln zur Bestreitung eines kostspieligen Wahlkampfs zu finden. Auf konservativer Seite hatte zudem der ehemalige Abgeordnete Stuart Wortley erst kurz vor der Wahl eine erneute Kandidatur ausgeschlossen.

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Bekenntnis zur „Protestant Constitution“ zur Wahl, aber auch in der City of London stritten die sechs mehr oder weniger dem liberalen oder radikalen Lager entstammenden Kandidaten vor allem über die Stellung der Katholiken. In Southwark reagierten die liberalen Kandidaten defensiv auf die verbreitete antikatholische Stimmung. Charles Calvert etwa gab bei der Nominierung auf der Wahltribüne zu, dass seine prokatholische Haltung ganz offensichtlich keine Mehrheit in der Bevölkerung habe, warnte aber davor, wegen der Differenzen in dieser Frage den Kampf für andere Reformen wie die Wahlrechtserweiterung durch die Wahl eines Tories zu schwächen. Vor der Tribüne hatten sich zahlreiche Anhänger des konservativen Kandidaten Polhill eingefunden, und ihre Plakate und Fahnen mit „No-Popery“-Parolen führten dazu, dass die Nominierung von Schlägereien und Ausschreitungen begleitet war.50 In ähnlicher Weise sahen sich die Kandidaten bei der City-Nominierung in der Guildhall einer Menge gegenüber, die in angespannter Atmosphäre auf die Positionierung der Kandidaten in der Emanzipationsfrage wartete, prokatholische Aussagen mit scharfem Protest quittierte und Bekenntnisse zur protestantischen Identität der englischen Verfassung bejubelte.51 Zwar konnten sich in der City wie in Southwark letztlich Reformkandidaten durchsetzen und darüber hinaus die Handabstimmungen der Menge bei der Nominierung relativ deutlich für sich entscheiden, aber im Verlauf der Auseinandersetzungen war erkennbar geworden, dass in London ebenso wie in Yorkshire antikatholische Positionen eine wichtige Rolle spielten und ein großes Potential für eine populäre konservative Bewegung bildeten.52 In der Umgebung von Bolton zeigte sich eine entsprechende Entwicklung erst zwei Jahre später, als sich die parlamentarische Debatte um die Emanzipation der Katholiken ihrem Höhepunkt näherte. 1826 war der Wahlkampf in der Grafschaft Lancashire vom Streit über die persönliche Integrität der drei nominierten Politiker beherrscht worden und nach dem Rückzug eines Kandidaten in letzter Minute mit der Ernennung je eines Abgeordneten von liberaler und konservativer Seite zu Ende gegangen.53 Ab dem Frühjahr 1828 rückten dann aber auch in Bolton Fragen der religiösen Identität in den Mittelpunkt konservativer Mobilisierungsstrategien und wurden zum zentralen Konfliktfeld zwischen den Tories und ihren liberalen bzw. radikalen Gegnern. Entsprechende Auseinandersetzungen spiegelten sich in den Spalten des reformorientierten und prokatholischen Bolton Chronicles in zunehmend heftigeren Polemiken und Attacken gegen die Tories am Ort sowie die über50 Vgl. Times, 7. 6. 1826, 8.6.1826. 51 Vgl. Times, 10.6.1826. 52 In der Handabstimmung in der City erhielten zudem die beiden liberalen Kandidaten, die besonders klar gegen die Emanzipation Stellung bezogen hatten, deutliche Mehrheiten. In einem Feld von Kandidaten, die in anderen politischen Fragen ähnliche Reformpositionen vertraten, schien eine antikatholische Haltung die Wahlchancen erheblich zu verbessern. Vgl. ebd. 53 Vgl. Times, 19.6.1826.

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regionale konservative Presse wider.54 Seit 1792 existierte in Bolton ein Church-and-King-Club, in dem sich die konservativ-anglikanischen Führungszirkel der Stadt zusammengeschlossen hatten; neben dem Vikar der Stadt und Colonel Fletcher wurde er 1828 von Mitgliedern aus prominenten Familien des lokalen Adels und bürgerlichen Industriellen dominiert.55 Als das Parlament in Westminster im März 1828 über die Aufhebung der rechtlichen Restriktionen gegen Nonkonformisten debattierte, begann der Churchand-King-Club mit entsprechenden Petitionen eine Kampagne für den Erhalt der Vorrechte der Anglikanischen Kirche und die Stärkung ihrer nationalen Bedeutung als Staatskirche.56 Im Herbst des Jahres ging diese Kampagne in den Kampf gegen die Emanzipation der Katholiken über ; nur wenige Wochen nach der Demonstration auf Penenden Heath in Kent wurde in Bolton ein Brunswick Club gegründet, der mit mehreren öffentlichen Veranstaltungen und großen Unterschriftensammlungen für den Erhalt der protestantischen Sonderstellung und den protestantischen Charakter des britischen Staats agitierte.57 Selbst wenn die einseitigen Berichte des Chronicles immer wieder Konservative wie Brunswicker mit Spott überschütteten und nicht müde wurden, die Bedeutungslosigkeit und Lächerlichkeit ihrer Anstrengungen zu betonen, musste die einzige Zeitung der Stadt indirekt doch konzedieren, dass sich in Bolton – schon früher ein „hot bed“ des Oranierordens – eine populäre antikatholische Bewegung formiert hatte, welche die politischen Debatten am Ort dominierte.58 So begleitete der Chronicle etwa die Unterschriftensammlungen unter Petitionen gegen die Emanzipation mit den üblichen schweren Vorwürfen der Manipulation; dennoch konnte er nicht verschweigen, dass eine erste Petition, die Mitte Februar 1829 von Wellington im Oberhaus präsentiert wurde, in Bolton über 10.000 Unterschriften erhalten hatte.59 Wenige Wochen später unterschrieben sogar 12.000 Boltoner eine zweite Petition, mit der die Konservativen der Stadt in letzter Minute noch einmal auf die sich immer deutlicher abzeichnende Verabschiedung der Reform reagierten.60 Der Redakteur der Zeitung klagte darüber, dass für die Petitionen in Werkstätten und Fabriken geworben wurde und die Arbeiter nur unterschrieben, weil sie 54 Vgl. für Polemiken gegen den Londoner John Bull oder den Standard etwa den Bolton Chronicle vom 26.1.1828. 55 Vgl. P. Taylor, Popular Politics, S. 65 – 73. Bei den Familien handelte es sich um die Stanleys, Bridgemans und Egertons, welche die konservativen Kreise auch in den 1830er Jahren noch prägten und eine wichtige Rolle für die Operative Conservative Association in Bolton spielten. 56 Vgl. Bolton Chronicle, 8. 3. 1828, 22.3.1828. 57 Vgl. Bolton Chronicle, 22. 11. 1828, 6. 12. 1828, 10. 1. 1829, 14.3.1829. 58 Vgl. für die Beschreibung Boltons als ehemalige Hochburg des Oranierordens Bolton Chronicle, 22.11.1828. 59 Vgl. Bolton Chronicle, 14. 2. 1829; Hansard, 2. Serie, Bd. 20, Sp. 131. Wellington entsprach mit der Vorlage im Parlament einer Bitte aus Bolton, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, dass er inzwischen die Emanzipation der Katholiken befürwortete. 60 Vgl. Bolton Chronicle, 14. 3. 1829, 4. 4. 1829, 11. 4. 1829; Manchester Courier, 14.3.1829.

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um ihre Arbeitsplätze fürchteten.61 Oder er beschimpfte die niedrige Herkunft der Unterzeichner, die wenig respektabel, dümmlich und ungebildet seien sowie als Analphabeten kaum wüssten, was Emanzipation überhaupt bedeute.62 Gleichzeitig schilderte er aber die aufgeheizte Atmosphäre in Bolton und den Städten der Umgebung, in denen etliche Wände mit Parolen wie „Hell and Purgatory to the Papists“ oder Plakaten mit antikatholischen Aufrufen wie dem „Appeal to England“ des Earl von Winchelsea an jeder Ecke zu lesen waren.63 Winchelseas feierlicher Aufruf zur Verteidigung der „Protestant Constitution and Religion“ gegen die verräterischen und an Rebellion grenzenden Reformversuche degenerierter Parlamentarier ließ sich darüber hinaus mit traditionelleren Formen antikatholischer Propaganda verbinden: Im Januar kursierten in Boltoner Fabriken Drucke aus John Foxes Book of Martyrs, das mit seinen drastischen Schilderungen des Leidens protestantischer Märtyrer unter ihren katholischen Verfolgern seit dem 17. Jahrhundert zu den populärsten und weitverbreitetsten Büchern in England gehörte.64 Insgesamt kann trotz der gegensätzlichen Darstellung des Chronicles am Erfolg der konservativen Mobilisierung in Bolton kaum Zweifel bestehen; nicht nur die Zahl der Unterschriften aus der inzwischen gut 40.000 Einwohner zählenden Stadt unterstreicht die substantielle Unterstützung für antikatholische und protestantisch-nationale Haltungen, sondern auch die Heftigkeit der Polemik, mit der die liberalen und radikalen Gegner der Konservativen dort über ein Jahr lang die Verbindung von konservativer Verfassungsrhetorik und aggressivem Protestantismus bekämpften.65 Gerade der Hinweis auf die Verwendung des Aufrufs des Earl von Winchelsea als Teil der Straßenpropaganda belegt, wie entscheidend der religiös aufgeladene Verfassungsdiskurs Ende der 1820er Jahre für die konservative Breitenwirkung wurde. Schon Linda Colley hat darauf hingewiesen, dass die Petitionswelle gegen die Emanzipation der Katholiken im Winter 1828/9 alle bisher gekannten Maßstäbe sowohl im Hinblick auf die Zahl der Unterschriften als auch die Herkunft der Petitionen übertraf.66 Bolton war mit seinen zwei Petitionen keine Ausnahme in einer Bewegung, die landesweit 61 Vgl. Bolton Chronicle, 10.1.1829. 62 Vgl. Bolton Chronicle, 28.2.1829. 63 Vgl. ebd. Berichte über die Verbreitung von entsprechenden Plakaten und Flugschriften auch bei Brimelow, History of Bolton, S. 70. 64 Vgl. Bolton Chronicle, 10.1.1829. 65 Artikel, die sich gegen die Aktivitäten des Church-and-King-Clubs sowie gegen antikatholische Positionen insgesamt richteten, finden sich in zahlreichen Ausgaben des Chronicles ab Januar 1828; erst deutlich nach Verabschiedung der Emanzipation im Parlament erschienen keine entsprechenden Kommentare und Berichte mehr. Zur Einwohnerzahl Boltons vgl. Clegg, Annals of Bolton, S. 28, der die Einwohnerzahl Boltons nach dem Zensus von 1831 mit 43.396 angibt. 66 Vgl. Colley, Britons, S. 329 f. Dagegen unterschätzte Machin, Catholic Question, S. 148 f. die Bedeutung der Petitionswelle erheblich, weil er sie vor allem mit Blick auf ihren Einfluss auf die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse interpretierte. Vgl. zudem Hinde, Catholic Emancipation, S. 138 ff.

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kaum einen Ort, ob Dorf oder Stadt, unberührt ließ. Colley konnte diese Welle vor allem deshalb als ein letztes Aufbäumen einer im Grunde schon unterlegenen protestantischen britischen Identität deuten, weil sie übersah, dass die konservative Verbindung von Verfassung und protestantischer Identität eine wichtigere Rolle als in früheren Konflikten um die rechtliche Stellung der Katholiken spielte und dabei erstmals Motive prominent wurden, die Aspekte des liberalen und radikalen Konstitutionalismus in ihr Gegenteil wendeten. Winchelseas Angriffe auf ein degeneriertes Parlament und eine politische Elite, die den Kern der Verfassung und die Freiheit der Nation verrieten, spielte auf der Klaviatur der Rede von der „Old Corruption“ innerhalb der englischen Reformbewegungen.67 Sein Appell an die Landsleute, zur Rettung der Verfassung zu eilen und sich als eigentliche Wahrer ihrer protestantischen Prinzipien zu erweisen, nutzte – ohne es explizit auszusprechen – die Idee der Volkssouveränität, um für die unveränderte Erhaltung der bestehenden Gesellschaftsstrukturen zu kämpfen. Zudem verknüpfte er das Volk eng mit dem Thron, indem er eine große Bewegung beschwor, die es Georg IV. ermöglichen sollte, getragen von seinen einfachen Untertanen seinem Krönungseid als protestantischer Herrscher treu zu bleiben und die Emanzipation der Katholiken gegen die parlamentarische Mehrheit zurückzuweisen. Das Motiv des Verrats und der Allianz zwischen König und Volk zur Rettung der Verfassung prägte auch andere Aufrufe, die seit dem Sommer 1828 massenhaft Verbreitung fanden. Lord Kenyon publizierte ab August eine Serie von Briefen an die „Protestants of Great Britain“, die zu Grundsatztexten für die neu entstehenden Brunswick-Clubs wurden und in denen er seine Wut über den Meinungswandel von Wellington und Peel sowie anderen Konservativen nicht verhehlte.68 Im Februar 1829 schrieb er schließlich, der König sei 67 Vgl. dazu den Text seines Appells, wie er auch in der konservativen Presse immer wieder verbreitet wurde: „TO THE PROTESTANTS OF GREAT BRITAIN. Fellow Countrymen, Brother Protestants, In the name of our Country and our GOD I call upon you, without one moment’s delay, boldly to stand forward in Defence of our PROTESTANT CONSTITUTION and RELIGION – of that Constitution which is the foundation of our long-cherished Liberties – of that Religion which is the source of the many Blessings which this Nation has received from the hands of the Almighty Governor of the Universe. Let the voice of Protestantism be heard from one end of the Empire to the other. Let the sound of it echo from hill to hill, and vale to vale. Let the tables of the Houses of Parliament groan under the weight of your Petitions; and let your Prayers reach the foot of the Throne; and, though the great body of your degenerate Senators are prepared to sacrifice, at the shrine of Treason and Rebellion, that Constitution for which our Ancestors so nobly fought and died, yet I feel confident that our gracious Sovereign, true to the sacred Oath which he has taken upon the Altars of our Country to defend our Constitution and our Religion from that Church which is bent upon their destruction, will not turn a deaf ear to the Prayers and Supplications of his loyal Protestant Subjects. I have the honour to be, With every respect, Your humble and devoted servant, Winchelsea and Nottingham.“ Abgedruckt etwa im John Bull, 15.2.1829. 68 Vgl. zu den Hintergründen der Entstehung der Briefe und ihrer Bedeutung für die neuen Brunswick-Clubs Machin, Catholic Question, S. 131 ff. Die Texte wurden zunächst in der konservativen Presse verbreitet, aber auch in liberalen Zeitungen breit diskutiert.

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gezwungen worden, gegen seinen Willen die Zustimmung zu einer Reform zu geben, die letzten Endes die Thronfolge des Hauses Brunswick in Frage stellte. Jetzt gelte es, die Krone zu retten: „Rescue your Sovereign and this free country from the foulest disgrace that can befall this Protestant island.“69 In solchen Äußerungen entstand das Bild einer Massenbewegung, die Loyalismus zum Thron, ein konservatives Verständnis der Verfassung und eine antikatholische protestantische Identität auf das Engste verband und sich gleichzeitig gegen Liberale und reformbereite Tories wandte. Entsprechende Haltungen prägten 1828/9 die konservativen Anstrengungen auf allen politischen Ebenen. Beim Meeting in Kent wurden sie nicht nur von den konservativen Rednern auf den Tribünen propagiert, der Leeds Intelligencer druckte kurz nach der Demonstration auch ein Flugblatt ab, das auf Penenden Heath verteilt worden war und die Ablehnung der Emanzipation mit dem Schutz der Verfassung und insbesondere der Treue zum König verband. Seine zentrale Botschaft, durch die Presse wie die Reden landesweit verbreitet, lautete: „Long live our Protestant Monarch George the Fourth!“70 In Bolton, Salford, Liverpool und Manchester war Sir Robert Peel nur wenige Wochen zuvor bei einer Rundreise durch Lancashire auf gut besuchten Veranstaltungen des konservativen Establishments massiv bedrängt worden, seine Zustimmung zum protestantischen Verfassungsverständnis im Anschluss an entsprechende Reden lokaler Politiker erneut zu bekräftigen. Peel vermied es, sich öffentlich festzulegen, und ermöglichte damit der konservativen Presse einmal mehr, ihn als Garanten gegen die Emanzipation zu feiern, obwohl Gerüchte über seinen Kurswechsel bereits seit Wochen in Umlauf waren.71 Nachdem seine neue Position unzweifelhaft feststand, führte die Enttäuschung zu scharfen Vorwürfen: „Fellow Countrymen! The Constitution is betrayed. The citadel is in peril (…) To your tents, O Israel!“, verkündeten Flugblätter in Staffordshire im Frühjahr 1829.72 In Leeds erläuterte Henry Hall in ähnlicher Sprache schon Anfang Dezember 1828 vor über 20.000 Teilnehmern einer Versammlung zur Verabschiedung einer Petition an den König, welche Verfassungsgrundsätze aus konservativer Sicht unverzichtbarer Bestandteil eines „Englishman’s creed“ seien: „Loyalty to the King as our Supreme Governor ; acquiesence in an Established Church, with perfect freedom to join any other form of worship; obedience to the laws which are necessary for the preservation of our several interests, and a willing support to the several branches of government and authorities in the state.“73 Die Emanzipation der Katholiken stand für ihn in scharfem Gegensatz zu jedem dieser Grundsätze, da sie die Stellung des Throns und der Kirche gefährde und 69 70 71 72

Vgl. John Bull, 15.2.1829. Vgl. Leeds Intelligencer, 6.11.1828. Vgl. Times, 10. 10. 1828; Bolton Chronicle, 11.10.1828. Colley, Britons, S. 331 weist selbst auf das Motiv des Verrats als neues Element in der Debatte 1829 hin und zitiert aus den Parlamentsprotokollen dieses Flugblatt. 73 Vgl. Leeds Intelligencer, 11. 12. 1828; Leeds Mercury, 13.12.1828.

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aus einem antisozialen und antireligiösen Geist stamme, der die frühen Demagogen der Französischen Revolution ausgezeichnet habe. Demonstrative Loyalität gegen offenen Verrat, die Bekräftigung des Protestantismus der Verfassung gegen ihre katholische Unterwanderung und Standhaftigkeit gegen Revolution wie Rebellion – mit diesen Positionen stellten sich landesweit Konservative gegen die kaum noch abzuwendende Emanzipation und bemühten sich um die Mobilisierung einer breiten Bewegung gegen die Reform. Nicht nur die ungeheure Zahl von Petitionen und Unterschriften, die sowohl die beiden Kammern des Parlaments als auch den Thron erreichten, belegt den oft unterschätzten Erfolg dieser Bemühungen; dennoch war dieser keineswegs unangefochten. Henry Hall etwa sprach in Leeds im bis zum Bersten gefüllten Hof der Cloth Hall vor einer Menge, die sich – ungeachtet einiger unentschiedener Zuhörer – in zwei verfeindete Lager teilte. Das Public Meeting ging auf eine Initiative der Liberalen um Edward Baines zurück, die eine Erklärung zur Unterstützung der Emanzipation der Katholiken beschließen wollten. Die Konservativen und ihre Anhänger waren nach einem tagelangen Kleinkrieg über Plakate, Aufrufe und Flugblätter zur Veranstaltung gezogen, um einen öffentlichen Erfolg der Reformer zu verhindern. Ihre Banner mit No-Popery-Botschaften provozierten die Liberalen; beide Gruppen konnten kaum voneinander getrennt werden. In der aufgebrachten Atmosphäre blieben kleinere gewaltsame Zwischenfälle nicht aus. Nach einem tumulthaften Verlauf, in dem weitere Redner beider Seiten unter dem Geschrei und Jubel beider Parteien für Petitionen zugunsten und gegen die Emanzipation plädiert hatten, entschied der Leiter der Versammlung nach mehrmaligen uneindeutigen Abstimmungen per Hand, dass die prokatholische Seite eine Mehrheit hatte.74 Tatsächlich bildete die Veranstaltung in Leeds mit fast gleich großen Mengen auf beiden Seiten die Lage der öffentlichen Meinung im Königreich wohl recht genau ab. Zwar konnten die Konservativen getragen von einer wütenden antikatholischen Menge im Frühjahr 1829 bei großen öffentlichen Versammlungen in Exeter und in Bristol noch einmal Erfolge gegen ihre Gegner erzielen, die den Eindruck des Kent Meetings bestätigten, doch blieben das die einzigen antikatholischen Demonstrationen, die überregionalen Eindruck machten. Viele weitere verliefen in deutlich kleinerem Rahmen und erzeugten häufig ähnlich unklare Resultate wie in Leeds.75 Typisch war Leeds, wo die lokale Debatte über die Stellung der Katholiken ansonsten ähnlich wie in Bolton verlief, zudem darin, dass im Frühjahr 1829 zwei Petitionen aus der Stadt das Parlament erreichten, eine pro- und eine antikatholische, mit jeweils

74 Vgl. ebd. 75 Vgl. Machin, Catholic Question, S. 142 ff. und Hinde, Catholic Emancipation, S. 120.

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beeindruckenden Unterschriftenzahlen deutlich über 10.000.76 Während Mercury und Intelligencer in einem ausgedehnten Zeitungskrieg darüber stritten, welche Seite größere Unterstützung gefunden habe und ob dabei legitime Mittel benutzt worden seien, verstärkten sie das Bild einer tief gespaltenen Gesellschaft: Reformer wie Konservative mobilisierten nahezu gleich große Lager, und beide beriefen sich auf ihr Verständnis der Verfassung: Während aus liberaler Sicht der Freiheitsgedanke der englischen Verfassung die Emanzipation der Katholiken zwingend verlangte, war diese für die Konservativen eine Perversion aller grundlegenden Prinzipien der englischen Gesellschaft. Auch wenn die erfolgreiche Durchsetzung der Reform im April 1829 und der fast gleichzeitige Zusammenbruch der antikatholischen Agitation auf den ersten Blick einen epochalen Bedeutungsverlust des Protestantismus für die britische Identität nahelegen, ist es falsch, die zukunftsweisenden Aspekte der tief greifenden Spaltung der Gesellschaft über das richtige Verständnis der Verfassung und die konstitutionelle Bedeutung der protestantischen Religion zu unterschätzen. Immer wieder zeigte sich in den Debatten während der Emanzipationskrise, dass die Spaltung der Gesellschaft quer durch alle Schichten vom Hochadel bis zu den proletarischen Mobs auf den Straßen reichte. Nicht zuletzt in London wurde sichtbar, wie sehr die Empörung über den tiefen Einschnitt in lange etablierte Gesellschaftsstrukturen soziale Gegensätze überwinden konnte: Nebeneinander agierten in der Hauptstadt, die mit dem größten und einflussreichsten Klub des Landes das Zentrum der Brunswick-Bewegung beheimatete, elitäre Kreise und große Massen aus den Unterschichten, welche die Debatten im Parlament mit Protesten und Unruhen begleiteten und selbst vor körperlichen Übergriffen auf Politiker nicht zurückschreckten.77 Premierminister Wellington, aufgrund seiner militärischen Leistungen als General sonst einer der populärsten Staatsmänner des Landes, musste sich im März 1829 mehr als einmal getrieben vom wütenden Mob in seinen Amtssitz in der Downing Street flüchten, um Steinwürfen und groben Attacken zu entgehen.78 Viele Zeitgenossen glaubten, er habe die Emanzipation der Katholiken gegen eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung durchgesetzt.79 Eine verlässliche Quantifizierung der Größe der politischen Lager außerhalb des Parlaments ist freilich nicht möglich. Auf konservativer Seite hatte sich aber im Laufe der Debatten um die Emanzipation immer deutlicher eine Variante des Popular Constitutionalism ausgeprägt, in der 76 Vgl. Leeds Intelligencer, 18. 12. 1828, 25. 12. 1828, 19. 3. 1829; Leeds Mercury, 20. 12. 1828, 21.3.1829. 77 Im Februar 1829 attackierte ein Mob Daniel O’Connell bei seiner Ankunft in London, Anfang März warf eine wütende Menge nach Ausschreitungen die Scheiben des Londoner Bürgermeisters ein. Vgl. John Bull, 15. 2. 1829, 15.3.1829. 78 Vgl. John Bull, 22. 3. 1829; Times, 21. 3. 1829, 28.3.1829. Zur Popularität Wellingtons vgl. Pears, Gentleman. 79 Vgl. Hinde, Catholic Emancipation, Kap. 6.

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über einen politischen Protestantismus Unterstützung bis in unterste Gesellschaftsschichten mobilisiert werden konnte. Keines der konstitutionell-protestantischen Argumente wurde Ende der 1820er Jahre zum ersten Mal in einem spezifisch konservativen Kontext verwandt; in Verbindung mit dem offenen Appell an die Bevölkerung zur Rettung der Verfassung und der umfangreichen Darstellung der Besonderheiten protestantischer Institutionen für die englische Gesellschaft zeichnete sich aber eine neue Form populärer konservativer Politik ab, die einen detailliert entwickelten und als Gegenentwurf zu liberalen Vorstellungen verstandenen konservativen Konstitutionalismus propagierte. Die Spaltung zwischen Regierungspolitikern und ultrakonservativen Tories auf der parlamentarischen Ebene täuschte nur darüber hinweg, wie verbreitet entsprechende Haltungen bei Konservativen jenseits der elitären Londoner Zirkel und lokalen Klubs des Tory-Establishments waren.

b) Das Ringen um die Städte: Konfessionelle Gegensätze in lokalen Machtkämpfen Die heftigen Auseinandersetzungen um die Emanzipation der Katholiken waren nur ein Teil der Konflikte, in denen sich religiöse und konfessionelle Fragen mit dem Streit um gegensätzliche Verfassungskonzeptionen verbanden. Die lokalen Debatten um die Emanzipationsfrage gehörten in den Zusammenhang politischer Machtkämpfe, in denen die Gräben zwischen den gegnerischen Lagern häufig entlang konfessioneller Grenzen verliefen. So sprach Henry Hall in der Cloth Hall im Dezember 1828 in Leeds nicht nur als Vertreter der örtlichen Konservativen über die Bedeutung des Protestantismus für die englische Verfassung, sondern auch als Repräsentant des anglikanischen Establishments der Stadt. Dagegen gehörten die Redner der Liberalen fast ausschließlich nonkonformistischen Gemeinden an.80 Die Konstellation war typisch: Durch die enge Verbindung von Staat und Kirche hatten fast alle politischen Auseinandersetzungen in England im frühen 19. Jahrhundert eine religiöse Dimension, die durch die Sonderstellung der Anglikaner und ihr weitgehendes Monopol auf einflussreiche gesellschaftliche Positionen auf nationaler und lokaler Ebene geprägt war. Forderungen nach Reformen berührten häufig die Vorrechte anglikanischer Eliten und begünstigten eine enge Verbindung zwischen der Church of England und den Konservativen einerseits, den Liberalen und Nonkonformisten andererseits, gleichgültig ob sie die Neuordnung des Wahlrechts, die Gleichberechtigung 80 Vgl. Leeds Intelligencer, 11. 12. 1828; Leeds Mercury, 13.12.1828.

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der Konfessionen oder ein gerechteres Steuer- und Zollsystem betrafen.81 Die konservative Verehrung der bestehenden Verfassung entsprach daher in mancher Hinsicht einem anglikanischen Staatsverständnis. In den Konflikten auf lokaler Ebene spiegelte sich diese enge Verbindung von Konfession und Verfassungsverständnis auf verschiedene Weise wider : Zum einen wurden alle nationalen Debatten wie die Emanzipationsfrage auch auf der untersten politischen Ebene mit großem Nachdruck geführt und sorgten für eine breite Mobilisierung entlang der Grenzen politisch-religiöser Lager am Ort. Zum anderen reproduzierten die lokalen Machtstrukturen die Konfrontation entlang der nationalen Linien: Bis 1835 lagen in vielen Städten und Gemeinden weite Teile der Verwaltung in den Händen von Magistraten oder Stadträten, die aus traditionellen Eliten mit anglikanisch-konservativem Hintergrund stammten und keiner unabhängigen Kontrolle oder Wahl unterstanden. Im Zuge der nationalen Reformdebatten entwickelten sich vielerorts Auseinandersetzungen, in denen Liberale und Radikale lokale Machtbastionen der Tories angriffen und eine tief greifende Reform der Gemeindeverwaltung forderten. Vor diesem Hintergrund gerieten oberflächlich sachgebunden scheinende Fragen der kommunalen Verwaltung wie etwa die Instandhaltung von Straßen, die Abfallbeseitigung oder die Ausweitung von Friedhöfen immer wieder zwischen die Fronten grundsätzlich gegensätzlicher Vorstellungen von Verfassung und Gesellschaft, weil sie nicht unabhängig von lokalen Machtkonstellationen und Forderungen nach erweiterten Mitwirkungsrechten sowie demokratischer Kontrolle gelöst werden konnten. Einen konfessionellen Anstrich erhielten diese Auseinandersetzungen nicht zuletzt deshalb, weil viele der lokalen Verwaltungsaufgaben, auf die oppositionelle Gruppen unmittelbar Einfluss nehmen konnten, über Ämter und Gremien der Anglikanischen Kirche erfüllt wurden. Häufig war deshalb zum Beispiel die Wahl der Gemeindevorsteher (Churchwardens) heftig umstritten. Zudem wurde auf lokaler Ebene über die Erhebung von Abgaben für die Staatskirche (Church Rates) entschieden, die von Nonkonformisten als Zwangsabgaben an eine fremde Konfession abgelehnt wurden. Liberale Gesellschaftsvorstellungen und nonkonformistische Bedenken gegenüber dem Status der Staatskirche waren so auch auf kommunaler Ebene unmittelbar verbunden.82 Zur wichtigsten Bühne lokaler Machtkämpfe entwickelte sich die Vestry der anglikanischen Gemeinden, da hier die Churchwardens gewählt, die Church Rates festgelegt und eine Reihe weiterer lokalpolitischer Fragen, insbesondere die Armenfürsorge, geregelt wurden. Dabei handelte es sich zunächst um die kirchliche Versammlung der Gemeindemitglieder, in der aber unabhängig von der Konfession jeder Steuerzahler, der aufgrund seines Einkommens Church Rates zahlen musste, Stimmrecht hatte. Darüber hinaus tagte sie in vielen 81 Vgl. zur Verbindung von konservativen und anglikanischen bzw. nonkonformistischen und liberalen Positionen O’Gorman, Voters, Patrons, Parties, S. 359 – 368. 82 Vgl. hier und im Folgenden Fraser, Urban Politics.

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Orten öffentlich und entschied ohne Prüfung der Stimmberechtigung der Teilnehmer per Hand oder Akklamation. Als nahezu direktdemokratisches Gremium erlaubte sie eine unmittelbare Konfrontation gegnerischer Parteien und war zudem durch die Mobilisierung großer Anhängerscharen kontrollierbar.83 Nachdem liberale und radikale Reformkräfte Mitte der 1820er Jahre begonnen hatten, massiv Mitspracherechte in kommunalpolitischen Fragen einzufordern, nahm die Vestry noch stärker als zuvor den Charakter eines offenen Lokalparlaments an, in dem gegensätzliche politische Positionen unvermittelt aufeinandertrafen und häufig in turbulenten Sitzungen mit Biergartenatmosphäre und hohen Teilnehmerzahlen ausgetragen wurden. Obgleich schon 1818 und 1819 versucht worden war, gewählte Vestry-Ausschüsse an die Stelle der bisweilen handlungsunfähigen Vollversammlungen zu stellen und das Stimmrecht nach Einkommenshöhe zu gewichten, änderten sich die Strukturen der politischen Auseinandersetzung in der Vestry nur langsam.84 Die Reformen konnten nicht zuletzt aufgrund vieler lokaler Besonderheiten in den Kompetenzen der Gemeindeversammlungen nie flächendeckend durchgesetzt werden, und Versuche, sie einzuführen, erzeugten bisweilen Widerstände, welche die lokalpolitischen Konflikte eskalieren ließen. Die Vestry blieb daher bis zur landesweiten Neuregelung der Kommunalverfassung durch den Municipal Corporations Act von 1835 fast überall das wichtigste politische Gremium am Ort und spielte auch danach eine bedeutende Rolle in der englischen Kommunalpolitik. Der konkrete Ablauf der Kämpfe zwischen liberalen und radikalen Herausforderern sowie den Vertretern anglikanisch-konservativer Kreise in den Vestries ist von der englischen Lokalgeschichtsschreibung seit den 1970er Jahren vielfach dokumentiert worden.85 Für Bolton etwa haben Paul Phillips, Brian Lewis und vor allem Peter Taylor detailreich nachgezeichnet, wie nonkonformistische Radikale geführt von Lokalpolitikern, die zumeist aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammten, sich in den Jahren 1827 bis 1837 über die Vestry allmählich Einfluss auf die städtische Verwaltung und die Besetzung lokaler Ämter erkämpften.86 In mehreren Studien schilderte Derek Fraser entsprechende Auseinandersetzungen in Leeds, wo der soziale Hintergrund der aufstrebenden radikalen und liberalen Politiker eher im geho83 Mit dieser Beschreibung ist vor allem die typische Open Vestry gemeint. Neben dieser gab es sogenannte Closed oder Select Vestries, die der Kontrolle lokaler Eliten unterstanden. Vgl. die immer noch unübertroffene Studie der Gemeindeverwaltung von S. u. B. Webb, English Local Government, Bd. I. Für eine kurze Zusammenfassung der Funktionen der Vestry vgl. Fraser, Urban Politics. 84 Vgl. ebd. 85 Nicht immer wurden dabei die lokalen Strukturen von anglikanisch-konservativen ToryKreisen dominiert; Städte wie Coventry oder Nottingham waren im 18. Jahrhundert fest in den Händen nonkonformistischer Whigs. Vgl. Innes u. Rogers, Politics and Government. 86 Vgl. P. Phillips, Sectarian Spirit, B. Lewis, Bourgeois Ideology, ders., Middlemost und P. Taylor, Popular Politics.

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beneren Bürgertum lag, Verlauf und Ergebnis der Konflikte in den 1820er und 1830er Jahren aber ähnlich waren.87 Zudem beschrieb Fraser ähnlich gelagerte Machtkämpfe in Städten wie Manchester, Liverpool und Birmingham und verwies auf die hohe politische Bedeutung der zahlreichen Vestries im Großraum London, die aufgrund einer fehlenden Verwaltungsebene für die ganze Stadt besonders wichtige administrative Funktionen erfüllten; wie an anderen Orten entwickelten sich Ende der 1820er Jahre in vielen Londoner Gemeinden Konflikte nach vergleichbaren Mustern.88 Darüber hinaus gelang es nonkonformistischen Liberalen und Radikalen zu Beginn der 1830er Jahre in zahlreichen weiteren Städten, häufig verbunden mit der nationalen Mobilisierung für die Ausweitung des Wahlrechts und eine Neuordnung der Wahlkreise, dominante Positionen auf lokaler Ebene zu erreichen und mit Forderungen nach einer Kürzung der städtischen Ausgaben, der Reduktion von Steuern und Abgaben sowie der Aufhebung der Church Rates den Einfluss traditioneller anglikanischer Eliten zurückzudrängen.89 Wie Taylor und viele andere Historiker interpretierte Fraser diese Entwicklung insgesamt vor allem als „battle between rival lites within the urban middle classes“ und betrachtete die Massen, welche die Positionen der Wortführer in den Vestries unterstützten oder bekämpften, als wenig eigenständige Akteure in den lokalen Konflikten des Bürgertums.90 Taylor reduzierte die Beteiligung der Unterschichten sogar auf eine passive Unterstützung der radikalen kleinbürgerlichen Elite, obwohl er selbst Vestry-Sitzungen in Bolton beschrieb, zu denen auch die Tories große Menschenmengen erfolgreich mobilisierten, um Angriffe auf ihre Machtbastionen abzuwehren.91 In Leeds unterlagen die Konservativen zu Beginn der 1830er Jahre zwar regelmäßig bei den Wahlen der Churchwardens und sahen sich großen liberalen Mehrheiten in den oft mehrere Tausend Teilnehmer zählenden Versammlungen gegenüber.92 Dennoch zeigte sich aber an den engagierten Wortgefechten und den – trotz der zeitweilig klaren Dominanz der Liberalen und Radikalen – bisweilen wechselnden Mehrheiten in den Versammlungen, dass die führenden Politiker beider Lager sich nicht ohne weiteres auf die Unterstützung fester Blöcke oder abhängiger Claqueure verlassen konnten, sondern 87 Vgl. die zahlreichen Studien von Fraser aus den Jahren 1969 bis 1980 und S. u. B. Webb, English Local Government, Bd. 1, S. 91 ff. 88 Vgl. Fraser, Urban Politics, Kap. 1 und S. u. B. Webb, English Local Government, Bd. 1, S. 227 – 278. In London gab es eine besonders hohe Dichte von Closed Vestries; in den 1820er Jahren drehte sich deshalb ein großer Teil der Konflikte um deren Öffnung. 89 Vgl. Sweet, English Town, S. 115 – 163. 90 Zitat aus Fraser, Urban Politics, S. 29. Die starke Dominanz kleinbürgerlicher Radikaler in den politischen Konflikten der 1820er und 1830er Jahre hat insbesondere Crossick, Petite Bourgeoisie in Nineteenth-Century Britain, S. 71 – 81 betont und die Schicht der Ladenbesitzer, wohlhabenderen Handwerker und kleinen Angestellten dabei deutlich von den politischen Aktivitäten von Arbeitern getrennt. 91 Vgl. P. Taylor, Popular Politics, Kap. 2. 92 Vgl. Fraser, Leeds Churchwardens.

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für ihre Positionen in allen gesellschaftlichen Schichten kämpfen mussten.93 In den Vestries manifestierte sich ähnlich wie in den lokalen Auseinandersetzungen um die großen nationalen Debatten zur Katholikenemanzipation, dass politische Fronten nicht entlang sozialer Grenzen, sondern zwischen breiten Bündnissen aus unterschiedlichsten Gruppen verliefen. Um 1830 wurde deutlich, dass die Konservativen nach dem Zusammenbruch der Mobilisierung gegen die Emanzipation die aufkommende Reformstimmung auch auf unterster Ebene nicht stoppen konnten und ihre lokalen Bastionen gegen den Druck liberaler und radikaler Reformforderungen räumen mussten. Zugleich boten die stets konfessionell aufgeladenen Konflikte um die Kontrolle der lokalen Verwaltung durch die breite Beteiligung der ganzen städtischen Bevölkerung aber die Möglichkeit, immer wieder ein protestantisch geprägtes Verfassungsverständnis zu propagieren und die Untrennbarkeit von Kirche und Staat zu verteidigen. Die in den Auseinandersetzungen in den Vestries stets präsente enge Verbindung von Religion und Patriotismus erlaubte einerseits, im lokalen Rahmen Identitäten und Frontstellungen, die sich während der Emanzipationskrise ausgeprägt hatten, selbst in einer Hochphase der Reformagitation wachzuhalten, und machte es andererseits möglich, mit konservativen Positionen über anglikanische Kreise hinaus um Unterstützung zu kämpfen. In Leeds deutete sich diese Möglichkeit bereits im Sommer 1828 an. Im Juni begann in der Vestry eine heftige Kontroverse über die Verwendung der Gelder aus den Church Rates, nachdem im Frühjahr zum ersten Mal sechs der acht Churchwarden-Posten mit Reformern besetzt worden waren.94 Unter Führung von Edward Baines protestierten Radikale und Liberale vehement gegen die bisherige Verwendung von Geldern der Hauptkirche (Parish Church) für den Bau und die Ausstattung dreier neuer anglikanischer Kirchen in den Außenbezirken der Stadt und warfen den beiden konservativen Gemeindevorstehern Veruntreuung vor.95 Bald darauf ging der Konflikt in eine grundsätzlichere Auseinandersetzung über. Da es den Reformern gelang, wiederholt Mehrheiten in der Vestry zu gewinnen, konnten sie die Church Rates erheblich senken und die Ausgaben der anglikanischen Gemeinde stark beschränken.96 Zum Wortführer der Konservativen in diesem Streit wurde zunächst Michael Sadler, der das Vorgehen der Liberalen als Angriff auf den Status der Anglikanischen Kirche verstand. Sowohl in der Vestry als auch bei der feierlichen Grundsteinlegung der neuen Kirche im Vorort Kirkstall verteidigte er die Verbindung von Staat und Kirche vor größeren Mengen mit ähnlichen kon93 Vgl. beispielhaft den Konflikt um die Wahl eines neuen Gemeindeorganisten 1828 oder die Ausweitung des Friedhofs in Leeds 1829: Leeds Intelligencer, 14. 8. 1828, 19.2.1829. 94 Vgl. zu den Wahlen und den Hintergründen der Gemeindefinanzen Fraser, Leeds Churchwardens. 95 Vgl. Leeds Intelligencer, 26. 6. 1828; Leeds Mercury 21. 6. 1828; Leeds Vestry Minute Book, 20.6.1828. 96 Vgl. Leeds Intelligencer, 4. 12. 1828, Leeds Vestry Minute Book, 28.11.1828.

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stitutionellen Argumenten, wie sie wenig später in der Debatte um die Emanzipation der Katholiken benutzt wurden; darüber hinaus betonte er die besonderen Verdienste der Anglikaner für Nation und Vaterland in der englischen Geschichte und wies nonkonformistische Forderungen nach einer Trennung von Staat und Kirche zurück.97 Nach der Verabschiedung der Emanzipation im Frühjahr 1829 blieb die konstitutionelle Rhetorik, mit der sich anglikanisch-konservative Kreise und nonkonformistische Reformer in der Emanzipationsdebatte auseinandergesetzt hatten, ein wichtiges Element der Debatten in der Vestry. Zwar konnten die Konservativen im Kampf um die Churchwarden-Besetzung und gegen die drastische Reduktion der Church Rates bis Mitte der 1830er Jahre anders als während der Emanzipationskrise keine Erfolge erzielen, doch bemühten sie sich immer wieder, den verlorenen Einfluss auf die kommunale Verwaltungsebene zurückzugewinnen. Nachdem Michael Sadler im Frühjahr 1829 für Newark ins Unterhaus gewählt worden war, wurde der neue Herausgeber des Leeds Intelligencers, Robert Perring, zum wichtigsten Vertreter der Konservativen in der Vestry.98 Nach dem Höhepunkt der Agitation für die Ausweitung des Wahlrechts in den Jahren 1831 und 1832 sowie der Niederlage der Konservativen in der ersten Parlamentswahl in Leeds im Dezember 1832 versuchte Perring ab 1833 Jahr für Jahr, Unterstützung für konservative Positionen in der Vestry zu finden, höhere Church Rates durchzusetzen und den Einfluss nonkonformistisch-liberaler Kreise in der Stadt zu vermindern. Konfessionelle Bindungen prägten in diesen Konflikten beide Lager ; die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche führte aber nicht zwangsläufig zu gleichen politischen Orientierungen. Eine Reihe der liberalen und radikalen Gemeindevorsteher in Leeds war Anglikaner, während die Konservativen immer wieder Unterstützung aus nonkonformistischen, insbesondere methodistischen Kreisen für sich reklamieren konnten.99 Schon im Herbst 1828 hatten prominente Methodisten in der Stadt entschieden gegen die Emanzipation der Katholiken plädiert und einen Zeitungskrieg hervorgerufen, in dem Tories und Liberale über die richtige Haltung der Nonkonformisten in der Katholikenfrage stritten und beide Seiten versuchten, konfessionsübergrei-

97 Vgl. ebd. und seine Rede in Kirkstall im Leeds Intelligencer, 10.7.1828. 98 Perring übernahm im November 1829 gemeinsam mit John Hernaman den Intelligencer und wurde gleichzeitig Chefredakteur. In ihrem ersten Leitartikel bekannten sich die beiden zu „Tory-Principles“ und der Sache des „Protestant People of England“ sowie den wahren Interessen der englischen Unterschichten. Vgl. Leeds Intelligencer, 5.11.1829. Perring wurde schnell zu einer wichtigen Figur der Konservativen in Leeds und war in mancher Hinsicht der direkte Gegenspieler des liberalen Politikers und Herausgebers des Leeds Mercurys, Edward Baines. 99 Der Methodismus wird üblicherweise zum Nonkonformismus gerechnet, obwohl der Gründer der methodistischen Gemeinden, John Wesley, nie mit der Anglikanischen Kirche brach. Manche Autoren trennen deshalb wie Larsen, Friends zwischen Methodismus und traditionellem Nonkonformismus.

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fende Allianzen zu bilden.100 Ihren Höhepunkt erlebte diese Konfrontation bei der Versammlung in der Cloth Hall, in der mit Reverend T. Galland ein methodistischer Prediger zahlreiche nonkonformistische Theologen und Kirchenväter zitierte, um gegen die Gleichstellung der Katholiken zu kämpfen.101 Anfang der 1830er Jahre fanden solche Auseinandersetzungen ihre Fortsetzung in einer Reihe von anonymen Briefen, in denen „A Methodist Local Preacher“ gegen liberale Reformforderungen argumentierte und seinen Methodismus mit konservativen Positionen zur Landes- und Lokalpolitik verband. Provokativ waren diese Briefe nicht zuletzt deshalb, weil seit 1827 mit James Mulgrave ein einflussreicher Methodist eine wichtige Rolle unter den liberalen Gemeindevorstehern spielte – nach der Kommunalreform von 1835 wurde er einer der ersten Beigeordneten (Aldermen) der Stadt.102 Zudem hatten methodistische Prediger 1831 die Konservativen angegriffen, weil diese aus ihrer Sicht nicht energisch genug gegen koloniale Sklaverei kämpften.103 Der Mercury unternahm daher erhebliche Anstrengungen, um die Anonymität des Autors der Briefe zu enthüllen und identifizierte mit Cavie Richardson einen engen Vertrauten des konservativen Arbeiterführers Richard Oastler und den Sekretär des lokalen Komitees gegen Kinderarbeit als Urheber. Richardson, der gemeinsam mit Perring in der Vestry für konservative Positionen stritt, wurde als Nestbeschmutzer und Verräter der Methodisten beschimpft und reagierte entsprechend scharf.104 Die Folge waren wie üblich gegenseitige Vorwürfe zwischen Mercury und Intelligencer. Letztlich dokumentierte der Streit aber vor allem, dass trotz der grundsätzlichen Nähe einzelner Konfessionen zu bestimmten politischen Haltungen ein Feld der ideologischen Auseinandersetzung existierte, das es Parteien insbesondere auf der lokalen Ebene möglich machte, über religiöse Gegensätze hinweg um Unterstützung zu werben. Trotz solcher politischer Spielräume gelang es den Tories in Leeds jedoch bis 1835 nicht, die Dominanz der Liberalen und Radikalen in der Kommunalpolitik in Frage zu stellen. Obwohl die Konservativen Jahr für Jahr bemüht waren, ihre Position in der Vestry zu behaupten und die jährlichen Churchwarden-Wahlen die Stadt mit wochenlangen hektischen Wahlkämpfen bisweilen in ähnliche Aufregung versetzten wie Parlamentswahlen, endeten die Abstimmungen in der Gemeindeversammlung regelmäßig mit deutlichen liberalen Erfolgen und der Wahl von mehrheitlich nonkonformistischen Gemeindevorstehern. Zudem führten 1835 die Wahlen zum Stadtrat, der durch die Kommunalreform völlig neu strukturiert worden war, zu einer liberalen 100 Vgl. Leeds Intelligencer, 20. 11. 1828, 27.11.1828. 101 Vgl. Leeds Intelligencer, 11. 12. 1828, 18. 12. 1828; Leeds Mercury, 6. 12. 1828, 13.12.1828. 102 Vgl. Fraser, Leeds Churchwardens, S. 10. Die 1835 neugeschaffenen Stadträte umfassten direkt gewählte Ratsherren (Councillors) und aus der Mitte der Ratsherren gewählte Beigeordnete (Aldermen). 103 Vgl. Leeds Intelligencer, 27.10.1831. 104 Vgl. Leeds Mercury, 24. 12. 1831, 31. 12. 1831, 7. 1. 1832; Leeds Intelligencer, 5.1.1832.

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Mehrheit.105 Die Lage änderte sich erst nach der Gründung der Operative Conservative Association, die das Auftreten der konservativen Anhänger aus den Unterschichten, ohne deren zahlreiches Erscheinen ein Erfolg in der Vestry nicht möglich war, besser organisierte. Nicht zufällig hatten Perring und Richardson bei der Gründung des Vereins in Leeds eine wichtige Rolle gespielt; neben der Unterstützung in parlamentarischen Wahlkämpfen am Ort wurde die Präsenz einer konservativen Arbeiterorganisation in den lokalpolitischen Auseinandersetzungen dringend benötigt. Ab 1836 führten die Aktivitäten der konservativen Operatives zu einem langsamen Wandel im lokalen Kräfteverhältnis. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen standen noch immer die Church Rates. Verbunden mit der Frage der Höhe der Abgaben am Ort hatte sich der grundsätzliche Streit um die Rechtfertigung der Kirchensteuer zugespitzt, da die liberale Regierung unter Lord Melbourne im Frühjahr 1836 eine grundlegende Reform der Kirchenfinanzen und die Abschaffung der Abgaben ins Auge gefasst hatte.106 In Leeds unterstützten die Liberalen eine Kampagne für die ersatzlose Streichung der Rates, während die Regierung einen beschränkten finanziellen Ausgleich erwog. In einer seiner ersten lokalen Aktionen bemühte sich der konservative Arbeiterverein, die Verabschiedung einer entsprechenden Petition auf einer Demonstration zu verhindern, die von nonkonformistischen Gemeinden einberufen worden war. Geführt von Robert Perring, Henry Hall und George Hirst verteidigten die Konservativen die Abgaben an die Church of England vor allem mit dem offenen Charakter der Kirche – als „Church of the Poor“ stehe sie allen Klassen offen, vor allem auch jenen, die nicht selbst zur Finanzierung einer Gemeinde beitragen könnten. Die Kirchensteuern garantierten, dass überall Kirchen und Gemeinden existierten, die den Armen ohne Ansehen der Person Zugang zu Religion und christlichen Werten ermöglichten. Zudem nutze die Staatskirche ihre finanziellen Mittel in großem Umfang für karitative Zwecke, ohne dass auf die Konfession der Empfänger geachtet werde. Die Church Rates dienten daher sowohl dem Allgemeinwohl der Nation als auch der Verwirklichung des göttlichen Auftrags zur Verbreitung des Christentums. Am Ende der Versammlung mussten sich die Tories knapp geschlagen geben; durch die Mobilisierung der Operatives erzielten sie aber einen bleibenden Eindruck. Ihre Argumente mussten Nonkonformisten herausfordern und trieben den baptistischen Prediger Reverend Giles zu wütenden Reaktionen, welche die Diskussion auf die grundsätzliche Frage brachten, ob die Bibel eine Staatskirche fordere und die nonkonformistischen Konfessionen weniger christlich seien als die Anglikaner. Die liberale Mehrheit der Versammlung setzte schließlich

105 Bei den Parlamentswahlen konnten die Konservativen schon 1835 einen ersten Erfolg verbuchen. Vgl. oben, Kapitel 2. 106 Vgl. Ellens, Religious Routes.

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eine Petition durch, welche die vollständige Trennung von Kirche und Staat forderte.107 Die Intervention der Operative Conservative Association in der von einigen Hundert Teilnehmern besuchten Veranstaltung machte deutlich, wie sehr die lokalen Konflikte von grundlegend divergierenden Gesellschafts- und Verfassungsvorstellungen geprägt wurden und gerade deshalb auch die politische Identität von sozialen Gruppen aus den Unterschichten berührten. Obwohl die Operatives von prominenten Konservativen geführt wurden, waren sie keineswegs die willenlosen Claqueure, die ihre Gegner und manche Historiker in ihnen sahen. Perring klagte nach dem liberalen Erfolg im Intelligencer darüber, dass die konservativen Arbeiter in ihrem Kampf für die Verfassung von den Tories aus den Mittel- und Oberschichten im Stich gelassen worden seien.108 Schon bei der Wahl der Churchwardens 1835, als Perring in der Vestry nach einer Niederlage in der offenen Abstimmung einen schriftlichen Wahlgang mit Prüfung der Stimmberechtigung durchsetzen konnte, hatte sich gezeigt, dass viele wohlhabende Konservative nicht besonders kämpferisch waren, wenn es darum ging, sich selbst höhere Abgaben aufzuerlegen. Wie die Liberalen erwartet hatten, stimmten viele Steuerzahler aus dem Tory-Lager für die nonkonformistischen Kandidaten und damit für niedrigere Church Rates.109 Den Mitgliedern des konservativen Arbeitervereins waren solche Überlegungen fremd: Sie setzten ihren Kampf für die Rates 1837 fort, beschlossen im Januar eine Petition zur Sicherung der Kirchensteuer und sammelten bis Ende Februar fast 8.000 Unterschriften für ihre Forderungen – weniger als die 13.000 Unterschriften der liberalen Petition gegen die Rates, aber dennoch eine respektable Zahl.110 Ihre Eigenständigkeit demonstrierten sie zudem dadurch, dass sie in ihrer Petition eine Beschränkung der Rates auf £250.000 sowie eine Veränderung der Erhebung entsprechend eines alten Plans von Lord Althorp vorschlugen.111 Zur gleichen Zeit unterstützten die konservativen Arbeiter im benachbarten Huddersfield die Haltung Richard Oastlers, der auf die liberale Forderung nach Abschaffung der Church Rates mit dem Vorschlag konterte, die Rates, die er als Eigentum der Armen verstand, in eine direkte Steuer zur Finanzierung von Sozialmaßnahmen umzuwandeln.112 Die Vereine hatten im West Riding also durchaus Spielräume bei der Festlegung ihrer Position und agierten aufgrund eigenständiger Überlegungen in politischen Konflikten; gemeinsam mit anderen Konservativen 107 Vgl. Leeds Intelligencer, 24.12.1836. 108 Vgl. den Leitartikel dieser Ausgabe. 109 Vgl. Fraser, Leeds Churchwardens, S. 8 f. Auch in früheren Vestry-Konflikten scheint Perring eher die Ansichten von Konservativen aus den Unterschichten vertreten zu haben – zumindest lassen sich taktische Konflikte innerhalb der konservativen Reihen in den Jahren 1832 bis 1835, die Fraser skizziert, so deuten. 110 Vgl. Leeds Intelligencer, 25.2.1837. 111 Vgl. Leeds Intelligencer, 14.1.1837. 112 Vgl. Halifax Express, 15.4.1837.

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betrachteten sie jedoch die Liberalen stets als Feinde der Verfassung und der Religion. Jedenfalls stimmten sie jubelnd mit ein, als im Dezember 1838 der Vorsitzende eines Stadtteiltreffens der Konservativen in Leeds, zu dem die Operatives zahlreich erschienen waren, feierlich ausrief: „Church and State – and may they never be separated by the bands of infidels and Whigs who are now arrayed against us!“113 Mit der Unterstützung des konservativen Arbeitervereins gelang es den Tories in Leeds 1837, zum ersten Mal seit Jahren eine Mehrheit in der Vestry zu gewinnen und den wichtigen Ausschuss für Fragen der städtischen Infrastruktur, die Improvement Commission, konservativ zu besetzen.114 Darüber hinaus konnten sie mit ihrer Hilfe Erfolge in den Stadtratswahlen erzielen und Anfang der 1840er Jahre in der inzwischen von Chartisten dominierten Gemeindeversammlung regelmäßig eine substantielle konservative Minderheit mobilisieren.115 Gemeinsam mit dem 1837 ernannten charismatischen anglikanischen Vikar, Walter Farquhar Hook, kämpften sie für eine starke Präsenz der Kirche in Arbeitervororten und ein Selbstverständnis der Gemeinde als Kirche der Armen. Insgesamt führte die Gründung der Operative Conservative Association zwar nicht zu einem grundlegenden konservativen Umschwung in der Lokalpolitik der Stadt, aber die Aktivitäten des Vereins stärkten die anglikanische Seite in den konfessionell geprägten Konflikten und konnten über die Einbindung des Selbstverständnisses der Church of England als Staatskirche in die konservative Variante des Popular Constitutionalism der örtlichen Tory-Politik erhebliches Gewicht verschaffen. Wie in Leeds machte sich nach 1835 auch in anderen Städten der Einfluss konservativer Arbeitervereine auf lokale Konflikte mit konfessionellen Aspekten bemerkbar. So setzten Tory-Operatives 1836 in Oldham die Wahl konservativer Gemeindevorsteher durch.116 Ein Jahr später führten tumulthafte Vestry-Versammlungen in Salford, in denen sich Radikale und Mitglieder der Operative Conservative Association gegenüberstanden, zu längeren Rechtsstreitigkeiten um die Besetzung von Verwaltungsämtern, an deren Ende die Konservativen den Erfolg ihrer Kandidaten feiern konnten.117 Fast gleichzeitig setzten die Tories in Chorley gegen konsternierte Nonkonformisten mit Unterstützung großer Mengen nach jahrelangen Niederlagen die Erhebung einer Church Rate durch.118 Zwei Jahre später lieferten sich Chartisten und konservative Operatives in Wigan eine Schlägerei, nachdem der 113 Vgl. Leeds Intelligencer, 1.8.1837. Fraser bemerkt dieses Treffen, übersieht aber, dass es weitgehend aus Operatives bestand. 114 Vgl. Leeds Intelligencer, 7.1.1837. 115 Fraser, Leeds Churchwardens beschreibt die Auseinandersetzungen in der Vestry anfangs der 1840er Jahre nur kursorisch und übersieht die knappen Mehrheiten bei den Abstimmungen. Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 22.4.1843. 116 Vgl. Leeds Intelligencer, 9.4.1836. 117 Vgl. Bolton Chronicle, 14.10.1837. 118 Vgl. Bolton Chronicle, 21.10.1837.

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Arbeiterverein durch einen demonstrativen „Kirchenbesuch“ der Chartisten, die zunächst durch die Stadt gezogen waren und danach den Pfarrer im Gottesdienst attackiert hatten, in Aufregung versetzt worden war.119 Auch in Bolton veränderte die Gründung der Operative Conservative Association ab 1836 das Kräfteverhältnis in der Lokalpolitik. Da Reverend Slade nach den Erfolgen der Reformer zu Beginn der 1830er Jahre einen Kompromiss geschlossen und auf Versuche, eine Church Rate für seine Gemeinde zu beantragen, verzichtet hatte, verliefen die Gemeindeversammlungen in den Jahren danach zwar weitgehend ruhig, allerdings nicht ganz ohne Parteikonflikte.120 Die konservativen Arbeiter organisierten dennoch Veranstaltungen, in denen sie sich für die Erhaltung der Church Rates einsetzten.121 Als die Tories in Bolton 1842 ihren Boykott des neugeschaffenen Stadtrats aufgaben, konnten sie mit Hilfe der Operatives schnell eine dauerhafte Mehrheit erringen. Nach der Niederlage in den Kommunalwahlen 1851 kommentierte der Chronicle, dass die konservativen Erfolge der letzten zwölf Jahre den Working Classes in den Reihen der Partei zu verdanken waren und ihre Vernachlässigung durch die Parteiführung für die Schwächung der Konservativen am Ort verantwortlich sei.122 Dass tatsächlich ein protestantisches Verfassungsverständnis und eine grundsätzliche Befürwortung der Rolle der Church of England als Staatskirche bis in die Unterschichten mobilisieren konnten, zeigte sich schließlich an der Entstehung von Protestant Operative Associations. Dabei handelte es sich um Untergliederungen der Protestant Association, die 1835 als Antwort auf ein neuerliches Aufflammen konfessioneller Gegensätze zwischen irischen Katholiken und Protestanten in London gegründet worden war.123 Die antikatholische Organisation wurde von evangelikalen Anglikanern und landesweit bekannten Predigern wie dem Liverpooler Pfarrer Hugh McNeile, Hugh Stowell aus Salford oder dem Iren Mortimer O’Sullivan geprägt. McNeile gründete 1839 in Liverpool die erste protestantische Operative Association und orientierte sich dabei am Vorbild der konservativen Arbeitervereine.124 Zu den monatlichen Treffen kamen schon bald regelmäßig über 500 Teilnehmer ; in Vororten und umliegenden Dörfern wurden Ortsvereine gegründet, und Komitees begannen, systematisch durch Arbeitersiedlungen zu ziehen, um Traktate zu verteilen, Mitglieder zu werben und auf einen regelmäßigen Kir119 Vgl. Wigan Gazette, 2.8.1839. 120 Vgl. P. Taylor, Popular Politics, Kap. 1. Vgl. zur politischen Rolle Slades in Bolton auch Atkinson, Memoir und Fielding, Slade. 121 Vgl. Bolton Chronicle, 29.4.1837. 122 Vgl. Bolton Chronicle, 24.7.1852. 123 Vgl. Wolffe, Protestant Crusade, S. 171 ff. 124 Vgl. zur Gründung in Liverpool Murphy, Religious Problem, S. 220. Gelegentlich findet man in der Literatur Hinweise auf frühere protestantische Arbeitervereine; wie bei Greenall, Making, S. 99 und bei Cahill, Protestant Association handelt es sich dabei aber um Verwechslungen zwischen protestantischen und konservativen Operative Associations.

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chenbesuch zu drängen. Von Liverpool ausgehend breiteten sich die Vereine schnell aus: John Wolffe konnte in seiner Studie der Protestant Association in den Jahren 1839 bis 1845 21 Protestant Operative Associations identifizieren und auf substantielle Mitgliederzahlen von jeweils einigen Hundert verweisen.125 In keiner anderen Organisation sozialer Gruppen aus den Unterschichten stand ein protestantisches Verfassungsideal so im Mittelpunkt aller Aktivitäten. Dennoch lassen sich die Vereine nur bedingt von den konservativen Arbeitervereinen trennen. Auffällig häufig entstanden sie in Städten, in denen keine Operative Conservative Associations existierten, obwohl es gelegentlich wie in Salford, Bolton oder Liverpool ein Nebeneinander beider Organisationen gab. Zwar scheinen die einzelnen Gliederungen stärker durch den Einfluss von Gemeindepfarrern geprägt worden zu sein und die örtlichen Sonntagsschulen der anglikanischen Gemeinden eine wichtigere Rekrutierungsbasis als bei den konservativen Arbeitervereinen gebildet zu haben, in ihren politischen Aktivitäten aber waren die Associations kaum von diesen zu unterscheiden. In Konflikten in der Vestry etwa traten ihre Mitglieder wie die Tory-Operatives auf, obwohl sie auf eine unmittelbare Bindung an die Partei verzichteten. Durch die Protestant Operative Associations gelang es ab 1840, auch in London nennenswerte Teile der Unterschichten mit einem loyalistisch-protestantischen Gesellschaftsverständnis zu organisieren. In fast allen Stadtteilen wurden Vereine gegründet, ohne dass sich die Mitgliederstruktur genau analysieren lässt. Wahrscheinlich rekrutierten sie sich vor allem aus jener Schicht von kleinen Händlern und Handwerkern, die so typisch für London war und etwa die Organisationen der Radikalen und Chartisten prägte. 1842 zählten die Vorstände der Gliederungen in ärmeren Stadtteilen wie Tower Hamlets und Southwark 228 bzw. 631 Mitglieder.126 Vermutlich waren die Mitgliedszahlen in anderen Teilen der Stadt niedriger ; insgesamt dürften rund 2.000 bis 3.000 Operatives Beiträge in den neun Associations der Hauptstadt gezahlt haben. Selbst wenn örtliche Vorsitzende gelegentlich über die Passivität der Masse der Mitglieder klagten, verfügten die Vereine damit über einen nicht unbedeutenden Einfluss in der Stadt.127 Auch die Chartisten zählten auf dem Höhepunkt ihrer Aktivitäten in London 1841 und 1842 nicht mehr als 8.000 eingeschriebene Mitglieder und verließen sich bei kleineren politischen Aktionen auf einen harten Kern von wenigen Hundert Aktivisten. Die reich125 Vgl. Wolffe, Protestant Crusade, S. 175 und seine Karte zur Verbreitung protestantischer Organisationen auf S. 151. Vgl. daneben zur Protestant Association Cahill, Protestant Association und ders., Irish Catholicism. 126 Vgl. Penny Protestant Operative, April 1842 und September 1842. Weitere Associations existierten in Finsbury, Marylebone, der City of London, Westminster, Spitalfields, Lambeth und Chelsea. 127 Vgl. zu Klagen über die mangelnde Aktivität der Mitglieder den Jahresbericht der Association in Southwark, Penny Protestant Operative, August 1841.

