Kritik der praktischen Vernunft: Herausgegeben:Brandt, Horst D.;Mitarbeit:Klemme, Heiner F. 9783787316502, 3787316507

Kants »Kritik der praktischen Vernunft« hat bis auf den heutigen Tag den Rang eines herausragenden Grundwerks zur Begrün

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Kritik der praktischen Vernunft: Herausgegeben:Brandt, Horst D.;Mitarbeit:Klemme, Heiner F.
 9783787316502, 3787316507

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Immanuel Kant

Kritik der prakti chen Vernunft

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1•

IMMANUEL KANT

Kritik der praktischenVernunft Mit einer Einleitung, Sachanmerkungen und einer Bibliographie von Heiner F. Klemme herausgegeben von Horst D. Brandt und Heiner F. Klemme

FELIX MEINERVERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 50 6

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet ˇber abrufbar. ISBN 978 -3 -7873 -1650 -2

 Felix Meiner Verlag, Hamburg 2003. Alle Rechte vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfltigung und bertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und bertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bnder, Platten und andere Medien, soweit es nicht ‰‰ 53 und 54 URG ausdrˇcklich gestatten. Satz: H & G Herstellung, Hamburg. Druck und Bindung: G G P Media, P˛neck. Werkdruckpapier: alterungsbestndig nach ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100% chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de

Inhalt

Einleitung.Von Heiner F. Klemme . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Editorische Notiz.Von Horst D. Brandt . . . . . . . . . . . . .

LXIV

IMMANUEL KANT

Kritik der praktischen Vernunft Vorrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

Einleitung Von der Idee einer Kritik der praktischen Vernunft . .

18

Erster Teil Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft . . . . . .

21

erstes buch Die Analytik der reinen praktischen Vernunft . . . . . . . .

23

Erstes Hauptstˇck Von den Grundstzen der reinen praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

‰ 1. Erklrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ‰ 2. Lehrsatz I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ‰ 3. Lehrsatz II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ‰ 4. Lehrsatz III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ‰ 5. Aufgabe I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ‰ 6. Aufgabe II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ‰ 7. Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft . . . . ‰ 8. Lehrsatz IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 26 27 35 37 38 41 44

VI

Inhalt

I. Von der Deduktion der Grundstze der reinen

praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Von dem Befugnisse der reinen Vernunft, im praktischen Gebrauche, zu einer Erweiterung, die ihr im spekulativen fˇr sich nicht m˛glich ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

68

Zweites Hauptstˇck Von dem Begri¡e eines Gegenstandes der reinen praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

Tafel der Kategorien der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der Typik der reinen praktischen Urteilskraft . . . .

90 91

Drittes Hauptstˇck Von den Triebfedern der reinen praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

Kritische Beleuchtung der Analytik der reinen praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 zweites buch Dialektik der reinen praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . 145 Erstes Hauptstˇck Von einer Dialektik der reinen praktischen Vernunft ˇberhaupt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Zweites Hauptstˇck Von der Dialektik der reinen Vernunft in Bestimmung des Begri¡s vom h˛chsten Gut . . . . . . 149 I. Die Antinomie der praktischen Vernunft . . . . . . . 153 II. Kritische Aufhebung der Antinomie der

praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Inhalt

VII

III. Von dem Primat der reinen praktischen

IV. V. VI. VII.

VIII. IX.

Vernunft in ihrer Verbindung mit der spekulativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Unsterblichkeit der Seele, als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Dasein Gottes, als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ber die Postulate der reinen praktischen Vernunft ˇberhaupt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . W|e eine Erweiterung der reinen Vernunft, in praktischer Absicht, ohne damit ihr Erkenntnis, als spekulativ, zugleich zu erweitern, zu denken m˛glich sei? . . . . . . . . . . . . . . Vom Fˇrwahrhalten aus einem Bedˇrfnisse der reinen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der der praktischen Bestimmung des Menschen weislich angemessenen Proportion seiner Erkenntnisverm˛gen . . . . . . . .

161 164 167 177

180 190

196

Zweiter Teil Methodenlehre der reinen praktischen Vernunft . . . . . 199 Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Sachanmerkungen.Von Heiner F. Klemme . . . . . . . . . . . 219 Bibliographie.Von Heiner F. Klemme . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

Einleitung

I. Zur Entstehungsgeschichte und Problemstellung Die mit dem Druckjahr 1788 im Dezember 1787 1 bei dem Verleger Johann Friedrich Hartknoch in Riga erschienene Kritik der praktischen Vernunft ist nach der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785) Kants zweite Monographie zur praktischen Philosophie, die die schon in den sechziger Jahren avisierte, aber erst 1797 erfolgte Publikation der Metaphysik der Sitten vorbereiten soll. Zwar unterscheidet Kant bereits in der Grundlegung zwischen der »Kritik der reinen speculativen Vernunft«, wie er die Kritik der reinen Vernunft (1781) fortan auch nennt, und der »Kritik der reinen praktischen Vernunft« 2. Jedoch beabsichtigt Kant 1785 noch nicht, der reinen praktischen Vernunft eine Abhandlung zu widmen, die über den Diskussionsstand des dritten Abschnitts (»Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft«) der Grundlegung hinausführen muß, bevor die Metaphysik der Sitten ge1 Siehe

Kants Brief an Marcus Herz vom 24. Dezember 1787 (X 512) und das Schreiben von Friedrich August Grunert an Kant vom Dezember 1787 (X 506). ^ Die Kritik der praktischen Vernunft wird im folgenden nach der Paginierung ihres Abdrucks in Band V der Gesammelten Schriften (Berlin 1908, 21913) (= Akademie-Ausgabe) zitiert, die am Seitenrand der vorliegenden Ausgabe vermerkt ist. Die Kritik der reinen Vernunft (K.r.V.) wird unter Angabe der Originalpaginierungen (A und B) nach der Ausgabe von Jens Timmermann (Hamburg 1998), die Kritik der Urteilskraft unter Angabe der Paginierung in der Akademie-Ausgabe nach der Edition von H. F. Klemme (Hamburg 2001), der Briefwechsel ^ soweit möglich ^ nach der von Otto Schöndörffer und Rudolf Malter besorgten Auswahl (Immanuel Kant, Briefwechsel, Hamburg 31986) zitiert. Alle anderen Schriften Kants werden unter Angabe des Bandes nach der Akademie-Ausgabe zitiert. 2 IV 391; vgl. K.r.V. A 841/B 869.

X

Heiner F. Klemme

schrieben werden kann. Vielmehr vertritt er zu diesem Zeitpunkt noch die Auffassung, daß die Grundlegung aus zwei Gründen völlig ausreichend sei, als Grundlage und »Vorarbeitung« (IV 391) zur dogmatischen Metaphysik der Sitten zu dienen: 1. Während der theoretische Gebrauch der reinen Vernunft »ganz und gar dialektisch« sei, könne der moralische Gebrauch »selbst beim gemeinsten Verstande leicht zu großer Richtigkeit und Ausführlichkeit gebracht werden«. 2. In einer vollständigen »Kritik der reinen praktischen Vernunft« müßte »ihre Einheit mit der speculativen Vernunft in einem gemeinschaftlichen Princip« (IV 391) dargestellt werden. 3 Dies überschreite aber den Rahmen der Grundlegung, die sich daher auf eine Thematik beschränken kann, die weder eine vollständige Kritik der Kant läßt an dieser Stelle offen, ob und in welcher Form er dereinst eine »Kritik der reinen praktischen Vernunft« zu publizieren beabsichtigt. Allerdings vertritt er ^ wie bereits erwähnt ^ 1785 noch nicht die Auffassung, daß die Metaphysik der Sitten eine derartige »Kritik der reinen praktischenVernunft« notwendig voraussetzt. Demgegenüber ist die Kritik der praktischen Vernunft von 1788 gerade die Folge seiner neuen Ansicht, daß diese Kritik für die Metaphysik der Sitten unverzichtbar ist. ^ Vielleicht hat Kant, wie Paul Natorp (siehe V 496) meint, 1785 tatsächlich beabsichtigt, die »Kritik der reinen praktischenVernunft« nach der Metaphysik der Sitten zu publizieren. Wir wissen es nicht. Natorp beachtet aber nicht, daß die »Kritik der reinen praktischen Vernunft«, so wie sie von Kant nach 1785 konzipiert wird, nicht mehr mit der ursprünglichen Konzeption einer derartigen »Kritik« übereinstimmt. Diesen entscheidenden Differenzpunkt übersehen auch Lewis White Beck, Kants »Kritik der praktischenVernunft«, München 1974, 23 -24, Rüdiger Bittner, »Das Unternehmen einer Grundlegung zur Metaphysik der Sitten«, in: Höffe, O. (Hrsg.), Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Ein kooperativer Kommentar, Frankfurt am Main 1989, 13 -30, hier: 29, und Manfred Kuehn, Kant. A Biography, Cambridge 2001, 312. Wie noch zu erörtern sein wird, setzt die Kritik der praktischen Vernunft von 1788 die >Entdeckung< der Antinomie der reinen praktischen Vernunft voraus, von der Kant 1785 noch keinen Begriff hat. Gerade weil die reine Vernunft selbst in ihrem praktischen Gebrauch dialektisch ist, bedarf sie einer gründlichen Kritik, bevor die Metaphysik der Sitten geschrieben werden kann (vgl. dagegen IV 391). 3

Einleitung

XI

reinen praktischen Vernunft voraussetzt, noch im Ganzen einer Metaphysik der Sitten abzuhandeln ist, nämlich die »Aufsuchung und Festsetzung des obersten Princips der Moralität« (IV 392), des kategorischen Imperativs. Nachdem Kant jedoch zur Kenntnis nehmen mußte, daß die Grundlegung bei ihren Lesern und Rezensenten vielfach auf Unverständnis stieß und zahlreiche Einwände hervorrief, faßte er den Entschluß, eine zwischen der Grundlegung und der zukünftigen Metaphysik der Sitten vermittelnde »Kritik der reinen praktischen Vernunft« zu schreiben. Ohne diese teilweise sehr scharf formulierten und nicht immer unberechtigten Einwände, die sich gegen die apriorische Moralkonzeption im allgemeinen und gegen ihre behauptete Vereinbarkeit mit den Ergebnissen der Kritik von 1781 im besonderen richten 4, wäre die zweite Kritik in der vorliegenden Form vermutlich niemals geschrieben worden. Während nämlich die erste Kritik nachzuweisen versucht, daß unsere Verstandeskategorien nur dann objektive Bedeutung haben, wenn sie auf ein Mannigfaltiges unserer sinnlichen Anschauung bezogen werden, behauptet die Grundlegung, daß eine Erweiterung unserer Erkenntnis über die Grenzen der Sinnlichkeit hinaus sehr wohl möglich ist, wenn auch nur in praktischer Hinsicht: Wir sind frei handelnde Subjekte, die als Bürger des mundus intelligibilis dem Naturmechanismus des mundus sensibilis nicht unterworfen sind (vgl. IV 461- 463). Um an dieser Stelle nur zwei kritische Stimme zu zitieren, sei zunächst auf Gottlob August Tittel verwiesen, der sich mit folgenden Worten über die von Kant im dritten Abschnitt seiner Grundlegung dargelegte Deduktion des Moralgesetzes äußert: »Am Ende dieser ganzen Deduktion mußte sich nun freilich finden, daß auf solche Weise es dem obersten Begrif der ganzen Sittenlehre ^ so ganz an nichts geknüpft, durch nichts gestüzt, durchaus an HalSiehe hierzu die Hinweise in den »Sachanmerkungen« der vorliegenden Ausgabe. 4

XII

Heiner F. Klemme

tung mangeln müsse; und daß für den, der auch wissen möchte, wofür ? und warum etwas Pflicht sei? nur diese einzige und lezte Antwort übrig bleibe: weil es Pflicht ist ^ darum ist es Pflicht. Nun mußte es freilich völlig unbegreiflich seyn, wie dieser dürre, so ausgefeilte, so skeletirte Begrif von Pflicht ^ von allem Einfluß auf Glükseligkeit gesondert, von allem, was ihm einigen Reiz, Interesse und Liebenswürdigkeit geben konnte, so völlig entkleidet jemals ein wirksamer Bestimmungsgrund für den Menschen werden könne. Mehr braucht es nicht Sittlichkeit und Pflicht in ein eitles Schattenbild zu verwandeln. Um so mehr wird es Schattenbild, da man derselben die Freiheit ^ nicht in ihrer Realität und Wirklichkeit, sondern blos in der Idee (wäre sie auch an sich ein leerer Begrif und Traum) als Grund unterstellet. [...] Und das soll Grundlegung der Sitten seyn?« 5 In die gleiche Richtung zielt die Kritik von Hermann Andreas Pistorius: »Zuvörderst betreffen meine Zweifel den Begriff von der Freiheit Ueber Herrn Kant’s Moralreform (Frankfurt und Leipzig 1786; Nachdruck: Brüssel 1969), 92-93. Siehe auch das Referat dieses Textes in einer Rezension von Tittels Schrift in den Frankfurter gelehrte(n) Anzeigen, No. 43, 30. Mai 1786, 337-340, hier: 339; abgedruckt in: Landau, A. (Hrsg.), Rezensionen zur Kantischen Philosophie 1781-87, Bebra 1991, 399. ^ Ludwig Heinrich Jakob schreibt am 17. Juli 1786 an Kant: »Über ihre [Grundlegung zur] Metaphysik der Sitten scheint das Mißverständnis doch noch weit größer zu sein, als über Ihre Kritik [der reinen Vernunft]. Ich weiß nicht, ob ihnen die Broschüre von einem gewissen Tittel zu Gesichte gekommen ist, der Ihre Metaph. zu beurteilen wagt, ohne nur zu verstehen, wohin eigentlich Ihre Untersuchung zielt.« (1986, 308) Am 14. Mai 1787 führt Daniel Jenisch Kant gegenüber aus: »Ihre Grundlage zur Metaphysik der Sitten, mein Herr Prof., findt ungleich mehr Widerspruch unter den Gelehrten von meiner Bekanntschaft, als Ihre Kritik, und man will sich unmöglich überzeugen lassen, daß die Natur die Moral auf so tiefen Gründen gebaut habe, indessen haben mir einige Göttinger mit Enthusiasmus die höchst neuen und auffallenden Wahrheiten derselben geschrieben, alles sieht nur mit Sehnsucht Ihrer Metaphysik der Sitten entgegen.« (1986, 316). 5

Einleitung

XIII

selbst, dessen Ursprung, Inhalt und objective Gültigkeit. Die Freyheit soll das Vermögen eines Wesens seyn, einen Zustand anzufangen, so, daß seine Handlung nicht nach dem Naturgesetze wieder unter einer andern Ursache steht, welche sie der Zeit nach bestimmete. Ich frage: woher haben wir diesen Begriff ? Aus der Erfahrung, dieser einzigen Quelle, aus der nichtleere Begriffe fließen sollen, haben wir ihn nicht geschöpft, er ist also ein reiner Vernunftbegriff, oder der Vernunft wesentlich und gleichsam angeboren; aber darin hat er vor den sogenannten Ideen der reinen Vernunft, der psychologischen, cosmologischen und theologischen, nichts voraus; wodurch erlangt er also den Vorzug, nicht blos subjectiv und täuschend zu seyn, wie diese es sind? Woher erhält er allein diese objective Gültigkeit, daß er sich auf die Verstandeswelt anwenden, daß das, was er bezeichnet, nämlich die transcendente Freyheit, sich als eine Eigenschaft der Dinge an sich selbst, oder der Glieder dieser uns ganz unbekannten Welt prädicieren läßt?« 6 Es besteht also Klärungsbedarf, und Kant nimmt die auf Wunsch seines Verlegers für eine zweite Auflage in Angriff genommene Überarbeitung der Kritik der reinen Vernunft im Frühjahr 1786 7 nicht nur zum Anlaß, Einwände und Mißverständnisse auszuräumen, die gegen sein Hauptwerk erhoben worden sind. In der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung vom 21. November 1786 läßt der Königsberger Philosoph zudem eine Art Revisionsverhandlung vor dem »Gerichtshof« der »Kritik der reiAllgemeine deutsche Bibliothek, Band 66, 1. Stück, Mai 1786, 92-123, hier: 109 -110; Landau (Hrsg.) 1991, 326 -352, hier: 341. Zu weiteren Angaben siehe die »Sachanmerkungen«. 7 Siehe Kants Brief an L. H. Jakob vom 26. Mai 1786: »Ich bin eben jetzt damit beschäftigt, auf Ansuchen meines Verlegers eine zweite Auflage der Kritik, und mit ihr Aufhellung verschiedener Stücke derselben, deren Mißdeutung alle bisherigen Einwürfe hervorgebracht, zu veranstalten; [...] ihre Kraft wird von selbst wegfallen, wenn ihren falschen Deutungen der Vorwand genommen ist.« (1986, 298 -299) 6

XIV

Heiner F. Klemme

nen Vernunft« (A 751/B 779) ankündigen, die das Geschäft einer vollständigen Ausmessung unseres reinen Vernunftvermögens durch eine zusätzliche »Kritik der reinen praktischen Vernunft« ein für allemal abschließen soll. In dieser Ankündigung heißt es: »[...] auch wird, zu der in der ersten Auflage enthaltenen Kritik der reinen speculativen Vernunft, in der zweyten noch eine Kritik der reinen praktischen Vernunft hinzukommen, die dann eben so das Princip der Sittlichkeit wider die gemachten oder noch zu machenden Einwürfe zu sichern, und das Ganze der kritischen Untersuchungen, die vor dem System der Philosophie der reinen Vernunft vorhergehen müssen, zu vollenden dienen kann.« 8 Tatsächlich wird die zweite Auflage der Kritik der reinen Vernunft jedoch im April 1787 abgeschlossen und im Frühjahr des Jahres publiziert, ohne daß sich in ihr die angekündigte »Kritik der reinen praktischenVernunft« findet. Kant hat zwischenzeitlich seine Pläne geändert: Er verzichtet auf die »Kritik der reinen praktischen Vernunft« und bereitet stattdessen die Publikation der Kritik der praktischen Vernunft vor. Ein aufmerksamer Leser der neuen Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft hätte die Änderung seiner Pläne bereits bemerken können. Denn in dieser findet sich ein Satz, der die Veröffentlichung der zweiten Kritik bereits voraussetzt. Dieser Satz lautet: »Da ich während dieser Arbeiten schon ziemlich tief ins Alter fortgerückt bin (in diesem Monat ins vierundsechzigste Jahr,) so muß ich, wenn ich meinen Plan, die Metaphysik der Natur sowohl als der Sitten, als Bestätigung der Richtigkeit der Kritik der spekulativen sowohl als praktischen Zitiert nach: Landau (Hrsg.) 1991, 471- 472. Bereits in einem verlorengegangenen Brief an Friedrich Gottlob Born erwähnt Kant am 24. September 1786 dieses Unterfangen. Born antwortet Kant mit folgenden Worten: »Uebrigens freue ich mich ungemein schon im Voraus über den wichtigen Zusatz einer Critik der reinen praktischen Vernunft, womit Sie Ihr treffliches Werk [sc. die K.r.V., H. K.] noch mehr verschönern werden.« (X 470 - 472, hier: 471) 8

