Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe [1. Aufl. 2020] 978-3-658-27617-1, 978-3-658-27618-8

Die Debatte um die Strafbarkeit von Verbänden dauert in Deutschland seit Jahrzehnten an. Sie hat den Blick dafür verstel

621 104 2MB

German Pages XXVII, 341 [364] Year 2020

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe [1. Aufl. 2020]
 978-3-658-27617-1, 978-3-658-27618-8

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXVII
Einleitung (Christoph Görden)....Pages 1-5
Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe (Christoph Görden)....Pages 7-99
Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe (Christoph Görden)....Pages 101-294
Teil: Gesamtergebnis (Christoph Görden)....Pages 295-308
Back Matter ....Pages 309-341

Citation preview

Juridicum – Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

Christoph Görden

Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Juridicum – Schriften zum ­Wirtschaftsstrafrecht Band 3 Reihe herausgegeben von Frank Saliger, München, Deutschland Michael Tsambikakis, Passau, Deutschland

Diese Reihe enthält Arbeiten zum Wirtschaftsstrafrecht in seiner gesamten nationalen, europäischen und internationalen Breite. Besonderes Augenmerk wird auf die Aktualität und Praxisrelevanz der Themen gelegt. Die Reihe versteht sich als Beitrag zur immer enger zusammenwachsenden globalen Rechtswelt. Prof. Dr. Frank Saliger ist Universitätsprofessor an der Ludwig-MaximiliansUniversität in München. Prof. Dr. Michael Tsambikakis ist Rechtsanwalt in Köln und Honorarprofessor an der Universität Passau.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/15742

Christoph Görden

Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Frank Saliger

Christoph Görden Essen, Deutschland Dissertation Ludwig-Maximilians-Universität München, 2019

Juridicum – Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht ISBN 978-3-658-27617-1 ISBN 978-3-658-27618-8  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-27618-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

V

Geleitwort Die Frage, ob Deutschland ein Verbandsstrafrecht jenseits der Regelung im Ordnungswidrigkeitenrecht braucht, wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Nachdem immer mehr europäische Nachbarländer eigene, auch strafrechtliche Regelungen zum Verbandssanktionenrecht verabschiedet haben, ist Deutschland mit seiner unselbständigen Regelung im Ordnungswidrigkeitengesetz in die Defensive geraten, obgleich vom europäischen Recht her derzeit kein Anpassungsdruck besteht. Der Regelungsauftrag im aktuellen Koalitionsvertrag hat die zuvor schon in Praxis (NRW-Entwurf, Gesetzgebungsvorschlag des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen) und Wissenschaft (Kölner Entwurf, Frankfurter Thesen) entbrannte kriminalpolitische Debatte erneut entfacht und ist im Referentenentwurf des BMJV über ein Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität vom August 2019 umgesetzt worden. Herr Görden hat vor diesem Hintergrund nicht nur ein hochaktuelles, sondern auch ein Thema bearbeitet, dem bei der Diskussion um ein Verbandssanktionenrecht bislang nicht hinreichend Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Möge seine Arbeit, die einen konkreten Gesetzesvorschlag unterbreitet, fruchtbaren Widerhall finden. Einige seiner Gedanken jedenfalls haben bereits in den vor kurzem vorgestellten Münchener Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes, an dem der Unterzeichner mitgewirkt hat, Eingang gefunden. München, 12. September 2019

Frank Saliger

VII

Vorwort Diese Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München im Sommersemester 2019 als Dissertation angenommen. Die Debatte um die Ausgestaltung von Verbandssanktionen bleibt hochaktuell. Sowohl der Münchener Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes als auch der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz, der sich in der Ressortabstimmung des Bundeskabinetts befindet, waren beide zum Zeitpunkt der Drucklegung unveröffentlicht. Der Gesetzesentwurf setzt den Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung um. Darin haben CDU/CSU und SPD vereinbart, durch ein neues Sanktionsrecht für Unternehmen sicherzustellen, dass Wirtschaftskriminalität wirksam verfolgt und angemessen geahndet wird. Laut Presseinterview der Bundesjustizministerin Christine Lambrecht mit der Süddeutschen Zeitung vom 22.08.2019 sieht der von ihr vorgelegte Gesetzesentwurf eine drastische Erhöhung möglicher Geldsanktionen bei großen Konzernen bis zu zweistelligen Milliardenbeträgen vor. Es sollen zugleich Anreize für Unternehmen zu Compliance-Maßnahmen erhöht und die Mithilfe bei der Aufklärung von Verstößen durch unternehmensinterne Untersuchungen strafmildernd berücksichtigt werden. Je weiter die Sanktionierung von Verbänden ausgebaut wird, desto mehr treten Fragen nach den hierfür geltenden rechtsstaatlichen Grenzen in den Vordergrund. Parallel dazu gewinnt die Frage an Bedeutung, welche Zumessungsfaktoren die immer höheren Sanktionen beeinflussen. Sehr herzlich danke ich Herrn Prof. Dr. Saliger für die Annahme als Doktorand, den fachlichen Austausch sowie für die Aufnahme meiner Dissertation in die von ihm und Herrn RA Prof. Dr. Tsambikakis herausgegebene Schriftenreihe Juridicum Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht. Herrn Prof. Dr. Satzger gilt mein besonderer Dank für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Schließlich danke ich all jenen, die auf verschiedenste Art und Weise zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Essen, 15. September 2019

Christoph Görden

Inhaltsübersicht Einleitung ..................................................................................................................................1 1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe.........................7 A. Rechthistorische Entwicklung der Strafe gegenüber Verbänden...................................7 B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit ........................10 I. Schuldgrundsatz ...........................................................................................................10 II. Weitere verfassungsrechtliche Grundsätze ..................................................................15 III. Internationale Verpflichtungen ....................................................................................24 IV. Zwischenergebnis.........................................................................................................27 C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden ..........................29 I. Mangelnde Handlungsfähigkeit ...................................................................................29 II. Mangelnde Straffähigkeit.............................................................................................45 III. Weitere Einwände ........................................................................................................49 IV. Zwischenergebnis.........................................................................................................53 D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden..........................................................54 I. Rechtslage in Österreich ..............................................................................................55 II. Kollektivethik statt Individualethik..............................................................................58 III. Zurechnungsmodell......................................................................................................59 IV. Originäre Verbandsschuld............................................................................................63 V. Eigener Vorschlag der doppelspurigen Organisationspflicht ......................................70 VI. Zwischenergebnis.........................................................................................................76 E. Subjekt der Verbandsstrafbarkeit ...................................................................................77 I. Rechtslage in Österreich ..............................................................................................77 II. Verband ........................................................................................................................81 III. Verantwortlichkeit im Konzern....................................................................................84 IV. Bereichsausnahmen......................................................................................................87 V. Zwischenergebnis.........................................................................................................91 F. Systematik der Straftatbestände im Verbandsstrafrecht...............................................92 I. Verbandsbezogene Straftaten von Organen .................................................................92 II. Verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern...........................................................94 III. Zwischenergebnis.........................................................................................................98

X

Inhaltsübersicht

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe ......................................101 A. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Geldstrafe .........................101 I. Verfassungsrechtliche Grundsätze .............................................................................101 II. Internationale Verpflichtungen ..................................................................................102 III. Zwischenergebnis.......................................................................................................104 B. Tagessatzsystem ...............................................................................................................105 I. Strafbemessung nach Tagessätzen .............................................................................105 II. Höhe des einzelnen Tagessatzes ................................................................................106 III. Bemessungszeitpunkt für die Höhe des einzelnen Tagessatzes .................................143 IV. Zwischenergebnis.......................................................................................................146 C. Strafrahmen bei Verbänden ...........................................................................................148 I. Gesetzlicher Strafrahmen ...........................................................................................148 II. Milderungsmöglichkeit in Anlehnung an § 49 StGB.................................................159 III. Zwischenergebnis.......................................................................................................160 D. Strafzumessung bei Verbänden......................................................................................162 I. Schuld des Verbands ..................................................................................................162 II. Strafzumessungsfaktoren ...........................................................................................174 III. Zwischenergebnis.......................................................................................................249 E. Verzinsung der Verbandsgeldstrafe...............................................................................250 I. Gründe für eine Zinspflicht........................................................................................250 II. Verfassungsrechtliche Probleme ................................................................................251 III. Tatbestandliche Voraussetzungen der Verzinsungspflicht ........................................261 IV. Implikationen für die Verbandsgeldstrafe..................................................................263 V. Zwischenergebnis.......................................................................................................264 F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe...................................................................265 I. Problemstellung..........................................................................................................265 II. Szenarien einer Rechtsnachfolge ...............................................................................269 III. Rechtslage in Österreich ............................................................................................271 IV. Begründungsmodelle für eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht ...................274 V. Übergang der konkreten Pflicht auf den Rechtsnachfolger .......................................284 VI. Zwischenergebnis.......................................................................................................293 3. Teil: Gesamtergebnis........................................................................................................295 A. Grundlegende Konstruktion einer Verbandsgeldstrafe ..............................................295 B. Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe .......................................................................298 I. Tagessatzsystem und Strafrahmen bei Verbänden.....................................................298 II. Strafzumessung bei Verbänden..................................................................................299 III. Verzinsung und Rechtsnachfolge...............................................................................302 C. Gesetzesvorschlag ............................................................................................................304 Literaturverzeichnis .............................................................................................................309

Inhaltsverzeichnis Einleitung ..................................................................................................................................1 1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe.........................7 A. Rechthistorische Entwicklung der Strafe gegenüber Verbänden...................................7 B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit ........................10 I. Schuldgrundsatz ...........................................................................................................10 1. Schuld im Individualstrafrecht ................................................................................11 2. Schuld im Verbandsstrafrecht .................................................................................12 a) Verbandsstrafen ohne Schuld .............................................................................12 b) Kritik...................................................................................................................13 3. Zwischenergebnis ....................................................................................................15 II. Weitere verfassungsrechtliche Grundsätze ..................................................................15 1. Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) .......................................................15 2. Grundrechte .............................................................................................................17 a) Berufsfreiheit (Art. 12 GG) ................................................................................18 b) Eigentumsgarantie (Art. 14 GG).........................................................................18 c) Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) ............................................................20 d) Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).............................................20 e) Übermaßverbot als Grenze eines Verbandsstrafrechts .......................................21 3. Zwischenergebnis ....................................................................................................24 III. Internationale Verpflichtungen ....................................................................................24 1. Einführung eines Verbandsstrafrechts.....................................................................24 2. Zu sanktionierende Verbände..................................................................................26 3. Tatbestandliche Struktur einer Verbandsverantwortlichkeit ...................................27 IV. Zwischenergebnis.........................................................................................................27 C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden ..........................29 I. Mangelnde Handlungsfähigkeit ...................................................................................29 1. Rechtslage in Österreich..........................................................................................29 a) Fähigkeit zum strafrechtlichen Handeln .............................................................29 b) Personenkreis......................................................................................................30 c) Handeln mit Bezug zum Verband.......................................................................31 d) Zwischenergebnis ...............................................................................................32 2. Strafrechtliches Handeln des Verbands...................................................................32 a) Handeln des Verbands durch ein Organ .............................................................32 aa) Prinzipielle Handlungsfähigkeit des Verbands ...........................................33 (1) Verband im Rechtsverkehr ...................................................................33 (2) Gleichzeitiges Handeln im eigenen und fremden Rechtskreis .............34 (3) Zwischenergebnis .................................................................................35 bb) Personenbezogene Anforderungen..............................................................36 cc) Sachbezogene Anforderungen ....................................................................37 (1) Handeln als Organ ................................................................................37 (2) Von Verbänden begehbare Delikte.......................................................39 (3) Zwischenergebnis .................................................................................41

XII

Inhaltsverzeichnis

b) Handeln eines Mitarbeiters für den Verband......................................................41 aa) Verzicht auf strafbares Handeln einer natürlichen Person ..........................42 bb) Defizitäre Organisationsstruktur .................................................................43 c) System verbandsbezogener Handlungen ............................................................44 II. Mangelnde Straffähigkeit.............................................................................................45 1. Spezial- und Generalprävention ..............................................................................45 2. Vergeltungstheorie ..................................................................................................47 3. Zwischenergebnis ....................................................................................................49 III. Weitere Einwände ........................................................................................................49 1. Kollektivstrafe .........................................................................................................49 2. Verbotene Doppelbestrafung...................................................................................51 3. Zwischenergebnis ....................................................................................................53 IV. Zwischenergebnis.........................................................................................................53 D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden..........................................................54 I. Rechtslage in Österreich ..............................................................................................55 1. Schuldprinzip im österreichischen Recht ................................................................55 2. Rechtswissenschaftliche Diskussion über die Verbandsschuld ..............................55 3. Regelungen des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes ...........................................56 4. Zwischenergebnis ....................................................................................................57 II. Kollektivethik statt Individualethik..............................................................................58 III. Zurechnungsmodell......................................................................................................59 1. Gleichsetzung von Handlung und Schuld ...............................................................59 2. Höchstpersönlicher Charakter der Schuld ...............................................................61 3. Zwischenergebnis ....................................................................................................63 IV. Originäre Verbandsschuld............................................................................................63 1. Sittliche Vorwerfbarkeit ..........................................................................................64 2. Defizitäre Kriminalitätsprävention..........................................................................66 a) Fehlerhafte Organisation in Bezug auf Straftaten ..............................................66 b) Kritik...................................................................................................................67 aa) Unzulässige Vermutung einer fehlerhaften Organauswahl.........................68 bb) Nicht zu kontrollierende Verbandsangehörige............................................68 cc) Fehlende Unterscheidung zwischen Unrecht und Schuld...........................69 c) Zwischenergebnis ...............................................................................................69 V. Eigener Vorschlag der doppelspurigen Organisationspflicht ......................................70 1. Unrecht des Verbands..............................................................................................70 2. Schuld des Verbands ...............................................................................................72 3. „Verwässerung“ des individualstrafrechtlichen Schuldbegriffs..............................74 4. Zwischenergebnis ....................................................................................................75 VI. Zwischenergebnis.........................................................................................................76 E. Subjekt der Verbandsstrafbarkeit ...................................................................................77 I. Rechtslage in Österreich ..............................................................................................77 1. Begriff des Verbands...............................................................................................77 2. Bereichsausnahmen für hoheitliches und seelsorgerisches Handeln.......................79 3. Konzern im Verbandsstrafrecht...............................................................................80 4. Zwischenergebnis ....................................................................................................81

Inhaltsverzeichnis

XIII

II. Verband ........................................................................................................................81 1. Unternehmen als Sanktionsadressat ........................................................................81 2. Rechtsträgerprinzip..................................................................................................83 3. Zwischenergebnis ....................................................................................................84 III. Verantwortlichkeit im Konzern....................................................................................84 IV. Bereichsausnahmen......................................................................................................87 1. Hoheitliches Handeln ..............................................................................................88 2. Privatrechtliches Handeln........................................................................................90 3. Zwischenergebnis ....................................................................................................91 V. Zwischenergebnis.........................................................................................................91 F. Systematik der Straftatbestände im Verbandsstrafrecht...............................................92 I. Verbandsbezogene Straftaten von Organen .................................................................92 II. Verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern...........................................................94 1. Tatbestandliche Struktur..........................................................................................94 a) Rechtliche Einordnung der Mitarbeiterstraftat ...................................................94 b) Unterlassene Aufsichtsmaßnahmen durch ein Organ.........................................95 c) Kausalzusammenhang ........................................................................................96 2. Umfang der Verantwortlichkeit in subjektiver Hinsicht .........................................97 3. Zwischenergebnis ....................................................................................................98 III. Zwischenergebnis.........................................................................................................98 2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe ......................................101 A. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Geldstrafe .........................101 I. Verfassungsrechtliche Grundsätze .............................................................................101 II. Internationale Verpflichtungen ..................................................................................102 1. Europäische Vorgaben...........................................................................................102 2. Völkerrechtliche Übereinkommen ........................................................................104 III. Zwischenergebnis.......................................................................................................104 B. Tagessatzsystem ...............................................................................................................105 I. Strafbemessung nach Tagessätzen .............................................................................105 II. Höhe des einzelnen Tagessatzes ................................................................................106 1. Anknüpfungspunkte für die Bestimmung .............................................................106 a) Rechtslage in Österreich ...................................................................................106 aa) Überschüsse...............................................................................................107 bb) Berücksichtigung von sonstigem Vermögen ............................................107 cc) Verfassungsrechtliche Bedenken ..............................................................108 dd) Zwischenergebnis......................................................................................109 b) Umsatz ..............................................................................................................109 c) Steuerbilanzgewinn...........................................................................................110 d) Vorschlag: nachhaltig erzielter handelsrechtlicher Jahresüberschuss ..............112 aa) Grundsätzliche Eignung des handelsrechtlichen Jahresüberschusses.......112 bb) Berücksichtigung von Sondereffekten ......................................................113 (1) Geschäftsjahr ohne Sondereffekte ......................................................114 (2) Eliminierung von Sondereffekten.......................................................114 cc) Bestimmung der konkreten Höhe des Tagessatzes ...................................116

XIV

Inhaltsverzeichnis

e) Berücksichtigung des Vermögens bei der Bemessung der Tagessatzhöhe ......116 aa) Vermögen im Individualstrafrecht ............................................................116 bb) Vermögen im Verbandsstrafrecht .............................................................118 f) Zwischenergebnis .............................................................................................119 2. Einbeziehung der Konzernertragslage bei der Höhe der Geldstrafe .....................119 a) Zulässigkeit der Berücksichtigung des Konzerns.............................................120 aa) Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip .......................................................120 bb) Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz .....................................................121 cc) Zwischenergebnis......................................................................................122 b) Verhältnis der Geldstrafe zur Leistungsfähigkeit ihres Adressaten .................122 c) Zwischenergebnis .............................................................................................124 3. Höchstgrenze .........................................................................................................124 a) Rechtslage in Österreich ...................................................................................124 b) Höchstgrenze als Kappungs- oder Obergrenze.................................................125 c) Verfassungsmäßigkeit einer flexiblen Obergrenze der Geldstrafe ...................128 aa) Individualstrafrecht ...................................................................................129 (1) Unklarheit über den Anwendungsbereich ..........................................129 (2) „Wandernder“ Strafrahmen ................................................................129 (3) Fehlende Strafzumessungskriterien....................................................130 bb) Verbandsstrafrecht ....................................................................................130 (1) Anwendungsbereich und Strafzumessungskriterien...........................130 (2) Flexibler Strafrahmen im Verbandsstrafrecht ....................................131 (a) Bestimmtheitsgrundsatz...............................................................131 (b) Grundsatz der Opfergleichheit.....................................................133 cc) Zwischenergebnis......................................................................................133 d) Variabler Maximalbetrag für die Höhe des einzelnen Tagessatzes..................134 4. Verlustperiode eines gewinnorientierten Verbands...............................................135 a) Rechtslage in Österreich ...................................................................................135 b) Mindeststrafe bei Verlusten..............................................................................136 5. Gemeinnützige Verbände ......................................................................................137 a) Rechtslage in Österreich ...................................................................................138 b) Gemeinnützige Verbände in Deutschland ........................................................138 6. Öffentlich-rechtliche Verbände .............................................................................139 a) Rechtslage in Österreich ...................................................................................139 b) Sanktionierung öffentlich-rechtlicher Verbände ..............................................140 7. Sonstige, nicht gewinnorientierte Verbände..........................................................141 a) Rechtslage in Österreich ...................................................................................142 b) Fester Tagessatzrahmen....................................................................................142 III. Bemessungszeitpunkt für die Höhe des einzelnen Tagessatzes .................................143 1. Rechtslage in Österreich........................................................................................143 2. Möglichkeiten der Anknüpfung ............................................................................144 a) In Frage kommende Zeitpunkte........................................................................144 b) Zeitpunkt der Tathandlung ...............................................................................145 IV. Zwischenergebnis.......................................................................................................146

Inhaltsverzeichnis

XV

C. Strafrahmen bei Verbänden ...........................................................................................148 I. Gesetzlicher Strafrahmen ...........................................................................................148 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben zum Strafrahmen ..............................................148 a) Spannungsverhältnis zwischen Gesetzesbestimmtheit und Schuldprinzip.......149 b) Verfassungsrechtliche Regelungsdichte ...........................................................150 c) Zwischenergebnis .............................................................................................150 2. Strafrahmen der Straftatbestände im Verbandsstrafrecht......................................151 a) Verbandsbezogene Straftaten von Organen......................................................151 b) Verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern ...............................................151 c) Identischer Strafrahmen für Organ- und Mitarbeiterstraftaten .........................152 d) Zwischenergebnis .............................................................................................153 3. Strafrahmen für die einzelnen Delikte...................................................................153 a) Tiefe der notwendigen Differenzierung............................................................153 b) Übertragbarkeit des Stufenverhältnisses zwischen Freiheits- und Geldstrafe..154 4. Strafrahmengrenzen...............................................................................................155 a) Rechtslage in Österreich ...................................................................................155 aa) Ausgestaltung des Tagessatzsystems ........................................................155 bb) Österreichische Regelung und Vorgaben des Grundgesetzes ...................156 b) Gestuftes System für Deutschland....................................................................156 aa) Regelung des NRW-Entwurfs zum Verbandsstrafgesetzbuch..................156 bb) Eigener Vorschlag.....................................................................................157 II. Milderungsmöglichkeit in Anlehnung an § 49 StGB.................................................159 1. Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB ................................................159 2. Strafmilderung nach § 49 Abs. 2 StGB und Doppelverwertungsverbot ...............160 III. Zwischenergebnis.......................................................................................................160 D. Strafzumessung bei Verbänden......................................................................................162 I. Schuld des Verbands ..................................................................................................162 1. Grundsätzliches zur Schuld ...................................................................................162 a) Begriffsbestimmung der Strafzumessungsschuld.............................................162 aa) Divergenzthese..........................................................................................162 bb) Identitätsthese............................................................................................164 b) Höhenbemessung der Strafe nach der Schuld ..................................................164 aa) Spielraum bei der Strafbemessung............................................................165 (1) Spielraumtheorie.................................................................................165 (2) Lehre von der Schuldobergrenze........................................................166 (3) Theorie der Punktstrafe ......................................................................166 (4) Stellenwerttheorie und Lehre von der Tatproportionalität .................168 (5) Theorie des sozialen Gestaltungsakts .................................................169 (6) Zwischenergebnis ...............................................................................169 bb) Ausfüllung des Spielraums .......................................................................169 cc) Zwischenergebnis......................................................................................171 2. Bestimmung des Strafmaßes .................................................................................171 a) Bildung von Kategorien....................................................................................171 b) Verbandsbezogene Straftaten von Organen......................................................172 c) Verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern ...............................................173 3. Zwischenergebnis ..................................................................................................173

XVI

Inhaltsverzeichnis

II. Strafzumessungsfaktoren ...........................................................................................174 1. Umstände der Anknüpfungstat ..............................................................................175 a) Erfolgsbezogene Konsequenzen der Tat ..........................................................175 aa) Rechtslage in Österreich ...........................................................................175 bb) Tatauswirkungen im System der Strafzumessung ....................................176 b) Handlungsbezogene Begehungsweise ..............................................................177 aa) Rechtslage in Österreich ...........................................................................177 bb) Modalitäten der Tatbegehung ...................................................................178 c) Subjektive Momente.........................................................................................178 aa) Rechtslage in Österreich ...........................................................................178 bb) Motivationen und Strafzumessung............................................................179 d) Weitere Strafzumessungsfaktoren in Österreich ..............................................180 aa) Durch die Tat erlangte Vorteile.................................................................180 (1) Begriff des Vorteils ............................................................................180 (2) Tätervorteile in der Strafzumessung...................................................181 (3) Zwischenergebnis ...............................................................................182 bb) Berufliche Stellung des Individualtäters ...................................................182 (1) Begründung für die Strafmilderung....................................................182 (2) Bedenken im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot.................183 cc) Gewichtige rechtliche Nachteile ...............................................................184 (1) Bedenken wegen der Ein-Mann-GmbH .............................................184 (2) Verhältnis der Strafbarkeit des Verbands und seiner Eigentümer......184 (3) Zwischenergebnis ...............................................................................186 e) Zwischenergebnis .............................................................................................186 2. Vor der Straftat ergriffene Aufsichtsmaßnahmen .................................................186 a) Rechtslage in Österreich ...................................................................................186 b) Einordnung von Criminal Compliance.............................................................187 aa) Criminal Compliance als tatsächliches Phänomen ...................................187 bb) Criminal Compliance als Rechtsbegriff ....................................................188 cc) Verhältnis von Criminal Compliance zu den Aufsichtspflichten .............191 dd) Zwischenergebnis......................................................................................191 c) Mangelnde Aufsicht wegen fehlerhafter Criminal Compliance .......................192 aa) Hinreichende Aufsichtsmaßnahmen .........................................................192 (1) Abstrakte Qualität der Aufsichtsmaßnahmen.....................................192 (2) Konkretisierung durch Criminal-Compliance-Programme ................193 (a) Entwurf eines Criminal-Compliance-Programms........................194 (b) Implementierung eines Criminal-Compliance-Programms .........195 (c) Durchsetzung und Weiterentwicklung eines implementierten Criminal-Compliance-Programms...............................................196 (3) Grenzen von Criminal-Compliance-Programmen..............................197 (4) Zwischenergebnis ...............................................................................197 bb) Umfang des Aufsichtsmangels..................................................................198 (1) Schwere des Aufsichtsmangels ..........................................................198 (a) Wahrscheinlichkeit einer verbandsbezogenen Straftat ................198 (b) Ausmaß des Aufsichtsmangels ....................................................199 (2) Weitere Kriterien ................................................................................200 (3) Zwischenergebnis ...............................................................................201 d) Zwischenergebnis .............................................................................................201

Inhaltsverzeichnis

XVII

3. Sonstige Umstände bei der Strafzumessung .........................................................201 a) Nachträgliche Criminal-Compliance-Maßnahmen...........................................202 aa) Rechtslage in Österreich ...........................................................................202 bb) Anforderungen an nachträgliche Criminal-Compliance-Programme .......202 (1) Weiterentwicklung des Criminal-Compliance-Programms................203 (2) Durchsetzung des Criminal-Compliance-Programms ........................203 (a) Verbandsbezogene Straftaten von Organen.................................204 (aa) Personelle Maßnahmen bei juristischen Personen ..............204 (bb) Personelle Maßnahmen bei Personengesellschaften ...........206 (cc) Effektives Criminal-Compliance-Programm ......................208 (b) Verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern...........................209 (aa) Reaktion gegenüber dem Mitarbeiter ..................................209 (bb) Konsequenzen für das Organ ..............................................211 (cc) Effektives Criminal-Compliance-Programm ......................212 cc) Umfang der Berücksichtigung ..................................................................213 dd) Zwischenergebnis......................................................................................214 b) Schadenswiedergutmachung.............................................................................215 aa) Rechtslage in Österreich ...........................................................................216 bb) Schadenswiedergutmachung und präventive Strafbelange .......................216 (1) Wiedergutmachung als selbstständige strafrechtliche Sanktion.........217 (2) Wiedergutmachung als Strafzumessungsfaktor .................................218 cc) Schadenswiedergutmachung durch Verbände ..........................................219 (1) Systematik und Abgrenzung zur zivilrechtlichen Restitution ............219 (2) Verbandsseitige Wiedergutmachungsleistungen................................220 dd) Schadenswiedergutmachung bei mehreren Tätern....................................222 ee) Umfang der Berücksichtigung ..................................................................224 ff) Zwischenergebnis......................................................................................225 c) Angaben eines Verbands zu Straftaten .............................................................226 aa) Rechtslage in Österreich ...........................................................................227 (1) Geständnis ..........................................................................................227 (2) Kronzeugenregelung...........................................................................228 (3) Zwischenergebnis ...............................................................................229 bb) Verbandsseitige Angaben zu eigenen Straftaten.......................................229 (1) Anforderungen an Geständnisse von Verbänden ...............................229 (2) Auswirkung auf die Strafzumessung..................................................231 (a) Schuldminderung .........................................................................232 (b) Minderung der präventiven Bedürfnisse......................................233 cc) Verbandsseitige Angaben zu fremden Straftaten......................................234 (1) Rechtspolitischer Hintergrund von Kronzeugenregelungen...............235 (2) Rechtliche Einwände ..........................................................................236 (a) Verstoß gegen das Schuldprinzip.................................................236 (aa) Schuldminderung.................................................................237 (bb) Präventionsbedürfnis bei Kronzeugenangaben ...................237 (b) Weitere Einwände........................................................................239 dd) Zwischenergebnis......................................................................................240

XVIII

Inhaltsverzeichnis

d) Interne Untersuchungen....................................................................................240 aa) Zulässigkeit interner Untersuchungen.......................................................241 (1) Bedenken gegen interne Untersuchungen ..........................................241 (2) Rechtspflicht zu internen Untersuchungen.........................................242 bb) Rechtliche Voraussetzungen .....................................................................243 (1) Einleitung und Durchführung.............................................................243 (2) Übertragung strafprozessualer Grundsätze.........................................245 cc) Interne Untersuchungen als Strafzumessungsfaktor .................................246 (1) Abgrenzung zu anderen Strafzumessungsfaktoren.............................246 (2) Zur-Verfügung-Stellung von Beweismitteln ......................................247 dd) Zwischenergebnis......................................................................................248 III. Zwischenergebnis.......................................................................................................249 E. Verzinsung der Verbandsgeldstrafe...............................................................................250 I. Gründe für eine Zinspflicht........................................................................................250 II. Verfassungsrechtliche Probleme ................................................................................251 1. Rechtskräftige Verbandsgeldstrafen......................................................................252 a) Verzinsung und Gleichheitssatz .......................................................................252 b) Rechtfertigung der Zinspflicht in § 81 Abs. 6 GWB........................................253 c) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung im Verbandsstrafrecht .....................254 d) Zwischenergebnis .............................................................................................255 2. Nicht rechtskräftige Verbandsgeldstrafen .............................................................256 a) Vereinbarkeit mit der Unschuldsvermutung.....................................................256 b) Vereinbarkeit mit justiziellen Gewährleistungen des Grundgesetzes ..............257 aa) Einlegung von Rechtsmitteln zur Erlangung von Zinsvorteilen ...............258 bb) Einlegung von Rechtsmitteln mit ernsthafter Überprüfungsabsicht .........259 (1) Bestimmbarkeit der Kosten ................................................................259 (2) Unzumutbare Erschwerung des Rechtswegs......................................260 cc) Zwischenergebnis......................................................................................261 3. Zwischenergebnis ..................................................................................................261 III. Tatbestandliche Voraussetzungen der Verzinsungspflicht ........................................261 IV. Implikationen für die Verbandsgeldstrafe..................................................................263 V. Zwischenergebnis.......................................................................................................264 F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe...................................................................265 I. Problemstellung..........................................................................................................265 1. Gründe für die Erstreckung der Geldstrafe auf den Rechtsnachfolger..................265 2. Rechtsnachfolge und Rechtsträgerprinzip.............................................................266 3. Rechtspolitische Aspekte einer Rechtsnachfolge..................................................267 4. Zwischenergebnis ..................................................................................................268 II. Szenarien einer Rechtsnachfolge ...............................................................................269 1. Status der Verbandsgeldstrafe ...............................................................................269 2. Art der Rechtsnachfolge ........................................................................................271 III. Rechtslage in Österreich ............................................................................................271 1. Gesamt- und Einzelrechtsnachfolge ......................................................................272 2. Mehrere Rechtsnachfolger.....................................................................................273 3. Zwischenergebnis ..................................................................................................273

Inhaltsverzeichnis

XIX

IV. Begründungsmodelle für eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht ...................274 1. Einfache Rechtsnachfolge .....................................................................................274 a) Übernahme der finanziellen Geldbußlast .........................................................274 b) Fortbestand des übertragenen Vermögens........................................................276 aa) „Nahezu-Identität“ der Vermögensverbindung.........................................276 bb) Missachtung des Rechtsträgerprinzips......................................................277 cc) Fehlende Bestimmtheit einer Regelung ....................................................278 c) Zwischenergebnis .............................................................................................279 2. Qualifizierte Rechtsnachfolge ...............................................................................279 a) Nachträgliche Übernahme des Pflichtverstoßes ...............................................280 b) Rechtsgedanke des § 261 Abs. 5 StGB ............................................................280 3. Vereinbarkeit mit dem Schuldgrundsatz ...............................................................282 4. Sicherung der Strafvollstreckung ..........................................................................283 5. Zwischenergebnis ..................................................................................................284 V. Übergang der konkreten Pflicht auf den Rechtsnachfolger .......................................284 1. Übergangsfähigkeit der rechtskräftigen Geldstrafe...............................................284 2. Begrenzung der Haftung........................................................................................286 3. Mehrere Vermögensinhaber nach der Umwandlung.............................................287 a) Haftungsmodelle...............................................................................................287 b) Voraussetzungen der Gesamtschuld .................................................................288 c) Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip...............................................................289 d) Innenausgleich zwischen den Gesamtschuldnern.............................................290 aa) Vereinbarung.............................................................................................291 bb) Individuelle Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ..........................291 (1) Tatbeiträge ..........................................................................................291 (2) Sonstige Kriterien ...............................................................................292 (3) Verhältnis der Kriterien und Regressbegrenzung...............................293 e) Zwischenergebnis .............................................................................................293 VI. Zwischenergebnis.......................................................................................................293 3. Teil: Gesamtergebnis........................................................................................................295 A. Grundlegende Konstruktion einer Verbandsgeldstrafe ..............................................295 B. Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe .......................................................................298 I. Tagessatzsystem und Strafrahmen bei Verbänden.....................................................298 II. Strafzumessung bei Verbänden..................................................................................299 III. Verzinsung und Rechtsnachfolge...............................................................................302 C. Gesetzesvorschlag ............................................................................................................304 Literaturverzeichnis .............................................................................................................309

Abkürzungsverzeichnis A a.A ABl. ABGB Abs. AEUV a.F. AG AIDP AktG allg. Alt. AnwK AO AöR Art. AT Aufl. Az. B BAG BAO BB BDSG Begr. Beschl. BetrVG BFuP BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BilRUG BKartA BMJ BR-PlPr BT-Drucks. BVerfG

anderer Ansicht Amtsblatt der europäischen Gemeinschaft Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft Association Internationale de Droit Pénal Aktiengesetz allgemeines Alternative Anwaltskommentar Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Bundesabgabenordnung Betriebsberater Bundesdatenschutzgesetz Begründer Beschluss Betriebsverfassungsgesetz Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt der Bundesrepublik Deutschland Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (zitiert nach Band und Seite) Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Bundeskartellamt Bundesministerium der Justiz (und für Verbraucherschutz) Bundesrat Plenarprotokoll Drucksache des Deutschen Bundestags Bundesverfassungsgericht

XXII

BVerfGE BVerwGE bzgl. bzw. C CCZ D DB Ders. d.h. Dies. DöV DSGVO E EGHGB EMRK EStG EStR etc. EU eucrim

Abkürzungsverzeichnis

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zitiert nach Band und Seite) Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (zitiert nach Band und Seite) bezüglich beziehungsweise Corporate Compliance Zeitschrift (zitiert nach Jahr und Seite) Der Betrieb Derselbe das heißt Dieselbe(n) Die öffentliche Verwaltung (zitiert nach Jahr und Seite) EU-Datenschutz-Grundverordnung

EuGH EuZW EWS

Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Europäische Menschenrechtskonvention Einkommenssteuergesetz Europäisches Strafrecht et cetera Europäische Union Journal for the Protection of the Financial Interests of the European Communities Europäische Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

F f. FAZ FCPA ff. FK Fn. FS

folgende (Seite, Randnummer etc.) Frankfurter Allgemeine Zeitung Foreign Corrupt Procedures Act folgende (Seite, Randnummer etc.) Frankfurter Kommentar Fußnote Festschrift

G GA GbR GD gem. GewO GG

Archiv für Strafrecht, begründet von Goltdammer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Generaldirektion gemäß Gewerbeordnung Grundgesetz

Abkürzungsverzeichnis

ggf. GmbH GmbHG

XXIII

grds. GS GSZ GWB

gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung grundsätzlich Gedächtnisschrift Zeitschrift für das Gesamte Sicherheitsrecht Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

H HGB Hrsg. HWSt

Handelsgesetzbuch Herausgeber Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

I i.H.v. insb. i.S.d. i.S.e. i.S.v. i.V.m.

in Höhe von insbesondere im Sinne des/ der im Sinne eines/ einer im Sinne von in Verbindung mit

J JA JBl JR JSE Jura JuS JZ K Kap. Kfz KG KK-OWiG

Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter (zitiert nach Jahr und Seite) Juristische Rundschau (zitiert nach Jahr und Seite) Jura Studium & Examen Juristische Ausbildung (zitiert nach Jahr und Seite) Juristische Schulung Juristenzeitung (zitiert nach Jahr und Seite)

KSchG KStG KWG

Kapitel Kraftfahrzeug Kommanditgesellschaft Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitenrecht (zitiert nach Bearbeiter, Paragraph und Randnummer) Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kündigungsschutzgesetz Körperschaftssteuergesetz Kreditwesengesetz

L LAG

Landesarbeitsgericht

KonTraG

XXIV

Lfg. LG LK StGB M M&A m.a.W. m.b.H. MDR Mio. MüKo StGB MüKo GWB Münch. Hdb. GesR m.w.N. N Nds. SOG n.F. NJW NK-BGB Nr. NRW NStZ NStZ-RR NuR nv NVwZ NZA NZG NZKart NZWiSt O OBG NRW OECD Ö-BGBl. Ö-BKA Ö-EStG ÖJZ Ö-StGB Ö-StPO ÖZW OHG OLG

Abkürzungsverzeichnis

Lieferung Landgericht Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Mergers&Acquisitions mit anderen Worten mit beschränkter Haftung Monatsschrift für deutsches Recht (zitiert nach Jahr und Seite) Millionen Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts mit weiteren Nachweisen Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nomos Kommentar BGB Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungsreport Natur und Recht nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Kartellrecht Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bundesgesetzblatt der Republik Österreich Bundeskanzleramt der Republik Österreich Österreichisches Einkommenssteuergesetz Österreichische Juristen-Zeitung Österreichisches Strafgesetzbuch Österreichische Strafprozessordnung Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht

Abkürzungsverzeichnis

OWiG OWiR P POR PublG PWW

XXV

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Ordnungswidrigkeitenrecht Polizei- und Ordnungsrecht Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz) Prütting Wegen Weinreich

Q R RAO RB RegE RGSt

Rn. ROC Rs. RW Rz.

Reichsabgabenordnung Rahmenbeschluss Regierungsentwurf Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Rheinland-Pfälzisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Randnummer Republik China (Taiwan) Rechtssache Rechtswissenschaft Randziffer

S S. SchwStGB SEC SK-StGB Slg. sog. S/S-StGB SSW-StGB StGB StPO StraFo StrÄndG StuB StV

Seite Schweizerisches Strafgesetzbuch Securities and Exchange Commission Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Sammlung sogenannt Schönke/Schröder Strafgesetzbuch Satzger Schluckebier Widmaier Strafgesetzbuch Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidigerforum Strafrechtsänderungsgesetz Unternehmenssteuern und Bilanzen Strafverteidiger

T TKG TMG

Telekommunikationsgesetz Telemediengesetz

U u.a. UGB UK

unter anderem Unternehmensgesetzbuch Vereinigtes Königreich

RhPfPOG

XXVI

UmwG UmwR UmwStG UN Urt. UStG u.U. UWG V v. v.a. VbVG VbVG-E VerbStrG-E VersR vgl. v.H. VO Vorbem vs. VVG W WiJ wistra WiStrR WM WPg WpHG WRP WuW

Abkürzungsverzeichnis

Umwandlungsgesetz Umwandlungsrecht Umwandlungssteuergesetz Vereinten Nationen Urteil Umsatzsteuergesetz unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom vor allem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit von Verbänden für mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlungen Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden Versicherungsrecht vergleiche vom Hundert Verordnung Vorbemerkung versus Versicherungsvertragsgesetz Journal der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wirtschaftsstrafrecht Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Gesetz über den Wertpapierhandel Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschaft und Wettbewerb

X Y Z Z z.B. ZEuS ZGR ZHR

Ziffer zum Beispiel Zeitschrift für europarechtliche Studien Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

Abkürzungsverzeichnis

ZIP ZIS ZP-PIF ZPO ZRFC ZRP ZStrR ZStW ZWeR ZWF ZWH

XXVII

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zweites Protokoll zum Schutz der finanziellen Interessen der europäischen Gemeinschaften Zivilprozessordnung Zeitschrift Risk, Fraud & Compliance Zeitschrift für Rechtspolitik Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Wettbewerbsrecht Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzstrafrecht Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen

Einleitung Im Gegensatz zur geltenden Rechtslage in Deutschland tendiert die internationale Entwicklung immer stärker in Richtung einer strafrechtlichen Verbandsverantwortlichkeit.1 Diesem Trend folgend kündigte die Große Koalition im Koalitionsvertrag vom 16.12.2013 (18. Legislaturperiode) zwar an, ein Unternehmensstrafrecht für multinationale Konzerne zu prüfen,2 gesetzgeberische Maßnahmen erfolgten jedoch nicht. Der aktuelle Koalitionsvertrag vom 12.03.2018 (19. Legislaturperiode) stellt eine Reform des Verbandssanktionenrechts in Aussicht.3 Diese Entwicklung lehnen weite Teile der deutschen Fachliteratur ab. Ihr Widerstand gegen ein Verbandsstrafrecht bleibt ungebrochen. Dieser gipfelt z.B. in dem Vorwurf, dass das Verbandsstrafrecht ein „kriminalpolitischer Zombie“ sei.4 Wegen der weltweiten Tätigkeit deutscher Verbände bedeutet das Fehlen eines Verbandsstrafrechts in Deutschland nicht, dass diese von strafrechtlichen Sanktionen im Ausland verschont bleiben.5 Angesichts dieser Entwicklung wird die rechtspolitische Befürchtung geäußert, dass Deutschland seinen Einfluss bei der Formulierung internationaler Rechtsstandards zur Sanktionierung von Verbänden zu verlieren drohe.6 Das internationale Wirtschaftsstrafrecht werde erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung globaler Märkte, weltweiter Verhaltensnormen und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und ganzen Volkswirtschaften haben. Wenn bei diesem Prozess auch deutsche Werte zur Geltung kommen sollen, müsse die gegenwärtige Sanktionierung von Verbänden ausgebaut werden.7 Ein Verbandsstrafrecht kann in Deutschland nur eingeführt werden, wenn dieses den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes und den für Deutschland verbindlichen internationalen Anforderungen an Strafe genügt. Da Österreich bereits 2006 ein Verbandsverantwortlichkeitsgesetz eingeführt hat und zum deutschen Rechtskreis zählt,8 sind der dortigen Diskussion wichtige Impulse für die Einführung eines deutschen Verbandsstrafrechts zu entnehmen. Der Gewinn der österreichischen Diskussion beschränkt sich aber nicht auf die praktische Umsetzung, sondern er betrifft auch die notwendige Breite des wissenschaftlichen Diskurses im Vorfeld eines Gesetzes. 1

Böse in FS Jakobs S. 15; Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 85 ff.; Dannecker GA 2001, 101 (101 f.); Haeusermann Verband als Straftäter S. 162; Heine ÖJZ 1996, 211 (213); Heine ZStrR 119, 22 (34); Heine in Eser/Huber/Cornils S. 95 (100 f.); Löschnig-Gspandl ÖJZ 2000, 888; Pieth in FS Eser S. 599 (600); KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 263 ff.; N. Schmid in FS Forstmoser S. 761 (763); Stratenwerth in FS Schmitt S. 295 (295 f.). Für eine Liste der Staaten vgl. die Aufzählung bei Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 129 f.; Eidam Unternehmen und Strafe S. 261 ff. 2 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 18. Legislaturperiode v. 14.12.2013 S. 101 abrufbar unter www.cdu.de/sites/default/files/media/ dokumente/koalitionsvertrag.pdf zuletzt besucht am 12.10.2016. 3 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 19. Legislaturperiode v. 12.03.2018 S. 126 abrufbar unter www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf zuletzt besucht am 27.09.2018. Eine Umsetzung erfolgte bisher nicht. Zur Ankündigung eines Entwurfs vgl. Bundesjustizminsterin Barley GSZEditorial zu Heft 4/2018 „Wenn Unrecht System hat, müssen wir das Unternehmen als Ganzes belangen“. 4 So Schünemann vor dem Hintergrund des NRW-Entwurfs zum Verbandsstrafgesetzbuch in ZIS 2014, 1. 5 Kubiciel NZWiSt 2016, 178 (179). 6 Kubiciel NZWiSt 2016, 178 (180). 7 Kubiciel NZWiSt 2016, 178 (180); Kubiciel Zeit online v. 13.10.2015 abrufbar unter www.zeit.de/ wirtschaft/2015-10/volkswagen-strafrecht-unternehmen-abgas-skandal zuletzt besucht am 08.11.2016. 8 Vgl. Zweigert/Kötz Einführung in die Rechtsvergleichung S. 137.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Görden, Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe, Juridicum – Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht 3, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27618-8_1

2

Einleitung

Der Streit um die Strafbarkeit von Verbänden im deutschen Recht dauert seit Jahrzehnten an.9 Auch in Österreich sind die Kriminalstrafe gegen Verbände und deren grundlegende dogmatische Konstruktion trotz der zwischenzeitlichen Einführung des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes noch immer umstritten.10 Diese sehr wichtige Diskussion hat aber in Österreich weitgehend den Blick dafür verstellt, dass sich ein Verbandsstrafrecht nicht auf die Frage der Strafbarkeit an sich, das „Ob“ der Strafbarkeit, beschränken kann. Es muss auch die zu verhängenden Sanktionen, das „Wie“ der Strafbarkeit, regeln.11 Diese Gefahr droht ebenfalls in Deutschland. Während die Veröffentlichungen zu den dogmatischen Grundlagen der Verbandsstrafbarkeit kaum mehr zu zählen sind,12 bleiben die Beiträge zu möglichen Straffolgen bisher sehr überschaubar. Häufig werden lediglich einzelne Fragen thematisiert, ohne dass diese in den Gesamtkontext einer Verbandsstrafe eingeordnet werden.13 Wer sich für die Einführung eines Verbandsstrafrechts ausspricht, darf nicht bei der Klärung der dogmatischen Grundlagen einer Verbandsstrafbarkeit und der Formulierung von Straftatbeständen stehenbleiben. Das Bundesverfassungsgericht hat die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Gesetzgeber im Bereich der Strafrechtsfolgen in den letzten Jahren sukzessive verschärft.14 Dies gilt insbesondere für den Bestimmtheitsgrundsatz. Damit ein Verbandsstrafrecht insgesamt verfassungsgemäß ist, muss auch die über den Verband zu verhängende Geldstrafe den rechtsstaatlichen Standards genügen. Die Rechtsfolgen einer Straftat sind daher nicht lediglich ein Annex zur Strafbarkeit. Sie sind vielmehr integraler Bestandteil eines Verbandsstrafrechts, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Strafe auf Tatbestands- und auf Rechtsfolgenseite zu genügen hat. Soweit bislang Gesetzesvorschläge für ein Verbandsstrafrecht unterbreitet wurden,15 setzen sich diese nicht in der notwendigen Tiefe mit den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Strafdrohung auseinander. Zudem tragen sie der Vielfalt der zu sanktionierenden Verbände nicht ausreichend Rechnung. Wenngleich dies angesichts des enormen Regelungsumfangs zum Allgemeinen Teil eines Verbandsstrafrechts und zum Strafverfahren nachvollziehbar ist, bedarf es auch im Bereich der Sanktionen einer vertieften Auseinandersetzung mit den diesbezüglich geltenden rechtsstaatlichen Anforderungen.

