Kritik des Logischen Empirismus [1 ed.] 9783428454556, 9783428054558

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Kritik des Logischen Empirismus [1 ed.]
 9783428454556, 9783428054558

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B. TUSCHLING 1 M. RISCHMÜLLER

Kritik des Logischen Empirismus

Sozialwissenschaftliche Schriften Heft6

Kritik des Logischen Empirismus

Von

Prof. Dr. Burkhard Tuschling und

Marie Rischmüller

DUNCKER & HUMBLOT I

BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Tuschling, Burkhard: Kritik des Logischen Empirismus I von Burkhard Tuschling u. Marie Rischmüller. Berlin: Duncker und Humblot, 1983. (Sozialwissenschaftliche Schriften ; H. 6) ISBN 3-428-05455-5 NE: Rischmüller, Marie:; GT

Alle Rechte vorbehalten

@ 1983 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1983 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlln 65 Printed in Germany ISBN 3 428 05455 5

Vorbemerkung Der vorliegende Band soll die Identität der systematischen Grundannahmen in der Erscheinungsmannigfaltigkeit der verschiedenen Positionen und Versionen des Logischen Empirismus oder der Analytischen Wissenschaftstheorie sichtbar machen; - den Logischen Empirismus nicht, wie in vielen Einführungen in die Wissenschaftstheorie üblich, als ein fertiges oder doch jedenfalls der Vollendung fähiges systematisches Lehrgebäude, sondern als eine Abfolge logisch-empiristischer Systementwürfe vorstellen, die nicht zufälligerweise nicht zum Abschluß gekommen sind, sondern kraft ihrer systematischen Grundannahmen nicht zum Abschluß kommen konnten;

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den Maßstab der- angesichts der aporetischen Situation der Analytischen Wissenschaftstheorie unerläßlichen - Kritik aus ihr selbst entwickeln, indem a) die Widersprüchlichkeit der Grunddogmen des Logischen Empirismus als der wesentliche Grund seines Scheiterns gezeigt wird; und b) von Vertretern der Analytischen Wissenschaftstheorie selbst entwikkelte, zu unrecht vergessene Argumente der Kritik und Selbstkritik in Erinnerung gerufen werden; den vor allem seit Kuhn und der sog. Kuhn-Popper-Feyerabend-(Lakatos-)Debatte unter dem Stichwort "Theoriendynamik" in Mode gekommenen "Historie Turn" - die Hinwendung zur Wissenschaftsgeschichte als seinerseits zum Scheitern verurteilten Versuch, den Schwierigkeiten des Logischen Empirismus zu entgehen, sichtbar machen1 •

Unsere ursprüngliche Absicht, eine Einführung für Studienanfänger zu schreiben, haben wir aufgegeben. Denn die Rücksichtnahme auf deren besondere Bedürfnisse hätte den Verzicht auf Argumentationen und Auseinandersetzungen erfordert, die wir im Interesse einer grundlegenden Kritik des Logischen Empirismus für unverzichtbar halten. Ebenso mußten wir auf die Wiedergabe von Texten verzichten2 - ein Reader hätte alle Proportionen gesprengt. Wir hoffen, daß trotzdem ein nützliches Hilfsmittel zur Auseinandersetzung mit der Wissenschaftstheorie daraus geworden ist. Und wir hoffen vor allem, daß die Unhaltbarkeit der Grundannahmen des Logischen Empirismus, ihr Vorurteilscharakter und die theoretische 1 Jedenfalls soweit am Versuch einer logisch-empiristischen "rationalen Rekonstruktion" der Wissenschaftsgeschichte in systematischer Absicht festgehalten und der Überschritt zu ernstzunehmender historischer Forschung nicht vollzogen wird. 2 Vgl. Literaturverzeichnisse I, 3 u. 4.

Vorbemerkung Grundlosigkeit des nach wie vor verbreiteten Insistierens auf diesen Dogmen sichtbar wird: der Logische Empirismus oder die Analytische Wissenschaftstheorie hat weder einen haltbaren Begriff von Erfahrung, noch von Theorie, von wissenschaftlichem Gesetz, wissenschaftlicher Erklärung noch schließlich von Wissenschaft überhaupt zustandegebracht. Er ist deshalb nicht - wie eine breite und einflußreiche Strömung der Kritik, die von Dray über Winch, Habermas, v. Wright bis zu Apel und Ritsert reicht3 , glauben machen will - eine der Praxis der Naturwissenschaften prinzipiell angemessene Theorie, die lediglich dank der besonderen Eigenart der historischen oder Humanwissenschaften der Modifikation oder Ergänzung bedarf. Er ist vielmehr eine durch und durch undurchführbare Theorie, die auch nicht zur Grundlage transzendental reflektierender Überbietungsversuche' dienen kann, sondern aufgegeben werden muß. Davon bleibt ganz unberührt, daß seine führenden Vertreter viele richtige Einsichten zutage gefördert haben. Und selbstverständlich ist die formale Logik - die als solche gerade nicht, wie die Logischen Empiristen glaubten und vielfach noch glauben, als "angewandte Logik" mit "Erkenntnistheorie" gleichgesetzt werden darf - von der hier vorgetragenen Kritik gar nicht betroffen. Ob uns die Einlösung unserer Absichten gelungen ist: das Urteil darüber sei hiermit dem Leser überlassen. Kap. IV und die Literatur-Verzeichnisse stammen von Marie Rischmüller, Kap. II.3 liegt eine Seminararbeit von Werner Euler zugrunde, die übrigen Kapitel sind von Burkhard Tuschling verfaßt worden. Für ihre Arbeit bei der Herstellung und der Korrektur danken wir Sigrid Weber, Margit Rockel-Bündgen und Franz Hespe.

3 W . Dray, Historische Erklärungen von Handlungen, in Giesen I Schmi d (Hrsg.): Theorie, Handeln und Geschichte, Harnburg 1975; P. Winch, Die Idee der Sozialwissenschaften, Frankfurt a. M. 1966; J. Habermas, Analytische Wissenschaftstheorie und Dialektik, in: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, 1969, S. 155- 191; G. H. von Wright, Erklären und Verstehen, Frankfurt 1974; K.-0. Apel, Transformation der Philosophie, Bd. II, S .28-95, S. 180 ff., S. 220 ff. und: Die Erklären-Verstehen-Kontroverse . .. , Frankfurt 1979; Gründe und Ursachen, . .. , hrsg. von J. R i tsert, Frankfurt a. M. 1975. 4 Vgl. Erkenntnis und Interesse, S. 9; vgl. Apel an den in Anmerkung 3 angegebenen Stellen.

Inhaltsverzeichnis Einleitung: Zur Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Die Dogmen des Logischen Empirismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Linguistic Turn, analytisch versus synthetisch, D-N-Schematismus

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2. Empirizität und Metaphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Analytizität, Reduktionismus, Konventionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

1. Carnap, Die alte und die neue Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

2. Carnap, Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Der "Physikalismus" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

III. Poppers Falsifikationismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97 98

IV. "Historie Turn" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Motive ................................................... . . .. . 105 2. Kuhn ... ............... .. ................ .. ............. . . ..... 113 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

V. Nach dem Logischen Empirismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Einseitigkeit der Kritik, Provinzialismus der Textauswahl und die guten Absichten des aufklärerischen Empirismus . . . . . . . . . . . . . . . . 125

2. Feyerabend und die Krise des Logischen Empirismus . . . . . . . . . . . . 128 3. Hacking und die sogenannte Theoriebeladenheit . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4. Wissenschaftliche Erfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Rückblick

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Literaturverzeichnis

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I. Allgemeine Überblicksliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

II. Sachorientierte Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 111. Alphabetisches Verzeichnis nach Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Personenregister . .... ... .. . . ..... . .. .. . . . .. . .... .. .... .. . . .... . .. .... . 211

Einleitung: Zur Terminologie 1. Da uns die Bemühungen des Logischen Empirismus um logische, sprachliche und gedankliche Klarheit durchaus sympathisch sind1 , soll zunächst versucht werden, in die sprachlichen und sachlichen Mehrdeutigkeiten und Verwirrungen, die von den verschiedenen Bezeichnungen für die neuere Wissenschaftstheorie ausgehen, eine vorläufige Ordnung zu bringen. Eine endgültige Klärung der Terminologie zu versuchen, scheint mir weder möglich noch sinnvoll zu sein. Denn teils sind Mißverständnisse bezüglich der Bezeichnung der neueren Wissenschaftstheorie im Bewußtsein zu fest verwurzelt, teils sind sie auch objektiv unvermeidlich, weil die sachlichen Bezüge mehrdeutig sind, teils werden solche Mehrdeutigkeiten auch in interessierter Weise noch gefördert - wobei die Interessen wie die Resultate, die sie zeitigen, deutlich divergieren: wenn Popper2 , Habermas3 oder Narski4 den "Positivismus" kritisieren, dann meinen5 sie dasselbe und nicht dasselbe, subsumieren aber jedenfalls einen unterschiedlichen, nur teilweise identischen Personenkreis unter diese Bezeichnung: in jedem Fall gehören die Mitglieder des "Wiener Kreises", speziell Carnap und seine Schüler, dazu. Auf sich selbst dagegen möchte Popper diese- auch für ihn z. T. pejorativeBezeichnung auf keinen Fall angewandt wissen; doch haben Adorno und Habermas ihm und seinem "Kritischen Rationalismus" diesen Titel im Verlauf des sog. "Positivismusstreits in der deutschen Soziologie" mit einigem Erfolg angeheftet; und manches spricht dafür, daß Narski in Habermas' Augen ein Positivist ist, auch das Umgekehrte ist nicht auszuschließen, wo doch auch Albert, Poppers Mitstreiter im sog. 1 Kritisiert wird nur der Pseudo-Präzisionismus, d. h. die sich selbst ad absurdum führende Verabsolutierung dieser Intention, die in aller Regel zu bloß vorgetäuschter Präzision und um so größerer Verwirrung in der Sache führt; mit diesem Vorbehalt kann man m. E. durchaus dem Wittgensteinschen Diktum "wovon man nicht reden kann, davon soll man schweigen" zustimmen. 2 Vgl. Logik der Forschung, S. 3-21. 3 Analytische Wissenschaftstheorie und Dialektik, in: Der Positivismusstreit ... , S. 155- 191; Gegen einen positivistisch halbierten Rationalismus, ebd. S. 235 - 266. 4 Narski, Der Positivismus in Vergangenheit und Gegenwart, Berlin 1967. 5 Auch "meinen" ist hier durchaus zweideutig gemeint: nämlich "meaning" und "reference" bzw. "Umfang" und "Inhalt" zusammenfassend.

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Einleitung: Zur Terminologie

Positivismusstreit, Habermas gelegentlich einen unfreiwilligen Positivismus vorwirft6 • Schon um dieses polemischen Gebrauchs von "Positivismus" willen ist eine definitive Klärung nicht möglich. Ich begnüge mich daher im folgenden mit einigen systematischen und historischen Erläuterungen der gängigsten Bezeichnungen für die hier zur Debatte stehende wissenschaftsphilosophische Richtung, die zugleich Gelegenheit geben, auf einige historisch-ideologische Abhängigkeiten und Zusammenhänge hinzuweisen. 2. Im deutschen Sprachraum7 sind vor allem die folgenden Bezeichnungen üblich: (1) "Neuerer Positivismus", "Logischer Positivismus" 8 oder einfach "Positivismus"; (2) "Analytische Wissenschaftstheorie" oder einfach "Wissenschaftstheorie"; (3) "Philosophie der idealen Sprache"; (4) "Logischer Empirismus"9. 6

Vgl. Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie passim und

Tuschling, Die "offene" und die "abstrakte" Gesellschaft ..., S. 46 ff. und S. 182 - 194. Weitere Möglichkeiten der Mehr- und Mißdeutung ergeben sich

aus älteren meaning-reference-Kontexten: Da ist nicht nur an den älteren Positivismus des 19. Jhdts. zu erinnern, sondern: wenn Marx in den Pariser Manuskripten den heimlichen Positivismus Hegels kritisiert, dann wendet er einen seinerseits mehrdeutigen, nämlich positiv wie negativ-kritisch gefaßten Begriff der "Positivität" Hegels auf diesen selbst an - und einige der Bedeutungsnuancen des Regelsehen Sprachgebrauchs sind, über die Frankfurter Schule vermittelt, in die Konnotationen des heute üblichen Begriffs von "Positivismus" eingegangen. All dies kann hier jedoch nicht weiter verfolgt werden. 7 Die im angelsächsischen Sprachraum übliche Bezeichnung "philosophy of science" wird im Deutschen üblicherweise mit "Wissenschaftstheorie" wiedergegeben, ist aber genau genommen nicht übersetzbar, weil es eine dem angelsächsischen Curriculum und Forschungsbetrieb vergleichbare Teildisziplin der Philosophie im deutschen Sprachraum schlechterdings nicht gibt. Ebenso ist "analytical philosophy" im Grunde nicht übertragbar: von der Vorherrschaft WUtgensteins und seiner Schule in England und von den vielen Varianten einer "analytical philosophy of language" " ... of history", " ... of action", " ... of law" usw. kann man sich im Deutschen schon deshalb keinen Begriff machen, weil die Sache im deutschen Sprachraum kein Gegenstück hat. Zu den oben schon notierten Dimensionen der Mehrdeutigkeit kommt daher der unterschiedliche Sprachgebrauch und der unterschiedliche Sachbegriff im Deutschen und im Englischen, den beiden wichtigsten Originalsprachen der Formulierungen der neueren Wissenschaftstheorie, hinzu. 8 Vgl. den gleichnamigen Reader, hrsg. von Ayer, der einen repräsentativen überblick und eine informative Einleitung bietet; s. u. Literaturverzeichnis. 9 Erwähnenswert ist noch die Bezeichnung "Logischer Atomismus" ; siebezieht sich auf eine später wieder aufgegebene Position der logischen Positivisten, insbesondere Bettrand Russells, wonach eine Idealsprache der Wissenschaft aus letzten, nicht mehr zerlegbaren - d. h . eben "atomaren" Sätzen aufgebaut werden sollte; siehe dazu etwa die Darstellung bei Urmson, Philosophical Analysis.

Einleitung: Zur Terminologie

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3. Die oben unter (1) genannten Bezeichnungen stellen die Wissenschaftstheorie des 20. Jahrhunderts in die Nachfolge des Positivismus Comtes, Mills oder Spencers im 19. Jahrhundert10 , und dies in mehrfacher Beziehung zurecht: denn wie die älteren Positivisten machen auch die neueren Front gegen jede nichtempirische Philosophie oder Unternehmung überhaupt, die sie unter der Bezeichnung "Metaphysik" als unwissenschaftlich und irrational bekämpfen; sie selbst treten für eine wissenschaftliche Philosophie ein, die sich unmittelbar oder mittelbar auf das einzig "Positive" und "Wirkliche", das empirisch - in der sinnlichen Anschauung oder Wahrnehmung - "Gegebene" oder jedenfalls prinzipiell Gehbare zu beziehen hat. So weit die Namenerklärung, so gut; zu beachten ist jedoch, daß darüber, was unter "Metaphysik" - bzw. entsprechend unter dem "Positiven", unter "Empirie" und "Wissenschaft" - denn nun zu verstehen ist, ganz und gar keine Einigkeit besteht, weder zwischen den älteren und den neueren Positivisten, noch der neueren untereinander noch der neueren mit sich selbst. Zwar lehnen die älteren wie die neueren Positivisten alle ihnen vorausgegangene Philosophie als "Metaphysik" ab, aber aus durchaus verschiedenen Gründen11 ; und während Popper - und ihm folgend in ihrer überwältigenden Mehrzahl die jüngeren Vertreter des Logischen Empirismus - Marx zusammen mit Freud in den Orkus der "Metaphysik" verweist12, gehört für Neurath -neben Carnap der führende Vertreter des "Wiener Kreises" - derselbe Marx ganz selbstverständlich in den Kreis der Vertreter der "wissenschaftlichen Weltanschauung" 13 • Einigkeit bestand und besteht 10 Eine ideengeschichtliche Einordnung kann hier nicht versucht werden; zur Vorgeschichte und zur Entwicklung des Logischen Empirismus sei hier ein für alle Mal verwiesen auf: Stegmüller, Hauptströmungen; Kraft, Der Wiener Kreis; Passmore, A hundred years of philosophy. 11 Vgl. Carnap, Überwindung der Metaphysik ..., E 2, S. 219 ff. 12 Vgl. Die offene Gesellschaft und ihre Feinde Bd. li, dazu "Conjectures and Refutations", S. 34- 37; in: "Elend des Historizismus" und "Die offene Gesellschaft ..." ist Marx, trotz aller Poppersehen Komplimente an seine Adresse, der ideologische Hauptfeind. 18 So die damalige Selbstbezeichnung der logischen Empiristen: s. dazu das Manifest von 1929 in den Textsammlungen von Schleichert u. von Hegselmann; zu Neurath s. insbesondere: "Soziologie im Physikalismus", in E 2, S. 393 ff. Überhaupt waren die politischen Überzeugungen der Mehrheit der Mitglieder des Wiener Kreises eher links angesiedelt; Carnap etwa hat sich bis an sein Lebensende als Sozialist verstanden (vgl. dazu The philosophy of Rudolph Carnap, 1963, S. 23 u. 83; ferner Mohn, Der logische Positivismus, Frankfurt/M. 1977). Die eindeutige politisch-ideologische Einstufung des Logischen Empirismus als "konservativ", "reaktionär" oder "rechts" ist erst und vor allem ein Ergebnis der spezifischen Eigenart der Rezeption oder des Re-Imports der in die angelsächsischen Länder emigrierten Wissenschaftstheorie in der Bundesrepublik der 60er Jahre: sie wurde entscheidend vom sogenannten Positivismusstreit, dem Urteil Adornos und Habermas' und nicht zuletzt dadurch

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Einleitung: Zur Terminologie

lediglich im Gebrauch von "Metaphysik" als Kampfbegriff: "Metaphysik" ist etwas Schlechtes, Irrational-Unwissenschaftliches, zu Überwindendes, Auszurottendes - nicht nur die Absurditäten von Carnaps Auslassungen über "Metaphysik als Ausdruck des Lebensgefühls" 14 sprechen für die Vermutung, daß die Furcht, in die Irrationalität der "Metaphysik" zu verfallen, die Irrationalität selbst sei. Einen konsistenten oder gar der Sache angemessenen positiven Begriff von Metaphysik hat der Logische Empirismus nicht entwickelt15 und nicht entwickeln können, aus noch zu erörternden Gründen. Drei weitere Momente im Zusammenhang mit dieser "positivistischen" Tradition der Wissenschaftstheorie verdienen hervorgehoben zu werden: Zum einen muß Ernst Mach als derjenige unter den Vertretern des älteren Positivismus genannt werden, der den größten Einfluß18 auf die Entwicklung des Logischen Empirismus, speziell des Wiener Kreises, ausgeübt hat: nicht nur war die Berufung Schlicks auf den Machsehen Lehrstuhl der Anlaß für die Bildung des Kreises17 und seine Organisation im "Verein Ernst Mach"; sondern Machsehe Vorstellungen, nicht zuletzt der Sensualismus seiner Empfindungslehre, spielten auch inhaltlich eine erhebliche Rolle für die im Wiener Kreis herrschenden Vorstellungen vom "Gegebenen" bzw. von dessen Transformation in eine den Grundpositionen des Logischen Empirismus angemessene Konzeption von der "empirischen Basis" des Systems der Sätze der Wissenschaft1s. bestimmt, daß Popper in dieser Kontroverse als der Vertreter der analytischen Wissenschaftstheorie auftrat, von Adorno - Habermas als solcher akzeptiert und propagiert und schließlich im Bewußtsein der interessierten Öffentlichkeit der 60er Jahre in der Bundesrepublik rezipiert wurde. Im Zusammenhang mit der "Technokratie" - Kritik der Frankfurter Schule, die die herrschende Ideologie der deformierten ,.Tausch"-Gesellschaft dingfest machen wollte, stieg "der" Positivismus schließlich zu der herrschenden Ideologie bzw. zu dem gedanklichen Ausdruck jener "Technokratie" empor, die es durch die linke "Aufklärung" zu bekämpfen galt, wenn herrschaftsfreie Kommunikation und Dialog verwirklicht werden können sollten. Dieses Verständnis von "Positivismus", in der Studentenbewegung der 60er Jahre vorübergehend dominant, erscheint heute sicherlich differenziert, zum Teil verdrängt, zum Teil korrigiert. In jedem Fall ist es aber als Bestandteil des Bedeutungssyndroms "Positivismus" immer noch in Rechnung zu stellen. Zu diesem Verständnis von Positivismus vgl. insbesondere Habermas' Arbeiten "Dogmatismus, Vernunft und Entscheidung" und ,.Technik und Wissenschaft als Ideologie" und dazu Tuschling, Die "offene" und die "abstrakte" Gesellschaft . . ., S. 38 ff., 81 ff., 116 ff. und 182 ff. 14 So der Titel des letzten Abschnitts von Carnaps ,.Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache". 15 Die Furcht der neueren Empiristen, in Metaphysik zu verfallen - es handelt sich tatsächlich um eine ausgeprägte Metaphysik-Phobie - verdiente eine eigene Untersuchung, die hier aber natürlich unterbleiben muß. 18 Jedenfalls gilt dies für die deutsche Entwicklung; im angelsächsischen Bereich spielten natürlich Mill und die ältere englische empiristisch-sensualistische Tradition eine größere Rolle. 17 Vgl. Kraft, Der Wiener Kreis, S. 1. 18 Ernst Mach, Die Analyse der Empfindungen.

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Zum zweiten darf nicht unerwähnt bleiben, daß der Logische Empirismus von Anfang an - und nicht erst nach der Vertreibung der Mitglieder des Wiener Kreises durch den Faschismus - eine angelsächsische Komponente hatte, die dem Wiener Kreis vor allem über Wittgensteins "Tractatus" vermittelt wurde: das Paradigma einer logisch-empiristischen Vorstellungen entsprechenden Theorie waren Whitehead-Russells 1910 erschienene "Principia Mathematica" .10 Über diese Vermittlungen - später dann natürlich auch aufgrundder Tatsache, daß sich der Logische Empirismus nach der Vertreibung seiner führenden Vertreter aus dem deutschen beinahe ausschließlich im angelsächsischen Sprachraum entwickelt hat - gingen viele der englischen empiristisch-sensualistischen Tradition entstammende Überzeugungen in den Dogmenbestand des Logischen Empirismus ein. Ohne diese Genealogie wären die Dominanz des "Nominalismus" 20 , die (jedenfalls für angelsächsische Leser) sprichwörtliche Rolle von "Ockham's razor"21 , die Wiederaufnahme der Debatte um den sog. Universalienstreit22 oder die Sensibilität gegenüber gewissen Problemen der Ontologie23 u. a. m. nicht zu verstehen. Damit ist implizit bereits das dritte hier zu nennende Moment angesprochen, die ausgezeichnete Rolle der Logik. Da dieses Thema unten ausführlich behandelt wird, beschränke ich mich hier auf die Feststellung, daß "Logisch" in den Bezeichnungen "Logischer Positivismus" bzw. "Logischer Empirismus" kein schmückendes Beiwort, sondern Wesensbezeichnung ist: unter dem Eindruck der Entwicklung der Logik seit Boole und Frege und unter dem Einfluß der "Principia Mathematica" und des "Tractatus" wird die Logik als "angewandte Logik" mit "Erkenntnistheorie" gleichbedeutend, zu dem "Organon" der Analyse und "der Kritik" 24 • 4. Die in oben unter Ziffer (2) und (3) aufgeführten Bezeichnungen hängen eng miteinander zusammen: die "Analytische Wissenschafts19 Das Theorie-Ideal, das die "Principia Mathematica" repräsentieren, ist allerdings keineswegs nur angelsächsischen Ursprungs. Die Idee einer umfassenden Axiomatisierung der Wissenschaft, erstmals wohl von Leibniz entwickelt, war seit der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. unter Mathematikern und Naturwissenschaftlern weit verbreitet; eingelöst worden ist es bis heute jedoch nur in Mathematik und Logik. Zur Geschichte dieser Konzeption vgl. die informativen Bemerkungen von Kambartel in seinem Aufsatz "Ethik und Mathematik", in: M. Riedel (Hrsg.), Rehabilitierung der praktischen Philosophie Bd. I, Freiburg 1972, S. 489 - 503. 20 D. h. die Überzeugung, daß nur die Einzeldinge wirklich, die Universalien (wie Gattungen, Arten usw. oder Ideen) bloße "Namen" sind; zur neueren Geschichte und Auffassung des Nominalismus vgl. den von Stegmüller hrsg. Reader "Das Universalien-Problem", Darmstadt 1978. 21 Das von dem englischen Nominalisten entwickelte Prinzip "entia praeter necessitatem non sunt multiplicanda"; zu deutsch "die Entitäten sollten ohne Not nicht vermehrt werden." 22 Vgl. den in Anmerkung 20 angegebenen Titel. 23 Speziell der Sparsamkeit in der Zulassung neuer Entitäten als zulässiger Werte von lndividuenvariablen. 24 Vgl. Carnap, Die alte und die neue Logik, in E 1, S. 12-26, bes. S. 25 f. und unten; ferner Popper, Logik der Sozialwissenschaften, 15. These, in: Der Positivismusstreit ..., S. 115; zu den theorie- und philosophiegeschichtlichen Zusammenhängen, in denen die Grundlagenkrise der Mathematik und der Naturwissenschaften nach der Selbsteinschätzung der logischen Empiristen eine besondere Rolle spielt, vgl. bes. Stegmüller, Hauptströmungen und Kraft, Der Wiener Kreis.

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theorie"- englisch treffender "Philosophy of science" genannt- heißt "analytisch", weil sie sich wesentlich der "logischen Analyse der Sprache" 25 als Mittel der Wissenschaftstheorie und -kritik bedient; durch Analyse der Sprache der erfolgreichen Wissenschaften, speziell der Physik26 , das Ideal der Sprache der Wissenschaft schlechthin und vor allem den idealen Aufbau wissenschaftlicher Theorien (als axiomatisch begründetes, stringent logisch-deduktiv aufgebautes Satzsystem) entwickeln will; und schließlich ganz allgemein durch Konstruktion einer "idealen Sprache", die in Syntax und Semantik den Anforderungen der modernen Logik genügt, die Fehler der Alltagssprache und die von ihr ausgehende Verführung der Wissenschaftler zu Metaphysik, Spekulation und Irrationalismus zu überwinden hofft27 • Ursprünglich personell und sachlich eng verbunden mit der Analytischen Wissenschaftstheorie und dennoch sorgfältig von ihr zu unterscheiden ist die "Analytische Philosophie" oder "Ordinary langnage philosophy" ("Philosophie der normalen Sprache"), die mit der "Philosophie der idealen Sprache" die Überzeugung von der alles entscheidenden Funktion der Sprache und der Bedeutung der Sprachanalyse als wesentlichem Medium und Inhalt der Philosophie teilt, aber die Fehler der Umgangssprache nicht durch Rekurs auf eine Idealsprache, sondern mit den Mitteln der Umgangssprache selbst (der damit allerdings ihrerseits die Rolle eines Kanons oder Ideals zugeschrieben wird) eliminieren will: diese im Anschluß an Wittgensteins jahrzehntelange Lehrtätigkeit in England herrschend gewordene, auf seiner nach dem "Tractatus" entwickelten "Philosophie II" und den Arbeiten zahlreicher Schüler basierende Philosophie ist in der Bundesrepublik noch später18 25 Vgl. Carnap, Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache, E 2, S. 219 ff. 26 Zum Vorbildcharakter der Physik vgl. vor allem Carnaps und Neuraths einschlägige Aufsätze aus der "Erkenntnis", die die Bezeichnung "Physikalismus" als Titel für ihre damalige Position veranlaßt haben. 27 Vgl. den von J. Sinnreich hrsg. Reader "Zur Philosophie der idealen Sprache", München 1972; zur Unterscheidung der Philosophie der "idealen" von der der "normalen Sprache" s. u. a. auch von Savigny, Analytische Philosophie und derselbe, Philosophie der normalen Sprache; zum Programm der Philosophie der idealen Sprache ist vor allem auf WUtgensteins "Tractatus", auf Carnaps "Logischer Aufbau der Welt" und auf Carnaps programmatische Aufsätze "Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache" und "Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft" hinzuweisen. 28 Vgl. Stegmüller, Hauptströmungen Bd. I, Kap. 10 u. 11; von Savigny, Die Philosophie der normalen Sprache; vgl. z. B.: E. Steniw;, Wittgensteins Traktat, Ffm. 1967; E. Klemke (ed.), Essays on Wittgenstein, Urbana I London I Chicago 1971; K. Lorenz, Elemente der Sprachkritik, Ffm. 1970; A. Lorenzer, Sprachspiel und Interaktionsformen, Ffm. 1977; ders., Sprachzerstörung und Rekonstruktion, Ffm. 1970; R. Wiggershaus (Hrsg.), Sprachanalyse und Soziologie, Ffm. 1975; Ch. S. Hardwick, Language Leaming in Wittgen-

Einleitung: Zur Terminologie

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und noch zögernder rezipiert worden als die Analytische Wissenschaftstheorie selbst; darauf kann hier nicht weiter eingegangen werden. 5. Die oben zuletzt genannte Bezeichnung, "Logischer Empirismus", verdient m. E. den Vorzug vor allen anderen29 , weil sie die beiden Hauptcharakteristika der Wissenschaftsphilosophie Carnaps, Poppers, ihrer Schüler und Mitstreiter präzise zum Ausdruck bringt: die Erhebung der Logik zum wesentlichen Hilfsmittel und Inhalt der Philosophie und die Forderung des Empirismus, alle Realwissenschaft auf sinnliche Wahrnehmung zu fundieren 30• Der Versuch, diese beiden Bestandteile zu einem konsistenten Konzept zu vereinigen, ist einer der Gründe dafür, daß sich der Logische Empirismus von Anfang an in Aporien verfangen hat, die inzwischen - nach dem Scheitern aller von Carnap und seinen Schülern, aber auch von Popper und seiner Schule unternommenen Versuche, ein empiristisches System mit den Mitteln der logischen Analyse der Sprache aufzubauen - gerade die bedeutendsten Vertreter (wie etwa Feyerabend) zur Abwendung vom Systemprogramm des Logischen Empirismus überhaupt und zur Hinwendung zur Analyse der Wissenschaftsgeschichte geführt haben. Die systematischen Grundannahmen des Logischen Empirismus, die zugleich die systematischen Gründe seiner unauflösbar aporetischen Struktur und seines Scheiterns sind, sollen im folgenden vorgestellt und kritisiert werden.

stein's Later Philosophy, Den Haag 1971; H. Lenk, Zu Wittgensteins Theorie der Sprachspiele, in: Kant-Studien 58 (1967), S. 458 - 480 und nochmals P. Winch, Die Idee der Sozialwissenschaften, Ffm. 1966. 29 Ihre historischen Implikationen sie ordnen die Wissenschaftstheorie in die lange Tradition des Empirismus ein, die über den Positivismus des 19. Jhdts., den sogenannten englischen Empirismus des 17. und 18. Jhdts., den sogenannten Nominalismus des späten Mittelalters bis zum antiken Skeptizismus zurückreicht, der in manchen Zügen von zweifelnden oder verzweifelnden Empiristen des 20. Jhdts. unbewußt reproduziert wird kann ich hier nicht weiter verfolgen. 30 Diese Forderung ist hier noch nicht präziser formulierbar; vgl. dazu unten. Zur programmatischen Sonderstellung der Logik bzw. zu den beiden Komponenten des Logischen Empirismus überhaupt vgl. nochmals den Anfang von Carnaps "Die alte und die neue Logik", ferner die Einleitung zu Stegmüllers Darstellung der neueren Wissenschaftstheorie in den "Hauptströmungen" Band I.

I. Die Dogmen des Logischen Empirismus 1. Linguistic Turn, analytisch versus synthetisch,

D-N-Schematismus

Die nachstehenden Überlegungen zur Systematik des Logischen Empirismus stellen nicht empirische Generalisierungen bezüglich häufiger vorkommender Ansichten dar, sondern haben Grundpositionen, -annahmen, -lehrmeinungen oder -dogmen des Logischen Empirismus zum Gegenstand, die den Logischen Empirismus als solchen konstituieren, d.h. - seine Grundauffassung von seinem Gegenstand, seinen Methoden und Aufgaben betreffen; - durchgängig und nichteliminierbar Auffassungen und Überlegungen der Logischen Empiristen determinieren, i. e. ohne Preisgabe des Gesamtprogramms der logisch-empiristischen Wissenschaftstheorie nicht aufgegeben werden können; - als solche relativ auf die Arbeit der Logischen Empiristen apriorischen Charakter haben, i. e. der Analyse und Revision im Rahmen des Programms selbst entzogen sind: wo sie zur Diskussion und Disposition gestellt werden - wie etwa bei Quine und daran anschließend z. B. bei Feyerabend -ist das Konzept in der Regel bereits gesprengt. Daß die sogleich zu nennenden Grunddogmen diesen Charakter haben, kann erst im folgenden gezeigt werden. Für diese Qualität bzw. Funktion ist es übrigens nicht erforderlich, daß die Autoren, denen sie als Grundelemente des von ihnen vertretenen Logischen Empirismus zugeschrieben werden, sie jederzeit explizit verkünden - im Vollzug der "normal science" des Logischen Empirismus kann und muß sein grundlegendes "Paradigma" nicht ständig wiederholt, begründet, propagiert werdent. Ja, es ist nicht einmal erforderlich, daß sich alle als Logische Empiristen zu klassifizierenden Autoren überhaupt ausdrücklich dazu bekennen; es genügt vielmehr der Nachweis, daß die fraglichen Lehrmeinungen ihren tatsächlich geäußerten Auffassungen zugrundeliegen, deren Implikationen sind: es ist dieses Kriterium, das es erlaubt, Popper unabhängig von seiner Selbsteinschätzung als Logischen Empiristen zu 1 Diese Bezeichnung entstammt dem Sprachgebrauch Kuhns, der inzwischen mannigfach kopiert wird; ich bitte um Nachsicht dafür, daß ich sie auf die Entwicklung des Logischen Empirismus selbst anwende, auf den dieser Schematismus noch am ehesten zu passen scheint.

1. Linguistic Turn, analytisch versus synthetisch, D-N-Schematismus

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identifizieren, seine eigenen Abgrenzungsversuche gegen das, was er den "Positivismus" des Wiener Kreises nennt2 , zu relativieren und die Einschätzung Carnaps und anderer zu bestätigen, wonach Popper voll auf dem Boden des Programms der Logischen Analyse der Wissenschaftssprache steht3 • Die für den Logischen Empirismus konstitutiven Grunddogmen sind: (a) -

(b) -

(c) -

2

das Dogma (präziser: das Syndrom von Dogmen) des "Linguistic Turn"', d. h. die Hinwendung zur Überzeugung, Sprache sei das Medium und der Inhalt von Wissenschaft und Philosophie. Diese Kontamination von Medium und Inhalt beruht auf der falschen Identifikation der sprachlichen Form und der durch sie vermittelten außersprachlichen Inhalte die "analytisch"-"synthetisch"-Dichotomie (im folgenden kurz: A-SDichotomie): die Annahme, daß alle (sinnvollen5 , wissenschaftlich zulässigen) Sätze in zwei gegeneinander elementfremde Klassen von Sätzen derart zerfallen, daß jeder Satz genau einer der beiden Klassen (der analytisch-apriorischen oder der synthetisch-empirischen Sätze) angehört das sog. "deduktiv-nomologische" (oder kurz: D-N-)Schema der wissenschaftlichen oder sog. kausalen Erklärung'.

Logik der Forschung, S. 3 - 21.

Camap, Rezension der "Logik der Forschung", in E 5, S. 92, 290- 293, vgl. ferner die Rezensionen der "Logik der Forschung" von Reichenbach und Neurath. 4 Vgl. den gleichnamigen Reader hrsg. von R . Rorty. Ich benutze den Titel 3

dieses Readers, weil er m. E. am prägnantesten das Credo der logischen Empiristen zum Ausdruck bringt- womit über den Wert dieses informativen Readers nichts gesagt sein soll. Der "Linguistic Turn" im weitesten Sinne ist nicht nur für den Logischen Empirismus (oder für Wittgensteins Philosophie 1), sondern auch für die sogenannte analytische Philosophie (oder für Wittgensteins Philosophie II) charakteristisch; zur Differenzierung der verschiedenen Implikationen des "Linguistic Turn" vgl. weiter unten im Text. 5 So die ursprüngliche These der Vertreter des sog. empiristischen Sinnkriteriums, deren klassische Formulierung sich in Camaps "Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache" findet. Popper, der sich auf seine Ablehnung des Sinnkriteriums und des Verifikationismus viel zugute hält und "Metaphysik" nicht als "sinnlos" ablehnt, vertritt im Ergebnis dieselbe Position: in der Wissenschaft zugelassen sind auch nach ihm nur analytisch-apriorische (Logik, Mathematik) und synthetisch-empirische (Realwissenschaften) Sätze, synthetisch-apriorische Sätze sind, wie bei Carnap auch, aus der Wissenschaft ausgeschlossen - Popper verzichtet eben nur darauf, sie sinnlos zu nennen und räumt diesen Sätzen im übrigen im sogenannten "Context of discovery" einige Bedeutung ein (zur Problematik dieser Unterscheidung vgl. Wartojsky, The relation between the philosophy of science and the history of science). 6 Auch "hypothetisch-deduktives-Schema", "Hempel-Oppenheim-Schema" oder kurz "H-O-Schema" genannt; zur Vorgeschichte dieses Schematismus vgl. "Theorie, Handeln, Geschichte" hrsg. von Giesen und Schmid, Harnburg 1975, S. 37 ff. vgl. auch G. H. von Wright, Erklären und Verstehen, Frankfurt 1974 und die an ihn anschließende Debatte. 2 Tuschllng

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Die drei Dogmen sind weder sachlich noch logisch unabhängig voneinander, müssen aber im folgenden voneinander getrennt behandelt werden; erst aus dieser Erörterung kann sich ihr Zusammenhang ergeben. Sie sind auch nicht alle gleich fundamental; das dritte ist erst relativ spät ausdrücklich formuliert7 oder eben als Korollar aus den beiden ersten Dogmen als Prämissen entwickelt worden. Das Ausmaß, die Intensität und Ausschließlichkeit, mit der die angelsächsische Philosophie im Anschluß an Russen, Moore und vor allem an Wittgenstein Sprache zu ihrem Inhalt und Sprachanalyse zu dem Verfahren philosophischer Analyse gemacht hat, ist in der Tat erstaunlich, ein säkulares Ereignis. Und unter Bezug auf diese angelsächsische Entwicklung ist die Bezeichnung "Linguistic Turn" im weitesten Sinne der Ausdruck für eine ganze philosophische Kultur, für die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen der Analytischen Philosophie und der "philosophy of science" zusammengenommen, für die in der Tat historische Hinwendung zu einer empiristisch-linguistischen Konzeption des Philosophierens, der Problemformulierung, -lösung, -selektion und -eliminierung, die vor allem in England, aber auch weitgehend in USA das philosophische Leben beherrscht. Es darf allerdings bezweifelt werden, ob diese von der angelsächsischen Philosophie betriebene Hochstilisierung von Sprache zu dem "Transzendentale" schlechthin, wie Apel behauptet (und viele andere mit ihm meinen), eine bleibende Errungenschaft der Philosophie des 20. Jahrhunderts ist8 • Denn es ist zu vermuten, daß die Schwierigkeiten der Analytischen Philosophie mit der fundamentalen Zweideutigkeit, die dem "Linguistic Turn" auch in dieser weitesten Bedeutung anhaftet, zu tun haben- mit der Tendenz zur Verwechslung von Sprachform und sprachlich ausgedrücktem Inhalt, zur Reduzierung aller inhaltlichen Probleme auf Probleme der sprachlichen Form oder der Semantik (und neuerdings auch der Pragmatik), zur Ersetzung sachlicher Lösungen durch linguistische Scheinlösungen. Das kann hier jedoch nicht weiter verfolgt werden, da der "Linguistic Turn" in diesem umfassenden Sinne nicht Thema ist noch sein kann. Dagegen läßt sich für den "Linguistic Turn" in einem engeren Sinne zeigen, daß der in ihm enthaltene linguistische Reduktionismus eine der Wurzeln für das Scheitern des Systemprogramms des Logischen Empirismus ist; das soll im folgenden geschehen. 7 HempeZ und Oppenheim, Studies in the Logic of Explanation, PS 15 (1948), S. 135- 175; abgedr. in: Hempel, Aspects of Scientific Explanations, New York I London 1965. 8 K. 0. Apel, Transformation der Philosophie, Band II, S. 311 ff. und s. 330 ff.

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Zu dem, was ich als "Linguistic Turn" im engeren Sinne bezeichne, gehören insbesondere die folgenden Grundüberzeugungen: a) Wissenschaft ist (wesentlich oder ausschließlich) ein System von Sätzen oder Aussagen - Gesetzesaussagen, Hypothesen, empirischen Feststellungen oder "Randbedingungen", Prognosen usw.9 • - Aufgabe der Wissenschaftstheorie ist mithin die Analyse der Beziehungen zwischen diesen Sätzen, ihrer Binnenstruktur, der ,zulässigen' und der ,unzulässigen' (Klassen von) Aussagen usw. b) Sätze können nur durch Sätze verifiziert, falsifiziert, bestätigt, geprüft, bewährt, begründet, widerlegt werden10• c) Idealer Zielpunkt der Arbeit der Wissenschaftstheorie ist die Entwicklung einer idealen (und notwendigerweise formalen) Sprache und die Reduzierung aller "inhaltlichen" auf die "formale Redeweise"'\ d. h. die Übersetzung aller inhaltlich und qualitativ bestimmten Aussagen in die nur mehr formale Idealsprache, die den strengen Anforderungen der (Wissenschafts-)Logik12 genügt. Nach meiner Überzeugung ist in der allgemeinen Grundthese des "Linguistic Turn" (wie in a) formuliert) der "Linguistic Turn" in der engeren und der engsten Bedeutung enthalten, d. h. a) impliziert b) und c), oder anders ausgedrückt, das Carnapsche Programm einer durchgängigen Übersetzung der inhaltlichen in die formale Redeweise ist nur der konsequente Ausdruck des "rationalen Rekonstruktionismus"13 im allgemeinen. Die unter a) beschriebene Meinung ist communis opinio der Logischen Empiristen. - Eine - vielleicht auch die - klassische Formulierung dieser Auffassung von Wissenschaft als einem zusammenhängenden System von Sätzen - zugleich verbunden mit der Überzeugung, daß die Wissenschaft ein einziges System von Sätzen, in einer Universalsprache formulierbar sei- gibt Carnap in "Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft"; eine inzwischen auch schon beinahe klassische Formulierung neueren Datums findet sich, seit 9 Die Betonung der Prognostik, die allen Spielarten des Logischen Empirismus eigentümlich ist, wird besonders in Poppers Polemik gegen den von ihm sogenannten "Historizismus" deutlich; vgl. dazu besonders "Elend des Historizismus", Kap. II. 10 Die umständliche Formulierung soll die wichtigsten Stationen der Abschwächung des sogenannten empiristischen Sinnkriteriums wiedergeben, das Entscheidende ist, daß allein (inner-)sprachliche Beziehungen bzw. Verfahrensweisen über Wahrheit, Falschheit, empirischen Gehalt usw. von Theorien entscheiden sollen: allein linguistische Befunde fungieren als Kriterien der Wahrheit, Empirizität, Sachhaltigkeit von Wissenschaft. 11 s. dazu Camap, die physikalische Sprache Sprache ..., E 2, 432 ff. und (zustimmend) Popper, Logik der Forschung, S. 31 - 46. 12 Zur Begründung des Programms einer "Wissenschaftslogik" immer noch grundlegend die beiden ersten der in Kap. II behandelten Carnapschen Aufsätze. 13 Vgl. den Kontext zu Anmerkungen 15 und 16.

2•

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vielen Auflagen unverändert, im 1. Band von Stegmüllers "Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie" 14• Diese Überzeugung liegt, wie gesagt, dem Ansatz des Logischen Empirismus, seiner Vorstellung von Inhalt, Aufgabe und Methode der "philosophy of science" überhaupt, zugrunde. Eine prägnante Beschreibung dieses Zusammenhangs gibt Wartofsky15 : "... die logisch-positivistische bzw. logisch-empiristische Schule der philosophy of science ... - nennen wir sie die Schule der rationalen Rekonstruktion auf empiristischer Basis - gründete ihre Auffassung von Wissenschaft auf die Unterscheidung zwischen Entdeckungs- ("contexts of discovery") und Begründungs- oder Rechtfertigungskontexten ("contexts of justification"), wobei sie die letzteren zu ihrer eigentlichen Aufgabe machte ... Rechtfertigung erforderte a) die rationale Rekonstruktion der Masse des vorhandenen Wissens ("the achieved body of knowledge") der zeitgenössischen Wissenschaft, d. h. die Umsetzung dieses Wissens - konstruiert als eine Menge von Aussagen in die logische Form von Prämissen und Schlußfolgerungen in einem System gültiger Schlüsse (idealiter in axiomatischer Form); b) eine empirische oder Beobachtungsbasis für die Verifikation, Bestätigung, Erhärtung oder Akzeptierbarkeit wissenschaftlicher Sätze ..."11 Diese Vorstellung von Wissenschaft als Gegenstand "rationaler Rekonstruktion" ist, wie auch W artofsky feststellt, nicht nur unhistorisch, sondern führt auch - vermittelt über eine im Programm selbst angelegte Relativierung der empirischen Basis17 - zum Scheitern des Programms überhaupt1s. Vgl. Stegmüller, Hauptströmungen ... , Bd. I, S. 346 ff. In seinem auch sonst durch seine Typisierungen hilfreichen Aufsatz "The relation between philosophy of science and history of science". 18 S. 720; vgl. auch 723: "Die Ontologie der rationalen Rekonstruktion kann man auch so skizzieren: Wissenschaft ist ein Komplex von Erkenntnissen ("Body of knowledge") oder, zu einem gegebenen Zeitpunkt, der synchrone Zeitabschnitt dieses Komplexes; zum Zwecke der Charakterisierung wird es konstruiert als eine logisch, d. h. durch Schlußregeln verknüpfte Menge von Aussagen. Dies sind die akzeptablen Aussagen: einige können sich als wahr, andere als falsch herausstellen, aber alle werden als Wahrheitsansprüche vorgetragen . . . Konstituiert wird diese Menge von Sätzen durch die Übereinstimmung der Wissenschaftlergemeinschaft bezüglich ihrer Akzeptierbarkeit; die Genese dieser Sätze jedoch, ihre Geschichte und die tatsächlichen Bedingungen, unter denen sie akzeptiert werden - im Unterschied zur Formulierung idealer oder formaler Regeln oder Bedingungen, unter denen sie akzeptiert werden sollen - liegen außerhalb und jenseits der Aufgabenstellung (und daher auch außerhalb der Ontologie) der Konzeption der rationalen Rekonstruktion der Wissenschaft, im "Context of discovery ...". 17 Die faktisch auf eine Eliminierung hinausläuft: die oben aufgeführte These "Sätze können nur durch Sätze bestätigt oder widerlegt werden" bedeutet die Eliminierung jedes außersprachlichen, daher auch empirischen Wahrheitskriteriums, mithin die Anerkennung allein des Satzes des Widerspruchs als notwendiger und hinreichender Wahrheitsbedingung. 18 Was bei Wartofsky freilich nicht weiter ausgeführt wird, vgl. S. 721. 14

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Das wird u. a. auch von Stegmüller19 bedingt anerkannt, wenn auch nicht mit aller Konsequenz ausgesprochen und ausgewertet. Der entscheidende Grund dafür ist ein nichteliminierbarer Widerspruch im "Linguistic Turn" des rationalen Rekonstruktionismus selbst: Entweder werden (1) - der Grundauffassung, daß Wissenschaft wesentlich oder ausschließlich ein System von Aussagen ist, entsprechend - allein die sprachlichen Strukturen und Beziehungen der Sätze des Wissenschaftssystems zueinander in Betracht gezogen und keinerlei außersprachliche Sachverhalte für die Beurteilung benutzt; dann führt das Dogma ,Sätze können nur durch Sätze begründet oder widerlegt werden' zu der Konsequenz, daß als Kriterium der Wahrheit oder Akzeptierbarkeit allein ein linguistisch-logisches Kriterium - nämlich die logische Verträglichkeit oder Widerspruchsfreiheit20 - anerkannt wird. Welche der unendlich vielen in sich widerspruchsfreien, miteinander jedoch unverträglichen Satzsysteme als Wissenschaft anerkannt werden, ist dann allein Sache der Entscheidung der Wissenschaftler21. Unter dieser Voraussetzung ist es nicht nur überflüssig, nach einer empirischen Beobachtungsbasis oder dergleichen zu suchen: es ist nicht einmal mehr möglich, ein ganz bestimmtes System als empirisch-wissenschaftlich auszuzeichnen, "empirische Wissenschaft" läßt sich dann nicht mehr von Märchen oder science fiction unterscheiden22. Kurz: das Prinzip ,Sätze können nur durch Sätze begründet oder widerlegt werden' führt zur "Kalkülisierung der Wissenschaft" (Stegmüller), zu ihrer Verwandlung in einen logischen Kalkül, der mit empirischer Wissenschaft nichts mehr zu tun hat23. Oder aber es wird (2) eine "objektive Basis" 24 als Voraussetzung der Auszeichnung von Sätzen und Satzsystemen anerkannt: dann ist diese Grund und Bedingung der "Zustimmung" der Wissenschaftlergemeinschaft, unabhängiges Kriterium der Wahrheit - Wahrheit wird in diesem Falle nicht "durch Konvention erzeugt" 26 • Aber dazu muß nicht nur- wie Stegmüller zutreffend konstatiert26 - und vor ihm bereits von Zilsel gründlicher und umfassender formuliert worden war27 - "Metaphysik" oder das (nach empi18 Unter dem Titel "Die Paradoxie der Erfahrungserkenntnis": vgl. "Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft", 3. Kapitel, S. 335. 2o D. h. das Kriterium der Widerspruchsfreiheit wird nicht nur als notwendige, sondern auch als hinreichende Wahrheitsbedingung behauptet: diesen Weg geht Neurath mit seinem Protokollsatzkonventionalismus (vgl. den Aufsatz "Protokollsätze" in Band III der Erkenntnis), Popper mit seinem Basissatz-Konventionalismus; zu deren Kritik vgl. Stegmüller. 21 Daß der absolute Konventionalismus seinerseits eine inkonsistente Fiktion ist (wie Quine in "Truth by convention" gezeigt hat, s. auch weiter unten im Text), wird hier "for the sake of argument" vernachlässigt. 22 Dieser Konsequenz entgeht nicht nur Neurath, sondern auch Popper nicht, wie Stegmüller S. 327 bzw. 359 ff. richtig gezeigt hat. 23 Ebda., S. 324; Stegmüller freilich sieht diesen Notwendigkeitszusammenhang zwischen dem L. T.-Dogma "Sätze können nur durch Sätze bestätigt oder widerlegt werden" nicht oder will ihn nicht sehen. u Stegmüller, ebda., S. 330. 25 Zu diesem Begriff der "Erzeugung von Wahrheit" durch Konvention vgl. Quine, Truth by convention, passim. 28 S. 335 ff. bes. S. 343. 27 Zilsel, Bemerkungen zur Wissenschaftslogik, in: E 3, S. 143 - 161.

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ristischen Sinnkriterien) "Unsagbare", eine der empirischen Prufung prinzipiell28 entzogene und doch notwendigerweise vorausgesetzte Gesetzmäßigkeit der Realität als Bedingung der Möglichkeit der empirischen Wissenschaft gegenüber widerspruchsfreien Fiktionen angenommen werden: sondern mit und durch diese Voraussetzung muß das Dogma des rationalen Rekonstruktionismus - Wissenschaft bestehe wesentlich aus Sätzen; relevant seien allein die sprachlich-logischen Beziehungen der Wissenschaftssätze; Sätze könnten nur durch Sätze begrundet oder widerlegt werden; Aufgabe der Wissenschaftstheorie oder philosophy of science sei die "Rekonstruktion" oder "Transformation" der Wissenschaftssätze in eine ideale Form -, der "Linguistic Turn" i. e. S., aufgegeben werden: er ist mit dem gleichfalls behaupteten Empirismus unverträglich. - Stegmüller ist bis zur Entdeckung dieses Widerspruchs vorgestoßen; daß aber der "Linguistic Turn" in den auf S. 19 formulierten Bedeutungen durchgängig widersprüchlich ist, mithin das Grundkonzept des Logischen Empirismus selbst aufgegeben werden muß: zu dieser29 Konsequenz konnte oder wollte er sich nicht entschließen. Tatsächlich behauptet der rationale Rekonstruktionismus (1) und (2); oder anders ausgedruckt: er behauptet Sprachimmanentismus und Widerspruchsfreiheit als hinreichendes Wahrheitskriterium, was zu der besagten Kalkülisierung der Erfahrungswissenschaft führt und dem Empirismus widerspricht; und er behauptet ein (notwendigerweise sprach-) unabhängiges Beobachtungsfundament als Basis der empirischen Wissenschaft und widerspricht sich damit selbst - der "Linguistic Turn" im oben entwickelten Sinne und der Empirismus sind miteinander unverträglich3°. Im übrigen entspricht diesem Kalkülbegriff der Erfahrungswissenschaft ein Kalkülbegriff der Theorie: es wird unterstellt, daß "Theorien" zunächst aus uninterpretierten, bloß-logischen Aussageschemata bestehen, die nur nachträglich empirisch "interpretiert" werden. Diese Vorstellung liegt Carnaps Versuch, eine "Theorie-Sprache" und eine "Beobachtungssprache" voneinander zu unterscheiden, ebenso zugrunde wie dem Poppersehen Falsifikationismus und dem Popper-Hempel-Oppenheim-Schematismus der wissenschaftlichen Erklärung: in all diesen Fällen wird angenommen, daß eine von Erfahrung und Realität völlig isolierte bloß-sprachliche Theorie nachträglich mit Erfahrung und Realität verglichen oder konfrontiert werden könne. Diese falsche Vorstellung vom Verhältnis zwischen "Theorie" und "Empirie", die dem Einzelsatzempirismus und dem Schematismus der sogenannten deduktivnomologischen oder kausalen Erklärung nichteliminierbar anhaftet, wird weiter unten einer ausführlicheren Kritik unterzogen. Das Prinzip ,Sätze können nur durch Sätze begründet bzw. widerlegt werden' erscheint vom Standpunkt des rationalen Rekonstruktionismus aus als eine Trivialität, die der ausdrücklichen Formulierung kaum bedarf und in der Regel auch nicht besonders formuliert wird; dennoch läßt sie sich in den entsprechenden Kontexten durchaus belegen, etwa ! 8 D. h. im einzelnen durchaus der Prufung zugängliche, aber als Totalität bzw. als Voraussetzung der jeweiligen Prufung dieser ihrerseits entzogene. 29 In seinen Ausführungen zum Widerspruch zwischen den Axiomen seines Axiomensystems des Logischen Empirismus implizit anerkannten. 30 Die von Stegmüller sogenannte "Paradoxie der Erfahrungserkenntnis" erweist sich damit als Dilemma des Logischen Empirismus und seiner mit einander unverträglichen Komponenten.

1. Linguistic Turn, analytisch versus synthetisch, D-N-Schematismus

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bei Stegmüller, in der schon früher herangezogenen Gesamtdarstellung des Logischen Empirismus31 • Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei gesagt, daß diese Behauptung in der Tat in einem trivialen Sinne wahr und untadelig ist, insofern natürlich Behauptungen nur durch Formulierung entsprechender Behauptungen bestätigt bzw. durch Formulierung von Gegenbehauptungen widerlegt werden können. Nichttrivial - und dies ist das im Logischen Empirismus vorherrschende Verständnis - ist diese Meinung dann, wenn sie so verstanden wird, daß über die Wahrheit und Falschheit von Sätzen wieder nur andere Sätze entscheiden - daß Sätze also nicht durch außersprachliche Tatbestände, Sachverhalte der Realität bestätigt oder widerlegt werden können und müssen: in diesem nichttrivialen Sinne führt der "Linguistic Turn" zu der dem Empirismus widersprechenden Kalkülisierung bzw. zum unendlichen Regreß innerhalb des Systems der Wissenschaftssätze und zum Versuch, ihm durch den Konventionalismus zu entkommen - also in der einen oder der anderen Form in den oben beschriebenen Widerspruch. Es zeigt sich hier einmal mehr, daß das Prinzip ,Sätze können nur durch Sätze verifiziert usw. werden' nur die Konsequenz des allgemeinen "Linguistic Turn" des rationalen Rekonstruktionismus ist; und es zeigt sich zudem, daß der Neurathsche bzw. der Poppersehe Konventionalismus nur einer der Versuche ist, den "Linguistic Turn" konsequent zu Ende zu denken - was, wie schon gezeigt, zwangsläufig zur Preisgabe des von ihnen gleichfalls immer noch behaupteten Empirismus und damit zum Selbstwiderspruch führt 32•

Der Versuch, Erfahrungserkenntnis und empirische Wissenschaft als objektiv und nichtwillkürlich auszuzeichnen, hat notwendigerweise zur Folge, daß der rationale Rekonstruktionismus des "Linguistic Turn" gesprengt werden und "metaphysische" Erkenntnis zugelassen werden muß, die gleichzeitig außersprachliche Wirklichkeit zum Inhalt und zur Wahrheitsbedingung hat und die einzelne empirische Anschauung bzw. Wahrnehmung transzendiertss. Aus dem Gesagten folgt schließlich ebenso zwingend, daß auch das Carnapsche Programm einer Eliminierung der inhaltlichen zugunsten der formalen Redeweise auf demselben Widerspruch des "Linguistic Turn" bzw. des rationalen Rekonstruktionismus mit sich selbst beruht. 31

s. 322.

Zu Popper- Neurath und dem generellen Trend zum Konventionalismus als Konsequenz des Logischen Empirismus vgl. nochmals Stegmüllers Axiomensystem, S. 320 - 325. 33 Mit anderen Worten aufgegeben werden muß die Einzelsatzfixierung, der Einzelsatzempirismus, das A-S-Dogma, der D-N-Schematismus, kurz: die Grunddogmen des Empirismus; darüber unten mehr. 32

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I. Die Dogmen des Logischen Empirismus

Daß es Carnap nicht gelungen ist, dieses Programm durchzuführen obwohl er derjenige unter allen Logischen Empiristen ist, der diesen Reduktionismus am konsequentesten versucht hat, - ist daher wiederum nicht zufällig, sondern in der aporetischen Struktur dieses Programms begründet. Konstitutiv für die Vorstellung von Wissenschaft als Gegenstand der "rationalen Rekonstruktion" bzw. als logisch aufgebautes System von Sätzen ist das oben als A-S-Dichotomie bezeichnete Klassifikationsschema von Sätzen oder Aussagen34 , das im einzelnen folgendes besagt: a1: Alle Sätze sind entweder analytisch oder synthetisch a2: Die analytischen Sätze sind formal, sind wahr36 aufgrund ihrer bloßen Form oder der Bedeutung der in ihnen verwendeten Zeichen, sind daher unter allen Umständen oder a priori wahr (haben keinen "empirischen Gehalt", "sagen nichts über die Welt aus", "gelten in allen möglichen Welten")38 ag: Die synthetischen Sätze sind empirisch ("sagen etwas über die Welt aus") und bedürfen daher der empirischen Verifikation37*, Falsifi.kation•7•*, Überprüfung, Bewährung, Bestätigung37**"'; ihre Wahrheit oder Falschheit ist nicht nur formal, sondern auch material bedingt, erforderlich ist daher in ihrem Fall außer der formalen auch eine materiale Wahrheitsprüfungss, ae. u Ich gebrauche beide Bezeichnungen im folgenden unterschiedslos, d. h. ich vernachlässige den Unterschied zwischen "statements" bzw. "propositions" usw. 35 Im üblichen Sprachgebrauch der Carnap-Schule (vgl. Carnaps Lehrbuch der Logik) werden die "analytischen" Sätze als wahr unterstellt und aufgrund ihrer Form falsche Sätze als kontradiktorisch bezeichnet; exakter und der Einteilung nach auch eleganter wäre es, "analytisch" als Oberbegriff zu fassen und analytisch-wahre bzw. analytisch-falsche Sätze voneinander zu unterscheiden. 35 Dies die gängigsten Formeln zur Wiedergabe der Bedeutung von "analytisch". Quine hat gezeigt, daß keine dieser Formeln zu einer konsistenten Grenzziehung zwischen analytischen und synthetischen Sätzen führt (vgl. dazu weiter unten im Text), sie sind daher nur als Paraphrasen zwecKs Gewinnung eines vorläufigen Verständnisses für den Nachvollzug der Überlegungen des Logischen Empirismus zu verstehen. 87 Die Auffassungen des Logischen Empirismus von den Erfordernissen der empirischen Wahrheitsprüfung oder der sogenannten Basis der Erfahrungserkenntnis haben sich mehrfach grundlegend geändert und sind im übrigen zu keinem abschließenden vertretbaren Ergebnis gelangt. Die mit "37*" bezeichnete Fassung ist die des sogenannten ursprünglichen Verifikationismus des frühen Wiener Kreises bzw. der Standpunkt des sogenannten empiristischen Sinnkriteriums ("ein Satz ist dann und nur dann sinnvoll, wenn er empirisch verifiziert werden kann"; s. dazu weiter unten im Text). "37**" gibt Poppers - den Varifikationismus negierenden - Standpunkt wieder; die unter 37*** angebotenen Formulierungen entsprechen den Abschwächungen der ursprünglich rigiden Verifikationistischen bzw. falsifikationistischen Kriterien. 38 Im Fall der synthetischen Sätze gibt daher die Widerspruchsfreiheit (formale Wahrheit) nur eine notwendige, aber nicht eine hinreichende Wahr-

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Aus dem Schema der Klassifikation der Sätze leitet sich folgendes Schema der Einteilung der Wissenschaften her40 : bt: Analytisch und apriorisch sind die Sätze und Theorien der Logik und der Mathematik" b2: Synthetisch und empirisch sind die Sätze der "Realwissenschaften" oder der verschiedenen Zweige der einen (Einheits-)Wissenschaft, der Physik42 ba: Sätze bzw. Theorien. die weder analytisch-apriorisch noch synthetischempirisch (sondern vielleicht synthetisch-apriorisch43) sind, gehören in den Bereich der "Metaphysik", nicht der Wissenschaft. heitsbedingung an, im Fall der analytischen Sätze dagegen soll Widerspruchsfreiheit zugleich notwendige und hinreichende Wahrheitsbedingung sein. 39 Belege: Carnap, Die alte und die neue Logik; Überwindung der Metaphysik ...; Die physikalische Sprache ... ; Popper, Logik der Forschung, §§ 6 und 24; zum empiristischen Sinnkriterium speziell: Wittgenstein, Tractatus ... Carnap, Überwindung der Metaphysik, E 2, S. 221 - 224 und die Kurzformel ebda. S. 236; Hempel, Die Wissenschaftstheorie des analytischen Empirismus im Lichte zeitgenössischer Kritik, in: Logik, Ethik, Theorie der Geisteswissenschaften ... , Harnburg 1977, S. 20- 34; Stegmüller, Probleme und Resultate ... Bd. 2, S. 189 ff. und 365 ff. ("Zusammenbruch der Signifikanzidee"). Nochmals Hempel, Problems and changes in the empirieist criterion of meaning, ursprünglich 1950, 1958 revidiert, deutsche Übersetzung in: Zur Philosophie der idealen Sprache .. ., München 1972, S. 104- 125 und 126 - 151. 40 Vgl. Carnap, Alte und neue Logik, S. 20- 26; Die physikalische Sprache ... , E 2, S. 432 - 465. " Sowie die der "Logischen Analyse der Sprache" bzw. der "Philosophie" - so muß man jedenfalls schließen: aber darüber gibt es keine eindeutigen Aussagen der Logischen Empiristen. 42 Carnap, Alte und neue Logik, S. 25 f.; Die physikalische Sprache ... passim, bes. den Schluß S. 465. 43 Oder vielleicht auch keines von beiden, d. h. weder analytisch-apriorisch noch synthetisch-empirisch (Unanwendbarkeit des Schemas überhaupt), oder auch beides: analytisch in einigen, synthetisch in anderen Kontexten (Relativierung des Schemas: vgl. unten im Text unter c 2). Die scheinbare Plausibilität der Dichotomie des Schemas ist so stark und ist als Vorurteil so tief verwurzelt -, daß in der Regel nicht einmal alle kombinatorischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden.

analytisch synthetisch apriori empirisch

...... ... .... .. ..........