Einleitung

XV

Vernunft, zu liefern, ausführen will, mit der Zeit sparsam verfahren [...].« 9 Kant war also im April 1787 der Überzeugung, daß die Veröffentlichung der zweiten Kritik der Neuausgabe der ersten Kritik auf den Fuße folgen wird. Bereits in seinem Brief an Christian Gottfried Schütz vom 25. Juni 1787 kündigt er den unmittelbar bevorstehenden Abschluß seiner Arbeiten an: »Ich habe meine Kritik der praktischen Vernunft soweit fertig, daß ich sie denke künftige Woche nach Halle zum Druck zu schicken. Diese wird besser, als alle Kontroversen mit Feder 10 und Abel 11 (deren der erste gar keine Erkenntnisse a priori, der andere eine, die zwischen der empirischen und einer a priori das Mittel halten soll, behauptet), die Ergänzung dessen, was ich der spekulativen Vernunft absprach, durch reine praktische, und die Möglichkeit derselben beweisen und faßlich machen, welches doch der eigentliche Stein des Anstoßes ist, der jene Männer nötigt, lieber die untunlichsten, ja gar ungereimte Wege einzuschlagen, um das spekulative Vermögen bis aufs Übersinnliche ausdehnen zu können, ehe sie sich jener ihnen ganz trostlos scheinenden Sentenz der Kritik unterwürfen.« (1986, 320) Die Druckvorlage erreicht den Hallenser Drucker Friedrich August Grunert allerdings erst im Herbst 1787. Am 11. September des Jahres schreibt B XLIII. Eine parallele Formulierung findet sich in der Vorrede zur zweiten Kritik, in der Kant ebenfalls die erste und die zweite Kritik als die beiden Teile der einen Kritik begreift: »Man wird auch durch den ganzen Lauf der Kritik (der theoretischen sowohl als praktischen Vernunft)« (V 9 Anm.). ^ Beck vertritt mit Bezug auf B XLIII dagegen die Ansicht, daß Kant »erst nach dem April 1787« (1974, 26; vgl. 24, 27-28) den Plan gefaßt hat, die Kritik der praktischen Vernunft zu schreiben. 10 Der Göttinger Popularphilosoph Johann Heinrich Georg Feder gehörte seit der Publikation der Kritik der reinen Vernunft zu Kants entschiedensten Gegnern; siehe die »Sacherläuterungen«. 11 Jacob Friedrich Abel,Versuch über die Natur der speculativenVernunft zur Prüfung des Kantischen Systems, Frankfurt und Leipzig 1787 (Nachdruck: Brüssel 1968). 9

XVI

Heiner F. Klemme

Kant an Ludwig Heinrich Jakob: »Jetzt ist meine Kritik der praktischen Vernunft bei Grunert. Sie enthält manches, welches die Mißverständnisse der theoretischen heben kann. Unmittelbar wende ich mich nun auf die Bearbeitung der Kritik des Geschmacks, womit ich mein kritisches Geschäft schließen werde, um zum dogmatischen fortzuschreiten. Noch vor Ostern, denke ich, soll sie herauskommen.« (1986, 324) In seinem Schreiben an Carl Leonhard Reinhold vom 28. und 31. Dezember 1787 nennt Kant erneut das Beweisziel der nunmehr bereits vorliegenden Schrift: »In diesem Büchchen werden viele Widersprüche, welche die Anhänger am Alten in meiner Kritik [der reinenVernunft, H. K.] zu finden vermeinen, hinreichend gehoben, dagegen diejenige, darin sie sich selbst unvermeidlich verwickeln, wenn ihr altes Flickwerk nicht aufgeben wollen, klar gnug vor Augen gestellt.« 12 Aus diesem Brief wird auch deutlich, wie sich Kant die Aufgabenverteilung zwischen den ersten beiden Kritiken und der in Planung begriffenen »Critik des Geschmacks« vorstellt, die nach einigen konzeptionellen Änderungen 1790 als Kritik der Urteilskraft13 der gelehrten Welt vorgelegt werden wird. Kant führt aus: »So beschäftige ich mich jetzt mit der Kritik des Geschmacks, bei welcher Gelegenheit eine neue Art von Prinzipien a priori entdeckt wird, als die bisherigen. Denn der Vermögen des Gemüts sind drei: Erkenntnisvermögen, Gefühl der Lust und Unlust und Begehrungsvermögen. Für das erste habe ich in der Kritik der reinen (theoretischen), für das dritte in der Kritik der praktischen Vernunft Prinzipien a priori gefunden. Ich suchte sie auch für das zweite, und ob ich es zwar für unmöglich hielt, dergleichen zu finden, so brachte das Systematische, was 1986, 333 -336, hier: 334; vgl. auch 1986, 332, 334, 340. Zur Entstehungsgeschichte der dritten Kritik siehe H. F. Klemme, »Einleitung«, in: I. Kant, Kritik der Urteilskraft, hrsg. von H. F. Klemme, Hamburg 2001, XIII-XXI. 12 13

Einleitung

XVII

die Zergliederung der vorher betrachteten Vermögen mir im menschlichen Gemüthe hatte entdecken lassen und welches zu bewundern und womöglich zu ergründen mir noch Stoff gnug für den Überrest meines Lebens an die Hand geben wird, mich doch auf diesen Weg, so dass ich jetzt drei Teile der Philosophie erkenne, deren jede ihre Prinzipien a priori hat, die man abzählen und den Umfang der auf solche Art möglichen Erkenntnis sicher bestimmen kann ^ theoretische Philosophie,Teleologie und praktische Philosophie, von denen freilich die mittlere als die ärmste an Bestimmungsgründen a priori befunden wird.« (1986, 335) Die Kritik der praktischen Vernunft setzt demnach die triadische Struktur unseres (im weitesten Sinne verstandenen) Erkenntnisvermögens voraus, wobei ihre Aufgabe darin besteht, apriorische Prinzipien unseres Begehrungsvermögens (unseres Willens, unserer Willkür) nachzuweisen.Wenn es ihr gelingt, diesen Nachweis zu erbringen, so sind die dogmatischen Einwände gegen das Sittengesetz zurückgewiesen und die legitimen Ansprüche der reinen Vernunft gewahrt: Sie ist nicht nur wie die empirische Vernunft praktisch, sie ist »unbedingterweise praktisch« (V 15). In kritischem Licht betrachtet, zeigt sich nach Kant, daß die vermeintlichen Widersprüche innerhalb seiner Philosophie tatsächlich Widersprüche sind, in die sich die Verächter des apriorischen Kritizismus selbst verwickeln, weil sie auf der eindimensionalen Grundlage der empiristischen Konzeption der praktischen Vernunft argumentieren. Mit dieser Feststellung ist auch schon der Grund dafür genannt, warum Kant das ursprüngliche Projekt einer »Kritik der reinen praktischen Vernunft« einer Revision unterzieht. In Vorrede und Einleitung zur zweiten Kritik distanziert er sich von seinem älteren Vorhaben mit dem Hinweis, daß nicht die reine praktische, sondern die praktische Vernunft, die sich anmaßt, allein praktisch zu sein, einer Kritik bedarf, für die die reine praktische Vernunft

XVIII

Heiner F. Klemme

wiederum als Leitfaden dient. Es gibt insofern keine Parallele zwischen der Kritik der reinen spekulativen (theoretischen) Vernunft und der Kritik der reinen praktischen Vernunft, als die letztere überhaupt keiner Kritik bedürftig ist: Sie zeigt uns ihre eigene Wirklichkeit durch ein Faktum an, dessen wir uns a priori bewußt sind. 14 Während die Kritik der reinen Vernunft den Weg von der Möglichkeit des Denkens zur Wirklichkeit der Erkenntnis nachzeichnet, widmet sich die Kritik der praktischenVernunft der Frage, wie das, was als wirklich bereits feststeht, auch möglich sein kann. Obwohl die beiden Kritiken zusammen die Grundlagen »zu einer systematischen, theoretischen sowohl als praktischen, Philosophie als Wissenschaft« (V 12) legen, verhalten sich ihre Beweisziele dennoch zueinander invers: Die erste Kritik weist das Ansinnen der reinen spekulativen Vernunft zurück, die Bedingungen des Denkens für hinreichende Bedingungen der theoretischen ErkenntSiehe hierzu die Einleitung in die zweite Auflage der ersten Kritik (»praktische in unserer Vernunft liegende ursprüngliche Grundsätze als Data« der Moral; B XXVIII) und die Reflexion 7201: »Die Critik der practischen Vernunft legt die Unterscheidung der empirisch-bedingten practischen Vernunft von der reinen und gleichwohl doch practischen Vernunft und frägt: ob es eine solche, als die letzte ist, gebe. Die Möglichkeit davon kann sie a priori nicht einsehen, weil es das Verhaltnis eines Realgrundes zur Folge betrift, also muß etwas gegeben seyn, was lediglich aus ihr entspringen kan; und aus der Wirklichkeit kan auf die Moglichkeit geschlossen werden. Die moralische Gesetze sind von der Art, und dieses muß so bewiesen werden, wie wir die Vorstellungen von Raum und Zeit als Vorstellungen a priori bewiesen, nur mit dem Unterschiede, daß diese Anschauungen jene aber bloße Vernunftbegriffe betrift. Es ist hier nun der Unterschied, daß im theoretischen Erkentnis die Begriffe keine Bedeutung und die Grundsätze keinen Gebrauch als nur in Ansehung der Gegenstände [der] Erfahrung haben, im practischen dagegen viel weiter, nämlich auf alle vernünftige Wesen überhaupt gehen und von allen empirischen Bestimmungsgründen unabhängig, ja, wenn ihnen auch kein Gegenstand der Erfahrung correspondirte, die bloße Denkungsart und Gesinnung nach Principien schon gnug ist.« (XIX 275 -276) 14

Einleitung

XIX

nis zu halten, und die zweite Kritik weist den Anspruch der empirisch-praktischen Vernunft als dogmatische Anmaßung zurück, allein praktisch sein zu können. 15 Die Realisierung der zweiten Kritik setzt jedoch nicht nur die Erkenntnis, daß die reine praktische Vernunft als solche keiner Kritik bedarf, voraus, sondern auch die Einsicht, daß selbst die reine praktische Vernunft ihre Dialektik hat. 16 Nur wenn die dieser Dialektik zugrunde liegende Antinomie im Begriffe des höchsten Guts aufgehoben werden kann, ist das Beweisziel der Kritik, daß reine Vernunft praktisch ist, gesichert und das Moralgesetz, das die Beförderung des höchsten Guts gebietet, nicht als »phantastisch« 17 disqualifiziert. Es ist zu vermuten, daß Kants zwischen dem Herbst 1786 und dem Frühjahr 1787 erfolgter Entschluß, eine Kritik der praktischen Vernunft zu publizieren, maßgeblich durch diese Einsicht motiviert wurde. II. Aufbau und Inhalt der Schrift Unter Verzicht auf eine Transzendentale Ästhetik, strukturiert Kant die Kritik der praktischen Vernunft18 nach dem Muster der ersten Kritik: Neben einer Vorrede, in der ihr Titel Siehe Dieter Henrich, »Ethik der Autonomie«, in: ders. Selbstverhältnisse. Gedanken und Auslegungen zu den Grundlagen der klassischen deutschen Philosophie, Stuttgart 1982, 6 - 56, hier: 11-13. 16 Beck vertritt die Ansicht, daß Kant »der Inhalt des Buches [...] spätestens 1785 zum größten Teil klar vor Augen« (Beck 1974, 17) stand. 17 V 114; vgl. K.r.V. A 811/B 839 (»die moralischen Gesetze als leere Hirngespinste«). 18 Die zweite Kritik als solche gehört nicht zur Transzendentalphilosophie. In der ersten Kritik schreibt Kant unmißverständlich: Die »Transzendental-Philosophie [ist] eine Weltweisheit der reinen bloß spekulativen Vernunft. Denn alles Praktische, sofern es Bewegungsgründe enthält, bezieht sich auf Gefühle, welche zu empirischen Erkenntnisquellen gehören.« (K.r.V. A 15; vgl. A 329/B 386 und A 845/ B 873) In der Einleitung von 1787 ersetzt Kant das Wort »Bewegungs15

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erläutert und verschiedene Einwände gegen die kritische Philosophie aufgegriffen werden, und einer Einleitung, die von »der Idee einer Kritik der praktischen Vernunft« handelt, umfaßt die Schrift zwei Teile: Die »Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft« (»Analytik« und »Dialektik«) und die »Methodenlehre der reinen praktischen Vernunft«. Durch diesen mit der Schrift von 1781 in maßgeblichen Teilen parallelen Aufbau wird bereits angedeutet, daß die zweite Kritik auch die zweite Forderung zu erfüllen gedenkt, die nach Maßgabe der Grundlegung an die vollständige Ausmessung unseres praktischen Vernunftvermögens zu stellen ist, nämlich die Forderung, die Einheit der praktischen mit der theoretischen Vernunft nachzuweisen. Dieser Nachweis gelingt nach Kant durch den Begriff der Freiheit, dessen Realität durch das apodiktisch gewisse Moralgesetz gesichert ist: Der Freiheitsbegriff macht »den Schlußstein von dem ganzen Gebäude eines Systems der reinen, selbst der spekulativen, Vernunft aus, und alle andere Begriffe (die von Gott und Unsterblichkeit), welche, als bloße Ideen, in dieser ohne Haltung bleiben, schließen sich nun an ihn an, und bekommen mit ihm und durch ihn Bestand und objektive Realität, d. i. die Möglichkeit derselben wird dadurch bewiesen, daß Freiheit wirklich ist; denn diese Idee offenbaret sich durchs moralische Gesetz.« (V 3 - 4) Dieses System der reinen Vernunft ist vollendet, selbst wenn die Schrift von 1788 kein Prinzip anzugeben weiß, aus dem dieses System des theoretischen und praktischen Vernunftvermögens seinerseits abgeleitet werden könnte (siehe V 91).

gründe« durch »Triebfedern« (B 29). ^ In der Kritik der praktischen Vernunft nennt Kant die Deduktion des Begriffs des höchsten Guts allerdings »transzendental« (V 113).

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ErsterTeil, erstes Buch. Die Analytik der reinen praktischenVernunft Das erste Buch der »Elementarlehre«, die »Analytik«, soll beweisen, daß reine Vernunft unmittelbar praktisch ist, also unser Begehrungsvermögen unabhängig von empirischen Gründen bestimmt, die uns in Gestalt von Neigungen und Begierden gegeben sind (vgl. V 42). Der Argumentationsgang orientiert sich an der gegenüber der ersten Kritik »umgekehrten Ordnung« 19 von Grundsätzen (erstes Hauptstück), Begriffen (zweites Hauptstück) und Gefühl (drittes Hauptstück). Erstes Hauptstück. Kant strukturiert dieses Hauptstück durch die Unterscheidung zwischen einer Exposition (‰‰ 1- 8) und einer Deduktion (Abschnitt I) des obersten Grundsatzes der praktischen Vernunft (siehe V 46). Der Aufbau der Exposition 20 folgt der in neuzeitlichen Abhandlungen zu Philosophie und Naturwissenschaft 21 oftmals berücksichtigten geometrischen Methode (Definitio / Erklärung, Scholium / Anmerkung, Propositio / Lehrsatz, Quaestio / Aufgabe, etc.). Schulgemäß folgt im ersten V 90; vgl. 16. Zu dieser Thematik siehe Reinhard Brandt, »>Kritische Beleuchtung der Analytik der reinen praktischen Vernunft< (89 106)«, in: Höffe, O. (Hrsg.), Immanuel Kant. Kritik der praktischen Vernunft, Berlin 2002, 153 -172, hier: 155-161. 20 In der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft führt Kant aus: »Ich verstehe aber unter Erörterung (expositio) die deutliche (wenngleich nicht ausführliche) Vorstellung dessen, was zu einem Begriffe gehört; metaphysisch aber ist die Erörterung, wenn sie dasjenige enthält, was den Begriff, als a priori gegeben, darstellt.« (B 38) Unter einer transzendentalen Erörterung versteht Kant »die Erklärung eines Begriffes, als eines Prinzips, woraus die Möglichkeit anderer synthetischer Erkenntnisse a priori eingesehen werden kann.« (B 40) Die »Exposition des obersten Grundsatzes der praktischen Vernunft« (V 46) wird jedoch weder »metaphysisch« noch »transzendental« genannt. 21 Ein prominentes Beispiel ist Spinozas Ethica Ordine Geometrico demonstrata (1677). Kant selbst befolgte diese Methode beispielsweise in den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft (1786). 19

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Hauptstück auf die Expositio die Demonstratio, die Kant jedoch in Aufnahme der juridischen Terminologie Deduktion 22 nennt. In ‰ 1 werden eine Reihe von Nominaldefinitionen gegeben. Kant setzt mit dem Begriff praktischer Grundsätze ein, die er als Sätze definiert, von denen eine allgemeine Bestimmung unseres Willens ausgeht. Diese Grundsätze stellen praktische Gesetze dar, wenn sie als für den Willen jedes vernünftigen Wesens verbindlich erkannt werden. Können sie jedoch bloß für den Willen eines partikularen Subjekts Gültigkeit beanspruchen, handelt es sich um Maximen. Kants Ausführungen zur Unterscheidung zwischen hypothetischen und kategorischen Imperativen in dem als »Anmerkung« überschriebenen Abschnitt nimmt nur wenig Raum ein, weist er doch in der Vorrede ausdrücklich darauf hin, daß seine Schrift insofern die Grundlegung voraussetzt, »als diese mit dem Prinzip der Pflicht vorläufig Bekanntschaft macht und eine bestimmte Formel derselben angibt und rechtfertigt« 23. Praktische Regeln drücken nach Kant immer ein Sollen aus, wobei hypothetische Imperative die Mittel zu einem begehrten Zweck gebieten, während kategorische Imperative den Willen unabhängig von kontingenten Zwecksetzungen bestimmen. Kategorische Imperative stellen deshalb praktische Gesetze dar. Diese Imperative verlangen von uns zwar nicht, ohne Bezug auf materiale Zwecke zu handeln.Weil jede Handlung auf einen Zweck gerichtet sein muß, damit sie eine Handlung ist, wäre dies eine unmögliche Anforderung. 24 AllerIn einer Deduktion wird nachgewiesen, daß ich befugt bin, von einem bestimmten Rechtstitel Gebrauch zu machen; vgl. K.r.V. A 84/ B 116. 23 V 8; vgl. IV 421. 24 Dies stellt Beck ganz zutreffend heraus; siehe Beck 1974, 98, 117118 und 129, sowie Christoph Horn, »Wille,Willensbestimmung, Begehrungsvermögen (‰‰ 1-3, 19 -26)«, in: Höffe (Hrsg.) 2002, 43 - 61, hier: 58 - 59. 22

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dings fordern sie uns sehr wohl auf, bei der Bestimmung unseres Wollens von allen diesen zur Sinnlichkeit gehörenden materialen Zwecksetzungen zu »abstrahieren« 25. In den Lehrsätzen I-III (‰‰ 2- 4) präzisiert Kant den Unterschied zwischen Maximen und praktischen Gesetzen, indem er zwischen der Materie und der Form eines praktischen Grundsatzes unterscheidet. Seine These lautet, daß alle praktischen Prinzipien, die ein Objekt (Materie) zum Bestimmungsgrund des Willens voraussetzen, auf dem »Prinzip der Selbstliebe oder eigenen Glückseligkeit« (V 22) beruhen. Sie sind empirisch und kontingent gültig. In unserem Handeln gehen wir zwar immer von material gehaltvollen Maximen aus, aber nicht die Materie, sondern ihre Form entscheidet darüber, ob sie sich zu einem allgemeinen Gesetz für den Willen qualifizieren (‰ 4). Könnten wir demnach beweisen, daß unser Wille durch die Form seiner Maximen bestimmbar ist, würde dieser reine Wille im transzendentalen Sinne des Wortes frei sein (‰ 5, Aufgabe I). Der ‰ 6 (Aufgabe II) fragt nach dem Gesetz eines Willens, der nach ‰ 5 im transzendentalen Sinne des Wortes frei ist, also eine causa noumenon darstellt. Weil die dem Naturmechanismus unterworfene Materie einer Maxime nicht als solche die Form eines Gesetzes annehmen kann, bezeichnet die »gesetzgebende Form, sofern sie in der Maxime enthalten ist,« (V 29) den Bestimmungsgrund des Willens. Worin besteht diese »gesetzgebende Form«, und was berechtigt uns überhaupt zu der Annahme, daß die in ‰ 5 formulierte Voraussetzung zutreffend ist? In der »Anmerkung« zu ‰ 5 gibt Kant den entscheidenden Hinweis: Indem wir Maximen bilden, werden wir uns unmittelbar des moralischen als eines unbedingt praktischen Gesetzes bewußt. Wir urteilen, daß wir etwas können, weil wir etwas sollen, und erkennen dadurch zugleich unsere Freiheit, die uns ohne das Bewußtsein dieses Gesetzes völlig unbe25

V 21; vgl. 93, 109 sowie K.r.V. A 19/B 34 -A22/B 36.