9

Ausführlich zur historischen Entwicklung der Debatte um das Verbandsstrafrecht siehe 1. Teil A. Für eine Verbandsstrafbarkeit mit Unterschieden im Detail Hilf NZWiSt 2016, 189 (193); Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (123); dagegen Holzinger/Moringer ÖJZ 2015, 403 m.w.N.; Venier ÖJZ 2002, 718 11 Bauer ÖJZ 2004, 491. 12 Vgl. hierzu exemplarisch Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance mit umfangreichen Nachweisen zum Schrifttum. 13 Vgl. exemplarisch Utz NZWiSt 2015, 377; Peters/Hammes ZWH 2015, 49 (53 f.). 14 Dannecker in FS Otto S. 25 (37). 15 Ausführlich zur Historie des Verbandsstrafrechts in Deutschland siehe 1. Teil A. 10

Einleitung

3

Unter den möglichen Sanktionen gegenüber Verbänden stellt die Verbandsgeldstrafe die Primärsanktion dar.16 Die Frage, wie die mit der Geldstrafe verbundenen Konstruktionsprobleme zu lösen sind, bedarf einer Antwort. Das Bundesverfassungsgericht betont, dass Strafe eine angemessene Reaktion auf strafrechtlich verbotenes Verhalten ist.17 Die im Einzelfall verhängte Strafe hat in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters zu stehen.18 Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen gliedert sich die Darstellung der Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe in 3 Teile. Der 1. Teil widmet sich den dogmatischen Grundlagen der Verbandsstrafbarkeit. Nach einem Überblick über die rechtshistorische Entwicklung der Strafe gegen Verbände werden die verfassungsrechtlichen und internationalen Vorgaben dargestellt. Anschließend wird den in Deutschland erhobenen Einwänden gegen eine Strafbarkeit von Verbänden nachgegangen. Da sich eine Sanktion stets zumindest auch an der Leistungsfähigkeit ihres Adressaten orientiert, muss definiert werden, wer Subjekt der Verbandsstrafe ist. Abschließend sind auf Basis der gefundenen Ergebnisse Tatbestände für eine Verbandsstrafbarkeit zu entwickeln. Hierdurch wird der Bezugspunkt der Verbandsgeldstrafe vor ihrer Darstellung geklärt. Der 2. Teil thematisiert die Ausgestaltung der Verbandsgeldstrafe. Er beginnt mit der Darstellung der verfassungsrechtlichen und internationalen Anforderungen an die Rechtsfolgen der Straftat. Anschließend wird die grundlegende Ausgestaltung der Geldstrafe in Gestalt eines Tagessatzsystems erläutert. In diesem Zusammenhang sind die Bemessung der Höhe des einzelnen Tagessatzes bei verschiedenen Verbänden und der Zeitpunkt für dessen Bemessung zu erörtern. Danach ist zum Strafrahmen für die verschiedenen Verbandsstraftaten und zur Frage einer Strafrahmenverschiebung bei vertypten Strafmilderungsgründen Stellung zu nehmen. Hieran schließt sich die Darstellung der konkreten Strafzumessung an. Zunächst ist auf das Verhältnis der Strafzumessungs- zur Strafbegründungsschuld einzugehen. Anschließend sind die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren zu kategorisieren und aufzuzeigen, in welchem Umfang sie das Strafmaß bei Organ- und bei Mitarbeiterstraftaten beeinflussen. Nachfolgend werden die einzelnen Strafzumessungsfaktoren dargelegt. Abschließend ist zu den Sonderproblemen der Verzinsung der Verbandsgeldstrafe und der Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe Stellung zu nehmen. Der 3. Teil fasst die gewonnenen Ergebnisse zusammen und stellt einen Gesetzesvorschlag für die Verbandsgeldstrafe vor.

16 So auch Dannecker in FS Böttcher S. 465 (484); zu anderen Sanktionen vgl. Bauer ÖJZ 2004, 491; Jescheck DöV 1953, 539 (542); Jescheck ZStrR 70, 243 (265); Hartung Verbandsstrafbarkeit S. E 43 (51 ff.); Hirsch ZStW 107, 285 (316 f.); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 247. 17 BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 58 unter Verweis auf BVerfGE 21, 391 (404); 22, 125 (132); 45, 187 (253 f.); 95, 96 (140). 18 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 68.

4

Einleitung

Bevor den Konstruktionsproblemen einer Verbandsgeldstrafe nachgegangen werden kann, bedarf es noch einzelner Vorbemerkungen zum Verbandsstrafrecht in Österreich und einigen, häufig verwendeten Begriffen. Das österreichische Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) ist am 01.01.2006 in Kraft getreten.19 Zwischenzeitlich wurde es durch das Strafprozessreformbegleitgesetz 200720 und durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz I 2016 geändert.21 Nach einer anfänglichen Stagnation der Verfolgungszahlen steigen diese langsam an.22 Auf den Begriff der Strafe wird bewusst verzichtet.23 Der Gesetzgeber spricht zwar von einer Lösung im Strafrecht.24 An die Stelle des Begriffs der Strafbarkeit tritt die Verantwortlichkeit. Wenngleich dem Verband die Rechte eines Beschuldigten zuteil werden, wird er als „belangter Verband“ bezeichnet.25 Für die über den Verband zu verhängende Geldsanktion verwendet das VbVG den Begriff der Geldbuße.26 Die vorzusehende Sanktion bezweckt sowohl eine general- als auch eine spezialpräventive Wirkung. Es soll durch sie auch ein sozialethischer Tadel zum Ausdruck gebracht werden, im Unterschied zur Strafe des Individualstrafrechts aber kein individualethischer Tadel.27 Der Grund für die bewusste Vermeidung des Begriffs „Strafe“ durch den österreichischen Gesetzgeber liegt darin, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass aus seiner Sicht die Geldsanktion gegen Verbände lediglich mit einem kollektivethischen, nicht aber mit einem individualethischen Unwerturteil belegt ist.28 Wenngleich der Gesetzgeber einer rechtlichen Qualifikation der Verbandsgeldsanktion aus dem Weg gegangen ist, wird im Schrifttum davon ausgegangen, dass die Verbandsgeldbuße aufgrund der gerade beschriebenen Merkmale die materiellen Voraussetzungen einer Strafe nach österreichischem Rechtsverständnis erfüllt und daher als echte Strafe zu qualifizieren ist.29 Die Sanktion muss keinen individualethischen Tadel enthalten, damit sie für den Verband als Strafe einzuordnen ist.30 Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat die Verfassungskonformität des VbVG in seiner Entscheidung vom 02.12.2016 bestätigt.31 19

Vgl. § 28 Abs. 1 VbVG. Ö-BGBl. I 112/2007. 21 Ö-BGBl. I 26/2016. 22 Dietrich NZWiSt 2016, 186 (188). 23 Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (119); Wess ÖZW 2015, 131 (135). 24 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 11 von 41. 25 Vgl. § 13 Abs. 1 VbVG. 26 Vgl. § 4 Abs. 1 VbVG. 27 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 24 von 41. 28 So sinngemäß 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 24 von 41. 29 Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (119); Hilf NZWiSt 2016, 189. 30 Wess ÖZW 2015, 131 (135). 31 VfGH Erkenntnis v. 02.12.2016 Az.: G 497/2015 – 26, G 679/2015 – 20; zur nachfolgenden Rezeption im Schrifttum vgl. Kert ÖZW 2018, 16; Rohregger ÖZW 2018, 27.; Engelhart ZWH 2018, 165. 20

Einleitung

5

Zentral für ein deutsches Verbandsstrafrecht ist der Begriff des Verbands. Hierunter ist ein zumindest teilrechtsfähiger Personenzusammenschluss zu verstehen.32 Ausgenommen sind daher Personenzusammenschlüsse, denen die Rechtsfähigkeit fehlt. Ein Beispiel hierfür ist die Erbengemeinschaft.33 Der Verband unterliegt einer Organisationspflicht, Straftaten mit zumutbaren Anstrengungen vorzubeugen. Diese unterteilt sich in Pflichten zur Selbstkontrolle und Aufsichtspflichten. Bei der Pflicht zur Selbstkontrolle überwacht sich eine Person selbst. Die Aufsichtspflicht ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Person eine andere überwacht. Des Weiteren ist zu erörtern, für wessen strafbares Handeln der Verband unter bestimmten Voraussetzungen einzustehen hat. Um diesen Personenkreis zu beschreiben, wird der Begriff des Verbandsangehörigen verwendet. Hierzu zählen zunächst die sich selbst kontrollierenden Organe des Verbands. Dies sind Personen, die den Verband im Rechtsverkehr repräsentieren. Darauf beschränkt sich der Personenkreis jedoch nicht. Der Verband unterliegt einer Organisationspflicht, Aufsichtsmaßnahmen gegen verbandsbezogene Straftaten von bestimmten natürlichen Personen zu ergreifen. Diese Aufsichtspflicht kann der Verband nur erfüllen, wenn er die Tätigkeit der natürlichen Person kontrollieren kann. Daher muss ein Subordinationsverhältnis zwischen dem Verband und der natürlichen Person bestehen.34 Diese Personen werden als Mitarbeiter bezeichnet. Die verschiedenen Modelle für eine Verbandsstrafbarkeit gehen überwiegend davon aus, den Verband für Straftaten seiner Angehörigen unter bestimmten Umständen verantwortlich zu machen.35 Die Straftat des Verbandsangehörigen wird als Anknüpfungstat, der Täter als Individualtäter bezeichnet. Ein Verband hat nicht für jede Straftat seiner Angehörigen einzustehen. Begeht der Verbandsangehörige die Straftat als Organ bzw. als Mitarbeiter, wird im Folgenden von einer verbandsbezogenen Straftat gesprochen.

32

Ausführlich zum Verband siehe 1. Teil E. II. BGH NJW 2002, 3389 (3390). 34 Für das Erfordernis eines Subordinationsverhältnisses bei § 130 OWiG auch KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 108; näher hierzu 1. Teil F. II. 1. 35 Zu der Ausnahme siehe 1. Teil C. I. 2. b) aa). 33

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe A. Rechthistorische Entwicklung der Strafe gegenüber Verbänden Die Problematik, ob gegen Verbände eine Kriminalstrafe verhängt werden kann, ist vor dem Hintergrund des geltenden Rechts zu beantworten. Dies wirft die Frage auf, was eine Darstellung der rechtshistorischen Entwicklung in diesem Zusammenhang überhaupt zu leisten vermag. Es werden vor allem dogmatische Einwände gegen die Einführung einer Verbandsstrafe erhoben.36 Der wichtigste in diesem Zusammenhang erhobene Einwand ist, dass Verbände nicht schuldfähig und damit keine potentiellen Adressaten von Strafnormen seien, auf deren Verletzung das Strafrecht reagieren könne.37 An diesen „sach-logischen“ Strukturen müsse sich der Gesetzgeber des Strafrechts orientieren.38 Zu Recht wird auf die mögliche Gefahr hingewiesen, dass sich die Strafrechtswissenschaft von ihren eigenen Begriffen blenden lässt und die Begriffe Strafe und Schuld als absolut und überzeitlich gültig ausweist, obwohl sie in Wahrheit sozio-kulturell wandelbar sind.39 Um diese Gefahr auszuschließen oder zumindest zu reduzieren, ist es sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, wie in der Vergangenheit die Frage, ob es eine Kriminalstrafe gegen Verbände geben kann, beantwortet wurde. Der berühmte Grundsatz „societas delinquere non potest“40 galt ursprünglich wohl nur für das Römische Recht, dem der Korporationsbegriff als solcher noch fremd war.41 Im Mittelalter wurde dieser Grundsatz zunehmend in Frage gestellt. In der Folge setzte sich die Auffassung, dass Verbände straffähig sein können, für mehrere Jahrhunderte durch. Bis ins 18. Jahrhundert wurden Strafprozesse gegen Städte, Gemeinden und Gilden geführt.42 Erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts wird die Strafbarkeit von Verbänden verbreitet abgelehnt.43 Die durch von Gierke entwickelte Theorie der realen Verbandsperson hat zur Annahme der zivilrechtlichen Deliktsfähigkeit von Verbänden geführt (vgl. § 31 BGB). Die bußgeldrechtliche Sanktionierung von Verbänden geht auf die gerichtliche Praxis der 1920er-Jahre zurück, gegen Verbände sog. Ordnungsstrafen zu verhängen, obwohl Verbände nicht ausdrücklich als Normadressaten von Ordnungsstrafen genannt waren.44

36

Kubiciel ZRP 2014, 133 (134). Engisch Verbandsstrafbarkeit S. E 7 (23 ff.); Heinitz Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentags Gutachten E S. 65 (67 ff.); Ransiek Unternehmensstrafrecht S. 343; von Freier Kritik der Verbandsstrafe S. 179 f.; Bock Criminal Compliance S. 397 ff. 38 Zieschang GA 2014, 91 (95 f.). 39 Kubiciel ZRP 2014, 133 (134). 40 KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 8; Rogall GA 2015, 260; Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 15; Dannecker in FS Böttcher S. 465 (466); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 6; Hirsch ZStW 107, 285. 41 Heinitz Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentags Gutachten E S. 65 (67 f.); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 6. 42 Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 7. 43 Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 7. 44 KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 22; Dannecker in FS Böttcher S. 465 (467). 37

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Görden, Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe, Juridicum – Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht 3, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27618-8_2

8

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Zur Begründung führte die Rechtsprechung an, dass das Ordnungsstrafrecht die Einhaltung der vorgeschriebenen Ge- und Verbote gewährleisten solle und dieser Grundgedanke auch auf Verbände anwendbar sei.45 Im Preis- und Verbrauchsregelungsrecht hat der Gesetzgeber später Ordnungsstrafen gegen Verbände ausdrücklich vorgesehen.46 Nach dem Zweiten Weltkrieg trat die Geldbuße als wertneutrale Sanktion an die Stelle der Ordnungsstrafe.47 Vereinzelt kannte das deutsche Recht aber auch Kriminalstrafen gegen Verbände. So konnte gemäß § 393 RAO (früher § 357 RAO a.F.) ein Verband mit einer Kriminalstrafe belegt werden.48 Diese Vorschrift wurde 1967 aufgehoben. Daneben bestand für Verbände eine Subsidiärhaftung (§§ 416 Abs. 1, 3; 417 RAO) sowie eine Subsidiärstrafe (§ 416 Abs. 2 RAO). Die Besatzungsmächte sahen – der angelsächsischen Tradition entsprechend – Kriminalstrafen gegen Verbände im Devisen- und Kartellrecht vor.49 Der BGH hat sich in 2 Grundsatzentscheidungen ausdrücklich für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden nach dem Besatzungsrecht ausgesprochen, obwohl dies dem bisherigen deutschen Rechtsdenken grds. widerspreche.50 Die weitere Entwicklung führte zu einer deutlichen Ablehnung von Verbandsstrafen.51 Die Große Strafrechtskommission52 sowie der 40. Deutsche Juristentag im Jahr 195353 sprachen sich gegen die Verhängung einer Kriminalstrafe in Bezug auf Verbände aus. Zudem hat der Sonderausschuss des Deutschen Bundestags für die Strafrechtsreform bei den Beratungen zum neuen Allgemeinen Teil des StGB die Einführung einer Kriminalstrafe gegen Verbände abgelehnt.54 Ein Entwurf des Landes Hessen sah in den neu einzuführenden §§ 76b – 76h StGB die Möglichkeit einer Zurechnung des individuellen Fehlverhaltens zum Verband bei Verletzung seiner Pflichten durch die Straftat vor.55 Dieser wurde von der 68. Justizministerkonferenz im Juni 1997 und vom Bundesrat im Juli 1998 beraten.56

45

Ausführlich zur Rechtsprechung Entwurf eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten mit Begründung S. 57 ff.; Göhler/Gürtler Vor § 29a OWiG Rn. 4. 46 Göhler/Gürtler Vor § 29a OWiG Rn. 5; KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 22. 47 Zur weiteren Entwicklung der Geldbuße vgl. Dannecker in FS Böttcher S. 465 (468 ff.); Tiedemann in FS Hurtado Pozo S. 495 (497 ff.); KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 24 ff. 48 KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 23. 49 Dannecker in FS Böttcher S. 465 (468); KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 23; Pohl-Sichtermann Geldbuße gegen Verbände S. 22 ff. 50 BGHSt 5, 28 ff; BGHSt 12, 295 ff. 51 KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 23. 52 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission 4. Band Allgemeiner Teil S. 321 ff., 331; Anhang Nr. 54. 53 Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentags 1953 Band II S. E 88. 54 Protokoll über die Beratungen des Sonderausschusses „Strafrecht“ in der 4. Wahlperiode S. 397 ff., 419 ff.; Protokoll über die Beratung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform 5. Wahlperiode S. 1079 ff. 55 Hierzu Krekeler in FS Hanack S. 639 (653 ff.). 56 BR-PlPr, 729. Sitzung 25.09.1998, S. 436A-438A; kritisch zum Gesetzentwurf Krekeler in FS Hanack S. 639 (659 ff.); Hamm NJW 1998, 662 (662 f.).

A. Rechtshistorische Entwicklung der Strafe gegenüber Verbänden

9

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionssystems hat in ihrem Abschlussbericht im März 2000 die Einführung einer „Unternehmenssanktionierung im Bereich des klassischen Kriminalstrafrechts“ abgelehnt. Stattdessen hat sie die Prüfung einer erweiterten ordnungsrechtlichen Sanktionierung empfohlen.57 Auch der deutsche Bundestag hat sich auf eine große Anfrage der SPD-Fraktion mit der Frage einer Verbandsstrafbarkeit beschäftigt.58 2013 hat das Land Nordrhein-Westfalen den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden vorgelegt (im Folgenden: NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch).59 Die Betrachtung der rechtshistorischen Entwicklung zeigt, dass die Strafbarkeit von Personenverbänden dem deutschen Recht keineswegs völlig fremd ist. Schuld und Strafe sind Begriffe, die sich im Laufe der Zeit mehrfach gewandelt haben. Deswegen ist bei der Annahme, dass es eine Kriminalstrafe gegen Verbände nicht geben könne,60 Zurückhaltung geboten.

57

Abschlussbericht der Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems, März 2000, Nr. 12.2.1 und 12.2.2 abrufbar unter www.bib.uni-mannheim.de/fileadmin/pdf/fachinfo/jura/abschlussber-der-kommstrafreform.pdf zuletzt besucht am 13.09.2016. 58 BT-Drucks. 13/11425. 59 Abrufbar unter www.justiz.nrw.de/JM/leitung/jumiko/beschluesse/2013/herbstkonferenz13/zw3/ TOP_II_5_ Gesetzentwurf.pdf zuletzt besucht am 13.09.2016. 60 So Schünemann ZIS 2014, 1 (18).

B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit Der Satz „societas delinquere non potest“ galt in Deutschland in jüngerer Zeit61 lange als unantastbar.62 In letzter Zeit wird dieser scheinbar gesicherte Grundsatz des deutschen Strafrechts zunehmend in Frage gestellt.63 Neu entfacht wird die Diskussion durch den NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch. Die Stellungnahmen hierzu sind sehr kontrovers und reichen von völliger Ablehnung bis zu uneingeschränkter Zustimmung. Exemplarisch sei zunächst auf 2 Extrempositionen verwiesen. Teilweise wird das „strafrechtliche Modell“ kategorisch abgelehnt.64 Im Gegensatz hierzu wird die Auffassung vertreten, dass die Einführung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Verbänden von Verfassungs wegen statthaft ist.65 Deshalb ist der dogmatisch anspruchsvollen Frage nachzugehen, ob es in Deutschland eine Kriminalstrafe gegen Verbände geben kann. Um diese Frage zu beantworten, sind zunächst die verfassungsrechtlichen und die internationalen Vorgaben an eine Kriminalstrafe in den Blick zu nehmen. Zuerst ist dabei auf den überragend wichtigen Schuldgrundsatz einzugehen (hierzu I.). Anschließend wird zu weiteren verfassungsrechtlichen Grundsätzen Stellung genommen (hierzu II.), um danach die relevanten internationalen Vorgaben darzustellen (hierzu III.). I. Schuldgrundsatz Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz,66 der den gesamten Bereich staatlichen Strafens beherrscht.67 Der Schuldgrundsatz hat Verfassungsrang. Er ist in der Garantie der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) sowie im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankert.68 Der Schuldgrundsatz gehört damit zur unverfügbaren Verfassungsidentität des Art. 79 Abs. 3 GG, der – wie das Bundesverfassungsgericht in der Lissabonentscheidung69 betont hat – auch vor Eingriffen durch die supranational ausgeübte Gewalt geschützt ist. Als „rocher de bronze“ trotzt er sowohl der vollen Europäisierung des Strafrechts als auch seiner breiten Ausgestaltung durch die Rechtsprechung des EGMR.70 Da der Schuldgrundsatz das Strafrecht prägt, muss seine Rolle in einem Verbandsstrafrecht bestimmt werden. Zunächst ist die Bedeutung der Schuld im Individualstrafrecht darzulegen, um anschließend der umstrittenen Frage nachzugehen, ob Schuld auch bei Verbänden ein zwingendes oder lediglich ein optionales Legitimationselement staatlichen Strafens darstellt.

61

Zur historischen Entwicklung siehe 1. Teil A. Rogall GA 2015, 260. 63 BMJ in Verbandsstrafe S. 183. 64 Schünemann wistra 1982, 41; Schünemann in Madrid-Symposium S. 265; Schünemann in FS Tiedemann S. 429; Schünemann in Rechtsgutachten zum NRW-Entwurf S. 4. 65 Rogall GA 2015, 260; Dannecker in FS Böttcher S. 465 (484); Kubiciel ZRP 2014, 133. 66 BVerfGE 123, 267 (413). 67 BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 53. 68 BVerfGE 25, 269 (285 f.); 45, 187 (259 f.); 86, 288 (313); 95, 96 (140); 120, 224 (253 f.); 130, 1 (26). 69 BVerfGE 123, 267 (413). 70 Zum Ganzen Landau NStZ 2011, 537 (538). 62

B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit

11

1. Schuld im Individualstrafrecht Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ (nulla poena sine culpa) basiert auf der Eigenverantwortung des Menschen, der sein Handeln selbst bestimmt und sich kraft seiner Willensfreiheit zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann. Der Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG gründet auf der Vorstellung vom Menschen als einem geistigsittlichen Wesen. Dieses ist darauf angelegt, sich in seiner Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten.71 Auf dem Gebiet des Strafrechts bestimmt Art. 1 Abs. 1 GG die Auffassung vom Wesen der Strafe und das Verhältnis von Strafe und Sühne72 sowie den Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt.73 Die Strafe unterscheidet sich von der reinen Präventionsmaßnahme dadurch, dass sie – wenn nicht ausschließlich, so doch auch – auf gerechte Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe ist der Vorwurf eines sozialethischen Fehlverhaltens verbunden.74 Eine solche strafrechtliche Reaktion wäre ohne Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbaren.75 Nur wenn sich der Täter in ihm vorwerfbarer Weise für die Begehung von Unrecht entscheidet, hat der Staat überhaupt das Recht, eine Strafe zu verhängen.76 Ohne „Schuld“ kommen allenfalls Maßnahmen, die in der Regel kein Verschulden voraussetzen, als Sanktionen in Frage.77 Das Rechtsstaatsprinzip stellt eines der elementarsten Prinzipien des Grundgesetzes dar.78 Dieses sichert den Gebrauch der Freiheitsrechte, indem es Rechtssicherheit gewährt, die Staatsgewalt an das Gesetz bindet und Vertrauen schützt.79 Das Rechtsstaatsprinzip beinhaltet als eine der Leitideen des Grundgesetzes auch die Forderung nach materieller Gerechtigkeit80 und schließt den Grundsatz der Rechtsgleichheit als eines der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate ein.81 Für den Bereich des Strafrechts werden diese rechtsstaatlichen Anliegen ebenfalls dem Schuldgrundsatz entnommen.82 Gemessen an der Idee der Gerechtigkeit sind Straftatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abzustimmen.83 Die Strafe hat in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters zu stehen.84 In diesem Sinn kommt der Strafe die Bestimmung zu, gerechter Schuldausgleich zu sein.85

71

BVerfGE 45, 187 (227); 123, 267 (413). BVerfGE 95, 96 (140). 73 BVerfGE 57, 250 (275); 123, 267 (413). 74 BVerfGE 20, 323 (331); 95, 96 (140). 75 BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 54 unter Verweis auf BVerfGE 20, 323 (331); 95, 96 (140). 76 Landau NStZ 2011, 537 (538). 77 BMJ in Verbandsstrafe S. 155. 78 BVerfGE 20, 323 (331). 79 BVerfGE 95, 96 (130). 80 BVerfGE 7, 89 (92); 7, 194 (196); 74, 129 (152); 122, 248 (272). 81 BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 55 unter Verweis auf BVerfGE 84, 90 (121). 82 BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 55 unter Verweis auf BVerfGE 95, 96 (130 f.). 83 BVerfGE 25, 269 (286); 27, 18 (29); 50, 205 (214 f.); 120, 224 (241). 84 BVerfGE 45, 187 (228); 50, 5 (12); 73, 206 (253); 86, 288 (313); 96, 245 (249); 109, 133 (171); 110, 1 (13); 120, 224 (254). 85 BVerfGE 45, 187 (253 f.); 109, 133 (173). 72

12

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Schuld macht Strafe daher gegenüber dem Menschen legitimierbar. Sie betrifft die Vorwerfbarkeit tatbestandlichen Verhaltens als Verantwortung für die Folgen normwidrigen Verhaltens. M.a.W. geht es um die normativ gedeutete Unterscheidung von Unrechts-Verursachung in Schuld und Schicksal, individuell zu verantwortende und zufällig-unzurechenbare Handlungsfolgen.86 2. Schuld im Verbandsstrafrecht Im Gegensatz zu einer Individualstrafe kann an einen Verband kein höchstpersönlicher Schuldvorwurf in dem Sinne gerichtet werden, dass in der Tat eine fehlerhafte innere Einstellung zur verletzten Norm zum Ausdruck kommt.87 Es besteht Einigkeit, dass es eine persönliche Schuld – wie bei einem Menschen – bei einem Verband naturgemäß nicht geben kann.88 Ein Verband verfügt nicht über die Fähigkeit, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden, weil er anders als ein Mensch nicht auf eine freie und sittliche Selbstbestimmung angelegt ist. Wegen der Probleme bei der Bestimmung der Schuld eines Verbands wird in der Literatur vorgeschlagen, auf das Schuldelement zu verzichten und alternative Lösungen zu bevorzugen.89 a) Verbandsstrafen ohne Schuld Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass es möglich sei, das Schuldprinzip durch ein Präventionsprinzip zu ersetzen und somit schuldunabhängige Strafen zu verhängen.90 Zur Begründung wird auf die präventive Ausrichtung staatlichen Strafens verwiesen. Die Schuld des Täters sei lediglich ein zusätzliches, wenn auch wichtiges, Legitimationsprinzip.91 Sie sei aber keine zwingende Bedingung für staatliches Strafen, weil das Schuldprinzip durch andere Legitimationsprinzipien ersetzt werden könne.92 Ein derartiges Legitimationsprinzip wird im sog. Rechtsgüternotstand erblickt, der bei einer „notstandsähnlichen Schwächung der Präventiveffizienz“ im Bereich der Verbandskriminalität entstehen könne.93 In Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 34 StGB sei eine schuldunabhängige Maßnahme gerechtfertigt, wenn der erforderliche Rechtsgüterschutz auf andere Weise nicht sichergestellt werden könne. Außerdem müsse die Erhaltung der gefährdeten Rechtsgüter schwerer wiegen als die dem Verband zugefügte Einbuße und die Verfolgung des Allgemeininteresses dürfe nicht gegen sonstige rechtsethische Prinzipien verstoßen.94 Ursprünglich wurde die gerade beschriebene Notlage nur in Fällen angenommen, bei denen eine im Verband begangene verbandsbezogene Zuwiderhandlung feststehe, der individuelle 86

Fischer StGB Vor §§ 19-21. Böse in FS Jakobs S. 15 (25); Sachs in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht S. 195 (200). 88 Sachs in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht S. 195 (200); Böse in FS Jakobs S. 15 (25); Otto Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden S. 16; Dannecker GA 2001, 101 (112). 89 Jescheck ZStrR 70, 243 (262 ff.); Stratenwerth in FS Schmitt S. 295 (302 ff.); so wohl auch Hartung Verbandsstrafbarkeit S. E 43 ff.; Alwart ZStW 105, 752 (768 ff.). 90 Schünemann Unternehmenskriminalität S. 234 ff.; Schünemann wistra 1982, 41 (50); Schünemann in Taiwan/ROC Chapter S. 433 (461 ff.); Schünemann in Madrid-Symposium S. 265 (285 ff.). 91 Schünemann in Taiwan/ROC Chapter S. 433 (461 ff.); Schünemann in Madrid-Symposium S. 265 (286). 92 Schünemann Unternehmenskriminalität S. 234 ff.; Schünemann in Taiwan/ROC Chapter S. 433 (462); Schünemann in Madrid-Symposium S. 265 (286). 93 Schünemann Unternehmenskriminalität S. 236. 94 Schünemann Unternehmenskriminalität S. 236 ff. 87

B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit

13

Täter jedoch nicht zu ermitteln sei (Subsidiarität der Verbandsstrafe).95 Nunmehr wird auf diese Voraussetzung verzichtet.96 Der geforderte Präventivnotstand liege bereits dann vor, wenn in einem Verband eine mit Strafe bedrohte Handlung zu dessen Vorteil begangen wurde und wenn die zur Verhinderung solcher Taten erforderlichen Leitungs- oder Aufsichtsmaßnahmen fehlten oder unvollständig waren.97 Teilweise wird sogar eine Verbandsstrafe befürwortet, die sich bei Straftaten aus dem Organisationskreis des Verbands auf eine spezial- und generalpräventive Zuschreibung von Verantwortung für fremdes Handeln und fremde Schuld gründe.98 Es handele sich dabei um eine fiktive Gesamtverantwortung, die dem Verband ohne Vorliegen eines Organisationsmangels schlicht vorgehalten werde. Ausreichend sei die Überlegung, dass die Allgemeinheit den Verband als Nährboden für die Straftat begreife und deshalb eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verbands für erforderlich halten könne.99 b) Kritik Diese Konzeption ist nur sehr vereinzelt auf ein positives Echo gestoßen.100 Die überwiegende Ansicht lehnt den Ansatz ab, bei Strafe auf eine Schuld zu verzichten und an deren Stelle Präventionsgesichtspunkte zu setzen.101 Dabei wird vor allem auf die Bedeutung des Schuldprinzips hingewiesen, dem diese Konzeption nicht gerecht werde.102 Ihr vorzuwerfen, sie verstoße gegen das Schuldprinzip, greift zu kurz.103 Der Ansatz dieser Konzeption besteht gerade darin, sich vom Schuldprinzip zu lösen. Daher kommt es darauf an, ob es möglich ist, das Schuldprinzip im Strafrecht durch andere Legitimationsprinzipien zu ersetzen. Nach teilweise vertretener Ansicht soll die Verankerung des Schuldgrundsatzes in der Menschenwürde, die einem Verband nicht zukommt,104 dafür sprechen, dass das verfassungsrechtliche Schuldprinzip eine Verbandsstrafbarkeit nicht begrenzt und ihr im Prinzip nicht entgegensteht.105 Der Schuldgrundsatz wurzelt nicht nur in der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), sondern auch im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG),106 das als fundamentales 95

Schünemann Unternehmenskriminalität S. 237 ff.; Schünemann wistra 1982, 41 (50). Schünemann in Taiwan/ROC Chapter S. 433 (465); Schünemann in Madrid-Symposium S. 265 (287). 97 Ausführlich zum Verhältnis der Sanktionierung des Individualtäters und des Verbands unter 1. Teil F. 98 Jäger in FS I. Roxin S. 43 (52). 99 Jäger in FS I. Roxin S. 43 (52). 100 Schwinge Strafrechtliche Sanktionen gegenüber Unternehmen S. 125, 128 f.; Stratenwerth in FS Schmitt S. 295 (304). 101 Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 137 f.; Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 85; Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 13; Hirsch ZStW 107, 285 (291 f.); Otto Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden S. 25; Queck S. 87 f.; Scholz ZRP 2000, 435 (438); Seelmann in FS Schmid S. 169 (181 f.); Bosch Organisationsverschulden in Unternehmen S. 70 ff.; Haeusermann Verband als Straftäter S. 136 f. 102 Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 85; Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 13; Hirsch ZStW 107, 285 (291 f.); Otto Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden S. 25; Queck S. 87 f.; Scholz ZRP 2000, 435 (438). 103 So zu Recht Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 169. 104 BVerfGE 95, 220 (241 f.); Vogel StV 2012, S. 427 (429). 105 Vogel in Unternehmensstrafrecht S. 205 (208); so wohl Vogel StV 2012, 427 (429); Sachs in Kempf/ Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht S. 195 (201); gegen eine Anwendbarkeit des Schuldprinzips auf Verbände auch Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (328). 106 BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 53. 96

14

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Staatsprinzip ebenso gegenüber Verbänden gilt. Deshalb ist das Schuldprinzip auch im Verbandsstrafrecht unverzichtbares Legitimationselement des staatlichen Strafanspruchs.107 Nur bei Vorliegen von „Schuld“ kann ein Verband mit einer Strafe belegt werden.108 Das Bundesverfassungsgericht betont, dass das Strafrecht auf dem Schuldgrundsatz basiert, der den gesamten Bereich staatlichen Strafens beherrscht.109 Es hat immer wieder den Grundsatz hervorgehoben, dass jede Strafe Schuld voraussetzt.110 Das Schulderfordernis ist im Vorwurfscharakter der Strafe angelegt.111 Strafe dient nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zumindest auch der Vergeltung begangenen Unrechts.112 Deswegen setzt sie die Schuld des Täters voraus.113 Die normstabilisierende Wirkung von Strafe resultiert daraus, dass dem Täter seine Tat als ein Fehler vorgehalten wird, für den er verantwortlich zu machen ist.114 Der Schuldgrundsatz setzt der personalen Reichweite einer Strafe Grenzen, indem er verlangt, dass der Normgeltungsschaden nur von den Rechtssubjekten auszugleichen ist, die diesen zu verantworten haben.115 Die Verfolgung generalpräventiver Zwecke mittels Strafe jenseits einer Verantwortlichkeit wird dadurch ausgeschlossen.116 Die Verhängung von punitiven Sanktionen ohne Schuld würde sachlich einen Fremdkörper im Strafrecht bilden. Zu Recht wird darauf verwiesen, dass ein Verzicht auf Schuld das Verbandsstrafrecht zu einem bloßen Haftungsrecht denaturieren würde.117 Der Satz „Nur wenn sich der Täter in ihm vorwerfbarer Weise für die Begehung von Unrecht entscheidet, hat der Staat überhaupt das Recht, eine Strafe zu verhängen“118 gilt ebenso im Verbandsstrafrecht. Im Lesering-Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass auch für Verbände der aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Grundsatz „nulla poena sine culpa“ Gültigkeit beansprucht.119 Eine Bestrafung ohne Schuld verletze Verbände in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG.120 Das Schuldprinzip gehört zu der wegen Art. 79 Abs. 3 GG unverfügbaren Verfassungsidentität, die auch vor Eingriffen durch die supranational ausgeübte öffentliche Gewalt geschützt ist.121

107

So auch Engelhart NZWiSt 2015, 201 (204); Böse in FS Jakobs S. 15 (18). BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 53; BVerfGE 20, 323 (335 f.). 109 BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 53; BVerfGE 123, 267 (413). 110 BVerfGE 57, 250 (275); 90, 145 (173); 123, 267 (413). 111 Böse in FS Jakobs S. 15 (19). 112 BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 58; BVerfGE 95, 96 (140). 113 Wolff AöR 1999, 55 (81). 114 Böse in FS Jakobs S. 15 (19) unter Verweis auf Jakobs Schuldprinzip S. 24. 115 Jakobs Staatliche Strafe S. 34; vgl. auch Jakobs ZStW 107, 843 (844; 865). 116 Jakobs Staatliche Strafe S. 34, 36. 117 Hirsch ZStW 107, 285 (292); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 13. 118 Landau NStZ 2011, 537 (538). 119 BVerfGE 20, 323 (335 f.). 120 BVerfGE 20, 323 (331, 336). 121 BVerfGE 123, 267 (413). 108

B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit

15

Im Ergebnis ist es daher nicht möglich, sich vom Schuldprinzip im Strafrecht zu lösen. Dieses stellt vielmehr eine Regelung dar, die jeder Abwägung – sei es gegen die Rechte anderer oder gegen die Interessen der Allgemeinheit – unzugänglich ist.122 3. Zwischenergebnis Im Individualstrafrecht resultiert der Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt, aus der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip. Letzteres gilt als bedeutendes Rechtsprinzip auch im Verbandsstrafrecht. Zudem ist das Schulderfordernis im Vorwurfscharakter der Strafe angelegt. Der durch die Tat verursachte Normgeltungsschaden ist nur von demjenigen auszugleichen, dem die Tat vorgeworfen werden kann. Auch im Verbandsstrafrecht ist die Schuld unverzichtbares Legitimationselement des staatlichen Strafanspruchs. II. Weitere verfassungsrechtliche Grundsätze Das Bundesverfassungsgericht betont, dass der Strafgesetzgeber lediglich jene Grenzen zu beachten habe, die ihm das Grundgesetz zieht.123 Diese sind weit gespannt,124 sie erlauben aber keine beliebige Rechtssetzung. Die Beachtung der „Grammatik“ des Strafrechts ist Verfassungsauftrag bei der Fortentwicklung des Rechts.125 Wer einen Verband einer Strafsanktion unterwirft, die er nur formell als Strafe ausweist, nicht aber materiell-kohärent als Strafe rechtfertigen kann, verletzt Grundrechte.126 Das Grundgesetz kennt ausdrückliche Vorgaben speziell für das Strafrecht und solche aus allgemeinen Bestimmungen.127 Neben dem bereits thematisierten Schuldprinzip ist der strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz die wesentliche speziell strafrechtliche Vorgabe (hierzu 1.). Andere Vorgaben wie das absolute Rückwirkungsverbot sind zwar auch zu beachten, stehen einem Verbandsstrafrecht per se aber nicht entgegen. Die allgemeinen Bestimmungen, denen ein Verbandsstrafrecht genügen muss, ergeben sich vornehmlich aus den Grundrechten (hierzu 2.). 1. Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) Der in Art. 103 Abs. 2 GG geregelte Bestimmtheitsgrundsatz formuliert einschränkende Forderungen an Strafgesetze und ihre Anwendung. Diese ausdrücklich strafbezogene Bestimmung des Grundgesetzes ist für ein Verbandsstrafrecht von Bedeutung, wenn Art. 103 Abs. 2 GG hierauf anwendbar ist. In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass für das Verbandsstrafrecht nicht die spezifischen grundgesetzlichen Gewährleistungen für Strafen gelten.128 Zur Begründung wird angeführt, dass der Grundgesetzgeber für den Begriff der Strafe im Sinne des Grundgesetzes zwingend von einem individual-ethischen Vorwurf ausgegangen sei, der aber bei Verbänden gerade fehle.