................ ••



••••

0

••••••

analytisch

Isynthetisch I

X

0

0 !

0

apriori

empirisch

!

0

X

Y1o z1o t 1) 8 werde empirisch festgestellt.

6. Logische Auswertung der empirischen Oberprüfung: a) im Fall von 5 a) gilt die spezialisierte Hypothese (2) als bestätigt. Begründung: aus dem empirisch festgestellten Eintreffen der "Prognose" (4) und der zuvor festgestellten Erfüllung der "Randbedingung" (3) wird auf die Geltung von (2) geschlossen. Für diesen Schluß wird benutzt die aussagenlogische Regel (bzw. Wahrheitstafel) der Implikation p

w F w

F

~

w w F w

qlO

w

w

F F

die besagt, daß, wenn "p" und "q" wahr sind, auch "p ist.

~

q" wahr

Zu lesen: "nicht: g (xH Y1o Z 1, t 1)" oder "x1, Y1• Z 1, t 1 nicht g". Unter der Voraussetzung, daß jedem Satz genau einer der beiden sogenannten Wahrheits-Werte zukommt, d. h. daß er entweder wahr oder falsch ist - diese Voraussetzung ist keineswegs selbstverständlich, wird aber in der zweiwertigen Aussagenlogik sinnvollerweise gemacht und ermöglicht den Aufbau einer Theorie der Satzverknüpfungen -, gibt es bei zwei miteinander zu verknüpfenden Sätzen insgesamt vier Möglichkeiten der Kombination: entweder sind beide miteinander zu verknüpfende Sätze wahr oder aber der erste ist falsch, der zweite wahr; oder der erste ist falsch, der zweite ist wahr; oder schließlich beide sind falsch. Diese vier Kombinationen werden zunächst einmal (hier in den äußeren Spalten) den miteinander zu verknüpfenden Sätzen "p" und "q" zugeteilt. Die "wenndann-"Verknüpfung wird nun in der Aussagenlogik als diejenige, und zwar willkürlich, definiert, die nur in einem einzigen Fall falsch ist, nämlich dem dritten, d. h. demjenigen, in dem der Vordersatz wahr, der Nachsatz falsch ist. Unter dieser Voraussetzung kann dann für jede beliebige noch so komplizierte Implikation oder "wenn-dann-"Verknüpfung errechnet werden, ob sie wahr oder falsch ist. Entscheidend ist allerdings, wie gesagt, daß es nur und genau zwei Wahrheitswerte gibt und daß jedem Satz genau einer dieser Wahrheitswerte zukommt. Das ist aber in der Wirklichkeit der sogenannten natürlichen Sprachen und der Wissenschaft keineswegs immer und keineswegs selbstverständlich der Fall (es handelt sich dabei, wie im Text gesagt, um eine Voraussetzung nichtlogischer Art). - Dies übersehen oder ignoriert zu haben, ist ein entscheidender Fehler des Logizismus, den, wie früher erwähnt, u. a. Reichenbach wegen der Benutzung der sogenannten Asymmetrie der Falsifikation Popper vorwirft, ein Fehler der unkritischen Obertragung logischer auf Realverhältnisse bzw. der Verwechslung logischer mit Realverhältnissen oder der Simplifikation komplizierterer Verhältnisse der Realität durch ihre Reduktion auf die einfachen Abstraktionen der zweiwertigen Aussagenlogik; dieser Fehler ist in der einen oder der anderen Form kraft des linguistic turn allen Versionen des Logischen Empirismus eigentümlich. 9

10

I. Die Dogmen des Logischen Empirismus

44

b) im Fall von 6 b) gilt die spezialisierte Hypothese (2) als widerlegt. Begründung: analog zum Verfahren im Fall a) wird aus den empirischen Feststellungen (3), also

1 ...

(.,Randbedingung")

und 5 b), also (Nichteintreffen der .,Prognose" bzw. Zutreffen ihrer Negation) unter Benutzung der Wahrheitstafel für die Implikation "wenn ,p', dann ,q"' auf die Nichtgeltung oder Falschheit von (2) geschlossen. "' g . . .

Entscheidend für die Schlußfolgerungen im Fall a) wie im Fall b) also sowohl auf die Geltung wie auf die Nichtgeltung von (2) - ist nun, daß die Wahrheitswerte für (3) [bzw. "p"] und (4) [bzw. "q"] im Bestätigungsfall a) bzw. für (3) und (5 b) [bzw. ""' q"] festgelegt sind: nur unter dieser Voraussetzung ist der jeweilige Schluß auf die Geltung bzw. Nichtgeltung von (2) logisch zwingend. Diese Voraussetzung aber ist nichtlogischer Art. Das ist insbesondere im negativen oder "Widerlegungsfall" b) von Bedeutung. Bloß logisch betrachtet stellt er sich nämlich wie folgt dar: Unmittelbar ergibt sich nur die logische Unverträglichkeit oder Widersprüchlichkeit der drei Behauptungen (2), (3) und (5 b), von denen jeweils zwei miteinander verträglich sind, so daß erst aus ihrer Verknüpfung mit der dritten ein logischer Widerspruch entsteht. Die Forderung der logischen Widerspruchsfreiheit bzw. die normative Geltung der aussagenlogischen Regel "' (p • "' p)

wird in allen Schlußfolgerungen stillschweigend vorausgesetzt. Dies ergibt sich deutlicher daraus, daß (2) gleichbedeutend (logisch äquivalent) mit "' (1 ... und "' g ...)

(2 a)

ist, d. h. nur die gleichzeitige Behauptung von (4) und (5 b) ausschließt; bzw. daraus, daß (4) und (5 b) voneinander logisch unabhängig sind. Vom logischen Standpunkt aus ist es nun völlig gleichgültig, welchen der drei Sätze (2), (3) und (5 b) man ausschließt, um den Widerspruch in der Behauptung "(2 a) und (3) und (5 b)", nämlich die gleichzeitige Behauptung von

,.., (1 ... und "' g ..•) und

1 ... und"' g ...

4. Erklären

45

zu vermeiden. D. h. bloß logisch betrachtet ist es ebenso möglich, statt (wie im Fall 6 b) geschehen) auf die Nichtgeltung von (2) zu schließen, - entweder an der (nach wie vor gültigen) Ableitung von (4) aus (2) und (3) mithilfe des modus ponens festzuhalten und daraus auf die Nichtgeltung (Falschheit, Irrtümlichkeit) von 5 b) zu schließen; - oder aus (2) und (5 b) mithilfe des modus tollens, d. h. der aussagenlogischen Schlußregel [(p ::l q) . ,..., q] ::l ,..., p,

die den Schluß aus einer Implikation und der Falschheit des zweiten Gliedes auf die Falschheit des ersten Gliedes erlaubt, auf ,..., f (xtt Yt• Ztt t1), d. h. auf die Nichtgeltung (Falschheit, Irrtümlichkeit) von (3) zu schließen-

In beiden Fällen bliebe die Hypothese (2) in Geltung und es würde stattdessen entweder die empirische Feststellung (5 b) oder die empirische Feststellung (3) bestritten (geleugnet, angezweifelt oder dergl.) D. h. ohne die Festlegung auf die Wahrheit (Geltung) von (3) und (5 b) kommt der Schluß auf die Nichtgeltung von (2) bzw. die "Widerlegung" der Hypothese (2) nicht zustande. Und ebenso setzt diese Widerlegung die Geltung aller genannten logischen Regeln (Widerspruchsfreiheit, modus ponens, modus tollens, Spezialisierung und Zweiwertigkeit) voraus. 7. Zusammenfassung zur logischen Problematik:

Ursprünglich war aus (2) "/ ... ::l g ..." und (3) "f ..." mittels des modus ponens (4) "g ..." erschlossen worden. Dieser Schluß stellt seinerseits eine CL-wahre) Implikation dar: (f ••• ::l g ...) . f • • • ::l g ...

(7)

Nach empirischer Voraussetzung gilt aber im Widerspruch zur Konsequenz (4) von (7) deren Negation (5 b). Also ist die modus-tollensRegel (aus einer Implikation und der Falschheit ihres zweiten Gliedes auf die Falschheit des ersten Gliedes zu schließen) auf (7) anzuwenden. Dabei besteht das zu negierende "p" von (7) nicht allein aus dem Klammerausdruck (2), sondern aus der Konjunktion von (2) und (3). Also ergibt die Anwendung des modustollensauf die Implikation (7): ,..., [(f ••• ::l g •••) • f ...]

(7 a)

Diese Negation impliziert ihrerseits die Alternative "- (/ ... ::l g ...) V ,..., f .. ., d. h. es gilt entweder die Negation der "Hypothese" (2): ,..., (f ••• ::l g ...)

(7 b)

46

1. Die Dogmen des Logischen Empirismus

oder die Negation der "Randbedingung" (3): ,.., f ...

(7 c)

Die Anwendung des modus tollens auf (7) ergibt also zwei der drei unter Zi. 6 genannten Möglichkeiten, den in der hypothetisch-deduktiven Überprüfung aufgetretenen Widerspruch zwischen (4) und (5 b) zu eliminieren. Die dritte besteht darin, (5 b) selbst zu leugnen, d. h. zu behaupten: (7 d).

In diesem Falle wird der in (7) formulierte Schluß von (2) und (3) auf (4) als Bestätigung von (2) aufgefaßt. (7 b), (7 c) und (7 d) stellen die drei logisch gleichmöglichen Auswege aus dem Widerspruch zwischen (4) und (5 b) dar. Wie unter Zi. 6 erläutert ist der Schluß auf die Falschheit von (2)- d. h. die "Widerlegung" der "Hypothese" -, der aus (7 a) möglich ist, nur dann zwingend, wenn man (5 b) (nämlich ""' g ..." und dem Bestandteil (3) (nämlich "/ ...") von (7 a) [(f ..• :J g ... ).f •. .) den Wahrheitswert "W" zuschreibt.

8. Konsequenzen für die nichtspezialisierte Hypothese (1): Entsprechende Überlegungen gelten für den Rückschluß aus der Überprüfung der spezialisierten Hypothese (2) auf die unbeschränkt allgemeine Hypothese (1). Da nämlich (1) (2) impliziert, also (8)

(1) :::) (2)

gilt, ist im Falle der Falschheit von (2) (bzw. der "Widerlegung" der spezialisierten "Hypothese") der modus tollens auf (8) anzuwenden und auf die Falschheit von (1) zu schließen: [(1) :::) (2)] • ,..., (2) :::) -

(1)

(9)

Aber auch in diesem Falle besteht die Möglichkeit, die Falschheit oder Widerlegung der spezialisierten Hypothese (2) zu bestreiten, dadurch der Anwendung des modus tollens auf (8) zu entgehen und die unbeschränkte Hypothese (1) weiterhin zu behaupten. Wie man sieht, lehrt die von Popper - in getreuer und fast wörtlicher Wiederholung Carnaps - zu "dem" "Organon der Kritik" hochstilisierte Logik11 nicht, wie ein Widerspruch zwischen verschiedenen empirischen Feststellungen und theoretischen Annahmen aufgelöst 11 Popper, Logik der Sozialwissenschaften, 15. These, in: Der Positivismusstreit ... , S. 115; Carnap, die alte und die neue Logik, in: Erkenntnis Band I, S. 26 (vgl. auch unten die Beschreibung und Kommentierung dieses Aufsatzes).

4. Erklären

47

werden muß - sie lehrt günstigstenfalls, daß ein solcher Widerspruch besteht und auf welch verschiedenen Wegen er aufgelöst werden kann. Aber auch diese für das D-N-Schema günstigsten Voraussetzungen erweisen sich bei näherer Prüfung als unerfüllbar. Denn der "Pseudorationalismus der Falsifikation" 12 wie der Pseudorationalismus des Logischen Empirismus allgemein geht mit der Annahme "reiner" Sätze und Satzsysteme13 von Voraussetzungen aus, die aus den in den vorausgehenden Paragraphen entwickelten Gründen teils fiktiv, teils inkonsistent und mit dem Sachverhalt der Wissenschaft nicht zu vereinbaren sind. Dies ist im folgenden - auf die Probleme des D-NSchemas zugespitzt - genauer auszuführen. Der D-N-Schematismus basiert, auch wo er nicht eindeutig verifikationistisch oder falsifikationistisch begründet wird14, auf der Poppersehen Annahme, daß a) in einzelnen Sätzen formulierbare "empirische" Feststellungen mit sog. "theoretischen" Sätzen entweder übereinstimmen oder aber ihnen derart widersprechen können, daß dieses Verhältnis als Kontradiktion im Sinne der Aussagenlogik aufgefaßt werden kann; und b) in beiden Fällen eine eindeutige Übertragung von Wahrheitswerten von den Prämissen des Schemas auf die Konklusion (im Fall der "Übereinstimmung" oder "Bestätigung") bzw. eine eindeutige Übertragung der Falschheit von der "Conclusio" auf die Prämissen (insbesondere auf die an erster Stelle stehende Prämisse der "Hypothese": im Fall der Widerlegung) stattfindet. Diese schöne Einfachheit der Logik ist jedoch, was die Realität betrifft, nur schöner, aber leider falscher Schein, dem in der Praxis der Wissenschaft nichts entspricht: die Annahme a) läuft, auch unter falsifikationistischem Vorzeichen, auf eine dogmatisch behauptete Eindeutigkeit der Beziehung zwischen "empirischen Feststellungen" und "Theorien" hinaus, die in der Wissenschaftspraxis nicht existiert15 • Und die Anwendung der Konsequenz b) deformiert den Wissenschaftsprozeß, in dem die Koexistenz von (scheinbar oder wirklich) einander widersprechenden empirischen Befunden und Hypothesen nicht die Ausnahme ist, und gerade dasjenige Verfahren, das Feyerabend später als "kontrainduktiv" zur Regel erhoben wissen wollte- das Festhalten an Hypothesen auch angesichts massenhaft und hartnäckig "widerspenstiger" empirischer Befunde - hat in der Wissenschaftsgeschichte nach12 So der Titel von Neuraths schon mehrfach zitierter Rezension der "Logik der Forschung". 13 Neurath, Pseudorationalismus, Erkenntnis V, S. 353 ff. 14 Vgl. Ryan, Die Philosophie der Sozialwissenschaften, deutsche Ausgabe,

s. 86 f. 15

Reichenbach, Erkenntnis V, S. 267 ff.

48

I. Die Dogmen des Logischen Empirismus

weislich Erfolge erst ermöglicht (Neurath)1 6 • - Man kann ohne Übertreibung sagen, daß der v. a. mit Kuhn und Feyerabend einsetzende "Historie Turn" aus den hier skizzierten Auffassungen Reichenbachs und Neuraths die systematische Konsequenz zu ziehen versucht, ohne daß dieser historische Zusammenhang den Beteiligten bewußt gewesen wäre. Der schöne Schein des Logizismus beruht seinerseits auf noch weiter zu differenzierenden falschen Annahmen, vor allem den folgenden: -

Die sog. Hypothesen oder Naturgesetze haben nicht die einfache Form, die Popper ihnen seinem Falsifikationismus und die Protagonisten des Popper-Hempel-Oppenheim-Schemas der wissenschaftlichen Erklärung dem Schematismus dieses deduktiv-nomologischen Verfahrens zuliebe zuschreiben, zuschreiben müssen: sie sind nicht einfach universale Sätze von der Form ,(x) Fx', sondern es muß in aller Regel zumindest mit ,.gemischten" Quantaren gerechnet werden, d. h. mit Gesetzen einer Struktur, die sowohl All- als auch Existenzquantaren aufweist17 : Sätze dieser Art aber sind, wie früher schon erwähnt, nach Poppersehen Kriterien nicht falsifizierbar - das Verfahren des Falsifikationismus und des ihm folgenden D-N-Schematismus erweisen sich schon aus diesem Grunde als falsche, der Komplexität wisenschaftlicher Aussagen und Verfahren unangemessene Abstraktionen.- Darüber hinaus muß nach einem - ebenfalls schon früher erwähnten- Beitrag W. Kneales davon ausgegangen werden, daß gerade besonders folgenreiche Naturgesetze in komplizierten Beziehungen derart stehen, daß sie je nach Kontext bald als allgemeine und universale Gesetze mit Notwendigkeitscharakter, bald als zufällige, "historische" Einzeltatsachen aufgefaßt werden müssen, ohne daß diese - nach allzu einfachen logisch-empiristischen oder logizistischen Vorstellungen einander widersprechenden - Bestimmungen in ein widerspruchsfreies Nacheinander aufgelöst werden könnten1s.

-

Die Annahme, daß sog. empirische Randbedingungen sich in die simple logische Form bringen lassen, die das Schema erfordert - ,( 3 x) Fx' - ist ebensowenig zu halten wie die korrespondierende Annahme, die Form der Hypothesen betreffend. Ein von Popper in der "Logik der Forschung" gelegentlich geäußerter und inzwischen unter dem Stichwort "Theoriebeladenheit" in der Literatur diskutierter Gedanke19 - demzufolge auch scheinbar so simple "empirische" Sätze wie "Auf dem Tisch steht ein Glas Wasser" zwangsläufig universale theoretische Annahmen implizieren, mithin streng genommen empirisch erschöpfend überhaupt nicht erfaßt bzw. beschrieben, geschweige als wahr angenommen werden können -

Neurath, Pseudorationalismus. Vgl. nochmals Stegmüller, Probleme und Resultate, Band Il, S. 189 ff. 1s W. C. Kneale, The demarcation of science, in: The Philosophy of Karl Popper, ed. by P. A. Schilpp, Band I, La Salle 1974, S. 205 - 220. 10 Vgl. Logik der Forschung, S. 61; M. Hesse. Die sprachliche Schwerfälligkeit des Ausdrucks "Theoriebeladenheit" ist ein Indiz dafür, daß die Sache damit noch nicht angemessen begriffen worden ist. Von "Theoriebeladenheit" zu sprechen, involviert, wenn auch per negationem, immer noch, daß Erfahrung "eigentlich ""theoriefrei" sei - eine Stufe der einfachen Negation des Fehlers des Logischen Empirismus. 1s

11

4. Erklären

49

hat zur Konsequenz, daß es die vom D-N-Schema vorausgesetzten isolierbaren, in einzelnen Sätzen der o. a. primitiven logischen Form faßbaren "empirischen Randbedingungen" überhaupt nicht gibt, mithin in wissenschaftlichen Schluß- und Erklärungsverfahren von ihnen auch nicht Gebrauch gemacht werden kann - eine Konsequenz, die Popper, ohne sein Systemkonzept aufgeben zu müssen, nicht hätte ziehen können und daher wohl auch nicht gezogen hat. - Daß diese fiktive Voraussetzung ähnlich wie die Simplifikationen, die Naturgesetze betreffend, die Wissenschaftspraxis vergewaltigt - der zugemutet wird, nach derartigen "empirischen Randbedingungen" zu suchen und darin eine ihrer Hauptaufgaben zu sehen - sei nur am Rande vermerkt. -

Noch augenfälliger ist die Gewaltsamkeit im Fall der sog. "Prognosen" und des mit ihnen in der Wissenschaftspraxis angeblich permanent angestellten - oder nach Meinung der Popperianer jedenfalls anzustellenden - "experimentum crucis". Schon Neurath hat namens der Mannigfaltigkeit der Gegenstände der Wissenschaft, ihrer Arbeitsfelder und Methoden gegen diese Poppersehen Simplifikationen protestiertto; und die Kritik an der Festlegung der Wissenschaftler auf die monotone Beschäftigung, sei es "Prognosen", sei es "Retrodiktionen" aufstellen zu müssen, ist seither ein ständig wiederkehrendes Argument der Kritik des D-N-Schematismus überhaupt. Doch von diesem praktisch-pragmatischen Aspekt abgesehen ist die theoretisch entscheidende Frage: inwieweit kann, was theoretische Folgerung oder aus einer Hypothese herleitbare "Prognose" ist, überhaupt "empirisch" - nämlich durch sinnliche Wahrnehmung in irgendeiner Form vermittelt- festgestellt werden? Wenn die früher referierte Quinesche These von der empirischen Unterdeterminiertheit theoretischer Annahmen zutrifft; wenn die - dasselbe mit anderen Worten besagende - Poppersche, inzwischen unter dem Eindruck u. a. auch der Quineschen Arbeiten von Toulmin, Hanson, Hesse, Kuhn, Feyerabend und vielen anderen Wissenschaftstheoretikern und -historikern vertretene These der "Theoriebeladenheit" zutrifft; und wenn vor allem Quines Behauptung der Unmöglichkeit empirischer Einzelfallprüfung und der Nichtexistenz eines sog. "empirischer Gehalts" von Einzelausagen zutrifft und daran kann kein Zweifel bestehen, der Logische Empirismus jedenfalls hat keinerlei Gegengründe ins Feld zu führen - dann fehlt auch dieser Prognostik die theoretische Grundlage: die singuläre empirische Wahrnehmung (und a fortiori die singuläre, die Komplexität auch der einzelnen Wahrnehmung noch grob simplifizierende Aussage der Form ,( 3 x) Fx' ist den notwendigerweise höchst komplexen und zugleich abstrakt allgemeinen Annahmen auch und gerade der Naturwissenschaftund nicht etwa nur der aufs Höhere und Geistige gerichteten Humanwissenschaften - hoffnungslos inkongruent. - Eine Präzisierung dieser Aussage hätte zur Voraussetzung, sich auf so etwas wie die Dialektik des Wahrnehmungsprozesses und seiner intellektuellen Verarbeitung einzulassen, was hier natürlich nicht möglich ist. Es bleibt daher nur die kurze Feststellung zu treffen: es ist nach dem Gesagten nicht mehr theoretisch, sondern nur noch ideologisch zu verstehen, wenn von "Methodologen" der Wissenschaft immer noch auf ihrem prognostischen Charakter als dem universalen Charakteristikum aller Wissenschaften schlechthin bestanden wird. 20

Neurath, Pseudorationalismus.

4 TUschllng

I. Die Dogmen des Logischen Empirismus

50

Allgemein kann festgestellt werden, daß sich der von der "Logik" des D-N-Schemas selbst sowie vom Logizismus seiner Implikationen ausgehende Zwang in einer schematischen Methodologie materialisiert, die den zugrundeliegenden Logischen Empirismus in die Praxis übersetzen soll, realiter jedoch mit ihren Inkonsistenzen und Simplifikationen ihrem Gegenstand - der wirklichen Wissenschaftspraxis und deren Gegenstand- nur Gewalt antut: -

-

-

Schon der Zwang zur Suche nach "universalen Gesetzeshypothesen" als solcher ist ein vom Schema oktroyiertes Dogma; zu welchen z. T. absurden Konsequenzen das etwa in den Geschichtswissenschaften führt, ist v. a. von Dray und Donagan gezeigt worden2t. Ebenso gewaltsam ist die Annahme, daß Wissenschaftler ihre Hypothesen oder Theorien ausschließlich auf Widerlegbarkeit oder Überprüfbarkeit anlegen, anlegen sollten und permanent mit Prüf- oder Widerlegungsversuchen ihrer "riskanten Vermutungen" beschäftigt sind: gegen diese speziell von Popper verfochtenen Dogmen haben vor allem Kuhn und Feyerabend in der sog. Kuhn-Popper-Feyerabend-Lakatos-Debatte und anderswo22 geltend gemacht, daß der Wissenschaftsprozeß nur als Wechselspiel von Momenten der Kontinuität und der Diskontinuität23 bzw. als Zusammenwirken von einander entgegengesetzten Prinzipien der Beharrlichkeit und der Vervielfältigung24 angemessen begriffen werden kann. Welche Einwände auch immer gegen diese neueren Konstruktionen ihrerseits berechtigt sein mögen, im Prinzip liegt die Vernunft ganz sicher auf ihrer Seite, nicht auf Seiten der Poppersehen Simplifikationen. Und welche Zweifel auch immer Feyerabends provokanter wissenschaftstheoretischer "Anarchismus" wecken mag: als engagiertes Plädoyer für Phantasie und Mannigfaltigkeit der Fragen, Methoden, Ziele der Wissenschaft hat er in der Wissenschaftstheorie und Philosophy of Science für frische Luft gesorgt und den sklerotischen Wirkungen des Logischen Empirismus, die nicht zuletzt vom D-N-Schema ausgehen, entgegengearbeitet und schon deshalb Vernunft und Sachhaltigkeit auf seiner Seite. Die Verpflichtung auf die Beobachtbarkeitsforderung, schon aus den früher genannten Gründen in dieser abstrakten Form inakzeptabel, wird

21 W. Dray, Laws and Explanation in History, London 1964 (1957); ders. s.o.; A. Donagan, Die Popper-Hempel-Theorie der historischen Erklärung, in B. Giesen IM. Schmid (Hrsg.), Theorie, Handeln und Geschichte, Harnburg 1975, S. 79 - 102. 22 Criticism and the growth of knowledge, ed. by A. Musgrave und I. Lakatos, Cambridge 1970 in deutscher Übersetzung 1974 unter dem Titel "Kritik und Erkenntnisfortschritt" in Braunschweig erschienen. T. S. Kuhn, The structure of scientific revolutions (deutsch: "Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen") 1962; P. K. Feyerabend, Against method, 1975 u . ö. oder etwa: derselbe, Die Wissenschaftstheorie - eine bisher unerforschte Form des Irrsinns, in: ders., Der wissenschaftstheoretische Realismus und die Autorität der Wissenschaften, Braunschweig, S. 293 - 338. 23 Nach Kuhn handelt es sich um die Phasen der sogenannten "normal science" und der sogenannten "revolutionary science". 24 Feyerabend in: Consolations for the specialist, in: Criticism and the growth of knowledge usw., S. 196; in: Kritik und Erkenntnisfortschritt, S. 191 - 221, "Prinzip der Beharrlichkeit", S. 197; "Prinzip des Proliferierens",

s. 199.

4. Erklären

51

ihrerseits durch die "Logik" des Schemas nochmals in absurder Weise verstärkt: Jeder Versuch der wissenschaftlichen Erklärung, gleichgültig in welcher Disziplin, soll nur aufgrund von Beobachtungen, Wahrnehmungen, Experimenten gerechtfertigt sein. Das schließt nicht nur ganze Wissenschaften, deren "Gegenstände" sich der empirischen Wahrnehmung prinzipiell entziehen (wie Recht, Geschichte, Gesellschaftswissenschaften, Sprach-, Literatur-, Kunst-, Kulturwissenschaften, Psychologie, Pädagogik) vom Verfahren aus oder zwingt sie zu allen erdenklichen Deformationen, um den vermeintlich streng wissenschaftlichen Anforderungen des Schemas zu genügen. Die fragliche Forderung wird nicht einmal von der - zur Musterwissenschaft erhobenen - Physik erfüllt: denn zahlreiche physikalische Erklärungen sind in dem Sinne "theoretisch", daß sie, als gesichertes Wissen, nicht mehr der empirischen Kontrolle unterworfen werden; andere sind aus den früher erörterten Gründen - sie lassen sich mit Quines Formel als "Unterdeterminiertheit" der Erkenntnis durch Erfahrung zusammenfassen - teils prinzipiell der empirischen Anschauung entzogen, teils hängen sie nur sehr vermittelt mit ihr zusammen und sind daher auch nur äußerst vermittelter "Bestätigung" oder "Widerlegung" fähig. Und selbst Poppers berühmtes Seil, das beim Anhängen eines 2 kgGewichts reißt, ist, gerade, was die wissenschaftlich interessanten Aspekte des Vorgangs (sofern davon 300 Jahre nach Newton noch gesprochen werden kann) anbetrifft, nur bedingt oder überhaupt nicht der Beobachtung zugänglich25 • Kurz: das Dogma des Reduktionismus oder Satz-für-SatzEmpirismus wirkt sich hier in absurden methodologischen Forderungen aus: weil Einzelsätze die Argumente des Schemas darstellen, soll die Wissenschaft schlechthin zu einem abstrakten Einzelsatz-Feststellungsverfahren gezwungen werden; und weil das Dogma die Empirizität solcher Einzelsätze fordert- ohne daß Kriterien dafür geliefert worden wären oder werden könnten -, soll die Wissenschaft zu derartigen Empirizitätsprüfungen verurteilt werden: ernstzunehmende Forschung hat sich darauf nicht eingelassen und wird sich auch künftig darauf nicht einlassen; nur einige in ihrem wissenschaftlichen Selbstbewußtsein und Anspruch ständig verunsicherte Disziplinen wie Pädagogik, Psychologie oder Soziologie nahmen und nehmen diesen Schematismus noch ernst - zu ihrem eigenen Nachteil2e. Der das ganze Schema durchgängig determinierende Grundfehler ist die Annahme der säuberlichen Trennbarkeit von "theoretischen" und "empirischen" Feststellungen; die damit verbundene Annahme der Existenz ursprünglich empirisch-uninterpretierter, bloß-"theoretischer" Sätze - ein Begriff von Theorie als uninterpretiertem Kalkül, der eine unzulässige, weil zur "Kalkülisierung" der Erfahrungswissenschaft27 führende Übertragung eines logisch-mathematischen Theoriebegriffs 25 Das Beispiel verwendet Popper u. a. in: Elend des Historizismus, § 28. Nicht beobachtbar ist der Ursache-Wirkungszusammenhang zwischen dem Anhängen des Gewichts und dem Reißen des Seils. Empirisch konstatierbar ist streng genommen nur das zufällige Zusammentreffen beider. 28 Ich bin wohlgemerkt nicht der Auffassung, daß empirische Überprüfungen jeglicher Art überflüssig seien; ich halte sie nur für überflüssig, ja für schädlich, wenn sie diesem die Wissenschaftspraxis vergewaltigenden Schema folgen. 27 s. nochmals Stegmüller, Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, S. 324.

••

I. Die Dogmen des Logischen Empirismus

52

auf nichtmathematische Wissenschaften darstellt28 ; der Gedanke der bloß nachträglichen empirischen Interpretation durch "Konfrontation" der einzelnen Hypothese mit "der" (ihrerseits als "theoriefrei" gedachten) Erfahrung; die Annahme der Empirizität einzelner - und ihrer logischen Form nach singulärer - Sätze, der Existenz von Kriterien für diesen empirischen Charakter; schließlich die unterstellte Entscheidungsfunktion isolierter empirischer Behauptungen der fraglichen logischen Form: all diese seit Quine, Feyerabend, aber auch durch die Arbeiten von Toulmin, Hanson, Hesse und vielen anderen als inkonsistent oder fiktiv nachgewiesenen Voraussetzungen sind Konsequenzen des "Linguistic Turn", des aus ihm resultierenden Logizismus, des A-SDogmas und des Einzelsatzempirismus, dessen Undurchführbarkeit von Quine gezeigt worden ist, deren Inkonsistenzen dem O-N-Schema nichteliminierbar anhaften: sie machen seine Preisgabe als ernstzunehmendes theoretisches Modell wissenschaftlicher Erklärung zwingend. Als ironische Schlußpointe bleibt nur noch nachzutragen, daß das Schema selbst genau dasjenige voraussetzt, dessen Bekämpfung es dienen soll: "Metaphysik". Denn es funktioniert nur, wenn zumindest die von Stegmüller als "Minimalmetaphysik" genannten Voraussetzungen erfüllt sind und angenommen werden kann, "daß jedenfalls die Regeln der Sprache und der Logik von den Beteiligten nicht vergessen werden ... ," eine prinzipiell empirisch unüberprüfbare Annahme29 • Aber mit diesem Minimum allein dürfte die Wissenschaft auch noch nicht auf die Bahn kommen; als weitere notwendige Momente wären zu nennen: -

-

Carnaps "glückliche Umstände": ,.lntersensualität", d. h. die Annahme einer eindeutigen Korrelierbarkeit von Wahrnehmungen aus verschiedenen Sinneswahrnehmungsgebieten untereinander und mit den abstrakten Bestimmungen quantitativer und qualitativer Art in der Physik (und anderswo); und "lntersubjektivität", d. h. die Annahme, daß die die empirischen Feststellungen fundierenden Wahrnehmungsprozesse verschiedener Subjekte untereinander und in Relation zu den durch sie erfaßten Realprozessen von gleicher Struktur sind; Die wichtigsten der von Zilsel aufgezählten notwendigen Bedingungen für die sog. Protokollsätze (deren besondere Problematik für die Frage der Anwendbarkeit des deduktiv-nornelogischen Schemas gleichgültig ist das von Zilsel Gesagte kann ohne weiteres auf die vom Schema geforderten empirischen Einzelfeststellungen übertragen werden), insbesondere ... Identität und Kontinuität der Erfahrungsprozesse der am Prüfverfah-

2s Mit der Idee der Axiomatisierung bzw. Axiomatisierbarkeit von Theorien kann man sich, soweit möglich und durchführbar, durchaus einverstanden erklären; dies aber hat nichts mit der hier behandelten Unterstellung zu tun, Theorien seien ursprünglich nichtinterpretierte und immer nur nachträglich empirisch interpretierte oder interpretierbare Aussagenschemata. 28

s. 331 ff., 336 ff.

4. Erklären

53

ren beteiligten Subjekte, zugleich deren eindeutige Unterscheidbarkeit als Prozesse verschiedener Subjekte ... Identität, Kontinuität, Einheit und Realität des Erfahrungsinhalts, d. h. Existenz der von Zilsel so genannten einen "Wachwirklichkeit"; -

die Existenz regelmäßig reproduzierbarer bzw. sich objektiv wiederholender Prozesse als Gegenstand der Einzelwissenschaften, die das Schema anwenden sollen: diese Voraussetzung ist noch spezieller als die Voraussetzung der sog. Wachwirklichkeit; denn sie besagt, daß nur die Existenz von Prozessen prinzipiell beliebig reproduzierbarer (bzw. in der Natur oder der Gesellschaft reproduzierter) Struktur die beliebige Wiederholung des Prüfverfahrens, insbesondere die Feststellung der sog. "empirischen Randbedingungen" und des Eintreffens oder Nichteintreffens der sog. Prognosen für prinzipiell beliebige prüfende Subjekte möglich macht. Übrigens ist in dieser Voraussetzung auch die Annahme enthalten, daß die von den Einzelwissenschaften untersuchten Sachverhalte und Prozesse derart sind, daß sie mittels solcher einfachen logischen Formen, wie es die aussagenlogische Implikation ist, erfaßt werden können.

Die Logischen Empiristen haben sich nie gefragt, was es bedeutet, wenn bei der Anwendung des D-N-Schemas (bei "nomologischen Erklärungen" allgemein und bei "kausalen Erklärungen" im besonderen) davon gesprochen wird, das Explanandum werde durch das Explanans (Gesetz plus Antecedens-Bedingungen) "impliziert". Noch präziser gefragt: Was gestattet überhaupt die Interpretation einer logischen Notwendigkeit vom Typ [(x) (Fx ::> Gx) · Fx] ::> Gx Fx______________ ----Gx

als Real-Notwendigkeit des Eintretens eines Ereignisses "Gxt, Yt, Zt, t1" an einer bestimmten Raum-Zeit-Stelle? Wenn die Feststellung ,Fxt, Yt, Zt, tt', wie Stegmüller erklärt30 eine nichtlogische Operation ist und wenn dies kraft Voraussetzung auch für die "Prognose" ,Gx .. .' zutrifft: was fügt dann die Behauptung des D-N-Schemas, "Fxt,Yt.Zt, t1" (zusammen mit gewissen Gesetzesaussagen) impliziere "Gxt, Yt. Zt, tt", der empirischen Feststellung, daß "F" und "G" zusammen auftreten (oder daß die "F" "G" sind), eigentlich hinzu? Humes Antwort ist bekanntlich: sie fügt ihr nichts hinzu - und dem ist, soweit es das D-N-Schema betrifft, auch nichts hinzufügen. Die Annahmen, die im Hempel-Oppenheim- (oder D-N-)Schema gemacht werden, enthalten u. a. die folgenden unausgewiesenen und zudem mit dem Empirismus unverträglichen Generalisierungen: -

die Anwendung des H-O-Schemas impliziert, daß eine (ganz bestimmte) "nomologische Implikation" eines explanandum durch ein bestimmtes explanans vorliegt; d. h. es impliziert die Behauptung der Notwendigkeit 30

Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, S. 310.

54

I. Die Dogmen des Logischen Empirismus

der Verknüpfung der "F" und "G" für beliebig spezialisierbare x, y, z, tPunkte oder für beliebige Raum-Zeit-Punkte; -

ferner beansprucht das Schema Geltung bzw. Anwendbarkeit für beliebige Prädikate "F" und "G", d. h. es beansprucht seine Anwendbarkeit auf beliebige Ereignisklassen und die Existenz von Implikationsbeziehungen zwischen solchen Ereignisklassen als explanantia und beliebigen explananda; - weiterhin impliziert das Schema ein oder das universale Kausalprinzip überhaupt: d. h. es impliziert, daß es in der Natur durchgängig gesetzmäßig zugeht, und es impliziert im besonderen, daß prinzipiell beliebig reproduzierbare Ereignisklassen oder Zustandsänderungen in eindeutiger Weise auf prinzipiell beliebige Beobachter zu beliebigen Zeitpunkten an beliebigen Orten beziehbar sind. Das hier in Anspruch genommene universale Kausalgesetz könnte man auch mit Kant wie folgt formulieren: "alles, was geschieht, setzt etwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt." - Schließlich macht das D-N-Schema die Annahme der Widerspruchsfreiheit der Realität überhaupt; dies ist nur ein anderer Ausdruck für die Annahme, daß die einfache zweiwertige Aussagenlogik zur Erfassung der Strukturen und Beziehungen der Realität zureicht. - Diese "Zärtlichkeit" gegenüber der Welt ist ihrerseits ein metaphysisches Dogma. Pointe der Paradoxie: mit dieser "Zärtlichkeit" überträgt der Logische Empirismus das principium exclusae contradictionis aus der Welt der Sprache auf alle Wirklichkeit überhaupt, deklariert es - wie weiland Christian Wolff zu dem Grundgesetz alles Seienden, zum ersten Hauptsatz der Ontologie. Weiter kann man den Logizismus, den der Logische Empirismus der klassischen Metaphysik in Bausch und Bogen vorwerfen zu können glaubte, kaum treiben; dies ist eine "logisierende Metaphysik" par excellence. Und weitere ironische Pointe: es ist Hegel, der schlechthin Böse und des spekulativen Umgangs mit der Logik Verdächtige, dem gelungen ist, was der Logische Empirismus intendierte, aber eben verfehlt hat: nämlich das Prinzip der Widerspruchsfreiheit, ein logisches Prinzip, auf den Bereich der Rede bzw. der Sprache zu beschränken und seine unkritische Hypostasierung zu einem ontologischen Prinzip a la Wolff zu vermeiden. So führen die Versuche, die "Metaphysik" zu "überwinden" oder sich am eigenen Schopf aus dem sog. "Münchhausen-Trilemma" zu ziehen, nur dazu, daß "metaphysische" Voraussetzungen ganz unkoutrolliert und unanalysiert in die Methodologie der Wissenschaften einfließen das freilich ist nicht einmal ein Schade, wie Feyerabends Plädoyer für möglichst viel "Metaphysik" in der Wissenschaft vermuten läßt. Aber über diesen prinzipiell erfreulichen neueren Diskussionen sollte die Zählebigkeit der Dogmen des Logischen Empirismus nicht vergessen werden. Und es darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß es den Unsinn noch überbieten und die kritische Arbeit vieler führender, ursprünglich dem Logischen Empirismus verpflichteter Wissenschaftstheoretiker und -historiker ignorieren heißt, wenn man - ein altes, ursprünglich vielleicht einmal berechtigtes Argument von Winch re-

4. Erklären

55

produzierend, - die Geltung des D-N-Schematismus für die Naturwissenschaften einräumt und lediglich für die "Geisteswissenschaften" nach einem Alternativschema sucht, wie das z. B. Habermas, v. Wright oder Apel tun: das D-N-Schema hat weder mit Kausalität noch mit wissenschaftlicher Erklärung etwas zu tun - man verschone uns endlich damit, es weiteren Generationen von Wissenschaftlern als Muster anzupreisen. Aber auch dieses Verdikt wird für sich genommen nicht verhindern, daß in den Lehrbüchern der Ryans1 , Giesen-Schmid32 , Esser33 oder Essler34 das Schema nach wie vor mit dem Anspruch auf kanonische Geltung propagiert wird; so soll es wenigstens als Erinnerung an die zahlreichen - hier genannten und nicht genannten - Arbeiten dienen, die die Inkonsistenz und Unbrauchbarkeit dieser falschen Abstraktionen längst dargetan haben; und vielleicht auch als Aufforderung dazu, die ernsthafte Arbeit an den vom Logischen Empirismus in Angriff genommenen Problemen dort aufzunehmen, wo sie mit dem bislang differenziertesten Problembewußtsein und begrifflich-theoretischen Instrumentarium bearbeitet worden sind: beim Diskussionsstand, den der Deutsche Idealismus in diesen Fragen erlangt hat. Aber es hieße natürlich die wichtigste Lehre, die aus dem Scheitern des Logischen Empirismus zu ziehen ist, in den Wind schlagen, wenn man nur eine weitere philosophische Methodenlehre den Wissenschaften aufzwingen wollte. Schließlich ist der Logische Empirismus nicht zuletzt daran gescheitert, daß er genau dies versucht hat. Der Nutzen der Philosophie wird, wenn sie überhaupt einen hat, daher auch hier nur negativ sein und allenfalls in der kritischen Berichtigung abstrakten und undialektischen Umgehens mit Begriffen und Theoriestrukturen bestehen können. Da die Philosophie nicht selbst über eigene Inhalte verfügt, wird sie die möglicherweise fruchtbare Umsetzung ihrer Abstraktionen in der konkreten Arbeit den wissenschaftlichen Einzeldisziplinen überlassen oder eben selbst Wissenschaft werden müssen.

Die Philosophie der Sozialwissenschaften. Theorie, Handeln und Geschichte, Harnburg 1975. 33 Esser, Klenovits, Zehnpfennig, Einführung in die Wissenschaftstheorie, Stuttgart 1977. 34 W. K. Essler, Analytische Philosophie, Stuttgart 1972. 31

32

II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis" 1. Carnap, Die alte und die neue Logik in: E 1, 1930/31, S. 12-26 1.1 Carnap zufolge wollen die Herausgeber der Erkenntnis "die neue wissenschaftliche Methode des Philosophierens ... fördern, die ... in der logischen Analyse der Sätze und Begriffe der empirischen Wissenschaft besteht." Zwei-

erlei sei dabei wichtig: die enge "Verbindung mit der empirischen Wissenschaft" und die Erhebung der Logik zu der "Methode des Philosophierens". Dabei ist unter Logik die "Zusammenfassung der reinen, formalen Logik und der angewandten Logik oder Erkenntnistheorie" zu verstehen1, und zwar im Unterschied zur "traditionellen" die moderne, seit de Morgan, Boole, Frege und anderen entwickelte, von Whitehead und Russen vollendete Logik2 • Sie ist ausgezeichnet durch die symbolische Methode, durch die Neuentwicklung einer Logik der Beziehungen, durch die Fähigkeit zur Auflösung der logischen Antinomien, schließlich durch Einbeziehung der Mathematik als Teil der Logik sowie durch den tautologischen3, den Nachweis der Sinnlosigkeit aller Philosophie und Metaphysik ermöglichenden• Charakter ihrer Sätze, der seinerseits "die Ausschaltung der Metaphysik" 6 erlaube. 1.2

Die von den genannten Autoren6 entwickelte neue Logik ist zunächst und für sich genommen ein sogenannter uninterpretierter Kalkül, das heißt ein mathematischer Formalismus bzw. eine Theorie solcher Kalküle oder Formalismen und als solche indifferent gegen irgendwelche Anwendungen oder "Interpretationen" der in ihr enthaltenen Kalküle der Aussagen-, Quantoren- und der höheren Prädikaten- bzw. Klassenlogik7. Den Logischen Empiristen8 gilt sie als Musterbeispiel an Präzision und Rationalität, und das ist sie in der Tat auch, gerade dank 1

3 5

s. 12. 15-23. 25 f.

2 4

14 f. 13, 23, 25.

o Vgl. auch Stegmüller, Hauptströmungen Bd. I, 348, 368 ff.; Kneale, The Development of Logic, Oxford 1962. 7 Zu Begriff und Problematik des uninterpretierten Kalküls und Interprefations- bzw. Anwendungsproblematik vgl. u. a. Stegmüller, Hauptströmungen Bd. I, S. 376 ff.; Quine, Grundzüge der Logik, § 32, § 41; Klaus, G., Moderne Logik, Berlin 1972, S. 365 ff. 8 Das gilt für Carnap wie für Popper gleichermaßen. Zu Carnap vgl. S. 12 und ff.; Popper, Logik der Sozialwissenschaften, 15. These, bezeichnet die Logik als das Organon der Kritik (in: Der Positivismusstreit ... , 1969, S. 115).

1. Carnap, Die alte und die neue Logik

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ihrer Abstraktion von allem Inhalt. Aber die Logischen Empiristen machen als Wissenschaftstheoreriker von der Logik nicht als Kalkül, sondern als angewandter Logik9 Gebrauch, übertragen - vielfach ungeprüft - Ergebnisse der formalen Logik (oder was sie dafür halten) auf Anwendungsbereiche, begehen dabei gravierende Fehler, nehmen unberechtigterweise die Exaktheit und das Ansehen der formalen Logik für ihre eigenen unkritischen Anwendungen in Anspruch. Sie begehen dabei den methodischen Verstoß, den die "alte Logik" als unzulässigen Überschritt in ein anderes Genos bzw. als Amphibolie im zugrundegelegten Begriff (hier der Logik) kritisiert hätte; oder sie repräsentieren in diesem Verfahren genau das, was Carnap in dem hier vorgestellten Aufsatz als "logisierende Metaphysik" anprangert. Die eklatantesten Beispiele für solche Fehler sind: a) die Einteilung aller Sätze in analytische und synthetische (Kurz: A-SDichotomie). Die Behauptung dieser Dichotomie ist ihrerseits gleichbedeutend mit der Behauptung der Existenz einer Klasse von Sätzen "tautologischen Charakters", die "wahr aufgrund ihrer bloßen Form" sind10• Und nach Carnap "läßt sich zeigen, daß alle Sätze der Logik, also auch ... alle Sätze der Mathematik Tautologien sind" 11 , womit "jeder logisierenden Metaphysik ... die Berechtigung genommen" sein sol112• Der Fehler Carnaps und aller ihm folgenden Empiristen besteht darin, daß hier als Ergebnis der formalen Logik behauptet oder einfach unterstellt wird13, was höchstens dann behauptet werden kann, wenn man über eine Popper wiederholt hier nur in gewählterer Sprache Carnaps Dictum von der Logik als "Werkzeug" der philosophischen Sprachanalyse (S. 25 f.) - Ein Beispiel für dieselbe Logik-Gläubigkeit aus jüngster Zeit aufgrund einer Position, die sich selbst als kritische Gegenposition zum Logischen Empirismus versteht, bietet Gethmann, Die Logik der Wissenschaftstheorie, in: Theorie des wissenschaftlichen Argumentierens, hrsg. von C. F. Gethmann, Frankfurt 1980, S. 15 ff., besonders S. 20, 27- 40. So, als hätte es u. a. Feyerabends Infragestellung des Aprioritäts- und Alleinvertretungsanspruchs der zweiwertigen Propositionenlogik (in: Erkenntnis für freie Menschen 74 f.; s. u. den Kontext zu Anmerkung 44 von Kap. V) und die spätestens seit Kuhn in Gang gekommene Diskussion um die Problematik des rationalen Rekonstruktionismus nie gegeben, bietet Gethmann die - nunmehr "pragmatisch" fundierte und interpretierte - zweiwertige Propositionenlogik einmal mehr als rational begründetes Instrument der Rekonstruktion und Analyse der Wissenschaftssprachen an und legt damit eine ganz besonders ausgeprägte Bereitschaft zu wissenschaftlicher Argumentation und Begründung - für die er "die" Theorie liefern will - an den Tag. Ja, Gethmann will den alten rationalen Rekonstruktionismus noch überbieten, indem er seine "Pragmatik wissenschaftlichen Argumentierens" für "die kritische Rekonstruktion auch sozialer Strukturen wie z. B. wissenschaftlicher Institutionen" einsetzen will (39). 9 Carnap, 12, 16, 21, 23 und ff. 10 Ebd. 23. 11 Ebd. 22. 12 Vgl. auch den weiter unten besprochenen Aufsatz "überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache". 13 Den Charakter einer bloßen Setzung dieser Klassifikation belegt u. a.

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li. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

gesicherte Theorie der Aussagen und Urteile, über eine bestimmte Logikinterpretation14, eine Theorie der Funktion von Begriffen und Urteilen im Erkenntnisprozeß verfügt. Tatsächlich verfügt Carnap weder über eine solche Theorie noch über irgendwelche anderen, von der Logik unabhängigen Begründungen, sondern beläßt es- jedenfalls in dem hier erörterten Aufsatzbei der bloßen Versicherung der Gehaltlosigkeit und bei der dieser Versicherung widersprechenden Behauptung, aus diesem tautologischen Charakter lasse sich die logische Unhaltbarkeit aller Philosophie bzw. des synthetischen Apriorismus herleiten15• Carnap und die ihm folgenden Empiristen mißachten damit Kants Warnung, die formale Logik dürfe nicht einmal den Namen der synthetischen Sätze kennen, weil sie von allem Inhalt abstrahiere16 . Sie behaupten nämlich - zu Recht - den rein formalen, von allem Inhalt abstrahierenden Charakter der Logik; und sie behaupten zu Unrecht die Existenz (einer Klasse) von Sätzen, deren Wahrheit allein von ihrer Form abhängen soll17 ; und sie behaupten insbesondere zu Unrecht, daß diese angeblich gehaltleere und tautologische "neue Logik" 18 oberste Urteilsinstanz19 über allen Gehalt20, über alle Sinnhaftigkeit von Aussagen und Philosophien überhaupt21 , speziell aber über die "Unmöglichkeit jeder Metaphysik"(!), über "die gründliche Reinigung der Wissenschaft" und alle ihre Sätze ist, ohne ihrerseits metaphysische Annahmen oder Aussagen zu machen22 . Kurz: hier wird die formale Logik fälschlicherweise für die Beurteilung und Lösung inhaltlicher Probleme in Anspruch genommen, die mit ihrer Hilfe erklärtermaßen nicht gelöst werden können, eben weil die formale Logik als solche von allem Inhalt abstrahiert. Derselbe Fehler tritt bei verschiedenen Vertretern des Logischen Empirismus an unterschiedlicher systematischer Stelle in diversen Varianten auf: - in der bei Neurath2a, Carnap24 und Popper25 an systematisch entscheidender Stelle auftretenden Behauptung eines logischen als des einzigen bis heute Carnaps Logik-Lehrbuch, S. 13, 18; zu Plausibilität und Fehler gerade dieser Unterstellung s . Quine, Zwei Dogmen ... , in: Zur Philosophie der idealen Sprache, 1972, S. 167 ff., besonders 184, 189. 14 Etwa in Gestalt einer "transzendentalen" Logik wie bei Kant. 15 S. 23, 25 f.; Manifest, Ausgabe Schleichert, 209 ff. 18 Kritik der reinen Vernunft B 193. 17 Dies eine Aussage, die von der von allen Inhalten abstrahierenden Logik nicht begründet werden, deren Unhaltbarkeit aber aus anderen Gründen dargetan werden kann: vgl. Quine, Zwei Dogmen ... , S. 171 - 84, 189 f. und Truth by Convention, in: The Ways of Paradox, New York 1966, S. 72 ff.; dazu Tuschling. Sind die Urteile der Logik vielleicht "insgesamt synthetisch"? In: Kant-Studien 1981, Heft 3. 19 Ebd. 13. 18 Carnap, 22 f. 21 Ebd. 13, 23, 25. 20 Ebd. 21 f. 23 Protokollsätze, E 3, 204 ff. 22 Ebd. 25. 24 über Protokollsätze, E 3, 215 ff. 25 Natürlich widerspricht die im Text getroffene Feststellung Poppers Selbstverständnis ganz entschieden: ".. . nicht allein durch ihre logische Form ist die empirische Wissenschaft gekennzeichnet, sondern darüber hinaus durch eine bestimmte Methode." (S. 14) "Auch wir halten zwar eine rein logische Analyse der Systeme .. . für notwendig, aber auf diese Weise kann man jene Eigentümlichkeit der empirischen Wissenschaft . .. nicht erfas-

1. Carnap, Die alte und die neue Logik

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d. h. notwendigen und hinreichenden- Wahrheitskriteriums: Dieser Fehler - von Stegmüller wird er als Fehler der "Kalkülisierung" der Erfahrungswissenschaft bezeichnet28 - ist als unvermeidliche Konsequenz des Vorurteils des "Linguistic-Turn" allen Varianten des Logischen Empirismus nicht eliminierbar zu eigen; sen ... ein zwingender logischer Beweis für die Unhaltbarkeit eines Systems kann ja nie erbracht werden ... Kennzeichnet man also die empirische Wissenschaft nur durch formal-logische Angaben über den Bau ihrer Sätze, so kann man jene verbreitete Form der ,Metaphysik' nicht ausschließen, die ein veraltetes wissenschaftliches System zur unumstößlichen Wahrheit erhebt. Wir kennzeichnen deshalb die empirische Wissenschaft durch die Methode, nach der mit den Systemen verfahren wird ..." (S. 22 f.; vgl. auch S. 25 ff.). Und ähnliche Überlegungen finden sich an vielen anderen Stellen von Poppers Publikationen. Aber wie so oft, und im Falle Poppers im besonderen, decken sich Selbsteinschätzung und tatsächlich vertretene Position keineswegs. Denn erstens begeht Popper denselben von Quine aufgedeckten Fehler wie der von ihm als "positivistisch" disqualifizierte Logische Empirismus, nämlich den empirischen Charakter von Wissenschaft eben doch "durch ihre logische Form" (s. oben das Zitat aus S. 14), und zwar durch die logische Form einzelner "besonderer empirischer Sätze" (S. 17, S. 66 ff.) zu kennzeichnen. Zweitens dokumentiert die erste der drei "Forderungen" ..., die er .,an das ,empirische' Theoriensystem" stellt, schon für sich genommen das fundamentale logizistische Mißverständnis auch der Poppersehen ,WissenschaftsZogik': "Es muß synthetisch sein (eine nicht widerspruchsvolle, ,mögliche' Welt darstellen)" (S. 13). Drittens wird die dritte und entscheidende dieser Forderungen, die die Auszeichnung empirischer Sätze verlangt, von Popper nicht erfüllt: Denn wie Stegmüller (Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, 2. Auflage S. 358 - 366, bes. 361) zutreffend gegen Poppers Basissatzkonventionalismus (vgl. dazu LdF §§ 11, 21, 22, 28- 30) ausgeführt hat, reproduziert Popper den Fehler, den er Neurath (LdF S. 63) vorhält; Poppers Basissatzverfahren zeichnet nicht ein einziges System wissenschaftlicher Sätze als objektiv-empirisch aus, sondern öffnet, wie der Neurathsche Konventionalismus auch, der Willkür Tür und Tor. Damit aber läuft die dritte Forderung leer, d. h. Popper läßt faktisch beliebig viele Satz- und Theoriesysteme, zwischen denen nur per Konvention, aber nicht nach objektiven Kriterien unterschieden werden kann, als empirische Wissenschaft zu. Das wiederum bedeutet: als einziges objektives Wahrheitskriterium bleibt, wie oben im Text behauptet, das in der ersten Forderung genannte Kriterium der Widerspruchsfreiheit übrig. Tatsächlich ist dieses Ergebnis bereits in Poppers Grundansatz selbst- d. h. eben im Versuch, Sätze als empirisch durch ihre bloße logische Form auszuzeichnen - enthalten, wie sich an der ersten Erörterung des Basisproblems in der "Logik der Forschung" zeigen läßt: Popper bekennt sich in diesem Zusammenhang zu dem linguistisch-logizistischen Grundsatz, .,daß Sätze nur durch Sätze logisch begründet werden können", die Frage der Begründung von Sätzen daher immer nur durch Untersuchung der "objektivenlogischen Zusammenhänge(n) der wissenschaftlichen Satzsysteme" zu lösen sei (S. 17 f.). Diese Auffassung von Begründung bedeutet zwangsläufig den Verzicht auf jedes außersprachliche Auszeichnungskriterium bzw. die Anerkennung allein innersprachlicher Auszeichnungskriterien, die letzten Endes alle auf das Kriterium der logischen Verträglichkeit oder Widerspruchsfreiheit zurückführen. In der .,Logik der Sozialwissenschaften" kommt dies in der Hochstilisierung der "deduktive(n) Logik zur Theorie der rationalen Kritik" schlagend zum Ausdruck (vgl . .,der Positivismusstreit . ..", S. 116). 28 Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, Kapitel 3, 2. Auflage S. 322, 326- 33, 334-44.

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis" in dem in allen Versuchen, ein Kriterium der Empirischen "Signifikanz" 27 oder Abgrenzung28 zu entwickeln, unvermeidlichen Fehler, den empirischen Charakter von Aussagen und von Wissenschaft ganz allgemein in einer bestimmten logischen Struktur überhaupt finden oder mit ihr identifizieren zu wollen29 : Auch hier wird Logik als uninterpretierte Theorie und als Unterscheidungsinstanz für die inhaltliche Differenz von Formaltheorie und empirischer Wissenschaft in Anspruch genommen. Der von Quine analysierte Grundfehler des Einzelsatzempirismus30 erweist sich damit als eine Variante des allgemeineren Fehlers, in logischen oder Formalstrukturen (die dank Abstraktion von allen Inhalten zur Begründung inhaltlicher Aussagen schlechterdings nicht taugen) den Grund des empirischen Charakters von Theorien und Wissenschaften überhaupt zu suchen: Wenn es überhaupt ein allgemeines Kriterium der Empirizität gibt31 , dann kann es jedenfalls nicht aus der von allen Inhalten abstrahierenden formalen Logik entnommen werden; in den unten unter b) und c) genannten Beispielen.

b) das Carnapsche - von Popper übrigens uneingeschränkt gebilligte32 Programm der Reduzierung der sog. "inhaltlichen" auf die "formale" Redeweise. Diesem Programm liegt der Gedanke zugrunde, daß ausnahmslos alle inhaltlichen Probleme, damit zugleich die "Fehler" der "inhaltlichen Redeweise", der Umgangssprache, der Philosophie und aller bisherigen Erkenntnistheorien und schließlich auch metaphysische Mißgriffe in anderen Wissenschaften33 durch Aufbau einer vermeintlich reinen formalen Sprache eliminiert bzw. vermieden werden können3' . - Abgesehen von dem Einwand, daß diese Reduzierung schon von Carnap selbst überhaupt nicht durchgehalten 27 s. Wittgenstein, Tractatus; Carnap, Überwindung der Metaphysik, 2. Abschnitt und S. 236; Hempel, Probleme und Modifikationen des empiristischen Sinnkriteriums, in: J. Sinnreich (Hrsg.): Zur Philosophie der idealen Sprache; Stegmüller, Probleme und Resultate, Bd. II 189 ff. u . Kapitel V. :s Popper, Logik der Forschung, S. 9 - 13. 29 Besonders deutlich wird das im Fall von Poppers "singulären Es-gibtSätzen". ao W. V. 0. Quine, Von einem logischen Standpunkt usw., hrsg. von Peter Bosch, Frankfurt I Berlin I Wien 1979, S. 27- 50, hier S. 42- 46. 31 Woran Zweifel schon deshalb geboten sind, weil bis heute kein solches Kriterium entwickelt worden ist; am plausibelsten scheint immer noch die Bedeutung von "empirisch" oder "historisch" zu sein, die im 18. Jhdt. üblich war: nicht aus Deduktionen, sondern aus der Beobachtung von Einzelfällen, Vorhandenem, aus der Historie gewonnene Erkenntnisse heißen "empirisch", wobei ein ganz unspezifischer, auf jeden Fall aber nichtlinguistischer Begriff von "Beobachtung" benutzt wurde. a2 Logik der Forschung, S. 62. 33 Etwa in der Psychologie oder in der Soziologie. 34 Die sogenannte ordinary-language-philosophy, analytische Philosophie, Wittgenstein-11-Philosophie (vgl. Stegmüller, Hauptströmungen Bd. I, S. 564 ff.; v. Savigny, Die Philosophie der normalen Sprache, 2. Aufl. Frankfurt 1974; Essler, Analytische Philosophie, Stuttgart 1972 mit weiteren Hinweisen) lehnen zwar Carnaps Programm der Konstruktion einer "idealen Sprache" ab, sind sich aber mit dem Logischen Empirismus in der Grundidee einig, daß wesentliche, wenn nicht die meisten oder gar alle Probleme der Philosophie auf Sprachprobleme zurückzuführen sind (besonders deutlich formuliert bei Stegmüller).

1. Carnap, Die alte und die neue Logik

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werden kann35 ; oder daß die sog. inhaltliche Redeweise bzw. die Umgangssprache als sog. Metasprache unverzichtbar ist3 e, ist hier einzuwenden, daß sich Carnap mit diesem Programm erneut der o. a. Amphibolie schuldig macht bzw. sich in den Widerspruch verwickelt, einerseits den fundamentalen Unterschied zwischen formaler Logik und aller inhaltlichen Theorie zu behaupten (mit dieser grundlegenden qualitativen Differenz wird die Notwendigkeit der Reduzierung aller inhaltlichen auf die formale Redeweise begründet) und zugleich eben diesen Unterschied zu leugnen (indem eben die Zurückführbarkeit aller inhaltlichen Differenzen auf Formalstrukturen behauptet wird). Tatsächlich ist die Zurückführung inhaltlicher Bestimmungen auf formale oder sprachliche bloßer Schein; in Wirklichkeit werden anderswo herstammende inhaltliche Bestimmungen oder Qualitäten unkritisch und ungeprüft der Logik zugeschrieben oder als Eigenschaften der Sprache ausgegeben; dafür ein besonders eklatanter Beleg: Quantitativität, Intersensualität und Intersubjektivität werden von Carnap als Eigenschaften der physikalischen Sprache zugeschriebens7 • Dagegen läßt sich zeigen, daß38 keine dieser Bestimmungen irgendeiner Eigentümlichkeit von Sprache überhaupt oder sog. physikalischer Sprache speziell zuzuschreiben ist: Daß physikalische Erscheinungen im allgemeinen quantifizier-, skalier- oder einfach meßbar sind (Quantifizierbarkeit); daß optische, akustische, haptische Phänomene umkehrbar eindeutig einander und obendrein noch abstrakten Größenbestimmungen zugeordnet werden können ("Intersensualität"); daß Aussagen von Physikern oder "der" Physik im allgemeinen intersubjektiv gültig sind ("Intersubjektivität"), hat in keiner angehbaren formallogischen oder sprachlichen Struktur seinen Grund30• Tatsächlich gibt Carnap auch keinen Grund an, sondern behauptet die fraglichen Bestimmungen lediglich als formal-linguistische Eigenschaften eines übrigens seinerseits fragwürdigen Gebildes namens "physikalische Sprache". c) Drittes hier zu nennendes Beispiel einer unreflektierten und unzulässigen Verwechslung von Formallogik und inhaltlichen bestimmten Verhältnissen: Poppers berühmte Asymmetrie40 , mit der er den wissenschaftstheoretischen Vorzug der Falsifizierbarkeit vor der Verizifierbarkeit zu begründen versucht. Während man die Wahrheit allgemeiner Sätze vom Typ "alle Schwäne sind weiß" nicht definitiv beweisen könne, weil man dazu das ganze Universum absuchen müßte, könne man Sätze dieses Typs leicht widerlegen: dazu bedürfe es nur eines einzigen Gegenbeispiels (z. B. der Kenntnis eines schwarzen Schwanes). - Schon Reichenbach hat diese Argumentation als unzulässige Übertragung von formallogischen Beziehungen auf die Probleme wissenschaftlichen Beweisens kritisiert41 • In der Tat hängt die Möglichkeit, mit Sicherheit vom sog. Widerlegungsfall auf die Falschheit des allgemeinen Satzes zu schließen davon ab, 35 38 37

Schon früh kritisiert von Zilsel, Vogel, v. Juhos.