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kannt bleiben würde. Mit anderen Worten: Die »gesetzgebende Form« unseres Willens besteht darin, daß wir uns selbst ein Gesetz unseres Wollens geben können. Wir können unsere Handlungsmaxime nicht nur daraufhin überprüfen, ob sie sich zu einem allgemeinen Gesetz qualifiziert, wir können unser Wollen auch dementsprechend bestimmen. In einer oft zitierten Fußnote der Vorrede findet Kant die treffende Formulierung für den zwischen dem Bewußtsein des Moralgesetzes und unserer ^ gesetzgebenden ^ Freiheit bestehenden Zusammenhang: »[...] so will ich nur erinnern, daß die Freiheit allerdings die ratio essendi des moralischen Gesetzes, das moralische Gesetz aber die ratio cognoscendi der Freiheit sei. Denn wäre nicht das moralische Gesetz in unserer Vernunft eher deutlich gedacht, so würden wir uns niemals berechtigt halten, so etwas, als Freiheit ist (ob diese gleich sich nicht widerspricht), anzunehmen.Wäre aber keine Freiheit, so würde das moralische Gesetz in uns gar nicht anzutreffen sein.« (V 4) Die »gesetzgebende Form«, durch die die reine Vernunft a priori unseren Willen bestimmt, wird in ‰ 7 als ein »Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft« formuliert: »Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.« (V 30) Diese Auskunft ist etwas verwirrend, denn dieses »Grundgesetz« ist nichts anderes als der kategorische Imperativ, der in der Grundlegung lautet: »handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.« (IV 421) Sie ist verwirrend, weil das »Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft« das Gesetz aller vernünftiger Wesen sein soll, also auch derjenigen, deren Wille nicht ^ wie bei uns Menschen ^ zugleich der Vernunft und der Sinnlichkeit unterliegt. Ganz in diesem Sinne schreibt Kant: Das Grundgesetz (Sittengesetz) »schränkt sich also nicht bloß auf Menschen ein, sondern geht auf alle endliche Wesen, die Vernunft und Willen haben, ja schließt sogar das unend-

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liche Wesen, als oberste Intelligenz, mit ein. Im ersteren Falle aber hat das Gesetz die Form eines Imperativs, weil man an jenem zwar, als vernünftigem Wesen, einen reinen, aber, als mit Bedürfnissen und sinnlichen Bewegursachen affiziertem Wesen, keinen heiligen Willen, d. i. einen solchen, der keiner dem moralischen Gesetz widerstreitenden Maximen fähig ist, voraussetzen darf.« (V 32) Kant formuliert in ‰ 7 das »Grundgesetz« also gerade nicht in seiner allgemeinsten, für alle vernünftigen Wesen gültigen Form, weil in dieser der Begriff der Maxime überhaupt nicht auftauchen dürfte (vgl. V 79). Vielmehr handelt es sich in ‰ 7 um das »Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft«, und zwar in der Weise, wie es Wesen, die wie wir Menschen keinen heiligen Willen haben, a priori zu Bewußtsein kommt. 26 Dieses Bewußtsein wird von Kant als ein »Faktum der Vernunft« interpretiert: »Man kann das Bewußtsein dieses Grundgesetzes ein Faktum der Vernunft nennen, [...] weil es sich für sich selbst uns aufdringt als synthetischer Satz a priori, der auf keiner, weder reinen noch empirischen, Anschauung gegründet ist« (V 31). Dieses nicht-empirische, apriorische Faktum beweist unmittelbar, daß reine Vernunft praktisch ist. Dem ‰ 8 (Lehrsatz IV) bleibt es vorbehalten, zwischen der »Autonomie des Willens« und der »Heteronomie der Willkür« (V 33) ^ »Wille« und »Willkür« werden von Kant andernorts oft promiscue verwendet 27 ^ zu unterscheiden. Weil unsere Willkür nicht durch die Materie unseres Wollens determiniert ist, wir also nicht dem Kausalgesetz des mundus sensibilis unterworfen sind, sind wir im negativen Sinne des Wortes frei. Diese Freiheit nennt Kant tranIn der zweiten Kritik nennt Kant das Grundgesetz nur einmal einen kategorischen Imperativ (vgl.V 32). Ansonsten zieht er die Pluralbildung (kategorische Imperative) vor, mit denen die aus dem einen kategorischen Imperativ abgeleiteten Pflichten bezeichnet werden (vgl. auch IV 421). 27 Vgl.V 36; zur Unterscheidung siehe VI 213 (Metaphysik der Sitten). 26

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szendental (vgl. V 3). Da das Moralgesetz aber das Gesetz eines freien Willens ist, der sich selbst bestimmt, erkennen wir uns auch in positiver Hinsicht als frei. 28 Dieser positive Freiheitsbegriff gibt der in der ersten Kritik bloß als transzendentale Idee gedachten Freiheit 29, die dank der Unterscheidung zwischen Ding an sich und Erscheinung der Naturkausalität nicht widerspricht, einen praktischobjektiven Gehalt. Das Grundgesetz ist das Gesetz eines Willens, der sich für sich selbst und unabhängig von äußeren, auf Neigungen und Begierden beruhenden materialen Objekten bestimmt. In der »Anmerkung I« erläutert Kant nochmals, daß die Heteronomie der Willkür auf der Vorstellung sinnlichmaterialer Objekte beruht, deren Existenz wir durch die Handlung hervorbringen möchten. Ergänzend weist er («Anmerkung II«) darauf hin, daß die Vorschriften der Moral »selbst für den gemeinsten Menschen« (V 35) vernehmbar sind, hebt erneut einige Eigenschaften und VorCarl Leonhard Reinhold erläutert den Unterschied zwischen negativer und positiver Freiheit wie folgt: »Allein beim Willen ist außer der Unabhängigkeit von dem Bestimmtwerden durch die objektiven Gründe, worin bloß das Negative der Freiheit besteht, auch noch das Vermögen der Selbstbestimmung, das Vermögen, einen von den veranlassenden Gründen zum bestimmenden zu erheben, das Positive der Freiheit vorhanden, wodurch dieselbe zur Freiheit des Willens wird [...].« Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie, 8. Brief (1792); zitiert nach: Bittner, R. / Cramer, K. (Hrsg.), Materialien zu Kants >Kritik der praktischenVernunftGrundlegung zur Metaphysik der SittenPure Reason of Itself Alone Suffices to Determine the Will< (42- 57)« in: Höffe (Hrsg.) 2002, 99 -114, und Klaus Steigleder, Kants Moralphilosophie. Die Selbstbezüglichkeit reiner praktischer Vernunft, Stuttgart, Weimar 2002, 96 -108. Siehe auch Dieter Schönecker, Kant: Grundlegung III. Die Deduktion des kategorischen Imperativs, Freiburg, München 1999. 33

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aber zur Verstandeswelt gehörigen reinen, für sich selbst praktischen Willens hinzukommt, welcher die oberste Bedingung des ersteren nach der Vernunft enthält; [...].« (IV 454) Aus dieser Textpassage wird zunächst folgendes deutlich: Kant vertritt auch 1785 keinesfalls die Ansicht, daß das Moralgesetz mit den Mitteln der theoretischen oder spekulativen Vernunft im transzendentalen Sinne des Wortes deduziert 34 werden kann.Vielmehr handelt es sich sowohl in der Grundlegung als auch in der zweiten Kritik um Deduktionen der reinen praktischen Vernunft. Allerdings hat sich das Deduktionsziel zwischen 1785 und 1788 verschoben: Deduziert Kant 1785 die Möglichkeit des einen kategorischen Imperativs aus der Idee der Freiheit, die nicht nur das Moralgesetz »enthält«, sondern uns gerade auch »zu einem Gliede einer intelligibelen Welt macht« (IV 454), so dient ihm 1788 das apriorische Bewußtseins des Moralgesetzes als Deduktionsprinzip unseres Freiheitsvermögens und damit von kategorischen Imperativen. Die Idee der Freiheit hat freilich auch in der Grundlegung einen faktischen Status 35, vertritt Kant in dieser Schrift doch als Bestätigung der Deduktion des Moralgesetzes die Ansicht, daß »selbst der ärgste Bösewicht, wenn er nur sonst Vernunft zu brauchen gewohnt ist, der nicht, wenn Nur der Begriff des höchsten Gutes kann ^ durch die Postulatenlehre ^ transzendental deduziert werden; siehe V 113; vgl. 126. 35 In ‰ 91 der Kritik der Urteilskraft begreift Kant die »Idee der Freiheit« ausdrücklich als Tatsache: »Was aber sehr merkwürdig ist, so findet sich sogar eine Vernunftidee (die an sich keiner Darstellung in der Anschauung, mithin auch keines theoretischen Beweises ihrer Möglichkeit fähig ist) unter den Tatsachen; und das ist die Idee der Freiheit, deren Realität, als einer besonderen Art von Kausalität (von welcher der Begriff in theoretischem Betracht überschwenglich sein würde), sich durch praktische Gesetze der reinen Vernunft und diesen gemäß in wirklichen Handlungen, mithin in der Erfahrung darthun läßt. ^ Die einzige unter allen Ideen der reinen Vernunft, deren Gegenstand Tatsache ist und unter die scibilia mit gerechnet werden muß.« (V 468) 34

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man ihm Beispiele der Redlichkeit in Absichten, der Standhaftigkeit in Befolgung guter Maximen, der Theilnehmung und des allgemeinen Wohlwollens [...] vorlegt, nicht wünschte, daß er auch so gesinnt sein möge.« (IV 454; vgl. V 91) Dieser Gedanke verweist auf den ersten Schritt der Deduktion zurück, mit dem die »Idee der Freiheit« selbst deduziert werden soll. Der entscheidende Passus lautet: »Ich sage nun: ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum in praktischer Rücksicht wirklich frei, d. i. es gelten für dasselbe alle Gesetze, die mit der Freiheit unzertrennlich verbunden sind, eben so als ob sein Wille auch an sich selbst und in der theoretischen Philosophie gültig für frei erklärt würde. Nun behaupte ich: daß wir jedem vernünftigen Wesen, das einen Willen hat, nothwendig auch die Idee der Freiheit leihen müssen, unter der es allein handle. Denn in einem solchen Wesen denken wir uns eine Vernunft, die praktisch ist, d. i. Causalität in Ansehung ihrer Objecte hat.« 36 Wir Menschen sind frei, weil wir als vernünftige Wesen notwendig unter der Idee der Freiheit handeln müssen. Reine Vernunft ist also objektiv praktisch. Die Deduktion der Idee der Freiheit erschöpft sich in der Feststellung ihrer Faktizität bei vernünftigen Subjekten. Die Behauptung von 1785, daß alle Menschen »sich dem Willen nach als frei« (IV 455) denken, und die 1788 vertretene These, daß das Moralgesetz ein unleugbares Faktum unseres Selbstbewußtsein ist, können also als zwei Entwürfe ein und derselben Beweisidee begriffen werden, die jedoch nur 1785 ausdrücklich als Deduktion bezeichnet wird. Während Kant in beiden Schriften von einem apriorischen Faktum bzw. einer Tatsache ausgeht, ändert sich das Beweisziel mit der näheren Bestimmung dieses Faktums: Während in der Grundlegung die Freiheit als ratio IV 448; vgl.V 15 (»daß diese Eigenschaft [sc. die Freiheit, H. K.] dem menschlichen Willen (und so auch dem Willen aller vernünftigen Wesen) in der Tat zukomme«). 36

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cognoscendi des Moralgesetzes begriffen wird, dient in der Kritik der praktischen Vernunft das Faktum des Moralgesetzes als ratio cognoscendi unserer Freiheit. (In beiden Fällen stellt die Freiheit indes die ratio essendi des Moralgesetzes dar.) In der Grundlegung dient die Idee der Freiheit dann ihrerseits als Deduktionsprinzip des einen kategorischen Imperativs, in der zweiten Kritik das Faktum des Moralgesetzes als Deduktionsprinzip unserer Freiheit und damit der Beantwortung der Frage, wie kategorische Imperative (praktische Grundsätze) möglich sind. Die Aufgabe des Deduktionsmodells der Grundlegung zugunsten der Konzeption von 1788 erklärt sich vermutlich weniger durch neue argumentationstechnische Einsichten Kants, die den Entwurf von 1785 in seinen Augen als unbefriedigend erscheinen lassen.Vielmehr wird er für seine zweite Kritik nach einem Lehrstück gesucht haben, das den vielleicht wichtigsten Einwand gegen das Deduktionsprojekt von 1785 ausräumt, daß er nämlich die Freiheit dem Moralgesetz, wie Tittel schrieb, »blos in der Idee (wäre sie auch an sich ein leerer Begrif und Traum) als Grund unterstellet«. Wenn sich jedoch die Wirklichkeit des Sittengesetzes bei Gelegenheit unseres Handelns nach Maximen unmittelbar in unserem Bewußtsein als ein Faktum ankündigt, und die Freiheit die ratio essendi des moralischen Gesetzes ist, dann muß auch Pistorius, der fragte, woher Kants Begriff der Freiheit den »Vorzug« habe, »nicht blos subjectiv und täuschend zu seyn«, die praktische Realität von Moralgesetz und Freiheit anerkennen. In dem Abschnitt »Von dem Befugnisse der reinen Vernunft [...]« ergänzt Kant die Deduktion, indem er die Frage zu beantworten versucht, wie ein Widerspruch zwischen dem praktischen und dem theoretischen Gebrauch der reinen Vernunft vermieden werden kann, wenn wir in praktischer Hinsicht die Kategorie der Kausalität auf den reinenWillen anwenden, obwohl die erste Kritik die objektive Realität aller Kategorien des reinen Verstandes ausschließlich in ihrer Anwendung auf Gegenstände mögli-

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cher (empirischer) Erfahrung deduziert hat. Die Antwort lautet: Die in der ersten Kritik erfolgte Deduktion der reinenVerstandesbegriffe bedeutet nicht, daß wir durch diese Begriffe (oder Kategorien) nicht »Objekte überhaupt (sinnliche und nicht sinnliche)« (V 54) denken können. Aber das Denken eines Objekts (eines Gegenstandes) bedeutet noch keinesfalls seine Erkenntnis. Damit wir einen Gegenstand auch erkennen können, muß noch etwas zu seinem Denken hinzutreten. Bei der theoretischen Erkenntnis eines Gegenstandes ist es sinnliche Anschauung, bei der praktischen Erkenntnis das a priori gegebene Faktum des Moralgesetzes. Mit anderen Worten: Dieses Faktum zeigt als solches bereits an, daß die Kategorie der Kausalität auf den Begriff eines reinen Willens bezogen wird, weil diese Anwendung die Voraussetzung des als Faktum bewußten moralischen Gesetzes ist. Durch das Faktum zeigt sich gewissermaßen, daß reine Vernunft praktisch und die Bestimmung unseres reinen Willens (der reinen praktischen Vernunft) durch sie »unvermeidlich ist« (V 55). Zweites Hauptstück. Wie lautet der »Begriff eines Gegenstandes der reinen praktischen Vernunft«, und in welchem Zusammenhang steht er mit der Kategorie der Kausalität aus Freiheit? Kant weist auf die Zweideutigkeit der lateinischen Wörter »bonum« und »malum« hin. Diese können nämlich zum einen unser Wohl und Übel, zum anderen aber auch das moralisch Gute und Böse bezeichnen. Bestimmen wir unser (unteres) Begehrungsvermögen durch einen materialen Gegenstand unseres Wollens, der uns aufgrund unserer Neigungen und Bedürfnisse vorgegeben ist, dann besteht die Folge unseres Handelns in unserem Wohl (Lust) oder Übel (Unlust). Allerdings können wir niemals sicher sein, daß wir unser Wohl auch tatsächlich erreichen werden, weil zwischen dem Wollen eines materialen Zwecks und seinem tatsächlichen Erreichen nur ein kontingenter Zusammenhang besteht. Demgegenüber werden uns die Begriffe des Guten und Bösen nicht durch unsere Neigungen vorgegeben, sondern sie sind die »Folgen