122

Frister Schuldprinzip S. 38; Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 169. BVerfGE 120, 224 (240 f.). 124 Landau ZStW 121, 965 (970). 125 Kubiciel ZRP 2014, 133 (135). 126 Kubiciel ZRP 2014, 133 (135). 127 Sachs in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht S. 195 (196). 128 So Sachs in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht S. 195 (201). 123

16

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen. Zuzugeben ist ihr, dass der Grundgesetzgeber ein solches Verständnis möglicherweise vor Augen hatte, weil es dem damaligen Verständnis von Strafe entsprach. Diese Auffassung übersieht jedoch, dass auch eine Verfassung und ihr Verständnis in bestimmten Grenzen dem Wandel der Zeit unterliegen.129 Das Grundgesetz ist nicht auf dem Stand seiner Einführung gleichsam „eingefroren“. Gerade wenn der Gesetzgeber so intensive Eingriffe wie ein Strafrecht normieren möchte – das Bundesverfassungsgericht spricht davon, dass Strafen „zu den intensivsten Eingriffen in die individuelle Freiheit im modernen Verfassungsstaat zählen“130 –, muss er sich auch an den strengen Vorgaben für Strafen messen lassen. Dies dient dem Schutz der Normunterworfenen und gilt auch dann, wenn das Strafrecht auf weitere Rechtssubjekte erstreckt wird und ein ethischer Vorwurf mit der Sanktion ausdrücklich bezweckt ist.131 Zunächst sind die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes abstrakt darzulegen, um anschließend zu erläutern, welche Konsequenzen sich hieraus für die Straftatbestände eines Verbandsstrafrechts ergeben. Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dies verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so präzise zu umschreiben, dass der Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst erkennbar ist und sich durch Auslegung ermitteln lässt.132 Das Grundgesetz will hierdurch sicherstellen, dass jedermann sein Verhalten auf die Strafrechtslage eigenverantwortlich einrichten kann und keine unvorhersehbaren staatlichen Reaktionen befürchten muss.133 Mit der strengen Bindung der strafenden Staatsgewalt an das Gesetz gewährleistet das Bestimmtheitsgebot Rechtssicherheit. Es schützt das Vertrauen der Normunterworfenen, dass der Staat nur das Verhalten als strafbare Handlung verfolgt, welches zum Zeitpunkt der Tat gesetzlich bestimmt war.134 Art. 103 Abs. 2 GG sorgt zugleich dafür, dass im Bereich des Strafrechts mit seinen weitreichenden Folgen für den Einzelnen ausschließlich der Gesetzgeber abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheiden darf.135 Die Legislative ist von Verfassungs wegen verpflichtet, die Grenzen der Strafbarkeit selber festzulegen. Es ist ihr untersagt, diese Entscheidung anderen staatlichen Gewalten, etwa der Strafjustiz, zu überlassen.136

129

Ähnlich in Bezug auf einen Wandel des Schuldverständnisses auch Rogall GA 2015, 260 (262). BVerfGE 123, 267 (408); 126, 170 (194); ähnlich auch BVerfGE 32, 98 (109); 39, 1 (45) sowie BVerfGE 96, 245 (249); 120, 224 (239 f.). 131 Für die Geltung von Art. 103 Abs. 2 GG auch Vogel StV 2012, 427 (429). 132 BVerfGE 73, 206 (234); 75, 329 (340 f.); 78, 374 (381 f.). 133 BVerfGE 64, 369 (393 f.); 85, 69 (72 f.). 134 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 64 unter Verweis auf BVerfGE 95, 96 (130 ff.). 135 BVerfGE 75, 329 (341); 78, 374 (382); 95, 96 (131). 136 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 65. 130

B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit

17

Teilweise wird davon ausgegangen, das eigentliche Problem einer Verbandsstrafbarkeit liege im Bestimmtheitsgrundsatz und in der Normierung von Verhaltenspflichten des Verbands.137 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass ein Verbandsstrafrecht nicht lediglich Verstöße gegen klar begrenzte Einzelpflichten sanktionieren, sondern einer organisierten oder strukturierten Unverantwortlichkeit entgegenwirken solle. Diese Unverantwortlichkeit werde dem Verband dabei als eigene, ihm vorgeworfene Fehlleistung zugerechnet. Daher müssten spezifische, an das Kollektiv adressierte Verhaltensnormen formuliert werden. Daran ist zunächst richtig, dass das Verbandsstrafrecht die Gefahren zu adressieren versucht, die sich aus dem Zusammenwirken mehrerer in einer Organisation ergeben. Eine derartige organisierte Unverantwortlichkeit besteht bei Einzelpersonen nicht. Den sich aus ihrer Tätigkeit ergebenden Gefahren wird hinreichend durch das Individualstrafrecht Rechnung getragen. Dennoch geht es auch im Verbandsstrafrecht darum, die Begehung derselben Straftaten und damit auch derselben Rechtsgutsverletzungen wie im Individualstrafrecht zu verhindern.138 Ein Hauptaugenmerk des Verbandsstrafrechts liegt darin, mit hinreichender Bestimmtheit Sorgfaltspflichten zu beschreiben, denen der Verband genügen muss. Dies führt allerdings nicht dazu, dass ein Verbandsstrafrecht per se in verfassungswidriger Weise unbestimmt wäre. Im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte muss der objektive Sorgfaltsmaßstab anhand der Anforderungen bestimmt werden, die bei objektiver Betrachtung der Gefahrenlage ex ante an einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Handelnden zu stellen sind.139 Somit muss der Maßstab dort einzelfallbezogen bestimmt werden. Dies führt indes nicht dazu, dass Fahrlässigkeitsdelikte in verfassungswidriger Weise unbestimmt wären. Gleiches gilt auch für das Verbandsstrafrecht, bei dem die Anforderungen an den Verband, verbandsbezogenen Zuwiderhandlungen von Mitarbeitern mit zumutbaren Anstrengungen entgegenzutreten, ebenfalls mit Blick auf den Einzelfall bestimmt werden müssen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, hinreichend klare Voraussetzungen zu normieren, unter denen sich der Verband strafbar macht. Er steht einem Verbandsstrafrecht jedoch nicht schlechthin entgegen. 2. Grundrechte Allgemein für die Staatsgewalt gültige, grundgesetzliche Grenzen mit Bedeutung für das Strafrecht ergeben sich aus den Grundrechten.140 Ein Verbandsstrafrecht wirkt sich negativ auf die Grundrechte der Verbände aus Art. 2 Abs. 1, 9, 12 und 14 GG aus. Dies gilt indes nur für private Verbände. Öffentlich-rechtliche Verbände können sich bei der Ausgestaltung der Verbandsgeldstrafe nicht auf diese Grundrechte berufen. Ihnen stehen nur die Prozess137 Bosch Organisationsverschulden in Unternehmen S. 42 ff.; kritisch speziell in Bezug auf den NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch Zieschang GA 2014, 91 (101). 138 Ähnlich Vogel StV 2012, 427 (429), der davon spricht, dass den Verband keine anderen strafrechtlichen Normen als natürliche Person treffen. 139 BGH NJW 2000, 2754 (2758). 140 Gallwas MDR 1969, 982; Sachs in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht S. 195 (196).

18

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

grundrechte zu, weil der Staat nicht zugleich Grundrechtsberechtigter und -verpflichteter sein kann.141 a) Berufsfreiheit (Art. 12 GG) Art. 12 GG ist seinem Wesen nach auch auf Verbände anwendbar. Schutzgut des Art. 12 Abs. 1 GG ist bei Verbänden die Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insb. ein Gewerbe, zu betreiben, soweit diese Tätigkeit ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise von einer juristischen wie einer natürlichen Person ausgeübt werden kann.142 Das Bundesverfassungsgericht nimmt solche Tätigkeiten vom Schutz des Art. 12 GG aus, „die schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie aufgrund ihrer Sozialund Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können“.143 Diese Schutzbereichsausnahme führt aber nicht dazu, dass Regelungen zum Verbandsstrafrecht insgesamt nicht am Maßstab der Berufsfreiheit zu messen sind. Selbst bei gravierenden Straftaten, wie z.B. Tötungs- und Körperverletzungsdelikten, gibt es Grenzbereiche, die nicht als schlechthin gemeinschädlich zu qualifizieren sind. Als Beispiele seien hier die Sterbehilfe sowie ärztliche Operationen, die nicht de lege artis durchgeführt werden, genannt. Dies betrifft auch Verbände, z.B. Hospizvereine und Krankenhäuser. Deswegen kommt hier eine Verbandsstrafbarkeit potentiell in Betracht. Der Schutzbereich der Berufsfreiheit ist daher bei der Einführung eines Verbandsstrafrechts eröffnet. Ein Verbandsstrafrecht soll die Berufsfreiheit gezielt einschränken, indem der Verband angehalten wird, bestimmtem Verhalten von natürlichen Personen mit zumutbaren Anstrengungen entgegenzutreten. Eine berufsregelnde Tendenz und ein Eingriff in die Berufsfreiheit liegen somit bei einem Verbandsstrafrecht vor. Nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten „3-Stufen-Theorie“,144 die Eingriffe in Berufsausübungsregelungen und subjektive sowie objektive Berufswahlregelungen unterteilt, läge in einem Verbandsstrafrecht lediglich ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit vor. Die Tätigkeit an sich wird dem Verband nicht verboten, er soll lediglich dazu angehalten werden, verbandsbezogenen Straftaten natürlicher Personen mit zumutbaren Anstrengungen entgegenzutreten. Zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Berufsausübung reichen vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls aus.145 b) Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) Art. 14 GG, der auch auf privatrechtliche Verbände nach Art. 19 Abs. 3 GG Anwendung findet, schützt das Eigentum Privater.146 Ein Eingriff in Art. 14 GG kommt für Verbände, die

141

Epping Rn. 151 unter Verweis auf BVerfGE 61, 82 (104). BVerfGE 50, 290 (363). 143 BVerfGE 115, 276 (300 f.). 144 BVerfGE 7, 377 (402 ff.). 145 BVerfGE 7, 377 (378). 146 BVerfGE 61, 82 (108 f.). 142

B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit

19

nach Inkrafttreten eines Verbandsstrafrechts gegründet werden, unter 2 Gesichtspunkten in Betracht. Durch ein Verbandsstrafrecht wird zum einen in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen. Ob dieses Recht von Art. 14 GG geschützt wird, ist streitig.147 Dafür wird die Rechtsprechung des BGH angeführt, der das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt hat,148 wodurch dieser Vermögenswert hinreichend konturiert worden sei. Die Gegenansicht stellt die hinreichende Konturierung in Frage und verweist darauf, dass der Betrieb lediglich die tatsächliche – nicht aber die rechtliche – Zusammenfassung der zu seinem Inbegriff gehörenden Sachen und Rechte sei. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage bisher offengelassen.149 Durch die Vollstreckung einer Geldstrafe wird zum anderen das Vermögen des Verbands reduziert. Eine Ansicht will staatliche Geldleistungspflichten dem Schutz von Art. 14 GG unterstellen. Die bei einer Geldleistungspflicht bestehende Wahlfreiheit hinsichtlich des aufzugebenden Vermögensgegenstands sei mit keinem relevanten Freiheitsgewinn verbunden.150 Das Bundesverfassungsgericht betont demgegenüber, dass Geldleistungspflichten lediglich an der allgemeinen Handlungsfreiheit zu messen seien, sofern der Abgabe nicht ein konfiskatorischer Charakter zukomme.151 Die Gesellschafter des Verbands betrifft das Verbandsstrafrecht dadurch, dass es auf ihr Eigentum am Verband in Gestalt der Gesellschaftsanteile einwirkt. Art. 14 GG ist ein normgeprägtes Grundrecht. Das Eigentum ist auf eine Regelung durch den Gesetzgeber angewiesen, weil es nicht von Natur aus existiert. Deswegen ist ein Eingriff von der Ausgestaltung abzugrenzen.152 Für bestehende Verbände und deren Eigentümer wirkt sich die Einführung einer Verbandsstrafbarkeit in jedem Fall als Beschränkung aus. Bisher konnten sich Verbände nicht strafbar machen. Diese Eigentumsposition wird ihnen entzogen. Ein Eingriff in die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes liegt daher vor. Im Ergebnis handelt es sich hierbei nicht um eine Enteignung, sondern um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung. Diese ist rechtmäßig, wenn die Gebote der Privatnützigkeit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Sozialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 GG) des Eigentums in ein angemessenes Verhältnis zueinander gesetzt werden.153

147

Zum Meinungsstreit Wieland in Dreier GG Art. 14 Rn. 61 ff. BGH Urt. v. 11.01.2005 Az.: VI ZR 34/04. 149 BVerfGE 51, 193 (221 f.). 150 Ähnlich auch Ipsen Staatsrecht II S. 205. 151 BVerfGE 95, 267 (300); 96, 375 (397); 78, 232 (243). 152 Zum Ganzen Epping Rn. 433 ff. 153 BVerfGE 72, 66 (77 f.). 148

20

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

c) Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) Teilweise wird in der Einführung eines Verbandsstrafrechts auch ein Eingriff in die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) gesehen.154 Art. 9 Abs. 1 GG ist ein Doppelgrundrecht, das sowohl den Mitgliedern der Vereinigung als auch der Vereinigung selbst zusteht.155 Er gewährleistet das Recht, Vereinigungen zu bilden. Unter einer solchen ist ein freiwilliger Zusammenschluss einer Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck zu verstehen, die einer organisierten Willensbildung unterworfen sind.156 Verbände, deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft, sind nach Art. 9 Abs. 2 GG verboten. Unabhängig davon, ob man diese Regelung als Schutzbereichsbegrenzung157 oder als qualifizierten Gesetzesvorbehalt158 einordnet, schließt sie eine Beeinträchtigung der Vereinigungsfreiheit durch ein Verbandsstrafrecht nicht aus. Sofern der Verband nicht strukturell auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, ist Art. 9 Abs. 2 GG nicht einschlägig. Das strafbare Verhalten muss den Charakter der Vereinigung prägen.159 Bei Art. 9 Abs. 1 GG handelt es sich um ein zumindest teilweise normgeprägtes Grundrecht. Eine rechtliche Vereinigung von mehreren Personen ist nur möglich, wenn die Rechtsordnung hierzu entsprechende Möglichkeiten bereitstellt. Die Vereinigungsfreiheit ist in mehr oder minder großem Umfang auf Regelungen angewiesen, welche die freien Zusammenschlüsse und ihr Leben in die allgemeine Rechtsordnung einfügen.160 Daher ist ein Eingriff von der Ausgestaltung abzugrenzen. Zumindest für bestehende Vereinigungen wirkt sich die Einführung einer Verbandsstrafbarkeit als Beschränkung aus, weil sich Verbände bisher nicht strafbar machen konnten. Bei bestehenden Verbänden liegt daher auf jeden Fall ein Eingriff in die Vereinigungsfreiheit vor. Dieser Eingriff muss verhältnismäßig sein. d) Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) Ein Eingriff in die besonderen Freiheitsrechte kann z.B. ausscheiden, wenn Geldleistungspflichten in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht grds. von Art. 14 GG ausgenommen werden.161 In diesem Fall liegt zumindest ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) durch die Auferlegung der Pflicht zur Zahlung einer Geldstrafe vor. Dieser Eingriff ist gerechtfertigt, wenn das eingreifende Gesetz formell und materiell verfassungsgemäß ist.162

154

Schünemann ZIS 2014, 1 (10). Epping Grundrechte Rn. 866. 156 Epping Grundrechte Rn. 869. 157 BVerfGE 80, 244 (253). 158 Höfling in Sachs GG Art. 9 Rn. 40. 159 BVerwGE 134, 275 (279). 160 BVerfGE 50, 290 (354). 161 Siehe 1. Teil B. II. 2. b). 162 BVerfGE 6, 32 (38); 80, 137 (153). 155

B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit

21

e) Übermaßverbot als Grenze eines Verbandsstrafrechts Unabhängig vom jeweils betroffenen Grundrecht erweist sich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Übermaßverbot) als entscheidende verfassungsrechtliche Schranke eines Verbandsstrafrechts.163 Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich betont, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf der Ebene der Gesetzgebung das Strafrecht begrenzt.164 Das Gesetz muss geeignet und erforderlich sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit steht dem Gesetzgeber ein nur sehr begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.165 Ferner muss bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit für die Adressaten des Verbots gewahrt sein.166 Die Bestandteile des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (legitimer Zweck, legitimes Mittel, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit) schaffen ein differenziertes Instrumentarium zur Kontrolle der staatlichen Strafe als schärfste Waffe des Staates gegenüber den Rechtsunterworfenen.167 Zunächst müsste mit der Einführung eines Verbandsstrafrechts ein legitimer Zweck verfolgt werden. Die kriminalpolitische Situation in modernen Industriegesellschaften ist dadurch gekennzeichnet, dass strafrechtlich relevante Handlungen zunehmend nicht nur von einzelnen, selbstständig agierenden Personen, sondern auch von Personenvereinigungen begangen werden. Diese weisen häufig arbeitsteilige Organisationsstrukturen auf.168 Der Bereich der Wirtschaft ist von Personenvereinigungen geprägt, die infolge der Konzentration der Kräfte ihrer Mitglieder das wirtschaftliche Leben in hohem Maße beeinflussen.169 Diese weisen das Potential auf, die sozialen und politischen Voraussetzungen einer freiheitlichen Gesellschaft zu gefährden.170 Exemplarisch sei hier auf Straftaten gegen die Umwelt verwiesen, die häufig aus Unternehmen und Betrieben heraus begangen werden.171 Das Strafrecht wird dementsprechend mit den kollektiven Verhaltensmustern konfrontiert, die sich innerhalb von Organisationen herausbilden. Die jeweilige Verbandsattitüde wirkt sich auf das Verhalten der in einem oder für einen Verband tätigen Individuen aus.172 Dass der Gesetzgeber Gefahren bekämpfen möchte, die sich aus dem kollektiven Zusammenwirken mehrerer ergeben, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Überdies kann durch ein Verbandsstrafrecht ein Anreiz zur Einführung von Criminal-Compliance-Programmen gesetzt werden.173 Verbände begreifen Strafen als Kosten, 163

Vogel StV 2012, 427 (429); Dannecker/Dannecker NZWiSt 2016, 162 (174 f.). BVerfG Beschl. v. 09.03.1994 Az.: 2 BvR 2031/92. 165 BVerfG Beschl. v. 09.03.1994 Az.: 2 BvR 2031/92 Rn. 124. 166 BVerfGE 30, 292 (316); 67, 157 (178); 81, 70 (92). 167 Weigend in FS Hirsch S. 917 (918). 168 Heine Verantwortlichkeit S. 31 ff.; Schünemann Unternehmenskriminalität S. 30 ff. 169 Dannecker in FS Böttcher S. 465. 170 Kubiciel ZRP 2014, 133 (136). 171 Saliger Umweltstrafrecht S. 68. 172 NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 1. 173 NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 2; für eine derartige Wirkung auch Kölbel NZWiSt 2018, 407 (410). 164

22

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

zu deren Vermeidung es ökonomisch rational ist, in Criminal-Compliance-Programme zu investieren.174 Überdies erschöpfen sich für einen Verband die Kosten einer Verurteilung nicht in Geldstrafen. Vielmehr treffen den Verband auch indirekte Kosten. Aufgrund der mit einer Strafe einhergehenden Reputationsverluste sind Geschäftspartner ggf. nicht mehr bereit, mit dem Verband zusammenzuarbeiten. Zudem kann der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen drohen. Auch diese indirekten Kosten sind dazu geeignet, den Verband zur Einführung von Systemen zu veranlassen, die verbandsbezogenen Zuwiderhandlungen vorbeugen.175 Zudem kann ein Verbandsstrafrecht dem Ziel dienen, Wettbewerbsvorteile, die Verbände durch Straftaten erzielen, auszugleichen.176 Darüber wird eine Wettbewerbsgleichheit zwischen rechtstreuen und delinquenten Verbänden realisiert. Dieser Zielsetzung kann man nicht entgegenhalten, dass bereits zivilrechtliche Regeln zum Ausgleich von straftatbezogenen Schäden bestehen. Die Durchsetzung von Ersatzansprüchen gestaltet sich in der Praxis derart schwierig, dass den Geschädigten ihre Schäden häufig nicht ersetzt werden. Exemplarisch sei hier auf Kartellgeschädigte verwiesen, die enorme Anstrengungen unternehmen müssen, um etwaige Schäden zu beweisen.177 Mit der Einführung der Verbandsgeldstrafe würde der Gesetzgeber somit legitime, nicht zu beanstandende Zwecke verfolgen. Strafrechtliche Sanktionen stellen überdies ein legitimes Mittel dar. Die mit der Strafe verbundene Abschreckungswirkung kann die der Einführung eines Verbandsstrafrechts zugrunde liegenden Zwecke fördern und ist mithin geeignet. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die Eignung auch eine adäquate sachliche und personelle Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden voraussetzt.178 Die Einführung eines Verbandsstrafrechts ist auch erforderlich, weil andere, gleich geeignete Mittel, die weniger eingriffsintensiv sind, nicht zur Verfügung stehen.179 Die bisherige Sanktionierung von Verbänden über das Ordnungswidrigkeitenrecht ist bereits nicht in gleichem Maße geeignet, verbandsbezogene Delinquenz zu unterbinden. Dies hängt mit der Unterscheidung des Ordnungswidrigkeitenrechts vom Strafrecht zusammen. Teilweise wird vertreten, dass sich das Ordnungswidrigkeitenrecht vom Strafrecht nur im Umfang, also lediglich quantitativ unterscheide.180 Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass die Ordnungswidrigkeit im Unterschied zur Strafe letztlich auf die staatliche Verwaltungstätigkeit

174

Vogel StV 2012, 427 (429). Zum Ganzen Bussmann BFuP 2009, 506; vgl. auch Schröder Handbuch Kapitalmarktstrafrecht S. 134. 176 Vogel StV 2012, 427 (429). 177 Aus diesem Grund hat der europäische Gesetzgeber hierzu die Richtlinie 2014/104/EU erlassen, die bis zum 27.12.2016 in nationales Recht umzusetzen war. Die Umsetzung ist in Deutschland verspätet im Rahmen der 9. GWB-Novelle erfolgt. 178 Achenbach ZStW 119, 789 (812). 179 Die Anforderung der gleichen Eignung übersieht Löffelmann, der sich für bessere Kontrollmaßnahmen ausspricht vgl. JR 2014, 185 (194). 180 J. Meyer JuS 1983, 513 (514); Hirsch ZStW 107, 285 (290); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 11 f. 175

B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit

23

bezogen bleibt, selbst wenn sie wie die Strafe auch dem Schutz individueller Rechtsgüter dient.181 Deswegen geht die herrschende Meinung davon aus, dass sich die Strafe auch qualitativ von der Ordnungswidrigkeit unterscheidet.182 Mit der Strafe wird dem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen.183 Das ist im Ordnungswidrigkeitenrecht nicht der Fall. Dieses stellt lediglich eine nachdrückliche Pflichtenmahnung dar.184 Eine Geldbuße enthält weder einen Schuldvorwurf noch eine ethische Missbilligung.185 Der mit der Strafe verbundene Vorwurf stellt gegenüber der Geldsanktion einen zusätzlichen Anreiz dar, gegen verbandsbezogenes Fehlverhalten einzuschreiten. Daran würde sich auch dadurch nichts ändern, dass die ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung von Verbänden ausgebaut und der Sanktionsrahmen erhöht wird. Die Sanktionierung lässt sich nicht auf die Zahlung einer bestimmten Geldsumme reduzieren. Das Unwerturteil ist integraler Bestandteil der Sanktion. Der gegenüber der Strafe verringerte Vorwurf bleibt auch bei einem Ausbau der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionierung stets erhalten.186 Außerdem droht bei einem (weiteren) Ausbau der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionierung die Gefahr, unter der formellen Bezeichnung „Ordnungswidrigkeit“ materiell Sanktionen vorzusehen, die so schwerwiegend sind, dass diese nur bei einer Straftat gerechtfertigt sein können. Im Übrigen sind die bestehenden Unterschiede bei der Sanktionierung von natürlichen Personen (Straftat) und Verbänden (Ordnungswidrigkeit) fragwürdig. Zwar ist dem Gesetzgeber ein Ermessensspielraum bei der Einordnung von delinquentem Verhalten zuzubilligen, weil die Grenze zwischen Straf- und Bußgeldwürdigkeit nicht exakt bestimmbar ist.187 Dennoch ist es nur schwer verständlich, aus welchem Grund die Beeinträchtigung desselben Rechtsguts durch einen Verband einen geringeren Unrechts- und Schuldgehalt aufweisen soll als durch einen Menschen. Im Wege der Einführung eines Verbandsstrafrechts kann der sachlich nicht gerechtfertigten Privilegierung von Verbänden ein Ende gesetzt werden. Unter Beachtung des nur sehr begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers wäre ein Verbandsstrafrecht sowohl geeignet als auch erforderlich. Entscheidender Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit eines Verbandsstrafrechts ist die Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Im Individualstrafrecht hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, bestimmte sehr wichtige Rechtsgüter mit Hilfe des besonders eingriffsintensiven Strafrechts zu schützen. Diese Rechtsgüter können aufgrund des

181

Klesczweski Ordnungswidrigkeitenrecht Ein Lehrbuch S. 13. BVerfGE 9, 167 (168 ff.); 22, 49 (80); 27, 19 (29 f.); 45, 272 (288 f.); Mitsch OWiR § 3 Rn. 11; so wohl auch die Ansichten von Bockelmann und Lackner wiedergegeben in ZStW 82, 108 (109 f., 112). 183 BVerfGE 20, 323 (331); 95, 96 (140). 184 BVerfGE 27, 19 (33). 185 BVerfGE 27, 19 (33). 186 Die größere Effektivität der strafrechtlichen Sanktionierung betont auch Engelhart NZWiSt 2015, 201 (209). 187 BVerfGE 27, 19 (30). 182

24

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

beschriebenen Machtpotentials von Verbänden auch durch eine Betätigung aus einem Kollektiv heraus gefährdet werden. Entscheidet sich der Gesetzgeber, diese Rechtsgüter mittels des Strafrechts vor Beeinträchtigungen durch ein Kollektiv zu schützen, ist dies zumindest dann nicht unangemessen, wenn zwischen der Rechtsgutsverletzung und der Betätigung des Kollektivs ein hinreichender Verantwortlichkeitszusammenhang hergestellt werden kann. Die Angemessenheit setzt daher vor allem Art und Umfang der Verbandsstrafen Grenzen, die tat- und schuldangemessen sein müssen. Hierfür muss die Schwere der Sanktion dem Maß der Schuld entsprechen und die Belastung für den Betroffenen darf nicht außer Verhältnis zu dem Nutzen der Sanktionierung für den Rechtsgüterschutz stehen.188 Überdies bedürfen derartige Sanktionen einer besonderen Rechtfertigung, wenn sie sich als existenzbedrohend erweisen.189 3. Zwischenergebnis Weder der Bestimmtheitsgrundsatz noch die Grundrechte stehen daher der Einführung eines Verbandsstrafrechts an sich entgegen. Sie begrenzen lediglich dessen Ausgestaltung. Aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes muss der Gesetzgeber Tatbestände schaffen, denen hinreichend klar zu entnehmen ist, welches Verhalten unter Strafe gestellt ist. Die Grundrechte verlangen, dass Strafen tat- und schuldangemessen sind. III. Internationale Verpflichtungen Weder im Unions- noch im Völkerrecht existiert eine einheitliche Regelung über die Sanktionierung von Verbänden. Anforderungen an eine Sanktionierung von Verbänden sind in zahlreichen verschiedenen Rechtsakten verstreut und adressieren lediglich bestimmte Kriminalitätsphänomene.190 Im Rahmen der grundlegenden Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe interessieren 3 Problemkreise der internationalen Vorgaben. Erstens geht es um die Frage, ob die internationalen Vorgaben die Einführung eines Verbandsstrafrechts erfordern. Zweitens muss man sich der Frage zuwenden, welche Verbände von einem etwaigen Verbandssanktionssystem erfasst werden müssen. Drittens ist darzulegen, welche Vorgaben internationale Regelungen für die tatbestandliche Struktur von verbandsbezogenen Straftatbeständen machen. 1. Einführung eines Verbandsstrafrechts Von grundlegender Bedeutung im Bereich der Sanktionierung von Verbänden ist das Zweite Protokoll zum Schutz der finanziellen Interessen der europäischen Gemeinschaft.191 Das ZP-PIF bezweckt die Sanktionierung von Verbänden bei Delikten zu Lasten der finanziellen Interessen der Union. Gemäß Art. 9 Satz 2 des 36. Protokolls zum Vertrag von Lissabon gilt das ZP-PIF auch nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags fort.

188

Weigend in FS Hirsch S. 917 (924). Ähnlich Vogel StV 2012, 427 (429). 190 Eine Auflistung der entsprechenden Rechtsakte findet sich bei Engelhart eucrim 2012, 110; Rönnau/Wegner ZRP 2014, 158 (162 f.). 191 Übereinkommen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften v. 26.07.1995, ABl. C 316 v. 27.11.1995; Zweites Zusatzprotokoll v. 19.06.1997 ABl. C 221 v. 19.07.1997. 189

B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit

25

Für verbandsbezogene Straftaten von Führungspersonen schreibt das ZP-PIF wirksame, angemessene und abschreckende Geldsanktionen vor, die allerdings nicht strafrechtlicher Natur sein müssen (Art. 4 Abs. 1 ZP-PIF). Optional können weitere Sanktionen wie der Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen und Hilfen, ein vorübergehendes oder ständiges Verbot der Handelstätigkeit, die richterliche Aufsicht oder die richterlich angeordnete Auflösung verhängt werden.192 Bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern, die durch ein Kontrolldefizit der Führungspersonen ermöglicht wurden, verlangt das ZP-PIF lediglich wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen (Art. 4 Abs. 2 ZP-PIF). Die in den Entwürfen noch vorgesehene strafrechtliche Lösung konnte sich somit nicht durchsetzen.193 Die Rahmenbeschlüsse der EU zur Strafrechtsharmonisierung weisen keine direkte Verpflichtung zur Einführung von Verbandsstrafen auf.194 Daneben enthalten mehrere Richtlinien Regelungen zur Verantwortlichkeit von Verbänden. Genau wie die Rahmenbeschlüsse sehen auch die Richtlinien keine Verpflichtung vor, ein nationales Verbandsstrafrecht einzuführen.195 Das Recht des Europarats kennt ebenfalls die Sanktionierung von Verbänden. Zunächst sprachen sich unverbindliche Empfehlungen des Ministerkomitees dafür aus, die Einführung einer Verbandsstrafbarkeit zu prüfen.196 Die Abkommen des Europarats sehen die verpflichtende Einführung eines Verbandsstrafrechts ebenfalls nicht vor.197 Die UN hat Rechtsakte zur Sanktionierung von Verbänden erlassen, die der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der Korruption dienen.198 Diese schreiben strafrechtliche Sanktionen nicht zwingend vor. Im Bereich der OECD ist vor allem das Übereinkommen zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger zu nennen.199 Dieses sieht zwar grundsätzlich strafrechtliche Maßnahmen vor, erlaubt jedoch nicht-strafrechtliche Sanktionen, wenn ein Land kein Verbandsstrafrecht kennt. Eine direkte Verpflichtung zur Einführung eines Verbandsstrafrechts ergibt sich aus den internationalen Verpflichtungen nicht. Daher ist der Problematik nachzugehen, ob aufgrund der inhaltlichen Vorgaben für die Verbandssanktionen eine indirekte Pflicht besteht, ein Verbandsstrafrecht einzuführen. Internationale Rechtsakte verlangen regelmäßig wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen,200 die in der wissenschaftlichen Diskussion als sog. Mindesttrias bezeichnet werden.201 Das wirft die Frage auf, ob nicht zumindest in bestimmten Fällen allein 192

Näher zu den Sanktionen Engelhart eucrim 2012, 110 (111). Engelhart eucrim 2012, 110 (111). 194 Eine ausführliche Übersicht der erlassenen Rechtsakte findet sich bei Engelhart eucrim 2012, 110 (113). 195 Engelhart eucrim 2012, 110 (115 f.). 196 Empfehlungen Nr. R (77) 28 bzgl. des Beitrags des Strafrechts zum Schutz der Umwelt; Nr. R (81) 12 bzgl. der Wirtschaftskriminalität und Nr. R (82) 15 bzgl. der Rolle des Strafrechts im Verbraucherschutz. Abrufbar unter https://publicsearch.coe.int. 197 Hierzu Engelhart eucrim 2012, 110 (119). 198 Ausführlich hierzu Engelhart eucrim 2012, 110 (119). 199 Hierzu Engelhart eucrim 2012, 110 (119). 200 Ausführlich hierzu unter 2. Teil A. II. 201 Gröblinghoff Verpflichtung des deutschen Gesetzgebers S. 13; Rönnau/Wegner ZRP 2014, 158 (160). 193

26

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

das Strafrecht das ausreichende Mittel der Verbandssanktionierung sein kann.202 Der EuGH hat jedoch entschieden, dass sich aus europäischem Recht keine Verpflichtung ergibt, strafrechtliche Sanktionen gegen Verbände einzuführen.203 Die Mitgliedstaaten sind lediglich verpflichtet, gegen Personen, die das Gemeinschaftsrecht verletzen, nach ähnlichen Regelungen vorzugehen wie bei vergleichbaren Zuwiderhandlungen gegen nationales Recht (sog. Gleichstellungserfordernis).204 Das überwiegende Schrifttum geht daher davon aus, dass sich keine Pflicht – weder direkt noch indirekt – zur Einführung eines Verbandsstrafrechts aus internationalen Vorschriften ergibt.205 Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass aus internationalen Vorgaben keine Pflicht zur Einführung eines Verbandsstrafrechts resultiert. Umgekehrt verbieten internationale Vorschriften aber die Einführung eines Verbandsstrafrechts auch nicht. 2. Zu sanktionierende Verbände In Bezug auf den Anwendungsbereich eines Verbandsstrafrechts stellt sich die Frage, welche Verbände es überhaupt erfassen soll. Das ZP-PIF erstreckt sich auf „juristische Personen“ und definiert diese als jedes Rechtssubjekt, das diesen Status nach dem jeweils geltenden innerstaatlichen Recht besitzt. Es nimmt Staaten oder sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts in der Ausübung ihrer hoheitlichen Rechte und die öffentlich-rechtlichen internationalen Organisationen aus (Art. 1 lit. d ZP-PIF). Der Begriff der juristischen Person ist dabei unionsrechtlich zu verstehen und nicht auf juristische Personen nach deutschem Verständnis beschränkt. Vielmehr umfasst er jeden Verband, der nach nationalem Recht Träger eines subjektiven Rechts und damit rechtsfähig sein kann.206 Die EU-Rahmenbeschlüsse zur Terrorismusbekämpfung (RB 2002/475/JI)207 und zur unerlaubten Ein- und Durchreise (RB 2002/946/JI)208 sehen allerdings bei den erfassten juristischen Personen keine Ausnahmen für öffentlich-rechtliche Körperschaften vor. Auch die Abkommen des Europarats erfassen grundsätzlich alle juristischen Personen, nehmen jedoch durch das Erfordernis einer wirtschaftlichen Tätigkeit Behörden, soweit sie hoheitlich handeln, aus.209 Die Abkommen der UN sehen ebenfalls keine Ausnahme zugunsten öffentlich-rechtlicher Verbände vor.

202

Tiedemann EuZW 1990, 99 (100 f.); vgl. hierzu auch Heine ÖJZ 2000, 871 (872); Zeder ÖJZ 2001, 630 (633). 203 EuGH Urt. v. 02.10.1991, Slg. 1991 I-4371. 204 EuGH NJW 1990, 2245 (2246); Dannecker/Dannecker NZWiSt 2016, 162 (163). 205 Kelker in FS Krey S. 221 (227 ff., 232); Satzger EStR § 9 Rn. 27; von Bubnoff ZEuS 2004, 447 (455); von Freier GA 2009, 98 (100); Ransiek NZWiSt 2012, 45 (46); Mansdörfer ZIS 2015, 23 (31); Rogall GA 2015, 260 (261); Dannecker in FS Böttcher S. 465 (483); Dannecker/Bülte in Wabnitz/Janovsky Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts Kap. 1 Rn. 123; Böse ZStW 126, 132 (141). 206 Bahnmüller Strafrechtliche Unternehmensverantwortlichkeit im europäischen Gemeinschafts- und Unionsrecht S. 163 f.; Rönnau/Wegner ZRP 2014, 158 (159); wohl auch Engelhart eucrim 2012, 110 (110 f.). 207 Amtsblatt Nr. L 164 v. 22.06.2002 S. 0003-0007. 208 Amtsblatt Nr. L 328 v. 05.12.2002 S. 0001-0003. 209 Engelhart eucrim 2012, 110 (118).

B. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Strafbarkeit

27

Wie gezeigt, resultiert aus internationalen Vorgaben keine Verpflichtung, ein Verbandsstrafrecht einzuführen.210 Entscheidet sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Verbandsstrafe aber dazu, sich bei den erfassten Verbänden an die internationalen Vorgaben anzulehnen, fallen nicht unternehmerisch tätige Verbände und öffentlich-rechtliche Verbände unter ein etwaiges Verbandsstrafrecht. 3. Tatbestandliche Struktur einer Verbandsverantwortlichkeit Die internationalen Regelungen differenzieren zwischen der Verantwortlichkeit des Verbands für Straftaten von Führungspersonen und von Mitarbeitern. Grundlegend für die Struktur der Verantwortlichkeit ist wiederum das ZP-PIF. Art. 3 Abs. 1 ZP-PIF ordnet eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verbands bei bestimmten Straftaten einer Führungsperson an. Dabei wird nicht näher definiert, ob ein schuldhaftes Handeln der Führungsperson erforderlich ist. Sie muss lediglich zugunsten des Verbands gehandelt haben. Dieses Verantwortlichkeitsmodell wird im Schrifttum als „reines Individualtatmodell“ bezeichnet.211 Demgegenüber ordnet Art. 3 Abs. 2 ZP-PIF eine Verantwortlichkeit des Verbands an, wenn bestimmte Straftaten von Mitarbeitern zugunsten des Verbands durch eine mangelnde Überwachung oder Kontrolle seitens einer Führungsperson ermöglicht wurden. Dies wird im Schrifttum als „modifiziertes Individualtatmodell“ bezeichnet.212 Von zentraler Bedeutung ist daher die Abgrenzung zwischen Führungspersonen und „einfachen“ Mitarbeitern. Eine Führungsposition hat nach Art. 3 Abs. 1 ZP-PIF inne, wer zur Vertretung der juristischen Person oder sonst befugt ist, Entscheidungen für diese zu treffen, oder wer eine faktische Kontrollbefugnis hat. Der Kreis der Führungspersonen wird somit formell und materiell bestimmt. Formell ergibt er sich aus der Vertretungsbefugnis in Bezug auf den Verband. Materiell folgt er aus der Befugnis, Entscheidungen für den Verband zu treffen oder Kontrolle auszuüben. Diese zweispurige Verantwortlichkeit mit der Differenzierung zwischen verbandsbezogenen Straftaten von Führungskräften und verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern findet sich so oder so ähnlich in vielen weiteren internationalen Abkommen. Dieses Modell kann daher als „Grundgerüst“ der internationalen Verbandsverantwortlichkeit bezeichnet werden. Da keine Pflicht zur Einführung eines Verbandsstrafrechts aus internationalen Vorgaben resultiert, ist der deutsche Gesetzgeber nicht verpflichtet, ein etwaiges Verbandsstrafrecht an dieser Struktur auszurichten. IV. Zwischenergebnis Das Grundgesetz schließt die Einführung einer Verbandsstrafbarkeit nicht schlechthin aus, wenn es vor dem Hintergrund des auch im Verbandsstrafrecht zu beachtenden Schuldprinzips gelingt, die Schuldfähigkeit von Verbänden positiv zu begründen. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, Straftatbestände in einem Verbandsstrafrecht derart zu formulieren, dass die Normunterworfenen die Strafbarkeit eines Verhaltens im Voraus erkennen können. Auch 210

Siehe 1. Teil B. III. 1. Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 362; Engelhart NZWiSt 2015, 201 (204 f.). 212 Engelhart NZWiSt 2015, 201 (205). 211

28

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

die Grundrechte verbieten eine Verbandsstrafbarkeit nicht, sondern setzen ihrer Ausgestaltung Grenzen. Ein Ausbau der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionierung von Verbänden als Alternative zu einem Verbandsstrafrecht ist nicht in gleichem Maße geeignet, verbandsbezogene Delinquenz zu unterbinden. Einer Geldbuße fehlt auch bei einer Erhöhung des Sanktionsrahmens immer der mit Verurteilung zu Strafe verbundene sozialethische Vorwurf. Dieser stellt neben der monetären Übelszufügung einen zusätzlichen Anreiz dar, gegen verbandsbezogenes Fehlverhalten einzuschreiten. Überdies ist nur schwer verständlich, aus welchem Grund die Beeinträchtigung desselben Rechtsguts durch einen Verband einen geringeren Unrechts- und Schuldgehalt aufweisen soll als durch einen Menschen. Der deutsche Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, ein Verbandsstrafrecht einzuführen, um die internationalen Vorgaben zur Verbandssanktionierung in deutsches Recht umzusetzen. Vielmehr ist es zur Erfüllung der internationalen Vorgaben ausreichend, die Verhängung von Ordnungswidrigkeiten gegen Verbände vorzusehen. Bei der Einführung einer Verbandsgeldstrafe ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei, ob er sich an den internationalen Vorgaben orientieren möchte oder ob er ein anderes Modell wählt, sofern er die grundgesetzlichen Vorgaben an die Verhängung von Strafen einhält. Daher ist im Folgenden zu untersuchen, ob eine Verbandsstrafbarkeit auch vor dem deutschen Recht überzeugend begründet werden kann.