Wellmer, Methodologie als Erkenntnistheorie, Frankfurt 1967.

Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft E 2,

432 ff., 441 ff.

ss Ganz abgesehen von dem Fehler, daß diese drei Bestimmungen nicht empirisch, sondern - im Sinne von Carnaps intendierter Definition von "Metaphysik" - "metaphysische" Bestimmungen sind. 3e Und ist übrigens in dieser Universalität auch keiner empirischen Einzelprüfung zugänglich. 40 s. seine "Zuschrift" in E 3, 426 f. und Logik der Forschung. 4 ' E 3, 427 f. und E 5, 267 ff.

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

a) ob die Beziehungen zwischen dem Einzelfall und dem allgemeinen Gesetz überhaupt dieser simplen Logik genügen42 , b) ob, diese simple Logik einmal vorausgesetzt, der sog. Widerlegungsfall mit Sicherheit als solcher akzeptiert werden kann, was wiederum bedeutet, aa) daß seine Wahrheit feststehen muß 43 , und bb) daß die sog. Widerspruchs- oder Widerlegungsbeziehung zwischen dem Einzelfall und dem allgemeinen Gesetz eindeutig festgestellt worden ist. Dies ist gleichfalls nicht Sache der formalen Logik, sondern inhaltlicher Untersuchung des betreffenden Sachgebiets und der dort herrschenden Verhältnisse. All diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, bzw. können nicht einfach als gegeben unterstellt werden, weshalb Reichenbach insoweit völlig richtig und von Popper nicht widerlegt feststellt, daß der von Popper behauptete Vorzug der einseitigen Entscheidbarkeit (Falsifizierbarkeit) nicht existiert und Poppers ganze Wissenschaftstheorie auf einer unzulässigen Übertragung formallogischer auf erkenntnistheoretische Beziehungen beruht••.

1.3 Das Moment "Logik" im "Logischen Empirismus" bzw. das Programm einer lndienstnahme der Logik zu Zwecken der "logischen Analyse der Sprache" bzw. der Konstruktion einer "Logik der Forschung" und die damit verbundene Hypostasierung der Logik zu dem "Werkzeug" der Philosophie45 oder dem "Organon der Kritik" 46 führt also zwangsläufig dazu, daß der Logik Aufgaben zugemutet werden, die sie nicht lösen kann. Konsequenz: Die angemessene Formulierung und Lösung der betreffenden Probleme unterbleibt. Dieses Programm und die Fehlein~ schätzung des "Organon", mit dessen Hilfe eine wissenschaftliche Philosophie aufgebaut werden sollte, gehören daher selbst von Anfang an zu den entscheidenden Gründen für das Scheitern des Logischen Empirismus. Denn dieses Programm versetzt a) das Wissenschaftstheoriekonzept des Logischen Empirismus durchgängig in Widerspruch mit sich selbst: die Hypostasierung der Logik zur allein entscheidenden Instanz für die Beurteilung von Sinnhaftigkeit und Wahrheit führt in letzter Konsequenz zur Kalkülisierung, zur Auflösung der Theorien in Kalküle, zur Auflösung aller wissenschaftstheoretischen Probleme in Probleme der logischen Beziehung zwischen Sätzen, so daß ein empirisches Wahrheitskriterium neben logischen Wahrheitsbedingungen weder sinnvoll noch möglich, sondern überflüssig ist. Das aber widerspricht dem gleichfalls behaupteten Empirismus47 ; und es führt 42 So Reichenbach, zum sogenannten Problem der "gemischten Quantaren; Stegmüller, Probleme II, 189 ff. 43 Wellmer und Bayertz weisen wie schon Reichenbach daraufhin, daß Falsifizierbarkeit Verifizierbarkeit voraussetzt. 44 So schon Reichenbach, E 5, 268. 4ä Carnap, Alte und neue Logik, 26. 46 Popper, Logik der Sozialwissenschaften 15. These, S. 115. 47 Vgl. Stegmüller, Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, 3. Kap., S. 322, 326- 333 u . s. 334- 344.

1. Camap, Die alte und die neue Logik

63

b) mit der Verwechslung von formaler Logik und Analyse inhaltlicher Erkenntnisbeziehungen schon im Ansatz zur falschen Formulierung von Problemen, zur Formulierung falscher Probleme; in der Durchführung zur Annahme vermeintlicher Lösungen, zur Verkennung oder völligen Mißachtung der wirklich bestehenden Probleme und dadurch erforderlich werdende Lösungswege; und es führt schließlich dank unberechtigter Inanspruchnahme des Ansehens der formalen Logik zur Etablierung von Vorurteilen, deren Vorurteilscharakter erst nach Aufdeckung des Scheincharakters dieses Programms selbst gelingen kann, ohne daß damit der Weiterwirkung dieses Vorurteils definitiv Einhalt geboten werden könnte4s. Eine der wirksamsten Abwehrwaffen der Verteidiger des Logischen Empirismus gegen etwaige Kritik ist dabei die Amphibolie im logischempiristischen Begriff der Logik selbst: ein Angriff auf die "logische Analyse der Sprache" oder die "Logik" "der Forschung" kann dank ihrer als Angriff auf "die" Logik selbst ausgegeben werden49 • Von dieser Abwehrtechnik haben die Logischen Empiristen, Popper allen voran, virtuos Gebrauch gemacht50 ; und von dieser Technik, von der Amphibolie selbst und von dem auf ihr gründenden Vorurteil für die Logik des Logischen Empirismus zehrt sein Wissenschaftstheorie-Programm bis heute, so daß es in Einführungen in die Wissenschaftstheorie wie in vielen Debatten um grundlagentheoretische oder methodelogische Fragen51 immer noch kanonische Geltung beanspruchen kann, obwohl sich doch seine Fundamente längst als nicht tragfähig erwiesen haben. Es ist deshalb nicht erstaunlich, aber doch bemerkenswert, wie früh schon im Wiener Kreis selbst52 dieser Fehler der Verwechslung der formalen Logik mit dem Gebrauch, der von ihr zu wissenschaftstheoretischen Zwecken gemacht wird, und die damit verbundene unzulässige Übertragung logischer Gesetzmäßigkeiteil auf Realverhältnisse kritisiert worden ist, und wie oft dieser Fehler trotzdem reproduziert wor48 Ein Beispiel für viele: Die logisch-empiristische Auffassung des Gesetzesbegriffs und der wissenschaftlichen Erklärung, dazu etwa Kneale, The demarcation of science. 49 Und wer kann es schon wagen, an der Apriorität oder universalen Geltung der Logik und speziell des Satzes des Widerspruchs zu zweifeln, es sei denn, er sei ein hervorragender Logiker wie Quine, der es sich erlauben kann, empirische Revidierbarkeit von Logik und Mathematik anzunehmen; oder er sei ein hervorragender Wissenschaftstheoretiker wie Feyerabend, der es sich erlauben kann, nicht nur die Universalität des Widerspruchsfreiheitsprinzips der zweiwertigen Propositionenlogik zu bezweifeln, sondern sich in diesem Zusammenhang auch noch auf Hegel zu berufen? 50 Was ist Dialektik? In: Zur Logik der Sozialwissenschaften, hrsg. von E. Topitsch, S. 262-290, bes. 267. 51 Vgl. etwa die Debatte um "Erklären" und "Verstehen" im Anschluß an V. Wright. 52 Reichenbach, (s. oben Anmerkung 45, 50); Zilsel, Bemerkungen . . ., E 3, 143 ff.

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II. Der ,.Wiener Kreis" und die alte ,.Erkenntnis"

den ist und nach wie vor reproduziert wird. Bemerkenswert ist vor allem, wie sehr sich trotz aller Kritik vonseiten hervorragender Logiker und Wissenschaftstheoretiker wie Quine und Feyerabend53, die Fachwelt noch immer vom Logizismus des Logischen Empirismus beeindrucken läßt54 • Um so wichtiger ist es, daß schon bei der ersten Beilchäftigung mit Programmaufsätzen wie "Die alte und die neue Logik" diese metäbasis eis ällo genos, das Amalgam von Logik und "logisierender Metaphysik" und vor allem die unbegründete Inanspruchnahme des Ansehens der Logik durch den Logischen Empirismus deutlich wird.

2. Camap, Oberwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache in: E. 2, 1931, S. 219- 241 2.1 Die Entwicklung der modernen Logik ermöglicht nach Carnaps Auffassung eine Radikalität der Kritik an der Metaphysik, die früher nicht erreicht wurde; die Metaphysik könne nicht nur als falsch, unbegründet oder unfruchtbar, sondern als sinnlos kritisiert und damit endgültig überwunden werden. Die Sinnlosigkeitsthese besage insbesondere, daß die Metaphysik sinnlose Wortreihen, Scheinsätze von zweierlei Art enthalte: Sätze mit Wörtern ohne Bedeutung und syntaxwidrig gebildete Sätze. Scheinbegriffe entstehen nach Carnap dadurch, daß Wörter der Umgangssprache ihre ursprüngliche Bedeutung verlieren, ohne eine neue zu erlangen. Bedeutung habe ein Wort genau dann, wenn die Syntax seines Vorkommens in Elementarsätzen und die Ableitbarkelt dieser Sätze - ihr Wahrheitskriterium, ihre Verifikationsmethode, ihre Zurückführbarkelt auf ,.Beobachtungs-" oder ,.Protokollsätze", ihr empirischer Sinn - festliege. Für dieses in der Literatur so genannte ,.empiristische Sinnkriterium" gibt Carnap S. 236 auch die Wittgensteinsche Kurzformel an: ,Der Sinn eines Satzes liegt in der Methode seiner Verifikation'. Dementsprechend hat ein Wort eine Bedeutung nur und genau dann, wenn es in empirisch (d. h. durch Beobachtung) verifizierbaren Sätzen oder aus solchen Sätzen ableitbaren Sätzen vorkommt. sa Zu Feyerabend als neuestes: Versuchungen, 1980 bzw. 81 mit zahlreichen Beiträgen von Feyerabendbewunderern und -kritikern und einem umfangreichen Schlußwort von Feyerabend selbst. s4 Vgl. W. Flach, Kritische Erwägungen zum Logikkonzept der analytischen Wissenschaftstheorie, in: Philosophisches Jahrbuch 87 (1980), S. 142 -149. Mit den Mitteln des Konstruktivismus ausgerüstet und gestützt auf eine zur Formalpragmatik systematisch stilisierte Sprechakttheorie kann sich Gethmanns Logizismus (s. oben Anmerkung 8) gute Chancen ausrechnen, das in Mißkredit geratene Programm der rationalen Rekonstruktion der Wissenschaften bzw. Wissenschaftssprachen mit den Mitteln "der" Logik "der" Wissenschaftstheorie zu rehabilitieren, ja, er schickt sich an, über ein Programm der "Rekonstruktion" von "Institutionen" dem Logizismus ganz neue Betätigungsfelder zu eröffnen.

2. Carnap, Überwindung der Metaphysik

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Viele Wörter der Metaphysik erfüllen diese Bedingung nicht, z. B. "Prinzip", "Gott" u. a. Aus derartigen Wörtern gebildete Sätze sind Scheinsätze, haben keinen Sinn, drücken höchstens begleitende Vorstellungen oder Gefühle aus. Eine zweite Klasse von Scheinsätzen oder sinnlosen Wortreihen resultiert daraus, daß Wörter ohne Verletzung der Grammatik, aber unter Verstoß gegen die logische Syntax der Sprache zu Sätzen zusammengefügt werden. In einer korrekt aufgebauten Sprache wären solche Scheinsätze gar nicht bildbar, der Aufbau einer logischen Syntax der Sprache sei daher von großer philosophischer Bedeutung. Sätze Heideggers dienen als Beispiele für syntaxwidrig gebildete Scheinsätze, deren grobe logische Fehlerbartigkeit und Unvereinbarkeit mit Logik und Wissenschaft für Carnap erwiesen ist. Dasselbe gelte für die "Metaphysik Hegels" und die übrigen "metaphysischen Systeme". Nach Aufzählung typischer Fehler der Metaphysik kommt Carnap zu dem Ergebnis, daß es keine sinnvollen metaphysischen Sätze geben könne; dies folge daraus, daß die Metaphysik nichtempirische Erkenntnis finden wolle. Aus dem Kriterium, wonach der Sinn eines Satzes in der Methode seiner Verifikation liegt, folge, daß etwas prinzipiell Nichterfahrbares weder gesagt noch gedacht noch erfragt werden könne. Zusammenfassend klassifiziert Carnap die sinnvollen Sätze wie folgt : 1. Tautologien oder analytische Sätze, schon aufgrund ihrer Form wahr: die Sätze der Logik und Mathematik; 2. die Negate solcher Sätze ("Kontradiktionen"), aufgrund ihrer bloßen Form falsch; 3. Erfahrungssätze, über deren Wahrheit und Falschheit die Protokollsätze entscheiden: Erfahrungswissenschaft. Die Sinnlosigkeit aller Metaphysik resultiere mithin daraus, daß sie nichtanalytische und dennoch nicht erfahrungswissenschaftliche Sätze geben wolle. Betroffen vorn Urteil der Sinnlosigkeit sind alle Spielarten der Metaphysik, u. a. auch alle "Wert- und Norrnphilosophie". Als wissenschaftlich ernstzunehmende Philosophie bleibt allein die Methode der logischen Analyse der Sprache übrig. Die Scheinsätze der Metaphysik drücken nicht Sachverhalte, sondern ein Lebensgefühl aus, Metaphysiker sind Musiker ohne musikalische Fähigkeit, Metaphysik ist ein unzulänglicher Ersatz für die Kunst.

2.2 Es empfiehlt sich, den theoretisch-behauptenden und den polemischen Aspekt von "Überwindung der Metaphysik ..." (im folgenden abgekürzt: ÜdM) zu unterscheiden, zunächst nur den ersteren zu behandeln und sich zu fragen, ob Carnap sein Ziel erreicht. Ausschlaggebend hierfür ist die Antwort auf die Frage, ob das empiristische Sinnkriterium dazu taugt, die Sinnhaftigkeit der empirischen Wissenschaft und ihrer Sätze zu begründen bzw. die Sinnlosigkeit aller Metaphysik zu beweisen. Die zweite Klasse der sogenannten Scheinsätze, die der syntaxwidrig gebildeten, kann dabei als weniger wichtig außer Betracht bleiben; in der Begründung der These von der Sinnlosigkeit aller Metaphysik stützt sich Carnap schließlich allein darauf, daß die Metaphysik Erkenntnis a priori, aber nicht - wie Logik und Mathematik - analytisch-tautologische, sondern synthetische - hier wiede5 TUschllng

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

rum nichtempirische Erkenntnis sein wolle. Deshalb seien ihre Sätze notwendigerweise Scheinsätze1 • Carnaps Anspruch, die Metaphysik überwunden zu haben, steht und fällt mithin mit der Tauglichkeit des Kriteriums der empirischen Verifizierbarkeit, durch Beobachtung bzw. Wahrnehmung die Bedeutung von Wörtern und Sätzen zu bestimmen und eine Grenze zwischen Wissenschaft und Irrationalismus (Metaphysik) zu ziehen2 • Sieht man von den technischen und inhaltlichen Schwierigkeiten der geforderten Ableitbarkeit aus Protokollsätzen - Carnap folgend zunächst einmal ab 3 , so besagt das Kriterium: sagbar, sinnvoll, verständlich, erfragbar, wissenschaftlich zulässig ist allein dasjenige, was beobachtet werden kann. Der Versuch, dieses Kriterium anzuwenden, führt u. a. zu den folgenden Schwierigkeiten: -

als Anwendungsbereich sei die Physik gewählt (für Carnap das Muster einer empirischen Wissenschaft, über jeden Metaphysikverdacht erhaben), als Beispiel eine Gesetzesaussage, das Fallgesetz, etwa in folgender Paraphrase: ,alle Körper, die in das Schwerefeld der Erde gebracht werden, bewegen sich mit einer Beschleunigung von 9,81 m/sec2 auf den Schweremittelpunkt der Erde zu'. - Dieser Satz - und das gilt allgemein für Aussagen gleicher Art- erfüllt das Kriterium der empirischen Verifizierbarkeit nicht, und zwar gleich aus mehreren Gründen: a) er ist raum-zeitlich und relativ auf den Gegenstandsbereich unbeschränkt-allgemein formuliert und erfordert mithin zu seiner vollständigen Verifikation eine prinzipiell unendliche Zahl von Verifikationsschritten. Das aber ist eine unerfüllbare Forderung; ein Induktionsprinzip, das den Schluß von einer endlichen auf eine unendliche Gesamtheit erlaubt, existiert nicht. Der oben angegebene Satz ist mithin nicht verifizierbar'.

1 Die Notwendigkeit der Sinnlosigkeit aller Metaphysik folgert Carnap S. 236 allein aus der Aufgabenstellung der Metaphysik, und zwar wie folgt: "Aber in Wirklichkeit liegt die Sache so, daß es keine sinnvollen metaphysischen Sätze geben kann. Das folgt aus der Aufgabe, die die Metaphysik sich stellt: sie will eine Erkenntnis finden und darstellen, die der empirischen Wissenschaft nicht zugänglich ist." Vgl. auf S. 233: "Wenn aber die angenommenen Wesen uns etwas sagen, was wir nicht verifizieren können, so können wir es auch nicht verstehen; für uns liegt dann gar keine Mitteilung vor, sondern bloße Sprechklänge ohne Sinn, wenn auch vielleicht mit Vorstellungsassoziationen." 2 Auch in dieser Frage der Funktion des empiristischen Sinnkriteriums als Abgrenzungskriterium - überschätzt Popper, Logik der Forschung, § 4 seine Originalität und überzeichnet seine Gegnerschaft gegen den Wiener Kreis: die Abgrenzungsfunktion ist dem empiristischen Kriterium von Anfang an ebenso zu eigen wie die Sinnfundierungsfunktion. Richtig ist freilich, daß Popper von Anfang an die Metaphysik nicht als sinnlos bezeichnet - als unwissenschaftlich disqualifiziert er sie so gut wie Camap auch; vgl. dazu PoH und OS passim. a s. Kapitel II. 3. 4 Dies ist der Kerngedanke der bekannten popperseben Kritik am Verifikationsprinzip (vgl. Logik der Forschung, § 6, § 1). Aber schon 1933 hat

2. Carnap, Überwindung der Metaphysik

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b) Er bezieht sich auf Sachverhalte bzw. enthält Begriffe von Größen, die sich der Beobachtung schlechterdings entziehen: Das Schwerefeld, Beschleunigung, die Metrik, die skalare(n) Größe(n) - sie lösen sich im übrigen in wirklichen Beobachtungsprozessen in eine Fülle von Feststellungen auf, als deren Mittelwert allenfalls "9,81" gelten kann sind im strikten Sinne nicht wahrnehmbare Gebilde, Vorgänge, Verhältnisse. Die eben unter b) notierten Umstände verweisen auf ganze Klassen von Beispielen oder Gegenstandsbereichen der Physik, die die Erfordernisse des empiristischen Sinnkriteriums im strikten Sinne nicht erfüllen. Dazu Hahn: "In der Tat, die ganze Wissenschaft ist voll von Sätzen, die prinzipiell nicht durch Beobachtung bestätigt werden können, weil sie unkonstituierbare Terme enthalten; nicht nur die Sätze über Moleküle, Atome, Elektronen etc. sind von dieser Art. In der theoretischen Physik wird (vermöge der Einführung von Koordinaten) die Stelle jedes Ereignisses in Raum und Zeit festgelegt gedacht durch Angabe von Zahlen; eine solche Festlegung aber geht prinzipiell über jede Beobachtungsmöglichkeit hinaus; wie sollte eine Beobachtung darüber entscheiden können, ob das VerhältniszweierLängen exakt durch die Zahl 1/a angegeben wird, oder durch einen Dezimalbruch, der mit einer sehr großen Zahl von Stellen 3 beginnt und dann irgendwie anders weitergeht? Die Physik behauptet, daß sich im leeren Raum elektromagnetische Vorgänge abspielen; wie aber sollte das je durch Beobachtung festgestellt werden können? Dazu müßte man doch irgendwelche Apparate an die Stelle bringen, wo man das feststellen will, dann aber ist dort nicht mehr leerer Raum, denn dann sind diese Apparate dortl" 6 Ganze Gegenstandsbereiche der Physik - nicht etwa nur der metaphysikverdächtigen Geisteswissenschaften - entziehen sich also der Beobachtung, die über sie formulierten Aussagen erfüllen mithin die Forderung der empirischen Verifizierbarkelt durch Beobachtung nicht.

-

Die Forderung der empirischen Verifizierbarkeit durch Beobachtung als Kriterium des Sinns von Aussagen führt also dazu, daß nicht nur "die" Metaphysik von Thales bis Heidegger, sondern u. a. eben auch ganze Wissenschaftsbereiche, ja die relevantesten Bestandteile der Physik - der Musterwissenschaft nach Carnapschen Begriffen - aus dem Kreis der sinnvollen Aussagen bzw. der empirischen Wissenschaft ausgeschlossen werden müssen und dem Sinnlosigkeitsverdikt verfalHans Hahn u. a. die Auffassung vertreten, daß das Wort "alle" ein nicht durch Beobachtung konstituierbarer Term, "jedes Naturgesetz somit .. . ein prinzipiell nicht durch Beobachtung bestätigbarer Satz" sei (Logik, Mathematik und Naturerkennen, in: Logischer Empirismus . .. hrsg. von Schleichert, S. 58). Ähnliche Überlegungen finden sich u . a. bei Moritz Schlick, der zeitweilig die These vertrat, die sogenannten Naturgesetze seien ihrerseits bloße Scheinsätze (vgl. Schlick, Über das Fundament der Erkenntnis, E 4, 79 ff.) Wie man sieht, war einer der Grundgedanken des ,.Kritischen Rationalismus", die Kritik an der Unterstellung eines sogenannten Induktionsprinzips, Gemeingut in der Diskussion des Wiener Kreises. 5

5*

Hahn, S. 57.

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li. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

len. Schon unter den bislang genannten Voraussetzungen wäre es daher gerechtfertigt zu sagen, - daß das Kriterium bei weitem zu eng und die Klasse der sinnvollen Sätze viel zu klein ist (sofern überhaupt noch sinnvolle Sätze übrig bleiben, woran mit Recht gezweifelt werden kann: s. u.); - daß das empiristische Sinnkriterium zur Abgrenzung der Klasse aller sinnvollen Aussagen gegen die Klasse der sinnlosen Aussagen bzw. zur Abgrenzung der Wissenschaft gegen die Metaphysik nicht taugt; -

daß mithin Carnaps Versuch einer "Überwindung der Metaphysik" "durch Nachweis ihrer Sinnlosigkeit" gescheitert ist.

Dies ist in der Tat die stillschweigende Voraussetzung, von der Hahn ausgeht, wenn er sich mit Boltzmann gegen Mach für die Notwendigkeit der Zulassung "unkonstituierbarer Terme . . ., die prinzipiell nicht durch Beobachtung bestätigt werden können", ausspricht weil "nicht nur . .. die Sätze über Moleküle, Atome etc. verschwinden, sondern die ganze Wissenschaft . .. zusammenstürzen" würde6 • Und es ist die ausdrückliche Voraussetzung, mit der Popper seinen Falsifikationismus als notwendig begründet7. Drei Auswege sind denkbar: 1. Das Kriterium wird abgeschwächt. 2. Das Kriterium wird - unter Beibehaltung des Programms, eine Klasse von Sätzen bestimmter Struktur unter Bezug auf Beobachtung und Erfahrbarkeit als empirisch bzw. wissenschaftlich auszuzeichnen - durch eine Alternative ersetzt. 3. Das Kriterium wird aufgegeben und mit ihm das gesamte Programm, eine Klasse von Sätzen aufgrund ihrer Formalstruktur und des Kriteriums der Beobachtbarkeit auszuzeichnen. Den ersten Weg sind Carnap8 , Hempel9 und ihre Mitstreiter gegangen10. Dieses Unternehmen involviert u. a. den schon bei Hahn skizzierten11, von Carnap systematisch ausgebauten und in logisch-empiristischen Lehrbüchern bis heute reproduzierten Versuch, eine durch Beobachtung nicht konstituierbare "Theoriesprache" und eine "Beobachtungs-

s Ebenda S. 58. 7 Logik der Forschung § 6. 8 Vgl. dazu zusammenfassend Stegmüller, Probleme und Resultate Bd. 2, S. 199 ff. sowie das ganze Kapitel V, S. 293 - 374. 9 C. G. Hempel, Probleme und Modifikationen des empiristischen Sinnkriteriums, in: Zur Philosophie der idealen Sprache . .. , 1972, S. 104 ff.; derselbe, Der Begriff der kognitiven Signifikation: eine erneute Betrachtung, ebenda, S. 126 ff.; und abschließend: derselbe, Aspekte wissenschaftlicher Erklärung, Berlin I New York 1977. 10 s. dazu außer der Darstellung Stegmüllers (vgl. Anmerkung 8) z. B. F. v. Kutschera, Wissenschaftstheorie, Bd. 1, S. 252 - 296. 11 s. die oben zitierten Überlegungen Hahns im Kontext zu Anmerkung 5 und dazu überhaupt den Kontext bei Hahn selbst, S. 56 ff.

2. Carnap, Überwindung der Metaphysik

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sprache" von einander zu unterscheiden und zugleich in geeigneter Weise aufeinander zu beziehen; d. h. es wird nicht mehr Beobachtbarkeit als Zulässigkeitskriterium gefordert, auch nicht mehr die Rückführbarkeit auf Beobachtungssätze, sondern nurmehr die Korrelierbarkeit von "Theorie" und "Beobachtung" mittels Zuordnungsregeln oder dergl. Dieses Unternehmen scheitert zwangsläufig aus einer ganzen Reihe von Gründen12 , in letzter Konsequenz an der Fiktion einer von jeder Theorie unabhängigen Beobachtungssprache13. Den zweiten Weg wählt Poppers "Kritischer Rationalismus": Kriterium der Empirizität14 ist nicht die Verifizierbarkeit, sondern die Falsifizierbarkeit aufgrund von Beobachtungen, das Scheitern-Können (von Sätzen) an der Erfahrung15• - Dieses Programm scheitert von allem anderen abgesehen, an derselben Fiktion theorieunabhängiger Beobachtung. Zwar hat Popper versucht, diese Voraussetzung seiner Systematik mittels methodelogischer Bestimmungen16 zu überspielen; zwar vertritt er expressis verbis die heute so genannte These von der "Theoriebeladenheit" aller Beobachtung17 ; aber insofern und soweit seine Thesen über Beobachtung bzw. Beobachtbarkeit als Grundbegriffe und seine systematische Intention der Auszeichnung der empirischen Wissenschaft gegenüber der Metaphysik durch das Kriterium des Scheitern-Könnens an der Erfahrung ernstgenommen werden sollen, sind theorieunabhängige Beobachtung bzw. theorie-unabhängige Beobachtungssätze die nicht eliminierbare Voraussetzung seines falsifikationistischen Programms. Daß der dritte Weg der einzig mögliche und daher zwingend geboten ist, ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Selbst eine scheinbar so einfache Beobachtung wie die in dem Satz "auf dem Tisch steht ein Glas Wasser" formulierte ist unabhängig von der Annahme allgemeiner Zusammenhänge bzw. ohne die Voraussetzung der Geltung von Gesetzesaussagen gar nicht möglich. Diese entziehen sich jedoch zugestandenermaßen18 der Beobachtbarkeit; mithin ist, unter der Vorausset· tt Sie sind umfassend dokumentiert worden von Stegmüller, u. a. in Probleme und Resultate Bd. 2 Kap. V, bes. S. 361 ff. und in Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, 3. Kap. 13 s. u . a. M . Hesse, Is There an Independent Observation Language? In: The Nature and Function of Scientific Theories ... , 1970, S. 35- 77. 14 Von dem Widerspruch zwischen der behaupteten Empirizität und der faktischen Auflösung des Empirismus in einen totalen Konventionalismus wird hier vorläufig noch abgesehen. 15 Logik der Forschung, S. 15. 18 Vor allem durch den Basissatzkonventionalismus, die sogenannten falsifizierenden Hypothesen. 17 s. dazu weiter unten im Text. 18 Ausdrücklich zugestanden wird das von Hahn, S. 58 und Kontext: da "alle" ein nicht durch Beobachtung konstituierbarer Term ist, ist auch jedes Naturgesetz ein durchgängig durch Beobachtung nicht bestimmbarer Satz.

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

zung, daß Gesetzesaussagen bei jedem beobachtbaren Vorgang ins Spiel kommen, auch ein scheinbar so singulärer Sachverhalt wie der in dem oben angegebenen Satz ausgedrückte, nicht vollständig und daher streng genommen als Gesamtheit überhaupt nicht beobachtbar. Für diese gelegentlich formulierte Einsicht in die "Theoriebeladenheit"u aller Beobachtung wird Popper häufig überschwenglich gelobt; ganz zu Unrecht, denn a) verstößt er im selben Atemzug gegen sie aus den oben genannten Gründen; b) ist er nicht der erste, der sie formuliert und vor allem nicht derjenige, der die Notwendigkeit solcher Theoriebeladenheit entwickelt und die daraus zu ziehenden Konsequenzen dargelegt hat. Dies ist vielmehr Hegel zu verdanken, und zwar seiner Darstellung der Notwendigkeit, daß die Erfahrung der "sinnlichen Gewißheit" die der Unwahrheit ihrer eigenen Vorausssetzung - nämlich der behaupteten Unmittelbarkeit des Gegenstandes der sinnlichen Anschauung - ist (dazu siehe weiter unten im Text). Was immer man nun von Hegels positiven Konsequenzen halten mag, unbestreitbar ist seine negative Einsicht: die Unterstellung einer von aller Allgemeinheit unabhängigen, unmittelbaren sinnlichen Anschauung ist eine unwahre, durch und durch dialektische Voraussetzung, die keinen Bestand hat und als solche dennoch notwendiges Moment und Durchlaufspunkt aller Erfahrungsprozesse ist. Dies wird nicht zuletzt durch die Geschichte des Logischen Empirismus bestätigt, ebenso die Notwendigkeit der von Hege! angegebenen Konsequenz, die freilich weder Carnap noch Popper noch ihre Anhänger aufgebracht haben: die Preisgabe der Auffassung, einzelne Sätze, ganze Theorien oder gar ganze Wissenschaften könnten durch die Beziehung auf eine theorieunabhängige Beobachtung oder Erfahrung ausgezeichnet werden. So sind denn auch die lebenslange Suche Carnaps nach Empirizitäts-Kriterien und die lebenslänglichen Bemühungen Poppers um eine Theorie des "empirischen Gehalts" von Sätzen und sogenannten Theorien deshalb erfolglos geblieben, weil es derartige Kriterien und Gehalte aus den oben genannten Gründen20 einfach nicht gibt.

Der stolze Versuch einer "Überwindung der Metaphysik" endet also mit einem wahrhaft niederschmetternden Ergebnis: die Forderung, alle und nur diejenigen Sätze als sinnvoll und wissenschaftlich zulässig anzuerkennen, die empirisch, durch Beobachtungen, verifiziert werden können, wird streng genommen von keinem einzigen Satz erfüllt. Die Grenze zwischen empirischer Wissenschaft und sinnloser Metaphysik ist damit gezogen worden und nicht gezogen worden. Gezogen worden: denn nach diesem Kriterium ist die Klasse der sinnvollen Sätze leer, die Klasse der sinnlosen Sätze ist die Allklasse. Nicht gezogen worden: weil die Klasse der das Kriterium erfüllenden Sätze leer ist bzw. (was dasselbe bedeutet) innerhalb der Allklasse oder Totalität der Sätze kein Unterschied gemacht bzw. zwischen Unterklassen nicht mehr unterschieden wird. So wird mittels des empiristischen Sinnkriteriums ein Unterschied gemacht, der keiner ist. Es kann daher mit gleichem Recht Logik der Forschung, S. 61. d. h. aufgrund der von Hege! formulierten Einsicht in die Natur der sinnlichen Anschauung oder auch aufgrund der von Quine stammenden Einsicht in die Unmöglichkeit des Einzelsatzempirismus. 19

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2. Carnap, Überwindung der Metaphysik

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gesagt werden, daß hiernach alles Metaphysik ist (aufgrund des Kriteriums), wie auch daß nichts Metaphysik ist; letzteres deswegen, weil sich die Metaphysik von nichts mehr unterscheidet, insbesondere nicht von einer von ihr verschiedenen Klasse von Sätzen, die man als Erfahrungswissenschaft auszeichnen könnte: in Ermangelung eines die Klasse definierenden Merkmals ist der Titel "Metaphysik" ebenso leer wie der Titel "Empirische Wissenschaft". Als Gesamtergebnis bleibt festzuhalten: Es ist weder ein konsistenter Begriff von Metaphysik noch von Erfahrungswissenschaft noch von Erfahrung überhaupt entwickelt worden - und solche Begriffe können auch auf Basis dieses Kriteriums wie aller seiner denkbaren Modifikationen nicht entwickelt werden: der "Zusammenbruch der Signifikanzidee" (Stegmüller) wie das Scheitern aller sonstigen Versuche, Abgrenzungskriterien für einzelne Sätze als empirische zu finden, sind nur verschiedene Ausdrücke für das notwendige Scheitern des Einzelsatzempirismus ganz allgemein. Wir warten deshalb nicht zufälligerweise bis heute vergeblich darauf, daß der Logische Empirismus uns sagt, was "Metaphysik", was "Erfahrung(-swissenschaft)" ist und was nicht: er kann es uns kraft seines Systemkonzepts und der auf dieser Basis allein möglichen Problemformulierung einfach nicht sagen21 • 2.3

Ganz unabhängig von den eben betrachteten Schwierigkeiten hat sich eine empiristische Wissenschaftstheorie der Frage zu stellen, was und welcher Art die "Beobachtung" oder "Erfahrung" genannten Verfahrensweisen, Prozesse oder Tätigkeiten denn nun sind, wie sie in die Wissenschaft(-stheorie) Eingang finden, welche Funktion sie in ihr erfüllen. Für Carnap und den Logischen Empirismus allgemein mutatis mutandis also auch für Popper- ist der empirische Charakter von Wissenschaften bedingt und gesichert durch ihre Ableitbarkeit aus (oder auch durch ihre Beziehbarkeit auf) Protokollsätze(n), in denen Wissenschaftler ihre Beobachtungen von physikalischen Prozessen festhalten. Diese Sätze sind die "empirische Basis" der Wissenschaft bzw. des Satzsystems Wissenschaft. Der Protokollsatztheorie und der Lösung mit ihr bzw. der Frage einer empirischen Basis allgemein verbundenen Probleme kommt mithin entscheidende Bedeutung für das Systemprogramm des logischen Empirismus zu. 11 Dies hindert freilich ganze Scharen von Logischen Empiristen nicht daran, vorzugeben, sie wüßten davon zu reden, und in ihren Lehrbüchern und Darstellungen so zu tun, als sei die Welt des Wiener Kreises noch in Ordnung; und auf ihren Empirismus pochend gegen die "Metaphysik" zu Felde zu ziehen wie eh undje-auf diesen polemisch-wissenschaftspolitischen Aspekt ist noch zurückzukommen.

II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

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In ÜdM hatte Carnap noch geglaubt, die ungelösten Probleme der Protokollsatztheorie beiseiteschieben und dennoch von der Ableitbarkeit aus Protokollsätzen als Bedingung der Sinnhaftigkeit von Aussagen ausgehen zu können22 . Ausbruch und Verlauf der Protokollsatzdebatte23 zeigten, daß das ein Irrtum war. In ÜdM unterstellt Carnap die Protokollsätze noch als absolute, keiner Bestätigung oder Widerlegung bedürftige oder fähige Sätze und damit ihre absolute Auszeichnungsfunktion für das System der Wissenschaftssätze. Schon in "Die physikalische Sprache .. ."~4 sieht er sich jedoch genötigt, die strikte Verifizierbarkeits- und Ableitbarkeltsforderung aufzugeben. "Über Protokollsätze" 25 schließlich dokumentiert Carnaps - unter dem Einfluß von Neurath und Popper vollzogene - Wende zum Protokollsatzkonventionalismus, der zur Preisgabe der Auszeichnungsfunktion der Protokollsätze, der Objektivität der "empirischen Basis" und damit schließlich des Zwecks führt, zu dem diese Protokollsätze überhaupt erfunden worden sind. Auch an dieser Aporie hat sich der Logische Empirismus vergeblich abgearbeitet, eine konsistente logisch-empiristische Teiltheorie bezüglich der Basis der Erfahrungserkenntnis liegt bis heute nicht vor. Sie ist auch nicht zu erwarten, und Stegmüller hat einige triftige Gründe dafür angegeben, warum das so ist28• Aber in letzter Konsequenz bleibt auch diese Widerspruchsstruktur bei Stegmüller unbegriffen: die Notwendigkeit des Widerspruchs von Konventionalismus und Einbruch der "Metaphysik" bleibt uneinsichtig, weil die Axiome, aus denen Stegmüller den Widerspruch konstruiert, ihrerseits zufällig bzw. in ihrem Zusammenhang nicht einsichtig gemacht werden. Dies kann in groben Zügen wie folgt geschehen: in Konsequenz seiner Grundannahme, daß Wissenschaft allein in Form von Sätzen oder Satzgesamtheiten faßbar ist und vorliegt, ist der Logische Empirismus gezwungen, eine besondere Klasse von Sätzen als empirische auszuzeichnen, sofern er seine Intention, empirische Wissenschaft auszuzeichnen bzw. zu begründen, realisieren will. Diese Auszeichnung wiederum führt zwangsläufig zur Absolutsetzung der ausgezeichneten Satzklasse, damit zu einer inhaltlichen Auszeichnung, d. h . zur Auszeichnung außersprachlicher Momente, die allein einen grundlegenden qualitativen Unterschied innerhalb der Satzgesamtheit begründen können. Die inhaltliche Bestimmung des auszeichnenden Moments als Beobachtung bzw. Wahrnehmung, führt zur Absolutsetzung individueller Wahrnehmungsprozesse, zum Einbruch des "Unsagbaren" (auch im weiteren Sinne) Nichtbeobachtbaren, zum Einbruch der "Metaphysik"!7 • Der von derselben Systematik des Logischen Empirismus ausgehende Zwang zur Eliminierung der "Metaphysik" ebenso wie der Umstand, daß 22

s. 222 f.

Protokollsätze, E 3, 204 ff.; Carnap, Über Protokollsätze, ebd. 215 ff.; Zilsel, Bemerkungen zur Wissenschaftslogik, ebd. 143 ff.; Popper, Zuschrift an die Herausgeber der "Erkenntnis", ebd. 426 f.; Schlick, Über das Fundament der Erkenntnis, E 4, 79 ff. 24 E 2, 432 ff., besonders 437- 441. !5 E 3, 215 ff. n u. a. in Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, Kap. 3. 27 Zilsel, Bemerkungen ... , E 3, 143 ff.; Stegmüller. 2s Neurath,

2. Camap, Überwindung der Metaphysik

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die Absolutsetzung von außersprachlichen Inhalten aufgrund desselben Systemszwangs wiederum nur in Form der Auszeichnung innersprachlicher Gebilde, eben der Protokollsätze erfolgt, erzwingen die Einsicht, daß über individuelle Wahrnehmungsprozesse formulierte Sätze ebenso revidierbar sind wie andere Sätze auch28 bzw. daß als Kriterium der Wahrheit oder der Akzeptierbarkeit von Sätzen allein ein innersprachlich-logisches Kriterium, nämlich die Widerspruchsfreiheit oder Verträglichkeit von Sätzen, in Betracht kommt29 • Da nun mit diesem formalen Kriterium30 wiederum die intendierte Auszeichnung nicht möglich ist, an dieser Intention jedoch festgehalten werden soll, ergibt sich der Zwang zu einer willkürlichen Auswahl einer widerspruchsfreien Satzgesamtheit aus der prinzipiell unbegrenzten Vielzahl in sich konsistenter, miteinander jedoch unverträglicher Satzsysteme. Dabei ist es dann gleichgültig, ob diese Willkür historischgesellschaftlich auf die "Wissenschaftler unseres Kulturkreises" (Neurath)31 oder eher neutral-strukturell auf die Entscheidung über falsifizierende Basissätze durch die Wissenschaftlergemeinschaft (Popper)32 relativiert wird: der Widerspruch zwischen dem Konventionalismus, der beliebiges auszuzeichnen gestattet, aber dennoch nur bestimmtes - nämlich Beobachtbares oder die eine empirische Wissenschaft - auszeichnen soll, und dem Empirismus, der allein mit linguistischen Mitteln ausgezeichnet werden soll, aber auf diese Weise nicht ausgezeichnet werden kann, ist in jedem Fall unvermeidlich. Es ist nur ein anderer Aspekt derselben Widerspruchsstruktur, daß das Auszeichnungsproblem den erwähnten Einbruch der "Metaphysik" in die Systematik des Logischen Empirismus unvermeidlich zur Folge hat: das Protokollsatzverfahren und allgemein jedes Verfahren der empirischen Überprüfung von Annahmen beruht auf innersprachlich wirksamen, aber außerhalb der Sprache gesetzten Voraussetzungen, die als Bedingung der Möglichkeit, der Existenz und des Funktionierens empirischer Prüfverfahrens der Überprüfung durch solche Verfahrensweisen teils bedingt, teils durchgängig entzogen sind. Derartige Voraussetzungen sind mithin in der Terminologie des frühen Logischen Empirismus als Synthetisch-apriori, unsagbar, metaphysisch, sinnlos zu bezeichnen und dennoch für Begründung und Praxis der Erfahrungswissenschaft unentbehrlich. De facto wird das selbst von Camap33 und Popper34 dokumentiert und eingestanden. Ausdrücklich anerkannt wird dies u. a. von ZilseJ35 , von Russell36 oder Steg2s

Neurath, S. 208 f.

Ebda. S. 208 - 211, 213 f., dazu die Kritik bei Zilsel und Stegmüller an den Anmerkung 27 angegebenen Stellen. 30 Ebd. 31 Neurath, Physikalismus, S. 233. 32 Logik der Forschung, S. 71 - 76. 33 Besonders deutlich in "Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft" (s. u.), S. 446 und 447. 34 Von Popper nur indirekt: mit der Voraussetzung der Logik als analytisch-apriorischem Organon der Wissenschaftskritik, der Einführung von ,Beobachtbarkeit' als undefiniertem Grundbegriff, mit der Unterstellung der Haltbarkeit eines naiven Begriffs von ,Erfahrung', ,an der Theorien scheitern können sollen'. 35 E 3, 143 ff. 38 u. a . in Human Knowledge, 1948. 29

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

müller37, freilich mit unterschiedlichen Graden von Konsequenz: Stegmüllers "Minimalmetaphysik" etwa, die mit Erinnerungsevidenz bezüglich der verwendeten Sprache und früherer Beobachtungserlebnisse auszukommen hofft3s, ist einfach unzureichend, angesichts der universalen Gesetzmäßigkeiten- bezüglich der Welt als Gesamtobjekt möglicher Wahrnehmungsprozesse, bezüglich der wahrnehmenden Subjekte, ihrer Beziehungen zuund untereinander -, ohne die das Protokollsatzverfahren nach den Feststellungen Zilsels39 schlechterdings nicht auskommt. Auch aus diesem Grund kann von "Überwindung der Metaphysik" nicht nur nicht die Rede sein, vielmehr erweisen sich gerade diejenigen Kriterien und Verfahrensweisen, die dieser Überwindung dienen sollen, als die Vehikel, mit denen "Metaphysik" ins Zentrum der Wissenschaft selbst transportiert wird; präziser: als Beweis der Unentbehrlichkeit überempirischer, die einzelne Anschauungsbeziehung übergreifender Beziehungen zwischen Wissenschaftlern oder erkennenden Subjekten und ihren Gegenständen - Beziehungen umfassender universaler Gesetzmäßigkeit, die - obwohl sie doch in sinnlicher Anschauung und Wahrnehmung faßbar sind - sich dem Zugriff der Sinneswahrnehmung als solcher entziehen und nur durch intellektuelle Aktivität, Abstraktion, Denken faßbar sind. Damit wird ein weiterer relevanter Aspekt der sich in der Theorie der Protokollsätze oder allgemein der empirischen Basis manifestierenden Widerspruchsstruktur deutlich, nämlich diejenige, die Hegel als "Dialektik der sinnlichen Gewißheit" 40 bezeichnet. Im Umkreis der analytischen Wissenschaftstheorie selbst wird nur ein Teilaspekt dieser Struktur unter der Bezeichnung der "prinzipiellen Privatheit" der sinnlichen Wahrnehmung diskutiert0 , wenn auch nicht begriffen. Sie läßt sich in groben Zügen so skizzieren: der Versuch, den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung als das Reale, Bleibende zu behaupten, erweist sich im Prozeß der Erfahrung an und mit diesem Gegenstand als der Widerspruch, das Nichtunmittelbare (oder Allgemeine) als Unmittelbares und Einzelnes, das Nichtbleibende als Bleibendes zu behaupten. Der scheinbare Ausweg aus diesem Widerspruch - nämlich die Unmittelbarkeit der sinnlichen Anschauung in Gestalt der Unmittelbarkeit des sinnlich anschauenden Subjekts zu behaupten, erweist sich als Reproduktion des vorigen Widerspruchs in modifizierter Form, denn die behauptete Unmittelbarkeit geht in der Konkurrenz der von anderen behaupteten Unmittelbarkeiten unter, und auch das Ich ist bleibend nur als nichtunmittelbares oder als allgemeines. D. h. das als unmittelbar behauptete Ich ist seinerseits ein allgemeines Verhältnis (Bezeichnung des Gesamtzustands von Individuen und Bezeichnung der Allgemeinheit der Beziehung der sinnlichen Anschauung unbestimmt vieler, potentiell unendlich vieler Individuen). Der schließliehe Rückzug auf die Unmittelbarkeit und Einzigartigkeit der sinnlichen Anschauungsbeziehung auf ihr Objekt erweist sich abermals als Ausdruck derselben Widerspruchsstruktur und als u. a. in Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, 1969, S. 335 - 344. Ebda., besonders S. 337 ff. 39 s. Anmerkung 35. 40 Phänomenologie des Geistes, 1. Kapitel, TWA Bd. 3, S. 82- 92, für den linguistischen Empirismus besonders lehrreich der achte und der letzte Absatz dieses Kapitels, S. 85 bzw. 91 f. 4t Vgl. z. B. den Reader: Moderne Sprachphilosophie, hrsg. v. M. Sukale, Harnburg 1976. 37

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2. Carnap, Überwindung der Metaphysik

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Schein: indem diese Beziehung als wahre behauptet wird, provoziert sie selbst die Überprüfung dieser Behauptung. Doch selbst der bloß im Denken versuchte Nachvollzug dieser Unmittelbarkeitsbeziehung erweist sich als unmöglich: die Behauptung oder Meinung, die mit Wahrheitsanspruch auftritt, zerstört kraft ihrer inhaltlichen Eigentümlichkeit - eben Unmittelbarkeitsbeziehung eines einzigen sinnlich-anschauenden Bewußtseins und seines unmittelbaren Gegenstands zu sein - diesen ihren eigenen Wahrheitsanspruch und damit jeden Wahrheitsanspruch überhaupt, der sich auf dieselbe Relation beruft. Denn der Nachvollzug durch einen überprüfenden, unterstellt er sei möglich, erweist das Nichtvorhandensein oder Vergangensein dieser Unmittelbarkeit. Die behauptete Wahrheit erweist sich als prinzipiell nicht nachvollziehbar, nicht überprüfbar, nicht mitteilbar, als Unwahrheit. Mit dieser dreifach-sukzessiven Destruktion als real behaupteter Unmittelbarkeitsbeziehungen ist die Einsicht in die unaufhebbare Diskrepanz zwischen Sprachform und behaupteter Unmittelbarkeit der sinnlichen Anschauung verbunden: die Sprache ist kraft ihrer Eigentümlichkeit, allgemein (bzw. allgemeines Verhältnis) zu sein, untauglich, das vermeinte Unmittelbare auszudrücken, es überhaupt zu erreichen: " ... so ist es gar nicht möglich, daß wir ein sinnliches Sein, das wir meinen, je sagen können." 42 Die Protokollsatzdebatte des Logischen Empirismus dokumentiert dies auf drastische Weise: die sich selbst destruierende Unmittelbarkeitsbehauptung bezüglich des Gegenstands der sinnlichen Anschauung dokumentiert sich in den unbeholfenen Versuchen (oder dem Gestammel), den Inhalt von Protokollsätzen in einer möglichst theoriefreien Sinnesdatensprache auszudrükken43. Die Behauptung der Unmittelbarkeitsbeziehung bezüglich des beobachtenden Subjekts destruiert sich in der Konkurrenz der vielen Autoren von Protokollsätzen. Die Behauptung der Unmittelbarkeit und Einzigartigkeit der Beziehung des einzelnen Subjekts auf seinen in der sinnlichen Anschauung gegebenen Gegenstand schließlich destruiert sich im Widersinn der Protokollsatzkonzeption als solcher: eine derartige Beziehung als empirisches Fundament der Wissenschaft und damit als Grundlage aller Wahrheitsprüfung zu behaupten, die sich kraft ihrer Eigentümlichkeit nämlich Einmalig-Unmittelbarkeitsbeziehung eines einzigen Individuums auf seinen unwiederholbar einmaligen Gegenstand zu sein- jeder Wahrheitsprüfung schlechterdings entzieht. Neuraths Beispielsätze illustrieren dies auf besonders drastische Weise: wer will sich schon anheischig machen, "Kalons Sprechdenken" um 3.15 Uhr, 3.16 Uhr oder 3.17 Uhr und seinen Inhalt zu überprüfen? Im entschiedenen Gegensatz zu Neuraths Behauptung, das Schicksal, gestrichen zu werden, könne jedem Protokollsatz widerfahren, zeigen seine Beispiele eben dies, daß "Protokollsätze" kraft ihrer Struktur und ihres Inhalts diesem Schicksal schlechterdings entzogen sind. Denn wer kann sich schon auf Kaians Sprechdenken, sein Sprechgedachtes und ihre Beziehung zueinander beziehen und damit die Wahrheit oder Unwahrheit der fraglichen Sätze überprüfen, entscheiden? Nicht einmal Kalon selbst kann dies, denn beim Versuch, dies zu tun, verschwindet die intendierte Relation mitsamt ihren Relata. Freilich sind sie auch der Sprachlichkeit als solcher schlechterdings entzogen, aus demselben 42

43

Hegel, Phänomenologie, TWA Bd. 3, S. 85. Carnap, Überwindung, S. 222 f. und Physikalische Sprache, S. 437 - 439.

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

Grunde (die intendierte Relation ist für jeden Versuch, über sie als Wahres und Bleibendes zu sprechen, unerreichbar: wenn über sie gesprochen wird, ist sie nicht mehr). Insofern kann das Schicksal, gestrichen zu .werden, allerdings einem Protokollsatz widerfahren, jedoch aus einem anderen Grunde, als Neurath meint: die Protokollsätze insgesamt müssen "gestrichen" werden, weil sie in ihrer intendierten Funktion schlechterdings sinnlos sind: das vermeinte Unmittelbare ist als solches der Sprachlichkeit entzogen; die Protokollsatztheorie des Logischen Empirismus ist der Versuch, das Unsagbare zu sagen" ersichtlich ein Versuch am untauglichen Objekt mit untauglichen Mitteln. An diesem Widerspruch scheitert die logisch-empiristische Theorie der Protokollsätze bzw. der empirischen Basis ganz allgemein. Ableitbarkeit aus Protokollsätzen oder aus Beobachtungssätzen ist daher ebensowenig ein Verfahren, Begriffen Bedeutung und Inhalt sowie Sätzen ein sicheres Fundament zu verschaffen, wie empirische Verifizierbarkeit allgemein. Auch aus diesem Grunde kann also von einer "Überwindung der Metaphysik" nicht nur nicht die Rede sein: die "Metaphysik" - was immer das sein mag - behauptet unangefochten von Carnaps Argumenten ihren Platz. Auf diesen Aspekt ist weiter unten noch zurückzukommen.

•• "Das Unsagbare" ist gerade nicht die "Metaphysik", der synthetische Apriorismus oder dergleichen: sie sind sehr wohl sagbar, wenn auch vielleicht falsch oder vielleicht auch sinnlos. Unsagbar dagegen ist das unvermittelte Unmittelbare, das Singuläre und unwiederholbar Einzelne des flüchtigen Gegenwartsmoments der "Erfahrung" genannten Wahrnehmungsprozesse einzelner Individuen, ihre Erlebnisse usw. also gerade das, was auch der linguistische Empirismus als einzig Wirkliches immer noch sprachlich zu fassen versucht - womit er gerade dank der Unsäglichkeit dieses unvermittelten Unmittelbaren bzw. dank der Allgemeinheit der Sprache Schiffbruch erleidet: "Als ein Allgemeines sprechen wir auch das Sinnliche aus; was wir sagen, ist: Dieses, d . h . das allgemeine Diese, oder: es ist; d. h. das Sein überhaupt. Wir stellen uns dabei freilich nicht das allgemeine Diese oder das Sein überhaupt vor, aber wir sprechen das Allgemeine aus; oder wir sprechen schlechthin nicht, wie wir es in dieser sinnlichen Gewißheit meinen. Die Sprache aber ist, wie wir sehen, das Wahrhaftere; in ihr widerlegen wir selbst unmittelbar unsere Meinung; und da das Allgemeine das Wahre der sinnlichen Gewißheit ist und die Sprache nur dieses Wahre ausdrückt, so ist es gar nicht möglich, daß wir ein sinnliches Sein, das wir meinen, je sagen können." (Hege!, Phänomenologie, S. 85) "Ich ist nur allgemeines, wie Jetzt, Hier oder Dieses überhaupt; ich meine wohl einen einzelnen Ich, aber sowenig ich das, was ich bei Jetzt, Hier meine, sagen kann, sowenig bei Ich. Indem ich sage: dieses Hier, Jetzt oder ein Einzelnes, sage ich: alle Diese, alle Hier, jetzt, Einzelne; ebenso, indem ich sage: Ich, dieser einzelne Ich, sage ich überhaupt: alle Ich; jeder ist das, was ich sage: Ich, dieser einzelne Ich. Wenn der Wissenschaft diese Forderung als ihr Probierstein, auf dem sie schlechthin nicht aushalten könnte, vorgelegt wird, ein sogenanntes dieses Ding oder einen diesen Menschen zu deduzieren, konstruieren, a priori zu finden, oder wie man dies ausdrücken will, so ist billig, daß die Forderung sage, welches dieses Ding oder welchen diesen Ich sie meine; aber dies zu sagen ist unmöglich." (S. 87).

2. Carnap, Überwindung der Metaphysik

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2.4 Das in 2.3 sichtbar gewordene Ergebnis ist für Carnaps Feldzug zur Überwindung der Metaphysik nicht weniger niederschmetternd als das Ergebnis von 2.2. Das Verhältnis von "Metaphysik" und intendierter Fundierung der empirischen Wissenschaft hat sich umgekehrt: jene, die das Unsagbare sein sollte, erweist sich als das einzig Sagbare; diese, das vermeintlich sichere Fundament der Wissenschaft, die intendierte Grundlegung allen Bedeutungs- und Sinngehalts von Sprache, stellt sich als das einzig Unsagbare heraus. Im übrigen sind die in 2.2 bzw. 2.3 betrachteten Widerspruchsbeziehungen nicht unabhängig voneinander, sondern nur verschiedene Ausdrücke oder Aspekte ein und derselben Grundstruktur: das empiristische Sinnkriterium scheitert, wie gezeigt, in letzter Konsequenz an der Fiktion theoriefreier oder theorieunabhängiger Beobachtung, oder eben an der "Theoriebeladenheit" aller Beobachtung, an der Unmöglichkeit, "Theorie" und "Beobachtung" strikt voneinander zu trennen. All dies sind wiederum nur verschiedene Aspekte des Grundsachverhalts, den Hegel auf die Formel bringt, daß das Wahre der sinnlichen Dinge das Allgemeine sei45. Das bedeutet: das Scheitern des Versuchs, Klassen von Sätzen als sinnvoll und empirische Wissenschaft gegen Metaphysik unter Rekurs auf unmittelbare Beobachtung auszuzeichnen, führt auf denselben Widerspruch zurück, der auch die Protokollsatzkonzeption zunichte macht: auf die epistemologische Fiktion einer theoretisch unvermittelten sinnlichen Anschauung bzw. auf die ontologische Fiktion einer von allen Welt- und universalen Gesetzesbezügen unabhängigen unvermittelten 45 "Die, welche solche Behauptung aufstellen, sagen aber, gemäß vorhergehenden Bemerkungen, auch selbst unmittelbar das Gegenteil dessen, was sie meinen, - eine Erscheinung, die vielleicht am fähigsten ist, zum Nachdenken über die Natur der sinnlichen Gewißheit zu bringen. Sie sprechen von dem Dasein äußerer Gegenstände, welche, noch genauer, als wirkliche, absolut einzelne, ganz persönliche, individuelle Dinge, deren jedes seines absolut gleichen nicht mehr hat, bestimmt werden können; dies Dasein habe absolute Gewißheit und Wahrheit. Sie meinen dieses Stück Papier, worauf ich dies schreibe oder vielmehr geschrieben habe; aber was sie meinen, sagen sie nicht. Wenn sie wirklich dieses Stück Papier, das sie meinen, sagen wollten, und sie wollten sagen, so ist dies unmöglich, weil das sinnliche Diese, das gemeint wird, der Sprache, die dem Bewußtsein, dem an sich Allgemeinen angehört, unerreichbar ist. Unter dem wirklichen Versuche, es zu sagen, würde es daher vermodern; die seine Beschreibung angefangen, könnten sie nicht vollenden, sondern müßten sie anderen überlassen, welche von einem Dinge zu sprechen, das nicht ist, zuletzt selbst eingestehen würden. Sie meinen also wohl dieses Stück Papier, das hier ein ganz anderes als das obige ist; aber sie sprechen wirkliche Dinge, äußere oder sinnliche Gegenstände, absolut einzelne Wesen usf., d. h. sie sagen von ihnen nur das Allgemeine; daher, was das Unaussprechliche genannt wird, nichts anderes ist als das Unwahre, Unvernünftige, bloß Gemeinte . . ." (S. 91 f.).

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

Unmittelbarkeit der sinnlichen Anschauung und ihrer Relata (auf der Subjekt- wie auf der Objektseite). Das einfache und unvermittelte Unmittelbare der sinnlichen Anschauung, vermeintlicher Felsgrund der empirischen Basis der Wissenschaft bzw. intendierter Zielpunkt der Protokollsätze, spottet - im ursprünglichen und strikten Wortsinne - jeder Beschreibung. Die Beschreibbarkeit dieses Unbeschreiblichen bzw. die Sagbarkeit dieses Unsagbaren zu behaupten - das ist der Widerspruch, den der Logische Empirismus immer wieder durchläuft, reproduziert, erneut durchläuft, ohne aus ihm herauskommen zu können. Die Erfahrung mit diesem Widerspruch sollte zu denken geben; und das gibt sie auch, aber nicht dem im Erfahrungsprozell dieses Widerspruchs begriffenen Denken: es erfährt die verschiedenen Erscheinungsformen des zugrundeliegenden Widerspruchs, vermag sie auch und sogar minutiös zu dokumentieren - die Arbeiten Stegmüllers sind hierfür ein eindrucksvolles Beispiel. Aber es kann oder will sich zur einzig möglichen Lösung nicht entschließen, nämlich zu der Einsicht, daß die Unmittelbarkeit der sinnlichen Anschauung eben nur eine vermittelte ist; daß sie also weder von allgemeinen Prozellzusammenhängen der Realität (ontologisch) noch von theoretischen Vermittlungszusammenhängen (epistemologisch) unabhängig, sondern nur Moment, notwendig zu durchlaufender, aber ebenso notwendig nur flüchtig-unbeständiger Punkt in Erkenntnis- und Realitätsprozessen ist. Zu dieser Form der Auflösung oder Aufhebung der Widerspruchsstruktur, die Hegel "sinnliche Gewißheit" und der Logische Empirismus "empirische Basis" nennt, können sich die Logischen Empiristen als solche nicht verstehen. Denn das würde die Preisgabe des Systemkonzepts, das auf jenem Widerspruch systematisch aufbaut, bedeuten. Insofern ist die Entwicklung des Logischen Empirismus selbst eine (weitere) empirische Bestätigung der Regelsehen These, daß das in den Widersprüchen einer bestimmten Gestalt befangene Bewußtsein zwar die Erfahrung dieser Widersprüchlichkeit macht, aber aus dieser Widersprüchlichkeit von sich aus keinen Ausweg findet, sondern sie immer wieder durchläuft46 • Verantwortlich für die unreflektierte Setzung dieser Widerspruchsstruktur ist also das logisch-empiristische Programm einer "rationalen Rekonstruktion" 47 der Sätze der Wissenschaften; einer Wissenschaftslogik, der zugemutet wird, den Erkenntnisgehalt der wissenschaftlichen 46

Vgl. dazu die Einleitung zur Phänomenologie des Geistes, S. 79 f.; A I

S. 90; A II S. 98 u. 105 f .; A 111 lOB u. ö.

47 Für eine allgemeine Beschreibung und Kritik des "rationalen Rekonstruktionismus" vgl. besonders M. W. Wartojsky, The Relation between Philosophy of Science and History of Science, in: Boston Studies Bd. 39, 1976, S. 717 ff., besonders S. 720 - 22.

2. Carnap, Überwindung der Metaphysik

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Sätze und daher deren Bedeutung und Sinnhaftigkeit als angewandte Logik oder Erkenntnistheorie festzulegen48 ; der eben darin angelegte Logizismus, für den der Ausschluß des synthetischen Apriorismus49 , die A-S-Dichotomie50 , also eine unvermittelte Kombination von Logizismus und Empirismus in Verbindung mit einer Absorption der empirischen Elemente durch den Logizismus apriori51 konstitutiv ist. Insoweit und solange an dieser Konzeption festgehalten wird, ist die Reproduktion der aufgezeigten Widersprüche in der einen oder anderen Form unvermeidlich. Das Nichtbeobachtbare als Voraussetzung und Funktionsbedingung des Beobachtbaren bzw. von Beobachtungsprozessen; universale Prozeßzusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten als Voraussetzungen beobachtbarer Einzelprozesse; eben damit ein gewisser "synthetischer Apriorismus" müssen also als sinnvoll zugelassen bzw. als gültig oder existent unterstellt und analysiert werden, wenn ein haltbares Konzept von Erfahrung und Erfahrungswissenschaft im allgemeinen entwickelt werden können soll. Damit soll nun keineswegs einer unkritischen Erneuerung eines synthetischen Apriorismus a la Kant das Wort geredet werden - das hieße etwa die Quinesche Kritik an der AS-Dichotomie ebenso wie etwa die Hegeische Kritik der kantischen Reflexionsphilosophie und manche andere sachhaltige Kantkritik einfach ignorieren. Ebensowenig soll damit einer kritischen Erneuerung irgendeiner voroder nachkantischen Metaphysik oder spekulativen Philosophie das Wort geredet werden: das hieße nicht zuletzt den rationalen Kern der Kritik des Logischen Empirismus und speziell der Kritik des Irrationalismus ignorieren. Aber dieser rationale Kern der Metaphysikkritik des Logischen Empirismus besteht im großen und ganzen auch nur in mehr oder minder wohlgemeinten Absichten. Von einer ihrem Gegenstand angemessenen Metaphysikkritik kann hier und im Logischen Empirismus allgemein ebensowenig die Rede sein wie von einer gegenstandsadäquaten Wissenschaftstheorie. Fazit aus "Überwindung der Metaphysik . .." auch in diesem Punkt: die Entwicklung einer solchen Kritik bleibt ebenso ein ungelöstes Problem wie die intendierte Theorie der Erfahrungswissenschaft. 48 Carnap, E 1, S. 12 ff.; derselbe, E 2, 219 ff.; Popper, Logik der Forschung, S. 25- 28; u. v. m. 49 s. das "Manifest", in: Logischer Empirismus ..., hrsg. von Schleichert, S. 201 ff., hier besonders S. 210. 50 d. h . die Behauptung einer apriorischen, aber gehaltlosen, realitätsunbezogenen Logik-Mathematik einerseits, einer allein auf Beobachtung beruhenden Wissenschaft andererseits. 61 d. h . nach Stegmüllers Sprachgebrauch "Kalkülisierung" der Erfahrungswissenschaft: sie ist wiederum gleichbedeutend mit dem, was Carnap selbst als "logisierende Metaphysik" kritisiert hat (s. E 1, S. 23). Zur Problematik s.o. zu Carnaps "Die alte und die neue Logik" und Kap. I, 1.