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lich 100.000 Teilnehmer an der Demonstration zur Übergabe der Petition für die Charter an das Parlament im Mai 1842 machten zwar die gewaltige Unterstützung für das allgemeine Wahlrecht deutlich, blieben aber trotz der stets weit über die halb-offiziellen Mitgliederzahlen hinausgehenden Mobilisierung in London eher eine Ausnahme, durch die andere Haltungen in den Unterschichten zu stark in den Hintergrund gedrängt wurden.128 Die protestantischen Operative Associations bemühten sich, ein Gegengewicht zur Agitation der Chartisten zu bilden, die sie mit den „antichristian doctrines of Popery, the abominable tenets of Socinianism (. . .) and the filthy notions of Socialism“ für die größte Gefahr im Lande hielten.129 Ihre Präsenz machte sich in London weniger als in anderen Städten durch eine direkte Einflussnahme auf lokalpolitische Auseinandersetzungen oder Gemeindeversammlungen bemerkbar. Obwohl auch hier in den Berichten, Reden und Veröffentlichungen der Vereine immer wieder die Verteidigung der Church of England als unverzichtbarer Bestandteil der „Protestant Constitution“ als Hauptaufgabe genannt wurde, fehlen entsprechende Hinweise für die Hauptstadt. Nach dem konservativen Regierungswechsel 1841 rückte dagegen zunehmend die jährlich erneuerte Bewilligung der staatlichen Finanzierung des irischen Colleges zur Ausbildung katholischer Priester in Maynooth ins Interesse der Vereine, die regelmäßig Petitionen gegen das „Maynooth Grant“ beschlossen und mit zahlreichen Unterschriften versehen ans Parlament schickten. Daneben unterstützten sie bei Parlamentswahlen konservative Kandidaten, besonders wenn diese unter dem Stichwort „No Popery“ entschieden die Stellung der Anglikanischen Kirche verteidigten und jede Konzession an Katholiken oder die Katholische Kirche ablehnten.130 Von ihren Gegnern wurden sie durchaus ernst genommen; immer wieder finden sich Hinweise auf Störungen oder Übergriffe durch Chartisten und Katholiken auf die Protestant Operative Associations.131 Auf die auffällige Gleichzeitigkeit des Zenits des Londoner Chartismus mit dem Höhepunkt der Aktivitäten protestantischer Arbeitervereine hat bereits John Wolffe hingewiesen; beide Bewegungen konnten darüber hinaus erst relativ spät in der Hauptstadt Fuß fassen.132 Obwohl Wolffe auf Verbindungslinien zum Tory-Radikalismus eines Richard Oastler verwies, übersah er den Zusammenhang zwischen protestantischen und konservativen Arbeitervereinen. Mit der Entstehung der Protestant Operative Associations breiteten sich Organisationen, die mit einer dezidiert protestantischen Identität Teile der englischen Unterschichten erfassten, landesweit in alle Teile Englands aus und erreichten jene Regionen, die von der Gründungswelle der 128 129 130 131 132

Vgl. zu den Mitgliedszahlen J. Epstein, Lion, S. 231 und Goodway, London Chartism, S. 38 ff. Vgl. Penny Protestant Operative, April 1840. Vgl. Penny Protestant Operative, Oktober 1845, Juli 1847. Vgl. etwa Times, 9. 5. 1840, Penny Protestant Operative, Mai 1840, März 1841, Mai 1841. Vgl. Wolffe, Protestant Crusade. Zu den Gründen für die späte Entwicklung in London vgl. oben, Kapitel 2c.

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Operative Conservative Associations der Jahre 1835 bis 1837 nicht berührt worden waren. Beide Vereinstypen spielten in den lokalen Konflikten am Ort vergleichbare Rollen; nicht selten gingen sie unmittelbar aus örtlichen konfessionellen Gegensätzen hervor. Gerade der Erfolg protestantischer Arbeitervereine zeigte, wie sehr für wichtige Teile der englischen Unterschichten lange nach 1829 ein aggressiver Protestantismus verbunden mit einem klaren Bekenntnis zur anglikanischen Staatskirche und einem loyalistischen Patriotismus zu den wesentlichen Grundelementen ihres Gesellschafts- und Verfassungsverständnisses gehörte.

c) Das konservative Verfassungsverständnis nach der Emanzipation der Katholiken Während die Untersuchung lokalpolitischer Konflikte und der Beteiligung von konservativen Arbeitervereinen an ihnen nahelegt, dass protestantische Identitäten in den Jahrzehnten nach 1829 eine wichtige Rolle für das politische Agieren eines nicht unerheblichen Teils der englischen Unterschichten spielten, scheint das Urteil der jüngeren Sozialgeschichtsschreibung eindeutig. Linda Colley sah die Emanzipation der Katholiken als tiefen Einschnitt in der britischen Geschichte und als Ende der Ära eines protestantisch geprägten Patriotismus. John Wolffe und Denis Paz argumentierten, dass soziale Gruppen aus den Unterschichten nach 1830 nur selten in Kontakt mit bürgerlichen Organisationen gerieten, die weiterhin antikatholische und entschieden protestantische Haltungen propagierten. David Walsh glaubte, dass Protestantismus und Antikatholizismus in den Operative Conservative Associations nur eine untergeordnete Rolle spielten, und Neville Kirk betrachtete sowohl die Tory-Operatives als auch eine protestantisch-konservativ geprägte Politik insgesamt für weite Teile des 19. Jahrhunderts als unbedeutende Aspekte der Geschichte der englischen Unterschichten. Selbst mit Blick auf Liverpool, üblicherweise meist als ungewöhnliches Beispiel einer englischen Großstadt angeführt, deren Politik aufgrund besonders starker irischer Einwanderung von konfessionellen Gegensätzen geprägt und von einem protestantischen Konservatismus dominiert wurde, hat Kevin Moore vor einigen Jahren bestritten, dass Antikatholizismus und „No-Popery-Politics“ in den 1830er und 1840er Jahren für die konservative Mobilisierung von Arbeitern von Bedeutung waren.133 Nur selten lassen sich in der neueren Literatur Stimmen erkennen, die den Konsens der letzten Jahre stören.134 133 Vgl. Colley, Britons, Wolffe, Protestant Crusade, Paz, Anti-Catholicism, Walsh, Working Class Political Integration, N. Kirk, Change, Continuity and Class und K. Moore, Popular Politics. Für die Gegenthese zu Liverpool vgl. Neal, Sectarian Violence.

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Dagegen verdeutlicht schon ein oberflächlicher Blick auf die Aktivitäten der konservativen Arbeitervereine, wie zentral eine protestantisch geprägte Identität zumindest für die Mitglieder dieser Organisationen war. In Bolton und Leeds verging keine Veranstaltung der Operatives, ohne dass lange Lobeshymnen auf die protestantischen Institutionen des Landes, die „Protestant Constitution“ und die enge Verbindung von Kirche und Staat, Altar und Krone vorgetragen wurden. Das konservative Verständnis von Loyalismus und Patriotismus war nicht zu trennen von religiös-konfessionellen Vorstellungen, die grundlegende Züge der englischen Verfassung mit dem protestantischen Charakter der englischen Nation verbanden. Dem entsprach die Verehrung der Staatskirche ebenso wie die Betonung der protestantischen Thronfolge, die Absage an jede Form von „Popery“ wie die Ablehnung jeder weiteren Einschränkung der Rechte der Church of England. Ruhm und Größe Englands wurden als Ausdruck des göttlichen Segens verstanden, der auf einer protestantischen Nation ruhte. Nicht nur in den lokalen Konflikten, sondern auch an den Beifallsstürmen, die entsprechenden Reden bei Versammlungen und Festen folgten, zeigte sich, dass diese Haltung der Überzeugung der konservativen Operatives entsprach.135 Betrachtet man die Reden, etwa in Bolton, genauer, wird zudem klar, wie sehr die protestantische Identität der Vereine nach 1830 von Erfahrungen während der Emanzipationskrise und dem in den 1820er Jahren entwickelten protestantischen Konstitutionalismus geprägt worden war. „Bis hierher und nicht weiter“, rief William Bolling im Juli 1837 einer Versammlung der Operatives zu und drückte damit die typische Haltung aus, mit der in den Associations immer wieder an die Gleichstellung der Katholiken und die schwere Niederlage der Konservativen 1829 erinnert wurde.136 Ins Lob der Verfassung mit ihren protestantischen Institutionen wurde häufig die Klage über die bereits erfolgte Zerstörung eingebunden. Für John Roby glich die Verfassung nur noch einem „Beggar’s Cloak“, seit Katholiken ins Parlament eingezogen waren; gleichwohl galt es nun, die Reste des Mantels umso schärfer zu verteidigen.137 Das Motiv des Verrats, das 1829 nach der Zustimmung führender Tories zur Emanzipation so prominent geworden war, tauchte in Form von scharfen Angriffen gegen die Whigs und gegen irische Katholiken, allen voran ihren parlamentarischen Führer Daniel O’Connell, bei fast jeder Versammlung 134 Vgl. vor allem P. Joyce, Visions und Vernon, Politics and the People, wobei auch hier tendenziell die wachsende Bedeutung eines Tory-Populismus im späten 19. Jahrhundert betont wird. 135 Vgl. beispielhafte Reden aus Bolton, Leeds, West Bromwich und Barnsley : Bolton Chronicle, 4. 6. 1836 (Reden von Philip Halliwell, Charles Rothwell), 12. 12. 1840 (Richard Booth); Leeds Intelligencer, 1. 4. 1837 (Flower, Denham), 23. 10. 1841 (Rev. D. Jenkins); Times, 5. 1. 1838 (West Bromwich, Rede Rev. Gordon), 26. 11. 1839 (Barnsley, Rede Mr. Roby). Die Liste könnte leicht verlängert werden. 136 Bolling kleidete diese Botschaft in biblische Sprache: „Hitherto shalt thou come and no farther.“ Vgl. Bolton Chronicle, 15.7.1837. 137 Vgl. Bolton Chronicle, 15.9.1838.

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des Boltoner Arbeitervereins wieder auf. Warfen die konservativen Redner den Liberalen vor, den protestantischen Kern der Prinzipien von Civil and Religious Liberty aufgegeben und verkauft zu haben, sahen sie die andauernden konfessionellen Konflikte in Irland als Beweis dafür, dass alle Versicherungen, die Emanzipation würde zur Beruhigung der Lage in Irland beitragen und alle Forderungen der Katholiken befriedigen, betrügerisch und verlogen gewesen seien.138 Angesichts von „Whig Trickery“ und „Popish Plotting“ konnten sogar Peel und Wellington trotz ihrer maßgeblichen Beteiligung an der Emanzipation wieder als konservative Führer akzeptiert werden: Zwar hätten sie sich von der katholischen Agitation täuschen lassen, aber seitdem ihre Fehler eingesehen und sich wieder an die Spitze derjenigen gestellt, die mit aller Entschlossenheit die protestantische Verfassung gegen weitere Angriffe verteidigten.139 Schließlich blieb die enge Verbindung von Volk und Thron in den Reden präsent. Gerade die stetige Wiederholung der Vorstellung, einfache Arbeiter und das englische Volk müssten die protestantische Thronfolge gegen die fortgesetzten Angriffe von Katholiken und anderen Verfassungsfeinden verteidigen, erlaubte die enge Verbindung von protestantischer Identität und den konservativen Vorstellungen von Loyalismus und Patriotismus, die ansonsten die Reden vor den Tory-Operatives prägten.140 Der auffälligste Unterschied zu den protestantischen Arbeitervereinen bestand darin, dass diese noch stärker antikatholisch geprägt waren und sich weitaus häufiger und länger mit vermeintlichen katholischen Haltungen beschäftigten. Sowohl in Reden vor den Mitgliedern als auch in Flugschriften oder dem Penny Protestant Operative wurden in endloser Folge einseitige Darstellungen historischer Konflikte zwischen Protestanten und Katholiken verbreitet, katholische Irrlehren und der Aberglaube der ,Papisten‘ angegriffen und vor den politischen Bestrebungen des Vatikan und des Papstes gewarnt.141 Historische Exkurse und der Hinweis auf die Unveränderlichkeit des tief „unenglischen“ Katholizismus spielten schon in den Operative Conservative Associations eine wichtige Rolle, erreichten aber in den protestantischen Vereinen eine neue Dimension. Ganze Vortragsreihen über „Popery“ wurden gehalten, und kaum ein anderes Thema scheint die Mitglieder so mobilisiert zu haben wie die Gefahren eines politischen Katholizismus für England und seine Verfassung.142 Während in den Versammlungen der kon138 Vgl. etwa Bolton Chronicle, 4. 6. 1836 (Rede von Halliwell), 15. 7. 1837 (Slade), 15. 11. 1839 (Slade), 10.6. 1843 (Cooper). 139 Vgl. Bolton Chronicle, 4. 6. 1836 (Reden von Foster und Wilkins), 14. 1. 1837 (Foster), 15. 7. 1837 (Egerton). 140 Vgl. Bolton Chronicle 15. 7. 1837 (Rede von Rev. Slade), 15. 9. 1838 (Holt), 15. 11. 1839 (Ruby). 141 Vgl. zu den Aktivitäten der Vereine die erhaltenen Ausgaben des Penny Protestant Operatives, der Monatszeitschrift der Organisation, Jahrgang I – VIII (1840 – 1848). 142 Vgl. beispielsweise den Penny Protestant Operative, Mai 1843, mit Berichten über eine zwölfteilige Vortragsreihe im Londoner Stadtteil Marylebone.

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servativen Operatives in Bolton zudem immer wieder Differenzen zu Nonkonformisten und eine ausgewiesen anglikanische Identität aufschienen, bemühte man sich – trotz einer vergleichbar engen Bindung an die Church of England – in den protestantischen Vereinen nach außen stärker um eine panprotestantische Identität und berichtete wiederholt über Mitglieder aus nonkonformistischen Kreisen.143 Ein Grund für die Neigung vieler Historiker, die protestantisch-antikatholisch geprägte Bindung von sozialen Gruppen aus den Unterschichten an die Konservativen zu unterschätzen, mag sein, dass entsprechende Haltungen sich relativ selten in Wahlkampagnen niederschlugen. Nach 1826 spielte das Motiv der „Church in Danger“ nur 1837 eine nennenswerte Rolle auf den Wahltribünen; unmittelbar antikatholische Parolen, sofern sie über Plakate mit der Aufschrift „No Popery“ hinausgingen, wurden ohnehin nur selten benutzt. Die Neuwahlen nach dem Thronwechsel fanden in zeitlicher Nähe zu den parlamentarischen Debatten über die Church Rates und kurz nach der Aufhebung der verbliebenen Zehntzahlungen (Tithe) an die Staatskirche statt. In Leeds und London betonten deshalb alle konservativen Politiker ihre Unterstützung der Church of England und die hohe Bedeutung des Protestantismus für die englische Verfassung.144 Zwar gehörte das Bekenntnis zur Staatskirche auch bei anderen Wahlen fest zum Repertoire konservativer Kandidaten, meist allerdings wie in Bolton schon 1837 in der eher formelhaften Formulierung von der Verfassung in „Church and State“.145 In der direkten Konfrontation mit liberalen und radikalen Gegnern standen andere Aspekte der Verfassung im Vordergrund, nicht zuletzt, weil die Konservativen ab Ende der 1830er Jahre über die Frage des Maynooth Colleges zunehmend in ein Dilemma gerieten. Während Peel als parlamentarischer Führer der Tories, ab 1841 als Premierminister die staatliche Finanzierung des Colleges befürwortete, angesichts der Unterfinanzierung der Institution sogar sichern und ausbauen wollte, war sie vielen Konservativen im Land ein Dorn im Auge. Wie die protestantischen Arbeitervereine konnten sich weite Kreise der Gesellschaft, angesichts ihrer grundsätzlichen Ablehnung jeder staatlichen Kirchenfinanzierung auch viele Nonkonformisten, nicht mit der Zahlung von öffentlichen Geldern an eine katholische Institution abfinden.146 Für konservative Kandidaten war es indes schwierig, sich im Wahlkampf an die Spitze des Protests und damit gegen den eigenen Parteiführer zu stellen. Entsprechend trug die Frage, die letztlich mit der grundsätzlichen Einschätzung der Rolle des Protestantismus für die englische Gesellschaft verbunden war, wesentlich zur Spaltung der Konservativen 1846 bei, blieb aber in Wahlkämpfen eher 143 Vgl. etwa Penny Protestant Operative, August 1841, Dezember 1846. 144 Vgl. Times, 24. 7. 1837, 25. 7. 1837; Leeds Intelligencer, 29.7.1837. 145 Vgl. Bolton Chronicle, 29. 7. 1837; Leeds Intelligencer, 13. 12. 1832, 10. 1. 1835, 3. 7. 1841, 31. 7. 1847; Times, 30.6.1841. 146 Vgl. Cahill, Protestant Association, Machin, Maynooth Grant, Norman, Maynooth Grant, Wolffe, Protestant Crusade, Kap. 6 und Paz, Popular Anti-Catholicism, Kap. 7 und passim.

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unbedeutend und verhinderte zugleich eine große protestantisch-konservative Mobilisierung. Es ist daher falsch, die Bedeutung einer protestantisch-nationalen Identität für Konservative aus den Unterschichten zu unterschätzen. Für diejenigen, die sich für eine Mitgliedschaft in konservativen Vereinen entschieden, spielte sie eine entscheidende Rolle zur Bindung an die Organisation. Darüber hinaus war die Verknüpfung von Protestantismus und Nationalismus in lokalen Konflikten ein wesentliches Element bei der Mobilisierung von Anhängern über den Kreis der eingeschriebenen Mitglieder hinaus, selbst wenn sich der offensive Einsatz von antikatholischen Parolen in parlamentarischen Wahlkämpfen als schwierig erwies. Es kommt darauf an, den Stellenwert der konservativen Auffassung von Religion und Nation genau zu erfassen: Die protestantische Sprache der Tories stand im Wettbewerb mit liberalen und radikalen Diskursen, die ihre politischen Forderungen ebenfalls mit protestantischen, dann aber gegen die Staatskirche und gesellschaftliche Hierarchien gerichteten Positionen begründen konnten. Die lautstarke Unterstützung für konservative Wortführer im Kampf um die Emanzipation der Katholiken von 1828 schloss ein handfestes Engagement für die Wahlrechtsreform in liberalen Zusammenhängen zwei oder drei Jahre später nicht aus. Ebenso bedeutete eine Unterschrift unter die Liste der demokratischen Forderungen der People’s Charter nicht, dass der Unterzeichner irische Katholiken in seiner Nachbarschaft wünschte oder konservativen Politikern die Zustimmung verweigern würde, wenn sie im Namen von Krone und Kirche vor „Popery“ warnten. Das Nebeneinander gegensätzlicher Identitätsangebote prägte die Konflikte auf der Ebene der Popular Politics; Akteure aus den Unterschichten konnten Elemente der einen Seite mit Aspekten der anderen vermischen, unbewusst widersprüchliche Antworten auf unterschiedliche Problemlagen finden oder von Zeit zu Zeit ihre Position verändern. Politische Allianzen mussten deshalb in verschiedenen Kontexten immer wieder neu geschaffen werden. Die konservative Variante des Popular Constitutionalism konnte mit ihrem spezifischen Verständnis von Protestantismus jedoch stets auf erheblichen Zuspruch hoffen, nicht zuletzt, weil sie an Vorstellungen und Überzeugungen appellierte, die auch auf andere Weise tief in der englischen Unterschichtskultur verankert waren und im nächsten Kapitel untersucht werden.

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Kapitel 4 Konservative Spektakel, Protest oder irenfeindlicher Rassismus? Antikatholische Aspekte der englischen Straßenkultur Am 5. November 1831, dem Jahrestag eines 1605 gescheiterten Sprengstoffattentats auf das Parlament, bei dem König und Oberhaus einer von Katholiken geprägten Verschwörung entkommen waren, versammelte sich bei Einbruch der Dunkelheit eine schnell wachsende Menge auf dem Marktplatz von Huddersfield. Wie üblich am Guy Fawkes oder Gunpowder Plot Day wurden Raketen abgeschossen und Knaller gezündet, auch wenn lokale Behörden und ansässige Kaufleute seit Jahren versuchten, das unfallträchtige Spiel mit Feuerwerkskörpern zu unterbinden. 1831 war die Stimmung auf dem Marktplatz aber besonders angespannt. Anfang Oktober hatte das House of Lords die Zustimmung zur Wahlrechtsreform der liberalen Regierung unter Lord Grey verweigert und damit eine neuerliche Kampagne für die Ausweitung des Wahlrechts ausgelöst, die bald bis Huddersfield vorgedrungen war. Wütende Proteste prägten deshalb die Feiern: Gegen 21 Uhr zog eine Gruppe von rund 100 Männern auf den Marktplatz, die statt der gewohnten Puppe von Guy Fawkes, der Hauptperson der historischen Verschwörung, eine Strohpuppe des walisischen Bischofs von Llandaff schulterten. Seine Ablehnung der Reform Bill im Oberhaus hatte zu besonders heftigen Reaktionen geführt, da er zuvor als Befürworter der Wahlrechtsreform gegolten hatte. Vor ihrer Ankunft auf dem Marktplatz waren die Männer begleitet von einer Kapelle mit Fackeln durch die Stadt marschiert und hatten die Puppe vor das Pfarrhaus sowie die Häuser prominenter Einwohner getragen. Nun, inmitten der Menge, bestiegen ihre Anführer ein improvisiertes Podest und verlasen eine Erklärung, in der sie unter dem Beifall der Versammelten das Ende des Fifth of November als Festtag einer staatlich-kirchlichen Verschwörung zur Unterstützung von Abgaben für die Kirche und ihrer Vertreter sowie des korrupten Systems von „Old England“ feierten. Mit der Forderung nach der Zerstörung aller Monopole, einem neuen Wahlrecht und Gerechtigkeit für das Volk wurde die Puppe schließlich verbrannt, begleitet von dem Gebet: „Good Lord, put down aristocracy / Let boroughmongers be abhorred, / And from all tithes and shovel-hats / Forthwith deliver us good Lord!“1 Ähnliche Szenen spielten sich 1 Vgl. Leeds Intelligencer, 10.11.1831. Unter Boroughmongers verstanden Liberale und Radikale die Verteidiger der oft sehr kleinen Wahlkreise, Rotten Boroughs, die von einem oder wenigen

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am gleichen Tag in London ab, wo bei zahlreichen Feiern ein Bischof zum „Guy of the Day“ erklärt wurde; im Stadtteil Clerkenwell verbrannten genau 21 Bischofspuppen, entsprechend der Zahl der Bischöfe, die im Oberhaus die Reform abgelehnt hatten.2 Die Feiern in Huddersfield und London fügen sich scheinbar leicht in das Bild des Guy Fawkes Days ein, das die englische Forschung in den letzten zwei Jahrzehnten geprägt hat: Protestkultur und schwer zu kontrollierende Massen, die sich an Feuerwerk, Alkohol und ruppiger Ausgelassenheit erfreuten, kennzeichneten demnach den 5. November. Vor allem Robert Storch beschreibt ihn als Festtag, der sich von einem offiziellen Feiertag mit staatstragender Bedeutung zu einem der Basler Fastnacht vergleichbaren „Ritual of Reversal“ entwickelte. So hatte die zunehmende Nähe der Masse der Teilnehmer zu sozialen Protestbewegungen seit dem späten 18. Jahrhundert dazu geführt, dass sich soziale Eliten von den Feiern zurückzogen und sie Gruppen aus den Unterschichten überließen, die in ihnen maskiert, mit wilder Musik und aggressiven Riten ihre Kritik ausdrücken konnten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden Bezüge zu Fragen von nationaler Bedeutung zwar seltener, eine Kultur des Protests und des Ungehorsams lebte in den Feiern aber fort. Sie äußerte sich im Widerstand gegen polizeiliche Kontrollen, behördliche Beschränkungen der Abläufe und in der Thematisierung lokaler Konflikte. Antikatholische und patriotische Elemente sowie die Erinnerung an die Verschwörung gegen Parlament und König, welche die Feiern seit dem 17. Jahrhundert dominiert hatten, traten immer mehr in den Hintergrund.3 Dagegen bezweifelt Denis Paz den subversiven Charakter der Rituale am Guy Fawkes Day und verortet die politischen Aspekte der Feiern in den Rivalitäten konkurrierender Kreise aus dem Bürgertum. Vor allem die Tories versuchten, den Festtag für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Mit Blick auf die Beteiligung der Unterschichten zeichnet Paz aber letztlich ein verwandtes Bild: Nachdem die fast ausgestorbenen Feiern um die Jahrhundertmitte wieder aufgelebt waren, gerieten sie in den Händen der teilnehmenden Massen außer Kontrolle. Diese verfolgten keine politischen Ziele und blieben gegenüber antikatholischen Inszenierungen gleichgültig, erfreuten sich aber an Alkoholexzessen wie Raufereien und entdeckten so ein eigenes Interesse an den Feierlichkeiten. Entsprechend waren sie bereit, sich gegen Versuche der Eindämmung und Kontrolle gewaltsam zur Wehr zu setzen.4 Seine Studien zu Northamptonshire und Cambridge kommen damit zu ähnlichen Ergebnissen wie andere Untersuchungen zu Guildford und Lewes, welche die Feiern weeinflussreichen Adeligen kontrolliert wurden. Shovel-Hats waren typische Hüte des anglikanischen Klerus. Zur Diskussion um den Bischof von Llandaff vgl. Times, 12. und 13.10.1831. 2 Vgl. Observer, 13.11.1831. 3 Vgl. Storch, Please, daneben Cressy, Fifth und Griffin, England’s Revelry, passim. Zu den frühen Feiern nach 1605 vgl. Cressy, Bonfire, Kap. 4. 4 Vgl. Paz, Bonfire Night und ders., Popular Anti-Catholicism, Kap. 8.

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niger als Protestgelegenheiten oder antikatholische Manifestationen sehen, sondern als weitgehend unpolitische Rituale zur Festigung von sozialen Beziehungen und lokalen Identitäten in Stadtteilen mit Unterschichtscharakter werten.5 Auch sonst neigt die Forschung dazu, antikatholische Aspekte der Straßenkultur herunterzuspielen. Das gilt insbesondere für Gewaltausbrüche zwischen Engländern und irischen Einwanderern, bei denen sich konfessionelle Gegensätze mit ethnischen Grenzen überlappten, sowie die Welle aggressiver Demonstrationen gegen die als „Papal Aggression“ bekanntgewordene Wiedereinsetzung von Bischöfen durch den Papst im Jahre 1850. Zwar liegen inzwischen mehrere Studien zu derartigen Ereignissen vor.6 Insgesamt wird aber betont, dass jenseits der britischen Zentren konfessioneller Spannungen in Liverpool und Glasgow Gegensätze zwischen Engländern und Iren nur selten zu Gewalt führten und sich kaum in den parteipolitischen Auseinandersetzungen am Ort niederschlugen. Die gängige Deutung führt vorhandene Spannungen daher vor allem auf die ökonomische Konkurrenz zwischen Einwanderern und heimischen Arbeitern zurück, die sich in Gewalt entladen konnten, wenn Engländer ihre soziale Stellung durch Iren gefährdet sahen.7 Entsprechend werden die anglo-irischen Konflikte in den 1850er und 1860er Jahren im Kern als Folge der starken irischen Einwanderung während der Hungerkatastrophe nach 1845 verstanden. Politische Verbindungen zwischen irenfeindlichen Tendenzen und einem konservativen Protestantismus erkennen Immigrationsforscher und Politikhistoriker erst im Anschluss an diese Entwicklung. Solche Verbindungen erhielten größere Relevanz, nachdem im späten 19. Jahrhundert die Frage der irischen Selbstverwaltung in den Mittelpunkt der politischen Debatten gerückt war und die Tories zunehmend von der Reorganisation des englischen Flügels des Oranierordens profitierten.8 Dazu passt, dass Denis Paz nicht nur die Beteiligung von Unterschichtsgruppen am Guy Fawkes Day, sondern auch ihre Unterstützung der Demonstrationen gegen die „Papal Aggression“ als weitgehend unpolitisch wertet. Das Verbrennen von Papstpuppen wie das Einschlagen von irischen Köpfen lässt sich so als leidige Folge irregeleiteten Handels alkoholisierter Halbstarker oder frustrierter Arbeiter deuten.9 5 Vgl. G. Morgan, Guilford Guy Riots und Etherington, Community Origin. 6 Vgl. Arnstein, Murphy Riots, Richter, Riotous Victorians, Kap. 3, Swift, Anti-Catholicism, Millward, Stockport Riots, Neal, English-Irish Conflict, Wallis, Popular Anticatholicism und Bryson, Riotous Liverpool. 7 Vgl. Lees, Exiles, Waller, Democracy, Fitzpatrick, Peculiar Tramping People, G. Davis, Irish, O’Day, Varieties, Swift u. Gilley, Irish in the Victorian City, dies., Introduction, dies., Irish in Victorian Britain, Scott, Re-Examination, Swift, Historians, und MacRaild, Irish Migrants. 8 Vgl. Usherwood, No Popery, N. Kirk, Ethnicity, P. Joyce, Work, Society and Politics, Kap. 7, MacRaild, Culture, ders., Faith, und Scott, Re-Examination, Kap. 2 und 3. 9 Vgl. Paz, Popular Anti-Catholicism, Kap. 8.

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Obwohl der differenzierende und lokale Kontexte betonende Charakter der Forschung der letzten 20 Jahre höchst willkommen ist, soll im Folgenden eine andere Interpretation von Festen, antikatholischen Protesten und Gewaltausbrüchen zwischen Engländern und Iren vorgeschlagen werden. Ungeachtet der Möglichkeit, den Guy Fawkes Day zu radikalen Protesten und zur Austragung von Konflikten zwischen Bürgertum und Unterschichten am Ort zu nutzen, war seine dominante Botschaft antikatholisch und fügte sich in ein konservatives Gesellschaftsbild ein. Weder bei den Feiern am 5. November noch bei den Protestveranstaltungen nach der Papal Aggression blieben die versammelten Mengen aus den Unterschichten passive oder gleichgültige Teilnehmer einer Inszenierung „von oben“. Vielmehr wurde in der Entwicklung des englischen Oranierordens und in den Protesten gegen rekatholisierende Tendenzen innerhalb der Anglikanischen Kirche deutlich, wie eng antikatholische und irenfeindliche Ressentiments für Teile der englischen Unterschichten verbunden waren. Die Popularität solcher Haltungen macht verständlich, warum das im letzten Kapitel geschilderte loyalistisch-protestantische Verfassungsverständnis lange vor dem späten 19. Jahrhundert politische Kräfte über große soziale Grenzen hinweg mobilisieren konnte: Konservative Diskurse formulierten Positionen, die in rituellen Praktiken der englischen Straßenkultur fest verankert waren.

a) Die Guy-Fawkes-Feiern vor 1850 Im frühen 19. Jahrhundert war der Guy-Fawkes-Tag auf den ersten Blick kein zentraler Bestandteil des englischen Festkalenders. Abseits der notorischen Zentren der Guy-Feiern in Exeter und Hastings, Guildford und Lewes, die in den Studien zum 5. November immer wieder als prominente Beispiele angeführt und untersucht werden, lassen sich häufig nur kurze Notizen in den Zeitungen finden, welche die Feiern mit Schuljungen, schweren Verletzungen und lästigem Feuerwerk in Verbindung bringen. Selbst der konservative und nicht zimperliche John Bull stellte 1829 erleichtert fest, dass die gefährlichen und zur Bildung von Mobs führenden Feiern am 5. November stark zurückgegangen seien, und dankte der Polizei für entsprechende Maßnahmen.10 Szenen wie die beschriebenen Proteste durch Radikale in Huddersfield und London scheinen eine Ausnahme gewesen zu sein. Nach 1815 findet sich in der Times lediglich auf dem Höhepunkt der Caroline-Affäre ein weiterer kurzer Hinweis auf Proteste am 5. November : In manchen Orten sei der italienische Hauptzeuge gegen die Königin, Majochi, anstelle von Guy Fawkes verbrannt worden.11 Die Forschung hat daraus den naheliegenden Schluss gezogen, dass 10 Vgl. John Bull, 8.11.1829. 11 Vgl. Times, 14.11.1820.

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die Feiern vor 1850 fast untergegangen waren und eigentlich nur in Südengland in ländlichen Gegenden und wenigen Kleinstädten aufgrund besonderer lokaler Traditionen fortlebten. Die relativ knappen Berichte über die Abläufe am 5. November lassen jedoch ein widersprüchliches Bild der Feierlichkeiten entstehen. Schon David Cressy hat auf die merkwürdige Häufung von Meldungen hingewiesen, in denen Zeitungen und Beobachter wieder und wieder den Niedergang oder das nahezu vollständige Verschwinden des Festtags beschrieben.12 Die Times etwa teilte ihren Lesern 1834 mit, dass der Tag, der vor 50 Jahren ganz London in gleißendes Licht getaucht habe, heute kaum noch Beachtung fände und lediglich von einigen Kindern für Feuerwerk genutzt würde. 1838, 1843, 1850 und 1867 erschienen ähnliche Berichte, ab 1877 fast jährlich – 1884 war der Tag ebenso wie 50 Jahre zuvor „gradually dying out“.13 Während Cressy das langlebige Aussterben des 5. Novembers in den Zeitungen vor allem als Hinweis auf eine von den Zeitgenossen unbemerkte Bedeutungsverschiebung der Feiern deutete, ging er auf die auffällige zeitliche Nähe von Berichten über den Niedergang des Festtags mit ausführlichen Schilderungen von Feierlichkeiten und Ausschreitungen am Guy Fawkes Day nicht näher ein. 1833 etwa musste die Times berichten, wie eine Parade von englischen Arbeitern mit einer Guy-Fawkes-Figur über den Ratcliff-Highway im Londoner East End zu Straßenschlachten mit Iren geführt hatte, die von der Polizei nur mit Mühe beendet werden konnten. Verletzte Iren und Polizisten blieben auf den Straßen zurück.14 1838 wiederholten sich solche Szenen in den Arbeitervierteln Ostlondons, nachdem eine Gruppe Jugendlicher gefolgt von einer dichten Menge eine Guy-Puppe durch irische Wohngebiete getragen und damit Ausschreitungen provoziert hatte. Die Polizei konnte die Affäre zwar schnell beenden, musste aber konzedieren, dass sie kein Einzelfall gewesen sei: „He never saw as many Guys in his life as on that day“, gab der zuständige Inspektor vor dem Polizeirichter zu Protokoll.15 Auch in Bolton und Leeds findet sich in den Berichten der Lokalzeitungen eine vergleichbare Spannung zwischen vereinzelten Berichten, vagen Hinweisen auf Konflikte um die Feiern und gelegentlich längeren Darstellungen der „üblichen“ Abläufe. So berichtete der Leeds Intelligencer 1816 knapp, der Tag des Gunpowder Plots sei wie gewohnt begangen worden. Für die elf Jahre danach fehlen Berichte, bevor die Feiern 1828 wieder geschildert wurden.16 Sicher lebten die Feiern in diesem Jahr mit den Auseinandersetzungen um die Emanzipation der Katholiken wieder auf, aber der Hinweis auf ihre besondere Größe impliziert, dass die Abläufe unverändert waren und die Feiern schon in 12 Vgl. Cressy, Fifth, S. 80. 13 Vgl. Times, 6. 11. 1834, 6. 11. 1838, 5. 11. 1843, 6. 11. 1850, 7. 11. 1867, 6. 11. 1877, 6. 11. 1878, 6. 11. 1879, 6. 11. 1880, 6.11.1884. 14 Vgl. Times, 6.11.1833. 15 Vgl. Times, 6.11.1838. 16 Vgl. Leeds Intelligencer, 9. 11. 1816, 6.11.1828.

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den Jahren zuvor in ähnlichem, wenn auch kleinerem Rahmen stattgefunden hatten. Nicht zuletzt deshalb stritten wohl Liberale und Tories um die Reaktion der Stadtverwaltung auf die Feiern: Der Mercury warf den konservativen Magistraten vor, zwar Verbote gegen Feuerwerk und Freudenfeuer ausgesprochen, diese aber nicht durchgesetzt zu haben.17 Auch die eingangs skizzierte Kritik der radikalen Guys aus dem benachbarten Huddersfield am Charakter der früheren Feiern des Tags verwies 1831 darauf, dass der 5. November in den Städten des West Ridings regelmäßig gefeiert wurde. Ein Jahr später bestätigte sich das im Beschluss der liberalen Mehrheit in der Vestry in Leeds, die Gelder für das Glockenläuten am Guy Fawkes Day zu streichen; dabei wies man explizit darauf hin, dass hier Gemeindemittel für Parteizwecke missbraucht würden.18 In Bolton, von wo vor 1828 keine Zeitungsausgaben aus den Novembermonaten erhalten geblieben sind, berichtete der radikale Chronicle um 1830 spöttisch über die Feiern, schilderte aber gleichwohl die Abläufe, obwohl ihm das Ereignis „now almost generally forgotten“ erschien.19 Nachdem die Zeitung Anfang der 1830er Jahre ihre politische Ausrichtung gewechselt hatte, änderte sich die Berichterstattung über den Guy Fawkes Day, der 1835 ausführlich beschrieben, 1839 gegen liberale Kritik verteidigt und in anderen Jahren häufig kurz erwähnt wurde – in den 1840er Jahren fand er offensichtlich Jahr für Jahr in ähnlichem Rahmen statt.20 Zusammengenommen legen die Berichte aus London, Leeds und Bolton nahe, dass der Guy Fawkes Day über die südenglischen Hochburgen hinaus in weiten Teilen Englands regelmäßig begangen wurde. Der Tag war nicht wichtig genug, um die Redakteure der Zeitungen zu jährlichen Schilderungen der Ereignisse zu bewegen, aber in vergleichbarer Form wurde er offenbar in allen untersuchten Städten und Regionen gefeiert. Von den großen offiziellen Feierlichkeiten des 17. und 18. Jahrhunderts hatten sich trotz des allmählichen Rückzugs der lokalen Eliten symbolische Formen wie das Läuten der Kirchenglocken und das Beflaggen öffentlicher Gebäude erhalten. In London kam das Feuern von Salutschüssen der Kanonen in den königlichen Garnisonen am Tower und im Hyde Park hinzu.21 Zudem fanden in den anglikanischen Kirchen Gottesdienste statt, in denen die Predigten die Geschichte des 5. November erläuterten und in Verbindung mit häufig scharfen antikatholischen Botschaften den protestantischen Charakter des englischen Staats hervorhoben.22 Bis 1859 waren die Priester dazu streng genommen gesetzlich ver-

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Vgl. Leeds Mercury, 8.11.1828. Vgl. Leeds Intelligencer, 29.11.1832. Vgl. Bolton Chronicle, 7.11.1829. Vgl. Bolton Chronicle, 7. 11. 1835, 9. 11. 1839, 9. 11. 1844, 7. 11. 1846, 6. 11. 1847 und 11.11.1848. Vgl. Bolton Chronicle, 7. 11. 1835, 9. 11. 1844; Leeds Intelligencer, 11. 11. 1837, 11. 11. 1843; Times, 6.11.1843. 22 Vgl. etwa Times, 6. 11. 1839, 15. 11. 1839, 7. 11. 1843; Halifax Guardian, 5.11.1842.

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pflichtet, denn die vom Parlament 1606 vorgeschriebenen Gebete blieben bis dahin Bestandteil der anglikanischen Gottesdienstordnung.23 Spätestens seit den 1820er Jahren war die Beteiligung von Staat und Kirche an den Feiern auf lokaler wie auf nationaler Ebene zwischen Konservativen und Liberalen umstritten. Konflikte um das Glockenläuten wie in Leeds fanden in London ihre Fortsetzung, als sich die liberale Regierung 1838 gegen die Feiern aussprach und Beflaggung, Salutschüsse sowie andere Formen staatlicher Symbolik am 5. November unterband.24 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung erschienen immer wieder Bücher und Pamphlete, die sich mit den historischen Wurzeln des Festtags beschäftigten und vor den Gefahren des Katholizismus warnten, ergänzt durch gelegentliche Beiträge in lokalen wie überregionalen Zeitungen mit entsprechenden Botschaften.25 Im politischen Kampf um die Feiern bestand an ihren antikatholischen Implikationen und ihrer Verbindung zu konservativen „Kirche-undKönig“-Vorstellungen kein Zweifel. Den eigentlichen Charakter des 5. Novembers machten aber nicht die offiziellen Symbole, sondern Knaller und Böller, Umzüge mit selbstgebastelten Guy-Fawkes-Figuren und große Freudenfeuer aus. Diese konnten auch im frühen 19. Jahrhundert noch den Charakter von großen städtischen Festen annehmen, wie in Leeds 1837, wo die Feiern ganz offensichtlich zentral koordiniert wurden, eine Parade mannshohe Figuren von Wellington und Napoleon mitführte und abschließend mit einem großen Feuerwerk auf offenem Feld außerhalb der Stadt endete.26 Über die Organisatoren dieser Feier ist nichts bekannt, aber es liegt nahe, sie in konservativen Kreisen zu vermuten, die den 5. November inmitten der geschilderten Konflikte mit den Liberalen um das richtige Verständnis von Loyalismus und Patriotismus für ihre Zwecke nutzen wollten.27 Denkbar ist darüber hinaus eine Beteiligung der konservativen Operatives oder anderer Organisationen mit antikatholischem und protestantisch-nationalem Profil. Auffällig häufig berichteten Lokalzeitungen in Nordengland etwa über Aktivitäten des Oranierordens am Guy Fawkes Day.28 Der Tag bot sich den Oraniern aufgrund seiner zeitlichen Nähe zum Geburtstag Wilhelms III. am 4. November für Umzüge und Festessen an. Die Erinnerung an die Rettung von Krone und Parlament vor katholischen Verschwörern im Jahre 1605 konnte so unmittelbar mit dem Verweis auf Wilhelms Sicherung der protestantischen Vorherrschaft am Ende der englischen Bürgerkriege verbunden werden. Besonders in der Umgebung von Bolton scheint 23 Vgl. Cressy, Fifth, S. 71 f. 24 Vgl. Times, 7.11.1838. 25 Vgl. Bolton Chronicle, 11. 11. 1837, 9. 11. 1839; John Bull, 4. 11. 1838; Times, 6. 11. 1839, 5.11.1840. 26 Vgl. Leeds Intelligencer, 11.11.1837. 27 Vgl. oben, Kapitel 2, S. 113 ff. 28 Vgl. Manchester Courier über Bolton, 8. 11. 1828; Bolton Chronicle, 10. 11. 1838, 13. 11. 1841; Leeds Intelligencer, 12. 11. 1829, 10. 11. 1838, 14. 11. 1946, 13.11.1847.

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der 5. November daher schon um 1820 regelmäßig vom Orden geprägt worden zu sein.29 Üblicher als solche durch konservative Organisationen geprägte Feiern waren Festlichkeiten in den ärmeren Vierteln der Städte, die sich der Kontrolle durch Polizei, Magistrate oder Parteien entzogen. In ihrer harmloseren Form verbanden sie sich mit Kindern, die mit geschwärzten Gesichtern durch die Straßen zogen, um Spenden für ihren Guy baten und anschließend vielleicht mit ihren Eltern um die auf einem Scheiterhaufen brennende Puppe feierten.30 Deutlich aggressivere Züge nahmen die Feiern an, wenn sie zu rituellen Gerichtszeremonien führten, wie sie Robert Storch für Südengland geschildert hat. In Nordengland waren solche Szenen zumindest nicht ausgeschlossen, wie ein Beispiel aus Bolton zeigt, wo 1828 ein Stelldichein eines Webers mit einer jungen Frau zu einer Strafaktion am Guy Fawkes Day führte, bei der die Frau ihm symbolisch mit einem Kind aufwartete, bevor er von seinen Nachbarn gefesselt, als Ehebrecher durch den Ort geschleppt und schließlich auf einem Misthaufen abgesetzt wurde.31 Typischer waren Menschenaufläufe um bisweilen gefährlich große Freudenfeuer und ausufernde Spielereien mit brennenden Guy-Puppen und Feuerwerk. Häufig finden sich in den Zeitungen Hinweise auf schwere Verletzungen und Klagen über den illegalen Verkauf von Knallkörpern.32 Aus solchen Versammlungen konnten sich wie in den Londoner Beispielen gezielte Provokationen gegen Iren und Katholiken entwickeln und zu Gewalttätigkeiten führen. Brandgefahr und Gewalt fanden auch in konservativen Kreisen kein Verständnis und erklären die bisweilen scharfe Kritik in Zeitungen wie dem John Bull oder Leeds Intelligencer. An ihr zeigte sich aber darüber hinaus, dass die Initiative zu weiten Teilen der Feierlichkeiten unterhalb der Ebene politischer Organisationen oder offizieller Stellen in Verwaltung und Kirche lag. Gemessen an den relativ seltenen Berichten über Ausschreitungen am 5. November scheint ein friedlicher und unproblematischer Verlauf der Feiern die Regel gewesen zu sein. Aber sowohl die Schlachtrufe der Londoner Jugendlichen, die 1838 mit „No Popes“-Gesängen (sic!) vor die Häuser ihrer irischen Nachbarn zogen und diese mit der Aufforderung „Pray Remember the Fifth of November“ provozierten, als auch die unmittelbare Reaktion der Iren unterstreichen, dass der Tag über die politischen Auseinandersetzungen von bürgerlichen Politikern hinaus mit aggressiven antikatholischen Botschaften und einem loyalen Bekenntnis zu Parlament und Krone verbunden war.33 Wie sehr den Teilnehmern aus den Unterschichten bei aller Ausgelassenheit und Freude an Alkohol wie Feuerwerk diese Bedeutung der Feiern 29 Vgl. Wheeler’s Manchester Chronicle, 11. 11. 1820, 18.11.1820. 30 Die Verbindung mit Kindern wurde in Zeitungen wiederholt erwähnt. Vgl. Bolton Chronicle, 7. 11. 1829; Leeds Intelligencer, 6. 11. 1828; Times, 6. 11. 1832, 6. 11. 1834; 7.11.1844. 31 Vgl. Bolton Chronicle, 8.11.1828. 32 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 8. 11. 1832; Halifax Guardian, 12. 11. 1842; Times, 11.11.1847. 33 Vgl. Times, 6.11.1838.

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bewusst war, legen zudem die mit dem Tag verbundenen Lieder und Reime nahe, die zum Teil bereits aus dem 17. Jahrhundert stammten und bis heute vielen Engländern geläufig sind. „Please to remember the Fifth of November / Up with the ladder, down with the rope / Please give us a penny to burn the old pope“ sangen Kinder etwa in Exeter; andere Texte erinnerten explizit an das gescheiterte Attentat, seine katholischen Hintergründe und die Rettung von Parlament wie König.34 Vermutlich richtete sich daher 1831 die Forderung der radikalen Guys aus Huddersfield nach einem Ende des 5. Novembers als antikatholischem Feiertag nicht nur gegen die offiziellen Symbole der hochrangigen Boroughmongers und anglikanischen Geistlichen, sondern auch an die Mengen auf den Straßen mit ihrem traditionellen Verständnis der Feiern. Auf dem Höhepunkt der Mobilisierung für die Wahlrechtserweiterung und inmitten der allgemeinen Empörung über die Zurückweisung der Reform Bill konnten sie damit Beifall ernten. Das deutliche Aufleben der Feiern im Zuge der Debatten um die Emanzipation verweist aber darauf, dass der Guy Fawkes Day zu anderen Zeiten von den Mengen auf den Straßen klar konservativ gedeutet und zum Ausdruck ihrer Ablehnung von liberalen Reformen genutzt wurde. In Anlehnung an Denis Paz ließe sich vermuten, dass dabei 1828 die Initiative zu ausgedehnten Feiern von gehobenen ultrakonservativen Kreisen ausging, aber weder in den liberalen noch in den konservativen Zeitungen lassen sich entsprechende Vorwürfe oder Hinweise auf kostspielige Inszenierungen finden. Trotz der Klagen des Mercurys über die mangelnde Durchsetzung der Verbote wurden das ununterbrochene Abfeuern von Waffen und die zahlreichen Freudenfeuer in Leeds eindeutig in den „Back Alleys“ und „Outskirts“ lokalisiert.35 In Bolton und London reflektierten die Zeitungen beider Lager die Größe der Feiern des Jahres 1828 erst nach ihrem Rückgang im folgenden Jahr in erleichterten Kommentaren – Versuche zur Instrumentalisierung durch Tory-Kreise hätten angesichts der sonst üblichen Zeitungskämpfe zwischen konservativen und liberalen Blättern wohl ein anderes Presseecho erzeugt.36 Ähnlich müssen die wachsenden Feiern am Ende der 1830er Jahre und die Ausschreitungen in London 1838 als Reaktion der Straße auf die politischen Debatten um Irland, die Stellung der Staatskirche und die zunehmend wichtigere Rolle von Katholiken in der englischen Politik gewertet werden. Zwar bildeten konservative Pressebeiträge, öffentliche Feiern und Straßenrituale etwa 1839 nach der erstmaligen Aufnahme von Katholiken ins Kabinett und der expliziten Ablehnung der Feiern am 5. November durch die liberale Regierung im Jahr zuvor eine Einheit, doch lässt sich angesichts der 34 Vgl. Cossins, Reminiscences, S. 66, zitiert nach Storch, Please. Entsprechende Texte finden sich in den Beschreibungen des Journalisten Henry Mayhew, London Labour, Bd. 1, S. 237 f. und Bd. 3, S. 69 ff., der in seinen Reportagen über Londoner Unterschichtsviertel auch den Guy Fawkes Day schilderte. Vgl. auch Cressy, Fifth und Turton, Mayhew’s Irish. 35 Vgl. Leeds Intelligencer, 6. 11. 1828, Leeds Mercury, 8.11.1828. 36 Vgl. die schon zitierten Artikel im Bolton Chronicle, 7. 11. 1829, und John Bull, 8.11.1829.

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aufgeladenen Atmosphäre und der hohen Politisierung in den sozialen Konflikten der Frühphase des Chartismus kaum vermuten, dass soziale Gruppen aus den Unterschichten an den Feiern teilgenommen hätten, ohne sich ihrer symbolischen Bedeutung bewusst gewesen zu sein.37 Insgesamt müssen die Feiern des Guy Fawkes Days vor 1850 daher als ein Ritual gewertet werden, das für die Teilnehmer mit wenigen Ausnahmen stets deutliche antikatholische Bezüge hatte und mit der Demonstration von Loyalität zu Kirche, Staat und Krone verbunden war. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass für viele der Feiernden meist die Freude an deftigen Spielereien, Alkohol und Feuerwerk im Vordergrund stand. Es erscheint unsinnig, johlenden Mengen am Freudenfeuer, randalierenden und knallerwerfenden Jugendlichen oder Kindern mit selbstgebastelten Guy-Puppen ein ausgeprägtes Bewusstsein der symbolischen Bedeutung ihrer Handlungen zu unterstellen. Dennoch sorgten solche Riten für die Tradierung einer oberflächlich gewiss wenig durchdachten allgemeinen Abneigung gegenüber dem Katholizismus. Sie gaben Anlass, die Geschichte des Gunpowder Plots Jahr für Jahr zu erzählen und unbestimmte Gefahren durch Katholiken zu beschwören sowie populäre Mythen über deren Aberglauben, Priesterhörigkeit und moralische Verkommenheit zu verstärken. Englische Kinder lernten, dass Katholiken nicht nur eine andere Konfession hatten und meist aus Irland stammten, sondern auch eine Bedrohung für den Staat wie die Monarchie darstellten. Jugendliche konnten in Raufereien mit irischen Altersgenossen ihre Gruppenbindungen stärken und die Fronten zwischen Einwanderern und einheimischer Bevölkerung bekräftigen. Darüber hinaus vermittelten die Feiern vor allem in ihren harmloseren Formen ein Gefühl von althergebrachter Tradition, nachbarschaftlicher Zusammengehörigkeit und sozialer Akzeptanz der Gesellschaft – Nachbarn, die aus politischen oder religiösen Gründen eine Teilnahme oder die Feiern insgesamt ablehnten, konnten daher leicht als unenglisch oder, möglicherweise schlimmer, humorlos erscheinen. Offizielle Formen und Predigten in den Kirchen standen trotz der unterschiedlichen Ebenen, auf denen sie sich bewegten, in enger Verbindung mit den Feiern der Unterschichten. Im Kontext aufgebrachter Debatten um die Gefahren des Katholizismus sowie die Bedeutung von Loyalismus und Patriotismus verstärkten sie die Botschaft der Straße und verliehen selbst rüden Ritualen trotz aller Verbote eine gewisse Legitimität. Gerade deshalb empörte sich 1846 in Bolton einer der führenden liberalen Politiker der Stadt, Robert Heywood, über Reverend Slade, der jeden 5. November mit seinen wütenden Tiraden gegen Katholiken, dem Läuten der Gemeindeglocken und anderen Maßnahmen alles tue, um religiöse Spannungen zu fördern.38 Er wusste, dass Handlungen wie diese auf einen fruchtbaren Boden fielen, verbreitete 37 Vgl. Times, 6. 11. 1839, 8. 11. 1839, 15. 11. 1839; Bolton Chronicle, 9.11.1839. 38 Vgl. Brief Heywood an Noah Jones, 21. 12. 1846, Bolton Local Studies Library and Archive, ZHE 42/50.

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Grundstimmungen verstärkten und Teile der Unterschichten in die Nähe der Tories brachten. Wie sehr die Feiern schließlich über die erwähnten Aspekte hinaus vom Gegensatz zwischen englischer Bevölkerung und irischen Einwanderern oder von einem irenfeindlichen Rassismus geprägt wurden, lässt sich aus den vorhandenen Quellen nur schwer ableiten. Während die Londoner Ausschreitungen von 1833 und 1838 belegen, dass sich Spannungen zwischen beiden Gruppen am Guy Fawkes Day leicht entladen und entsprechende Konflikte schnell in den Mittelpunkt der Feiern rücken konnten, legen andere Eindrücke eine vorsichtigere Einschätzung nahe. Grundsätzlich waren über drei Viertel der Katholiken, die um 1850 in England lebten, Iren oder irischer Abstammung. Eine Übertragung antikatholischer Ressentiments auf Iren erscheint daher nicht unwahrscheinlich, da die meisten protestantischen Engländer wohl nur selten auf nichtirische Katholiken trafen.39 Vor allem Lewis P. Curtis argumentierte vor diesem Hintergrund, dass sich um die Jahrhundertmitte im Zuge steigender irischer Immigration traditionelle Vorbehalte gegen Katholiken und Iren zu einem rassistischen Bild des Kelten verdichteten, von dem sich vermeintlich angelsächsische Engländer scharf abgrenzten.40 Schon Denis Paz konnte allerdings zeigen, dass Orte mit zahlreichen irischen Zuwanderern in der Regel keine größere antikatholische Bewegung hatten als andere und damit einen direkten Zusammenhang zwischen irischer Einwanderung und Antikatholizismus bestreiten. Zudem belegten er und Sheridan Gilley, dass sowohl das Bild von Katholiken als auch von Iren in zeitgenössischen Schriften, insbesondere populären Traktaten und gezielt für eine Käuferschaft aus den Unterschichten bestimmten melodramatischen Novellen, wesentlich differenzierter war als Curtis vermutete. Beide Gruppen wurden zwar stereotypisiert und häufig negativ präsentiert, daneben aber mit romantischen und positiven Zügen versehen. Vor allem aber überschnitten sich antikatholische Darstellungen nur selten mit irenfeindlichen.41 Für dieses Bild spricht, dass weder in den Debatten um die Catholic Emancipation in den 1820er Jahren noch in den Operative Conservative Associations der 1830er und 1840er Jahre eine direkte Verbindung zwischen No-Popery-Argumenten und negativen Iren-Bildern hergestellt wurde, obwohl die Debatten um Stellung und Einfluss der Katholiken stets vor dem Hintergrund der konfessionellen Spannungen in Irland stattfanden. O’Connell und seine katholischen Anhänger waren gewiss ein Feindbild der Konservativen, aber sie wurden in erster Linie als Katholiken attackiert, nicht als Iren. Entsprechend lassen sich keine Hinweise darauf finden, dass Konflikte zwischen Engländern und Iren 39 Vgl. Mullett, Catholics, Klaus, Pope und Machin, Politics and the Churches, S. 212 f. 40 Vgl. Curtis, Anglo-Saxons. 41 Vgl. Paz, Anti-Irish Stereotyping, ders., Popular Anti-Catholicism, S. 49 ff., Gilley, Protestant London I und ders., English Attitudes.

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im Rahmen der Feiern des Guy Fawkes Days zunahmen, als nach der irischen Hungersnot in der zweiten Hälfte der 1840er Jahre die irische Einwanderung stark anstieg. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sich negative Vorstellungen von Katholiken in der populären Wahrnehmung häufig mit kulturellen Vorbehalten gegenüber Iren mischten; im Vordergrund der Feiern am 5. November scheinen aber vor allem religiöse und loyalistische Motive gestanden zu haben. Zunächst erinnerte der seit 1605 brennende Guy Fawkes an die Rettung von Monarchie und Vaterland vor den Katholiken, nicht vor den Iren.

b) Die „Papal Aggression“ und ihre Folgen Ende September 1850 teilte Papst Pius IX. England in zwölf Bistümer ein und beanspruchte für die neu geschaffenen katholischen Diözesen die Rechte und Privilegien der alten englischen Bischofssitze. Nicholas Wiseman, schon zuvor Apostolischer Vikar und wichtigster Vertreter der Katholischen Kirche in England, wurde in Rom zum Erzbischof von Westminster ernannt und als Kardinal an die Spitze der neuen Kirchenhierarchie gestellt. Pius und Wiseman hatten diesen Schritt gemeinsam vorbereitet und mit Rücksicht auf protestantische Gefühle auf die Übernahme der historischen Bistumsnamen verzichtet, so dass sich die territorialen Titel der katholischen Bischöfe von denen der Church of England unterschieden. Der Emanzipationsakt von 1829 verbot Katholiken zwar ohnehin die Nutzung anglikanischer Titel, in Irland führten die katholischen Bischöfe aber schon seit längerem mit stiller Duldung der Regierung die Titel der Staatskirche. Die Entscheidung fiel daher bewusst; in Rom rechnete man mit negativen Reaktionen auf die Wiederherstellung katholischer Strukturen in England. Das Ausmaß des öffentlichen Aufschreis überraschte aber sowohl Wiseman als auch Pius.42 Mit Bekanntwerden des päpstlichen Dekrets erhob sich in der englischen Presse scharfer Protest. Das Wort von der päpstlichen „Invasion“, „Usurpation“ oder „Aggression“ verbreitete sich. Die Ernennung von Bischöfen durch den Papst wurde als Eingriff in die englische Souveränität und als Angriff auf die Staatskirche verstanden. Konservative Zeitungen schlossen in ihre Kritik die liberale Regierung unter Lord John Russell ein und griffen sie wegen ihrer Tolerierung katholischer Territorialtitel in Irland an.43 Aber auch auf liberaler Seite stieß der katholische Vorstoß auf Ablehnung. Russell selbst warf dem Papst Anfang November in einem offenen Brief an den Bischof von Durham vor, die Vormachtstellung der Krone in Frage zu stellen und sich als auswärtige 42 Vgl. zur „Papal Aggression“ grundsätzlich Norman, Anti-Catholicism, Ralls, Papal Aggression, Blass, Ecclesiastical Titles Bill, Paz, Popular Anti-Catholicism und Matsumoto-Best, Britain and the Papacy, Kap. 6. 43 Vgl. etwa John Bull, 12.10.1850.

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Macht in innere Angelegenheiten einzumischen. Gleichzeitig warnte er vor den Tractarians, die im Zuge der von Oxforder Theologen um Edward Pusey geprägten Reformbewegung innerhalb der Anglikanischen Kirche katholische Elemente wie das Kreuzzeichen oder die Beichte wieder in die Liturgie und Praxis der Staatskirche einführten.44 Andere verbanden die Diskussion erneut mit der Frage nach der Stellung der Staatskirche und dem Verhältnis von Staat und Religion. Teile der nonkonformistischen Liberalen lehnten daher jede gesetzliche Maßnahme ab oder forderten – durchaus mit antikatholischer Rhetorik – die legale Gleichstellung aller Konfessionen.45 Im Frühjahr 1851 schlug sich die aufgebrachte Stimmung in Russells Gesetzesinitiative gegen die Anmaßung von territorialen Titeln und ausgedehnten parlamentarischen Debatten über den Ecclesiastical Titles Act nieder. Da die unterschiedlichen Positionen im eigenen Lager und seine politische Abhängigkeit von katholischen Abgeordneten aus Irland den Premier zu einer vorsichtigen Formulierung des Gesetzes zwangen, blieb die enge Verbindung zwischen Antikatholizismus und Konservatismus trotz Russells populärem Vorstoß erhalten. Auf den Straßen wurde die Empörung über die päpstliche Initiative zunächst am Guy Fawkes Day sichtbar, der im November 1850 bisher ungekannte Ausmaße annahm. Detailliert schilderten die Londoner Zeitungen, wie diverse Volksaufläufe, informelle Paraden und unzählige Freudenfeuer in allen Teilen der Stadt neben die läutenden Glocken, Salutschüsse und anderen offiziellen Symbole traten. Schon am Morgen des 5. November hatten sich einige Tausend Menschen in unmittelbarer Nähe der katholischen Kathedrale in Southwark versammelt. Während die Polizei dort Ausschreitungen befürchtete und ihre Kräfte südlich der Themse konzentrierte, eilten andere Polizisten in den Nordwesten der Stadt, von wo eine Parade mit 14 aufwendig gestalteten Figuren und einem großen Wagen in die City zog, gefolgt von einem Mob und stürmisch begrüßt von jubelnden Passanten. Neben Guy-Puppen führten die Teilnehmer Figuren von Kardinal Wiseman, anderen Bischöfen und dem Papst mit, die schließlich in der Innenstadt in Flammen aufgingen. Abends trafen sich besonders große Mengen in Bethnal Green, in Bishop Bonner’s Fields, in Clapham und am Tower Hill, zum Teil entgegen ausdrücklicher Verbote des Londoner Bürgermeisters, der schon aufgrund der harmloseren Feiern in den Jahren zuvor Sorge vor Brandschäden und Unruhen hatte. Da Feuerwerk, Knallkörper und Freudenfeuer vor allem die Außenbezirke der Stadt in einen Ausnahmezustand versetzten, waren Polizei und Feuerwehr unentwegt im Einsatz, ohne die Abläufe unterbinden zu können. Ebensowenig konnten die Ordnungskräfte verhindern, dass zahlreiche Wände der Innenstadt mit No-

44 Vgl. Russells Brief vom 4. 11. 1850, abgedruckt in Douglas, Documents, Bd. XII (1), S. 367 ff. 45 Vgl. zum Antikatholizismus unter Nonkonformisten Paz, Popular Anti-Catholicism, Kap. 6, Wolffe, Protestant Crusade, passim und Larsen, Friends, Kap. 7.