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden Gegen eine Strafbarkeit von Verbänden werden folgende Hauptargumente angeführt: Verbände seien weder handlungs- noch schuldfähig und ihnen fehle die Straffähigkeit.213 Daneben werden weitere Einwände gegen ein Verbandsstrafrecht erhoben.214 Der Einwand der fehlenden Schuldfähigkeit eines Verbands ist das zentrale verfassungsrechtliche Problem bei der Einführung eines Verbandsstrafrechts. Der Frage, ob und wie die Schuldfähigkeit eines Verbands begründet werden kann, wird gesondert unter D. im ersten Teil nachgegangen. I. Mangelnde Handlungsfähigkeit Gegen die Verbandsstrafbarkeit wird in dogmatischer Hinsicht eingewandt, dass Verbände handlungsunfähig seien.215 Für die Handlung im strafrechtlichen Sinn bedürfe es eines „vom Willen getragenen menschlichen Verhaltens“.216 Ein Verband sei aber zur Willensbildung in diesem Sinn nicht in der Lage, denn ein antizipiertes Einverständnis der Verbandsgenossen könne gerade bei gesetzeswidrigen Handlungen nicht angenommen werden. Nach einem Überblick über die Rechtslage in Österreich wird die deutsche Diskussion zur Frage der Handlungsfähigkeit von Verbänden dargestellt. 1. Rechtslage in Österreich Zunächst ist die Frage zu beantworten, ob Verbände überhaupt strafrechtlich handeln können. Anschließend ist darzustellen, mittels welcher Personen der Verband handeln kann und in welchen Fällen der notwendige Bezug zum Verband vorliegt. a) Fähigkeit zum strafrechtlichen Handeln In Österreich knüpft der traditionelle Handlungsbegriff im Strafrecht an Individuen an. Die Handlung zerfällt in einen Willen und ein Verhalten.217 Die Straftat wird als eine „ihrem Wesen nach menschliche Handlung“ beschrieben.218 Konsequenterweise werden Verbände als strafrechtlich handlungsunfähig angesehen.219 Aufgrund der vorgegebenen Definition, die ausschließlich menschliches Verhalten inkludiert, ist dieser Schluss zwingend. Diese traditionelle Auffassung wird im österreichischen Schrifttum mit dem Argument in Frage gestellt, dass der bisherige Ausschluss von Verbänden vom Strafrecht nur das Ergebnis einer traditionellen Dogmatik, aber keineswegs zwingend sei.220 Rechtsfähige Verbände handelten durch ihre natürlichen Personen. Dies bedeute jedoch keineswegs, dass individuelles Verhalten bloß als fremdes zugerechnet werde. Der Verband sei vielmehr selbst

213

Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 9; Hirsch ZStW 107, 285 (288). Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 19; Hirsch ZStW 107, 285 (296). 215 BMJ in Verbandsstrafe S. 183 (211). 216 RGSt 16, 121 (123); 33, 261 (264); Hartung Verbandsstrafbarkeit S. E 43; Lang-Hinrichsen in FS Mayer S. 49 (53 Fn 21); vgl. auch Roxin AT I § 8 Rn. 55. 217 Triffterer Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil S. 110 ff. 218 Triffterer Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil S. 107. 219 Triffterer Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil S. 107. 220 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 400 ff. 214

30

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

aufgrund der durch die Organisationsverantwortung vermittelten Zuschreibung individueller Handlungen und Unterlassungen handlungsfähig.221 Dieses Modell sei seinem Wesen nach ein originäres, das nicht auf einer Zurechnung fremder Handlungen, sondern auf der Zuschreibung des Verhaltens natürlicher Personen basiere. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der Verband sich seiner Angehörigen bedienen müsse, um Wirkungen nach außen entfalten zu können.222 Dies sei der Erfolgszuschreibung bei Unterlassungsdelikten ähnlich. Die Handlungsfähigkeit beruhe weder auf dem strafbaren Verhalten einer Einzelperson noch auf der fehlerhaften Verbandsorganisation allein. Sie gründe sich vielmehr auf die strafbare Handlung der für den Verband handelnden natürlichen Person und die defizitäre Organisationsstruktur.223 Im Ergebnis wird die (eigene) strafrechtliche Handlungsfähigkeit von Verbänden in Österreich dogmatisch über eine Zuschreibung des Verhaltens natürlicher Personen, ergänzt um eine defizitäre Organisationsstruktur, begründet. b) Personenkreis Ist die strafrechtliche Handlungsfähigkeit von Verbänden mit der Zuschreibung des Verhaltens natürlicher Personen begründbar, muss geklärt werden, durch welche Personen der Verband handeln kann. Die gerade dargestellte Begründung der Handlungsfähigkeit von Teilen des Schrifttums wird im VbVG umgesetzt. Das Gesetz unterscheidet zwischen Entscheidungsträgern und Mitarbeitern. Ein Entscheidungsträger wird definiert als Geschäftsführer, Vorstandmitglied, Prokurist oder eine Person, die aufgrund organschaftlicher bzw. rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht in vergleichbarer Weise befugt ist, den Verband nach außen zu vertreten. Auch Mitglieder des Aufsichts- bzw. des Verwaltungsrates oder Personen, die sonst Kontrollbefugnisse in leitender Stellung bzw. sonst maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben, kommen als Entscheidungsträger in Betracht (§ 2 Abs. 1 VbVG). In den Gesetzesmaterialien wird hervorgehoben, dass ein Verband nur dadurch handeln könne, dass das Tun oder Unterlassen seiner Entscheidungsträger auf ihn bezogen werde. Daher sei die Begehung einer Straftat für den Verband durch einen solchen Entscheidungsträger quasi unwiderleglich als Ausdruck mangelnder Sorgfalt zur Verhinderung solcher Taten anzusehen.224 Mitarbeiter ist nach § 2 Abs. 2 VbVG, wer aufgrund eines Arbeits-, Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses Arbeitsleistungen für den Verband erbringt (Z 1). Gleiches gilt für dem Heimarbeitsgesetz 1960 unterliegende oder arbeitnehmerähnliche Verhältnisse (Z 2) und überlassene Arbeitskräfte i.S.d. § 3 Abs. 4 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (Z 3). Außerdem kommen öffentliche Dienst- oder andere besondere öffentlichrechtliche Verhältnisse in Betracht, wenn Arbeitsleistungen für den Verband erbracht werden (Z 4).

221

Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 403. 222 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 405 f. 223 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 406 f. 224 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 22 von 41.

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

31

Bei einer Mitarbeiterstraftat müssen für eine Verbandsstrafbarkeit neben der Straftat Entscheidungsträger, durch die der Verband handelt, die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt unterlassen haben.225 Sowohl mit der Definition des Entscheidungsträgers als auch mit der des Mitarbeiters sollen die internationalen Vorgaben226 umgesetzt werden.227 c) Handeln mit Bezug zum Verband Allein der Umstand, dass die Tat von einem Verbandsangehörigen begangen wurde, begründet noch keine Verantwortlichkeit des Verbands. Ein Handeln im Privaten kann eine Verbandsstrafbarkeit nicht auslösen. Ein Verband kann nur unter bestimmten Voraussetzungen für strafbare Handlungen seiner Angehörigen verantwortlich gemacht werden. Der Gesetzgeber verlangt für den nötigen Verbandsbezug der Straftat, dass die Tat zugunsten des Verbands begangen wurde oder durch die Tat Pflichten verletzt wurden, die den Verband betreffen (§ 3 Abs. 1 VbVG). Ausdrücklich knüpft der österreichische Gesetzgeber hierbei an die Regelung des § 30 OWiG an.228 Eine Tat ist dann zugunsten des Verbands begangen worden, wenn der Verband durch die Tat bereichert wurde oder hätte bereichert werden sollen. Alternativ genügt es, wenn der Verband sich hierdurch Aufwand erspart hat oder hätte ersparen sollen.229 Auf die Intention des Begünstigenden kommt es dabei nicht an. Es genügt, dass dieser in Bezug auf den Vorteil bloß fahrlässig gehandelt hat.230 Delikte, die dem Verband wirtschaftlich keinen Vorteil gebracht haben, unterfallen dieser Variante nicht.231 Alternativ kann der Verbandsbezug einer Straftat daraus resultieren, dass eine Pflicht verletzt wird, die den Verband betrifft. Diese Pflichten sind aus dem Tätigkeitsbereich des Verbands in Anlehnung an die tradierten Pflichten des Zivil- und des Verwaltungsrechts zu erschließen. Eine allgemeine Pflicht zur Verhinderung von Straftaten besteht für Verbände nicht.232 Eine derartige Rechtspflicht kann sich aber aus den Verkehrssicherungspflichten nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, Verwaltungsgesetzen, behördlichen Individualakten oder aus Verträgen ergeben.233 Diese Rechtspflicht ist daher einer Garantenpflicht ähnlich.234

225 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 23 von 41. 226 Siehe hierzu 1. Teil B. III. Für Österreich gelten dieselben internationalen Vorgaben wie für Deutschland. 227 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 18 ff. von 41. 228 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 21 von 41. 229 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 21 von 41. 230 Löschnig-Gspandl ÖJZ 2002, 241 (244); Steininger VbVG § 3 Rn. 8. 231 Steininger VbVG § 3 Rn. 9. 232 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 21 f. von 41. 233 Steininger VbVG § 3 Rn. 15. 234 Steininger VbVG § 3 Rn. 12.

32

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Durch das Erfordernis der Verletzung einer Verbandspflicht werden Straftaten ausgeschlossen, durch die der Verband geschädigt wird. Überdies scheidet eine verbandsbezogene Pflicht aus, wenn lediglich im Zuge der Tätigkeit für den Verband gegen eine für jedermann geltende Pflicht verstoßen wurde, wie z.B. eine Verkehrsübertretung. Die Frage, ob die handelnden Personen im Rahmen der ihnen eingeräumten Befugnisse gehandelt haben, ist dagegen irrelevant.235 d) Zwischenergebnis In Österreich wird die Handlungsfähigkeit von Verbänden dogmatisch über eine Zuschreibung des Verhaltens natürlicher Personen, ergänzt um eine defizitäre Organisationsstruktur begründet. Zudem muss bestimmt werden, wessen Handeln (personenbezogene Anforderungen) unter welchen Umständen (sachbezogene Anforderungen) als strafbares Handeln des Verbands anzusehen ist. Bei den personenbezogenen Anforderungen differenziert das VbVG zwischen Organen bzw. Personen mit hervorgehobener Entscheidungsbefugnis und normalen Mitarbeitern. Im Rahmen der sachbezogenen Anforderungen verlangt das Gesetz, dass die Tat zugunsten des Verbands begangen wurde oder durch die Tat Pflichten verletzt wurden, die den Verband betreffen. Die Debatte in Österreich lenkt den Blick darauf, dass die strafrechtliche Handlungsfähigkeit von Verbänden einer sorgfältigen Begründung bedarf. 2. Strafrechtliches Handeln des Verbands Die klassische individualstrafrechtliche Dogmatik verlangt für eine Strafbarkeit die Handlung einer natürlichen Person. Der Begriff der Handlung ist im Strafrecht sehr umstritten. Seine Definition hängt vom jeweiligen Handlungsbegriff ab. So wird die „Handlung“ als „willentliche Bewirkung einer Folge“ (kausaler Handlungsbegriff), als „geistig antizipierte Bewirkung einer Folge“ (finaler Handlungsbegriff) oder als „willkürliches Verhalten zur sozialen Außenwelt“ (sozialer Handlungsbegriff) umschrieben.236 Festzuhalten bleibt, dass die Mindestvoraussetzung für eine Handlung ein vom Willen getragenes Verhalten ist.237 Ein Verband an sich kann aber als solcher keinen Willen bilden und ist deshalb im individualstrafrechtlichen Sinn nicht handlungsfähig.238 Um die strafrechtliche Handlungsfähigkeit von Verbänden dennoch begründen zu können, existieren 2 unterschiedliche Ansätze. Zum einen wird die strafrechtliche Handlungsfähigkeit auf der Grundlage der klassischen individualstrafrechtlichen Dogmatik entwickelt, indem man auf die Handlung einer natürlichen Person abstellt, die sich dem Verband zuschreiben lässt. Zum anderen wird die Strafbarkeit von Verbänden mit einer originären Verbandsverantwortlichkeit begründet, die sich von der individualstrafrechtlichen Dogmatik löst. a) Handeln des Verbands durch ein Organ Das klassische individualstrafrechtliche Modell muss zunächst die Frage beantworten, ob ein Verband mittels seiner Verbandsangehörigen überhaupt im strafrechtlichen Sinne handlungsfähig ist. Im Anschluss wird untersucht, durch welche Personen der Verband überhaupt 235 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 22 von 41. 236 BMJ in Verbandsstrafe S. 155 (155 f.). 237 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 141. 238 BVerfGE 20, 323 (336).

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

33

handeln kann und unter welchen Voraussetzungen eine Handlung dieser Personen als Handlung des Verbands angesehen werden kann. aa) Prinzipielle Handlungsfähigkeit des Verbands Da ein Verband – wie gezeigt – als solcher keinen Willen bilden kann und daher an sich nicht handlungsfähig ist,239 lehnt eine Minderheit in der Literatur die Handlungsfähigkeit von Verbänden ab.240 Die überwiegende Ansicht hält einen Verband dagegen für handlungsfähig.241 Der im Gesellschaftsrecht bestehende Streit, ob der Verband mittels seiner Organe und Vertreter selbst handelt (so die Organtheorie) oder dem Verband lediglich die Handlungen Dritter zugerechnet werden (so die Vertretertheorie),242 setzt sich auch im Strafrecht fort.243 Um die Frage zu beantworten, ob Verbände strafrechtlich handlungsfähig sind, muss das Agieren von Verbänden im Rechtsverkehr dargestellt werden. Darauf aufbauend ist auf die Problematik einzugehen, wie es sich auswirkt, dass das Agieren von Verbänden stets über natürliche Personen vermittelt wird, die selbst taugliche Strafrechtssubjekte sind. (1) Verband im Rechtsverkehr Verbände sind eigenständige Rechtssubjekte im Rechtsverkehr und werden auch entsprechend wahrgenommen.244 Sie treten im Wirtschaftsverkehr als Träger von Vermögenswerten auf und verfolgen eigene Ziele. Das Wesen der Korporation besteht darin, dass sie nicht eine reine Addition von Einzelpersonen ist, sondern ein sich von diesen abhebendes, eigenständiges Gebilde.245 Die Ziele und Eigenschaften eines Verbands sind mehr als die Summe der Ziele und Eigenschaften der einzelnen Verbandsmitglieder. Damit weisen Verbände Merkmale auf, die sie als eigenständige, von ihren Mitgliedern getrennte soziale Subjekte ausweisen. Sie verfolgen eigene Interessen, was der Begründung von Rechtspflichten sowie der Ausgestaltung und Bemessung von Rechtsfolgen zugrunde gelegt werden kann.246

239

BVerfGE 20, 323 (336). Jescheck/Weigend Strafrecht AT S. 227; Jescheck ZStrR 70, 243 (259); Marcuse GA 64, 478 (495 f.); Roxin AT I § 8 Rn. 59; Schwinge Strafrechtliche Sanktionen gegenüber Unternehmen S. 101; Athanassiou Die Strafbarkeit juristischer Personen S. 94 f.; Papachristos Sanktionen S. 38; Jakobs in FS Lüderssen S. 559 (562 ff.); von Freier Kritik der Verbandsstrafe S. 88 ff.; Lang-Hinrichsen in FS Mayer S. 49 (53); Klesczewski in FS Seebode S. 179 (182 ff.). 241 Achenbach in Coimbra-Symposium S. 283 (302); Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 103 ff.; von Bubnoff ZEuS 2004, 447 (456 f.); Dannecker GA 2001, 101 (111); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 185; Eidam Straftäter Unternehmen S. 101 ff.; Faria Costa in Coimbra-Symposium S. 337 (345, 350 ff.); Haeusermann Verband als Straftäter S. 141 ff.; Hirsch ZStW 107, 285 (288 f.); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 12; Müller Die Stellung der juristischen Person im Ordnungswidrigkeitenrecht S. 18 f.; Otto Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden S. 15; Otto Jura 1998, 409 (415); Scholz ZRP 2000, 435 (438); Seelmann in FS Schmid S. 169 (177); Bottke wistra 1997, 241 (248 f.); Beuthien in FS Zöllner S. 87 (93 ff.); KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 10; Vogel StV 2012, 427 (428); Dannecker/Dannecker NZWiSt 2016, 162 (173). 242 Hierzu K. Schmidt Gesellschaftsrecht S. 250 ff. m.w.N.; KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 8. 243 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 142. 244 Achenbach in Coimbra-Symposium S. 283 (302); Bottke wistra 1997, 241 (248 f.); Dannecker GA 2001, 101 (111); Faria-Costa in Coimbra-Symposium S. 337 (339); Hirsch ZStW 107, 285 (288 f.); Otto Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden S. 15; Otto Jura 1998, 409 (415); KK-Rogall § 30 Rn. 10. 245 Hirsch ZStW 107, 285 (288 f.); Dannecker GA 2001, 101 (108 f.). 246 Dannecker GA 2001, 101 (109). 240

34

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Um diese Ziele zu definieren und die Interessen des Kollektivs zu verfolgen, verfügen Verbände über Mechanismen zur Willensbildung. Diese manifestiert sich im Kontakt mit dem Rechtsverkehr durch Repräsentanten.247 Um die den Verbänden zugesprochene (Teil-) Rechtsfähigkeit im Rechtsverkehr praktisch zu verwirklichen, muss der Verband durch seine Repräsentanten agieren. Es wäre widersprüchlich, einerseits die Rechtsfähigkeit von Verbänden anzuerkennen und andererseits die Tätigkeiten zur Realisierung dieser Rechtsfähigkeit als fremdes Handeln zu qualifizieren. Die genannten Umstände rechtfertigen es, Handlungen von Verbandsrepräsentanten als eigene Handlung des Verbands anzusehen.248 Dieses Ergebnis legt auch die Systemtheorie nahe.249 Hiernach handelt es sich bei Verbänden wie bei natürlichen Personen um Systeme, deren Manifestation in der Außenwelt als Handlungen angesehen werden können.250 Zwischen dem delinquenten Verhalten einer natürlichen Person und dem eines Verbands besteht kein wesentlicher Unterschied. In beiden Fällen handelt es sich um ein systemisches Verhalten, das als Sinnausdruck verstanden werden kann und daher einer strafrechtlichen Bewertung sowohl zugänglich als auch bedürftig ist.251 Wer Adressat von Rechtspflichten ist, kann diese nicht nur erfüllen, sondern auch verletzen.252 Der Verband stellt ein Rechtssubjekt dar, dessen Rechtsfähigkeit auf der Anerkennung durch den Gesetzgeber beruht. Bestandteil der Anerkennung seiner Rechtsfähigkeit ist, dass der Verband durch bestimmte Personen handelt.253 Es besteht kein erkenntnistheoretisch valider Grund, weshalb der Verband zivilrechtlich handlungsfähig, strafrechtlich aber handlungsunfähig sein sollte. Eine Handlung im rechtlichen Sinn ist keine natürliche, sondern eine institutionelle, durch rechtliche und soziale Deutungsmuster konstituierte Tatsache. Dass das Verhalten von natürlichen Personen Verbänden als deren eigenes Handeln zugeschrieben wird, stellt im Rahmen des rechtlich-institutionellen Denkens ein vertrautes Phänomen dar.254 (2) Gleichzeitiges Handeln im eigenen und fremden Rechtskreis Selbst wenn man akzeptiert, dass Verbände eigenständige soziale Subjekte sind, ist nicht zu leugnen, dass das Handeln und der Wille eines Verbands stets von einer natürlichen Person abgeleitet werden.255 Deswegen wird gegen die Handlungsfähigkeit von Verbänden weiterhin eingewandt, dass ein Handeln in einer fremden Organisation ausscheide, wenn das Verhalten vom Recht zwingend als Handeln in der eigenen Organisation gedeutet werde. Der Repräsentant habe bei einer eigenen Straftat für seine Schuld voll einzustehen, weswegen ein Handeln in der eigenen Organisation vorliege. Daher werde eine Straftat niemals in der

247

Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 142. So auch Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 10; ähnlich auch Böse in FS Jakobs S. 15 (20), der davon spricht, dass das Organ dem Verband die Handlungsfähigkeit leiht. 249 KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 10; Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 142. 250 So Jakobs AT S. 149. 251 KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 10. 252 Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 12; so wohl auch Otto Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden S. 15; Dannecker GA 2001, 101 (111). 253 Dannecker/Dannecker NZWiSt 2016, 162 (173). 254 Zum Ganzen Neumann in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht S. 13 (17). 255 Löffelmann JR 2014, 185 (188). 248

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

35

Organisation des Verbands begangen.256 Was einem Verband zugeschrieben werden solle, müsse sich erst einmal seinem Repräsentanten abschreiben lassen.257 Dies sei aber nicht möglich, wenn das Recht diesen als natürliche Person an seiner Schuld festhalte. Dieser Auffassung wird zu Recht entgegengehalten, dass sie die Problematik unzulässig auf eine mathematische Mengenlehre reduziert.258 Der individuelle Täter agiert zwar im Organisationskreis des Verbands in durchaus eigener Weise. Er gestaltet aber damit zugleich auch den Organisationskreis des Verbands, wenn er zur Festlegung von „Sinn“ berufen ist.259 Es ist sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht nicht ungewöhnlich, dass die Wirkungen von Repräsentation bei mehreren Rechtssubjekten eintreten. Als zivilrechtliche Beispiele sind die kumulative Haftung nach § 31 BGB sowie das „auch-fremde“ Geschäft im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu nennen.260 Beim „auch-fremden“ Geschäft wird der Geschäftsführer gleichzeitig in eigenen und fremden Angelegenheiten tätig. Im Strafrecht können Fremdhandlungen ebenfalls zugleich als Eigenhandlungen gewertet werden.261 Dies kommt bei der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) in Betracht. Gegen den Verweis auf die Mittäterschaft lässt sich auch nicht mit Erfolg anführen, dass in diesem Fall zumindest ein teilweise tatbestandsmäßiges Verhalten vorliege, welches nur durch eine Zurechnung fremden Verhaltens ergänzt werde. Beim Verband ersetze dagegen die Zurechnung fremden Verhaltens eine eigene Handlung.262 Der Bezug eines bestimmten Verhaltens natürlicher Personen auf den Verband führt nicht dazu, dass eine eigene Handlung des Verbands lediglich fingiert wird. Wie bereits dargelegt,263 vermitteln vielmehr natürliche Personen dem Verband die Fähigkeit zum strafrechtlichen Handeln. (3) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der Gesetzgeber in den Grenzen der Grund- und Menschenrechte dazu befugt ist, festzulegen, wer Zurechnungsendsubjekt eines strafrechtlich relevanten Verhaltens ist. Das Recht darf „selbstherrlich“ die strafrechtliche Handlungsfähigkeit von Verbänden anordnen. Daneben überzeugt es auch inhaltlich, von einer strafrechtlichen Handlungsfähigkeit von Verbänden auszugehen. Verbände verfügen über eigene Mechanismen zur Willensbildung und realisieren – vermittelt über natürliche Personen – diesen Willen im Kontakt mit dem Rechtsverkehr.

256

Jakobs in FS Lüderssen S. 559 (564 f.). Jakobs in FS Lüderssen S. 559 (565). 258 KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 8. 259 KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 8; Böse in FS Jakobs S. 15 (20). 260 Vgl. hierzu Palandt-Sprau BGB § 677 Rn. 6. 261 Tiedemann NJW 1988, 1169 (1172). 262 Mitsch NZWiSt 2014, 1 (3); so wohl auch Jakobs in FS Lüderssen S. 559 (565), der davon spricht, dass ein Doppelgeschäft nur als teilweise eigenes und fremdes möglich sei. 263 Siehe 1. Teil C. I. 2. a) aa) (1). 257

36

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

bb) Personenbezogene Anforderungen Steht fest, dass der Verband durch natürliche Personen selbst handeln kann, muss in einem nächsten Schritt untersucht werden, welche natürlichen Personen dafür in Frage kommen. Ausgangspunkt der Überlegung hat dabei zu sein, dass nicht jedes irgendwie in Bezug auf den Verband handelnde Individuum als Person angesehen werden kann, durch die der Verband handelt. Andernfalls wäre die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verbands uferlos. Die restriktivste Meinung geht davon aus, dass der Verband nur durch Organe strafrechtlich handelt.264 Eine vermittelnde Ansicht spricht sich dafür aus, dass der Verband auch durch leitende Angestellte strafrechtlich handeln kann, wenn sie über ausreichende Befugnisse verfügen.265 Schließlich vertreten einige Autoren die Auffassung, dass der Verband strafrechtlich für alle seine Angehörigen einzustehen habe.266 Wie gezeigt, beruht die Handlungsfähigkeit von Verbänden darauf, dass sie vermittelt über natürliche Personen handeln.267 Die enge Beziehung zwischen den Organen und dem Verband rechtfertigt es, die Handlungen dieser Personen als solche des Verbands anzusehen.268 Andere Verbandsangehörige können zwar auch „für“ den Verband handeln, repräsentieren ihn aber nicht.269 Deswegen handelt der Verband nicht „durch“ diese Personen. Diese Repräsentationsfunktion der Organe im Unterschied zu anderen Vertretern wird im Zivilrecht auch daran deutlich, dass die organschaftliche Vertretungsmacht auf dem Gesellschaftsvertrag i.V.m. einem Bestellungsakt oder der Gesellschafterstellung beruht. Dementsprechend kann sie nur von Verbänden verliehen werden, wohingegen rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht ebenso von natürlichen Personen erteilt werden darf. Teilweise wird befürwortet, den Kreis der Personen, durch die der Verband handelt, auf die in § 14 StGB, § 9 OWiG genannten Personen zu erweitern.270 Handlungen von Leitungspersonen ohne Organstellung sind rechtlich aber nicht als Handlungen des Verbands zu qualifizieren. Ein Verband wird ausschließlich durch seine Organe repräsentiert. Er ist nur zur Bestellung von Organen verpflichtet, die einen notwendigen Teil seiner Handlungsstruktur bilden.271 Ob der Verband sonstige Leitungspersonen benennt, steht ihm frei. Bezöge man auch diese Personen in den Kreis derer ein, durch die der Verband strafrechtlich handelt, wäre der Verband in der Lage, mittels seiner internen Ausgestaltung gezielt über diesen Personenkreis zu entscheiden.

264

Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 24; Hirsch ZStW 107, 285 (289, 308 f.). Schmitt Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände S. 135 f.; Seiler Strafrechtliche Maßnahmen S. 72 ff.; Stratenwerth in FS Schmitt S. 295 (297 f.); Volk JZ 1993, 429 (433). 266 Korte Juristische Person und strafrechtliche Verantwortung S. 174 ff.; Schwinge Strafrechtliche Sanktionen gegenüber Unternehmen S. 77 ff. 267 Siehe 1. Teil C. I. 2. a) aa). 268 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 144. 269 Alwart in Criminal Responsibility S. 143 (151); Faria Costa in Coimbra-Symposium S. 337 (350); Hirsch ZStW 107, 285 (310); Stratenwerth in FS Schmitt S. 295 (297 f.). 270 Stratenwerth in FS Schmitt S. 295 (298); Schmitt Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände S. 135 f.; Volk JZ 1993, 429 (433). 271 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 145. 265

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

37

Dieses Ergebnis wird auch durch die eingangs erwähnte Systemtheorie272 gestützt. Der Verband als System wird nur durch Organe unmittelbar repräsentiert.273 Handlungen anderer Personen mögen zwar im bzw. aus dem System heraus begangen werden, sind aber keine Handlungen des Systems selbst.274 Aus internationalen Vorschriften ergibt sich nichts Anderes. Diese fordern, dass ein Verband nicht nur für Handlungen seiner Organe, sondern auch für solche von Führungspersonen sanktionsrechtlich verantwortlich gemacht werden kann.275 Die internationalen Vorgaben erfordern jedoch nicht die Einführung eines Verbandsstrafrechts.276 Zudem überzeugt es inhaltlich nicht, sonstige Leitungspersonen in den Kreis derer einzubeziehen, durch die der Verband strafrechtlich handeln kann. Deswegen ist hiervon Abstand zu nehmen. Der Verband handelt nur durch seine Organe selbst. Andere Personen können zwar für den Verband handeln, repräsentieren das System Verband aber nicht. Ihre Handlungen sind daher keine Handlungen des Systems selbst. cc) Sachbezogene Anforderungen Nach der Klärung der Frage, dass ein Verband nur „durch“ seine Organe handeln kann, stellt sich das Problem, unter welchen Voraussetzungen ihr Handeln als Verhalten des Verbands anzusehen ist. Begeht ein Repräsentant eine strafbare Handlung „im Privaten“, hat der Verband hierfür strafrechtlich nicht einzustehen.277 Selbst wenn Verbände gesetzeskonformes Verhalten anstreben, kann man nicht davon ausgehen, dass jede Straftat eines Organs außerhalb der Verbandssphäre liegt. Zum einen ist der Frage nachzugehen, in welchen Fällen das Organ eine Straftat in seiner Rolle als Organ begeht. Zum anderen ist zu überlegen, ob die Verbandsstraftaten von vornherein auf bestimmte Delikte zu beschränken sind. (1) Handeln als Organ Voraussetzung für die Verbandsstrafbarkeit ist, dass das Organ die Straftat in dieser spezifischen Rolle und nicht als Privatperson begangen hat. Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch spricht davon, dass die Straftat „in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbands“ erfolgt sein muss (§ 2 Abs. 1, 2 VerbStrG-E), ohne dieses Kriterium näher zu präzisieren. Da sich diese Problematik in vergleichbarer Weise bei § 30 OWiG stellt, ist auf die dort vertretenen Ansichten zur Bestimmung des Merkmals zurückzugreifen. Die objektive Funktionstheorie verlangt einen funktionellen Bezug zwischen dem Handeln des Repräsentanten und seinem Pflichten- und Aufgabenkreis.278 Dieser ist vorhanden, wenn sich das Handeln des Organs objektiv in die vom Verband verfolgten Ziele einpassen lässt 272

Siehe hierzu 1. Teil C. I. 2. a) aa) (1). Jakobs AT S. 149. 274 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 144 f. 275 Siehe 1. Teil B. III. 3. 276 Siehe 1. Teil B. III. 1. 277 Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 231. 278 Stratenwerth in FS Schmitt S. 295 (299); Hirsch ZStW 107, 285 (312); von Bubnoff ZEuS 2004, 447 (462); für die Geltung der Funktionstheorie auch Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 25. Vgl. hierzu auch Heine ÖJZ 2000, 871 (874). 273

38

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

und seiner Geschäftspolitik entspricht.279 Ähnlich der Bestimmung von Handlungen des Verrichtungsgehilfen bei § 831 BGB im Zivilrecht fragt diese Ansicht danach, ob die Handlung in Ausübung und nicht lediglich bei Gelegenheit der Verbandstätigkeit begangen wurde. Dieses Kriterium ist grds. zur Abgrenzung geeignet. Bereits im Zivilrecht besteht eine umfangreiche Rechtsprechung zu dieser Fragestellung.280 Die Funktionstheorie versagt jedoch, wenn der Verband durch die verbandsbezogene Zuwiderhandlung selbst geschädigt wurde.281 Aus der rechtsgutsbezogenen Auslegung folgt, dass sich der Verband nicht strafbar macht, wenn die verbandsbezogene Zuwiderhandlung ausschließlich Individualrechtsgüter des Verbands betrifft.282 Den Geschädigten zur Verantwortung zu ziehen, wäre mit den präventiven Zielen einer Strafe nicht vereinbar. Setzt der Repräsentant aber z.B. tagsüber die Fabrikhalle des Verbands in Brand, in der sich Arbeiter befinden, liegt ein funktioneller Bezug zur Verbandstätigkeit vor. Da geschütztes Rechtsgut des § 306a StGB Leib und Leben von Menschen ist, schließt auch die rechtsgutsbezogene Auslegung die Verbandsstrafbarkeit nicht aus. Nach der Funktionstheorie würde sich der Verband selbst dann strafbar machen, wenn der Repräsentant die Fabrikhalle nicht für einen Versicherungsbetrug, sondern zur Schädigung des Verbands aus Frustration angezündet hat. Die Funktionstheorie kann daher zumindest nicht isoliert herangezogen werden.283 Die subjektiv ausgerichtete Interessenformel fragt danach, ob der Repräsentant zumindest auch im Interesse des Verbands gehandelt hat.284 Ein Handeln im Verbandsinteresse setzt nicht voraus, dass das Organ einen unmittelbaren Vorteil für den Verband anstrebt. Es muss lediglich im Bewusstsein agieren, zumindest auch für den Verband zu handeln und nicht lediglich in eigenen - oder Drittangelegenheiten.285 Der tatbestandsmäßige Erfolg muss durch eine Handlung für den Verband herbeigeführt worden sein, unabhängig davon, ob dieser im Verbandsinteresse liegt oder nicht. Wie bei der Funktionstheorie scheidet eine Verbandsstrafbarkeit aus, wenn ausschließlich Rechtsgüter des Verbands verletzt werden.286 Die subjektiv ausgerichtete Interessenformel führt zu unbefriedigenden Ergebnissen, wenn das vertretungsberechtigte Organ ohne jeden Zusammenhang zu seiner Funktion im Verband aber trotzdem zu dessen Vorteil handelt. In diesem Fall müsste der Verband auch für das Handeln des Organs einstehen, obwohl es nicht verbandsbezogen handelt, sondern wie ein außen stehender Dritter auftritt.287 Eine Einmischung von außen kann niemals eine Verbandssanktion auslösen. Auch auf die Interessenformel kann daher nicht allein zurückgegriffen werden.

279

KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 107 f.; Demuth/Schneider BB 1970, 642 (651). Palandt-Sprau BGB § 831 Rn. 5 f. m.w.N. 281 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 147; Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 179 ff.; gegen eine Einbeziehung von Straftaten zulasten des Verbands in die von Verbänden begehbaren Delikte auch KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 112. 282 Deruyck ZStW 103, 705 (730); vgl. auch Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 179. 283 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 147. 284 KK-Rogall OWiG § 9 Rn. 60; von Bubnoff ZEuS 2004, 447 (462 f.). 285 von Bubnoff ZEuS 2004, 447 (462 f.). 286 Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 181; Deruyck ZStW 103, 705 (730). 287 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 148; kritisch ggü. einer isolierten Heranziehung der Interessenformel auch KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 110. 280

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

39

Die Schwächen der objektiven Funktionstheorie und der subjektiven Interessenformel sind nur dadurch zu vermeiden, dass man beide zu einem objektiv-subjektiven Ansatz kombiniert.288 Genau diese Kombinationslösung wird auch bei § 30 OWiG zur Bestimmung von verbandsbezogenem Handeln vertreten.289 Zwischen der Tat des Organs und seinem Aufgabenkreis im Verband ist ein funktioneller Zusammenhang erforderlich und das Organ muss dabei Verbandsinteressen verfolgen.290 Für ein Handeln durch Unterlassen sind die Vorgaben entsprechend anzupassen. Hier muss die gebotene Handlung den objektiv-subjektiven Anforderungen von Funktionstheorie und Interessenformel genügen. Die gebotene Handlung, z.B. ein Produktrückruf, muss zum Pflichtenkreis des Verbands gehören und im Verbandsinteresse liegen.291 (2) Von Verbänden begehbare Delikte Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch beschränkt die von Verbänden begehbaren Delikte auf bestimmte Zuwiderhandlungen (§ 2 Abs. 1, 2 VerbStrG-E). Eine Zuwiderhandlung weist in Anlehnung an § 30 OWiG292 einen spezifischen Bezug zum Verband auf, wenn durch sie Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen, oder wenn durch sie der Verband bereichert worden ist oder bereichert werden sollte (§ 1 Abs. 2 Satz 2 VerbStrG-E). Einen spezifischen Bezug einer Zuwiderhandlung zum Verband bei einer Bereicherung bzw. beabsichtigten Bereicherung des Verbands anzunehmen, entspricht inhaltlich dem im Schrifttum gemachten Vorschlag, für die von Verbänden begehbaren Delikte auf das Merkmal der Nutznießerschaft bzw. des Vorteils abzustellen.293 Die Tat muss danach dem Verband irgendeinen (ggf. auch immateriellen) Vorteil verschaffen oder dazu bestimmt sein. Diese Beschränkung überzeugt aus 2 Gründen nicht. Erstens bleibt unklar, wie eng die Beziehung zwischen der Tat und dem Vorteil sein muss. Gerade bei sog. mittelbaren Vorteilen, die auf weiteren Handlungen beruhen, ist nicht erkennbar, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen diese einzubeziehen sind. Zweitens ist das Kriterium sachlich überflüssig. Der Zweck der Bereicherungsalternative in § 30 OWiG besteht darin, dass eine bei dem Verband eingetretene Bereicherung über die Geldbuße abgeschöpft werden kann unabhängig von der Frage, ob die Straftat auch eine den Verband treffende Pflicht verletzt.294 Die Geldstrafe enthält jedoch anders als die ordnungsrechtliche Geldbuße niemals einen Abschöpfungsanteil. Vielmehr erfolgt im Strafrecht die Entziehung deliktischer Vermögenswerte ausschließlich über den Verfall.

288

Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 148. KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 106 ff.; Eidam wistra 2003, 447 (454); Többens NStZ 1999, 1 (7). 290 Eidam wistra 2003, 447 (454). 291 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 149. 292 NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 33. 293 Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 231 ff.; ähnlich auch Schmitt Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände S. 133, 191. 294 Zum Gesetzeszweck KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 96. 289

40

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Die Nutznießerschaft bzw. der Verbandsvorteil ist daher im Ergebnis ein untaugliches Begrenzungskriterium.295 Fraglich ist, ob die von Verbänden begehbaren Straftaten auf solche zu beschränken sind, die eine Pflicht verletzen, welche den Verband trifft. Zunächst muss bestimmt werden, was unter einer derartigen Pflicht zu verstehen ist. Im Ordnungswidrigkeitenrecht sind die Voraussetzungen hierfür Gegenstand einer intensiven Kontroverse.296 Sonderdelikte, die den Unternehmensträger als solchen treffen und ihm in dieser Eigenschaft Ge- oder Verbote auferlegen, zählen stets hierzu.297 Allgemeindelikte können ebenfalls eine den Verband treffende Pflicht darstellen, wenn diese im Zusammenhang mit der Führung des Verbands stehen.298 Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, ist umstritten. Nach einer Ansicht trifft die Pflicht den Verband, wenn er für die Vermeidung des Deliktserfolges zuständig ist (Garantenstellung).299 Andere Stimmen stellen darauf ab, dass Verbände nur für solche Handlungen strafrechtlich einzustehen haben, die eine Verletzung spezifischer, an den Verband gerichteter Verhaltensanforderungen darstellen.300 Verbandsspezifische Verhaltensanforderungen sind solche, die dem Wirkungskreis des jeweiligen Verbands entstammen301 und damit als verbandstypisch302 einzustufen sind. Teilweise wird eine Beschränkung auf Straftaten, die eine den Verband treffende Pflicht verletzen, abgelehnt und davon ausgegangen, dass im Grundsatz jedes Delikt von einem Verband verwirklicht werden kann mit Ausnahme von Delikten, die ihrer Natur nach nur von natürlichen Personen begangen werden können.303 Eine Beschränkung der Verbandsverantwortlichkeit auf garantenähnliche Pflichten ist abzulehnen, weil sie zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Privilegierung von Verbänden führt.304 Nimmt ein Verband am Rechtsverkehr über seine Repräsentanten teil, hat er wie natürliche Personen alle Ge- und Verbote, die für ihn gelten, zu beachten. Für die Strafbarkeit wegen Unterlassens gelten dagegen die gleichen Grundsätze wie bei natürlichen Personen. Von den Befürwortern einer Begrenzung auf Delikte mit verbandsspezifischen Verhaltensanforderungen wird als Argument angeführt, dass es unangemessen sei, den Verband zu

295 So auch Volk JZ 1993, 429 (432); Stratenwerth in FS Schmitt S. 295 (298 f.); Heine ÖJZ 2000, 871 (874); Hirsch ZStW 107, 285 (312). 296 Zum Streitstand KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 89 ff. 297 KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 91; Schünemann wistra 1982, 41 (48); Rogall ZStW 98, 573 (604 ff.); Ransiek Unternehmensstrafrecht S. 103 ff. 298 Demuth/Schneider BB 1970, 642 (647, 650); Többens NStZ 1999, 1 (5). 299 So KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 93; Demuth/Schneider BB 1970, 642 (650); Queck S. 33. 300 Deruyck Verbandsdelikt und Verbandssanktion S. 157; Deruyck ZStW 103, 705 (730 f.); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 235 ff. 301 Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 236. 302 Deruyck Verbandsdelikt und Verbandssanktion S. 157; Deruyck ZStW 103, 705 (730). 303 Hirsch ZStW 107, 285 (311 f.); Müller Die Stellung der juristischen Person im Ordnungswidrigkeitenrecht S. 73 f.; Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 149 f. 304 So auch Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 87.

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

41

bestrafen, wenn der Repräsentant eine Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) begehe, um einen lukrativen Geschäftsabschluss nicht zu verpassen.305 Eine solche Beschränkung würde ebenfalls auf eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung von Verbänden gegenüber natürlichen Personen hinauslaufen. Bei natürlichen Personen wird nicht danach gefragt, ob ihre Handlung typisch ist. Ausreichend ist die Verwirklichung eines Straftatbestands. Begeht jemand eine Straftat als Organ,306 liegt eine Verbandshandlung vor. Die grundsätzlich uneingeschränkte Fähigkeit zur Begehung von Straftaten ist die Konsequenz der Rechtsfähigkeit des Verbands. Sein (strafrechtlicher) Wirkungskreis wird gerade durch die verbandsbezogenen Handlungen des Repräsentanten bestimmt.307 Folglich können im Grundsatz alle Straftaten auch von Verbänden verwirklicht werden, es sei denn, diese sind ihrer Natur nach nur von natürlichen Personen begehbar. Eine Beschränkung auf Straftaten, die eine den Verband treffende Pflicht verletzen, ist ebenfalls abzulehnen. (3) Zwischenergebnis Für die sachbezogenen Anforderungen an ein Handeln des Verbands gilt, dass das Organ die Straftat in ebendieser Rolle und nicht im Privaten begangen haben muss. Das ist der Fall, wenn zwischen der Tat des Organs und seinem Aufgabenkreis im Verband ein objektiv-funktioneller Zusammenhang besteht und das Organ subjektiv Verbandsinteressen verfolgt. Es ist nicht erforderlich, dass über das Handeln als Organ hinaus der Verband durch die Straftat bereichert wurde bzw. werden sollte. Außerdem muss die Straftat keine Pflicht verletzen, die den Verband trifft. Vielmehr kommen alle Delikte in Betracht, soweit sie nicht ausschließlich von natürlichen Personen begangen werden können. b) Handeln eines Mitarbeiters für den Verband Im Gegensatz zur individualstrafrechtlichen Dogmatik, die das strafbare Handeln einer natürlichen Person unter bestimmten Umständen auf den Verband bezieht, wird von Teilen der Literatur die Handlungsfähigkeit eines Verbands mit einer originären Verbandsverantwortlichkeit begründet. Die Vertreter dieser Auffassung verzichten entweder vollständig auf das strafbare Handeln einer natürlichen Person (hierzu aa)) oder sehen dieses lediglich als ein Element einer Verbandsstrafbarkeit (hierzu bb)). Kollektive Fehlentwicklungen treten bei diesen Modellen ins Zentrum der Verbandsstrafbarkeit.308 Daher kommt es auf die Stellung des Verbandsangehörigen nicht an. Wie gezeigt, kann der Verband nur durch seine Organe handeln.309 Bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen muss die Handlungsfähigkeit nicht über eine originäre Verbandsverantwortlichkeit begründet werden. Dies gilt jedoch nicht für Verbandsangehörige, die 305 Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 235; Deruyck Verbandsdelikt und Verbandssanktion S. 156 f.; Deruyck ZStW 103, 705 (730). 306 Zu dieser Voraussetzung siehe 1. Teil C. I. 2. a) cc) (1). 307 So zu Recht Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 150; kritisch gegenüber einer Begrenzung auch Hirsch ZStW 107, 285 (311 f.); vgl. auch König in Verbandsstrafe S. 39 (62). 308 So wohl auch König in Verbandsstrafe S. 39 (60). 309 Siehe 1. Teil C. I. 2. a) bb).