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

Man kann freilich den Erfolg und die Wirkung von ÜdM bzw. des Logischen Empirismus nicht angemessen verstehen, wenn man diesen rationalen Kern seiner Metaphysikkritik und das damit verbundene politisch-gesellschaftliche Engagement gegen den aufkommenden ideologisch-politischen Irrationalismus und für Demokratie, soziale Gerechtigkeit, ja für sozialistische Positionen nicht sieht52 • Von hier aus lassen sich die ursprünglich positive Einschätzung von Marx, der als einer der Ahnen der "wissenschaftlichen Weltanschauung" angesehen wird53 ; die politischen Anschauungen von Mitgliedern des Wiener Kreises54 ; vor allem aber auch der aufklärerisch-freiheitlich-demokratische Impetus begreifen, der die Mitglieder des Wiener Kreises, aber auch ihre Bundesgenossen und Epigonen wie etwa Popper, Topitsch, Albert u. a. auszeichnet und unter anderem den "Kritik"-Anspruch des "Kritischen Rationalismus" begründet. Es wird allerdings auch die Gefährlichkeit und die theoretische Grundlosigkeit dieses aufklärerisch-ideologiekritischen Engagements deutlich: in Ermangelung eines konsistenten Konzepts von Erfahrungswissenschaft und Metaphysik sind der Willkür in der Bestimmung dessen, was als Metaphysik und unwissenschaftlich diskriminiert werden soll, keine Grenzen gesetzt. In dieser Hinsicht aber sind die Gedanken von ÜdM nach wie vor wirksam: als Verbreitung von Vorurteilen über das, was anständige, rationale, empirische Wissenschaft und was irrationale und zu bekämpfende "Metaphysik" ist. Nicht obwohl, sondern weil diesen Vorurteilen das fundarneoturn in re in letzter Konsequenz fehlt, sind sie als Waffe im ideologischpolitischen Kampf so gut zu gebrauchen. Das macht die bis heute unverminderte, allerdings in erheblich veränderten politisch-sozialen Zusammenhängen wirksam werdende Brisanz dieses Carnapschen Aufsatzes aus.

3. Der "Physikalismus"' "Physikalismus" ist die Bezeichnung für diejenige wissenschaftstheoretische Position, die Carnap und Neurath bezüglich der Sonderrolle der Physik und der physikalischen Sprache beim Aufbau der neuen Einheitswissenschaft nach logisch-empiristischen Prinzipien - in: "Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft" 1 bzw. in "Physikalismus" - formuliert haben2 • Erste Versuche einer konkreten Vgl. u. a. das "Manifest", a.a.O., besonders den Schlußteil, S. 219- 222. Ebda., S. 204 und 205; ferner Neurath, Soziologie im Physikalismus, in E 2, S. 393 - 431. 54 Vgl. u. a. Mohn, E., Der logische Positivismus . .., 1977; ferner Hegselmann, R .: 0. Neurath: Empiristischer Aufklärer .. ., 1979, S. 7 ff. 1 R. Carnap, Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft, E 2 (1931), S. 432 ff. 2 0. Neurath, Physikalismus, E 2 (1931), S. 227- 233. 52

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3. Der "Physikalismus"

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Anwendung des Programms in Gestalt von Ansätzen zur "Physikalisierung" von Soziologie3 und Psychologie4 wurden noch von Carnap und Neurath selbst unternommen. Das Konzept wurde sehr rasch grundsätzlich in Frage gestellt, vor allem durch E. Zilse15 , T. Vogel6 und durch von Juhos7 , und zwar besonders wegen der Protokollsatzproblematik. Deren Grundzüge sind oben8 bereits dargestellt worden; sie braucht hier nicht mehr wiederholt zu werden und hat zudem auch, historisch gesehen, nur in den Anfängen des Logischen Empirismus eine entscheidende Rolle gespielt. Dagegen sind die Ideale der Einheitswissenschaft, der Vorbildfunktion der Physik und der Reduzierbarkeit aller Wirklichkeitsaussagen und somit aller Wissenschaft auf Physik - sie sind als solche von der Protokollsatzkonzeption ganz unabhängig - auch in der späteren Entwicklung des Logischen Empirismus vertreten worden und werden bis heute diskutiert9 • Carnap selbst hat an den wesentlichen Implikationen des PhysikaUsmus bis zuletzt festgehalten10, in jüngster Zeit ist Quine11 als Anwalt des PhysikaUsmus in dieser allgemeineren Bedeutung aufgetreten und kritisiert worden12 • Im folgenden sollen das ursprüngliche Konzept des PhysikaUsmus nach Carnap und Neurathund seine Kritik durch Autoren des Wiener Kreises bzw. der "Erkenntnis" im Vordergrund stehen, auf die spätere Entwicklung kann nur summarisch hingewiesen werden. 1. Das ursprüngliche Programm von Carnap und Neurath

Carnap ist mit Neurath18 davon überzeugt, daß alle Wissenschaften eine Einheit bilden: "Alle Sätze sind in einer Sprache ausdrückbar, alle • 0 . Neurath, Soziologie im Physikalismus, E 2 (1931), S. 393- 439. R. Carnap, Psychologie in physikalischer Sprache, E 3 (1932), S . 107 - 142. 5 E. Zilsel, Bemerkungen zur Wissenschaftslogik, E 3 (1932), S. 143 - 161. 6 Th. Vogel, Bemerkungen zur Aussagentheorie des radikalen Physikalismus, E 4 (1934), S. 160 - 164. 7 B. Juhos, Kritische Bemerkungen zur Wissenschaftstheorie des Physikalismus, E 4 (1934), S. 397 - 418. s Vgl. Kap. II. 2. 8 Vgl. etwa Hellman I Thompson, Physicalism: Ontology, Determination, and Reduction, in: Journal of Philosophy 72 (1975), S. 551- 564 und dies., Physicalist Materialism, in: Nous 11 (1977), S. 309- 347. 1 Carnap, Logical Foundations of the Unity of Science, in: Feigl I Sellars (Hrsg.), Readings in Philosophical Analysis, New York 1949, S. 410 ff. 11 Quine, Facts of the Matter, in: Essays on the Philosophy of W. v. 0. Quine, hrsg. von R. W. Shahan u. Chr. Saroyer, Norman (Okt.) 1976, S. 115 bis 169. 12 Vgl. R. Healey, Physicalist Imperialism, in: Proceedings of the Aristotelian Society, 1979, S. 191 - 211. 11 Vgl. Carnap, Physicalism and the Unity of Science, in: Schilpp, The Philosophy of R. Carnap, S. 52. 4

°

8 TUschllng

II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

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Sachverhalte sind von einer Art, nach einer Methode erkennbar" 14 • Die traditionelle Einteilung in Philosophie und Fachwissenschaften und die Gliederung der letzteren in Formalwissenschaften (Logik, Mathematik) und Realwissenschaften (Natur- und Geisteswissenschaften) kann allenfalls aus pragmatischen Gründen beibehalten werden, absolute Geltung besitzt sie nicht. Ausschlaggebend dafür, daß die Wissenschaft eine Einheit bildet oder noch schärfer: daß sie nur eine ist - , ist ihre Sprachlichkeit: "Die Wissenschaft ist ein System von Sätzen, das an Hand der Erfahrung aufgestellt wird" 15 • Und alle Sätze sollen in analytische und synthetische zerfallen, erstere den Inhalt der Formal-, letztere den der Realwissenschaften bilden. Der Philosophie wird kein eigentümlicher Inhalt und keine besondere Klasse von Sätzen zugeordnet; ihre Aufgabe ist die "logische Analyse der Sprache", die "Klärung der Begriffe und Sätze der Wissenschaft" 1 G. Innerhalb dieses Gesamtsystems von Sätzen der Wissenschaft kommt nun der physikalischen Sprache besondere Bedeutung und Funktion zu. Der im Zuge der Begründung dieser These vorgenommenen Unterscheidung der "inhaltlichen" von der eigentlich allein korrekten "formalen Redeweise" 17 entsprechend, gibt es für die Behauptung der Sonderstellung der Physik im System der Einheitswissenschaft zwei Formulierungen. In "inhaltlicher Redeweise" ausgedrückt besagt sie, es gebe nur eine Art von Objekten, nur eine Art von Sachverhalten, nämlich die physikalischen 18• In der korrekten "formalen Redeweise" ausgedrückt besagt sie: Die physikalische Sprache ist eine - und zwar die einzige - "Universalsprache" der Wissenschaft, d. h. eine solche, in die jeder Satz übersetzbar ist (die mithin beliebige Sachverhalte beschreiben kann); alle übrigen Sprachen sind "Teilsprachen" der einen "Universalsprache"19. Den Nachweis der Universalität der physikalischen Sprache versucht Carnap auf zwei Wegen zu führen: Einmal durch den Nachweis, daß die physikalische Sprache diejenigen Voraussetzungen erfüllt, die im Verfahren der empirischen Feststellung mit Hilfe der sogenannten Protokollsätze erfüllt sein müssen; zum anderen durch den Nachweis, daß sich die Sätze bestimmter Wissenschaften wie etwa der Biologie oder Psychologie tatsächlich auf Sätze der Physik zurückführen lassen. 14 Carnap, Universalsprache, E 2, S. 432. u Carnap, S. 437.

10 11 18 n

Neurath, Soziologie Carnap, S. 435 f.

im Physikalismus, E 2, S. 393 f .

Ebenda, vgl. auch Carnap, Psychologie, E 3, S. 108. Carnap, Universalsprache, E 2, S. 437.

3. Der "Physikalismus"

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Dazu führt Carnap im einzelnen folgendes aus: Da die physikalischen Begriffe rein quantitativer, abstrakter, qualitätsfreier Natur seien, ließen sich aus ihnen Protokollbestimmungen jedes beliebigen Sinnesgebietes ableiten, so daß den physikalischen Bestimmungen die Eigenschaft der "Intersensualität" anhafte20 • Das schließe aus, daß es irgendeine physikalische Größe gebe, die den qualitativen Bestimmungen eines bestimmten Sinnesgebietes allein zugeordnet sei. Carnap hält es für einen "glücklichen Umstand", daß die Protokolle eine "gewisse Ordnungsbeschaffenheit" aufweisen21 , derart, daß die qualitativen Bestimmungen beliebiger Protokollsprachen funktional eindeutig von den physikalischen Größen quantitativer Art abhängig seien22, die Methode der Feststellung der Klasse physikalischer Größen, die einer qualitativen Bestimmung zugeordnet sind, nennt Carnap "Physikalisierung"23. Ein weiterer "glücklicher Umstand" ist für Carnap die Ordnungsbeschaffenheit der Protokolle in bezug auf die Subjekte: Grundsätzlich herrsche unter beliebigen Subjekten Übereinstimmung über den ermittelten Wert einer physikalischen Größe. Die Untersuchung sei in diesem Sinne unabhängig vom jeweilig untersuchenden Subjekt: also gälten die physikalischen Bestimmungen auch "intersubjektiv" 24. Da die physikalische Sprache die einzige intersubjektive Sprache sei und da die Wissenschaft das System der intersubjektiv gültigen Sätze sei, so folge, daß "die physikalische Sprache die Sprache der Wissenschaft ist"25. Die These von der Universalität der physikalischen Sprache schließt nach Carnap insbesondere ein, daß die Biologie auf Physik zurückgeführt werden kann. Da jeder singuläre Satz in die physikalische Sprache übersetzbar sei, müsse dies auch für die biologischen Naturgesetze gelten, "denn ein Naturgesetz ist nichts anderes als eine generelle Formel, mit deren Hilfe singuläre Sätze aus singulären Sätzen abgeleitet werden können" 28 • Ebenso ergebe sich für die Psychologie, daß sich sowohl alle ihre singulären wie auch ihre generellen Sätze in die physikalische Sprache übersetzen ließen27 - Carnaps Vorschläge laufen darauf hinaus, die gesamte Psychologie behavioristisch aufzufassen. 20

s. 443.

S. 443, vgl. Neurath: "In der Sprache ist nur Ordnung wesentlich, also das, was schon ein Morsestreifen darstellt. Die ,intersubjektive', die ,intersensuale' Sprache überhaupt beruht auf der Ordnung (,neben', ,zwischen' usw.), das heißt auf dem, was sich in den Zeichenfolgen der Logik und Mathematik ausdrücken läßt" , in: Soziologie, E 3, S. 398. 22 Carnap, S. 445. 23 Ebenda, S. 446. 24 s. 447. 25 s. 448, 461. 28 s. 450. 27 Vgl. Carnap, Psychologie in physikalischer Sprache, E 3, S. 109; vgl. auch Neurath, Psychologie, 1933. Carnap macht in seiner Schrift S. 109 darauf aufmerksam, daß mit der Forderung der definitorischen Übersetzbarkeit (Reduktion) jedes psychologischen Begriffs in einen physikalischen nicht gemeint sei, die Psychologie dürfe keine andere Sprache als die physikalische verwenden. Aus Zweckmäßigkeit dürfe sie vielmehr ihre eigene Terminologie ins Spiel bringen. Die Aufstellung der geforderten Definitionen sei jedoch 21

&•

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

Daß sich die Sätze der Metaphysik nicht in die physikalische Sprache übersetzen lassen, versteht sich nach dem bisher Gesagten schon von selbst: Metaphysische Sätze sind eben Scheinsätze, die dem empiristischen Sinnkriterium nicht genügen28 , sich daher auch nicht auf Protokollsätze zurückführen lassen oder aber aus zurückführbaren Wörtern syntaxwidrig gebildet sind. Um schließlich eine "Verbindung zwischen Wissenschaft und Erleben" zu stiften, sei es erforderlich, daß auch die Sätze der Protokollsprache auf die physikalische Sprache zurückgeführt werden könnten, denn sonst gäbe es keine intersubjektive Protokollsprache, sondern viele, nur monologisch verwendbare private Erlebnissprachen29 • Die gegenseitige Ableitbarkelt bzw. Übersetzbarkelt ("Isomorphie") von Protokollsätzen und physikalischen Sätzen derart, daß eine Protokollaussage in einen intersubjektiv gültigen physikalischen Satz übersetzbar ist, der den Körperzustand der protokollaussagenden Person beschreibt, mache die Protokollsprache zu einer Teilsprache der physikalischen Sprache30, In der oben wiedergegebenen ursprünglichen Fassung Carnaps hat der PhysikaUsmus ersichtlich zwei Hauptkomponenten, die Protokollsatztheorie und die - linguistisch gefaßte - These der Rückführbarkeit aller Wissenschaften auf Physik, ihre Identifizierbarkeit mit Physik bzw. der Übersetzbarkeit ihrer Sätze in Sätze der physikalischen Sprache. Die erste Komponente wurde, wie gleich noch zu zeigen ist, von Neurath von Anfang an scharf kritisiert, die andere dagegen um so engagierter von ihm vertreten. Für Neurath fällt das Bekenntnis zum PhysikaUsmus mit dem Bekenntnis zur Linguistik zusammen: .,Wir beginnen mit der wissenschaftlichen Sprache, als einem physikalischen nötig und möglich, "da sie unausgesprochen dem Verfahren der Psychologie schon zugrunde liegen". Zugleich ist sich Carnap klar darüber, daß "im gegenwärtigen Stadium unserer Erkenntnis" bei weitem noch nicht alle psychologischen Phänomene oder Begriffe physikalisch definierbar sind. Trotzdem seien diese Begriffe im Grunde bereits physikalische Begriffe,, "wenn auch auf primitiver Stufe", und damit sei gewährleistet, daß jeder Satz der Psychologie in einen Satz über das physikalische Verhalten von Lebewesen übersetzbar sei (S. 126 f.). Der Vorsprung der Sprache soll prinzipiell einholbar sein durch die empirische Forschung. Doch womit ist die Sicherheit dieser Voraussage zu rechtfertigen? Sicherlich nicht mit den Methoden des Physikalismus! Protokollsätze sind keine "Prophezeiungssätze", sondern sollen Vergangenes oder Gegenwärtiges konstatieren. Wenn außerdem die Sprache der Psychologe den Schluß auf ihre zukünftige Reduzierbarkeit nicht mit Sicherheit zuläßt, so erhärtet sich der Verdacht, daß die These der Übersetzbarkeit der Sätze der Psychologie in die physikalischen Sätze nur aufrechtzuerhalten ist, wenn eine ontologische Identität zwischen beiden Wissensgebieten hypothetisch vorausgesetzt wird. In diesem Fall zumindest hätte Carnap dann doch "hinter die Sprache zurückgreifen" müssen. Aber damit hätte er bereits auf eklatante Weise gegen seine eigenen ontologiefeindlichen Prinzipien verstoßen. Ließe Carnap andererseits diese Voraussetzung nicht zu, so würde die Übersetzungsthese den Charakter einer reinen Festsetzung tragen. "Physikalisierung" wäre damit ein rein konventionalistisches Verfahren. 28 Vgl. Carnap, Psychologie, S. 108 und ders., Oberwindung der Metaphysik. 29 Carnap, Universalsprache, S. 455. so Ebenda, S. 458.

3. Der "Physikalismus"

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Gebilde" 31 , oder, zwei Seiten weiter: "Das Sprechdenken, als physikalischer Vorgang, ist der Ausgangspunkt aller Wissenschaft". Dabei spielt es für Neurath keine Rolle, welche Begriffe und Aussagen im einzelnen den Inhalt der Sprache der Physik ausmachen. Er faßt sie nicht als nichtzeitlich und unveränderlich, sondern als mit dem Fortschritt der Wissenschaft ständig sich ändernde Sprache auf: "... es (ist) für die Einheitlichkeit der physikalistischen Sprache gleichgültig, welcher Sprache sich die Physik einer bestimmten Zeit gerade bedient, ob sie ein vierdimensionales Kontinuum in ihren feineren Formulierungen ausdrücklich verwendet, ob sie eine raum-zeitliche Ordnung kennt, der Art, daß der Ort aller Vorgänge immer genau bestimmt ist, oder ob als Grundelemente Koppelung von Orts- und Geschwindigkeitsstreuungen mit prinzipiell begrenzter Genauigkeit auftreten". Wichtig sei für den Standpunkt des PhysikaUsmus nur, daß die Begriffe der Einheitswissenschaft "das jeweilige Schicksal der physikalischen Grundbegriffe haben" 32• Die Behauptung, alle Wissenschaft sei Physik, ist für Neurath zumindestens extensional äquivalent mit der Behauptung, alle Wissenschaft sei Sprachanalyse: ,.Es läßt sich die Lehre von der Sprache durchaus mit der Lehre von den physikalischen Vorgängen verbinden, man bleibt immer im gleichen Gebiet" 33 • Die physikalische Sprache müsse jedoch nicht erst - wie Carnap sich das ursprünglich vorstellte - aus einer privaten Erlebnissprache abgeleitet werden; mit der Erhebung der Sprache zum absoluten Apriori versucht Neurath auch den allerletzten Rest von ,.Metaphysik", insbesondere den Gedanken einer Konfrontation von Sprache und Wirklichkeit, aus dem System des Physikalismus zu eliminieren. Im übrigen ist für Neurath die ausgezeichnete Funktion der Physik im gesamten Wissenschaftsbetrieb eine empirisch vorfindliehe historische Tatsache: "Der PhysikaUsmus ist die Form, in der unser Zeitalter Einheitswissenschaft betreibt" 34• Es wird dabei unterstellt, daß wissenschaftsgeschichtlich der Physik aufgrund ihrer Resultate und ihrer exakten Methoden eine Vorrangstellung gegenüber allen anderen Wissenschaften gebühre35 . 2. Einwände gegen Carnaps Protokollsatztheorie (Neurath, Juhos, Zilsel, Vogel, Reichenbach)36 Offensichtlich ist, daß es sich bei Carnap wie bei Neurath weitgehend um bloße und durchweg problematische Setzungen handelt. Setzung ist Neurath, Physikalismus, S. 228. Neurath, Soziologie, S. 398. ss Neurath, Physikalismus, S. 228. 34 Neurath, Physikalismus, S. 233. 35 Vgl. Carnap, Erwiderung, S. 180. 31

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as Eine systematische Bearbeitung dieses Themas liefert Stegmüller im 3. Kap. von Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft. Stegmüller geht es um ein

weiter gespanntes Problemfeld, das er "Basisproblem" der Erfahrungswis-

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

die These der Zurückführbarkeit bzw. der Übersetzbarkeit aller anderen Wissenschaft (-sätze) auf Physik37 ; Setzungen sind die Behauptungen der Protokollsatztheorie38 ; Setzungen sind schließlich die behaupteten Grundcharakteristika der physikalischen Sprache, nämlich "lntersensualität" und "Intersubjektivität" 39 • Indirekt gesteht Carnap dies auch zu, wenn er etwa die betreffenden Eigenschaften der physikalischen Sprache oder auch der Protokolle selbst "glückliche Umstände" nennt; tatsächlich verbirgt sich ja hinter diesen "glücklichen Umständen" nicht mehr und nicht minder als die von Zilsel analysierte40 , von Carnap unausgesprochen und unausgewiesen vorausgesetzte Metaphysik des Logischen Empirismus, die Unterstellung einer universalen Gesetzmäßigkeit der Welt, die glücklicherweise den Erfordernissen des Physikalismus genügt. Dies kann und soll jedoch hier nicht nochmals prinzipiell analysiert und kritisiert werden. Stattdessen sollen im folgenden einige wichtige kritische Stimmen von Beiträgen zur "Erkenntnis" selbst zu Wort kommen, deren Argumente weitgehend für sich selbst sprechen. 2.1

Die Kritik am "Physikalismus" richtete sich anfangs vor allem gegen Carnaps Erfindung der Protokollsprache. Sie traf damit allerdings ohne daß das allen Beteiligten von Anfang an klar war - sofort ins Zentrum des ganzen Konzepts; denn Carnap selbst bezeichnet die "Frage der Protokollsätze" als "das Kernproblem der Wissenschaftslogik"41. Und schon der erste Kritiker, nämlich Neurath, zeigte mit seinen kritischen Einwänden die Unhaltbarkeit der Protokollsatztheorie Carnaps auf42 • Seine entscheidenden Einwände waren die folgenden: 1. Carnap selbst unterliege einer metaphysischen Fiktion, wenn er annehme, es gebe absolut präzise und saubere Sätze von atomarer Gestalt. Denn es gibt nach Neurath kein Mittel, "um endgültig gesicherte saubere Protokollsätze zum Ausgangspunkt der Wissenschaften zu sensehaften nennt. Darunter fällt nicht nur die Protokollsatzfrage (sie wird speziell in § 3 des 3. Kap. gestellt), sondern allgemein das Problem der Auszeichnung einer - wie auch immer gearteten - Basis wissenschaftlicher Sätze, die sowohl notwendige als auch hinreichende Bedingung für die objektive Gültigkeit der Sätze der Erfahrungswissenschaften sind. 3 7 Stegmüller, S. 317 f . 38 Stegmüller, S. 318 f. 39 Stegmüller, S. 319. 40 Vgl. E. Zilsel, Bemerkungen zur Wissenschaftslogik, E 3, S. 143- 161. 41 Carnap, über Protokollsätze, 1932, S. 215. 42 Neurath, Protokollsätze, 1932, S. 204- 214; die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf diese Quelle.

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machen" (206). Vielmehr seien die Termini der physikalischen Wissenschaftssprache und der (physikalistischen) Trivialsprache untrennbar in einem einheitlichen "Universalslang" mit einander vermengt (205). 2. Jeder Protokollsatz sei ebenso wie jeder andere physikalische Satz oder jedes Gesetz durch den Wandlungsprozß der Wissenschaften prinzipiell abänderbar; es gebe also keine absolute Immunität der Protokollsätze. Da auch Protokollsätze vollständige Sätze seien, bedürften sie einer "Bewährung", denn "ein Satz wird mit dadurch definiert, daß er der Bewährung bedarf, also auch gestrichen werden kann" (210). 3. "Atomprotokolle" ("ursprüngliche Protokolle"), für die gelten soll, daß keine indirekt gewonnenen Sätze in sie aufgenommen werden dürften, seien eine Illusion. Denn kein Protokoll könne ausschließlich aus unmittelbar gewonnenem Beobachtungsmaterial bestehen. Stets gingen fertige Verarbeitungen als notwendige Voraussetzungen in ein Protokoll ein (210). 4. Es sei trivial, von der "intersubjektiven Gültigkeit" der Protokollsätze (oder der physikalischen Sprache) zu reden, denn: "jede Sprache ist als solche ,intersubjektiv': die Protokolle eines Zeitpunktes müssen in die Protokolle des nächsten Zeitpunktes aufgenommen werden können, so wie die Protokolle des A in die Protokolle des B." Die Auffassung, man könne eine andere, nicht intersubjektive, sondern monologisierende Privatsprache überhaupt in Betracht ziehen, sei daher schon von vornherein sinnlos (211). 5. Carnaps Behauptung, jedes Subjekt könne nur sein eigenes Protokoll als Basis benutzen, sei nicht stichhaltig, denn es sei prinzipiell einerlei, ob jemand sein eigenes Protokoll oder das eines Anderen vor Augen habe (212). Carnap reagierte auf Neuraths Einwände, indem er die empirische Basis durch eine konventionalistische ersetzte. Er zog damit eine Konsequenz, die von Anfang an in der gesamten Protokollsatzproblematik angelegt war. 43 Weil - wie Neurath gezeigt hatte - der bedingungslose Empirismus, der von Protokollen als rohen Sinnesdaten ausging, unhaltbar ist, blieb als letzte Notlösung nur die Flucht in den "Basissatzkonventionalismus". Carnaps unter dem Einfluß Neuraths und Poppers zustandegekommene Revision der Protokollsatztheorie beruht auf der Forderung, die Auszeichnung der Protokollsätze durch "Festsetzung" oder "Entschluß" (Neurath) vorzunehmen)44 , und zwar 43 Zum gleichen Schluß kommt auch M. Schlick, in: Über das Fundament der Erkenntnis, E 4 (1934), S. 79- 99; hier: S. 82. 44 Carnap, Über Protokollsätze, S. 216, vgl. auch Neurath, Radikaler Physikalismus, S . 348.

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durch ein Abstimmungsverfahren: "Kommt nun ein Einzelner, der auf Grund seines Protokolles eine Wissenschaft aufbaut, die mit der von uns hundert Leuten aufgebauten nicht in Einklang zu bringen ist, so wird er von uns überstimmt." 45 Entsprechend den Einwänden Neuraths sind mehrere Protokolleigenschaften zugleich von der Festsetzung betroffen: 1. Es sei eine Frage der Festsetzung der Sprachform, ob man z. B. Protokollsätze vom D-Typ oder vom K-Typ wähle, d. h. ob man Carnaps Verfahren folgt, Dingsätze über eine empirische Beobachtung "außerhalb der Systemsprache" zu formulieren, oder ob man Neurath beipflichtet, indem man Körper-Sätze über den Körperzustand desjenigen beobachtenden Subjekts bildet, das im Protokollsatz vorkommen soll. Daß Carnap diesen Punkt der Neurathschen Kritik nur als ein formal-sprachliches Problem ansieht, zeigt, wie gründlich er die Tragweite der Gegenargumentation mißverstanden hat; denn Neuraths Kritik zielte ja gerade darauf ab, die Möglichkeit einer selbständigen Protokollsprache - nicht aus Gründen der Beliebigkeit, sondern mangels eindeutiger empirischer Kriterien von vorneherein zu bestreiten. 2. Die Frage der Annahme oder Verwerfung eines Protokollsatzes ist eine Frage der Festsetzung der Verfahrensweise. Erweist sich ein aus Protokollsätzen abgeleiteter Satz als unvereinbar mit den übrigen Sätzen der Wissenschaft, so kann man alternativ verfahren: entweder man ändert die Sätze der Wissenschaft bzw. die Übersetzungsregeln ab, oder man erklärt den betreffenden Protokollsatz für falsch. 46 3. Bezüglich des dritten Einwandes von Neurath räumt Carnap nunmehr ein: "es gibt keine absoluten Anfangssätze für den Aufbau der Wissenschaft" 47 • Beim Reduktionsverfahren wird der Endpunkt der Ableitung festgelegt: "Man geht bei der Zurückführung jeweils so weit, bis man zu Sätzen kommt, die man durch Beschluß anerkennt." 48 2.2 Carnaps Behauptung, seine Auffassung über Protokollsätze unterscheide sich nur in der Sprechweise von derjenigen Neuraths, wird von Juhos bestritten. Er hält beide Standpunkte für unvereinbar49 • Die u Carnap, Erwiderung, S. 180. Carnap, über Protokollsätze, S. 220. 47 Carnap, S. 224. 48 Carnap, S. 225. 49 Juhos, Wissenschaftstheorie, S. 407. 48

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verhängnisvolle Konsequenz, zu der das Teilzugeständnis Carnaps an Neurath führen würde, liege nämlich darin, daß sowohl die Protokollsätze als auch die Übersetzungsregeln für die Bestimmung der Systemsätze überflüssig würden und damit die "Basis" der Erfahrungswissenschaften ihre Objektivität einbüßen würde, wenn es eine reine Frage der willkürlichen Festsetzung wäre, welche Art von Sätzen abgeändert werden soll50 • Carnap wäre dann gezwungen, Neuraths Forderung beizupflichten, nur noch von Systemsätzen zu sprechen51 • Juhos seinerseits glaubt nicht an diesen Umschwung Carnaps. Nimmt man jedoch Carnap beim Wort und hält den Unterschied zu Neurath für bloß verbal, so hat der Einwand gegen Neuraths Relativismus auch für Caranap seine Gültigkeit. Juhos stellt den seiner Meinung nach für Carnap in Wirklichkeit zutreffenden "absolutistischen" Standpunkt hinsichtlich der Protokollsatzfrage heraus, welcher dem Relativismus Otto Neuraths fundamental entgegenstehen soll und sich durch die Auffassung auszeichnet, nur eine "direkte" Gewinnung von Protokollen (durch Maximierung von Beobachtungen und zunehmende Einschränkung des Theorieanteils) könne diesen Sätzen das Vorrecht verleihen, alle übrigen Sätze der Wissenschaft auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen52 • so Juhos, S . 409.

Der gleiche Gedanke findet sich bei M. Schlick: die relativistische Auffassung "führt eigentlich nur dazu, den anfangs eingeführten Unterschied zwischen Protokoll- und anderen Sätzen nachträglich als bedeutungslos wieder aufzuheben." ([Fundament], 1934, S. 83. Eine Erwiderung Neuraths auf die Einwände Schlicks ist abgefaßt in Neurath [Radikaler Physikalismus]; auch bei Stegmüller zu finden in [Metaphysik], 3. Kap., § 9). Diese Konsequenz des "Basissatzkonventionalismus" (den Begriff "Basissatz" hat Stegmüller von Popper übernommen. Er meint damit Sätze, die den "Maßstab (bilden), mit dessen Hilfe die Sätze der Theorie überprüft werden") beschreibt Stegmüller in [Metaphysik], 3. Kap. § 5. Unter der Überschrift "Die Paradoxie der Erfahrungskenntnis" (§ 7) schildert er außerdem, auf welches unvermeidliche Dilemma die Annahme einer empiristischen bzw. einer konventionalistischen Basis der Erfahrungserkenntnis führt: "Entweder es wird eine konventionelle Basis angenommen, dann führt dies zu einer Selbstaufhebung der Erfahrungswissenschaften, da widerspruchslose Märchen und empirische Theorien erkenntnistheoretisch ununterscheidbar wären. Oder es wird eine nichtkonventionelle, objektive Basis gefordert. Dann scheint die Evidenz von Aussagen über Gegebenes das einzige Mittel zu sein, der vollkommenen Willkür in der Festlegung der anzuerkennenden Basissätze einen Riegel vorzuschieben. Diese Evidenz besteht aber nicht." (Stegmüller, S. 339 f.) Popper urteilt bezüglich Neuraths Relativierung der Protokollsätze ebenso. Neurath habe den Empirismus "über Bord" geworfen, weil er es unterlassen habe, empirische Sätze gegenüber beliebigen Satzsystemen auszuzeichnen; "jedes System kann vertreten werden, wenn man Protokollsätze, die einem nicht passen, einfach streichen kann" (Popper: "Logik der Forschung", S. 63). 51 Juhos, S. 410. 51 Eine ähnliche Konzeption entwirft M. Schlick in [Fundament], 1934, vgl. insbesondere S. 92-97.

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Il. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

Sätze, die kraft Festsetzung als Bewährungskriterium ausgewählt werden und somit nur Wahrheitsfunktionen anderer Sätze sind, kommen für diesen Zweck nicht in Betracht. Tatsächlich irrt Juhos jedoch mit seiner Annahme, dies sei im Grunde auch Carnaps Meinung, denn er übersieht die inzwischen (in "Über Protokollsätze") vollzogene Annäherung Carnaps an Neuraths (wenn diese auch von problematischen Formulierungen Carnaps begleitet ist). Mit seiner bewußt allein auf Neurath abzielenden Kritik trifft er daher - wenn auch unbeabsichtigt - auch Carnap. Schließlich versucht Juhos, gegen Carnap und Neurath nachzuweisen, daß es sinnvolle, in der Physik benutzte Begriffe gibt, die nicht raumzeitlicher Art, also keine "physikalischen" Begriffe sind53 • Damit würde zumindest Neuraths radikale These zu Fall gebracht, jede Sprache sei von Anbeginn Physik. Zu Recht äußert Juhos die Vermutung, daß relevante Probleme, die sich bei konsequenter Durchführung des PhysikaUsmus unvermeidlich zeigen, einfach als "sinnleer" abgelehnt und systematisch ignoriert werden. Alle kritischen Einwände werden durch denselben Mechanismus abgeurteilt, der auch die Metaphysik ausschalten soll54 • 2.3 Wie Juhos zeigt auch Zilsel in seinem 1933 erschienenen Aufsatz "Bemerkungen zur Wissenschaftslogik" die Konsequenzen einer strikt durchgeführten Protokollsprache auf55 : Carnaps Forderung führe sich dabei offenbar selbst ad absurdum, denn die absolute Voraussetzungslosigkeit hat eine prinzipielle Beliebigkeit der Protokollsätze zur Folge. Da die einheitliche Protokollsprache nach Carnap einen notwendigen und hinreichenden Grund für die Einheit der Wissenschaften abgibt, führt die Beliebigkeit der Protokollsätze zur Zulassung beliebig vieler, auch kontradiktorisch einander widersprechender Systeme von Einheitswissenschaft. Zilsel selbst führt einige notwendige, aber selbstverständlich nicht hinreichende Bedingungen für Protokollsätze an, die zusammen genommen eine gewisse Systematik von Grundvoraussetzungen für jede empirische Wissenschaft ergeben. Er beansprucht für seine Aufzählung keine Vollständigkeit: 1. Nach intersubjektiven Sätzen läßt sich nur dann suchen, wenn die Identität der Subjekte, bzw. ihre Verschiedenheit von anderen garantiert ist (148). Diese Voraussetzung läßt sich weder mit Hilfe der Empirie noch mit logischen Mitteln sichern. 53 54 55

Juhos, S . 400 f. Juhos, S. 402.

E. Zilsel, (Wissenschaftslogik], 1932, S. 146/147.

3. Der "Physikalismus"

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2. Um überhaupt die Protokolle einer bestimmten Protokollaufnahme von denen anderer Protokollaufnahmen unterscheiden zu können, müssen die schriftlichen Fixierungen gewisse Voraussetzungen aus der Mechanik starrer Körper erfüllen (z. B. Erhaltung der Materie). (149) 3. Voraussetzung des Funktionierens des Protokollsatzverfahrens ist die Existenz einer Realwelt, die sich unzweideutig von Traumwelten unterscheiden läßt (150). 4. Jedes wissenschaftliche Arbeiten setzt die Extrapolierbarkeit der aus Erfahrung gelernten Gesetzmäßigkeiten in die Zukunft voraus (151 f.). Aber selbst wenn alle aufgezählten Bedingungen zur Bildung einer Einheitswissenschaft erfüllt sind, gibt es Zilsel zufolge noch viele mögliche Zusammenstellungen von zulässigen Protokollsätzen, an welchen jeweils eine andere Einheitswissenschaft hängt: "jede sagbare Definition der Wissenschaft umfaßt nicht etwa ein einziges, sondern beliebig viele einander koordinierte und gegeneinander unverträgliche Satzsysteme" (152). An dieser Stelle führt das ungeklärte und widersprüchliche Verhältnis von Empirie und Logik im Programm des Logischen Empirismus auf ein unvermeidliches Dilemma: Entweder nämlich wird Wissenschaft als ein Satzsystem definiert, in dem die Bedingungen der Intersubjektivität und der Intersensualität erfüllt sind; dann gibt es beliebig viele, miteinander unverträgliche Einheitswissenschaften: Denn da "empirisch" hier gleichbedeutend ist mit Verifizierbarkeit an Hand der gewählten Protokollsätze, gibt es offenbar auch beliebig viele, sich gegenseitig ausschließende Empirien, mithin ist es ausgeschlossen, "die" Empirie zum Kriterium für die Gültigkeit der Protokollsätze zu machen (152 f.). Oder man geht von einer ausgezeichneten Einheitswissenschaft, einer Empirie aus, dann kann man sich nicht auf die formale Redeweise beschränken: "Wenn alles, was sich sagen läßt, sich darauf beschränkt, Sätze mit Sätzen zu verknüpfen, so ist es offenbar ausgeschlossen, mit Worten über in sich konsequente Satzsysteme je hinauszugelangen" (152). Mit den formalen Mitteln der Sprache allein sind die Erfassung der einen "Wachwirklichkeit" und die Auszeichnung der einen Realwissenschaft nicht möglich. An dieser einen Stelle zumindest muß die Wissenschaftstheorie "Unsägliches" zulassen (153). Dieser "unsagbare Hintergrund", ohne den, wie Zilsel sagt, "alle Zeichengebäude in der Luft (hängen)", ist ebenso trivial wie unentbehrlich (159). Daß die Carnapsche Methode der Verifikation durch Protokollsätze die ihr zugedachte Aufgabe, Wissenschaft metaphysikfrei empirisch zu begründen, nicht zu erfüllen vermag, konnte nur deshalb verborgen bleiben, weil die genannten allgemeinen Voraussetzungen stillschweigend

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

als "unsägliches Erleben" in die Protokollsätze eingingen (155). Die Grundvoraussetzungen von Wissenschaft sind nach Zilsel Sätze von allgemeiner Gültigkeit, "die weder Tautologien noch Scheinsätze sind und die sich doch in keiner der üblichen Fachwissenschaften recht unterbringen lassen, weil sie in alle Fachwissenschaften zugleich eingehen" (154) 56 • Da es sich bei ihnen um "philosophische Sätze" handelt, kann man der Philosophie nicht jeden Inhalt absprechen. Sie ist auch nicht auf die bloße Tätigkeit der Begriffsklärung zu reduzieren. Vielmehr kann sie mit der Aufgabe betraut werden, allgemeine Fragen dieser Art zu beantworten, die über den Rahmen der einzelnen Fachwissenschaften hinausgehen (155)57• Carnap hat die Bedeutung der Einwände Zilsels nicht erkannt. Mithilfe seiner Unterscheidung zwischen formaler und inhaltlicher Redeweise weist er die Einwände in der üblichen Art als "sinnleere" Behauptungen zurück: "Der Begriff ,unsagbar' ist leer". Zilsel sei mit seinen Formulierungen über das "Unsagbare" einer "Mythodologie des ,unsagbaren Psychischen"', die es auszuschalten gelte, bedenklich nahe gekommen68 • Carnap sieht damit nicht oder will nicht sehen, daß er selbst es ist, der das "Unsagbare" in der Wissenschaft zulassen muß, und mit ihm jeder, der an dem Gedanken der objektiven Auszeichnung von Erfahrungs- oder Realwissenschaft festhält. Zilsels Forderung nach einem Kriterium für die Auszeichnung "wirklicher" Protokollsätze schließlich begegnet Carnap überraschenderweise mit dem Teilzugeständnis, eine rein logische Analyse könne dies Kriterium nicht liefern, wohl aber sei dies mit "historischen Begriffen" möglich. Was die Wissenschaftler "unseres Kulturkreises" tun, ist "die wirkliche Wissenschaft". "Zum Glück" stimme in der Wirklichkeit die jeweils überwiegende Mehrheit hinsichtlich der wissenschaftlichen Befunde überein.so 6& Eine ähnliche Feststellung trifft Stegmüller: ohne "eine zusätzliche subjektiv-metaphysische Voraussetzung" (z. B. den "irrationalen Glauben an die Kontinuität des Sprachverständnisses") ist es "sinnlos", von Erfahrungswissenschaften zu sprechen. [Metaphysik], S. 343. 57 Zilsels positive Konzeption bleibt hier außer acht. 58 Carnap [Erwiderung], 1932, S. 181. 69 Carnap, S. 180. Schlick macht aber darauf aufmerksam, daß es mit diesem "Glück" nicht weit her ist, denn zum Unglück dieses Verfahrens liegt der Fall in der Wirklichkeit nun gerade anders. In der Regel würde nämlich niemand von sich aus die eigenen Beobachtungen (Protokollaussagen) zugunsten eines fremden Theoriensystems aufgeben. Er würde vielleicht hartnäckig an seinen Beobachtungen festhalten ("Was ich sehe, das sehe ich!") und die Wahrheit anderer Sätze an seinen Beobachtungen messen. [Fundament], 1934, S. 90 f. Neuraths Erwiderung auf diesen Einwand Schlicks steht nun wieder Camaps Erklärung fundamental entgegen: "Daß ein Mensch im allgemeinen an seinen Protokollsätzen hartnäckiger festhält als an denen eines anderen,

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Dieser Rekurs auf "die" Wirklichkeit bezeugt erneut das Dilemma des ganzen Programms. Denn Carnaps Formulierung verletzt die Forderung Neuraths, man dürfe sich zwecks Ausschaltung der Metaphysik allein sprachanalytischer Mittel bedienen, von "der" Wirklichkeit hinter der Sprache dürfe nicht mehr gesprochen werden80•

2.4 Thilo Vogels Kritik am Physikalismus konzentriert sich auf zwei Schwerpunkte: den Sinnbegriff und den Wahrheitsbegriff. Nach Carnap ist ein Satz, wie erinnerlich, genau dann sinnvoll, wenn 1. ein Verfahren seiner empirischen - auf Beobachtung bzw. Protokollsätzen beruhenden - Verifikation angegeben werden kann und wenn er 2. einer gewissen "logischen Syntax" gemäß gebildet ist. Vogel zeigt nun, daß die von Carnap (und Neurath) aufgestellten Kriterien nicht hinreichend sind, um den Sinn eines Satzes zu erfassen. Für Wörter ohne Bedeutung gilt: 1. Sie lassen sich auf formallogischem Gebiet nicht vermeiden, denn in einer logischen Theorie kommen Wortbedeutungen nicht vor. 2. Ob ein Wort eine Bedeutung hat, bzw. der ihm zugeordnete Satz einen Sinn, das hängt ganz wesentlich von dem "Sachbereich" ab, in den der Satz gehört. Der Sinn eines Satzes ist also - je nachdem in welchem Zusammenhang er auftritt - variierbar; er kann nicht von letzten, allgemeingültigen Kriterien abhängen. Das Carnapsche Kriterium für die Sinnhaftigkeit von Sätzen ist demzufolge zu weit, um den besonderen Sinn einer Aussage zu erfassen61 . In einem zweiten Argumentationsgang zeigt Vogel, daß auch der physikalistische Wahrheitsbegriff keine Grundlage hat. Seine Präzisierung durch Neurath führe Wahrheit auf Widerspruchsfreiheit zurück (162). Daraus ergäben sich folgende Konsequenzen: 1. Wahrheit ist nur in einem systematischen Zusammenhang von Sätzen feststellbar. Die Suche nach der Wahrheit eines isolierten Einzelsatzes ist daher sinnlos.

ist eine historische Tatsache - ohne prinzipielle Bedeutung für unsere Betrachtung" (Neurath, zitiert in Neurath [Radikaler Physikalismus], 1934,

s. 357).

80 Daß im übrigen Neurath selbst gegen dieses Prinzip verstößt man denke nur an die "Tintenhügel auf Papier" (Neurath, Protokollsätze, S. 209), die nur schwerlich als sprachliche Konventionen aufgefaßt werden können -, sei nur am Rande vermerkt. et Thilo Vogel, Aussagentheorie, 1934, S. 161. Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf diese Quelle. Zu den verschiedenen Versuchen, Sinnkriterien zu entwickeln, vgl.: Hempel, Probleme und Modifikationen; Stegmüller, Hauptströmungen, Bd. I, Kap. IX, §§ 4 u. 5; Stegmüller, Probleme und Resultate, (Bd. II), Studienausgabe Teil B, Kap. 111. Teil C und Kap. V.

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li. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

2. Wie schon Zilsel und Schlick gezeigt haben, gibt es nicht nur ein einziges widerspruchsfreies System von Protokollsätzen, sondern derer viele, die miteinander konkurrieren und unter denen sich keines als das der Einheitswissenschaft zugrunde liegende auszeichnen läßt. Jedenfalls ist Carnaps Versuch unzureichend, ein Satzsystem historisch zu kennzeichnen als "die Wissenschaft unseres Kulturkreises". Denn dieser Verweis auf die Wissenschaftsgeschichte als letztes Kriterium der Wahrheit beinhaltet eine Relativierung in zweifacher Hinsicht: a) "Kulturkreisrelativität" vorausgesetzt, würde in anderen Kulturkreisen anderes als "Wissenschaft" gelten als bei uns. b) Die Unbestimmtheit des Wortes "Kulturkreis" läßt auch die Möglichkeit zu, daß innerhalb desselben Kulturbereiches mehrere Wissenschaftsauffassungen gelten (S. 162)&2. 3. Schließlich versagt das von Carnap und Neurath propagierte Wahrheitskriterium auch deshalb, weil sich Widerspruchsfreiheit unter den Voraussetzungen des PhysikaUsmus nicht beweisen läßt; denn es fehlt a) die Voraussetzung, daß das System in gewisser Weise abgeschlossen ist (das kann für Protokolle nicht gelten), b) die Voraussetzung, daß Worte mit Bedeutungen in Axiomensystem vorkommen (das wird von der formalen Redeweise ausgeschlossen). Von einer Verarbeitung der Kritik durch Carnap und Neurath kann im Fall Vogels so wenig die Rede sein wie im Fall von Juhos und Zilsel.

2.5 Dieselbe Stoßrichtung wie Zilsel hatte schon Reichenbach in seinem Aufsatz "Der physikalische Wahrheitsbegriff" (1931) verfolgt, indem er die falschen Voraussetzungen der Protokollsatztheorien des PhysikaUsmus aufzudecken versuchte. Reichenbach zeigt nicht nur den Irrtum auf, der mit der Aufstellung angeblich voraussetzungsloser Protokolle verbunden ist, sondern weist in überzeugender Weise nach, daß Konstatierungen oder Protokolle, etwa von der Form "hier jetzt tick-tack und hell" nichts, aber auch gar nichts, mit dem wirklichen Vorgehen in der Physik zu tun haben. Vielmehr muß der Physiker, und 62 Der Hinweis darauf, daß alle Protokollsätze von den Wissenschaftlern unseres "Kulturkreises" stammen, ist auch nach Juhos viel zu vage, denn die Wissenschaftler könnten ja auch zu allen möglichen Protokollsatzmengen Satzsysteme entwickeln, und dann würden alle möglichen Fälle zugleich wirklich sein. "Es kann so jede denkbare Wissenschaft von Wissenschaftlern unseres Kulturkreises formuliert werden". Überhaupt führt der Versuch, über die "deskriptive Semantik", die Wirklichkeit von Protokollsätzen nachzuweisen (vgl. Carnap, Erwiderung, 1932, S. 178) obgleich ihre Sätze synthetisch-empirisch und Raum-Zeitangaben enthalten, auf einen Zirkelschluß, bzw. auf einen regressus ad infinitum (vgl. Juhos, Aussagentheorie, 1934, s. 417).

3. Der "Physikalismus"

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zwar gerade auch der Experimentalphysiker, durchweg von Voraussetzungen Gebrauch machen, die als solche in der "Jetzt-und-hier"Konstatierung überhaupt nicht auftreten. Er tut dies nicht zufällig und nicht aus Spielerei, sondern weil er dazu gezwungen ist, um überhaupt aus seinen Versuchen Schlüsse ziehen zu können. Zwar ist es richtig, daß in der Physik auch "Berichtsätze" vorkommen, "aber die Wissenschaft begnügt sich nicht mit Berichtsätzen, sondern geht stets zu Prophezeiungen über" 63 • Kein Naturwissenschaftler kann sich jemals auf den reinen Bericht beschränken. Zudem stellt sich nach Reichenbach bei genauerer Betrachtung heraus, "daß auch die sogenannten Berichtsätze der Physik in Wahrheit stets Prophezeiungen enthalten" . Die vom "Wiener Kreis" angestrebte "Radikallösung" , der zufolge Beobachtungsberichte die wesentlichen Inhalte wissenschaftlicher Sätze bilden und alle anderen Bestimmungen sinnleere und daher überflüssige Verzierungen sind, bedeutet nicht die Grundlegung, sondern die Zerstörung von Physik als Wissenschaft. "Es ist richtig, daß man mit dieser Auffassung zu einer strengen Lösung des Wahrheitsproblems kommt; nur leider um den Preis einer gewaltsamen Verdrehung physikalischen Denkens. Man hat zwar das Problem der Prophezeiungssätze eliminiert, aber man hat auch die ganze Physik eliminiert, denn die Physik begnügt sich nun einmal nicht mit der Konstatierung vergangeuer Erlebnisse. Ich kann deshalb in dieser Wendung des Problems keine Lösung sehen; es geht nicht an, einem Problem die Sinnhaftigkeit zu bestreiten, weil man mit den bisherigen begrifflichen Mitteln keine befriedigende Lösung findet." 84 Diesem abschließenden Urteil ist nur noch die Bemerkung hinzuzufügen, daß Reichenbachs Kritik, die doch von so weitreichender Konsequenz für das Programm des PhysikaUsmus ist, beim "Wiener Kreis" so gut wie keine Beachtung gefunden zu haben scheint oder völlig unterschätzt worden ist. Jedenfalls findet man keine Erwiderung, in der mit der erforderlichen Sorgfalt zu diesen Punkten Stellung genommen worden wäre. 3. Hinweise auf die spätere Diskussion um den PhysikaUsmus Schon 1938 nimmt Carnap65 weitere Revisionen am Konzept des PhysikaUsmus vor: Das Protokollsatzkonzept entfällt, die physikalische Sprache wird ihrer Sonderstellung beraubt, als Reduktionsbasis wird nunmehr eine aus beobachtbaren (quantitativen) Prädikaten beste83

Reichenbach, Der physikalische Wahrheitsbegriff, 1931, S. 159.

S. 160 f.; Hervorhebung vom Verf. Carnap, Unity, abgedr. in: Feigl I Sellars (Hrsg.), Readings in Philosophical Analysis, New York 1949. 84

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II. Der "Wiener Kreis" und die alte "Erkenntnis"

hende Dingsprache angenommen. Eine letzte, nochmals liberalisierte Version seines PhysikaUsmus hat Carnap in Erwiderung auf einen Feigischen Aufsatz zum selben Thema verfaßt; vergleiche zu beiden Aufsätzen den von Schilpp herausgegebenen Band zur Philosophie Carnaps66 • In Moritz Schlicks "On the relation ..." 67 wird ein Aspekt des Physikalismuskonzepts sichtbar, der in der angelsächsischen Diskussion unter dem Titel "mind-body-problem" erörtert wird; dies hier weiter zu verfolgen würde jedoch den gegebenen Rahmen sprengen. es

ee Carnap, H. Feigl on Physicalism, in: P. A . Schilpp (Hrsg.), The Philosophy of Rudolf Camap, La Salle (111.), 1. Aufl. 1963, S. 882 - 886 und Carnap, Physicalism and the Unity of Science, in: Schilpp, S. 50 - 53. 87 M. Schlick, On the Relation between Psychological and Physical Concepts (1935), in: Feigl I Sellars, S. 393 ff. 88 Hier kann nurmehr auf folgende Titel hingewiesen werden: H. Feigl: Russen und Schlick. A Remarkable Agreement on a Monistic Solution of the Mind-Body-Problem, in: Erkenntnis 9 (1975), S. 11 - 34; H. Feigl: Physicalism, Unity of Science and the Foundations of Psychology, in: P. A. Schlipp, S. 227 - 267; R . Kirk: From Physical Explicability to FullBlooded Materialism, in: Philosophical Quarterly 29 (1979), S. 229 - 237; D. David.son: Events as Particulars, in: Nous 4 (1970); J. H. C. Smart: The Content of Physicalism, in: Philosophical Quarterly 28 (1978), S. 339- 341; C. V . Borst (Hrsg.): The Mind-Brain-Identity Theory, New York 1970.

lU. Poppers Falsifikationismus 1. Darstellung Poppers Arbeiten sind wie die der übrigen Logischen Empiristen in Deutschland erst spät rezipiert worden: die zweite Auflage der "Logik der Forschung" erschien 1966, Übersetzungen der "Open society" und von "Poverty of historicism" 1957 bzw. 1962. Weitere wichtige Daten sind: - Poppers Referat vor dem Soziologentag 1961 ("Die Logik der Sozialwissenschaften")1, das zusammen mit dem Korreferat Adornos und der anschließenden Polemik zwischen den Schülern Albert und Habermas unter dem Titel "Positivismusstreit" berühmt und wirksam geworden ist und übrigens die Einschätzung Poppers in der Bundesrepublik nach wie vor in positivem wie in negativem Sinne bestimmt. - Die Publikation des Readers zur "Logik der Sozialwissenschaften", die Popper einem größeren Publikum bekannt machte. - Die erst in der Mitte der 70er Jahre durch die Übersetzung von "Criticism and the Growth of Knowledge" (englisches Original 1970, deutsche übersetzung 1974) bekannt gewordene sogenannte Kuhn-Popper-Feyerabend-Debatte. Zu den wichtigsten Vertretern der Poppersehen Lehre in der Bundesrepublik gehören H. Albert, G. Radnitzky und neuerdings die Autoren der oben angegebenen Einführung in die Wissenschaftstheorie. Die Grundzüge der Poppersehen Auffassung, die hier nur in knappster Form dargestellt werden können (in der Sekundärliteratur stehen zahlreiche gute Darstellungen zur Verfügung), sind: -

Unter Berufung auf Hume kritisiert Popper die empirische Beweisbarkeitsforderung des ursprünglichen Verifikationismus als prinzipiell undurchführbar: aus einer endlichen Zahl von Beobachtungen kann nicht auf eine unbeschränkte Allgemeinheit, aus Feststellungen in der Vergangenheit kann nicht zwingend auf das Eintreffen der in der Vergangenheit beobachteten Umstände in der Zukunft geschlossen werdenz. Daher lassen sich Sätze der logischen Form ,Alle Fs sind Gs' (und die wichtigsten Aussagen der empirischen Wissenschaften, die Gesetzesaussagen, haben nach Popper diese Form) empirisch nicht verifizieren.

-

Zum Glück lassen sich die Mängel des Verifikationismus nach Poppers Ansicht durch eine logische "Asymmetrie" kompensieren: allgemeine Sätze

1 In: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, hrsg. von T. W. Adorno u. a., 1969, S. 103 - 123. z Logik der Forschung, S. 3 - 6. 7 Tuschllng

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III. Poppers Falsifikationismus lassen sich zwar nicht vollständig beweisen, aber sie lassen sich vollständig widerlegen, gegebenenfalls durch einen einzigen Widerlegungsfall. Die empirische Kenntnis eines einzigen schwarzen Schwans zum Beispiel genügt, um den Satz "alle Schwäne sind weiß" zu widerlegen. Das von den Logischen Empiristen gesuchte Kriterium der Abgrenzung der empirischen Wissenschaft gegen die Metaphysik ist daher nicht die Beweisbarkeit, sondern die Widerlegbarkeit oder Falsifizierbarkeit: Sätze müssen, um empirisch und wissenschaftlich zulässig zu sein, widerlegbar sein bzw. durch geeignete methodelogische Vorkehrungen widerlegbar gehalten werden; sie brauchen nicht selbst beobachtbare Inhalte auszusagen, müssen aber beobachtbare Folgen implizieren, die mit möglichen empirischen Feststellungen anderer Art bzw. mit den darüber formulierten sogenannten "Basissätzen" in Widerspruch stehen; kurz: wissenschaftliche Hypothesen müssen, wie Popper sagt, "an der Erfahrung scheitern können" 3 •

-

Das Verfahren des Falsifikationismus sieht in groben Zügen' wie folgt aus: aus generellen wissenschaftlichen Aussagen oder "Hypothesen" werden, unter geeigneten empirischen ("Rand-")Bedingungen, Folgerungen ("Prognosen") 5 abgeleitet und anschließend empirisch geprüft. Dazu suchen die Wissenschaftler nach geeigneten falsifizierenden Hypothesen mit entsprechenden, die zu prüfende Hypothese ggf. falsifizierenden Folgen. Die empirische Prüfung dient der Feststellung, welche Folgen - die dann in "Basissätzen" formuliert werden - tatsächlich auftreten. Die am "Wissenschaftsspiel" beteiligten Wissenschaftler legen dann per Beschluß fest, ob eine Feststellung als falsifizierende Instanz bzw. als falsifizierender Basissatz anerkannt wird oder nicht. Gilt eine Hypothese in Folge eines solchen Beschlusses als falsifiziert, wird sie ausgeschieden; hat sie den Test überstanden, gilt sie - bis zu einer evtl. späteren Widerlegung als vorläufig bestätigt oder bewährt. Insgesamt gesehen stellt sich der Wissenschaftsprozell daher als ein Verfahren der ständigen Aufstellung von Hypothesen, ihrer Unterwerfung unter möglichst harte empirische Tests und der permanent fortgesetzten Selektion permanent modifizierter Hypothesen dar, ein Verfahren, in dem der empirischen überprüfung in einem "experimentum crucis" eine entscheidende Rolle zufällt•.

2. Kritik Popper ist von Anfang an als scharfer Kritiker des "Positivismus" des Wiener Kreises aufgetreten, und in der Tat beruht seine Konzeption auf einer Revision des ursprünglichen logisch-empiristischen Ansatzes a Ebda., S. 15.

4 Ebda., bes. Kap. 5, S. 60 -77; vgl. ferner Poppers Zuschrift an die Herausgeber der "Erkenntnis", in 3, 426 f .; ferner die Gesamtdarstellung bei Stegmüller, Hauptströmungen Bd. 1, S. 445 - 486; Popper, Die Logik der Sozialwissenschaft. s Vgl. Elend des Historizismus, § 28; ferner; Prognose und Prophetie in den Sozialwissenschaften, in: Zur Logik der Sozialwissenschaften, 1965, s. 113- 125. • Logik der Forschung, S. 185- 194; kritisch dazu schon Neurath, Der Pseudorationalismus ... , S. 353 ff.; vgl. auch die Kuhn-Popper-FeyerabendDebatte in: Kritik und Erkenntnisfortschritt, 1974, bes. S. 51 - 58.

2. Kritik

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in zwei nicht unwesentlichen Punkten: auf der Ersetzung von Verifizierbarkeit durch Falsifizierbarkeit als Empirizitätskriterium und auf einer veränderten Interpretation dieses Kriteriums - es wird nicht mehr als Sinn-, sondern als Abgrenzungskriterium verstanden; das erlaubt unter anderem, "Metaphysik" 1 zumindestens für den "context of discovery", d. h. für die individualpsychologisch verstandene Entstehung von wissenschaftlichen Theorien, als relevant aufzufassen, statt sie als "sinnlos" zu verwerfen2 • Zu größerer Toleranz oder gar zu Verständnis für "Metaphysik" oder einfach für anderes Denken hat dies allerdings nicht bei Popper selbst, sondern nur bei Poppers Schüler Feyerabend geführt. Es ist jedoch nicht gerechtfertigt, wenn Popper selbst3 oder die Popperianer4 diese Differenzen zu den Auffassungen des Wiener Kreises als grundlegenden Gegensatz gegen deren Positivismus behaupten. Das ist schon von Reichenbach, Carnap und Neurath in ihren Rezensionen der "Logik der Forschung" als grundlos zurückgewiesen worden5 , und dies mit vollem Recht. Denn Popper identifiziert sich mit allen konstitutiven Momenten des logisch-empiristischen Systemkonzepts: Er vertritt den "Linguistic-Turn", und zwar, wie Carnap in der Extremform der Fingierung von Wissenschaft als aus Systemen "sauberer Sätze" (Neurath)e bestehend; deshalb stimmt er auch Carnaps Idee einer Reduktion aller "inhaltlichen" auf die sogenannte "formale" Redeweise ohne Einschränkung zu7 und bezeichnet wie Carnap8 die Logik als das "Organon" der "Wissenschafts-Kritik"'. - Die A-S-Dichotomie ist für Poppers Falsifikationismus ebenso grundlegend - und ebenso zerstörerisch in ihren Konsequenzen - wie für Carnap; wissenschaftlich zulässig sind auch für Popper nur die analytischen Sätze (Logik, Mathematik), die gehaltlos a priori sind, und die syntheti-

-

1 Zur Problematik einer eindeutigen Begriffs- und Gebietsbestimmung von "Metaphysik" im Logischen Empirismus ganz allgemein s.o. die Einleitung und II. 2. Auch Popper gelingt es nicht, einen haltbaren Begriff von "Metaphysik" zu entwickeln (vgl. dazu nochmals Stegmüller, Probleme und Resultate Il 189 ff.; derselbe, Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, Kap. 3; Quine, Zwei Dogmen ... und oben die Einleitung). Daher fehlt bei ihm ebenso wie bei den übrigen Logischen Empiristen ein Begriff von dem, was "Metaphysik" von "Erfahrungswissenschaft" überhaupt unterscheidet und damit als solche konstituiert. ! s. Logik der Forschung, S . 6 ff. 3 Logik der Forschung, S. 8- 13; vgl. auch die Autobiographie in: The Philosophy of Karl Popper, 1974, Bd. 1, S. 3 - 181. 4 Vgl. etwa Albert, in: Der Positivismusstreit .. ., S. 277-286. 5 Reichenbach, E 5, 268 ff.; Carnap: ebenda, 290 ff.; Neurath: ebenda, s. 353 ff. 8 Ebd.: vgl. auch Neurath, Protokollsätze, in E 3, 204 ff. 7 Logik der Forschung, S. 9 f. 8 9

E 1, 25 f .

Die Logik der Sozialwissenschaften, S. 115.