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Popery-Botschaften beschmiert wurden.46 Auch in Leeds und Bolton spielten sich am 5. November ähnliche Szenen ab. Die üblichen Feierlichkeiten fanden in größerem Umfang statt, und die Zahl der Freudenfeuer, Puppen und Kracher stieg erheblich an; in Bolton dehnten sich die Feiern über mehrere Tage aus.47 Wie die langen Listen der Zeitungen mit Berichten aus Exeter, Hereford, Richmond, Liverpool, Guildford, Dover und vielen anderen Orten zeigen, bildeten die untersuchten Städte keine Ausnahme.48 Selbst eine vorsichtige Schätzung muss von landesweit mehreren Millionen Teilnehmern an den Feiern ausgehen. Wie kamen die Menschen auf die Straßen? Denis Paz ordnete die Feiern im November 1850 ausdrücklich in seine Interpretation des Guy Fawkes Days um die Jahrhundertmitte ein und versuchte in seinen Lokalstudien zu zeigen, dass der Tag auch während der Krise um die „Papal Aggression“ für die Mengen aus den Unterschichten ideologisch bedeutungslos und ihre Teilnahme auf das politische Interesse sowie die finanziellen Mittel von Tory-Eliten aus lokalem Adel und Bürgertum zurückzuführen war. Im Mittelpunkt seiner Deutung stand die Analyse der Feiern in Northampton Town und Kettering, zwei von liberalen Nonkonformisten dominierten Kleinstädten inmitten einer sonst konservativ geprägten Grafschaft.49 Northamptonshire erlebte den 5. November 1850 ähnlich wie London, Bolton und Leeds. In den Städten und Dörfern wurde der Tag aufwendiger gefeiert als in den Jahren zuvor, obwohl zumindest in den größeren Orten Verwaltung, Polizei und radikale Gruppen versuchten, die Feiern zu verhindern. Die Gunpowder-Plot-Symbolik geriet daraufhin zwischen die Parteifronten. Da die Liberalen und Radikalen ihre Kontrolle der politischen Gremien nutzten, um Erklärungen gegen antikatholische Gesetzentwürfe zu beschließen, bemühten sich die Konservativen um öffentliche Unterstützung für ihre scharfe Ablehnung der „Papal Aggression“. Neben Unterschriftensammlungen inszenierten sie weitere Guy-Fawkes-Feiern: Am Neujahrstag organisierten sie in der Ortschaft Daventry eine große Parade mit No-PoperyPlakaten und Musikkapelle, die mit der Verbrennung von Puppen des Papstes und von Kardinal Wiseman endeten. Hochrufe auf die Königin, konservative Politiker und ein Feuerwerk rundeten den Abend ab; einige Tausend Teilnehmer hatten sich versammelt. In den folgenden Jahren veranstalteten die Konservativen jeweils am Guy Fawkes Day ähnliche Feiern, mussten aber erleben, dass sie Ruhe und Ordnung der Mengen nicht kontrollieren konnten. Das ist für Paz der Beweis, dass die teilnehmenden Unterschichten zu keinem Zeitpunkt Interesse an ihren politischen Botschaften hatten. Entsprechend 46 Vgl. Times, 6. 11. 1850; John Bull, 9. 11. 1850; Reynold’s Newspaper, 10. 11. 1850, sowie Mayhew, London Labour, Bd. 3, S. 64 ff. 47 Vgl. Bolton Chronicle, 9. 11. 1850; Leeds Mercury, 9.11.1850. 48 Vgl. etwa Lloyd’s Weekly London Newspaper, 10.11.1850. Ein kurzer Überblick findet sich auch in Klaus, Pope, S. 211 f. 49 Vgl. hier und im Folgenden Paz, Popular Anti-Catholicism, S. 228 – 247.

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deutete er implizit auch die Feiern am 5. November 1850 als „von oben“ gesteuert und unterstrich seine Darstellung für Northamptonshire mit Hinweisen auf Feiern in Greenwich im November des folgenden Jahres, die mit Spenden von Händlern und lokalen Adeligen finanziert worden waren.50 Betrachtet man die Vorgänge am 5. November 1850 genauer, wird deutlich, dass Paz’ Untersuchung gerade nicht erklären kann, warum der Guy Fawkes Day so große Massen der Bevölkerung mobilisierte. Eine aufwendige Inszenierung „von oben“ erscheint schon deshalb unwahrscheinlich, da der Festtag relativ schnell auf das Bekanntwerden der „Papal Aggression“ folgte. Geht man anhand der Times-Berichterstattung davon aus, dass die Nachricht vom päpstlichen Dekret London um den 9. Oktober erreichte, bleiben zwar etwa vier Wochen zur Vorbereitung und Planung; das setzt aber voraus, dass die Entscheidung zur Mobilisierung der Bevölkerung unmittelbar getroffen und sofort landesweit kommuniziert wurde.51 Dazu fehlten 1850 sowohl im seit 1846 gespaltenen konservativen Lager als auch in bürgerlichen antikatholischen Organisationen wie der Protestant Association die Strukturen auf nationaler wie lokaler Ebene. Zudem ist äußerst fraglich, ob konservative Eliten in London oder den Provinzstädten nur wenige Jahre nach dem Scheitern der dritten großen chartistischen Mobilisierung und den europäischen Revolutionen der Jahre 1848/9 einen solchen Schritt ernsthaft erwogen hätten. Selbst wenn man annimmt, die Entscheidung wäre jeweils lokal von einflussreichen Einzelpersonen getroffen worden, lässt sich damit der unkontrollierte und wilde Charakter der Feiern an so vielen Orten kaum verstehen. Darüber hinaus finden sich nur vereinzelt Indizien für eine Steuerung „von oben“. Zwar gibt es vor allem in jenen Gegenden, in denen wie in Exeter der Festtag ohnehin besonders groß begangen wurde, durchaus Hinweise, dass einflussreiche Kreise sich an den Ereignissen beteiligten. Daneben berichteten einige Zeitungen von besonders vielen antikatholischen Predigten am 5. November, die in Zahl und Heftigkeit der No-Popery-Botschaft wohl das normale Maß überschritten. Paz verwies außerdem darauf, dass die Feier in Kettering vom Pfarrer und vielen „Respectable Townspeople“ organisiert wurde, und auch die erwähnte aufwendige Parade durch die City of London lässt auf finanzstarke Hintermänner schließen.52 Dennoch kann man die großen Menschenaufläufe, die zahlreichen Freudenfeuer und den chaotischen Gebrauch von Feuerwerkskörpern in London – die Zeitungen nennen allein sechs große Versammlungen mit jeweils mehreren Tausend Menschen und bezeichnen sie ausdrücklich als wenige von vielen ähnlichen Szenen in der Stadt – auf diese Weise nicht erklären. Angesichts der allgemeinen Stimmung wirkten einfachere Mechanismen: In Westminster etwa reichte ein Gerücht, dass in der Nähe der katholischen Kathedrale ,etwas‘ stattfände, um eine 50 Vgl. ebd. 51 Vgl. Times, 9.10.1850. 52 Vgl. Paz, Popular Anti-Catholicism, S. 233.

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riesige Menge dorthin zu locken, die sich nach einigen Stunden wieder auflöste, nachdem sie außer antikatholischen Plakaten, die Anwohner aus Angst vor Übergriffen aus den Fenstern gehängt hatten, nichts vorfanden. Andere Menschen suchten jene Orte auf, an denen wie am Tower der Tag alljährlich begangen wurde – und trafen erheblich mehr Gleichgesinnte als sonst.53 Wie diese Versammlungen waren wohl auch die anderen Massenaufläufe, die sich am 5. November 1850 in England bildeten, weitgehend spontane Reaktionen auf die Nachrichten aus Rom, in denen die verbreitete Empörung über den Papst dazu führte, dass ein altes antikatholisches Ritual eine ungeahnte Aufwertung erfuhr. Erst nach dem spontanen Ausbruch begannen anglikanische Priester und konservative Kreise in vielen Orten, neben klerikalen Protestnoten und Petitionen größere öffentliche Versammlungen abzuhalten. In London wurden im November und Dezember in zahlreichen Gemeinden und vielen Stadtteilen Protestveranstaltungen organisiert, deren Teilnehmerzahlen zwischen einigen Dutzend und mehreren Tausend schwankten; selbst verschiedene nonkonformistische Gemeinden beteiligten sich.54 Wie weit die eher bürgerlich geprägten Vereine und kirchennahen Organisationen, die hinter solchen Treffen standen, mit ihrer No-Popery-Rhetorik Teile der Unterschichten erreichen konnten, lässt sich aus den Berichten, die wenige Hinweise auf die soziale Zusammensetzung der Teilnehmer geben, allerdings nur bedingt schließen. In Bolton nahmen im November zwar rund 2.000 Menschen an einer Versammlung in der völlig überfüllten Temperance Hall teil, mussten ihre Karten aber bezahlen.55 Andere Veranstaltungen waren kostenlos und weitaus größer. Zum Teil protestierten Chartisten und Iren gegen die Welle antikatholischer Proteste und lieferten sich heftige Wortgefechte mit protestantischen Rednern. In Bradford forderten sie, die Versammlung auf den Abend zu verschieben, um Arbeitern die Teilnahme zu ermöglichen. In Birmingham entstand durch die Mobilisierung von Chartisten ein Patt in einer über 8.000 Köpfe zählenden Versammlung, die von radikalen Zeitungen wie Reynold’s Newspaper als Erfolg der „Working Classes“ in ihrem Kampf für religiöse Toleranz und die Trennung von Staat und Kirche gewertet wurde.56 Ob die Fronten der Parteien in der ehemaligen Chartistenhochburg aber tatsächlich zwischen bürgerlichen Antikatholiken und aufgeklärten Arbeitern verliefen, wie es die seit 1848 stark geschwächte radikale Bewegung darstellte, ist höchst zweifelhaft. Zumindest fanden die weitaus drastischeren Straßendemonstrationen, die vielen Orten im Laufe des Winters nach Vorbild der Guy-Feiern wiederholt Paraden, Freudenfeuer, demonstrative Verbrennungen 53 Vgl. Lloyd’s Weekly London Newspaper, 10.11.1850. 54 Vgl. die Entwicklung der Proteste in den fast täglichen Berichten der Times, 7.11.1850 – 31.12.1850. 55 Vgl. Bolton Chronicle, 23.11.1850. 56 Vgl. Reynold’s Newspaper, 15.12.1850.

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von Papst- und Kardinalspuppen sowie Feuerwerke bescherten, große Zustimmung in allen Teilen der Bevölkerung. Wie in dem von Paz geschilderten Beispiel war auch im Großraum London zu erkennen, dass die ausgedehnten Rituale und kostspieligen Feuerwerke nach dem 5. November auf gründlicher Planung und Geldsammlungen bei örtlichen Händlern und Unternehmern beruhten. Die langen Paraden in Clapham, Greenwich und Croydon zogen gegen Jahresende mehrere Tage durch die Viertel, bevor die Puppen in volksfestartiger Stimmung unter dem Absingen patriotischer Lieder verbrannt wurden. In Greenwich kamen dabei zwischen 10.000 und 20.000 Teilnehmer zusammen. Im nahegelegenen Woolwich wurde fast gleichzeitig Geld gesammelt, um Puppen des Papstes, des Teufels und des neuen Kardinals symbolisch vor Gericht zu stellen. Nach dem Todesurteil versammelte sich am 23. Dezember eine ähnlich große Menge, um der ,Vollstreckung‘ auf dem Scheiterhaufen beizuwohnen und gemeinsam die Nationalhymne zu singen.57 Während die Größe der Massen, die zu den Freudenfeuern und Paraden strömten, die Popularität solcher Feiern über alle sozialen Grenzen hinweg unterstreicht, belegen die Hinweise auf ihre Finanzierung durch bürgerliche Geschäftsleute und konservative Kreise keineswegs, dass nur diese Gruppen Interesse an der politischen Botschaft der antikatholischen Demonstrationen hatten. Ohne den spektakulären Verlauf des Guy Fawkes Days hätten protestantische Priester und antikatholische Organisationen kaum begonnen, die entstehende Massenbewegung durch Versammlungen zu koordinieren, die sich nicht mehr nur an enge Zirkel von prominenten und einflussreichen Einwohnern richteten, und die Proteste mit aufwendig gestalteten Feiern weiter anzuheizen. Erst nach dem 5. November verloren sie, und wohl nur teilweise, ihre Sorge vor Massenaufläufen und politisierten Unterschichten auf den Straßen. Bisweilen mussten sie sich zunächst reorganisieren: In Bolton wurde die örtliche Protestant Association erst Ende Dezember 1850 neugegründet.58 Tatsächlich wollte der anglikanisch-konservative Flügel des protestantischen Bürgertums über solche Organisationen wieder an die Bewegung gegen die staatliche Finanzierung des katholischen Maynooth College in Irland anknüpfen, die 1846 gescheitert war und zur Spaltung der Konservativen Partei beigetragen hatte. Das Ziel war die Bekräftigung des protestantischen Charakters der Nation durch eine entschiedene Ablehnung des Katholizismus und die Popularisierung ihres Verständnisses von Religion, Loyalismus und Monarchie. Soweit konservative Kräfte dabei auf die Symbole des Guy Fawkes Days setzten, reagierten sie auf die spontane Empörung breiter Teile der Bevölkerung und versuchten, sie für ihre Zwecke zu nutzen. 57 Vgl. Lloyd’s Weekly London Newspaper, 29.12.1850. Zum Teil finanzierten sich die Spektakel allerdings auch aus den Spenden der Mengen selbst, wie die Aussagen eines „professionellen“ Guys belegen, der Henry Mayhew schilderte, dass seine selbstgewählte Rolle als verkleideter Guy durch die Pennies der Mengen eine einträgliche Beschäftigung sei. Vgl. Mayhew, London Labour, Bd. 3, S. 67 ff. 58 Vgl. Bolton Chronicle, 28.12.1850.

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Die Wut vieler Menschen aus den Unterschichten über die „Papal Aggression“ war nicht ,von oben‘ inszeniert, sondern Ausdruck einer weit verbreiteten Identität, die Nation, Krone und Protestantismus verband und sich vom Katholizismus scharf abgrenzte. In der Protestbewegung nach dem 5. November 1850 berührten sich deshalb „von unten“ stammende Motive mit den politischen Zielen konservativer Kreise. Das Interesse lokaler Eliten an von ihnen organisierten Straßenprotesten mochte nicht zuletzt daher rühren, dass antikatholische Proteste und Gegenmaßnahmen von katholischer oder radikaler Seite in der aufgebrachten Stimmung leicht eskalierten. Schon Anfang Dezember 1850 sorgten Unruhen in Birkenhead bei Liverpool für landesweite Aufmerksamkeit. Nachdem katholische Iren am 20. November eine Versammlung in Liverpool gestört hatten, als der erzprotestantische Hugh McNeile eine seiner berüchtigten Flammenreden gegen Katholiken hielt, war der Raum von den anwesenden Polizeikräften brutal geräumt worden. Eine Woche später sollte im benachbarten Birkenhead eine ähnliche Versammlung stattfinden. Als sowohl ein Komitee führender Katholiken unter Leitung des Pfarrers als auch eine Gruppe irischer Dockarbeiter versuchten, Einlass zu erhalten, entstand eine Rauferei mit Polizeikräften aus Liverpool und Birkenhead, die in einem heftigen Gefecht endete. Die Versammlung musste abgesagt werden, mehrere zum Teil schwer Verletzte waren zu beklagen. Eine Untersuchung der Regierung und ein Gerichtsprozess folgten.59 Paz interpretierte die Ausschreitungen vor dem Hintergrund der besonders aufgeladenen Atmosphäre in Liverpool als Auseinandersetzung zwischen provozierten Iren auf der einen und einer stark vom Oranierorden geprägten Polizeieinheit auf der anderen Seite, die seit langem bestehende lokale Spannungen fortsetzte.60 Seine Zweifel an Deutungen der Ereignisse als willkürliche Mob-Attacke auf Protestanten oder antikatholischen Straßenkampf sind berechtigt, spiegeln aber nicht die Reaktion englischer Eliten außerhalb Liverpools wider : Hier waren protestantische Empörung und Sorgen über die eskalierende Gewalt verbreitet, wie sowohl die Untersuchungen des Home Offices als auch zahlreiche Pressekommentare belegen.61 Zudem blieb Gewalt im Umfeld von Protesten gegen die „Papal Aggression“ kein auf den Raum Liverpool beschränktes Phänomen. In Cheltenham zogen 59 Vgl. zu den Birkenhead Riots die Berichte in Lloyd’s Weekly London Newspaper, 1. 12. 1850, Reynold’s Newspaper, 1. 12. 1850 sowie die Darstellungen der Parteien in den Akten des Home Offices (Registered Papers, National Archives Kew, HO 45/3140 und HO 45/3472 J & K). Moderne Zusammenfassungen bei Neal, Sectarian Violence, S. 131 ff. und Paz, Popular Anti-Catholicism, S. 248 – 252. 60 Vgl. Paz, Popular Anti-Catholicism, S.252. 61 Vgl. Lloyd’s Weekly London Newspaper, 8. 12. 1850; Times, 28. 11. 1850; 14. 12. 1850; Memorandum von Innenminister Grey vom Frühjahr 1851, Home Office, Registered Papers, National Archives Kew, HO 45/3140, S. 13 – 15; Zusammenfassung des Falls in ebd., HO 45/3472 J & K, S. 25 – 30.

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Ende November 1850 aufgebrachte protestantische Mengen durch die Straßen, nachdem die Magistrate antikatholische Demonstrationen verboten hatten. Eine Gruppe versammelte sich vor dem Geschäft des Textilkaufmanns Hardwick, in dessen Schaufenster eine Papstpuppe ausgestellt war. Da Hardwick mit Hinweis auf das Verbot die vorher zugesagte Herausgabe der Puppe verweigerte, schlug der Mob kurzerhand das Fenster ein und erzwang nach einer Auseinandersetzung mit der Polizei ihre Übergabe. Anschließend zog er im Triumph durch die Stadt vor die katholische Kirche, zerschmetterte dort ebenfalls die Scheiben und verbrannte die Puppe.62 Fast zur gleichen Zeit eskalierte in Leeds ein Kneipenstreit zu einem Straßenkampf zwischen Iren und Engländern, in dessen Verlauf ein Passant getötet wurde. Die Einwohner der umliegenden Stadtteile protestierten daraufhin bei der Polizei und forderten ihre verstärkte Präsenz sowie eine Nachtwache, da angesichts der zunehmenden Zahl von Iren in den Vierteln Leib und Eigentum nicht mehr sicher seien.63 In London richtete sich die antikatholische Stimmung unterdessen gegen die Tractarians und anglikanische Kirchen, in denen unter dem Deckmantel theologischer Reformen gefährliche katholische Praktiken vermutet wurden. Große Mengen störten mit Rufen wie „No Pope in London“ und „The Queen and No Surrender“ im November und Dezember jeden Sonntag die Gottesdienste von St. Barnabas in Pimlico, bis die Kirche zum Jahreswechsel für einige Wochen geschlossen werden musste.64 Zwar erreichte keine dieser Ausschreitungen die Breitenwirkung der Zwischenfälle in Birkenhead. Im Innenministerium war man aber so besorgt über die landesweite Stimmung, dass vom Kommandanten der in Manchester stationierten Truppen wie in der Hochphase der Chartisten Berichte über die Lage im Norden angefordert wurden. Die Antwort, dass es außer den Unruhen in Birkenhead nichts zu melden gebe, mochte die Beamten in London beruhigen; der Vorgang zeigt aber, dass Gewaltausbrüche im Umfeld der „Papal Aggression“ Verwaltung, Polizei und politische Eliten in Aufregung versetzt und Maßnahmen zur Kontrolle ausufernder Protestrituale ausgelöst hatten.65 Die Anspannung in Regierungskreisen folgte nicht zuletzt daraus, dass im Innenministerium bereits seit einiger Zeit zunehmende Konflikte zwischen irischen Einwanderern und der einheimischen Bevölkerung beobachtet wur62 Vgl. Times, 25.11.1850. Paz, Popular Anti-Catholicism, S. 254 schildert diese Vorgänge im Rahmen einer zusammenfassenden Interpretation von Ausschreitungen zwischen Engländern und Iren im 19. Jahrhundert. Er löst sie damit aus dem Kontext der „Papal Aggression“; zudem wertet er sie zu einfach als Inszenierung „von oben“. Sein Hinweis auf die antikatholischen Bemühungen des anglikanischen Pfarrers am Ort erklärt nicht die spontane Eskalation. 63 Vgl. Leeds Intelligencer, 23. 11. 1850, 30.11.1850. 64 Vgl. Reynold’s Newspaper, 24. 11. 1850, 8. 12. 1850, 15. 12. 1850, 21.12.1850. Die Zeitung stellte zwar ausdrücklich heraus, dass die Teilnehmer an den Protesten – bisweilen rund 2.000 – aus allen Schichten der Gesellschaft stammten und ein Großteil „respectable“ war, von der Polzei wurden aber nur Handwerker und Arbeiter verhört. Vgl. auch Times, 2.12.1850. 65 Vgl. die vertraulichen Berichte von Commander Earl Catheart ans Home Office, 4. 1. 1851 und 4.2.1851. Registered Papers, National Archives Kew, HO 45/3472/1 – 2.

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den. Sie waren zunächst eine Folge der irischen Hungerkatastrophe und des sprunghaften Anstiegs der Zahl irischer Immigranten seit 1845. Inmitten der zunächst widerwilligen, dann hektischen, in jedem Fall aber hilflosen Versuche der liberalen Regierung, die Lage in Irland zu stabilisieren und Hilfsmaßnahmen einzuleiten, erreichten nicht nur erschreckende Berichte über das Elend der Einwanderer in englischen Hafenstädten, allen voran Liverpool, die Hauptstadt. Berichte an das Innenministerium klagten 1849 darüber hinaus über schwere Zusammenstöße zwischen irischen und englischen Arbeitern beim Eisenbahnbau bei Wellington in der Grafschaft Shropshire; ähnliche Meldungen waren in den Jahren zuvor aus der Grafschaft Cumbria und der Nähe von Edinburgh nach London gelangt.66 Dort forderten parallel zur Berichterstattung über die „Papal Aggression“ Zeitungen wie der John Bull ein Ende der „Irish Colonization in the Metropolis“ und verbanden die starke irische Einwanderung nicht nur mit der Zunahme des Katholizismus sowie der Armut in London, sondern auch mit einer wachsenden Bereitschaft zu Aufruhr und Unruhe.67 Während die Forschung der letzten Jahrzehnte insgesamt davon ausging, dass migrationsbedingte anglo-irische Konflikte um 1850 keine wesentliche Rolle spielten, machen einige neuere Lokalstudien eine andere Interpretation solcher Vorfälle wahrscheinlich. Gemessen an den Berichten in der überregionalen Presse und der millionenfachen Zuwanderung verarmter Iren blieb die Zahl gewaltsamer Konflikte tatsächlich eher klein.68 Die Häufung von ethnischen Auseinandersetzungen beim Schienenbau ließ branchenspezifische Hintergründe vermuten, und die Untersuchung der ökonomischen Folgen der Einwanderung für den englischen Arbeitsmarkt ergab, dass die Konkurrenz um Arbeitsplätze zwischen Engländern und Iren gering war und keine negative Lohnentwicklung zur Folge hatte.69 Betrachtet man aber kleinere lokale Auseinandersetzungen, die wie die erwähnten Vorfälle in Leeds nur über die schwerer zugänglichen Zeitungen am Ort erfasst werden können, zeigt sich, dass weniger die tatsächliche Konkurrenz, sondern die Ängste vor ökonomischen Nachteilen sowie kultureller und religiöser Unterwanderung durch Iren um 1850 ein wichtiger Bestandteil der Stimmung breiter Bevölkerungsgruppen waren und sich entsprechend in Spannungen niederschlugen.70 So hat Frank Neal für Bolton nicht nur gezeigt, dass im Zuge der irischen Einwanderung nach 1845 die Zahl der Konflikte zwischen Engländern und Iren in der Stadt zunahm, sondern auch darauf hingewiesen, dass sich bereits 66 Vgl. Bericht von Sir William Warne an A. Waddington, Undersecretary im Home Office, 4. 2. 1849, Registered Papers, National Archives Kew, HO 45/2793, ff.6 – 9. Daneben Redford, Labour Migration, S. 163 und T. Coleman, Railway Navvies, Kap. 6. 67 Vgl. John Bull, 19.10.1850. 68 Vgl. Swift, Crime, Paz, Popular Anti-Catholicsm, Kap. 8 sowie die Angaben oben in Anm. 7. 69 Ebd. und J. Williamson, Impact. 70 Vgl. zu dieser Interpretation der ökonomischen Konkurrenz auch N. Kirk, Growth of Working Class Reformism, S. 324 – 334.

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lange vorher ein Muster entsprechender Auseinandersetzungen ausgeprägt hatte.71 Schon am St. Patrick’s Day 1828 berichtete der Bolton Chronicle von größeren Kneipenschlägereien zwischen irischen und englischen Arbeitern und kommentierte: „We are sorry to say, that a disposition to irritate them [die Iren, J.N.] unfortunately exists among some of our townsmen.“72 Auch in den 1830er Jahren kam es wiederholt zu ähnlichen Auseinandersetzungen, die sich in den Nachbarstädten Wigan und Rochdale fortsetzten. Für London hat Sheridan Gilley eine Reihe von Beispielen zusammengetragen, die einen Anstieg anglo-irischer Spannungen um 1850 belegen und eine Verbindung zu den bereits geschilderten früheren ethnisch-religiösen Konflikten um den Guy Fawkes Day vermuten lassen.73 Es erscheint daher falsch, kommunale Ausschreitungen zwischen englischen Protestanten und irischen Katholiken in den 1850er Jahren vorschnell als Ausnahme zu betrachten. Nach der Protestwelle gegen die „Papal Aggression“ blieben Auseinandersetzungen zwischen Engländern und Iren ein immer wieder berichtetes Phänomen. In Lancashire, einer der Grafschaften, in die besonders viele irische Immigranten zogen, waren die vielzitierten Stockport Riots bei den Parlamentswahlen von 1852 nur ein Beispiel von vielen, wenn auch ein besonders herausragendes. In kleinerem Umfang wurde – abseits des Liverpooler Sonderfalls – antiirische Gewalt im Umfeld der Wahlen 1852 zudem aus Wigan, Manchester und Hulme berichtet. Meldungen über begrenzte Ausschreitungen erreichten das Innenministerium zu Beginn der 1850er Jahre daneben etwa aus Oldham, Preston und Blackburn, und im September 1854 kam es in Ashton zu einer größeren Straßenschlacht zwischen einigen Hundert Arbeitern, nachdem irische und englische Arbeiter gegenseitig Angriffe auf Wohnviertel unternommen hatten.74 Aber selbst in abgelegenen Orten wie der zur Grafschaft Kent gehörenden Insel Sheppey an der südenglischen Ostküste gab es im August 1851 Ausschreitungen mit mehreren Hundert Beteiligten, als örtliche Farmer irische Erntehelfer einstellten und damit die angestammten englischen Landarbeiter verärgerten.75 Ähnliche Unruhen unter walisischen, englischen und irischen Hafenarbeitern in Holyhead hatten im April dazu geführt, dass die Regierung einen Inspektor der Londoner Polizei nach Wales entsandte, um die Vorfälle dort zu untersuchen.76 In London war es auch nach 1850 immer wieder der Guy Fawkes Day, der mit Gewalt und Schlägereien einherging. Seit dem „No Popery Year“, berichtete ein regelmäßig als Guy verkleideter Arbeiter dem Journalisten Henry Mayhew 1856, gebe es am 5. November häufig Ärger mit Iren, die Paraden mit Guy-

71 72 73 74 75 76

Vgl. Neal, Manchester Origin. Vgl. Bolton Chronicle, 22.3.1828. Vgl. Gilley, Protestant London II. Vgl. N. Kirk, Growth of Working Class Reformism, S. 318 f. Vgl. Home Office, Registered Papers, National Archives Kew, HO 45/3472 Q–S. Vgl. Home Office, Registered Papers, National Archives Kew, HO 45/3472 T, U, V.

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Figuren angriffen; bestimmte Gegenden müsse man meiden.77 Auch wenn Auseinandersetzungen zwischen Engländern und Iren in den 1850er Jahren sicher kein alltägliches Phänomen waren – eine genaue Quantifizierung ist fast unmöglich und wäre in jedem Falle ein eigenständiges Forschungsprojekt –, scheinen sie in weiten Teilen Englands zumindest gelegentlich vorgekommen zu sein. Soziale und kulturelle Spannungen zwischen beiden Gruppen hatten sich infolge der irischen Einwanderung verstärkt und waren durch antikatholische Vorstellungen auf Seiten der englischen Bevölkerung noch verschärft worden. Die gut dokumentierten Stockport Riots von Ende Juni 1852 verdienen in dieser Hinsicht Beachtung.78 Unmittelbar vor der Wahl der neuen Parlamentsabgeordneten brachen dreitägige Unruhen aus. Im Vorfeld war der Wahlkampf auf konservativer Seite von antikatholischen Tönen bestimmt gewesen; einer der liberalen Kandidaten hatte im Jahr zuvor gegen den Ecclesiastical Titles Act gestimmt. In Westminster verboten die kurzfristig regierenden Konservativen im Juni unter Führung von Lord Derby das öffentliche Zeigen von katholischen Kirchengewändern oder religiösen Symbolen, offiziell um Gewaltausbrüche im Umfeld von Prozessionen zu verhindern, möglicherweise aber motiviert durch Hoffnungen auf ein positives Echo bei den bevorstehenden Wahlen.79 Während die Wände in Stockport daraufhin mit antikatholischen und irenfeindlichen Parolen beschmiert wurden, musste die jährliche Prozession der katholischen Sonntagsschule Ende Juni ohne Fahnen und geistlich gekleideten Priester stattfinden. Als trotziges Signal wirkte sie dennoch. Am nächsten Tag zog die städtische Protestant Association mit einer Priesterpuppe höhnend durch die Straßen. Im Anschluss begannen die Ausschreitungen mit einer Kneipenschlägerei, die sich am nächsten Tag zu einem irischen Angriff auf eine protestantische Kirche und einer englischen Gegenattacke auf irische Wohnviertel steigerte. Hier eskalierte die Entwicklung endgültig. Zwei Kapellen und 24 Häuser wurden zerstört, ein Ire kam zu Tode und 51 weitere erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Die herbeigerufene Armee benötigte zwei Tage, um die Unruhen zu beenden. Beim gerichtlichen Nachspiel zeigte sich, dass Bevölkerung und Behörden mit ähnlichen Vorurteilen agierten. Unter den zunächst Festgenommenen waren 111 Iren und zwei Engländer. Als schließlich gegen jeweils zehn Engländer und Iren Anklage erhoben wurde, sorgten massive Drohungen gegen Geschworene und Zeugen für einen schwierigen Prozessverlauf. Alle Iren, aber nur drei Engländer wurden verurteilt.

77 Vgl. Mayhew, London Labour, Bd. 3, S. 69. 78 Vgl. zu den Unruhen Millward, Stockport Riots, N. Kirk, Growth of Working Class Reformism, S. 317 f. sowie Paz, Popular Anti-Catholicism, S. 254 ff. 79 Vgl. Arnstein, Protestant vs. Catholic, S. 48, Machin, Politics and the Churches, S. 238 und Paz, Popular-Anti-Catholicism, S. 255.

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Pauline Millward interpretierte das Verhalten der englischen Bevölkerung aus den Unterschichten als fehlgeleiteten sozialen Protest, der sich mit religiösen und kulturellen Vorbehalten gegen die irischen Einwanderer verband. Vor dem Hintergrund der massiven Armut vieler Arbeiterfamilien und des angespannten Arbeitsmarkts in Stockport wirkte die Zuwanderung bedrohlich, und nach dem Scheitern der sozialen Proteste der 1840er Jahre war eine verzweifelte Lage entstanden, die in der Gewalt Ausdruck fand. Ohne die scheinbare Legitimierung der Übergriffe durch die Haltung der Konservativen und anglikanischer Kreise wäre die Lage aber nicht eskaliert.80 Ungeachtet ihrer Betonung der eigenen Interessen der randalierenden Mengen machte Millward damit vor allem bürgerliche Konservative für den Gewaltausbruch verantwortlich. Denis Paz ging in seiner Deutung weiter. Da im Grunde keine ökonomische Konkurrenz zwischen Iren und Engländern existierte, konnte sie sich auch nicht auswirken: Die Randalierer dienten „middle-class political interests“, und die Unruhen folgten seinem Muster der antikatholischen Inszenierung „von oben“.81 Schon Millward selbst wies allerdings darauf hin, dass die Mengen vor den Wahltribünen nur wenige Wochen später die Liberalen deutlich bevorzugten und bereits bei früheren Wahlen eher Chartisten und Liberale als die konservativen Kandidaten unterstützt hatten.82 Angesichts der Größe der Versammlung und des Umfangs der Ausschreitungen müssen sich substantielle Teile der Menschen vor den Tribünen mit den Beteiligten an den Ausschreitungen überschnitten haben. Eine unmittelbare Beeinflussung der Mengen durch gehobene konservative Kreise oder gar eine direkte Steuerung der Angreifer etwa durch die wahlkämpfenden Kandidaten oder ihre Komitees ist daher unwahrscheinlich. Wäre es den Schlägern um Parteipolitik gegangen, hätten sie gewiss beim Show of Hands einen konservativen Sieg herbeigeführt, agierten sie unter Zwang oder für einen wie auch immer gearteten Lohn, wird nicht verständlich, warum die Anstifter bei den wichtigeren Wahlen auf Maßnahmen zur Massenmobilisierung verzichtet haben sollten. Gewaltexzesse und Massenhandlungen entwickeln leicht eine schwer zu kontrollierende Eigendynamik, und wenige Grenzüberschreitungen Einzelner können ausreichen, um die Hemmungen aufzulösen, die unter anderen Umständen eine noch so große Menge von ungenierter Brutalität abhalten. Dennoch agierten die englischen Angreifer wie die provozierten Iren nicht wahllos, sondern nach klaren Kriterien. Über mehrere Tage griffen sie gezielt bestimmte Straßenzüge und vor allem die Kirchen der jeweiligen Gegenseite an; sie waren sich also der symbolischen Bedeutung dieser Gebäude bewusst und wollten ihre Gegner provozieren oder demütigen. Zudem wurden die Kämpfe tagsüber unterbrochen und am Abend wieder aufgenommen. Die 80 Vgl. Millward, Stockport Riots, S. 219. 81 Vgl. Paz, Popular Anti-Catholicism, S. 256. 82 Vgl. Millward, Stockport Riots, S. 217.

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Angreifer sammelten sich spätestens am zweiten Tag vorsätzlich und entschieden sich für weitere Aktionen, obwohl sie seit dem Eingreifen der Armee schwerwiegende Konsequenzen zu fürchten hatten. Sie müssen dabei eine eindeutige Freund-Feind-Vorstellung gehabt und in der Annahme agiert haben, ihren Interessen entsprechend zu handeln. Pure Lust an Randale oder Manipulationen durch höherstehende Kreise können die Unruhen daher nicht erklären. Soziale Gruppen aus den Unterschichten handeln auch dann intentional, wenn ihre Aktionen Historikern irrational und verwerflich erscheinen. Die Engländer in Stockport, die an den pogromartigen Ausschreitungen teilnahmen, wollten ,es‘ den Iren zeigen, ihre Überlegenheit demonstrieren oder klarmachen, welche ethnische und religiöse Gruppe die Stadt kontrollierte. Sie waren der Überzeugung, als englische Protestanten gegenüber den irischen Katholiken Vorrechte zu haben und diese deutlich machen zu müssen, nachdem die Iren auf die gesetzlichen Maßnahmen der Regierung Derby mit Empörung reagiert hatten. Eine hohe Arbeitslosigkeit und die angespannte wirtschaftliche Lage am Ort bei gleichzeitig starker irischer Einwanderung spielten gewiss eine wichtige Rolle für den Ausbruch der Gewalt und ihr Ausmaß. Letztlich gaben aber antikatholische Ressentiments und irenfeindliche Vorstellungen den Ausschlag, die nicht nur in Stockport bei erheblichen Teilen der englischen Unterschichten verbreitet waren. Diese Ressentiments konnten von konservativer Seite verstärkt werden, waren aber nicht einfach Folge von manipulativer Propaganda. Für konservative Parteipolitik bot der verbreitete Antikatholizismus eine Möglichkeit, Zugang zu Unterstützern aus den unteren Gesellschaftsschichten zu finden und diese an die Konservative Partei zu binden. Dazu bedurfte es aber Organisationsformen wie der Operative Conservative Associations, die eine solche Integration begünstigten und verfestigen konnten. Seit 1846 existierten jedoch nur noch in Ausnahmefällen wie in Bolton konservative Arbeitervereine. Anfang der 1850er Jahre war die immer noch gespaltene Partei deshalb nicht in der Lage, aus dem populären Protest gegen Katholiken und die zunehmende Einwanderung von Iren Kapital zu schlagen. Erst unter den veränderten politischen Bedingungen nach der zweiten Wahlrechtsreform von 1867 und der danach beginnenden Gründung von Conservative Working Men’s Associations gelang es wieder, auf breiterer Basis eine Verbindung zwischen Antikatholizismus und einer protestantischen Identität um Kirche und Krone für die Partei fruchtbar zu machen.83

83 Zu den organisatorischen Erfolgen der Konservativen nach 1867 vgl. Greenall, Popular Conservatism, P. Joyce, Work, Society and Politics und N. Kirk, Change, Continuity and Class, Kap. 8.

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c) Paraden, Dinner, Vorträge: Der englische Oranierorden und die No-Popery-Prediger Ansätze für die Einbindung sozialer Gruppen aus den Unterschichten in Organisationen mit protestantischen Vorstellungen von Nation, Krone und Kirche gab es um 1850 vor allem im englischen Flügel des irischen Oranierordens. Obwohl der nach dem Vorbild der Freimaurer als Geheimbund organisierte Orden keine direkten Verbindungen zur Konservativen Partei unterhielt, bestand eine große Nähe zwischen seinen Logen und konservativen Politikern auf allen Ebenen. Im frühen 19. Jahrhundert dominierten führende Tory-Ultras die englische Grand Lodge, allen voran der Herzog von Cumberland als Grand Master und sein Stellvertreter Lord Kenyon, die 1828 als Mitglieder des Oberhauses auch an der Spitze der Opposition gegen den Emanzipationsakt standen. 1836 zeichnete sich im Parlament ein Verbot des Ordens ab, nachdem die jahrelange Beteiligung der irischen Logen an konfessionellen Konflikten mit Katholiken zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geführt hatte. Die Mehrheit für das Verbot formierte sich vor allem deshalb, weil der streng hierarchisch organisierte Orden in England eine große Zahl von militärischen Logen innerhalb der Armee unterhielt und als Gefahr für die Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit der Truppen erschien. Da sich die Organisation als Bollwerk der protestantischen Verfassung verstand, löste die Grand Lodge den Orden unmittelbar vor Verabschiedung des Gesetzes auf, obwohl sie die Verbotsinitiative als Erfolg liberaler und katholischer Verfassungsfeinde interpretierte. Auf lokaler Ebene führten jedoch weder das drohende Verbot noch die Selbstauflösung zu einem völligen Verschwinden der Logen in England; im Zuge der irischen Einwanderung und nach der „Papal Aggression“ kam es schließlich zu einer Reorganisation.84 Der britische Flügel des Oranierordens hat unter Historikern weniger Aufmerksamkeit gefunden als die irischen Logen, vor allem weil er sich erst im späten 19. Jahrhundert zu einer Massenorganisation entwickelte und ein wesentlicher Faktor in den Auseinandersetzungen um die irische Selbstverwaltung wurde.85 Dennoch war er als Organisation, deren Mitglieder vor allem aus den Unterschichten der englischen Gesellschaft stammten, zumindest dort, wo Logen existierten, nicht bedeutungslos. Mit seinen protestantischen Festen und Paraden machte er sich schon vor 1836 in vielen Städten des Königreichs bemerkbar, unter anderem auch in London, Leeds und Bolton. 1835 zählte der Untersuchungsausschuss insgesamt 288 aktive Logen, die in 47 Bezirken organisiert waren und der Grand Lodge unterstanden. Darüber hinaus existierten 93 weitere Logen, von denen rund 30 in der Armee, die anderen in den Kolonien und weit abgelegenen Orten agierten. Über die Zahl 84 Vgl. Senior, Orangeism, W. R. Ward, Religion, McFarland, Protestants First, Kap. 3, Neal, Sectarian Violence, ders., Manchester Origin und MacRaild, Faith, Kap. 5. 85 Vgl. zum englischen Oranierorden und seiner Rolle im späten 19. Jahrhundert MacRaild, Faith.

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der Mitglieder konnten die Parlamentarier keine verlässlichen Angaben ermitteln, sie wiesen aber die in den Befragungen genannten Schätzungen von über 120.000 Oraniern als deutlich zu hoch zurück.86 Für die Bezirke, für welche die Grand Lodge auf Wunsch der Abgeordneten Mitgliederzahlen vorlegen konnte, ergibt sich eine Durchschnittsgröße von 23 Männern pro Loge, hochgerechnet auf die zivilen Logen also rund 6.600 Mitglieder, zu denen noch einmal reichlich 600 Oranier in militärischen Logen addiert werden müssten.87 Die Liste, auf der diese Berechnungen beruhen, zählt für Leeds exakt 257 Mitglieder in 14 Logen, für Bolton lassen sich mit den Durchschnittszahlen rund 161 Männer in sieben Verbänden kalkulieren, für London entsprechend 345 Oranier in 14 bekannten Logen. Dass die Zahlen vor dem Ausschuss höchst unzuverlässig waren, bekräftigten Zeugen und Abgeordnete gleichermaßen. Die Angaben erlauben nur bedingt Rückschlüsse auf den tatsächlichen Einfluss des Ordens. Hereward Senior und Frank Neal interpretierten angesichts der auf den ersten Blick niedrigen Mitgliedszahlen die Aufregung im Umfeld des Untersuchungsausschusses als übertrieben und hielten die Bedeutung des englischen Ordens für gering.88 Beide übersahen aber, dass auch andere Organisationen in den 1830er Jahren nur über relativ wenige registrierte Mitglieder verfügten und dennoch weite Teile der Bevölkerung mobilisieren konnten. In den Jahren 1838 bis 1840 hatte die chartistische Great Northern Union etwa in Huddersfield lediglich rund 250 Mitglieder, obwohl die Mitgliedszahlen in Verbänden und Parteien in der zweiten Hälfte der 1830er Jahre stark anstiegen.89 Die 79 Oranier, die bereits 1835 in Huddersfield in fünf Logen organisiert waren, bildeten also eine substantielle Kraft in der Stadt. Im benachbarten Leeds war der Orden zu diesem Zeitpunkt mit über 250 eingeschriebenen Mitgliedern sicher eine der größten politischen Organisationen. In den deutlich kleineren Städten Bradford und Halifax fanden sich weitere 444 bzw. 208 Oranier.90 Ohne die Mobilisierungskraft des Ordens mit der radikaler Protestbewegungen vergleichen zu wollen, verfügten die Oranierlogen damit insgesamt in allen Textilstädten des West Ridings über ein nicht unerhebliches Potential, das sich ähnlich für Lancashire, vor allem für die Region um Manchester und Bolton belegen ließe. Das Aufleben der deutlich mitgliederstärkeren Operative Conservative Associations unmittelbar nach der Auflösung des Ordens ist ein weiterer Beleg 86 Vgl. Parliamentary Papers, Origin, S. xi. 87 Vgl. Parliamentary Papers, Origin, Appendix 20, S. 145. Meine Berechnungen ergaben etwas höhere Zahlen als die Berechnungen von Senior, Orangeism S. 230 f., 272 und Neal, Manchester Origin, S. 20. Beide mischten in ihrer Kalkulation die Angaben zu Logengrößen von 1835 mit der Zahl der Logen um 1830 und kamen auf maximal 6.000 Mitglieder. 88 Vgl. ebd. 89 Vgl. Hargreaves, Popular Protest für die Great Northern Union in Huddersfield und Salmon, Electoral Reform für die Entwicklung politischer Organisationen in den 1830er Jahren. 90 Vgl. Parliamentary Papers, Origin, Appendix 20, S. 145.

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für dieses Potential. Im Frühjahr 1836 stellte der Leeds Intelligencer mit Blick auf die Auflösung des Ordens fest, „that the lodges in this neighbourhood have been put an end to, and most of its [des Ordens, J. N.] members are enrolling themselves in Conservative Societies“.91 Zwar bestritten die konservativen Arbeitervereine vehement den liberalen Vorwurf, lediglich eine Tarnorganisation des Ordens zu sein. In Salford führten sie nach entsprechenden Berichten im Manchester Guardian sogar eine Prüfung ihrer Mitglieder durch, nach der lediglich 14 der über 200 Mitglieder dem Orden angehört hatten.92 Inhaltlich unterschieden sich aber weder die No-Popery-Rhetorik der Vereine noch ihr konservatives Verfassungsverständnis wesentlich von den Botschaften der Orange Lodges. Zum Teil wurden Operative Associations von den gleichen einflussreichen Familien unterstützt, die in den 1820er Jahren Oranierlogen gefördert hatten.93 Obwohl sie dennoch sicher nicht identisch mit dem aufgelösten Geheimbund waren, übernahmen viele Vereine zudem Fahnen und Abzeichen der örtlichen Logen und machten ihre Nähe zum Orden auf diese Weise symbolisch deutlich.94 Unabhängig von der Zahl der Mitglieder in den lokalen Logen oder verwandten Organisationen zeigte sich der Einfluss des Ordens bei Feiern mit Paraden, die Nichtmitglieder einbezogen und die antikatholische Botschaft der Oranier verbreiteten. Solche Märsche begannen meist an den Tagungsorten der einzelnen Logen, die sich in England häufig in Gasthäusern befanden. Dort formierten sich die Mitglieder in Reih und Glied, um danach begleitet von Musikkapellen, Fahnen und Bannern durch die Straßen zu ziehen. In der Regel war zunächst eine Kirche das Ziel, wo ein Gottesdienst stattfand oder lediglich eine Predigt gehalten wurde. Anschließend marschierte man wieder zurück; ein Dinner mit Reden und politischen Toasts schloss den Festtag ab. Anders als im Norden Irlands etablierten die Logen in England mit ihren Paraden zwar keine ausgeprägte Festtradition um den Jahrestag der Schlacht am Boyne am 12. Juli, Umzüge und Prozessionen fanden aber häufig zu den jährlichen Feiern der Gründung der jeweiligen Loge oder in Verbindung mit dem Guy Fawkes Day statt.95

91 Vgl. Leeds Intelligencer, 3.3.1836. 92 Vgl. Manchester Courier, 12. 3. 1836, der dem Manchester Guardian die Fakten vorhielt. Walsh, Working Class Political Integration, S. 491 berichtet, dass dem Guardian die Mitgliedsbücher vorgelegt wurden – darauf gibt es keinen Hinweis im Text. 93 Vgl. Neal, Manchester Origin. 94 Vgl. für Oraniersymbole in den konservativen Vereinen in Bolton und Umgebung etwa Bolton Chronicle, 21. 1. 1837, 15. 9. 1838, 6. 6. 1840; ein weiteres Beispiel findet sich in Kidderminster, vgl. Ten Town’s Messenger, 11.6.1841. 95 In der Schlacht am irischen Fluss Boyne hatte das Heer des Protestanten Wilhelm III. 1688 die Truppen des Katholiken Jakob II. besiegt und damit einen wichtigen Erfolg im Kampf um die Krone und die protestantische Vorherrschaft im Königreich errungen. Da bei dieser Schlacht beide Könige anwesend waren, stand die militärisch weniger wichtige Auseinandersetzung im Mittelpunkt der Erinnerungskultur des irischen Oranierordens. Nach der Kalenderreform Mitte

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In den 1820er Jahren blieb die Teilnehmerzahl bei solchen Anlässen meist recht klein und umfasste selten mehr als 100 Mitglieder und Anhänger. Auf dem Höhepunkt der Emanzipationskrise konnten Boltons Radikale spöttisch den Niedergang der Bewegung kommentieren, weil nur noch 55 Teilnehmer an der jährlichen Guy-Fawkes-Parade des Ordens teilgenommen hatten.96 Der Manchester Courier korrigierte die Zahlen zwar nach oben und wies darauf hin, dass in Bolton zwei Logen den 5. November gefeiert hätten, insgesamt kann der Anblick der überschaubaren Umzüge aber keinen tiefen Eindruck hinterlassen haben.97 Trotz solcher Rückschläge bemühte sich der Orden auch andernorts um Präsenz auf den Straßen, wie Berichte über größere Paraden mehrerer Logen aus Wigan und Leeds belegen, die im Herbst und Winter 1828/ 9 durch die Städte zogen.98 In Leeds führten sie dabei Fahnen, Banner sowie Schwerter mit und demonstrierten nicht nur durch ihre Bewaffnung trotzige Kampfbereitschaft, sondern auch durch eine Kundgebung vor dem Haus des konservativen Bürgermeisters Ralph Markland, dessen Protest gegen die Emanzipation der Katholiken den Respekt der Oranier gewonnen hatte. Mit gezogenen Schwertern und begleitet von einer Kapelle sangen die Marschierer feierlich die Nationalhymne und zogen anschließend weiter zu einem Festdinner. Ein Jahr später beging der Orden in Leeds den 5. November in ähnlicher Weise, und in Huddersfield zog eine größere Parade durch die Stadt.99 Anders als in Bolton sorgte die antikatholische Mobilisierung gegen den Emancipation Act im West Riding für eine Wiederbelebung des Oranierordens, obwohl die englische und irische Führungsspitze 1828 statt der Logen die Gründung von Brunswick Associations propagierte, da der Orden als Geheimbund zu diesem Zeitpunkt bereits am Rande der Illegalität operierte.100 In Ansätzen zeigte sich damit auch in England, dass die Mitglieder der örtlichen Logen sich trotz der formal strengen Hierarchie der Organisationsstrukturen über Weisungen der Groß- und Bezirkslogen hinwegsetzten und ihre symbolischen Traditionen unabhängig pflegten; in Irland nahm diese Traditionspflege im frühen 19. Jahrhundert den Charakter einer gezielten „Erinnerung von unten“ an.101 In England überlebten die Oranier mit dieser Haltung die Niederlagen des konservativ-protestantischen Lagers während der Reformagitation nach 1830. Als sich die Londoner Grand Lodge 1833 um eine Neuorganisation des Ordens bemühte und mit Colonel Fairman einen hauptamtlichen Grand Secretary auf eine Rundreise zu den Logen im Lande schickte, traf dieser auf Zusammenschlüsse, die von Mitgliedern aus

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des 18. Jahrhunderts wurde der Jahrestag am 12. Juli begangen. Vgl. Neuheiser, Erinnerung, S. 13. Vgl. Bolton Chronicle, 8.11.1828. Vgl. Manchester Courier, 8.11.1828. Vgl. Bolton Chronicle, 20. 9. 1828; Leeds Intelligencer, 1.1.1829. Vgl. Leeds Intelligencer, 12.11.1829. Vgl. zur Strategie der Ordensspitze in dieser Phase Senior, Orangeism, S. 225 – 234. Vgl. Neuheiser, Erinnerung.

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den „Lower Orders“ geprägt wurden. Die meisten waren um 1820 mit Hilfe von einflussreichen Adeligen oder Unternehmern am Ort gegründet worden, um den Widerstand gegen radikale Gruppen und Gewerkschaftler zu stärken.102 Mitte der 1830er Jahre hielten Arbeiter, in Wigan etwa besonders Bergleute, die Logen aufrecht; eine wichtige Rolle spielten darüber hinaus zugewanderte protestantische Iren, die ihre Erfahrung aus konfessionellen Konflikten im Nachbarland nach England mitgebracht hatten.103 Vor dem Hintergrund dieser Lage scheint Fairman sich bei Besuchen wie in Leeds vor allem um eine Annäherung an gehobene Kreise bemüht zu haben, um das Erscheinungsbild der Logen zu verbessern und eine engere Verbindung zu anglikanischen Kirchenvertretern herzustellen.104 Wichtiger als der begrenzte Erfolg dieser Bemühungen um verbesserte Organisationsstrukturen und die Neugründung von Logen, die zudem durch die formale Selbstauflösung des Ordens 1836 teilweise zunichte gemacht wurden, war die Verbreitung des Bewusstseins, dass es innerhalb der englischen Unterschichten ein Publikum für antikatholische Vorträge und Predigten gab. Die enge Verbindung von Feiern und Gottesdiensten, Paraden und No-Popery-Tiraden, die der Orden mit seinen Logen pflegte, schuf ein populäres Muster, das bereits in den 1830er Jahren von Predigern im Umfeld der Oranier und anderer Organisationen mit protestantisch-konservativem Weltbild begierig aufgegriffen wurde. Neben Feiern und Paraden des Oranierordens sowie den Dinnern und Veranstaltungen der konservativen Arbeitervereine entwickelten sich antikatholische Vorträge und Predigten zu einem festen Bestandteil der politischen Kultur in den englischen Städten. Sie stießen auf erhebliches Interesse und konnten bisweilen gezielt als Gegenveranstaltung zu radikalen Demonstrationen eingesetzt werden; entsprechend wurden sie von politischen Gegnern und Katholiken als Provokation empfunden. So predigte Hugh McNeile Ende Oktober 1838 an einem Abend in Bolton, an dem die Chartisten unter Führung von Feargus O’Connor bei einer Protestversammlung Delegierte für die nationale Chartist Convention wählen wollten. Die Working Men’s Association nahm die Herausforderung an und zog mit Fackeln grölend an der vollbesetzten St. George-Kirche vorbei. In der Predigt mussten sie sich danach als „madmen running after madmen“ verspotten lassen, bevor der Weber Richard Booth auf einer Versammlung der örtlichen Oranier zum 5. November O’Connor einige Tage später als „Popish Demagogue“ attackierte.105 Die gemäßigt liberale Free Press nahm den Streit zwischen Konservativen und Chartisten zum Anlass, um

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Vgl. Parliamentary Papers, Origins, S. 33, Aussage Mr. Chetwoode; S. 43, Aussage Mr. Fairman. Vgl. Parliamentary Papers, Origins, S. 43, Aussage Mr. Fairman; S. 141, Aussage Mr. Innes. Vgl. Leeds Intelligencer, 7.2.1833. Vgl. Bolton Chronicle, 3. 11. 1838, 10.11.1838.

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sowohl O’Connor als auch die Church-and-King-Ideologie der Tories anzugreifen.106 Üblich waren darüber hinaus Konflikte mit eingewanderten Iren. In Leeds produzierte ein antikatholischer Vortrag von Reverend T. D. Gregg aus Sheffield im Frühjahr 1837 ein Chaos, als irische Katholiken sich in dem mit rund 1.000 protestantischen Zuhörern gefüllten Saal über die Darstellung ihres Glaubens empörten. Gregg befand sich auf einer Vortragsreise durch die Städte der Umgebung, und der Intelligencer stellte fast erleichtert eine verbreitete No-Popery-Stimmung im West Riding fest.107 Ein Jahr später bemühte sich der anglikanische Priester J. E. White in Leeds unmittelbar nach dem irischen Nationalfeiertag am St. Patrick’s Day, in bewusst schlichter Sprache die Fehler der Katholischen Kirche zu erläutern und wurde Opfer katholischer Störmanöver.108 Die Verbindung von populären antikatholischen Predigten mit gewaltsamen Gegenmaßnahmen war so im Umfeld protestantischer Organisationen mit Unterschichtsorientierung längst etabliert, bevor gegen Katholiken wütende Wanderprediger wie Alessandro Gavazzi und William Murphy in den Jahrzehnten nach 1850 zu einem häufig kommentierten Phänomen wurden.109 Die „Papal Aggression“ gab dem Interesse an antikatholischen Spektakeln und Vorträgen dauerhaften Auftrieb, von dem unterschiedlichste Prediger, politische Aktivisten und religiöse Fanatiker profitierten. Zum Teil handelte es sich bei ihnen wie bei Gavazzi, dem ehemaligen Kaplan Garibaldis, und seinen Landsleuten Antonio Gallenga und Piero Guicciardini um italienische Emigranten, die der Kampf für den italienischen Nationalismus zur Flucht nach England gezwungen hatte. Ihre antikatholischen Tiraden, inspiriert vom kontinentalen Liberalismus, erlaubten ihnen, sich im Exil durchzuschlagen, und konnten aufgrund ihrer liberalen Implikationen zunächst englische Reformer und Konservative zugleich mobilisieren. Vielfach unterstützten gerade nonkonformistische Liberale die Frontstellung gegen die Politik der Katholischen Kirche und gerieten dadurch fast zwangsläufig in die Nähe zum traditionellen Antikatholizismus. Für einen dauerhaften Erfolg mussten die Redner allerdings auf liberale Stoßrichtungen verzichten: Gavazzi, der in den Jahren 1851 und 1852 in London, den Midlands und Nordengland bekannt geworden war, stieß zunächst auf Vorbehalte wegen seiner republikanischen Haltung. 1854 kehrte er von einer Reise in die USA als Anhänger des Hauses Savoyen zurück und konnte seine Vortragsreisen nach dem politischen Richtungswechsel ohne Schwierigkeiten fortsetzen.110 John Victor Teodor, polnischer Nationalist in ähnlicher Lage, griff mit seinem Kollegen Chylinski 106 107 108 109

Vgl. Bolton Free Press, 10.11.1838. Vgl. Leeds Intelligencer, 11.2.1837. Vgl. Leeds Intelligencer, 24.3.1838. Vgl. auch die oben, Kapitel 3, geschilderten No-Popery-Veranstaltungen der Protestant Operative Associations in London. 110 Vgl. Sylvain, Gavazzi und B. Hall, Gavazzi.

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auf spektakulärere Formen zurück und führte am Rande seiner Vorträge in London den „Pomp der römischen Messe“ vor, um die Gefahr des Katholizismus für den protestantischen Thron und britische Institutionen zu verdeutlichen.111 Andere Prediger, wie Giacinto Massena, William Murphy und Patrick McMenemy, waren Demagogen, bei denen sich ultraprotestantische und evangelikale Positionen zu einem fanatischen Hass auf Katholiken gesteigert hatten.112 In seinem unvollständigen Überblick über antikatholische Vortragsreisende zählte Denis Paz mindestens 15 Prediger auf, die zu verschiedenen Zeiten in den 1850er und 1860er Jahren durch englische Städte zogen, um ihre Botschaften zu verbreiten. Obwohl die Reisen von Massena in den Jahren 1859 bis 1862 wiederholt zu schweren Übergriffen auf katholische Kirchen sowie irische Viertel führten und besonders die Vorträge von William Murphy Ende der 1860er Jahre regelmäßig in gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen englischen Protestanten und irischen Katholiken endeten, hielt Paz diese Exzesse für Ausnahmen und sah den Kern des Erfolgs solcher Veranstaltungen in ihrem Unterhaltungswert für ein Publikum, das Abwechslung und gute Redner schätzte.113 Nicht nur die gelegentlich ausufernden Ausschreitungen am Rande antikatholischer Darbietungen und die stets mit ihnen verbundene öffentliche Erregung der verschiedenen religiösen Gruppen am Ort zeigen aber, dass No-Popery-Auftritte nicht ohne weiteres in die Vielzahl erbaulicher oder unterhaltender Vortragsserien und Konzertveranstaltungen einzuordnen sind, die für das kulturelle Leben viktorianischer Städte kennzeichnend waren. Denn das steigende Interesse an antikatholischen Reden und Predigten ging mit dem Wachstum der Logen der Oranier einher. Schon im Vorfeld der „Papal Aggression“ schlug sich eine verstärkte Tätigkeit der örtlichen Verbände in häufigeren Notizen der Lokalpresse über ihre Aktivitäten nieder. Ab Mitte der 1840er Jahre etwa hielten die Oranier auch in Leeds und Umgebung Jahr für Jahr am 5. November Feiern und kleinere Paraden ab.114 In Bradford kamen 1849 über 500 Ordensmitglieder zu einer Tea Party in der Temperance Hall zusammen, um sich in ihren „principles against popery, infidelity, radicalism, chartism, and all the ,isms‘ of the day“ bestätigen zu lassen. Im Juni des folgenden Jahres zog eine ähnlich große Gruppe von Oraniern in feierli111 Vgl. den Brief von W. Doyle ans Innenministerium, in dem er sich über die bevorstehende Parodie der katholischen Messe durch Teodor und Chylinski beschwert, 30. 7. 1852, Home Office, Registered Papers, National Archives Kew, HO 45/4195. 112 Vgl. Paz, Popular Anti-Catholicism, S. 26 ff., 256 ff., Machin, Politics and the Churches, S. 371 f., Richter, Riotous Victorians, Kap. 3, MacRaild, Murphy, ders., Principle und ders., Abandon. 113 Vgl. Paz, Popular Anti-Catholicism, S. 29. Zu den Vorgängen selbst vgl. Arnstein, Murphy Riots, N. Kirk, Ethnicity, ders., Growth of Working Class Reformism, Stevenson, Popular Disturbances, S. 281 f. und Supple-Green, Catholic Revival, S. 5 ff. 114 Vgl. Leeds Intelligencer, 11. 11. 1843, 8. 11. 1845, 14. 11. 1846, 13. 11. 1847, 11.11.1848.