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der Willensbestimmung a priori« (V 65) durch reine Vernunft. In moralischer Hinsicht besteht zwischen dem praktischen Grundsatz unseres Handelns und seinem Gegenstand (den Begriffen des Guten und des Bösen) ein notwendiger Zusammenhang: Handeln wir nach einer Maxime, die sich zu einem praktischen Gesetz qualifiziert, dann ist das Objekt unseres Wollens das Gute; handeln wir dagegen nach einer Maxime, die sich nicht zu einem derartigen Gesetz qualifiziert, dann wollen wir das Böse. 37 Das Gesetz ist die Form des Guten, die Formlosigkeit das Merkmal des Bösen. Gerade weil unsere Handlungen aus der doppelten Perspektive unserer Glückseligkeit (unseres Wohls) und der Moral (des Guten) zu bewerten sind, kann die Moral von uns ein Handeln verlangen, das aus der Perspektive der Glückseligkeit betrachtet ein Übel darstellt. 38 (In der »Dialektik« wird Kant mit der Lehre vom höchsten Gut eine Theorie unterbreiten, die das hiermit bezeichnete Schisma zwischen Glückseligkeit und Tugend aufhebt.) Die Objekte der reinen praktischen Vernunft werden von Kant als »Modi einer einzigen Kategorie, nämlich der der Kausalität« (V 65), begriffen. Denn wenn diese Objekte durch unseren Willen hervorgebracht werden und sich dieser als reine praktische Vernunft sein eigenes Gesetz gibt, dann sind das Gute und das Böse nichts anderes als Wirkungen unserer Kausalität aus Freiheit. Mit der »Tafel der Kategorien der Freiheit in Ansehung der Begriffe des Guten und Bösen« 39 interpretiert Kant das Verhältnis von Urteilsfunktionen und Kategorien, so wie es in der Kritik der reinenVernunft vorgestellt wird, neu. Die in dieser Schrift aus der Tafel der Urteilsfunktionen abgeleiteten reinen Verstandeskategorien werden in der zweiSiehe V 62- 64 und 75. Andererseits kann es für uns auch Pflicht sein, uns um unsere eigene Glückseligkeit zu sorgen; vgl.V 93. 39 Zur Kategorientafel siehe auch die Reflexionen 6888 und 6889 (XIX 192-194). 37

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ten Kritik als »Kategorien der Natur« (V 65) bezeichnet, zu denen sich nunmehr die »Kategorien der Freiheit« gesellen. Da die Freiheit eine Art von Kausalität bezeichnet, und »Kausalität« eine Kategorie der Natur ist, können die Kategorien der Freiheit natürlich nicht direkt aus den Urteilsfunktionen abgeleitet werden. Vielmehr wird in der Schrift von 1788 die Kategorie der Kausalität auf den reinen Willen (und damit auf das »Übersinnliche«, V 175) angewandt und Freiheit als besonderer Typus von Kausalität praktisch erkannt. 40 Auf die Kategorie der Kausalität aus Freiheit werden dann ihrerseits die anderen Verstandeskategorien in praktischer Absicht bezogen, »um das Mannigfaltige der Begehrungen, der Einheit des Bewußtseins einer im moralischen Gesetze gebietenden praktischenVernunft, oder eines reinen Willens a priori zu unterwerfen« (V 65). Die Kategorien der Freiheit zielen demnach auf die einheitliche Bestimmung des Willens, nicht auf die sinnlichen Bedingungen der Realisierung seiner Zwecke. Weil diese Kategorien »die Wirklichkeit dessen, worauf sie sich beziehen (die Willensgesinnung) selbst hervorbringen« (V 66), bedürfen sie keiner Deduktion. Die Kategorie der Freiheit ist der metaphysische Anker im Reich des Intelligiblen, der auch den übrigen Kategorien praktisch-objektive Realität gibt (vgl.V 56). Das zweite Hauptstück mit seiner im einzelnen sehr schwierig zu interpretierenden Kategorientafel 41 wird um Siehe V 54 und 103 -104. Beck 1974, 142-151, Gerhard Schönrich, »Die Kategorien der Freiheit als handlungstheoretische Grundbegriffe«, in: Prauss, G. (Hrsg.), Handlungstheorie und Transzendentalphilosophie, Frankfurt am Main 1986, 246 -270, Susanne Bobzien, »Die Kategorien der Freiheit bei Kant«, in: Oberer, H. / Seel, G. (Hrsg.), Kant. Analysen-ProblemeKritik, Würzburg 1988, 193 -220, Theo Kobusch, »Die Kategorien der Freiheit. Stationen einer historischen Entwicklung. Pufendorf, Kant, Chalybäus«, in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie 15, 1990, 13 37, und Annemarie Pieper, »Zweites Hauptstück (57-71)«, in: Höffe (Hrsg.) 2002, 115 -133, hier: 118 -123. 40

41 Siehe

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einen als »Anmerkung« (V 70) deklarierten Abschnitt ergänzt, der den Titel »Von der Typik der reinen praktischen Urteilskraft« trägt.Was versteht Kant unter »Urteilskraft«? In der ersten Kritik definiert er die Urteilskraft generell als »das Vermögen unter Regeln zu subsumieren, d. i. zu unterscheiden, ob etwas unter einer gegebenen Regel (casus datae legis) stehe, oder nicht.« (A 132/B 171) Speziell die transzendentale Urteilskraft hat die Funktion, unter Bezug auf ein »transzendentales Schema« (A 138/B 177) das Mannigfaltige der Sinnlichkeit unter die Verstandeskategorien zu subsumieren. Dieses Schema, nämlich die transzendentale Zeitbestimmung als ein transzendentales Produkt der reinen Einbildungskraft a priori, vermittelt als »ein Drittes« (A 142/B 181) zwischen Sinnlichkeit und reiner Kategorie. In der zweiten Kritik stellt sich nun die Frage, ob sich auch hinsichtlich der reinen praktischen Urteilskraft ein sinnliches Schema angeben lassen muß, das zwischen den Begriffen von gut und böse (den Kategorien der Freiheit) und unseren raumzeitlich bestimmten Handlungen vermittelt. Wie kann die reine praktische Urteilskraft eine konkrete Handlung in Raum und Zeit unter das Sittengesetz subsumieren? Nach Kant kann diese Subsumtion sicherlich nicht auf einem Schema der transzendentalen Einbildungskraft beruhen, weil das moralisch Gute etwas Übersinnliches bezeichnet. Die empirisch bestimmbare Handlung als solche hat keine moralische Qualität, so daß auch kein Schema angegeben werden kann, das zwischen intelligiblem Moralgesetz und sinnlicher Handlung vermittelt. Allerdings benötigt die reine praktische Urteilskraft eine Regel, nach der sie eine Handlung unter das Moralgesetz subsumieren kann. Diese Regel wird ihr durch den Verstand gegeben. Es ist die bloße Form eines Gesetzes, die zwischen der Moral und der sinnlichen Natur vermittelt. Oder anders formuliert: Das Naturgesetz fungiert in seiner allein auf den reinen Verstand zurückgehenden Formalität als Typus des Sittengesetzes. Die reine

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praktische Urteilskraft kann demzufolge eine Handlung unter das Moralgesetz subsumieren, indem sie nach folgender Regel urteilt: »Frage dich selbst, ob die Handlung, die du vorhast, wenn sie nach einem Gesetze der Natur, von der du selbst ein Teil wärest, geschehen sollte, sie du wohl als durch deinen Willen möglich, ansehen könntest« (V 69). Wie unschwer zu erkennen ist, spielt Kant mit dieser Regel auf die sogenannte Naturgesetzformel 42 der Grundlegung an, die im Verein mit der Selbstzweckformel 43 und der Reich-der-Zwecke-Formel 44 den einen kategorischen Imperativ der Anschauung nähern und ihm dadurch Eingang in unser Gemüt verschaffen soll. Aber während Kant 1785 die Ableitung konkreter Pflichten mit Hilfe der Naturgesetzformel und der Selbstzweckformel vornimmt, wird 1788 diese Funktion allein der als Regel für den Gebrauch der reinen praktischen Urteilskraft interpretierten Naturgesetzformel zugesprochen. Drittes Hauptstück. Unter dem Titel »Von den Triebfedern der reinen praktischen Vernunft« wendet sich Kant einer Thematik zu, deren Relevanz nicht unmittelbar auf der Hand liegt: Wenn reine Vernunft bereits als objektiv praktisch aufgewiesen und die Objekte unseres Wollens durch die moralischen Begriffe des Guten und Bösen bezeichnet wurden, wozu bedarf es dann noch einer Triebfederlehre? Diese Frage findet ihre Beantwortung vor dem Hintergrund der kantischen Unterscheidung zwischen der rationalen und der sinnlichen Natur des MenKant führt 1785 aus: »Weil die Gültigkeit des Willens als eines allgemeinen Gesetzes für mögliche Handlungen mit der allgemeinen Verknüpfung des Daseins der Dinge nach allgemeinen Gesetzen, die das Formale der Natur überhaupt ist, Analogie hat, so kann der kategorische Imperativ auch so ausgedrückt werden: Handle nach Maximen, die sich selbst zugleich als allgemeine Naturgesetze zum Gegenstande haben können.« (IV 437; vgl. 421. 43 Siehe IV 429 sowie V 87 u. 131-132. 44 Siehe vor allem IV 438. 42

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schen. Damit wir moralische Gründe und Gebote überhaupt subjektiv berücksichtigen, muß die reine praktische Vernunft auch unsere sinnliche Natur affizieren, d. h. sie muß in uns ein Interesse für sich bewirken. So wie unsere praktischen Überlegungen immer mit Maximen einsetzen, durch die wir unser Handeln empirisch rechtfertigen, beruht unser Wollen zunächst auf empirischen Beweggründen. Ihnen gegenüber muß die reine Vernunft ihre praktische Relevanz dokumentieren. Mit seiner Lehre vom moralischen Gefühl der Achtung versucht Kant nun nachzuweisen, daß wir Menschen die Gebote der reinen praktischen Vernunft immer schon ernstnehmen, weil die objektive praktische Vernunft in uns ein Gefühl der Achtung für das Moralgesetz bewirkt, das als »subjektiver Bestimmungsgrund d. i. Triebfeder« (V 75) in uns wirkt. Nur weil wir für das Moralgesetz Achtung empfinden, sind die Gebote der reinen Vernunft für uns keine kognitiven Kuriositäten, sondern subjektiv-praktisch von Relevanz. Würde die Kluft zwischen Vernunft und Sinnlichkeit, zwischen unserer rationalen und unserer affektiven Natur, durch dieses Gefühl nicht überbrückt, würden wir den moralischen Geboten mit Indifferenz begegnen. Wie führt Kant die Konzeption der Achtung argumentativ ein? Mit der Distinktion zwischen Moralität und Legalität (Handeln aus Pflicht und pflichtmäßig handeln) betont er zunächst, daß eine Handlung nur dann einen (inneren) sittlichen Wert hat, wenn der Wille unmittelbar durch das moralische Gesetz bestimmt worden ist. 45 Die reine praktische Vernunft bestimmt zwar den Willen vernünftiger Wesen objektiv, aber weil wir Menschen auch sinnliche Wesen sind, muß die reine Vernunft auch die subjektive Triebfeder unseres Wollens sein können. Während nach Kant keine Philosophie die Frage zu beantworten vermag, wie das reine Moralgesetz unserenWillen objektiv bestimmt, kann die Kritik unseres praktischen Vernunft45

Siehe V 81, 82, 117, 151, 152, 158 u. 159 -160.

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vermögens doch immerhin den Zusammenhang zwischen dieser objektiven Bestimmungsleistung der reinen Vernunft und unserem subjektiven Bestimmungsgrund zur Moralität aufzeigen. Diese Erklärung macht von der Unterscheidung zwischen einer negativen und einer positiven Wirkung der reinen Vernunft auf unser Gemüt Gebrauch. Zum einen impliziert nämlich die Bestimmung unseres Willens durch das reine Moralgesetz, daß diese Bestimmung »nicht bloß ohne Mitwirkung sinnlicher Antriebe, sondern selbst mit Abweisung aller derselben, und mit Abbruch aller Neigungen, so fern sie jenem Gesetze zuwider sein könnten, bloß durchs Gesetz bestimmt werde.« (V 72) Die Wirkung des Moralgesetzes auf unsere Neigungen ist negativ, weil es uns als sinnliche Wesen demütigt, indem es unseren Eigendünkel niederschlägt. Zum anderen erweckt der Grund dieser Demütigung »für sich Achtung. Also ist das moralische Gesetz auch subjektiv ein Grund der Achtung.« (V 74) Dieses moralische Gefühl der Achtung geht also der objektiven Bestimmung unseres Willens durch das Moralgesetz nicht voraus, sondern es stellt eine Wirkung derselben dar. In die Terminologie der Kritik der reinen Vernunft übertragen: Die logischen Grundsätze und Begriffe setzen die Ästhetik nicht voraus; vielmehr bringt die reine praktische Vernunft selbst ihre sinnliche Anwendungsbedingung in Gestalt eines Gefühls hervor (vgl.V 90). Kant will mit der Lehre vom Gefühl der Achtung sicherlich nicht zum Ausdruck bringen, daß wir zugleich objektiv und subjektiv durch die reine Vernunft determiniert sind, moralisch zu handeln. Vielmehr kann ein Mensch nur dann gut oder böse sein, wenn er die Freiheit hat, zwischen einer moralisch guten und einer moralisch schlechten Handlungsmaxime zu wählen. 46 Im BewußtNach Kant hat alles, was aus Willkür entspringt, »eine freie Kausalität zum Grunde«. Der Charakter eines Menschen ist »die Folge der freiwillig angenommenen bösen und unwandelbaren Grundsätze« 46

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sein des Faktums der reinen Vernunft findet sich der Mensch als ein Subjekt vor, dessen Wille durch das moralische Gesetz bestimmt ist; aber diese Bestimmung darf nicht als Determination seines Wollens verstanden werden. 47 Der Mensch kann sich ^ wenn er nur im Gebrauche seiner Freiheit ist ^ immer fragen, ob er selbstbestimmt handeln will oder sich durch seine Neigungen bestimmen lassen will. Gerade diese Wahlmöglichkeit zwischen Autonomie und Heteronomie qualifiziert ihn als ein moralisches Subjekt. Mit dieser Lehre stellt Kant zudem sicher, daß wir aus Pflicht handeln können, unsere Handlung also einen inneren moralischen Wert hat, obwohl ein Gefühl die subjektive Triebfeder unseres Handelns ist. Kant stellt nicht in Abrede, daß wir durch ein Gefühl an das Moralgesetz gebunden sind; aber dieses Gefühl ist eben nicht »pathologisch« (V 75), sondern durch reine Vernunft selbst in uns bewirkt. Die Achtung für das Moralgesetz ist keine Triebfeder neben der reinen praktischen Vernunft; sie ist vielmehr nichts anderes als »die Sittlichkeit selbst, subjektiv als Triebfeder betrachtet« (V 76). (V 100). Anders als in der Grundlegung, in der Kant aus bestimmten Gründen Freiheit, Autonomie und Moral identifiziert (siehe IV 452453), verweist diese Passage der zweiten Kritik bereits auf die Lehre der Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793) und der Metaphysik der Sitten, in der Kant klar zwischen freier Willkür und Wille unterscheidet (vgl. VI 27-28, 226). Siehe hierzu Beck 1974, 192-193, und H. F. Klemme, »Die Freiheit der Willkür und die Herrschaft des Bösen. Kants Lehre vom radikalen Bösen zwischen Moral, Religion und Recht«, in: Klemme, H. F. u. a. (Hrsg.), Aufklärung und Interpretation. Studien zur Philosophie Kants und ihrem Umkreis,Würzburg 1999, 125 -151. 47 Diesen Zusammenhang übersieht Martin Seel, wenn er schreibt: »Während Kant in seiner theoretischen Philosophie ^ in der Verbindung von Rezeptivität und Spontaneität ^ eine Einheit von Bestimmtsein und Bestimmendsein vorsieht, schließt seine praktische Philosophie eine solche Integration mit Emphase aus.« Seel, Sich bestimmen lassen, Frankfurt am Main 2002, 282.

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Der Argumentationsgang der »Analytik« ist damit abgeschlossen: Die reine praktische Vernunft bestimmt unser Wollen durch das Moralgesetz formal, sie bestimmt uns unter den Begriffen des Guten und Bösen objektiv-material, und sie bewirkt in uns ein Gefühl der Achtung, das als subjektive Triebfeder unseres moralischen Handelns fungiert. Nur weil wir Achtung vor dem Moralgesetz empfinden, nehmen wir auch ein »Interesse« (V 79) am moralisch Guten. Wir haben die freie Wahl, ob unsere Glückseligkeit oder ob unsere Achtung vor dem Moralgesetz der Bestimmungsgrund unseres Handelns sein soll. Autonom handeln wir jedoch erst dann, wenn wir unsere Willkür durch das moralische Gesetz bestimmen. Die reine praktische Vernunft adressiert uns subjektiv im Modus eines kategorischen Sollens, weil sie mit dem Gefühl der Achtung selbst dafür Sorge trägt, daß wir sie auch subjektiv in unseren praktischen Überlegungen ernsthaft berücksichtigen. Die reine Vernunft ist zugleich das Rechtfertigungsprinzip (principium dijudicationis) und das Bewegungsprinzip (principium executionis) 48 menschlichen Handelns, wobei sie als Rechtfertigungsprinzip einen formalen (Moralgesetz) und autonomistischen (Selbstgesetzgebung), als Bewegungsprinzip zusätzlich einen affektiven Gehalt (Gefühl der Achtung) hat. Kritische Beleuchtung. Es bleibt dem Abschnitt »Kritische Beleuchtung der Analytik der reinen praktischen Vernunft« überlassen, die Unterschiede zwischen der »systematischen Form« (V 89) und dem »Inhalt der Erkenntnis« (V 91) der Analytiken der ersten und zweiten Kritik miteinander zu vergleichen. Bei diesem Vergleich steht erneut die Erläuterung des reinen praktischen Vernunftgebrauchs im Vordergrund, durch den wir zu einer Erweiterung unSiehe hierzu auch die Ausführungen in einer Nachschrift von Kants Kolleg über Moralphilosophie aus der Mitte der siebziger Jahre: I. Kant, EineVorlesung über Ethik, hrsg. von G. Gerhardt, Frankfurt am Main 1990, 46 - 56. 48

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serer Erkenntnis über das Gebiet des Empirischen hinaus geführt werden, die uns im theoretischen Vernunftgebrauch versagt ist. Der Schwerpunkt von Kants Ausführungen liegt dabei auf dem (transzendentalen) Freiheitsbegriff und auf dem Abweis einer empiristischen Konzeption desselben, durch die die Möglichkeit und Wirklichkeit einer apriorischen Moraltheorie untergraben würde. Doch Gefahr geht nicht nur vom Empirismus aus. Unsere Freiheit ist auch durch die Existenz Gottes als der ersten Ursache aller Geschöpfe bedroht.Wenn Gott nämlich die Ursache der Substanz ist ^ und Kant setzt voraus, daß er ihre Ursache ist ^, dann sind die Handlungen des Menschen unmittelbar durch ihre noumenale Substanzialität und mittelbar durch die Kausalität Gottes bestimmt. Der Mensch wäre ein denkender Automat, »in welchem aber das Bewußtsein seiner Spontaneität, wenn sie für Freiheit gehalten wird, bloße Täuschung wäre, indem sie nur komparativ so genannt zu werden verdient, weil die nächsten bestimmenden Ursachen seiner Bewegung, und eine lange Reihe derselben zu ihren bestimmenden Ursachen hinauf, zwar innerlich sind, die letzte und höchste aber doch gänzlich in einer fremden Hand angetroffen wird.« 49 Mit dieser Thematik begiebt sich Kant in ein altehrwürdiges philosophisch-theologisches Labyrinth des Denkens, V 101; vgl.V 94, 96 (»psychologische Freiheit«) und K.r.V. A 803/ B 831. Nach Kant hat etwas eine komparative Bedeutung, wenn es »in besonderer Rücksicht« gültig, also auf bestimmte »Bedingungen restringiert« (K.r.V. A 326/B 382) ist. Unsere Freiheit ist also genau dann komparativ zu nennen, wenn wir nur unter bestimmten Bedingungen frei handeln können. (Beispiel: Ich bin frei, meinen Wunsch W zu erfüllen; aber ich bin nicht frei, W zu haben oder nicht zu haben.) Der Gegenbegriff des Komparativen ist der des Absoluten. Entsprechend definiert Kant die transzendentale Freiheit als das »Vermögen absoluter Spontaneität« (V 48; »die psychologische und komparative, nicht transzendentale, d. i. absolute«; V 97). Nach V 96 zu urteilen, können wir den Begriff der komparativen Freiheit auch als Bewegungsfreiheit übersetzen, für die die Willensfreiheit keine Rolle spielt. 49