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-

111. Poppers Falsifikationismus

sehen Sätze (der empirischen Wissenschaften), die empirischen Gehalt haben und empirischer Widerlegung fähig sind. Zwar will Popper, wie oben ausgeführt, synthetisch-apriorische Sätze der Metaphysik nicht rundheraus als sinnlos verwerfen, in der \Vissenschaft zulassen aber will auch er sie nicht. Die Dichotomie führt auch hier zu denselben Widersprüchen: Wie Carnap behauptet Popper die Logik als gehaltleer und weist gleichzeitig bestimmten logischen Verhältnissen Auszeichnungsfunktion für empirische Sätze im Unterschied zu logischen und metaphysischen zu; die Asymmetrie oder logisch einseitige Entscheidbarkeit wird in realwissenschaftlich einseitige Entscheidbarkeit umgedeutet. - Diese Übertragung ist schon von Reichenbach als unzulässig kritisiert worden: nach ihm ist die Feststellung der Falsifikation - d. h. die Entscheidung darüber, ob eine bestimmte empirische Hypothese einer zu prüfenden Hypothese "widerspricht" oder nicht, prinzipiell denselben Einwänden ausgesetzt wie die Behauptung einer "absoluten Verifikation" 10• Derselbe Fehler, an anderer Stelle des Systems auftretend: Das Klassifikationskriterium von Sätzen, die überhaupt als empirische anerkannt werden können sollen, ist eine bestimmte logische Struktur (bei Popper ist es die der sogenannten singulären Es-gibt-Sätze). Dieser Versuch scheitert, wie bei Carnap11 , an dem Wiederspruch, daß die angeblich völlig gehaltleere, tatsächlich von allem Inhalt abstrahierende Logik durch uninterpretierte Strukturen die Bedingungen der Möglichkeit von empirischem Gehalt überhaupt und empirischer Wahrheitsfähigkeit im besonderen begründen soll und schließlich - dies ein letztes, von Popper nicht zu entkräftendes Argument gegen seinen Logizismus, die unzulässige Übertragung logischer auf Realverhältnisse - sind Wissenschaftssätze nicht so "sauber" und Quantaren nicht so säuberlich verteilt, wie Popper das für seine Konzeption der einseitigen Entscheidbarkeit voraussetzen muß: Naturgesetze haben nicht die von Popper unterstellte schlichte logische Form; sie enthalten in der Regel nicht nur All-, sondern auch Existenzquantoren12, sind daher nach Poppers eigenen Kriterien empirisch nicht widerlegbar, mithin metaphysisch. Es zeigt sich hier ein ähnlich fatales Ergebnis wie beim empiristischen Sinnkriterium in Carnaps Fassung: gerade die relevanten wissenschaftlichen Aussagen werden vom Kriterium als metaphysisch diskriminiert, von einem konsistenten oder gar angemessenen Begriff von Empirie kann auch bei Popper nicht die Rede sein. Wie Neurath beharrt Popper auf einem Verfahren der empirischen Auszeichnung und konstruiert es so (d. h. als konventionalistisches Beschlußverfahren), daß als Wahrheits- oder Entscheidungskriterium nurmehr logische Verträglichkeit übrig bleibt. Die von Popper gegen Neurath vorgetragenen Einwände treffen daher, wie Stegmüller gezeigt hat, uneingeschränkt auf Popper selbst zu: auch der Poppersehe Basissatzkonventionalismus hat zum Ergebnis, daß kraft Beschluß beliebige in sich widerspruchsfreie Satzsysteme oder Fiktionen als "empirische Wissenschaft" dekretiert werden können. Das Problem der Auszeichnung der einen Realwissenschaft ist damit nicht nur nicht gelöst, es wird unlösbar. Denn der

Vgl. E 3, 427 f. und E 5, S. 267 ff. s.o. II 2. u Zu diesem sogenannten Problem der gemischten Quantaren vgl. Stegmüller, Probleme und Resultate II 189 ff.; ferner von Kutschera, Wissenschaftstheorie, Bd. 2, S. 329 - 345. 1o

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2. Kritik

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Konventionalismus führt zur "Kalkülisierung" der Erfahrungswissenschaft, damit zu einem Widerspruch des Logischen Empirismus bzw. Kritischen Rationalismus mit sich selbst13, -

-

-

Wie alle Logischen Empiristen reproduziert Popper damit auch das Dogma des Einzelsatzempirismus bzw. des Reduktionismus - die Forderung, daß sich von jedem Kontext isolierte einzelne Sätze als empirisch ausweisen können und über sie vermittelt alle wissenschaftlich zulässigen Theorien, wie auch immer vermittelt, auf Beobachtung, Experiment und Wahrnehmung zurückführen lassen können müssen. Die Unmöglichkeit dieser Forderung und damit die Undurchführbarkeit des Einzelsatzempirismus ist, wie oben referiert, von Quine theoretisch nachgewiesen, aber bis heute von keinem führenden Logischen Empiristen, auch von Popper nicht, eingestanden worden. Popper vertritt das D-N-Schema der wissenschaftlichen Erklärung, an dessen Entwicklung er ebenso maßgeblichen Anteil hat wie an der Propagierung des diesem Schema entsprechenden Wissenschaftsverständnisses14. Es bedarf jedoch nach dem oben Gesagten keines umständlichen Beweises mehr, daß diesem Schema mit dem Nachweis der Undurchführbarkeit des Einzelsatzempirismus jede Grundlage entzogen worden ist. Poppers Leugnung nichtempirischer Voraussetzungen - auch in der modifizierten Form der Leugnung ihres Auftretens im "context of justification" - und die damit verbundene Kritik an "Metaphysik", "Holismus", "Essentialismus" (und wie die Schreckbilder des Stückwerksozialtechnologen sonst noch heißen mögen) sind ebenso unbegründet wie im Fall Carnaps und anderer Logischer Empiristen; und zwar nicht nur aufgrund der eben genannten Umstände, an denen der Poppersehe Falsifikationismus scheitert, sondern: selbst im günstigsten Fall, also sein Funktionieren zugestanden, ist das Poppersehe Falsifikationsverfahren, das Verfahren der Hypothesenaufstellung und -selektion, das Verfahren der Beschlußfassung über falsifizierende Basissätze etc. in jedem Moment aus den von Zilsel genannten Gründen von nichtempirischen Voraussetzungen abhängig, nicht nur im Bereich der wissenschaftlichen Einfälle, sondern im Bereich der Überprüfung und Rechtfertigung von Sätzen und Theorien: Intersensualität, Intersubjektivität der empirischen Feststellungen wie der sprachlichen Verständigung über sie, aber auch grundlegende Identitätsstrukturen und Gesetzmäßigkelten der Welt, der in ihr ablaufenden physikalischen, chemischen und sonstigen Prozesse (die der Wahrnehmung und ihrer intellektuellen Verarbeitung inbegriffen) und schließlich der wahrnehmenden, denkenden, Experimente anstellenden und Wissenschaft treibenden Menschen sind Elemente einer "Minimalmetaphysik" 15, ohne die auch der Pappersehe Empirismus nicht einmal exponiert werden und das Verfahren der empirischen Prüfung von Hypothesen durch Widerlegungsversuche nicht in Gang kommen kann.

13 Vgl. dazu schon Zilsel, Bemerkungen .. ., E 3, 143 ff.; Stegmüller, Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, Kap. 3, S. 308 ff. und besonders S. 329. 14 s. oben Kap. I. 1. mit weiteren Hinweisen. ts Zum Begriff: Logik der Forschung, S. 74- 76; Wartofsky, S. 720. Zur Sache: s. Stegmüllers Skizzierung einer "Minimalmetaphysik", die zumindest die empirisch weiter nicht mehr prüfbare Erinnerungsfähigkeit bezüglich der Bedeutung sprachlicher Zeichen und eine gewisse Erinnerungsevidenz bezüglich vergangener Wahrnehmungsinhalte umfaßt, vgl.: Metaphysik ... , bes. S. 335 - 344 und Zilsel, Bemerkungen ..., E 3, 143 ff.

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111. Poppers Falsifikationismus

Poppers Konzeption ist einer ganzen Reihe weiterer triftiger Einwände ausgesetzt, die hier nicht mehr im einzelnen referiert werden können; auf die grundsätzlich angelegte Popper-Kritik A. Wellmers16, H. Spinners17 oder K. Bayertz' 18 kann hier nur verwiesen werden, ebenso auf die in vielen Arbeiten niedergelegte temperamentvolle Kritik des Popper-Schüler Feyerabend19• Die Popper-Kritik, die im Zusammenhang mit der sogenannten Kuhn-Popper-Feyerabend-Debatte formuliert worden ist, gehört in den Zusammenhang von Teil IV. Auf eine kurze Skizzierung von Neuraths Kritik an der "Logik der Forschung" kann ich jedoch nicht verzichten: Sie nimmt zentrale Argumente der Kuhnschen und Feyerabendschen Popper-Kritik vorweg, antizipiert ganz nebenbei, dafür aber weniger pedantisch und schematisch, die Grundidee von Kuhns "Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" und darf deshalb als zu unrecht vergessen - um nicht zu sagen: verdrängt- bezeichnet werden: Die Wissenschaftspraxis ist erheblich komplexer, als Popper sie darstellt: es gibt nicht nur ein, sondern viele Induktionsprinzipien, und das experimentum crucis spielt keineswegs die alles entscheidende Rolle, die Popper ihm zuschreibt. Zudem liefert die Wissenschaftsgeschichte viele Beispiele dafür, das Wissenschaftler lange Zeit auch gegen vorliegendes empirisches Datenmaterial20 an Hypothesen festgehalten haben, vernünftigerweise, wie sich dann herausgestellt hat. Auch zeigt die Praxis keineswegs das Bild rastloser Hypothesenaufstellung und -zerstörung, das Popper entwirft: ganze Tätigkeitsbereiche schon in der Physik und erst recht in anderen Wissenschaften werden von diesem Schematismus überhaupt nicht erfaßt, etwa die langfristig angelegte Sammlung empirischer Daten in bestimmten (Teil-) Disziplinen. Insgesamt betrachtet verlaufen die Prozesse von Bestätigung und Widerlegung, Kontinuität und Bruch in der Wisseenschaftsentwicklung ganz anders, als Popper sie darstellt: Große weltanschauliche Entwürfe leiten für lange Zeit die Forschung, bestimmen ihre Problemstellung, Fragen, Lösungsmittel, Methoden, bis ihre Problemlösungskapazität erschöpft ist und sie in einem Prozeß des revolutionären Umbruchs durch neue Entwürfe ersetzt werden21 • Diesen komplexen Vorgängen wird Poppers Schematismus nicht gerecht, es ist dies nur ein "Pseudorationalismus der Falsifikation"n. Popper verdankt seinen Aufstieg und Einfluß nicht zuletzt der rücksichtslosen Entschlossenheit, mit der er von Anfang an solche grundMethodologie als Erkenntnistheorie, 1969. Pluralismus als Erkenntnismodell, 1974. 1a s. seinen Beitrag in Bayertz I Schleifstein, Mythologie der "kritischen Vernunft", Köln 1977. 19 s. u. a.: Die Wissenschaftstheorie eine bisher unbekannte Form des Irrsinns, in: Natur und Geschichte, S. 88 - 124; Wider den Methodenzwang, 1976 oder: Erkenntnis für freie Menschen, 1978. 20 Hier wird im Anschluß an Neurath ein unspezifischer Begriff von "Empirie" unterstellt. 21 s. Neurathin E 5, 353-368. 22 So der Titel von Neuraths eben zitiertem Aufsatz. 18

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2. Kritik

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legenden Einwände wie die Reichenbachs, Neuraths, Quines, aber auch Zilsels u. a. ignoriert hat, oder, was dasselbe ist, dem Dogmatismus, mit dem er sich rigoros gegen Einwände abschirmt. Es fehlt unter seinen Arbeiten die gründliche Auseinandersetzung mit Reichenbach23 ; Neurath und Zilsel figurieren in Poppers Autobiographie als Zelebritäten, nicht als Autoren, die die Fundamente des Kritischen Rationalismus in Frage stellen24 ; Quines Destruktion der Grundlagen des Einzelsatzempirismus wird zur Korrektur einer terminologischen Nebensächlichkeit - Tenor: Unklarheit in der Bedeutung von "analytisch" bzw. "synthetisch" - heruntergespielt; der Gedanke diese Kritik könnte auch die Grundlagen des eigenen Lehrgebäudes betreffen, liegt Popper völlig fern. Stegmüller schließlich wird - sowohl was die Kritik am Basissatzkonventionalismus25 als auch die am falsifikationistischen Abgrenzungskriterium26 betrifft - einfach totgeschwiegen, sein Name kommt im Register von "The Philosophy of Karl Popper" nicht einmal vor. Der Propagandist der sokratischen Bescheidenheit und der Bereitschaft, aus seinen Fehlern zu lernen; des Trial-and-error und des "Fallibilismus" oder kurz "des Kritischen Rationalismus" hat sich in letzter Konsequenz nicht ein Jota von seiner "Logik der Forschung" abhandeln lassen, trotz allem Gerede über Poppero, Poppert, Popper2 uswP; von einem wirklichen "aus-den-eigenen-Fehlern-lernen" und der angesichts der nicht ausgeräumten fundamentalen Einwände unabweisbar gebotenen Konsequenz, seine Konzeption aufzugeben, gar nicht zu reden. Daß die Phraseologie der sokratischen Bescheidenheit und der permanenten Lernbereitschaft einerseits und die unbescheiden-dogmatische Praxis Poppers und seiner Anhänger andererseits einander so flagrant widersprechen, ist nun an sich nicht erstaunlich; erstaunlich ist höchstens, daß das philosophische Publikum diesem unkritischen Dogmatismus den Anspruch, "kritischer Rationalismus" zu sein, so lange abgenommen hat und immer noch abnimmt. Demgegenüber bleibt, was die theoretische Konsistenz anbetrifft, festzuhalten: die meisten der referierten grundsätzlichen Einwände hat Popper einfach nicht zur Kenntnis genommen. Entkräftet ist keiner 2a Bezeichnenderweise druckt der Propagandist der Bereitschaft, aus den eigenen Fehlern zu lernen, in der zweiten Auflage der Logik der Forschung nur seine eigene Zuschrift an die Herausgeber der "Erkenntnis", nicht aber die kritische Entgegnung Reichenbachs auf diese Zuschrift ab. 24 Vgl. The Philosophy of Karl Popper, Register, die entsprechenden Belegstellen. 2s s. Metaphysik ... 26 Probleme und Resultate II 189 ff. 27 s. Criticism and the Growth of Knowledge, 1970, S. 91 - 195.

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111. Poppers Falsifikationismus

von ihnen; beinahe jeder von ihnen stellt das logisch-empiristische System des Falsifikationismus grundsätzlich - und zwar aus unterschiedlichen, die komplexe Mannigfaltigkeit der wissenschaftstheoretischen Probleme betreffenden Gründen - in Frage; alle zusammengenommen reichen hin, um den systematischen Schematismus der "Logik der Forschung" als widerlegt anzusehen und seine grundlegende Revision zu erzwingen "erkenntnislogisch" betrachtet: In praxi reicht solche kritische Rationalität natürlich nicht hin, um das "Vorurteil des angenommenen Lehrgebäudes" des "Kritischen Rationalismus" zu erschüttern2s. Die ungebrochene Lebenskraft dieses Vorurteils ist angesichts der Inkonsistenz des Kritischen Rationalismus als eines theoretischen Systems nurmehr mit außertheoretischen Gründen zu erklären. Es ist auch nicht schwer, sie zu entdecken: Sie liegen im Bedürfnis mancher Wissenschaftler und Wissenschaftszweige - signifikant ist die PopperRezeption in der Pädagogik, der Psychologie, der Soziologie und den Wirtschaftswissenschaften-, den (natur-)wissenschaftlichen Charakter ihrer Disziplinen unter Beweis zu stellen, aber auch in den weltanschaulichen Überzeugungen und der Praxis bestimmter Politiker, u. a. von relevanten Teilen der Sozialdemokratie20 • Den gesellschaftlichen Gründen für diese Phänomene nachzugehen ist hier nicht der Ort.

28 Vgl. etwa den ungebrochenen Dogmatismus in Esser, Kleenovits, Zehnpfennig, Einführung in die Wissenschaftstheorie, besonders drastisch in der

gönnerhaften Abfertigung feyerabendscher Kritik, S. 226 f. 29 Vgl. Kritischer Rationalismus und Sozialdemokratie, 1975, mit Vorwort von Helmut Schmidt.

IV. "Historie Turn" 1. Motive Der "dogmatische Schlummer" der Wissenschaftstheorie, die vom logischen Aufbau einer Einheitssprache zur Überwindung des Phantoms einer "Theorie"-"Empirie"-Kluft variantenreich träumte, wurde mit dem Erscheinen von Kuhns "The Structure of Scientific Revolutions" (1962) jäh unterbrochen. Man rieb sich die Augen, erstaunt von so überraschenden Phänomenen wie dem des Theoriewandels, der "Theoriendynamik", der historisch-soziologischen Relativierung und Bedingtheit von Theorien- und gewöhnte sich bald an den schmeichelhaften Gedanken, eine Revolution erlebt und überstanden zu haben.1 Deutet das "gegenrevolutionäre" Krisenmanagement zur Rettung des Systemprogramms des Logischen Empirismus die ausufernde Debatte um Kuhn und die Folgen noch immer als den kühnen Umbau auf offenem Meer, so besteht die Schwierigkeit, in dieser Debatte Land zu sehen für Außenstehende darin, daß zwar rege Bautätigkeit, aber nur eine Ansammlung von Wracks auszumachen ist2 • Jedenfalls hat es sich heute eingebürgert, an Kuhns Buch eine das Programm des Logischen Empirismus betreffende revolutionäre Zäsur, dessen "historic turn" festzumachen3 • Die mehr als aufsehenerregendes Feuerwerk, denn als Sprengsatz einschlagende Wirkung von Kuhns "blockbuster"4 erzwang immerhin eine längst überfällige Diskussion des Verhältnisses von "Theorie" und "Empirie" für die Begründung und Ermöglichung wahrer einzelwissenschaftlicher Erkenntnis, die sich in der offiziell thematisierten Diskussion des Verhältnisses von Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte nicht länger vermeiden ließ. Vgl. W. Stegmüller, Hauptströmungen- Bd. II, 483 u. 527. Geradezu repräsentativ für das bei allen verbalen Tributen, die der "Kuhnschen Herausforderung" gezollt werden, ungebrochene Kontinuitätsbewußtsein ist der von G. Radnitzky und G. Anderssan herausgegebene Sammelband: "Fortschritt und Rationalität der Wissenschaft" (1980), mit Ausnahme nur der Beiträge von P. K. Feyerabend, Eine Lanze für Aristoteles, 157- 198 und K. Hübner, Einige kritische Bemerkungen ..., 275-286. 3 Vgl. E. Ströker, Wissenschaftsgeschichte als Herausforderung, 28 f. und L. Schäfer, Theorien-dynamische Nachlieferungen, 19. ' M. W. Wartofsky, The Relation between Philosophy of Science and History of Science, 729. 1

2

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IV. "Historie Turn"

Wenn tatsächlich die hübsch ordentlichen Modelle wissenschaftlicher Rationalität nicht mit den kognitiven Prozessen übereinstimmen sollten, die in der Geschichte der Theoriebildung der modellstehenden Wissenschaften nachweislich involviert gewesen sind, so war via Kuhn eine Lücke zwischen philosophischem Standard und historischem Tatbestand bewußt geworden, die, sollte der Systemanspruch aufrechterhalten werden, geschlossen werden mußte. Und wenn tatsächlich Wahrheit und Geltung empirisch bewährter Theorien mittels theorieinterner Rekonstruktionsmodelle allein nicht begründet werden konnten, wenn also die Abhängigkeit der "Theorie" von historisch-gesellschaftlichen Bedingungen nicht nur für ihre ersten Formulierungen, faktische Erzeugung und Durchsetzung, sondern auch für ihren Wahrheits- und Gültigkeitsbereich bewiesen werden konnte, dann mußte die Reichenbachsehe Demarkationslinie zwischen den "contexts of discovery" und den "contexts of justification" zumindest in Frage gestellt werden5 • Gemäß der programmatischen Reduktion der Philosophie auf die logische Analyse der Sprache hatte Reichenbach bekanntlich den Hechtfertigungszusammenhang erfahrungswissenschaftlicher Theorien zum einzig legitimen Gegenstand philosophischer, weil wahrheitsprüfender Untersuchung erklärt. Die Untersuchung des Entstehungszusammenhangs derselben Theorie hingegen wurde, weil angeblich nur beschreibend und nicht begründend, zur Aufgabe historischer Arbeit deklariert. Alle Formen des Wissens wurden vom logisch-empiristischen Methodelogen sub specie aeternitas und nicht .etwa als Resultate historisch-gesellschaftlicher Prozesse betrachtet. Das brauchte die Thematisierung der Geschichte keineswegs auszuschließen, sei es als jenen wahrheitsindifferenten Bereich, in dem die Wahl der Hypothesen erfolgt, sei es wie bei Popper als eines Arsenals gescheiterter Theorien.6 Bei Popper z. B. ist zwar der Fortschritt der Wissenschaft als historischer Prozeß thematisiert, der sich wissenschaftsgeschichtlich rekonstruieren läßt, den Falsifikationismus gleichsam induktiv verifizierend, aber das, was das "Wissenschaftliche" an diesem Prozeß ausmachen soll, sucht auch Popper nicht in der Geschichte.7 Gelegentliche Gebietsüberschreitungen dieser Art trübten nicht das idyllische Bild konfliktloser Nebenordnung mit getrennten Zuständigkeiten und wohldefinierten Kompetenzen von Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte: Ungeachtet ihrer historischen Entwicklung 5 Vgl. H. Reichenbach, The Rise of Scientific Discovery, 231. e Vgl. K. Popper, Logik der Forschung, 22 und Conjectures and Refuta-

tions, 215 ff. 7 Vgl. zu Poppers Aufweichung des radikalen Falsifikationismus im Zusammenhang mit dem Problem der Begründung wissenschaftlichen Fortschritts: A. Wellmer, Methodologie als Erkenntnistheorie, 173-213.

1. Motive

107

und Entstehung werden isolierte Einzelsätze nur mit anderen Sätzen verglichen; unabhängig davon, welche spezifischen Formen unserer gesellschaftlichen Praxis zur Entdeckung der Elemente unseres Wissens geführt haben, wird stillschweigend vorausgesetzt, daß es sich dabei um einzelne, zeitlose Wesenheiten handelt, eben jene "Ontologie der singulären Fakten"8: "Diese Annahme übersieht jedoch systematisch den höchst komplizierten und inhomogenen Prozeß, den die Wissenschaft darstellt, in dem vage und unzusammenhängende Antizipationen sich zusammen mit theoretischen Systemen und zugleich in versteinerten Denkformen entwickeln." 9 Feyerabend zufolge kann diese transhistorische Verwischung aller Unebenheiten der Wissenschaft nur ihre Karikatur zur Folge haben: ". .. beim Vergleich von Beobachtung und Theorie projizieren unsere Methodologen alle Elemente der Wissenschaft und die verschiedenen historischen Schichten, denen sie angehören, auf ein und dieselbe Ebene und vergleichen dann die Karikaturen, die man in dieser Ebene findet. Das ist genauso vernünftig wie der Versuch, einen Boxkampf zwischen einem Kleinkind und einem erwachsenen Athleten zu arrangieren, verbunden mit der triumphierenden Ankündigung, daß der Erwachsene den Sieg ganz sicher erringen wird."lO Die an sich harmlose Unterscheidung zwischen internen und externen Faktoren des Begründungszusammenhangs von Theorien war gekoppelt an eine Art Zwei-Welten-Lehre vom Reich der Theorie und dem Reich der Geschichte. Da beide mißlicherweise das gleiche Gebiet die Erfahrungswissenschaften - beherrschen und sich gegenseitig doch ausschließen sollten, versuchten die Methoden-Demarkationisten die strikte Trennung nicht aus dem Untersuchungsgegenstand, der zu erklärenden Sache, zu begründen, sondern aus angeblich prinzipiell unterschiedenen Untersuchungsmethoden abzuleiten. Mit anderen Worten: die Notwendigkeit der Trennung ist nicht der Spezifik erfahrungswissenschaftlicher Theorien selbst, sondern der Spezifik ihrer methodischen Rekonstruktion geschuldet, so daß erst die angewandte Methode darüber entscheidet, ob eine Untersuchung erfahrungswissenschaftlicher Theoriebildung dem Entstehungszusammenhang angehört und mithin als Geschichtsschreibung zu klassifizieren ist oder ob sie dem Hechtfertigungszusammenhang und damit dem allein seligmachenden Reich der Theorie angehört. Die immanenten Schwierigkeiten der Einlösung dieses Exklusivanspruchs - des Absolutismus der Methode - , die allmählich dämmernde Erkenntnis der mit dem Reduktionismus, Einzelsatzempirismus und 8 9

A. Wellmer, Methodologie als Erkenntnistheorie, 171.

P. K. Feyerabend, Von der beschränkten Gültigkeit methodologischer

Regeln, 161. 10 162.

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IV. "Historie Turn"

den hartnäckigen Bemühungen um Abgrenzungskriterien zwischen Theorie und Empirie verbundenen Aporien führten scheinbar Übernacht zur Entdeckung (!) der Geschichte. Anders gesagt: Mit der Adhoc-haftigkeit eines degenerierenden Forschungsprogramms wird ein neuer Gegenstand als wissenschaftstheoretisch legitimer vereinnahmt. Der prima vista so überraschende Gegenstandswechsel von den logischen Analysen und Rekonstruktionen, die "ihrer Natur nach zeitlos und daher statisch" sind11 , zur historischen Betrachtung der Entstehung, Entwicklung und Eliminierung wissenschaftlicher Theorien, beinhaltet zwar eine Überschreitung der Reichenbachsehen Demarkationslinie, aber nicht per se die Problematisierung oder gar Aufhebung der Demarkation selbst. Denn angesichts der hegemonialen Privilegierung einer spezifisch wissenschaftstheoretischen Methode war die bis zu Kuhns spektakulärem Auftritt durchgängig praktizierte Ausgrenzung des Gegenstandes Wissenschaftsgeschichte nur sekundär; primär war und mußte sein die Spezifizierung eben dieser ausgezeichneten Methode. Nicht die Demarkation von Theorie und Geschichte, die Verteidigung einer imaginären Mauer zwischen Historikern und Theoretikern der Wissenschaftsgeschichte war entscheidend für das Systemprogramm des Logischen Empirismus, sondern die Demarkation von Theorie und Empirie, wie sie der fundamental dichotomische Erkenntnisbegriff der Wissenschaftstheorie gerade unabhängig von seiner Anwendung auf jeden möglichen Gegenstand behauptet.12 Der Grundannahme einer dichotomischen Trennung von Theorie und Empirie zufolge zerfällt alles Wissen in zwei Klassen: in unmittelbares 11

W. Stegmüller, Hauptströmungen, Bd. II, 506.

Eines der neuesten Beispiele, wie sich auch beim scheinbar kritischen Grenzübertritt in die Geschichte der Theoriebildung die grandiose Kontinuität des methodelogischen Programms behaupten läßt, gerade weil alle Versuche zu seiner Begründung gescheitert sind, liefern die Wissenschaftstheoretiker der London School of Economics and Political Science (J. WarraU, P. Urbach, E. Zahar, J. W. Watkins): "Kriterien für den wissenschaftlichen Fortschritt?" fragt z. B. J. Watkins, in: Fortschritt und Rationalität (1980), 27 und antwortet: "Jawohl, wir haben keine Kriterien. Wir haben aber eine korrigierbare und revidierbare Methodologie der wissenschaftlichen Beurteilung. (Daß sie korrigierbar und revidierbar ist, zeigt sich daran, daß sie in den letzten vier Jahrzehnten in ganz erheblichem Umfang korrigiert und revidiert worden ist, von Popper selbst und von Lakatos und anderen.) Diese Methodologie hat zwei ungewöhnliche Eigenschaften: Wendet man sie auf beispielhafte Fälle wissenschaftlichen Fortschritts an, bei denen es völlige Übereinstimmung über die richtige Beurteilung gibt, so liefert diese Methodologie tatsächlich das richtige Urteil. Und wendet man sie in ihrer neuesten Form - als die Methodologie der wissenschaftlichen Forschungsprogramme - auf undurchsichtigere und verworrenere Situationen an, so kann sie mit aufschlußreichen wie auch eindeutigen Urteilen aufwarten." Vorausgesetzt wir warten auf die dazu passende Wissenschaft, die sich auch Watkins nur noch vom Weihnachtsmann erhofft: vgl. seinen "Brief an den Weihnachtsmann" 29. 12

1. Motive

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Wahrnehmungswissen und in generalisierendes, geltungskonstantes Gesetzes wissen. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit einer Vermittlung dieser vorausgesetzten "beiden Stämme der Erkenntnis" zur Begründung der Möglichkeit empirischer Wahrheit hat die Wissenschaftstheorie, völlig anders als Kant, umgesetzt in das methodische Programm, die Relation zwischen singulären und allgemeinen Sätzen durch die logisch-sprachanalytische Konstruktion der Korrespondenz-, Ableitungs- und Adäquanzregeln zu klären. Nun ergeben sich aus jedem dualistischen Erkenntniskonzept zwei einander widersprechende Imperative: Es soll und muß eine Beziehung zwischen den grundsätzlich geschiedenen Gebilden "Theorie" und "Empirie" hergestellt werden und zugleich darf keine Beziehung hergestellt werden. Der Imperativ der Beziehbarkeit folgt aus dem Momentcharakter der Teile, da beide erst zusammen das Ganze einer Erkenntnis ausmachen sollen; der Imperativ der Beziehungslosigkeit folgt aus der Annahme, Theorie und Empirie konstituierten jeweils für sich Ganzheiten, die einander fremd gegenüberstehen, in sich abgeschlossen und daher keiner vermittelnder Beziehung bedürftig und fähig sind. Wird nun die Relationsstruktur der Beziehbarkeit angenommen, so müssen die Relata selbst eine Relation enthalten (nämlich z. B. die "Theorie" zusammengesetzt sein aus theoretischen und empirischen Elementen), deren einzelne Glieder entweder beziehbar auf die vergleichbaren einzelnen Glieder der internen Relation des anderen Relats sind oder beziehbar auf ein den beiden zu vermittelnden Teilen gemeinsames Drittes. Die Möglichkeit einer Beziehung aufeinander aber hängt in beiden Fällen von so etwas wie der Existenz eines gemeinsamen Nenners ab. Eine Vermittlung von "Theorie" und "Empirie" läßt sich widerspruchsfrei nur denken bei Preisgabe gerade des Gedankens ihrer grundsätzlichen Verschiedenheit. Und jede konkrete Durchführung des Vermittlungsgedankens wird die falschen Abstraktionen der Dichotomisierung wie der nachträglichen Vermittlung von Theorie und Empirie praktisch erweisen müssen. Wird hingegen die im Konkreten, zur Klärung bestimmter Sachprobleme durchaus nützliche, aber jeweils nur fallweise und kontextrelativ sinnvolle Trennung zwischen theoretischen und empirischen Elementen eines Erkenntnis- und Wissenszusammenhanges zum schlechthin entscheidenden Grundsatz erhoben, stellen sich abstrakte Alternativen, die keine sind: Da eine wirkliche Vermittlung- die notwendige Beziehbarkeit der einzelnen Seiten des Erkenntnisprozesses aufeinander- durch die Schizophrenie dieser Ursprungslogik ausgeschlossen ist, muß entweder die theoretische oder die empirische Seite auf

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IV. "Historie Turn"

Kosten der jeweils anderen verabsolutiert oder die Verabsolutierung einer vermittelnden Methode vorgenommen werden. Die Behauptung der absoluten Entgegensetzung und die gleichzeitige Behauptung der abstrakten Vermittlung hat die Wissenschaftstheorie auf den Weg der vergeblichen Suche nach der noch dürreren Abstraktion eines vermittelnden Dritten geschickt: einer universell anwendbaren Methodologie. Im übrigen ohne sie damit gegen die Verabsolutierung einer der beiden zu vermittelnden Seiten zu feien. Den mannigfaltigen Symptomen des Schizophrenischen Erkenntnisbegriffs der Wissenschaftstheorie (Aufbau einer Einheitssprache, ZweiSprachen-Modell, Protokollsatzdebatte, Logik als Organon, Dichotomie von analytischen und synthetischen Sätzen, von Sprache und Wirklichkeit, von Wissenschaft und Metaphysik, von Rationalismus und Irrationalismus etc.) werden durch den Gegenstandswechsel zur Wissenschaftsgeschichte - wie durch andere, in den letzten 10 Jahren sich häufende, Verschiebungen der behandelten und vereinnahmten Gegenstände - weitere Symptome hinzugefügt (Dichotomie von Erklärung und Beschreibung, von Begründung und Entstehung, von Gehalt und Erwerb einer Theorie), einige Symptome kuriert (der Bankrott der empirischen Basis wird mit der Floskel der "Theoriebeladenheit" beantwortet; der Bankrott der Einen Theorie mit aufeinanderfolgenden "Forschungsprogrammen"), - das Krankheitsbild also verändert, die Krankheit selbst nicht geheilt. Historisch kostümiert aber hoffte die Wissenschaftstheorie, das Scheitern aller Versuche zu einer apriorischen Grenzziehung zwischen Theorie und Empirie (vgl. Carnap, Popper, Stegmüller)13 ignorieren zu können, weiterhin an dessen zentralen Voraussetzungen und seinem Universalanspruch festhalten (Reduktionismus, A.-S.-Dichotomie, Konventionalismus, Metaphysikkritik) und nochmals versuchen zu können, die methodischen Prinzipien erfahrungswissenschaftlicher Theoriebildung am historisch-empirischen Material zu rekonstruieren. Nach dem Fehlschlag einer apriorischen Antwort auf das Problem der Auszeichnung empirischer gegenüber nicht-empirischen, "sinnlosen" Satzsystemen soll nun die Wissenschaftsgeschichte eine empirische Antwort liefern. So behauptet Kuhn, ein universell gültiges Strukturschema für wissenschaftsgeschichtliche Abläufe angeben zu können14, dessen Beschreibung zugleich die Vorschriften für ein reibungsloses Funktionieren wahrhaft 1s Vgl. das Scheitern der Formulierung eines empirischen Sinnkriteriums bei Carnap, Teil II dieser Arbeit, bei Popper, Teil 111 dieser Arbeit und die Ausführungen Stegmüllers zum "Basisproblem", in "Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft", 3. Kap. 14 Vgl. Th. S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen 171 - 184.

1. Motive

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wissenschaftlicher Theorieentwicklung enthält15 • Daß deskriptive und normative Darstellung nicht getrennt werden, kann Kuhn nicht generell angekreidet werden, wie Feyerabend es tut16, da die Entwicklung der Vorgeschichte zu einem gegebenen Forschungsstand implizit oder explizit den damit gegebenen Wissenschaftsbegriff normativ voraussetzt. Über diese Trivialität hinaus aber hält Kuhn die Gründe der Entstehung und Entwicklung einer Theorie (Entstehungszusammenhang) für austauschbar mit den Gründen ihres Erklärungsanspruchs (Begründungszusammenhang)17 ; sein wissenschaftstheoretisches Modell und seine wissenschaftsgeschichtliche Beschreibung sollen sich gegenseitig und durcheinander begründen. Was Kuhns "Ansicht nach kein schlechter Zirkel" 18 ist, beruht auf einer in ihrer Globalität ebenso falschen Gleichsetzung der Genesis mit der Geltung von Theorien, wie es vordem ihre intransigent behauptete Trennung war. Wenn sein poppergläubiger Kritiker Lakatos meint zeigen zu können, "daß a.) die Wissenschaftsphilosophie normative Methoden bereitstellt, mit deren Hilfe der Historiker die ,interne Geschichte' eines Gebietes rekonstruiert und so den objektiven Erkenntnisfortschritt rational erklärt; b.) daß sich zwei im Wettstreit befindliche Methodologien mit Hilfe einer (normativ interpretierten) Geschichte bewerten lassen" 19 , so verfängt er sich in eben dem schlechten Zirkel Kuhns, Fragen der Geltung einer Theorie mit historisch-genetischen Mitteln und Fragen nach ihrer Genesis mit normativ-methodologischen Mitteln beantworten zu wollen. Denn warum und wie soll die Begründung des Erkenntnisfortschritts des Wissenschaftsprozesses, mißt man ihn "rational" und theorieimmanent an den innerhalb einer Wissenschaft geltenden Normen, zugleich die Entwicklung des Erkenntnisfortschritts erklären können, die anderen, auch nicht-theoretischen Determinanten folgt? 20 Auch Stegmüllers vom modelltheoretischen Theoriebegriff Sneeds abhängige Erklärung der "Theoriendynamik" 21 , die eine Synthese der Kuhnschen Thesen von der nicht-rationalen, nicht-erfahrungsgeleiteten Ders., Bemerkungen zu meinen Kritikern, 229. Vgl. P. K. Feyerabend, Trostbüchlein, 192 ff.; die dem Vorwurf zugrundeliegende Annahme der Möglichkeit einer strikten Trennung von Präskription und Deskription verweist auf Reste eines ordentlichen Methodenverständnisses beim fröhlichen Anarchisten. 17 Vgl. Kuhn, Postcriptum 1969, 219. 18 Ebenda. 19 I. Lakatos, die Geschichte der Wissenschaft, 271. Ebenda: "Wissenschaftsphilosophie ohne Wissenschaftsgeschichte ist leer; Wissenschaftsgeschichte ohne Wissenschaftsphilosophie ist blind." 20 Vgl. kritisch zu dieser "Zweideutigkeit" : Toulmin, in: Lakatos I Musgrave (Hrsg.) 1974, 46. 21 Vgl. W . Stegmüller, Theorienstrukturen und Theoriendynamik; Hauptströmungen, Bd. II, 507 ff. 15

15

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IV. "Historie Turn"

Geschichte des Wissens mit der empiristischen Rationalitätsforderung anstrebt, läßt sich in die Reihe der wissenschaftsgeschichtlichen Rettungsversuche der Wissenschaftstheorie einordnen. Um Rettungsversuche handelt es sich bei der Verlagerung des wissenschaftstheoretischen Schlachtfeldes insofern, als die wissenschaftsgeschichtlichen Ausflüge a) empirisches Stützungsmaterial für in sich widersprüchliche und bereits widerlegte Grundannahmen der Wissenschaftstheorie beibringen und b) die Anwendbarkeit und Obertragbarkeit der formalen, logischen und normativen Aussagen wissenschaftstheoretischer Methodologie auf die erfahrungswissenschaftliche Praxis demonstrieren sollen22 • Nun scheint die skizzierte "Kostümwechsel-These", derzufolge die historische Einkleidung weiterhin behaupteter Grunddogmen des Logischen Empirismus ihn gegen Kritik immunisieren und stabilisieren soll, in eklatantem Widerspruch zu der Tatsache zu stehen, daß Kuhns "Paradigmenwechsel", Feyerabends Rebellion "wider den Methodenzwang", Tauimins Evolutionskonzept und sogar die "Methodologie der Forschungsprogramme" von Lakatos sich ausdrücklich gegen die bisherige Wissenschaftstheorie abgrenzen und ihre Methoden und Resultate attackieren. Es muß also geklärt werden, ob und inwiefern diesen Ausbruchsversuchen ein Bruch mit der zählebigen Tradition des Logischen Empirismus tatsächlich gelingt oder ob sie das "Lehrgebäude" stabilisieren gerade durch den Gegenstandswechsel und grundlegende Kritik neutralisieren durch die Beseitigung partieller theoretischer Schwierigkeiten. 22 Vgl. I. Lakatos, Die Geschichte der Wissenschaft, 289: "Der Historiker ist also bei der Konstruktion der internen Geschichte höchst selektiv; er läßt alles weg, was irrational ist im Lichte seiner Rationalitätstheorie ... Die interne Geschichte ist nicht einfach eine Auswahl methodelogisch interpretierter Tatsachen: sie kann gelegentlich zu einer radikal verbesserten Variante dieser Tatsachen werden." und 292: "Die Grundidee der Kritik ist, daß alle Methodologien als historiegraphische (oder meta-historische) Theorien (oder Forschungsprogramme) fungieren, und daß sie sich kritisieren lassen, indem man die rationale historische Rekonstruktion kritisiert, zu der sie führen." Zu Recht weist Kuhn, Anmerkungen zu Lakatos, in: Diederich, Theorien der Wissenschaftsgeschichte, 129, darauf hin, daß Lakatos es nur zu einer Tautologie bringe, wenn er das Verhältnis von Methodologie und Wissenschaftsgeschichte durch einen Geschichtsbegriff zu bestimmen suche, der sich auf die zu prüfende Methodologie nicht nur heuristisch stützt, der vielmehr noch normativer und rationaler als die normativ-rationale Methodologie, die er beurteilt, sein soll: " ... was Lakatos als Geschichte versteht, ist gar nicht Geschichte, sondern Philosophie, die sich Beispiele erfindet." Vgl. L . Laudan, Progress and its Problems, 160 - 163, der von der Wissenschaftsgeschichte verlangt, daß sie "archetypical illustrations of rationality drawn from the history" bereitstelle als Test (!) für die Rationalitätsmodelle der Wissenschaftstheoretiker.

2. Kuhn

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2. Kuhn Seinen "historic turn" möchte Kuhn als eine wesentlich kritische Wende und als endgültige Abkehr vom Programm des Logischen Empirismus verstanden wissen. Dies macht er im Eingangskapitel seiner "Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" mit der Darstellung seiner Laufbahn als Logischer Empirist deutlich. Groß geworden mit dem Dogma der ungeschichtlichen wissenschaftlichen Methode, der Gültigkeit eines "ganzen Arsenals von Dichotomien" (Struktur der Rev., 23) wie z. B. der Unterscheidung zwischen rein beschreibender Geschichte und rein logisch-empirischer Wissenschaft, großgeworden auch in der Vorstellung eines rein kumulativen Prozesses des wissenschaftlichen Fortschritts hat ihn die historische Forschung, betrieben zunächst nur zur praktischen Anwendung dieser Wissenschaftslehren, in Zweifel ob ihrer prinzipiellen Anwendbarkeit gestürzt. Das Bild, das die wissenschaftstheoretischen Lehrbücher dem willigen Schüler Kuhn von der Wissenschaft entwarfen, stimmte nicht überein mit der tatsächlichen Entstehung und Durchsetzung neuen Wissens; die Schablone versagt vor der Wirklichkeit und der Schüler ruft Verrat, da er "gründlich irregeführt worden" ist (15). Zur Entlarvung des Betrugs der wissenschaftstheoretischen Priester entwickelt er ein Strukturschema für wissenschaftsgeschichtliche Abläufe, das universell gültig sei und zugleich die grundlegenden Dogmen der Wissenschaftstheorie widerlege. Nun mag man den speziellen "context of discovery" von Kuhns Revolutions-Puzzle-Spiel uninteressant und irrelevant für eine begründete Beurteilung seines Buches finden, doch prägt eben dieser doppelte Anspruch und die Pose der Aufmüpfigkeit des enttäuschten Schülers die innere Ambivalenz und die provokative Wirkung seines Essays vor allem auf den Kritischen Rationalismus: "Anti-positivist, anti-reconstructionist bistory of science bad found a naive but provocative formulation wbich sbook up tbe pbilosopbers of science. Tbey knew little bistory - especially bistory of pbilosopby - so it all looked new to tbem. Tbey were incompetent sociologists, so tbe sociology of science alleged in Kuhn's work simply bad tobe accepted entbusiastically or rejected violently on a priori pbilosopbical grounds. What tbe pbilosopbers could do was talk about paradigms (wbich tbey did endlessly)." 1 Weder die "Entdeckung" des Versagens der positivistischen oder falsifikationistischen Methodologie vor der Wirklichkeit2 , noch die "Entdeckung" des sozialen Kontextes, in dem sich der Übergang von einer Theorie zur anderen als im wesentlichen nicht-rationaler, nicht1 M. W. Wartofsky, Tbe Relation between Pbilosopby of Science and History of Science, 729. 2

Vgl. Neurath, Quine, Hesse, Putnam.

8 Tuschllng

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IV. "Historie Turn"

erfahrungsgeleiteter Prozeß vollzieht3 , noch die Auffassung, daß sich wissenschaftliche Revolutionen auf Revolutionen der Ideen beschränken\ waren sonderlich neu oder originell. Und selbst zur Rechtfertigung seines Anspruchs, das Geschäft theoretischer Kritik zugleich mit dem Geschäft einer historisch-systematischen Analyse zu erledigen, hätte sich Kuhn, wenn er sie zur Kenntnis genommen hätte und frech genug gewesen wäre, auf eine lange Tradition berufen können.5 Was ist dann eigentlich noch charakteristisch für Kuhn? Nehmen wir Kuhns eigene Charakterisierung seiner theoretischen Absichten aus den "Bemerkungen zu meinen Kritikern" (229): "Habe ich eine Theorie darüber, wie und warum die Wissenschaft funktioniert, so muß diese Theorie natürlich auch Konsequenzen dafür haben, wie sich die Wissenschaftler verhalten sollen, wenn ihr Unternehmen gedeihen soll. Die Struktur meines Gedankenganges ist einfach und, wie ich glaube, einwandfrei: Wissenschaftler verhalten sich folgendermaßen, jene Arten des Verhaltens (hier kommt die Theorie) haben die folgenden wesentlichen Funktionen; gibt es keine alternative Art, die dieselben Funktionen erfüllen kann, so müssen sich die Wissenschaftler im Grunde so benehmen, wenn sie ihre wissenschaftliche Erkenntnis verbessern wollen." so ergeben sich daraus folgende Behauptungen: 1. Die bisherige Wissenschaft funktioniert erfolgreich.

2. Diesen Erfolg muß eine Theorie rekonstruktiv beschreiben und erklären. 3. Ziel dieser theoretischen Rekonstruktion ist die Aufstellung eines Katalogs von Vorschriften, der von der Wissenschaft unbedingt Vgl. Zilsel, Merton, Koyre, Borkenau. ' Vgl. Dilthey, Fleck, Duhem, Blumenberg. 6 z. B. auf Hegels Phänomenologie des Geistes. Allerdings: Soll philosophische Kritik, sei sie noch so historisch fundiert, nicht immer wieder dem Verdikt subjektiver Beliebigkeit und unverbindlicher Kontingenz verfallen, so ist Hegel zufolge ein subjektunabhängiger Maßstab erforderlich, der sich aus der Idee der Wahrheit, bzw. der "Sache selbst" schlicht ergibt. Vielleicht zu schlicht für Kuhn, der stolz darauf ist, keine Verwendung für den Ausdruck "Wahrheit" zu haben (182). Schon im "Kritischen Journal" schreibt Hegel "Über das Wesen der philosophischen Kritik überhaupt" Ges. Werke, Bd. 4, 117: "Die Kritik, in welchem Theil der Kunst oder Wissenschaft sie ausgeübt werde, fordert einen Maßstab, der von dem Beurtheilenden eben so unabhängig, als von dem Beurtheilten, nicht von der einzelnen Erscheinung, noch der Besonderheit des Subjects, sondern von dem ewigen und unwandelbaren Urbild der Sache selbst hergenommen seye." Wollte Kritik "nicht in alle Ewigkeit nur Subjectivitäten gegen Subjectivitäten setzen", so sei "die Idee der Philosophie selbst die Bedingung und Voraussetzung". Die Idee der Philosophie ist die Idee der Wahrheit; sie ist nicht bedingt und wird von Hegel als das Absolute bestimmt, da sie nur Eine Wahrheit sein kann. Erst im Messen aller bedingten Theorien und endlichen Systembildungen an der unbedingten Wahrheit, auf die sich jede Theorie als Theorie bezieht, besteht Kritik. 3

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befolgt werden muß, wenn ihr der Titel "Wissenschaft" rechtmäßig zukommen soll. 4. Das Funktionieren der Wissenschaft hängt allein vom funktionellen Verhaltenssystem der Wissenschaftler ab. 5. Also liefert die Beschreibung des Verhaltenssystems der am Wissenschaftsprozeß Beteiligten mit der Erklärung des bisherigen auch die Garantie für weiteren Erfolg. Vergleicht man nun die einzelnen Punkte mit dem "vorrevolutionären" Wissenschafts- und Philosophieverständnis des Logischen Empirismus, so springt ins Auge, daß sich Kuhns "Entdeckung des Neuen" in den Punkten 1-3 von jenem alten Programm nicht unterscheidet. Auch dort war das Faktum einer erfolgreichen Wissenschaft6 theoretisch nicht begründbarer Anlaß 7 gewesen, sie zum Modell wissenschaftlicher Erkenntnis überhaupt zu erheben. (Nebenbei bemerkt hatte die Suche nach der Modellstruktur dieses Modells den beschäftigungstherapeutischen Effekt, den arbeitslos gewordenen Philosophen, die ihr Metier mit Carnaps Hilfe als sinnlos, metaphysisch und unwissenschaftlich entlarvt hatten, ein vermeintlich sinnvolleres, neues Arbeitsfeld zu eröffnen). Auch dort wurde die Aufgabe der Philosophie darin gesehen, dieses Modell zu analysieren, rekonstruktiv zu beschreiben und seinen Erfolg zu erklären, sei es durch logische Analyse der Sprache, sei es durch das kindlich-abenteuerliche Schema des "trial and error". Auch dort war das Ziel der theoretischen Rekonstruktionen, welche präzisere, stren8 Das heißt: ganz bestimmter erfolgreicher Wissenschaften, nämlich der sog. Erfahrungswissenschaften: Physik, Chemie, Biologie zusammen mit Logik und Mathematik. 7 Das soll natürlich nicht heißen, man könne den Erfolg einer Wissenschaft theoretisch nicht begründen, vielmehr daß die Begründung des Modellcharakters dieser einen zum Vernunft- und Erkenntnismodell schlechthin erhobenen Wissenschaft entweder nur zirkelhaft auf die dieser Wissenschaft spezifischen impliziten Kriterien rekurrieren könnte oder über ein unabhängiges Abgrenzungskriterium für Wissenschaft gegenüber Nichtwissenschaft verfügen müßte. Und selbst wenn man Wissenschaft von Nichtwissenschaft abgesehen davon, daß alle Versuche zur Formulierung eines solchen Abgrenzungskriteriums scheitern mußten - unabhängig vom Modell sauber trennen könnte, wäre gerade dann die Auszeichnung einer Wissenschaft als Modell überflüssig. Vgl. auch P. K. Feyerabend, Eine Lanze für Aristoteles, 184- 198: "Ein Gegenstand, ,die moderne Wissenschaft', fungiert als ungeprüfter Maßstab aller Maßstäbe." (189) und konkreter: "Der Versuch von Lakatos, ,Methodologien und Rationalitätstheorien durch Vergleich mit der Praxis der ,wissenschaftlichen Elite der letzten beiden Jahrhunderte' zu kritisieren, scheitert aus vielen Gründen. Die Handlungen der ,wissenschaftlichen Elite' sind weder rational noch einheitlich und die von L. aufgestellten Regeln sind wirkungslos. Außerdem stützen sie sich jedenfalls der Absicht nach auf die Wissenschaft und sind daher Partei und nicht Entscheidungsinstanz in dem Streit." (184)

8*

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gere, methodisch ordentlichere Ur-Modelle des zwar auserkorenen, aber doch etwas schlampigen Modells erfahrungswissenschaftlicher Theoriebildung darstellen sollten, die zunächst angeblich modellabgebende, nun im Lichte methodologischer Aufklärung mangelhaft erscheinende Wirklichkeit dem wahren Modell anzupassen. 8 Kuhn trägt also weiterhin an der Last der Tradition und übernimmt aus deren Arsenal sowohl die unhinterfragte Dichotomie von Wissenschaft und Nichtwissenschaft wie die Vorstellung, daß ein allgemeingültiges Modell, eine geeignete Methode die Lücke zwischen wahrer Wissenschaft und Wirklichkeit des Wissenschaftsbetriebs zu schließen habe. Ebenso deutlich springt jetzt ins Auge, daß sich der Streit um die Punkte 4. und 5. entzünden muß, sobald nicht mehr die Schablonenfabrikation überhaupt, sondern die Fabrikation einer bestimmten Schablone zur Debatte steht. Und in der Tat ist das mittlerweile altbekannte Neue an Kuhn der soziologisch drapierte Versuch, den Wissenschaftsprozeß als wesentlich intern bestimmt durch ein funktional strukturelles Verhalten der subkultureilen "scientific community" auszuweisen.9 Die programmatische Ablehnung logisch-methodologischer Ansätze für die Herstellung einer brauchbaren Schablone wird begründet a) mit der Unanwendbarkeit der logisch-methodologischen Begriffsbildungen und Regeln auf die Wissenschaftspraxis und b) mit der Leistung "soziologisch-historischer" Argumente zur Erklä rung wissenschaftlichen Wandels. Kuhns immanente Kritik zielt vor allem auf die Unmöglichkeit, eine neutrale und absolute Beobachtungsbasis zur Beurteilung von Theorien anzugeben, folglich den Fehlschlag einer neutralen Beobachtungssprache (vgl. Struktur der Rev., 155 - 159); 137- 146: Begründung: Wahrnehmungstheorien und Gestaltexperimente 123 f.), besonders aber 8 Diese Linie läßt sich von Carnaps physikalischer Sprache als .,Einheitssprache" der Wissenschaft (Erkenntnis II, 1931 432 - 465) bis zur normativen Rekonstruktion des sprachlich verfaßten Wissens der Erlanger Konstruktivisten ziehen. (vgl. F. Kambartel I J. Mittelstraß (Hrsg.), Zum normativen Fundament der Wissenschaft und Janich I Kambartel I Mittelstraß, Wissenschaftstheorie als Wissenschaftskritik, S. 76, 87 u. ö. 8 In seinen neueren Arbeiten (Postscript 1969, Bemerkungen zu meinen Kritikern, Anmerkungen zu Lakatos) zentriert Kuhn seine Theorie der Wissenschaftsgeschichte noch eindeutiger um den Begriff der Wissenschaftler-Gemeinde statt um den des Paradigmas, der in seinen vielen Bedeutungen (21 hat M. Masterman fleißig herausgepuzzlet) geradezu ertrunken war: "Wissenschaftliche Gemeinschaften können und sollten ohne vorherigen Rückgriff auf Paradigmata isoliert werden. Letztere können dann durch die Untersuchung des Verhaltens der Mitglieder einer gegebenen Gemeinschaft herausgefunden werden. Eine Neufassung dieses Buches würde deshalb mit einer Diskussion der Struktur der Gemeinschaften in der Wissenschaft beginnen ..." (Post. 188)

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auf die Unhaltbarkeit des Poppersehen Falsifikationsprinzips: Da es zu jeder komplexeren wissenschaftlichen Theorie prima facie widersprechende Beobachtungsinstanzen und auch bei verbesserten Theorien immer ihr widersprechende "Tatsachen" und hartnäckige "Anomalien" gibt, müßte eine strenge Befolgung der Falsifikationsregel alle Theorien eliminieren. (157) Diese eher beiläufig als systematisch vorgetragene Kritik richtet sich nur gegen einzelne Regelprogramme etwa in der Form der Carnapschen Bestätigungstheorie oder des methodologischen Falsifikationismus Poppers, ohne sich prinzipiell gegen die Möglichkeit allgemeiner methodologischer Regeln zu wenden. Andererseits wird im Versuch einer externen Kritik des Logischen Empirismus mit sozialpsychologischen Mitteln doch eine prinzipielle Inadäquatheit methodologischer Ansätze behauptet. So ersetzt die Beschreibung der Charakteristika eines spezifisch sozialen Prozesses innerhalb der "scientific community" die logisch-methodologische Explikation von Verfahrensweisen zur Entscheidung über das Schicksal von Theorien. Denn aus der jeden Kritischen Rationalisten enttäuschenden "Tatsache, daß methodologische Richtlinien für sich allein auf vielerlei wissenschaftliche Fragen keine eindeutige inhaltliche Antwort herbeiführen können "(18) zieht Kuhn stracks den Schluß auf ein "Element von Willkür" in der Theorienwahl, offenbar gefesselt an die Gleichungen: methodologisch gerechtfertigt = rational; methodologisch nicht gerechtfertigt = irrational = Willkür. Nur dank des Gruppenzusammenhanges und der Kollektivität der Entscheidungen während Phasen des "normalen" Funktionierens des Wissenschaftsprozesses sei diese Willkür lokalisierbar, beherrschbar und sogar funktional für den Fortschritt der Wissenschaft. (20) "Science" als ein von Literatur, Kunst, Politik etc. durchgängig abgrenzbarer Bereich besitzt eine sie allgemein auszeichnende Struktur, die aus dem Gruppenzusammenhang der Wissenschaftler entsteht und ihre Kommunikationsmuster, ja selbst ihre Wahrnehmungen prägt. Sie verfügen über besondere gemeinsame Eigenschaften, die Resultat von Ausbildung, beruflicher Initiation, Fachliteratur etc. sind. Das Netz der Gruppeneinteilung ist variabel; die größte Gruppe bildet die "scientific community" aller Naturwissenschaftler, die kleinste könnte aus nur wenigen Mitgliedern bestehen, die die allein kompetenten Spezialisten eines Forschungsgebietes sind. Diese Identifizierungskriterien sieht Kuhn mittlerweile als hinreichend dafür an, die jeweiligen Gruppen als analytische Einheiten mit kollektiv-performativer Kompetenz zu verstehen. (Bemerkungen zu meinen Kritikern, 245) Denn die frühere Definition der wissenschaftlichen Gruppe- über den Besitz eines

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gemeinsamen "Paradigmas" und die Definition des Paradigmas als "das, was den Mitgliedern einer wissenschaftlichen Gemeinschaft gemeinsam ist ..." brachte selbst für Kuhn "wirkliche Schwierigkeiten hervor" (Postskript, 187 f.). Laut Postskript (193 - 203), das den Begriff des Paradigmas ersetzt durch "die Theorie" oder "disziplinäre Matrix", bestehen die Merkmale identifizierbarer wissenschaftlicher Gruppen 1. aus dieser "Theorie" und 2. aus der "normal-wissenschaftlichen Tätigkeit" - dem Lösen von Rätseln. 1. "Theorie" setzt sich zusammen aus: a) symbolischen Verallgemeinerungen b) Modellen (heuristischer oder ontologischer Annahmen) c) Werten (Stringenz, Einfachheit, Genauigkeit) d) Musterbeispielen (Standardbeispielen von Problemlösungen) 2. Als "Rätsel" bezeichnet Kuhn solche Forschungsprobleme, die von der durch die Gruppe zugrundegelegten Theorie "definiert" werden in dem Sinne, daß die Theorie die Grundlage für die Formulierung einer genau umrissenen Fragestellung bilden soll und die Existenz einer Lösung wie bei einem Puzzle-Spiel garantiert ist. Die Typologie normalwissenschaftlicher Tätigkeit ergibt folgendes Bild (39- 48):

1. Experimentelle Untersuchungen a) Bestimmung der relevanten Fakten b) Messungen, die unmittelbar den Prognosen der Theorie konfrontiert werden können c) Präzisierung der Theorie durch Bestimmung allgemeiner Konstanten, quantitativer Gesetze etc.

2. Theoretische Arbeiten, die a) auf die Ableitung von unabhängigen Voraussagen zielen b) Voraussagen ableiten, die es erlauben, die Theorie direkt mit dem Experiment zu konfrontieren c) eine genauere oder elegantere Form für die Theorie finden. "Diese drei Klassen von Problemen- Bestimmung bedeutsamer Tatsachen, gegenseitige Anpassung von Fakten und Theorie, Artikulierung der Theorie - machen, so glaube ich, die gesamte Literatur der normalen Wissenschaft aus ... Die Arbeit im Zeichen des Paradigmas kann auf keine andere Weise durchgeführt werden, und vom Paradigma abfallen hieße, die Wissenschaft, die es definiert, nicht mehr ausüben." (47 f.)

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Der Abfall vom Paradigma aber ist - Revolution. Der Fortschritt der Wissenschaft folgt einem Drei-Phasen-Schema: 1. Auf der untersten Stufe bilden mehrere Gruppen rivalisierende Schulen, wobei jede der Schulen versucht, ihre Theorie als die einzig wahre zu beweisen, ohne daß jedoch eine der Schulen oder Theorien obsiegt. Mit dieser "präparadigmatischen Phase" muß jedes wissenschaftliche Spezialgebiet beginnen. (25 - 36)

2. Der Übergang zur paradigmagelenkten, "reifen" Wissenschaft erfolgt durch den Sieg einer Gruppe, die damit eine Monopolstellung auf ihrem Gebiet behaupten kann. "Der Erfolg eines Paradigmas ... ist am Anfang weitgehend eine Verheißung von Erfolg, die in ausgesuchten und noch unvollständigen Beispielen liegt." (38) Die Vervollständigung und Verbesserung der Theorie zwingt die Fachleute zur "mob-up"-Arbeit, nämlich dazu "die Natur in die vorgeformte und relativ starre Schublade, welche das Paradigma darstellt, hineinzuzwängen." (38)

3. Eine Gruppe, die eine "reife" Wissenschaft repräsentiert, durchläuft einen revolutionären Umwandlungsprozeß, der sich im wesentlichen auf einer sozialpsychologischen Ebene abspielt. Es gibt Fälle, in denen Wissenschaftler bestimmte Rätsel als "Anomalien" betrachten müssen, die ihren Rätsellösungsversuchen hartnäckig widerstehen. Nun geraten die unglücklichen Rätseiläser in eine psychische Krise; sie versuchen die betroffene Theorie durch verschiedenste Modifikationen zu retten. In rettender Absicht werden mehr und mehr völlig neue Theorien entwickelt. Einer dieser neuen Theorien gelingt es schließlich, das Vertrauen einer wachsenden Zahl beteiligter Wissenschaftler zu gewinnen, und um sie herum konstituiert sich die "scientific community" neu. Die alte Theorie wird verworfen und durch die neue ersetzt. Revolution (!?) Da dieser Übergang jedoch riur gegen den Widerstand eines Teils der ursprünglichen Gruppe erfolgen kann, werden Techniker der Propaganda zu seiner Durchsetzung notwendig, weil "Logik und Experiment" in dieser Krise versagen. Die Ablösung der alten durch die neue Theorie kann weder mit logischen noch mit empirischen Argumenten erzwungen werden, da beide Theorien inkommensurabel sind (155 bis 170): Beim Übergang von T1 zu T2 wechseln auch nicht-empirische Voraussetzungen, z. B. Normen; die bisherigen Begriffe und Experimente treten in ein neues Verhältnis zueinander, die Bedeutung der Begriffe verändert sich. Diese Inkommensurabilität hat zur Folge, daß die Vertreter der jeweiligen Theorie weder dieselben Worte mit gleicher Bedeutung noch dieselben Experimente mit der gleichen theoretischen Interpretation verbinden.