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cher Prozession durch die Stadt und betonte dabei ihre Gegnerschaft zu den lokalen Chartisten, die eine Woche zuvor demonstriert hatten. Daneben wurde 1850 der 12. Juli von zahlreichen Logen im West Riding begangen; fast gleichzeitig konnte die neue Grand Lodge bei einem Treffen in Staffordshire landesweit von einem starken Mitgliederzuwachs der Organisation berichten.115 Im langsamen Aufleben des Oranierordens zeichnete sich so auch unterhalb bürgerlicher Vereine und gehobener Kirchenkreise eine Mobilisierung des protestantisch-konservativen Milieus ab. Nach dem päpstlichen Vorstoß im Oktober 1850 beschleunigte sich diese Entwicklung und führte nicht zuletzt dazu, dass häufig antikatholische Vorträge stattfanden, die stets auf ein großes Publikum trafen. Vermutlich war das Aufleben des Ordens nach 1845 eine der Folgen der verstärkten irischen Einwanderung, die neben Katholiken auch Protestanten aus dem irischen Norden nach England und damit neue Mitglieder aus dem Kernland der Organisation in die englischen Logen führte.116 Zum Teil wurden die inzwischen wieder offen und legal operierenden Oranierlogen zudem von den früheren Förderern der Operative Conservative Associations unterstützt. In Pudsey bei Leeds etwa standen 1851 mit dem Unternehmer John Farrar und den ,Brüdern‘ Smith und Newell gleich drei Männer, die Ende der 1830er Jahre den konservativen Arbeiterverein finanziert hatten, an der Spitze der örtlichen Loge.117 Nach der Wiedereinsetzung der katholischen Bischöfe beschleunigte sich das Wachstum des Ordens in allen Teilen des Landes. Fast im Wochentakt berichteten die Zeitungen in Leeds und Bolton über Neugründungen von Logen, Feiern, Paraden oder koordinierenden Aktivitäten der District und Grand Lodges; auch die überregionale Presse nahm diese Entwicklung wahr.118 Während der Schwerpunkt dieser Aktivitäten in Lancashire mit Ausnahme von Liverpool im Raum um Manchester, Bolton und Wigan lag, entwickelte sich Bradford zum Zentrum der Oranier in Yorkshire, wo schon vor der Auflösung von 1836 die mitgliederstärksten Gliederungen des Ordens beheimatet waren. Die besondere Rolle Bradfords hing vor allem mit dem organisatorischen Talent von Squire Auty zusammen, der im Rahmen der Agitation gegen die „Papal Aggression“ zu einem der wichtigsten Oranier auf regionaler Ebene aufstieg. In mancher Hinsicht war er ein typischer Vertreter der unteren Führungsebene in konservativen Arbeiterorganisationen: Geboren 1812 als Sohn einer relativ armen Handwerkerfamilie, die vor allem von der Teppichherstellung lebte, gelang es ihm, über eine Ausbildung zum Drucker ein 115 Vgl. Leeds Intelligencer, 10. 11. 1849, 1. 6. 1850, 20. 7. 1850; Bolton Chronicle 13.7.1850. 116 Vgl. zur manchmal übersehenen Heterogenität der irischen Einwanderung MacRaild, Orangeism. 117 Vgl. Leeds Intelligencer, 28.6.1851. 118 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 23. 11. 1850, 30. 11. 1850, 21. 12. 1850, 29. 3. 1851, 10. 5. 1851; Bolton Chronicle, 21. 12. 1850, 1. 2. 1851, 8. 3. 1851, 17. 5. 1851, 24. 5. 1851; Times, 21. 11. 1850, 7.12.1850. Für eine ähnliche Entwicklung in Oldham vgl. J. Foster, Class Struggle, S. 218 ff.

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Geschäft zu gründen und in ein kleinbürgerliches Milieu aufzusteigen. In den 1830er Jahren wurde er zum Freund und Vertrauten des konservativen Arbeiterführers Richard Oastler und unterstützte 1837 den Wahlkampf des ToryKandidaten William Busfeild in Bradford. Im gleichen Jahr übernahm Auty im Kampf gegen Kinderarbeit die Führung des Short Time Committees am Ort. Anfang der 1840er Jahre war er an der Spitze der lokalen Operative Conservative Association tätig und unterrichtete an der anglikanischen Sonntagsschule. Nach dem Niedergang der Operative Association um 1845 konzentrierte Auty sich auf den Aufbau des Oranierordens in der Region und druckte die Hand- und Liederbücher der Organisation; ab 1850 war er zudem Mitglied des Bradforder Stadtrats.119 Zu Beginn der 1850er Jahre reiste er von Ort zu Ort und tauchte bei zahlreichen Veranstaltungen lokaler Logen als Redner oder Gast in wichtiger Funktion auf.120 Männer wie Auty, dessen sozialer Aufstieg wie bei anderen Mitgliedern konservativer Arbeitervereine nicht von seiner politischen Arbeit zu trennen ist, prägten den Orden und zugleich das Milieu, in dem sich antikatholische Wanderprediger, aber auch lokale Priester bewegten, wenn sie in ihren Reden und Vorträgen den Papst und den Katholizismus angriffen. Mit ihren bis ins Detail ausformulierten konservativ-protestantischen Vorstellungen waren sie gewiss Ausnahmen, zugleich aber gelang es ihnen, vor allem in der Fabrikarbeiterschaft sowie bei kleinen Handwerkern und Ladenbesitzern Anhänger zu finden und diese in den Oranierlogen zu organisieren.121 Gemeinsam mit den Priestern, die den Orden und ähnliche antikatholische Organisationen unterstützten, planten sie die Veranstaltungen der Logen und dienten außerdem wohl als Ansprechpartner für Prediger, die auf den Reisen durch England Station in ihren Städten machten. Bei einem Vortrag Gavazzis in Manchester fungierte 1854 etwa Reverend Hugh Stowell, der als No-Popery-Prediger einen landesweiten Ruf besaß und in Salford Ende der 1830er Jahre sowohl die Conservative als auch die Protestant Operative Association nachdrücklich unterstützt hatte, als Vorsitzender der Veranstaltung.122 Zwar konnten sich lokale Prediger und überregionale Größen wie 1857 in Bolton durchaus in die Quere kommen, als Gavazzi im November in der Temperance Hall das zwei Jahre alte Konkordat zwischen Österreich und dem Vatikan zum Anlass für eine weitere Abrechnung mit dem Katholizismus nahm, während Stowell gleichzeitig in der Gemeindekirche gezielt für die Working Classes predigte –

119 Vgl. J. Ward, Squire Auty, Auty, Ministrel und ders., Melodist. 120 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 25. 1. 1851, 28. 6. 1851, 13. 9. 1851, 11. 11. 1854, 10.11.1855. 121 Die besondere Verbreitung der Prinzipien der Organisation unter den Working Classes bemerkte der Leeds Intelligencer etwa am 24.5.1851. Vgl. dazu auch MacRaild, Culture, Kap. 5, und ders., Faith, Kap. 4. 122 Vgl. B. Hall, Gavazzi, S. 349. Für den Zusammenhang zwischen No-Popery-Predigten in Salford, Stowells Priestertätigkeit und die Ausschreitungen mit Beteiligung der Oranier vgl. Greenall, Making, S. 99. Vgl. zu Stowell allgemein Marsden, Memoirs und Bullock, Stowell.

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Gavazzi sprach infolgedessen vor nur mäßig gefüllten Reihen.123 Meist aber arbeiteten lokale Organisationen mit den Wanderpredigern Hand in Hand und erreichten weitgehend das gleiche Publikum, das – auch wenn es nicht selbst dem Orden angehörte – doch zumindest von latenten Oraniervorstellungen geprägt war. Der Erfolg ihrer Vorträge beruhte daher bei weitem nicht nur auf Neugier oder dem Zulauf von schaulustigen Rhetorikfreunden, sondern auf protestantischen und antikatholischen Haltungen in weiten Teilen der Bevölkerung, die einerseits solche Veranstaltungen ermöglichten, andererseits von ihnen bestärkt wurden. Mit Blick auf den Charakter des Guy Fawkes Days vor 1850, die spontane Empörung über die „Papal Aggression“ sowie den Oranierorden und die Popularität antikatholischer Vorträge wird deutlich, dass eine protestantische Identität, die – relativ vage und wirkungsmächtig zugleich – um Krone und Kirche sowie den Gegensatz zur Katholischen Kirche kreiste, keine neue Entwicklung der Jahrzehnte nach 1850 war. Die Konservativen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an solche Haltungen anknüpften und die Verbindung von Konservatismus und Protestantismus zu einem wesentlichen Element der Tory-Erfolge bei Arbeitern und anderen sozialen Gruppen aus den Unterschichten im späten 19. Jahrhundert machten, konnten auf eine lange Tradition aufbauen. Diese beschränkte sich nicht nur auf die religiösen Elemente des konservativen Konstitutionalismus, der schon in früheren politischen Auseinandersetzungen und konservativen Arbeitervereinen entwickelt worden war ; vielmehr spiegelten solche organisatorischen Ansätze schon in den 1830er Jahren tiefer liegende Vorstellungen und Überzeugungen wider, die in der populären Festkultur, antikatholischen Stimmungen und Symbolen tief verankert waren und bis weit in die Unterschichten auf Zustimmung stießen. Die Einwanderung infolge der Hungersnot in Irland verstärkte ab Mitte der 1840er Jahre irenfeindliche Positionen in England und führte zugleich zum Wachstum einer Bevölkerungsgruppe, die auf antikatholische Äußerungen empfindlich reagierte. Entsprechend häuften sich die Auseinandersetzungen zwischen protestantischen Engländern und katholischen Iren. Diese Entwicklung war die bedeutendste Verschiebung innerhalb der Tradition des populären Antikatholizismus im 19. Jahrhundert, der aber auch vorher schon irenfeindliche Züge getragen hatte und seinen Charakter um die Jahrhundertmitte nicht grundsätzlich änderte. Nach 1850 war es allerdings einfacher als zuvor, über die Ablehnung der irischen Zuwanderung zu antikatholischen Vorstellungen zu gelangen oder umgekehrt aufgrund des vorhandenen Antikatholizismus die Zuwanderung von Iren abzulehnen. Beide Aspekte ließen sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zumindest auf der untersten Ebene der Auseinandersetzung kaum noch trennen.

123 Vgl. Bolton Chronicle, 14.11.1857.

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d) Protest, Spektakel und Antikatholizismus: St. George’s-in-the-East, 1859 – 1860 Wie eng sich bei der Eskalation konfessioneller Gegensätze zu Unruhen und Straßenkämpfen unterschiedlichste Aspekte der religiösen Auseinandersetzung mit der populären Rezeption theologischer Debatten, antikatholischen Vorstellungen und adoleszentem Protestgehabe verbinden konnten, zeigen die Ereignisse in einer anglikanischen Gemeinde des Londoner East Ends Ende der 1850er Jahre. Im Mai 1859 eskalierte in St. George’s-in-the-East ein Konflikt um ritualistische Elemente im Gottesdienst. Während der Rektor Bryan King als Anhänger der Tractarians nach seiner Übernahme der Gemeinde im Jahre 1842 schrittweise die Erhöhung des Altars, die Nutzung von Kreuzsymbolen und Kerzen sowie das Tragen von religiösen Festgewändern einführte, lehnte die Mehrheit seiner Gemeinde diese Neuerungen als Annäherung an den Katholizismus ab. Nachdem die Vestry im Frühjahr 1859 mit Hugh Allen einen extrem evangelikalen Antikatholiken zum zusätzlichen Prediger gewählt hatte, entwickelten sich die verschiedenen sonntäglichen Gottesdienste zu umkämpften Veranstaltungen. Aus Störungen entstanden Unruhen, die sich zu ausgedehnten Ausschreitungen steigerten und bis Oktober 1860 fast jede Woche einige Tausend Teilnehmer aus ganz London mobilisierten. Neben den Mengen auf den Straßen griffen die Gemeindeversammlung, mehrere lokale protestantische Vereine und der Oranierorden, der Bischof von London und die englische Regierung in die Konflikte ein; daneben beschäftigten die Vorgänge außer Polizei und Gerichte auch das Parlament in Westminster und wurden über die Presse landesweit berichtet. Die Forschung hat die Unruhen bisher vor allem am Rande kirchengeschichtlicher Darstellungen über die Auseinandersetzungen um die Theologie der Oxford Movement oder in polizeigeschichtlichem Zusammenhang beschrieben. Phillip Smith deutete in diesem Zusammenhang zwar die Verbindung der Ereignisse zum verbreiteten Antikatholizismus an, interpretierte sie aber letztlich als Dilemma für die Londoner Polizei, die aufgrund einer komplexen Rechtslage zwischen die Fronten der Beteiligten geriet. Die Mengen aus den Unterschichten waren für ihn wie für andere Autoren randalierende Jugendliche und eher unbedeutende Akteure, die durch ihre Teilnahme an der „liveliest show in town“ Abwechslung suchten, wenn sie für ihre Taten nicht direkt bezahlt wurden.124 Während Edward Norman – ohne sich mit den Londoner Unruhen zu beschäftigen – die Konflikte um die Tractarians und Ritualisten innerhalb der Anglikanischen Kirche überzeugend in den weiteren Kontext des englischen Antikatholizismus eingeordnet hat, orientierten sich die religionshistorischen Schilderungen der Ausschreitungen stark an den Urteilen der beteiligten ritualistischen Kleriker, die in den Mengen vor allem 124 Vgl. P. Smith, London Police, Zitat auf S. 113.

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einen besinnungslosen Mob erkannten.125 Die bisher kaum beachteten Londoner Lokalzeitungen erlauben andere Rückschlüsse: Gerade in den Verbindungen zwischen den randalierenden Mengen, den Antiritualisten in protestantischen Vereinen und der Vestry zeigt sich, wie vage antikatholische Vorbehalte zur Ablehnung von ritualistischen Praktiken in der Anglikanischen Kirche beitrugen und zu einer massiven Mobilisierung der Bevölkerung führten. Die starke Präsenz der Ritualisten im Londoner Osten hing zunächst mit der gezielten Arbeitermission zusammen, der sich einige Londoner Vertreter der Bewegung verschrieben hatten.126 St. George’s-in-the-East gehörte als typischer Dockland-Bezirk im Bereich des Londoner Hafens zu den ärmsten Stadtteilen der Metropole. 1851 beschrieb Charles Dickens das Viertel als „one mass of almost unredeemed poverty – a population of very many thousand souls, located upon a very few acres of ground.“127 Zehn Jahre später zählte der Zensus über 38.000 Einwohner in der Gemeinde, unter ihnen viele ungelernte Dockarbeiter, Seeleute oder Beschäftigte in den berüchtigten Sweatshops des Londoner Textilhandwerks. Die Hungersnot in Irland hatte viele irische Migranten in die Arbeiterviertel des East Ends geführt; in St. George war ihr Bevölkerungsanteil mit 8,2 Prozent besonders hoch. Zudem verstärkte die um 1860 langsam steigende jüdische Zuwanderung vom Kontinent die ethnische Diversität in den Hafenvierteln und vergrößerte die jüdischen Gemeinden, die sich seit dem späten Mittelalter östlich der alten City angesiedelt hatten. Bryan King und seine Mitstreiter arbeiteten in einem Londoner Slum und verbanden den Aufbau einer ritualistischen Gemeinde mit zahlreichen sozialen Tätigkeiten, der Gründung von Schulen und karitativen Einrichtungen.128 So weit sich ihre Arbeit in der Zahl der Gottesdienstbesucher niederschlug, war ihr kein Erfolg beschieden. Schon früh stießen Kings Liturgieveränderungen und seine streng moralischen Predigten auf Widerstand in der Gemeinde, der sich im Laufe der 1850er Jahre im starken Rückgang der Kirchenbesucher und in Konflikten mit der Vestry niederschlug. Nach 1856 verschärften sich diese Auseinandersetzungen durch den Aufbau einer Missionskapelle unter der Leitung des überzeugten Ritualisten Charles Lowder.129 King sah den Hauptgrund für die Konflikte in der Verdrängung der bürger125 Vgl. Norman, Anti-Catholicism, S. 105 – 121. Moderne Darstellungen der Unruhen finden sich bei M. Reynolds, Martyrs, Kap. 4, Chadwick, Victorian Church, Bd. 1, S. 495 – 501, Bowen, Idea, Ellsworth, Charles Lowder, S. 40 – 55, Yates, Anglican Ritualism, S. 93 – 95 und Sharp, Riots. Zeitgenössische Darstellungen umfassen Anon., Outrages, King, St. George Mission, Davidson u. Benham, Life und Crouch, Bryan King. Vgl. Yates, Oxford Movement und ders., Religious Life für Konflikte um den Ritualismus in Leeds. 126 Vgl. Leech, Clergy. 127 Vgl. Dickens, London Curate. 128 Vgl. Chadwick, Victorian Church, 497 f., Stedman Jones, Outcast London, passim und P. Smith, London Police, S. 111 f. 129 Vgl. Ellsworth, Charles Lowder.

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lichen Einwohner aus dem Viertel, die früher das Rückgrat der Gemeinde gebildet hatten. Tatsächlich scheint die Gemeindeversammlung, die auch für die Verwaltung des Stadtteils zuständig war, immer stärker von kleinbürgerlichen Händlern, Gastwirten und „Unternehmern“ des Rotlichtmilieus geprägt worden zu sein; im unmittelbaren Umfeld der Kirche zählte man 40 Gasthäuser und Bierstuben sowie 154 Bordelle.130 Während King und Lowder glaubten, mit ihrer religiösen Haltung in einer kirchenfeindlichen Umgebung zu kämpfen, klagte die Mehrheit in der Vestry über die zunehmende Nähe der Priester zum Katholizismus. Mit der Wahl von Hugh Allen sagte die Gemeindeversammlung Bryan King endgültig den Kampf an; explizit erklärte die Vestry-Mehrheit, mit dem neuen Prediger die protestantische Vorherrschaft (Protestant Ascendency) in St. George’s-in-the-East wiederherstellen zu wollen.131 King konnte weder diese Provokation noch einen ihm feindlichen Prediger in seiner Kirche dulden und bat mit Archibald Tait den Bischof von London, später Erzbischof von Canterbury, um Unterstützung. Dieser sah jedoch keine rechtliche Möglichkeit zum Einschreiten und war lediglich zur Vermittlung bereit, wenn beide Seiten eine solche wünschten und ihm zusicherten, seine Entscheidung in jedem Fall zu akzeptieren. Da sich der Bischof zugleich vom Ritualismus distanzierte, zögerten King und seine Anhänger, auf dieses Angebot einzugehen.132 Unterdessen steigerte sich der Kleinkrieg in den Gemeindegremien. Beim Amtsantritt von Allen war es zu Handgreiflichkeiten zwischen ihm und einem Kaplan gekommen, der ihm den Zugang zur Kanzel verwehren wollte. Kurz darauf bestätigte zwar ein Gericht Allens Recht auf die Nutzung der Kanzel, gestand dem Gemeindepriester aber den Vorrang und die Entscheidung über die Festlegung der Gottesdienstzeiten zu. Mehrmals wurden daraufhin die Anfangszeiten von Allens Predigt und der üblichen Gottesdienste verschoben. Die Vestry verabschiedete auf ihren wöchentlichen Sitzungen scharfe Rügen gegen King, und in den Leserbriefspalten des East London Observers überschlugen sich die gegenseitigen Vorwürfe. Gleichzeitig zwangen Mahnungen des Bischofs die Akteure, zumindest vordergründig Kompromissbereitschaft erkennen zu lassen.133 Die eigentlichen Auseinandersetzungen fanden aber im Umfeld der Gottesdienste statt. Zur ersten Predigt von Hugh Allen waren rund 3.000 Zuhörer erschienen, während sonst meist 50 bis 60 Gläubige zu den Sonntagsmessen kamen. In den Wochen darauf verzichtete Allen auf seine sonntäglichen Nachmittagspredigten; dennoch versammelten sich jeweils an die tausend Anhänger in den Straßen um die Kirche und protestierten mit No-Popery130 Vgl. Stedman Jones, Outcast London, S. 248 und P. Smith, London Police, S. 109. 131 Vgl. East London Observer, 28.5.1859. 132 Vgl. die Briefe des Bischofs in Davidson u. Benham, Life, Bd. 1, S. 237 ff. und East London Observer, 1.10.1859. 133 Vgl. East London Observer, 28. 5. 1859, 18. 6. 1859, 25. 6. 1859, 9. 7. 1859, 16.7.1859.

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Rufen gegen die ritualistische Liturgie in der Gemeinde. Die Gottesdienste von Bryan King und seinen Anhängern wurden durch demonstratives Husten, Zwischenrufe, Türschlagen und ähnliche Belästigungen behindert und mussten einige Male abgebrochen werden. Nachdem Allen seine Predigten wieder aufgenommen hatte, nahmen die Störungen massiv zu; vor der Kirche kam es zu Übergriffen auf Kleriker und Gläubige, die den Gemeindepriester unterstützten. Da für die Ordnung in der Kirche die von der Vestry gewählten Kirchenvorsteher zuständig waren, konnte King von dieser Seite wenig Hilfe erwarten; entsprechend organisierten seine Unterstützer eine Leibwache für ihn, zu der etwa der berühmte Boxer Tom Hughes gehörte.134 Außerhalb der Kirche steigerten sich die Angriffe so weit, dass Ende August erstmals die Polizei einschreiten musste und einige der antiritualistischen Demonstranten verhaftete. Trotz Protesten der Vestry gegen die Polizeieinsätze kam es in den folgenden Wochen zu weiteren Festnahmen und einigen Prozessen. Ende September verfügte der Bischof die Schließung der Kirche, ohne damit die wöchentlichen Aufläufe, Demonstrationen und Prügeleien unterbinden zu können, an denen sich inzwischen regelmäßig bis zu 5.000 Menschen beteiligten.135 Unter den Festgenommenen war der Sohn eines Wortführers in der Gemeindeversammlung. Andere Angeklagte wurden als Zuckerbäcker, Kleiderhändler und Schuhmacher beschrieben, die sich an die Spitze eines proletarischen Mobs gestellt hätten. Viele der Unruhestifter waren darüber hinaus sehr jung; der East London Observer, der eher Kings Position im Konflikt unterstützte, wollte zudem eine Gruppe schwarz gekleideter Männer beobachtet haben, welche die Jugendlichen kommandierte.136 Dass die Mengen insgesamt aus den untersten Schichten stammten und aus allen Teilen der Stadt in die Gemeinde strömten, wurde von niemandem bezweifelt. Für King und seine Freunde stand aber fest, dass die Unruhen zentral gesteuert und vom jüdisch kontrollierten Rotlichtmilieu finanziert wurden. Der Priester sah in den Mitgliedern der Gemeindeversammlung „Dissenters, Jews and avowed Atheists“, und eine Augenzeugin meinte, die hebräischen Gesichtszüge der jugendlichen Randalierer seien unübersehbar gewesen. Ungeachtet solcher antisemitischen Untertöne vermuteten beide, dass sich die Ausschreitungen schnell verselbständigt hätten und dem Pöbel der Stadt als sonntägliche Unterhaltung dienten.137 Obwohl ganz offensichtlich eine enge Verbindung zwischen den Mitgliedern der Gemeindeversammlung und den Mengen auf den Straßen bestand, ist es falsch, die Unruhen lediglich auf die kommerziellen Interessen einiger 134 135 136 137

Vgl. Chadwick, Victorian Church, S. 499. Vgl. East London Observer, 20. 8. 1859, 1. 10. 1859; Times, 6. 9. 1859, 26. 9. 1859, 12.12.1859. Vgl. East London Observer, 24.9.1859. Vgl. Zitat von King in Eastern Times, 14. 4. 1860 und Baring-Gould, Church Revival, S. 234 f. Antisemitische Töne kennzeichneten auch die Darstellung der Unruhen in der Saturday Review, zitiert in der Eastern Times, 18.2.1860.

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Barbesitzer und die sonntägliche Langeweile proletarischer Jugendlicher zurückzuführen. Die Anführer der Mengen repräsentierten als Handwerker und Ladenbesitzer eher die kleinbürgerliche Spitze des Arbeitermilieus als die wirtschaftliche Potenz der gewerblichen Prostitution im verarmten Hafenviertel.138 Die theologischen Debatten, die Bryan King und seine Mitstreiter dazu brachten, bestimmte Gebete zu singen statt zu sprechen und in Festgewändern vor die Gemeinde zu treten, dürften ihnen so fremd gewesen sein wie die zahlreichen katholischen und jüdischen Zuwanderer, die sich seit 1850 in der Nachbarschaft niedergelassen hatten. Mit Allen wählten sie einen Prediger, der sich vehement auf den traditionellen Evangelikalismus der Church of England berief, dessen gewohnte Formen pflegte und gleich beim ersten Konflikt um die Nutzung der Kanzel mit einer Predigt über die verbrieften Grundsätze der Anglikaner und die Ablehnung des Katholizismus antwortete.139 Einer Gemeinde, die sich von ihrem Pfarrer entfremdet hatte und ihre englische Identität in einem von Armut und Migration geprägten sozialen Umfeld bekräftigen wollte, musste diese Haltung gefallen. Sie fand ihr Echo, wenn die Störer bei Kings Gottesdiensten auf die Intonation von Messhymnen mit dem Singen von Rule Britannia reagierten.140 Das Spektakel solcher Proteste zog gewiss Schaulustige aus ganz London an, aber schon zur ersten Predigt Allens, lange bevor der Konflikt stadtbekannt und über die Presse landesweit berüchtigt wurde, war die große Kirche völlig überfüllt. Selbst wenn man den Vestry-Männern unwahrscheinliche organisatorische Fähigkeiten und erhebliche finanzielle Mittel unterstellt, deutet diese hohe Mobilisierung in einer Gemeinde mit gewöhnlich wenigen Dutzend Kirchgängern auf ein starkes Interesse am Konflikt in St. George’s-inthe-East hin. Vor dem Hintergrund der Schilderungen von Schlägereien zwischen englischen und irischen Jugendlichen am nahe gelegenen Ratcliff Highway, den Feiern des 5. Novembers im East End und den Vorgängen nach der „Papal Aggression“ kann dieses Interesse nicht überraschen. Schon in den 1840er Jahren hatte die Tower Hamlets Operative Protestant Association ihre Veranstaltungen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche abgehalten.141 Entsprechend konnte sich im Dezember 1859 mit der Eastern Times auch eine klar gegen die Ritualisten und Katholiken argumentierende Wochenzeitung im Londoner Osten etablieren, die zum Preis von einem Penny anders als die bis dahin einzige Lokalzeitung am Ort, der East London Observer, einem breiten Publikum die Vorgänge in der Gemeinde aus der Sicht der Gegner von

138 Vgl. zur proletarischen Herkunft und den kleinbürgerlichen Berufen der Wortführer in der Vestry das Spottgedicht auf den angeklagten Herrenausstatter Rozier und seine Freunde, den Schmied Bayman und den Gewichthersteller Herbert im East London Observer, 8. 10. 1859, das sich über die theologischen Neigungen der kleinen Männer mokiert. 139 Vgl. East London Observer, 28.5.1859. 140 Vgl. Eastern Times, 11. 2. 1860; Times, 6.2.1860. 141 Vgl. Penny Protestant Operative, April 1842, S. 37.

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Bryan King schilderte.142 Nicht zuletzt an ihrem Erfolg zeigte sich, dass das East End nicht zufällig zum Schauplatz der Auseinandersetzungen um die Kirche wurde. Die Eskalation des Konflikts im Mai 1859 führte schnell zur Entstehung diverser protestantischer Vereine, die Vorträge und Protestveranstaltungen gegen die Ritualisten organisierten und deren Nähe zum Katholizismus herausstellten, der als unenglisch und unchristlich abgelehnt wurde. Zum Zentrum für Veranstaltungen dieser Art entwickelte sich die Beaumont Philosophical Institution an der benachbarten Mile End Road. Zum Teil fanden hier typische No-Popery-Treffen statt; bisweilen kam es aber auch zu gezielten Protestveranstaltungen gegen Aktionen des angestammten Klerus von St. George’s, auf denen etwa Antworten auf die sonntäglichen Predigten verbreitet wurden.143 Als Vereine traten dabei die nach dem Kopf der ritualistischen Theologie, Edward Pusey, benannte Anti-Pusey-League sowie die Church of England Young Men’s Society oder die National Protestant Society hervor. Ungeachtet ihrer Namen blieben diese Vereine zunächst lokale Klubs im Londoner Osten. Schon bald erhoben ihre Gegner jedoch den Vorwurf, es handle sich um verkappte Logen des Oranierordens.144 Der Vorwurf war berechtigt. Die Vorgänge in der Gemeinde hatten mit Edward Harper einen irischen Protestanten nach London gebracht, der als NoPopery-Prediger im Umfeld des Ordens bekannt geworden war.145 Im Konflikt mit King führte er die National Protestant Society und griff durch eine Reihe von Vorträgen in die Auseinandersetzung ein. Dagegen organisierten sich in der kaum von der Society zu unterscheidenden Anti-Pusey-League eher die Vestry-Mitglieder und ihre Freunde; wie die anderen protestantischen Klubs im Viertel hatte auch die League eine überwiegend aus den Unterschichten stammende Mitgliedschaft. Als sich im Herbst 1860 ein Ende der Unruhen abzeichnete, entstanden aus den Reihen beider Vereine neue Logen des Oranierordens im East End.146 Straßenproteste gegen Ritualisten und Katholiken hatten gemeinsame Wurzeln in einer verbreiteten No-Popery-Haltung; steigerten sich latent fast immer vorhandene Spannungen zu einem konkreten Konflikt, folgte daraus leicht die Gründung von entschieden antikatholischen Organisationen. Alles verweist darauf, wie sehr die Szenen im Gottesdienst und auf den Straßen um die Kirche tatsächlich auf antikatholischen Vorstellungen in der Gemeinde beruhten; dennoch ist auch der Unterhaltungswert der Ereignisse zu berücksichtigen, wenn die Anziehungskraft der Vorgänge auf Teilnehmer 142 143 144 145

Vgl. das Editorial der Eastern Times vom 3.12.1859. Vgl. East London Observer, 11. 6. 1859, 24. 9. 1859, 24. 12. 1859; Eastern Times, 28.4.1860. Vgl. East London Observer, 17. 9. 1859, 24.12.1859. Vgl. Wolffe, Protestant Crusade, S. 281, 287. Harpers Aktivitäten waren auch daher anrüchig, weil er schon mehrmals durch die Veruntreuung der Gelder von antikatholischen Vereinen aufgefallen war, die er selbst gegründet hatte. 146 Vgl. East London Observer, 6. 10. 1860; Eastern Times, 6. 10. 1860, 15.12.1860.

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aus weit entfernten Stadtteilen erklärt werden soll. In St. George’s-in-the-East schien erlaubt zu sein, was überall sonst in der Stadt sofort heftige Polizeimaßnahmen und empfindliche Strafen nach sich gezogen hätte. Der Streit zwischen Gemeindeversammlung und Priester machte es für die Polizei schwer zu entscheiden, wer das Hausrecht ausübte. Jeder Einsatz in der Kirche zog stets scharfe Kritik einer Partei nach sich. Körperliche Angriffe und Sachbeschädigung konnten leicht geahndet werden, aber in den Tumulten um die Messen war kaum zu unterscheiden, von wem die Gewalt ausging, zumal auch die Leibwache Kings nicht zimperlich agierte. Entsprechend handelte die Polizei vorsichtig, und vor Gericht kam es mehrmals zu Freisprüchen gegen angeklagte Randalierer.147 Die überregionale Presse reagierte zwar ebenso entsetzt wie das Parlament auf die wöchentlichen Unruhen und forderte ein beherztes Eingreifen der Polizei, wenn nötig durch die Schaffung einer neuen gesetzlichen Grundlage; zugleich betrachteten Zeitungen wie die Times und Teile der Regierung die Ritualisten aber mit großer Skepsis und legitimierten mit ihrer Kritik an den katholischen Tendenzen in der Anglikanischen Kirche die Mengen auf der Straße.148 Auf diese Weise indirekt geschützt, konnten sich die Ausschreitungen langsam zum Treffpunkt für Besucher aus der ganzen Stadt entwickeln, die sich die Dinge einmal anschauen oder in die Atmosphäre unkontrollierter Disziplinlosigkeit eintauchen wollten. Gerade für Jugendliche, denen Priester sonst vielleicht in der Sonntagsschule begegneten, mochte die Aussicht, einen um sich schlagenden Reverend zu erleben, als Motivation genügen; für andere werden die umliegenden Gasthäuser und sonstigen Vergnügungsmöglichkeiten die Attraktivität des Ausflugs ins East End erhöht haben. Eine ungenaue negative Vorstellung von den ritualistischen Praktiken, ein unbestimmtes Misstrauen gegen alles Katholische, irische Einwanderer wie Priester, gehörten wohl dazu. Die Mengen um die Kirche handelten insgesamt gezielt entlang klarer Frontlinien, und trotz der regelmäßigen Übergriffe kam es nicht zu völlig unkontrollierten Massenschlägereien oder ausuferndem Vandalismus in den benachbarten Straßenzügen. Aber selbst wenn sich in diesem Verhalten etwas wie eine antikatholische „Moral Economy“ der Menge abzeichnete: Viel mehr als Spaß am Spektakel werden manche der Jugendlichen und ,Schlachtenbummler‘ nicht benötigt haben, um sich in Antikatholiken zu verwandeln und an den Vorgängen in St. George’s-in-the-East zu beteiligen. Gerade in der Verbindung von ernstzunehmenden antikatholischen Bestrebungen und der auf den ersten Blick weniger bedeutsamen Neigung zum Rowdytum als Teil einer unbestimmten Protest- wie Gewaltkultur, die sich um protestantische und antikatholische Symbole entfalten konnte, liegt jedoch die 147 Vgl. P. Smith, London Police. 148 Vgl. etwa die Kommentare in der Times vom 12. 12. 1859, aus dem Daily Telegraph und aus dem Standard, abgedruckt und diskutiert im East London Observer, 24. 9. 1859 und der Eastern Times, 10. 12. 1859, 10.3.1860.

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Bedeutung von Unruhen wie im East End oder anderen antikatholischen Phänomenen der englischen Straßenkultur im 19. Jahrhundert. In St. George’s endeten die Ausschreitungen im Herbst 1860, nachdem sowohl Hugh Allen als auch Bryan King die Gemeinde verlassen hatten und der Nachfolger des Gemeindepriesters die ritualistischen Elemente der Liturgie wieder abgeschafft hatte. In gewisser Hinsicht bildete die jubelnde Parade der Anti-Pusey-League am Tag der Abreise Kings den Schlusspunkt des Konflikts. Obwohl sie neben No-Popery-Parolen andere Spruchbänder mitführten, die klar auf den Ritualismus des Priesters Bezug nahmen, ähnelte die Prozession in vielem bereits den Märschen der Oranier, in deren Logen sich zahlreiche Teilnehmer bald darauf wiederfanden.149 Aus den Unruhen entwickelte sich in einem Stadtteil, der in London für seine politische Radikalität und Bindung an den demokratischen Flügel der Liberalen bekannt war, der Ansatz für eine erzprotestantische Organisationsbildung mit loyalistisch-konservativem Weltbild. Nur wenige Jahre später gelang es den Konservativen, auch im East End Conservative Working Men’s Associations zu gründen, die nicht zuletzt unbestimmte antikatholische Gefühle, wie sie sich im Protest gegen Bryan King gezeigt hatten, in politisches Engagement für konservative Ziele umwandeln konnten.150

149 Vgl. Eastern Times, 28.7.1860. 150 Vgl. Bee Hive, 16. 12. 1871 für ein Treffen eines konservativen Arbeitervereins in der Beaumont Institution, sowie die Berichte der Metropolitan Working Men’s Conservative Association bzw. London and Westminster Working Men’s Constitutional Association der Jahre 1867 und 1868 im Bishopsgate Institute, HC POL Part car. Ich danke Detlev Mares für den Hinweis auf diese Dokumente.

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III. Sozialer Ausgleich und konservative Moralvorstellungen

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Kapitel 5 Im Namen der Ungleichheit? Tory Radicalism, soziale Protestbewegungen und plebejische Gerechtigkeitsvorstellungen

Gut zwei Jahre nachdem das Parlament in Westminster mit dem Ten Hours Act die Arbeitszeit von Frauen und Jugendlichen im Alter von 13 bis 18 Jahren in Textilfabriken auf zehn Stunden begrenzt hatte, versammelten sich Mitte Juli 1849 rund 1.500 Menschen in der Boltoner Temperance Hall, um gegen die mangelhafte Durchsetzung der neuen gesetzlichen Bestimmungen zu protestieren.1 In zahlreichen Textilfabriken hatten Unternehmer die Vorschriften des Gesetzes dadurch umgangen, dass sie Frauen und Kinder in versetzten Schichten mit langen Pausen arbeiten ließen. Da leichtere und körperlich anspruchsvollere Arbeitsabläufe in der industriellen Baumwoll- und Wollherstellung meist eng verbunden waren, konnten sie auf diese Weise verhindern, mit der Arbeitszeit von Frauen und Kindern auch die der beschäftigten Männer auf zehn Stunden verkürzen zu müssen. Zugleich zwangen sie damit alle Arbeiter in ihren Fabriken, unabhängig von der zulässigen Arbeitszeit zwölf oder mehr Stunden verfügbar zu sein, und forderten so die Fabrikbewegung heraus, die seit den frühen 1830er Jahren für kürzere Arbeitstage, bessere Arbeitsbedingungen und das Verbot der Kinderarbeit kämpfte. Die Versammlung in Bolton wurde vor allem von unmittelbar betroffenen Fabrikarbeitern besucht. Eingeladen hatte das städtische Short Time Committee, das die Proteste koordinierte. Auf dem Podium fanden sich lokale Politiker und altgediente Veteranen der Bewegung ein, die der gemeinsame Kampf für soziale Reformen in der Arbeitswelt verband – einzelne Liberale wie Robert Heywood standen neben konservativen Fabrikanten wie dem langjährigen Förderer der Operative Conservative Association, William Ford Hulton, und dem Baumwollspinner John Knowles. Darüber hinaus waren zahlreiche Ärzte und Pfarrer der Umgebung erschienen. Mit Richard Oastler und Joseph Rayner Stephens besuchten zudem zwei prominente Arbeiterführer die Veranstaltung, die als sogenannte Tory Radicals seit 20 Jahren an der Spitze der Bewegung standen. Beide entstammten bürgerlichen ToryKreisen und entwickelten im Laufe der Auseinandersetzungen zunehmend 1 Der Ten Hours Act vom Juni 1847 verbot außerdem die Arbeit von Kindern unter acht Jahren und beschränkte die Arbeitszeit der Acht- bis 13jährigen auf sechseinhalb Stunden pro Tag; die Beschränkungen der Arbeitszeit für Frauen und Jugendliche unter 18 Jahren wurden endgültig am 1. 5. 1848 wirksam. Vgl. 10 & 11 Vict. c. 29.

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radikalere Vorstellungen. Während Stephens ab 1838 zu einem gefürchteten Redner auf chartistischen Versammlungen geworden war und durch offene Gewaltandrohungen auffiel, blieb Oastler im sozialen Protest stärker konservativen Gesellschaftsvorstellungen verhaftet; als eigentlicher Führer der Fabrikbewegung hatte er den Beinamen „Factory King“ erhalten.2 Die auffällige Einmütigkeit von erbitterten politischen Gegnern, Fabrikbesitzern und Arbeitern prägte die Atmosphäre der Versammlung. Einstimmig verurteilten die Teilnehmer alle Versuche, das Gesetz von 1847 zu umgehen und forderten die Durchsetzung des Zehnstundentags in allen Fabriken; eine entsprechende Resolution an Königin Viktoria und das Parlament wurde verabschiedet. Zahlreiche Redner kritisierten Magistrate und lokale Richter, die nach Beschwerden über längere Arbeitszeiten das neue Schichtsystem für rechtmäßig erklärt hatten, und drückten ihre Empörung aus, dass ausgerechnet Arbeiter ohne Wahlrecht dafür kämpfen mussten, dass wohlhabende und hochangesehene Bürger Recht und Gesetz achteten. Gleichzeitig vermieden die Versammelten jede scharfe Polarisierung. Die einzigen Sprecher, die Kritik aus dem Saal ernteten, waren jene, die versuchten, die Teilnehmer auf die Reformforderungen des radikalen Abgeordneten Joshua Walmsley einzuschwören. Die Unternehmer am Ort, die in ihren Fabriken den Zehnstundentag eingeführt hatten, wurden dagegen begeistert gefeiert. Ein spürbar gealterter Richard Oastler, der nach jahrelanger Inhaftierung, Krankheit und dem Rückzug ins Privatleben noch einmal zu einer politischen Rundreise durch die nordenglischen Industriestädte aufgebrochen war, lobte die Arbeiter für ihre Haltung: „And then to hear that cheer you gave to those masters – why, it did my heart good; for while others had been fancying that I had been labouring for the last twenty years to set masters against men, and men against masters, it was my object to settle things in favour of each other.“ Einmal mehr trafen 1849 in Bolton Politiker und Sozialreformer aus unterschiedlichsten Richtungen zusammen, um für eine Reform der Fabrikarbeit zu streiten. Ein Jahr nach den europäischen Revolutionen und dem letzten Aufleben des Chartismus in England mögen die gemeinsamen Proteste von reformbereiten Fabrikanten und Arbeitern als früher Ausdruck eines neugefundenen hochviktorianischen Konsenses und einer neuen Orientierung auf kleinschrittige Reformen statt auf große politische Gesellschaftsumbrüche erscheinen. Oastler hatte sich freilich schon Ende der 1830er Jahre vehement gegen die politischen Vorstellungen der Chartisten gewandt. Statt Forderungen nach politischer Gleichberechtigung und allgemeinem Wahlrecht vertrat er ein paternalistisches Ideal des Ausgleichs zwischen Reich und Arm, mit dem Armut gelindert und bekämpft werden sollte, ohne die sozialen Grenzen aufzulösen.

2 Vgl. Bolton Chronicle, 21.7.1849. Zu Oastler und Stephens vgl. C. Driver, Tory Radical und Edwards, Purge.

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Seine drastische Rhetorik und seine umjubelten Auftritte an der Seite von späteren Chartisten wie Fergus O‘Connor führten schon früh zu der Frage, welche Rolle Oastlers romantischer Konservatismus sowie Tory-Philanthropen wie Michael Sadler und Lord Ashley (der spätere Lord Shaftesbury) bei der Durchsetzung sozialer Reformen im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts spielten. Die bis heute einflussreiche Oastler-Biographie von Cecil Driver und John Traver Wards grundlegende Geschichte der Fabrikbewegung hoben die Bedeutung konservativer Politiker in den 1830er und 40er Jahren hervor.3 Sie nahmen den zeitgenössischen Begriff vom Tory Radicalism auf und verstanden darunter eine modernisierte Form paternalistischer Country-Positionen der Tories aus dem 18. Jahrhundert, die als nordenglische Antwort auf die Industrialisierung zahlreiche populäre Bündnisse zwischen Konservativen und Radikalen ermöglichte. Dagegen haben neuere Studien die sozialen Proteste gegen die Arbeitsbedingungen in Fabriken und das neue Armenrecht in den Zusammenhang der frühen englischen Arbeiterbewegung eingeordnet. David Roberts und Karl Heinz Metz betonen die politische Isolierung der Tory Radicals und paternalistischer Sozialpolitiker innerhalb einer Conservative Party, die im Parlament mit großer Mehrheit gegen soziale Reformen der Fabrikarbeit und für die bei Arbeitern verhasste Reform des Armenwesens votierte.4 Stewart Weaver und Robert Gray deuten die Fabrikbewegung als unmittelbaren Vorläufer des Chartismus und verstehen die Unterstützung für einzelne Konservative als regional begrenzte taktische Bündnisse einer deutlich vom Radikalismus und neuen Klassenvorstellungen geprägten Arbeiterschaft.5 Die Popularität einzelner Tory Radicals beruhte demnach auf ihrem vehementen Einsatz für soziale Reformen und einer zunehmenden Radikalisierung ihrer Rhetorik, welche die Grenzen zu anderen Wortführern der Bewegungen verschwimmen ließen. Ohnehin waren Oastler und Stephens schon früh im Zusammenhang des Chartismus wahrgenommen worden.6 Erst kürzlich schloss Eileen Groth Lyon sie aufgrund ihrer stark religiös gefärbten Sprache in die Reihe sogenannter Christian Radicals ein, die sie als wichtige Strömung des englischen Radikalismus versteht und von den eigentlich Konservativen zu unterscheiden sucht.7 Entsprechend weisen neuere Darstellungen der 3 Vgl. C. Driver, Tory Radical, J. Ward, Factory Movement, daneben auch Hill, Toryism. 4 Vgl. D. Roberts, Paternalism and Social Reform, ders., Paternalism in Early Victorian England, Metz, Social Chain, ders., Industrialisierung und ders., Religion. Für intellektuelle Tendenzen innerhalb des englischen Konservatismus, die viele Tories zur Zustimmung zum neuen Armenrecht verleiteten, vgl. Mandler, Tories and Paupers. 5 Vgl. Weaver, Political Ideology und Gray, Factory Question, daneben bereits Edsall, Anti-Poor Law Movement, R. Sykes, Popular Politics, ders., Early Chartism und Chase, Trade Unionism, S. 136 f. 6 Vgl. etwa Hovell, Chartist Movement. Cole, Chartist Portraits schloss Oastler und Stephens in seine Beschreibungen ein. 7 Vgl. Lyon, Politicians, S. 143 ff. Ihre Unterscheidung zwischen Christian und Tory Radicals bleibt

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Konservativen Partei Sozialreformern und Paternalisten mit Tory-Hintergrund vor 1867 allenfalls eine marginale politische Bedeutung zu; in den jüngsten Debatten um die Reform des neuen Armenrechts spielen sie keine Rolle.8 Sofern sich solche Urteile auf den parlamentarischen Arm der Conservative Party beziehen, kann an der Außenseiterrolle von Befürwortern der Fabrikgesetze und Gegnern des neuen Armenrechts kein Zweifel bestehen. Jenseits der hohen Politik in Westminster ergibt sich aber ein Widerspruch zwischen der in der Forschung betonten relativen Bedeutungslosigkeit konservativer Vorstellungen für die Mobilisierung des sozialen Protests und der unbestreitbaren Popularität von Politikern, Priestern und Arbeiterführern, die aus ihren Verbindungen zu den Tories keinen Hehl machten und ihren Kampf für soziale Reformen mit christlichen Werten sowie konservativen Gesellschaftsidealen begründeten. In seinen Studien zur politischen Sprache der Fabrikbewegung weist Robert Gray zwar zu Recht darauf hin, dass die Rhetorik der Fabrikreformer aus unterschiedlichsten und bisweilen unvermittelten Traditionen stammte und jenseits einseitiger parteipolitischer Zuordnungen von Konservativen, Liberalen und Radikalen gleichermaßen energisch unterstützt wie abgelehnt werden konnte. Die heterogene Agitation der frühen 1830er Jahre, in deren Motiven sich Evangelikalismus und antiindustrielle Vorstellungen des sozialen Ausgleichs ebenso vermischten wie radikale Ideale der gerechten Beschäftigung und patriarchale Konzeptionen von Arbeit, Familie und Geschlechterrollen, führte aber nicht zwangsläufig zur politischen Isolierung der Bewegung und ihrer Radikalisierung im Chartismus.9 Im Folgenden soll gezeigt werden, dass die Sprache der sozialen Protestbewegungen der 1830er und 1840er Jahre zwischen konservativen und radikalen Positionen oszillierte und gerade deshalb eine breite Mobilisierung über soziale wie politische Gegensätze hinweg ermöglichte. Die Proteste boten vielfältige Anknüpfungspunkte zur konservativen Variante des populären Konstitutionalismus und wurden über die eigentlichen Tory Radicals wie Oastler und Stephens hinaus häufig von plebejischen Tories mitgetragen. Aus den Protesten ging aber keine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen Tories und Radikalen hervor. In den politischen Konflikten am Ort bemühten sich letztlich alle Parteien eigenständig um Unterstützung aus den Reihen der Protestbewegungen. Viele Tory-Politiker standen den Forderungen der Protestierenden nahe und propagierten ein Ideal sozialer Gerechtigkeit, das nicht auf radikalen Gleichheitsvorstellungen beruhte; auch im Norden Englands traten sie aber mehrheitlich nicht in erster Linie als konservative Sozialrejedoch unklar, weil sie Oastler und Sadler zunächst als Tory Radicals vorstellt, um beide dann als typische Christian Radicals zu beschreiben. 8 Vgl. B. Coleman, Conservatism, Ramsden, Appetite; zu Debatten über die Poor Laws vgl. Eastwood, Debate, ders., Rethinking und Mandler, New Poor Law. 9 Vgl. Gray, Languages und ders., Factory Question, Kap. 1 – 3.

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former in Erscheinung. In den Auseinandersetzungen zwischen Tory Radicals und konservativen Arbeitervereinen sowie den Debatten über die Kornzölle, die 1846 zur Spaltung der Partei führten, wurde deutlich, dass konservative Gerechtigkeitsvorstellungen eine wichtige Rolle für Konservative aus den Unterschichten spielten, aber nicht allein für populäre konservative Erfolge verantwortlich waren.

a) Soziale Strukturen und politische Sprache der Protestbewegungen in den 1830er Jahren Sowohl die Geschichte der Fabrikbewegung als auch die des Widerstands gegen das Armenrecht von 1834 sind nicht gerade vernachlässigte Themen der englischen Historiographie. Es handelte sich um Protestbewegungen, die einerseits eng verwandt waren und sich in Hinblick auf die handelnden Akteure deutlich überschnitten, andererseits auf völlig unterschiedliche Probleme reagierten und einander zeitlich eher ablösten als dass sie parallel zueinander auftraten. Ihre wesentlichen Entwicklungslinien lassen sich knapp skizzieren. Erste Forderungen nach einer gesetzlichen Reglementierung der Fabrikproduktion und insbesondere der Beschränkung von Kinder- und Frauenarbeit wurden bereits in der Frühphase der Industrialisierung erhoben. Schon 1802 und 1818 verabschiedete das englische Parlament gesetzliche Einschränkungen, die aber ohne Durchschlagskraft blieben – teils, weil die Vorschriften ohne ausreichende Kontrollinstanzen und Strafandrohungen erlassen worden waren, teils, weil sie nur auf einen kleinen Bereich der Textilherstellung Anwendung fanden. Trotz einiger Modifikationen der Gesetze war Kinderarbeit gegen Ende der 1820er Jahre vor allem in den nordenglischen Textilfabriken und im Bergbau weit verbreitet. Häufig arbeiteten schon Sechsjährige unter nicht selten erschreckenden Bedingungen für geringste Löhne über 70 Wochenstunden – meist in Zwölfstundenschichten mit wenigen Pausen, bei denen nur der Sonntag völlig arbeitsfrei blieb, in extremen Fällen aber auch 15 Stunden und mehr pro Tag.10 Zeitgleich mit den Forderungen nach einer Reform des Wahlrechts und der Abschaffung der Sklaverei in den englischen Kolonien der Karibik wurde um 1830 der Ruf nach Fabrikgesetzen lauter, welche die Arbeit von Kindern unter neun Jahren völlig verbieten sowie die Arbeitszeit für Jugendliche unter 18 Jahren auf zehn Stunden (bzw. acht am Samstag) begrenzen sollten. Im Unterhaus machten sich zunächst der liberale John Hobhouse, danach der Tory 10 Vgl. hier und im Folgenden neben C. Driver, Tory Radical, J. Ward, Factory Movement, ders., Factory Reform Movement in Scotland und Gray, Factory Question auch die erste Darstellung der Bewegung von Kydd, History sowie Hammond u. Hammond, Shaftesbury. Zur Kinderarbeit in Großbritannien vgl. Kirby, Child Labour und Honeyman, Child Workers.

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Michael Sadler, ab 1832 der konservative Lord Ashley als Führer einer parteiübergreifenden Gruppe von Abgeordneten für ein entsprechendes Gesetz stark. Außerhalb des Parlaments bildeten sich in allen britischen Industriegebieten, vor allem aber in Yorkshire und Lancashire, lokale Short Time Committees, die den Kampf im Parlament mit zahlreichen Protestaktionen und einigen großen Massendemonstrationen mit bis zu 100.000 Teilnehmern unterstützten; der prominenteste Wortführer dieser Bewegung gegen die sogenannte „Yorkshire Slavery“ war Richard Oastler. Während mehrere parlamentarische Kommissionen die Lage in den Fabriken untersuchten, erreichte die Agitation jenseits des Parlaments im Sommer 1833 ihren Höhepunkt. Trotz des hohen Drucks wurde in Westminster jedoch nur ein stark beschnittenes Gesetz verabschiedet, das kaum Auswirkungen auf die Lage in den Fabriken hatte. Nach der Niederlage verlor die Bewegung an Kraft, und die Stoßrichtung des sozialen Protests in den englischen Industriegebieten veränderte sich. Erst in den 1840er Jahren wurden Forderungen nach einer gesetzlichen Beschränkung der Fabrikarbeitszeit wieder lauter. 1847 konnte schließlich der Ten Hours Act durchgesetzt werden; in den 1850er und 1860er Jahren folgten weitere Regulierungen, welche die zunächst nur für die Textilindustrie geltenden Bestimmungen schrittweise auf andere Branchen ausdehnten. Schon in der zweiten Hälfte der 1830er Jahre hatte die Reform des englischen Armenwesens jedoch einen großen Teil der Fabrikbewegung zu Protesten gegen das neue Poor Law von 1834 geführt. Sie richteten sich gegen eine von liberalem Wirtschaftsdenken geprägte Neuordnung, welche die Whigs nach der Durchsetzung der Wahlrechtserweiterung als wesentlichen Bestandteil ihres breit angelegten Reformprogramms auf den Weg brachten. Hintergrund der Reform waren zunächst die seit Beginn des Jahrhunderts aufgrund wirtschaftlicher Krisen, ökonomischer Wandlungsprozesse und des starken Bevölkerungswachstums kontinuierlich gestiegenen Kosten der Armenfürsorge, die auf lokaler Ebene über sogenannte Poor Rates aufgebracht werden mussten. Neben den hohen Steuern, mit denen die englische Regierung nach 1815 der durch den Krieg explosionsartig gestiegenen Staatsschulden Herr werden wollte, trugen die Zahlungen für die Armen erheblich zur Abgabenbelastung mittlerer und größerer Vermögen bei. Zudem hatte die Verschlechterung der seit dem Kriegsende ohnehin angespannten wirtschaftlichen Lage um 1830 zu hoher Arbeitslosigkeit sowohl in den nordenglischen Industriegebieten als auch unter agrarischen Landarbeitern im Süden geführt; sie trieb die Poor Rates auf dem Höhepunkt der Agitation für die Wahlrechtsreform noch einmal in die Höhe.11 11 Vgl. hier und im Folgenden besonders M. E. Rose, Anti-Poor Law Movement, dies., Anti-Poor Law Agitation, Edsall, Anti-Poor Law Movement, Brundage, Making und ders., English Poor Law, daneben Knott, Popular Opposition, P. Wood, Poverty, Harling, Power, Lees, Solidarity und Kidd, State. Unverzichtbar bleibt die Darstellung des New Poor Laws von S. u. B. Webb, English Local Government, Bd. VIII, Kap. 1 u. 2.

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Das neue Armenrecht beruhte aber nicht nur auf der liberalen Forderung nach niedrigeren Abgaben und einer Neuordnung der Staatsfinanzen, sondern auch auf ökonomischen Überlegungen in Anschluss an Theorien von Thomas Robert Malthus und Jeremy Bentham, welche die wachsende Armut als Folge von Überbevölkerung interpretierten und ihre Bekämpfung vor allem durch Anreize zur Selbsthilfe sowie die möglichst vollständige Reduktion gesellschaftlicher Hilfsleistungen vorantreiben wollten. Vor 1834 hatten Bedürftige prinzipiell einen rechtlichen Anspruch auf Hilfsleistungen ihrer Gemeinden; nach der Reform wurden alle direkten Leistungen in Form von Geld, Kleidung oder Nahrung untersagt, insbesondere die bis dahin verbreitete finanzielle Subventionierung von Landarbeiterlöhnen in Krisenzeiten. Jeder Arbeitsfähige sollte zur Selbstversorgung gezwungen werden, staatliche Hilfe nur noch über „Arbeitshäuser“ (Work Houses) erfolgen, in die Bedürftige nach der Auflösung jeglichen Vermögens mit ihrer gesamten Familie ziehen mussten. Um zu verhindern, dass „faule Arme“ sich in den Arbeitshäusern einrichteten, galt das Prinzip der „geringeren Wählbarkeit“ (Less Eligibility) – der Lebensstandard im Work House sollte bewusst schlechter sein als der des Empfängers des niedrigsten Lohns. Entsprechend wurden die Arbeitshäuser wie Gefängnisse organisiert: Jeglicher Ausgang war den Insassen verboten, sie mussten Anstaltskleidung tragen, Männer und Frauen sowie Eltern und Kinder lebten voneinander getrennt und wurden nur mit einfachsten Nahrungsmitteln versorgt. Der freiwillige Eintritt in das unattraktive Arbeitshaus galt als Test der wirklichen Bedürftigkeit (Work House Test). Zudem wurde die Verwaltung der Armenfürsorge zentralisiert. Die Zuständigkeit wurden den Gemeinden entzogen und neu gebildeten Armenrechtsbezirken (Poor Law Unions) übertragen, in denen zwar lokal gewählte Vorstände die Leitung der Arbeitshäuser übernahmen, darüber hinaus aber einer in London ansässigen Kommission unterstanden, die sowohl mit der Umsetzung der Reform als auch der Kontrolle der Unions beauftragt war. Obwohl das neue Armengesetz das Parlament 1834 problemlos passierte, wurde seine Einführung von erheblichen Protesten begleitet. Zum Teil lag der Grund dafür in der neuen Londoner Kommission, mit der erstmals eine nationale Verwaltungsbehörde Kompetenzen erhielt, die sich unmittelbar auf lokaler Ebene auswirkten und damit die Selbstverwaltung der englischen Gemeinden in Frage stellten. Wesentlich schärfer war jedoch die Ablehnung der Armenhäuser. Sie waren bei den Bedürftigen verhasst und galten bald als „englische Bastillen“, in denen Armut wie ein Verbrechen behandelt wurde. Die 1835 beginnende Einrichtung der neuen Verwaltungsbezirke stieß schon in Südengland auf den Widerstand ländlicher Eliten, die traditionell die Armenfürsorge kontrollierten, in den neuen Gremien ihren Einfluss wahren und etablierte Formen der Hilfsleistungen beibehalten wollten. Zudem kam es immer wieder zu Protesten von Landarbeitern und anderen Gruppen, die auf

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Hilfsmaßnahmen angewiesen waren.12 In den nordenglischen Industriegebieten mit flexiblen Arbeitsmärkten und häufigen Wellen konjunkturbedingter Arbeitslosigkeit provozierte der völlige Verzicht auf kurzfristige Hilfen erheblich heftigere Auseinandersetzungen. Weite Teile der Fabrikbewegung bekämpften das neue Gesetz. Wiederum stand Richard Oastler an der Spitze eines breiten Bündnisses, das über mehrere Jahre den Aufbau lokaler Verwaltungsgremien zum Teil gewaltsam boykottierte, die Wahl reformfeindlicher Vorstände forcierte und die Armenfürsorge in den Jahren 1837 und 1841 zum Wahlkampfthema machte. In London führte die Times einen publizistischen Kleinkrieg gegen die Poor Law Commission. Zwar konnten die Gegner des neuen Gesetzes seine Einführung nicht grundsätzlich verhindern, es gelang ihnen aber doch, wesentliche Elemente der Reform, wie die Unterbindung jeglicher Hilfsleistungen außerhalb der Armenhäuser, dauerhaft zu stoppen. Die heute gängige Deutung der Fabrikbewegung und des Widerstands gegen das neue Armenrecht als unmittelbare Vorläufer des Chartismus beruht vor allem auf der Betonung der Beteiligung späterer Chartisten an den Protesten. Beide Bewegungen erfassten mit Fabrikarbeitern, Webern und Handwerkern größere Teile der sozialen Gruppen, die unmittelbar von der Industrialisierung betroffen waren und Ende der 1830er Jahre zu Trägern des Chartismus wurden. Die Forderung nach dem allgemeinen Wahlrecht ließ sich daher als direkte Folge des Scheiterns der Proteste von Arbeitern ohne Stimmrecht interpretieren, die trotz einer Massenmobilisierung kaum Einfluss auf parlamentarische Entscheidungen nehmen konnten. Zudem hatten die Wortführer der früheren Protestbewegungen zwar von Anfang an den partei- und schichtübergreifenden Charakter ihrer Positionen betont, dabei aber das Bild eines Kompromisses von bürgerlichen Politikern mit konservativem oder liberalem Hintergrund und radikalen Gruppen aus den Unterschichten geprägt. Oastler selbst stilisierte seine erste Konfrontation mit den Arbeitsbedingungen in Fabriken zum christlichen Erweckungserlebnis eines Konservativen.13 Die als „Fixby Hall Compact“ berühmt gewordene Einigung auf eine Zusammenarbeit mit einem Arbeiterkomitee aus Huddersfield schilderte er in melodramatischen Zügen als Bündnis zwischen Reich und Arm: Der anglikanische Tory Oastler, als Gutsverwalter eines Landadeligen ein typischer Vertreter eines ländlich-konservativen Milieus, und einfache Fabrikarbeiter aus Huddersfield, ausschließlich nonkonformistische Radikale, legten ihre politischen Differenzen beiseite, um einen humanitären Kampf 12 Zum oft vernachlässigten Widerstand gegen das New Poor Law im ländlichen Süden vgl. Randall u. Newman, Protests, Proletarians and Paternalists, Wells, Resistance, und ders., Crime and Protests. 13 Oastler beschrieb diese Erfahrung mehrmals in seinem Leben. Vgl. C. Driver, Tory Radical, S. 39 ff., J. Ward, Factory Movement, S. 33 f. und ders., Richard Oastler. Die früheste Darstellung findet sich in seiner Flugschrift Facts and Plain Words. Leeds 1833 (Oastler Collection, Bd. 2, Pamphlet 11).