42

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

keine Organe sind. Denn diese Personen handeln lediglich für den Verband, der Verband handelt aber nicht durch sie. Dies gilt sowohl für sonstige Leitungspersonen als auch für „einfache“ Mitarbeiter. Hier ist das Vorliegen einer originären Verbandsverantwortlichkeit unverzichtbar, um in diesen Fällen die Handlungsfähigkeit des Verbands zu begründen. aa) Verzicht auf strafbares Handeln einer natürlichen Person Teilweise wird dafür plädiert, im Wege einer funktionsanalogen Ausrichtung zum Individualstrafrecht ein selbstständiges dogmatisches System originärer Verbandsstrafbarkeit zu entwickeln.310 Eine Lösung, die bei Handlungen bestimmter natürlicher Personen automatisch von einer Verbandshandlung ausgehe, sei zu weitgehend.311 Die hergebrachten Begriffe des Individualstrafrechts wie Handlung, Erfolg und Kausalität seien daraufhin zu untersuchen, welche Aufgabe ihnen in einem System kollektiver Verantwortlichkeit zukomme. Das Merkmal der Handlung soll nach dieser Auffassung durch eine „betriebliche Fehlentwicklung“312 bzw. ein „fehlerhaftes Risikomanagement“313 ersetzt werden. Dies müsse zu einer „betriebstypischen Gefahrverwirklichung“314 in Form einer schwerwiegenden sozialen Störung (z.B. Tötung einer Mehrzahl von Personen, gravierende Umweltschädigung oder eine genauer zu spezifizierende Gemeingefahr) führen.315 Diese Lösung verzichtet auf das strafbare Handeln einer natürlichen Person. Folge ist, dass es nicht mehr auf die Straftat eines Verbandsangehörigen und dessen Verschulden ankommt, sondern auf kollektive Fehlentscheidungen.316 Dem Ansatz der betrieblichen Fehlentwicklung wird seine fehlende Bestimmtheit und Justiziabilität entgegengehalten.317 Wenn es z.B. um die Pflicht geht, „mittels organisatorischer Maßnahmen und innerbetrieblicher Strukturanpassungen langfristig betriebliche Gefahrenquellen zu sichern“,318 ist es vielfach nicht möglich, Anforderungen für ein adäquates Risikomanagement zu statuieren, die hinreichend bestimmt i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG sind.319 Sogar die Vertreter dieses Ansatzes räumen im Ergebnis ein, dass die Voraussetzungen und Grenzen einer solchen spezifischen Verbandsverantwortlichkeit erst trennscharf definiert werden müssen.320 Es bleibt daher unklar, an welches Verhalten überhaupt angeknüpft werden soll. Zudem müssten ggf. eine Reihe von unternehmerischen Entscheidungen

310 Heine Verantwortlichkeit S. 310; Heine ÖJZ 2000, 871 (880); Heine ÖJZ 1996, 211 (217 ff.); Heine in Verbandsstrafe S. 121 (137 f.); Heine/Weißer in S/S StGB vor §§ 25 ff. Rn. 129 ff. Ähnlich Deruyck ZStW 103, 705 (728 f.). 311 Heine ÖJZ 1996, 211 (214); Heine/Weißer in S/S StGB vor §§ 25 ff. Rn. 131. 312 Heine/Weißer in S/S StGB vor §§ 25 ff. Rn. 131. 313 Heine Verantwortlichkeit S. 253 f., 311 f.; Heine in Verbandsstrafe S. 121 (140); Heine in Eser/ Huber/Cornils S. 95 (114); Heine/Weißer in S/S StGB vor §§ 25 ff. Rn. 131. 314 Heine/Weißer in S/S StGB vor §§ 25 ff. Rn. 131; Heine Verantwortlichkeit S. 253; Heine in Verbandsstrafe S. 121 (140); Heine in Eser/Huber/Cornils S. 95 (114). 315 Heine Verantwortlichkeit S. 312, 316; Heine in Verbandsstrafe S. 121 (140 f., 152). 316 König in Verbandsstrafe S. 39 (60). 317 König in Verbandsstrafe S. 39 (61); ähnlich von Bubnoff ZEuS 2004, 447 (467). 318 Heine in Verbandsstrafe S. 121 (152). 319 So zu Recht Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 152. 320 Heine/Weißer in S/S StGB vor §§ 25 ff. Rn. 131.

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

43

analysiert und bewertet werden, die sich über sehr lange Zeiträume erstrecken. Dies wird häufig schon deswegen nicht mehr möglich sein, weil entsprechende Unterlagen fehlen.321 Überdies ist die Konzeption lückenhaft. Der Vorschlag bezieht sich nur auf Umweltrisiken und ähnliche Gefahren, die auf technologiegestützten Prozessen beruhen.322 Ein Verbandsstrafrecht muss indes breiter angelegt sein und alle Delikte erfassen, welche nicht ihrer Natur nach ausschließlich von einer natürlichen Person begangen werden können.323 Gerade für den praktisch bedeutsamen Bereich des Wirtschaftsstrafrechts müssten eigenständige Tatbestände formuliert werden, da derartigen Gefahren durch andere Organisationsmaßnahmen begegnet werden muss als Gefahren aus Technologie gestützten Prozessen. Einen neueren Ansatz in diese Richtung stellen die „Frankfurter Thesen“ dar. Es wird eine parastrafrechtliche Unrechtsfixierung skizziert, die Unternehmen auf Basis eines Folgenverantwortungsdialoges für Straftaten oder Verhaltensweisen seiner Angehörigen verantwortlich macht, die zu Rechtsgutsverletzungen führen.324 Wenngleich sich die Frankfurter Thesen als Leitlinien auf Rechtsgutsverletzungen aller Art beziehen,325 ist auch ihnen die fehlende Bestimmtheit und die mangelnde Justiziabilität entgegenzuhalten. Das eigenständige System der Verbandsstrafbarkeit hat noch keine überzeugende Lösung zur Einbeziehung von Verbandsdelinquenz in das Strafrecht geliefert. Es ist seinen Vertretern nicht gelungen, hinreichend bestimmte Voraussetzungen zu definieren, unter denen auf das strafbare Handeln einer natürlichen Person verzichtet werden kann. An der Straftat einer natürlichen Person ist daher für das Verbandsstrafrecht festzuhalten. bb) Defizitäre Organisationsstruktur Für die Konzeption des Systemunrechts ist die Straftat eines Verbandsangehörigen nicht verzichtbar.326 Das Unrecht liege dagegen in der defizitären Struktur des Verbands, die sich in einem systeminternen Organisationsfehler oder einer fehlerhaften Verbandsphilosophie ausdrücke.327 Richtigerweise wird hierzu bemerkt, dass es auf die defizitäre Organisationsstruktur ankommen muss, weil sich ein Abstellen auf die Verbandsphilosophie bedenklich in Richtung eines Gesinnungsstrafrechts bewegt.328 Die Handlungsfähigkeit von Verbänden wird anhand von 2 Argumenten begründet. Die Handlungsfähigkeit leite sich daraus ab, dass ein Adressat von Rechtspflichten diese nicht nur erfüllen, sondern auch verletzen könne.329 Im Ordnungswidrigkeitenrecht sei die Handlungsfähigkeit von Verbänden dementsprechend anerkannt. Dass mit einer Ordnungs-

321

König in Verbandsstrafe S. 39 (61). Heine in Verbandsstrafe S. 121 (150); Heine in Eser/Huber/Cornils S. 95 (114). 323 Siehe hierzu 1. Teil C. I. 2. a) cc) (2). 324 Umfassend zu den Frankfurter Thesen vgl. Jahn/Schmitt-Leonardy/Schoop wistra 2018, 27. 325 Jahn/Schmitt-Leonardy/Schoop wistra 2018, 27 (28). 326 Dannecker GA 2001, 101 (118); Tiedemann NJW 1988, 1169 (1172). 327 Dannecker GA 2001, 101 (119). 328 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 154. 329 Hirsch ZStW 107, 285 (291); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 12; so wohl auch Otto Die Straffähigkeit von Unternehmen und Verbänden S. 15; Dannecker GA 2001, 101 (111). 322

44

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

widrigkeit kein sozialethisches Unwerturteil verbunden ist,330 steht der Annahme einer strafrechtlichen Handlungsfähigkeit nicht entgegen. Für die gegen einen Verband mögliche Geldbuße sieht das Ordnungswidrigkeitenrecht auch Straftaten als Anknüpfungstat vor. Deren Unwertgehalt bleibe jedoch bestehen, unabhängig davon, wen man dafür zur Verantwortung zieht.331 Zudem wird auf das Systemunrecht zurückgegriffen. Unrecht setzt nicht zwingend eine Handlung voraus.332 Es kann auch durch ein unzulängliches System verursacht werden, wenn dieses Schädigungen Dritter fördert, ermöglicht oder zulässt. Der Schwerpunkt liege dann in der Verursachung des rechtswidrigen Erfolgs.333 Daher ist es nicht zwingend erforderlich, die Handlungsfähigkeit auf die Zurechnung des Verhaltens der für den Verband handelnden Personen zu stützen.334 Strafgrund ist nicht die Anknüpfungstat, sondern die mangelhafte Organisation.335 Davon, dass das System Verband ein Rechtssubjekt geschädigt hat, kann nur gesprochen werden, wenn die natürliche Person die Straftat als Verbandsangehöriger begangen hat. Für private Straftaten von Verbandsangehörigen ist der Verband nicht verantwortlich. Daher gelten die oben gemachten Ausführungen zu den sachbezogenen Anforderungen an ein Verbandshandeln für Mitarbeiter entsprechend.336 Bei diesem Ansatz wird im Unterschied zum eigenständigen System der Verbandsstrafbarkeit hinreichend klar, was an die Stelle der Handlung im individualstrafrechtlichen Sinn tritt. Es ist die fehlende Organisation des Systems Verband zur Unterbindung konkreter verbandsbezogener Straftaten seiner Angehörigen. c) System verbandsbezogener Handlungen Die Beantwortung der Frage, ob ein Verband bei verbandsbezogenen Straftaten strafrechtlich handlungsfähig ist, lässt sich wie folgt systematisieren. Im Sinne der klassischen individualstrafrechtlichen Dogmatik, die allein auf das strafbare Verhalten einer natürlichen Person abstellt, kann der Verband nur „durch“ seine Organe handeln. Diese repräsentieren den Verband. Andere Verbandsangehörige einschließlich der sonstigen Leitungspersonen handeln lediglich „für“ den Verband. Ihre Handlungen sind jedoch keine Handlungen des Systems Verband selbst. In diesem Fall kann die Handlungsfähigkeit des Verbands mit seiner originären Verantwortlichkeit zur Verhinderung verbandsbezogener Straftaten begründet werden. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines Organisationsmangels.

330

BVerfGE 27, 19 (33). Hirsch ZStW 107, 285 (290); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 12; ähnlich auch Stratenwerth in FS R. Schmitt S. 295 (296). 332 Lampe ZStW 106, 683 (703 ff.). 333 Dannecker GA 2001, 101 (111). 334 Dannecker GA 2001, 101 (111); Lampe ZStW 106, 683 (731 f.). 335 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 153. 336 Siehe hierzu 1. Teil C. I. 2. a) cc). 331

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

45

Das Organ bzw. der Mitarbeiter müssen die Straftat jeweils „als Verbandsangehöriger“ begangen haben. II. Mangelnde Straffähigkeit Umstritten ist ferner, inwieweit Verbände überhaupt straffähig sind, weil Strafe schon ihrem Wesen nach nicht für Verbände passe.337 Eine Strafe gegen Verbände verfehle ihren Sinn, weil dem Verband die Motivationsfähigkeit im Hinblick auf normgemäßes Verhalten fehle.338 Der Zweck staatlichen Strafens wird seit jeher kontrovers diskutiert. Die Rechtsprechung folgt dabei der Vereinigungstheorie, deren Anliegen es ist, die unterschiedlichen Strafzwecke miteinander in Einklang zu bringen.339 Bereits im Rahmen der Ausführungen zur Handlungsfähigkeit wurde festgestellt, dass Verbände von ihren Mitgliedern getrennte soziale Systeme darstellen, die eigene Interessen verfolgen.340 Da Verbände somit sinnkonstituierende Systeme sind, weisen ihre internen und externen Operationen einen entsprechenden Sinngehalt auf. Damit können Strafzwecke grundsätzlich auch bei Verbänden verfolgt und erreicht werden.341 Inwieweit die verschiedenen Strafzwecke gegenüber Verbänden im Einzelnen erreicht werden können, wird im Folgenden untersucht. Dabei sind zunächst die Spezial- und die Generalprävention zu thematisieren, um anschließend zur Vergeltung Stellung zu nehmen. Auf eine getrennte Darstellung des Meinungsspektrums in Österreich und Deutschland wird wegen der identischen Argumentation verzichtet. 1. Spezial- und Generalprävention Nach der Theorie der Spezialprävention besteht die Aufgabe der Strafe darin, den Täter davon abzuhalten, weitere Straftaten zu begehen. Dies soll über 3 Dimensionen erreicht werden.342 Erstens kann der Täter eingesperrt und die Allgemeinheit so vor weiteren Straftaten gesichert werden, zweitens soll die Strafe den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abschrecken, und drittens kann die Strafe bessernd auf den Täter einwirken und ihn so vor einem Rückfall bewahren. Gerade der Gedanke der Resozialisierung wird von der Rechtsprechung betont.343 Verbände sind der Spezialprävention zugänglich.344 Alle 3 Dimensionen der Spezialprävention lassen sich auch durch Sanktionen gegenüber Verbänden realisieren. Die Allgemeinheit kann vor der Begehung weiterer Straftaten durch eine Betriebsstilllegung oder

337 Heinitz Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentags Gutachten E S. 65 (86); Engisch Verbandsstrafbarkeit S. E 7 (34 f.). 338 Schmitt Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände S. 196; Seiler Strafrechtliche Maßnahmen S. 90 ff. 339 BVerfGE 45, 187 (253). 340 Siehe hierzu 1. Teil C. I. 2. a) aa) (1). 341 Dannecker GA 2001, 101 (114); Hirsch ZStW 107, 285 (294 ff.); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 201. 342 von Liszt ZStW 3, 1 (33 ff.). 343 BVerfGE 28, 264 (278); 45, 187 (253 f.); BGHSt 24, 40 (42 f.). 344 Athanassiou Die Strafbarkeit juristischer Personen S. 102; Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 144 f.; Dannecker GA 2001, 101 (114); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 204 f.; Haeusermann Verband als Straftäter S. 155 f.; Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 17; Hirsch ZStW 107, 285 (295); Korte Juristische Person und strafrechtliche Verantwortung S. 50 ff.; Papachristos Sanktionen S. 41; Queck S. 102; Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (614 f.); Vogel JZ 1995, 331 (341).

46

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

als „ultima ratio“ durch eine Verbandsauflösung geschützt werden.345 Nach einer Verbandssanktion wird ein Verband, der häufig im besonderen Licht der Öffentlichkeit steht, noch eher als eine natürliche Person bereit sein, nicht erneut mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.346 Dies wahrt die Abschreckungsfunktion.347 Schließlich kann bei Verbänden auch eine Umstrukturierung mit dem Ziel der zukünftigen Vermeidung verbandsbezogener Straftaten strafmildernd berücksichtigt werden. Daher ist auch der Gedanke der Resozialisierung gegenüber einem Verband realisierbar.348 Der Strafzweck der Spezialprävention ist somit gegenüber Verbänden erreichbar. Auch in Österreich wird davon ausgegangen, dass Verbände der Spezialprävention aus den genannten Gründen zugänglich sind.349 Nach der generalpräventiven Lehre soll Strafe dagegen nicht auf den Täter, sondern auf die Allgemeinheit einwirken. Ziel der Strafdrohung und -verhängung ist dabei, der Begehung von Rechtsgutsverletzungen vorzubeugen.350 Das Unwerturteil, das in der Verurteilung des Täters zur im Gesetz angedrohten Strafe zum Ausdruck kommt, soll andere davon abschrecken, weitere ähnliche Taten zu begehen (negative Generalprävention).351 Die positive Generalprävention zielt darauf ab, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Bestandskraft der Rechtsordnung zu stärken und das Rechtsbewusstsein zu fördern.352 Gerade die Generalprävention lässt sich gegenüber Verbänden realisieren.353 Wird gegen einen Verband eine Geldsanktion verhängt, schreckt dies im Sinne der negativen Generalprävention auch andere potentiell delinquente Verbände von der Begehung von Straftaten ab.354 Die positive Generalprävention in Gestalt der Stärkung der Rechtsordnung und der Förderung des Rechtsbewusstseins lässt sich durch die Verhängung einer Geldsanktion

345

Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 145; Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 205; Korte Juristische Person und strafrechtliche Verantwortung S. 50 f. 346 Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 17. 347 Dannecker GA 2001, 101 (114); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 205; Hirsch ZStW 107, 285 (295); Queck S. 102; Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (614). 348 Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 144 f.; Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (614 f.). 349 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 433. 350 Fischer StGB § 46 Rn. 2a. 351 BVerfGE 45, 187 (255); BGHSt 40, 44. 352 Roxin AT I, § 3 Rn. 26. 353 Athanassiou Die Strafbarkeit juristischer Personen S. 102; Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 143; Dannecker GA 2001, 101 (114); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 204; Haeusermann Verband als Straftäter S. 156; Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 17; Hirsch ZStW 107, 285 (294 f.); Korte Juristische Person und strafrechtliche Verantwortung S. 45 ff.; Papachristos Sanktionen S. 41; Queck S. 102; Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (614); Vogel JZ 1995, 331 (341). 354 Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 143; Dannecker GA 2001, 101 (114); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 204; Haeusermann Verband als Straftäter S. 156; Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 17; Hirsch ZStW 107, 285 (294 f.); Queck S. 102; Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (614).

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

47

gegenüber Verbänden erreichen.355 In Österreich wird ebenfalls betont, dass der Strafzweck der Generalprävention gegenüber Verbänden realisiert werden kann.356 2. Vergeltungstheorie Die Vergeltungstheorie sieht den Zweck von Strafe darin, dem Täter ein Übel zuzufügen, um so seine Schuld in gerechter Weise zu vergelten und zu sühnen.357 Teilweise wird auf die Idee der Gerechtigkeit verwiesen, die losgelöst von allen irdischen Zwecken die Bestrafung des Täters erfordere.358 Andere Stimmen betonen, dass die Straftat als Negation des Rechts die Strafe als Negation der Negation erfordere.359 Somit erfolgt die Bestrafung nicht auch zukunftsgerichtet zur Vermeidung künftiger Straftaten, sondern ausschließlich vergangenheitsbezogen zum Ausgleich verwirklichter Straftaten. Wenngleich anerkannt ist, dass die Vergeltung für begangenes Unrecht nicht Selbstzweck der Strafe sein kann,360 stellt die Rechtsprechung immer noch maßgeblich auch auf den Aspekt der Vergeltung ab. In neueren Entscheidungen betont sie weiterhin, dass das dem Täter auferlegte Strafübel den schuldhaften Normverstoß ausgleichen soll und es Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit ist.361 Zur Feststellung, inwiefern die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden mit der Vergeltungstheorie in Einklang steht, ist zu untersuchen, ob der Verband zu dem durch die Vergeltung bezweckten Schuldausgleich imstande ist. Der Schuldausgleich beginnt mit einem Übel, das dem Täter zugefügt wird. Darüber hinaus ist die Empfindung der Strafe als Übel und die Fähigkeit zur Sühneleistung des Verbands zu prüfen. Verbände sind aufgrund ihrer Rechtsfähigkeit als Rechtssubjekte anerkannt und daher selbst Eigentümer von Rechtsgütern. Diese Rechtsgüter können ihnen entzogen werden, wodurch den Verbänden ein Übel zugefügt wird.362 Von manchen Stimmen wird bereits die objektive Rechtseinbuße als ausreichender Schuldausgleich erachtet.363 Demgegenüber fordern andere Autoren weitergehend in subjektiver Hinsicht, dass die Strafe ihrem Wesen nach auch als Übel erlebt und empfunden werden müsse.364 In der Folge wird

355

Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 143; Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 204; Queck S. 102. Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 433. 357 Roxin AT I, § 3 Rn. 2. 358 Roxin AT I, § 3 Rn. 3. 359 Roxin AT I, § 3 Rn. 4. 360 Hassemer in FS Schroeder S. 51 (56). 361 BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 58; BVerfGE 95, 96 (140); 110, 1 (13). 362 Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 146; Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 206; Pohl-Sichtermann Geldbuße gegen Verbände S. 9; Schmitt Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände S. 195; Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (615); vgl. auch Seiler Strafrechtliche Maßnahmen S. 87. 363 Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 140, 146; Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 206; Pohl-Sichtermann Geldbuße gegen Verbände S. 9; Seiler Strafrechtliche Maßnahmen S. 84; Schmitt Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände S. 195 f. 356

48

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

die Straffähigkeit von Verbänden mit dem Argument abgelehnt, dass nur eine natürliche Person in der Lage sei, das Strafübel zu empfinden.365 Dem kann nur zugestimmt werden, wenn der Verband auf seine abstrakte Organisationsform reduziert wird.366 Das wird der sozialen Rolle des Verbands indes nicht gerecht. Verbände sind Gebilde, die durch ihren wechselnden Mitgliederbestand und vor allem ihre Organe mit Leben erfüllt werden. Eine verhängte Strafsanktion führt daher durchaus zu Konsequenzen im Verband und somit zu einer Rezeption der Strafrechtsfolgen.367 Infolge der Verhängung einer Sanktion werden die Gesellschafter regelmäßig auf Änderungen im Geschäftsgebaren drängen.368 Dem kann man auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass letztlich nicht der Verband, sondern die dahinter stehenden Personen die Strafe empfinden.369 Wird der Verband zu einer Sanktion verurteilt, schlagen die Folgen im Ergebnis immer auf die dahinter stehenden natürlichen Personen durch. Der Verband nimmt die Sanktion jedoch durchaus als ein persönliches Übel wahr, weil sie durch sein Handeln und nicht durch das Handeln der dahinter stehenden natürlichen Personen ausgelöst wurde. Daher ist ein Verband in der Lage, eine Strafe als Übel zu empfinden. Auch in Österreich wird diese Fähigkeit Verbänden zugesprochen.370 Teilweise wird über eine Übelsempfindung hinaus in subjektiver Hinsicht verlangt, dass der Täter die Strafe als gerechte Sühne für seine Schuld auf sich nehmen müsse.371 Auch dieses subjektive Erfordernis wird von verschiedenen Stimmen herangezogen, um die fehlende Straffähigkeit von Verbänden zu begründen.372 Zu Bußfertigkeit, moralischer Einkehr und Läuterung sei ein Verband – anders als natürliche Personen – schon strukturell nicht in der Lage. Der Befund, dass ein Verband zu einer Sühneleistung strukturell nicht in der Lage ist, trifft zu. Kriterien wie Bußfertigkeit, moralische Einkehr und Läuterung sind exklusiv auf natürliche Personen zugeschnitten. In der bloßen Zahlung einer Geldstrafe wird entgegen

364

Welzel Das deutsche Strafrecht S. 239; Kaufmann Schuldprinzip S. 201; Peglau ZRP 2001, 406 (408); Peglau JA 2001, 606 (609); Schwinge Strafrechtliche Sanktionen gegenüber Unternehmen S. 104 f.; Korte Juristische Person und strafrechtliche Verantwortung S. 44. 365 Kohler GA 1917, 500 (503); Peglau ZRP 2001, 406 (408); Peglau JA 2001, 606 (609); Schwinge Strafrechtliche Sanktionen gegen Unternehmen S. 104 f.; Huss ZStW 90, 237 (239 ff.). 366 Hirsch ZStW 107, 285 (296). 367 Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 206; Eidam wistra 2003, 447 (448 f.); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 18; Hirsch ZStW 107, 285 (296); KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 12; so wohl auch Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (615 f.). 368 Rotberg in FS 100 Jahre Deutscher Juristentag S. 193 (203 f.). 369 So aber Peglau ZRP 2001, 406 (408); Schwinge Strafrechtliche Sanktionen gegenüber Unternehmen S. 105; ähnlich auch Löffelmann JR 2014, 185 (190). 370 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 431. 371 Welzel Das deutsche Strafrecht S. 238. Ferner Jescheck ZStW 65, 210 (213); Kaufmann Schuldprinzip S. 206 f.; Kohler GA 1917, 500 (503). Vgl. auch BVerfGE 45, 187 (254); BVerfGE 28, 264 (278). 372 Jescheck ZStW 65, 210 (213); Kohler GA 1917, 500 (503); Papachristos Sanktionen S. 42.

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

49

einiger anders lautender Literaturstimmen373 keine Sühneleistung gesehen werden können.374 Die bloße Erfüllung der Zahlungspflicht bzw. die Duldung der Zwangsvollstreckung kann nicht mit einer Sühneleistung gleichgesetzt werden. Andernfalls bleibt unklar, welchen eigenständigen Gehalt die Sühneleistung aufweisen soll. Dennoch steht die fehlende Fähigkeit eines Verbands zur Sühneleistung seiner Straffähigkeit nicht entgegen, weil hierauf auch bei natürlichen Personen nach vorzugswürdiger Auffassung zu verzichten ist.375 Eine innere Läuterung des Täters ist ein autonomer Akt, der von staatlicher Seite nicht erzwungen werden kann.376 Überdies würde das Erfordernis einer Sühneleistung zu der absurden Konsequenz führen, dass der unverbesserliche Straftäter letztlich straffrei bleiben müsse.377 3. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sowohl die Strafzwecke der Spezial- als auch der Generalprävention gegenüber Verbänden realisierbar sind. Auch wenn man am Strafzweck der Vergeltung festhalten möchte, steht dieser einer Bestrafung von Verbänden nicht entgegen. Einem Verband kann ein Übel zugefügt werden. Er ist auch in der Lage, dieses zu empfinden. Eine Verbandsstrafbarkeit scheitert daher nicht an einer angeblich fehlenden Straffähigkeit von Verbänden. III. Weitere Einwände Schließlich werden noch 2 weitere Einwände gegen eine Verbandsstrafbarkeit im Schrifttum vorgebracht. Erstens wird in einer Verbandsstrafe eine unzulässige Bestrafung Unschuldiger gesehen mit dem Argument, dass die Verbandsstrafe stets auch die Gesellschafter treffe. Zweitens liege ein Verstoß gegen den Ne-bis-in-idem-Grundsatz vor, wenn die natürliche Person einmal als Individualstraftäter sanktioniert werde und ein weiteres Mal als Gesellschafter des Verbands von der Verbandssanktion betroffen sei. Auf eine getrennte Darstellung des Meinungsspektrums in Österreich und Deutschland wird mit Blick auf die identische Argumentation verzichtet. 1. Kollektivstrafe Eine Verbandsgeldstrafe wirkt sich stets auch auf die Gesellschafter aus. Aufgrund der Übelszufügung gegenüber dem Verband steht weniger Geld für Ausschüttungszwecke an die Gesellschafter zur Verfügung oder die Wertentwicklung des Geschäftsanteils bleibt hinter der hypothetischen Entwicklung ohne Verhängung einer Sanktion zurück. Bei Personenverbänden muss der Gesellschafter für eine verhängte Geldsanktion ggf. persönlich mit seinem Privatvermögen haften. Zunächst ist darauf einzugehen, ob diese negativen Konsequenzen zu einer direkten Bestrafung Unschuldiger führen. Anschließend ist zu überlegen, ob zumindest eine indirekte Bestrafung in Gestalt einer strafgleichen Betroffenheit Unschuldiger in Betracht kommt. 373

Lampe ZStW 106, 683 (733); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 207. So auch Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 176. 375 Roxin AT I, § 3 Rn. 10; Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 140; Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 207. Kritisch auch Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (615). 376 Roxin AT I, § 3 Rn. 10; Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 140; Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 207; Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (615). Vgl. auch Kaufmann Schuldprinzip S. 206. 377 Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (615); Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 176. 374

50

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Vereinzelt wird vertreten, dass sich der mit einer Verbandsgeldstrafe verbundene Schuldvorwurf gegen alle Gesellschafter unter der Kollektivbezeichnung des Verbands richte.378 Der Verband ist jedoch als rechtsfähiges Subjekt richtigerweise selbst Adressat des staatlichen Strafvorwurfs und somit auch der Strafe selbst.379 Dass die Interessen der Gesellschafter von einer Verbandssanktion berührt werden, begründet noch keine Mitbestrafung.380 Bei einer Geldstrafe gegen einen Familienvater werden die unterhaltsberechtigten Kinder, die von einem zeitweise verringerten Familieneinkommen betroffen sind, auch nicht als Mitbestrafte angesehen.381 Nichtsdestotrotz werden die Interessen der Gesellschafter von einer gegen den Verband verhängten Sanktion, wie gerade gezeigt, stark berührt. Wenngleich nicht unmittelbar betroffen, sind die Gesellschafter dennoch als mittelbar Betroffene einzuordnen, weil sich die Übelszufügung gegenüber dem Verband auch ihnen gegenüber nachteilig auswirkt. Eine Ansicht hält es für unzulässig, dass die Interessen der Gesellschafter von einer Verbandsstrafe berührt werden, und lehnt diese daher ab.382 Die Verbandsstrafe ziele in Wahrheit auf die Gesellschafter, um sie zu Präventivmaßnahmen gegen weitere Straftaten zu motivieren.383 Gegen diese Ansicht spricht, dass die mittelbare Betroffenheit von Unbeteiligten typisch für strafrechtliche Sanktionen ist.384 Exemplarisch lassen sich hier wiederum die unterhaltsberechtigten Kinder eines zu einer Strafe verurteilten Familienvaters anführen. Hiergegen wird eingewandt, dass bei einer Strafe gegenüber einer natürlichen Person ein Dritter nur zufällig betroffen sei, die Verbandsgeldstrafe jedoch bewusst auf die Gesellschafter abziele, um diese zur Vorbeugung gegen weitere Straftaten zu motivieren. Der Familienvater werde nicht bestraft, um seine Familienmitglieder zu bewegen, ihn von Straftaten abzuhalten.385 Diese Ansicht geht jedoch von einem antiquierten Verbandsverständnis aus, das mit den heutigen Realitäten nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Börsennotierte Verbände und 378

Peglau ZRP 2001, 406 (408); Peglau JA 2001, 606 (609). Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 147; Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 208; Eidam Straftäter Unternehmen S. 127; Haeusermann Verband als Straftäter S. 159; Rotberg in FS 100 Jahre Deutscher Juristentag S. 193 (204); Schall/Schreibauer NuR 1996, 440 (449); Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (617); von Weber GA 1954, 237 (239 f.). 380 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 177; Böse in FS Jakobs S. 15 (24); Rotberg in FS 100 Jahre Deutscher Juristentag S. 193 (204 f.); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 211. 381 Heine Verantwortlichkeit S. 268; Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 178; Schall/Schreibauer NuR 1996, 440 (449), Heine Verantwortlichkeit S. 268. 382 von Freier Kritik der Verbandsstrafe S. 230 ff., insb. S. 261; Peglau ZRP 2001, 406 (408); Peglau JA 2001, 606 (609); Schmitt Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände S. 197 ff.; Seiler Strafrechtliche Maßnahmen S. 96; Bosch Organisationsverschulden in Unternehmen S. 67 ff.; König in Verbandsstrafe S. 39 (64 f.); Seelmann in FS Schmid S. 169 (182 ff.); Jescheck ZStrR 70, 243 (259). 383 von Freier Kritik der Verbandsstrafe S. 235 ff.; König in Verbandsstrafe S. 39 (65); Peglau ZRP 2001, 406 (408); Peglau JA 2001, 606 (609); Seelmann in FS Schmid S. 169 (182 f.); Yoon Strafrecht als ultima ratio S. 181 ff.; Bosch Organisationsverschulden in Unternehmen S. 68. 384 Heine Verantwortlichkeit S. 268; Rotberg in FS 100 Jahre Deutscher Juristentag S. 193 (204 f.); Schall/Schreibauer NuR 1996, 440 (449). 385 von Freier Kritik der Verbandsstrafe S. 244; Bosch Organisationsverschulden in Unternehmen S. 68. 379

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

51

andere Publikumsverbände, die aufgrund ihrer Größe und Komplexität besonders anfällig für verbandsbezogene Zuwiderhandlungen sind, haben oft Tausende Gesellschafter. Viele dieser Personen erscheinen nicht einmal zur Hauptversammlung, um auf die Geschicke des Verbands Einfluss zu nehmen. Die Geschäfte führt der Vorstand, überwacht wird er vom Aufsichtsrat.386 Über umfangreiche Anteile am Verband verfügen diese Personen in der Regel nicht. Bei diesen Verbänden kann nicht die Rede davon sein, dass die Gesellschafter dazu bewegt werden sollen, Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Straftaten zu veranlassen. Diese Aufgabe soll vielmehr durch die Organe dieser Verbände, also deren Repräsentanten, erledigt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Verhängung einer Geldsanktion gegen den Verband ein Risiko darstellt, das allgemein mit der Mitgliedschaft in einem Verband verbunden ist.387 Ebenso wie dem Mitglied die Vorteile aus den Verbandsaktivitäten zufallen, muss es auch die daraus resultierenden Nachteile tragen. Diese können aus wirtschaftlichen Fehlschlägen oder auch aus der Verurteilung zu Geldstrafen resultieren. Dem Risiko der Verurteilung zu einer Strafsanktion kann der Gesellschafter durch die Mitwirkung an der Bestellung geeigneter Organe entgegenwirken. Soweit die Verbandsgeldstrafe zu negativen Implikationen bei Dritten wie Arbeitnehmern und Vertragspartnern führt, stehen diese einer Verbandssanktionierung an sich nicht im Weg. Es handelt sich hierbei um mittelbare und unbeabsichtigte Nebenfolgen,388 die allenfalls bei der konkreten Strafzumessung Berücksichtigung finden können. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass die beschriebenen negativen Konsequenzen auch bei der derzeitigen ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionierung von Verbänden eintreten, ohne dass diese deswegen verbreitet für unzulässig gehalten wird.389 Die aus der Verbandsstrafe resultierenden negativen Konsequenzen für den Verband führen weder zu einer Bestrafung noch zu einer strafgleichen Betroffenheit unschuldiger Personen. Auch in Österreich wird mit den gleichen Argumenten das Vorliegen einer unzulässigen Kollektivstrafe abgelehnt.390 2. Verbotene Doppelbestrafung Art. 103 Abs. 3 GG untersagt die mehrfache Bestrafung wegen ein und derselben Tat. Teilweise wird ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung angenommen, wenn eine natürliche Person individuell bestraft wird und zugleich als Gesellschafter von der Verbands-

386

Vgl. etwa exemplarisch für die Aktiengesellschaft §§ 76 Abs. 1; 111 Abs. 1 AktG. Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 151; Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 211; Eidam Straftäter Unternehmen S. 129; Haeusermann Verband als Straftäter S. 159; Heine Verantwortlichkeit S. 268; Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 20; Hirsch ZStW 107, 285 (297); Rotberg in FS 100 Jahre Deutscher Juristentag S. 193 (205); Schall/Schreibauer NuR 1996, 440 (449); Schwander in FS Gutzwiller S. 603 (617); Schwinge Strafrechtliche Sanktionen gegenüber Unternehmen S. 105; von Weber GA 1954, 237 (240). 388 Hirsch ZStW 107, 285 (298); Pohl-Sichtermann Geldbuße gegen Verbände S. 9 ff.; Eidam Straftäter Unternehmen S. 128 f.; Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 209. 389 Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 213. 390 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 435 f. 387

52

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

sanktion betroffen ist.391 Dies kommt insbesondere bei Organen in Betracht, die gleichzeitig Gesellschafter sind (Gesellschafter-Geschäftsführer). Die Antwort auf diese Fragestellung ist eng mit der Ansicht zur Frage der Kollektivstrafe verknüpft.392 Wer in der faktischen Betroffenheit der Gesellschafter von der Verbandsstrafe eine unzulässige Kollektivstrafe sieht, muss auch einen Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung annehmen, wenn eine Individualstrafe gegen den geschäftsführenden Gesellschafter sowie eine Verbandsstrafe gegen den Verband verhängt werden. Wie oben gezeigt wurde, ist die Betroffenheit der Gesellschafter von der Verbandssanktion rechtlich unbedenklich.393 Es handelt sich um ein allgemeines Risiko der wirtschaftlichen Betätigung des Verbands. Der Ansicht, die eine unzulässige Doppelbestrafung annimmt, ist überdies entgegenzuhalten, dass sie eine Verbandssanktion in unzulässiger Weise auf eine Geldzahlungspflicht reduziert. Sie negiert das mit der Strafe verbundene Unwerturteil.394 Dieses richtet sich bei der Verbandsgeldstrafe gegen den Verband selbst und nicht gegen die dahinter stehenden Gesellschafter.395 Bestraft wird der geschäftsführende Gesellschafter nur durch die Individualsanktion. Die Verbandssanktion berührt seine Interessen lediglich negativ.396 Zudem unterscheidet die Ansicht, die eine unzulässige Doppelbestrafung annimmt, nicht hinreichend zwischen dem Gesellschafter als Individualperson und dem Verband. Beide sind voneinander zu trennende eigenständige Rechtssubjekte.397 Das Verbot der Doppelbestrafung untersagt lediglich, dass ein Täter wegen einer Tat mehrfach abgeurteilt wird, nicht aber die Bestrafung mehrerer Rechtssubjekte für dasselbe Delikt.398 Teilweise wird ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung jedoch zumindest dann angenommen, wenn der Verband und die sie tragende Person „bei natürlicher Betrachtung identisch“ sind.399 Eine solche Identität wäre etwa bei der Ein-Mann-GmbH anzunehmen.400 Jedoch scheidet selbst bei der Ein-Mann-GmbH ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung aus. Auch diese ist ein von ihrem Gesellschafter zu unterscheidendes 391 von Freier Kritik der Verbandsstrafe S. 258 ff.; Jescheck ZStrR 70, 243 (259); Hartung Verbandsstrafbarkeit S. E 43 (44); Heinitz Verhandlungen 40. Deutscher Juristentag Gutachten E S. 65 (90); Huss ZStW 90, 237 (246 f.); so wohl auch Yoon Strafrecht als ultima ratio S. 179 f. 392 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 179. 393 Siehe 1. Teil C. III. 1. 394 Zum Unwerturteil BVerfGE 20, 323 (331); 95, 96 (140); 110, 1 (13); BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 54. 395 So auch Böse in FS Jakobs S. 15 (24). 396 Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 153 f.; Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 214 f.; Eidam Straftäter Unternehmen S. 126 f.; Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 20 f.; Hirsch ZStW 107, 285 (298); Rotberg in FS 100 Jahre Deutscher Juristentag S. 193 (206 f.); Schwinge Strafrechtliche Sanktionen gegenüber Unternehmen S. 106. 397 Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 154; von Bubnoff ZEuS 2004, 447 (475); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 214 f.; Eidam Straftäter Unternehmen S. 126; Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 20; Hirsch ZStW 107, 285 (297 f.); Rotberg in FS 100 Jahre Deutscher Juristentag S. 193 (206); Scholz ZRP 2000, 435 (438 f.); von Weber GA 1954, 237 (239). 398 Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 214. 399 Löffelmann JR 2014, 185 (193). 400 Kritisch in Bezug auf das Verbot der Doppelbestrafung bei der Ein-Mann-GmbH etwa Zieschang GA 2014, 91 (94); für Österreich auch Dietrich NZWiSt 2016, 186 (187).

C. Einwände gegen die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden

53

Rechtssubjekt. Wer die Vorteile der rechtlichen Selbstständigkeit der GmbH, wie etwa die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG), in Anspruch nimmt, muss auch die Nachteile akzeptieren, die sich aus der rechtlichen Selbstständigkeit ergeben.401 Wird eine natürliche Person als Individualtäter wegen der verbandsbezogenen Straftat sanktioniert und ist sie zugleich negativ von den Konsequenzen der Verbandssanktion betroffen, verstößt dies nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung. Auch in Österreich wird aus den genannten Gründen ein derartiger Verstoß abgelehnt.402 3. Zwischenergebnis Soweit eine Verbandsstrafe auch die hinter dem Verband stehenden Gesellschafter trifft, führt dies weder zu einer Bestrafung noch zu einer strafgleichen Betroffenheit Unschuldiger. Wird eine natürliche Person als Individualtäter wegen der Anknüpfungstat bestraft und ist sie zugleich als Gesellschafter von der daneben verhängten Geldsanktion gegen den Verband betroffen, verstößt dies nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung. IV. Zwischenergebnis Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass Verbände handlungs- und straffähig sind. Gegen die Verhängung einer Verbandsstrafe spricht ebenfalls nicht der Einwand, dass eine solche stets auch die Gesellschafter trifft. Gleiches gilt für den Einwand eines Verstoßes gegen den Grundsatz „ne bis in idem“. Bisher noch nicht beantwortet ist die Frage der Schuldfähigkeit eines Verbandes. Dieser wird in den folgenden Ausführungen nachgegangen.

401

Ob die wirtschaftliche Identität auf der Strafzumessungsebene berücksichtigt werden sollte, wird unter 2. Teil D. II. 1. d) cc) näher erläuert. 402 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 435.