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Trotz revolutionärer Sprünge und Inkommensurabilitäten ist diese Folge von Theorien als Erkenntnisfortschritt aufzufassen (171 - 185), der sich bemißt an der Anzahl der gelösten Probleme, der Genauigkeit der Voraussagen und der Vereinbarkeit der Theorie mit anderen Spezialgebieten und nicht an einer perhorreszierten "teleologischen Annäherung an die Wahrheit". Zum Abschluß des Referats über Kuhns Auffassung von TheorieEntwicklung sei darauf hingewiesen, daß die genannten Kriterien zur Bewertung der Theorien, deren Abfolge den Erkenntnisfortschritt ausmache, Fortschrittskriterien sein sollen, die zugleich keine sind. Denn die Entscheidung über Annahme oder Verwerfung einer Theorie soll gerade nicht von diesen Kriterien determiniert sein. Vielmehr fällt die letzte Entscheidung durch das Urteil der Gruppe, d. h. die sich langfristig durchsetzende Mehrheitsmeinung. Besteht die wissenschaftliche Revolution im wesentlichen darin, daß sich die "scientific community" um eine neue Theorie herum neu konsolidiert, so muß sich der Erkenntnisfortschritt darin erschöpfen, daß der Übergang von einer Theorie zur anderen durch den Übergang von einer wissenschaftlichen Gruppe zu einer anderen vollzogen wird und mithin Fortschritt nur in einem Übergang "per formationem" besteht. (vgl. Kuhn, 171 - 185) "Inwiefern ist Fortschritt auch die anscheinend universelle Begleiterscheinung wissenschaftlicher Revolutionen? ... Revolutionen enden mit einem vollkommenen Sieg eines der beiden gegnerischen Lager. Würde diese Gruppe jemals sagen, das Ergebnis ihres Sieges sei etwas geringeres als Fortschritt? Das käme dem Zugeständnis gleich, daß sie unrecht und ihr Gegner recht hätte. Für sie zumindest muß der Ausgang der Revolution ein Fortschritt sein, und sie kann sehr gut dafür sorgen, daß zukünftige Mitglieder der Gemeinschaft die vergangene Geschichte in der gleichen Weise einschätzen werden." (S. 178) Im Rahmen der Kuhnschen Darstellung des wissenschaftlichen Fortschritts, die ohne die Unterscheidung von wahr und falsch meint auskommen zu können (S. 182), läßt sich die Frage, warum er überhaupt noch allgemeine Beurteilungskriterien zur Bewertung etwa der Problemlösungsfähigkeit oder der prognostischen Kraft einer einzelnen in Frage stehenden Theorie zu formulieren für nötig befindet, wenn doch die jeweils herrschende Theorie qua Herrschaft jeder allgemeinen Beurteilung entzogen und selbst den Maßstab zur Beurteilung aller anderen Theorien liefern soll, nicht entscheiden. Bescheidet der gutwillige Leser sich nicht damit, die Widersprüchlichkeit Kuhnscher Aussagen zu konstatieren, so könnte er an folgende Hilfskonstruktion zur Rettung sowohl der allgemeinen Beurteilungsmaßstäbe wie des Fortschritts allein durch Gruppenkonsens denken: Im historisch-sozialen Prozeß der Aufstellung, Durchsetzung und Ver-

2. Kuhn

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werfung von Theorien steht den beteiligten Wissenschaftlern kein allgemeinverbindlicher Beurteilungsmaßstab für konkurrierende Theorien zur Verfügung. Sie wissen nicht, was sie tun ("gestalt-switch"); nur ex post kann der Wissenschaftstheoretiker durch die Aufstellung allgemeiner Beurteilungskriterien entscheiden, ob sie das Richtige getan, nämlich einen wissenschaftlichen Fortschritt durch ihren "revolutionären" Entscheidungsakt inauguriert haben. Kuhns Anspruch wenigstens, "universell gültige" Kriterien des wissenschaftlichen Fortschritts zu entwickeln, blieben bei einer derartigen Deutung gewahrt durch die Möglichkeit, trotz aller subjektiven, sozialen, sozialpsychologischen und politischen Determinanten der Theorieentwicklung allgemeine Kriterien zumindest für den bisherigen wissenschaftsgeschichtlichen Ablauf zu formulieren. Zugunsten dieser Deutung spricht auch die Einsicht in die Nichtidentität von begrifflicher Selbstartikulation der historisch einst Beteiligten mit dem realen Befund der Wissenschaftsgeschichte. Doch krankt die gutgemeinte Hilfskonstruktion nicht nur daran, daß Kuhns Behauptung eines rein konventionalistischen Fortschrittskriteriums unverträglich ist mit der gleichzeitigen Behauptung allgemeinverbindlicher, methodelogischer Kriterien und daß die Option für ein nicht-rationales Gruppenverhalten als letzter Entscheidungsinstanz in Sachen Theorie tatsächlich alle anderen Kriterien, auch das des Fortschritts, irrational macht; sie krankt vor allem daran, den Fortschritt der Wissenschaft nur als einen Fortschritt auf Widerruf plausibel machen zu können. Wenn die Kuhnsche Annahme einer steigenden Problemlösungsfähigkeit von Theorien in der Geschichte von dem rein dezisionistischen Standpunkt aus, Fortschritt sei, wenn die "scientific community" "Bäumchen-wechsel-Dich" spiele, überhaupt nicht begründbar ist und wenn wissenschaftlicher Fortschritt nur unter Einbeziehung allgemeiner Wahrheitskriterien zu behaupten ist, so kann die Ex-post-Analyse der historisch wirksam gewordenen Entscheidungen durch den Wissenschaftstheoretiker entweder aus der geschichtlichkontingenten Abfolge erzielter Einverständnisse über Theorien allgemeine Regeln zu gewinnen suchen, denen diese Abfolge zu gehorchen scheint, oder die Theorieabfolge eben doch mit einem vorab gebildeten logisch-methodelogischen Regelinventarium vergleichen. Da Kuhn aber den Bezug zum "wirklich Vorhandenen" (1973, 314) als prinzipiell .,trügerisch" ansieht, damit einen materialen Wahrheitsbezug ausschließt und sich gerade mittels seiner historisch orientierten Arbeit von allen Regelinventarien des Logischen Empirismus, einschließlich des Kritischen Rationalismus, abgrenzen wollte, ist die Ableitung von Kriterien für den Erkenntnisfortschritt auf beiden Wegen unmöglich. Objektive Maßstäbe, die Wahrheit oder Falschheit von Theorien zu beweisen, gibt es nicht.

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IV. "Historie Turn"

Einzig den Gruppenkonsens anerkennend, zieht Kuhn gleichwohl nicht die Konsequenz, die Suche nach allgemeinen Kriterien aufzugeben, weil sie jederzeit widerrufen und revidiert werden könnten. Vielmehr wendet er ungeprüfte allgemeine Wahrheitskriterien an, sei es bei der Charakterisierung der "normalen Wissenschaft", die im wesentlichen am Poppersehen Logikmodell orientiert bleibt, sei es bei der vorausgesetzten Gültigkeit und Anwendbarkeit der formalen Logik und des Kriteriums der Widerspruchsfreiheit auf die Theorieentwicklung. Am Kuhnschen Begriff des Erkenntnisfortschritts zeigt sich, daß er den Gordischen Knoten des Logischen Empirismus nicht zerhauen konnte: Der Versuch, ihn vom "empirischen Ende" einer beschreibenden Analyse des historisch-empirischen, "gegebenen" Materials über den Wissenschaftsprozeß her aufzuknüpfen, um ihn aus der Verwicklung mit dem "logischen Ende" einer die Theorieabfolge erklärenden und bewertenden Methodologie zu lösen, mußte aus vielen Gründen scheitern. Die Tatsache des Scheiterns wird offenkundig in der Konfrontation seines Anspruchs mit dem Resultat: Das erfolgreiche Funktionieren des bisherigen Wissenschaftsprozesses sollte beschrieben und erklärt werden. Was immer im einzelnen von der Darstellung der wechselnden Paradigmen wechselnder "scientific communities" zu halten ist, so beschreiben diese doch immer nur den Wechsel von Theorie zu Theorie. Daß es sich bei diesem Wechsel zugleich um einen Erkenntnisfortschritt handeln soll, kann Kuhn ohne den impliziten Rekurs auf das "logische Ende" des Logischen Empirismus nicht plausibel machen. Der "Theorie des Paradigmenwechsels" ist selbst ein Paradigma vorausgesetzt, das allen Wechsel überdauern soll: die "Normalwissenschaft". Das Modell normalwissenschaftlicher Tätigkeit entnimmt Kuhn aber unkritisch den Lehrbüchern seiner positivistischen Lehrer und dem Dogmenbestand des Logischen Empirismus.

3. Zusammenfassung Beim Versuch einer kritischen Gesamteinschätzung ist zu beachten, daß Wissenschaftsgeschichte eine seit langem etablierte eigenständige wissenschaftliche Disziplin ganz unabhängig von den Reproduktionsund Legitimationsbedürfnissen der Wissenschaftstheoretiker ist; und daß die Grenzen zwischen der eigenständigen, um ihrer selbst willen betriebenen Wissenschaftsgeschichte einerseits und der zu Zwecken rationaler Rekonstruktionen betriebenen Wissenschaftsgeschichte andererseits fließend sind. Erstere bleibt hier gänzlich außer Betracht, ebenso Autoren, die, obwohl ursprünglich von Wissenschaftstheorie und rationalem Rekonstruktionismus herkommend oder beeinflußt, um

3. Zusammenfassung

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ernstzunehmende historische Erforschung der Wissenschaftsentwicklung, ihrer sozio-kulturellen Voraussetzungen usw. bemüht sind. Hierzu zählen z. B. Autoren wie Toulmin oder Feyerabend mit manchen ihrer Arbeiten1 . Von der im vorigen bereits beiläufig entwickelten und hier nochmals zusammenzufassenden Kritik betroffen dagegen sind Autoren für die Kuhns Einfall nur die Aussicht auf ein neues Betätigungsfeld für ihre Rekonstruktionsversuche eröffnet, mit denen es auf andere Weise - nämlich aus den in Kapiteln I- 111 genannten Gründen nicht mehr vorwärts gehen wollte; Autoren also, die Wissenschaftsgeschichte zu Zwecken der Einbeziehung von .,Theoriendynamik" instrumentalisieren2 • Die kritischen Überlegungen Wartofskys zum Verhältnis von Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte3 sollten denjenigen, die sich um wissenschaftsgeschichtliche Versionen des rationalen Rekonstruktionismus bemühen, eigentlich zu denken geben. Und Kuhns Unternehmen ist, wenn schon nicht für die Wissenschaft, so jedenfalls für alle Versuche des rationalen Rekonstruktionismus paradigmatisch: Er enthielt (und enthält noch immer) mit der Hinwendung zu den historisch-sozialen Bedingungen und Entwicklungen der Wissenschaftspraxis ein Moment der Auflösung der starren logisch-empiristischen Schemata, das nicht zuletzt auf die in diesem Denkschemata Befangenen befreiend gewirkt hat. Zugleich aber gibt Kuhn alle Möglichkeiten der Befreiung von den Dogmen des Empirismus für sich selbst und andere dadurch wieder aus der Hand, daß er die ihm vorliegenden Konzeptionen des Rationalen Rekonstruktionismus nur oberflächlich kritisiert und den Logischen Empiristen die wissenssoziologisch konstruierende Beschäftigung mit Wissenschaftsgeschichte als Möglichkeit anbietet, ihre rationalen Rekonstruktionen mit anderen Mitteln und Materialien ungestört fortzusetzen. Wo angesichtsder Aporien des Logischen Empirismus die Kritik der Grundlagen aller seiner Versionen geboten gewesen wäre und tatsächlich ja auch schon - von Quine, von Feyerabend, von Stegmüller und vielen anderen - in Angriff genommen war, wurde Kuhns Vorschlag für den Historie Turn als Vorschlag zur Befreiung verstanden, aber nicht etwa zur Befreiung von den Dogmen des Empirismus, sondern von der unangenehmen Verpflichtung, sich der unausweichlich gewordenen selbstkritischen Auseinandersetzung 1 Vgl. St. Toulmin, Conceptual Revolution in Science (1967), und seine "Kritik der kollektiven Vernunft" (deutsch 1978); P. K. Feyerabend, Classical Empiricism (1970) und .,Wider den Methodenzwang" (deutsch 1976). z Vgl. vor allem die Arbeiten von I. Lakatos und seiner Schüler: E. Zahar, J. Watkins, J. Worrall, die Arbeiten von J. Agassi und A. Musgrave; für die Soziologie: L. Laudan. 3 M. W . Wartofsky, The Relation between Philosophy of Science and History of Science (1976) und auch seinen Aufsatzband: Models (1979).

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IV. "Historie Turn"

mit eben diesen Dogmen zu entziehen. Ein gescheitertes Unternehmen erhielt dadurch noch eine letzte Möglichkeit, sich und andere über dieses Scheitern hinwegzutäuschen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür ist Stegmüller: der unerbittliche Chronist der Widersprüche und Fehler des Empirismus, von dessen Grundvoraussetzung er sich doch nicht befreien kann, schließt sich der Bewegung des Historie Turn an, um nur nicht dem totalen Skeptizismus zu verfallen. 4 Tatsächlich kann man sich von dieser Wende wenig, wenn nicht nichts versprechen. Wie oben an Kuhns Beispiel gezeigt, führt sie unvermeidlicherweise zur Reproduktion der alten Dogmen und Widersprüche der Beweis des Gegenteils, daß nämlich der Historie Turn die Möglichkeit zur wirklichen Erneuerung eröffnet, steht aus (und dürfte wohl auch auf sich warten lassen), ebenso der Versuch, aus dem Scheitern aller logisch-empiristischen Versuche systematische Konsequenzen zu ziehen. Wie solche Konsequenzen aussehen könnten, soll im folgenden Kapitel zumindest skizziert werden.

4 Vgl. W. Stegmüller, Neue Wege in der Wissenschaftsphilosophie (1980); seine Wende zu Sneed zuerst in: Theorienstrukturen und Theoriendynamik, in: Probleme und Resultate ... , Band 2, 2. Halbband (1973).

V. Nach dem Logischen Empirismus 1. Einseitigkeit der Kritik, Provinzialismus der Textauswahl und die guten Absichten des aufklärerischen Empirismus

Rückblickend scheint uns die mit unserer Autoren-, Text- und Themenauswahl notgedrungen verbundene Blickverengung zumindest in einer Hinsicht wenn nicht korrektur-, so doch kompensationsbedürftig: trotz unserer Hinweise auf die englische Entwicklung in der Einleitung dieses Bandes entsteht hier wie in den meisten deutschsprachigen, auf die deutschsprachigen Publikationen und primär auf den Wiener Kreis konzentrierten Darstellungen der falsche Eindruck, wesentliche Grundzüge des Logischen Empirismus seien erst und nur im Wiener Kreis der zwanziger und dreißiger Jahre entwickelt worden. Daß dem nicht so ist, kann nicht nur aus Gründen der historischen Gerechtigkeit bezüglich der Originalitätsansprüche von Autoren, sondern vor allem zum Zweck des tieferen Verständnisses auch der hier behandelten Autoren, darüber hinaus aber der gesamten logisch-empiristischen oder analytischen Entwicklung ganz allgemein nicht nachdrücklich genug gesagt werden. Zur Unterstreichung und Verdeutlichung dieses Tatbestands beziehen wir uns nochmals auf Urmson, dessen Büchlein überhaupt zwecks Vermeidung deutschsprachig orientierter Provinzialität wegen seiner leichten Lesbarkeit und seines Informationsgehalts zur Lektüre nachdrücklich empfohlen sei. Im Kapitel "Die Verwerfung der Metaphysik" zitiert Urmson1 aus Wittgensteins Tractatus u. a. die folgenden Sätze: "4.003 Die meisten Sätze und Fragen, welche über philosophische Dinge geschrieben worden sind, sind nicht falsch, sondern unsinnig. Wir können daher Fragen dieser Art überhaupt nicht beantworten, sondern nur ihre Unsinnigkeit feststellen. Die meisten Fragen und Sätze der Philosophen beruhen darauf, daß wir unsere Sprachlogik nicht verstehen . .. Und es ist nicht verwunderlich, daß die tiefsten Probleme eigentlich keine Probleme sind. 4.0031 Alle Philosophie ist ,,Sprachkritik". 4.1 Ein Satz zeigt die Existenz und Nichtexistenz atomarer Sachverhalte!. 4.11 Die Gesamtheit der wahren Sätze ist die Gesamtheit der Naturwissenschaft! ... Urmson, Philosophical Analysis. Aus den mit der Ziffer 2 gekennzeichneten Stellen weiche ich vom Text der deutschen Ausgabe der Edition Suhrkamp ab und übersetze nach dem englischen Text bei Urmson. 1

2

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V. Nach dem Logischen Empirismus

4.111 Die Philosophie ist keine der Naturwissenschaften. (Das Wort "Philosophie" muß etwas bedeuten, was über oder unter, aber nicht neben den Naturwissenschaften steht.) 4.112 Der Zweck der Philosophie ist die logische Klärung der Gedanken. Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit. Ein philosophisches Werk besteht wesentlich aus Erläuterungen. Das Resultat der Philosophie sind nicht "philosophische Sätze", sondern das Klarwerden von Sätzen. Die Philosophie soll die Gedanken, die sonst, gleichsam, trübe und verschwommen sind, klarmachen und scharf abgrenzen. 6.4 Alle Sätze sind gleichwertig. 6.42 Darum kann es auch keine Sätze der Ethik geben. Sätze können nichts Höheres ausdrücken. 6.421 Es ist klar, daß sich die Ethik nicht aussprechen läßt. Die Ethik ist transeendentaL 6.53 Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen läßt, also Sätze der Naturwissenschaft - also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat -, und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, daß er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend - er hätte nicht das Gefühl, daß wir ihn Philosophie lehrten- aber sie wäre die einzig streng richtige."s Im folgenden zeigt Urmson u. a. in knappen Strichen den Zusammenhang zwischen den zitierten Auffassungen Wittgensteins und dem "Verifikationsprinzip" (dem empiristischen Sinnkriterium nach hiesigem Sprachgebrauch) wie folgt auf: "Was sind also die Gründe für die Verwerfung der Metaphysik? Eine solche Verwerfung ist, wie wir gesehen haben, bereits in den Grundannahmen des Logischen Atomismus enthalten. Wenn alle Sätze Wahrheitsfunktionen von Elementarsätzen sind, die Beobachtungen berichten, dann sind sie alle entweder selbst empirische Sätze oder Tautologien oder Kontradiktionen. Metaphysische Sätze jedoch scheinen unter keinen diesen Titel subsumierbar zu sein. Wenn wir jedoch ein volleres Verständnis der Gründe für die Verwerfung der Metaphysik gewinnen wollen, müssen wir uns der Betrachtung des berühmten Verifikationsprinzips zuwenden. Das Verifikationsprinzip ist keineswegs ein besonders neues oder dunkles Lehrstück, abgesehen von seiner traditionellen Formulierung. Diese Formulierung lautet: Der Sinn eines Satzes ist die Methode seiner Verifikation. Dementsprechend heißt die Bedeutung eines Satzes zu kennen, ihn zu verstehen, zu wissen wie man ihn verifiziert; und das hat zusätzlich zur Konsequenz, daß, wenn es keinen Weg zur Verifikation eines Satzes gibt, er dann auch keinen Sinn hat. Daher stellen sich metaphysische Sätze und eine nicht unerhebliche Zahl anderer sprachlicher Äußerungen, die üblicherweise als sinnvoll gelten, als unsinnig heraus. Hume ist der Erzvater all dieser Auffassungen wie der meisten empiristischen Lehren .. ." 4 Soviel muß hier im Rückblick genügen, um deutlich zu machen, nicht nur, wie weitgehend Carnap und seine Mitstreiter in grundlegenden 3 4

Zitiert bei Urmson S. 104 f. EbendaS. 107.

1. Einseitigkeit der Kritik

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Stücken ihres Programms von Wittgenstein (und über ihn vermittelt von Russen u. a.) abhängig sind, sondern um zumindest anzudeuten, wie sehr diese Grundüberzeugungen von noch allgemeineren metaphysischen Vor-Urteilen6 bestimmt sind. Und es ist für das Verständnis des Logischen Empirismus ganz entscheidend zu begreifen, daß es trotz aller Leidenschaft für die Logik des Details nicht die Argumente im einzelnen, sondern gerade jene metaphysischen Hintergrundüberzeugungen sind, die seine Plausibilität und Faszination ausmachen: Die emphatisch-engagierte Abkehr von den Spekulationen des englischen Hegelianismus bei Russell und Moore um 1900; der inzwischen zur Legende stilisierte Abscheu Poppers vor den Dogmen des Marxismus und der Psychoanalyse oder schließlich das Insistieren Poppers und Alberts auf der Wissenschaftlichkeit, Nüchternheit und Sachlichkeit einer "Logik der Sozialwissenschaften" in Konfrontation mit den wolkigen Formulierungen der sich "Dialektiker" nennenden Vertreter der Frankfurter Schule; oder ganz allgemein: das Beharren auf gedanklicher und sprachlicher Präzision, auf empirischen Feststellungen, Beobachtungen, sinnlichen Wahrnehmungen, Experimenten; die Überzeugung, daß nur das Singuläre wirklich ist bzw. das es allgemeine Tatsachen nicht gibt usw.: all dies, dieser common-sense-Standpunkt und nicht dieses oder jenes technische Detail der Protokollsatztheorie oder des hypothetisch-deduktiven Schemas machen die Anziehungskraft der logisch-empiristischen Position bis heute aus. Die Überzeugung der Vertreter des Logischen Empirismus wie vieler ihrer Leser, daß in diesen allgemeinen Punkten das Recht auf ihrer Seite ist, ist sicher eines der entscheidenden Motive dafür, auch angesichts hartnäckigster Kritik und nachgewiesener Inkonsistenzen der von ihnen vertretenen Entwürfe an den einmal eingenommenen Positionen, komme was da wolle, festzuhalten. Der oben ausführlicher besprochene Fall Popper ist nur ein besonders eklatantes, aber nicht das einzige Beispiel6 • Der Abscheu vor ideologischem Dunkelmännertum, Irrationalität, leerer Spekulation ist - sicherlich ehrenwertes - Motiv, nicht Grund 5 Wozu u . a. gehören: Die Behauptung des analytischen Charakters der Logik und Mathematik, Wahrheitsfunktionalität, Zweiwertigkeit und Wahrheitsdefinitheit von Aussagen, die AIS-Dichotomie, die Behauptung des "synthetischen" Charakters und der Beobachtbarkeit erfahrungswissenschaftlicher Sätze, die Bestreitung des sogenannten synthetischen Apriorismus u.a.m. 8 Der Dogmatismus des "Kritischen Rationalismus" ist hier schon öfter dargestellt und kritisiert worden; hier sei als ein Beispiel für viele aus der letzten Zeit Feyerabends Kritik an der Behauptung der Alleingültigkeit und Allgemeingültigkeit des Satzes vom Widerspruch und der zweiwertigen Propositionenlogik in: Erkenntnis für freie Menschen, S. 74 f. und Alberts Stillschweigen über diese Argumentation in seiner Entgegnung auf Feyerabend, d. h. in seinem Beitrag zu "Versuchungen", Bd. 1, S. 159, genannt.

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V. Nach dem Logischen Empirismus

für die Entstehung, die Entwicklung und die hartnäckige Verteidigung des neueren Empirismus; ganz sicher hat er, so vermute ich, seine historisch-sozialen Gründe, ist u. a. auch Moment von Klassenbewußtsein. Welche Gründe das freilich sind, sehe ich mich außerstande, mit Sicherheit zu sagen. Den Logischen Atomismus oder Empirismus immer wieder nur als Ausdruck des Niedergangs der bürgerlichen Klasse zu sehen, scheint mir jedenfalls unbefriedigend, und sei es auch nur deshalb, weil es schwerfällt, Hume, auf den so viele Motive und Dogmen auch des neueren Empirismus zurückgehen, als Exponenten des niedergehenden Bürgertums zu begreifen. Ich muß hier offen mein Nichtwissen bekennen und kann nur die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen konstatieren. Im übrigen scheint mir, daß die philosophiehistorisch und theoretisch interessantesten Überlegungen zur Motivation und zur Erklärung des Empirismus immer noch bei Hegel zu finden sind7 • 2. Feyerabend und die Krise des Logischen Empirismus Ob Metaphysikverdikt, ob empiristisches Sinnkriterium, ob Protokollsatz- oder Basissatztheorie, Unterscheidung analytischer von synthetischen Sätzen, Theorie-Empiriebeziehung, Begriff des Naturgesetzes oder der wissenschaftlichen Erklärung (die Reihe läßt sich verlängern) -: der Logische Empirismus hat nur Probleme, keine Resultate zutage gefördert, derart, daß es an der Zeit ist zu fragen, ob dies vielleicht an der Art zu fragen und nicht nur an den Mängeln der Versuche, diese Fragen zu beantworten, liegt. Auch diese Frage ist nun nicht neu: sie wird auf diese oder jene Weise von den immanent argumentierenden oder externen Kritikern, angefangen von den kritischen Diskussionen im Umkreis Russells und Wittgensteins, des Wiener Kreises, über Wisdom, Ayer, Quine aber auch Adorno, Habermas, Wellmer, Narski, Bayertz u. a. m. gestellt und mit mehr oder minder ausgeprägter Radikalität beantwortet. Auf besonders radikale Art ist das Selbstverständnis des Logischen Empirismus - wiederum nach dem Selbstverständnis von Beteiligten wie Stegmüller - durch Kuhn in Frage gestellt worden. Dagegen wäre daran zu erinnern, daß die gleichen oder ähnliche Argumente vor Kuhn von Neurath, Toulmin, Hanson u. a. vorgetragen worden sind; und auch sozialwissenschaftlich informierte oder orientierte Wissenschaftsgeschichtsschreibung hat es vor wie nach Kuhn und unabhängig von ihm gegeben. Und es wäre zu fragen, warum längst bekannte Argumente wieder vergessen oder verdrängt oder einfach nicht beachtet worden 7 Vgl. Phänomenologie des Geistes, Kap. I, II, IV (Skeptizismus), V; Enzyklopädie, Einleitung.

2. Feyerabend und die Krise des Logischen Empirismus

129

waren, warum mithin gerade Kuhns Buch den "dogmatischen Schlummer" des Logischen Empirismus unterbrach - an der Qualität oder Radikalität der Kuhnschen Argumente für sich genommen kann es nicht oder jedenfalls nicht allein gelegen haben. Eine zumindest plausible Erklärung wäre, daß sich die "normal science" des Logischen Empirismus in eine Sackgasse hineingerätselt hatte, deren Ausweglosigkeit gerade zu Beginn der sechziger Jahre den Beteiligten bewußt zu werden begann. Ein eher größeres Verdienst an der Bereitstellung von Erweckungsmitteln und an der Beteiligung an sogar rabiaten Erweckungsversuchen kommt Feyerabend zu. Daß die Rolle Feyerabends in apologetischen oder affirmativen Darstellungen vorzugsweise heruntergespielt wird, hat mit der bekannten insider-outsider-Position, nicht mit der Qualität seiner Kritik zu tun: die Neigung der noch "Paradigmatreuen", Feyerabend zu ignorieren, wird durch den Zwang konterkariert, ihn nicht ignorieren zu können; Feyerabend weiß einfach zuviel, und vor allem von Wissenschaftsgeschichte versteht er sicherlich mehr als die Mehrzahl seiner Kritiker, und er kennt auch sonst alle Schliche und Kniffe der Zunft. Die naheliegende Lösung: man hängt ihn tiefer, in die Zone des Halbernstes, in der und mit der er selbst so gern kokettiert!. Daß die Zunft ihm so die schönsten Beweise für den Vorurteilscharakter ihres "metaphysischen Glaubens" an den "Rationalismus" und die Kraft der Argumente liefert - Argumente werden eben nur dann benutzt, wenn man sich des Erfolgs auch sicher sein kann -, ist für Feyerabend nur neuerlicher Anlaß, sie auf die Schippe zu nehmen. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Logischen Empirismus hat keinen Grund, dem Beispiel der Apologeten zu folgen, im Gegenteil: nach unserer Auffassung kommt Feyerabend an der Destruktion der schrecklichen Vereinfachungen der "wissenschaftlichen Weltanschauung" und der schönen einfachen Welt des Fallibilismus von innen her entscheidende Bedeutung zu; nach Quine, Kuhn und Feyerabend sind Logischer Empirismus und Kritischer Rationalismus auch nicht mehr, was sie mal waren. Das ist erst in zweiter Linie Feyerabends guten Argumenten und Analysen zu verdanken- kluge Argumente der Kritik sind in Jahrzehnten überreichlich aufgehäuft worden. In erster Linie war es die Art des Feyerabendschen Vortrags, der die Zunft des Logischen Empirismus - Kritischen Rationalismus aus der Fassung brachte und ihr außerordentlich ausgeprägtes Selbstwertgefühl erschütterte: die Rücksichtslosigkeit, mit der er die Wissenschaftstheorie als eine "bisher unbekannte Form des Irrsinns" anprangerte und sie in einem inzwischen fast 20 Jahre dauernden Feldzug bloßstellte. Daß 1

So im großen und ganzen richtig charakterisiert bei Spinner.

9 TUschllng

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V. Nach dem Logischen Empirismus

den "rationalen Rekonstruktionen" der Wissenschaftstheorie in der Wissenschaftspraxis nicht nur nichts entspricht, sondern daß sie in aller Regel dieser Praxis nur Gewalt antun, war oft genug gesagt und lange erfolgreich verdrängt worden. Erst Feyerabends Dauerbombardement hat es geschafft, diese Tatsache der philosophischen und intellektuellen Öffentlichkeit so zu Bewußtsein zu bringen, daß Arrangements der rationalen Rekonstruktionisten, die mit Kuhn noch möglich und auf der Linie Stegmüller - Sneed in die Tat umgesetzt worden waren, nicht mehr möglich sind. Eine detailliertere Auseinandersetzung und Würdigung von Feyerabends Position ist hier weder möglich noch sinnvoll; kürzlich sind von H. P. Duerr zwei Diskussionsbände herausgegeben worden, 2 die die Philosophie von Feyerabend und seine Leistungen der Komplexität des Gegenstandes entsprechend vielschichtig und widersprüchlich würdigen. Einige Bemerkungen zu Feyerabends Position, ohne jeden Anspruch auf systematische Vollständigkeit, lassen sich in einem Versuch, aus dem Scheitern von Logischem Empirismus und Kritischem Rationalismus Lehren zu ziehen, nicht vermeiden. 3. Hacking und die sogenannte Theoriebeladenheit Ohne besonderes Aufhebens davon zu machen, hat I. Hacking in seinem Beitrag zur Feyerabend-Diskussion1 das Zentralthema des Logischen Empirismus abermals aufgegriffen und auf eine die Dogmen des Logischen Empirismus/Kritischen Rationalismus unterlaufende Art und Weise behandelt: das sogenannte Theorie-Empirieproblem, oder besser, mit Hack:ing: die Frage nach der Verbindung von experimenteller Arbeit und Theorie, nach den vielen, von Gebiet zu Gebiet und vielleicht je nach Entwicklung innerhalb eines und desselben Gebiets unterschiedlichen Arten von Beziehungen zwischen Theorie und Experiment oder schließlich: nach dem "Mischmasch unterschiedlicher Dinge", der die Verbindung zwischen Theorie und Experiment ausmacht2 • Hacking kommt zu einer Reihe interessanter Ergebnisse, die hier nicht vollständig referiert und ausgewertet werden können. Ich muß mich auf einige grundlegende Unterscheidungen und die Darstellung der Auffassung Hackings in der Frage der sogenannten "Theoriebeladenheit" beschränken. 2 Versuchungen. Aufsätze zur Philosophie Paul Feyerabends, 2 Bde. hrsg. von H. P. Duerr, Frankfurt 1980 bzw. 1981. 1 I. Hacking, Spekulation, Berechnung und die Erschaffung von Phänomenen, in: Versuchungen, Bd. 2, S. 126 - 158. 2 Ebenda, S . 126 bzw. 150.

3. Hacking und die sogenannte Theoriebeladenheit

131

Hackings wohl wichtigste Unterscheidung: .,Zu der Zeit jedoch, als er (sc. Feyerabend) Against Method schrieb, vertrat er noch die Ansicht, daß ,Beobachtungsaussagen, experimentelle Ergebnisse, Tatsachenaussagen entweder theoretische Annahmen enthalten oder sie durch die Art ihres Gebrauchs machen' (WM, S. 50). Mit dem, was hier gesagt wird, stimme ich nicht überein; bevor ich jedoch die Gründe dafür erkläre (vgl. 1.3), will ich einige Vorstellungen bekämpfen, die derartige Bemerkungen aufdrängen. Man könnte auf die Idee verfallen, ,experimentelle Ergebnisse' seien das, worauf es bei einem Experiment ankommt, und sie würden mit ,Beobachtungsaussagen' oder ,Tatsachenaussagen' festgestellt, wenn nicht gar erst konstituiert. Ich lege Wert auf den unleugbaren Gemeinplatz: Experimentieren heißt nicht feststellen oder berichten, sondern tun (und nicht Dinge mit Worten tun!)." (128) Hacking hat recht, von einem Gemeinplatz zu reden, und zugleich Recht und Anlaß, auf seine Wahrheit und die daraus zu ziehenden Konsequenzen Wert zu legen. In der "semantikbesessenen" Philosophie3 des Logischen Empirismus, der analytischen Philosophie und aller Spielarten von linguistischer, Diskurs- oder Dialogphilosophie, die und insofern sie den "Linguistic Turn" im oben entwickelten Sinne dogmatisch vertreten, ist das Bewußtsein für die Möglichkeit und Notwendigkeit dieser Unterscheidung weitgehend oder völlig verlorengegangen, erst recht das Bewußtsein ihres grundlegenden Charakters. Darauf ist unten noch zurückzukommen. Eine erste Konsequenz für die Diskussion um die sogenannte "Theoriebeladenheit" liegt auf der Hand: die "Unterscheidung zwischen Beobachtung und Theorie" ist nicht jene "absurde metasprachliche Unterscheidung von Beobachtungs- und theoretischen Aussagen" {127), die4 Carnap sein Leben lang vergeblich zu begründen versucht hat und unter dem Titel "Theoriebeladenheit" von Hanson, Feyerabend u . a. als undurchführbar kritisiert worden ist. Faßt man erst einmal "Beobachtung" als ein Tun - genauer: als einen Typus oder eine Klasse von Tätigkeiten- auf, so folgt, daß aus der Absurdität oder Undurchführbarkeit einer metasprachlichen Unterscheidung zwischen "Theoriesprache" und "Beobachtungssprache" nicht auf die Undurchführbarkeit der Unterscheidung von .,Theorie" und "Beobachtung" als unterschiedlichen Tätigkeiten geschlossen werden darf. Hacking neigt insgesamt der Auffassung zu, daß unheselladet gewisser komplexer Verbindungen zwischen "Beobachtung" {"Bemerken", "Experiment") einerseits und Theorie{n) andererseits das "Bemerken", "Beobachten" oder die experimentelle "Erzeugung" von Phänomenen oder Effekten in einem wohl verstandenen Sinne theorie-unabhängig sind: 3 S. 129, vgl. auch 127. 4 Dieser Zusatz ist eine Schlußfolgerung meinerseits, nicht eine Behauptung Hackings. 9•

132

V. Nach dem Logischen Empirismus

"N. R. Hanson hat in seinem hervorragenden Buch Patterns of Discovery das Schlagwort ,theoriegeladen' geprägt. Danach hat jeder Beobachtungsausdruck und -satz eine Teiltheorie in sich, so daß alle Beobachtung theorieerfüllt ist." Auch Feyerabend habe in Against Method diese Meinung vertreten (vgl. das weiter oben wiedergegebene Zitat). Hacking hält diese Auffassung für falsch. Um das zu beweisen, trifft er eine weitere wichtige Unterscheidung: "(a) eine Beobachtung berichten (oder eine Beobachtung machen oder ein Experiment durchführen usw.), weil man eine Theorie oder einige Erwartungen hat, aufgrund derer die Beobachtung (das Experiment) interessant erscheint. (b) eine theoretische Annahme ausdrücken, entweder explizit oder implizit, während man von einer Beobachtung berichtet. Man kann ziemlich sicher sein, daß jeder Beobachtungsbericht, mit dem sich ein Wissenschaftshistoriker befaßt, ein Bericht ist, der gegeben wurde, weil sein Autor einige theoretische Ansichten oder lehrreiche Erwartungen hatte. Aber das ist etwas ganz anderes als zu sagen, der Bericht selbst mache oder enthalte diese Ansichten. Einige Berichte tun es, andere nicht. Es ist ein Fehler zu behaupten, alle täten es." (131) Hacking entwickelt dann im folgenden an mehreren Beispielen die Auffassung, "reines", nicht-theoriegeleitetes Beobachten sei möglich: die Wahrheit bestimmter Entdeckungen, z. B. der Entdeckung einer Fülle von Kometen durch Caroline Hersehe! sei vermutlich unabhängig von der Wahrheit der Theorie, aufgrund derer die Suche nach ihnen veranlaßt wurde, sie sei auch indifferent gegen die Ersetzung der z. Z. der Entdeckung geltenden durch andere Theorien (132/33); die Meinung, "daß die Beobachtungen ansich mit viel Theorie beladen sind", sei nicht belegt (137); dagegen hält es Hacking für eine "Binsenwahrheit ..., daß die experimentelle Arbeit ein Eigenleben führt" (138), will aber dennoch "nicht behauptet" haben, "ein Experiment sei jemals theorieunabhängig" 5 • Von den vielen wichtigen Folgerungen, die Hacking aus der eingangs zitierten grundlegenden Unterscheidung zwischen der Feststellung oder dem Bericht über Tätigkeiten wie Beobachten und dem Beobachten als dem Tun selbst zieht, sei nur die folgende genannt: "Beobachtung und Experiment sind nicht ein und dasselbe, auch nicht entgegengesetze Pole eines Kontinuums. Ganz offensichtlich haben viele hervorragende Beobachtungen nichts mit Experimentieren zu tun." Daran anschließend zeigt Hacking unter anderem am Beispiel des berühmten Experiments von Michelsan und Morley die grundlegenden Verschiedenheiten und das weite zeitliche Auseinanderfallen von Beobachten, Experimentieren und Auswertung des Experiments auf und kommt schließlich zu dem Resultat: 5 " ••• sondern nur, daß die Verbindung zwischen beiden ein Mischmasch unterschiedlicher Dinge ist." (S. 150).

3. Hacking und die sogenannte 'I'heoriebeladenheit

133

,.Kurz: Tatsachenaussagen, Beobachtungsaussagen und Experimentalergebnisse gehören nicht einmal zur selben Kategorie von Dingen. Sie in einen Topf zu werfen heißt, es unmöglich zu machen, irgendetwas von dem, was in der experimentellen Wissenschaft vor sich geht, wahrzunehmen. Feyerabend argumentiert natürlich ... gegen irgendeinen Opponenten, aber es ist von Anfang an verkehrt, sich auf die impliziten Annahmen eines semantikbesessenen Gesprächspartners einzulassen." (129) Hacking trifft Unterscheidungen, die in der Tat von fundamentaler Bedeutung sind; nicht, daß er sie entdeckt hätte (er beansprucht dies auch gar nicht): sie waren und sind an sich immer vorhanden und werden auch in der Wissenschaftspraxis permanent vollzogen. Die Bedeutung der Feststellungen Hackings liegt darin, daß er diese Mannigfaltigkeit und Vielschichtigkeit der Wissenschaftspraxis in concreto gegen die schrecklichen Vereinfachungen des Logischen Empirismus/Kritischen Rationalismus geltend macht. Wichtig sind insbesondere die folgenden Momente: - Tatsachenfeststellungen, Beobachtungen, Experimente bezeichnen nicht linguistisch-logische Eigentümlichkeiten von Sprachformen (wie z. B. Sätzen), sondern unterschiedliche Tätigkeiten (Rückgängigmachen des "Linguistic Turn"). Auch und gerade aufgrund der Unterscheidung von Sprechen und Tun und der Auffassung von ,.Beobachtungen" usw. als Tätigkeiten kann von ,.Beobachtungsaussagen" durchaus die Rede sein8 • Aber das Charakteristikum bzw. die spezifische Differenz von Beobachten, Experimentieren usw. sind nicht linguistische Eigentümlichkeiten (z. B. die Form singulärer Existenzsätze, die einen Satz zu einem ,.Basissatz" machen). -

Sie bezeichnen nicht eindeutig, ein für allemal festliegende Tätigkeiten und deren Objekte oder Resultate, sondern Typen oder Klassen von Tätigkeiten bzw. Aktivitäten, die unter konkreten Bedingungen auf höchst unterschiedliche Weise verwirklicht werden können bzw. umgekehrt: als deren Instanzen oder Realisierungen divergierende Tätigkeiten, Handlungen, Verfahrensweisen usw. fungieren können; und deren Resultate in allen drei Fällen von Handlungstypen (Tatsachenfeststellungen, Beobachten, Experimentieren) ,.Objekte" oder Prozesse wiederum höchst unterschiedlicher Art sind, wobei charakteristischer- und den Vorurteilen des Logischen Empirismus zuwiderlaufenderweise ,.Beobachtbarkeit" solcher Ergebnisse im Sinne von instantaner Feststellbarkeit durch Wahrnehmung entweder überhaupt keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt: die ldentifizierbarkeit von Positronen auf einer fotografischen Platte ist erschlossen, nicht unmittelbar wahrnehmungsvermittelt, und sie ist auch nicht instantan, sondern durch Fixierung auf der Platte vermittelt, also im Neurathschen Sinne7 theorievermittelt (abhängig von bestimmten Annahmen der Festkörperphysik) bzw. allgemein abhängig von der Konstanz des Materials und bestimmter Identitäten der Zuordnung (z. B. fotoelektrischer Prozesse, ihrer Effekte, ihrer fotografischen Abbildung). Die Beobachtungen im Michelson-Morley-Versuch dauerten mehrere Tage, waren also nicht ,.singulär" oder instantan, ja es handelte sich nicht eins Vgl. Hacking, S. 133. 7 Vgl. Protokollsätze, E 3, 204 ff.

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V. Nach dem Logischen Empirismus

mal uneingeschränkt und kontinuierlich um Wahrnehmungsprozesse, sondern um mehrfach unterbrochene Wahrnehmungen mit unterstellter Identität der beobachteten Prozesse, Beobachter und der zwischen ihnen stattfindenden Wechselwirkung; der "Experiment" genannte Teil des Michelson-Morley-Versuchs schließlich dauerte Jahre, ist also Kalons, Ottos oder Rudolfs Augenblickserlebnissen im Labor ebenso inkongruent wie den in singulären Es-gibt-Sätzen formulierbaren und von der scientific commuinty zu akzeptierenden Basissätzen Poppers. In alledem manifestiert sich ein Begriff von wissenschaftlicher Erfahrung, der als konkrete Abstraktion wirklicher und erfolgreicher Wissenschaftspraxis konzipiert ist und damit nicht nur mit dem Linguistic Turn, sondern darüber hinaus generell mit dem sensualistischen, auf das vermeintlich singuläre Unmittelbare fixierten Erfahrungsbegriff der angelsächsischen, im wesentlichen auf Locke zurückgehenden Tradition8 , gebrochen hat. Die Kritik Kuhns, Feyerabends und vieler anderer an den Abstraktionen des Logischen Empirismus hat sicherlich dieselbe Stoßrichtung; der Vorzug Hackings ist m. E. darin zu sehen, daß er konsequent den nichtsprachlichen, sprachunabhängigen und daher auch theorieunabhängigen Tätigkeitscharakter wissenschaftlicher Erfahrung - unbeschadet des Umstands, daß auch diese Tätigkeiten selbstverständlich sprachlich vermittelt sind - herausgearbeitet hat.

-

Aber genau in diesem Punkt bleibt bei Hacking einiges im Unklaren. Er sieht durchaus, daß die Antwort auf die Frage, ob Tatsachenfeststellungen, Beobachtungen und Experimente theorieunabhängig sind oder nicht, davon abhängt, welche Bedeutung man dem Terminus "Theorie" zuschreibt (129/30); und er hat sicherlich von seinem Standpunkt aus auch damit recht zu sagen, daß man die Behauptungen Hansans oder Feyerabends9 - Beobachtungsaussagen enthielten oder machten stets theoretische Annahmen - nur dann akzeptieren könne, wenn man "Theorie" in einem sehr trivialen Sinne auffasse (129 f.). Aber er übersieht erstens, daß dieser Theoriebegriff in der Tat zwar sehr unbestimmt, aber nicht trivial ist: unter "Theorie" im Sinne des Logischen Empirismus bzw. im Sinne der Diskussion um die sogenannte Theoriebeladenheit sind Sätze einer bestimmten logischen Form, eben alle allgemeinen oder universellen Sätze der Form ,(x)(y)(z)(F ... :::> G ...)'

zu verstehen. Er übersieht zweitens, daß die Auffassung von Theorie als uninterpretierter Universalaussage mit nachträglicher empirischer Interpretation dem Theorieideal des axiomatischen Kalküls nachgebildet ist bzw. entstammt, in der Tradition des Logischen Atomismus, Logischen Empirismus und Kritischen Rationalismus als Universalmodell propagiert worden ist und als solches diejenige strikte Trennung Zu der m. m. aber auch Kant gehört. Nur diese beiden Autoren werden zitiert, der Sache nach betroffen ist natürlich ein größerer Kreis von Wissenschaftstheoretikern. 8

0

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von "Theorie" und "Empirie", manifestiert in zwei gegeneinander elementfremden Klassen von Sätzen, involviert, die die von Quine, Hanson, Hesse u . a. vertretene These der Theoriebeladenheit negiert10• Hacking übersieht mithin drittens, daß es zur Entkräftung dieses weit über den Umkreis des Logischen Empirismus im engeren Sinne hinaus zur Vorherrschaft gelangten Theorie-Ideals nicht genügt, auf die Trivialität der unterstellten Wortbedeutung von "Theorie" zu verweisen und im übrigen zur Tagesordnung der Charakterisierung der Wissenschaftspraxis überzugehen (so wichtig das auch ist): die Vertreter der Theorie von der Theoriebeladenheit aller Beobachtungen insistieren zu Recht auf der theoretischen Unmöglichkeit des Versuchs, den Kalkülbegriff von Theorie auf andere Wissenschaften zu übertragen und das Verhältnis von "Theorie" und "Empirie" mit einer entsprechenden Klassifikation von Sätzen und diese wiederum mit der logischen Unterscheidung von "universalen" und "singulären" Sätzen zu identifizieren; nur tun sie es, wie Hacking wiederum zu Recht am Beispiel Feyerabends moniert, nicht konsequent genug, indem sie die Trivialität, zu der diese Übertragung des Kalkülbegriffs führt, nicht radikal in Frage stellen oder überhaupt nicht wahrnehmen und ihre Gründe auch nicht durchschauen, sondern stattdessen selbst diesen äußerst problematischen Begriff von Theorie übernehmen und somit selbst in die peinliche Lage geraten, "dieser Tisch ist braun" als Theorie oder theoretische Aussage auffassen zu müssen11 • Und Hacking übersieht schließlich, daß die Verhältnisse auch unter Berücksichtigung der Vielgestaltigkeit der "Tatsachenfeststellungen", "Beobachtungen" usw. genannten Tätigkeiten im wissenschaftlichen Erfahrungsprozeß so eindeutig nicht sind, wie er mit seiner Annahme eindeutiger Theorieunabhängigkeit dieser wissenschaftlichen Erfahrung vorzugsweise annimmt12 • Eine neuerliche Untersuchung dessen, 10 In dieser Trivialform schon von Popper, Logik der Forschung, S. 61 vertretene. u Hacking (S. 130) stellt diese Verwendungsweise von "Theorie" als eine Eigentümlichkeit Feyerabends hin; tatsächlich jedoch ist sie Allgemeingut des Logischen Empirismus, da sie mit der Idee eines Kriteriums der empirischen Abgrenzung oder Sinnhaftigkeit logisch verknüpft ist; zur Problematik dieses Theoriebegriffs vgl. zusammenfassend Stegmüller, Metaphysik .., S. 308 ff.; Probleme und Resultate Kap. 2 und Kap. 5. Bei Popper und seinen Nachfolgern ist das Bewußtsein dafür, daß "Theorien" im Systemkonzept des Logischen Empirismus und Kritischen Rationalismus uninterpretierte Allaussagen sind, weitgehend verloren gegangen. Tatsächlich jedoch ist eine solche Auffassung die logische Konsequenz der auch von Popper vertretenen Konzeption, als "empirisch" ausschließlich Sätze einer ganz bestimmten logischen Struktur zuzulassen. Hacking, S. 130 zu Feyerabend, Wider den Methodenzwang, S. 150 f. 12 Weshalb er sich gelegentlich in Widersprüche verwickelt (vgl. die oben zitierte These, S. 150 mit S. 128 Mitte oder 129/130).

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was in diesen verschiedenen Formen wissenschaftlicher Erfahrungstätigkeit - wohlgemerkt als notwendige, beileibe nicht als hinreichende Momente oder Bestandteile - involviert ist, ist daher nicht zu umgehen. Der Trivialität des Theoriebegriffs des Logischen Empirismus und Kritischen Rationalismus korrespondiert nach Hacking die Trivialität des Ergebnisses, bei dem die die These von der Theoriebeladenheit vertretenden Kritiker der Wissenschaftstheorie landen: "Alles ist ,theoriebeladen': jede scheinbar noch so singuläre Feststellung enthält stillschweigend ,theoretische' Elemente". Das Problem der sogenannten gemischten Quantoren, an dem unter anderem Poppers Falsifikationismus scheitert13, betrifft nicht nur die wissenschaftlichen Gesetzesaussagen, Hypothesen oder eben allgemein die Seite der "Theorie", sondern ebenso sehr die Seite der empirischen Feststellung: kein Bericht über "empirische" Tatsachenfeststellungen (was immer das sei) und daher auch kein einziger Satz kommt ohne den Gebrauch von Universalien, mithin ohne theoretische oder allgemeine Implikationen aus. Ist diese Feststellung wirklich so trivial wie sie scheint? ,Die Wahrheit des sinnlichen Unmittelbaren ist das Allgemeine' ist man versucht zu sagen. Die These der Theoriebeladenheit erweist sich als abstrakter sprachphilosophischer Reflex der transzendental-philosophischen bzw. phänomenologisch-dialektischen Einsicht: daß die einzelne empirische Anschauung unter allgemeinen, nicht-empirischen Formen der Verbindung sinnlicher und intellektueller Art steht, durch deren Zusammenwirken das mannigfaltige empirisch Gegebene als Bestimmtes überhaupt objektiv wird; bzw. daß die Unmittelbarkeit des sinnlich angeschauten Hier und Jetzt bzw. die des anschauenden und empfindenden Ich bloßer Schein ist, vorübergehend faßbar allein als auftauchendes und wieder verschwindendes Moment im Prozeß des Bestimmens und Bestimmtseins eines allgemeinen Hier und Jetzt bzw. eines allgemeinen Ich. Die allgemeinen transzendentalen Bestimmungsmomente einer Gesetzmäßigkeit der Natur überhaupt bzw. das die Unmittelbarkeit der sinnlichen Gewißheit und ihres Gegenstands vermittelnde Allgemeine erweisen sich in den Systemen Kants und Hegels als alles andere, nur nicht als trivial. Mag sein, daß die Kantischen oder Hegeischen Folgerungen unhaltbar oder inakzeptabel sind; an der Voraussetzungshaftigkeit des Erfahrungsbegriffs, der im Logischen Empirismus bis zur Diskussion um die Theoriebeladenheit benutzt worden ist, ist nicht zu zweifeln; auch nicht daran, daß diese Voraussetzungen von außerordentlich und weitreichender universaler Art sind; schließlich auch nicht 13 Stegmüller, Probleme und Resultate II, 189 f.; von Kutschera, Wissenschaftstheorie, Bd. 2, S. 329 - 345.

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daran, daß offenbar auch dezidiert antimetaphysische, relativistische, opportunistische (oder wie auch immer sie bezeichnet werden mögen) Konzeptionen von wissenschaftlicher Arbeit wie die Kuhns oder Feyerabends ohne die Voraussetzung nichtempirischer oder die einzelne empirische Anschauung transzendierender Bedingungen nicht auskommen. Daß letzteres wider Erwarten selbst bei Feyerabend der Fall ist, ergibt sich daraus, daß allem erklärten Relativismus zum Trotz nach Feyerabend jede der einander "inkommensurablen" usw. "Traditionen" bestimmte Klassen von Erfahrungen möglich macht und andere ausschließt. Ja, sein Plädoyer für die unbeschränkte Zulassung heterogenster Traditionen ist gerade dadurch motiviert, daß größtmöglicher Reichtum menschlicher Erfahrung nur unter Zulassung aller, die unterschiedlichsten Erfahrungszugänge zur Wirklichkeit eröffnender und ausschließender Traditionen zu verwirklichen ist. Die Behauptung eines solchen Zusammenhangs zwischen "Theorie" (theoretisch-ideologischen Instrumenten der Weitsicht, kulturellen Lebensformen oder dergleichen) und dadurch ermöglichten bzw. ausgeschlossenen Erfahrungszugängen zur Wirklichkeit ist also alles andere als trivial - ich komme weiter unten noch darauf zurück. Hacking dagegen behauptet, daß - von dieser Trivialität abgesehen - empirische Tatsachenfeststellungen, Beobachtungen, Experimente weitgehend14 theorieunabhängig sind und versucht, diese Behauptung mit den Beispielen des Positronen feststellenden Laboranten, der Kometen entdeckenden Caroline Hersehe!, schließlich der Entdeckung und experimentellen Erforschung der Infrarotstrahlung durch W. Hersehe! zu belegen. Theoretische Unwissenheit, Ersetzung einer unzulänglichen durch verbesserte Theorien des Gegenstandsbereichs, schließlich Einordnung des entdeckten Phänomens15 in erst sehr viel später entwikkelte Theoriezusammenhänge: diese Beispiele aus der Wissenschaftspraxis widerlegen nach Hacking die These der Theoriebeladenheit, sobald man ihr eine nichttriviale Bedeutung zu geben versucht. Tun sie das wirklich? Soweit Hackings These impliziert, daß von einer wahrheitsfunktionalen Abhängigkeit der Aussagen, die die entsprechenden empirischen Feststellungen formulieren, von einer vorausgesetzten Theorie nicht die Rede sein kann, hat er ohne Zweifel recht. Richtig, - und durch seine Beispiele offenbar schlagend belegt - ist auch, daß zwischen der Feststellung von Positronenspuren, der Entdeckung von Kometenbahnen oder von Infrarotstrahlung und dem Haben bestimmter Vorstellungen (z. B. von Positronen, Kometen oder Infrarotstrahlen) seitens 14 15

Vgl. Anm. 20.

Oder .,erzeugten Phänomens", wie Hacking sagt.

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der feststellenden Subjekte, wenn überhaupt, allenfalls ein nichtnotwendiger, nichtallgemeiner oder kurz: zufälliger Zusammenhang besteht16. Aber folgt daraus wirklich, was Hacking S. 128 f. sagt, daß nämlich die Behauptung "daß Beobachtungsaussagen usw. immer theoretische Annahmen enthalten oder solche machen ... kaum eine Erörterung" verdiene, weil sie offenkundig falsch sei? Dieser Schluß folgt doch offenbar nur, wenn man "Theoriebeladenheit" entweder mit dem Haben von "allen möglichen unausgereiften, impliziten oder vermuteten Ansichten" oder "mit bestimmten Behauptungen über ein bestimmtes Problemgebiet" identifiziert17 • Aber was macht diese Voraussetzung ihrerseits notwendig? Offenbar einerseits das empiristische Vorurteil, daß zu den "theoretischen" Voraussetzungen von Beobachtungen allein empirische Bewußtseins- oder Vorstellungsinhalte der feststellenden Subjekte gehören18 , andererseits das logizistische Vorurteil des Wahrheitsfunktionalismus, des Linguistic Turn, der Hypostasierung der zweiwertigen Aussagen- und Quanterenlogik und ihres Begriffs von logischer Deduktion und Abhängigkeit. Daß letzteres Urteil ein grundloses Vorurteil ist, daß die behauptete universale Geltung der zweiwertigen, wahrheitsfunktionalen Logik nicht anzunehmen und ihr Widerspruchsfreiheitsprinzip höchstens unter ganz speziellen Voraussetzungen gültig ist, hat u. a. Feyerabend gezeigt19. Daß ersteres ein Vorurteil ist bzw. daß Menschen Handlungen ausführen, ohne über die Zusammenhänge, in die sie eingeordnet sind, informiert zu sein, ist ein allgemein bekanntes Faktum und wird im übrigen gerade durch Hackings Beispiele belegt: der Laborant und Sir Wilhelm Herschel gehen mit bestimmten Phänomenen technisch um, ohne genau und in allen Einzelheiten zu wissen, was sie da tun. In der empiristischen oder logizistischen Auffassung von "Theoriebeladenheit" dagegen ist kein Platz für die Einsicht, daß es theoretischpraktische Beziehungen- z. B. von Menschen auf Naturvorgänge (wie diejenigen, die Hacking nennt) oder auf gesellschaftliche Verhältnisse und Vorgänge gibt, die bewußt handelnd verwirklicht werden können, ohne daß die objektiven Voraussetzungen und lmplikationen dieses 11 Hacking sagt S. 133 richtig: "Ich behaupte nicht, der Sinn von "Das ist ein Positron." sei mit dem Rest des Diskurses weniger verknüpft als "Das ist eine Kuh." Ich behaupte nur, daß sein Sinn nicht notwendigerweise mit einer bestimmten Theorie verknüpft sein muß, so daß jedes Mal die Äußerung "Das ist ein Positron" irgendwie diese Theorie behauptet." 17 s. 130. 18 Von dieser Voraussetzung lebt die gesamte Paradigma- oder ScientificCommunity-Theorie Kuhns und seiner Nachfolger, aber ebenso auch Feyerabends Konzeption konkurrierender Traditionen. 19 Erkenntnis für freie Menschen, S. 75.

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Tuns den handelnden Menschen bewußt zu sein brauchen20 • Diese Voraussetzungen, die von den handelnden Menschen nicht oder nur teilweise gewußt, aber nichtsdestotrotz, und zwar oft auch äußerst erfolgreich, benutzt werden - seien es nun allgemeine Gesetze oder Zusammenhänge der Natur oder gesellschaftliche Beziehungen wie Privateigentum oder Kapitalverwertung, seien sie nun statischer oder prozessualer Art-, haben in aller Regel eine ihnen eigentümliche Struktur, unterliegen einer eigentümlichen "objektiven Logik". Mit diesen wirklich benutzten bzw. wirksamen Bedingungen von Naturabläufen brauchen die gewußten, die planmäßigen Vorbereitungen leitenden Bedingungen von Natureingriffen weder identisch noch isomorph, noch überhaupt vergleichbar zu sein21 , wie Hackings Beispiele zeigen. Die Voraussetzungen für diese Unterscheidungen und damit für die Entwicklung eines Begriffs von "Theoriebeladenheit" - oder besser: von allgemeinen Voraussetzungen empirischer Feststellungen, die als solche nicht gewußt werden, werden können, nicht zu werden brauchen - , der nicht in die von Hacking kritisierten Trivialitäten und Fehler verfällt, sind in seiner Unterscheidung von ,tun' und ,mit Worten tun' angelegt. Aber er wertet diese Konzeption nicht konsequent genug aus, bringt sich damit um weitergehende Einsichten und verwickelt sich stattdessen in Unklarheiten, gelegentlich in Widersprüche. Unter Voraussetzung eines solchen Begriffs von gewußten und nicht gewußt-objektiven Voraussetzungen empirischer Feststellungen, Beobachtungen, Experimente dagegen ist es möglich einzusehen, daß Hackings Behauptung der Theorieunabhängigkeit aller Beobachtung und die Hanson-Feyerabend-These der Theorieabhängigkeit aller Beobachtung, richtig verstanden, beide wahr sind. Denn unter dieser Voraussetzung braucht "Theorieabhängigkeit" nicht "Abhängigkeit von den Vorstellungen der Subjekte empirischer Feststellungen" zu heißen, ja kann es gar nicht heißen (weil empirische Vorstellungen oder Meinungen von Subjekten als solche eben gar keine Theorien sind). Man kann und muß daher mit Hacking die Unabhängigkeit empirischer Feststellungen von solchen Meinungen behaupten, was, wie er gezeigt hat, mit der Wissenschaftspraxis bestens übereinstimmt. Im übrigen stellt die Unterscheidung von gewußten und zugleich nicht gewußten objektiven 20 Vgl. dazu Hegels Jenenser Entwürfe für eine Philosophie des Geistes, etwa Jenaer Realphilosophie, hrsg. von G. Hoffmeister, Harnburg 1969, S. 179 bis 212, (Jenaer Systementwürfe III, hrsg. von R.-P. Horstmann, Hegel, Gesammelte Werke, Bd. 8, Harnburg 1976, S. 185 - 287). 21 Hackings Beispiele beziehen ihre Plausibilität allein daraus, daß sie "Theoriebeladenheit" als empirisch faßbares Wissen der Beteiligten auffassen (und diese Auffassung auch beim Leser voraussetzen): unter dieser Voraussetzung hat Hacking leichtes Spiel zu zeigen, daß die These der universalen "Theoriebeladenheit" aller Beobachtung "offenbar falsch" ist.

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V. Nach dem Logischen Empirismus

Voraussetzungen unabhängig vom Meinen empirisch feststellender Subjekte die Voraussetzungen der Kuhnschen Konzeption der erfolgreiche Wissenschaftspraxis ermöglichenden Funktion von Paradigmata ebenso wie die der korrespondierenden Feyerabendschen Konzeption spezifischer Beziehungen zwischen ideologischen Meinungen oder "Traditionen" und dadurch bestimmten Erfahrungs-Praxis-Beziehungen in Frage: Zusammenhänge mögen zwar nach wie vor bestehen, aber die behauptete alleinige oder auch nur weitgehende Abhängigkeit der Wissenschaftspraxis bzw. von Erfahrungsprozessen überhaupt von solchen Ideologien dagegen kann nicht behauptet werden. D. h. es ist prinzipiell immer möglich, von Vorurteilen und Vor-Urteilen logischer- und faktischer Weise unabhängige empirische Feststellungen zu treffen; andernfalls wäre jedes Lernen und übrigens auch jedes Auftreten "widerspenstiger" Erfahrung unmöglich. Umgekehrt kann und muß "Theoriebeladenheit" eben "Abhängigkeit von allgemeinen Voraussetzungen" heißen, die sich in Wirklichkeitszusammenhängen - erschlossen durch die "Tatsachenfeststellung", "Beobachtung" oder "Experiment" oder dergleichen genannten Aktivitäten - manifestieren und nur bedingt, nur partiell, verzerrt, vielleicht auch gar nicht in das diese Tätigkeiten organisierende Wissen eingehen. Das erlaubt z. B. differenzierte Antworten auf die Frage nach "Theoriebeladenheit" etwa der Feststeilbarkeit von Positronen: daß es irgendwelches Wissen, nicht unbedingt einen "Begriff" von Positronen, eher schon ein Wissen von den raum-zeitlichen oder allgemein den physikalischen Zusammenhängen und damit in diesem Sinne "Theoriebeladenheit aller empirischen Feststellungen" geben muß, in denen Positronen auftauchen, wenn sie "beobachtet" usw. werden können sollen, ist zwar richtig, aber noch kein Gegenargument gegen Hacking: er bestreitet ja nicht das Bestehen irgendwelcher Zusammenhänge zwischen Vor-Wissen und empirischer Feststellung usw., sondern allein die Notwendigkeit der Bestimmung einer jeden solchen Feststellung durch solches oder irgendwelches Vor-Wissen. Tatsächlich geht es auch gar nicht - und auch darin hat Hacking recht - um die "Semantik" von Begriffen wie "Positron", "Komet" oder "Infrarotstrahlen", sondern um das Eingebettetsein des empirisch feststellbaren Auftretens solcher Phänomene in und ihre Abhängigkeit von Realitätszusammenhängen, die als solche von den in Erfahrungsprozessen begriffenen Subjekten gewußt, partiell gewußt, verkannt werden können oder nicht und dennoch, unabhängig von solchem Bewußtsein, allgemeine Bedingungen und theoretische Voraussetzungen des Eintretens oder Eintreffens bestimmter Effekte sind. In diesem Sinne muß gegen Hacking gesagt werden, zwar nicht daß "der Sinn

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von ,dies ist ein Positron' ... notwendigerweise mit einer bestimmten Theorie verknüpft sein muß, so daß jedesmal die Äußerung ,das ist ein Positron' irgendwie diese Theorie behauptet" (133) - der Beobachtende mag mit "Positron" welchen Sinn auch immer verbinden, davon ist die Feststellung zweifellos unabhängig-; wohl aber, daß die Feststellung selbst von einer komplexen Fülle von Voraussetzungen - Konstanzannahmen Kausalzusammenhängen (auch statistischer Art) - Gebrauch macht und damit in der Tat "Theorien behauptet", aber objektive, d. h. "Theorien" über diese Zusammenhänge, die möglicherweise noch gar nicht entwickelt worden sind und vielleicht sogar niemals vollständig entwickelt werden. Das "Behaupten" solcher Zusammenhänge, die notwendige, wenn auch jeweils nicht hinreichende Bedingungen des Eintretens der fraglichen Effekte betreffen - einige sollen weiter unten genannt werden22 - , ist objektiv unvermeidlich: es ist eine objektive Implikation oder Notwendigkeit, die jedoch keineswegs mit dem Begriff der logischen Folgerung der zweiwertigen Aussagen- oder Prädikatenlogik identisch zu sein braucht. Und diese Theorie braucht nicht subjektiv gewußt zu werden, ja sie darf es - vollständigerweise überhaupt nicht, wenn wissenschaftliches Arbeiten oder auch einfaches Erfahren überhaupt möglich sein soll. Zugleich aber wird verständlich, daß die Unterscheidung von Nichtwissen und Wissen bezüglich dieser Voraussetzungen überhaupt und damit zugleich der Erwerb des Wissens von solchen Voraussetzungen prinzipiell möglich ist. Es sollte damit klar geworden sein, daß "Theoriebeladenheit" im eben besprochenen Sinne ebensosehr notwendige Voraussetzung der Erklärbarkeit des Neuerwerbs von Wissen, seiner Veränderlichkeit im positiven wie im negativen Sinne (d. h. des "Erkenntnisfortschritts" und des Vergessens) und damit schließlich auch von "Erfahrung" in einem ursprünglichen Wortsinn ist wie Theorieunabhängigkeit im zuvor erläuterten und von Hacking allein analysierten Sinn. Diese Erklärbarkeit wiederum hängt in letzter Konsequenz an der in dieser Differenz gemachten Voraussetzung, daß das Eintreten eines Ereignisses oder Effektes von allgemeinen Bedingungen der Wirklichkeit abhängig ist, die- und einer Wirklichkeit, die als solche - vom Wissen, d. h. einer wie auch immer teilweise oder völlig angemessenen oder unangemessenen Kenntnis, dieser Voraussetzungen unabhängig sind und dennoch Gegenstand des Wissens werden können. Die Unab22 Der Versuch, sie systematisch vollzählig zu erfassen (vgl. dazu etwa Kant oder Hegel), und die Unmöglichkeit, solche Vollzähligkeit auch nur der allgemeinen notwendigen Voraussetzungen je zu erreichen, sind vermutlich der entscheidende Grund des Scheiterns aller philosophischen Versuche einer Letztbegründung in Metaphysik, Erkenntnistheorie oder Wissenschaftstheorie.