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für die zur Arbeit gezwungenen Kinder zu führen.14 Die Betonung des „unpolitischen“ Charakters ihrer Aktivitäten blieb in den 1830er Jahren ein fester Bestandteil der Rhetorik von Fabrikreformern und Gegnern des neuen Armenrechts.15 Der Chartismus konnte vor diesem Hintergrund sowohl als Politisierung einer sozialen Bewegung als auch als Emanzipation radikaler Arbeiter von konservativen und liberalen Führern bzw. als notwendiges Ende einer unnatürlichen Koalition erscheinen.16 Die Bewegungen bestanden jedoch nicht aus einer radikalen Arbeiterschaft auf der einen und einer bürgerlich-konservativen Führungsspitze auf der anderen Seite. Schon ein Blick auf die Mitglieder der Short Time Committees in Bolton und den Städten des West Ridings verdeutlicht die komplexeren Beziehungen zwischen den politischen Identitäten und den sozio-ökonomischen Strukturen unter den Aktivisten. So setzte sich zwar das Komitee aus Huddersfield, das im Juni 1831 die Zusammenarbeit mit Oastler aufnahm, zumeist aus Fabrikarbeitern und kleinbürgerlichen Radikalen zusammen, die zur gleichen Zeit für die Ausweitung des Wahlrechts stritten und bereits Forderungen nach dem allgemeinen Wahlrecht erhoben hatten.17 Auch in Leeds, Bradford und Keighley hatten sich im Frühjahr 1831 unabhängig voneinander kleinere Gruppen aus dem Umfeld der radikalen Reformer gebildet, um die parlamentarischen Forderungen nach einem Ten Hours Act zu unterstützen. Im Zuge ihres Wachstums verlor die Bewegung jedoch ihren eindeutig radikalen Charakter. Schnell stieß Oastler zum plebejisch-kleinbürgerlichen Kreis, nachdem er sich in Leserbriefen über die Kinderarbeit in den Fabriken der Region empört hatte. Erst danach nahmen die lokalen Gruppen dauerhaft Kontakt zueinander auf. In zahlreichen Städten Lancashires und Yorkshires entstanden neue Komitees, zudem wurden in beiden Grafschaften Zentralkomitees geschaffen. Während die Fäden der überregionalen Organisationsstrukturen bei Richard Oastler zusammenliefen, waren lokal unterschiedliche Gruppen an ihrem Aufbau beteiligt. Im West Riding etwa trugen bürgerliche Kreise wesentlich zum Wachstum der Organisation bei und fanden Unterstützung bei Arbeitern wie Handwerkern jenseits radikaler Gruppen. Im Frühjahr 1832 wurde in Leeds ein General Committee für die Stadt gegründet, dessen Vorstand neben dem Führer des 14 Vgl. C. Driver, Tory Radical, S. 86 ff. für Schilderungen aus den 1830er Jahren. Oastler fasste seine Darstellungen später in The Home, 6. 3. 1852 und 13. 3. 1852 zusammen. 15 Vgl. etwa das Pamphlet von C. Richardson, Address, S. 6, daneben Briefe und Reden von Fabrikreformern im Leeds Intelligencer am 1. 12. 1831 und 12.7.1832. 16 Umgekehrt erlaubte die Rolle konservativer Arbeiterführer in den 1830er und 1840er Jahren, in einer stark vereinfachenden Weise alle Proteste dieser Zeit, den Chartismus eingeschlossen, als konservative Bewegung zu deuten. Vgl. Soffer, Attitudes. 17 Von den 17 ursprünglichen Mitgliedern des Komitees arbeiteten zwölf in Woll- und Baumwollfabriken; fünf waren Ladenbesitzer und Händler, darunter der Kaufmann (general dealer) John Leech und der Möbelhändler (furniture dealer) James Brook, die als Vorsitzender und Schriftführer fungierten. Vgl. J. Ward, Factory Movement, S. 41.

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ersten Komitees, dem radikalen Textilarbeiter Ralph Taylor, der konservative Parteiführer Robert Hall und die Herausgeber der konservativen und radikalen Zeitungen der Stadt angehörten, Robert Perring vom Leeds Intelligencer und John Foster vom Leeds Patriot.18 Im benachbarten Bradford förderte mit dem erklärten Tory George Stringer Bull ein bekannter Priester den Aufbau eines großen Komitees. Schüler seiner Sonntagsschule spielten eine wichtige Rolle in der lokalen Organisation. Aus stark anglikanisch geprägten Handwerkerfamilien stammten etwa Matthew Balme und der bereits erwähnte Squire Auty, die als Schüler Bulls zur Fabrikbewegung fanden, ab Mitte der 1830er Jahre die Führung des Komitees in Bradford übernahmen und gleichzeitig die örtliche Operative Conservative Association aufbauten.19 Entsprechend wurde mit Cavie Richardson ein Mann aus einfachen Verhältnissen zum Angestellten des West Riding Central Committees in Leeds, der auf dem Höhepunkt der Reformagitation heftig gegen die Wahlrechtserweiterung wetterte und die Arbeiter davor warnte, sich von Maßnahmen der Whigs über ihre eigenen sozialen Interessen hinwegtäuschen zu lassen. Statt Verfassungsreformen forderte er höhere Löhne und ein Einkommen für den Arbeiter, das eine Familie ausreichend ernähren konnte. Gleichzeitig unterstützte er trotz vieler Differenzen eine Kandidatur Fosters für die Radikalen und lobte das Bündnis zwischen Tories und Reformern. Drei Jahre später war er Gründungsmitglied des konservativen Arbeitervereins in Leeds.20 Offensichtlich erlaubte es die Zusammenarbeit von plebejischen Radikalen und bürgerlichen Konservativen der Fabrikbewegung im West Riding, selbst innerhalb der Unterschichten in die sozialen Gruppen vorzudringen, die von der Mobilisierung für die Wahlrechtsreform kaum erfasst worden waren. Auch wo sich keine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen bürgerlichen Kreisen und Gruppen aus den Unterschichten ergab und die Short Time Committees stark von Fabrikarbeitern geprägt wurden, blieb die Organisation keine Bastion der Radikalen. In Bolton bildeten die gewerkschaftlich organisierten Baumwollspinner von 1831 bis in die 1840er Jahre das Rückgrat der Bewegung, die daneben vor allem bei Webern und anderen in der Textilverarbeitung beschäftigten Gruppen Unterstützung fand.21 Über den eigentlichen Vorstand ist wenig bekannt; im gewerkschaftlichen Umfeld des Komitees aber war man sich über die politischen Ziele jenseits der Fabrikreform alles andere als einig. Obwohl William Bolling sich 1832 nicht für den Ten Hours Act aussprach und zwei Jahre zuvor während eines Streiks in seiner Fabrik kompromisslos gegen die Gewerkschaft der Baumwollspinner vorgegangen 18 Vgl. ebd., S. 52. 19 Vgl. den Nachlass Matthew Balmes im Bradford Archive, Deed Box 4, Case 9 und Deed Box 27, sowie Gill, Ten Hours Parson, ders., Parson Bull, J. Ward, Matthew Balme, ders., Bradford und ders., Squire Auty. 20 Vgl. C. Richardson, Address. Zur sozialen Herkunft Richardsons vgl. oben, Kapitel 2, Fußnote 35. 21 Vgl. P. Taylor, Popular Politics, S. 120.

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war, unterstützte eine große Gruppe von Spinnern seine Kandidatur für die Konservativen zum Parlament.22 Dabei handelte es sich nicht um Arbeiter aus seinem Werk, die unter Druck für den Wahlkampf angeheuert worden waren. Bolling hatte 1832 mehrmals das Gespräch mit Vertretern der Baumwollspinner wie der Weber gesucht und ihnen seine politischen Ziele erläutert sowie Unterstützung für parlamentarische Initiativen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage zugesichert.23 Zwar zögerte er, die Fabrikgesetze offen abzulehnen und ließ im Wahlkampf gelegentlich zu, dass Arbeiter mit dem Hinweis auf Oastler und dessen Haltung zum Einsatz für die Konservativen aufgerufen wurden; letztlich beruhte sein soziales Engagement aber nur auf dem Argument, dass alle von blühendem Handel und wachsender Industrie profitierten, die er als Unternehmer stärken wollte.24 Spätestens seit dem Streik konnte Bolling sich nicht mehr ohne weiteres als paternalistischer Freund der Arbeiterschaft darstellen; entsprechend gab es keine offizielle Unterstützung für seine Kandidatur durch das Short Time Committee. Bei Radikalen galt er zudem als inakzeptabel, da er in den 1820er Jahren mit dem verhassten Colonel Fletcher mehrmals die Zerschlagung der Peterloo-Demonstration rechtfertigt hatte. Dennoch war sein Rückhalt unter Spinnern und Webern so groß, dass sich die ebenfalls stark von Baumwollspinnern und Webern geprägte Political Union der Stadt, die von Anhängern des prominenten Radikalen Henry Hunt dominiert wurde und mit dem Anspruch auf Vertretung des Volks und der Lower Orders auftrat, scharf gegen den Eindruck wehren musste, sie kämpfe für einen Parlamentssitz Bollings.25 Da eine rein taktische Unterstützung für Bolling als Fabrikreformer kaum möglich war, müssen seine Anhänger aus dem Umfeld des Short Time Committees in Bolton andere Motive für ihre Haltung gehabt haben – obwohl sie eine homogene soziale Basis in den Unterschichten hatte, waren erhebliche Teile der Fabrikbewegung in Bolton schon 1832 bereit, ein entschieden konservatives Programm zu unterstützen und sich zu den Tories zu bekennen. Noch deutlicher zeigten sich konservative Überzeugungen bei Gewerkschaftlern im Umfeld der Fabrikbewegung in Bolton in den Jahren darauf. Unter den Webern kam es in den 1830er Jahren wiederholt zu erheblichen Konflikten zwischen Tories, Liberalen und Radikalen. In den Auseinandersetzungen um bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen für im eigenen 22 Vgl. Bolton Chronicle, 8.12.1832. 23 Vgl. Bolton Chronicle, 14. 7. 1832, 1.9.1832. 24 Vgl. Bolton Chronicle, 17. 11. 1832 (anonymer Leserbrief eines „Weaver“) und Bollings Wahlkampfplakate von 1832 (Bolton Local Studies Library, ZZ 130/1/1 – 10, 12, 19). Bolling sprach sich im Wahlkampf nicht explizit gegen Fabrikgesetze aus; erst nach seiner Wahl im Frühjahr 1833 lehnte er gegenüber einer Deputation aus fast allen Fabriken der Stadt eine Unterstützung für die Kampagne ab. Vgl. Bolton Chronicle, 13.4.1833. 25 Vgl. Bolton Chronicle, 17.11.1832. Zum insgesamt kleinbürgerlich-plebejischen Charakter der Political Union in Bolton vgl. P. Taylor, Popular Politics, S. 41 ff.

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Hause arbeitende Handweber agierten mit Richard Needham und Philip Halliwell zwei Weber als Wortführer, die stets offen als Tories auftraten und über substantielle Unterstützung verfügten. Als 1833 und 1834 Forderungen nach Verboten zum Export von Garn und zur gesetzlichen Regulierung der Löhne zu parlamentarischen Untersuchungen der Lage der Weber führten, versuchten sie sicherzustellen, dass nur sie und ihre Anhänger als Delegierte nach London geschickt wurden. Zwar stießen sie auf Widerstand von anderen Webern mit liberalem und radikalem Hintergrund, die gegen die Tory-„Junta“ und die Aktivitäten der „self-elected few“ protestierten. Es gelang ihnen aber durchzusetzen, dass die Delegationen mindestens zur Hälfte von konservativen Webern gebildet wurden; 1834 entsandte eine öffentliche Versammlung trotz heftiger Debatten über die Zusammensetzung der Delegation sogar ausschließlich Tories in die Hauptstadt.26 Wenig überraschend unterstützten Halliwell und Needham ein Jahr später die Gründung der Operative Conservative Association in Bolton, ohne dabei besonderen Wert auf ein sozialpolitisches Profil des Vereins zu legen – gerade Halliwells Reden vor den Operatives lobten in erster Linie Verfassung wie Kirche und sind ein gutes Beispiel für den loyalistisch-protestantischen Charakter der konservativen Variante des Popular Constitutionalism.27 Schon diese Beispiele aus Bolton und dem West Riding zeigen deutlich, dass die sozialen Gruppen aus den Unterschichten, die sich an den Protesten der Fabrikbewegung beteiligten, kaum als politisch homogene Formation verstanden werden können. Die Forderung nach einer gesetzlichen Regulierung der Fabrikarbeit ging bei plebejischen Aktiven der Bewegung nicht selbstverständlich mit radikalen politischen Vorstellungen einher. Damit ist nicht gesagt, dass radikale Fabrikarbeiter keine wesentliche Rolle in der Bewegung spielten oder lokale Komitees nicht auch über das Frühjahr 1831 hinaus von Radikalen aus den Unterschichten dominiert werden konnten. In Huddersfield, in mancher Hinsicht der Ursprung der Fabrikbewegung und durch die Parlamentskandidaturen Oastlers im Jahre 1837 das Paradebeispiel für Bündnisse zwischen Tories und Radikalen, dominierten radikale Arbeiter das Short Time Committee über viele Jahre. Die Zusammenarbeit mit dem Tory Oastler stieß wiederholt auf scharfe Kritik und wurde immer wieder mit rein 26 Vgl. Bolton Chronicle, 13. 7. 1833, 3. 8. 1833, 5. 7. 1834, 12. 7. 1834, 19.7.1834. P. Taylor, Popular Politics, S. 123 f. spielte die Bedeutung dieser Auseinandersetzungen mit dem Hinweis herunter, dass die Tories nie eine klare Mehrheit unter den Webern gewinnen konnten. In den späten 1830er Jahren erkannte er eine deutliche liberale Dominanz. Tatsächlich fanden seit den frühen 1830er Jahren parteipolitisch motivierte Machtkämpfe unter den Webern statt. 1835 klagten die Tory-Weber nach einer Abstimmungsniederlage darüber, dass eine unrepräsentative liberale Clique sich anmaße, für alle Weber zu sprechen. Bei einigen Veranstaltungen wurde angesichts dieser Machtkämpfe unter den Webern die Devise „No Party Politics“ ausgegeben. Eine ToryFraktion blieb auch dann noch erkennbar, als sich unter den Webern die liberale Ansicht durchgesetzt hatte, die Kornzölle seien für ihre Misere verantwortlich. Vgl. Bolton Chronicle, 15. 8. 1835, 22. 5. 1835, 20. 5. 1837, 3.6.1837. 27 Vgl. Bolton Chronicle, 7. 11. 1835, 4. 6. 1836, 14. 1. 1837, 15.7.1837.

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taktischen Überlegungen begründet.28 Insgesamt waren die politischen Orientierungen der Aktiven innerhalb der Fabrikbewegung jedoch wesentlich komplexer, als sie die gängige Beschreibung einer radikalen Basis aus den Unterschichten und einer bürgerlichen Spitze mit prominenten konservativen Führern erfassen kann.29 Erst vor diesem Hintergrund lassen sich die inneren Widersprüche und diversen Stränge der Sprache der Fabrikbewegung und des Widerstands gegen das neue Armenrecht besser verstehen. Während Robert Gray im Stimmengewirr des Diskurses der Fabrikbewegung stets „distinct radical implications“ entdeckte und darüber hinaus eine radikale Umdeutung der polemischen Rhetorik von Oastler und Sadler auf Seiten der Operatives ausmachte, erhalten die konservativen Aspekte der Agitation angesichts der zumindest nicht unerheblichen Zahl plebejischer Tories unter den Aktivisten der Bewegung ein neues Gewicht. Stewart Weavers Feststellung, dass die Tory Radicals talentierte Tribünen-Redner waren, aber vor und nach den Demonstrationen auf radikale Arbeiterorganisationen angewiesen blieben, ist kaum haltbar.30 Zwar bleibt es dennoch wichtig, die Beschwörungen traditioneller Sozialstrukturen und der gleichen Interessen von Arm und Reich nicht vorschnell als „paternalistischen Traditionalismus“ zu werten. Viele Elemente des Protests ließen bei den Anhängern aber sowohl konservative Deutungen als auch eine Einordnung in radikale Visionen einer demokratischen Zukunft zu. Gerade diese Offenheit war entscheidend für die erfolgreiche Mobilisierung einer großen Massenbewegung, die parallel zur von Liberalen und Radikalen getragenen Agitation für die Wahlrechtserweiterung entstand und ihren ersten Höhepunkt nach dem Reform Act erreichte. Während der Kampf für die Parlamentsreform nach dem Erfolg von 1832 zu Ende ging, konnte die Fabrikbewegung im Norden Englands an alle diejenigen appellieren, die im Elend der Fabrikkinder ein Symbol für eine tiefe Krise sahen. In allen Schichten der Bevölkerung gab es Gruppen, welche diese Krise als Folge eines Bruchs mit traditionellen Strukturen begriffen oder im Gegenteil auf weitergehende Reformen hofften. Eine vieldeutige Sprache, die starke Betonung der Überparteilichkeit und des vermeintlich „unpolitischen“ Charakters der Fabrikreform waren daher von entscheidender Bedeutung: Sie dienten nicht zur Öffnung von Klassengrenzen zwischen Basis und Spitze, sondern zur Überwindung von politischen Gegensätzen auf allen Ebenen der Bewegung. Die stark religiös-evangelikale Prägung sowohl der Fabrikbewegung als auch der Armenrechtsproteste sind ein naheliegendes Beispiel dieser Vieldeutigkeit. Die Verdammung des Fabriksystems als unchristlich und un28 Vgl. F. Driver, Tory Radicalism. Ende der 1830er Jahre wurden mit der Gründung eines konservativen Arbeitervereins aber auch hier grundsätzliche politische Differenzen auf der Ebene plebejischer politischer Organisationen deutlich. 29 Der spätere Übergang zu Protesten gegen das neue Armenrecht änderte daran nichts – in der Regel wechselten die Komitees nur den Namen und arbeiteten in gleicher Besetzung weiter. 30 Vgl. Gray, Languages, S. 145 ff. (Zitat auf S. 145) und Weaver, Political Ideology, S. 86.

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barmherzig war ein gängiges Motiv der anglikanischen Tory Radicals um Sadler, Oastler oder Bull, das in kaum einer ihrer Reden fehlte. Für Oastler etwa war die Fabrikreform grundsätzlich keine politische, sondern eine christliche Frage; es gehe darum, ob „the principles of the God of Heaven […] or those of the demon below“ herrschen sollten.31 Scheinbar unpolitisch, war die Berufung auf Gott und die Bibel mit einer Sicht der Verfassung verbunden, welche die enge Verwobenheit von Staat und Kirche in England betonte und die Legitimität von Krone, Recht und Eigentum an die Wahrung christlicher Grundsätze sowie einen gerechten Interessenausgleich zwischen Reich und Arm knüpfte. Vor diesem Hintergrund erschienen die Kinderarbeit in Textilfabriken als schwerwiegendes Verbrechen gegen das Christentum und das neue Armenrecht, das den Anspruch auf staatliche Fürsorge in Frage stellte, als fundamentaler Bruch der Verfassung. Entsprechende Vorstellungen finden sich auf allen Ebenen der Protestbewegungen und waren nicht auf die Reden weniger Wortführer beschränkt. Sie konnten wie in Oastlers Motto „The Throne, the Altar and the Cottage“ formelhaft verkürzt oder mit Bibelzitaten auf Bannern und Plakaten angedeutet werden; nicht selten wurden sie in weit verbreiteten Flugschriften detailliert entwickelt oder in Grundsatzreden mit Hinweis auf Staatsdenker wie Locke, Pale, Haley und Blackstone ausführlich erläutert.32 Trotz solcher Bemühungen um Klarheit war die Bedeutung dieser häufig in schärfsten polemischen Tönen vorgetragenen Sprache nicht eindeutig. Zum einen erhöhten die biblische Dimension und die Vorstellung des Angriffs auf die Grundwerte der Gesellschaft die moralische Bedeutung des Protestes derart, dass sich seine Forderungen leicht radikalisieren ließen. Wenn Fabriksystem und neues Armenrecht alle sozialen Bindungen in Frage stellten, konnte revolutionäre Gewalt zur legitimen Antwort werden. Oastler hielt bereits im September 1836 seine berüchtigte „Nadelrede“: Aus Wut über Verstöße gegen das Fabrikgesetz von 1834, das die Fabrikbewegung als unzureichend zurückgewiesen hatte, drohte er damit, arbeitenden Kindern beizubringen, wie sie mit einfachen Nadeln Textilmaschinen zerstören könnten.33 Der Methodist Stephens stellte im Frühjahr 1839 weit grundsätzlicher die Existenz einer gottlosen Gesellschaft in Frage, welche die Arbeiter in ihrer Not 31 Vgl. Leeds Intelligencer, 12.1.1832. Die Analyse der Sprache innerhalb der Fabrikbewegung und des Widerstands gegen das New Poor Law beruht auf der Auswertung zahlreicher Reden und Pamphlete aus den untersuchten Wahlkreisen. Nur direkte Zitate werden hier belegt. Für eine detaillierte Untersuchung der biblischen Bezüge und Referenzstellen vgl. Lyon, Politicians, Kap. 4 und 5. 32 Vgl. Leeds Intelligencer, 30. 12. 1837 (Grundsatzrede Oastler); daneben G. S. Bulls Pamphlet: The New Poor Law shewn to be unconstitutional, anti-monarchical, opposed to the common law, contrary to Christianity, in a Petition to the House of Lords. London 1838 (Oastler Collection, Bd. 12, Nr. 15). Für biblische Spruchbänder mit Inschriften wie „Blessed are the mercyful, for they shall obtain mercy“ bei Demonstrationen vgl. etwa Leeds Intelligencer, 12. 1. 1832, 20.5.1837. 33 Vgl. Kydd, History, Bd. 2, S. 108 f. und C. Driver, Tory Radical, S. 326 f.

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verraten habe – jede Form von Widerstand werde legitim, solange er sich an Gottes Wort und Botschaft orientiere; ein auserwähltes Volk müsse sich mit Gottes Hilfe von seinen teuflischen Verfolgern befreien.34 Sein religiöser Eifer hatte sich im Laufe der Proteste gesteigert und blieb einzigartig sowohl unter den Tory Radicals als auch bei Chartisten, mit denen er Ende der 1830er Jahre zusammenarbeitete. Dennoch fanden seine politischen Predigten in London wie im Norden Englands zahlreiche begeisterte Zuhörer, die Stephens’ prinzipielle Verteidigung der traditionellen Verfassungsinstitutionen kaum mehr erkennen konnten, obwohl er die politischen Forderungen von Radikalen und Chartisten nach dem allgemeinen Wahlrecht deutlich zurückwies.35 Zum anderen waren die Tory Radicals nicht die einzigen populären Wortführer, die christliche Argumente ins Feld führten. Wie schon im dritten Kapitel beschrieben, prägten konfessionell-religiöse Gegensätze politische Konflikte auf allen Ebenen und spielten etwa in die Auseinandersetzungen um die Wahlrechtserweiterung und andere liberale Reformforderungen hinein. Zwar blieb eine explizit christliche Begründung von Reformpolitik auf liberaler und radikaler Seite Anfang der 1830er Jahre eher die Ausnahme.36 Im Rahmen des Kampfs für die Fabrikreform und gegen das neue Armenrecht verbanden aber auch einige Radikale wie der aus Barnsley stammende Leinenweber Joseph Crabtree biblisch motivierte Forderungen nach dem allgemeinen Wahlrecht mit den Protesten.37 Grundsätzlich hatte die evangelikale Erneuerungsbewegung des frühen 19. Jahrhunderts jenseits unmittelbar konfessioneller Debatten um die Rolle der Nonkonformisten und der Katholiken in der Gesellschaft zu einer religiösen Aufladung politischer Debatten geführt. Besonders deutlich wurde das in der Abolitionismusbewegung zur Abschaffung der Sklaverei in den englischen Kolonien, die stark von evangelikalen Kräften aus nonkonformistischen Kreisen geprägt war. Nach der Verabschiedung des Anti-Slavery Acts von 1833 dominierte der Quäker Joseph Sturge den Kampf der Abolitionisten gegen die verbleibende Bindung ehemaliger Sklaven als unbezahlte „Lehrlinge“ (Apprentices) an ihre früheren Besitzer. Aus seinen christlichen Überzeugungen heraus entwickelte Sturge einen „moralischen Radikalismus“, der mit biblischer Rhetorik die Ablehnung der Sklaverei mit Forderungen nach geheimen Abstimmungen, jährlichen Wahlen und einem deutlich erweiterten Wahlrecht verband und ihn

34 Vgl. J. R. Stephens, Sermons. Für seine Predigten im Frühjahr 1839 beispielhaft etwa die Predigt in Stalybridge am 10.2.1839. Vgl. zur Sprache Stephens’ daneben Kemnitz u. Jacques, Stephens, J. Epstein, Aspects, S. 249 ff., P. Joyce, Visions, S. 33 f. und Lyon, Politicians, Kap. 4 und 5. 35 Vgl. Edwards, Purge, S. 61 ff. für Stephens’ erfolgreiche Londoner Open Air-Predigten im Mai 1839. 36 Vgl. Lyon, Politicians, Kap. 2, bes. S. 124. 37 Vgl. für Crabtrees Haltung etwa Leeds Intelligencer, 20. 5. 1837; zu seiner Herkunft vgl. Knott, Popular Opposition, S. 120.

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später in die Nähe vor allem jener Chartisten brachte, die ihrerseits Christentum und radikale politische Forderungen verknüpften.38 Auch wenn die stärker plebejisch geprägte Fabrikbewegung viele der nicht zuletzt von liberalen Industriellen unterstützten Abolitionisten misstrauisch beäugte, weil sie in den Vorkämpfern gegen die Sklaverei die Unternehmer entdeckte, die in ihren Fabriken Kinder schlimmer als Sklaven behandelten, ergänzten sich beide Bewegungen. Oastler hatte lange vor seinem Engagement gegen die Kinderarbeit die Freilassung der Sklaven gefordert und entwickelte seine Kritik der „Yorkshire Slavery“ aus der Rhetorik der Abolitionisten; darüber hinaus übernahmen Fabrikreformer in ihren stets wiederkehrenden Vergleichen von schwarzer und weißer Sklaverei viele Elemente der älteren Bewegung.39 Ein typisches Beispiel war dabei etwa die Begründung des Rechts auf biblischer Grundlage und die Vorstellung, dass die Gleichheit der Christen Grundlage für die sozialen Beziehungen in der Gesellschaft sein müsse. Wenn Redner wie Oastler, Bull und Stephens darüber hinaus göttliches Recht und Naturrecht als gleichwertige Begriffe verwendeten, war es für ihre Zuhörer leicht, ihre christliche Sprache mit aufklärerischen Naturrechtsvorstellungen zu verbinden, die den englischen Radikalismus und seine demokratischen Forderungen kennzeichneten.40 Während die Forschung in den letzten 20 Jahren solche radikalen Untertöne der christlichen Sprache der Fabrikreformer wie der Armenrechtsproteste stark betont hat, werden die konservativen Implikationen ihrer Argumente unterschätzt.41 Diese waren aber nicht minder deutlich und reichten weit über den Hinweis der Tory Radicals auf ihre politische Herkunft hinaus. Der christlich begründete Kampf für Fabrikreformen und gegen das neue Armenrecht ließ sich leicht in eine konservative Abwehrhaltung gegen tief greifende gesellschaftliche Wandlungsprozesse einbeziehen, welche die Verteidigung der Verfassung gegen liberale und radikale Angriffe in den Mittelpunkt stellte. Zwar hatte sich die Spitze der Partei mit der Zustimmung zur Emanzipation der Katholiken zunehmend von den defensiven Grabenkämpfen der Tory Ultras im Parlament entfernt; schon früher war, verbunden mit Robert Peel, eine konservative Reformhaltung entstanden, die gelegentlich als „liberal conservatism“ bezeichnet wurde. Die Erfahrungen der Reformkrise, in der verschiedene Tory-Gruppen im Parlament die Wahlrechtsreform bisweilen als notwendiges Übel akzeptierten, als endgültigen Untergang der 38 Vgl. Turley, Culture, bes. Kap. 2, Drescher, Capitalism, bes. Kap. 6 und Tyrrell, Joseph Sturge. 39 Vgl. Walvin, Rise, Hollis, Anti-Slavery, Drescher, Cart-Whip, Turley, Joseph Sturge, Kap. 6 und Gray, Factory Question, Kap. 1. Zur Rolle christlicher Vorstellungen im Chartismus vgl. Lyon, Politicians, Kap. 6 und Yeo, Christianity. 40 Vgl. zur Verbreitung solcher Vorstellungen Lyon, Politicians, passim und P. Joyce, Visions, passim und S. 100 ff.; Beispiele mit Tory-Hintergrund in Leeds Intelligencer, 11. 3. 1837 (Rede Thompson) und in den in Anm. 32 genannten Quellen. 41 Vgl. vor allem Gray, Languages, ders., Factory Question, Weaver, Political Ideology und Lyon, Politicians; weniger eindeutig P. Joyce, Visions.

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Verfassung bekämpften oder als Rettung vor katholischer Unterwanderung begrüßten, ließen die innerparteilichen Differenzen in Westminster aber wieder in den Hintergrund treten. In den Parteizirkeln jenseits der Hauptstadt waren sie ohnehin weniger ausgeprägt, und ein Großteil der konservativen Presse wütete gegen die liberalen Reformvorstellungen.42 Nicht zufällig wählten daher die konservativen Arbeitervereine Oastlers Motto von Thron, Altar und Hütte zu ihrem Wahlspruch – die Ableitung sozialer Ansprüche von Arbeitern und Armen aus der mit der Übertragung von Verantwortung, Herrschaft und Eigentum verbundenen Stellung in Staat und Kirche passte in ein Weltbild, das den Verlust von sozialer Sicherheit vor allem über den Niedergang der traditionellen Strukturen der englischen Gesellschaft erklärte. Oastler und besonders Sadler waren zudem lange vor ihrem Engagement gegen die Kinderarbeit als vehemente Gegner der rechtlichen Gleichstellung der Katholiken in Erscheinung getreten. Beide hatten sich Ende der 1820er Jahre in Leeds an den lokalen Auseinandersetzungen um die Frage der Emanzipation beteiligt; Oastler schlug dabei in einer Reihe von Briefen an den Leeds Intelligencer schärfste No-Popery-Töne an.43 Ihre Tiraden konnten in den 1830er Jahren kaum in Vergessenheit geraten, zumal liberale Kritiker sie wiederholt in Erinnerung riefen und Oastler nach 1835 schnell die Nähe zu den neugegründeten Operative Conservative Associations mit ihrer stark antikatholischen Orientierung suchte.44 Oastlers Rolle in den Konflikten um die Church Rates wurde im dritten Kapitel erwähnt; ähnlich wie er trat aber auch Reverend Bull, der als anglikanischer Priester freilich kaum anders konnte, Mitte der 1830er Jahre in den Vestry-Debatten hervor und betonte wie die konservativen Arbeitervereine den sozialen Charakter der Anglikanischen Kirche als Kirche der Armen.45 Darüber hinaus verbanden zahlreiche andere Priester – als Vikare besonders prominent Reverend Hook aus Leeds sowie James Franks und Josiah Bateman aus Huddersfield – ihren Einsatz für die Fabrikreform mit dem Kampf für den Erhalt der Kirchenabgaben.46 In der 42 Vgl. Gash, Secretary Peel, ders., Sir Robert Peel, Mandler, Aristocratic Government, S. 5 f., Sack, Jacobite to Conservative, Kap. 6, Ramsden, Appetite, Kap. 1 und Hilton, Mad, Bad and Dangerous, S. 314 – 328. 43 Vgl. Leeds Intelligencer, 8.1.1829. Sadler hatte seine politische Laufbahn mit antikatholischen Reden begonnen, vgl. das Pamphlet Speech of M. T. Sadler Esq. at the Meeting held at the Parish Church, Leeds, Friday, February 22nd 1813, on the Catholic Question. Ohne Ort, ohne Datum (Leeds City Library Collection). 44 Vgl. etwa die Vorwürfe gegen Sadler in Anon. [Elector]: The Tables Turned. A Reply to a NonElector Signing Himself Common Sense. Leeds 1832 (Thoresby Society Library, Leeds, Election Materials 22 C 1). Für Oastlers ab 1836 schwieriges Verhältnis zum konservativen Arbeiterverein in Leeds vgl. unten S. 257 f. Zu politischen Folgen seines Antikatholizismus vgl. C. Driver, Tory Radical, S. 359. 45 Vgl. Gill, Ten Hours Parson, ders., Parson Bull und Wright, Radical Borough. 46 J. Ward, Factory Movement, S. 423 ff. zählte in Nordengland, ungeachtet der Unterstützung von anglikanischen Bischöfen, über 28 Gemeindepriester mit Tory-Verbindungen, die sich an den Aktivitäten der Fabrikbewegung beteiligten.

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christlichen Rhetorik der Fabrikbewegung und der Armenrechtsproteste schwangen derartige Haltungen daher stets mit; obwohl sie neben der Überparteilichkeit auch die Überkonfessionalität ihres Kampfes betonte, blieben die anglikanisch-konservativen Überzeugungen hinter weiten Teilen der biblischen Sprache kaum verborgen. Die christliche Dimension der Sprache der Fabrikbewegung und der Armenrechtsproteste war zudem eng verbunden mit einer ausgesprochen patriotisch-nationalen, stark „englischen“ und „britischen“ Deutung ihrer zentralen Werte. So beklagte etwa Richard Oglesby, Pfarrer in Woodhouse bei Huddersfield und einer der ersten Priester, der den Kampf für Fabrikreformen aufnahm, die Kinderarbeit als Schandfleck auf John Bulls Weste – Engländer seien auf der ganzen Welt für ihre Humanität bekannt und dürften nicht zulassen, dass der britische Ruf Schaden nehme.47 Ähnliche Vorstellungen prägten beide Bewegungen auf allen Ebenen: Als „Englishmen“ müssten die Arbeiter gegen das neue Armenrecht protestieren, forderte Pfarrer Patrick Bront 1837 auf einer kleinen Demonstration in Haworth im West Riding, und ihre natürlichen Rechte einklagen; während der gleichen Veranstaltung bezeichnete Reverend William Hodgson die Poor Law Bill als „degrading to the nature of Englishmen“.48 Oastler hatte schon in seinen ersten offenen Briefen vom Frühjahr 1831 unter dem Stichwort „England Beware“ die Zustände in den Fabriken kritisiert und an jeden Leser appelliert, sie als „a Christian, a Briton, a Father“ nicht länger zu tolerieren. Dabei waren es nicht einfach nur Arbeiter, die gegen die Kinderarbeit kämpfen sollten, sondern „English Labourers“, die ihre Kinder liebten.49 Zahlreiche Pamphlete verbreiteten gleichlautende „englische“ Botschaften.50 Entsprechend empörten sich die Gegner des neuen Armenrechts über die Arbeitshäuser besonders, weil sie in ihnen Gefängnisse sahen und sie mit willkürlicher Inhaftierung nach französischem Vorbild verbanden – „English Bastilles“ mussten nicht zuletzt deshalb energisch bekämpft werden, weil sie der englischen Freiheit widersprachen.51 47 Vgl. Leeds Intelligencer, 29.12.1831. 48 Vgl. Leeds Intelligencer, 25.2.1837. Patrick Bront war der Vater der literarischen Bront-Geschwister, die in Haworth aufwuchsen. 49 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 24.3.1831. 50 Besonders dramatisch inszenierte ein vermutlich von Cavie Richardson stammendes Pamphlet solche „englischen“ Motive: In der Schrift The Day-Dream, or a Letter to King Richard, containing a Vision of the Trial of Mr. Factory Longhours, at York Castle. Leeds 1832 (Oastler Collection, Bd. 5, Nr. 5), treten Frau Britannia, Herr John Bull sowie deren Töchter Miss Yorkshire und Miss Lancashire gegen einen Fabrikbesitzer auf, der Kinder arbeiten lässt. Andere Publikationen mit betont „englischer“ Sprache umfassen etwa das Flugblatt England Rebuked by Germany (ebd., Bd. 3, Nr. 9), oder das Pamphlet von Richard Oastler: A Serious Address to the Millowners, Manufacturers, and Cloth-Dressers of Leeds, Who Have Organized Themselves into a Trades’ Union. Huddersfield 1834 (ebd., Bd. 3, Nr. 29). 51 Vgl. zum Patriotismus in der Sprache des Protests und ihren Tory-Implikationen C. Driver, Tory Radical, S. 283 f. und 302 sowie P. Joyce, Visions, S. 104 ff.

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Gewiss schienen in solchen Äußerungen die Sprache des „freigeborenen Engländers“ und die Tradition des „English Liberty Tree“ auf, deren Bedeutung für den englischen Radikalismus schon Edward Thompson betont hat.52 Wie leicht sich patriotische Ideale und die stete semantische Verknüpfung von England, Freiheit und Loyalismus im frühen 19. Jahrhundert aber auch in populäre konservative Haltungen zu Verfassung und Nation integrieren ließen, wurde oben im zweiten Kapitel ausführlich erläutert. Gerade in den Fabrik- und Armenrechtsbewegungen gab die Verbindung von religiösen mit patriotischen Elementen der Empörung über Kinderarbeit, Armenrecht und Massenarbeitslosigkeit eine deutlich konservative Note, da sie sich unabhängig vom Standpunkt des jeweiligen Sprechers stets in erster Linie gegen die regierenden Whig-Liberals richtete und damit auch deren nicht minder patriotisch gefärbte Reformrhetorik in Frage stellte. Diese unterschied sich in ihren Grundmustern nur graduell von radikalen Vorstellungen von „englischer“ Freiheit und „englischen“ Rechten. Während Radikale und Liberale sich daher in den lokalen Auseinandersetzungen um die Fabrikreform und das Armenrecht immer wieder gegenseitig Verrat vorwarfen – entweder weil die Liberalen das „Volk“ um die Früchte der Wahlrechtsreform gebracht hätten oder weil die Radikalen durch ihre Zusammenarbeit mit Tories die gemeinsame Reformpolitik boykottierten –, konnten Konservative ihre Forderungen nach Fabrikgesetzen ebenso wie die Ablehnung des Armenrechts schlüssig mit ihren Vorstellungen von Patriotismus, Christentum und Verfassung sowie der grundsätzlichen Opposition zu liberalen Reformideen verbinden.53 Im Nebeneinander von konservativen und radikalen Wortführern auf den Podesten der Fabrik- und Armenrechtsbewegungen mochten die Gegensätze zwischen den unterschiedlichen Grundwerten beider Seiten dabei verschwimmen – die Verknüpfung von Christentum, „englischen“ Werten und antiliberaler Rhetorik machte es aber leicht, die Sprache der Fabrikbewegung in die Nähe eines protestantischen Nationalismus und eines loyalen Glaubens an die traditionellen Strukturen der englischen Gesellschaft zu rücken oder sie mit populären antikatholischen Haltungen zu koppeln. Jenseits der allen Beteiligten gemeinsamen Forderungen nach dem Zehnstundentag oder der Abschaffung der Armenhäuser hatte die Sprache beider Bewegungen folglich immer eine konstitutionelle Dimension, die weit über die unmittelbar angestrebten Ziele hinausreichte. Diese Dimension war keineswegs, wie etwa Weaver argumentierte, lediglich das Erbe von Cobbett und Paine oder eines Radikalismus, der mit seiner spezifischen Interpretation der englischen Verfassung demokratische Grundrechte erstrebte.54 In ihr spiegelte sich vielmehr die Debatte über das richtige Verständnis der Verfassung, die im 52 Vgl. E. Thompson, Making. 53 Vgl. zu den Konflikten zwischen Liberalen und Radikalen im Umfeld der Fabrik- und Armenrechtsdebatte etwa Fraser, Poor Law Politics. 54 Vgl. Weaver, Political Ideology, S. 87.

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19. Jahrhundert letztlich alle politischen Konflikte vom Kampf in den Gemeindeversammlungen bis hin zu den Debatten im Parlament bestimmte und in der gegensätzliche Entwürfe auf Unterstützung aus allen sozialen Gruppen hoffen konnten. Vor allem deshalb ist es falsch, Fabrikbewegung und Armenrechtsproteste einseitig in einem radikalen Kontext zu deuten: Den semantischen Rahmen für die Sprache des sozialen Protests im frühen 19. Jahrhundert bildeten die Auseinandersetzungen um den Popular Constitutionalism in ihrer ganzen Breite. Die Popularität der konservativen Variante des Verfassungsverständnisses in diesen Auseinandersetzungen zeigte sich nicht zuletzt darin, dass implizit konservative Vorstellungen in der Fabrikbewegung und den Armenrechtsprotesten mindestens so prominent waren wie radikale. Weder die eine noch die andere Bewegung rief deutlich nach den „Rights of Man“ oder den Forderungen der späteren People’s Charter, wenn sie die Politik der Regierung immer wieder als Verfassungsbruch kritisierte. Besonders deutlich wurde das bei der größten Demonstration überhaupt in den 1830er Jahren, dem „Great Yorkshire Meeting“ zum neuen Armenrecht am 16. Mai 1837, an dem auf dem Hartshead Moor bei Huddersfield zwischen 150.000 und 200.000 Menschen teilnahmen. Sämtliche oppositionelle Gruppen mobilisierten ihre Anhänger, Tories, Short-Time Committees und Gewerkschaften ebenso wie Radical Unions, die Freunde Robert Owens oder frühsozialistische Gruppen – für den Leeds Mercury handelte es sich um eine Versammlung der „most violent, perverse and wrong-headed men that could be collected together in England“.55 Als jedoch bekannte radikale Redner wie James Bronterre O’Brien oder Feargus O’Connor vehement für das allgemeine Wahlrecht eintraten und bezweifelten, dass die Rücknahme des neuen Armenrechts allein den Working Classes irgendeinen Nutzen bringe, wurde ihnen von John Fielden und Captain Joseph Wood, beide ebenfalls Befürworter eines demokratischen Wahlrechts, entschieden widersprochen, weil sie durch Provokationen den Zusammenhang der Versammelten in Frage stellten. Stephens und Oastler konnten in ihren Reden dagegen in aller Deutlichkeit darlegen, warum das neue Armengesetz aus ihrer Sicht allen Grundprinzipien der englischen Verfassung widersprach. Ihre Verweise auf die Magna Carta, die Bill of Rights von 1689, die konstitutionelle Verpflichtung des Monarchen zur Wohlfahrt für das Volk, besonders aber die Betonung der Untrennbarkeit von Christentum und Recht sowie das Gleichgewicht von Krone, Lords und Commons im Parlament als Grundlage für eine stabile soziale Ordnung im Lande fassten wesentliche Elemente der typischen Tory-Interpretation der englischen Verfassung zusammen. Reformorientierte Verfassungsdeutungen mochten einige Aspekte dieser Interpretation teilen; an die Stelle der „Old 55 Vgl. für den Verlauf der Demonstration Times, 18. 5. 1837, sowie die Ausgaben des Leeds Intelligencers und Leeds Mercurys (Zitat) vom 20.5.1837. Eine detaillierte Schilderung findet sich bei Knott, Popular Opposition, S. 113 – 122.

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Corruption“, die Liberale und Radikale seit langem für den Verfall der Gesellschaft verantwortlich machten, trat aber die drastische Anklage gegen die Whigs und die Reformpolitik der letzten Jahre. Zwar war sie auch hier verbunden mit recht unverhohlenen Gewaltandrohungen und Warnungen vor Anarchie und Chaos, die auf die Umsetzung des Gesetzes in seiner aktuellen Form folgen müssten. Stephens verkündete etwa gewohnt dramatisch, dass es am Blut nicht fehlen würde, wenn es darum ginge, verlorene Rechte wieder zu erkämpfen, und forderte feierlich eine Erneuerung Englands. Letztlich aber erklärten er und Oastler unter dem lautstarken Beifall der Versammlung eine konservative Verfassungsinterpretation zur Grundlage für das Selbstverständnis der Bewegung, ohne dass ihre Auffassungen als parteipolitisch kritisiert wurden oder auf Widerspruch stießen. Während Feargus O’Connor und Bronterre O’Brien ihre Resolutionen für das allgemeine Wahlrecht im Anschluss an die Versammlung mit einem Bruchteil der Teilnehmer beschließen mussten, standen die Positionen der Tory Radicals im Mittelpunkt des Protestes und galten offensichtlich als unstrittig.56 Damit ist nicht ausgeschlossen, dass viele, die sich im Laufe der stundenlangen Reden vor dem Ende der Versammlung auf den Heimweg machten, dennoch Sympathien für das allgemeine Wahlrecht hatten oder in Oastlers und Stephens Positionen zunächst keinen Widerspruch zu den Gesellschaftsentwürfen anderer Redner wahrnahmen. Es ist jedoch gerade als – vermutlich unbewusster – Erfolg der Tory Radicals zu werten, dass ihre Verfassungsinterpretation im Rahmen der Proteste unpolitisch wirkte. Stephens verband in seiner Rede die Beschwörung der traditionellen englischen Verfassung mit einer empörten Anklage der Bestimmungen des Poor Laws, die eine Trennung von Eheleuten sowie von Eltern und Kindern in den Armenhäusern vorsahen. Wie fast immer stieß kaum ein anderer Aspekt des neuen Armenrechts auf mehr Ablehnung; nichts schien deutlicher die Perversion der Paragraphen des Gesetzes zu belegen als die Eingriffe des Staats in die Familie.57 Schon in der Agitation der Fabrikbewegung hatte die Umkehrung der „natürlichen Ordnung“ des Familienlebens durch die Arbeit von Frauen und Kindern bei Erwerbslosigkeit des Mannes einen Großteil des Protests bestimmt. Zugleich nahmen melodramatische Schilderungen des Schicksals arbeitender Kinder, besonders von Mädchen, die womöglich noch 56 Interessanterweise fand die Versammlung zur Forderung des allgemeinen Wahlrechts, auf die sich alle Radikalen, auch jene, die O’Connor und O’Brien heftig kritisiert hatten, am Rande der Demonstration verständigt hatten, erst ein Jahr später, im Oktober 1838, und in einem kaum vergleichbaren Rahmen statt. Selbst die größte Demonstration der Chartisten in Yorkshire im Mai 1839 war nicht annähernd so gut besucht wie das Anti-Poor Law Meeting 1837, trotz gegenteiliger Behauptungen O’Connors. Vgl. Leeds Intelligencer, 20. 10. 1838; Times, 24. 5. 1839; Northern Star, 20. 10. 1838, 25.5.1839. 57 Die Oastler Collection enthält zahlreiche Pamphlete mit entsprechenden Beispielen. Vgl. zudem Knott, Popular Opposition, S. 237 ff. zur Debatte um die Markus-Pamphlete, mit denen 1838 Gerüchte über Pläne zur gezielten Tötung von verarmten Kindern verbreitet wurden.

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sexuellen Nachstellungen ausgesetzt waren oder in der Hitze von Fabriken und Bergwerken halbnackt schweren Tätigkeiten nachgehen mussten, eine prominente Stellung in den Schriften und Reden der Fabrikreformer ein.58 Konstitutionelle Erwägungen im Rahmen der sozialen Proteste waren daher immer auf das Engste verbunden mit Vorstellungen, die um fundamentale Gegensatzpaare wie „natürlich“ und „unnatürlich“ oder „gerecht“ und „ungerecht“ kreisten und von der Erinnerung an vorindustrielle oder ländliche Arbeitsund Lebenswelten gespeist waren. Politik und Verfassung mussten in erster Linie solchen Normvorstellungen Rechnung tragen. Die Tory Radicals verstanden es, diese Ideale mit den traditionellen Strukturen der englischen Verfassung zu verbinden und ihre Zerstörung durch liberale Reformen hervorzuheben. Das schloss ein Spielen mit der Radikalisierung in Form von Gewaltandrohungen ein, ließ aber unterdessen konservative Interpretationen der englischen Konstitution als „normal“ erscheinen. Diese enge Verbindung von konstitutionellen Vorstellungen einerseits und stark von überkommenen Ordnungs- und Natürlichkeitsvorstellungen geprägten Konzeptionen von Familie, Geschlechterrollen und Arbeit andererseits ist in der Forschung zur Sprache der Protestbewegungen der 1830er Jahre nicht unbemerkt geblieben. Vor allem Robert Gray und Patrick Joyce haben betont, wie sehr patriarchalische Werte, die um den Schutz der Schwachen, besonders der Frauen und Mädchen kreisten, weite Teile der Bewegungen prägten und zur melodramatischen Sexualisierung vieler Motive des Protests führten.59 Dazu gehörte zudem die Koppelung mit paternalistischen Idealvorstellungen der Beziehungen zwischen Arm und Reich, Fabrikant und Arbeiter, Vater und Familie. Entsprechende Konzepte hatten die Moral Economy des 18. Jahrhunderts geprägt, die für weite Teile der plebejischen Handwerkerschaft kennzeichnend blieb und selbst unter industriellen Arbeitsbedingungen nur selten durch konkurrierende, etwa protosozialistische Wirtschaftsentwürfe ersetzt wurde.60 Protestreden und Pamphlete stellten fast nie das Eigentum und den sozialen Rang von Unternehmern in Frage, stattdessen dominierten Forderungen nach angemessenen, ein Familieneinkommen sichernden Löhnen, fairen Arbeitgebern und einem gerechten Austausch zwischen Arbeit und Kapital (Fair Wages, Fair Employers, Fair Exchange). Die Aufgabe von Staat und Gesellschaft war nicht die Schaffung von politischer, weit weniger sozialer Gleichheit, wie sie die Sprache des Radikalismus von 58 Vgl. Gray, Languages, S. 150 f., ders., Factory Question, Kap. 1, Malone, Gendered Discourse und Dzelzainis, Charlotte Elizabeth Tonna. 59 Vgl. Gray, Languages, ders., Factory Question, P. Joyce, Visions, S. 98 ff. sowie Alexander, Women, S. 125 – 149 und A. Clark, Struggle for the Breeches, Kap. 10 u. 11. 60 Vgl. ebd., zur Moral Economy wie zur Mentalität von Handwerkern daneben E. Thompson, Making und Prothero, Artisans and Politics. Smail, New Languages fand zwar schon in Auseinandersetzungen von 1806 Ansätze zu einer neuen Sprache des industriellen Widerstands, die sich von traditionell paternalistischen Vorstellungen löste; ihre Entwicklung verlief aber wesentlich langsamer als er vermutet.

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Paine bis zu den Chartisten verlangte; sichergestellt werden musste ein Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen und Funktionen sowie die Akzeptanz der moralischen Beziehungen zwischen „Master and Man“. Die Nähe solcher Vorstellungen zum Programm der Tory Radicals ist deutlich, und ähnliche Aspekte in den Reden von Radikalen wie John Doherty oder Feargus O’Connor lassen sich nicht zuletzt auf ihren Einfluss zurückführen.61 Dennoch gehen Gray und Joyce wie selbstverständlich davon aus, dass die Masse der Bewegungen andere Schlussfolgerungen aus der Sprache des „Industrial Paternalism“ (Gray) zog als Oastler, Stephens oder Bull.62 Besonders Gray betont die Dominanz radikaler Implikationen auf Seiten der Teilnehmer aus den Unterschichten und versucht dies mit Hinweis auf eine klar erkennbare „Operative Voice“ im Chor der Protestbewegungen zu belegen.63 Seine Verweise auf John Dohertys Poor Man’s Advocate, Joseph Crabtrees Reden oder die Zeugen aus den Unterschichten, die 1831 vor der Parlamentskommission zu Sadlers Gesetzentwurf zur Ten Hours Bill aussagten, bleiben aber wenig überzeugend. Die nach London gereisten Operatives aus dem industriellen Norden etwa waren sorgfältig ausgewählt und vorbereitet worden; sie sprachen nicht mit der „Stimme des Volks“, sondern folgten taktischen Überlegungen der Short Time Committees und engen Absprachen mit den Befürwortern des Gesetzes im Parlament.64 Doherty und Crabtree waren Radikale, die durch ihr politisches Engagement zu Publizisten und Funktionären geworden waren. Sie mögen als plebejische Akteure gelten, aber es erscheint problematisch, ihre Positionen als unmittelbarere Verkörperungen einer Volks- und Arbeitersprache zu werten als die von konservativen plebejischen Aktivisten wie Phillip Halliwell, Cavie Richardson oder Matthew Balme. Die Proteste der Fabrikbewegung mochten Doherty zu scharfen Verurteilungen von Fabrikanten als monopolisierenden Tyrannen und einer Kritik der Abhängigkeit von Arbeitern führen oder anonyme Mitglieder der Huddersfielder Political Union zu elaborierten Naturrechtsausführungen in Anlehnung an Thomas Paine.65 Dennoch spricht wenig dafür, dass Oastler über die Köpfe seiner Zuhörer hinweg sprach, als er 1832 seine Ablehnung des allgemeinen Wahlrechts und politischer Reformen vor 10.000 Menschen in die Worte fasste: „There is a great mistake about you Radicals in the country. People think you want to pull down the institutions of the state. All that you 61 Vgl. J. Epstein, Lion, Kap. 6 und P. Joyce, Visions, S. 100. 62 Vgl. Gray, Languages, passim und bes. S. 152, ders., Factory Question, S. 54 und P. Joyce, Visions, S. 100. 63 Vgl. Gray, Languages, bes. S. 148 ff. 64 Vgl. zu den Aussagen vor der Parlamentskommission C. Driver, Tory Radical, S. 169 ff., J. Ward, Factory Movement, S. 60 ff. und Lawes, Paternalism, Kap. 6. Gray, Factory Question, S. 65 selbst beschreibt in seiner späteren Darstellung die sorgfältige Auswahl und Vorbereitung der Zeugen; die Arbeiter vor der Kommission sind für ihn dennoch „recognised, and in some cases elected, representatives of their trades and communities“. Belege dafür bleibt er schuldig. 65 Vgl. Gray, Languages, S. 148 f.

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want is that you may go out in the morning, work all day and return in the evening with a good day’s wages.“66 Die Tory Radicals trafen den Nerv der Bewegungen und drückten die Gefühle eines großen Teils ihrer Zuhörer aus – deshalb lockte die Ankündigung ihres Kommens Tausende Menschen auf die Straßen und ließ sie mehrstündige Fußmärsche in Kauf nehmen, um ihre Reden zu hören, sie enthusiastisch zu feiern oder in Konfliktsituationen zu unterstützen. Es ist nicht möglich, ihre Botschaften oder die Sprache der Protestbewegungen insgesamt in taktisch akzeptierte konservative Teile und vehement unterstützte radikale Implikationen zu trennen. Die Rhetorik der Fabrikreform wie des Protests gegen das neue Armenrecht erweist sich deshalb in einem viel weiteren Sinne als Gray annimmt als „Language of Negotiation“.67 Tatsächlich bemühten sich alle Teilnehmer an den Demonstrationen, das Verhältnis unterschiedlicher sozialer Gruppen in einer Zeit des Umbruchs grundlegend neu zu bestimmen. Kinderarbeit, Fabrikstrukturen oder die Neuregelung des Armenrechts waren Ergebnisse von wirtschaftlichen und sozialen Prozessen, die alle Beteiligten als Krise erfuhren und sie zur Neuorientierung zwangen. Die Spielräume, die sich den Akteuren dabei im Laufe der 1830er Jahre öffneten, waren aber erheblich größer, als Grays Bild einer fast zwangsläufigen Kanalisierung des zunächst offenen Protestes in radikale Gesellschaftsanalysen und den Chartismus nahelegt. Auch für plebejische Aktivisten und Demonstranten gehörten die Beschwörung traditioneller Strukturen und das Beharren auf überkommenen Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit im Ausgleich zwischen Reich und Arm zu den möglichen Antworten auf die Krise, ebenso wie Gewaltandrohungen, utopische Gesellschaftsideale oder die Einbindung in eine radikale Reformtradition. Im dichten Nebeneinander auf den Tribünen und in den Schriften der Bewegungen mussten diese Positionen zudem lange nicht als widersprüchlich erscheinen; nicht selten bedienten sich radikale wie konservative Redner eines fast identischen Repertoires. Es liegt in der Natur einer „Sprache der Verhandlung“, dass ihre Motive sowohl undeutlich wie vielschichtig bleiben und immer wieder neue Bezüge ermöglichen. Eine der Konsequenzen daraus war, dass gegensätzliche Positionen über einen langen Zeitraum verbunden werden konnten, ohne dass von jedem Einzelnen eine Entscheidung verlangt wurde. Gerade dies machte den Erfolg der Bewegungen sowie ihre Fähigkeit zur Massenmobilisierung aus und trug nicht unwesentlich zum scheinbar unproblematischen und zunächst nahezu vollständigen Übergang der Proteste von der Armenrechtsagitation zum Chartismus im Laufe des Jahres 1838 bei. Der Widerstand gegen die Armenhäuser ließ sich zu diesem Zeitpunkt leicht radikalisieren, nachdem sich sowohl die liberale Regierung in London als auch die Armenrechtskommissare weitgehend gleichgültig gegen die Forderungen der Bewegung gezeigt hatten; 66 Vgl. Leeds Intelligencer, 12.7.1832. 67 Vgl. Gray, Languages, S. 152.

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zudem verschärfte sich die ohnehin seit Jahren angespannte wirtschaftliche Lage durch die beginnende Depression der Jahre 1838 bis 1842, die gerade im Norden Englands mit Massenarbeitslosigkeit, verbreiteter Kurzarbeit und Lohnkürzungen die soziale Not insbesondere der Fabrikarbeiter schlagartig vergrößerte.68 Trotz der Fokussierung auf das Wahlrecht und der engen Einbindung in die traditionelle Sprache des Radikalismus führte der Chartismus jedoch in gewisser Weise die ambivalente Sprache der früheren Proteste fort. Häufig diskutierte Aspekte der chartistischen Agitation wie die rückwärtsgewandte Orientierung auf eine goldene Vergangenheit, der starke Bezug auf die Krone, christliche Motive und das Festhalten an paternalistischen Wirtschaftsvorstellungen müssen nicht zuletzt in diesem Zusammenhang verstanden werden.69 Entsprechend ließ der Protest neben einer Radikalisierung immer auch eine konservative Lesart zu, die sich kurzfristig in ein Engagement für Tory-Politiker kanalisieren ließ und langfristig für einen kleineren Teil der Protestbewegungen enge Bindungen an die Konservativen möglich machte.

b) Lokale Bündnisse zwischen Tories und Radikalen Die „Sprache der Verhandlung“ auf den Protestveranstaltungen war zunächst ein überregionales Phänomen; Demonstrationen in Lancashire oder Yorkshire unterschieden sich nur unwesentlich, und die häufigen Rundreisen der prominenten Führer der Bewegungen sicherten einen engen Zusammenhang zwischen den lokalen Unterstützern. Sofern sich die Proteste direkt ans Parlament richteten oder die Mobilisierung großer Menschenmengen im Vordergrund stand, spielten Machtkämpfe am Ort kaum eine Rolle. Abseits der Großversammlungen mussten sich die Kompromisse und ungelösten Widersprüche innerhalb der Rhetorik der Sozialreformer jedoch auf der lokalen Ebene der Auseinandersetzungen um Parlamentssitze und Einfluss in städtischen Gremien behaupten. Aus Sicht der Protestbewegungen lag es etwa nahe, Befürworter ihrer Forderungen in den örtlichen Wahlkämpfen zu unterstützen. Eine geschlossene Agitation der Bewegungen erforderte dabei, dass die Positionen der Kandidaten sich nicht allzu weit von der ambivalenten Sprache der Demonstrationen entfernten und durch eindeutige parteipolitische Botschaften oder Absagen an bestimmte Forderungen Teile der Bewegungen verschreckten. Zudem waren Konflikte zu überwinden, die sich aus konfes68 Für eine gute Übersicht zur wirtschaftlichen Situation im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts und die Verschärfung der Lage Ende der 1830er Jahre vgl. Hilton, Mad, Bad and Dangerous, Kap. 9, bes. S. 573 – 588 und 616. 69 Überblicke über Debatten zur vielschichtigen Sprache des Chartismus finden sich bei Messner, Communication und Belchem, Radical Language. Zur chartistischen Haltung zur Geschichte vgl. R. Hall, Creating; zum Christentum Yeo, Christianity und Lyon, Politicians; zur Monarchie Pickering, Hearts of the Millions; zur Ökonomie Stedman Jones, Rethinking Chartism.

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sionellen Gegensätzen, persönlichen Animositäten und Differenzen zwischen jenen Teilen der politischen Milieus am Ort ergaben, die den sozialen Forderungen des Protests zurückhaltend begegneten. Schon bei Kandidaturen von prominenten Wortführern erwies sich das als schwierig. Im Wahlkampf für Michael Sadler etwa unterstützten Fabrikreformer 1832 in Leeds einen Tory-Abgeordneten, der bereits seit einigen Jahren im Parlament für ein Verbot der Kinderarbeit eintrat und als parlamentarischer Sprecher der Bewegung galt, obwohl seine scharfe Ablehnung des Reform Acts auf Widerspruch bei radikalen Anhängern der Fabrikreform treffen musste. Seine geschickte Verbindung von klassischen Tory-Haltungen mit Sympathien für eine Vertretung der Arbeiterschaft im Parlament wurde oben bereits geschildert; gemeinsam mit dem lautstarken Kampf gegen Kinderarbeit ermöglichte diese Position auch auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung um die Wahlrechtsreform ein breites Bündnis aus Tories und Radikalen, Wählern und Nichtwählern.70 Sadler scheiterte im Dezember 1832 jedoch an zwei liberalen Gegenkandidaten. Schon gut ein Jahr später, als er bei einer Nachwahl im benachbarten Huddersfield wieder antrat, konnte das Bündnis unter den Fabrikreformern nicht erneuert werden: Seine Kandidatur spaltete die lokale Fabrikbewegung, weil sein Antikatholizismus katholische Radikale zur Nominierung eines eigenen Kandidaten trieb. Im Wahlkampf kämpften daher Tories und Radikale mit konkurrierenden Nichtwähler-Komitees aus dem Umfeld der Fabrikreformer gegeneinander und sicherten so den klaren Erfolg des Liberalen John Blackburne, der sich gegen Fabrikgesetze aussprach.71 Vehemente Forderungen nach dem Verbot der Kinderarbeit oder Attacken gegen die verhassten Armenhaus-Bastillen reichten nicht aus, um im Kampf um Parlamentssitze schlagkräftige Bündnisse zu schmieden. Diese Erfahrung musste auch Joseph Rayner Stephens machen, der 1837 mit großer Unterstützung von Nichtwählern in Ashton under Lyne kandidierte. Seine polemische Rhetorik zwischen Konservatismus und revolutionärem Protest begeisterte die Menge vor der Wahltribüne, brachte ihn als unabhängigen Kandidaten aber in eine aussichtslose Außenseiterposition, zumal seine beiden Gegenkandidaten durchaus Unterstützung von Sozialreformern beanspruchen konnten. Der eigentliche Kandidat der Konservativen, der Methodist James Wood, war als Gegner des neuen Armenrechts nicht unpopulär. Charles Hindley, lokaler Baumwollfabrikant und seit 1835 als gemäßigter Radikaler im Parlament, verfügte ebenfalls über Unterstützung aus den Reihen der Nichtwähler. Er hatte über Jahre an der Spitze der Fabrikbewegung in Lancashire gestanden. Im Vorfeld der Wahl war er allerdings für Verstöße gegen die seit 1833 bestehenden Schutzbestimmungen zur Kinderarbeit bestraft worden und hatte in einer neuerlichen Parlamentsdebatte um ein Fabrikgesetz durch 70 Vgl. oben, Kapitel 2, S. 106 f. 71 Vgl. J. Ward, Leeds, ders., Bradford und ders., Factory Movement, S. 116 f.