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden Als zentrales, strafrechtsdogmatisches Argument gegen eine Verbandsstrafe wird angeführt, dass Verbände nicht schuldfähig seien.403 Der Begriff der Schuld ist seit jeher sehr umstritten.404 Der Bundesgerichtshof sieht den inneren Grund des Schuldvorwurfs darin, dass der Mensch auf freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt sei, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden, sein Verhalten nach den Normen des rechtlichen Sollens einzurichten und das rechtlich Verbotene zu vermeiden (sog. normativer Schuldbegriff).405 Da der mit Verurteilung zu einer Strafe verbundene sozialethische Vorwurf406 nur der sittlichen Einzelpersönlichkeit des Menschen, nicht aber einem Verband gemacht werden könne, wird die Schuldfähigkeit von Verbänden verneint.407 Der Schuldgrundsatz ist die Hauptangriffslinie der Gegner eines Verbandsstrafrechts.408 Trotz aller Differenzen besteht insoweit Einigkeit, dass gegenüber einem Verband nicht ein Schuldvorwurf wie gegenüber einer natürlichen Person erhoben werden kann.409 Schuld ist unverzichtbares Legitimationselement von Strafe.410 Deswegen muss positiv begründet werden können, worin die Verbandsschuld besteht. Es geht um die Frage, wie eine Verbandsschuld inhaltlich konkret ausgestaltet sein muss, um den verfassungsrechtlichen Grundsatz „nulla poena sine culpa“ nicht zu verletzen.411 Da auch das österreichische Strafrecht vom Schuldprinzip geprägt ist, wird zunächst die Rechtslage in Österreich dargestellt (hierzu I.). Anschließend ist der Frage nachzugehen, ob die Schuld, obwohl sie nicht nur in der Menschenwürde, sondern auch im Rechtsstaatsprinzip verankert ist,412 zwingend einen individualethischen Vorwurf voraussetzt oder ob sie sich auch auf einen kollektivethischen Vorwurf gründen kann (hierzu II.). Danach werden die derivativen und originären Ansätze zur Begründung der Verbandsschuld dargestellt (hierzu III. und IV.), um auf diesen Erkenntnissen aufbauend einen eigenen Vorschlag zu unterbreiten (hierzu V.). 403 BMJ in Verbandsstrafe S. 183 (213 f.); Heinitz Verhandlungen 40. Deutscher Juristentag Gutachten E S. 65 (85 f.); Engisch Verbandsstrafbarkeit S. E 7 (24 f.); Hartung Verbandsstrafbarkeit S. E 43; Jescheck ZStW 65, 210 (213); Greco GA 2015, 503 (504); Ransiek Unternehmensstrafrecht S. 343; von Freier Kritik der Verbandsstrafe S. 179 f.; Bock Criminal Compliance S. 397 ff. 404 Zu den verschiedenen Schuldbegriffen Roxin AT I, § 19 Rn. 18 ff.; Rönnau in LK-StGB Vor § 32 Rn. 308 ff.; Lackner/Kühl StGB Vor § 13 Rn. 22 ff. 405 BGHSt 2, 194 (200). 406 Zum sozialethischen Vorwurf BVerfGE 20, 323 (331); 95, 96 (140). 407 Heinitz Verhandlungen 40. Deutscher Juristentag Gutachten E S. 65 (85 f.); Engisch Verbandsstrafbarkeit S. E 7 (24 f.); Hartung Verbandsstrafbarkeit S. E 43; Jescheck ZStW 65, 210 (213); Stratenwerth in FS Schmitt S. 295 (302). 408 So Walther GA 2015, 682 (686) unter exemplarischem Verweis auf Jahn/Pietsch ZIS 2015, 1 (2); Schünemann GA 2015, 274 ff.; Zieschang GA 2014, 91; Greco GA 2015, 503; Silva-Sánchez GA 2015, 267; Kubiciel ZRP 2014, 133 (134). 409 Jäger in FS I. Roxin S. 43 (45 f.); Dannecker GA 2001, 101 (112); Otto Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden S. 16; Sachs in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht S. 195 (200). 410 Siehe 1. Teil B. I. 2. b). 411 BVerfGE 20, 323. 412 Siehe 1. Teil B. I. 1.

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden

55

I. Rechtslage in Österreich Um die österreichische Diskussion bezüglich der Schuldfähigkeit von Verbänden richtig einordnen zu können, muss zunächst die Rolle des Schuldprinzips im österreichischen Strafrecht bestimmt werden. Anschließend sind die rechtswissenschaftliche Diskussion um die Schuldfähigkeit und die Regelung des VbVG darzustellen. 1. Schuldprinzip im österreichischen Recht Das Schuldprinzip ist im österreichischen Individualstrafrecht in § 4 Ö-StGB verankert. Die Strafe beinhaltet ein auf die verwirklichte Schuld bezogenes individualethisches Unwerturteil.413 Der geltende österreichische Schuldbegriff ist normativ geprägt, weil er die Bewertung der inneren Beziehung des Täters zu seiner Tat zum Inhalt hat.414 Gegenstand des Schuldvorwurfs ist die auf mangelhafter Rechtsgesinnung beruhende Willensbildung des Täters, die zu der rechtswidrigen Tat geführt hat.415 Hierfür ist zwingend die Entscheidungsfreiheit eines Menschen erforderlich. Ebenso wie in Deutschland können Verbände auch in Österreich nicht im individualstrafrechtlichen Sinn schuldhaft handeln.416 Das Schuldprinzip genießt in Österreich nach überwiegender Auffassung Verfassungsrang.417 Es leitet sich aus dem Gleichheitssatz, dem diesem immanenten Sachlichkeitsgebot418 sowie aus Art. 142 Bundes-Verfassungsgesetz419 ab. Überdies wird aus der in Art. 6 Abs. 2 EMRK normierten Unschuldsvermutung gefolgert, dass Strafe ohne Berücksichtigung der Schuld des Täters unzulässig sei.420 Wegen seines Verfassungsrangs ist das Schuldprinzip auch für ein österreichisches Verbandsstrafrecht maßgeblich.421 2. Rechtswissenschaftliche Diskussion über die Verbandsschuld Zum Teil wird in Österreich ein Verbandsstrafrecht mit dem Argument abgelehnt, dass hierdurch ein Verband unzulässigerweise für fremdes Verschulden verantwortlich gemacht werde.422 Gewichtige Stimmen in der Literatur sind dagegen der Auffassung, dass eine Verbandsschuld begründet werden kann.423 Auch im Individualstrafrecht sei die Schuld, weil sie auf Vermutungen zur Willensfähigkeit basiere, nichts anderes als die auf vergleichsweisen Annahmen 413

Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 417. 414 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 418 unter Verweis auf Jescheck/Weigend Strafrecht AT S. 420. 415 Jescheck/Weigend Strafrecht AT S. 418, 422, 425, 426 f.; vgl. auch Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (119). 416 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 419; Steininger VbVG Vorbem Rn. 4. 417 Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (119); Karollus ÖJZ 1987, 677 (682); Lewisch Verfassung und Strafrecht S. 258 ff., 273. 418 Lewisch Verfassung und Strafrecht S. 262 ff.; Karollus ÖJZ 1987, 677 (679). 419 Karollus ÖJZ 1987, 677 (681); Lewisch Verfassung und Strafrecht S. 266 ff. 420 Karollus ÖJZ 1987, 677 (680). 421 Hilf NZWiSt 2016, 189 (190). 422 Holzinger/Moringer ÖJZ 2015, 403 (405 ff.); kritisch auch Venier ÖJZ 2002, 718 (719). 423 Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (121); Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 419 ff.

56

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

basierende Zuschreibung von Schuld.424 Um die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verbands für eine Rechtsgutsbeeinträchtigung zu begründen, muss diese dem Verband vorwerfbar sein. Dafür wird verlangt, dass der Verband die Tat hätte vermeiden können.425 Die Verbandsschuld resultiert nicht unmittelbar aus der konkreten Tat, sondern aus der Außerachtlassung der notwendigen Vorsorge für ein normgemäßes Verhalten der Verbandsangehörigen.426 Im Ergebnis setzt die Verbandsschuld ein zu vertretendes Aufsichtsdefizit voraus. Diese Aufsichtspflicht obliegt in jedem Verband den Entscheidungsträgern. Sie sollen durch die Strafdrohung zu einem normgemäßen Verbandsverhalten motiviert werden.427 Bei der Aufsichtspflichtverletzung wird im Schrifttum zwischen verbandsbezogenen Straftaten von Entscheidungsträgern und von Mitarbeitern differenziert. Wie die Aufsichtspflichtverletzung bei Zuwiderhandlungen von Entscheidungsträgern begründet werden kann, ist umstritten. Teilweise wird dafür plädiert, dass dem Verband bei einer Straftat eines Entscheidungsträgers stets ein Aufsichtsverschuldensvorwurf zu machen sei. Derartige von der Leitungsebene des Verbands ausgehende Handlungsweisen seien als unmittelbarer Ausdruck einer unzulänglichen Verbandsphilosophie zu bewerten.428 Andere Stimmen gehen dagegen nicht von einer derartigen Automatik aus, sondern verlangen auch bei Straftaten von Entscheidungsträgern ein konkretes Aufsichtsdefizit.429 Dieses sei bei Straftaten von Vorständen in einer fehlerhaften Überwachung durch den Aufsichtsrat zu sehen. Einigkeit besteht demgegenüber bei Straftaten von Mitarbeitern. Hier bedarf es stets eines Aufsichtsmangels auf Seiten des Verbands. Nur bei einem derartigen Defizit war die Tat für den Verband vermeidbar. Dies legitimiert ihm gegenüber die Verhängung einer Strafe.430 Die Ermittlung einer konkreten Leitungsperson, die den Aufsichtsmangel zu verantworten hat, ist dabei nicht erforderlich, sofern feststeht, dass ein von der Leitungsebene zu verantwortendes Aufsichtsdefizit vorliegt.431 3. Regelungen des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes Die gerade dargestellte Diskussion ist durch das Inkrafttreten des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes nicht beendet worden. Nach § 3 Abs. 3 VbVG macht sich der Verband bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern strafbar, wenn diese dadurch ermöglicht oder wesentlich erleichtert wurden, dass Entscheidungsträger die gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. 424

Heine Verantwortlichkeit S. 263. Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (121); Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 423. 426 Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (121); Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 422. 427 Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (121). 428 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 423. 429 Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (121 f.). 430 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 423; Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (121). 431 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 423. 425

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden

57

Die Verbandsverantwortlichkeit gilt unabhängig davon, ob die Entscheidungsträger bezüglich des Unterlassens von Aufsichtsmaßnahmen selbst schuldhaft gehandelt haben.432 Die eigenständige Verbandsschuld wird hier an der Zumutbarkeit der Aufsichtsmaßnahmen festgemacht.433 Entscheidend seien die Motive für die Unterlassung der gebotenen Sorgfaltsmaßnahmen. Wirtschaftliche Nachteile durch die Aufsichtsmaßnahmen werden in Anlehnung an § 10 Ö-StGB streng beurteilt.434 Kritische Stimmen wenden hiergegen ein, dass die Schuld im Unrecht in Gestalt der mangelhaften Aufsicht aufgelöst werde und es an einer eigenständigen Verbandsschuld fehle.435 Der Aufsichtsmangel begründe lediglich ein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten. Auf die subjektive Vorwerfbarkeit komme es für die Strafbarkeit nach § 3 Abs. 3 VbVG nicht an. Aus diesem Grund verletze § 3 Abs. 3 VbVG das Schuldprinzip.436 Für Straftaten von Entscheidungsträgern ist der Verband nach § 3 Abs. 2 VbVG bereits verantwortlich, wenn der Entscheidungsträger als solcher die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Der Gesetzgeber ist der Meinung, dass hier ebenfalls an ein Aufsichtsverschulden des Verbands angeknüpft werde. Der Kern des den Verband treffenden Vorwurfs liege nicht in der Straftat des Entscheidungsträgers, sondern in dem Unterlassen von Maßnahmen zur Verhinderung der Tat des Entscheidungsträgers. Ein Verband könne nur dadurch handeln, dass ihm das Handeln oder Unterlassen seiner Entscheidungsträger zugerechnet werde. Deswegen sei die Begehung einer verbandsbezogenen Straftat durch den Entscheidungsträger quasi unwiderleglich als Ausdruck mangelnder Sorgfalt des Verbands zur Verhinderung solcher Straftaten anzusehen.437 Diese Argumentation wird im Schrifttum kritisiert. § 3 Abs. 2 VbVG verzichte bei verbandsbezogenen Straftaten von Entscheidungsträgern in Wahrheit gerade auf ein eigenes Verschulden des Verbands.438 Daher statuiere § 3 Abs. 2 VbVG eine verfassungswidrige Erfolgshaftung des Verbands. Zudem begegne die vom Gesetzgeber postulierte unwiderlegliche Vermutung Bedenken im Hinblick auf die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerte Unschuldsvermutung.439 4. Zwischenergebnis Die österreichische Diskussion um die Schuld im Verbandsstrafrecht zeigt, dass zwischen der Schuld des Individualtäters und der Verbandsschuld differenziert werden muss. Ein Ansatz, eine Verbandsschuld zu begründen, besteht darin, auf die fehlerhafte Aufsicht bezüglich der Verhinderung von Straftaten abzustellen. Jedoch sieht sich auch dieser Ansatz diverser Kritik

432 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 23 von 41. 433 Steininger VbVG § 3 Rn. 86; Hilf NZWiSt 2016, 189 (193). 434 Steininger VbVG § 3 Rn. 86. 435 Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (122); Steininger VbVG Vorbem Rn. 6. 436 Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (123). 437 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 22 von 41. 438 Tipold in FS Fuchs S. 595 (603); Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (122). 439 Herbst/Wess ZWF 2015, 118 (123).

58

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

ausgesetzt. Es bedarf daher für die Einführung eines deutschen Verbandsstrafrechts einer vertieften Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein Verband schuldfähig ist. II. Kollektivethik statt Individualethik Das Bundesverfassungsgericht hat im Lesering-Beschluss ausdrücklich festgestellt, dass auch für Verbände der Grundsatz „nulla poena sine culpa“ Gültigkeit beansprucht.440 Es ist ausgeschlossen, einen individualethischen Schuldvorwurf gegenüber einem Verband zu erheben.441 Damit dieser schuldfähig sein kann, muss es mit dem Schuldgrundsatz vereinbar sein, den individualethischen Schuldvorwurf durch einen anders gearteten Vorwurf zu ersetzen. Wie bereits dargestellt wurde, ist der Schuldgrundsatz nicht in unauflösbarer Weise mit der Menschenwürde verknüpft. Vielmehr ist das strafrechtliche Schuldprinzip ebenso im Rechtsstaatsprinzip verankert.442 Das Erfordernis einer Individualschuld resultiert dabei aus der Menschenwürde, die einem Verband nicht zukommt. Die Frage, ob es mit dem Schuldgrundsatz vereinbar ist, den individualethischen Vorwurf durch einen anders gearteten Vorwurf zu ersetzen, ist daher vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips zu beantworten.443 Teilweise wird davon gesprochen, dass in Fällen, in denen die Ethik Verbände in den Blick nimmt, diese keine Individual-, sondern ausschließlich Sozialethik sei.444 Inhaltlich ist dieser Aussage uneingeschränkt zuzustimmen. Da das Bundesverfassungsgericht jedoch betont, dass dem Individualtäter mit der Strafe ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen wird,445 sollte der Begriff der „Kollektivethik“ verwendet werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Kollektivethisch kann auch einem System der Vorwurf mangelnder Richtigkeit gemacht werden. Als rationaler Zweckverband ist das System Verband in der Lage, seine Ziele ethischen Anforderungen zu unterstellen. Wird es diesem Ziel nicht gerecht, kann sein Verhalten kollektiv-, nicht aber individualethisch missbilligt werden. Diese Missbilligung darf durch eine mit einem sozialethischen Vorwurf verbundene Strafe zum Ausdruck gebracht werden.446 Beim Individualtäter geht es um Individualethik, beim Verband um Kollektivethik. Beiden wird mit der Verurteilung zu Strafe jeweils ein unterschiedlicher sozialethischer Vorwurf gemacht. Im Gegensatz zum sozialethischen Vorwurf gegenüber einem Menschen, der als sittliche Person angesprochen wird, bezieht sich der sozialethische Vorwurf gegenüber dem Verband auf ein äußeres Verhalten, in dem sich ein Normverstoß manifestiert, ohne dass der Verband dabei als sittliche Person angesprochen wird.447 Der durch die Strafe bezweckte Ausgleich

440

BVerfGE 20, 323. Dannecker GA 2001, 101 (112); Otto Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden S. 16; Sachs in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht S. 195 (200). 442 Siehe 1. Teil B. I. 1. 443 Ähnlich auch Dannecker GA 2001, 101 (114), der davon spricht, dass eine Verbandsschuld den allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen an eine gerechte Strafe genügen muss. 444 Dannecker GA 2001, 101 (113). 445 BVerfG Urt. v. 10.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 54. 446 Dannecker GA 2001, 101 (113). 447 Böse in FS Jakobs S. 15 (19). 441

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden

59

des Normgeltungsschadens durch denjenigen, der ihn zu verantworten hat, ist vor dem Schuldgrundsatz nicht zu beanstanden.448 Die Schuldfähigkeit eines Rechtssubjekts ist keine natürliche, quasi vorgesetzliche Eigenschaft, sondern eine normative Zuschreibung von Verantwortung für Unrechtsfolgen anhand sozialer Anschauungen.449 Strafe muss stets im Kontext des Rechts gesehen werden. Ihr Inhalt wird vom Recht bestimmt. Wenn der Gesetzgeber eine Strafe gegen Verbände einführt, löst er sich vom Vorwurf der höchstpersönlichen Schuld. Er schafft hierdurch eine Sanktion, die ausschließlich eine kollektivethische Missbilligung ausdrückt. Dem System Verband wird der Vorwurf mangelnder Richtigkeit gemacht. Rechtsstrafe ist nicht auf einen individualethischen Vorwurf angewiesen. Vielmehr ist der Gesetzgeber befugt, die Voraussetzungen für die Strafbarkeit von Verbänden auszugestalten, ohne an eine bestimmte Dogmatik gebunden zu sein.450 Auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hat der Strafgesetzgeber lediglich jene Grenzen zu beachten, die ihm das Grundgesetz zieht.451 Diese Grenzen sind weit gespannt.452 Zur Frage der Schuldfähigkeit von Verbänden verhält sich das Grundgesetz nicht explizit. An eine Verbandsschuld sind daher nicht die gleichen Maßstäbe wie an die Individualschuld zu stellen.453 Aus dogmatischen und verfassungsrechtlichen Gründen bestehen keine Bedenken gegen eine Schuldfähigkeit von Verbänden.454 Auf einen individualethischen Vorwurf zu verzichten, ist zumindest insoweit mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, als die Schuld des Verbands auf einem kollektivethischen Vorwurf gründet. III. Zurechnungsmodell Die Vertreter des Zurechnungsmodells wollen dem Verband die Schuld seiner Repräsentanten zurechnen (derivatives Schuldmodell).455 Als Begründung hierfür stützen sie sich u.a. auf den bereits erwähnten Lesering-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (hierzu 1.).456 Nach der Darstellung der Entscheidungsgründe ist der Frage nachzugehen, ob die Zurechnung von Schuld mit dem Wesen der Schuld zu vereinbaren ist (hierzu 2.). 1. Gleichsetzung von Handlung und Schuld Um die im Bertelsmann-Lesering-Beschluss getroffenen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts richtig einordnen zu können, ist es wichtig, sich den der Entscheidung zugrunde448

Kubiciel ZRP 2014, 133 (136); Böse in FS Jakobs S. 15 (19). Hassemer ZStW 121, 829 (848 ff.); Kubiciel ZRP 2014, 133 (136). 450 Dannecker GA 2001, 101 (113); KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 9; Vogel StV 2012, 427; Dannecker/Dannecker NZWiSt 2016, 162 (175). 451 BVerfGE 120, 224 (240 f.). 452 Landau ZStW 121, 965 (970); Kubiciel ZRP 2014, 133 (135). 453 Böse in FS Jakobs S. 15 (19), Rogall spricht von Wandlungen im Schuldbegriff GA 2015, 260 (262); Dannecker in FS Böttcher S. 465 (484) und Lampe ZStW 106, 638 (732) heben hervor, dass der Inhalt der Schuld vom Inhalt des Unrechts abhänge. 454 Vogel StV 2012, 427 (428 ff.); so auch Wagner NZWiSt 2018, 399 (400 f.). 455 Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 110 ff.; Haeusermann Verband als Straftäter S. 151 ff.; Baumann BB 1967, 1237 (1240). 456 Siehe 1. Teil B. I. 2. b). 449

60

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

liegenden Sachverhalt kurz vor Augen zu führen: Die Beschwerdeführerin (eine GmbH) war auf Antrag eines Wettbewerbers verurteilt worden, bestimmte Vertriebsformen wegen eines Verstoßes gegen das UWG zu unterlassen. Rechtlich selbstständige Verbände, die von der Beschwerdeführerin mit dem Vertrieb betraut waren, verstießen in der Folge gegen dieses Verbot. Mit Blick auf § 13 Abs. 3 UWG, der einen Unterlassungsanspruch auch bei Handlungen von Beauftragten vorsah, verhängte das OLG Celle eine Ordnungsgeldstrafe gegen die Beschwerdeführerin.457 Das Bundesverfassungsgericht betont ausdrücklich, dass der Grundsatz „nulla poena sine culpa“ Verfassungsrang genieße und auch für ein Verbandsstrafrecht gelte.458 Des Weiteren hat das Gericht in seinem Beschluss hervorgehoben, dass der Verband als solcher nicht handlungsfähig ist. Wird er für schuldhaftes Handeln im strafrechtlichen Sinn in Anspruch genommen, kann nur die Schuld der für ihn verantwortlich handelnden Personen maßgebend sein.459 Welche Rückschlüsse aus diesen Aussagen zu ziehen sind, bleibt unklar. Der Grund hierfür liegt darin, dass das Bundesverfassungsgericht dem logischen Fehler der (in einen Zirkelschluss hineinführenden) „quaternio terminorum“ erlegen ist. Es versucht eine eigene Handlung (bzw. eigene Schuld) und die Zurechnung einer fremden Handlung (bzw. fremden Schuld) unter ein und denselben Begriff der Handlung (bzw. Schuld) zusammenzufassen.460 Das Bundesverfassungsgericht hat nach Auffassung im Schrifttum eine Begriffsvertauschung des Schuldbegriffs vorgenommen. Dieser Aussage ist insofern zuzustimmen, als das Gericht Handlung und Schuld gleichzusetzen scheint. Dies ist jedoch unzulässig, weil die Handlung im rechtlichen Sinn keine Schuld voraussetzt. Zur Frage, ob Schuld überhaupt zurechenbar ist, wird unter dem nächsten Gliederungspunkt Stellung genommen.461 Das Bundesverfassungsgericht stellt jedoch ausdrücklich fest, dass die Bestrafung von Verbänden dem geltenden Rechtssystem nicht fremd und die Anwendung strafrechtlicher Grundsätze nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn das Rechtssubjekt ein Verband ist.462 Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass der Lesering-Beschluss nicht zum (Kriminal-) Strafrecht, sondern nur zur zivilrechtlichen Ordnungsstrafe ergangen sei und dieser deshalb nicht als Begründung für eine Zulässigkeit von Verbandsstrafen angesehen werden könne.463 Diese Argumentation übersieht jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift des § 890 Abs. 1 ZPO trotz ihrer systematischen Stellung im Zwangsvollstreckungsrecht der Zivilprozessordnung wegen ihrer strafrechtlichen Elemente als Strafe einordnet.464 Daher

457

BVerfGE 20, 323 (324). BVerfGE 20, 323 (331, 336). 459 BVerfGE 20, 323 (336). 460 Schünemann in FS Tiedemann S. 429 (431 f.). 461 Siehe 1. Teil D. III. 2. 462 BVerfGE 20, 323 (335). 463 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 158; König in Verbandsstrafe S. 39 (58); Korte Juristische Person und strafrechtliche Verantwortung S. 18. 464 BVerfGE 20, 323 (332). 458

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden

61

bezieht sich das Bundesverfassungsgericht mit seinen Aussagen durchaus auf ein Strafrecht für Verbände. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Bertelsmann-Lesering-Beschluss zur Handlungs- und zur Schuldfähigkeit bleiben trotz aller Deutungsversuche ambivalent. Fest steht lediglich, dass ein Verband für ein Verhalten natürlicher Personen, die außerhalb des Verbands stehen, strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden kann. Solche Personen handeln nicht verantwortlich für den Verband. Dass das Bundesverfassungsgericht die Zurechnungslösung für mit dem Schuldgrundsatz vereinbar erklärt hat, kann der Entscheidung wegen der eingangs beschriebenen Begriffsvertauschung nicht entnommen werden. Umgekehrt hat es aber die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden nicht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. 2. Höchstpersönlicher Charakter der Schuld Für die Zurechnungslösung lässt sich zunächst anführen, dass die Frage der Schuldfähigkeit akzessorisch zur Frage der Handlungsfähigkeit zu beantworten sein könnte. Wenn der Verband mittels seiner Organe handeln könne, sei es nur konsequent, ihm auch die Schuld dieser Personen zuzurechnen.465 Voraussetzung eines akzessorischen Zurechnungsmodells ist, dass eine Zurechnung von Schuld mit deren höchstpersönlichem Charakter zu vereinbaren ist. Es wurde bereits festgestellt, dass sich ein Schuldvorwurf nicht nur an eine natürliche Person, sondern auch an einen Verband richten kann.466 Wird gegen einen Verband ein Vorwurf erhoben, verlangt das Schuldprinzip aber die Beachtung der individuellen Vorwerfbarkeit und damit des höchstpersönlichen Charakters der Schuld.467 Mit der Strafe wird einem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen. Eine solche strafähnliche Reaktion wäre ohne die Feststellung einer persönlichen Vorwerfbarkeit gegenüber dem zu bestrafenden Rechtssubjekt mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar.468 Welche rechtliche Qualität die Organschuld aufweist, ist umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass es bei der Zurechnung von Organschuld gar nicht um eine Zurechnung fremder Schuld gehe. Vielmehr habe der Verband aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine Repräsentantenschuld handele, im Ergebnis für eine eigene Schuld einzustehen.469 Genauso wie die Handlung des Organs als eigene Handlung des Verbands gelte, handele es sich bei der Organschuld um die Verbandsschuld. Dem wird jedoch entgegengehalten, dass die Gleichsetzung von Handlung und Schuld nicht zu überzeugen vermag. Eine Handlung muss – anders als die Schuld – keineswegs höchstpersönlich sein. Dass Handlungen im Strafrecht zugerechnet werden, ist typisch. Beispielhaft sei auf die Regelung zur Mittäterschaft verwiesen, in der den Mittätern die Tatbeiträge des jeweils anderen auf Basis des gemeinsamen Tatplans zugerechnet werden (§ 25 Abs. 2 StGB). 465

Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 186 f.; Bauer Verbandsstrafbarkeit S. 113 ff.; Haeusermann Verband als Straftäter S. 151 ff. 466 Siehe 1. Teil D. II. 467 BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 54 unter Verweis auf BVerfGE 20, 323 (331); 95, 96 (140). 468 BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 54; BVerfGE 20, 323, 331; 95, 96 (140). 469 Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 196 f.; KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 8. Ähnlich Haeusermann Verband als Straftäter S. 153 f.

62

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Auch bei der Mittäterschaft, die gerade von der Zurechnung von Tatbeiträgen lebt, wird aber jeder Mittäter nach seiner Schuld ohne Rücksicht auf die Schuld des bzw. der anderen bestraft (§ 29 StGB).470 Außerdem ist gegen die Gleichsetzung von Handlung und Schuld vorzubringen, dass die Handlungen von Organen notwendiges Instrument zur praktischen Realisierung der Rechtsfähigkeit von Verbänden sind. Ohne die Handlungen der Organe könnte der Verband nicht am Rechtsverkehr teilnehmen. Dieser Umstand rechtfertigt es, derartige Handlungen als verbandseigene anzusehen.471 Dies ist bei der Schuld anders. Ein schuldhaftes Organhandeln ist keineswegs notwendige Bedingung für die Teilnahme des Verbands am Rechtsverkehr. Auch deswegen kann bei einem Organverschulden nicht automatisch von einem Verbandsverschulden ausgegangen werden. Die Gleichsetzung von Handlung und Schuld lässt sich zudem nicht damit begründen, dass sich der Verband das zivilrechtliche Verschulden seiner Organe nach § 31 BGB oder § 278 BGB zurechnen lassen muss.472 Wenngleich auch Vertragsverletzungen und unerlaubte Handlungen einen sittlichen Vorwurf begründen können, verfolgen zivilrechtliches Verschulden und strafrechtliche Schuld unterschiedliche Funktionen. Beide sind nicht deckungsgleich. Strafrechtliche Schuld drückt eine Verantwortlichkeit im Sinne einer Vorwerfbarkeit aus. Sie legitimiert das mit der Straftat verbundene Unwerturteil.473 Zivilrechtlichem Verschulden ist ein Unwerturteil dagegen fremd. Es dient lediglich der Zuweisung wirtschaftlicher Risiken.474 Das zivilrechtliche Verschulden entscheidet in vielen Fällen darüber, ob der Geschädigte einen Schaden selbst tragen oder ob ein anderer im Interesse einer angemessenen Risikoverteilung dafür aufkommen muss. Diese unterschiedliche Funktion wird auch daran deutlich, dass das Zivilrecht eine Verantwortlichkeit ohne Verschulden bei der Gefährdungshaftung kennt, das Strafrecht aber niemals eine Strafe ohne Schuld. Das zivilrechtliche Verschulden setzt Verschuldensfähigkeit sowie Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus (§§ 823, 827, 828 BGB). Demgegenüber verlangt die Schuld im Individualstrafrecht die Möglichkeit der Unrechtseinsicht und die Fähigkeit, gemäß dieser Einsicht zu handeln (§ 20 StGB). Diese unterschiedlichen Voraussetzungen führen dazu, dass ein bestimmtes Organverhalten zwar zivilrechtlich fahrlässig sein kann, aber strafrechtlich entschuldigt ist.475 Zu Recht geht der überwiegende Teil der Literatur davon aus, dass die strafrechtliche Schuld höchstpersönlich ist und daher einem Rechtssubjekt nicht die Schuld eines anderen

470

Kritisch in Bezug auf eine Schuldzurechnung auch Greco GA 2015, 503 (506); Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 354. 471 Siehe 1. Teil C. I. 2. a) aa) (1). 472 So aber Baumann BB 1966, 1237 (1240). 473 BVerfGE 20, 323 (331); 95, 96 (140); BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 54. 474 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 159. 475 Rönnau in LK-StGB vor § 32 Rn. 317.

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden

63

zugerechnet werden kann. Eine Zurechnung von Schuld ist mit deren höchstpersönlichem Charakter nicht zu vereinbaren.476 Folge des höchstpersönlichen Charakters der Schuld ist, dass eine kollektive Verbandsschuld in Gestalt eines eigenen, gegen den Verband gerichteten sozialethischen Vorwurfs vorliegen muss. Andernfalls würde der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Schuldgrundsatz im Verbandsstrafrecht ausgehöhlt. 3. Zwischenergebnis Das Zurechnungsmodell ist keine Lösung, um eine kollektivethische Missbilligung und damit eine Verbandsschuld zu begründen. Die Zurechnung von Schuld ist mit ihrem höchstpersönlichen Charakter nicht zu vereinbaren. Dass der Verband durch seine vertretungsberechtigten Organe handelt, ändert hieran nichts, weil Handlung und Schuld nicht gleichgesetzt werden können. Aus diesem Grund lässt sich eine Zurechnung von Schuld auch nicht damit begründen, dass der Verband für das zivilrechtliche Verschulden bestimmter Personen einzustehen hat. IV. Originäre Verbandsschuld Da eine Zurechnung einer fremden Schuld wie gerade gezeigt mit dem strafrechtlichen Schuldprinzip nicht vereinbar ist, setzt die Strafbarkeit von Verbänden das Vorliegen einer eigenen bzw. originären Schuld zwingend voraus. Der Schuldbegriff des Individualstrafrechts, der an die Möglichkeit der Schuldeinsicht und die Fähigkeit, dementsprechend zu handeln, anknüpft, ist für Verbände nicht kompatibel.477 Aus diesem Grund befürwortet eine Auffassung, den Schuldbegriff für Verbände zu modifizieren und die Konzeption einer originären Verbandsschuld zu entwickeln.478 Für die Begründung einer originären Verbandsschuld spielt es keine Rolle, ob die Handlungsfähigkeit des Verbands über das Handeln einer natürlichen Person oder über ein originäres Verbandsunrecht hergeleitet wird.479 Die Frage der Schuld ist nicht akzessorisch zur Handlungsfähigkeit zu beantworten.480 Wie gezeigt, lässt sich das Problem der Handlungsfähigkeit bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen über die klassische, individualstrafrechtliche Dogmatik lösen. Bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern wird die Handlungsfähigkeit des Verbands dagegen über ein originäres Verbandsunrecht begründet.481 Mitarbeiter handeln im Unterschied zu Organen lediglich für den Verband. Wird die Handlungsfähigkeit bei einer verbandsbezogenen Straftat eines Organs mit dessen Handlung selbst begründet, muss neben das verbandsbezogene tatbestandsmäßige und rechts476

Heine/Weißer in S/S StGB vor §§ 25 ff. Rn. 129; Eidam Straftäter Unternehmen S. 116 f.; Peglau ZRP 2001, 406 (407); Peglau JA 2001, 606 (609); Schünemann in Criminal Responsibility S. 225 (229 f.); Zieschang GA 2014, 91 (95); ähnlich auch Jakobs in FS Lüderssen S. 559 (564 ff.). 477 Sachs in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht S. 195 (200); Otto Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden S. 16; Dannecker GA 2001, 101 (112). 478 Heine Verantwortlichkeit S. 310; Heine ÖJZ 1996, 211 (217 ff.); Heine in Eser/Huber/Cornils S. 95 (112 ff.); Heine/Weißer in S/S StGB vor §§ 25 ff. Rn. 129 ff.; Dannecker GA 2001, 101 (113); Deruyck ZStW 103, 705 (729); Eidam Straftäter Unternehmen S. 117 ff.; Hirsch ZStW 107, 285 (293 f.); Lampe ZStW 106, 683 (732 f.); Tiedemann NJW 1988, 1169 (1172). 479 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 160. 480 Siehe 1. Teil D. III. 2. 481 Siehe 1. Teil C. I. 2. c).

64

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

widrige Handeln des Organs noch eine zu definierende Verbandsschuld treten. Stellt man bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern auf ein originäres Verbandsunrecht ab, kann sich die Schuld nur hierauf beziehen.482 1. Sittliche Vorwerfbarkeit Teilweise wird die Möglichkeit des Verbands, strafrechtlich schuldhaft i.S.e. ethischsittlichen Verantwortlichkeit zu handeln, mit dem Argument begründet, dass auch in der sozialen Wirklichkeit ein sittlicher Maßstab an Verbände angelegt werde.483 Hierfür wird auf das allgemeinsprachliche Verständnis des Schuldbegriffs, die Möglichkeit von Verbänden, in zivilrechtlich verwerflicher Weise zu handeln, und die passive Beleidigungsfähigkeit von Verbänden verwiesen. Leitet ein Chemiekonzern aus „Schlamperei“ Abwässer in einen Fluss ein, die den Fischbestand vergiften, werde verbreitet von einer „Schuld eines Chemiekonzerns“ gesprochen. Daran zeige sich, dass das Verhalten eines Verbands keineswegs als ethisch indifferent angesehen werden könne und an diesen durchaus ein sittlicher Maßstab angelegt werde.484 An diesem Argument ist jedoch bereits der methodische Ansatz verfehlt, einen strafrechtsdogmatischen Begriff unter Verweis auf die Umgangssprache zu definieren.485 Überdies ist auch zu bezweifeln, ob der Begriff der „Schuld“ im allgemeinen Sprachgebrauch dem strafrechtlichen Begriff der Schuld im Sinne einer sittlich-ethischen Verantwortlichkeit entspricht. So wird der Begriff „Schuld“ von (juristischen) Laien häufig verwandt, um eine Beziehung eines Rechtssubjekts zu einem Zustand zu beschreiben, die rechtlich nicht mehr als Kausalität umfasst. Bei Textilfirmen, die in Asien zu niedrigen Preisen produzieren lassen, wird verbreitet davon gesprochen, dass sie wegen der niedrigen Preise an der dortigen Umweltverschmutzung in Flüssen durch Chemikalien schuld seien. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Zahlung höherer Preise zu besseren Umweltstandards, z.B. durch den Einbau von Filteranlagen, führen würde, begründet diese Kausalität allein noch keine strafrechtliche Verantwortlichkeit für die dortige Umweltverschmutzung. Auf diese Weise kann die Schuldfähigkeit von Verbänden nicht überzeugend begründet werden.486 Des Weiteren wird vorgebracht, dass Verbände auch im Zivilrecht in sittlich verwerflicher Weise handeln könnten. So könne ein Verband – ebenso wie eine natürliche Person – nach § 826 BGB oder nach dem UWG haften und sittenwidrig i.S.v. § 138 BGB handeln. Diese Vorschriften würden daher voraussetzen, dass ein Verband sittenwidrig bzw. unlauter handeln könne und sein Verhalten somit einer Bewertung nach sittlichen Maßstäben zugänglich sei.487

482

Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 160. Hirsch ZStW 107, 285 (292); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 13 f. 484 Hirsch ZStW 107, 285 (292); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 13 f. 485 Schünemann in Madrid-Symposium S. 265 (283 Fn. 55). 486 So auch Greco GA 2015, 503 (507). 487 Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 191; Rotberg in FS 100 Jahre Deutscher Juristentag S. 193 (200); hierauf verweist in der Fußnote auch Hirsch in ZStW 107, 285 (292). 483

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden

65

Dieser Argumentation wird entgegengehalten, dass der Verband nicht unmittelbar selbst nach § 826 BGB bzw. § 9 UWG haftet. Entweder wird dem Verband das Handeln eines Repräsentanten nach § 31 BGB zugerechnet oder er haftet bei anderen Mitarbeitern wegen einer Aufsichtspflichtverletzung nach § 831 BGB. Daher ließe sich nicht davon sprechen, dass der Verband selbst sittenwidrig gehandelt habe.488 Dies reicht jedoch nicht aus, um die Argumentation zu widerlegen, dass an einen Verband aufgrund seiner Fähigkeit zu sittenwidrigem Handeln ein sittlicher Vorwurf gerichtet werden könne. Verbänden wird die Fähigkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr strukturell über natürliche Personen und deren Handeln, das ggf. sittenwidrig ist, vermittelt. Dennoch lässt sich die Schuldfähigkeit von Verbänden nicht mit der Fähigkeit zu zivilrechtlich sittenwidrigem Handeln begründen. Sittenwidriges Handeln kann nicht mit einer strafrechtlichen Schuldfähigkeit im Sinne einer Verantwortlichkeit für eine Rechtsgutsverletzung gleichgesetzt werden. So wird z.B. aus § 826 BGB ein Kontrahierungszwang für Verbände mit einer Monopolstellung hergeleitet.489 Wettbewerbsverbote können sittenwidrig (§ 138 BGB) sein.490 Ein derartiges Verhalten ist mit einer sittlich-ethischen Verantwortlichkeit für eine strafrechtliche Rechtsgutsverletzung nicht vergleichbar. Schließlich wird darauf verwiesen, dass die Rechtsprechung die passive Beleidigungsfähigkeit von Verbänden anerkannt hat.491 Personenverbände genießen nach der Rechtsprechung des BGH unabhängig von ihrer konkreten Rechtsform einen strafrechtlichen Ehrschutz, sofern sie eine rechtlich anerkannte Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können.492 Demjenigen, der über einen Ehranspruch verfüge, könne diese Ehre auch wieder abgesprochen werden. Das damit verbundene Unwerturteil setze die Möglichkeit eines Schuldvorwurfs voraus.493 Dieser Argumentation wird entgegengehalten, dass zwischen der passiven Beleidigungs- und der Schuldfähigkeit bereits deshalb kein Zusammenhang besteht, weil auch Kinder und Geisteskranke beleidigt werden können.494 Zudem ist die strafrechtliche Schuld nicht die Kehrseite der Ehre, bei der es um den Achtungsanspruch in der Gesellschaft geht, während die Schuld die Verantwortlichkeit für eine Rechtsgutsverletzung betrifft. Deswegen beinhaltet die Schuld mehr als das bloße Absprechen des Achtungsanspruchs. Dies wird auch daran deutlich, dass Ehrdelikte nicht nur durch die unwahre Behauptung strafbaren Verhaltens begangen werden können. Vielmehr reicht das Behaupten jeder ehrenrührigen Tatsache aus.495 Eine originäre Schuldfähigkeit von Verbänden kann nicht mit dem Argument begründet werden, dass in der sozialen Wirklichkeit ein sittlicher Maßstab an Verbände angelegt werde. 488

Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 161 f. Hierzu PWW Vor §§ 145 ff. BGB Rn. 19 ff. 490 Hierzu PWW § 138 BGB Rn. 157. 491 Rotberg in FS 100 Jahre Deutscher Juristentag S. 193 (201); Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 190 f.; Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 14; Hirsch ZStW 107, 285 (292). 492 BGHSt 6, 186 (186 ff.). 493 Rotberg in FS 100 Jahre Deutscher Juristentag S. 193 (201): Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 190 f. 494 So Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 162. 495 Fischer StGB § 186 Rn. 4 f. 489

66

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Das allgemein-sprachliche Verständnis von Schuld belegt dies nicht, weil der Begriff der Schuld in der Alltagssprache häufig anders verstanden wird als im Strafrecht. Auch aus der Möglichkeit des sittlich vorwerfbaren Verhaltens eines Verbands im Zivilrecht sowie dessen strafrechtlicher passiver Beleidigungsfähigkeit ergibt sich nichts anderes. 2. Defizitäre Kriminalitätsprävention Da sich eine Verbandsschuld nicht damit begründen lässt, dass in der sozialen Wirklichkeit ein sittlicher Maßstab an diesen angelegt werde, plädieren manche Autoren für eine andersartige Missbilligung als Schuldkategorie für Verbände.496 Wie bereits oben gezeigt, setzt der Schuldgrundsatz einen individualethischen Vorwurf nicht zwingend voraus. Adressat eines Schuldvorwurfs kann daher auch ein Verband sein.497 a) Fehlerhafte Organisation in Bezug auf Straftaten Die Schuld definiert sich in Abhängigkeit vom verwirklichten Unrecht.498 Nach der Lehre vom Organisationsverschulden basiert die Schuld des Verbands auf seiner Verantwortung für seine fehlerhaften kollektiven Leistungen, die auf Defiziten in der Organisationsstruktur beruhen.499 Maßgeblich für das Unrecht ist der Begriff des Organisationsverschuldens.500 Danach liegt der materielle Grund der Verbandsverantwortlichkeit darin, dass der Verband nicht alle erforderlichen Maßnahmen getroffen habe, um einen ordentlichen, nicht deliktischen Geschäftsbetrieb zu gewährleisten.501 Hierdurch verschiebt sich der Grund für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von der Normübertretung selbst zur mangelnden Vorsorge gegenüber rechtswidrigem Verhalten der Verbandsangehörigen durch den Verband.502 Zur Begründung wird auf den Vollrausch (§ 323a StGB) und die Rechtsfigur der „actio libera in causa“ verwiesen. Bei dieser knüpfe die Sanktionierung nicht an die eigentlich schädigende Einzeltat, sondern an die Außerachtlassung von Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Taten an. Das Fehlen einer Schuld in Bezug auf die direkte Straftat sei irrelevant, weil diese durch ein vorwerfbares Vorverhalten veranlasst worden sei.503 Teilweise wird auch auf eine defizitäre Organisationsstruktur oder eine kriminogene Verbandsphilosophie abgestellt, die die Begehung einer kriminellen Handlung aus dem Verband heraus ermöglicht, fördert oder zulässt.504 Das Abstellen auf eine derartige Verbandsphilosophie ist bedenklich, weil dieser Begriff sich stark von objektiven Elementen 496

Tiedemann NJW 1988, 1169 (1172); Tiedemann in Criminal Legislation S. 157 (173); Dannecker GA 2001, 101 (112 f.). Heine/Weißer in S/S StGB vor §§ 25 ff. Rn. 129, 131 halten einen solchen Ansatz immerhin für grundsätzlich möglich. 497 Siehe 1. Teil D. II. 498 Dannecker GA 2001, 101 (112); Lampe ZStW 106, 683 (732). 499 Dannecker GA 2001, 101 (112). 500 Tiedemann NJW 1988, 1169 (1172); Tiedemann in Criminal Legislation S. 157 (173). 501 Tiedemann NJW 1988, 1169 (1172); Tiedemann in Criminal Legislation S. 157 (173); Dannecker GA 2001, 101 (112). 502 Ähnlich auch Hoven ZIS 2014, 19 (21). 503 Tiedemann NJW 1988, 1169 (1173). 504 Dannecker GA 2001, 101 (117).