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V. Nach dem Logischen Empirismus

hängigkeit einer an sich existierenden Wirklichkeit, die dennoch "für uns" bzw. "für das Bewußtsein" werden kann und kontinuierlich wird: diese dem Linguistic-Turn-Empirismus wie auch den verschiedenen Spielarten eines Bewußtseinsimmanentismus unzugängliche und zugleich widerliche Vorstellung also ist es, die die fraglichen Veränderungen des theoretischen und praktischen Wissens prinzipiell, wenn auch nicht absolut apriori, begreiflich macht.

4. Wissenschaftliche Erfahrung Ein derartiger Erfahrungsbegriff ist offensichtlich seinerseits nicht voraussetzungslos, sondern macht vielmehr eine ganze Reihe spezifischer Voraussetzungen. Dazu gehören u. a.: a) Die Negation der spezifischen Voraussetzungen des LinguisticTurn- "Sätze können nur durch Sätze bewiesen, widerlegt, überprüft, begründet etc. werden" - bzw. von Identitätsphilosophien, die aus der Bewußtseinsvermitteltheit allen Wissens auf die Unmöglichkeit der (empirischen) Erkennbarkeit wissensunabhängiger Wissensinhalte schließen. Der angedeutete Erfahrungsbegriff enthält umgekehrt die Behauptung, daß es um der Möglichkeit der Erfahrung willen möglich, ja unabdingbar ist, zwischen dem Verharren oder Sichbewegen in der bloßen Vorstellung, der Reflexion oder der Sprache einerseits und - allerdings bewußtseins- und sprachvermittelter - tätiger Auseinandersetzung mit einer vom individuellen wie kollektiven Bewußtsein unabhängigen natürlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit andererseits praktisch zu unterscheiden. Der Linguistic-Turn lebt - ebenso wie manche Spielarten des Idealismus- vom Paralogismus der "Unhintergehbarkeit" von Sprache, Bewußtsein und sinnlicher Unmittelbarkeit: aus dem unbestreitbaren Umstand, daß "wir uns immer schon" im Verhältnis des Bewußtseins, der Sprache oder allgemeiner Vermittlungen bewegen, wenn wir vorstellen, denken, tätig werden usw., wird der falsche Schluß gezogen, wir könnten einen Unterschied zwischen Bewußtsein und bewußtseinsunabhängiger Wirklichkeit als Inhalt des Bewußtseins, zwischen Sprache und außersprachlicher Wirklichkeit, zwischen Vermittlungszusammenhängen und dadurch vermittelten Sachverhalten oder Tatsachen1 nicht mehr machen. Auf diesem Fehlschluß beruhen die vielen Spielarten des Logischen Empirismus, der "semantikbesessenen" Philosophie (Hacking), des linguistischen Pragmatismus, Transzendentalismen und Diskurstheorien bis heute. 1 Weshalb dann angeblich auch nur von sogenannten Tatsachen gesprochen werden können soll - zur Problematik insgesamt, vgl. Ludwig Fleck, Entstehung einer wissenschaftlichen Tatsache, reprint 1980.

4. Wissenschaftliche Erfahrung

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Daß wir diesen Unterschied tätig und im aktuellen Vollzug der Erfahrung machen können, ist die Voraussetzung, von der Hacking ebenso selbstverständlich ausgeht wie etwa Kants "Kritik der reinen Vernunft" oder Hegels "Phänomenologie des Geistes": um die Vorstellung einer geraden Linie zu haben, müssen wir sie ziehen (aber dies können wir auch tun); um die Wahrheit der "sinnlichen Gewißheit" auf die Probe zu stellen, genügt ein einfacher Versuch: man schreibt sie auf- und das Bewußtsein macht die Erfahrung ihrer Unwahrheit bzw. der Unwahrheit seines eigenen Meinens. Vermittels dieser Handlung ist es dem Bewußtsein möglich, die Erfahrung der Unwahrheit seiner selbst bzw. seiner eigenen Gewißheit zu machen: aber eben diese Handlung bzw. Handlungen allgemein sind auch notwendig, damit das Bewußtsein zwischen einfachem Sich-auf-sich-Beziehen und dem Sichauf-anderes (aber als seinen Gegenstand)-Beziehen unterscheiden, damit Erfahrung überhaupt machen, Wissen erwerben kann: ohne dies käme der bei Hegel "Erfahrung" genannte Prozeß gar nicht in Gang. Es ist hier nicht der Ort, den Hegeischen Erfahrungsbegriff der "Phänomenologie des Geistes" zu analysieren. Selbstverständlich ist auch, daß eine positive Wiederaufnahme dieses Begriffs nicht die bedingungslose Übernahme der spekulativen Ergebnisse Hegels bedeuten kann. Ebenso sicher aber scheint mir zu sein, daß die von Hegel analysierte und beschriebene Struktur der Beziehung des Wissens auf seine Gegenstände prinzipiell unentbehrlich ist: das Bewußtsein "unterscheidet etwas von sich, worauf es sich zugleich bezieht": die Unterscheidung eines Ansich - eines an sich getrennt vom Bewußtsein existierenden Inhalts - und des für-das-Bewußtsein-werden oder -sein dieses Ansich sowie die unterschiedlichen Stellungen, in die das Wissen und sein Gegenstand im Prozeß dieser sich dialektisch bewegenden Unterscheidungen geraten, ist konstitutiv für alle Prozesse erfahrenden Umgangs mit der Wirklichkeit. Daß dieser Unterschied bei Hacking ganz unbefangen und dennoch prinzipiell gemacht wird, ist nur eine von vielen Bestätigungen der Richtigkeit der Hegeischen Entdeckungen; zugleich verweist er erneut auf dasjenige Moment, das in so vielen Interpretationen übersehen wird, und das doch für Hegels (wie übrigens auch für Kants) Konzeption von Erfahrung grundlegend ist: das Bewußtsein hat jederzeit prinzipiell die Möglichkeit, tätig die scheinbar geschlossene Welt seines Vorstellens und Reflektierens zu verlassen, sich auf die von ihm selbst unabhängige Wirklichkeit (theoretisch oder praktisch aneignend) zu beziehen und dies durchaus bewußt. Nun sind diese Unterscheidungen des Wissens, seines an sich und unabhängig von diesem Wissen existierenden Gegenstandes und des für-

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V. Nach dem Logischen Empirismus

das-Wissen-(oder Bewußtsein)-werden dieses Ansich keine fremden, sondern der "Wissen" genannten Beziehung selbst angehörige Unterscheidungen2. Es ist deshalb leicht, diese abstrakte Behauptung ebenso wie die konkrete Darstellung des Erfahrungsprozesses des Bewußtseins selbst im Sinne der Undurchbrechbarkeit von Reflexion oder Sprache mißzuverstehen und bei einem solipsistischen Idealismus oder Sprachimmanentismus zu landen. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, daß dies nicht Hegels Meinung (und m. m. gilt das auch für Kant) ist: Das sich reflektierend-tätig auf gegebenes Anschauungsmannigfaltiges (Kant) bzw. auf vorhandene Wirklichkeit (z. B. in Gestalt von sinnlich Seiendem wie Tag, Nacht, Baum, Haus oder dergleichen) Beziehen (Regel) ist der Grund der Möglichkeit dafür, daß das Bewußtsein zwischen einfacher Beziehung auf sich selbst und seine Vorstellungen einerseits und der Beziehung auf eine von seinem Vorstellen unabhängige Wirklichkeit andererseits unterscheiden, diesen Unterschied wissen und aufgrund dieses Wissens lernen, an dem Gegenstand seines Wissens Erfahrung machen und grundsätzlich von einer Stufe vorläufigen Wissens durch Negation dieses Vorwissens und Aufhebung des Resultats dieser Negation in einem neuen Gegenstand, der die über den ersten gemachte Erfahrung enthält, fortschreiten kann. b) Inhaltliche Voraussetzungen Die unter a) aufgezählten abstrakten Momente haben für sich genommen keinerlei Bedeutung; sie erhalten sie nur in der Verbindung mit bestimmten Inhalten, wie sie etwa in Hegels "Phänomenologie des Geistes" z. B. vorliegt. Tatsächlich läßt sich zeigen, nicht nur, daß etwa bei Kant oder Regel bestimmte Voraussetzungen von Erfahrung gemacht und in unterschiedlicher Weise begründet, deduziert oder wie auch immer entwickelt werden; sondern daß jeder Versuch, eine konsistente Konzeption von wissenschaftlicher oder allgemeiner Erfahrung zu entwickeln, notwendigerweise auf bestimmte inhaltliche Voraussetzungen rekurriert. Die Übereinstimmung zwischen Philosophen so unterschiedlicher Auffassungen wie den deutschen Idealisten zwischen Kant und Regel, Russell, Zilsel, Carnap, Quine oder Stegmüller be2 Der Maßstab der Prüfung des erscheinenden Wissens ist kein diesem Wissen äußerlicher. Regel sagt selbst: "Das Bewußtsein gibt seinen Maßstab an ihm selbst, und die Untersuchung wird dadurch eine Vergleichung seiner mit sich selbst sein; denn die Unterscheidung, welche soeben gemacht worden ist, fällt in es. Es ist in ihm eines für ein Anderes, oder es hat überhaupt die Bestimmtheit des Moments des Wissens an ihm; zugleich ist ihm dies Andere nicht nur für es, sondern auch außer dieser Beziehung oder an sich; das Moment der Wahrheit. An dem also, was das Bewußtsein innerhalb seiner für das Ansich oder das Wahre erklärt, haben wir den Maßstab, den es selbst aufstellt, sein Wissen daran zu messen." (Phänomenologie des Geistes, Einleitung, TWA 3, S. 76 f.).

4. Wissenschaftliche Erfahrung

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weist für sich genommen nichts. Aber sie ist doch bereits ein Indiz dafür, daß es an der Zeit ist, die auf der einzelnen empirischen Anschauung als vermeintlich unerschütterlichem Grund aufbauende Vorstellung von Erfahrung aufzugeben, den fiktiven Charakter dieser Sicherheit und vermeintlichen Unmittelbarkeit der "sinnlichen Gewißheit" anzuerkennen und einen erheblich differenzierteren Erfahrungsbegriff zu entwickeln, der unter anderem auf die die einzelne empirische Anschauung übergreifenden Voraussetzungen Rücksicht nimmt. Und die von den genannten (und anderen) Autoren vorgetragenen Gründe beweisen, daß all dies notwendig ist. Es ist danach davon auszugehen, daß - individuelle wie kollektive Erfahrung allgemein wie durch einzelne Wahrnehmungen vermittelte Erfahrung im besonderen unter anderem unter folgenden notwendigen Bedingungen steht: -

Die Identität des (allgemeinen) Individuums als Subjekt von Erfahrungsprozessen im Unterschied und Gegensatz zu, zugleich aber in der Beziehung auf die unabhängig davon zu identifizierende Identität des (allgemeinen) Objekts der Erfahrung und des Wissens muß gewährleistet sein.

-

Speziell die zuerst genannte Identität steht unter anderem unter der Bedingung, daß die Erfahrungssubjekte keine "siamesischen BewußtseinsZwillinge"8 sind, d. h. daß das vorausgesetzt wird, was Kant die ursprünglich-synthetische Einheit des Selbstbewußtseins nennt: eine alle möglichen Erfahrungsinhalte und -momente übergreifende Einheit, innerhalb deren jedem möglichen oder aktuellen Erfahrungsinhalt seine bestimmte Stelle oder Ordnung angewiesen werden kann: nur unter dieser Voraussetzung kann das Erfahrungssubjekt sich dieser Inhalte auch empirisch als seiner (von ihm erfahrener) bewußt werden und sie als in spezifischer Weise objektiv bestimmte erfassen.

-

Eben darin liegt die Annahme, daß der Inhalt der Erfahrung, dessen Dasein als vom Erfahrungssubjekt unabhängig gewußt wird, sich dazu qualifiziert, subjektiven Bewußtseins- und Erfahrungsgesetzmäßigkeiten unterworfen und zum Produkt des Wissens eines individuellen Bewußtseins zu werden: daß also etwa für das erfahrende Bewußtsein ein kontinuierliches Substrat des Bestimmens und Bestimmtwerdens vorhanden ist - ein etwas, das das Bewußtsein von sich unterscheidet, worauf es sich zugleich reflektierend-tätig bezieht -, das dieses Bewußtsein als Gegenstand seines Wissens (z. B. als "unendliche gegebene Größe des Raums", als wahrnehmbares "Ding von vielen Eigenschaften", als materiell-energetisches Weltkontinuum, als Zusammenhang des unorganischen mit dem organischen Leben usw.4) bestimmen und dadurch erfahren kann.

s. Zilsel, Bemerkungen ... , E 3, S. 143 - 161. Vgl. dazu (in der Reihenfolge der genannten Bestimmungen) Kritik der reinen Vernunft B S. 39 f.; Phänomenologie des Geistes, Kap. A II; Kant, opus postumum, Akademieausgabe XXI, XXII; Phänomenologie des Geistes, Kap. A 111, Abs. 29 - 34 und Übergang zu Kap. B IV, bes. Absatz 3 und ff. 3

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V. Nach dem Logischen Empirismus

In den genannten Voraussetzungen sind eine Fülle weiterer enthalten, die hier aufzuzählen weder nötig noch möglich ist5• Ich gebe nur ein Beschreibungsschema, das die weitere Differenzierung und Konkretisierung andeuten soll: Vorausgesetzt (bzw. auch zu beweisen versucht0) wird, daß der Gegenstand des Wissens im einzelnen wie als Totalität systembildenden Charakter hat, also einerseits relativ-stabile physikalische, biologischphysiologische und psychologische Einheiten oder Identitäten ausbildet, die als "Subjekte" und "Objekte" Gegenstand bestimmter (Selbst-) Erfahrung werden können; andererseits als Ganzes ein Kontinuum derart bildet, daß das Entstehen und Vergehen solcher relativ-stabiler Systeme ("Substanzen", "Subjekte") nicht absolutes Entstehen oder Vergehen, sondern nur Formänderung ist, die im Gesamtzusammenhang des Wissens- und der Weltprozesse als gesetzmäßig bestimmt werden können7 • Schließlich ist in dem Gesagten ebenfalls noch impliziert, daß der vom erfahrenden Individuum vorgefundene natürlich-gesellschaftliche Lebenszusammenhang derart ist, daß dem Individuum die bis dahin entwickelten verfügbaren Informationen und Mittel der bewußt-tätigen Organisation von Erfahrungsprozessen - die Mittel der gesellschaftlichen Arbeitsteilung eingeschlossen- auch tatsächlich zur Verfügung stehen8•

Der "transzendentale", die Einzelbeziehung des Wissens auf seinen Gegenstand ermöglichende Charakter solcher Voraussetzungen ist, vom kantischen Standpunkt ausgehend, und eingeschränkt auf das Problem einer Naturgesetzlichkeit überhaupt, von Cassirer unter anderem auf folgende plastische Formeln gebracht worden: "Diese Funktion (sc. der Erfahrung) ... läßt sich nicht vollziehen, ohne daß hierbei bestimmte Begriffe zur Anwendung kommen, wie denn schon in der Einrichtung jeglichen wissenschaftlichen Experiments selbst, schon in der Frage, die wir mit ihm an die Natur stellen, die Voraussetzung einer Größenbestimmtheit der Natur, die Voraussetzung der Konstanz und Erhaltung bestimmter Elemente in ihr und die Voraussetzung einer regelmäßigen Abfolge der Ereignisse eingeschlossen liegt. Ohne den Gedanken einer Gleichung, die das Verhältnis der Fallräwne und Fallzeiten bestimmt, ohne den Gedanken der Beharrung des Bewegungsquantums, ohne den allgemeinen Begriff und das allgemeine Verfahren der Messung und Zählung wäre kein einziges Experiment Galileis möglich gewesen: weil ohne diese Vorbedingungen das gesamte Problem Galileis schlechthin unverständlich bliebe. Somit ist die Ers Wozu u. a. der Glaube an die Möglichkeit solcher möglichst umfassenden, gar systematisch erschöpfenden Aufzählungen gehört, die tendenziell die notwendigen Voraussetzungen des Erfahrens und Wissens zu hinreichenden ergänzen sollen. Daß eine solche Ergänzung unmöglich ist, wurde schon von Kant gesehen (vgl. Kritik der reinen Vernunft B 82 f.) . 8 So z. B. von Kant, Fichte oder Hege!. 1 Dies die Paraphrase einer möglichen Interpretation von Teilaspekten der sogenannten ersten Analogie der Erfahrung bei Kant oder auch der Kapitel A II und III von Hegels Phänomenologie des Geistes. s Hege! ist übrigens der erste, der diesen Zusammenhang zwischen natürlich vorgefundenen Bedingungen und gesellschaftlicher Verarbeitung und Vermittlung dieser Erfahrungs-, Wissens- und Lebensbedingungen in seiner Real- und Geistesphilosophie systematisch entwickelt hat: Dies sollte schon für sich genommen Anlaß genug sein, sich erneut mit seinen Konzeptionen auseinander zu setzen.

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fahrung selbst eine ,Erkenntnisart, die Verstand erfordert'; d. h. ein Prozeß des Schließens und Urteilens, der auf bestimmten logischen Vorbedingungen beruht. Und damit hat sich uns in der Tat wiederum ein ,Ganzes' gezeigt, das nicht aus einzelnen Teilen zusammengelesen ist, sondern aufgrund dessen die Setzung von ,Teilen', von besonderen Inhalten erst möglich ist. Auch die Natur muß als System gedacht sein, ehe sie in ihren Einzelheiten beobachtet werden kann."V Von den kantischen Implikationen kann hier ganz abgesehen werden. Am transzendentalen Charakter dieser Voraussetzungen als solcher wie an ihrer Notwendigkeit kann nicht gut gezweifelt werden. Als Beleg hierfür sei nur nochmals Carnaps Hilflosigkeit genannt, mit der er die "glücklichen Umstände" der "Intersensualität" und "Intersubjektivität" beschreibt. Auch wenn er sie "empirische" Bestimmungen von höherer Allgemeinheitsstufe nennt, kann dies den besonderen Status dieser Voraussetzungen nicht kaschieren: die umkehrbar eindeutige Zuordenbarkeit qualitativer Bestimmungen verschiedener Sinnesgebiete untereinander und zu den abstrakt-quantitativen Bestimmungen physikalischer Größen ist als solche (in dieser Universalität und Funktion) der empirischen Prüfung ebenso entzogen wie die "lntersubjektivität"; beide sind vielmehr Voraussetzung der empirischen Überprüfung einzelner Sachverhalte. Und dies gilt - und darin dokumentiert sich der eigentümliche Charakter dieser Voraussetzungen 10 - auch dann, wenn sie selbst im konkreten Einzelfall Gegenstand der Überprüfung sind: Die Überprüfung der "lntersensualität" oder "lntersubjektivität" im Einzelfall setzt die universale Intersensualität und Intersubjektivität voraus. Es hat im übrigen wenig Sinn, den Wissenscharakter dieser Voraussetzungen zu bezweifeln und z. B. von einem "metaphysischen Glauben" daran zu reden. Das hätte nur Sinn unter der Voraussetzung, daß man einen bestimmten Begriff von "Wissen" im Unterschied zu "Glauben" bzw. von "Metaphysik" im Unterschied zu "(empirischer) Wissenschaft" vorweisen könnte. Da dies jedoch nicht der Fall ist, ist das Verhältnis des Fürwahrhaltens bezüglich einzelner empirischer Anschauungen so gut oder so schlecht (oder eher noch schlechter) als das Verhältnis bezüglich der Gründe, die für den transzendentalen Charakter der oben angegebenen Voraussetzungen vorgebracht worden sind. Kritik an den Inkonsistenzen oder dem Willkürcharakter etwa der kantischen oder Hegeischen Argumentationen für dieses oder jenes Element dieses transzendentalen oder spekulativen Zusammenhangs ist immer möglich, ja geboten. Illegitim ist allein der Verweis darauf, 9 Kants Leben und Lehre, Neudruck 1977, S. 178; vgl. auch S. 175 f. und S. 179, Zeile 14- 22. 10 Ähnliches gilt übrigens für bestimmte gesellschaftliche Voraussetzungen, die diesen Status haben: z. B. für das Privateigentumsverhältnis in kapitalistischen Gesellschaften.

10°

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daß hier nicht-empirische Beweisgründe benutzt werden. Denn was "empirische Beweisgründe" denn nun sind, haben uns die Empirismen, haben uns auch 50 oder 70 Jahre Logischer Empirismus immer noch nicht gelehrt; und solche Belehrung ist auch nicht mehr zu erwarten. Denn, und damit komme ich auf die wichtigste, bereits in der Einleitung diskutierte Lehre zurück: Nicht nur die inhaltlichen Versuche, Empirizitätskriterien zu entwickeln, sind gescheitert. Die Voraussetzungen für die Suche nach solchen Kriterien - die begrifflichen Gründe für die Unterscheidung zwischen empirischem und nichtempirischem Wissen- sind, jedenfalls was die systematischen Voraussetzungen des Logischen Empirismus anlangt, mit der Unmöglichkeit einer strikten, "absoluten" Unterscheidung analytischer von synthetischen Sätzen entfallen11. Von dieser "Katastrophe" (im ursprünglichen Wortsinn) ist auch die Logik nicht verschont geblieben: Wie ich an anderer Stelle in Auswertung Quinescher Gedanken zu zeigen versucht habe, sind auch "die Urteile der Logik ... insgesamt synthetisch" 12• Dasselbe läßt sich auch, unabhängig von Quine, mit anderen Argumenten zeigen, wie Feyerabend in seiner Kritik der Hypostasierung der zweiwertigen Satz-Logik und ihres Widerspruchsfreiheitsprinzips unter anderem durch Popper ausgeführt hat: "Schließlich führt die Idee, daß die Dinge wohlbestimmte Eigenschaften haben und daß wir nicht in einer paradoxen Welt leben, zum Maßstab der Konsistenz: Theorien mit Widersprüchen sind aus den Wissenschaften auszuschließen. Dieser scheinbar ganz fundamentale Maßstab, den Rationalisten mit demselben gläubigen Enthusiasmus umarmen wie Katholiken das Dogma der unbefleckten Empfängnis Mariä verliert seine Autorität, sobald wir finden, daß es Tatsachen gibt, deren einzige adäquate Beschreibung einen Widerspruch enthält und daß inkonsistente Theorien fruchtbar und leicht zu handhaben sind, während der Versuch, sie widerspruchsfrei zu machen, oft zu nutzlosen und ungelenken Monstrositäten führt. Alle diese Beispiele, vor allem aber das letzte, sind kritisiert worden, und zwar sowohl mit besonderen als auch mit allgemeinen Einwänden. Der besondere Einwand im Fall des Widerspruchsprinzips besteht in dem Hinweis, daß ein Verfahren, das dem Widerspruchsprinzip nicht gehorcht, nicht Wissenschaft ist, sondern Chaos. Es ist also nicht möglich, die Widerspruchsfreiheit auf dieselbe Weise zu untersuchen wie die relativistische Invarianz oder die Übereinstimmung mit Beobachtungen. Der Kernpunkt des Einwandes ist eine Eigenschaft der Propositionslogik: in ihr hat ein Widerspruch jeden Satz zur Folge. Widerspruchsvolle Verfahrensweisen führen also nicht mehr eine Unterscheidung zwischen akzeptierten und abgelehnten Sätzen ein und bringen dadurch die Forschung, die sich ja immer auf etwas Bestimmtes richtet, zum Stillstand. u Vgl. dazu nochmals die Diskussion von Quines "Zwei Dogmen ..." in der Einleitung. 12 Sind die Urteile der Logik vielleicht ,insgesamt synthetisch'? Kant-Studien 1981, Heft 3, S. 304- 335.

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Der Einwand nimmt an, daß die Klasse der Folgen eines wissenschaftlichen Satzes unabhängig von der Behandlung des Satzes festgelegt ist, und zwar nach den Regeln der Propositionslogik. Wissenschaftstheoretiker haben diese Annahme nie begründet. Eine solche Begründung ist aber sehr notwendig. Die Satzlogik ist ja nur eines unter vielen logischen Systemen. Es gibt intuitionistische Logiken ohne ausgeschlossenes Drittes, konstruktive Logiken, wo die Folgen eines Satzes nicht einfach ,existieren', sondern mit Hilfe spezieller Argumente wirklich vorgelegt werden müssen, es gibt Schlußweisen, die nur in bestimmten Bereichen gelten. Dazu kommt das weite Feld der in der Forschung implizierten Schlußweisen, die also noch nicht von der Forschung getrennt, geputzt, verschönert, abgestaubt und in Form von Prinzipien vorgestellt wurden. Dann aber haben wir Hegels Logik und ihre Weiterentwicklung im dialektischen Materialismus, die Theorie des plausiblen Schließens von Polya und vieles andere mehr. Warum also nur die Satzlogik? Warum z. B. nicht Hegel? Wir erhalten keine Antwort. Der Umstand aber, daß sich die wissenschaftliche Forschung durch Widersprüche nur selten stören ließ und ganz unbekümmert fortgeschritten ist, zeigt, daß sie einer praktischen Logik genügt, in der ein widerspruchsvoller Satz nicht die katastrophalen Folgen hat, die entstehen, wenn man ihn mit der Satzlogik verbindet." 13 So steht denn selbst die formale Logik unter für sie "transzendentalen" inhaltlichen Bedingungen: Zweiwertigkeit, Wahrheitsdefinitheit, Wahrheitsfunktionalität, Extensionalität - das sind spezielle Voraussetzungen, die gegeben sein können oder nicht; Allgemeingültigkeitund gar den Charakter eines "Organon" der Wissenschaft oder der Kritik- beanspruchen kann die zweiwertige Satzlogik nicht. Und nur ein Dogmatismus von der Hartnäckigkeit des Kritischen Rationalismus14 kann diese Voraussetzungshaftigkeit ignorieren, gegen die Zulassung und epistemologische Anerkennung von Kontradiktionen im Wissenschaftsprozeß zu Felde ziehen oder auf dem Vorliegen von Verstößen gegen diese Gesetze einer Logik insistieren, deren spezielle Voraussetzungen - wie eben etwa die Zweiwertigkeit oder die universale Geltung des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten - nachweislich in der Wissenschaft in der Regel überhaupt nicht erfüllt sind. Im übrigen ist deshalb mit Hilfe eines formal-logischen Begriffs der Kontradiktion noch gar nicht auszumachen, ob in einem konkreten Fall ein echter Widerspruch vorliegt oder nicht; das ist erst aufgrund inhaltlicher Kriterien möglich. Wenn z. B. die Prädikate "wohlriechend" bzw. "nicht wohlriechend" auf beliebige Gegenstände bezogen (und nicht von vorne herein auf riechende Gegenstände beschränkt werden), dann gibt es ein Drittes (nämlich nichtriechende Gegenstände, z. B. die Milchstraße oder Positronen), und die sich kontradiktorisch zueinander verhaltenden Aussagen sind ggf. beide falsch15 • Erkenntnis für freie Menschen, S. 73 - 75 mit weiteren Hinweisen. Vgl. Anm. 5 zu Teil: Kap. V. 1. und öfters. 15 Vgl. zu dieser ganzen Problematik Michael Wolf!, Der Begriff des Widerspruchs, Königstein 1981, 1. Kapitel. 13

14

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Fassen wir zusammen: Weder der "nichtempirische" Charakter des oben erörterten, in der Tradition des Deutschen Idealismus stehenden18 Erfahrungsbegriffes noch die Tatsache, daß er Kontradiktionen nicht nur zuläßt, sondern sie - wie das jedenfalls bei Regel der Fall ist systematisch als Mittel der Wissensgewinnung deshalb einsetzt, weil dem Wissen und der Erfahrung wie den Gegenständen des Erfahrens Strukturen zugrundeliegen, die allein mittels dieser Sprachformen angemessen erfaßt werden können17 , können ein Hinderungsgrund sein, die fraglichen Voraussetzungen Wissen zu nennen. Denn der Logische Empirismus hat nicht gezeigt, was Erfahrung ist, was Widersprüche sind. Wer es wissen will, muß sich anderswo informieren. Für solche Voraussetzungen beigebrachte Gründe mögen im einzelnen gut oder schlecht sein; die Tatsache, daß sie den Kriterien des Linguistic Turn oder der "semantikbesessenen" Philosophie nicht genügen, ist kein Argument gegen sie. Und noch ein letztes Argument für sie: der Umstand, daß wir bei einer Live-Übertragung einer EishockeyWeltmeisterschaft per Satellit nicht nur eine ganze "Metaphysik der Erfahrung", sondern zugleich auch noch - u. a. - eine ganze Kosmologie voraussetzen, wird unsere Überzeugung kaum ins Wanken bringen: daß wir wissen (und nicht nur den metaphysischen Glauben haben), im Augenblick der Live-Übertragung und der Verarbeitung sensueller Reize in Großhirnrinde und Bewußtsein finde der Kampf wirklich statt. Die gescheiterten Versuche eines empiristischen Pseudopräzisionismus und eines falschen Sicherheitsideals bezüglich der Beweisbarkeit von Elementen des Wissens sollte niemanden in der Sicherheit dieser Überzeugung wankend machen, sondern eher bestärken. Zum Problemkomplex der gesellschaftlichen Vermitteltheit des individuellen und kollektiven Erfahrens und Wissens noch einige ergänzende Bemerkungen: a) Die individuelle Beziehung der theoretisch-praktischen Aneignung und Erfahrung der Welt wird stets vermittelt durch das vergegenständlichte und nichtvergegenständlichte Wissen vorangegangener Generationen, Formationen, schließlich der Menschheit insgesamt, das wiederum in unterschiedlichen Formen im Verlauf des individuellen Erziehungs- und Ausbildungsprozesses in unterschiedlichen Beziehungssystemen gesellschaftlicher Reproduktion und Sozialisation vermittelt wird. Was, wieviel und in welcher beschränkten oder dem Gegenstand angemessenen Weise erfahren wird, hängt von der Art der 18 Aber ebenso auch von Wissenschaftstheoretikern vertretenen, die noch an Gegenstandsangemessenheit und damit an Wahrheit ihrer Aussagen interessiert sind, wie das bei Hacking der Fall ist. 17 Dies ist auch Feyerabends Auffassung.

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dem Individuum vorgegebenen gesellschaftlich aufgehäuften Erfahrungen und von der speziellen Art seiner Beteiligung an dem in seiner gesellschaftlichen Lebensform disponiblen Wissen ab. Hegel hat wohl als erster diesen theoretisch-praktischen Vermittlungszusammenhang individuellen Erfahrens und Handeins in den verschiedenen Fassungen seiner Real- und Geistesphilosophie systematisch zu bearbeiten versucht18. In der historisch-materialistischen Theorie der Produktivkraftentwicklung in Formen vorhandener, Produktivkraftentwicklung ermöglichender, beschleunigender, hemmender, verhindernder Produktionsverhältnisse ist Hegels Konzeption weiterentwickelt worden. Die moderne Wissenssoziologie schließlich, deren wissenschaftstheoretische Adaptation der in der Nachfolge Kuhns vollzogene Historie-Turn darstellt, ist ein sicherlich wichtige Aspekte bearbeitender, andere dagegen selektiv eliminierender Nachfahre dieser Tradition. Zumindest die allein zu Zwecken der Wiederbelebung des an sich schon verblichenen rationalen Rekonstruktionismus19 betriebene Beschäftigung mit der Wissenschaftsgeschichte kann nicht als angemessene Bearbeitung der für die wissenschaftliche Entwicklung relevanten gesellschaftlichen Bezüge und Determinanten wissenschaftlicher Erfahrung angesehen werden. Auch in diesem Kontext hat Feyerabends Plädoyer für die Entfaltung von Phantasie seine volle Berechtigung. b) Es sind jedoch nicht allein die Vermittlungsformen und Inhalte des Wissens, die dem Individuum vorgegeben sind: es selbst ist ja ebenso gesellschaftliches Produkt wie es (Re-)Produzent gesellschaftlicher Verhältnisse ist; und dies wiederum zumindest in zweifacher Hinsicht: at) Das Individuum ist nicht, wie es die empiristisch-sensualistische2° Konzeption will, die Abfolge (das Aggregat oder die Summation) seiner empirischen Bewußtseinszustände. Und es wird auch nicht dadurch zum "konkreten" Individuum, daß man außer intellektuellen Inhalten nun auch noch Gefühle oder Bedürfnisse als Inhalte seiner empirisch faßbaren Zustände berücksichtigt. Hierin seinem Lehrer Popper, seiner Kritik am "Essentialismus", der ihr zugrundeliegenden weit zurückreichenden angelsächsischen Tradition des Nominalismus und verwandter Strömungen folgend, läßt auch Feyerabend das Individuum und konkrete Individualität noch mit dem zusammenfallen, wofür das Individuum selbst sich hält, empfindet, weiß. Das so scheinbar besonders konkret gefaßte Individuum ist jedoch nichts als eine schlechte Abstraktion. Zugestanden, daß die Angst vor Sozialtechnologie und deren Manipulationen berechtigt und durch schlechte Erfahrungen mit sich dialektisch nennenden Konzeptionen und Politiken der ts s. Jenenser Realphilosophie I, II, Enzyklopädie, Rechtsphilosophie. Vgl. dazu nochmals Wartofsky, The Relation between Philosophy of

19

Science and History of Science, Boston Study Bd. 39, 1976, 717 ff. 20 Indirekt bedauerlicherweise auch von Feyerabend übernommene.

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Individualität motiviert sein mag: der Empirismus ist auch in der Theorie der Individualität ganz sicherlich kein Hilfsmittel gegen gesellschaftliche Unterdrückung, erstens, weil er selbst für diesen Zweck ebensogut eingesetzt werden kann wie sogenannte dialektische oder andere Konzeptionen; vor allem aber zweitens, weil er Phänomen und Problem der Individualität nicht durchsichtig und begreiflich macht. Demgegenüber kann hier nur sehr summarisch auf Hegels Theorie der Individualität als einer sich in ihrer bestimmten Besonderheit erhaltenden Allgemeinheit verwiesen werden, die weder als Summation der "beobachtbaren" Verhaltensweisen, noch der inneren Seelenzustände, sondern als Totalität der Lebensgestaltung und Lebensverwirklichung gefaßt wird, die ihre Identität in den unterschiedlichsten Lebensäußerungen nicht "bewahrt", sondern durch solche Entäußerung erst verwirklicht21 • Und diesem Begriff entsprechend ist das Individuum ebenso durch die vorgefundenen natürlichen und gesellschaftlichen Bedingungen bestimmtes wie in Widerspruch und Negation solcher Bedingungen sich selbst bestimmendes Individuum, Prozeß der Individualität, und nicht ein der natürlich-gesellschaftlichen "Außenwelt" gegenüber fixiertes, davon unabhängig und unvermittelt existierendes Datum. ß) Auch das Individuum in der Fassung einer Theorie der allgemeinen Individualität (wie oben unter cx) aufs gröbste skizziert) ist natürlich für sich genommen noch eine schlechte Abstraktion22• Zumindest zwei weitere Differenzierungsdimensionen gesellschaftlicher Art sind zu nennen: Das Individuum entwickelt und verwirklicht seine Individualität (oder geht auch bei dem Versuch, dies zu tun, zugrunde) innerhalb einer bestimmten gesellschaftlichen Lebensform - ist Samurai, Bonze, homerischer Held, Sklave auf den Latifundien Cäsars, grunduntertäniger Bauer, Königin von England usw. Und es ist durch seine ganz spezifische Stellung im System gesellschaftlich möglicher Zwecksetzung, Zweckverwirklichung, -Selektion, -vernichtung ausgezeichnetes Individuum, Klassenindividuum, eine Stellung, die dann noch weiterer Differenzierungen (z. B. auch mittels des Rollenbegriffs oder mit Hilfe anderer Formen) fähig ist und ihrer bedarf; es ist also z. B. über die mores maiorum nachsinnender Cato oder gegen diese etablierte Lebensform rebellierender Spartakus, Tristan oder Tagelöhner, Krupp oder Krause. 21 d. h., mit einem etwas altmodischen Ausdruck gesagt, als Charakter. Zu Hegels Theorie der Individualität vgl. etwa Phänomenologie des Geistes, Kap. C. V B u. C, TWA 3, 263 ff. bzw. 292 ff. - Es gehört übrigens zu den vielen schrecklichen Vereinfachungen, die die ideologische Vorherrschaft des Empirismus zur Folge gehabt hat, daß Individualität mit Singularität (des Vorstellens, Fühlens, Wollens) inzwischen geradezu identifiziert und jeglichen Formen von Allgemeinheit disjunkt entgegengesetzt wird. Daß dies selbst beim Versuch, einen angemessenen Begriff von Naturgesetz zu entwickeln, zu unhaltbaren Konsequenzen führt bzw. daß umgekehrt zum Zweck der Entwicklung eines solchen Begriffs damit gerechnet werden muß, daß Singularität und Allgemeinheit nur unterschiedliche Erscheinungs- und Erfassungsweisen ein und desselben Sachverhalts sein können (etwa im Fall von kosmologischen Einzeltatsachen wie etwa der Ekliptik der Erde, die eine unendliche Mannigfaltigkeit von Folgen und konkreten Gesetzmäßigkeiten bedingt, hat W. Kneale in einem sehr lesenswerten Aufsatz gezeigt (The Demarcation of Science, in: The Philosophy of Karl Popper, Bd. 1, S. 205-220. 22 Und erfährt übrigens schon bei Hegel eine mannigfaltige Fülle weiterer Bestimmungen.

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Die Individualität und die daraus resultierende Erfahrungsansicht und Erfahrungsvorstellung des Indianers Deloria ist nicht deshalb eine andere als die des widerspenstigen Rationalisten-Relativisten Feyerabend, weil er einer anderen "Tradition" angehört, sondern weil er einer gesellschaftlichen Lebensform entstammt, die von der weißen bürgerlich-kapitalistischen Lebensform bis kurz vor der völligen Ausrottung dezimiert und unterdrückt worden ist, einer Unterdrückung, deren eher sekundäre Folge, nicht aber deren Grund das ist, was Feyerabend den abendländischen Rationalismus nennt; einer Unterdrückung, die noch andauert und den Sioux unter anderem dazu zwingt, sich die bürgerlich-intellektuelle "Tradition" der Unterdrücker anzueignen, um für Lebensrecht und Überlebensmöglichkeiten der Reste seines Stammes besser kämpfen zu können23 • Der Wechsel der Tradition oder die Aneignung möglichst vieler Traditionen dagegen richtet gegen solche Unterdrückung als solche nichts aus (kann allenfalls Hilfsmittel im Kontext anderer Widerstandsmaßnahmen sein): Wir wechseln eben nicht die "Tradition" oder gesellschaftliche Lebensformen wie das Hemd- oder eben nur "wir" tun es, eine auserlesene Schar von Intellektuellen of our Western civilization, denen der Luxus solchen Wechsels oder individueller Lebensbereicherung (nicht mit Kapital, aber mit Lebensqualität) vergönnt ist, wo anderen ganz anderes aufgezwungen wird. Ja, "wir" sind nicht einmal frei, in Bürgerinitiativen einzutreten, wie Feyerabend uns empfiehlt24 - oder eben auch nur "wir", dieselben Wir, Intellektuelle, während viele andere - und das dürfte zunehmend der Fall sein, je mehr Nichtintellektuelle, Arbeiter und andere, sich daran beteiligen - nicht aus freien Stücken, sondern aus praktischer Notwendigkeit in Bürgerinitiativen eintreten. Aber der wirklich wichtige, ernsthafte und alles Nachdenken verdienende Kern eben dieser soeben kritisierten Feyerabendschen Konzeption der unbeschränkten Freiheit und Vielfalt unterschiedlicher Traditionen wird z. B. gerade in Delorias Beitrag sichtbar, in einem Moment, das sich sonst in keinem anderen Beitrag findet: Deloria hält den "Selbsttäuschungen des weißen Mannes" einen Begriff von Erfahrung, der Entwicklung von Informationssammlung zu Wissen und von Wissen zu Weisheit im Laufe eines Lebens entgegen25, der im Wust von erkenntnis- und wissenschaftstheoretischem Geschwätz verlorengegangen ist 23 Was z. B. die spezifische Differenz seines Beitrags gegenüber anderen Beiträgen zu "Versuchungen" ausmacht. 24 Erkenntnis für freie Menschen. 25 Versuchungen 1, 354 ff., bes. 363 - 65.

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nicht zufälligerweise, sondern deshalb, weil in der Gesellschaft des weißen Mannes dafür eben kein Platz ist. So sind Delorias Mahnungen eine Bestätigung für Feyerabends Beharren darauf, daß wir uns andere, durch unsere eigenen Ideologien und gesellschaftlichen Zwänge unterdrückte Traditionen zueigen machen sollten: sie können uns darüber belehren, was es Lebens-, Wissens- und vor allem Menschenwürdiges gibt, das es aus den Zerstörungen zu retten gilt, die unsere "westliche Zivilisation" fortlaufend produziert. Der Abstand zwischen Feyerabend und Popper ist nirgend größer als an dieser Stelle; und wenn es nur um dieses Moments willen wäre: die Entwicklung des Logischen Empirismus und Kritischen Rationalismus bis zu seiner phantasievollen, menschlichen Auflösung durch Feyerabend hätte sich gelohnt. Die oben angestellten Überlegungen zum Erfahrungsbegriff sollten nicht dazu dienen, die öden Abstraktionen des Logischen Empirismus zum Thema "Theorie", "Empirie" und ihrer Beziehung zueinander durch eine bessere, aber notgedrungen immer noch abstrakte, daher nur um weniges weniger öde Definition von Erfahrung zu ersetzen. Sie waren nur als kritisches Plädoyer dafür gedacht, sich im Umgang mit dem Abstraktum "Erfahrung" nicht unkoutrolliert den vielen fehlerhaften Abstraktionsmomenten, die zuletzt der Logische Empirismus dem Bedeutungssyndrom des Terminus hinzugefügt hat, auszuliefern. Vielmehr kommt es darauf an, im Umgang mit diesem Abstraktum Differenzierungsebenen und -dimensionen zu berücksichtigen, die unter dem Eindruck der terribles simplifications des Logischen Empirismus teilweise oder völlig verloren gegangen sind. In einem differenzierenden, unterschiedlichen Sachverhalten und Mannigfaltigkeiten angemessenen Gebrauch des Erfahrungsbegriffs wären unter anderem die folgenden Momente zu berücksichtigen: -

-

"Theorie und Empirie" - so ist aus der oben diskutierten Auseinandersetzung um "Theoriebeladenheit" von Beobachtung usw. abschließend zu folgern - sind nicht für sich bestehende Gebilde, die nur nachträglich und äußerlich in Beziehung zueinander treten. "Erfahrung" beschränkt sich nicht auf Sequenzen von "äußeren" Wahrnehmungen oder "inneren Erfahrungen", Affektionen oder Modifikationen des erfahrenden Subjekts; Erfahrung im prägnanten Sinne einer Erkenntnisweise ist, wie Kant das gelegentlich ausdrückt, ein "Produkt der Sinnlichkeit und des Verstandes", in dem intellektuelle und sinnlich-anschauliche Momente Komponenten einer untrennbaren Einheit bilden. "Erfahrung" ist nicht ein einmaliger, auf einen singulären Zeitpunkt beziehbarer oder bezogener Akt, sondern: Sowohl als Prozeß der alltäglichen oder wissenschaftlichen Erforschung von Phänomen verstanden (vgl. Hacking zum Michelson-Morley-Experiment28), als auch als Lern- und Ent2s

Hacking, S. 129.

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wicklungsprozeß eines Individuums27 ; wie schließlich auch als Lernprozeß von Gruppen, Klassen, Völkern und schließlich der Menschheit insgesamt verstanden28 ist Erfahrung ein längere Zeiträume übergreifendes, verschiedene auftauchende und verschwindende Momente durchlaufendes organisiertes Ganzes begrifflich-sinnlicher, theoretisch-praktischer Bestimmungen und Handlungen. Die vermeintliche Sicherheit - weil vermeintliche Unmittelbarkeit (und "Theorie-Unabhängigkeit") -der verschiedenen Versionen empiristischer Berufung auf die singuläre empirische Anschauung - die "impressions of the mind", die Sinnesdatensprache, die Augenblicksaufnahme namens "Beobachtung" (,jetzt lauter Knall', ,jetzt hier braun' usw.), der "praktische" Augenblickskontakt mit der Wirklichkeit namens "Experimentum crucis", und schließlich das ganze auch noch zurückgenommen in das konventionalistische Palaver der scientific community -: das alles ist falscher Schein; denn: ... die Beziehbarkeit und BezogenheU der sinnlichen Gegenwart, des Jetzt und Hier, auf die Vergangenheit - auf ein allgemeines Jetzt und Hier- und des Subjekts dieser Gewißheit auf die Allgemeinheit dieser seiner Zustände (ursprüngliche Einheit des Selbstbewußtseins) wie auf die Allgemeinheit erkennender Subjektivität überhaupt; ... die darüber vermittelte Beziehbarkelt und Bezogenheit des Jetzt und Hier auf die Totalität einer Welt, die zugleich nicht Jetzt und Hier ist, ist und nicht ist, permanentes Setzen, Negieren, Aufheben und neues Setzen von Etwas (Entitäten, Prozessen, Dingen, Verhältnissen usw.) ist; ... die eben darin liegende Beziehbarkelt und Bezogenheit bewußter Subjektivität als materieller Wirklichkeit des einzelnen wirklichen Menschen als Lebewesen, psycho-physischer Organismus, als sinnlich-intellektuelle Totalität und Individualität - der bestimmte unverwechselbare Einzelne, der gleichzeitig allgemeine Funktionen der gesellschaftlichen Reproduktion der Produktions- und Klassenverhältnisse erfüllt und als solcher stets auswechselbar ist - auf eine Gesamtheit der Natur, die sich in ihm reproduziert und an deren Reproduktion erbeteiligt ist, aber nicht als einfaches Naturwesen, sondern als in bestimmten gesellschaftlichen Beziehungen oder Reproduktionsformen lebend, mit unterschiedlichen, produktiv-aneignenden und destruktiven Beziehungen zur vorgefundenen Natur; mit der darin inbegriffenen Möglichkeit, Wirklichkeit, ja Notwendigkeit der Extrapolation der Gegenwart in die Zukunft11•

s. Deloria. So die Hegeische Konzeption der Verwirklichung des absoluten Geistes in der Vermittlung durch eine unendliche Mannigfaltigkeit von Wissens- und Tätigkeitsprozessen einer ebenso unendlichen Abfolge von Individuengenerationen der Menschheit insgesamt; d. h. die Erfahrungskonzeption der "Phänomenologie des Geistes" , in der der Aufstieg des individuellen absoluten Wissens und die Selbstverwirklichung des absoluten Geistes miteinander vereinigt sind. 29 Man denke nur an die prinzipiell destruktiven praktischen Extrapolationen in Gestalt menschlich erzeugter radioaktiver Zerfallsprozesse als einem von unendlich vielen Beispielen theoretisch-praktischer Extrapolation der Gegenwart in die Zukunft. 27

28

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All dies ist sicheres, zugleich im einzelnen durchaus zur Prüfung und Revision anstehendes Wissen, von dem bewußt und unbewußt in der vielfältigen Wirklichkeit aktueller Erfahrungsprozesse mannigfacher Gebrauch gemacht wird, während zugleich eben dieses Wissen permanenter Modifikation, Verbesserung, Erweiterung, Vereinfachung, Zerstörung usw. unterworfen wird. In diesen Zusammenhang sind denn auch diejenigen Tätigkeiten einzuordnen, die bei Hacking "bemerken", "beobachten" und "experimentieren" heißen, ebenso andere Tätigkeiten, die in Natur-, Sozial- oder Kulturwissenschaften Formen der Materialerfassung, -aufbereitung und der Kontrolle wissenschaftlicher Hypothesen oder Theorien bilden; ebenso auch die mannigfachen Formen dessen, was in Wissenschaften "Erklärung" heißen kann, allerdings unter Ausschluß der Zerrbilder, die der Logische Empirismus dazu anzubieten hat, das D-N-Schema, seine vermeintliche Alternative, die sogenannte "rationale Erklärung" inbegriffen. Entsprechendes wäre beim Umgang mit dem Metaphysikbegriff zu beachten. Es geht dabei wohlgemerkt nicht um den Gebrauch der vielen historischen Begriffe von "Metaphysik": Was immer in der Philosophiegeschichte unter diesem Titel verstanden worden sein mag, mag sich aus diesen oder jenen Gründen selbst rechtfertigen. Hier geht es wiederum nur darum, Konsequenzen aus dem Konkurs des Logischen Empirismus als systematisches Unternehmen zu ziehen, der unter anderem eben auch zum Ziel hatte, "Metaphysik" systematisch - z. B. über die logische Form bestimmter Aussagen vermittelt - zu definieren. Ein Teilkomplex derjenigen Wissensinhalte, auf die die ursprünglich intendierte "Überwindung" oder "Abgrenzung" der Metaphysik abzielte unter Benutzung der an sich hinfälligen A-S-Dichotomie pauschal zusammenzufassen als "synthetischer Apriorismus" - ist oben unter den Inhalten bzw. den verschiedenen Dimensionen des Erfahrungsbegriffs genannt worden. Sie können allerdings z. B. auch als allgemeiner Teil bestimmter Wissenschaften (z. B. der theoretischen Physik, einer allgemeinen Gesellschaftstheorie oder dergleichen) auftreten: Die Legitimation, Kontrolle, Revision usw. solcher Inhalte kann immer nur im Zusammenhang mit bestimmten konkreten Wissensinhalten, wissenschaftlichen Theorien im prägnanten Sinne, aber auch mit individuellgesellschaftlichen Handlungen erfolgen. Andere Inhaltskomplexe dieser logisch-empiristischen Sammelbezeichnung für alles Unwissenschaftliche lassen sich als magische, religiöse oder spekulative Wissensformen und -inhalte auszeichnen30 • Auch 30

Exemplarisch: Das, was bei Deloria z. B. ,.Spiritualismus" heißt.

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in diesem Punkt hat sich Feyerabend häufig mit ausgezeichneten Argumenten31 als Zerstörer logisch-empiristischer Vorurteile betätigt und sich positiv dafür engagiert, aus dem Überlieferungsreichtum nichtrationalistischer Traditionen so umfassend wie möglich zu lernen, Erfahrungen zu schöpfen. Und wiederum ist eine negative, keine allgemein-positive Konsequenz zu ziehen. Der pseudo-aufklärerische Feldzug des Logischen Empirismus hat auch in diesem Stück nur Verarmung- um nicht zu sagen: Verdummung - zur Folge gehabt. Das einst ehrenwerte Motiv der Ersetzung allen unwissenschaftlichen Alltagswissens durch wissenschaftlich geprüftes Wissen ist zur Ausrottung aller Formen des Wissens degeneriert, die dem eigenen Vorurteil von dem, was wissenschaftlich sein soll, nicht entsprechen. Die Eliminierung und Unterdrükkung unschätzbaren, in religiösen oder magischen Bewußtseinsformen aufgehobenen Wissens als wissenschaftspolitisches Ziel des Logischen Empirismus wird von Feyerabend zu Recht angeprangert. Ob und ggf. mittels welcher Kriterien und Verfahrensweisen bezogen auf solche Wissensformen wahr und falsch, Schein und wahrer Kern voneinander unterschieden werden können (nach Feyerabend sind ja alle "Traditionen" einander gleichwertig), kann auf allgemeine Weise nicht beantwortet werden. Es fragt sich, ob von der ursprünglich kritischen Intention des logisch-empiristischen Metaphysikbegriffs (an der ja etwa Topitsch oder Albert u. a. bis heute festzuhalten versuchen32) noch etwas übrig bleibt. Ganz sicher hatten die Vertreter der wissenschaftlichen Weltanschauung mit ihrer Kritik an der Propaganda des Irrationalismus, an der sich ja auch Teile der deutschen Philosophie beteiligten, Reales, Virulentes, Gefährliches im Auge. Ganz sicher aber ist ebenso, daß die primitiven Methoden des Logizismus (oder eben der "Logischen Analyse der Sprache") ebensowenig zu einer objektiv-wissenschaftlichen Identifikation und Ausgrenzung des Irrationalismus taugten, wie die überkommenen Kriterien eines über sich selbst und seiner eigenen Voraussetzungen auf groteske Weise unaufgeklärten sensualistisch-linguistischen Empirismus: Nichtbeobachtbarkeit, synthetischer Apriorismus usw. erweisen sich als ganz untaugliche Kriterien für Versuche am untauglichen Objekt - die Wissenschaft erwies sich nach diesen Kriterien als ebenso irrational wie Heideggers Existenzphilosophie. 31 Man lese dazu nur seine Ausführungen über den sogenannten Hexenhammer oder die Kritik der Erklärung von 186 Wissenschaftlern gegen die Astrologie, in: Der wissenschaftstheoretische Realismus ... , Braunschweig 1978,

s. 351- 367.

Zu Topitsch, vgl. den Reader "Zur Logik der Sozialwissenschaften" 1965, S. 543 ff.; zu Albert etwa seinen "Traktat über kritische Vernunft". 32

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Es ist vermutlich die Erfahrung dieses Scheiterns aller Versuche, allgemeine Kriterien für Rationalität oder Irrationalität, Empirizität, Wissenschaftlichkeit usw. zu entwickeln, die Feyerabend schließlich dazu bewogen hat, vom Regenzauber der Azande bis zur speziellen Relativitätstheorie alles in den großen Topf des Relativismus zu werfen. Aber es bleibt doch die schlichte Frage: Muß es denn überhaupt ein allgemeines systematisches Kriterium für Rationalität oder Irrationalität geben, liegt nicht gerade in dieser falschen Fragestellung der Grund aller Fehler und Widersprüche?33 Man kann der Meinung sein, daß Carnap mit dem logischen Formalismus Firlefanz treibt34, und dennoch nach guten Gründen dafür suchen, daß Heideggers Philosopheme objektivierbare Kriterien für die Propaganda von Irrationalismus erfüllen. Eine Auseinandersetzung mit Feyerabends Relativismus ist hier freilich nicht mehr möglich, auch nicht beabsichtigt; bleibt nur die Feststellung, daß das Scheitern des Logischen Empirismus auch im Programmpunkt der Metaphysiküberwindung den Schluß nicht zwingend vorschreibt, Wissenschaft, wirkliches Wissen in religiös verhüllter Form, Irrationalismus oder gar Scharlatanerie seien nun überhaupt nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Zwingend ist eben nur der Schluß, daß die Suche nach gleichzeitig formalen, notwendigen und hinreichenden Kriterien zum Zweck einer absoluten Unterscheidung erfolglos, weil unsinnig gewesen ist. Schließlich seien noch einige Revisionen im Umgang mit Wirklichkeitsbegriffen und -kriterien empfohlen: Die radikaleren Physikalisten und Logischen Empiristen vermuteten zu Recht, daß sich auch führende Köpfe wie Carnap von metaphysischen Reminiszenzen noch lange Zeit nicht hatten freimachen können. Trotz aller Absagen an "Scheinprobleme der Philosophie" wie die Frage nach der Realität der Außenwelt hatten das empirische Sinnkriterium, die Protokollsatzkonzeption, die Kriterien der empirischen Verifizier-, Prüf- oder Falsifizierbarkeit und die ihnen zugrundeliegende Forderung der Beobachtbarkeit unter anderem auch die Funktion von Realitätskriterien35 • Alle Versuche dieser 33 Auch in diesem Punkt hätte sich ein nicht von Vorurteilen getrübter Blick in die Kritik der reinen Vernunft für die logischen Empiristen gelohnt: "Es ist aber klar, daß ... es ganz unmöglich und ungereimt sei, nach einem Merkmale der Wahrheit dieses Inhalts der Erkenntnisse zu fragen, und daß also ein hinreichendes und doch zugleich allgemeines Kennzeinen der Wahrheit unmöglich angegeben werden könne ... von der Wahrheit der Erkenntnis der Materie nach läßt sich kein allgemeines Kennzeichen verlangen, weil es in sich selbst widersprechend ist." (B 83). Was Kant hier von dem verlangten allgemeinen und zugleich hinreichenden Kriterium der Wahrheit sagt, gilt mutatis mutandis auch von den gesuchten Kriterien für Rationalität, Empirizität usw. 34 Vgl. oben II 2. 35 Und nicht zuletzt der Wunsch, auch noch diesen letzten Rest von "Meta-

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Art sind, wie gezeigt, gescheitert. Aber das Vorurteil, nur was sich als beobachtbar ausweisen oder jedenfalls mit beobachtbaren Vorgängen in nachweislichen Zusammenhang bringen lasse, sei wirklich, ist virulenter denn je: das Dogma der Beobachtbarkeit bzw. der Reduzierbarkeit auf die einzelne empirische Anschauung gehört zu den hartnäckigsten, erfolgreichsten, weil plausibelsten Vorurteilen des Empirismus. Und da selbst ein Autor wie Kant diesem Vorurteil aufgesessen ist, ist es nicht erstaunlich, wenn philosophisch weniger Informierte dem Schein dieses Arguments aufsitzen. ,Die Seele? existiert nicht, ist ein irrationaler Mythos, ein Gespenst in der Maschine; das mind-body-problem ist nur ein philosophischer Betriebsunfall, verhängnisvolle Erbschaft der kartesianischen Tradition usw. - Wissenschaftliche Psychologie? sie kann nur behavioristisch verfahren: woran, wenn nicht am beobachtbaren Verhalten, soll man "die Seele", die "Persönlichkeit", "Intelligenz" usw. eines Menschen erkennen? Tiefenpsychologie, Psychoanalyse? alles unwissenschaftliche, irrationale Unternehmungen, Hochstapelei, oder, wie Popper einmal gesagt hat: alles Unternehmungen, mit denen man alles beweisen kann, die niemals an der Erfahrung scheitern können, nicht riskante Vermutungen, sondern nur irrationale, pseudowissenschaftliche, pseudoreligiöse Prophezeiungen'. ,Existenz von Kollektiven? ein essentialistischer, holistischer, utopistischer, totalitärer, menschenfeindlicher Mythos: Kollektivbegriffe wie "Nation", "Gruppe", "Klasse" oder dergleichen sind nur heuristische Fiktionen, wirklich sind nur die Individuen, nur sie sind empirischen Methoden zugänglich'ss. Den härtesten Kern dieser Vorurteile hatte der Logische Empirismus aus den nominalistischen, sensualistischen bzw. empiristischen Traditionen übernommen, in denen er steht. Er hat sie modifiziert, neue Gegner attackiert, neue Argumente hinzugefügt, haltbare Gründe hat er freilich nicht entwickelt. Doch obwohl keines dieser Vorurteile in der vom Logischen Empirismus selbst intendierten Weise "rational begründbar" ist, wirken sie nahezu ungebrochen fort und werden durch zahllose Artikel und Bücher der puzzle-solving normal science des Logischen Empirismus fort und fort propagiert. Man kann und muß dagegen Argumente aufbieten - was hier, unter Benutzung von Gedanken Quines und vieler anderer geschehen ist - , die scheinbare Plausibilität des "esse est percipi" und seiner unsinnigen Varianten werden sie nicht aus der Welt schaffen. Wie kann man sich demgegenüber verhalten? Feyerabend hat eine der Möglichkeiten beispielhaft vorgeführt. Und in der Tat ist es die physik" zu tilgen, trieb Neurath, Carnap, Popper u. a. in den Konventionalismus und daher in denjenigen Widerspruch mit sich selbst, den Stegmüller als "Dilemma der Erfahrungserkenntnis" zeichnet, der faktisch aber nur ein im Linguistic Turn selbst angelegter Widerspruch ist, nämlich bloß linguistische Kriterien als materielle Wahrheits- bzw. Auszeichnungskriterien zu benutzen. 38 Vgl. dazu nochmals Urmson, Philosophical Analysis S. 150 f.

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Erfahrung des Mißverhältnisses zwischen dem Mangel an irgendwelchen Gründen, der dogmatischen Borniertheit des Logischen Empirismus einerseits und der uninformierten Arroganz andererseits, mit der alles, was diesen vermeintlichen Standards "abendländischer Wissenschaft" nicht genügt, in den Orkus der Unwissenheit verbannt wird, aus der die Schärfe, ja Erbitterung des Tons zu erklären ist, mit der Feyerabend das Lebensrecht und den Wissensanspruch magischer Praktiken, christlich-mittelalterlichen Aberglaubens oder schließlich auch der Akupunktur gegen den akademischen Analphabetismus verteidigt. Und wenn es sicherlich auch falsch ist, diesen elitären, zugleich imperialistischen und phantasielosen Analphabetismus "den" abendländischen Rationalismus zu nennen, wie Feyerabend es häufig tut, so hat er mit seiner Charakterisierung des Logischen Empirismus und Kritischen Rationalismus im ganzen gesehen, das Recht auf seiner Seite. Aber nicht jeder ist Feyerabend, kann sich entsprechendes leisten, und nicht jeder wird die Meinung teilen, zwischen besagten Regentänzen und der Relativitätstheorie - oder sagen wir zur Abwechslung: der Kritik der politischen Ökonomie - bestehe überhaupt kein Unterschied. Wie also kann man sich dennoch, ohne in einen FeyerabendManierismus zu verfallen, innerhalb und außerhalb der Wissenschaft zu diesem Problem verhalten? Eine Teilantwort auf diese Frage ist oben, in der an Hackings Überlegungen zum Thema empirischer Feststellung und Experiment anschließenden Diskussion des Erfahrungsbegriffs gegeben worden: Es ist möglich, unabhängig von bestimmtem theoretischem Wissen, aber auch unabhängig von der Wahrheit oder Falschheit der in der Vorbereitung und Durchführung von "Beobachtungen" und "Experimenten" benutzten Theorien Entdeckungen zu machen, Sachverhalte festzustellen, Phänomene oder Effekte zu "erzeugen" 37 , und zwar dadurch, daß man bestimmte Dinge tut - Dinge höchst unterschiedlicher Art: indem man bestimmte Effekte produziert und (z. B. auf fotografischen Platten) fixiert; systematisch und über lange Zeiträume hinweg, gegebenenfalls mit Hilfe geeigneter Instrumente, z. B. astronomische Beobachtungen anstellt und vieles andere mehr. Dabei sind die Unabhängigkeit der Feststellung von den Vorurteilen des Feststellenden und die damit verbundene Möglichkeit, solche Vorurteile zu korrigieren, daraus zu lernen, allmählich Wissen und Erfahrung zu erwerben, sichere Kriterien der "Wirklichkeit" und Sachhaltigkeit unserer Annahmen bzw. Kriterien der Erfassung von Zusammenhängen der Wirklichkeit durch dieses tätigen Umgang mit "Natur". 37

Vgl. nochmals Hacking.