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Kompromissvorschläge seine Mitstreiter so weit verärgert, dass Oastler und viele andere die Zusammenarbeit mit ihm beendeten. Stephens’ Kandidatur richtete sich in erster Linie gegen ihn, schwächte damit aber die lokalen Tories und erleichterte Hindleys Wiederwahl.72 Seine Kandidatur zeigte daher vor allem, dass ein Wahlkampf aus den Protestbewegungen allein heraus nicht erfolgreich geführt werden konnte, weil sich die Bewegungen am Ort leicht auseinanderdividieren ließen, wenn andere Themen und Debatten neben die Fragen der Fabrikreform und des Armenrechts traten. Schutz vor solchen Misserfolgen boten allenfalls formale Bündnisse zwischen Konservativen und Radikalen hinter prominenten Kandidaten, wie sie Richard Oastlers Wahlkämpfe im Mai und Juli 1837 in Huddersfield kennzeichneten. Die dortige Zusammenarbeit beruhte einerseits auf Oastlers charismatischer Führungsrolle innerhalb der Fabrikbewegung und im Widerstand gegen das neue Armenrecht, die nicht zuletzt persönliche Freundschaften mit führenden Radikalen am Ort geschaffen hatte, und es erlaubte, die durchaus heftigen Widerstände gegen den Pakt mit den Tories zu überwinden.73 Andererseits wurde sie möglich, weil beide Parteien im Frühjahr 1837 nach dem unerwarteten Tod des örtlichen Abgeordneten zunächst keinen Kandidaten finden konnten, der bereit war, trotz der überschaubaren Zahl von zugelassenen Wählern im Wahlkreis und des großen Einflusses von Sir John Ramsden, eines Großgrundbesitzers mit engen Bindungen an die Whigs, zur Nachwahl in Huddersfield anzutreten. Oastler willigte in eine scheinbar aussichtslose Auseinandersetzung gegen den liberalen Kandidaten Edward Ellice ein, und sein Wahlkampf wurde zu einer eindrucksvollen Demonstration seiner Popularität. Deutlicher als je zuvor bekannte er sich zu seinen Tory-Prinzipien, die sich eng an die gängigen Elemente des konservativen Konstitutionalismus anlehnten und die Wahrung von Verfassung, Thron und Kirche in den Mittelpunkt stellten. Verbunden mit der Verurteilung der Wahlrechtsreform von 1832 lehnte Oastler alle radikalen Forderungen nach dem allgemeinen Wahlrecht, geheimen Abstimmungen und jährlichen Parlamentswahlen explizit ab; das neue Bündnis zwischen Tories und Radikalen definierte er über das Ideal des gerechten sozialen Ausgleichs. Unter dem Motto „A place for everything and everything in its place“ beschwor er die gegenseitigen Verpflichtungen aller gesellschaftlichen Kräfte vom Monarchen über den Adel, die Fabrikanten bis hin zu Ladenbesitzern und Arbeitern – alle sollten in ihrem Rahmen glücklich, sicher und respektiert leben, nichts anderes bedeuteten Toryism, Radicalism und Patriotism.74 Gemeinsam mobilisierten Radikale und Tories ein selbst für die ohnehin tumulthaften englischen Wahlen gewaltiges Spektakel mit öffentli72 Vgl. J. Ward, Factory Movement, S. 181 und Edwards, Purge, S. 46 f.. 73 Vgl. C. Driver, Tory Radical, S. 344 ff., 357 ff., J. Ward, Factory Movement, S. 178 ff., F. Driver, Tory Radicalism, Hemingway, Urban Politics sowie dies., Parliamentary Politics. 74 Vgl. die Ausgaben vom 6. 5. 1837 des Halifax Express, Leeds Intelligencers und Leeds Mercurys.

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chen Umzügen und zahlreichen Reden Oastlers, Boykottmaßnahmen gegen liberale Wähler und einer Flut von Wahlkampfmaterial, das immer wieder die regierenden Whigs sowie ihre Reform des Armenrechts attackierte, zudem aber Juden, irische Politiker wie Daniel O’Connell und Katholiken scharf angriff.75 Dennoch unterlag Oastler Anfang Mai 1837 seinem liberalen Kontrahenten und konnte sich auch bei der schnell folgenden Wahl nach dem Thronwechsel im Juli nicht durchsetzen. Obwohl Oastlers Kampagnen in der Forschung immer wieder als typisches Beispiel für die verbreitete Kooperation von Tories und Radikalen in Nordengland während der 1830er Jahre angeführt werden, waren förmliche Wahlbündnisse bei Parlamentswahlen und eine explizite Unterstützung eines Kandidaten durch beide Parteimilieus außerordentlich selten.76 Die besonderen Bedingungen der Wahlen in Huddersfield von 1837 ließen sich auf andere Wahlkreise kaum übertragen und stießen schon im benachbarten Leeds auf Unverständnis, wo die radikale Political Union die Zusammenarbeit ihrer Parteifreunde mit dem Tory Oastler entschieden ablehnte.77 Auch im nahen Bradford konnte Oastlers Freund, der bekannte Tory-Fabrikreformer und Poor-Law-Aktivist William Busfeild Ferrand, die Radikalen nicht für sich gewinnen.78 Das einzige andere Beispiel bei den Wahlen im Juli 1837 war die Kandidatur von William Garnett in Salford, dessen Programm von No-Popery-Tönen und einer klaren Ablehnung des neuen Armenrechts geprägt war. Der konservative Arbeiterverein, in Salford unter Einfluss von Reverend Hugh Stowell zu beeindruckender Größe gewachsen, arbeitete mit den örtlichen Radikalen Hand in Hand gegen Joseph Brotherton, der seit 1832 der Abgeordnete der Stadt in der Nähe von Manchester war. Als gemäßigter Radikaler hatte Brotheron sich zwar stets für die Fabrikreform eingesetzt und darüber hinaus gegen das neue Armenrecht gestimmt, als Anhänger der liberalen Regierung hielt er aber Distanz zu den sozialen Protestbewegungen. Im stark antikatholischen Wahlkampf lieferten sich englische Bergleute und Maurer heftige Straßenkämpfe mit Iren, die Brotherton zur Unterstützung angeheuert hatte. Trotz deutlicher Unterstützung der Nichtwähler verlor Garnett allerdings wie Oastler die Wahl.79 Während sich die lokalen Bündnisse zwischen Tories und Radikalen in Huddersfield und Salford nicht aufrechterhalten ließen, gewann 1841 in Bradford mit John Hardy ein Tory-Kandidat ein Mandat, der von den Char75 Vgl. ebd. O’Connell brach im Mai 1837 mit der Fabrikbewegung und war daher ein leichtes Opfer für Oastler. Seine Angriffe trugen aber klar antiirische Züge. Zur Haltung O’Connells zur Fabrikreform vgl. Chase, Trade Unionism, S. 183. 76 Vgl. zur Kritik an der Beschreibung des Tory-Radicalism als allgemeines Phänomen F. Driver, Tory Radicalism. 77 Vgl. J. Ward, Factory Movement, S. 178 f. und Edsall, Anti-Poor Law Movement, S. 180. 78 Vgl. J. Ward, Ferrand, S. 18 ff. 79 Vgl. Greenall, Making, S. 42 f., Walsh, Working Class Political Integration, passim und Fraser, Urban Politics, S. 63 ff.

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tisten explizit unterstützt wurde. Hardy war seit langem ein Aktivist der Fabrikbewegung; nach einer liberalen Kandidatur im Jahre 1832 hatte er sich den Tories angenähert und dabei den Kampf gegen das neue Armenrecht in den Mittelpunkt gestellt. Die Chartisten nominierten mit William Martin zwar einen eigenen Kandidaten, der seine aussichtslose Kandidatur nach einer Rede für die People’s Charter jedoch zurückzog und die Wahl Hardys empfahl.80 Sein Wahlsieg in Bradford blieb jedoch einer von nur zwei Erfolgen der ungewöhnlichen Bündnisse. Lediglich in Nottingham gelang es mit John Walter einem weiteren Tory-Aktivisten der Bewegung, mit Unterstützung der Chartisten ins Parlament einzuziehen. Der Herausgeber der Londoner Times war für den publizistischen Kleinkrieg der Zeitung gegen das neue Poor Law verantwortlich, musste sich aber schon ein Jahr später einer Nachwahl stellen, bei der die lokalen Chartisten den Radikalen Joseph Sturge unterstützten und sogar Joseph Rayner Stephens attackierten, als dieser für eine erneute Wahl Walters eintrat.81 Insgesamt ließen 1841 die vorangegangenen Wahlniederlagen Garnetts und der prominenten Führer der Protestbewegungen – so unterschiedlich die lokalen Umstände bei den Kandidaturen Sadlers, Stephens’ und Oastlers im Einzelnen waren – eine Wiederholung derartiger Kandidaturen an anderen Orten nicht erstrebenswert erscheinen. Unter den Chartisten wurden weitere Bündnisse mit den Tories zur Abwahl der liberalen Regierung zwar kurzfristig erwogen, entsprechende Vorschläge von Feargus O’Connor stießen aber auf empörte Ablehnung.82 Eine direkte Zusammenarbeit zwischen Tories und Radikalen auf der Basis von sozialen Forderungen stellte beide Seiten vor erhebliche Schwierigkeiten; Wahlkämpfe, die unmittelbar aus den sozialen Protestbewegungen hervorgingen, blieben daher vereinzelte Ausnahmen.83 Statt ungewöhnlichen politischen Bündnissen schufen die Protestbewegungen eher eine aufgeladene Atmosphäre, in der die lokalen Kräfte der verschiedenen politischen Gruppierungen geeignete Antworten auf die Herausforderungen durch die ambivalente Sprache der Massendemonstrationen finden mussten. Weder die Konservativen am Ort noch ihre politischen Gegner konnten sich ohne weiteres als direkte Vertreter der Bewegungen präsentieren. Allenfalls einzelne radikale Abgeordnete wie John Fielden aus Oldham propagierten ihre seit langem erhobene Forderung nach dem allgemeinen Wahlrecht als konsequente Fortführung der Proteste gegen Kinderarbeit und das neue Armenrecht, die sie seit den frühen 1830er Jahren un80 Vgl. J. Ward, Old and New Bradfordians, Wright, Radical Borough, Koditschek, Class Formation, S. 337 und G. Firth, Bradford. 81 Vgl. Fraser, Urban Politics, S. 77 und J. Epstein, Aspects. 82 Vgl. Stedman Jones, Rethinking Chartism, S. 150. 83 Eine genaue Untersuchung aller Wahlkämpfe im nordenglischen Kerngebiet der sozialen Protestbewegungen war im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich; soweit sich die insgesamt 27 städtischen Wahlkreise in Lancashire und Yorkshire über andere Lokalstudien erfassen lassen, ist aber keine weitere direkte Zusammenarbeit zwischen Tories und Radikalen bekannt.

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terstützt hatten.84 Für sie waren Bündnisse mit den Chartisten möglich, die nach der überwältigenden Mobilisierung für die People’s Charter ab 1838 auf lokaler Ebene in die politischen Auseinandersetzungen eingriffen, trotz ihrer engen Verbindung zu den sozialen Protestbewegungen allerdings stets die Frage des Wahlrechts in den Vordergrund stellten.85 Auch regierungsnahe Kandidaten bemühten sich Ende der 1830er Jahre um Anhänger aus sozialen Gruppen ohne Wahlrecht, die eine Verbesserung ihrer sozialen Lage forderten. Liberale Wahlkämpfer etwa agitierten zunehmend mit einem klaren Bekenntnis zum Freihandel und lenkten die Debatte über soziale Reformen auf die Frage der Kornzölle.86 Mit dem Schlachtruf „Cheap Bread“ stellten sie Elend und Armut in den Unterschichten als Folge des Protektionismus dar und versprachen insbesondere in urbanen und industriell geprägten Wahlkreisen die Lösung der sozialen Frage durch die Abschaffung der Corn Laws. Die fast gleichzeitig mit dem Chartismus beginnende außerparlamentarische Mobilisierung durch die von Richard Cobden 1838 in Manchester gegründete Anti-Corn Law League fand mit ihren Operative Associations unter Fabrikarbeitern und Handwerkern zwar nur relativ wenige Mitglieder und musste sich häufig Angriffen von Chartisten erwehren. Unabhängig von ihrer Ablehnung der von liberalen Fabrikbesitzern geprägten Agitation der League unterstützten aber zahlreiche Arbeiter und Chartisten die Forderung nach der Abschaffung der Kornzölle; liberale Kandidaten waren deshalb mit ihrer Haltung innerhalb der Unterschichten vor allem in den 1840er Jahren durchaus erfolgreich.87 Konservative Kandidaten jenseits der Tory-Radical-Bündnisse unterstrichen in ihren Wahlkämpfen dagegen vor allem die soziale Dimension ihres Verfassungsverständnisses, wenn sie Fragen der Wirtschaft und die Themen der Protestbewegungen behandelten. Bereits im zweiten Kapitel wurde ausführlich geschildert, dass das verbindende Element zwischen den Tory-Kandidaten auf zahlreichen Wahltribünen in erster Linie ihr Eintreten für den Fortbestand der Verfassung in Staat und Kirche sowie deren Rechtfertigung durch einen spezifischen Loyalismus und Patriotismus war. Selbst wenn man die politischen Botschaften konservativer Parlamentskandidaten zwischen 1832 und 1845 genauer nach den Haltungen zu den Forderungen der sozialen Bewegungen der 1830er Jahre befragt, bleibt auffällig, wie sehr die Tories

84 1841 mussten sich Fielden und sein Parteifreund Johnston aufgrund der allgemeinen Unterstützung in der radikalen Hochburg Oldham nicht einmal Gegenkandidaten stellen. Vgl. J. Foster, Class Struggle, S. 52 ff., Gadian, Class Consciousness, Vernon, Politics and the People, passim und Winstanley, Oldham Radicalism. 85 Vgl. Fraser, Urban Politics, passim, Edsall, Anti-Poor Law Movement, Kap. 8 und Knott, Popular Opposition, Kap. 6. 86 Vgl. Mandler, Aristocratic Government, passim und Hilton, Mad, Bad and Dangerous, S. 502 ff. und passim. 87 Vgl. Pickering u. Tyrrell, People’s Bread, Kap. 7.

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zögerten, Fabrikgesetze und den Widerstand gegen das neue Armenrecht offensiv für den Kampf gegen die Whigs zu instrumentalisieren. Lediglich bei den Wahlen von 1841, die auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise in den „hungrigen 1830er und 1840er Jahren“ stattfanden, traten in den untersuchten Gebieten – bemerkenswerterweise vor allem in London, das von den Massenbewegungen im Norden kaum berührt wurde – konservative Kandidaten an, die ihre Ablehnung des neuen Armenrechts deutlich in den Vordergrund rückten. In der Hauptstadt scheint das von einer gewissen Bedeutung gewesen zu sein, denn in London wagten sich die Konservativen 1841 mit Ausnahme von Southwark und Lambeth zum ersten Mal in alle Wahlkreise; besonders in Westminster und Tower Hamlets, traditionell radikalen Hochburgen in der Hauptstadt, gelang mit einer sozialpolitisch geprägten Kampagne das von der Times bemerkte kleine Wunder, dass ein ToryKandidat im Wahlkampf unbehelligt durch die Straßen ziehen konnte und gelegentlich sogar auf spontanen Beifall traf.88 Im Norden waren solche Kampagnen selten: Anders als in Knaresborough, wo William Busfeild Ferrand mit einer ausgesprochenen Poor-Law-Kampagne ins Unterhaus einzog, spielten direkte Hinweise auf Kinderarbeit und die Auswirkungen der Armengesetze von 1834 sowohl in den Grafschaftswahlen in Yorkshire und Lancashire als auch in den städtischen Wahlkreisen im Norden Englands nur eine untergeordnete Rolle in den Wahlkampagnen konservativer Kandidaten.89 Trotz dieser merklichen Zurückhaltung formulierten die Kandidaten der Tories in Leeds, Bolton und London in ihren Beschwörungen der Verfassung ein soziales Ideal, das bestimmte Elemente der „Sprache der Verhandlung“ aus den Protestbewegungen vorsichtig berührte. Das galt vor allem für die paternalistische Vorstellung eines sozialen Ausgleichs zwischen Reich und Arm, der jenseits gleicher Rechte und Ansprüche soziale Sicherheit und Wohlstand für alle garantieren sollte. Zwar wurden solche Haltungen nur selten so offensiv vorgetragen wie von Captain Rous, der seinen radikalen Gegnern bei der Nominierung in Westminster 1841 explizit vorhielt, die Köpfe der Arbeiter mit falschen Vorstellungen von ihren Rechten sowie ihrer Position in der Gesellschaft zu vergiften und damit den „natural bond of union between the wealthy and the laborious classes“ zu zerstören.90 Präsent waren sie in den meisten Wahlkreisen aber fast immer, auch wenn sie häufig eher am Rande der typisch konservativen Beschwörung der Verfassung eine Rolle spielten oder formelhaft verkürzt über Plakate und Banner propagiert wurden. 88 Vgl. Times, 29.6.1841 – 1.7.1841. 89 Vgl. Leeds Intelligencer, 10. 1. 1835, 29. 7. 1837, 5. 8. 1837, 12. 8. 1837, 3. 7. 1841, 10. 7. 1841; Bolton Chronicle, 8. 1. 1835, 29. 7. 1837, 19. 8. 1837, 3. 7. 1841, 25.5.1844. J. Ward, Ferrand, S. 26 f. überschätzt die Rolle der Poor-Law-Frage in den Wahlen in Leeds und im West Riding von 1841; anders als im abgelegenen Knaresborough stand bei den meisten nordenglischen Wahlen die Frage der Kornzölle deutlich im Vordergrund. 90 Vgl. Times, 30.6.1841.

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Die konservative Variante von Patriotismus und Loyalismus ließ sich leicht mit dem Selbstverständnis verbinden, die Interessen des ganzen Landes und aller Schichten zu vertreten. Selbst eine klare Ablehnung bestimmter Forderungen der Protestbewegungen stand diesem Anspruch nur bedingt im Wege. Trotz seiner bekannten Gegnerschaft zur Fabrikreform präsentierte sich William Bolling in Bolton etwa 1837 als Garant für Beschäftigung und gute Löhne, gerade weil er wirtschaftliche Fragen mit einer konstitutionellen Haltung verband, welche die Interessen des Landes und der Kirche mit denen der Arbeiter verband.91 In Leeds waren zum gleichen Zeitpunkt konservative Plakate unübersehbar, die Fabrikarbeitern und Unternehmern zugleich wirtschaftlichen Aufschwung, Arbeit und Wohlstand versprachen, obwohl sie neben den allgegenwärtigen loyalistischen Verfassungsformeln des Kandidaten William Beckett eher im Hintergrund blieben und dieser als Abgeordneter 1836 dem Entwurf eines Fabrikgesetzes seine Zustimmung versagt hatte.92 Beide Kandidaten signalisierten freilich nebenbei ihre Ablehnung des neuen Armenrechts und befanden sich zumindest damit auf einer Linie mit der Forderung der sozialen Bewegungen, die seit 1836 Proteste und Demonstrationen dominiert hatten. Wichtiger war, dass die konservativen Reden und Wahlkampfparolen wie die Sprache der Protestbewegungen wesentliche Teile der liberalen Reformpolitik der 1830er Jahre im Ganzen in Frage stellten. Das Ausbleiben einer klaren Verbesserung der wirtschaftlichen Lage nach 1832 hatte die Hoffnungen enttäuscht, die sich mit der Wahlrechtsreform und dem Machtwechsel in London verbunden hatten. Unabhängig von den komplexen Mehrheiten im Parlament identifizierten weite Teile der Bewegungen die regierenden Liberalen sowohl mit der verhassten Reform des Armenrechts wie mit der Verweigerung eines Fabrikgesetzes. Oastlers starker Gegenspieler in Nordengland etwa war der liberale Abgeordnete und Herausgeber des Leeds Mercurys, Edward Baines, der auf Protestveranstaltungen wie in Flugschriften immer wieder als „Great Liar of the North“ attackiert wurde und für viele den „Verrat“ der Liberalen an ihren Unterstützern aus den Unterschichten personifizierte.93 Wie in Leeds, wo Beckett 1837 gegen Baines kandidierte, standen die konservativen Kandidaten Ende der 1830er Jahre fast immer liberalen Kandidaten gegenüber, die von den Protestbewegungen mit großer Skepsis betrachtet wurden. Ihr Bekenntnis zu paternalistischen Wirtschaftsvorstellungen verband sich so trotz der fehlenden expliziten Übernahme der Ziele der Protestbewegungen mit deren Enttäuschung von liberalen Reformen und der Ablehnung eines liberalen Gesellschaftsverständnisses. Auch vorsichtige Aussagen zu seiner sozialen Dimension führten den konservativen Verfassungsdiskurs daher nah an die „Sprache der Verhandlung“ des Protests. 91 Vgl. Bolton Chronicle, 29.7.1837. 92 Vgl. Leeds Intelligencer, 29.7.1837. 93 Vgl. Fraser, Life.

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Entsprechend konnten die Reden und Wahlkampfparolen von konservativen Kandidaten weit hinter der drastischen Polemik der Protestbewegungen gegen die Kinderarbeit und die neuen Armenhäuser zurückbleiben, ohne ihre Distanz zu den Forderungen und zum Stil der Bewegungen zu offensichtlich werden zu lassen. Selbst wenn ihre loyalistischen Bekenntnisse zur Verfassung die kaum versteckten Gewaltandrohungen der „Sprache der Verhandlung“ nicht selten sogar explizit ausschlossen, blieb ihr Verständnis von Krone und Kirche, dem Parlament und der Rolle gesellschaftlicher Eliten den Vorstellungen nahe, die weiten Teilen der Bewegungen als normal oder unpolitisch erschienen und als Grundlage zur moralischen Rechtfertigung der eigenen Forderungen dienten. Gerade durch die Einbettung vager sozialer Versprechen auf der Grundlage gesellschaftlicher Ungleichheit und der Verpflichtung von Führungsschichten konnte der konservative Verfassungsdiskurs als Schnittmenge der politischen Konfliktfelder erscheinen, die in den 1830er Jahren die Menschenmengen in den Wahlkreisen mobilisierten und sich in den Auseinandersetzungen um die Wahlen bündelten: Die Sprache der sozialen Proteste fand in den Reden der Kandidaten ebenso ihren Widerhall wie die Konflikte um das Verständnis der Krone oder die konfessionellen Gegensätze zwischen Anglikanern und Nonkonformisten einerseits, Protestanten und Katholiken andererseits. Überzeugte Radikale unter den Fabrikreformern und Armenrechtsgegnern ließen sich mit diesem Programm gewiss nicht einmal zu einer taktischen Unterstützung solcher Tories verleiten. Selbst Feargus O’Connor, der wie erwähnt taktischen Absprachen mit Tories nicht grundsätzlich abgeneigt war, hatte ein halbes Jahr nach dem Wahlerfolg von Bolling bei seinem Besuch in Bolton nur beißenden Spott für die lokalen Tories und jene Operatives übrig, die durch ihren Einsatz für die Konservativen bewiesen, „that poor men may be ignorant enough to oppose the very measures which would raise them from their present miserable and degraded position“.94 Offensichtlich hielt er diese Attacken aber für notwendig, denn Kandidaten wie Bolling oder Beckett boten mit ihrer vorsichtigen Antwort auf die sozialen Proteste jenen Gruppen in den Unterschichten Anknüpfungspunkte, die sich mit den loyalistisch-protestantischen Botschaften der Konservativen identifizieren konnten, zugleich aber auf eine Verbesserung ihrer sozialen Lage hofften und dabei auf einen konservativen Regierungswechsel vertrauten. Angesichts solcher Konfrontationen kann es nicht überraschen, dass sich Aktivisten der sozialen Protestbewegungen aus unterschiedlichen politischen Gruppen unterhalb der Ebene parlamentarischer Wahlkämpfe häufig nicht auf eine Zusammenarbeit einigen konnten. Das galt selbst dann, wenn – wie im Fall der Auseinandersetzungen um die lokalen Vorstände der neuen Armenrechtsbezirke – eine Zusammenarbeit angesichts der allgemein negativen Einschätzung des neuen Gesetzes durch die örtlichen Tories zunächst un94 Vgl. Bolton Free Press, 24.2.1838.

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problematisch erschien. Durch die Einführung des neuen Gesetzes in Nordengland standen im Frühjahr 1837 in vielen der neugeschaffenen Poor Law Unions erstmals Wahlen der Armenrechtsverwalter (Poor Law Guardians) an, die von heftigen Protesten der Gegner des Gesetzes begleitet wurden und zunächst vielfach zur Kooperation von Tories und Radikalen führten, die eine Wahl von liberalen Anhängern des neuen Rechts verhindern wollten. In manchen Fällen ging der Widerstand deutlich über legale Formen der Einflussnahme hinaus; der für die Einführung des New Poor Laws in Südlancashire und dem West Riding of Yorkshire zuständige Assistent der Londoner Kommission, Alfred Power, musste mehr als einmal überstürzt vor aufgebrachten Demonstranten fliehen und bisweilen um sein Leben fürchten, wenn er die neuen Bezirke in Nordengland besuchte. Der hartnäckige und sich zu ausgedehnten Unruhen steigernde Widerstand in Huddersfield unter der Regie des Tory-Radical-Bündnisses, das 1837 zudem die Parlamentskandidaturen von Richard Oastler trug, ist in diesem Zusammenhang ebenso wie die länger anhaltenden und von Gewalt begleiteten Proteste in Bradford, Dewsbury und Todmorden gut erforscht worden.95 In den meisten Bezirken konzentrierten sich die Auseinandersetzungen neben Demonstrationen, die Petitionen ans Parlament sandten, jedoch auf die Wahl der Guardians und ihr Verhalten bei der Umsetzung der Bestimmungen des Gesetzes am Ort. Die Gegner des neuen Armenrechts standen zunächst vor der grundsätzlichen Entscheidung, ob sie sich an den Wahlen beteiligen oder die Einführung des New Poor Laws durch einen Boykott verhindern wollten. Boykottversuche gab es in mehreren Städten, darunter auch in Bolton; erfolgreich verhindern ließen sich die Wahlen aber dauerhaft nur in Oldham, wo es unter Führung von John Fielden und Richard Oastler gelang, durch Drohungen und Geschäftsboykotte genügend Druck auf die Befürworter des neuen Gesetzes auszuüben, um sie von Kandidaturen für die Verwalterposten abzuhalten.96 Der Erfolg der Bewegung in Oldham beruhte auf der starken Dominanz und guten Organisation der lokalen Radikalen. Obwohl die Beteiligung von Oastler die Bedeutung von Tory-Elementen in der örtlichen Bewegung andeutete, war es dort angesichts der ungewöhnlich schwachen Tories leichter, eine geschlossene Haltung am Ort zu finden.97 Während die radikalen Gegner des Armenrechts einen völligen Boykott befürworteten, plädierten die Tories vielerorts eher für eine Wahlbeteiligung. Die Diskussionen um die richtige Taktik wurden noch zusätzlich erschwert, weil Wahlen zu lokalen Verwaltungsgremien in den 1830er Jahren stets vor dem Hintergrund der im dritten Kapitel geschilderten parteipolitischen 95 Vgl. Edsall, Anti-Poor Law Movement, Kap. 4 und 7 und Knott, Popular Opposition, Kap. 5. 96 Erst 1847 wurden in Oldham Poor Law Guardians nach dem neuen, bis dahin allerdings veränderten Gesetz gewählt. Vgl. Knott, Popular Opposition, S. 148 f. 97 Vgl. zu Oldham J. Foster, Class Struggle, Gadian, Class Consciousness, ders., Radicalism, R. Sykes, Some Aspects und Winstanley, Oldham Radicalism.

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Machtkämpfe stattfanden, in denen bürgerliche wie plebejische Radikale und Liberale sich bemühten, die häufig seit langem bestehenden Machtbastionen eines anglikanisch-konservativen Milieus in den Städten aufzubrechen.98 Ungeachtet solcher Fragen war aufgrund der Ausdehnung der einzelnen Armenrechtsbezirke schon die Organisation eines Boykotts nicht einfach. Die neuen Poor Law Unions umfassten relativ große Gebiete um den Hauptort und bestanden bisweilen aus zahlreichen Unterbezirken (Outtownships), die sich nur schwer vollständig kontrollieren ließen. Ein begrenzter Boykott verhinderte aber nicht, dass die Vorstände ihre Arbeit aufnahmen und schwächte den Einfluss der Armenrechtsgegner auf die Verwaltung der Unions. Konflikte unter den Armenrechtsgegnern konnten dabei nicht nur zwischen konkurrierenden politischen Gruppierungen, sondern auch innerhalb der Parteien auftreten. In Bolton, wo die örtliche Operative Conservative Association eine wichtige Stütze des Protests war und 1837 rund 8.400 Unterschriften für eine Petition gegen das Gesetz von 1834 sammelte, kam es über die Frage der Poor-Law-Wahlen zu einem seltenen Konflikt zwischen den Mitgliedern des Arbeitervereins und einflussreichen Tories aus dem Establishment der Region. Während die konservativen Operatives gemeinsam mit radikalen Gruppen die Wahlen boykottieren wollten, strebte die Parteiführung eine Mehrheit von Poor-Law-Gegnern unter den Verwaltern an und wollte zudem wohl ihren traditionellen Einfluss auf die Armenfürsorge sichern. Der Konflikt ließ sich nicht lösen und führte zu einem Boykott der Wahlen durch den konservativen Arbeiterverein, scheint das Verhältnis zwischen bürgerlichen und plebejischen Tories aber nicht dauerhaft belastet zu haben: Weder gab es Anzeichen für eine Radikalisierung des Vereins noch für einen Rückzug der Finanzspenden wohlhabender Konservativer. Bei aller Empörung über das neue Armenrecht war die Bindung der Operatives an die Partei offensichtlich so eng, dass taktische Meinungsverschiedenheiten über soziale Fragen keinen grundsätzlichen Bruch provozierten. Die Konsequenz solcher Differenzen waren lokal unterschiedliche Wahlverläufe. In Bolton trug der Boykott der Operatives im Zentrum des Bezirks, dem eigentlichen Stadtgebiet von Great und Little Bolton, zum Wahlerfolg von bürgerlichen Befürwortern des neuen Rechts aus dem liberalen und gemäßigt radikalen Lager bei, während sich in den Außenbezirken wohlhabende Tories durchsetzen konnten, die mit ihrer ablehnenden Haltung zum Gesetz schließlich eine knappe Mehrheit unter den Guardians stellten.99 Ein ähnlich unvollständiger Boykott der Wahlen in Bury ergab dagegen eine klare Mehrheit der Poor-Law-Befürworter, obwohl die chaotischen Begleitumstände der Wahlen zur Folge hatten, dass die Einführung der neuen Bestimmungen zunächst um über zwei Jahre verschoben wurde.100 In Leeds erzwangen die Tories 98 Vgl. oben, Kapitel 3, S. 158 f. 99 Vgl. Bolton Chronicle, 28. 1. 1837, 10.2.1837. 100 Vgl. Edsall, Anti-Poor Law Movement, S. 81 f., 142, 190 und Knott, Popular Opposition, S. 148.

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nach einem vergleichbaren Chaos aus Protesten, Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Übergriffen im Umfeld der Wahlen ihre Annullierung und konnten danach Neuwahlen für weitere sieben Jahre verhindern, in denen die Bestimmungen des alten Armenrechts in Kraft blieben.101 Im Ganzen verliefen die Wahlen damit aus Sicht der Gegner des neuen Armenrechts glimpflich: Ungeachtet der Konflikte um ihre Teilnahme sicherten sie sich 1837 und 1838 in vielen nordenglischen Städten Mehrheiten in den lokalen Verwaltungsgremien.102 Dennoch hatten schon die Debatten vor den Wahlen gezeigt, dass die Kooperation von Radikalen und Tories selbst bei scheinbar unstrittigen Fragen nicht problemlos war. Nach den Wahlen wurde die Fortsetzung der Kooperationen nicht leichter. Auch wenn die Gegner des Gesetzes in den Verwaltungsgremien über klare Mehrheiten verfügten, standen sie vor dem Problem, dass die Bestimmungen des Gesetzes ihnen wenig Spielraum bei der Umsetzung ließen und der Londoner Aufsichtsbehörde weitgehende Kompetenzen einräumten, lokale Entscheidungen anzufechten oder Druck auf die Guardians am Ort auszuüben. Letztlich mussten die neugewählten Poor-LawGegner als Verwalter das neue Gesetz einführen oder offen das Recht brechen. Die Kommissare in London hatten darüber hinaus auf die vehementen Widerstände gegen die Durchführung der Reform in Nordengland mit der Aussetzung bestimmter Vorschriften reagiert und erlaubten angesichts der Übergangssituation, in der vielerorts etwa geeignete Work Houses fehlten, zum Beispiel die Versorgung von Hilfsbedürftigen außerhalb der Armenhäuser oder beharrten nicht auf der Trennung von Ehepaaren oder Eltern und Kindern.103 In der Praxis erwies sich das neue Poor Law damit zumindest vorübergehend als weniger einschneidend, als seine Gegner befürchtet hatten. Zudem war es schwierig, einen lähmenden Konflikt in der Armenfürsorge zu riskieren, weil angesichts der Wirtschaftskrise die soziale Lage angespannt war und viele Hilfsbedürftige dringend Unterstützung erwarteten. Entsprechend standen die lokalen Guardians bei den wöchentlichen Sitzungen der Gremien immer wieder vor Entscheidungen, denen sie sich einerseits nur schwer entziehen konnten, die andererseits aber zur Einführung des neuen Rechts gehörten und ihre Oppositionshaltung in den Augen der Armenrechtsgegner auf den Straßen in Frage stellten. Das Tory-RadicalBündnis aus dem Salforder Parlamentswahlkampf von 1837 brach über solche Differenzen im Frühjahr 1839 zusammen.104 In Bolton konnten die Tories 1837 ihr Gesicht zunächst wahren, nachdem sie im Frühjahr unter den Protesten der Liberalen erklärte Gegner des neuen Gesetzes zu Vorsitzenden unter den 101 Vgl. Fraser, Poor Law Politics und Knott, Popular Opposition, S. 147. 102 Vgl. Edsall, Anti-Poor Law Movement, S. 89. In Yorkshire waren die Liberalen allerdings relativ erfolgreich und gewannen Mehrheiten in Bradford, Halifax, Dewsbury und Wakefield. 103 Vgl. Edsall, Anti-Poor Law Movement, Kap. 5. 104 Vgl. Fraser, Urban Politics, S. 65 f. und Pickering, Chartism, S. 81 f.

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Guardians gewählt hatten.105 Es gelang ihnen, die Einführung der Bestimmungen des Poor Laws zu verschieben; ein Jahr später mussten sie ihren Widerstand jedoch aufgeben und gerieten über die Umsetzung des Gesetzes in Konflikte, in denen die Parteigrenzen verschwammen. Mit Thomas Ridgway aus Horwich bekräftigte noch im Dezember 1838 ein typischer Vertreter einer Familie von Tory-Industriellen den Widerstand der Outtownships gegen das neue Recht, und der konservative Bolton Chronicle wetterte einmal mehr, dass nur ein paar Whigs die Einführung des Gesetzes in der Stadt unterstützen würden.106 Gleichzeitig stritten aber wechselnde Mehrheiten unter den Guardians zum Beispiel darüber, ob trotz der Ausnahmegenehmigung zur Versorgung von Bedürftigen außerhalb der Armenhäuser der Bau eines Work Houses notwendig sei. Dabei hielt der konservative William Hulton den Bau für unumgänglich und stieß auf Widerspruch bei Liberalen, die nicht glaubten, dass die Genehmigung je aufgehoben würde und für diesen Fall ihren Rücktritt ankündigten. Neben solchen Sachfragen diskutierten die Guardians über Parteigrenzen hinweg über Grundsatzerklärungen gegen das reformierte Armenrecht, die jeweils Teile der Liberalen wie der Konservativen befürworteten und ablehnten.107 Innerhalb von anderthalb Jahren war das neue Armenrecht damit so weit in die Wirrungen der lokalen Verwaltungen und Parteigefechte geraten, dass eine konsequente Opposition auf der Grundlage der Proteste der Vorjahre für alle Parteien schwierig wurde. In Bolton und Leeds gelang es den Tories in den 1840er Jahren allerdings, mehrheitlich eine grundsätzlich oppositionelle Haltung zum neuen Armenrecht zu wahren und mit ihrem Einfluss in den Verwaltungsgremien dazu beizutragen, dass das neue Gesetz wie in den übrigen nordenglischen Poor Law Unions nicht im ursprünglichen Sinne eingeführt wurde.108 Ihre Position schwächte sich nach 1841 zwar, da sich nach dem Machtwechsel in London schnell abzeichnete, dass die neue konservative Regierung unter Robert Peel an den Grundsätzen der Regelungen von 1834 festhalten würde und nicht zu einem Kurswechsel im Sinne der Gegner des neuen Armenrechts bereit war. Dennoch konnten die Tories in Bolton nach 1840 weiterhin die Mehrheit der Poor Law Guardians stellen, obgleich sie sich etwa 1844 scharfe Kritik der Chartisten gefallen lassen mussten.109 Die breite Bewegung gegen das neue Armenrecht hatte sich Ende 1838 weitgehend zerschlagen, nachdem der 105 Vgl. Bolton Chronicle, 8.4.1837. 106 Vgl. Bolton Chronicle, 15.12.1838. 107 Vgl. Bolton Chronicle, 22. 12. 1838, 29. 12. 1838; Northern Star, 10. 2. 1839; Bolton Free Press, 10. 2. 1839, 9. 3. 1839, 27.4.1839. P. Taylor, Popular Politics, S. 122 f. erfasst die Mehrheiten in diesen Auseinandersetzungen nicht richtig und schildert die Auseinandersetzungen als Umkehrung der Fronten zwischen Liberalen und Tories. Tatsächlich verhielten sich die Parteien aber nicht einheitlich; auf keinen Fall dominierten die Liberalen den lokalen Widerstand gegen das neue Armenrecht in Bolton. Vgl. auch B. Lewis, Bourgeois Ideology, Kap. 4. 108 Vgl. Edsall, Anti-Poor Law Movement, Kap. 10 – 12 und Knott, Popular Opposition, Kap. 9. 109 Vgl. B. Lewis, Bourgeois Ideology, Kap. 4.

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grundsätzliche Widerstand gegen die Einführung des Gesetzes gescheitert war, die Debatte um seine Ausführung sich in die lokalen Verwaltungsgremien verlagert und das Aufkommen des Chartismus die Frage des Wahlrechts in den Vordergrund geschoben hatte. Wie in Leeds, wo 1844 bei den ersten PoorLaw-Wahlen nach neuem Recht fast ausschließlich Tories zu Guardians bestimmt wurden und ihre Dominanz bis 1853 halten konnten, geriet die Frage des Poor Laws deshalb in das Fahrwasser der gewohnten parteipolitischen Kleinkämpfe auf kommunaler Ebene.110

c) Oastlers Freunde? Die konservativen Arbeitervereine nach 1842 Auch jenseits von Leeds und Bolton galt: Wo immer sich Ende der 1830er Jahre über die Frage der Armenfürsorge eine Zusammenarbeit zwischen Tories und Radikalen auf lokaler Ebene gebildet hatte, scheiterte diese nach kurzer Zeit. Nur in Manchester, wo sich Tories und Radikale auf die Ablehnung der kommunalen Verwaltungsreform durch den Municipal Corporations Act von 1835 geeinigt hatten und gemeinsam die Einführung der neuen Strukturen blockierten, scheint es noch nach 1841 zu einer gelegentlichen Kooperation gekommen zu sein. Allerdings spielten die Chartisten Whigs und Tories eher gegeneinander aus, ohne dauerhafte Bündnisse zu schließen.111 Die Schwierigkeiten der Anhänger der sozialen Protestbewegungen, das breite Bündnis der Demonstrationen in die politischen Auseinandersetzungen der Städte zu übertragen, hatten für die Konservativen in den 1840er Jahren örtlich unterschiedliche Folgen. Die Fragen der Fabrikreform wie des Armenrechts gerieten zunehmend in das Fahrwasser des Streits um die Kornzölle, der die Partei 1846 schließlich spaltete. Wie im zweiten Kapitel gezeigt, konnten die Tories etwa in Bolton in den 1840er Jahren weiterhin auf nennenswerte Unterstützung von sozialen Gruppen aus den Unterschichten zählen. Die Operative Conservative Association spielte 1841 eine wichtige Rolle bei der Eroberung der Mehrheit im Stadtrat und half in den Jahren darauf, die Position der Konservativen zu behaupten, obwohl sich die große Mobilisierung der Chartisten wie die Streikwelle von 1842 negativ auf den Arbeiterverein und das Verhältnis der Tories zu den Textilarbeitern der Stadt auswirkten. In Leeds traf die Spaltung der Partei die lokalen Strukturen härter und machte es den Konservativen unmöglich, die liberale Dominanz in den Gremien der Stadt aufzubrechen; wie in vielen anderen Städten löste sich der Arbeiterverein im Zuge der Auseinandersetzungen auf. In beiden Städten verlor die „Sprache der Verhandlung“ aus den Protestbewegungen ab 1842 an Einfluss auf die Position der Konservativen in den politischen Auseinandersetzungen am Ort. Es ist 110 Vgl. Fraser, Poor Law Politics und ders., Urban Politics, S. 55 – 91. 111 Vgl. zu Manchester Fraser, Urban Politics, S. 41 ff. und Pickering, Chartism, S. 73 – 81.

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jedoch zweifelhaft, dass dies letztlich der Grund für den Niedergang der Operative Associations war. Die entscheidenden Impulse im innerparteilichen Flügelkampf kamen aus London. Fast alle Befürworter sozialer Reformen in den Reihen der Konservativen standen im Konflikt über die Kornzölle auf der Seite der Protektionisten. Mit William Busfeild Ferrand wurde ein bekannter Redner der Protestbewegungen zu einem der heftigsten konservativen Kritiker der Politik Peels. Vielen galt er als Tory Radical, obwohl er sich nie zu Gewaltandrohungen hatte hinreißen lassen und als wohlhabender Landadeliger mit Stammsitz in der Nähe von Bradford tiefer in traditionellen Tory-Milieus verankert war als Oastler oder Stephens. In Westminster lieferte Ferrand sich kraftvolle Wortgefechte mit den Führern der Anti-Corn Law League, aber auch mit dem konservativen Innenminister Sir James Graham und Premierminister Peel, denen er zunehmend heftiger Wortbruch und Verrat vorwarf. Im Zentrum seiner Kritik stand Peels zunächst noch vorsichtige Freihandelspolitik; Ferrands Vorstellung von Protektionismus ging aber weit über den Schutz der Landwirtschaft hinaus und schloss umfassende staatliche Schutzmaßnahmen für Arbeiter und Arme sowie den Erhalt der Anglikanischen Kirche als Staatskirche ein. Auf dieser Grundlage forderte er 1846 die Neuformierung der politischen Parteien entlang der Gegensätze zwischen Freihändlern und Protektionisten, nachdem Peel sich öffentlich zur Abschaffung der Kornzölle bekannt hatte.112 Seine rücksichtslosen Attacken auf Freund und Feind begeisterten die Hinterbänkler der Partei und weite Teile der konservativen Presse, die Peels Politik mit Misstrauen beobachteten. Lokal erzeugten sie allerdings ein geteiltes Echo, das sich auch in den Reaktionen der konservativen Arbeitervereine widerspiegelte. In den Städten des West Ridings etwa stieß Ferrands Haltung zunächst auf Zustimmung bei den Operatives. Die Vereine in Leeds und Pudsey, Birstal und Bradford diskutierten im Frühjahr 1843 die Kornzölle und verabschiedeten im April Dankadressen an Ferrand für seinen Einsatz im Interesse der „labouring classes“.113 Noch entschiedenere Anhänger fand seine Position bei den konservativen Arbeitern in Manchester ; ihre Organisation war zwar 1842 inmitten der chartistischen Mobilisierung und der großen Streikwelle vom Sommer des Jahres eingegangen, entstand im März 1845 aber neu. Ihre erste Erklärung verwies auf die Enttäuschung über die Politik Peels und betonte die Unterstützung für Ferrands Prinzipien.114 Solche kämpferischen Haltungen für soziale Reformen und den Erhalt der Kornzölle waren unter den konservativen Operatives aber keineswegs selbstverständlich. Gerade die Association in Leeds stand nicht bedingungslos auf der Seite populärer Arbeiterführer. Der verärgerte Richard Oastler hatte 112 Vgl. J. Ward, Ferrand, bes. Kap. 4 u. 5. 113 Vgl. Leeds Intelligencer, 1. 4. 1843, 15. 4. 1843; J. Ward, Ferrand, S. 47. 114 Vgl. Times, 28.3.1845.

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deshalb schon im Mai 1836 die Zusammenarbeit mit den konservativen Arbeitern seiner Heimatstadt beendet, nachdem er wegen seiner heftigen Kritik am lokalen konservativen Abgeordneten John Beckett für dessen Ablehnung eines Gesetzentwurfes zur Fabrikreform in einen Streit mit ihrer Organisation geraten war. Der konservative Arbeiterverein verweigerte die von Oastler geforderte Distanzierung von Beckett und wies ausdrücklich darauf hin, dass die Unterstützung der Association für Politiker wie Beckett nicht allein auf deren Befürwortung von Fabrikgesetzen beruhte, sondern auf festen konservativen Prinzipien der Mitglieder.115 Man mag darüber spekulieren, ob hinter dieser Absage nicht eher die große Nähe zum lokalen Abgeordneten und die Abhängigkeit des Vereins von finanziellen Zuwendungen der lokalen Parteiführung stand – unabhängig davon war der Konflikt ein erstes Zeichen dafür, dass die lokalen Vereine nicht ohne weiteres Forderungen nach sozialen Reformen über andere Bindungen an die Konservativen stellten. Daran änderte sich in den folgenden Jahren wenig. Wie unsicher die Sozialreformer innerhalb der Partei im Hinblick auf die Haltung der Vereine blieben, zeigte sich erneut, als die Gegner des neuen Armenrechts die Konservativen 1840 landesweit auf eine geschlossene Haltung einschwören wollten und damit auf Widerstände der Parteiführung stießen. Ende des Jahres veröffentlichte die Times eine lange Serie von offenen Briefen an die Operative Conservatives, in denen mit John Bowen ein Vertrauter Oastlers leidenschaftlich um den Einsatz der Vereine im Kampf gegen das Poor Law warb und sie gleichzeitig ermahnte, sich nicht zu bloßen Claqueuren der Politik Peels und Wellingtons zu machen. Dabei spielte er mit Vorwürfen, die den Mitgliedern sonst von Chartisten und Radikalen gemacht wurden. Zwar sprach aus seinen wütenden Tiraden gegen das Gesetz und seine Befürworter immer noch die Hoffnung auf innerparteilichen Druck „von unten“, zugleich wurde aber die Enttäuschung über das bisherige Verhalten der konservativen Arbeiter deutlich.116 Entsprechend eignete sich auch das Thema der Kornzölle kaum zur Mobilisierung der konservativen Operatives gegen den liberalen Konservatismus der Parteispitze. In den Arbeitervereinen wurden die Gesetze zum Schutz der Landwirtschaft wie andere ökonomische Fragen gelegentlich diskutiert; sie standen aber nur selten im Mittelpunkt des Interesses. Für weite Teile des konservativen Milieus war die Verteidigung der Kornzölle gegen Angriffe von liberaler Seite seit den 1830er Jahren ein fester Bestandteil ihrer Politik. Immer wieder betonten die Protektionisten innerhalb der Partei, dass die Verteidigung der Verfassung wie der sozialen Bindungen innerhalb der Gesellschaft auf ökonomischer Seite einen Ausgleich der Interessen von Industrie und 115 Vgl. Leeds Patriot, 14. 5. 1836, 28. 5. 1836; Leeds Intelligencer, 21.5.1836. Oastler brach daraufhin mit der lokalen Association in Leeds. 116 Vgl. Times, 13. 10. 1840, 21. 10. 1840, 11. 11. 1840, 24. 11. 1840, 5. 12. 1840, 16. 12. 1840, 23. 12. 1840, 30.12. 1840, 5.1.1841.

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Landwirtschaft erfordere; dieser Ausgleich manifestierte sich für sie in den Kornzöllen, die dadurch konstitutionelle Bedeutung erhielten. In den Auseinandersetzungen mit Vertretern des Freihandels zweifelten sie deren Versprechen von fallenden Preisen und einem allgemeinen Aufschwung bei Wegfall der Zölle an. Eng verbunden damit diskutierten sie die Vor- und Nachteile liberaler Geldpolitik.117 Genau diese Aspekte lassen sich auch in den spärlichen Hinweisen auf ökonomische Debatten unter den konservativen Operatives erkennen. So trafen sich die Mitglieder in Leeds etwa im Februar 1841 zu einem Vortrag über die „Currency Question“; daneben kursierten Flugschriften zur Verteidigung der Kornzölle im Umfeld der Vereine, die detailliert darzulegen suchten, dass mit dem Wegfall der Kornzölle nicht nur die Preise, sondern auch die Löhne erheblich sinken würden.118 Von größerer Bedeutung dürfte aber allenfalls die Formel „Cheap Bread Means Low Wages“ gewesen sein, die Redner vor den Arbeitervereinen häufiger verwendeten. Sie war die Antwort der Konservativen auf den Ruf nach billigem Brot durch die Propaganda der Anti-Corn Law League und wurde meistens gleichzeitig mit Warnungen vor den zweifelhaften Methoden der Liberalen sowie den Whig „Clap-Traps“ vorgebracht.119 Solche Formeln mochten zur Abgrenzung von politischen Gegnern wichtig sein, mit ihnen verband sich aber keine geschlossene Haltung der Arbeitervereine zur Wirtschaftspolitik der Partei im Parlament. Sie waren alles andere als ein unverzichtbarer Bestandteil der Rhetorik der Versammlungen; während ausnahmslos jede Veranstaltung der Operatives von ausführlichen Darlegungen zur englischen Verfassung, zum Loyalismus und Protestantismus der Konservativen geprägt war, konnten sich die Mitglieder in Leeds und Pudsey noch in den 1840er Jahren treffen, ohne dass die Kornzölle thematisiert wurden.120 In Bolton und den Arbeitervereinen in der unmittelbaren Umgebung lassen sich in den 1840er Jahren überhaupt keine Hinweise auf Diskussionen über die Kornzölle finden. Die Zuspitzung der Auseinandersetzungen innerhalb der parlamentarischen Tories um die Politik der Regierung führte deshalb nicht zu einem Sturm der Empörung unter den Operatives. Die Solidaritätsadressen an Ferrand aus dem West Riding blieben im Frühjahr 1843 vereinzelte Ausnahmen. Der stille Niedergang der Operative Associations beruhte folglich nicht auf einem enttäuschten Abwandern von Arbeitern, die in der Konservativen Partei keine Unterstützung für ihre sozialen Forderungen fanden. Eher ist anzunehmen, dass den Arbeitervereinen zum Verhängnis wurde, was auch den 117 Vgl. Gambles, Rethinking und dies., Protection. Die Anfänge der Debatten vor 1830 schildert Hilton, Corn. 118 Vgl. Leeds Intelligencer, 20. 2. 1841; Quin, Corn Laws. 119 Vgl. entsprechende Berichte von Versammlungen lokaler Vereine in Bolton Chronicle, 15. 11. 1839, 6. 6. 1840; Ten Towns’ Messenger, 28. 5. 1841; Times, 14. 6. 1841; Leeds Intelligencer, 21. 8. 1841 (Zitat). 120 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 23. 10. 1841, 16.4.1842.

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eigentlichen Conservative Associations das Überleben schwer machte: Die Vereine verstanden sich zwar als Teile einer nationalen Partei, waren aber nicht in eine überregionale Organisationsstruktur eingebunden. Weder die Partei als Ganze noch die lokalen Gliederungen verfügten über Organe, in denen Meinungsverschiedenheiten diskutiert und durch Mehrheitsentscheide überwunden werden konnten. Der Bruch zwischen den reformorientierten Anhängern Peels und den protektionistischen Abgeordneten im Parlament erzeugte daher Orientierungslosigkeit und anhaltende Machtkämpfe auf breiter Front. Eine Partei, die ohne inhaltliche Auseinandersetzung stets ihr Vertrauen in die politischen Führungsqualitäten von hochrangigen Politikern wie Peel und Wellington hervorgehoben hatte, konnte auf einen fundamentalen Richtungswechsel der Parteispitze nur schwerfällig und hilflos reagieren. Vor diesem Hintergrund brachen die konservativen Arbeitervereine ohne ein politisches Signal abzugeben auseinander. Die Tory Radicals fanden deshalb keinen neuen Rückhalt aus dem Kreis der ehemaligen Vereinsmitglieder und gerieten gegen Mitte der 1840er Jahre zunehmend in die politische Isolation. Ihre wichtigsten Vertreter waren zudem persönlich gebrochen. Oastler war Ende der 1830er Jahre als Verwalter der Ländereien von Thomas Thornhill aufgrund politischer Differenzen entlassen worden und bald darauf in mehrjährige Schuldhaft geraten; Stephens wurde 1839 wegen Aufrufen zur Gewalt verhaftet und zu einer längeren Gefängnisstrafe verurteilt. Beide kehrten mit schweren Gesundheitsproblemen aus dem Gefängnis zurück und konnten ihre politische Arbeit nicht mehr mit gleicher Energie fortführen.121 Zwar veröffentlichte Oastler noch aus dem Gefängnis jeden Monat die Fleet Papers und kämpfte weiterhin für Fabrikgesetze sowie gegen das neue Armenrecht, die Verabschiedung des Ten Hours Acts von 1847 beruhte aber stärker auf Bemühungen von philanthropischen Politikern im Parlament als auf einer außerparlamentarischen Mobilisierung unter seiner Führung. Ironischerweise wurde der Erfolg der Fabrikbewegung möglich, als die Strategie der polarisierenden Massenveranstaltung mit ihrer flammenden Rhetorik aufgegeben worden und die Frage der Kinder- und Frauenarbeit über die Debatte der Kornzölle in den Hintergrund geraten war. Die Fabrikreformer kämpften nach der Spaltung der Konservativen auf Seiten der Protektionisten und bemühten sich noch zu Beginn der 1850er Jahre, Arbeiter mit einer Mischung aus paternalistischen Gesellschaftsvorstellungen und Forderungen nach sozialen Maßnahmen zu mobilisieren. Busfeild Ferrand gründete 1851 eine kurzlebige Labour League, der viele Aktivisten aus dem engeren Umfeld Oastlers angehörten.122 Sowohl ihre Anstrengungen als auch Oastlers Versuch, mit der Zeitschrift The Home eine neue konservative Bewegung unter Arbeitern zu schaffen, blieben jedoch erfolglos. Der wirtschaftliche Aufschwung um 1850 verhalf der liberalen Frei121 Vgl. C. Driver, Tory Radical, S. 378 – 424, Edwards, Purge, S. 87 – 107. 122 Vgl. Gillespie, Labour, S. 40 f., J. Ward, Factory Movement, S. 398, und ders., Ferrand, S. 112.

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handelspolitik und den Positionen, mit denen die Anti-Corn Law League gekämpft hatte, zu großer Popularität. Am anschaulichsten spiegelte sich das im Erfolg der Londoner Weltausstellung von 1851 wider, zu der nicht zuletzt ein plebejisches Publikum in Scharen pilgerte.123 Schon ein Jahr zuvor hatte der Tod Robert Peels eine Welle von Initiativen ausgelöst, die sich um die Errichtung von Denkmälern für den nun als Freihandelsbefürworter gefeierten Politiker bemühten. In zahlreichen Städten beteiligten sich Arbeiterinitiativen und Gewerkschaften an der Sammlung von Spenden.124 Selbst als in den 1860er Jahren neue konservative Arbeitervereine entstanden, griffen sie nicht das Erbe der Tory Radicals auf, sondern ignorierten frühere innerparteiliche Konflikte um die Sozialpolitik nahezu völlig. Um 1870 propagierten konservative Politiker den Mythos der sozialen Tories, die neben den Fabrikgesetzen der arbeiterfreundlichen Freihandelspolitik zum Durchbruch verholfen hätten. Erst um die Jahrhundertwende wurde die Verbindung von protektionistischen und nationalistischen Positionen mit dem Stichwort Tariff Reform unter völlig anderen Vorzeichen wieder populärer.125 Zu keinem Zeitpunkt aber beruhte der Erfolg konservativer Politiker bei plebejischen Anhängern auf einem Tory Radicalism im engeren Sinne.

123 Vgl. Auerbach, Great Exhibition, S. 128 – 192, J. Davis, Great Exhibition, S. 121 – 181 und B. Taylor, Quelle fatigue. 124 Für Beispiele zu Bemühungen um bzw. Einweihungen von Peel-Denkmälern in London, Bury, Salford, Preston, Leeds, Huddersfield und Bradford siehe John Bull, 1. 2. 1851, 15. 2. 1851, 18. 4. 1852; Times, 11. 5. 1852; Lloyd’s Weekly London Newspaper, 30. 5. 1852, Leeds Intelligencer, 20. 7. 1850, 26. 10. 1850, 10.11.1855. In Bolton bemühten sich Freihandelsbefürworter um die Einrichtung eines Peel-Parks, scheiterten aber trotz der starken Unterstützung von Robert Heywood und erheblichen Spenden aus der Arbeiterschaft. Vgl. Bolton Chronicle, 12. 10. 1850, 16. 11. 1850, 30. 11. 1850, 7. 6. 1850; sowie die Briefe Heywoods an Walmsley, 25. 2. 1851 und an den Bolton Chronicle, 29.3.1855. Bolton Local Studies Library and Archive ZHE 47/30 und ZHE 51/11. 125 Vgl. zur Kritik der konservativen Selbststilisierung ab dem späten 19. Jahrhundert D. Roberts, Paternalism and Social Reform und Gray, Factory Question, Einleitung und passim, zur Debatte um protektionistische Schutzzölle um 1900 E. H. H. Green, Radical Conservatism und ders., Crisis.

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Kapitel 6 „Beer and Britannia“ oder „Moral Reform“? Paternalistischer Populismus, Besserungsideale und die Rolle der Geschlechter Mitte Juli 1838 wurde die südenglische Kleinstadt Uckfield in der Grafschaft Sussex zum Schauplatz tumultartiger Szenen, mit deren Beschreibung der konservative John Bull seine Leser unterhielt. An einem Donnerstagabend hatte die örtliche Temperance Society („Enthaltsamkeitsgesellschaft“) zu einem Treffen auf einem Feld außerhalb der Stadt geladen, zu dem Redner aus London und dem benachbarten Lewes angereist waren. Wie in vielen anderen Städten wollten die Abstinenzler in Uckfield vor den Gefahren des Alkoholkonsums warnen; seit 1830 waren – ausgehend von Bradford und anderen nordenglischen Industriestädten – in weiten Teilen des Landes entsprechende Vereine gegründet worden, die getragen von religiösen und sozialmoralischen Reformvorstellungen für einen vollständigen oder zumindest weitgehenden Verzicht auf den Genuss berauschender Getränke eintraten und ihre Mitglieder zu feierlichen Verzichtsversprechen anhielten.1 Just als die Redner zu ihren Vorträgen anhoben, ertönte jedoch störende Musik von einer Kapelle, die an der Spitze einer Prozession stand, mit der lokale Brauer, Mälzer und Gaststättenbesitzer gefolgt von rund 2.000 zweifellos angetrunkenen Bewohnern der Stadt in die Versammlung drängten. Demonstrativ führten sie Bierfässer und andere alkoholische Getränke mit sich und machten lautstark deutlich, dass sie die nüchternen Botschaften der Antialkoholiker ablehnten. Während die Abstinenzler geschlagen das Feld räumen mussten, entfesselte die versammelte Menge ein Volksfest, das der John Bull als Erfolg über Doppelmoral und für den gesunden Menschenverstand feierte: „This triumph of common sense over absurdity is very satisfactory to us, who believe, despite the new school, that an Englishman has a right to do as he likes.“2 In vieler Hinsicht könnte diese Kleinstadtepisode als frühes Beispiel für jene Mischung populistischer Strategien und sozialkonservativer Haltungen in lokalen konservativen Parteimilieus gedeutet werden, mit der die jüngere Konservatismus-Forschung die Wahlerfolge der Tories im spätviktorianischen England erklärt. Nicht nur für London, Bolton und Leeds haben Studien zur politischen Kultur im späten 19. Jahrhundert die enge Verbindung zwischen Tory-Politikern und den örtlichen Gastwirten, Bier- und Schnapsfa1 Vgl. B. Harrison, Drink, Shiman, Crusade und Greenaway, Drink. 2 Vgl. John Bull, 22.7.1838.

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brikanten hervorgehoben.3 Vor allem Jon Lawrence hat – zunächst basierend auf seiner Untersuchung von Wahlkämpfen in Wolverhampton – die bewusste Konstruktion eines populären Konservatismus, der um ein patriotisches Bekenntnis zur Nation, ein vages Anknüpfen an die sozialpolitische Tradition der Tory-Radicals, besonders aber um eine Verteidigung der alltäglichen Lebensund Verhaltensweisen einfacher Engländer kreiste, in den Mittelpunkt seiner Deutung des urbanen englischen Konservatismus um 1900 gestellt.4 Die Interessen des „ehrlichen Arbeiters“ und „sein Recht auf ein Bier“ dominierten demnach die Rhetorik der Tories und ermöglichten eine Abgrenzung von den Liberalen, die immer stärker von nonkonformistischen Kreisen dominiert wurden und mit Begriffen wie „Moral Reform“, „Respectability“ und „Improvement“ auf eine sittenstrenge Erziehung der Bevölkerung im Sinne evangelikaler Besserungsideale drängten.5 Im Bericht des John Bull scheinen lange vor der Welle konservativer Erfolge nach 1870 alle Elemente dieser spätviktorianischen Tory-Haltung vorhanden zu sein: Die Verbindung zwischen den Konservativen und dem Alkohol- und Gaststättengewerbe, die Verteidigung traditioneller Festkultur und Lebensart im Namen des Volkes und des gesunden Menschenverstands sowie die Ablehnung der tendenziell liberalen „New School“ von moralischen Reformbestrebungen für Abstinenz und einen sittsamen Lebenswandel lassen sich im Kommentar der konservativen Wochenzeitung leicht erkennen. Darüber hinaus deutet sich in der Propagierung einer handfesten Wahrung der eigenen Interessen und dem Bekenntnis zum bodenständig-derben, aber selbstbestimmten „Englishman“ ein konservatives Männerbild an, das Lawrence als wesentlichen Aspekt konservativer Mobilisierungsstrategien im späten 19. Jahrhundert identifiziert. Lawrences Interpretation der Unterstützung der Tories von Wählern aus den Unterschichten schließt unmittelbar an Patrick Joyces Deutung konservativer Erfolge über eine neue Fabrikkultur an, die sich nach 1850 zunächst in den nordenglischen Industriegebieten entwickelt habe. Joyce betont die Rolle paternalistischer Praktiken in Fabriken, die es Unternehmern erlaubten, mit sozialen Leistungen im Wohnungsbau und in der Gesundheitsversorgung, kulturellen Initiativen wie regelmäßigen Betriebsfesten und Ausflügen, Freizeitmöglichkeiten in werkseigenen Sportvereinen, Kapellen und Chören bis hin zu Bildungsangeboten in besonderen Schulen und Bibliotheken eine enge Bindung von Arbeitern an „ihre Fabrik“ und „ihren Fabrikherrn“ zu schaffen.6 3 Vgl. R. Poole, Popular Leisure, Windscheffel, Villa Toryism, M. Roberts, Popular Conservatism und ders., Constructing. 4 Vgl. Lawrence, Class and Gender. 5 Vgl. insgesamt M. J. D. Roberts, Making English Morals; zur zentralen Bedeutung des Begriffs der Respectability für die Identitätsbildung in weiten Teilen der hochviktorianischen Gesellschaft vgl. daneben außerdem Laqueur, Religion, Bailey, Role Analysis, F. Thompson, Rise, Cordery, Friendly Societies und Huggins, More Sinful Pleasures. 6 Vgl. P. Joyce, Popular Toryism, ders., Factory Politics, und ders., Work, Society and Politics.