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in dem noch keiner den rechten Faden gefunden zu haben scheint: Wie ist die Allwissenheit Gottes mit der Freiheit des Menschen zu vereinbaren? Wie kann der Mensch für seine Handlungen zur Verantwortung gezogen werden, wenn sein Handeln durch Gottes Schöpfung bereits vorherbestimmt scheint? Ist der Schöpfergott selbst der Urheber des physischen und moralischen Übels in der Welt? Kant schlägt folgende Auflösung der »Schwierigkeit« vor, die er als »kurz und einleuchtend« (V 103) bezeichnet: Gott ist zwar der Schöpfer der Dinge an sich selbst, aber nicht der Dinge als Gegenstände der Erscheinung, »weil der Begriff einer Schöpfung nicht zu der sinnlichen Vorstellungsart der Existenz und zur Kausalität gehört, sondern nur auf Noumenen bezogen werden kann.« (V 102) Warum es aber geradezu widersprüchlich sein soll, Gott auch als »Schöpfer von Erscheinungen« (V 102) zu verstehen, will nicht so recht einleuchten. 50 Auch scheint Kants Auflösung zu implizieren, daß rationale Wesen, die allein durch reine praktische Vernunft bestimmt werden, paradoxerweise zwar autonom, aber nicht frei sind (sie bestimmen ihren Willen durch das Moralgesetz, haben aber nicht die Freiheit, auch unmoralisch zu handeln). Der Mensch verfügt dagegen über diese Freiheit, weil er zufällig auch ein Sinnenwesen ist. Doch nachdem Kant seinen Vorschlag unterbreitet hat, gesteht er im Grunde auch schon sein Scheitern ein: »Die hier vorgetragene Auflösung der Schwierigkeit hat aber, wird man sagen, doch viel SchweSiehe hierzu auch die von August Wilhelm Rehberg stammende Rezension der zweiten Kritik in der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung vom 6. August 1788, Nummer 188a und b, Sp. 345 -360; abgedruckt in: Bittner / Cramer (Hrsg.) 1975, 190 (»wenn Schöpfung in der Zeit gleich ein abgeschmackter Gedanke ist, so verlangt doch die Existenz der Erscheinungen in der Zeit eine Idee, um begreiflich zu machen, wie diese Erscheinung gedacht werden könne«). Siehe auch Arthur Schopenhauer, Die beiden Grundprobleme der Ethik, in: ders., Sämtliche Werke, hrsg. von Wolfgang Frhr. von Löhneysen, Band III (= Kleinere Schriften), Darmstadt 1989, 587- 594. 50

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res in sich, und ist einer hellen Darstellung kaum empfänglich. Allein ist denn jede andere, die man versucht hat, oder versuchen mag, leichter und faßlicher ?« (V 103) Jahre später wird Kant in der Religionsschrift erklären, daß es »für unsere Vernunft schlechterdings unbegreiflich [ist], wie Wesen zum freien Gebrauch ihrer Kräfte erschaffen sein sollen« 51. Mit Leibniz und anderen hätte Kant auch schreiben können: Die Problematik selbst widerspricht zwar nicht unserer Vernunft, aber sie übersteigt sie. 52 ErsterTeil, zweites Buch. Die Dialektik der reinen praktischenVernunft Erstes Hauptstück. In Abgrenzung zu seiner noch in der Grundlegung vertretenen Position, betont Kant, daß die »reine Vernunft jederzeit ihre Dialektik« hat, weil sie »die absolute Totalität der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten [verlangt], und diese kann schlechterdings nur in Dingen an sich selbst angetroffen werden.« 53 Die reine praktische Vernunft sucht jedoch nicht das Unbedingte als Bestimmungsgrund des Willens. Vielmehr resultiert ihre Dialektik aus ihrer Suche nach der »unbedingten Totalität des Gegenstandes der reinen praktischen Vernunft, unter dem Namen des höchsten Guts.« (V 108) In der Idee des höchsten Gutes vereinigen sich die beiden Objekte unseres Wollens: Einerseits zielt unser Handeln auf unsere eigene Glückseligkeit, andererseits setzen wir uns selbst durch 51 VI

142; vgl. K.r.V. A 803/B 831. Diese Ansicht hat bereits Rene¤ Descartes in den Principia Philosophiae (1644) vertreten (siehe Descartes, Die Prinzipien der Philosophie, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Artur Buchenau, Hamburg 81992, I, ‰ 41, S. 14), wofür ihn Leibniz kritisierte; siehe Gottfried Wilhelm Leibniz, Essais de the¤ odice¤ e / DieTheodizee (1710), hrsg. und übersetzt von H. Herring, Band I, Frankfurt am Main 1996, »Discours«, ‰‰ 68 - 69, S. 172/173 -176/177. 52 Siehe Leibniz 1996, »Discours«, ‰ 23, S. 108/109 (»au-dessus de la raison«, »contre la raison«); vgl. ‰ 56, S. 154/155 u. ‰ 63, S. 158/159. 53 V 107; vgl. IV 391 und K.r.V. A 796 -797/B 824 - 825.

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reine Vernunft ein Objekt (das »Sittlichgute« VI 83, 466) unseres Wollens. Zweites Hauptstück. Die Tugend ist nach Kant zwar das oberste Gut und die oberste Bedingung unserer Würdigkeit, glücklich zu sein; aber sie allein stellt »noch nicht das ganze und vollendete Gut, als Gegenstand des Begehrungsvermögens vernünftiger endlicher Wesen« (V 110) dar. Wir Menschen wollen uns durch unsere Tugend nicht nur der Glückseligkeit würdig erweisen, wir wollen tatsächlich glücklich sein. Die Lehre vom höchsten Gut soll erklären, warum wir gerade auch dann hoffen können, der Glückseligkeit teilhaftig zu werden, wenn wir im Namen der Tugend auf die Realisierung unserer sinnlichmaterialen Zwecke verzichten. Insofern sie diese Hoffnung rechtfertigt, es also einen synthetischen Zusammenhang zwischen Tugend und Glückseligkeit gibt, ist das höchste Gut »ein a priori notwendiges Objekt unseres Willens« (V 114). Wie aber kann eine synthetische Einheit von Tugend und Glück gedacht werden? Wie ist eine >Versöhnung< zwischen Natur (der Mensch als Sinnenwesen) und Moral (der Mensch als Person) möglich? Ihre Suche nach einer Antwort führt die reine praktische Vernunft in eine Antinomie (Abschnitt I), weil die beiden einzig möglichen Konzeptionen einer synthetischen Verknüpfung von Tugend und Glückseligkeit zum Scheitern verurteilt zu sein scheinen. 54 In der ersten Konzeption stellt unsere Begierde nach Glückseligkeit den Beweggrund dar, warum wir tugendhaft handeln. Diese Konzeption scheitert jedoch, weil wir nicht tugendhaft handeln, wenn wir die Tugend als ein bloßes Mittel zum Glück wählen. In der zweiten Konzeption wird unser tugendhaftes Streben als Wirkursache der Glückseligkeit angesehen. Wir handeln nicht tuSiehe Beck 1974, 228, und Eckart Förster, »Die Dialektik der reinen praktischen Vernunft (107-121)«, in: Höffe (Hrsg.) 2002, 173 -186, hier: 183. 54

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gendhaft, weil wir glücklich werden wollen, aber indem wir um der Tugend willen handeln, wird sich auch unsere Glückseligkeit einstellen. Diese Konzeption ist nach Kant indes ebenfalls zum Scheitern verurteilt: In der Sinnenwelt gibt es keinen notwendigen Zusammenhang zwischen Tugend und Glück. Kant weist somit die ursprünglich sokratische Behauptung, daß der Gerechte gut und der Ungerechte elend lebt 55, zurück. Der Schmerz, den der Tugendhafte empfindet, wenn er sein eigenes Unglück »mit dem Glück des Lasterhaften« (V 116) vergleicht, bleibt in dieser Welt ohne Trost. Kant will mit diesem Argument nicht behaupten, daß der böse Mensch ein Amoralist (der von der Bindewirkung der reinen praktischen Vernunft in toto nicht erfaßt wird) oder gar ein Immoralist (der den »Widerstreit gegen das Gesetz selbst zur Triebfeder« 56 erhebt) ist. Er möchte nur darauf aufmerksam machen, daß diese Bindewirkung subjektiv betrachtet in unterschiedlichen Intensitäten auftritt: Der »Bösewicht« ist ein Mensch, der zwar Bekanntschaft mit der Geltung des Moralgesetzes hat, dessen Gewissensbisse aber so gering sind, daß er sehr wohl ein glückliches Leben führen kann, wenn er sein eigenes Glück prinzipiell über die Moral stellt (vgl.VIII 261). Damit liegt die Antinomie der reinen praktischen Vernunft auf der Hand: Das höchste Gut ist ein notwendiges Objekt unseres Wollens, weil die reine Vernunft das Bedürfnis hat, das Unbedingte zu jedem Bedingten zu denken; aber eine notwendige Verbindung zwischen Tugend Platon, Politeia, 353e u. 354a. V 35. Auch mit seiner im ersten Stück der Religionsschrift (vgl. VI 19 -53) vorgestellten Lehre vom radikalen Bösen will Kant nicht zum Ausdruck bringen, daß ein Mensch von der Bindewirkung des Moralgesetzes nicht erfaßt wird. Bei aller Bösartigkeit kündigt der Mensch dem Sittengesetz auch nicht den Gehorsam auf. Nicht Haß auf die Moral, Eigenliebe ist der Grund des radikalen Bösen. Insofern gibt es immer noch Hoffnung, daß selbst der ärgste >Schurke< einmal ein guter Mensch werden wird. 55

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und Glückseligkeit ist in der Sinnenwelt ausgeschlossen. Wenn dies das letzte Wort der Kritik unseres praktischen Vernunftvermögens wäre, müßte auch das Moralgesetz, das ja die Befolgung dieses Objekts gebietet, »phantastisch und auf leere eingebildete Zwecke gestellt, mithin an sich falsch sein« (V 114). Doch die Antinomie kann aufgehoben werden (Abschnitt II). Die erste Konzeption ist und bleibt zwar falsch, aber unter Voraussetzung der Differenz zwischen Ding an sich und Erscheinung kann nach Kant der zweiten Konzeption eine überzeugende Interpretation gegeben werden. Wir sind befugt, die »Tugendgesinnung« (V 114) als Wirkursache der Glückseligkeit zu betrachten, weil sie die Kausalität von Subjekten bezeichnet, die in der intelligiblenWelt existieren. Unter dieser Voraussetzung können wir uns eine Proportionalität von (übersinnlicher) Tugend und (sinnlicher) Glückseligkeit »wenigstens als möglich denken (darum aber freilich noch eben nicht erkennen und einsehen)« (V 119). Der Gedankengang der »Dialektik« wird mit der Auflösung der Antinomie nicht abgeschlossen, weil der Begriff des höchsten Gutes seiner Möglichkeit nach noch deduziert werden muß. Doch bevor Kant diese Deduktion mit den Postulaten der Unsterblichkeit der Seele und des Daseins Gottes durchführt, nimmt er in Abschnitt III (»Von dem Primat der reinen praktischen Vernunft in Verbindung mit der spekulativen«) den Terminus eines »Interesses der Vernunft« 57 auf: Mit dem spekulativen Gebrauch ist ein Interesse verbunden, das sich auf die Erkenntnis höchster Prinzipien a priori jeder Objekterkenntnis richtet. Das praktische Interesse richtet sich dagegen auf die »Bestimmung des Willens in Ansehung des letzten und vollständigen Zwecks« (V 120), also auf das höchste Gut. Wie verhalten sich diese beiden Interessen zueinander ? Kommt A 462/B 490 ff.; siehe auch IV 460 Anm., A 667/B 695 sowie VI 212-213 (»Vernunftinteresse«). 57

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es zu einem Widerspruch zwischen ihnen? Mit der Sprache vom Primat der reinen praktischen vor der spekulativen Vernunft möchte Kant zum Ausdruck bringen, daß die spekulative Vernunft Behauptungen als »hinreichend beglaubigt« (V 121) annehmen kann, obwohl diese Beglaubigung durch die Stimme der reinen praktischen Vernunft erfolgt. Diese verfügt gewissermaßen über eine epistemische Richtlinienkompetenz: Was sie als notwendiges, apriorisches Objekt unseres Wollens bestimmt, ist für die spekulative Vernunft akzeptabel, wenn sie dieses Objekt als möglich denken kann. 58 Sollte die reine Vernunft also in praktischer Hinsicht die Existenz bestimmter Gegenstände, die für die spekulative Vernunft nur als transzendentale Ideen gedacht werden können, als für die Möglichkeit des höchsten Gutes notwendig postulieren, dann wird die spekulative Vernunft dankbar registrieren, daß ihre transzendentalen Ideen wenigstens in praktischer Hinsicht objektive Realität besitzen. Hätte die erste Kritik in spekulativer Hinsicht nachgewiesen, daß es keinen Unterschied zwischen Ding an sich und Erscheinung gibt, dann hätten wir uns in unserem Bewußtsein des reinen Moralgesetzes schlicht getäuscht: »Gesetzt nun, die Moral setze notwendig Freiheit (im strengsten Sinne) als Eigenschaft unseres Willens voraus, indem sie praktische in unserer Vernunft liegende ursprüngliche Grundsätze als Data derselben a priori anführt, die ohne Voraussetzung der Freiheit schlechterdings unmöglich wären, die spekulative Vernunft aber hätte bewiesen, daß diese sich gar nicht denken lasse, so muß notwendig jene Voraussetzung, nämlich die moralische, derjenigen weichen, deren Gegenteil einen offenbaren Widerspruch enthält, folglich Freiheit und mit ihr Sittlichkeit (denn deren Gegenteil enthält keinen Widerspruch, wenn nicht schon Freiheit vorausgesetzt wird,) dem Naturmechanismus den Platz einräumen.« (B XXVIIIXXIX) Ganz im Sinne dieses Zitates aus der »Vorrede« zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft spezifiziert die zweite Kritik, was unter »Denken« zu verstehen ist: »Doch leistete diese [sc. die erste Kritik] so viel, daß sie den Begriff der Noumenen, d. i. die Möglichkeit, ja Notwendigkeit dergleichen zu denken, in Sicherheit setzte und z. B. die Freiheit, negativ betrachtet, anzunehmen [...] wider alle Einwürfe rettete« (V 42- 43; vgl. 46, 48 und 136). 58

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Welche theoretischen Sätze werden nun durch die Idee des höchsten Gutes beglaubigt? Was muß der Fall sein, damit das höchste Gut möglich ist? Das erste Postulat (Abschnitt IV) betrifft die Unsterblichkeit der Seele. Wenn das höchste Gut das notwendige Objekt der reinen praktischen Vernunft ist, dann müssen wir auch eine »völlige Angemessenheit der Gesinnungen zum moralischen Gesetz« (IV 122) erwarten können. Das Ideal eines heiligen Willens kann aber nur als ein »ins Unendliche gehender Progressus« (V 122) gedacht werden, und der setzt die Unsterblichkeit unserer Seele voraus. Unsere Hoffnung, unser moralisches Streben möge nicht chimärisch und die moralischen Gebote keine »leeren Hirngespinste« (A 811/B 839) sein, zielt auf die Kontinuität einer Welt, die wir als intelligible Wesen bewohnen. Mit dem ersten Postulat wird unser leiblicher Tod als eine Quantite¤ ne¤ gligeable unseres moralischen Strebens erkannt. Im Reich der Freiheit gibt es keinen Tod. 59 Das zweite Postulat der reinen praktischen Vernunft betrifft das Dasein Gottes (Abschnitt V). 60 Durch unser tugendhaftes Streben machen wir uns der Glückseligkeit würdig, aber allein durch unseren Glauben an das Dasein Gottes können wir auch hoffen, einmal der Glückseligkeit teilhaft zu werden. Mit diesem Postulat ist die Erkenntnis verbunden, daß die moralischen Gebote Gebote Gottes darstellen (vgl.V 129). Die Postulatenlehre der zweiten Kritik wird in Abschnitt VI (»Über die Postulate der reinen praktischen Vernunft überhaupt«) durch den Hinweis ergänzt, daß auch der positive Begriff der Freiheit ein Postulat der reinen Die aus der Perspektive der spekulativen Vernunft als bloße Hypothese formulierte Ansicht, »daß alles Leben eigentlich nur intelligibel sei« (A 779 -780/B 807- 808), bekommt durch die reine praktische Vernunft ihren bestimmten Sinn. 60 Siehe dazu u. a. Manfred Kuehn, »Kant’s Transcendental Deduction of God’s Existence as a Postulate of Pure Practical Reason«, in: Kant-Studien 76, 1985, 152-169, und die dort diskutierte Literatur. 59

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praktischen Vernunft darstellt. Unsere noumenale Kausalität ist allerdings durch das Bewußtsein des Moralgesetzes und durch das höchste Gut nicht gleich zweifach verbürgt. Dies kann man sich durch folgende Überlegung verdeutlichen: Die reine Vernunft bestimmt unseren Willen objektiv durch das Moralgesetz, dessen ratio essendi die Freiheit ist. Diese Vernunft fordert von uns aber auch die Beförderung des höchsten Guts.Wenn die Freiheit eine der Bedingungen der Möglichkeit des höchsten Gutes ist, das von der reinen Vernunft gefordert wird, dann ist dieser Forderung auch schon dadurch genüge getan, daß die Freiheit die ratio essendi des Moralgesetzes darstellt. Was demnach aus der Perspektive des höchsten Gutes bloß als ein Postulat erscheint, ist in Wahrheit die Voraussetzung dafür, daß wir überhaupt nach einem höchsten Gut streben (sollen). Der positive Freiheitsbegriff verschafft der transzendentalen Idee der Freiheit unmittelbar objektiv-praktische Realität und kann dann aus der Perspektive des höchsten Guts auch als Postulat verstanden werden. Wäre die Freiheit nicht schon durch das Faktum der reinen Vernunft verbürgt, dann würde die reine Vernunft von uns die Beförderung des höchsten Gutes auch nicht fordern können. Aus diesem Grunde gibt es in der »Dialektik« auch keinen eigenständigen Abschnitt über das Postulat der Freiheit; die transzendentale Deduktion des höchsten Guts ist mit dem Postulat des Daseins Gottes abgeschlossen (vgl.V 134 -135). Kants Postulate der Unsterblichkeit der Seele und des Daseins Gottes sind mit den Grundüberzeugungen des paulinischen Christentums wohl kaum vereinbar: Unsere Hoffnung als moralische Subjekte zielt nicht auf einen Gott, der uns vom Tod in das neue Leben befördert, sondern auf eine >platonische< Seele, die nie vergeht. 61 Gott 61 Das