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Zweierlei verdient in diesem Zusammenhang festgehalten zu werden: erstens ist das besagte Tun zwar unabhängig von Vorurteilen und dem Wahrheitswert der zur Manipulation der betreffenden Naturvorgänge benutzten Theorien, aber damit noch nicht von jeder "Theorie" und allem Wissen überhaupt: denn in dem bestimmten Tun werden spezifische allgemeine Vermittlungszusammenhänge teils ausdrücklich und bewußt teils implizit und insoweit unbewußt benutzt und eben damit auch irgendwelches (wie auch immer rudimentäres, verfälschtes, verzerrtes, ideologisch deformiertes) Wissen benutzt. Das aber tut der Unabhängigkeit des Eintretens bestimmter Prozesse im oben angegebenen Sinne durchaus keinen Abbruch, im Gegenteil: allein jene Unabhängigkeit ist es, ich wiederhole es, die unser Vor- (Nicht-) Wissen korrigierbar und damit Lernen überhaupt möglich macht. Zweitens fungiert damit eben jenes - individuelle oder kollektive, wissenschaftliche, außerwissenschaftlich-technische, wie auch immer sonst geartete - Tun als dasjenige Verfahren der "empirischen Verifikation" , "Bestätigung", "Überprüfung", "Widerlegung", das der Logische Empirismus und Kritische Rationalismus in seinen diversen Empirizitätskriterien- vergeblich- zu fassen versucht hat. Aber - wird man vielleicht fragen - reproduziert sich nicht damit das Problem? Führt dieses Tun nicht zu eben jenen empirischen Feststellungsverfahren bzw. zur Beobachtung zurück, von denen der Logische Empirismus - und wir in der Analyse des Logischen Empirismus - ausgegangen waren? Muß man nicht an dieses Tun bestimmte Fragen richten, die in letzter Konsequenz auf nichts anderes hinauslaufen können als auf die von den logisch-empiristischen Wissenschaftstheoretikern und Methodologen geforderte Beobachtbarkeit? Die Antwort kann - nach den zahllosen, mehr oder minder weitreichenden Argumenten von Reichenbach, Neurath, Zilsel, Hanson, Quine, Stegmüller, Toulmin, Juhos, Hesse, Wartofsky, Kneale, Wellmer, Beyertz, und vielen vielen anderen, Feyerabend und eben: Hacking nicht zu vergessen, nur lauten: nein. Denn: es ist eben nicht möglich, ein einziges allgemeines Wirklichkeitskriterium anzugeben, eine einzige Methode der Bestätigung, Prüfung usw. wissenschaftlicher Vermutungen, Hypothesen usw. Die vielleicht wichtigste Konsequenz von allen, die aus dem Scheitern des Logischen Empirismus zu ziehen sind, ist daher diese eine Wahrheit: es gibt nicht ein, sondern der unendlichen Mannigfaltigkeit der Phänomene und Probleme entsprechend unendlich viele Induktionsverfahren38, es gibt nicht eine allgemeine, alleinwissenschaftliche Methode, sondern es gibt deren, derselben Mannigfaltigkeit entsprechend, unendlich viele. 38

s. Neurath, Pseudorationalismus der Falsifikation, E 5, 353 ff.

11 Tuschling

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V. Nach dem Logischen Empirismus

Darüber apriori urteilen zu wollen, kann nur zu Unsinn und zur Vergewaltigung der Probleme und der Wissenschaftspraxis führen. Denn ein allgemeines und zugleich hinreichendes Kriterium der Wahrheit, damit auch der objektiven Realität und Sachhaltigkeit unseres Denkens geben zu wollen ist eben unmöglich (Kant39). Wird es dennoch versucht und angesichts derer, die so etwas versuchen, kann man nur mit Feyerabend sagen "Anything goes." Womit er ja, wie er selbst mehrfach erklärt hat, nicht sagen wollte, es gebe überhaupt keine wissenschaftliche Methode, sondern nur sagen wollte, daß es unsinnig ist, und den Unsinn des Logischen Empirismus bzw. Kritischen Rationalismus ad infinitum reproduzieren hieße, wenn man fortfahren wollte, allgemeine, auf alles und jedes passende und zugleich hinreichende Methoden und Wahrheitskriterien entwickeln zu wollen. "Einheitswissenschaft", "Einheit der Methoden der Wissenschaft", die uns Carnap, Popper und viele andere teils als Ziel, teils als partiell bereits vorhandene Wirklichkeit vorgestellt haben: das ist wohl von allen terribles simplifications die schlimmste. Und man lasse sich auch durch die Pseudodifferenziertheit derjenigen, die gegen den Universalitätsanspruch des D-N-Schemas oder der "Kausalerklärung" die Notwendigkeit der Erklärung aus "reasons" oder der sogenannten "rationalen Erklärung" ins Feld führen, nicht täuschen: die unendliche Vielfalt der Erkenntnisgegenstände und wissenschaftlichen Probleme erfordert die ihnen jeweils angemessenen Methoden, die nur aus der bestimmten Kenntnis dieser Probleme selbst gewonnen, entwickelt und im theoretisch-tätigen Umgang mit diesen Gegenständen und Problemen modifiziert werden können. Angesichts dieser Mannigfaltigkeit statt einer zwei Einheitswissenschaften zu fordern und statt einer zwei Einheitsmethoden zu propagieren (eine für die Natur-, eine für die sogenannten Kultur- oder Geisteswissenschaften), heißt ein altes Vorurteil über Geschichte und Arbeitsteilung der philosophischen Fakultät und der in ihr versammelten Wissenschaften reproduzieren; heißt, den Unsinn des einen Schemas durch Produktion eines zweiten potenzieren, und dies nur deshalb, weil man an dem Ansehen des ersten Unsinns partizipieren und die eigene "Rationalität" und "Wissenschaftlichkeit" nach den Standards der Protagonisten jenes ersten Schemas auf modifizierte Weise doch noch darzutun hofft. Einheitswissenschaft und Einheit der Methode der Wissenschaft, diese schrecklichen Vereinfachungen, müssen um der wissenschaftlichen Wahrheit willen endlich aufgegeben werden: der Methodenkrampf wird die Einheit der Wissenschaften, die in der Tat eine Daueraufgabe ist, nicht zustandebringen.

39

Vgl. Kritik der reinen Vernunft, B 83.

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Und weil es eben nicht möglich ist, ein einziges allgemeines Wahrheits- und Realitätskriterium, eine einzige allgemeine Methode usw. zu entwickeln, ist es nicht einmal möglich, die Relevanz, Funktion und Leistungsfähigkeit der sinnlichen Anschauung und Wahrnehmung in allgemeiner Form zu bestimmen. Wie komplex selbst in diesem einen Punkt die Verhältnisse schon in der Physik sind, ist u. a. oben bei der Erörterung von "Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache" gezeigt worden und läßt sich anhand beliebiger Beispiele -man vergleiche dazu nur diejenigen von Hacking- zeigen: -

Empirisches Feststellen oder "Bemerken" (Hack.ing): das ist nicht Kalons oder Ottos einfaches Hinsehen, verbunden mit Aha-Erlebnissen um 3.15 Uhr, 3.16 Uhr oder 3.17 Uhr, formulierbar in sogenannten Protokollsätzen usw. usw.; das ist vielmehr z. B. das technisch vermittelte Resultat der Manipulation von "Phänomenen"; genauer: die Auswertung solcher Resultate nach bestimmten Regeln. Man beachte den BeispieZcharakter: es gibt ganz andere Kriterien für empirisches Feststellen, und keines dieser Kriterien ist unbeschränkt allgemein anwendbar. Allgemein ist nur das negative Kennzeichen: daß nämlich das, was der Logische Empirismus "beobachtbar", "Beobachtbarkeit" usw. genannt hat, in diesen Prozessen allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt. Dasselbe gilt nun pikanterweise gerade von demjenigen Vorgang der Wissenschaftspraxis, z. B. in der Astronomie (aber ähnliches gilt z. B. auch von der Biologie), der "Beobachtung" heißt: es ist gerade nicht einmaliges Hinsehen; auch als Addition solcher singulären Akte ist es in seiner Grundstruktur und vor allem in seiner Funktionsweise überhaupt nicht zu fassen. Vielmehr ist oft tage-, monate-, jahrelanges "Hinsehen" (tatsächlich ist dieser Terminus viel zu primitiv!), immer wieder neu aufgenommen, vermittelt durch Arbeitsprozesse aller Art, aber auch durch Lebensvorgänge der Beobachter40 für das "Beobachten" charakteristisch; und hierfür wiederum: das krampfhafte Sicherheits-, Vollständigkeitsoder Beweisbedürfnis in der vom Logischen Empirismus geforderten extremen Form ist für diese Prozesse nicht nur nicht zu gewährleisten, für sie ist vielmehr gerade die Destruktion aller dieser empiristischen Voraussetzungen konstitutiv. Es wird ganz selbstverständlich unterstellt und entzieht sich in dieser Komplexität und Reichweite auch jeder Prüfungsmöglichkeit, daß z. B. der Fixsternhimmel "derselbe" ist und bleibt bzw. daß er sich, soweit er sich verändert und verändert hat, seit die Sumerer und Ägypter, die Leute von Stonehenge, Ptolemäus, Kopernikus usw. ihn beobachtet haben, nach identischen und identifizierbaren Regeln verändert hat. Ferner wird unterstellt, daß der "Beobachter" und die früher von ihm angestellten "Beobachtungen" identisch, identifizierbar, eine RaumZeitliche-Ordnung usw. bilden; daß sie in den Unterbrechungszeiten des "Beobachtung" genannten Gesamtvorgangs mit sich selbst identisch bleiben - und d. h. u. a. gerade auch bei prozessierenden Veränderungen sich in und durch solche Prozesse hindurch in ihrer Sich-selbst-Gleichheit erhalten - ; es wird unterstellt, daß die unendlich vielen elektromagnetischen, energetischen, Gravitations-, Kernspaltungs-, Kernverschmelzungs-, Strahlungsvorgänge, die das Geschehen in Milliarden Milchstraßensyste40

11*

Vgl. dazu nochmal Hacking, S. 134.

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men ausmachen, nicht einfach nur nach "Regeln", sondern nach Prozeßgesetzen ablaufen, die bei Berücksichtigung aller "statistischen" Wahrscheinlichkeit und Variation dennoch garantieren, daß das "zwischen den Weltkörpern und unserem Auge spielende Licht" 41 derart ist, daß die oben angegebenen Prozeß-Identitäten z. B. der Caroline Hersehe! um 1800 die Entdeckung der Kometen, im Jahre 1980 den Nachbau ihres Beobachtungsgeräts und damit die Fortsetzung der Arbeit der Caroline durch ihre fernen Nachfahren ermöglicht usw. usw. Man sieht also: das, was in der Wissenschaftspraxis "Beobachtung" heißt, enthält nicht einfach nur "unbeobachtbare Größen" oder "theoretische Terme" - zu dieser der Sache unangemessenen Trivialität hatte sich ja schon Carnap aufraffen müssen -: es kommt überhaupt nur zustande unter Bedingungen und in Prozessen, in denen dasjenige, was die Logischen Empiristen "Beobachtung" nennen (nämlich die einzelne empirische Anschauung), wie schon Hegel gezeigt hat nur verschwindendes Moment ist: es ist bedingt und gesetzt durch diverse Allgemeinheiten unterschiedlichen Abstraktionsniveaus und Reichweite, - die "Konstitution" und Identität von "Beobachter" und "beobachtetem Objekt" betreffend - , die zwar nicht als solche am platonischen Himmel schweben, sondern der Vermittlung zur Besonderheit durch einzelnes Dasein bedürfen; aber in diesen Vermittlungsprozessen der singulären empirischen Anschauung oder Wahrnehmung prinzipiell entzogen sind. Sie kommt zwar als intermittierendes Zugangsmittel zur Realität in Betracht; aber sie ist zur Erfassung der Wirklichkeit oder der Totalität nicht einmal der Einzeldinge, geschweige größerer System-Prozeß-Zusammenhänge in der Lage. Weit gefehlt also, daß die einzelne empirische Anschauung universales und alleiniges Realitätskriterium ist, ist sie nicht einmal ein in allen Fällen notwendiges oder hinreichendes Realitätskriterium. Sie kann gelegentlich eine solche Rolle in begrenzten Kontexten spielen, universell kommt sie ihr nicht zu. Insbesondere aber darf der logisch-empiristische Begriff von Beobachtung (eben gleichbedeutend mit Vermittlung durch die einzelne empirische Anschauung) nicht mit dem eben skizzierten Prozeß der Beobachtung in der Wissenschaftspraxis identifiziert werden; erstere spielt in der letzteren allenfalls eine untergeordnete Rolle, eben die eines verschwindenden Moments. Dieses Skandalen anzuerkennen- daß Wissenschaft, und zwar nicht nur die "metaphysischen" Wissenschaften der philosophischen Fakultät, sondern eben auch die exemplarischen, die "exakten" Wissenschaften durchgängig mit Strukturen und Prozessen zu tun haben, die entweder nur sehr bedingt oder überhaupt nicht mit Prozessen der empirischen Anschauung in Verbindung gebracht werden können- weigern sich Logische Empiristen hartnäckig. Umgekehrt kann eine solche Weigerung geradezu als Kriterium der Zugehörigkeit zu dieser Sekte angesehen werden. Aber heißt das nicht - so wird man vielleicht immer noch fragen - der Willkür in der Wissenschaft Tür und Tor öffnen? Nichtbeobachtbare Entitäten (und sogar Totalitäten, Prozesse) zuzulassen: heißt das nicht, den "Pegasus" , den "jetzigen König von Frankreich", "Gott", "Prinzip" und wie die logisch-empiristischen Schreckgespenster alle heißen mögen, zuzulassen? 41

Kritik der reinen Vernunft, B 260.

4. Wissenschaftliche Erfahrung

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Das heißt es eben genau und nur so lange, so lange man sich an das logisch-empiristische Fiktivum namens .,Beobachtbarkeit" als Realitätskriterium klammert, dessen Untauglichkeit längst allen Beteiligten klar und oben nochmals illustriert und belegt worden ist. Sobald man sich von diesem Irrglauben befreit, sieht man leicht, daß die beschworene Gefahr eine Pseudogefahr ist. Der Kernphysiker weiß, wann er es mit einer Kernspaltung zu tun hat - und die 250 000 von Hiroschima z. B. wußten es auch -, obwohl er sie nicht .,sehen" kann, obwohl er vielleicht nur mit Einschränkungen weiß, was dabei passiert, und obwohl es denkbar ist, daß einmal eine Theorie entwickelt wird, in der Positronen, Elektronen, Atomkerne usw. vielleicht gar nicht mehr vorkommen. All das tut der Realität der Kernspaltung und dem Wissen von dieser Realität keinen Abbruch. Und der Physiker weiß auch, daß dieser Vorgang, obwohl nicht beobachtbar wie Pegasus und Gott, von letzteren Entitäten spezifisch verschieden ist. Wir wissen, daß wir es in vielen Formen und Zusammenhängen mit einer Realität zu tun haben, die die sinnliche Anschauung nicht erreicht. Aus der Tatsache, daß dieser Umstand für Gottes- oder Pegasus-Beweise oder andere Formen schlechter Metaphysik mißbraucht werden kann, zu schließen, man dürfe solche Formen der Wirklichkeit einfach nicht zulassen, heißt Wissen und Erkenntnisforschritt verbieten. In den Naturwissenschaften hat man mit solchen Versuchen wenig Erfolg gehabt, in Sozial- und Kulturwissenschaften wie Psychologie, Wirtschaftswissenschaft, Pädagogik, Soziologie dafür umsomehr: hier ist, zum Teil mit Unterstützung durch Kultusverwaltungen, mit Erfolg versucht worden, Theorien und Theorie-Traditionen, die sich den logisch-empiristischen Standards nicht unterwerfen wollen, vom Wissenschaftsbetrieb auszuschließen. Und diese Versuche dauern an. Dies - und nicht das niedrige Abstraktionsniveau, auf dem sich diese Unternehmungen bewegen, wie Hacking meint42 - ist der wahre Grund der Beliebtheit Poppers in einigen der genannten Disziplinen: mit ihm läßt sich vorzüglich mißliebige akademische Konkurrenz bekämpfen, zumal man dafür - unter Verweis auf die good old cause - staatliche Autoritäten und Entscheidungsträger gewinnen und notfalls zum Einsatz von Repressionsmitteln bewegen kann. Auch in dieser Stoßrichtung seines Kampfes gegen den etablierten Pseuciorationalismus der Wissenschaftstheorie kann man Feyerabend daher nur unterstützen: Vorherrschaft des Logischen Empirismus in Gestalt des .,Kritischen Rationalismus" kann auch in den Sozial- und Kulturwissenschaften nur zur Verengung, Verkürzung und schließlich zum Wissensverbot führen. Das ist schließlich auch die wissenschafts- und allgemeinpolitische Pointe und der wahre Kern der vielen schlechten und der weniger schlechten Argumente, die Adorno und Habermas im sogenannten .,Positivismusstreit in der Deutschen Soziologie" ins Feld geführt, und für den Erfolg, den sie gehabt haben. Woran aber - wird der hartnäckige Frager vielleicht nicht aufhören zu fragen - kann man denn nun die Realität der Kernspaltung und den imaginären Charakter von Pegasus oder Gott erkennen, wenn das Kriterium der empirischen Anschauung wegfällt? Nun, man lasse sich durch diese Frage nicht abermals auf das Glatteis der universalen und darum illusorischen, aber nicht minder gefährlichen Methodologien führen: auf solche Fragen - noch einmal sei Feyerabend zustimmend erwähnt - gibt 42

s. 148.

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es keine Antwort, weil sie nach dem allgemeinen Kriterium fragen, das es eben nicht gibt. In concreto kann über die "Realität" von Kernspaltung geredet und entschieden werden- jedenfalls wenn man Fachwissenschaftler oder betroffener Bürger ist oder vielleicht beides. Das hier zu tun, würde den gegebenen Rahmen sprengen. Die Philosophie hat es nicht nur und nicht einmal primär mit Sprache zu tun: der Linguistic-Turn ist keine bleibende Errungenschaft der Philosophie unseres Jahrhunderts, wie viele meinen43, sondern ein verhängnisvoller Irrtum, der so rasch wie möglich rückgängig gemacht werden sollte. Das heißt nun beileibe nicht, daß sinnvoller (auch philosophischer) Umgang mit Sprache nicht mehr möglich ist, im Gegenteil, er ist dringend geboten. "Da das Wort ,Beobachtung' selbst oft mißbräuchlich verwendet wurde, werde ich in diesem ersten, negativen Teil meines Aufsatzes pedantisch auf mehr Sorgfalt im Umgang mit Wörtern drängen, als in der Wissenschaftsphilosophie gebräuchlich gewesen ist. Bezeichnenderweise war gerade die Philosophie der Bedeutungen für den Mißbrauch der Sprache weitgehend verantwortlich."44 Man kann m. E. diesen Mißbrauch u. a. auf die kurze Formel bringen: die analytische Philosophie hat alles getan, um den Unterschied zwischen "to da things with words" und "to do" bis zur Ununterscheidbarkeit zu vernebeln. Von den dadurch ermöglichten Verwirrungen leben nicht nur Wissenschaftstheorie und analytische Philosophie, sondern u . a. auch ihre jüngsten westdeutschen Sprößlinge, die sich an der Diskussion um die Erneuerung der "Praktischen Philosophie" beteiligen. Das Paradigma der Ersetzung von Sach- durch Sprachprobleme scheint noch lange nicht erschöpft zu sein und dürfte den Nachweis seiner Untauglichkeit noch lange überdauern. Die theoretische Philosophie hat es, um es positiv zu wenden, vorwiegend mit Abstraktionen zu tun. Das immer erneut reproduzierte, ständig enttäuschte und wiedererzeugte Bedürfnis nach Philosophie ergibt sich aus dem Zwang zum Gebrauch von Abstraktionen, dem damit verbundenen individuell-kollektiven ideologischen Mißbrauch und den Fehlern im Umgang mit diesen Abstraktionen, die doch für alle Erfahrung, Erkenntnis und die Wissenschaften unentbehrlich sind. Nicht "systematically misleading expressions", sondern 'systematically misleading abstractions' und das Bedürfnis nach allgemeinen Grundle43 "Die Antwort auf die Frage nach dem transzendentalen Subjekt der Wissenschaft muß vielmehr, wie ich glaube, durch die wirkliche Errungenschaft der Philosophie dieses Jahrhunderts vermittelt sein: durch die Einsicht nämlich in den transzendentalen Stellenwert der Sprache und damit der Sprach-Gemeinschaft" (K.-0. Apel, Die Kommunikationsgemeinschaft als transzendentale Voraussetzung der Sozialwissenschaften, in: ders. Transformation der Philosophie, Bd. 2, 1973, S. 220). 44 Hacking, S. 127 f .

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gungenund systematischen Vermittlungen des Wissens auf bestimmten Gebieten mit dem Erfahren und Wissen auf allen anderen Gebieten: das Bedürfnis nach Erkenntnis als "Wissenschaft" und "System" im Kant-Hegelschen Sinne- das ist es, was Philosophie in Gang hält. Dabei verhindern die existierende wissenschaftliche und gesellschaftliche Arbeitsteilung in der Regel, daß es zu dauerhaften Lösungen kommt. Nur dort, wo Philosophen in die konkrete wissenschaftliche Arbeit eingreifen, gelingt es ausnahmsweise, das genannte Bedürfnis partiell zu befriedigen. In der Regel bleibt die Philosophie von der konkreten Wissenschaft getrennt und für sich und kann deshalb die Probleme, die sie lösen will, nicht lösen. Denn wer den konkreten Gebrauch bestimmter Abstraktionen nicht kennt, kann darüber auch nichts Vernünftiges, d. h. Erhellendes, Problemlösendes, sagen. In dieser Lage war und ist die Philosophie seit Jahrhunderten, wenn nicht von Anfang an gewesen. Der Logische Empirismus und sein angelsächsisches Kind, die philosophy of science, sind dafür ein besonders lehrreiches Beispiel: es ist nicht ohne Ironie (und auch nicht ohne eine gewisse Trauer) mitanzusehen, daß diese Philosophie, die sich der science bemächtigen und ihr nutzen wollte, nie zur wirklichen Wissenschaft gefunden hat. Und damit ist sie all das, was sie in ihrem Vorurteil über "die" Metaphysik dieser angedichtet hatte: schlechte, über ihren Gegenstand uninformierte, logisierende Philosophie. Feyerabend und seine temeramentvollen Plädoyers für die Überwindung der Beschränkungen des Logischen Empirismus und der Analytischen Philosophie sind sicher ein wirkungsvolles Hilfsmittel, solche Lehren aus dem Scheitern des Logischen Empirismus zu ziehen. Aber ebenso sinnvoll und hilfreich ist es, Feyerabends Rat entgegen sich mit bestimmten Formen des "abendländischen Rationalismus" zu beschäftigen: es gibt da noch manche Schätze für den angemessenen - dialektischen- Umgang mit Abstraktionen zu heben und für das Begreifen der Wirklichkeit fruchtbar zu machen.

Rückblick Als Verfasser dieser kritischen Würdigung der Wissenschaftstheorie des Logischen Empirismus und ihrer Entwicklung haben wir es mit Urmson, einem unserer renommierten Vorgänger, gehalten; er schreibt: "Weder Philosophie noch ihre Geschichte kann man in Paraphrasen und Zusammenfassungen studieren. Ein hinreichendes Verständnis der Methode der philosophischen Analyse zwischen den beiden Weltkriegen (sc. dies ist Urmsons Thema) kann nur aus den Originaltexten gewonnen werden. Und hier geht es nicht darum, eine zweitbeste Ersatzlösung dafür anzubieten, sondern vielmehr darum, jeden, der jene Texte studieren will, so zu informieren, daß er das in gezielter und methodischer Weise tun kann." Dies ist auch unsere Meinung und Absicht. Anders als Urmson sehen wir die Gefahr dieses Verfahrens nicht so sehr darin, daß unsere Zusammenfassungen den Eindruck vermitteln könnten, hier handle es sich nicht nur um ein "general pattern of thought", sondern um eine festgefügte Schule mit einer entwickelten Orthodoxie - nach unserer Auffassung ist zwischen einem allgemeinen Denkschema und Schulbildung bzw. Orthodoxie, jedenfalls was den Logischen Empirismus anbetrifft, kein sonderlicher Unterschied auszumachen. Eine Gefahr sehen wir eher darin, daß unsere dezidierte, sicherlich parteiliche, deshalb auch einseitige Kritik vielleicht gelegentlich überzeichnet ist und jedenfalls den flüchtigen Leser dazu verführen könnte, sich die Auseinandersetzung mit dem Logischen Empirismus allzu einfach zu machen. Wir hoffen deshalb, daß es uns gelungen ist, unsere Leser dazu zu provozieren, unsere Darstellung gegen den Strich zu lesen und sich durch das Studium der Originale selbst von ihrer Angemessenheit bzw. von der Berechtigung unserer Kritik zu überzeugen. Bei dem Versuch, dem Leser eine gezielte Auseinandersetzung mit dem Logischen Empirismus zu ermöglichen, geht es ohne selektive Einseitigkeit nicht ab; zum Ausgleich dafür haben wir uns ebenso um gezielte und möglichst umfassende Literaturhinweise bemüht. Und da im übrigen die affirmativ-apologetischen Darstellungen zum Logischen Positivismus, zum Logischen Empirismus, zur Analytischen Philosophie und Wissenschaftstheorie in der Überzahl sind, scheint uns unser Umgang mit den Logischen Empiristen auch nicht besonders unfair zu sein.

Literaturverzeichnis (Stand: Mitte 1981) I. Allgemeine Oberblicksliteratur 1. Bibliographien und Einführungen 2. Wichtige Schriftenreihen 3. Wichtige englische Reader 4. Wichtige deutsche Reader II. Suchorientierte Literaturhinweise 1. Entwicklung des Logischen Empirismus 2. Poppers Falsifikationismus 3. "Linguistic Turn": Sprachphilosophie 4. "Historie Turn": Wissenschaftsgeschichte 5. Verhältnis zu den Naturwissenschaften 6. Verhältnis zu den Gesellschaftswissenschaften 7. Externe Kritik III. Alphabetisches Verzeichnis nach Autoren

I. Allgemeine tiberblicksllteratur 1. Bibliographien und Einführungen

Vgl. die umfangreichen Literaturlisten in: Logical Positivism, hrsg. von A . J. Ayer, London 1959. Stegmüller, W .: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, 2 Bde., 6. verb. Aufl., Stuttgart 1976 u. 1979.

Spinner, H. F.: Pluralismus als Erkenntnismodell, Frankfurt 1974. Esser, H. I Klenovits, K. I Zehnpfennig, H.: Wissenschaftstheorie, 2 Bde., Stuttgart 1977. Essler, W. K.: Analytische Philosophie, Stuttgart 1972. Koenig, G.: Was heißt Wissenschaftstheorie?, Düsseldorf 1971. Leinfellner, W.: Einführung in die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, Mannheim 1965; 2. Aufl. 1967; 3. Aufl. 1980. Losee, J.: Wissenschaftstheorie. Eine historische Einführung, München 1977. Kutschera, F. v .: Wissenschaftstheorie, 2 Bde., Freiburg 1970. Prim, R. I Tilman, H.: Grundlagen einer kritisch-rationalen Sozialwissenschaft, Heidelberg 1975.

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Literaturverzeichnis

Ströker, E.: Einführung in die Wissenschaftstheorie, Darmstadt 1973. Seifert, H.: Einführung in die Wissenschaftstheorie, 2 Bde., München 1969 f. Theobald, D. W.: Grundzüge der Wissenschaftsphilosophie, Stuttgart 1973. Toulmin, St.: The Philosophy of Science, London 1953; deutsch: Einführung

in die Philosophie der Wissenschaft, Göttingen o. J.

Weingartner, P.: Einführung in die Wissenschaftstheorie, 2 Bde., Stuttgart 1971 f. · 2. Wichtige Schriftenreihen Boston Studies in the Philosophy of Science, hrsg. von R. C. Buck, R. S. Co-

hen u. M. W. Wartofsky, nordrecht 1963 ff.

Minnesota Studies in the Philosophy of Science, hrsg. von H. Feigl u. G.

Maxwell. Minnespolis 1956 ff.

Synthese Library, hrsg. von D. Davidson u. J. Hintikka, nordrecht 1958 ff. Schilpp, P. A. (Hrsg.): The Philosophy of Bertrand Russen, La Salle (Ill.), 4. Aufl. 1971.

-

The Philosophy of Rudolf Carnap, La Salle (Ill.) 1963. The Philosophy of Karl R. Popper, La Salle (Ill.) 1974.

An Zeitschriften sind besonders zu nennen: Erkenntnis, hrsg. v. R. Carnap u. H . Reichenbach, Nr. 1 - 7 (1930 - 1933). Vol. 8 (1939/40) The Journal of Unified Science (Erkenntnis). Vol. 9 ff. (1975 ff.) Erkenntnis. An international Journal of Analytic Philosophy. Editors: C. G. Hempel, W. Stegmüller, W. M. Essler. Neuausgabe der Bde. 1 - 8 mit einem Vorwort von W. Stegmüller, Dordrecht I Harnburg 1978. Mind. Philosophy of Science. Philosophical Quarterly. Proceedings of the Aristotelian Society. Journal of Philosophy. Philosophia Naturalis. Ratio. Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie. 3. Wichtige englische Reader

1. Analysis of Theories and Methods of Physics and Psychology, hrsg. von M. Radner u. St. Winokur, Minn. Stud., Vol. IV, Minnespolis 1970. 2. Beyond the Edge of Certainty, hrsg. von G. Colodny, Englewood Cliffs, New Jersey, 1965. 3. Classicals of Analytical Philosophy, hrsg. von R. R. Ammerman, New York 1965. 4. Concepts, Theories and the Mind-Body-Problem, hrsg. von H. Feigl, Minn. Stud. Vol. II, Minnespolis 1958.

I. Allgemeine Überblicksliteratur

171

5. The Critical Approach to Science and Philosophy. Essays in Honour of Kar! Popper, hrsg. von M. Bunge, London I Glencoe 1964. 6. Criticism and the Growth of Knowledge, hrsg. von I. Lakatos u. A. Musgrave, Cambridge 1970. 7. Essays in Honour of C. G. Hempel, hrsg. von N. Rescher, 1969. 8. Essays in Memory of lmre Lakatos, hrsg. von R. S. Cohen, P. K. Feyerabend u. M. W. Wartofsky, Boston Stud., Vol. 39, Dordrecht 1976. 9. Methodological and Historical Essays in the Natural and Social Sciences, hrsg. von R. S. Cohen u. M. W. Wartofsky, Boston Stud., Vol. 14, Dordrecht 1974. 10. The Foundation of Science and the Concepts of Psychology and Psychoanalysis, hrsg. von H. Feigl, Minneapolis 1958. 11. The Legacy of Logical Positivism, hrsg. von P. Achinstein u. S. Barker, Baltimore 1969. 12. The Linguistic Turn. Recent Essays in Philosophical Method, hrsg. von R. Rorty, London 1967. 13. Logic and Language, hrsg. von B. H . Kazemir, Dordrecht 1962. 14. Logical Positivism, hrsg. von A. J. Ayer, London 1959. 15. Mind, Matter and Method. Essays in Philosophy and Science, hrsg. von P. K. Feyerabend u. a., Minneapolis 1966. 16. The Nature and Function of Scientific Theories, hrsg. von G. Colodny, Pittsburgh 1970. 17. Readings in Philosophical Analysis, hrsg. von H. Feig! u. P . Sellars, New York 1949. 18. Readings in the Philosophy of Language, hrsg. von C. Travis u . J. F. Rosenberg, New York 1971. 19. Readings in the Philosophy of Science, hrsg. von H . Feigl u . M. Brodbeck, New York 1953. 20. Readings in the Philosophy of the Social Sciences, hrsg. von M. Brodbeck, New York 1971. 21. Roots of Scientijic Thought, hrsg. von Ph. Wiener u. A. Noland, New York 1957. 22. Historical and Philosophical Perspectives ot Science, hrsg. von R. H. Stuewer, Minn. Stud., Vol. V, Minneapolis 1970. 23. Philosophy in America, hrsg. von M. Black, 2. Aufl. New York 1967. 24. American Philosophy in the 20th Century. Sourcebook from Pragmatism to Philosophical Analysis, hrsg. von P. Kurtz, New York 1967. 25. Philosophical Analysis and History, hrsg. von W. H. Dray, New York 1966. 26. Philosophy and Anal ysis, hrsg. von M. Macdonald, Oxford 1954. 27. British Analytical Philosophy, hrsg. von B. Willams u . A. Montefiore. London 1966.

172

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32. Philosophy of Science Today, hrsg. von S. Morgenbesser, New York 1967. 33. Problems in the Philosophy of Science, hrsg. von I. Lakatos u. A. Musgrave, Amsterdam 1968. 34. Scientific Change, hrsg. von A. C. Crombie, London 1963. 35. Scientific Explanation, Space and Time, hrsg. von H. Feigl u. G. Maxwell, Minn. Stud., Vol. III, Minneapolis 1962. 36. Social Processes of Scientific Development, hrsg. von R. Whitley, London I Boston 1974. 37. The Structure and Development of Science, hrsg. von G. Radnitzky u. G. Andersson, Boston Stud., Vol. 59, Dordrecht 1979. 38. Studies in Philosophy, hrsg. von J. N. Findlay, New York 1966. 39. Theories of History, hrsg. von P. Gardiner, London I New York 1957. 4. Wichtige deutsche Reader

40. Neue Aspekte der Wissenschaftstheorie, hrsg. von H. Lenk, Braunschweig 1971. 41. Club Voltaire, Jahrbuch für Kritische Aufklärung, hrsg. von J. Szeszny, 4 Bde., München 1963 ff.

42. Deskription, Analytizität, Existenz, hrsg. von P. Weingartner, Salzburg I München 1966. 43. Erkenntnisprobleme der Naturwissenschaften, hrsg. von L. Krüger, Köln 1970.

44. Logischer Empirismus. Der Wiener Kreis, hrsg. von H. Schleichert, München 1975. 45. Grundfragen der Wissenschaften und ihre Wurzeln in der Metaphysik, hrsg. von P. Weingartner, Salzburg I München 1967. 46. Grundprobleme der großen Philosophen, hrsg. von H . Speck, Göttingen 1972 ff. 47. Gründe und Ursachen gesellschaftlichen Handelns, hrsg. von J. Ritsert, Frankfurt I New York 1975. 48. Fortschritt und Rationalität der Wissenschaft, hrsg. von G. Radnitzky u. G. Andersson, Tübingen 1980 (= Boston Stud., Val. 58, nordrecht 1978). 49. Methodologie der Philosophie, hrsg. von A . Kulenkampff, Darmstadt 1978. 50. Methodenprobleme der Wissenschaften vom gesellschaftlichen Handeln, hrsg. von J. Mittelstraß, Frankfurt 1979.

I. Allgemeine Überblicksliteratur

173

51. Natur und Geschichte (X. Deutscher Kongreß f. Philosophie) hrsg. von K. Hübner u. A. Menne, Harnburg 1973. 52. Konsequenzen kritischer Wissenschaftstheorie, hrsg. von Ch. Hubig u. W. v. Rahden, Berlin 1978. 53. Kritik und Erkenntnisfortschritt, hrsg. von I. Lakatos u. A. Musgrave, Braunschweig 1974 (vgl. Cambridge 1970). 54. Logik, Ethik, Theorie der Geisteswissenschaften (XI. Deutscher Kongreß f. Philosophie), hrsg. von G. Patzig, E. Scheibe u. W. Wieland, Harnburg 1977. 55. Logik der Sozialwissenschaften, hrsg. von E. Topitsch, Berlin 1960, 8. Aufl. Köln 1972. 56. Zur Philosophie der idealen Sprache, hrsg. von J. Sinnreich, München 1972. 57. Die Philosophie der normalen Sprache, hrsg. von E. v. Savigny, München 1969, 2. Aufl. Frankfurt 1974. 58. Philosophie und Wissenschaft, hrsg. von L. Landgrebe, Meisenheim 1972. 59. Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, hrsg. von Th. W. Adorno u. a., Darmstadt I Neuwied 1969, 4. Aufl. 1975. 60. Methodologische Probleme der Sozialwissenschaften, hrsg. von K. Acham, Darmstadt 1978. 61. Probleme der Wissenschaftstheorie, hrsg. von E. Topitsch, Wien 1960. 62. Sozialtheorie und soziale Praxis, hrsg. von H. Albert, Meisenheim 1971. 63. Moderne Sprachphilosophie, hrsg. von M. Sukale, Harnburg 1976. 64. Sprache und Analyse, hrsg. von R. Bubner, Göttingen 1968. 65. Theorie, Handeln und Geschichte. Erklärungsprobleme in den Sozialwissenschaften, hrsg. von B. Giesen u. M. Schmid, Harnburg 1975. 66. Theorien der Wissenschaftsgeschichte. Beiträge zur diachronen Wissenschaftsgeschichte, hrsg. von W. Diederich, Frankfurt 1974. 67. Theorie und Realität. Ausgewählte Aufsätze zur Wissenschaftslehre der Sozialwissenschaften, Tübingen 1964, 2. veränd. Aufl. 1972, hrsg. von H. Albert. 68. Das Universalien-Problem, hrsg. von W. Stegmüller, Darmstadt 1978. 69. Versuchungen. Aufsätze zur Philosophie P. K. Feyerabends, 2 Bde., hrsg. von H. P. Duerr, Frankfurt 1980/81. 70. Wahrheitstheorien. Eine Auswahl aus den Diskussionen über Wahrheit im 20. Jahrhundert, hrsg. von G. Skirbekk, Frankfurt 1977. 71. Zur Wissenschaftslogik einer kritischen Soziologie, hrsg. von J. Ritsert u. a., Frankfurt 1976. 72. Wissenschaftstheorie der Geisteswissenschaften, hrsg. von R. SimenSchäfer, Harnburg 1975. 73. Gesellschaftskritische Wissenschaftstheorie, hrsg. von P. Hucklenbroich u. H. Hülsmann u . a ., Kronberg 1974. 74. Wissenschaftstheoretisches Lexikon, hrsg. von E. Braun u. H. Hadermacher, Darmstadt 1978.

174

Literaturverzeichnis ß. Sachorientierte Literaturhinweise 1. Entwicklung des Logischen Empirismus

Da sich der Logische Empirismus selbst in die Traditionen des Empirismus und der Entwicklung der neueren Logik einordnet, werden als seine Vorläufer besonders genannt: die englischen Empiristen des 18. und 19. Jahrhunderts, vor allem Hume und Mill; unter den Logikern besonders Frege und Boole und schließlich der Österreichische Empirist - Sensualist E. Mach. Entscheidende Daten für Entstehung und Entwicklung des Logischen Empirismus sind: 1910: B. Russen, A. N. Whitehead, Principia Mathematica (maßgebliches System der modernen mathematischen Logik}. 1922: Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus; Berufung M. Schlicks auf den ehemals Machsehen Lehrstuhl in Wien, in den folgenden Jahren Entstehung des Wiener Kreises. 1929: Veröffentlichung des von Carnap, Hahn und Neurath verfaßten Manifests "Wissenschaftliche Weltauffassung- der Wiener Kreis". 1930: Übernahme der Zeitschrift "Annalen der Philosophie" durch Carnap und Reichenbach, Umbenennung in "Erkenntnis". Nach 1933: Mit der Machtergreifung durch den Faschismus in Deutschland Beginn der Auflösung des Wiener Kreises durch politische Verfolgung, Tod, Exil; Fortsetzung der Arbeit des Logischen Empirismus in den angelsächsischen Ländern und in Skandinavien. Zweite Hälfte der 50er Jahre: Beginn der Rezeption des Logischen Empirismus und der Analytischen Philosophie in der BRD (übersetzung von Poppers wichtigsten Arbeiten ins Deutsche; Publikation von Stegmüllers "Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie"). 1961: Auf dem Tübinger Soziologentag findet der sogenannte "Positivismusstreit in der deutschen Soziologie" zwischen Adorno und Popper statt, fortgesetzt in der Polemik zwischen ihren Schülern Habermas und Albert. 1962: Th. S. Kuhn veröffentlicht "The Structure of Scientific Revolutions". 60er und 70er Jahre: Wiederbelebung des Logischen Empirismus in den deutschsprachigen Ländern (außer der DDR). a) Zu dieser Entwicklung insgesamt vergleiche: Ayer, A. J .: Einleitung zu: Logical Positivism, London 1959. Kraft, V.: Der Wiener Kreis, Wien 1950, 2. Aufl. Wien I New York 1968. Stegmüller, W.: Hauptströmungen ..., Bd. 1, S. 526- 696. Russell, B.: Die Philosophie des Logischen Atomismus. Aufsätze zur Logik und Erkenntnistheorie 1908- 1918, übersetzt und eingeleitet von J . Sinn-

reich, München 1979.

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b) Zur Entwicklung des "Wiener Kreises" Die Zeitschrift "Erkenntnis" war von 1930 - 1938 das Publikationsorgan des "Wiener Kreises". Zum Verständnis auch des neueren Empirismus unentbehrlich ist die Kenntnis der in ihr publizierten richtungweisenden Arbeiten von: Carnap: Die alte und die neue Logik, EI, S. 12-26. - Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft, E II, s. 432-465. - Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache, E II, s. 219-241. - · über Protokollsätze, E 111, S. 215 - 228. - Psychologie in physikalischer Sprache, E 111, S. 107- 132. -

Rezension von Poppers "Logik der Forschung", E V, S. 290 - 294.

Neurath: Wege der wissenschaftlichen Weltauffassung, EI, S. 106- 125.

-

Soziologie im Physikalismus, E II, S. 393-431. Protokollsätze, E 111, S. 204- 214. Radikaler PhysikaUsmus und wirkliche Welt, E IV, S. 346-362.

Reichenbach, Der physikalische Wahrheitsbegriff, E II, S. 156- 171. -- über Induktion und Wahrscheinlichkeit (Kritik an Poppers Logik der Forschung), E V, S. 267 ff. Popper: Ein Kriterium des ernirischen Charakters theoretischer Systeme, E 111, S. 426-427.

An kritischen und selbstkritischen Arbeiten, die zu unrecht vergessen

worden sind, wären zu nennen: Zilsel: Bemerkungen zur Wissenschaftslogik, E 111, S. 143- 161. Vogel: Bemerkungen zur Aussagentheorie des radikalen Physikalismus, E IV, s. 397-418.

Und die Popper-Rezensionen von Carnap, Reichenbach und Neurath. Textsammlungen bei: Schleichert, Krohn, Hegselmann, Schilpp. Zur Kritik am Wiener Kreis vergleiche: Ettelt: Die Erkenntniskritik des Positivismus und die Möglichkeit der Metaphysik, Amsterdam 1980. Lüscher: Die linke Ecke des Wiener Kreises, in: Analyse und Kritik 2 (1979), s. 182 ff. Mohn: Der logische Positivismus, Frankfurt 1977. Schnitzler: Zur "Philosophie" des Wiener Kreises, München 1980.

176

Literaturverzeichnis c) Hinweise zu Carnaps weiterer Philosophie

Carnaps Philosophie erschöpft sich nicht in seinen Beiträgen für die .,Erkenntnis". Bekannt geworden ist er vor allem durch .,Der logische Aufbau der Welt" (1928, 3. Aufl. München 1979). Weitere wichtige Arbeiten sind: Scheinprobleme der Philosophie, Berlin 1928, Neuausgabe mit Nachwort von G. Patzig, Frankfurt 1966. Logische Syntax der Sprache, Wien 1934, Wien I New York 19682 • Meaning and Necessity, Chicago 1947 (deutsch: Wien 1972). Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften, München 1976. Eine zusammenfassende Würdigung kann hier nicht versucht werden; vgl. dazu etwa: The Philosophy of Rudolf Carnap, ed. by P. A. Schilpp, La Salle/Ill. 1963. Krauth, L.: Die Philosophie Carnaps, Wien 1970. Stegmüller, W.: Hauptströmungen ..., Bd. 1, S. 351-428. - Probleme und Resultate ..., besonders Bd. 2. 1, S. 293- 361. Kambartel, F.: Erfahrung und Struktur . .. , S. 149 - 198. Wandschneider, D.: Formale Sprache und Erfahrung. Carnap als Modellfall,

Stuttgart 1975. Carnaps Wirksamkeit ist sicher nach wie vor erheblich - geradezu kanonische Geltung haben seine Auffassungen für Leinfellner, Carnap nahe steht u. a. auch Essler. Und vor allem die allgemeine Weiterentwicklung seiner empiristischen Grundhaltung und seines Metaphysik-Verdikts ist sicher kaum zu überschätzen. Von bleibenden Ergebnissen seiner wissenschaftstheoretischen Arbeit kann indessen allenfalls was Einzelheiten, nicht was seine wissenschaftstheoretische Systemkonzeption im ganzen anbetrifft die Rede sein: selbst ein Carnap so sympathisch gegenüberstehender Autor wie Stegmüller kommt zu einem insgesamt negativen Ergebnis. 2. Poppers Falsifikationismus

a) Schriften zur Wissenschaftstheorie Popper, K.: Zuschrift an die Herausgeber, in: Erkenntnis 3, 1933, S. 426 f.

-

(auch in: .,Logik der Forschung", 2. Auflage, S. 254 ff.; diese kleine .,Zuschrift" enthält die Grundidee der .,Logik der Forschung"). Logik der Forschung, 1. Auflage Wien 1934, 2. Auflage Tübingen 1966, 6. Auflage 1976. Conjectures and Refutations, London 1963 u. ö. Objective Knowledge. An Evolutionary Approach, Oxford 1972; deutsche Übersetzung: Harnburg 1973. Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Aufgrund von Manuskripten aus den Jahren 1930-33 herausgegeben von T. E. Hansen, Tübingen 1979. b) Weitere wichtige Arbeiten Poppers

The Open Society and it's Enemies, 2 Bde., London 1945 u. ö. The Poverty of Historicism, London 1957.

II. Sachorientierte Literaturhinweise

177

"Was ist Dialektik?" und .,Prognose und Prophetie in den Sozialwissenschaften", in: Logik der Sozialwissenschaften, hrsg. von E. Topitsch, Köln I Berlin 1965, S. 262 ff. b. S. 113 ff. Poppers Autobiographie, in: The Philosophy of Karl Popper, 1974, Bd. 1, s. 1- 181. c) Gesamtdarstellungen, Rezensionen, Kritik Reichenbach, H.: Antwort auf die Zuschrift, in: Erkenntnis 3, 1933, S. 427 f.

-

über Induktion und Wahrscheinlichkeit. Bemerkungen zu Karl Poppers "Logik der Forschung", in: Erkenntnis 5, 1935, 267 - 284.

Neurath, 0.: Pseudorationalismus der Falsifikation, in: Erkenntnis 5, 1935,

s. 353-65.

Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, hrsg. von T. W. Adorno u. a., 1969. Stegmüller, W.: Haupströmungen ... , Bd. 1, S. 392 ff., 445 ff.

-

Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, 2. Auflage 1969, 3. Kapitel. Probleme und Resultate . . ., Bd. 2, S. 189 ff.

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d) Zu Poppers Einfluß auf die Philosophie der Sozialwissenschaften Logik der Sozialwissenschaften, hrsg. von E. Topitsch, Berlin 1960. Ryan, A.: The Philosophy of the Social Sciences, London 1970. Theorie, Handeln und Geschichte, hrsg. von Giesen I Schmid, Harnburg 1975.

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Bayertz, K.

3. "Linguistic Turn": Sprachphilosophie

Seit 50 Jahren wird die philosophische Entwicklung in England und den USA im Anschluß an Wittgenstein weitgehend beherrscht von der Diskussion um analytische Philosophie und Philosophie der normalen Sprache. Obgleich im Text nicht weiter behandelt, werden hier wenigstens einige Hinweise auf einschlägige Literatur zu dieser sprachphilosophischen Wende des Logischen Empirismus gegeben, die in der BRD vor allem von Savigny und Tugendhat vertreten wird. 12 Tuschllng

Literaturverzeichnis

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a) Sprachphilosophische Quellentexte Wittgenstein, L.: Tractatus Logico-Philosophicus, 1921.

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12°

180

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:zu den Naturwissenschaften

Reduziert auf die Physik galt und gelten die Naturwissenschaften den Logischen Empiristen als das Paradigma wissenschaftlicher Erkenntnis schlechthin. Vergleiche dazu die PhysikaUsmus-Debatte von Carnap bis Quine und Hellman I Thompson: Text II. 3. a) Zur naturwissenschaftlichen Selbstinterpretation Boltzmann, L.: Theoretical Physics and Philosophical Problems. Vienna

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Während die Naturwissenschaften von der logisch-empiristischen Interpretation ihres Tuns unbeeindruckt ihre Arbeit fortsetzen, waren namentlich der Theoriebegriff Poppers und das Modell deduktiv-nornelogischer Erklärungen Hempels von großem Einfluß auf Soziologie, Geschichte, Psychologie und sogar Kunstwissenschaften. a) Repräsentative Reader Methodelogische Probleme der Sozialwissenschaften, hrsg. von K. Acham, Darmstadt 1978. Philosophical Analysis and History, hrsg. von W. Dray, New York 1966. The Philosophy of History, hrsg. von P. Gardiner, Oxford 1974. Theorie, Handeln und Geschichte, hrsg. von B. Giesen und M. Schmid, Harnburg 1975.

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Kritik am Logischen Empirismus, die nicht auf die eine oder andere Weise seine Grundvoraussetzungen teilte, ist selten oder wenn, dann höchst pauschal gewesen. Verwiesen sei auf die Kritik der Frankfurter Schule und die orthodox-marxistische Kritik. Die "Erlanger Schule" versteht sich zwar selbst als Alternative zu Logischem Empirismus und Kritischem Rationalismus, ohne aber deren methodische Prämissen, z. B. die Logik als Organon und den Reduktionismus auf Sprachprobleme, wirklich aufzugeben. Sie stellt daher im strengen Sinne keine externe Kritik des im Text behandelten und kritisierten philosophischen Programms dar. a) Kritik der Frankfurter Schule Adorno: Zur Logik der Sozialwissenschaften, in: Der Positivismusstreit in

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Personenregi8ter Acham 173, 181, 184 Achinstein 171, 184 Adorno 9, 11, 12, 97, 128, 165, 173, 174, 177, 183, 184, 193 Agassi 123, 184 Ajdukiewicz 184 Albert 9, 80, 97, 99, 127, 157, 173, 174, 182, 183, 185, 191, 201 Ammermann 170, 185 Anderssan 105, 172, 180, 185, 192, 193, 195,201,203,208,209,210 Anseambe 178, 209 Apel 6, 18, 37, 55, 166, 182, 185 Aristoteles 105, 192 Augustin 188 Austeda 185 Austin 178, 185 Aydelotte 182, 185 Ayer 10, 128, 169, 171, 174, 178, 185 Bachmeier 186 Baltzer 181, 186 Bar-Hillel 186 Barker 171, 184 Barnes 186 Bartley 186 Bayertz 62, 102, 128, 161, 177, 183, 186 Beerling 179, 186 Bensch 186 Berger 179, 184, 186 Berkson 186 Bernal186 Bieri 186, 204 Billing 186 Black 171, 186 Blumenberg 114, 186 Böhler 186 Böhme 181, 182, 186, 195, 196 Bohnert 39 Boltzmann 68, 180, 187 Boole 13, 56, 174 Borkenau 114, 187 Born 180, 187 Borst 96, 187 Bosch 34, 60, 203 Bourbaki 206 Braun I Hadermacher 173 Bridgman 187 Brodbeck 171, 187, 190 Bubner 173. 187 Bucharin Ui4

Buchdahl 187 Buck 170 Buhr I Sehreiter 183, 187 Bunge 171, 177, 181, 187, 190, 191 Butts I Davis 191 Cahnmann I Boskoff 182, 187 Carnap 7, 9, 11, 12, 13, 14, 15, 17, 19, 22, 23, 24, 25, 29, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 39, 40, 41, 42, 46, 52, 56, 57, 58, 60, 61, 62, 64, 65, 66, 67, 68, 70, 71, 72, 73, 75, 76, 77, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 99, 100, 101, 110, 115, 116, 117, 126, 131, 144, 147, 158, 159, 162, 164, 170, 174, 175, 176, 180, 181, 187, 188, 190, 197, 205 Cassirer 146 Caton 179, 188 Church 188 Clagett 188 Cohen,R.S. 170,171,180, 186,188,205 Colodny 30, 170, 171, 188, 191, 194, 205 Comte 11 Crombie 172, 188, 197 Currie 198 v. d. Daele 182, 186 Danto 172, 182, 188 Davidson 96, 170, 179, 188, 189 Deloria 153, 154, 155, 156 Demm 189 Descartes 187 Dewey 183 Diamond 178, 209 Diederich 112, 173, 180, 181, 186, 189, 197, 206, 207 Dilthey 114 Dingler 180, 189 Döhmann 189 Donagan 50, 182, 189 Dray 6, 50, 171, 181, 182, 189 Drieschner 189 Duerr 130, 173, 189, 191 Duhem 114, 189 Duncker 32, 187 Eccles 202 Einstein 205 Elkana 189, 190 Esser u. a. 55, 104, 169, 177, 190

212

Personenregister

Essler 55, 60, 169, 170, 176, 190 Ettelt 175, 190 Euler, L. 189 Euler, W. 6 Feibleman 190 Feig! 39, 81, 95, 96, 170, 171, 172, 187, 190 Feyerabend 5, 7, 15, 16, 17, 27, 39, 47, 48, 49, 50, 52, 54, 57, 63, 64, 97, 98, 99, 102, 105, 107, 111, 112, 115, 123, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 137, 138, 139, 140, 148, 149, 150, 151, 153, 154, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 165, 167, 171, 173, 177, 180, 189, 190. 191, 192 Fichte 146 Findlay 172, 192 Flach 64, 184, 192 Fleck 114, 142, 180, 192 Flew 179, 192 Fodor 179, 192 Frank 181 Frege 13, 56, 174, 192 Freud 11 Frey 179, 189, 192, 200 Friedman 192 Gabriel192 Galilei 146, 188 Gardiner 172, 181, 192 Gethmann 57, 64, 184, 192 Giesen I Schmid 6, 17, 37, 40, 50, 55, 173, 177, 181, 189, 192, 194, 200, 201 Gill 192 Garnbrich 183, 192 Goodfield 208 Goodman 183, 192, 193, 202 Grene 181, 193 Grosseteste 188 Grünbaum 181, 193 Baack 193 Habermas 6, 9, 10, 11, 12, 55, 97, 165, 174, 183, 193 Hacker 193 Hacking 7, 130, 131, 132, 133, 134, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 150, 154, 156, 160, 161, 162, 163, 166, 193 Hagström 193 Hahn 67, 68, 69, 174 Haller 193 Haller I Rutte 201 Hansen 176, 202 Hanson 49, 52, 128, 131, 132, 134, 139, 161, 179, 193 Harding 193 Hardwick 14, 193 Harman 179, 189

128, 135, 143, 165,

135,

Harre 193 Healey 81, 193 Hege! 10, 26, 38, 54, 63, 65, 70, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 114, 128, 136, 139, 141, 143, 144, 145, 146, 147, 149, 150, 151, 152, 155, 164, 167 Hegselmann 11, 80, 175, 193, 201 Heidegger 65, 67, 157, 158 Heintel193 Helherger 193 Hellmann I Thompson 81, 180, 193 Hempel 17, 18, 22, 25, 37, 48, 50, 53, 60, 68, 75, 93, 170, 171, 181, 182, 189, 194 Heringer I Nedo 194 Hersehe!, C. 132, 137, 164 Hersehe!, W. 137, 138 Hesse 30, 48, 49, 52, 69, 113, 135, 161, 194 Hessen 194 Hintikka 170, 189, 194 Hodgson 194 Hoffmeister 139 Holton I Roller 194 Holzkamp 182, 194 Horkheimer 183, 194 Horstmann 139, 186, 194, 204 Howson 194 Hubig I v. Rahden 173, 184, 194 Hucklenbroich I Hülsmann 173, 195 Hübner 105, 173, 180, 191, 195, 196, 200 Hülser 195 Hume 34, 53, 97, 126, 128, 174, 190, 206 Hund 180, 195 Jammer 180, 195 Janich 116, 181, 184, 195 Jarvie 195 v . Juhos 61 , 81, 85, 88, 89, 90, 94, 161, 195 Kaiser 183, 196 Kambartel 13, 116, 176, 184, 195, 196 Kamlah, A. 39, 181, 186, 203 Kamlah, W. 196 Kant 26, 28, 54, 58, 79, 109, 134, 136, 141, 143, 144, 145, 146, 147, 154, 158, 159, 162, 167, 186, 187, 189, 190, 205, 206, 207 Katz 178, 179, 192, 196 Kazemir 171, 196 Kenny 196 Keuth 183, 184, 196 Kirk 96, 196 Kitcher 196 Klaus 56 Klemke 14, 179, 196 Kneale 26, 48, 56, 63, 152, 161, 197 König 169, 197 Koertge 197

Personenregister Körner 181, 197 Kopernikus 163 Kordig 197 Koyre 114, 179, 197 Kraft 11, 12, 13, 174, 190, 197 Krauth 176, 197 Krige 197 Krohn 175, 182, 186, 197, 210 Krüger 172, 181, 186, 191, 197, 198, 201, 204 Kuhn 5, 7, 16, 39, 48, 49, 50, 57, 97, 98, 102, 105, 106, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 128, 129, 130, 134, 137, 138, 140, 151, 174, 177' 180, 197, 198, 201, 204,206 Kulenkampff 172, 198 Kurtz 171 v. Kutschera 40, 100, 136, 169, 198 Lakatos 5, 50 108, 111, 112, 115, 116, 123, 171, 172, 173, 177, 180, 186, 191, 197, 198,200,202,204, 208 Landgrebe 173 Lang 198 Laudan 112, 123, 198 Laszlo 198 Leblanc 189 Lefevre 198 Lehrer 198 Leibniz 13 Leinfellner 169, 176, 198 Lenk 15, 172, 179, 198, 206 Lewis 198 Linsky 198 Locke 34, 134 Lorenz 14, 178, 198, 199, 205 Lorenzen 184, 189, 196, 199 Lorenzer 14, 178, 199 Losee 169, 199 Loubser u. a . 182 Ludwig 181, 199 Lübbe 192, 199 Lührs u. a. 182, 199 Lüscher 175, 199 Macdonald 171 Mach 12, 68, 174, 180, 199 Mandelbaum 193, 199, 200 Maninen 37, 185 Marczewski 200 Marek-Zelger 200 Marsh 33 Marx 10, 11, 80 Masterman 116, 200 Maxwell39, 170, 172, 190 Mayr 200 Mc Guinness 178, 186 Mc Mullin 200 Menne 173, 179, 189, 191, 195, 196, 200 Merton 114, 200

213

Michelsan I Morley 132, 133, 134, 154 Mill 11, 12, 174 Mink 200 Mittelstaedt 200 Mittelstraß 116, 172, 182, 184, 195, 196, 199,200,205 Mohn 11, 80, 175, 184, 200 Mojse 201 Montefiore 171 Moore 18, 127 de Morgan 56 Morgenbesser 172, 188 Müller 201 Munitz I Unger 201 Munitz 202 Musgrave 50, 111, 123, 171, 172, 173, 17~ 18~ 186, 191, 197, 198, 200, 201, 202, 208 Naess 201 Nagel 172, 201 Narski 9, 128, 183, 201 Natanson I Lundberg 201 Neurath 11, 14, 17, 21, 23, 29, 31, 38, 4~4~~.w.w,72.~,H.w,s~

81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 92, 93, 94, 98, 99, 100, 102, 103, 113, 128, 133, 159, 161, 174, 175, 177, 193, 201 Newton 51 , 191, 194 Nojakovicz 201 Noland 171 Ockham 13 Oelmüller 201 Oetjens 201 Oppenheim 17, 18, 22, 48, 53, 201 Pap 174, 201 Passmore 11, 175, 201 Patzig 173, 176, 188, 194, 202 Pfeifer 202 Pilot 202 Polanyi 202 Polya 149 Popper 5, 7, 9, 11, 12, 13, 15, 16, 17, 19, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 29, 30, 31, 32, 33, 36, 37, 38, 39, 43, 46, 47, 48, 49, 50, 51 , 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 66, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 79, 80, 87, 89, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 106, 108, 110, 117, 122, 127, 134, 135, 136, 151, 152, 154, 159, 162, 165, 170, 171, 174, 175, 176, 177, 181, 182, 186, 187, 189, 193, 195, 197, 198, 201, 202,203,205,206,207,208 Post 202 Prim I Tilman 169, 202 Ptolemäus 163 Putnam 39, 113, 179, 201, 202, 203

214

Personenregister

Quine 16, 21, 24, 26, 27, 28, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 39, 40, 49, 51, 52, 56, 58, 59, 60, 63, 64, 70, 79, 81, 99, 100, 101, 103, 113, 123, 128, 129, 135, 144, 148, 159, 161, 180, 203 Radner I Winokur 170, 191,203 Radnitzky 97, 105, 172, 180, 192, 193, 195, 201, 203, 208, 209, 210 Reichenbach 17, 30, 43, 47, 48, 61, 62, 63, 85, 94, 95, 99, 100, 103, 106, 108, 161,170,174,175,177,203,204 Rescher 171, 203 Rhees 178, 209 Riedel 13, 196, 200 Rischmüller 6 Ritsert 6, 40, 172, 173, 182, 203 Rorty 17, 171, 179, 204 Rosenberg 171, 179,204 Russen 10, 13, 18, 28, 33, 35, 56, 73, 127, 128, 144, 170, 174, 190, 204, 205 Ryan 37, 40, 47, 55, 177, 182, 204 Ryle 178, 204 Salmon 204 Salamun 204 Sandkühler 204 Saroyer 81 v. Savigny 14, 39, 60, 173, 177, 178, 204 Schäfer 105, 189, 192, 204 Scheffler 204, 205 Scheibe 173, 194, 202 SchUpp 26, 39, 48, 81, 96, 170, 174, 175, 176, 177, 187, 188, 190, 205 Schleichert 11, 58, 67, 79, 172, 175, 205 Schleifstein 102, 177, 183, 186 Schlick 12, 67, 72, 87, 89, 92, 94, 96, 174, 190, 205 Schmidt 104, 182 Schnädelbach 183, 205 Schneider 205 Schnelle 192

~~:i~!;r1 ~;~,2~~4, 205 Schwartz 178, 205 Schwemmer 184, 199,205 Searle 172, 178, 205 Seeger 188, 205 Seifert 170, 205 Sellars 81, 95, 96, 171, 187 Shahan 81, 203 Shapere 205 Shibles 205 Shimony 206 Simon-Schäfer 173, 182, 206 Sinnreich 14, 34, 39, 60, 173, 174 204 206 • , Skirbekk 173 Smart 96, 206 Sneed 111, 130, 204, 206

Specht 179, 206 Speck 172,179,206 Sperrcer 11 Spinner 102, 129, 169, 182, 206 Spohn 179, 202 Stachel 188 Stegmüller 11, 13, 14, 15, 20, 21, 22, 23, 25, 29, 30, 33, 38, 40, 41, 48, 51, 52, 53, 56, 59, 60, 62, 68, 69, 71, 72, 73, 74, 78, 79, 85, 86, 89, 92, 93, 98, 99, 100, 101, 103, 105, 108, 110, 111, 123, 124, 128, 130, 135, 136, 144, 159, 161, 169, 170, 173, 174, 176, 177, 179, 180, 204, 206 Stenius 14, 206 Strawson 33, 206 Streater I Wightman 181, 207 Ströker 105, 170, 177, 184, 207 Strohmeyer 207 Stuewer 171, 187, 194, 200, 207 Sukale 74, 173, 179, 204, 207 Suppe 198, 207 Suppes 172, 194, 207 Szczesny 172, 191 Tarski 207 Teller 181, 207 Terricabras 179, 207 Thackray 207 Thales 67 Theobald 170, 207 Topitsch 63, 80, 157, 173, 177, 182 190 202,204,207 , , Toulmin 49, 52, 111, 112, 123, 128, 161, 170, 180, 195, 200, 207, 208 Travis 171, 204 Tugendhat 177, 179,208 Tuomela 37, 185, 208 Tuschling 6, 10, 12, 28, 58 Urbach 108, 208 Urmson 10, 125, 126, 159, 168, 175, 178 185, 208 , Vogel 61, 81, 85, 93, 94, 175, 208 Waismann 178, 209 Wandschneider 176, 208 Warnock 178, 185, 208 Wartofsky 17, 20, 78, 101, 105,113,123, 151, 161, 170, 171, 180, 186, 188, 191 193, 208 , Watkins 108, 123, 208 Weingart 182, 208 Weingartner 27, 39, 170, 172,209 Wellmer 61, 62, 102, 106, 107, 128, 161, 177, 183, 209 Westmann 209 Wetzel184, 209 Weyl 181, 209

Personenregister White 172 Whitehead 13, 35, 56, 174 Whitley 172, 209 Wieland 173, 194, 202 Wiener 171 Wiggershaus 14, 179, 209 Williams 171 Winch 6, 15, 54, 182, 209 Wisdom 128 Wittgenstein 10, 13, 14, 15, 17, 18, 25, 29, 60, 64, 125, 126, 127, 128, 174, 177, 178, 179, 186, 193, 194, 196, 198, 201, 203,205,206,209

215

Woddger 207 Wolff, Chr. 54 Wolff, M. 149, 209 Worrall 108, 123, 198, 209 v. Wright 6, 17, 37, 55, 63, 178, 182, 209 Wuchterl 179, 209 Zahar 108, 123, 198, 210 Zecha 209 Zilsel 21, 32, 33, 52, 53, 61, 63, 72, 73, 74, 81, 85, 86, 90, 91, 92, 94, 101, 103, 114, 144, 145, 161, 175, 187, 197, 210