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Gemeinsam mit der gezielten Rekrutierung aus bzw. der Ansiedlung der eigenen Arbeiterschaft in bestimmten Straßenzügen oder Stadtvierteln ermöglichte diese Bindung nicht nur ein harmonischeres Betriebsklima und ein besseres Einvernehmen mit den Gewerkschaften, sondern auch die politische Einflussnahme auf die Arbeiter in der eigenen Fabrik sowie das durch den Betrieb dominierte Umfeld. Während derartige Strategien keine Erfindung von konservativen Unternehmern waren, sondern sich auch mit dem häufig stark evangelikal geprägten Arbeitsethos liberaler Industrieller verbinden ließen, waren es für Joyce doch die Tories, die aus den neuen Strukturen industrieller Produktion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Kapital schlagen konnten.7 Im Zuge der Wahlrechtserweiterungen nach 1867 spiegelten sich die wachsenden Einflusssphären dominanter Unternehmerpersönlichkeiten häufig in einem nahezu einheitlichen Stimmverhalten ganzer Belegschaften wider, von dem vor allem die Konservative Partei profitierte. Auch Joyce verweist in diesem Zusammenhang auf die Nähe vieler lokaler Tory-Politiker zu Gaststättenbetreibern und ihre Versuche, sich von der moralischen Strenge eines nonkonformistisch dominierten Liberalismus durch eine Verbindung von „Bier und Vaterland“ abzusetzen.8 Im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Studien von Jon Lawrence entsteht so ein Erklärungsmodell konservativer Erfolge bei Wählern aus den Unterschichten, das eine komplexe Mischung aus ideologischen und populistischen Strategien der Tories umfasst, vor allem aber die Fähigkeit der Konservativen betont, traditionelle Elemente englischer Lebensart und überkommene Vorstellungen von Männlichkeit mit ihrer Politik zu verbinden. Das Beispiel aus Uckfield legt die Vermutung nahe, dass die Wurzeln dieser spätviktorianischen Torystrategie lange vor den 1850er Jahren zu suchen sind; auch die Forschung zu paternalistischen Betriebsstrukturen konnte, inspiriert durch die Ergebnisse der Studien von Patrick Joyce, in jüngeren Arbeiten eine Reihe von Beispielen dokumentieren, die einen früheren Beginn der „neuen Fabrikkultur“ im industriellen Arbeitsprozess in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wahrscheinlich machen. So hat etwa Peter Taylor in seiner Untersuchung der industriellen Arbeitsprozesse in Bolton zwischen 1815 und 1860 keinerlei Hinweise auf eine grundlegende Veränderung der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern um 1850 gefunden und stattdessen zahlreiche Fabrikanten beschrieben, die schon in den 1830er und 1840er Jahren erfolgreich eine große Nähe zu ihren Belegschaften schaffen und trotz bisweilen harter Arbeitskämpfe großen Einfluss auf das politische Verhalten ihrer Arbeiter ausüben konnten.9 Waren am Ende also doch nicht 7 Das prominenteste Beispiel für einen paternalistischen Unternehmer ist der ausgesprochen liberale Textilfabrikant Titus Salt, der in der Nähe von Bradford eine umfangreiche Modellsiedlung für die Arbeiter seiner Fabriken errichten ließ. Vgl. J. Reynolds, Great Paternalists. 8 Vgl. P. Joyce, Work, Society and Politics, bes. Kap. 8. 9 Vgl. P. Taylor, Popular Politics, Kap. 6. Zur Debatte um die Bedeutung des Paternalismus in England im 19. Jahrhundert vgl. D. Roberts, Paternalism in Early Victorian England, Dutton u.

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die lange Tradition einer loyalistisch-patriotischen Interpretation der Verfassung und die Verbreitung eines antikatholischen Protestantismus entscheidend für die immer mögliche konservative Mobilisierung bis in die Unterschichten, sondern die geschickte Verbindung von Freibier, englischem Nationalismus und Paternalismus durch lokale Tory-Eliten? Die Mitglieder der Operative Conservative Associations hätten dieser Vermutung kaum zugestimmt. Sie wehrten sich im Gegenteil heftig gegen den Vorwurf, sie würden als unmoralische Trunkenbolde ihren Arbeitgebern blind hinterherlaufen. Genau dies behaupteten nämlich ihre Gegner : So zählte etwa der liberale Politiker Robert Heywood im Juni 1836 in einem Leserbrief an die Bolton Free Press genüsslich die Zahl der Bier- und Porterfässer auf, die beim letzten Jahrestreffen der konservativen Arbeiter geleert worden seien und behauptete, nur 20 der insgesamt rund 450 Teilnehmer hätten für ihr Essen und die Getränke bezahlt, der Rest sei konservativen Fabrikbesitzern förmlich in die Falle gegangen und bereue inzwischen die Teilnahme.10 Gegenüber solchen Angriffen betonten die konservativen Operatives regelmäßig ihre Respektabilität und reklamierten ganz in der moralischen Sprache der englischen Reformer Vertrauen und Ehrlichkeit sowie Nüchternheit und Ordentlichkeit als konservative Prinzipien und Kennzeichen ihrer Veranstaltungen.11 Wie also verhielten sich die Forderung nach Anstand und die Verteidigung traditioneller Festkultur und Freizeitvergnügen in konservativen Milieus? Im Folgenden soll vor allem am Beispiel Boltons und der Städte des West Ridings in Yorkshire gezeigt werden, dass die Popularität konservativer Politiker vor 1870 nicht einseitig auf einer maskulinen „Bier und Vaterland“-Mentalität beruhte. Vielmehr mischten sich jenseits der prägenden Sprache des konservativen Konstitutionalismus Bekenntnisse zu einer handfesten Männlichkeit mit nachdrücklichen Forderungen nach Enthaltsamkeit, respektabler Moral sowie einem häuslichen Ideal des Anstands, mit dem insbesondere Frauen für konservative Interessen gewonnen werden konnten. Gerade scheinbar widersprüchliche Strategien ermöglichten im auch auf lokaler Ebene heftig umkämpften Bereich der öffentlichen und privaten Moral eine besonders breite Mobilisierung plebejischer Kreise.

King, Limits, Hubermann, Economic Origins, ders., Reply, Rose, Taylor u. Winstanley, Economic Origin und Randall u. Newman, Protest, Proletarians and Paternalists. 10 Vgl. Brief Heywood an Bolton Free Press, 6. 6. 1836, Heywood Papers, ZHE 26/3, Nr. 125. Vgl. auch den Bericht zum Treffen im Bolton Chronicle, 4.6.1836. 11 Vgl. etwa Bolton Chronicle, 14. 1. 1837 (Rede John Roby, Chairman) und 15. 7. 1837 (Rede Hulton).

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a) Früher Paternalismus und Forderungen nach „Moral Reform“ Lässt sich auch für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Zusammenhang zwischen konservativen Unternehmern und paternalistischen Betriebsstrukturen feststellen? Selbst wenn Peter Taylor in seiner Darstellung entsprechender bürgerlicher („middle-class“) Bemühungen nicht explizit darauf hinweist, deutet seine Schilderung für Bolton vor 1850 auf eine besondere Rolle konservativer Haltungen hin, denn fast alle von ihm erwähnten paternalistischen Fabrikbesitzer stammen aus dem örtlichen Tory-Milieu. So war es besonders Lord Francis Egerton, 1835 konservativer Kandidat bei den Grafschaftswahlen in South Lancashire und Kopf der vornehmsten Tory-Familie in Bolton, der als Kohlengrubenbesitzer außerhalb der Stadt Modellsiedlungen mit Arbeiterhäusern, Kirchen und Schulen anlegen ließ und mit Pensionskassen, Sparvereinen und Klubs zur Krankenvorsorge Maßnahmen zur sozialen Sicherung seiner Arbeiter einleitete. William Hulton, der 1819 zu den verantwortlichen Magistraten für den Kavallerie-Einsatz beim PeterlooMassaker gehört hatte und ebenfalls Bergbau betrieb, begann nach einem Streik Anfang der 1830er Jahre mit dem Aufbau eines betriebseigenen Bergarbeitervereins, der unter seiner Führung Hilfe bei Krankheit, Unfällen oder Todesfällen bot, und der langjährige Förderer der örtlichen Operative Conservative Association, Joseph Ridgway, finanzierte in den bei seinen Bleichereien gelegenen Dörfern Schulen, Bauvereine und Krankenunterstützung. Mit den Spinnereien der Knowles-Familie und den Textilmaschinenfabriken der Dobsons oder den Eisengießereien und Baumwollfabriken in den Händen von John Musgrave und seinem Sohn lassen sich weitere Betriebe in Bolton finden, die von konservativen Unternehmern geführt wurden und schon früh durch ähnliche paternalistische Einrichtungen auffielen. Allerdings reihten sich mit Peter Rothwell Arrowsmith und der AshworthFamilie auch prominente liberale Textilfabrikanten in den Kreis der Unternehmer ein, die etwa mit betriebseigenen Schulen und großzügigen Spenden für Bibliotheken und Leseräume Bildungsmöglichkeiten für Arbeiter förderten und für ihre besondere Sorge um die Bindung ihrer Beschäftigten an kirchliche Vereine und Gemeinden bekannt waren.12 Nur auf den ersten Blick findet sich in den von ihnen geförderten Maßnahmen die häufig mit den bürgerlichen Liberalen verbundene Forderung nach ausgeprägt religiös-moralischen und von Verzicht geprägten Erziehungsvorstellungen beim Umgang mit plebejischen Angestellten und Arbeitern wieder ; grundsätzlich lässt sich kein Unterschied zwischen einem konservativen und einem liberalen Paternalismus erkennen. Arrowsmith etwa zeigte 1852 keine besondere Nähe zur Abstinenzler-Bewegung, als er nach liberalen Erfolgen bei den Parlamentswahlen seinen 800 Arbeitern neben Pflaumenkuchen und Fleischbrötchen 12 Vgl. P. Taylor, Popular Politics, S. 186 f. Zu Egerton vgl. auch D. Roberts, Paternalism in Early Victorian England, S. 219 f., zu den Ashworths Boyson, Ashworth Cotton Enterprise.

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auch großzügige Mengen von „barley bree“, einem schottischen Whisky, spendierte.13 Ähnliche Eindrücke hinterlassen Presseberichte aus den anderen untersuchten Wahlkreisen, in denen sich zwar eher kursorische, insgesamt aber recht häufige Hinweise auf paternalistische Praktiken von liberalen Unternehmern finden. Auffällig ist deshalb weniger die Prominenz konservativer oder liberaler Kreise bei paternalistischen Initiativen als die relativ frühe Verbreitung industrieller Formen des Paternalismus überhaupt, die üblicherweise als typische Entwicklung des späten 19. Jahrhunderts gelten. So lassen sich in der Umgebung von Leeds schon um 1820 Beispiele für größere Betriebsfeste etwa für Bergarbeiter an Weihnachten finden, und die besondere Einladung der Belegschaft zu Feiern in der Unternehmerfamilie – zu Hochzeiten, nach Geburten oder anlässlich der Volljährigkeit des Firmenerbens – scheint ähnlich wie in Bolton auch in den Industriegebieten des West Ridings bereits vor 1850 eine nicht ungewöhnliche Praxis gewesen zu sein.14 Für die politische Bedeutung solcher Ereignisse war nicht die Nähe der Unternehmer zu bestimmten Parteien oder Milieus bezeichnend, sondern die Einbindung der Berichte in die tendenziöse politische Deutung des Tagesgeschehens durch die konkurrierenden Zeitungen. 1820 waren für den Leeds Intelligencer das Fehlen aller Hinweise auf radikale Haltungen unter den Bergleuten sowie deren Anstoßen auf den König in einer Hochphase der radikalen Agitation die entscheidenden Kriterien, um die Weihnachtsfeier in den lokalen Bergwerken zu dokumentieren. Ähnlich reagierte der Leeds Mercury im August 1820 auf die Meldung über den betont patriotischen Verlauf eines Fests von Landarbeitern in der Umgebung von Leeds im Intelligencer mit dem Bericht von einem Betriebsfest, auf dem der liberale Abgeordnete Earl Fitzwilliam von seinen Beschäftigten zum Dank für seinen Einsatz für Parlamentsreformen und zur Abschaffung der Kornzölle mit einem wertvollen Teller beschenkt wurde.15 Entsprechend hob die Presse karitative Maßnahmen für Arbeiter mit Vorliebe dann hervor, wenn sich etwa Geldspenden an Arme im Umfeld der Feierlichkeiten um die Proklamation von Georg IV. im Frühjahr 1820 in das loyalistische Bild des Intelligencers integrieren ließen oder finanzielle Hilfen für die verarmten Weber im Londoner Stadtteil Spitalfields ganz im Sinne des John Bulls auf eine Initiative des Königshauses zurückgingen.16 In der Berichterstattung aus Bolton, London und dem West Riding spiegelt sich daher eine früh beginnende langsame Ausweitung paternalistischer Praktiken etwa im Bereich der Textilindustrie und des Bergbaus, wobei die Entwicklung eher vom wirtschaftlichen Erfolg des jeweiligen Unternehmens 13 Vgl. Bolton Chronicle, 7.8.1852. 14 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 3. 1. 1820 (Bergarbeiter), 24. 2. 1838 (Feier der Volljährigkeit von John Armitage in Huddersfield); Halifax Guardian, 30. 4. 1842 (altersbedingtes Ausscheiden eines „Managers“ aus den Bowling Iron Works). 15 Vgl. Leeds Intelligencer, 7. 8. 1820; Leeds Mercury, 12.8.1820. 16 Vgl. Leeds Intelligencer, 6. 3. 1820; John Bull, 4.6.1837.

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abhängig gewesen zu sein scheint als von politischen Interessen oder einem grundlegenden Wandel im Verhalten der Unternehmer gegenüber Arbeitern um 1850. Sprunghafte Veränderungen wie die auffällige Zunahme von Betriebsausflügen ab der zweiten Hälfte der 1840er Jahre standen in direktem Zusammenhang mit der Faszination, die von der Eisenbahn und den mit ihr verbundenen neuen Transportmöglichkeiten ausging.17 Es wäre daher falsch, sie als Ausdruck einer neuen Strategie zur Überwindung von Klassengegensätzen zu deuten.18 Auch eine besondere Rolle von konservativen Vorstellungen im Kreis der Unternehmer aus Tory-Milieus lässt sich nicht erkennen. Ausgeprägter war die Rolle konservativer Haltungen dagegen in ländlichen Formen paternalistischer Maßnahmen. Karitative Initiativen von adeligen Familien und das gemeinsame Feiern von meist aristokratischen Landbesitzern mit ihren Pächtern und Arbeitern scheinen grundsätzlich als Vorbild für die Etablierung ähnlicher Formen in stärker bürgerlich geprägten Industriellenkreisen gedient zu haben; gerade in den 1820er und 1830er Jahren finden sich immer wieder Meldungen über Festlichkeiten für Landarbeiter anlässlich von Hochzeiten des örtlichen Großgrundbesitzers, der finanziellen Unterstützung von Dorffesten oder der Ehrung verdienter Hofangehöriger. Konservative Zeitungen wie der John Bull hoben zudem gern die Bereitschaft von fürsorglichen Adeligen mit Tory-Verbindungen hervor, in Zeiten wirtschaftlicher Krisen Pachtabgaben zu verringern, die Preise für landwirtschaftliche Produkte zu senken oder die Löhne für Landarbeiter zu erhöhen.19 In solch klassischen Inszenierungen eines ländlichen Paternalismus zwischen Landbesitzern und Pächtern oder Farmarbeitern lassen sich freilich nur bedingt politische Strategien erkennen. Deutlicher tritt die Verbindung von ländlichem Paternalismus und spezifisch konservativen Positionen in einer neuen Welle der Gründung von Agricultural Societies in den 1830er Jahren hervor. Entsprechende Vereine waren bereits seit dem späten 18. Jahrhundert in vielen englischen Regionen auf Grafschaftsebene aufgebaut worden; darüber hinaus entstanden zahlreiche lokale Vereine, die häufig, wenn auch nicht immer, von konservativen Landbesitzern dominiert wurden.20 Als zunächst unpolitische Interessensverbände strebten sie die Verbreitung landwirtschaftlichen Wissens und neuer 17 Vgl. B. Lewis, Bourgeois Ideology, S. 292 ff., daneben F. Thompson, Rise, S. 212 f. 18 So die ursprüngliche Interpretation solcher Phänomene durch die Vertreter der Labour-Aristocracy-These. Vgl. oben, Einleitung und bes. N. Kirk, Change, Continuity and Class, Kap. 5, für eine detaillierte Übersicht über die Forschungsentwicklung. 19 Vgl. etwa John Bull, 15. 10. 1821 (Feier auf Walmers Court), 1. 11. 1829 (Plädoyer von Lord Elden zur Senkung der Pachtabgaben), 21. 10. 1832 (Feier der Volljährigkeit von Lord Boscawen), 21. 10. 1838 (Feier für Landarbeiter von Lord Barham), 18. 11. 1838 (Forderung nach höheren Löhnen für Landarbeiter von Lord Braybooke in Essex) und 17. 12. 1838 (Forderung nach höheren Löhnen aus Cowfold, Sussex). Vgl. auch Leeds Intelligencer, 23. 7. 1829 (Volksfest in Bramley). 20 Vgl. Goddard, Agricultural Literature and Societies, S. 370 ff.

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Anbau- und Zuchtmethoden an, bemühten sich aber auch um den Zusammenhalt ländlicher Gemeinschaften und die Stabilisierung lokaler Hierarchien. Üblich war etwa die jährliche Verleihung von Preisen für landwirtschaftliche Produkte oder Zuchtvieh auf örtlichen Märkten und Messen, die mit dörflichen Volksfesten einhergingen. Zusätzlich wurden geschickte Landarbeiter für ihre Fähigkeiten beim Pflügen oder Ernten ausgezeichnet, bisweilen nachdem sie entsprechende Wettbewerbe unter den Augen johlender Zuschauer gewonnen hatten. Besonders auffällig waren aber Preise für soziales Wohlverhalten: Prämien für Landarbeiter, die große Familien auf anständige („respectable“) Weise aufgezogen und dabei keine Hilfe der Gemeinde beansprucht hatten, standen neben Anerkennungen für eine besonders lange Beschäftigung von Arbeitern bei einzelnen Bauern oder herausragende Referenzen für gutes Verhalten, die häufig explizit mit dem Hinweis auf die patriotische Bedeutung solcher Leistungen verliehen wurden.21 Gerade in abgelegeneren Regionen konnten sich derartige Veranstaltungen als Höhepunkte des Landlebens etablieren, in denen durchaus eine konservative „Bier und Vaterland“-Botschaft verbreitet wurde. Nachdem die Agricultural Societies nach dem Ende der Napoleonischen Kriege einen starken Niedergang erlebt hatten, wurden sie in den 1830er Jahren von konservativen Kreisen unter Führung des Marquess of Chandos gezielt wiederbelebt, um angesichts der liberalen Mehrheit im Parlament Widerstand gegen die befürchtete Abschaffung der Kornzölle und das neue Armenrecht zu organisieren.22 Gerade vor dem Hintergrund der ausgedehnten Captain-Swing-Unruhen im Südosten Englands zu Beginn des Jahrzehnts scheinen die neuen Vereine großen Wert auf eine breite Beteiligung der gesamten ländlichen Bevölkerung an ihren Festen gelegt zu haben.23 Während sich ein Großteil der unmittelbaren politischen Mobilisierung für die Kornzölle in der Regel zwar auf eher exklusivere Dinner im Umfeld der Landwirtschaftsmessen beschränkte, darf die Wirkung solcher Veranstaltungen auf breitere Kreise auch ländlicher Unterschichten nicht unterschätzt werden. Nicht ohne Grund lud W. A. H. Arrundel 1837 nach den Parlamentswahlen in der Grafschaft Devon neben der örtlichen Gentry, den Landbesitzern und Pächtern in seiner Region auch die Landarbeiter und ihre Familien zu einem 21 Vgl. etwa die Preisreden beim Treffen der East Surrey Agricultural Association im John Bull, 14.10.1838. 22 Vgl. Horn, Rural World, S. 213. Die von ihr angeführten Beispiele für Neugründungen und konservative „Übernahmen“ bestehender Associations lassen sich leicht erweitern: So berichtete der John Bull über neue Agricultural Associations aus Middlesex und Hichford (14. 10. 1838), Devon (28. 10. 1838), Cheshire, Suffolk und der Isle of Sheppey (11. 11. 1838), der Sussex Agricultural Express über entsprechende Vereine in Sussex (19. 6. 1841) und Surrey (30. 10. 1841). In Yorkshire berichtete der Leeds Intelligencer etwa am 7. 9. 1838 über Veranstaltungen von Landwirtschaftsvereinen, Anfang der 1850er Jahre entstanden ähnliche Organisationen auch in Lancashire (Bolton Chronicle, 12. 10. 1850). 23 Vgl. ebd. Einen allgemeinen Überblick zu den Swing-Unruhen geben Hobsbawm u. Rud, Captain Swing.

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großen Dinner, um für die Unterstützung des konservativen Kandidaten zu danken.24 Hatten die Whigs und Liberalen 1832 insgesamt 102 der 144 englischen Grafschaftssitze gewonnen, errangen die Konservativen im Laufe des Jahrzehnts zunehmend mehr Sitze und konnten 1841 mit 124 Grafschaftsabgeordneten eine deutliche Mehrheit der ländlichen Wahlbezirke hinter sich bringen.25 Tory-Politikern scheint es daher gerade im ländlichen Raum schon lange vor 1850 gelungen zu sein, mit paternalistischen Gesten eine enge Verbindung aus Lokalkolorit und volkstümlicher Festkultur, konservativen Werten und handfester Interessenspolitik zu schaffen. Dennoch wäre es falsch, die Propagierung einer „Bier und Vaterland“Mentalität in den Mittelpunkt zu stellen, wenn es darum geht, die Verbreitung konservativer Haltungen bis weit in die englischen Unterschichten zu erklären. Denn in den 1830er Jahren waren es vielfach gerade besonders populäre konservative Akteure wie der bereits mehrfach erwähnte No-Popery-Prediger Hugh Stowell aus Salford, die nicht nur eine wesentliche Rolle für die Entstehung konservativer Arbeitervereine und die Verbreitung eines antikatholischen Weltbilds spielten, sondern daneben vehement für den Kampf gegen Alkohol eintraten und mit großem Engagement für die Gründung und Verbreitung von Temperance Societies eintraten.26 Obwohl schon Brian Harrison darauf hingewiesen hat, dass die frühen Bemühungen um eine Reduktion des Alkoholkonsums in der englischen Gesellschaft noch nicht die spätere relativ enge Verbindung von Abstinenzforderungen und Liberalismus aufwiesen, ist die Rolle konservativer Politiker beim Aufbau lokaler Vereinsstrukturen in der Abstinenzbewegung eher unterschätzt worden.27 Dabei hatten etwa die sogenannten Tory Ultras bereits in den 1820er Jahren Regierungspläne zur Reduktion der Steuern auf Bier und andere Alkoholika entschieden bekämpft und wie in der Auseinandersetzung um die Emanzipation der Katholiken Versuche unternommen, eine breite öffentliche Opposition gegen die Maßnahme zu mobilisieren.28 In Leeds erfolgte der Aufbau einer der ersten englischen Abstinenzvereine überhaupt in einer ungewöhnlichen Kooperation zwischen liberalen und konservativen Kreisen.29 Nachdem die Gründungsinitiative von Edward Baines ausgegangen war, wurde ausgerechnet Hugh Stowell einige Jahre lang als Hauptredner zu den größeren Demonstrationen und Veranstaltungen des Vereins eingeladen und erschien neben Baines vor den meist zahlreichen Teilnehmern. Da der evangelikale Prediger ein entschiedener Befürworter eines ausnahmslosen Verzichts auf Alkohol war, fanden sich die konservativen Exponenten der 24 Vgl. John Bull, 1.10.1837. 25 Vgl. Horn, Rural World, S. 213. 26 Vgl. zum Engagement Stowells für die Temperance-Bewegung Marsden, Memoirs und Bullock, Stowell. 27 Vgl. Harrison, Drink, S. 280 ff. und Shiman, Crusade, S. 218. 28 Vgl. ebd., S. 75 ff. 29 Vgl. Yates, Religious Life, S. 265 und Harrison, Drink, S. 105.

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Bewegung nicht einmal im bald einsetzenden üblichen Konflikt zwischen Befürwortern eines mäßigen Alkoholkonsums und den „Teetotalers“ genannten radikaleren Totalabstinenzlern durchgängig auf der Seite der Moderaten.30 Allerdings sprach sich der konservative Intelligencer später deutlich gegen den völligen Verzicht auf Alkohol aus, ohne aber seine Unterstützung für die Temperance-Bewegung insgesamt aufzugeben.31 Wie in Leeds spielte im benachbarten Bradford mit dem Kammgarnproduzenten John Rand ein konservativer Unternehmer eine wichtige Rolle bei der Gründung der örtlichen Temperance Society ; nach 1830 fungierte er für einige Jahre als erster Präsident des Vereins.32 Auch in Bolton erschienen zur Gründung der dortigen Gesellschaft 1831 prominente Köpfe aus dem konservativen und dem liberalen Lager. Die Gründung des zunächst Moderation Society genannten Vereins ging auf anglikanische Kreise zurück, und der ausgesprochen konservative Vikar Slade war einer der frühen Wortführer auf den Versammlungen.33 Im Laufe der 1830er Jahre gelang es in Bolton, den Konflikt zwischen den moderaten Abstinenzlern und den radikaleren Teetotalern zu entschärfen, da die 1833 in Konkurrenz zur Moderation Society gegründete New Temperance Society ihren Mitgliedern bald anbot, sich entweder zu völliger Abstinenz oder zu mäßigem Alkoholkonsum zu verpflichten. Im Zuge der Auseinandersetzung um diese Lösung zogen sich die konservativ-anglikanischen Kreise hinter der Moderation Society zwar aus dem lokalen Kampf gegen den Alkoholmissbrauch zurück, ihre Rolle wurde aber nicht etwa ausschließlich von liberalen Nonkonformisten, also den klassischen Befürwortern der „Moral Reform“ übernommen, sondern auch von methodistischen Unternehmern und Beamten mit engen Verbindungen zum Tory-Milieu.34 Liberale und konservative Förderer des Vereins erzielten gemeinsam durchaus bemerkenswerte Erfolge – an verschiedenen sozialen Aktivitäten wie jährlichen feierlichen Umzügen, Ausflügen und Teeparties nahmen in den 1840er und 1850er Jahren bis zu 9.000 Anhänger teil, und die einzelnen Ortsverbände in Bolton hatten 1859 insgesamt rund 7.000 eingeschriebene Mitglieder.35 Dennoch gelang es nicht, das um Pubs und Gasthäuser kreisende Freizeitverhalten der breiten Bevölkerungsmehrheit grundlegend zu verändern, wie der konservative Untersuchungsrichter John Taylor schon 1846 feststellte. Er stand an der Spitze einer Gruppe, die deshalb 30 31 32 33 34

Vgl. Leeds Intelligencer, 8. 12. 1831, 5.7. 1832, 15. 11. 1834; Leeds Mercury 17. 12. 1831, 77.1832. Vgl. Leeds Intelligencer, 19.10.1850. Vgl. Harrison, Drink, S. 95 u. 105. Vgl. Bolton Chronicle, 17.12.1831. Vgl. P. Taylor, Popular Politics, S. 200 ff. Obwohl Taylor den großen Einfluss konservativer Kreise in den Vereinen detailliert nachzeichnet, sieht er die Temperance-Bewegung insgesamt als ein Element zur Etablierung eines „liberalen Konsenses“ zwischen bürgerlichen und plebejischen Reformern, ohne dafür überzeugende Belege zu liefern. 35 Für Beispiele zu den Aktivitäten der Society vgl. Bolton Chronicle, 5. 8. 1837, 4. 8. 1838, 2. 8. 1851, 17. 7. 1858, 13.7.1861. Vgl. P. Taylor, Popular Politics, S. 202 f.

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regelmäßig die Verringerung der Ausschankgenehmigungen forderte und bei der Tory-Mehrheit unter den zuständigen Magistraten damit so großen Erfolg hatte, dass die Zahl der zugelassenen Pubs bis in die 1870er Jahre nicht stieg.36 In Bolton und dem West Riding in Yorkshire lässt sich auf lokaler Ebene daher kein frühes Bündnis zwischen Tory-Politikern und den örtlichen Gaststättenbetreibern und Alkoholhändlern im Sinne eines „Bier und Vaterland“-Populismus feststellen. Bürgerliche Konservative beteiligten sich im Gegenteil auch auf anderen Feldern der „Moral Reform“-Bemühungen und waren wie ihre liberalen und radikalen Gegner an der Verbreitung einer Kultur der „Anständigkeit“ (Respectability), des individuellen Ehrgeizes und der Eigeninitiative innerhalb der Unterschichten beteiligt. Ein Beispiel sind die Bemühungen um Bildungsangebote für Handwerker, Angestellte und Arbeiter. Bereits erwähnt wurden Schulgründungen von Unternehmern für ihre Betriebsangehörigen und deren Kinder. Handelte es sich dabei um paternalistische Maßnahmen im engeren Sinne, boten die in den 1820er Jahren nach schottischen Vorbildern auch in englischen Industriestädten gegründeten Mechanics’ Institutes wohlhabenden Förderern Möglichkeiten zu einem breiteren Engagement in der Erwachsenenbildung. In der Regel entstanden solche Bildungsinstitute mit Bibliotheken und einem praxisnahen Angebot an technischen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Kursen auf Initiative von Industriellen und Politikern, die lernwilligen Arbeitern und Angestellten Gelegenheit zum beruflichen Aufstieg bieten wollten; daneben gab es allerdings eine Reihe von Gründungen auf Initiative von Handwerkern und Arbeitern. Nachdem 1824 die ersten englischen Institute geschaffen worden waren, wuchs ihre Zahl bis 1849 rasch auf insgesamt 204 an. Obwohl sich schnell Zweifel einstellten, ob die Kursteilnehmer wirklich den Gruppen der englischen Unterschichten entstammten, die durch die Bildungsangebote erreicht werden sollten, blieben die Handwerksschulen bis in die 1860er Jahre das wichtigste Angebot zur beruflichen Weiterbildung für plebejische Gruppen.37 Die klassische Interpretation der Institute sieht die Schulen in erster Linie als den insgesamt wenig erfolgreichen Versuch, auf dem Weg der Bildung schwer zu kontrollierende soziale Gruppen in die Gesellschaft zu integrieren und zugleich von Protesten und radikalen Forderungen abzubringen. Daneben erkennen die meisten Historiker eine enge Verbindung zwischen den Schulen und einem liberalen Lager aus Whigs, Nonkonformisten und generell reformorientierten bürgerlichen Kreisen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hätten Tories und Anglikaner den Mechanics’ Institutes auf lokaler Ebene 36 Vgl. ebd. und R. Poole, Popular Leisure, S. 41. Allerdings hatte die Stadtverwaltung bis 1869 keine Handhabe gegen die steigende Zahl der Bierhallen, die anders als Public Houses keine besondere Lizenz benötigten. 37 Vgl. Royle, Mechanics’ Institutes, J. F. C. Harrison, Living and Learning, Tylecote, Mechanics’ Institutes und A. Firth, Culture and Wealth Creation.

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kritisch bis feindlich gegenübergestanden und in der breiteren Öffentlichkeit gegen die Schaffung von Schulen für Arbeiter und Unterschichtsgruppen argumentiert.38 Dagegen haben eine Reihe von Lokalstudien Nachweise für ein breites Engagement konservativer Unternehmer und Politiker für die Schulen geliefert.39 An den relativ gut untersuchten Instituten in Leeds und Bolton lässt sich leicht zeigen, dass konservative Kreise am Ort die Vorstellungen von Selbsthilfe und individuellem Aufstieg durch Bildung, die sich mit den Schulen verbanden, tatsächlich alles andere als ablehnten. So ging die zunächst Mechanics’ School of Art genannte Einrichtung in Leeds zwar auf eine frühe Initiative des hier stets an vorderster Stelle agierenden Edward Baines zurück, wurde aber von Anfang an stark vom einflussreichen Wollfabrikanten Benjamin Gott unterstützt, der als zentrale Figur des lokalen Tory-Milieus im Dezember 1824 zum ersten Präsidenten der Schulgesellschaft gewählt wurde.40 Obwohl unter den prominenten Förderern der bald in Mechanics’ Institute umbenannten Schule in der Regel Liberale dominierten und ihr Einfluss im Laufe der Jahre eher stieg, blieben konservative Unterstützer lange Zeit von großer Bedeutung. Mit Gott stellten sie nicht nur den größten Geldgeber des Instituts; auch Dr. Adam Hunter, langjähriges Mitglied des Vorstands und einer der aktivsten Dozenten der Schule, gehörte zu den konservativen Zirkeln der Stadt. Darüber hinaus unterstützte der Leeds Intelligencer zunächst wie der liberale Mercury die Gründung der Handwerksschule. Ende der 1820er Jahre ging die konservative Zeitung nach Konflikten mit der Baines-Familie zwar für einige Jahre auf Distanz zur Institution; dieser Schritt beendete aber nicht das sonstige konservative Engagement für die Schule.41 Ab den 1840er Jahren berichtete der Intelligencer dann wieder regelmäßig mit großem Wohlwollen über die Mechanics’ Institution in Leeds sowie über die entsprechenden Schulen in den benachbarten Städten.42 Anders als in Leeds entwickelte sich in Bolton die hier 1825 gegründete Mechanics’ Institution Ende der 1820er Jahre tatsächlich zu einer stark von Liberalen und Radikalen dominierten Schule, die von den Konservativen am Ort weitgehend boykottiert wurde. Im Gründungsjahr hatten zahlreiche wohlhabende Tory-Familien noch großzügige Spenden für die Schule aufgebracht, sich mit dem Aufkommen von Forderungen nach einer Wahlrechtsreform im Umfeld der Institution aber zurückgezogen. Einzelne Konservative

38 So zuletzt A. Firth, Culture and Wealth Creation, S. 7 u. 11. Vgl. auch G. Wright, Discussions, S. 14, Kelly, Adult Education, S. 123 und Tylecote, Mechanics’ Institutes, S. 63. 39 Vgl. etwa für Halifax Parr, Library und Iwama, Voluntary Societies. Selbst Tylecote, Mechanics’ Institutes, S. 19 ff., weist in ihrer Untersuchung für Liverpool eine bedeutende Tory-Unterstützung nach. 40 Vgl. Garner u. Jenkins, English Mechanics’ Institutes. 41 Vgl. ebd., S. 145. 42 Vgl. Leeds Intelligencer, 22. 2. 1845, 25. 10. 1845, 21. 12. 1850, 25. 1. 1851, 5. 6. 1851, 5.6. 1852.

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blieben allerdings bis in die 1840er Jahre im Vorstand aktiv und sorgten für die formale parteipolitische Neutralität der Handwerksschule.43 Der mehrjährige Boykott der Schule spiegelte aber keine grundsätzliche Ablehnung von Bildungsangeboten für ein plebejisches Publikum wider. Als 1846 für einen Neubau zur Erweiterung der Schule Gelder gesammelt wurden, spendeten sowohl konservative Unternehmer als auch Belegschaften in ihren Fabriken größere Beträge. Im Zuge der Planungen versuchten sie nun auch wieder, Einfluss auf das Kursprogramm und die Leitung der Schule auszuüben. So setzten sich die Tories gegen die Einrichtung einer Schule für Kinder innerhalb der Mechanics’ Institution ein, weil sie konfessionslose Schulen grundsätzlich ablehnten; darüber hinaus wollten sie verhindern, dass die bisher von ihren Geldgebern geleitete Schule in einen offenen Verein mit breiter Beteiligung der Beiträge zahlenden Kursteilnehmer umgewandelt wurde. Der Konflikt endete mit dem Vorschlag Reverend Slades, ein konkurrierendes Church Institute mit Bindung an die Anglikanische Kirche zu gründen. Nachdem eine Krise der Baumwollindustrie Ende der 1840er Jahre die Finanzierung solcher Pläne zunächst unmöglich machte, wurde das Church Institute 1855 mit Hilfe konservativer Geldgeber eröffnet, während liberale Nonkonformisten mit eigenen Geldern im gleichen Jahr den Erweiterungsbau der Mechanics’ Institution abschließen konnten.44 Die konservativen Eliten in Bolton und Leeds wollten folglich nicht den Aufbau von Schulen und Fortbildungsangeboten unterbinden, sondern ihren Einfluss auf die Institutionen sichern und verhindern, dass mit ihren Mitteln radikale oder liberale Interessen unterstützt wurden. Ob sie sich schließlich mit ihren liberalen Gegnern innerhalb der Mechanics’ Institutes arrangieren konnten oder konkurrierende Bildungsinstitutionen aufbauten, ist dabei von zweitrangiger Bedeutung – entscheidend war, dass bürgerliche Tories ebenso wie Liberale Bildungsbestrebungen von Arbeitern und Angestellten fördern wollten und dabei gleiche oder zumindest ähnliche Maßnahmen ergriffen.45 Gerade weil die Mechanics’ Institutes und andere Schulen für Erwachsene nur einen kleinen Teil der englischen Unterschichten erreichten, muss das starke Engagement und die öffentliche Propagierung von Bildung und Religion, Selbsthilfe und Eigeninitiative die Distanz zu plebejischen Gruppen und volkstümlichen Formen der englischen Alltags- und Freizeitkultur vergrößert haben. Aus der Sicht breiter Bevölkerungskreise erschienen konservative Politiker zumindest in ihrer Mehrheit daher nicht als Verteidiger einer derben „Bier und Vaterland“-Mentalität, sondern letztlich als Vertreter einer bürgerlichen Moral, die innere Reform, den Verzicht auf exzessive Vergnügungen 43 Vgl. P. Taylor, Popular Politics, S. 194 ff. und Tylecote, Mechanics’ Institutes, S. 63 f. 44 Vgl. ebd. 45 In diesen Kontext gehören auch die christlichen Missionsgesellschaften, die sich zwar wenig erfolgreich, aber mit deutlicher konservativer Unterstützung in Arbeitervierteln engagierten. Vgl. D. Lewis, Lighten Their Darkness und Wolffe, Protestant Crusade, Kap. 5.

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und einen anständigen Lebenswandel als Weg zur Verbesserung der eigenen Lage predigten. Die Fronten in den Debatten um Anständigkeit und die „moralische Reform“ der englischen Unterschichten verliefen also nicht zwischen einem sittenstrengen liberalen und einem volkstümlichen konservativen politischen Lager. Vor diesem Hintergrund wird schließlich verständlich, warum die konservativen Arbeitervereine wie eingangs erwähnt auf ihren Veranstaltungen und Dinnern so vehement die Verbindung von konservativen Überzeugungen und einem moralisch unzweifelhaften Auftreten hervorhoben. Die liberale Darstellung der einfachen Mitglieder als gedankenlose Säufer und gekaufte Claqueure sollte die konservative Mobilisierung von Gruppen aus den Unterschichten als eklatanten Verstoß gegen die Wertmaßstäbe bloßstellen, welche die städtischen Eliten unabhängig von ihren politischen Präferenzen sonst gemeinsam propagierten. Die Vorwürfe konnten deshalb nicht mit einer offensiven „Bier und Vaterland“-Strategie gekontert werden, sondern mussten mit der moralischen Sprache der Anständigkeit zurückgewiesen werden. Entsprechend waren die Reden, mit denen die konservativen Wortführer auf den Versammlungen der Vereine für ihre Variante des Patriotismus und ihre Interpretation der Verfassung warben, stets voller Hinweise auf Anstand, Moral und Sittlichkeit der vorgetragenen Positionen. Selbst die üblicherweise als typisch für das nonkonformistisch-liberale Lager gewertete Verbindung von öffentlicher Moral, persönlicher Integrität und individueller Unabhängigkeit fehlte nicht. In Leeds etwa stellte William Paul schon in den ersten Versammlungen der Operative Association heraus, dass der Konservatismus für ihn als einfachen Mann stets eine Quelle persönlicher Stärke und der Selbstbehauptung gewesen sei.46 Konservative Arbeiter, erklärte ein Redner 1838 in Barnsley, könnten durch die Vereine endlich ohne Angst und mit Unabhängigkeit ihren Überzeugungen Ausdruck verleihen.47 Ähnlich und ganz im Sinne der „Independence“ und „Respectability“ rief Edward Milnes seinen Zuhörern wenig später in Pudsey zu, dass gerade Konservative dafür sorgten, dass Handwerker anständig und mit Respekt leben könnten („live respectable and respected“); zuvor hatte er erläutert, dass ein Operative Conservative stets sich selbst, seine Lage, die seiner Nachbarn und die des ganzen Landes verbessern wolle – ihr „Gott“ sei eben nicht ein gefüllter Magen, wie die Whig-Radicals es ihnen unterstellten.48 Konsequenterweise versicherten die Reden deshalb auch sonst immer wieder, dass es sich bei den Versammelten wie bei Konservativen überhaupt um „men of respectability“ oder um einen „respectable body“ handle.49 46 47 48 49

Vgl. Leeds Intelligencer, 28.11.1835. Vgl. Leeds Intelligencer, 8. 12. 1838 (Rede Smith). Vgl. Leeds Intelligencer, 4.5.1839. Vgl. Leeds Intelligencer, 20. 5. 1837 (Rede Rev. Furbank: „Conservatives are men of principle, men of integrity, men of character, and men of respectability however humble their condition in

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Der Hinweis auf die Sprache der Reden allein kann den von den Liberalen erhobenen Vorwurf freilich nicht völlig entkräften. Denkbar wäre durchaus, dass die Versammlungen ungeachtet der Reden, die ja in der Regel nicht von einfachen Mitgliedern der Vereine gehalten wurden, sondern von Vertretern gehobener Kreise aus dem konservativen Milieu am Ort stammten, letztlich doch vor allem aufgrund von freier Verpflegung und großzügigem Alkoholausschank auf Interesse beim plebejischen Publikum stießen. Dass die Treffen der Operative Conservatives bisweilen mit Musik und Tanz endeten und damit ganz offensichtlich Festcharakter annahmen, wurde in anderem Zusammenhang bereits geschildert.50 Als William Paul in Leeds 1837 am Beginn des Dinners zum Jahrestag der Vereinsgründung beteuerte, dass nicht ein Trinker oder zügelloses Mitglied unter ihnen sei, musste er zugleich einräumen, dass man bei Veranstaltungen wie diesen Maß und Kontrolle aus den Augen verlieren könne. Wenn er den Anwesenden deshalb feierlich die Prinzipien der Moral, Mäßigung und Nüchternheit als konservative Ideale vor Augen führte, waren seine Worte wohl nicht nur Ausdruck seiner Überzeugung, sondern auch ein dringend notwendiger Appell, den Abend – einigermaßen – gesittet verlaufen zu lassen.51 Da die Berichte über die Veranstaltungen nicht über allgemeine Hinweise auf Beifall für die Redner, die Geselligkeit und den harmonischen Ablauf der Abende hinausgehen, lässt sich über das konkrete Verhalten der anonymen Teilnehmer nur wenig aussagen. Die pauschalen und nie ohne Widerspruch hingenommenen Vorwürfe des politischen Gegners sollten allerdings nicht ohne weiteres akzeptiert werden; insgesamt ist es eher unwahrscheinlich, dass die Versammlungen, auf denen Pfarrer und Abgeordnete, Arbeitgeber und Beamte sowie einzelne Arbeiter über Stunden Verfassung und Religion, Moral und Respektabilität beschworen, gleichzeitig von exzessiven Trinkgelagen und derben Festritualen geprägt waren, welche die Botschaft der Vereine völlig unterlaufen hätten. Eher zeigt sich an Appellen wie dem von William Paul in Leeds, dass der Ruf nach Abstinenz, Mäßigung und „moral reform“ anders als der Appell an ein konservatives Patriotismusverständnis bei den sozialen Gruppen, die über die Vereine mobilisiert werden sollten, nicht ohne weiteres auf Zustimmung stieß. Die einfachen Mitglieder der Vereine kamen nicht wegen eines ausgesprochenen „Bier und Vaterland“-Populismus’ zu den Operative Conservatives, sondern weil sie sich trotz eines insgesamt nicht besonders ansprechenden moralischen Tons der örtlichen Eliten mit den politischen Zielen der Associations identifizierten. Jedenfalls konnten sie bei solchen Gelegenheiten nicht den Eindruck gewinnen, dass die prominenten Köpfe des Tory-Milieus am Ort, die sonst auf breiter Front wie ihre liberalen Kontrahenten für Mäßigung, life may be.“); vgl. auch die Reden von William Paul in Leeds (18. 4. 1838) und Mr. Potts in Pudsey (5. 5. 1838). 50 Vgl. oben, Kapitel 2. 51 Vgl. Leeds Intelligencer, 1.4.1837.

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Abstinenz und Anständigkeit plädierten, hier gezielt auf traditionelle Festkultur, Trinkrituale und das „Recht des Engländers auf sein Bier“ setzten. Allenfalls kann man eine Haltung konservativer Eliten erahnen, die sich mit Ergebnissen von Studien zur polizeilichen Regulierung von Volksfesten und traditionellen, aber derben Belustigungen der Volkskultur vergleichen lässt. So scheint die Vorstellung, dass ein grundlegender Charakterwandel der Masse der Bevölkerung Zeit und Verständnis für traditionelle Formen plebejischer Fest- und Alltagskultur bedürfe, unter bürgerlichen Tories deutlich ausgeprägter gewesen zu sein als unter ihren Gegnern. Entsprechend waren konservative Stadtverwaltungen und Magistrate insgesamt zurückhaltender, wenn es darum ging, mit einschneidenden Maßnahmen Ordnung und Sicherheit zum Beispiel bei unkontrollierten Feuerwerksritualen wie am GuyFawkes-Tag oder verpönten Vergnügungen wie den Hahnenkämpfen oder dem „Bullenschlagen“ (Bull Baiting) sicherzustellen.52 Daraus lässt sich aber kein grundsätzlicher Dissens zwischen liberalen und konservativen Kreisen oder gar eine völlig andere Haltung konservativer Eliten im Umgang mit den englischen Unterschichten im Bereich der großen Auseinandersetzungen um die öffentliche Moral feststellen. Bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es keine gezielte konservative Politik von „Bier und Vaterland“.

b) Familienideale, Häuslichkeit und die politische Mobilisierung von Frauen Ungeachtet der Beteiligung konservativer Eliten an den Bemühungen um eine „Moral Reform“ der einfachen Engländer spielte die Rede vom „Englishman“ und seinen Gewohnheiten eine wichtige Rolle in der weit verbreiteten konservativen Variante des populären Konstitutionalismus. Schon im zweiten Kapitel konnte gezeigt werden, dass Tory-Politiker in politischen Auseinandersetzungen immer wieder mit Hinweisen auf die Nation operierten, um gegenüber einem radikalen Patriotismus die besondere Loyalität konservativer Vorstellungen zu betonen. Inwiefern lässt sich dabei auch ein spezifisch konservatives Verständnis der Geschlechterbeziehungen erkennen? War der immer wieder beschworene „Englishman“ der Tories in erster Linie ein „englischer Mann“? Die bisherige Forschung zur Bedeutung von Geschlechterbildern für die konservative Mobilisierung von sozialen Gruppen aus den Unterschichten scheint das nahezulegen. In seinen Untersuchungen zum späten 19. Jahrhundert erkannte Jon Lawrence etwa um 1906 einen grundsätzlichen Wandel 52 Vgl. zu den Auseinandersetzungen um traditionelle Volkssportarten in England Malcolmson, Popular Recreations, Bailey, Leisure and Class und Griffin, England’s Revelry.

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des dominanten Männerbilds der konservativen Wahlpropaganda.53 Erst zu diesem Zeitpunkt sei der „ehrliche Arbeiter mit Recht auf sein Vergnügen“ durch den „anständigen Familienvater mit Recht auf ein friedliches Zuhause“ ersetzt worden; bis dahin habe die Sprache vom einerseits patriotisch-loyalen, anderseits rustikal-trinkfesten Engländer im Mittelpunkt der Tory-Rhetorik gestanden. Angesichts des Fehlens einer klaren „Bier und Vaterland“-Strategie im frühen 19. Jahrhundert stellt sich jedoch die Frage, ob dieses Bild auch für den Zeitraum bis 1870 bestätigt werden kann. Zumindest für bürgerliche Kreise hat etwa Kathryn Gleadle gezeigt, dass konservative Mobilisierungsversuche schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts auch mit evangelikalen Häuslichkeitsvorstellungen operierten, dabei gezielt um eine weibliche Anhängerschaft warben und nicht selten von Frauen selbst getragen wurden.54 Während von der großen Bedeutung traditionell-patriarchalischer Familienvorstellungen zur politischen Mobilisierung im Zusammenhang mit den Protesten gegen das neue Armenrecht von 1834 bereits die Rede war, hat es die undifferenzierte Berichterstattung der Quellen über das Auftreten von Mengen und die Aktivitäten von plebejischen Aktivisten in politischen Konflikten am Ort weitgehend unmöglich gemacht, in den bisherigen Kapiteln jeweils auf den spezifischen Beitrag von Frauen gesondert einzugehen. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass Frauen in allen untersuchten Bereichen – von den Feiern um die Monarchie über die unterschiedlichen Aspekte konfessioneller Konflikte bis hin zu den politischen Aktivitäten in Arbeitervereinen, Oranierlogen oder sozialen Protestbewegungen – auf vielfältige Weise beteiligt waren und ihren Einfluss spürbar machten. Konservative Organisationen, Zeitungen und Politiker trugen dieser Tatsache über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg Rechnung. Schon in den Auseinandersetzungen um die Caroline-Affäre zu Beginn der 1820er Jahre, die unter plebejischen Radikalen erstmals zu einer großen Mobilisierung von Frauen in besonderen Frauenvereinen führte und stark von der Empörung über die herabsetzende Behandlung der ersten Frau im Staat durch ihren Mann getragen wurde, setzten konservative Gegenstrategien auf ein häusliches Familienideal, das besonders an Frauen appellieren und sie zu aktiven Verbündeten der Tories machen sollte, ihnen zugleich aber eine passive Rolle in politischen Konflikten zuschrieb.55 Flugschriften und Zeitungen hoben zunächst den rein privaten Charakter des Konflikts um die Scheidung Georgs IV. von seiner Frau hervor und bemühten sich gleichzeitig, Carolines Reputation in Frage zu stellen, indem ihr vermeintlich skandalöses Sexualleben als Verstoß gegen die besondere Treuepflicht der Ehefrau präsentiert wurde. Zugleich propagierte das konservative Lager Bescheidenheit, Zu53 Vgl. Lawrence, Class and Gender. 54 Vgl. Gleadle, Charlotte Elizabeth Tonna, daneben S. Richardson, Independence and Deference, Kap. IV und dies., Role of Women. 55 Vgl. bes. Fulcher, Loyalist Response, daneben Hunt, Morality und A. Clark, Scandal.

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rückhaltung und moralischen Anstand als spezifisch weibliche Eigenschaften, die für die Aufrechterhaltung der politischen Ordnung und den Fortbestand der Familie als Institution unverzichtbar seien – gerade Carolines bedingungsloser Kampf für ihre Anerkennung als legitime Königin und ihre Rechte als Frau unterminierten in dieser Interpretation die Rolle der Frau in der Gesellschaft und bedrohten die einflussreiche Stellung von Frauen in der Familie. Konservative Reaktionen auf die liberale und radikale Agitation für die Königin griffen damit auf ein Rollenverständnis zurück, das den Geschlechtern klar getrennte Aufgabenbereiche zuwies und Frauen in die häusliche Sphäre verbannte. Studien zur Rolle von Frauen in sozialen Protestbewegungen und radikalen Arbeiterorganisationen haben in den letzten 20 Jahren jedoch gezeigt, dass die Vorstellung getrennter Aufgabenbereiche auch in weiten Teilen des liberalradikalen Lagers Unterstützung fand und nicht zuletzt von Frauen im Umfeld von Gewerkschaften oder den Chartisten getragen wurde. In vielen Fällen begünstigten die unmittelbaren Interessen von Frauen in den Unterschichten zunächst nicht den Kampf für eine grundsätzliche rechtliche Gleichstellung der Geschlechter, sondern machten etwa Forderungen nach Verboten von Frauenarbeit im Gegenzug für angemessene Löhne für Männer auch aus weiblicher Sicht attraktiv ; die Popularität entsprechender Vorstellungen in den Jahren nach der Caroline-Affäre war ein wesentlicher Faktor bei der Begrenzung der aktiven politischen Partizipation von Frauen auch unter Reformern.56 Konservative Publikationen und Tory-Politiker, die mit positiven Darstellungen der häuslichen Rolle der Frau argumentierten, wandten sich daher in ähnlicher Weise wie Reformer an Frauen und konnten in politischen Auseinandersetzungen, in denen – wie etwa in den wenig später einsetzenden Bemühungen um die Fabrikgesetze – alle Beteiligten ihre Forderungen mit dem Versprechen besserer Lebensverhältnisse für soziale Gruppen aus den Unterschichten verbanden, durchaus auf eine breite Unterstützung von plebejischen Frauen hoffen. Folgerichtig appellierten konservative Zeitungen und Politiker in Wahlkämpfen und sonstigen Konflikten immer wieder gezielt an Frauen, ihren Einfluss auf ihre Männer, Söhne oder Brüder zu nutzen, um diese zu einem Engagement für Tory-Kandidaten oder die konservative Sache zu bewegen. Der Widerspruch zwischen dem Ideal häuslicher Mütterlichkeit und politischer Zurückhaltung von Frauen, das solche Aufrufe verbreiteten, und der Aufforderung zur politischen Einflussnahme im Interesse der Konservativen war schwer zu übersehen, verhinderte aber nicht die Veröffentlichung ent56 Zur Problematik des mit der „Domesticity“ verbundenen Frauenideals besonders innerhalb der radikalen Reformbewegungen liegen – ausgehend von Alexander, Women’s Work und D. Thompson, Women – inzwischen zahlreiche Studien vor. Vgl. besonders Wolff, Culture, A. Clark, Rhetoric, dies., Struggle for the Breeches und Wahrman, Middle Class Domesticity, daneben Fulcher, Gender, C. Hall, White, Male and Middle Class, Ittmann, Work, H. Rogers, Monster Meetings, S. Kent, Gender and Power und Parrat, More than Mere Amusement.

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sprechender Plakate und Flugschriften. In konservativen Kreisen waren viele Männer überzeugt, dass die Frauen von Wählern und Nichtwählern das politische Verhalten ihrer Partner und Familien stark beeinflussen konnten – „the best way to a man’s brain was through his stomach, and the best way to his heart was through his wife“, erklärte Charles Wilkins im Juni 1836 vor dem Boltoner Arbeiterverein.57 Die Operative Conservative Associations – deren Mitgliedschaft zunächst Männern vorbehalten blieb – bemühten sich deshalb gezielt, ihre Veranstaltungen für Frauen attraktiv zu machen und luden neben plebejischen Männern häufig auch deren „Ladies and Sweethearts“ zu Versammlungen, die nicht selten mit Musik und Tanz endeten.58 Da sich ihr Verständnis von der Rolle der Frau nicht grundlegend vom Häuslichkeitsideal der Liberalen und Radikalen unterschied, verfolgten konservative Kreise inhaltlich in erster Linie die Strategie, liberale Politik und radikale Angriffe auf Verfassungsinstitutionen als indirekte Attacken auf das Familienleben, die häusliche Sphäre und Fraueninteressen darzustellen. Typische Argumentationsfiguren lassen sich etwa dem John Bull entnehmen, der auf dem Höhepunkt der Reformkrise von 1832 mehrmals längere Auszüge aus Pamphleten veröffentlichte, in denen sich eine „Englishwoman“ in dramatischer Sprache an die „Females of Great Britain“ wandte und nachdrücklich vor den Folgen der radikalen Agitation für die Kirche und ihre Rolle als Verteidigerin der Familie warnte.59 Aufgrund ihrer besonderen Verletzlichkeit und der natürlichen Neigung, sich voller Sorgen, ohne Rücksicht auf eigene Bedürfnisse und mit ganzer Hingabe um die Aufgaben in Haus, Erziehung und Ehe zu kümmern, benötigten Frauen mehr als Männer den Rückhalt und die Fürsprache von Religion und Kirche. Gerade diese Institutionen würden aber von der Reformagitation unterwandert und gefährdet. Mit dem Niedergang der Religion drohten daher weitreichende Gefahren: zum einen der Verlust religiöser Begleitung an zentralen Punkten des Lebens, bei Taufe, Hochzeit und Tod, zum anderen die Auflösung familiärer Wertvorstellungen, an denen letztlich auch die eheliche Treue der Männer hänge.60 Auch ohne explizite Forderungen nach einer Neubestimmung der gesellschaftlichen Rolle der Frau unterminierten radikale Reformbestrebungen aus konservativer Sicht also das Ideal der Häuslichkeit und gefährdeten traditionelle weibliche Lebensentwürfe, von deren Akzeptanz bei Frauen konservative Autoren selbstverständlich ausgingen.

57 Vgl. Bolton Chronicle, 4.6.1836. Auf die Bedeutung, die lokale Parteimanager unabhängig von ihrer politischen Orientierung Frauen von Wählern wie Nichtwählern bei der Entscheidung über die Stimmabgabe und den Ausgang von Wahlkämpfen zuschrieben, hat Cragoe, Jenny Rules the Roost hingewiesen. 58 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 5. 5. 1838, 4. 8. 1838, 4. 5. 1839; Bolton Chronicle, 12. 11. 1836, 15. 7. 1837, 15.9. 1838, 10.8.1861. 59 Vgl. John Bull, 22. 4. 1832, 4. 11. 1832 und 2.12.1832. 60 Ebd., 22.4.1832.

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Derartig explizit und ausführlich entwickelt finden sich konservative Positionen zur Rolle der Frau und der Familie freilich vor allem in längeren Pamphleten, Zeitungen und Magazinen für ein gehobenes weibliches Publikum, die insbesondere Frauen aus den Unterschichten nur in Ausnahmefällen erreicht haben dürften.61 Von größerer Bedeutung für plebejische Frauen waren Wahlplakate oder die Reden konservativer Politiker bei Versammlungen der Arbeitervereine, die indirekt auf die gefährlichen Tendenzen des Whig-Liberalismus für Frauen hinwiesen oder eine Verbindung zwischen Frauen und konservativen Positionen herstellten. Mitte der 1830er Jahre etwa kolportierten konservative Redner vor den Operative Conservatives Bemerkungen des bei ihnen ohnehin verhassten irischen Katholikenführers und liberalen Politikers Daniel O’Connell, der angeblich bei einer Rede in Cork englische Frauen pauschal in die Nähe von Prostituierten gerückt hatte; noch 1841 erschienen entsprechende Vorwürfe auf einem gezielt an Frauen gerichteten Wahlplakat in Bradford, verbunden mit Warnungen, welche die Wahl von Whigs und Radikalen mit solchen Vorstellungen zur besonderen Gefahr für Frauen erklärten.62 Andere Reden vor den konservativen Arbeitern betonten die positive Rolle von Frauen in Ehe und Familie und den guten Einfluss, den das weibliche Geschlecht auf Männer und die Gesellschaft insgesamt habe – bisweilen verbunden mit der bewussten Inszenierung der Nähe von Frauen zur konservativen Sache, etwa durch die Übergabe von Flaggen oder anderen Insignien im Namen der „Ladies“ am Ort für den lokalen Arbeiterverein.63 Konservative Prinzipien wurden als Familiensache präsentiert, die von der Mutter an die Kinder, von der Frau an den Mann weitergegeben werden konnten. In Leeds etwa dankte Richard White 1838 den vielen Müttern, die unglücklichen Männern mit radikalen Vätern durch Vorbild und kontinuierliche Mühe konservative Werte vermittelt und sie für die „heilige Sache“ gerettet hätten.64 Während die anwesenden Männer mit solchen Bemerkungen zum ritterlichen Einsatz für die Frauen und damit für die Politik der Tories mobilisiert werden sollten, lautete die Botschaft an die getrennt sitzenden und stets mit Applaus und Jubel begrüßten Damen, dass sie natürliche Konservative seien und ihr Interesse an konservativen Erfolgen erkennen müssten. In einigen Städten gingen die örtlichen Konservativen über solche Bemühungen um weibliche Unterstützung hinaus und strebten ganz bewusst den Aufbau eigener Frauengruppen innerhalb der Arbeitervereine an. In Bolton 61 Das zweite Pamphlet an die „Females of Great Britain“ etwa wies auf die Erziehungsrolle der Dame des Hauses auch gegenüber Hausangestellten und Dienstmädchen hin und richtete sich damit wohl kaum an Leserinnen unterhalb gehobener bürgerlicher Kreise. Vgl. John Bull, 4.11.1832. 62 Vgl. etwa Bolton Chronicle, 4. 6. 1836 (Rede Charles Rothwell) und Wahlplakat „To the Women of Great Britain“ in Bradford Archive, Deed Box 13, Election Material, Case 36, Nr. 9. 63 Vgl. etwa Leeds Intelligencer, 5. 5. 1838, 4. 8. 1838, Times, 14.11.1836. 64 Vgl. Leeds Intelligencer, 4.8.1838.