Postulat der Unsterblichkeit der Seele muß dem Postulat des Daseins Gottes argumentationslogisch gesehen vorausgehen, weil letzteres seine Funktion nur dann erfüllen kann, wenn wir schon Grund zu der Hoffnung haben, daß unser moralisches Streben als sol-

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selbst erlöst uns weder von dem Bösen (dem Übel), noch vergibt er uns unsere Schuld. Kants Gott der reinen praktischen Vernunft ist vielmehr ein allmächtiger und gerechter Richter, der für ein proportionales Verhältnis von Tugend und Glückseligkeit Sorge trägt. Der moralisch gute Mensch bittet den höchsten Richter daher auch nicht um Verzeihung, sondern hofft auf seinen gerechten Lohn. 62 In der Religionsschrift von 1793 erörtert Kant ausführlich den (lutherischen) Begriff der Gnade Gottes, beurteilt ihn jedoch aus der Perspektive der reinenVernunft als praktisch irrelevant: »Daß aber eine himmlische Gnade in ihm [sc. dem Menschen, der eine gottgefällige Gesinnung hat, H. K.] wirken solle, die diesen Beistand nicht nach Verdienst der Werke, sondern durch unbedingten Rathschluß einem Menschen bewilligt, dem andern verweigert, und der eine Theil unsers Geschlechts zur Seligkeit, der andere zur ewigen Verwerfung ausersehen werde, giebt wiederum keinen Begriff von einer göttlichen Gerechtigkeit, sondern müßte allenfalls auf eine Weisheit bezogen werden, deren Regel für uns schlechterdings ein Geheimniß ist.« 63 Gott hat uns nach Kant hierüber »nichts offenbart und kann uns auch nichts offenbaren, weil wir es doch nicht verstehen würden.« (VI 144) Wir können zwar die Existenz von Gnadenwirkungen »als etwas Unbegreifliches mit unserem leiblichen Tod nicht abgeschlossen wird; vgl. V 119 und 123 (die Idee des »Fortschritt[s] vom Schlechtern zum moralisch Besseren«). Friedo Ricken verkehrt in seiner Darstellung der Postulatenlehre diese Reihenfolge; siehe F. Ricken, »Die Postulate der reinen praktischen Vernunft (122-148)«, in: Höffe (Hrsg.) 2002, 187-202, hier: 192-199. 62 Vgl.V 123 -124. In diesem Sinne nimmt Kant in der Kritik der reinen Vernunft Leibniz’ Begriff eines Reiches der Gnade auf: »Sich also im Reiche der Gnaden zu sehen, wo alle Glückseligkeit auf uns wartet, außer sofern wir unseren Anteil an derselben durch die Unwürdigkeit, glücklich zu sein, nicht selbst einschränken, ist eine praktisch notwendige Idee der Vernunft.« (A 812/B 840) 63 VI 143; siehe auch Reiner Wimmer, Kants kritische Religionsphilosophie, Berlin, NewYork 1990, 161-167.

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ches einräumen, aber sie weder zum theoretischen noch zum praktischen Gebrauch in unsere Maxime aufnehmen.« (VI 53). Dem Menschen bleibt nur die durch das Moralgesetz selbst zugleich verbürgte und geforderte Hoffnung, durch einen moralisch guten Lebenswandel Gott wohlgefällig zu sein (vgl.VI 47). Während Kant die Fragestellung von Abschnitt VII (»Wie eine Erweiterung der reinen Vernunft in praktischer Absicht, ohne damit ihre Erkenntnis als spekulativ zugleich zu erweitern, zu denken möglich sei?«) schon zuvor mit Blick auf die Möglichkeit und praktische Wirklichkeit des Moralgesetzes und der Idee eines freien Willens erörterte, konzentriert er sich jetzt auf das apriorische Objekt der reinen praktischen Vernunft. Das höchste Gut ist nur möglich, wenn man »drei theoretische Begriffe« (V 134) voraussetzt, nämlich die transzendentalen Ideen von »Gott, Freiheit und Unsterblichkeit«. 64 In spekulativer Hinsicht sind diese Ideen bloß problematische Begriffe, »Gedankendinge« (A 771/B 799), die keinen Gegenstand möglicher Erfahrung haben und ausschließlich »regulative Prinzipien« (V 135) ihres eigenen Gebrauchs darstellen. In praktischer Hinsicht dagegen erweitern wir durch diese Postulate der reinen Vernunft unsere Erkenntnis. 65

V 5, 13, 138. Die ^ systematisch betrachtet ^ korrekte Abfolge dieser drei Begriffe nennt Kant nur an einer Stelle: »Freiheit, Unsterblichkeit, und Gott« (V 134). 65 In der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft ist nur von »zwei Glaubensartikeln« (A 830/B 858) die Rede.Während das praktische Interesse der reinen Vernunft auf die Fragen zielt: »ist ein Gott? ist ein künftiges Leben?«, betrifft die Frage nach der transzendentalen Freiheit »bloß das spekulative Wissen, welche wir als ganz gleichgültig beiseite setzen können, wenn es um das Praktische zu tun ist« (A 803 - 804/B 831- 832). ^ In der zweiten Kritik ersetzt Kant einmal »Freiheit« durch die Idee »einer intelligibelen Welt (dem Reiche Gottes)« (V 137).Vgl. auch IV 477, K.r.V. A 798/B 826, B XXIX-XXX, B 7, B 395 und IV 477 (Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft). 64

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Kant unterscheidet in Abschnitt VIII (»Vom Fürwahrhalten aus einem Bedürfnisse der reinen Vernunft«) zwischen Bedürfnissen der Neigung, die subjektive Wünsche darstellen, und Bedürfnissen der reinen Vernunft. Letzteren gilt sein eigentliches Interesse. Mit dem spekulativen Gebrauch der reinen Vernunft ist das Bedürfnis verbunden, das Unbedingte zu allem Bedingten unserer Erkenntnis zu finden. Wir erkennen die Ordnung und Zweckmäßigkeit der Welt zwar durch unseren Verstand, aber durch den spekulativen Gebrauch unserer Vernunft werden wir auf die Hypothese der Existenz Gottes als des Schöpfers dieser Welt geführt. Das Bedürfnis der reinen praktischen Vernunft setzt dagegen die aus dem Moralgesetz abgeleitete Pflicht voraus, das höchste durch mein Handeln mögliche Gut zu befördern.Wenn es unsere Pflicht ist, das höchste Gute zu befördern, dann muß dieses Gut auch praktisch möglich sein. Die Postulate von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit sind somit Gegenstände »eines reinen praktischen Vernunftglaubens« 66. Unsere Pflicht, das höchste Gut zu befördern, tritt nicht als eine neue Pflicht 67 zum Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft hinzu. Vielmehr impliziert meine Pflicht, aus Achtung vor dem Moralgesetz zu handeln, auch das Gebot, das höchste Gut durch mein eigenes Handeln zu befördern. 68 Kategorische Imperative fordern mich nicht nur auf, mein Wollen durch praktische Gesetze zu bestimmen, sie fordern mich zugleich dazu auf, mein Wollen auf das höchste Gut auszurichten. Mit dem höchsten Gut werden wir somit über den Fokus unseres moralischen Handelns belehrt: Der Sinn unseres moralischen Strebens erV 144; vgl. 126, K.r.V. A 829/B 857,VI 103 u. ö. Siehe Beck 1974, 227; vgl. dagegen Giovanni B. Sala, S. J., »Der moralische Gottesbeweis: Entwicklung und Spannungen in der Kantischen Fassung«, in: Funke, G. (Hrsg.), Akten des Siebenten Internationalen Kant-Kongresses, Band II.2., Bonn, Berlin 1991, 295 -304, hier: 299 -300. 68 Siehe V 119, 125 -126, 129 u. 142. 66 67

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schließt sich weder aus der einzelnen Handlung, die ihren materialen Zweck erreicht, noch aus einem Kosten-Nutzen-Kalkül, das wir auf die Summe unserer Handlungen am Ende unserer Tage anwenden. Dieser Sinn ergiebt sich vielmehr aus unserem Streben nach moralischer Vervollkommnung. Aristoteles hatte nach Kant gewissermaßen recht: Das höchste Gut muß vor dem Hintergrund eines ganzen Lebens beurteilt werden; aber anders als Aristoteles meint Kant nicht den biologisch und politisch-praktisch, sondern den intelligibel bestimmten Begriff eines menschlichen Lebens. Die »Dialektik« wird mit einem kurzen Abschnitt (»Von der der praktischen Bestimmung des Menschen weislich angemessenen Proportion seiner Erkenntnisvermögen«) beschlossen, der als Apologie der ^ wie es in der Schrift Zum ewigen Frieden (1795) heißen wird ^ »großen Künstlerin Natur« (VIII 360) verstanden werden kann. Auf den ersten Blick betrachtet, scheint uns die Natur »stiefmütterlich« (V 146) behandelt zu haben, weil sie uns ein spekulatives Vernunftvermögen gegeben hat, das sich als völlig unzureichend erweist, seine wichtigsten Aufgaben zu lösen und unsere tiefsten Bedürfnisse zu befriedigen. Wäre es nicht besser, wenn wir über eine spekulative Vernunft verfügten, durch deren Gebrauch wir alle unsere Neigungen befriedigen sowie »Gott und Ewigkeit« (V 147) erkennen könnten? Kant verneint diese Frage. Würden wir Gott und unsere Unsterblichkeit als Gegenstände unseres theoretischen Vernunftgebrauchs förmlich erkennen, dann würden wir zwar das Moralgesetz nicht mehr übertreten. Aber nicht die Achtung vor dem Moralgesetz, sondern Furcht und Hoffnung wären seiner Einschätzung nach unweigerlich die Motive unseres Handelns. Gerade weil wir Gott und Unsterblichkeit nicht theoretisch erkennen können, vermögen wir uns also der Glückseligkeit würdig zu erweisen.

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ZweiterTeil. Die Methodenlehre der reinen praktischenVernunft Bereits in der »Analytik« hat Kant mit der Lehre vom Gefühl der Achtung zu zeigen versucht, daß reine Vernunft auch subjektiv praktisch ist. Aber erst in der Methodenlehre thematisiert er die kontingenten Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit die reine praktische Vernunft auch wirklich unsere Herzen erreicht. In diesem Sinne breitet die Methodenlehre die »allgemeinsten Maximen [...] einer moralischen Bildung und Übung« (V 161) aus, durch die »den Gesetzen der reinen praktischen Vernunft Eingang in das menschliche Gemüt, Einfluß auf die Maximen desselben« (V 151) verschafft werden kann. Kants Interesse am Zusammenhang von sittlicher Erziehung und moralischer Motivation ist nicht neu. Anfang der siebziger Jahre stimmt er in seinem Anthropologiekolleg dem schottischen Philosophen Henry Home zu, der gegen Jean-Jacques Rousseau behauptete, daß Tugend »gelernt« (XXV 196; vgl. 188) werden muß; kurze Zeit später setzt er sich öffentlich für die Pläne des preußischen Ministers für Kirchen- und Unterrichtsangelegenheiten, Freiherr Karl Abraham von Zedlitz, ein, das marode öffentliche Schulsystem zu reformieren. Kant fordert eine »schnelle Revolution« (II 449) bei den Erziehungsanstalten, die ihren Ausgang von dem 1774 in Dessau von Johann Bernhard Basedow gegründeten Philanthropinum nehmen soll. Zwar führt Kant zwischen 1776/77 und 1786/87 an der Königsberger Universität turnusgemäß viermal Veranstaltungen über Pädagogik durch und äußert sich auch in seinen Vorlesungen über Anthropologie wiederholt zu pädagogischen und moralpsychologischen Fragen; die für ihn selbstverständliche Verbindung von reiner Moralphilosophie einerseits, sittlicher Erziehung und Charakterbildung andererseits wird seinen Lesern in dieser Ausführlichkeit jedoch erst in der zweiten Kritik vor Augen geführt.

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Die Grundidee der Methodenlehre ist einfach: Das Moralgesetz wird auch subjektiv seine motivationale Schubkraft entfalten, wenn die Tugend nur »gehörig ans menschliche Herz gebracht wird« (V 152). Um dies zu erreichen, schlägt Kant eine zweistufige Methode vor, die von einer extrinsischen Motivation durch empirisches Wohlgefallen und äußere Sanktionen (Legalität) zur intrinsischen Motivation durch Achtung vor dem Moralgesetz (Moralität) führen soll. Eigennutz, Mitgefühl und Sympathie sind für Kant die empirischen >Türöffner< des mundus intelligibilis und des Bewußtseins seines Gesetzes. In einem ersten Schritt müssen wir es Kindern und Jugendlichen zur Gewohnheit machen, eine freie Handlung daraufhin zu beurteilen, ob sie äußerlich dem Moralgesetz entsprechen. Und wir müssen ihre Aufmerksamkeit auf die Frage lenken, ob die Handlung auch aus Achtung für das Moralgesetz geschehen ist. Mit der Einübung in diese Kultur der praktischen Urteilskraft ist nach Kant zwar ein wachsendes Interesse an sittlich guten Handlungen verbunden, aber dieses allgemein mitteilbare »Wohlgefallen« (V 160) bedeutet noch keinesfalls, daß die Urteilenden bereits eine reine moralische Gesinnung haben. Aus diesem Grunde muß den Jugendlichen in einem zweiten Schritt anhand moralischer Beispiele »die Reinigkeit des Willens bemerklich« (V 160) gemacht werden. Hierdurch entdeckt der »Lehrling« nach Kant seine »innere Freiheit [...], sich von der ungestümen Zudringlichkeit der Neigungen dermaßen loszumachen, daß gar keine, selbst die beliebteste nicht, auf eine Entschließung, zu der wir uns jetzt unserer Vernunft bedienen sollen, Einfluß habe.« (V 161) Durch die hiermit hervorgerufene »Achtung für uns selbst im Bewußtsein unserer Freiheit« (ebd.) wird dem Moralgesetz schließlich auch subjektiv Eingang ins Gemüt verschafft. Der »Beschluß« setzt mit dem wohl bekanntesten Zitat der ganzen Schrift ein: »Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und

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Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt, oder im Überschwänglichen, außer meinem Gesichtskreis, suchen und bloß vermuten; ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewußtsein meiner Existenz.« (V 161) Kant bedient sich hier erneut seiner Unterscheidung zwischen der sinnlichen und der intelligiblen Existenz: Die Bewunderung des bestirnten Himmels nimmt ihren Ausgangspunkt von meiner sinnlichen Existenz, die Bewunderung des moralischen Gesetzes in mir hebt von meiner intelligiblen Existenz an. Im Vorgriff auf Ausführungen der Kritik der Urteilskraft wird die eigene intelligible Existenz als erhaben betrachtet. Allein die Philosophie kann der Ort sein, an dem eine Untersuchung unserer moralischen Anlagen gelingen kann, die ihrer Erhabenheit angemessen ist. III.Würdigung und Wirkung Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Philosophiegeschichte, daß eine ihrer bedeutendsten und einflußreichsten Ethikkonzeptionen nicht in einer monographischen Darstellung vorliegt. Im Unterschied zu Aristoteles, John Stuart Mill oder Arthur Schopenhauer hat Kant keine Publikation verfaßt, in der seine Moralphilosophie auch nur annähernd in ihrer ganzen Komplexität und Vielschichtigkeit greifbar wäre. Von seinen drei ethischen Hauptschriften, der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, der Kritik der praktischenVernunft und der Metaphysik der Sitten, stand und steht die jüngste von ihnen im Mittelpunkt zumindest des philosophisch-systematischen Interesses. Die Rezeption der Ethik Kants ist weitgehend eine solche der Grundlegung ^ oder doch zumindest von dieser nicht zu trennen. Auch heute noch erschöpft sich für viele der Kernbestand von Kants Ethik in der Konzeption des guten Willens und

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in der Lehre vom kategorischen Imperativ, so wie sie in der ingeniösen Grundlegung vorgestellt und entwickelt werden. 69 Daß dies eine Verkürzung der kritischen Moralphilosophie bedeutet, wird durch die Lektüre der zweiten Kritik mehr als deutlich, die mit der Lehre vom Faktum der reinen Vernunft, der Triebfeder-, Methoden- und Postulatenlehre den argumentativen Gehalt der Grundlegung signifikant erweitert, auch wenn sie mit ihnen gelegentlich an Lehrstücke der ersten Kritik anknüpft. 70 Die thematische Breite der zweiten Kritik ist in der Tat beeindruckend. Im Kanonkapitel der Kritik der reinen Vernunft führt Kant aus, daß sich alles »Interesse meiner Vernunft (das spekulative sowohl, als das praktische)« in drei Fragen vereinigt: »1.Was kann ich wissen? 2.Was soll ich tun? 3.Was darf ich hoffen?« 71 Die Kritik der praktischen Vernunft äußert sich zu allen dreien: Sie bestätigt die Ergebnisse der ersten Kritik, wonach ich in spekulativer Hinsicht nichts erkennen kann, was außerhalb der Grenzen möglicher Erfahrung liegt; sie erläutert die Lehre vom kategorischen Imperativ der Grundlegung durch das Faktum der reinen Vernunft, und sie rechtfertigt meine Hoffnung, daß mein tugendhaftes Streben nicht umsonst sein möge, durch die Lehre vom höchsten Gut. Doch gerade durch diese Lehre modifiziert sie auch den Sinn der dritten Frage: Wenn das Moralgesetz die Beförderung des höchsten Guts gebietet, dann beantwortet Kant mit den drei Postulaten nicht die Frage, was ich hoffen darf. Diese Postulate stellen vielmehr eine Antwort auf die Frage dar, was ich als moralisches Subjekt konsequenterweise glauben muß, damit das MoAls ein Beispiel unter vielen sei auf Ernst Tugendhat verwiesen, Vorlesungen über Ethik, Frankfurt am Main 1993, 98 -160. 70 Zur Moraltheologie der ersten Kritik siehe den Abschnitt »Der Kanon der reinen Vernunft« (A 795/B 823 -A 831/B859). 71 A 805/B 833. Siehe weiterführend Reinhard Brandt, »Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft«, in: Brandt, R. / Sturm, Th. (Hrsg.), Klassische Werke der Philosophie. Von Aristoteles bis Habermas, Leipzig 2002, 132-160, hier: 132-136. 69