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden

67

löst und sich einem Gesinnungsstrafrecht nähert.505 Im Übrigen ist es auch sachlich überflüssig, weil ein Verband, der eine derartige subjektive Philosophie aufweist, zugleich objektiv unzureichend organisiert ist. Maßgeblich muss daher die objektive defizitäre Organisationsstruktur sein. Die Lehre vom Organisationsverschulden kennt 2 verschiedene Organisationspflichten: die Pflicht zur Vorbeugung gegenüber verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern und solchen von Organen. Diese beiden Organisationspflichten lassen sich auf ein einheitliches Grundmuster zurückführen. Von den in der Verbandshierarchie übergeordneten natürlichen Personen ist zu erwarten, dass sie angemessene organisatorische Maßnahmen treffen, um verbandsbezogenen Straftaten von untergeordneten natürlichen Personen entgegenzuwirken. Es handelt sich hierbei jeweils um Aufsichtspflichten.506 Bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern muss ein Organisationsmangel des Verbands vorliegen. Der Verband unterliegt dabei der Pflicht, verbandsbezogenen Zuwiderhandlungen von Mitarbeitern im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren durch Aufsichtsmaßnahmen entgegenzutreten. Eine Aufsichtspflichtverletzung besteht auch bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen. Hier knüpft der Vorwurf der mangelhaften Organisation jedoch an die Personalauswahl an. Dies wird als „culpa in eligendo“ bezeichnet.507 Die Verantwortung des Verbands manifestiere sich dadurch, dass gerade die Personen gegen Straftatbestände verstoßen, denen in Leitungsfunktion die Vermeidung von strafbarem Verhalten in besonderer Weise obliegt.508 Entscheidungsträger mit Leitungs- oder Kontrollfunktion haben notwendigerweise großen Einfluss auf die Entwicklung des Leitbilds für den Verband und die daraus resultierende Verbandskultur. Deswegen müssten deren Auswahl besonders sorgfältig sowie deren Aufgabenzuschnitt besonders überlegt und transparent erfolgen. Werden Zuwiderhandlungen mit Verbandsbezug von diesen Personen begangen, erweise sich deren Auswahl von Anfang an als fehlerhaft, soweit nicht Exzesstaten gänzlich ohne Verbandsbezug vorlägen.509 Im Ergebnis geht die Lehre vom Organisationsverschulden somit von 2 Aufsichtspflichten aus. Der Unterschied zwischen Organen und Mitarbeitern liegt darin, dass bei ersteren stets von einem Aufsichtsverschulden auszugehen und bei letzteren das Aufsichtsverschulden im Einzelfall festzustellen ist. b) Kritik Kritik gegen die Lehre vom Organisationsverschulden lässt sich speziell in Bezug auf Organstraftaten vorbringen. Diese bezieht sich einerseits im Allgemeinen auf Organstraftaten und andererseits im Besonderen auf Straftaten des Organs, das in der Hierarchie an der Spitze

505

So auch Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 154. Zum Begriff siehe Einleitung. 507 Rogall GA 2015, 260 (263). 508 NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 45. 509 Tiedemann NJW 1988, 1169 (1172); NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 45. 506

68

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

steht. Des Weiteren weist die Lehre vom Organisationsverhalten ein strukturelles Problem auf. aa) Unzulässige Vermutung einer fehlerhaften Organauswahl Die Lehre vom Organisationsverschulden weist aufgrund ihrer Konzeption eine eklatante Schwäche auf. Nimmt man das Erfordernis eines Organisationsverschuldens im Sinne eines Aufsichtsdefizits einer übergeordneten Stelle ernst, könnte sich der Verband seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Organe wesentlich leichter entledigen als für Mitarbeiter. Dies liegt daran, dass der Vorstand Mitarbeiter wesentlich engmaschiger überwachen kann als ein Aufsichtsrat den Vorstand. Der Vorstand bestimmt die Geschäftstätigkeit des Verbands.510 Der Aufsichtsrat überwacht den Vorstand lediglich hierbei.511 Selbst bei Anlegung eines sehr hohen Sorgfaltsmaßstabs an die Bestellung der Vorstände kann der Aufsichtsrat die laufende Geschäftstätigkeit des Vorstands nicht permanent kontrollieren. Wie der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch jedoch zutreffend konstatiert, besteht in den Fällen ein besonders hohes Strafbedürfnis gegenüber dem Verband, in denen diejenigen Personen verbandsbezogene Straftaten begehen, die zur Konstituierung von Verbandssinn berufen sind.512 Um dieses ungewünschte Ergebnis zu vermeiden, bedienen sich die Vertreter der Lehre vom Organisationsverschulden der fragwürdigen Annahme, ein Aufsichtsdefizit bereits bei der Auswahl des Organs unwiderleglich zu vermuten. Wer darauf abstellt, dass bei einer verbandsbezogenen Straftat eines Organs dessen Auswahl stets fehlerhaft ist, gibt das Kriterium des Organisationsmangels einer übergeordneten Ebene in der Verbandshierarchie in Wahrheit auf. Hat sich ein Organ seit seiner Bestellung stets ordnungs- und pflichtgemäß verhalten und begeht es erst mehrere Jahre nach seiner Bestellung eine verbandsbezogene Straftat, ist dem Verband kein Vorwurf mehr in Bezug auf seine Bestellung zu machen. Daher vermag die Lehre vom Organisationsverschulden nicht überzeugend zu begründen, weshalb ein Verband für verbandsbezogene Straftaten von Organen wegen des hohen Strafbedürfnisses stets strafrechtlich verantwortlich sein soll. Dass für täterbelastende Vermutungen bei Straftatbeständen kein Raum sein kann, versteht sich mit Blick auf den In-dubio-pro-reo-Grundsatz von selbst.513 Vielmehr müsste das Aufsichtsdefizit positiv festgestellt werden. bb) Nicht zu kontrollierende Verbandsangehörige Bei Straftaten des höchsten Organs stößt die Lehre vom Organisationsverschulden an ihre logischen Grenzen. Es ist nicht möglich, in Bezug auf alle Verbandsorgane eine Überwachungspflicht einer übergeordneten Stelle zu konstruieren. Ein Verbandsorgan steht in der Hierarchie immer an der Spitze. Wer dieses Organ kontrollieren soll, bleibt unklar. Die Gesellschafterversammlung einer GmbH kann in Ausnahmefällen das vertretungsberechtigte Organ sein, das eine verbandsbezogene Straftat begeht. Sie vertritt die mitbestimmungsfreie GmbH grds. gegenüber dem Geschäftsführer beim Abschluss des 510

Vgl. exemplarisch für die Aktiengesellschaft § 76 Abs. 1 AktG. Vgl. exemplarisch für die Aktiengesellschaft § 111 Abs. 1 AktG. 512 NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 45. 513 Kritisch auch Hoven ZIS 2014, 19 (21); Kubiciel ZRP 2014, 133 (137). 511

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden

69

Geschäftsführerdienstvertrags.514 Täuscht die Gesellschafterversammlung den zukünftigen Geschäftsführer hierbei über die wirtschaftliche Situation der GmbH und kann der Verband anschließend seine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen, kommt ein verbandsbezogener Betrug (§ 263 StGB) in Betracht. Der für den Betrug erforderliche Vermögensschaden läge z.B. vor, wenn der Geschäftsführer auf eine andere Anstellungsmöglichkeit verzichtet hat. Über der Gesellschafterversammlung gibt es kein Organ, das diese fehlerhaft kontrolliert haben könnte. Es wäre jedoch widersinnig, wenn der Verband gerade für verbandsbezogene Straftaten seines höchsten Organs nie einstehen müsste. Wenn die Lehre vom Organisationsverschulden nicht sinnvoll erklären kann, warum sich der Verband in diesem Fall strafbar macht, ist sie auch aus diesem Grund nicht der richtige Erklärungsansatz zur Begründung einer Verbandsschuld. cc) Fehlende Unterscheidung zwischen Unrecht und Schuld Des Weiteren wird gegen die Idee des Organisationsverschuldens insgesamt, d.h. sowohl in Bezug auf verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern als auch von Organen vorgebracht, dass sie die Unterscheidung von Unrecht und Schuld verwische.515 Erkenne man an, dass Verbände handlungsfähig seien, können sie auch bei einem Verstoß gegen rechtliche Ge- und Verbote Unrecht verwirklichen. Dabei bleibt jedoch im Ergebnis unklar, worin darüber hinaus die Schuld des Verbands liegen soll. Diese werde in einer mangelhaften betrieblichen Organisation oder in einer verwerflichen Verbandskultur gesehen. Ein kategorischer Unterschied zum Unrecht ist dabei aber nicht festzustellen. Dass die Lehre vom Organisationsverschulden das tatbestandsmäßige Verhalten vergleichbar der Rechtsfigur der „actio libera in causa“ oder dem Tatbestand des Vollrausches (§ 323a StGB) vorverlagert,516 ändert an diesem Vorwurf nichts. Hieraus folgt lediglich, dass das Unrecht in einem vorgelagerten Verhalten liegen kann. Ob dieses Vorverhalten dann auch schuldhaft erfolgt ist, steht noch nicht fest.517 Wenngleich sich die Schuld auf das Unrecht bezieht,518 ist sie dennoch nicht deckungsgleich mit dem Unrecht. Zur Legitimierung des mit der Strafe verbundenen Unwerturteils ist sie unverzichtbar.519 Die Lehre vom Organisationsverschulden hat nicht aufzeigen können, worin genau der Vorwurf an den Verband bei einem Organisationsmangel liegt. Es geht m.a.W. um die Frage, in welchen Fällen dem Verband der Organisationsmangel als Kollektiv vorwerfbar ist. c) Zwischenergebnis Die Lehre vom Organisationsverschulden kann im Ergebnis keinen vollständig überzeugenden Ansatz zur Erklärung einer Verbandsschuld liefern.

514

Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen in GmbHG § 35 Rn. 325; Scholz/Schneider/Hohenstatt GmbHG § 35 Rn. 311. 515 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 165. 516 Tiedemann NJW 1988, 1169 (1172). 517 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 165; Schünemann in Taiwan/ROC Chapter S. 433 (459 f.). 518 Dannecker GA 2001, 101 (112); Lampe ZStW 106, 683 (732). 519 Siehe 1. Teil B. I. 2. b).

70

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Erstens vermag sie nicht dogmatisch widerspruchsfrei eine hinreichende Verantwortlichkeit von Verbänden bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen zu begründen. Damit sich der Verband in diesem Fall nicht allzu einfach seiner Verantwortlichkeit entledigen kann, bedient sich die Lehre vom Organisationsverschulden der unwiderleglichen Vermutung einer fehlerhaften Auswahl des Organs, wenn dieses eine verbandsbezogene Strafat begeht. Dies ist im Hinblick auf den In-dubio-pro-reo-Grundsatz aber abzulehnen. Für verbandsbezogene Straftaten des obersten Verbandsorgans vermag die Lehre vom Organisationsverschulden keine Lösung anzubieten, weil das in der Hierarchie an der Spitze stehende Organ naturgemäß von niemandem überwacht werden kann. Zweitens hat die Lehre vom Organisationsverschulden nicht aufzeigen können, worin eine selbstständige Schuld des Verbands zu sehen ist, die über das verwirklichte Unrecht in Gestalt des Organisationsmangels hinausgeht. Wenngleich sich die Schuld auf das Unrecht bezieht, ist sie nicht deckungsgleich mit dem Unrecht. Sie stellt ein unverzichtbares Legitimationselement von Strafe dar. V. Eigener Vorschlag der doppelspurigen Organisationspflicht Wie gezeigt, lassen sich gegen die Konzeption des Organisationsverschuldens 2 Einwände vorbringen. Erstens bleibt unklar, wie die Organisationspflichtverletzung bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen überzeugend konstruiert werden kann. Zweitens ist noch nicht erkennbar, worin die Schuld im Sinne einer Vorwerfbarkeit an den Verband bezüglich seiner Organisationspflichtverletzung liegt. Dennoch ist die Idee des Organisationsverschuldens im Kern der überzeugende Erklärungsansatz zur Begründung einer Verbandsstrafbarkeit. Sie löst die Strafbarkeit des Verbands von der Strafbarkeit des Individuums und erklärt, worin ein eigenständiges, kollektives Verbandsunrecht zu sehen ist. Sie weist lediglich punktuelle, wenngleich nicht unbedeutende Lücken auf, die geschlossen werden können. 1. Unrecht des Verbands Wie oben dargestellt, muss sich die Lehre vom Organisationsverschulden fragwürdiger Konstruktionen bedienen, um die fehlerhafte Organisation des Verbands bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen zu begründen.520 Diesen Defiziten trägt der Vorschlag der doppelspurigen Organisationspflicht Rechnung. Begeht ein Mitarbeiter eine verbandsbezogene Straftat, ist der Verband für dessen Straftat verantwortlich, wenn er seine Aufsichtspflicht durch ein Organ vorwerfbar verletzt hat (1. Spur). Bei einer verbandsbezogenen Straftat eines Organs organisiert dieses durch seine Straftat zugleich „uno actu“ den Verband fehlerhaft (2. Spur). Das Organ unterliegt einer Pflicht zur Selbstkontrolle. Hinreichende Aufsichtsmaßnahmen in der 1. Spur lassen die Strafbarkeit entfallen. In der 2. Spur wirken sie sich lediglich strafmildernd aus. Im Gegensatz zur Lehre vom Organisationsverschulden bestehen keine getrennten Aufsichtspflichten bzgl. Straftaten von Mitarbeitern und von Organen. Es handelt sich um 2 Spuren der einheitlichen Organisationspflicht, Straftaten von Verbandsangehörigen im Rahmen von erforderlichen und zumutbaren Anstrengungen entgegenzutreten. Die 1. Spur betrifft eine 520

Siehe 1. Teil D. IV. 2. b) aa), bb).

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden

71

Aufsichtspflicht, die 2. Spur eine Pflicht zur Selbstkontrolle. Bei der Pflicht zur Selbstkontrolle liegt die zumutbare Anstrengung darin, dass der Verbandsangehörige von der Straftat Abstand nimmt. Die Zuständigkeit für die einheitliche Organisationspflicht liegt zentral bei den Organen. Der Verband ist verpflichtet sicherzustellen, dass er sich selbst durch seine Organe kontrollieren kann. Dies gilt unabhängig von seiner Größe. Wächst ein Verband, muss er weiter in der Lage bleiben, sich selbst kontrollieren zu können, indem die Zahl der Organe ggf. aufgestockt wird. Dem Verband ist es gestattet, seine Kontrollaufgabe zwar auf andere Personen (z.B. sonstige Leitungspersonen) zu übertragen, weil er in seiner Binnenorganisation grds. frei ist. In diesem Fall kann er aber nicht einwenden, die anderen Personen ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht zu haben. Andernfalls wäre dieser Verband gegenüber Kleinverbänden, die durch ihre Organe wirksam überwacht werden können, unzulässig privilegiert. Großverbänden würde die Möglichkeit eröffnet, sich mittels ihrer Binnenorganisation gezielt ihrer strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen. Die Begründung des Organisationsmangels bei Straftaten des Organs ähnelt dem im österreichischen Schrifttum vertretenen Ansatz, nach dem gegenüber einem Verband bei Organstraftaten stets ein Organisationsverschuldensvorwurf erhoben werden könne, weil die Straftat der Leitungsebene unmittelbarer Ausdruck einer unzulänglichen Verbandsphilosophie sei.521 Der Vorschlag einer doppelspurigen Organisationspflicht vermeidet jedoch das im Hinblick auf ein verbotenes Gesinnungsstrafrecht bedenkliche alleinige Abstellen auf eine unzulängliche subjektive Verbandsphilosophie.522 Er setzt an diese Stelle das objektive Kriterium einer mangelhaften Organisation, verbandsbezogenen Straftaten entgegenzutreten. Gegen den Vorschlag einer doppelspurigen Organisationspflicht könnte man einwenden, dass Verbände bei einer Selbstkontrolle der Organe mit einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit ohne eigenes Unrecht belastet werden.523 Es ist aber zum einen nicht möglich, in Bezug auf alle Verbandsorgane eine Aufsichtspflicht einer übergeordneten Stelle zu konstruieren. Ein Verbandsorgan steht in der Verbandshierarchie stets an der Spitze. Wer dieses Organ kontrollieren soll, bleibt unklar. Es wäre aber widersinnig, wenn der Verband gerade für verbandsbezogene Straftaten des Organs an der Spitze, also desjenigen, das den Verband am unmittelbarsten repräsentiert, niemals einstehen müsste. Zum anderen muss sich der Vorschlag der doppelspurigen Organisationspflicht auch nicht der Vermutung einer fehlerhaften Organauswahl bedienen, um eine hinreichende Verantwortlichkeit des Verbands für verbandsbezogene Straftaten von Organen zu gewährleisten. Diese Vermutung ist im Hinblick auf den In-dubio-pro-reo-Grundsatz abzulehnen. Die verbandsbezogene Straftat eines Organs ist von anderer Qualität als diejenige eines Mitarbeiters. Die Handlung des Organs, das zur Festlegung von Verbandssinn berufen ist,524 schlägt auf die Ebene des Verbands unmittelbar durch. Der Verband kann sich nicht hinter den Personen verstecken, durch die er am Rechtsverkehr teilnimmt. Wer „durch“ seine 521

Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 423. 522 Siehe 1. Teil D. IV. 2. a). 523 Vgl. die Kritik zur österreichischen Regelung, bei der von Erfolgshaftung gesprochen wird; siehe 1. Teil D. I. 3. 524 Siehe 1. Teil C. 2. a) bb).

72

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Organe handelt, darf sich nicht darauf berufen, dass Handlungen derer, die den Verbandssinn gestalten, nicht seine eigenen seien und die durch diese Handlungen entstehenden Konsequenzen nicht von ihm verursacht wurden. Überdies führt der Vorschlag einer doppelspurigen Organisationspflicht auch nicht zu einer unzumutbaren strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Verbands für verbandsbezogene Straftaten seiner Organe. Dem aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu wahrenden Übermaßverbot525 kann durch eine differenzierte Betrachtung auf der Rechtsfolgenebene Rechnung getragen werden. Ernsthafte Bemühungen des Verbands, Straftaten seiner Organe durch Aufsichtsmaßnahmen zu unterbinden (z.B. gegenseitige Kontrolle der Organe), sind strafmildernd zu berücksichtigen.526 Die Verletzung der einheitlichen Organisationspflicht, verbandsbezogenen Straftaten mit zumutbaren Anstrengungen entgegenzutreten, stellt daher das Unrecht des Verbands bei einer verbandsbezogenen Straftat eines seiner Angehörigen dar. 2. Schuld des Verbands Wie bereits oben erwähnt, wird gegen die Lehre vom Organisationsverschulden vorgebracht, dass sie die Trennung von Unrecht und Schuld verwische.527 Auch der Vorschlag der doppelspurigen Organisationspflicht muss herausarbeiten, worin der Schuldvorwurf liegt, der dem Verband über das Unrecht in Gestalt der fehlerhaften Organisation hinaus zu machen ist. Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Verbandsschuld resultieren daraus, dass sie mit der Individualschuld in mehrfacher Hinsicht nicht vergleichbar ist. Zum einen tritt bei der Verbandsschuld in zulässiger Weise an die Stelle des individual- ein kollektivethischer Vorwurf.528 Zum anderen sind viele Situationen, in denen eine natürliche Person schuldlos handelt, auf Verbände überhaupt nicht anwendbar. Ein Verband kann sich z.B. nicht in einen Rauschzustand versetzen und leidet auch nicht unter Psychosen. Um zu bestimmen, worin die Verbandsschuld liegt, muss man sich den Sinn der Schuld im System staatlichen Strafens vergegenwärtigen. Es geht um die Frage der Verantwortung für die Folgen von Handlungen, also die normativ gedeutete Unterscheidung von Unrechtsverursachung in Schuld und Schicksal, in individuell zu verantwortende und zufällig-unzurechenbare Handlungsfolgen.529 Für die Verbandsschuld ist danach zu fragen, ob von dem Verband als Kollektiv in der konkreten Situation zu erwarten war, dass er die erforderlichen und zumutbaren Anstrengungen unternimmt, um einen nicht deliktischen Geschäftsbetrieb zu gewährleisten. Da die Schuld auf das Unrecht bezogen ist,530 muss zwischen verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern und von Organen unterschieden werden.

525

Dannecker/Dannecker NZWiSt 2016, 162 (174). Näheres hierzu siehe 2. Teil D. II. 2. 527 Siehe 1. Teil D. IV. 2. b) cc). 528 Siehe 1. Teil D. II. 529 Fischer StGB vor §§ 19-21. 530 Dannecker GA 2001, 101 (112); Lampe ZStW 106, 683 (732). 526

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden

73

Bei Mitarbeitern kommt es darauf an, ob die Durchführung der zumutbaren Aufsichtsmaßnahmen in der Situation, in der die verbandsbezogene Straftat begangen wurde, erwartet werden konnte. Begeht dagegen ein Organ selbst die verbandsbezogene Straftat, ist danach zu fragen, ob von ihm in seiner Rolle als Verbandsrepräsentant und nicht als Individualtäter zu erwarten war, dass er von der Straftat Abstand nimmt, durch welche er zugleich den Verband objektiv fehlerhaft organisiert. Grundsätzlich ist vom Verband zu erwarten, dass er die erforderlichen Organisationsmaßnahmen ergreift. Dies gilt sowohl bei Straftaten von Mitarbeitern als auch bei Organen. Eine Ausnahme hiervon ist z.B. bei einem unvermeidbaren Verbotsirrtum des Verbands anzunehmen. In diesem Fall haben die Organe in ihrer Eigenschaft als Verbandsrepräsentanten keinen Anlass, Aufsichtsmaßnahmen gegen ein bestimmtes Mitarbeiterverhalten einzuleiten. Begeht das Organ bei einem unvermeidbaren Verbotsirrtum selbst die Straftat, hat es in seiner Rolle als Verbandsrepräsentant keinen Grund, von der Tat Abstand zu nehmen. Beim unvermeidbaren Verbotsirrtum muss zwischen dem Verband und dem Organ unterschieden werden. Bei einem Verband ist nur dann von Unvermeidbarkeit auszugehen, wenn er nach Ausschöpfung aller ihm als Kollektiv zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht zu der Erkenntnis gelangen konnte, dass ein bestimmtes Organ- oder Mitarbeiterhandeln strafbar war. Hierfür reicht es nicht aus, dass für jedes einzelne Organ die Strafbarkeit des Handelns isoliert nicht erkennbar war. Erforderlich ist vielmehr, dass der Verband unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und des Wissens aller Organe nicht zur besseren Erkenntnis hätte gelangen können. Wie dieses Beispiel zeigt, kommt der Deliktsstufe der Schuld auch im Verbandsstrafrecht ein eigenständiger Anwendungsbereich zu. Dieser ist insofern gegenüber dem Individualstrafrecht eingeschränkt, als viele Situationen, in denen einer natürlichen Person die Schuld fehlt, auf Verbände nicht anwendbar sind. Teilweise wird gegen die Anknüpfung an ein Organisationsverschulden vorgebracht, dieses Vorgehen sei zur Begründung der Verbandsschuld untauglich. Es werde auf einen persönlichen Vorwurf der Normverletzung verzichtet.531 Wenngleich Verbände handlungsfähig seien, liege hierin noch kein im rechtsethischen Sinne verantwortliches Handeln, das die Grundlage eines persönlichen Vorwurfs an den Verband bilden könne. Dies bleibe auch der Fall, wenn man auf ein Organisationsverschulden abstelle.532 Dabei handele es sich letztlich nur um die Zurechnung einer auf organisatorischen Fehlleistungen bezogenen Organschuld. Die Zwischenschaltung eines Organisationsverschuldens ändere aber nichts daran, dass Verbände selbst nicht zu einem schuldhaften Handeln in der Lage seien. Daher könnten Verbände nicht Adressat eines persönlichen Vorwurfs sein, möge dieser sittlich oder sozial begründet sein.533

531

Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 164. Schünemann in Taiwan/ROC Chapter S. 433 (459 f.); Zieschang GA 2014, 91 (95); so wohl auch Löffelmann JR 2014, 185 (189). 533 Schmitt Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände S. 196; Otto Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden S. 18; Schwinge Strafrechtliche Sanktionen gegenüber Unternehmen S. 112. 532

74

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Das Organisationsverschulden von Organen führt nicht zu einer dem Schuldprinzip widersprechenden Zurechnung einer auf organisatorischen Fehlleistungen bezogenen Organschuld. Beim Verbandsstrafrecht geht es um die Schuld der Organe als Teil des Systems und gerade nicht um die Schuld der Organe als natürliche Personen.534 Deswegen wird nicht die Schuld eines Organs bzw. werden addierte Fragmente von Schuld verschiedener Organe zugerechnet. Es entsteht vielmehr eine neue Schuld des Kollektivs, die sich von der Schuld der Individuen abgrenzt. Die neue, andersartige Schuld des Verbandsstrafrechts wird auch daran deutlich, dass der individualethische Vorwurf des traditionellen Strafrechts im Verbandsstrafrecht durch einen kollektivethischen Vorwurf ersetzt wird. Dass eine neue, andersartige Schuld im Verbandsstrafrecht vorliegt, gilt auch bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen. Kann das Organ zugleich eine eigene Pflicht und eine Verbandspflicht verletzen, ist ein sozialethischer Vorwurf nicht auf den Verband oder das Organ im Sinne einer Exklusivität beschränkt. Im Unterschied zum zivilrechtlichen Schadensersatz wird der durch die Tat hervorgerufene Normgeltungsschaden nicht unter den Beteiligten verteilt. Er ist vielmehr von jedem beteiligten Rechtssubjekt im Rahmen seiner jeweiligen Schuld durch eine Strafe auszugleichen.535 Verwirklicht der Verband in normwidriger Weise eigenen Sinn und handelt er entsprechend, kann er auch Schuld auf sich laden.536 Der Inhalt der Schuld muss auf das Unrecht bezogen sein.537 Ist das Unrecht von einer mangelhaften Organisation zur Kriminalitätsprävention geprägt, muss sich die Schuld hierauf beziehen. Diese liegt darin, dass das soziale System vorwerfbar nicht die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, einer Unrechtsverwirklichung mittels Organisationsmaßnahmen entgegenzutreten. Strafrechtlich besteht Schuld in der Missachtung des in der Norm „eingefrorenen“ gesellschaftlichen Sinns und damit in der demonstrierten Rechtsuntreue.538 Die Schuld des Verbands liegt bei einer verbandsbezogenen Straftat eines seiner Angehörigen darin, dass er die an ihn gerichtete Pflicht nicht erfüllt hat, dieser Straftat mit zumutbaren Anstrengungen entgegenzutreten, obwohl dies von ihm zu erwarten war. 3. „Verwässerung“ des individualstrafrechtlichen Schuldbegriffs Im Zusammenhang mit der Debatte um die Einführung des Verbandsstrafrechts ist die Befürchtung geäußert worden, dass es durch die Abschwächung strafrechtlicher Grundsätze im Verbandsstrafverfahren zu einer „Verwässerung“ des Individualstrafrechts kommen könnte.539 Wie gezeigt, kann ein individualethischer Vorwurf gegenüber Verbänden nicht erhoben werden.540 Im Verbandsstrafrecht wird dieser durch einen kollektivethischen Vorwurf ersetzt.

534

Lampe ZStW 106, 683 (732). Böse in FS Jakobs S. 15 (22). 536 KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 11; Lampe ZStW 106, 683 (732). 537 Dannecker GA 2001, 101 (112); Lampe ZStW 106, 683 (732). 538 KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 11; vgl. auch Jakobs Schuldprinzip S. 35. 539 Vgl. hierzu Wess ÖZW 2015, 131 FN 4 m.w.N. 540 Siehe 1. Teil D. II. 535

D. Begründung der Schuldfähigkeit von Verbänden

75

Dies wirft die Frage auf, ob sich Modifikationen des Schuldverständnisses im Verbandsstrafrecht auf das Individualstrafrecht auswirken können. Nach dem Vorschlag der doppelspurigen Organisationspflicht ist eine derartige Befürchtung aus 3 Gründen nicht gerechtfertigt. Erstens wird das Schuldprinzip im Unterschied zur Lehre vom Rechtsgüternotstand541 bei diesem Vorschlag nicht durch ein anderes Legitimationsprinzip ersetzt. Eine „notstandsähnliche Schwächung der Präventiveffizienz“, die schuldgelöste Sanktionen rechtfertigen soll, ließe sich u.U. auch für bestimmte Bereiche des Individualstrafrechts feststellen. Die Gefahr einer schleichenden Erosion des Schuldprinzips, die vom Verbands- auf das Individualstrafrecht „überzuspringen“ droht, besteht daher wegen der Aufrechterhaltung des Schuldprinzips nicht. Zweitens werden die personalen Grenzen des Schuldbegriffs nicht eingerissen, weil die Konzeption der doppelspurigen Organisationspflicht nicht auf einer Zurechnung von Schuld basiert. Würde die Schuldzurechnung im Verbandsstrafrecht zugelassen, bestünde die Gefahr, dass der Versuch unternommen wird, dieses Konzept auf das Individualstrafrecht zu übertragen. Drittens wird durch die Modifikation des Schuldverständnisses im Verbandsstrafrecht der sachliche Gehalt des individualstrafrechtlichen Schuldbegriffs nicht ausgehöhlt. Der nach der Konzeption der doppelspurigen Organisationspflicht entwickelte kollektivethische Schuldbegriff ist auf Menschen nicht übertragbar. Der Grund hierfür ist, dass diesen im Unterschied zu Verbänden die Menschenwürde zusteht (Art. 1 Abs. 1 GG) und deshalb bei ihnen nicht auf einen individualethischen Vorwurf verzichtet werden darf. Der Vorschlag der doppelspurigen Organisationspflicht bleibt deshalb auf das Verbandsstrafrecht beschränkt. Eine „Verwässerung“ des individualstrafrechtlichen Schuldbegriffs droht nicht. 4. Zwischenergebnis Der Vorschlag einer doppelspurigen Organisationspflicht differenziert zwischen Unrecht und Schuld. Die Verletzung der einheitlichen Organisationspflicht, verbandsbezogenen Straftaten eines seiner Angehörigen mit zumutbaren Anstrengungen entgegenzutreten, stellt das Unrecht des Verbands dar. Diese einheitliche Organisationspflicht unterteilt sich in 2 Spuren. Bei einer verbandsbezogenen Straftat eines Mitarbeiters ist der Verband für dessen Straftat verantwortlich, wenn er seine Aufsichtspflicht durch ein Organ vorwerfbar verletzt hat (1. Spur). Begeht ein Organ die verbandsbezogene Straftat, organisiert dieses durch seine Straftat zugleich „uno actu“ den Verband fehlerhaft (2. Spur). Bei dieser Pflicht zur Selbstkontrolle liegt die zumutbare Anstrengung darin, die Straftat zu unterlassen. Die Pflicht zur Organisation obliegt den Organen. Die Schuld des Verbands bei einer verbandsbezogenen Straftat eines seiner Angehörigen ist darin zu sehen, dass er die an ihn gerichtete Pflicht nicht erfüllt hat, dieser Straftat mit zumutbaren Anstrengungen entgegenzutreten, obwohl dies von ihm zu erwarten war. 541

Ausführlich hierzu 1. Teil B. I. 2. a).

76

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Eine „Verwässerung“ des individualstrafrechtlichen Schuldbegriffs droht durch den Vorschlag einer doppelspurigen Organisationspflicht nicht. VI. Zwischenergebnis Im Verbandsstrafrecht ist es zulässig, den individualethischen Vorwurf des Individualstrafrechts durch einen kollektivethischen Vorwurf zu ersetzen. Eine Zurechnung der Schuld von natürlichen Personen zum Verband scheidet wegen des höchstpersönlichen Charakters der Schuld aus. Auch die bisher unterbreiteten Konzepte der Begründung einer originären Verbandsschuld überzeugen nicht vollständig. Eine eigene Verbandsschuld kann nicht damit begründet werden, dass in der sozialen Wirklichkeit ein sittlicher Maßstab an Verbände angelegt wird. Die Lehre vom Organisationsverschulden muss sich der unzulässigen Vermutung einer fehlerhaften Organauswahl bedienen, um eine hinreichende Verantwortlichkeit für verbandsbezogene Straftaten von Organen zu begründen. Zudem weist sie eine Lücke bei Straftaten des Organs an der Spitze auf, das naturgemäß von niemandem überwacht werden kann. Des Weiteren unterscheidet die Lehre vom Organisationsverschulden nicht zwischen Unrecht und Schuld. Diese Defizite werden durch den Vorschlag einer doppelspurigen Organisationspflicht vermieden.

E. Subjekt der Verbandsstrafbarkeit Wie die vorherigen Ausführungen gezeigt haben, ist eine strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden im deutschen Recht zulässig. Für die Einführung eines Verbandsstrafrechts muss die Frage geklärt werden, welche Organisationsform des Systems Verband Adressat der Strafe ist. Dies ist auch für die Verbandsgeldstrafe von Interesse, weil sich die Höhe einer Geldsanktion u.a. an der Leistungsfähigkeit des Adressaten orientiert.542 Hierfür ist zunächst der Blick auf Österreich zu richten, um anschließend dazu Stellung zu nehmen, welches Rechtssubjekt in Deutschland taugliches Sanktionssubjekt einer Strafe ist. I. Rechtslage in Österreich Das VbVG ermöglicht die Verhängung von strafrechtlichen Sanktionen gegen Verbände. § 1 Abs. 2 VbVG bestimmt, dass Verbände im Sinne dieses Gesetzes juristische Personen sowie eingetragene Personenhandelsgesellschaften und Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen sind. Zunächst ist der Begriff des Verbands näher zu präzisieren. Danach werden die Bereichsausnahmen des VbVG erläutert, um abschließend die Rolle des Konzerns im Verbandsstrafrecht darzustellen. 1. Begriff des Verbands Der Begriff des Verbands bezeichnet die von den Sanktionen betroffenen Rechtssubjekte als Unternehmensträger.543 Österreich hat sich für das Rechtsträgerprinzip und gegen das Unternehmen als Sanktionsadressat entschieden. Wenngleich eine gesetzliche Definition des Unternehmensbegriffs im sanktionsrechtlichen Sinn in Österreich fehlt,544 ist hierunter ein von einer begrenzten, aber nicht endgültig geschlossenen Personengruppe gebildetes Handelssystem zu verstehen, welches unter rationalem Einsatz zweckdienlicher Mittel ein relativ genau umrissenes Ziel fortgesetzt verfolgt. Diese Systeme können mit zunehmender Größe in Subsysteme unterfallen, deren rechtliche Selbstständigkeit variiert.545 Im Schrifttum werden gegen die Anknüpfung an das Unternehmen als Sanktionsadressat 2 Argumente vorgetragen. Erstens wird auf dessen fehlende Rechtsfähigkeit verwiesen. Diese sei aber eine zwingende Voraussetzung, um Sanktionssubjekt sein zu können. Zweitens solle ein Verbandsstrafrecht nicht nur unternehmerisch tätige Verbände erfassen, sondern auch solche ohne wirtschaftliche Betätigung.546 Zentrale Voraussetzung des Verbands ist, dass die Organisation zumindest teilrechtsfähig ist, also im Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründen bzw. eingehen kann.547 Die 542

Ausführlich zur Orientierung der Geldstrafe an der Leistungsfähigkeit des Adressaten siehe 2. Teil B. II. 1. Steininger VbVG § 1 Rn. 14. 544 Hierauf hinweisend Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 387. 545 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 154. 546 Zum Ganzen Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 395 f. 547 Steininger VbVG § 1 Rn. 14. 543

78

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

wirtschaftliche Zielsetzung der Verbände spielt dagegen keine Rolle. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 4 Abs. 4 Satz 3 VbVG. Außerdem werden Verbände vom VbVG unabhängig davon erfasst, ob sie privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Ursprungs sind.548 Juristische Personen des Privatrechts sind Kapitalgesellschaften, wie GmbH und Aktiengesellschaft, Genossenschaften, Sparkassen, Sparkassenvereine, ideelle Vereine etc. Vom Begriff der juristischen Person werden auch politische Parteien erfasst.549 Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts umfassen zunächst die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden). Darüber hinaus sind z.B. auch die Rechtsträger der wirtschaftlichen und beruflichen Selbstverwaltung (Kammern) und selbstständige Anstalten auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (Österreichische Nationalbank, Finanzmarktaufsicht, etc.) einbezogen.550 Unter Personenhandels- und Erwerbsgesellschaften werden Gesamthandsgemeinschaften verstanden, die (teil-) rechtsfähig sind. Im Unterschied zu juristischen Personen haften die Mitglieder persönlich neben dem Gesellschaftsvermögen. Jedoch haben diese Gesellschaften ansonsten im Außenverhältnis eine der juristischen Person vergleichbare Stellung. Zudem verfügen sie über ein Sondervermögen, das vom Vermögen der Gesellschafter getrennt ist. Hierzu zählen die OHG und die KG.551 Nicht anwendbar ist das VbVG auf den Einzelunternehmer. Dies gilt unabhängig von der Größe und der Tätigkeit des Unternehmens. Unternehmen sind per se keine Verbände. Vielmehr muss der Unternehmensträger die Kriterien des § 1 Abs. 2 VbVG erfüllen.552 Der Einzelunternehmer ist daher für Straftaten nur nach individualstrafrechtlichen Grundsätzen verantwortlich. Ebenfalls vom Anwendungsbereich des VbVG ausgenommen ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 1175 ff. ABGB).553 Dieser Ausnahme kommt eine erhebliche praktische Bedeutung zu. In der Baubranche ist es verbreitet, dass sich mehrere Firmen für die Durchführung eines Bauvorhabens als GbR zusammenschließen. Aufgrund der fehlenden Rechtspersönlichkeit (§ 1175 Abs. 2 ABGB) sah sich der österreichische Gesetzgeber an der Erstreckung des VbVG auf die GbR gehindert.554 Da Österreich auch jüngst durch das am 01.01.2015 in Kraft getretene Reformgesetz zur GbR an deren fehlender Rechtsfähigkeit ausdrücklich festgehalten hat,555 ist eine Änderung in Bezug auf die GbR nicht zu erwarten.

548

Steininger VbVG § 1 Rn. 17; 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 17 von 41. 549 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 4; Steininger VbVG § 1 Rn. 18. 550 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 4 f. 551 Steininger VbVG § 1 Rn. 20 f. 552 Steininger VbVG § 1 Rn. 23. 553 Zum ABGB siehe 1. Teil C. I. 1. c). 554 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 17 von 41. 555 Ö-BGBl. I 83/2014.