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etwa war die flächendeckende Etablierung solcher Frauenvereine schon 1836 auf einer Versammlung der Operatives gefordert worden; zugleich hatte man mit der Sammlung von Spenden zur Unterstützung beim Aufbau eines entsprechenden Vereins am Ort begonnen.65 Ob es im Anschluss an diese Initiative tatsächlich zur Gründung eines Klubs der weiblichen Operative Conservatives kam, lässt sich für Bolton allerdings nicht mit Sicherheit ermitteln. Zwei Jahre später spottete die liberale Bolton Free Press zwar im Zusammenhang mit kritischen Bemerkungen über die konservativen Operatives auch über die Gründung einer Grand Protestant Federation Female Society im Stadtteil Chowbent, versuchte die Frauen aber eher als Mitglieder des Oranierordens zu entlarven.66 Auch eine Frauenloge des Oranierordens wäre freilich eine weibliche Organisationsgründung mit politischer Nähe zum konservativen Milieu und dürfte überwiegend Frauen aus unteren sozialen Schichten angesprochen haben. Offensichtlich gab es konservative Bemühungen um die Schaffung von Vereinen für Frauen auf lokaler Ebene, selbst wenn diese in den politischen Auseinandersetzungen der Stadt keine große Bedeutung hatten und deshalb nur wenig Spuren in der Lokalpresse hinterließen. Für die Umgebung des nahegelegenen Rochdale lässt sich in den 1840er Jahren immerhin die Existenz mehrerer kleiner Female Conservative Sick and Burial Associations nachweisen, und auch in Bolton und anderen Orten in Lancashire finden sich bis in die 1850er Jahre Hinweise auf mitgliederstarke Frauenvereine zur Hilfe in Notlagen mit ausdrücklich konservativer Ausrichtung, die bisweilen in Umzügen mit Bannern und Parteifahnen auch demonstriert wurde. Zumindest im Bereich der sozialen Vorsorge, die ein wichtiger Bestandteil des Vereinslebens in den konservativen Klubs für Arbeiter und plebejische Gruppen war, scheinen Initiativen zur Gründung von Frauenorganisationen daher von Bedeutung gewesen zu sein und einigen Erfolg gehabt zu haben.67 Wie weit solche Erfolge letztlich reichten und welche Rolle die Mobilisierung von plebejischen Frauen für die konservative Sache spielte, lässt sich nur schwer abschätzen. Für die Frage nach der Sprache der konservativen Propaganda und der mit ihr verbundenen Wahrnehmung der Geschlechterrollen ist ihre Wirkung aber zunächst zweitrangig. Traditionelle Familienbilder, der gezielte Appell an Frauen und ein Ideal häuslicher Respektabilität waren jedenfalls schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Teil der Rhetorik, mit der konservative Akteure auf allen Ebenen in politischen Konflikten agierten. Dagegen spielte die Welt des „ehrlichen Arbeiters mit Recht auf sein Vergnügen“ bis in die 1860er Jahre hinein eine weitgehend unbedeutende Rolle, die neben den Verweisen auf religiöse Pflichterfüllung, familiäre Werte und 65 Vgl. Bolton Chronicle 4.6.1836 66 Vgl. Bolton Free Press, 25.8.1838. Zur gelegentlichen Praxis des Oranierordens, Frauen in besonderen Female Lodges zu organisieren, vgl. MacRaild, Faith. 67 Vgl. Bolton Chronicle, 9.11.1844, 8.11.1845, 6.6.1846, 1.2.1851, 26.7.1851.

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der steten Beteiligung konservativer Eliten am Ort an den Bestrebungen zur individuellen und kollektiven „Moral Reform“ bisweilen fast völlig in den Hintergrund trat. Fast, aber nicht völlig. Ungeachtet einer Rhetorik der Besserungsideale, der Häuslichkeit und der Respektabilität gab es stets auch konservative Stimmen wie die des John Bulls, für die Abstinenzlertum und übertriebene Sittenstrenge an den Rand des Vaterlandverrats grenzten. Schon William Pauls vorsichtige Mahnungen zur Selbstbeherrschung bei den Versammlungen des konservativen Arbeitervereins in Leeds zeigen, dass Alkohol auch bei den Operative Conservatives eine Rolle spielte und die Veranstaltungen der Klubs nicht per se vor einem Abgleiten in eine joviale Festzeltatmosphäre geschützt waren, selbst wenn liberale und radikale Berichte über wilde Alkoholexzesse der konservativen Arbeiter sicher übertrieben. Konservative Eliten waren zurückhaltender, wenn es darum ging, bürgerliche Moralideale und sittenstrenge Respektabilitätsvorstellungen an die breite Masse zu vermitteln, und sie wussten, etwa im ländlichen Bereich, die Organisation von volksfestartigen Landwirtschaftsmessen gezielt für ihre Sache einzusetzen. Gerade solche Ambivalenzen zwischen Appellen zur „Moral Reform“ im Sinne viktorianischer Besserungsideale einerseits und gelassener Toleranz gegenüber überkommenen Festtraditionen und Volksbelustigungen konnten nützlich sein, wenn es darum ging, die einfachen Mitglieder religiöser Gruppen wie etwa Methodisten mit ihrer strengen Moral für die Unterstützung konservativer Ziele zu gewinnen, ohne eher handfeste Fabrikarbeiter mit derberen Vorstellungen von respektablem Verhalten nach Feierabend zu verschrecken. Ganz sicher verfolgten die Konservativen bei ihren Versuchen, Unterstützung aus den Kreisen der englischen Unterschichten zu gewinnen, aber keine einseitige, maskuline „Bier und Vaterland“-Strategie – die Arbeiter und Arbeiterinnen, die sich für konservative Ziele mobilisieren ließen, wurden nicht allein mit Bierfässern und patriotischen Floskeln gewonnen.

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Schlussfolgerungen Als Edmund Burke 1790 in seinen „Reflections on the Revolution in France“ vor den Gefahren der Herrschaft einer „swinish multitude“ warnte, erntete er wütende Proteste von radikalen und jakobinischen Autoren, die sich über eine derartige Verachtung des Volks erregten und die Wut der beleidigten „Schweine“ gegen ihre selbstgerechten Herren beschworen.1 Burke hatte vermutlich nicht mit einer derart breiten Reaktion auf diesen Begriff gerechnet; zugleich dürfte die Flut entsprechender Flugschriften seine ablehnende Haltung zur Gedankenwelt der Französischen Revolution und zu Forderungen nach einer politischen Partizipation breiter Teile der Bevölkerung nur bestätigt haben. In Anschluss an Burke fürchtete bis ins späte 19. Jahrhundert jedenfalls stets die große Mehrheit der konservativen Spitzenpolitiker im Parlament, dass jeder Schritt zu Demokratisierung der englischen Verfassung nicht nur das Ende der englischen Gesellschaft und ihrer historisch gewachsenen Strukturen bedeuten würde, sondern auch das Ende des politischen Einflusses der englischen Konservativen. Ungeachtet der Versuche am Ende des 19. Jahrhunderts, die Tories im Sinne einer „Tory Democracy“ zur natürlichen Partei des Volks sowie des gerechten Ausgleichs zwischen alten Eliten und der großen Mehrheit der Bevölkerung zu stilisieren, verstanden sich die Führer der Konservativen im 19. Jahrhundert als Bollwerk gegen Reformen und sahen einer wachsenden Politisierung der einfachen Engländer mit großen Befürchtungen entgegen. Selbst als der konservative Premierminister Benjamin Disraeli 1867 mit seinem berühmten „leap in the dark“ die zweite große Wahlrechtsreform durchsetzte, verfolgte er eher eine defensive, von taktischen Überlegungen geprägte Strategie zur Abwehr weitergehender Reformen. Vor allem im Oberhaus fürchteten nicht wenige Konservative das Ende ihrer Partei im Zeitalter der wählenden Massen: „Lord Derby and Disraeli (…) have let in the mob on us“, schrieb der Earl of Northumberland.2 Ein wesentliches Ergebnis dieser Arbeit ist, dass solche Befürchtungen der parlamentarischen Elite der Partei schon lange vor 1867 wenig Substanz hatten, wenn man die politischen Auseinandersetzungen zwischen Konservativen und Liberalen wie Radikalen unterhalb der parlamentarischen Ebene betrachtet. Die seit langem bekannte konservative Angst vor den neuen 1 Vgl. Burke, Reflections, S. 79 und Howard, Necessary Fictions. 2 Zitiert in Stewart, Foundation, S. 367. Vgl. ebd., S. 352 ff., für die Einschätzung der „Tory Democracy“-Vorstellungen sowie die Haltung Disraelis und führender Tory-Politiker zu Reformen; daneben auch jüngere Studien von B. Coleman, Conservatism, Kap. 5, bes. S. 131 ff., Ramsden, Appetite, Kap. 4 u. 5 und Rödder, Radikale Herausforderung, Kap. VI.

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Wählern aus den unteren Mittel- und Unterschichten speiste sich aus alten Vorurteilen und wurde möglich, weil nach der Spaltung der Partei von 1846 die zuvor vorhandenen Ansätze zu einer breiten organisatorischen Bindung von sozialen Gruppen aus den Unterschichten in Form von konservativen Arbeitervereinen nicht weiter verfolgt worden waren. Entsprechend spielten Hinweise auf die Chancen zur konservativen Mobilisierung breiter Bevölkerungskreise in den Reformüberlegungen von 1867 keine Rolle, obwohl sie in den 1850er und 60er Jahren von einzelnen konservativen Politikern wie Lord Stanley durchaus wahrgenommen worden waren.3 Die Parteispitze sah sich 1867 zur Wahlrechtsreform gezwungen und wollte sie nicht ihren politischen Gegnern überlassen. Dagegen haben die Lokalstudien aus Bolton und Leeds, London und zahlreichen weiteren englischen Orten immer wieder die Bedeutung konservativer Vorstellungen auf der Ebene der Popular Politics deutlich gemacht. Sowohl anhand der Feiern um die Monarchie als auch der Wahlkämpfe und lokalpolitischen Auseinandersetzungen konnte die große Popularität einer konservativen Verfassungsinterpretation nachgewiesen werden, die im Ringen um politische Mehrheiten am Ort und die Unterstützung aus der Masse der Bevölkerung stets eine entscheidende Rolle spielte. Konservative Positionen kreisten dabei einerseits um die loyale Treue zur Monarchie und das Vertrauen in die Institutionen des Landes, andererseits um den Glauben an die Größe der englischen Nation und ihren protestantischen Charakter, schließlich um den Anspruch auf einen Ausgleich zwischen Reich und Arm und das Festhalten an traditionellen Strukturen im Bereich der Alltags-, Arbeits- und Festkultur. Anders als diese knappe inhaltliche Bestimmung konservativer Diskurse nahelegt, bildeten solche Positionen jedoch nur in seltenen Fällen ein ideologisch geschlossenes Programm. Am deutlichsten wurden sie auf Wahltribühnen und in konservativen bzw. protestantischen Vereinen wie den Operative Conservative Associations oder den Logen des Oranierordens artikuliert, die schon früh Akteure aus den englischen Unterschichten im Umfeld der Konservativen Partei organisierten und in politische Auseinandersetzungen am Ort integrierten. Häufiger zeigten sich konservative Vorstellungen jedoch in einer indirekten Form und spiegelten sich in aggressiven Protesten gegen Katholiken, den Feiern am Guy-Fawkes-Tag am 5. November oder in Gewaltausbrüchen zwischen englischen Arbeitern und einwandernden Iren wider. Wie im Nebeneinander von Tory-Abstinenzlern und eng mit der lokalen Gastronomie verbundenen konservativen Politikern konnten plebejische Akteure im konservativen Lager widersprüchliche Positionen vertreten bzw. unterstützen; oft mischten sich Elemente konservativen Denkens mit Vorstellungen aus radikalen oder liberalen Zusammenhängen und flossen in Proteste oder Forderungen nach sozialen Reformen ein, die eine klare Zuordnung der Beteiligten zu politischen Lagern nur schwer möglich machen. 3 Vgl. Stewart, Foundation, S. 359 f. und Coleman, Conservatism, S. 134.

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Ungeachtet solcher Differenzierungen muss festgestellt werden: Es gab im 19. Jahrhundert eine populäre Tradition des Konservatismus, die neben der in der Forschung der letzten Jahrzehnte stark betonten Dominanz einer langen Tradition des englischen Radikalismus für die Ausprägung politischer Identitäten innerhalb der englischen Unterschichten von zentraler Bedeutung war. Diese Tradition lässt sich in unterschiedlichen Handlungs- und Diskurszusammenhängen von den Auseinandersetzungen um die Reformbestrebungen im Anschluss an die Französische Revolution im späten 18. Jahrhundert bis ins ausgehende 19. Jahrhundert mit seinen für viele Zeitgenossen überraschenden Wahlerfolgen einer Konservativen Partei beobachten, die nach 1867 einen Großteil der neuen Wähler aus den Unterschichten hinter sich formieren konnte. Am deutlichsten werden die Linien dieser Tradition vielleicht im Bereich der politischen Sprache und einer Tory-Rhetorik, die mit immer wiederkehrenden Argumenten und Figuren einen spezifisch konservativen Loyalismus und Patriotismus propagierte und sich von den in den 1790er Jahren millionenfach verbreiteten Schriften Hannah Mores oder der Reeves-Associations bis zu den Reden konservativer Politiker vor den Operative Associations oder den Aufrufen zur Bildung von militärischen Freiwilligenverbänden um 1860 nur wenig wandelte. Sie zeigen sich darüber hinaus in Gesängen, Symbolen und Festpraktiken, welche das Schlagwort von „Krone und Kirche“ aus dem 18. Jahrhundert bis weit ins 19. Jahrhundert perpetuierten und eng mit den antikatholischen Formen der No-Popery-Agitation verbanden. Schließlich lassen sich Verbindungen zwischen den verschiedenen organisatorischen Ansätzen aufzeigen, die im Zuge konservativer Agitation immer wieder plebejische Akteure in Vereine im Umfeld der Konservativen Partei führte. So ist es kein Zufall, dass die Welle der Gründungen neuer konservativer Working Men’s Associations in den 1860er und 1870er Jahren vor allem dort starke konservative Verbände entstehen ließ, wo in den 1830er Jahren erste Operative Associations existiert hatten; über Oranierlogen und ähnliche antikatholische Organisationen, die nach der Spaltung der Konservativen Partei an die Stelle der zerfallenden frühen Arbeitervereine getreten waren, bestanden zum Teil unmittelbare personelle Verbindungen. Politische Aktivitäten formten zudem auch informelle Netzwerke, die bisweilen über Jahrzehnte zur Mobilisierung in unterschiedlichen Kontexten genutzt werden konnten und immer wieder ähnliche Personengruppen zusammenführten. Allzu oft sind derartige Zusammenhänge in der bisherigen Forschung übersehen worden. Noch immer finden sich in der Literatur etwa die Vorstellungen, dass die englische Monarchie nach dem Tod Georgs III. über viele Jahrzehnte unpopulär gewesen sei oder dass antikatholische Stimmungen für den überwältigenden Teil der englischen Unterschichten ohne Bedeutung gewesen seien. Dem gegenüber muss die große Mobilisierungskraft betont werden, die sich mit einer konservativen Deutung von Krone und Gesellschaft ebenso wie mit den immer wieder auflebenden Warnungen vor Katholiken 287

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verband. Zugleich ist es wichtig hervorzuheben, dass solche Positionen noch nach 1815 und lange vor 1860 von einer großen Zahl plebejischer Engländer enthusiastisch begrüßt und leidenschaftlich unterstützt wurden. Die loyalistische Welle der 1790er Jahre brach um 1815 trotz einer massiven radikalen Protestbewegung nicht ein, und die konservativen Wahlerfolge nach 1867 waren kein neuartiges Produkt veränderter sozialer und politischer Strukturen am Ende des 19. Jahrhunderts.4 Anders als weite Teile der Forschung entlang der Linien zeitgenössischer Kritiker der Konservativen annehmen, war ein „conservative working man“ zu keinem Zeitpunkt „the strangest creature imaginable“.5 Darüber hinaus war die Unterstützung konservativer Politiker durch soziale Gruppen aus den Unterschichten weder eine Folge von pragmatischtaktischen Entscheidungen noch eine Konsequenz sozialmanipulativer Einflüsse, die plebejische Gruppen durch ideologische Propaganda „von oben“ ins konservative Lager geführt hätten. Im fünften Kapitel konnte detailliert gezeigt werden, dass die gängige Interpretation, im Grunde radikale Arbeitergruppen hätten in den 1830er und 1840er Jahren vor allem jene Tories unterstützt, die sich zu Fürsprechern der Fabrikbewegung und des Protests gegen das neue Armenrecht machten, der komplexen Zusammensetzung der sozialen Protestbewegungen und dem heterogenen Charakter der politischen Ideenwelt ihrer plebejischen Akteure nicht annähernd gerecht wird. Ähnlich wurde an zahlreichen Stellen der Arbeit deutlich, dass bürgerliche und aristokratische Politiker im konservativen Lager häufig auf Stimmungen unter plebejischen Anhängern reagierten, insbesondere etwa, wenn konservative und liberale Redner um die größere Nähe zur Krone wetteiferten und versuchten, mit ihrer Deutung der Monarchie die Stimmung in ihrem Wahlkreis oder von versammelten Volksmengen an Festtagen zu treffen. Bisweilen folgten politische Kampagnen wie zum Beispiel die massiv von bürgerlichen konservativen Kreisen unterstützten Proteste gegen die „Papal Aggression“ von 1851 spontanen Initiativen „von unten“, die sich etablierter Formen antikatholischer Rituale bedient hatten und so eine steuernde Reaktion lokaler Eliten erzwangen. Auch innerhalb der Organisationen im Umfeld der Konservativen Partei gab es wiederholt plebejische Initiativen gegen örtliche Führungspersonen und intensive Auseinandersetzungen, die nicht auf eine passive, manipulierte oder gar gezwungene Gefolgschaft in den Vereinen 4 Dies gilt mit einer wichtigen Ausnahme: Der patriotisch-nationale Diskurs des populären Konservatismus beschäftigte sich vor 1867 so gut wie gar nicht mit kolonialen Aspekten oder dem Empire, während Englands Rolle als Kolonialmacht nach 1870 zu einem wesentlichen Faktor konservativer Rhetorik wurde. Vgl. Cunningham, Jingoism, ders., Language, ders., Conservative Party, MacKenzie, Propaganda and Empire, MacDonald, Languages of Empire und Shannon, Age of Salisbury. In gewisser Hinsicht war das Fehlen kolonialer Bezüge im frühen 19. Jahrhundert und noch in den 1850er Jahren die größte Überraschung, die sich im Rahmen der Untersuchungen dieser Arbeit ergab. 5 Vgl. N. Kirk, Change, Continuity and Class, S. 97.

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hindeuten. Abstimmungs-, Aushandlungs- und Mobilisierungsmechanismen wirkten auf vielfältige Weise zwischen sozialen Eliten und plebejischen Aktiven – in mancher Hinsicht trugen derartige Prozesse dabei Züge eines „Konservatismus von unten“. Die Betonung dieser Aspekte und der grundsätzlichen Verbreitung konservativer Vorstellungen in den englischen Unterschichten darf am Ende jedoch nicht dazu verleiten, die lange Tradition des populären Konservatismus in England zu stark gegenüber reformorientierten Politikansätzen hervorzuheben. Konservative Positionen konnten in politischen Konflikten zwar stets eine nennenswerte Minderheit innerhalb der Unterschichten mobilisieren; darüber hinaus gelang es konservativen Politikern und ihren Anhängern gelegentlich, mit Hilfe breiter Unterstützung aus allen sozialen Schichten punktuelle Erfolge zu erzielen. In der Regel sahen sich plebejische Konservative in parteipolitischen Auseinandersetzungen aber dennoch einer klaren Mehrheit von Reformern und Radikalen, Chartisten und Gewerkschaftlern gegenüber, mit denen sie um das richtige Verständnis der englischen Gesellschaft und ihrer Strukturen kämpften. Der Verweis auf populäre konservative Aspekte der politischen Kultur auf der Ebene der Popular Politics führt daher nicht zu einer Interpretation, welche die englischen Unterschichten als konservativ betrachtet oder den inhärenten Konservatismus des englischen Charakters hervorhebt. Stattdessen verbindet er sich mit der Betonung der Vielschichtigkeit der politischen Identitätsbildung plebejischer Akteure. Eines der interessantesten Ergebnisse der Analyse sozialer und politischer Konflikte im Rahmen dieser Arbeit war die Beobachtung, dass im Spannungsfeld komplexer Debatten eine klare, widerspruchsfreie politische Position individueller Akteure eher die Ausnahme war. Zwar fanden sich in den politischen Konflikten auf allen Seiten stets plebejische Akteure, die über lange Zeiträume konsistent einem politischen Lager angehörten und dessen Positionen programmatisch artikulieren und vertreten konnten – in der Praxis der politischen Mobilisierung waren solche „Aktivisten“ sowohl im konservativen wie im liberal-radikalen Lager aber eher eine Minderheit, die sich auf die Führungszirkel in ohnehin kleinen politischen Vereinen beschränkte.6 Häufig lassen sich dagegen Akteure beschreiben, die zwar in politische Auseinandersetzungen eingriffen, an Demonstrationen wie Feiern teilnahmen und ihre Meinung für oder gegen bestimmte Positionen, Kandidaten oder Parteien äußerten, sich gleichzeitig aber wechselnd an konservativen und radikalen Vorstellungen orientierten und entsprechend das politische Lager wechseln konnten.7 Obwohl sie kein konsistentes Verhalten zeigten, waren sie mit ihren eher heterogenen politischen Identitäten und Vorstellungen häufig ausschlaggebend für den Ausgang einer bestimmten Konfron6 Für ähnliche Beobachtungen am Beispiel der Chartisten vgl. R. Hall, United People?. 7 Nur selten werden derartige Identitätskonflikte und der Wechsel von politischen Positionen reflektiert. Eine Ausnahme stellt R. Allen, Battle for the Common dar.

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tation und provozierten zudem häufige zeitgenössische Kommentare über sich wandelnde Stimmungen, Parteiwechsel oder Erfolge durch die Rekrutierung vermeintlicher politischer Gegner. Plebejische Identitäten wurden von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren beeinflusst, ohne dass widersprüchliche Aspekte sich gegenseitig ausschließen mussten. Lokalpatriotismus und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Gruppe, ein spezifisches Berufsethos und der Zusammenhalt, den eine Belegschaft oder die Arbeit für einen besonderen Arbeitgeber bieten konnte, ethnische Differenzen und Familientraditionen, die unter Umständen auch nach der Migration in die explosionsartig wachsenden Städte noch auf ländliche Lebenswelten verwiesen – solche und zahlreiche andere Aspekte mischten sich mit den Identitätsangeboten politischer Gruppen und wirkten auf Akteure ein, die ihre Entscheidung zum aktiven Eingreifen in Konflikte oft kurzfristig und stark situationsgebunden trafen. Entsprechend müssen sozio-ökonomische Parameter zwar einbezogen werden, wenn die in dieser Arbeit immer wieder hervorgehobenen Konjunkturen verschiedener politischer Positionen und wechselnde Mobilisierungswellen für oder gegen bestimmte Reformen oder Entscheidungen erklärt werden sollen; letztlich lassen sich derartige Entwicklungen aber nur verstehen, wenn die heterogenen sprachlichen und rituell-symbolisch vermittelten Deutungsmuster, die an plebejische Akteure von allen Seiten herangetragen wurden, in die Interpretation ihres politischen Handelns einbezogen werden. Hier zeigt sich die relative Autonomie der politischen Kommunikation, die eingangs dieser Studie betont wurde: Sie ermöglichte, immer wieder neu vermeintlich widersprüchliche Identitäten und Interessen kurzfristig zu bündeln, um politische Mobilisierungseffekte zu erzielen und konkrete Handlungszusammenhänge über soziale, religiöse und regionale Gegensätze hinweg zu schaffen. Aus den Ergebnissen der Studien dieser Arbeit folgt daher in erster Linie die Forderung, die Interpretation der Konflikte auf der Ebene der Popular Politics um eine konservative Dimension zu erweitern. Die populäre Tradition des Konservatismus und die langen Traditionslinien des englischen Radikalismus bildeten gewissermaßen die Pole eines breiten Spektrums von Angeboten zur politischen Meinungsbildung. Plebejische Akteure bewegten sich im politischen Raum zwischen diesen Extremen und verharrten nicht statisch auf ihren Positionen; nicht zuletzt deshalb ist es auch unmöglich, die Unterstützung für konservative oder radikale Vorstellungen befriedigend zu quantifizieren. Gerade in der herausragenden Multidimensionalität des politischen Raums in England liegt schließlich vielleicht der wichtigste Ansatz zur Erklärung der im europäischen Vergleich auffälligen Stabilität der englischen Gesellschaft.8 8 Zu einer ähnlichen Beurteilung der besonderen Rolle der politischen Öffentlichkeit für die „singuläre Integrations- und Reformfähigkeit“ des politischen Systems Englands kommt Wirsching, Parlament (Zitat: S. 12).

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Der populäre Konservatismus allein kann die Vermeidung einer revolutionären Umgestaltung in England nicht erklären, denn auch für andere europäische Länder sind loyalistisch-religiös geprägte Mobilisierungen breiter Bevölkerungsteile lange vor 1870 beschrieben worden, die allerdings bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts als relativ kurzlebige gegenrevolutionäre Bewegungen erscheinen. Als klassisches Beispiel kann der Aufstand der Vende in Frankreich von 1793 gelten; zudem ist der Erfolg von Louis Napoleon Bonaparte bei den nachrevolutionären Präsidentschaftswahlen im Dezember 1848 als Beleg für ein populäres Misstrauensvotum gegen Republik und Revolution durch Bauern, Kleinbauern und Teile der Arbeiterschaft gewertet worden.9 Auch aus Deutschland sind loyalistisch-religiöse Bewegungen zur Abwehr revolutionärer Bestrebungen bekannt; plebejische Thron- und Altar-Unruhen „von unten“ etwa spielten bei der Niederschlagung der Revolution von 1848 in Preußen eine nicht unbedeutende Rolle, und im Zusammenhang mit gegenrevolutionären Bestrebungen preußischer Konservativer kam es zu zahlreichen patriotisch-konservativen Vereinsgründungen, die bisweilen auch Mitglieder aus untersten sozialen Schichten für antirevolutionäre Ziele mobilisieren konnten.10 Eine grundlegende Analyse solcher Phänomene sowie ihrer Voraussetzungen im europäischen Vergleich und insbesondere die Untersuchung der Frage, inwieweit auch hier „lange Traditionen“ konservativer Mobilisierung vorliegen, muss freilich weiteren Forschungen vorbehalten bleiben. Für die Ausprägung einer langen konservativen Tradition, wie sie in dieser Arbeit beschrieben wurde, erscheint die englische Konfiguration des politischen Raumes jedoch besonders günstig. Konservative wie Radikale akzeptierten die zentrale Rolle des Parlaments und maßen einer breiten Öffentlichkeit grundsätzlich eine wichtige Funktion bei der Entscheidung politischer Konflikte zu. In den Auseinandersetzungen um die Verfassung wurde nicht um die Einführung neuer Institutionen oder Leitbegriffe gestritten, sondern um die Ausgestaltung bestehender Elemente oder die richtige Interpretation von lagerübergreifend akzeptierten Strukturen der englischen Gesellschaft. Im Kampf um die Bedeutung von Patriotismus und Freiheit, Monarchie und Protestantismus oder sozialer Gerechtigkeit und moralischem Anstand kämpften Konservative und Radikale allzu oft darum, wer die grundsätzlich richtige Verfassung verteidigt und wer sie bedroht oder gar zerstört. Ihr Vo9 Vgl. für einen knappen Überblick zum Aufstand in der Vende Reichardt, Blut der Freiheit, S. 45. Für die Einschätzung der Wahl vom Dezember 1848 und erste Überlegungen zur europäischen Dimension der konservativen Reaktion von 1848 vgl. Schwentker, Europäischer Konservativismus. 10 Vgl. vor allem Gailus, Straße und Brot, S. 129 ff. und Kap. 6, ders., Revolution, S. 1039 und Hachtmann, Berlin 1848, bes. S. 691 ff; zu den preußischen Vereinsgründungen Schwentker, Konservative Vereine und Wettengel, Parteibildung, S. 715. Für weitere Beispiele aus Bayern und Baden aus dem Umfeld der 1848er Revolution vgl. Harris, Rethinking und bereits Gall, Liberalismus, Kap. III.

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kabular klang dabei ähnlich und begünstigte den relativ schnellen Wechsel von der einen Seite zur anderen; zugleich ließ die gemeinsame Verfassungsrhetorik den grundsätzlichen Ausschluss bestimmter sozialer Gruppen aus der politischen Kommunikation kaum zu. Gerade die frühe Ausprägung pluralistischer Strukturen erschwerte aber eine dauerhafte politische Mobilisierung durch das eine wie das andere Lager und machte es insbesondere unmöglich, eine hohe Zahl von Akteuren einseitig und kontinuierlich zu radikalisieren. Vor diesem Hintergrund bietet die Untersuchung des lange vernachlässigten populären Konservatismus einen neuen Zugang zum Verständnis der englischen politischen Kultur im 19. Jahrhundert.

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Quellen- und Literaturverzeichnis Aufgenommen wurden alle zitierten Arbeiten und (insbesondere lokalhistorische) Studien, die für die Arbeit und das Verständnis von Quellen aus lokalen Zusammenhängen von Bedeutung waren. Um eine erhebliche Erweiterung der Anmerkungen im Text zu vermeiden, wurden derartige Studien nur in besonderen Fällen in den Fußnoten erwähnt; da sie aber häufig schwer zu finden sind, werden sie hier angegeben.

1. Archivalien Bishopsgate Institute, London Reports of Conservative Associations 1867 und 1868 (HC POL Part car.). Bolton Local Studies Library – Bolton City Council Records: Bolton Council Minutes 1838 – 1974 (AB 1 / 1). Police Committee Minute Books 1839 – 1859 (AB 24 / 1 / 1 – 4). Bolton Board of Guardians (GBO / 1). Guardians Minute Books (GBO 1 / 1 – 4). Prosecution and Police Societies (FP 1 / 5). Prosecution and Police Societies (FP 2 / 2). – Sammlungen von Wahlplakaten und Flugblättern: Miscellaneous Collection of Handbills, Mostly Relating to Local Politics and Affairs (ZZ 130). Cuttings Books (Material on Elections, Theatres, Churches etc.) (ZZ 360). – Heywood Papers (ZHE). Bradford Archive, West Yorkshire Archive Service Bradford Operative Conservative Society : Minute Book (Deed Box 4, Case 1, Nr. 3). Bradford Operative Conservative Society : Rules and Regulations. Bradford 1837. (Deed Box 16, Case 22, Nr. 24). Election Posters: 1830er Jahre – 1847. (Deed Box 3, Case 50). Election Material (Deed Box 13). – Matthew Balme Collection: Deed Box 4, Case 9: Korrespondenz. Deed Box 27: Pamphlete.

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British Library Peel Papers, Add 40418, Add 40616. Herries Papers, Add. 57371. Goldsmiths’ Library of Economic History, University of London Richard Oastler Collection of Pamphlets, Newscuttings, Letters etc. (1818 – 1849) Huddersfield Archive (Kirklees), West Yorkshire Archive Service – Sammlungen von Wahlplakaten, Flugschriften etc: Tomlinson Collection of Pamphlets, Election Posters etc. (KC 174). Huddersfield Election Posters (KC 380). Leeds City Archive, West Yorkshire Archive Service – Parish Records of St. Peter, Leeds: Vestry Minute Book (RDP 68 / 36 – 40). Churchwardens’ Minutes 1853 – 1854 (RDP 68 / 41 / 26). Bells and Bellringers (RDP 68 / 58). – Sammlungen zu Wahlen in Leeds: Leeds Local Affairs (WYL 163). West Riding Election Posters 1867 (WYL 454). Leeds Civic Hall Leeds City Council Minutes (Bde. 4 – 13: 1835 – 1868). Thoresby Society Library, Leeds – Sammlungen von Flugblättern, Wahlplakaten zu Wahlen in Leeds: Representation of Leeds 1832 – 1838 (SA 2). Election Materials Leeds (22 C1). National Archives (ehemals Public Record Office Kew) – Home Office Papers: HO 40 Disturbance Correspondence (40/1 – 40/23). HO 41 Disturbance Entry Books (41/5 – 41/7). HO 44 Domestic Correspondence (44/1 – 44/49). HO 45 Registered Papers (45/41; 45/43; 45/46; 45/53; 45/93; 45/102; 45/252; 45/268; 45/2793; 45/3140; 45/ 3472: 1 – 13; 45/3472: J, K, M, P, Q – V; 45/3783; 45/4085 F, O, K; 45/4195; 45/5128 C, N, M, W, V; 45/6751; 45/7324; 45/7326; 45/7443).

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2. Veröffentlichungen des Parlaments (Parliamentary Papers) The Parliamentary Debates, zitiert als Hansard, 1. Serie, London 1803 – 1820; 2. Serie London 1820 – 1830. Parliamentary Papers, Select Committee Report on the Origin, Nature and Extent of Orange Institutions in Great Britain and the Colonies, with Minutes of Evidence, Appendix and Index, London 1935.

3. Zeitungen und Magazine The Bee Hive. Blackwood’s Edinburgh Magazine. Bolton Chronicle. Bolton Express and Lancashire Advertiser. Bolton Free Press. Brighton Herald, or Sussex, Surrey, Hampshire and Kent Advertiser. The Brighton Patriot. The South of England Free Press. Cobbett’s Weekly Register. Cowdroy’s Manchester Gazette and Weekly Advertiser. East London Observer and Tower Hamlets Chronicle. The Eastern Times and Tower Hamlets Gazette. Halifax Guardian, and Huddersfield and Bradford Advertiser. The Home. Huddersfield and Holmfirth Examiner and West Riding Reporter. John Bull. Kidderminster Messenger, and Bewdley, Bridgnorth, Bromsgrove, Droitwich, Dudley, Ludlow, Stourbridge, Stourport, and Tenbury Gazette. Leeds Conservative Journal. Leeds Intelligencer. Leeds Mercury. Liverpool Mercury. Lloyd’s Weekly London Newspaper. Manchester Courier. Manchester Observer. Metropolitan Conservative Journal. Northern Star. Observer. The Penny Protestant Operative. Reynold’s Newspaper. A Weekly Jounral of Politics, History, Literature, and General Intelligence.

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Register 1. Namen Adelaide von Sachsen-Meiningen (Königin) 99, 125n. Allen, Hugh 209, 211, 216 Arrowsmith, Peter Rothwell 267 Arrundel, W. A. H. 270 Ashley Cooper, Anthony (Lord Ashley, Earl of Shaftesbury) 221, 224 Ashworth (Familie) 267n. Auty, Squire 206f., 228

Brown, Callum G. 26 Bull, George Stringer (Rev.) 95n., 228, 232, 234f., 241 Burdett, Francis (Sir) 98, 119, 120n., 142 Burke, Edmund 30, 33, 285 Busfeild, William (später Busfeild Ferrand) 106, 207, 246, 249, 257, 260

Baines, Edward (sr.) 64, 99, 113, 154, 160, 161n., 250, 271, 274 Baines, Matthew Talbot 123 Balme, Matthew 228, 241 Bateman, Josiah (Rev.) 235 Beckett, John (Sir) 92, 105, 109f., 258 Beckett, William 92n, 105, 121, 250f. Beecroft, George Skirrow 123, 124n. Belchem, John 23–25 Bentham, Jeremy 225 Bethall, Richard 148 Bligh, Edward (Lord Darnley) 134 Bolling, William 105–107, 122, 170, 228f., 250f. Bonaparte, Louis Napoleon (Kaiser Napoleon III.) 181, 291 Bonham, Francis R. 85, 89n. Booth, Alan 18 Booth, Richard 170n., 203 Bourdieu, Pierre 37, 39 Bowen, John 258 Brayshaw (Mr.) 64 Bridgeman (Familie) 150n. Brook, James 227n. Bront, Patrick 236

Calvert, Charles 149 Canetti, Elias 54n., 79 Cannadine, David 56f., 74n., 116n. Canning, George 141 Caroline von Ansbach (Königin) 57, 59, 61f., 64f., 70–74, 143–145, 178, 279f. Chylinski (Mr.) 204, 205n. Clark, J. C. D. 138 Cobbett, William 135–137 Cobden, Richard 248 Colley, Linda 56f., 79, 137–139, 151f., 169 Copleston, Edward (Bishop of Llandaff) 157, 176n. Crabtree, Joseph 233, 241 Cressy, David 179 Curtis, Lewis P. 185 Dahrendorf, Ralph 12 Dickens, Charles 102, 210 Dickinson, Harry 17 Dinwiddy, John 18 Disraeli, Benjamin (später Earl of Beaconsfield) 20, 32, 285

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Dobson (Familie) 267 Doherty, John 241 Driver, Cecil 221 Duncombe, William 146 Durkheim, mile 55

Graham, John (Sir) 257 Gray, Robert 15, 221f., 231, 240–242 Gregg, T. D. (Rev.) 204 Grey, Charles (Lord Grey) 27, 68, 175 Guicciardini, Piero 204

Eastwood, David 18 Edwards, Henry 107 Egerton (Familie) 150n. Egerton, Francis (Lord Egerton, später Earl Ellesmere) 267 Ellice, Edward 245 Engels, Friedrich 20 Entwistle, John 108, 122n. Epstein, James 15, 23–25 Ernst August (Herzog von Cumberland, später König von Hannover) 134, 199

Hall, Henry 147, 153f., 156, 163 Hall, Robert 92n., 123, 124n., 228 Halliwell, Philip 230, 241 Hardwick (Mr.) 193 Hardy, John 246f. Harling, Philip 16, 19n. Harper, Edward 214 Harrison, Brian 271 Harrison, Mark 52–55, 58n., 59, 61n., 62, 65f., 68–70, 77 Hay, William 65 Hellmuth, Eckhard 17 Hernaman, John 161n. Heywood, Robert 90n., 184, 219, 261n., 266 Hirst, George 163 Hobhouse, John 223 Hobsbawm, Eric 12n., 54, 270n. Hodgson, William (Rev.) 236 Hook, Walter Farquhar (Rev.) 165, 235 Hughes, Tom 212 Hulton, William Ford 219, 255, 267 Hunt, Henry 135, 143n., 145, 229 Hunter, Adam (Dr.) 274

Fairman, W. B. (Colonel) 202f. Fielden, John 238, 247, 248n., 252 Finch-Hatton, George (Earl of Winchelsea) 134, 151f. Fitzroy, Henry 117 Fletcher, Ralph 59, 60f.n., 150, 229 Foster, John 228 Franks, James (Rev.) 235 Fraser, Derek 112n., 158f., 164f.n. Galland, T. (Rev.) 162 Gallenga, Antonio 204 Garibaldi, Guiseppe 204 Garnett, William 246f. Gavazzi, Allessandro 204, 207f. Geertz, Clifford 39, 55 Georg III. (König) 51, 56, 58n., 59, 63f., 79, 141, 287 Georg IV. (König) 51–53, 56, 57n., 59, 62, 64–68, 71, 73, 75f., 79, 142–144, 152f., 268, 279 Giles (Rev.) 163 Gilley, Sheridan 185, 195 Gleadle, Kathrin 13n., 279 Gott, Benjamin 274

Jocelyn, Robert (Lord Jocelyn) 105 Joyce, Patrick 13, 15f., 21n., 24f., 38, 91, 240f., 264f. Kenyon, George (Lord Kenyon) 134, 152, 199 Kenyon, Henry jr. 87n. King, Bryan (Rev.) 209–214, 216 Kirk, Neville 12n., 15f., 51n., 90n., 169 Knatchbull, Edward (Sir) 134 Knowles (Familie) 267 Knowles, John 219

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Laqueur, Walter 72 Lawrence, Jon 7, 12f.n., 21, 85n., 264f., 278 Leader, J. Temple 111 Le Bon, Gustav 54 Leech, John 227n. Lewis, Brian 90f.n., 158 Lipset, Seymour 12 Jenkinson, Robert (Lord Liverpool) 51, 141 Lowder, Charles 210f. Lyon, Eileen Groth 221

O’Brien, James Bronterre 238f. O’Connell, Daniel 98, 134, 155n., 170, 185, 246, 282 O’Connor, Feargus 203f., 221, 238f., 241, 247, 251 O’Gorman, Frank 7, 30n., 78, 85n. O’Sullivan, Mortimer 166 Oastler, Richard 22, 45, 92n., 106, 113, 162, 164, 168, 207, 219–222, 224, 226f., 229–232, 234–236, 238f., 241, 245–247, 250, 252, 256–258, 260 Oglesby, Richard 236

Majochi, Theodore 178 Malthus, Thomas Robert 225 Mann (Mr.) 64 Markland, Ralph 202 Martin, William 247 Marx, Karl 20 Mason (Mr.) 64 Massena, Giacinto 205 Mayhew, Henry 183n., 191n., 195 McMenemy, Patrick 205 McNeile, Hugh 166, 192, 203 Lamb, William (Lord Melbourne) 81, 163 Mergel, Thomas 39 Metz, Karl Heinz 221 Miles, Andrew 15, 35n. Mills, John Remington 122, 124n. Millward, Pauline 197 Milnes, Edward 276 Moore, Kevin 169 More, Hannah 128, 287 Mulgrave, James 162 Murphy, William 204f. Musgrave, John 267

Paine, Thomas 17, 23, 78, 237, 241 Temple, Henry John (Lord Palmerston) 123, 127 Paul, William 92n., 95, 99, 101n., 128, 276f., 284 Paz, Denis 169, 176f., 183, 185, 188f., 191f., 197, 205 Pedersen, Susan 15 Peel, Robert (Sir) 27, 32, 81, 82n., 85, 89n., 98, 104, 107, 117n., 121–123, 134, 152f., 171f., 234, 255, 257f., 260f. Percy, Algernon (Earl of Northumberland) 285 Perring, Robert 92n., 161–164, 228 Phillips, Paul 158 Philp, Mark 16n., 18, 145 Pitt, William (der Jüngere) 141, 144 Pius IX. (Papst) 186 Plumtree (Mr.) 136 Polhill (Mr.) 149 Power, Alfred 252 Pratt, John Jeffreys (Lord Camden) 134 Pusey, Edward 187, 214, 216

Neal, Frank 194, 200 Needham, Richard 230 Norman, Edward 209

Richardson, Cavie 89n., 92n., 162f., 228, 236n., 241 Ridgway, Joseph 91, 121n., 267 Ridgway, Thomas 255 Roberts, David 221, 261n.

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Roby, John 170 Rogers, Nicholas 78 Rohe, Karl 37, 38n. Rous, Henry John (Captain) 249 Rud, George 54 Rand, John 272 Russell, John (Lord Russell) 98, 186f.

Temple-Grenville, Richard (Marquess of Chandos) 270 Teodor, John Victor 204, 205n. Thompson, Edward 11f., 13n., 15, 17f.n., 23, 24–26n, 36n., 51n., 54, 237 Thornhill, Thomas 260 Torrens, Robert (Colonel) 111

Sadler, Michael 106, 107n., 160f., 221, 222n., 224, 231f., 235, 241, 244, 247 Salt, Titus 265n. Savage, Mike 15, 35n. Senior, Hereward 200 Shea (Mr.) 135 Sheil, Richard Lalor 135 Slade, James (Rev.) 59, 60f.n., 81f., 166, 184, 272, 275 Smith, Phillip 209 Smith-Stanley, Edward (Lord Stanley, später Earl of Derby) 121, 123n., 196, 198, 285f. Sowler, R. S. 90 Stanleys (Familie) 150n. Stedman Jones, Gareth 13, 23, 38 Steinberg, Marc 15 Stephens, Joseph Raynor 22, 219–222, 232–234, 238f., 241, 244f., 247, 257, 260 Stevenson, John 71n., 72, 74n. Storch, Robert 176, 182 Stowell, Hugh 166, 207, 246, 271 Sturge, Joseph 233, 247

Vernon, James 13, 15f., 24n., 25, 38, 58n., 101f.n., 104 Viktoria (Königin) 57, 58n., 81f., 99f., 105, 109n., 111, 113–116, 124f., 127n., 220

Tait, Archibald Campbell (Bishop of London, später Archbishop of Canterbury) 211 Taylor, John 272 Taylor, Peter 158, 265, 267 Taylor, Ralph 228 Tempest (Colonel) 104f.

Wahrman, Dror 13 Walsh, David 22, 23n., 83, 86n., 88–90n., 169, 201n. Walter, John 247 Wards, John Traver 221 Weaver, Stuart 221, 231, 237 Weber, Max 12 Wellesley, Arthur (Herzog von Wellington) 68, 98, 134, 138, 150, 152, 155, 171, 181, 258, 260 Wentworth-Fitzwilliam, Charles (Earl of Fitzwilliam) 268 Wesley, John 161n. White, J. E. (Rev.) 204 White, Richard 282 Wilhelm III. (König) 181, 201n. Wilkins, Charles 89n., 281 Wilhelm IV. (König) 53, 57, 68f., 76f., 99f., 101n., 112f., 115, 125n. Wilson, Richard Fountayne 146f. Wiseman, Nicholas (Kardinal, Bishop of Westminster) 186f., 188 Wolffe, John 137, 139n., 167–169 Wood, James 244 Wood, Joseph (Captain) 238 Wortley, James Stuart 107, 147, 148n.

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2. Orte Allgemeine Hinweise auf Bolton, Leeds und London sowie die Grafschaften Lancashire und Yorkshire (einschließlich des West Ridings) wurden aufgrund der Häufigkeit der Nennung im Text nicht erfasst. Erwähnungen von Orts- und Stadtteilen in den Städten werden unter den Städtenamen aufgeführt. Ascot 75, 77 Ashton under Lyne 89n., 195, 244 Barnsley 89n., 170n., 233, 276 Birkenhead 192f. Birmingham 41f., 89, 159, 190 Blackburn 86f.n., 89n., 101n., 195 Blackrod 89n. Bolton – Horwich 89n., 91, 101n., 121n., 255 – Atherton 89n., 121f.n. Bradford 41, 60, 84, 88–90n., 99, 103n., 106, 107n., 111n., 190, 200, 205–207, 227f., 244n., 246f., 252, 254n., 257, 261n., 263, 265n., 272, 282 Brighton 52n. Bristol 52f., 58f.n., 61, 69, 141, 154 Bury 89n., 253, 261n. Chadderton 89n. Cambridge 176 Cheltenham 192 Cheshire 270n. Chorley 89n., 101n., 165 Cork 89n., 282 Cornwall 109n., 141 Cumbria 194 Darwen 89n. Daventry 188 Devon 40, 118, 270 Dewsbury 252, 254n. Dover 188 Edinburgh 88f.n., 194 Exeter 40, 154, 178, 183, 188f.

Glasgow 89n., 177 Guildford 176, 178, 188 Halifax 41, 62, 66n., 69, 107, 110f.n., 125n., 142n., 200, 254n., 274n. Hastings 178 Haworth 236 Hereford 188 Hichford 270n. Holyhead 195 Huddersfield 41, 62f., 66n., 89n., 92n., 103n., 106, 111n., 113, 120, 142n., 164, 175f., 178, 180, 183, 200, 202, 226f., 230, 235f., 238, 241, 244–246, 252, 261n., 268n. Hulme 195 Irland 28, 40, 89, 98, 133f., 136, 139–141, 146, 171, 183–187, 191, 194, 201f., 208, 210 Isle of Sheppey 40, 195, 270n. Keighley 227 Kent 40, 133f., 136f., 141, 250, 253f., 195 Kettering 188f. Kidderminster 88n., 89, 90n., 201n. Knaresborough 249 Leeds – Pudsey 92n., 94f., 97, 206, 257, 259, 276, 277n. – Kirkstall 100, 160, 161n. Lees 89n. Lewes 117, 176, 178, 263

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Limerick 89n. Liverpool 40, 52n., 53, 58f.n., 61, 64, 69, 85, 89n., 120, 126n., 153, 159, 166f., 169, 177, 188, 192, 194f., 206, 274n. London – Chelsea 167n. – City of London 40n., 71, 107, 111n., 116, 118, 149, 167n., 189 – Clapham 187, 191 – Croydon 191 – East End 179, 209f., 213–216 – Finsbury 40n., 197, 111n., 167n. – Greenwich 40n., 189, 191 – Lambeth 40n., 111n., 167n., 249 – Marylebone 40n., 167n., 171n. – Pimlico 193 – Southwark 40n., 117n., 143n., 148, 149, 167, 187, 249 – Spitalfields 167n., 268 – Tower Hamlets 40n., 107, 119n., 126n., 167, 213, 249 – Westminster 27, 40n., 71, 73, 76, 90, 107, 111, 118f., 120n., 134, 142n., 143, 150, 167n., 186, 189, 196, 209, 216n., 219, 222, 224, 235, 249, 257 – Woolwich 125, 191 Maidstone 133, 135 Manchester 40f., 51–53, 58f.n., 62–64, 71f., 85,88f.n., 120, 153, 159, 193, 195, 200, 206f., 246, 248, 256f. Maynooth 168, 172, 191 Middlesex 40n., 270n. Middleton 89n. Midlands 89, 204 Newark 106, 161 Northampton Town 188 Northamptonshire 40, 176, 188f. Norwich 53, 58f.n.

Oldham 89n., 165, 195, 206n., 247, 248n., 252 Österreich 207 Pilkington 88f.n. Preston 89n., 195, 261n. Preußen 291 Richmond 188 Ripon 89n. Rochdale 89n., 195, 283 Rom 96, 186, 190 Salford 52, 88f.n., 101n., 120, 153, 165–167, 201, 207, 246, 254, 261n., 271 Schottland 17n., 40, 58n., 89, 126 Sheffield 42, 89n., 204 Shropshire 194 Staffordshire 153, 206 St. Helens 89n. Stockport 89n., 120, 195–198 Suffolk 270n. Surrey 270n. Sussex 40, 117f., 263, 269f.n., Tamworth 104 Todmorden 252 Uckfield 263, 265 USA 204 Wales 40, 126, 195 Wakefield 89n., 111n., 254n. Warrington 89n., 100n. Wigan 88f.n., 101n., 165, 195, 202f., 206 Wolverhampton 264 Worcester 40 York

40, 126n., 147f., 236n.

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3. Sachen Auf die Aufnahme von zentralen und sehr häufig verwendeten Begriffen wie „Konservatismus, konservativ“, „Loyalismus, loyalistisch“, „Patriotismus, patriotisch“, „Liberalismus, liberal“ und „Radikalismus, radikal“ wurde verzichtet. Kursive Seitenzahlen verweisen auf Stichworte, die sich mit ganzen Kapiteln bzw. Unterkapiteln überschneiden; Seitenangaben in Normalschrift verweisen auf weitere Erwähnungen. Anti-Kornzollliga (Anti-Corn Law League) 100, 120–122, 223, 248f., 256–261, 268, 270 Arbeitshaus (Work House)/Armenhaus 225f., 236–238, 242, 244, 251, 254f. Bedchamber Crisis (1839) 81f., 114, 117f. Birkenhead-Unruhen (Birkenhead Riots, 1850) 192f. Bull Baiting 278 Captain Swing-Unruhen (1830–1831) 270 Chartismus 10–16, 23, 36, 38, 41, 44, 55, 57, 83, 87, 90f., 110f., 117, 119f., 125, 165–168, 173, 184, 189f., 193, 197, 200, 203, 205f., 219–261, 280, 289 Cheltenham-Unruhen (Cheltenham Riots, 1850) 192f. Ecclesiastical Titels Act (1851) 187, 196 Enthaltsamkeitsbewegung (Temperance Movement) 263–267, 271f., 277f., 284–286 Fabrikbewegung (Factory Reform Movement) s.a. Oastler, Richard 22, 45, 83, 107, 110, 219–261, 280, 288 – Short Time Committees 92, 207, 219–224, 227–231, 238, 241

– Zehn-Stunden-Gesetz (Ten Hours Act, 1847) 219–243, 260 Familienideale s.a. Geschlechterrollen 28, 222, 239f., 270, 278–284, 290 Französische Revolutionskriege und Napoleonische Kriege (1793–1815) 9, 12, 18–20, 29, 42f., 51, 56, 68, 138, 140, 144, 146, 224, 270, 291 Frauenarbeit 219, 223, 239f., 260, 278–284 Freihandel 21f., 248, 257, 259–261 Freimaurer 199 Geschlechterrollen s.a.Familienideale 10, 13, 21f., 28, 35, 47, 222, 240, 263–284 Gewerkschaften (Trade Unions) 12, 63f., 69, 76, 87, 90, 203, 228f., 261, 265, 280, 289 Gordon-Unruhen (Gordon Riots, 1780) 138 Grafschaftsversammlung in Kent (Kent County Meeting, 1828) 133f., 135–138, 153f. Great Yorkshire Meeting (1837) 238f. Guy-Fawkes-Tag (Gunpowder Plot Day, 5. November) 46, 175, 178–198, 201–203, 205, 208, 278, 286 Industrialisierung 9, 11, 28, 31, 35, 41, 43, 219, 221, 223, 226

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Katholizismus – Antikatholizismus s.a. Loyalistische und antikatholische Vereine 27f., 60f., 67, 133–156, 166–173, 175–216, 235, 237, 244, 246, 266, 271, 282, 286–288 – Catholic Association s.a. O’Connell, Daniel 134–136 – Emanzipation der Katholiken (Catholic Emancipation) 28, 46, 60, 67, 70, 75, 121, 133–173, 178–199, 202, 234f., 271 – Wiederherstellung der englischen katholischen Hierarchie („Papal Aggression“, 1850) 46, 177f., 186–199, 204–206, 208, 213, 288 Kinderarbeit 22f., 47, 106f., 109, 162, 207, 219–243, 244, 247–249, 251 Kommunalpolitische Konflikte 156–169, 170 – um den Stadtrat 42f., 113–115, 157, 162, 165f., 256 – um die anglikanische Gemeindeversammlung (Vestry) 156–169, 180, 209–216, 235, 237f. – um Kirchenabgaben (Church Rates) 156–169, 172, 175, 235 – um die Wahl von Gemeindevorstehern (Church Wardens) 156–169, 212 – Kommunalwahlen 114, 122, 166 Kommunalreform (Municipal Corporation Act, 1835) 94, 112–114, 158, 162, 256 Konservative Parteigliederungen – Parteispitze 20, 85, 89, 119, 166, 170, 253, 258, 260, 286 – Tory Ultras 32, 61, 65, 133–138, 142f., 156, 183, 199, 234, 271 – Carlton Club 85f., 119 – lokale Wahlkreisorganisationen (Conservative Associations) 85–90, 119, 260 – konservative Arbeitervereine vor

1867 (Operative Conservative Associations) 22f., 83f., 84–99, 100–102, 108, 113f., 116–129, 150, 161–172, 181, 185, 198, 200f., 206f., 219, 228, 230, 235, 241, 246, 251, 253, 256–261, 266f., 276f., 281–284, 286f. – konservative Arbeitervereine nach 1867 (Conservative Working Men’s Associations) 122f., 129, 198, 203, 216, 287 – konservative Frauenvereine 278–284 – Primrose League 20, 22 Kornzölle und Protektionismus 100, 107f., 120–122, 223, 230, 248f., 256–261, 268, 270 Krimkrieg (1853–1857) 123–125, 127 Labour League 260 Landwirtschaftsvereine (Agricultural Societies) 269f. Loyalistische und antikatholische Vereine und Klubs s.a. Antikatholizismus – Reeves Association 17f., 128, 140, 287 – Pitt Clubs 63, 144 – Church and King-Club (Bolton) 150f. – Oranierorden 60–62, 67, 76, 134, 140, 150, 177–181, 192, 199–209, 214–216, 279, 283, 286f. – Brunswick Clubs/Associations 134, 150, 152, 155, 202 – Protestant Association 166f., 189, 191, 196 – Protestant Operative Associations 166–168, 207, 213 Maschinensturm/Luddismus 10, 41, 60, 63 Maynooth-Kontroverse (1845) 168, 172, 191 Mechanics’ Institutes 273–275

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Methodismus und methodistische Prediger 26, 92, 146, 161f., 232, 244, 272, 284 Militärische Freiwilligenbewegung – Freiwilligenbewegung (Volunteers vor 1815) 17f. – Freiwilligenbewegung (Volunteers 1815–1860) 65f., 82f. – Freiwilligenbewegung (Volunteers ab 1860) 125–127, 287 – Truppeninspektionen (Reviews) 66, 76, 124–126, 199f.

– radikaler 23–25, 34, 63, 71, 74, 83, 93, 104, 152, 237f. – konservativer 10, 16, 22, 24–26, 32f., 53f., 66, 70, 71, 72, 81–129, 136, 141, 151–154, 155f., 172f., 208, 223–243, 245, 248–251, 259, 266, 277f., 285–292 – protestantisch 10, 61, 138–156, 165, 168, 170f., 173, 230, 232, 237f.

Neues Armenrecht (New Poor Law, 1834) 83, 221–225, 232, 236, 246, 249, 252, 254–256 – Widerstand dagegen 22, 45, 83, 93, 221f., 223–258, 260, 270, 279, 288 – Verwaltungsbezirke (Poor Law Unions) 225, 251–255 – Konflikte unter Verwaltern (Poor Law Guardians) 251–256 Nonkonformisten (Dissenters) und nonkonformistische Milieus 10, 27, 42, 61, 133, 146, 150, 156–159, 161–165, 172, 187f., 190, 204, 212, 226, 233, 251, 254, 264f., 272f., 275f.

Respektabilität (Respectability) 12, 264, 266, 273, 276–280, 283f., 291 Ritualismus (Tractarianism) s.a. King, Bryan und Pusey, Edward 187, 193, 209–216

Paine, Thomas (Paine Burnings) 17, 78 Paternalismus 22, 32f., 91f., 220–222, 229, 231, 240–243, 249f., 260f., 263–278 Peterloo (1819) 51, 60, 62f., 71, 83, 145, 229, 267 Political Unions 90, 106, 119, 229, 241, 246 Populärer Konstitutionalismus (Popular Constitutionalism)

Queen Caroline-Affäre (1820/1) 57f., 59–70, 71–74, 143–145, 178, 279f.

Sklaverei/Abolitionismus 162, 223f., 233f. Stockport-Unruhen (Stockport Riots, 1852) 177, 195–198 St. Patrick’s Day 195, 204 Tory Democracy 20, 285 Tory Radicalism 22f., 26, 32, 106, 168, 219–261, 264 Wahlrechtsreform und Auseinandersetzungen darum – 1832 (Great Reform Act, Representation of the People Act) 33, 40, 59, 69, 76f., 82, 84–87, 94, 99, 104–108, 111f., 115, 119, 121, 139, 173, 175, 183, 223–256, 281 – 1867 (Second Reform Act, Representation of the People Act) 20, 32, 42, 123, 127f., 198, 265, 285–287

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Band 194: Jan Eike Dunkhase Werner Conze

Band 188: Aribert Reimann Dieter Kunzelmann

Band 193: Nina Verheyen Diskussionslust

Band 187: Christiane Eisenberg Englands Weg in die Marktgesellschaft

Ein deutscher Historiker im 20. Jahrhundert 2010. 378 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-37012-4

Eine Kulturgeschichte des »besseren Arguments« in Westdeutschland 2010. Ca. 384 Seiten mit 7 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-37014-8

Band 191: Jakob Zollmann Koloniale Herrschaft und ihre Grenzen Die Kolonialpolizei in Deutsch-Südwestafrika 1894–1915 2010. Ca. 400 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-37018-6

Band 190: Vera Hierholzer Nahrung nach Norm

Avantgardist, Protestler, Radikaler 2009. 392 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-37010-0

2009. 166 Seiten mit 5 Tab. und 12 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-37008-7

Band 186: Hedwig Richter Pietismus im Sozialismus

Die Herrnhuter Brüdergemeine in der DDR 2009. 400 Seiten mit 6 Diagrammen, gebunden ISBN 978-3-525-37007-0

Band 185: Heinrich Hartmann Organisation und Geschäft

Regulierung von Nahrungsmittelqualität in der Industrialisierung 1871–1914 2010. Ca. 400 Seiten mit ca. 4 Abb. und 5 Tab., gebunden. ISBN 978-3-525-37017-9

Unternehmensorganisation in Frankreich und Deutschland 1890–1914 2010. 372 Seiten mit 11 Abb., 17 Grafiken und 8 Tab., gebunden ISBN 978-3-525-37003-2

Band 189: Benno Gammerl Untertanen, Staatsbürger und Andere

Band 184: Simone Derix Bebilderte Politik

Der Umgang mit ethnischer Heterogenität im Britischen Weltreich und im Habsburgerreich 1867–1918 2010. 400 Seiten mit 9 Abb., 4 Diagramme, 7 Tab. und 5 Karten, gebunden ISBN 978-3-525-37011-7

Staatsbesuche in der Bundesrepublik Deutschland 1949–1990 2009. 400 Seiten mit 20 Abb., kartoniert ISBN 978-3-525-37005-6 Mehr unter www.v-r.de

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370094 — ISBN E-Book: 9783647370095

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Band 183: Niels P. Petersson Anarchie und Weltrecht

Band 178: Christine Schreiber Natürlich künstliche Befruchtung?

Das Deutsche Reich und die Institutionen der Weltwirtschaft 1890–1930 2009. 387 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-37006-3

Eine Geschichte der In-vitro-Fertilisation von 1878 bis 1950

Band 182: Volker Berghahn Industriegesellschaft und Kulturtransfer

Band 177: Susanne Michl Im Dienste des »Volkskörpers«

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen im 20. Jahrhundert 2010. 314 Seiten mit 2 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-37013-1

Band 181: Klaus Nathaus Organisierte Geselligkeit Deutsche und britische Vereine im 19. und 20. Jahrhundert 2009. 328 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-37002-5

Band 180: Kathrin Kollmeier Ordnung und Ausgrenzung Die Disziplinarpolitik der Hitler-Jugend 2007. 368 Seiten mit 1 Abb. und 20 Tab., kartoniert. ISBN 978-3-525-35158-1

Band 179: Malte Zierenberg Stadt der Schieber Der Berliner Schwarzmarkt 1939–1950 2008. 349 Seiten mit 8 Abb., 15 Schaubildern und 5 Karten, kartoniert ISBN 978-3-525-35111-6

2007. 288 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-35159-8

Deutsche und französische Ärzte im Ersten Weltkrieg 2007. 307 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-37000-1

Band 176: Peter Walkenhorst Nation – Volk – Rasse Radikaler Nationalismus im Deutschen Kaiserreich 1890–1914 2007. 400 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-35157-4

Band 175: Benjamin Ziemann Katholische Kirche und Sozialwissenschaften 1945–1975 2007. 396 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-35156-7

Band 174: Regula Argast Staatsbürgerschaft und Nation Ausschließung und Integration in der Schweiz 1848–1933 2007. 379 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-35155-0

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370094 — ISBN E-Book: 9783647370095