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ralgesetz nicht chimärisch ist. Der deontologische Sinn der Moral erschöpft sich für Kant also nicht in unseren Handlungspflichten; als moralische Subjekte müssen wir an die Existenz Gottes (und die Unsterblichkeit der Seele) glauben. Dieser Glaube ist in praktischer Hinsicht unvermeidlich. 72 In der Kritik der reinen Vernunft wird noch eine vierte Sinndimension der Moral angesprochen: Der höchste Zweck unseres Handelns wird durch die Moral bestimmt, aber die Moral als ganze ist ihrerseits auch der Endzweck und »die ganze Bestimmung des Menschen« 73. Nach der zweiten Kritik erläutert sich diese Bestimmung des Menschen durch seine Persönlichkeit, durch die Heiligkeit des Sittengesetzes und durch die Interpretation der moralischen Gebote als Gebote Gottes. Der Mensch besitzt Würde, weil er ein frei handelndes und sich durch das Moralgesetz autonom bestimmendes Subjekt ist. Diesem Gesetz soll er seine Achtung erweisen, hier liegt seine eigentliche Bestimmung. Unser Vernunftbedürfnis, das Unbedingte zu allem Bedingten zu denken, findet mit der Postulatenlehre der zweiten Kritik seine Erfüllung und seinen »ewigen Frieden« (A 777/B 805). Kant verwahrt sich ausdrücklich dagegen, den »reinen praktischen Vernunftglauben« (V 146) an die Existenz Gottes zu einer Pflicht zu erheben (vgl. V 125). Verpflichtet sind wir nur, das höchste Gut hervorzubringen (vgl. V 143). Dennoch ist aufgrund dieser Pflicht der Glaube an die Existenz Gottes (und die Unsterblichkeit der Seele) »unvermeidlich« (V 144 Anm.). Der moralisch »Wohlgesinnte« kann zwar »bisweilen in Schwanken, niemals aber in Unglauben gerathen.« (V 146). (Dieses »Schwanken« betrifft im übrigen nicht unseren Glauben an die Unsterblichkeit.) In diesem Sinne setzt sich Kant in der dritten Kritik auch mit Spinoza auseinander: Wer moralisch konsequent denkt, muß das Dasein Gottes annehmen (vgl. V 452- 453 und K.r.V. A 829 - 830/B 857- 858). 73 A 840/B 868; vgl. V 122. In seinem vom 4. Mai 1793 datierten Brief an Carl Friedrich Stäudlin wird Kant die Bestimmung des Menschen unter die Frage: »Was ist der Mensch?« (1986, 634) subsumieren und der Anthropologie zuordnen. 72

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Intensiver und eindringlicher noch als in seinen früheren Schriften kultiviert Kant in der Kritik von 1788 das Pathos der Heiligkeit des Moralgesetzes und der Menschheit in unserer eigenen Person. Dementsprechend fehlt es auch nicht an Stimmen, die sich gegenüber diesem Pathos im allgemeinen und Kants Brückenschlag zwischen Moral und Religion im besonderen distanziert oder ablehnend verhalten. Einen prominenten Platz in den die Schrift von 1788 begleitenden Kontroversen, die vor allem der Freiheitskonzeption 74, der Lehre vom Faktum der reinen Vernunft 75, der Triebfederlehre 76 und dem Siehe beispielsweise die Pistorius-Rezension der zweiten Kritik (abgedruckt in: Bittner / Cramer [Hrsg.] 1975, 173 -177) und die Ausführungen von Reinhold in seinen Briefe(n) über die Kantische Philosophie (abgedruckt in: Bittner / Cramer [Hrsg.] 1975, 252-274). Uneingeschränkt positiv äußert sich Schopenhauer über Kants Freiheitskonzeption: »Diese Lehre Kants vom Zusammenbestehn der Freiheit mit der Notwendigkeit halte ich für die größte aller Leistungen des menschlichen Tiefsinns. Sie, nebst der transzendentalen Ästhetik, sind die zwei großen Diamanten in der Krone des Kantischen Ruhms, der nie verhallen wird.« (1989, 706; vgl. 644 - 645 u. 705: der »innerste Kern seiner ganzen Philosophie«) Schopenhauers Lob erklärt sich natürlich durch die Tatsache, daß er wohl als einziger bedeutender Philosoph die Kantische Unterscheidung zwischen Ding an sich und Erscheinung uneingeschränkt für zutreffend beurteilt. 75 Siehe beispielsweise die konträren Einschätzungen von Gerold Prauss, Kant über Freiheit als Autonomie, Frankfurt am Main 1983, 66 70, und Steigleder 2002, 97. 76 Rehberg schreibt in seiner Rezension: »Der Gedanke, daß das Gesetz selbst, nicht aber das Vergnügen am Gesetze, die Triebfeder der Sittlichkeit sein müsse, ist selbst Schwärmerei. Denn was ist es anders als Schwärmerei (die in der Erdichtung übersinnlicher Gegenstände besteht), wenn Achtung fürs Gesetz ein Gefühl und doch keine sinnliche Empfindung sein soll? Und diese Schwärmerei führt unmittelbar zu einem andern und dem allerschlimmsten Fanatismus, der Ertötung der Sinne.« (Zitiert nach: Bittner / Cramer [Hrsg.] 1975, 189) ^ Christian Garve betont in seiner Uebersicht der vornehmsten Principien der Sittenlehre, von dem Zeitalter des Aristoteles an bis auf unsre Zeiten, Breslau 1798 (Nachdruck in: Garve, GesammelteWerke, hrsg. von Kurt Wölfel. Hildesheim u. a. 1985 ff., Band VIII), daß Kant »die Härte sei74

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Höchsten Gut 77 gelten, nimmt sicherlich die Postulatenlehre ein. Gerade durch sie ändert sich das durch die Grundlegung vertraute Bild der Kantischen Ethik signifikant. 78 Das ältere Projekt einer theologiefreien Begründung des kategorischen Imperativs mündet vor allem aufgrund der Postulate der reinen praktischen Vernunft in ein kritisches Modell unseres praktischen Vernunftgebrauchs, in dem der Übergang vom reinen moralischen Sollen zu Religion und Theologie geleistet wird. Wie immer der »reine praktische Vernunftglaube« (V 144) in systematischer Hinsicht beurteilt wird, für Kant stellte die Postulatenlehre keinesfalls ein bloßes Anhängsel seiner Moraltheorie dar. Wäre, wie Friedrich Nietzsche meint, »>Gott todtDu kannst es, denn ich werde nicht gestatten, daß der Schmerz meines Körpers bewirkt, daß ein so großer Mann vergebens zu mir gekommen ist.< Und so habe er denn würdig und ausführlich darüber geredet, daß es kein anderes Gut gebe als die Tugend, und dies auf seinem Bette liegend, und als ihn der Schmerz gleichsam zu brennen anfing, habe er oftmals gesagt: >Du richtest nichts aus, Schmerz. Denn magst du auch lästig sein, so werde ich doch nie zugeben, daß du ein Übel [malum] bist.Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte< (5. Mose 6,5). Dies ist das vornehmste und größte Gebot. Das andre aber ist dem gleich: >Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst< (3. Mose 19,18). In diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.« Siehe auch Kant VI 160 -161, 402, 451. 126, 37 nach Platos Urteile] Siehe Platon, Politeia 524d- 526c. 131, 30 oder mit Leibniz spirituale] »Alles ist also im Menschen, wie überall, im voraus sicher und bestimmt, und die menschliche Seele ist somit eine Art geistigerAutomat [»une espe' ce d’automate spirituel], obgleich die zufälligen Handlungen im allgemeinen und die freien Handlungen im besonderen deshalb nicht im Sinne einer absoluten Notwendigkeit, die allerdings mit der Zufälligkeit unvereinbar sein würde, notwendig sind.« Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 -1716), Essais de the¤ odice¤ e / DieTheodizee, hrsg. und übersetzt von H. Herring, Band I, Frankfurt am Main 1996, I, ‰ 52 (S. 283). 132, 8 -9 was in der Kritik der reinen Vernunft gesagt war] Siehe Kritik der reinenVernunft B 428 - 432. 133, 32-33 wie Priestley, als ein echter, konsequent verfahrender Fatalist] In seiner Rezension von Johann Heinrich Schulz’ Versuch einer Anleitung zur Sittenlehre für alle Menschen, ohne Unterschied der Religionen (Berlin 1783) schreibt Kant mit Blick auf Schulz’ Lehre von der Notwendigkeit: »Auch wird die Kühnheit seiner [sc. Schulz’, H. K.] speculativen Behauptungen demjenigen nicht so schrecklich auffallen, dem bekannt ist, was Priestley, ein eben so sehr wegen seiner Frömmigkeit als Einsicht hochgeachteter englischer Gottesgelehrte, mit unseremVerf. einstimmig behauptet, ja noch mit mehr Kühnheit ausgedrückt hat, und was nun schon mehrere Geistliche dieses Landes, obgleich weit unter ihm an Talenten, ihm ohne Zurückhaltung nachsprechen; ja was nur neuerlich Herr Prof. Ehlers von der Freiheit des Willens für einen

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Begriff gab, nämlich als einem Vermögen des denkenden Wesens, seiner jedesmaligen Ideenlage gemäß zu handeln.« (VIII 12-13) Kant wirft Schulz vor, daß der Fatalismus jede Verbindlichkeit aufhebt und »alles menschliche Thun und Lassen in bloßes Marionettenspiel verwandelt« (VIII 13). Martin Ehlers (Ueber die Lehre von der menschlichen Freiheit und über die Mittel, zu einer hohen Stufe moralischer Freiheit zu gelangen, Dessau [1782]) vertritt die Ansicht, daß der menschliche Wille durch diejenigen Ideen in Bewegung gesetzt wird, die ihm vom Verstand vorgestellt werden: »Moralische Freiheit des Menschen ist also einVermögen des Menschen, jedesmal nach seinem gegenwärtigen Ideenzustande das Beste zu thun, oder um der Erklärung noch mehr Licht zu geben, dasVermögen seiner Seele, so weit, als das Maaß ihrer Erkenntniß es zuläßt, und als in jedem Zeitpunkt der Thätigkeit sich ihr Bewegungsgründe darbieten, das Beste zu wählen und zu thun. Diese Erklärung legt das Vermögen der menschlichen Selbstthätigkeit ganz, wie es geäussert und der Freyheitshandlung vollführet wird, vor Augen, und jede Frage, die in Hinsicht der wesentlichen Beschaffenheit der Freyheit, einem vorgelegt wird, kann daraus beantwortet werden. Zugleich erhellt daraus aufs einleuchtendste, daß der Mensch in diesem Sinne frey ist.« (1782, 56 - 57) Der Mensch ist in dem Sinne frei, als er das Beste wählen kann; aber er kann nicht etwas wählen, was zwar das Beste ist, aber nicht als das Beste erkannt wird: »Ich thue gewiß das, was jedesmal mir das Beste zu seyn scheint, und ich kann das auch offenbar thun. [...] Die Erkenntniß, die ein Mensch hat, hängt erstlich von der Kraft des jedem Menschen angebohrnen Verstandes in Absicht auf Stärke, Richtung und Umfang ab, und also von des Verstandes Thätigkeit zur Annehmung und zur Hervorbringung der Ideen, Begriffe, Urtheile und Schlüsse. [...] In so fern also die in diesem Kreise liegenden Güter besser wären als andre, die ich erkenne: so könnte ich schlechterdings nicht diese wählen, weil ich sie nicht kenne und also auch durch deren Werth nicht bewogen werden kann, darnach zu trachten.« (1782, 62- 64) ^ Joseph Priestleys (1733 -1804) Schrift The Doctrine of Philosophical Necessity (London 1777) wurde auch in Deutschland intensiv diskutiert. Eine zeitgenössische deutsche Übersetzung ist mir jedoch nicht bekannt. 137, 2 ein Vaucansonsches Automat] Jacques de Vaucanson (1709 -1782), ein aus Grenoble stammender Mechaniker, zeigte 1738 in Paris automatische Figuren (einen Flötenspieler, einen Klarinettenbläser, eine fressende Ente). Julien Offray de La Met-

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trie erwähnt Vaucanson in seinem Werk L’homme machine / Die Maschine Mensch (1748), übersetzt und hrsg. von Claudia Becker, Hamburg 1990, 120/121. 137, 17 wie der sonst scharfsinnige Mendelssohn tat] »Unter jeder Bedingung der Zeit und des Raums erlanget irgendwo und irgendwann etwas anders die Qualität des Besten, und eben dadurch den Wahrheitsgrund seines Daseyns. Nun kann diese relative Güte eines zufälligenWesens auf keine andere Weise seinen Würklichkeitsgrund enthalten, als in so weit es dadurch einer freyen Ursache [sc. Gott, H. K.] zur Absicht dienen, und sonach von derselben gebilliget werden kann. Der Grund meines Daseyns muß also in einer freyen Ursache zu suchen seyn, die mich jetzt und hier, als zu der Reihe des Besten gehörig, erkannt und gebilliget hat, und dadurch bewogen worden ist, mich zur Würklichkeit zu bringen. Diese freye Ursache kann selbst nicht zufällig seyn; sonst wären wir der Begreiflichkeit des Satzes nicht um einen Schritt näher gekommen; der Wahrheitsgrund würde noch immer von neuem zu suchen seyn, der den Begriff des zufälligen Wesens mit der Existenz verbindet. Wir müssen also am Ende auf ein nothwendiges Wesen zurückkommen, bey welchem dieser Wahrheitsgrund in der Denkbarkeit des Subjects selbst lieget, zu einem Wesen, dessen objectives Daseyn von seiner Denkbarkeit nicht zu trennen ist; welches vorhanden ist, weil es gedacht werden kann. [...] Die Kraft des selbständigen Wesens wird also diese eingeschränkte Grade seiner Vollkommenheit und ihre bestmögliche Verbindung hervorbringen; nicht in sich, denn sie sind mit seinen Eigenschaften nicht vereinbar, sondern außer sich, als für sich bestehende eingeschränkte Substanzen, jede mit der Veränderung in Ort und Raume, mit welcher sie in Beziehung auf das Ganze das Beste sind. Gott ist Schöpfer und Erhalter des besten Weltalls.« Moses Mendelssohn (1729 -1786), Morgenstunden oderVorlesungen über das Daseyn Gottes, Erster Theil, Berlin 1785, zitiert nach: Mendelssohn, Gesammelte Schriften, Jubiläumsausgabe, hrsg. von A. Altmann u. a. (= Schriften zur Philosophie und Ästhetik), Band III,2, Stuttgart-Bad Cannstatt 1974, 100 und 102. ^ Kant wendet sich bereits in seinen 1786 erschienenen Beiträgen »Was heißt: Sich im Denken orientieren?« und »Einige Bemerkungen zu L. H. Jakob’s Prüfung der Mendelssohn’schen Morgenstunden« (VIII 131-148, 149 -156) gegen Mendelssohns Morgenstunden. Gott ist nach Kant kein Gegenstand der Erkenntnis, sondern des praktischen Glaubens. Mendelssohn übersehe, daß unsere Er-

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kenntnis auf Gegenstände in Raum und Zeit bezogen ist, so daß wir niemals die Dinge an sich, sondern immer nur als Gegenstände unserer Erfahrung erkennen können. Mendelssohn meine dagegen, daß wir mit ^ nach Kant ^ unseren Verstandeskategorien die Dinge an sich selbst erkennen können. Aus diesem Grunde eröffne Mendelssohn Schwärmerei und Spekulation Tür und Tor: »Denn räumt man der reinenVernunft in ihrem speculativen Gebrauch einmal das Vermögen ein, sich über die Grenzen des Sinnlichen hinaus durch Einsichten zu erweitern, so ist es nicht mehr möglich, sie bloß auf diesen Gegenstand einzuschränken; und nicht genug, daß sie alsdann für alle Schwärmerei ein weites Feld geöffnet findet, so traut sie sich auch zu, selbst über die Möglichkeit eines höchsten Wesens (nach demjenigen Begriffe, den die Religion braucht) durch Vernünfteleien zu entscheiden.« (VIII 151) 140, 29 -30 alle Kategorien in zwei Klassen] Siehe Kritik der reinenVernunft A 160/B 199, A 162/B 201-202, B 110. 146, 1 wohltätigste Verirrung] In den Prolegomena schreibt Kant: »Dieses Product [sc. die kosmologischen Ideen, H. K.] der reinen Vernunft in ihrem transcendenten Gebrauch ist das merkwürdigste Phänomen derselben, welches auch unter allen am kräftigsten wirkt, die Philosophie aus ihrem dogmatischen Schlummer zu erwecken und sie zu dem schweren Geschäfte der Kritik der Vernunft selbst zu bewegen.« (IV 338, ‰50; vgl. IV 340 341,V 344 -345 und XX 319) In den Prolegomena und in der Kritik der praktischenVernunft bringt Kant seine Erweckung aus dem dogmatischen Schlummer also sowohl mit Hume als auch mit der Problematik der Antinomie in Zusammenhang. 154, 16 Er wurde dadurch gehoben] Siehe den Abschnitt »Auflösung der kosmologischen Ideen von derTotalität der Ableitung der Weltbegebenheiten aus ihren Ursachen« in der Kritik der reinen Vernunft (A 532/B 560 -A 558/B586). 156, 4 -5 erstere war in seinen praktischenVorschriften nicht so niedrig gesinnt] Kant verteidigt Epikur und seine Schüler bereits in der Anthropologie-Menschenkunde (1781/82) gegen den Vorwurf (vor allem der Stoiker), die sinnliche Wollust (voluptas) zum obersten Handlungsprinzip erhoben zu haben: »Epikur empfahl das vergnügte Herz, das so sehr getadelt worden ist, das aber in nichts weiter als in der Sorglosigkeit bestand. Sonst war sehr wenig sinnliches Vergnügen in seinen Gärten; das vornehmste bestand darin, daß sie Brei aßen und Wasser tranken, und sich

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freundliche Gesichter machten. Jetzt würde man sich wohl dafür bedanken, so epikureisch behandelt zu werden. Die Epikuräer waren also die rechtschafensten Leute unter allen, sie behaupteten, daß der Mensch beim tugendhaftenVerhalten das größte Vergnügen genösse.« (XXV 1078) Siehe auch die Ausführungen von Johann Georg Walch: »Ubrigens lassen sich die üble Nachreden, welche sie [sc. die Epikureer, H. K.] wegen der Person, Aufführung und Lehren des Epicuri, darunter das übel verstandene, und noch schlimmer ausgelegte Principium von der Wollust, als dem höchsten Gute des Menschen, wohl die vornehmste ist, besonders von denen Stoicis, und auch vielen andern grossen Leuten des Alterthums ausstehen müssen, kaum zehlen. Doch haben sich zumahl in denen neuern Zeiten Leute gefunden, welche dieses Welt-Weisen Ehre mit guten Gründen in den allermeisten Stücken zu retten bemühet gewesen.« Walch, Philosophisches Lexicon, Band 3, Leipzig 1733, Sp. 69 (Nachdruck: with an Introduction by Manfred Kuehn, Bristol, 2001). 178, 26 -27 welche die spekulative Vernunft zwar als Aufgaben vortragen, sie aber nicht auflösen konnte] Siehe dazu das zweite Buch (»Von den dialektischen Schlüssen der reinenVernunft«) der Tranzendentalen Dialektik der Kritik der reinen Vernunft (A 338/ B 396 ^ A642/B 670). 188, 28 - 29 Anaxagoras hinaus keine deutlichen Spuren einer reinen Vernunfttheologie] Anaxagoras »Meynung wegen des Ursprungs aller Dinge war diese: Es hätte im Anfange die Materie aus lauter kleinen, unter sich selbst gleichen, oder unterschiedenen unordentlichen Theilgen bestanden, welche hernach ein Geist oder vernünfftiges Wesen in Ordnung gebracht. Cicero Acad. Qu. II. [...] Aus denen unterschiedenen Theilgen der unendlichen Materie sey alles nach jedes seiner Art und Eigenschafften durch den göttlichen Geist hervor gebracht worden. Augustinus de Civit. Dei VIII.2. Einige haben ihn deswegen zum Atheisten machen wollen, weil er statuirt, daß der Geist mit der Materie nothwendig vereinigt sey, allein andre vertheydigen ihn, und behaupten, daß es nicht folge, weil er und andere Philosophi Jonici unter denen Ursachen der natürlichen Dinge bloß die Materie betrachtet, so haben sie Gott auch nicht erkannt. Buddeus Philos. Instrum. I. 4. 6. de Atheis. & superst. I. 10. 2.« Artikel »Anaxagoras«, in: Johann Heinrich Zedler (Hrsg.), Grosses vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, 2. Band, Halle und Leipzig 1732, Sp. 93 -98, hier: 94.

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193, 14 -15 Im Deutschen Museum, Februar 1787, findet sich eine Abhandlung] Thomas Wizenmann (1759 -22. Februar 1787) schreibt: »Nehme ich es aber auch mit dem Ausdrucke nicht so genau; so bleibt doch so viel gewiß, daß Gründe, welche sich auf die Glaubhaftigkeit einer Sache gar nicht beziehen, in Ansehung der nämlichen Glaubhaftigkeit auch gar nichts bestimmen; und daß dies einen Grundsaz der Schwärmerei aufstellen heisse, wenn man behauptet, daß man sich zum Glauben an eine Sache auch von solchen Gründen bestimmen lassen dürfe, die auf ihre Beglaubigung an sich gar keinen Einfluß haben. Ich bediene mich des Wortes: Schwärmerei, nicht um Ihnen den Vorwurf zurück zu geben, welchen Sie mir [sc. in Kants Aufsatz »Was heißt: Sich im Denken orientiren?« H. K.] gemacht haben, noch weniger, um einen Mann, den ich so sehr achte, mit einem abgenutzten Modewort zu necken, sondern blos, weil ich in der That für diese logische Erscheinung keinen andern Ausdruck finden kan. Denn wenn es für den denkenden Menschen vernünftig sein soll, einen Gott, für dessen Existenz ihm alle Gründe fehlen, blos darum voraus zu sezen und zu glauben, weil es im praktischen Gebrauche seiner Vernunft Bedürfniß für ihn ist; so muß es auch für den Liebhaber vernünftig sein, die Liebe eines Geschöpfs, für derenWirklichkeit ihm alle Gründe fehlen, blos darum voraus zu sezen und zu glauben, weil dieser Glaube Bedürfniß für ihn ist. Aber wie nennet man den Zustand eines solchen Liebhabers? Und wie soll man den Zustand eines solchen Glaubigen nennen?« Thomas Wizenmann, »An den Herrn Professor Kant von dem Verfasser der Resultate Jakobischer und Mendelssohnscher Philosophie«, Deutsches Museum, Erster Band, Januar bis Junius 1787, Leipzig 1787, 116 -156, hier: 136 -137. Wizenmann, Freund und »Hausgenosse« von Friedrich Heinrich Jacobi in Düsseldorf, ist Autor der Schrift Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie, kritisch untersucht von einem Freiwilligen (Leipzig 1786), mit der sich Kant in seinem Aufsatz »Was heißt: Sich im Denken orientiren?« (1786) kritisch auseinandersetzt. Kant wirft Wizenmann vor, Mendelssohns Konzeption des »Gemeinsinns« verfälscht und zum Grundsatz der Schwärmerei erhoben zu haben: »Wer hätte denken sollen, [...] daß selbst die gemeine gesunde Vernunft bei der Zweideutigkeit, worin er [sc. Mendelssohn, H. K.] die Ausübung dieses Vermögens im Gegensatz mit der Speculation ließ, in Gefahr gerathen würde, zum Grundsatze der Schwärmerei und der gänzlichen Entthronung der Vernunft zu dienen?

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Und doch geschah dieses in der Mendelssohn- und Jacobi’schen Streitigkeit vornehmlich durch die nicht unbedeutenden Schlüsse des scharfsinnigen Verfassers der Resultate; [...].« (VIII 133 -134) 207, 8 -9 wie etwas Anna von Boleyn auf Anklage Heinrichs [des] VIII. von England] Heinrich VIII. ließ seine vierte Ehefrau, Anna Boleyn, die ihm statt des erhofften männlichen Thronfolgers lediglich eine Tochter gebar (die spätere Königin Elizabeth), zum Tode verurteilen und hinrichten. 211, 10 Esto bonus miles, tutor bonus, arbiter idem] Juvenal, Sat. VIII 79 - 84: »Sei ein guter Soldat, ein guter Vormund, ein lautrer / Schiedsmann! Ruft man einmal in heikler, brenzlicher Sache / Dich als Zeugen herbei, mag Phalaris auch eine Lüge / Von dir heischen, und vor dem Stier einen Meineid diktieren, / Halt’s für die furchtbarste Schuld, dem Leben die Ehre zu opfern, / Und um das Leben zu retten, des Lebens Sinn zu verderben!« ( Juvenal, Satiren, übertragen von Ulrich Knoche, München 1951). Siehe auch Kant VI 49 Anm. und 334. ^ Phalaris war ein auf Sizilien lebender Tyrann. 212, 8 -9 leges obligandi a legibus obligantibus] »Gesetze des Verpflichtens von verpflichtenden Gesetzen«. 212, 36 Leibniz brachte ein Insekt] »Merckwürdig ist, daß Hr. Leibnitz niemahls eine Fliege, wenn sie ihm auch noch so große Beschwerlichkeit verursachet hatte, getödtet habe. Auf Befragen, warum er einen solchen nach den bürgerlichen Rechten erlaubten Todtschlag zu begehen Bedencken trüge, pflegte er zu antworten: Man thue unrecht, eine so künstliche Maschine zu destruiren. Der berühmte Herr Christian Breithaupt berichtet solches. [...] Wo der Hr. Breithaupt diese Nachricht von Herrn Leibnitz herhabe, meldet er nicht.« Carl Günther Ludovici, Ausführlicher Entwurff einer vollständigen Historie der Leibnitzischen Philosophie. Zum Gebrauch seiner Zuhörer, 2. Band, Leipzig 1737, 230 231. Kant erwähnte diese Geschichte bereits in in seinem Anthropologiekolleg von 1772/73 (siehe XXV 12). 213, 11 laudatur et alget] Siehe Juvenal Sat. I, 74: »probitas laudatur et alget« (»die Redlichkeit wird gelobt, und sie friert vor Kälte«).

Bibliographie Von Heiner F. Klemme

Diese Auswahlbibliographie will eine Orientierungshilfe für die Beschäftigung mit der »Kritik der praktischen Vernunft« geben. Monographien zu thematisch verwandten Schriften Kants (vor allem der »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten«), den Vorarbeiten, Reflexionen und Vorlesungsnachschriften sind nur ausnahmsweise aufgeführt. Die »Kant-Studien« (Hamburg, Leipzig 1897 ff.) werden mit »KS« abgekürzt. ^ Die Bibliographie gliedert sich in: A. B. C. D.

Verzeichnis der wichtigsten Ausgaben Materialien zur »Kritik der praktischen Vernunft« Zeitgenössische Rezensionen Hilfsmittel 1. Bibliographien 2.Varia E. Sammelbände und Kongreßakten F. Allgemeine Werke und Gesamtdarstellungen der Kantischen Philosophie G. Studien zur »Kritik der praktischen Vernunft« (und zur praktischen Philosophie) 1. Kommentare und Einführungen 2. Studien mit Schwerpunkt Moralphilosophie (»Analytik« und »Methodenlehre«) 3. Studien mit Schwerpunkt Religionsphilosophie (»Dialektik«) A.Verzeichnis der wichtigsten Ausgaben 1. Critik der practischen Vernunft. Riga, bey Johann Friedrich Hartknoch. 1788. 292 S. (Nachdruck: Erlangen 1984). 2. Critik ... Riga, bey Johann Friedrich Hartknoch. 1792. 292 S. ^ Bringt einige Varianten gegenüber der Erstauflage. 3. Die vierte (Riga 1797), fünfte (Leipzig 1818) und sechste Auflage (Leipzig 1827) folgen der Erstauflage. Eine dritte

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Auflage ist nicht bekannt (vgl. dazu den Hinweis von Natorp in Nr. 11, S. 498, wonach vermutlich die tatsächlich dritte als vierte Auflage bezeichnet wurde). Nachdrucke (bzw. Raubdrucke) erschienen in FrankfurtLeipzig 1791 (mit Druckfehlerverzeichnis), 1795 und 1803 sowie in Grätz 1796 (»Neueste, mit einem Register vermehrte Auflage«). Immanuel Kant’s Sämmtliche Werke. Hrsg. von Karl Rosenkranz und Friedr[ich] Wilh[elm] Schubert. Band 8. Hrsg. von K. Rosenkranz. Leipzig 1838, 103 -318. Immanuel Kant’s Werke, sorgfältig revidirte Gesammtausgabe in zehn Bänden. Hrsg. von G. Hartenstein. Band 4. Leipzig 1838, 95 -290. Immanuel Kant’s Sämmtliche Werke. In chronologischer Reihenfolge. Hrsg. von G. Hartenstein. Band 5. Leipzig 1867, 1-169. Kritik ... Hrsg. und erläutert von J[ulius] H[ermann] von Kirchmann. Berlin 1869 (Leipzig 41897) [= Philosophische Bibliothek Bd. 7]. ^ Kirchmanns Erläuterungen wurden separat in Band 8 der PhB publiziert. Kritik ... Hrsg. von Karl Kehrbach. Leipzig o. J. [Vorrede des Hrsg. von 1878] [= Reclams Universal-Bibliothek Nr. 1111/ 1112]. Kritik ... Hrsg. und mit einer Einleitung, sowie Personenund Sachregister versehen von Karl Vorländer. Leipzig 1906 (51929); mit einer Bibliographie von H. Klemme, Hamburg 101990; Jubiläumsausgabe 1993 [= 5. bis 10. Auflage in der Philosophischen Bibliothek Bd. 38]. Kants gesammelte Schriften. Hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Band 5. Hrsg. von Paul Natorp. Berlin 1908 ( 21913), 1-163; Anmerkungen 489 512 (489 - 511) (Nachdruck: Berlin 1961, 21969; Paperback: Berlin 1968 u. ö.; Anmerkungen in einem separaten Band, Berlin 1977). Zur 2. Auflage vgl. das »Druckfehlerverzeichnis« in Delfosse/ Oberhausen (Hrsg.) 1995 (siehe Abschnitt »D.2«), XLIII. Immanuel Kants Werke. In Gemeinschaft mit H. Cohen, A. Buchenau, O. Buek, A. Görland, B. Kellermann hrsg. von Ernst Cassirer. Band 5. Berlin 1914 [u. ö.]. Hrsg. von Benzion Kellermann, 1-176; Lesarten 569 - 581. Immanuel Kants sämtliche Werke in sechs Bänden. Großher-

Bibliographie

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l7. 18. 19.

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zog-Wilhelm-Ernst Ausgabe. In Band 5. Hrsg. von Felix Gross. Leipzig 1920. Kants Werke in drei Bänden. Mit Zugrundelegung der Ausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften hrsg. und eingeleitet von August Messer. Band 2. Berlin, Leipzig o. J. [ungefähr 1925], 407- 570. Kritik ... Ehemalige Kehrbachsche Ausgabe. Hrsg. von Raymund Schmidt. Leipzig 1929 (weitere Auflagen: Leipzig 1957 u. ö.) [= Reclams Universal-Bibliothek Nr. 1111-1113]. Immanuel Kant.Werke in sechs Bänden. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. In Band 4. Wiesbaden 1956 (Frankfurt/Main 51983) [parallel erschienen bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt]. ^ Paperback-Ausgaben: Kant. Werke in zwölf Bänden. In Band 7. Frankfurt am Main 1968 [= Theorie-Werkausgabe Suhrkamp; Nachdruck: suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1974 u. ö.; Register in Bd. 12]; Immanuel Kant. Werke in zehn Bänden. In Band 6. Darmstadt 1968 [u. ö.] (Sonderausgabe: Darmstadt 1983). Kritik ... Hrsg. von Joachim Kopper. Stuttgart 1961 [u. ö.] [= Reclams Universal-Bibliothek Nr.1111-13; später Nr. 1111]. Kritik ...; Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hrsg. von Martina Thom. Leipzig 1978 ( 21983) [= Reclams Universal-Bibliothek Nr. 704]. Immanuel Kant. Werke in sechs Bänden. In Band 3. Hrsg. von Rolf Toman. Köln 1995. B. Materialien zur »Kritik der praktischen Vernunft«

Materialien zur »Kritik der praktischen Vernunft« finden sich in folgenden Bänden der Akademie-Ausgabe (Berlin 1900ff.): Reflexionen in Band XIX; Vorlesungsnachschriften in den Bänden XXVII und XXIX sowie Vorarbeiten und Nachträge in den Bänden XXI (S. 416) (siehe »Sachanmerkungen« zu S. 7, Z. 5 der vorliegenden Ausgabe) und XXIII (S. 69 -71). Siehe auch Immanuel Kant: Eine Vorlesung über Ethik. Hrsg. von Gerd Gerhardt. Frankfurt am Main 1990. Zu den Vorlesungsnachschriften vgl. Werner Stark: Zu Kants Moralkolleg der 1770er Jahre. Die Relevanz der wiederentdeckten Nachschrift Kaehler. In: Klemme u. a. (Hrsg.) 1999 (siehe Abschnitt »E«), 73 -103, und Clemens Schwaiger: Die Vorlesungsnachschriften

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zu Kants praktischer Philosophie in der Akademie-Ausgabe. In: KS 91, Sonderheft, 2000, 178 -188. Der Briefwechsel Kants findet sich in den Bänden X-XIII (mit einem systematischen Register zu Kant in Band XIII). Zum Briefwechsel vergleiche aber auch die folgenden Publikationen: Kant, Immanuel: Briefwechsel. Auswahl und Anmerkungen von Otto Schöndörffer, bearbeitet von Rudolf Malter. Mit einer Einleitung von R. Malter und J. Kopper. Hamburg 31986 (Leipzig 11924) [= Philosophische Bibliothek Bd. 52a/b]. Malter, Rudolf: Zu Kants Briefwechsel. Verzeichnis der seit Erscheinen des XXIII. Bandes der Akademie-Ausgabe bekannt gewordenen Briefe von und an Kant. In: Editio 2, 1988, 192-204. Immanuel Kant in Rede und Gespräch. Hrsg. und eingeleitet von R. Malter. Hamburg 1990 [= Philosophische Bibliothek Bd. 329]. Stark, Werner: Nachforschungen zu Briefen und Handschriften Immanuel Kants. Berlin 1993. Zu Kants handschriftlichen Notizen in seinem Handexemplar der K.p.V. siehe: Gerhard Lehmann: Kants Bemerkungen im Handexemplar der Kritik der praktischen Venunft. In: KS 72, 1981, 132-139 (137-138). C. Zeitgenössische Rezensionen Die Angaben zu den nachfolgenden Rezensionen gehen in der Mehrzahl auf die von Adickes in seiner »German Kantian Bibliography« (1895 -1896) (siehe Abschnitt »D.1.«) gegebenen Informationen zurück. Die in runden Klammern zugesetzten Nummern sind die der Adickes-Bibliographie; die Namen der Rezensenten werden ^ soweit bekannt ^ in eckigen Klammern angegeben. Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 188 (und 188b), Jena 1788, 345a-360b, (435), [Rehberg] [abgedruckt in: Schulz 1975 (siehe Abschnitt »G.2«), 230-256, und gekürzt in: Bittner/Cramer (Hrsg.) 1974 (siehe Abschnitt »E«), 179-196]. Erlangische gelehrte Anmerkungen und Nachrichten, 40. St., Erlangen 1788, 323-327. Gemeinnützige Betrachtungen der neuesten Schriften welche Religion, Sitten und Besserung des menschlichen Geschlechts

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betreffen. In Vereinigung mit einer Gesellschaft von Gottesgelehrten verfaßt und herausgegeben von Georg Friedrich Seiler. Beylage XIX, Erlangen 1788, 289-301. Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 61. St., Göttingen 1788, 609-611, (455), [Feder]. Gothaische gelehrte Zeitungen, 43. und 44. St., Gotha 1788, 353358 und 361-366. Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung, 224. und 225 St., Salzburg 1788, Sp. 1785-1797, (490). Philosophische Bibliothek, 1. Bd., Göttingen 1788, 182-218, (328 und 490b), [Feder]. Tübingische gelehrte Anzeigen, 81. St., Tübingen 1788, 641647. Wirzburger gelehrte Anzeigen, 75. St., Würzburg 1789, 737742. Allgemeine deutsche Bibliothek, Bd. 117, 1. St., Kiel 1794, 78105, (1142), [Pistorius] [gekürzt abgedruckt in: Bittner/Cramer (Hrsg.) 1974 (siehe Abschnitt »E«), 161-178]. D. Hilfsmittel 1. Bibliographien Aktuelle Bibliographien erscheinen einmal jährlich in den KantStudien. Siehe aber auch die folgenden Publikationen: Adickes, Erich: German Kantian Bibliography. Boston 18951896 (Nachdruck: Würzburg 1970). ^ Verzeichnet mehr als 2800 Titel von und über Kant bis 1887. Beck, Lewis White: Doctoral Dissertations on Kant Accepted by Universities in the United States and Canada, 1879-1980. In: KS 73, 1982, 96-113. Brugger S.J., Walter: Scholastische (und an der christlichen Philosophie orientierte) Literatur zu Kant seit 1920 [1905-1955]. In: Lotz S.J. (Hrsg.) 1955 (siehe Abschnitt »E«), 256-274. Gabel, Gernot U.: Immanuel Kant. Ein Verzeichnis der Dissertationen aus den deutschsprachigen Ländern 1900-1980. Köln 21987. -: Kant. An Index to Theses and Dissertations Accepted by Universities in Canada and the United States 1879-1985. Köln 1989.

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