E. Subjekt der Verbandsstrafbarkeit

79

2. Bereichsausnahmen für hoheitliches und seelsorgerisches Handeln Das VbVG ist nicht anwendbar auf Bund, Länder, Gemeinden und andere juristische Personen, sofern sie „in Vollziehung der Gesetze“, also hoheitlich handeln (§ 1 Abs. 3 Z 2 VbVG). In Übereinstimmung mit bestimmten internationalen Rechtsakten556 nimmt der österreichische Gesetzgeber Verbände in diesem Fall von der Verantwortung aus.557 Hoheitsverwaltung liegt vor, wenn der Rechtsträger dem Staatsbürger mit Befehls- oder Zwangsgewalt gegenübertritt.558 In Vollziehung der Gesetze wird gehandelt, wenn durch den Erlass von Verordnungen und Bescheiden sowie durch andere tatsächliche Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben stehen, Verwaltungsakte erlassen werden.559 Die Bereichsausnahme wegen hoheitlicher Tätigkeit gilt unabhängig davon, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verband handelt.560 Letzteres wird beim Beliehenen relevant. Dieser ist als Privatrechtssubjekt zur Setzung bestimmter Hoheitsakte befugt. Beispiele hierfür sind private Vereine zur Begutachtung von Kfz.561 Vom Vorschlag des Ministerialentwurfs, dass Bund, Länder und Gemeinden sowohl bei hoheitlichem Handeln als auch bei privatwirtschaftlichem Handeln nicht unter das VbVG fallen, hat der Gesetzgeber dagegen bewusst Abstand genommen. Es würde eine unzulässige Ungleichbehandlung darstellen, wenn Bund, Länder und Gemeinden auch bei unternehmerischen oder sonstigen privatwirtschaftlichen Tätigkeiten vom VbVG ausgenommen wären.562 Jedoch wird darauf verwiesen, dass die Sanktionierung von öffentlich-rechtlichen Verbänden weitergehend dadurch eingeschränkt sein kann, dass der Staat das Bestrafungsmonopol besitze und sich nicht selbst bestrafen könne.563 Schließlich sind Kirchen und Religionsgesellschaften sowie religiöse Bekenntnisgemeinschaften vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen, soweit sie seelsorgerisch tätig sind. Dies gilt wiederum unabhängig davon, ob sie als juristische Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts organisiert sind.564 Der Begriff der Seelsorge ist bisher nicht weiter definiert worden. In der Literatur wird vorgeschlagen, auf die Unterstützung des Einzelnen in Fragen des Glaubens und der Lebens-

556

Siehe 1. Teil B. III. 2. Für Österreich gelten dieselben internationalen Vorgaben wie für Deutschland. 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 17 von 41. 558 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 8. 559 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 8. 560 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 17 von 41. 561 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 10. 562 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 17 von 41. 563 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 371 f.; Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 9. 564 Steininger VbVG § 1 Rn. 32. 557

80

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

führung abzustellen.565 Die Ausnahme zugunsten von Kirchen und Religionsgemeinschaften wird kritisch beurteilt.566 Dem ist zuzustimmen. Wenngleich die den Kirchen und Religionsgemeinschaften zustehende Religionsfreiheit auch die Wahrnehmung seelsorgerischer Belange schützt,567 gilt dies nicht grenzenlos. Werden Kirchen und Religionsgemeinschaften dazu verpflichtet, sich bei seelsorgerischen Tätigkeiten an die für jedermann geltenden Strafgesetze zu halten, schränkt dies die Religionsfreiheit nicht unzumutbar ein. Beispielhaft sei hier auf die Verpflichtung verwiesen, die bauliche Sicherheit von Kirchengebäuden zu garantieren, damit die Besucher einer Messe durch herabstürzende Deckenteile weder getötet noch verletzt werden. 3. Konzern im Verbandsstrafrecht Die das Wirtschaftsleben in den Industrieländern beherrschenden Konzerne zeigen, dass größere Unternehmen oft aus mehreren rechtlich selbstständigen Teilen bestehen können. Diese sind einer – mehr oder weniger ausgeprägten – einheitlichen Leitung unterstellt, ohne dass damit eine rechtlich selbstständige Gesamtorganisation geschaffen wird.568 Da strafrechtlich relevantes Verhalten von natürlichen Personen nicht an die Grenzen einzelner Verbände gebunden ist, führt ein Verbandsstrafrecht, das sich am einzelnen Rechtsträger orientiert, zu Hindernissen bei der Sanktionierung.569 Verbandsbezogene Straftaten können auch durch verbandsübergreifende Weisungen veranlasst werden. Diese Problematik stellt sich insbesondere bei Konzernen. Wenngleich das österreichische Recht kein kodifiziertes Konzernrecht kennt, findet sich eine inhaltsgleiche Definition des Konzerns in § 15 österreichisches Aktiengesetz und in § 115 österreichisches GmbH-Gesetz. Konzerne sind hiernach rechtlich selbstständige Unternehmen, die zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind. Zudem gelten rechtlich selbstständige Unternehmen als Konzern, sofern zwischen ihnen ein Beherrschungsverhältnis besteht. Das herrschende und das abhängige Unternehmen gelten dabei gemeinsam als Konzern, jedes einzelne als Konzernunternehmen. Die österreichische Konzerndefinition wird über ihren Wortlaut hinaus auch auf als Gesamthand organisierte Gesellschaften wie OHG und KG angewendet.570 Die rechtliche Selbstständigkeit des einzelnen Verbands hindert die Konzernspitze dabei oft nicht, den Verband weitgehend fremd zu bestimmen und wie eine Betriebsabteilung zu führen.571 Hierdurch existieren Verbände, die durch finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung in das Unternehmen des Oberverbands als dessen „willenloses Werkzeug“ gekennzeichnet sind.572

565

Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 15. Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 15. 567 Die Religionsfreiheit umfasst das Recht, das gesamte Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten, vgl. BVerfG Beschl. v. 19.10.1971 Az.: 1 BvR 387/65 Rn. 21. 568 Zum Ganzen Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 154. 569 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 154. 570 Zum Ganzen Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 155 f. 571 Hierzu Priester ZIP 1986, 137 (142). 572 Zum Ganzen Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 159. 566

E. Subjekt der Verbandsstrafbarkeit

81

Daher wird in Österreich zumindest erwogen, ob auch Konzerne als Adressaten des VbVG in Betracht kommen. Dafür wird auf eine Parallele mit dem europäischen Kartellrecht verwiesen, das sich auch gegen Konzerne richtet, wenn diese als wirtschaftliche Einheit agieren.573 Dennoch wird entsprechenden Parallelen eine Absage unter Verweis darauf erteilt, dass das europäische Kartellrecht ausschließlich wirtschaftsrechtliche Vorgänge behandelt, um den gemeinschaftsweiten Wettbewerb zu sichern. Zur Sicherung dieses Wettbewerbs sei ein effektives Kartellrecht, dem sich Verbände nicht leicht entziehen können, unerlässlich. Dies gelte aber nicht in gleicher Weise für die strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden.574 Zudem habe der Gesetzgeber sowohl im VbVG als auch in den Materialien zur Regierungsvorlage das Wort „Konzern“ vermieden.575 Daher bestehe weder „de lege lata“ noch „de lege ferenda“ die Notwendigkeit, das VbVG auf den Konzern zu erstrecken.576 4. Zwischenergebnis Der österreichische Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, die Strafe am Verband, also am Rechtsträger, zu orientieren und nicht am Unternehmen. Prägendes Merkmal des Verbands ist die Rechtsfähigkeit des Personenzusammenschlusses. Daneben sieht das VbVG eine Bereichsausnahme für hoheitliches und seelsorgerisches Handeln von Verbänden vor. Während die Ausnahme für seelsorgerisches Handeln bereits auf den ersten Blick nicht überzeugt, ist diese für hoheitliches Handeln zumindest zu erwägen. Eine Einbeziehung des Konzerns wird in Österreich trotz einer ggf. bestehenden einheitlichen Gestaltungsmacht abgelehnt. II. Verband Das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht wird vom Rechtsträgerprinzip beherrscht.577 Sanktionssubjekt ist daher der rechtsfähige Verband.578 Demgegenüber richtet sich das europäische Kartellordnungswidrigkeitenrecht an das Unternehmen.579 Auch für ein deutsches Verbandsstrafrecht stellt sich die Frage, ob die strafrechtliche Verantwortung an das Unternehmen (hierzu 1.) oder den Rechtsträger des Unternehmens (hierzu 2.) anzuknüpfen ist.580 1. Unternehmen als Sanktionsadressat Der Begriff des Unternehmens wird in verschiedenen Gesetzen erwähnt, etwa in §§ 9, 130 OWiG, §§ 5 Nr. 7, 11 Abs. 1 Nr. 4b, 14, 75 Nr. 5, 203 Abs. 1 Nr. 6, 206, 264 Abs. 7,

573

Dies erwägend Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 161. Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 161 f. 575 Lediglich in 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41 weist der Gesetzgeber darauf hin, dass der bloße Umstand einer Konzernzugehörigkeit noch nicht bedeute, dass der Verband wirtschaftlich leistungsfähiger wäre (Hervorhebung durch Verfasser). 576 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 162. 577 So ausdrücklich BGH NJW 2012, 164 (165). 578 Zu Überlegungen das deutsche Kartellordnungswidrigkeitenrecht an die europäische Rechtslage anzugleichen vgl. Ost/Kallfaß/Roesen NZKart 2016, 447 (454). 579 Vgl. Art. 23 VO 1/2003. 580 Dannecker GA 2001, 101 (116). 574

82

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

264a, 265b, 303b StGB, § 1 GWB oder § 2 UStG. Nichtsdestotrotz kennt das deutsche Recht ebenso wenig wie das österreichische581 einen einheitlichen Unternehmensbegriff.582 Als kleinster gemeinsamer Nenner ist festzuhalten, dass für das Unternehmen das Betreiben einer wirtschaftlich ausgerichteten Tätigkeit kennzeichnend ist.583 Der EuGH versteht im europäischen Kartellordnungswidrigkeitenrecht unter einem Unternehmen jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.584 Die Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten kennen eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsträger. Deswegen musste der europäische Gesetzgeber auf den rechtsformübergreifenden und damit international kompatiblen Begriff des Unternehmens abstellen.585 Diese Definition schließt Verbände aus, die keine wirtschaftlich ausgerichtete Tätigkeit betreiben.586 Für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht, das den funktionierenden Wettbewerb zu schützen beabsichtigt, mag diese Begriffsbestimmung ausreichen. Ein Verbandsstrafrecht muss dagegen umfassender angelegt sein. Auch Verbände, die keine wirtschaftliche Betätigung anstreben, können strafrechtlich geschützte Rechtsgüter anderer Personen durch ihre Tätigkeit in erheblichem Umfang beeinträchtigen.587 Beispielhaft sei hier auf Tötungsund Körperverletzungsdelikte infolge unterlassener Sicherungsmaßnahmen verwiesen. Diese können in gleichem Maße von wirtschaftlich wie nicht wirtschaftlich tätigen Verbänden begangen werden. Daher ist ein teilweise geforderter Ausschluss für nicht wirtschaftlich tätige Verbände, wie z.B. Vereine,588 abzulehnen. Zudem führt das Abstellen auf das Unternehmen zu Friktionen bei der praktischen Umsetzung der Verbandsgeldstrafe. Soll das Unternehmen das Sanktionssubjekt sein, muss für die Verhängung und Vollstreckung der Geldsanktion doch wieder auf den Rechtsträger zurückgegriffen werden. Denn hierfür ist die (Teil-) Rechtsfähigkeit des Adressaten unverzichtbar.589 Andernfalls wäre nicht geklärt, an wen Zustellungen ergehen sollen, wer die Vertretung im Verfahren übernimmt und in wessen Rechtsgüter vollstreckt werden kann. Daher muss auch ein Bußgeldbescheid für Verstöße gegen das europäische Kartellrecht an einen konkreten Rechtsträger adressiert werden, obwohl sich die Geldsanktion gegen das Unternehmen richten soll.

581

Siehe hierzu 1. Teil E. I. 1. K. Schmidt Handelsrecht S. 73; Queck S. 24 f.; Wegner Die Systematik der Zumessung unternehmensbezogener Geldbußen S. 35. 583 Wegner Die Systematik der Zumessung unternehmensbezogener Geldbußen S. 33 ff. 584 EuGH Urt. v. 23.04.1991 Rs. C-41/90, Slg. 1991 I-1979; EuGH Urt. v. 19.01.1994 Rs. C-364/92, Slg. 1994 I-43; EuGH Urt. v. 16.11.1995, Rs. c.244/94; Slg. 1995 I-4013. 585 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 115. 586 Siehe hierzu 1. Teil E. I. 1. 587 Ähnlich auch Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 395. 588 Rübenstahl ZRFC 2014, 26 (28). 589 Für das EG-Recht Wegner Die Systematik der Zumessung unternehmensbezogener Geldbußen S. 240 f.; Bahnmüller Strafrechtliche Unternehmensverantwortlichkeit im europäischen Gemeinschafts- und Unionsrecht S. 228. 582

E. Subjekt der Verbandsstrafbarkeit

83

Nur über den Rechtsträger kann der Verband daher in der Außenwelt juristisch greifbar gemacht werden.590 Es ist aber inkonsequent, die Sanktion angeblich gegen das Unternehmen zu richten, dann aber für die praktische Umsetzung wieder auf den Rechtsträger zurückzugreifen. 2. Rechtsträgerprinzip Neben den gerade beschriebenen Defiziten des Unternehmensbegriffs für die Bestimmung des Sanktionsadressaten sprechen auch positive Gründe dafür, auf den Rechtsträger abzustellen. Eine Geldsanktion gegen Verbände lässt sich nicht ausschließlich auf die Zahlung einer Geldsumme reduzieren. Mit der Strafe wird dem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen.591 Die Strafe knüpft an ein sozialethisches Unwerturteil an.592 Die verschiedenen Arten von Rechtsträgern sind – anders als der unscharfe Begriff des Unternehmens – klar umrissen. Zudem sind sie rechtsfähig und nehmen selbst am Rechtsverkehr teil. Nur dem Rechtsträger gegenüber kann daher das sozialethische Unwerturteil, das mit der Strafe verbunden ist, ergehen. Es muss sowohl für die Öffentlichkeit als auch für den Täter erkennbar sein, wem genau ein Vorwurf zu machen ist.593 Wird das mit der Strafe verbundene Unwerturteil auf ein so schwer abgrenzbares Gebilde wie das Unternehmen bezogen, bleibt offen, wer für die verbandsbezogene Zuwiderhandlung eigentlich strafrechtlich verantwortlich ist. Zudem ist das Abstellen auf ein nicht klar umrissenes Subjekt auch mit dem Schuldgrundsatz schwer vereinbar. Die bereits existierende ordnungsrechtliche Verbandsgeldbuße ist Ausdruck einer Verantwortlichkeit für eigene Delinquenz.594 Gleiches gilt für die Verbandsstrafe. Der Schuldgrundsatz gebietet, dass Strafen in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen.595 Er schließt die strafende Ahndung einer Tat ohne Schuld des Täters aus.596 Von der Schuld eines Rechtssubjekts kann begrifflich nur die Rede sein, wenn dieses hinreichend klar umrissen und individualisierbar ist. Dies trifft nur bei Rechtsträgern zu. Beim Abstellen auf ein so konturenloses Gebilde wie das Unternehmen lässt sich nicht von Schuld sprechen. Die Schuld wird in einem solchen Fall nicht klar einem bestimmten Rechtssubjekt zugeordnet, so dass Sanktionen gegen jemanden verhängt werden, gegenüber dem mangels hinreichender Abgrenzbarkeit kein Schuldvorwurf erhoben werden kann. Die sanktionsfähigen Verbände umfassen juristische Personen, wie die GmbH, die Aktiengesellschaft und den Verein, sowie rechtsfähige Personengesellschaften, wie die OHG und die KG.597 Nach Anerkennung ihrer (Teil-) Rechtsfähigkeit598 zählt auch die GbR hierzu. 590

Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 114; Hirsch ZStW 107, 285 (299). BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 54; BVerfGE 20, 323 (331); 95, 96 (140). 592 BVerfGE 96, 245 (249); vgl. auch BVerfG NJW 2004, 2073 (2075). 593 Dafür, dass sich der Vorwurf gegen den Unternehmensträger richten muss, im Ordnungswidrigkeitenrecht auch Achenbach wistra 2012, 413 (415). 594 Werner wistra 2015, 176 (179); Verjans in FS Schiller S. 662 (665 f.); KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 8. 595 BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 57. 596 BVerfGE 20, 323 (331); 50, 125 (133); BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 57. 597 So auch NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 39. 591

84

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Politische Parteien sind ebenfalls erfasst. Trotz ihrer verfassungsrechtlich geschützten Stellung (Art. 21 GG) müssen sie ihre Tätigkeit im Rahmen der für alle geltenden Strafgesetze ausüben.599 Aus dem Abstellen auf den Rechtsträger folgt, dass der Einzelkaufmann nicht unter das Verbandsstrafrecht fällt.600 Dass er wie bestimmte Verbände ein Unternehmen betreibt, ist unerheblich, weil der Sanktionsadressat der Rechtsträger des Unternehmens ist. Der Einzelkaufmann ist aber kein Verband und als natürliche Person nur nach den Grundsätzen des Individualstrafrechts für Straftaten verantwortlich. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Handlungsfähigkeit des Einzelkaufmanns als natürliche Person im Unterschied zu Verbänden keiner gesonderten Begründung bedarf. Dieser ist nicht auf Repräsentanten angewiesen, um am Rechtsverkehr teilzunehmen. Für ihn gelten die Handlungen seiner Vertreter nicht als eigene, weil er als natürliche Person selbst am Rechtsverkehr teilnehmen kann.601 Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass beim Einzelkaufmann, dem als natürlicher Person die Menschenwürde zukommt, – anders als bei Verbänden –602 nicht auf einen individualethischen Schuldvorwurf verzichtet werden kann. Daher muss die Schuld des Einzelkaufmanns nach den Maßstäben des Individualstrafrechts bestimmt werden. Ein Abstellen auf den Schuldbegriff des Verbandsstrafrechts wäre beim Einzelkaufmann unzulässig.603 Im Übrigen sprechen auch Gleichheitsgesichtspunkte dagegen, den Einzelunternehmer anders als andere natürliche Personen dem Verbandsstrafrecht nur aufgrund der Tatsache zu unterstellen, dass er ein Unternehmen betreibt.604 3. Zwischenergebnis Für ein deutsches Verbandsstrafrecht muss das Rechtsträgerprinzip gelten. Nur dem rechtsfähigen Verband gegenüber kann das mit der Strafe verbundene sozialethische Unwerturteil ergehen. Zudem lässt sich von einer Schuld des Täters begrifflich nur beim rechtsfähigen und eindeutig abgrenzbaren Verband sprechen. Das konturenlose Unternehmen ist dagegen als Sanktionsadressat abzulehnen. III. Verantwortlichkeit im Konzern Wirtschaftlich agierende Verbände streben Wachstum an. Gerade besonders leistungsstarke Verbände werden aufgrund verschiedenster Motive über eine Konzernstruktur verfügen, um mit ihren Produkten in mehreren Ländern erfolgreich zu sein.

598

BGHZ 142, 315 ff.; BGHZ 146, 341 ff. NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 40. 600 Ehrhardt Unternehmensdelinquenz S. 219; so wohl auch Hirsch ZStW 107, 285 (299). 601 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 143 f. 602 Zum zulässigen Verzicht auf einen individualethischen Vorwurf im Verbandsstrafrecht siehe 1. Teil D. II. 603 Zur Schuld im Individualstrafrecht siehe 1. Teil B. I. 1. 604 Gegen eine Einbeziehung des Einzelunternehmers auch Vogel StV 2012, 427 (430). 599

E. Subjekt der Verbandsstrafbarkeit

85

Bei der Frage, ob Konzerne bei Verbandsgeldsanktionen zu berücksichtigen sind, geht es nicht darum, dass der Konzern zum Subjekt der Verbandsgeldstrafe erhoben wird. Dies können, wie gezeigt, nur einzelne rechtsfähige Verbände sein.605 Vielmehr geht es in diesem Zusammenhang um 2 andere Gesichtspunkte, die voneinander zu trennen sind. Zum einen stellt sich die Frage, ob für die Bemessung der Geldstrafe Konzernerträge einzubeziehen sind. Hierzu wird im Rahmen der Ausführungen zur Ausgestaltung der Verbandsgeldstrafe Stellung genommen.606 Zum anderen geht es um die Problematik, ob die Geldsanktion auch gegen den Konzernoberverband gerichtet werden kann, wenn der Individualtäter einem Konzerntochterverband angehört. Für eine Verantwortlichkeit des Konzernoberverbands in diesem Fall lassen sich Präventionsgesichtspunkte anführen.607 Der herrschende Mutterverband ist in der Lage, abhängige Tochterverbände zu kontrollieren. In der Realität ist es diesem häufig trotz der formalen juristischen Selbstständigkeit der Tochterverbände möglich, einen bestimmenden Einfluss auf diese auszuüben.608 Ein Konzern verfügt regelmäßig wie ein Unternehmen über eine einheitliche Leitung. Er ist daher nicht formalrechtlich, aber faktisch wie ein Unternehmen organisiert.609 In diesen Fällen sind trotz der juristischen Selbstständigkeit der Konzernverbände direkte Einflussnahmen möglich. Im Ergebnis bestehen daher im Konzern häufig ähnliche Einflussmöglichkeiten wie in einem hierarchisch gegliederten Verband.610 Aus diesen Gründen ist eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Konzernoberverbands für verbandsbezogene Straftaten der Tochterverbände zumindest zu erwägen. Die Verantwortlichkeit des Tochterverbands für die Straftat ihres Angehörigen bleibt hiervon unberührt. Da kein Verbandsangehöriger des Konzernoberverbands die Straftat begangen hat, kann der Konzernoberverband für die Straftat nur verantwortlich sein, wenn er die Tochterverbände zu beaufsichtigen hat. Die Mitglieder der Konzernspitze sind nicht in der Lage, sämtliche Entscheidungen der Tochterverbände zu kontrollieren. Ausgangspunkt einer möglichen Aufsichtspflicht ist die Überlegung, dass die Konzernspitze gleichwohl für die Überwachung der aus dem Konzern insgesamt hervorgehenden Unternehmensgefahren zuständig sein könnte.611 Diese Unternehmensgefahren resultieren auch aus dem Verhalten von rechtlich selbstständigen Tochterverbänden. Teilweise wird eine Konzernaufsichtspflicht bei § 130 OWiG abgelehnt.612 Eine vermittelnde Ansicht will den Durchgriff auf Fälle der 100-prozentigen Beteiligung beschränken.613

605

Siehe 1. Teil E. II. 2. Siehe hierzu 2. Teil B. II. 2. 607 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 117. 608 KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 27. 609 KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 27. 610 Ähnlich auch Kirch-Heim Sanktion gegen Unternehmen S. 117. 611 So Ransiek ZGR 1999, 613 (628 f.). 612 Koch AG 2009, 564 (571); kritisch auch Aberle/Holle in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund S. 117 ff; für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht Bürger WuW 2011, 130 (135 f.); Petermann in Der 606

86

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Andere vermittelnde Stimmen plädieren für eine Beschränkung der Aufsichtspflicht auf den Konzernbereich ohne direkten Durchgriff auf den Tochterverband.614 Eine dritte Meinungsgruppe innerhalb der vermittelnden Ansichten will die Aufsichtspflicht auf den Konzernbereich beschränken, soweit der Mutterverband nicht derart strukturiert ist, dass er auf einzelne Entscheidungen des Tochterverbands einwirken kann.615 Die Gegenansicht spricht sich für eine generelle Aufsichtspflicht des Mutterverbands über die Tochterverbände im Konzern aus.616 Das Bundeskartellamt hat im Tondachziegelfall ein ordnungsrechtliches Bußgeld gegen den Konzernoberverband mit der Begründung verhängt, dass ein Konzern faktisch nicht anders organisiert sei als ein einheitlicher Betrieb. Deswegen treffe einen Konzernoberverband dieselbe Verantwortung wie den Betriebsinhaber, wenn er bestimmte Tätigkeiten auf Tochterverbände delegiere.617 Die Entscheidung wurde später aus tatsächlichen Gründen aufgehoben.618 Der BGH hat die Frage einer Aufsichtspflicht des Konzernoberverbands bisher offengelassen.619 Das OLG München nimmt eine solche bei tatsächlicher Einflussnahme auf den Tochterverband an.620 Eine Aufsichtspflicht des Konzernoberverbands würde zu einer doppelten Unternehmensinhaberschaft sowohl des Konzernober- als auch des Konzerntochterverbands führen.621 Dies kann Probleme nach sich ziehen, wenn sich die beiden Unternehmensinhaber nicht einig sind. Außerdem muss eine Aufsichtspflicht an der Grenze des Rechtsträgers enden, weil die Tochterverbände rechtlich selbstständig sind.622 Aufgrund des gesellschaftsrechtlichen Trennungsgrundsatzes, nach dem auch in Konzernstrukturen die rechtliche Selbstständigkeit der Konzernverbände anzuerkennen ist, haftet der Verband im Konzernverbund nur für eigenes, über die jeweiligen Organe vermitteltes zivilrechtliches Verschulden.623 Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass gewisse Überwachungs- und Organisationspflichten der Unternehmensspitze nur Auswirkungen im Innenverhältnis zwischen Unternehmensspitze und abhängiger Gesellschaft entfalten. Im Außenverhältnis können diese Pflichten keine Garantenstellung begründen.624 Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund S. 99 (105); Tschierschke in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund S. 137 (142); von Schreitter NZKart 2016, 253 (264). 613 Tiedemann NJW 1979, 1849 (1852). 614 Göhler/Gürtler OWiG § 130 Rn. 5a; so wohl auch Mansdörfer/Timmerbeil WM 2004, 362 (368 f.). 615 Bohnert OWiG § 130 Rn. 7; Graf/Jäger/Wittig/Niesler § 130 OWiG Rn. 52 ff; Bock ZIS 2009, 68 (71); ähnlich Wirtz WuW 2001, 342 (347 ff.); Achenbach NZWiSt 2012, 321 (326 f.); W. Bosch ZHR 177, 454 (466); Rönnau ZGR 2016, 277 (292). 616 Lemke/Mosbacher OWiG § 130 Rn. 7; OLG Jena NZG 2010, 226 (228); KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 27; wohl auch Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 393 f.; Pampel BB 2007, 1636 (1637). 617 BKartA Tätigkeitsbericht 2007/2008 S. 83 BT-Drucks 16/13500. 618 von Schreitter NZKart 2016, 253 (258); Rönnau ZGR 2016, 277 (278 f. FN 4). 619 BGH Beschl. v. 1.12.1981 Az.: KRB 3/79 Rn. 27 ff. 620 OLG München Beschl. v. 23.09.2014 Az.: 3 Ws 599/14, 3 Ws 600/14. 621 Koch AG 2009, 564 (571). 622 Petermann in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund S. 99 (105). 623 Rust NZKart 2015, 502 (503); Thomas/Legner NZKart 2016, 155; Hülsen/Kasten NZKart 2015, 296 (303). 624 Tschierschke in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund S. 137 (142); ähnlich auch Aberle/Holle in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund S. 117 (122).

E. Subjekt der Verbandsstrafbarkeit

87

Aus den dargelegten Gründen ist eine Aufsichtspflicht im Konzern auch für ein Verbandsstrafrecht abzulehnen. Folglich sind Konzernoberverbände nicht verpflichtet, rechtlich selbstständige Tochterverbände bezüglich verbandsbezogener Straftaten von deren Organen und Mitarbeitern zu überwachen. Jedoch kann der Konzernoberverband für eine bestimmte Straftat des Tochterverbands verantwortlich sein, wenn die Organe oder Mitarbeiter des Konzernoberverbands hieran mitgewirkt haben. Dies ist jedoch Ausdruck der Verantwortlichkeit für verbandsbezogene Straftaten der eigenen Verbandsangehörigen. IV. Bereichsausnahmen Wie gezeigt, ist das österreichische VbVG nicht anwendbar, soweit der Verband hoheitlich handelt oder ein religiöser Verband seelsorgerisch tätig wird.625 Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch nimmt in Anlehnung an bestimmte internationale Vorgaben626 Straftaten vom Verbandsstrafrecht aus, soweit sie in Ausübung hoheitlicher Befugnisse vorgenommen wurden (§ 1 Abs. 2 Satz 1 VerbStrG-E). Da die internationalen Vorgaben die Einführung eines Verbandsstrafrechts aber nicht erfordern,627 ist zu prüfen, inwieweit eine derartige Ausnahme zu rechtfertigen ist. Dass eine Bereichsausnahme für seelsorgerische Tätigkeiten nicht überzeugt, wurde bereits gezeigt.628 Verbreitet wird in diesem Zusammenhang davon gesprochen, ob und inwieweit öffentlichrechtliche Verbände einem Sanktionssystem unterfallen sollen.629 Entscheidend kommt es darauf an, ob der Verband hoheitlich handelt. In der Regel werden nur öffentlich-rechtliche Verbände hoheitlich tätig. Ausnahmsweise können aber auch Privatverbände hoheitlich handeln. Dies gilt für den Fall der Beleihung. Dem Beliehenen ist als Privatrechtssubjekt die Befugnis eingeräumt, bestimmte Verwaltungskompetenzen im eigenen Namen und in eigener Verantwortung unter Inanspruchnahme der öffentlich-rechtlichen Handlungsform auszuüben.630 Eine Differenzierung nach der Organisationsform erscheint zudem deswegen zweifelhaft, weil die öffentliche Hand im Bereich der Leistungsverwaltung ein Wahlrecht besitzt, ob sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben privat- oder öffentlich-rechtlicher Organisationsformen bedient.631 Bei einer Differenzierung nach der Organisationsform könnte die öffentliche Hand daher gezielt über die Anwendbarkeit des Verbandsstrafrechts entscheiden. Für Verbände, die hoheitlich handeln können, ist deswegen nicht entscheidend, wer handelt, sondern wie er handelt. Folglich sind die verschiedenen Arten des Handelns daraufhin zu überprüfen, ob eine Ausnahme von der generellen Anwendbarkeit des Verbandsstrafrechts zu rechtfertigen ist. Für Verbände, die ausschließlich privatrechtlich handeln können, stellt sich die Frage nach einer Bereichsausnahme nicht.

625

Siehe 1. Teil E. I. 2. Siehe 1. Teil B. III. 2. 627 Siehe 1. Teil B. III. 1. 628 Siehe 1. Teil E. I. 2. 629 Hirsch ZStW 107, 285 (308); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 23; Schmitt Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände S. 210 f.; Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 124. 630 Zur Definition des Beliehenen Detterbeck Allg. Verwaltungsrecht S. 43; Maurer Allg. Verwaltungsrecht S. 610. 631 NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 40. 626

88

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

1. Hoheitliches Handeln Teilweise wird davon ausgegangen, dass Sanktionen gegen Verbände ausgeschlossen sind, wenn sie hoheitlich tätig werden.632 Begründet wird diese Auffassung mit Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung.633 Zwar seien Gerichte auch dazu berufen, die Rechtmäßigkeit von Akten der Exekutive und der Legislative zu überprüfen. Dies geschehe im Wege der abstrakten Normenkontrolle. Es bestehe jedoch ein qualitativer Unterschied zwischen einer Streitentscheidung bzw. einem Normenkontrollverfahren und einer (general- oder spezial-) präventiven Sanktion.634 Eine solche gehe über die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands hinaus. Sie solle eine abschreckende bzw. sichernde Wirkung entfalten und den Adressaten dadurch zu rechtmäßigem Verhalten bewegen. Jedenfalls soweit hoheitliche Befugnisse wahrgenommen würden, sei aber der jeweilige Hoheitsträger selbst dafür verantwortlich, dass die maßgebenden Rechtsvorschriften eingehalten werden.635 Diese Argumentation knüpft an die Debatte über die Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern an. Der Hoheitsträger ist mit Blick auf Art. 20 Abs. 3 GG zur Einhaltung des geltenden Rechts verpflichtet (sog. materielle Polizeipflichtigkeit). Die überwiegende Ansicht geht davon aus, dass ein anderer Hoheitsträger dem ersten Hoheitsträger gegenüber gleichwohl nicht zum Erlass einer Ordnungsverfügung berechtigt ist (sog. formelle Polizeipflichtigkeit).636 Dies wird damit begründet, dass der jeweilige Hoheitsträger eigenverantwortlich für die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften zuständig sei. Überdies stelle die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung selbst ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit dar. Die Erwägungen zur Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern sind nicht auf das Strafrecht übertragbar. Das Polizei- und Ordnungsrecht wirkt präventiv und soll Schäden vorbeugen. Wenngleich das Strafrecht auch präventive Zwecke verfolgt,637 ist es primär repressiv ausgerichtet und reagiert auf Rechtsgutsverletzungen, die sich realisiert haben. Daher ist der Erst-Recht-Schluss unzulässig, dass gegenüber nicht formell polizeipflichtigen Hoheitsträgern keine Sanktionsmaßnahmen ergehen dürfen, die über die konkrete Gefahrenabwehr hinausgehen.638 Das Strafrecht ist kein Plus gegenüber dem Ordnungsrecht, sondern ein Aliud. Zudem sagt das kompetenzrechtliche Argument, der jeweilige Hoheitsträger sei selbst für die Einhaltung der maßgebenden Rechtsvorschriften verantwortlich, nichts darüber aus, was geschieht, wenn der Hoheitsträger hierbei versagt hat. Des Weiteren ist der Frage nachzugehen, inwieweit die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung bei einer strafrechtlichen Verurteilung beeinträchtigt wird. Anders als im Polizeiund Ordnungsrecht wird nicht in eine auszuführende Handlung eingegriffen, sondern eine bereits ausgeführte Handlung wird nachträglich rechtlich bewertet. Soweit mit der 632 Schmitt Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände S. 211 f.; so wohl auch Hirsch ZStW 107, 285 (308); Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 124. 633 Seiler Strafrechtliche Maßnahmen S. 114; Athanassiou Die Strafbarkeit der juristischen Person S. 25 f. 634 Wohlfarth NJW 1980, 2237 (2238 f.); ähnlich auch Pohl-Sichtermann Geldbuße gegen Verbände S. 73. 635 Schenke POR Rn. 234. 636 Schenke POR Rn. 233 ff. m.w.N. 637 Zu den Strafzwecken siehe 1. Teil C. II. 638 So Pohl-Sichtermann Geldbuße gegen Verbände S. 72; Wohlfarth NJW 1980, 2237 (2238 f.).

E. Subjekt der Verbandsstrafbarkeit

89

strafrechtlichen Verurteilung auch eine Abschreckung bezweckt wird, ist nicht ersichtlich, inwieweit hierdurch die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung unzulässig beschränkt wird. Der einzelne Funktionsträger muss ohnehin befürchten, für die Verletzung von Strafgesetzen im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit als natürliche Person gemäß dem Individualstrafrecht zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Lähmung der öffentlichen Verwaltung ist hierdurch noch nicht eingetreten. Auch der Verband als solcher ist verpflichtet, im Rahmen der geltenden Gesetze zu handeln. Im Übrigen wird über das Strafrecht nicht jeder Rechtsverstoß, sondern lediglich eine Zuwiderhandlung gegen besonders wichtige Rechtsgüter sanktioniert. Den Eingriff in die immaterielle Position des Verbands durch das mit einer Strafe verbundene Unwerturteil muss der Verband im Falle hoheitlichen Handelns wie jeder privatrechtlich handelnde Verband hinnehmen. Auch hierdurch wird die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Hand nicht unzumutbar beeinträchtigt. Vielmehr würde es zu einer Stärkung des Vertrauens der Bürger in den Staat führen, wenn sie wissen, dass hoheitlich handelnde Verbände für Fehlverhalten ihrer Angehörigen in gleichem Maße einzustehen haben wie privatrechtlich handelnde Verbände. Die Intensität des Eingriffs in die materielle Position des Verbands ist nicht größer als bei der Verurteilung zu einer sonstigen Geldzahlung. Einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Hand kann hier über die Höhe der Geldsanktion begegnet werden, ohne dass dies eine Sanktionierung an sich ausschließen würde.639 Insgesamt ist daher eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung durch eine Verurteilung zu einer Strafe nicht zu befürchten. Für eine Anwendung des Verbandsstrafrechts bei hoheitlicher Tätigkeit lassen sich auch die Regelungen zur Verwaltungsvollstreckung gegen Bund, Länder und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts anführen.640 Hier greift die Rechtsprechung ebenfalls in den Bereich der vollziehenden Gewalt ein. Zudem ist daran zu erinnern, dass es gerade im Bereich der hoheitlichen Tätigkeit zu verbandsbezogenen Zuwiderhandlungen gegen Strafgesetze kommen kann. Ein Beispiel hierfür stellt der exzessive Gewalteinsatz von Polizeibeamten im Rahmen von Demonstrationen dar. Es ist der Polizei bekannt, dass es immer wieder zu Grenzüberschreitungen einzelner Beamter kommt. Es besteht kein Grund dafür, weshalb nicht auch das Land als Träger der Polizeibehörde gehalten sein soll, durch zumutbare Organisationsmaßnahmen strafrechtlich relevantem Verhalten bei der Polizei vorzubeugen. Dies gilt gleichermaßen für alle anderen hoheitlich tätigen Verbände. Der Grundsatz der Gewaltenteilung steht daher einer Sanktionierung bei hoheitlichem Handeln nicht im Weg. Auch die internationalen Vorgaben, an denen sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Verbandsstrafrechts orientieren darf, solange er die Grenzen des Grundgesetzes einhält, sehen vielfach keine Ausnahme zugunsten öffentlich-rechtlicher Verbände vor.641

639

Ausführlich zur Höhe der Geldsanktion gegenüber öffentlich-rechtlichen Verbänden siehe 2. Teil B. II. 6. b). So für das Ordnungswidrigkeitenrecht KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 36. 641 Siehe 1. Teil B. III. 2. 640

90

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Schließlich wird auf unvermeidliche Friktionen hingewiesen, die entstünden, wenn ein Gericht eine Körperschaft bestrafen könnte, deren Teil es selbst ist.642 Gegen dieses Argument ist jedoch einzuwenden, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass ein Gericht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften die Körperschaft verurteilt, der es selbst angehört. Bei Verwaltungsgerichten ist dies häufig der Fall, aber auch die Zivilgerichtsbarkeit hat über Amtshaftungsansprüche gegen das Land zu entscheiden, dessen Teil es ist (Art. 34 GG). Eine strafrechtliche Sanktionierung ist in diesem Fall deswegen nicht schlechthin ausgeschlossen. Im Ergebnis ist daher eine Bereichsausnahme für hoheitliches Handeln nicht angezeigt.643 2. Privatrechtliches Handeln Verbände, die hoheitlich handeln können, haben in bestimmten Bereichen die Option, privatrechtlich zu handeln. Es werden 3 Bereiche des privatrechtlichen Handelns der Verwaltung unterschieden: das Verwaltungsprivatrecht, die fiskalischen Hilfsgeschäfte und die erwerbswirtschaftliche Betätigung. Der Bereich des Verwaltungsprivatrechts ist eröffnet, wenn die Verwaltung unmittelbar Verwaltungsaufgaben in der Rechtsform des Privatrechts erfüllt.644 Dies kommt vor allem auf den Gebieten der Daseinsvorsorge und der Leistungsverwaltung in Betracht. Demgegenüber zeichnen sich fiskalische Hilfsgeschäfte dadurch aus, dass die Verwaltung Rechtsgeschäfte tätigt, um sich in den Stand zu versetzen, (später) öffentliche Aufgaben zu erfüllen.645 Von erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit des Staates spricht man, wenn sich der Staat primär nach wirtschaftlichen Grundsätzen und in der Absicht der Gewinnerzielung betätigt.646 Anhaltspunkte dafür, dass Verbandsstrafen im Bereich privatrechtlichen Handelns ausgeschlossen sein sollten, ergeben sich nicht. Bedenken, die im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung und die staatliche Zuständigkeitsanordnung geltend gemacht werden, entfallen bei verwaltungsprivatrechtlichem Handeln.647 Vielmehr betätigt sich die öffentliche Hand hier wie ein Privater am Markt. Wie oben gezeigt, besitzt die öffentliche Hand im Bereich der Leistungsverwaltung ein Wahlrecht zwischen der öffentlich-rechtlichen und der privatrechtlichen Organisationsform.648 Von diesem formellen Unterschied darf die Anwendbarkeit des Verbandsstrafrechts nicht abhängen. Dies gilt umso mehr, weil sich die öffentliche

642

So KK-Rogall OWiG § 30 Rn. 37, der von Beschränkungen spricht, die sich aus der Natur der Sache ergäben, juristische Personen des öffentlichen Rechts aber prinzipiell für sanktionsfähig hält; NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 40; Rönnau/Wegner ZRP 2014, 158 (159); Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden S. 23. 643 So auch Achenbach in FS Stree/Wessels S. 545 (553 f.); KK-OWiG Rogall § 30 Rn. 33 ff.; Lemke/ Mosbacher OWiG § 30 Rn. 13; Göhler/Gürtler OWiG § 30 Rn. 2; Löffelmann JR 2014, 185 (196). 644 Detterbeck Allg. Verwaltungsrecht S. 343; Maurer Allg. Verwaltungsrecht S. 49. 645 Detterbeck Allg. Verwaltungsrecht S. 346; Maurer Allg. Verwaltungsrecht S. 45 f. 646 Detterbeck Allg. Verwaltungsrecht S. 347; Maurer Allg. Verwaltungsrecht S. 48 f. 647 Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 386 f.; ähnlich auch Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 125. 648 Siehe 1. Teil E. IV.

E. Subjekt der Verbandsstrafbarkeit

91

Hand andernfalls gezielt dem Verbandsstrafrecht entziehen könnte. Eine Ungleichbehandlung erschiene somit nicht gerechtfertigt.649 3. Zwischenergebnis Eine Bereichsausnahme für hoheitliches Handeln ist abzulehnen. Bedenken im Hinblick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Hand ergeben sich nicht. Anders als das Polizei- und Ordnungsrecht, das der Gefahrenabwehr dient, reagiert das Strafrecht repressiv auf realisierte Rechtsgutsverletzungen. In ein noch nicht abgeschlossenes Verwaltungshandeln wird daher nicht eingegriffen. Die mit der Strafe bezweckte Abschreckung bedroht die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Hand ebenfalls nicht. Diese wird nur den Regeln unterworfen, die auch für privatrechtlich handelnde Verbände gelten. Für privatrechtliches Handeln von Verbänden, die hoheitlich handeln können, ist ebenfalls keine Ausnahme angezeigt. V. Zwischenergebnis Sanktionssubjekt einer Verbandsstrafe ist der Rechtsträger des Unternehmens, also der (zumindest teil-) rechtsfähige Verband. Nur diesem gegenüber kann das mit der Strafe verbundene Unwerturteil ergehen, denn nur er kann Adressat eines Schuldvorwurfs sein. Das Unternehmen als Sanktionssubjekt ist wegen seiner fehlenden Rechtsfähigkeit abzulehnen. Der Einzelunternehmer ist nur nach individualstrafrechtlichen Grundsätzen für Straftaten in seinem Unternehmen verantwortlich. Der Konzernoberverband ist nicht verpflichtet, rechtlich selbstständige Tochterverbände zu überwachen. Jeder Verband ist nur für die Taten seiner eigenen Verbandsangehörigen strafrechtlich verantwortlich. Eine Bereichsausnahme für Verbände, die hoheitlich handeln können, ist nicht angezeigt, weder für hoheitliches - noch für privatrechtliches Handeln.

649 Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 386 f.; Achenbach in FS Stree/Wessels S. 545 (553 f.); Rogall in KK-OWiG § 30 Rn. 35 f.

F. Systematik der Straftatbestände im Verbandsstrafrecht Bisher wurde dargestellt, dass Verbände strafrechtlich sanktioniert werden können. Bevor die Ausgestaltung der Verbandsgeldstrafe dargestellt werden kann, ist es unabdingbar, die Tatbestände für die Verbandsstrafbarkeit festzulegen. Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass die im Einzelfall verhängte Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld steht.650 Um dieses Postulat zu erfüllen, müssen auch der gesetzliche Tatbestand und der Strafrahmen aufeinander abgestimmt sein.651 Ohne den entsprechenden Tatbestand kann daher die Verbandsgeldstrafe nicht sinnvoll dargestellt werden, weil ihr der Bezugspunkt fehlen würde. Gemäß der Differenzierung zwischen Organen und Mitarbeitern bei der Begründung der Strafbarkeit652 sind die Tatbestände für die jeweilige Verbandsstrafbarkeit getrennt zu erläutern. I. Verbandsbezogene Straftaten von Organen Verbände handeln „durch“ ihre Organe. Dies beruht auf ihrer Repräsentationsfunktion. Organ ist daher, wer den Verband im Rechtsverkehr repräsentiert. Dies sind insbesondere vertretungsberechtigte Organe einer juristischen Person oder Mitglieder solcher Organe, der Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder Mitglieder eines solchen Vorstands sowie vertretungsberechtigte Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft. Wie gezeigt, liegt das Unrecht bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen in der Begehung der Straftat selbst.653 Indem eine natürliche Person, die zur Festlegung von Verbandssinn berufen ist, eine verbandsbezogene Straftat begeht, organisiert sie zugleich den Verband fehlerhaft. Zudem muss sie die Straftat „als Organ“ und nicht als Privatperson begangen haben.654 Außerdem muss die Tat des Organs rechtswidrig sein. Durch eine verbandsbezogene Straftat, die gerechtfertigt ist, wird der Verband nicht fehlerhaft organisiert. Fraglich ist, ob das Organ auch schuldhaft gehandelt haben muss. Dafür ließe sich anführen, dass der Verband nur verpflichtet sein könnte, schuldhaftes Handeln seiner Organe zu unterbinden. Die Schuld des Täters ist unverzichtbares Legitimationselement von Strafe.655 Die Schuld anderer Rechtssubjekte ist dagegen nicht Voraussetzung für Strafe. Vielmehr ist der durch die Tat verursachte Normgeltungsschaden im Rahmen der persönlichen Schuld von jedem Rechtssubjekt auszugleichen.656 Für eine Strafbarkeit des Verbands muss das Organ deshalb nicht selbst schuldhaft gehandelt haben. Dies ist insbesondere relevant, wenn für das Organ als Individualtäter von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum auszugehen ist, für den Verband als Kollektiv dagegen nicht.

650

BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 68. BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 68. 652 Siehe 1. Teil D. V. 653 Siehe 1. Teil D. V. 1. 654 Siehe zu dieser Voraussetzung 1. Teil C. 2. a) cc). 655 Siehe 1. Teil B. I. 2. b). 656 Böse in FS Jakobs S. 15 (19, 22). 651

F. Systematik der Straftatbestände im Verbandsstrafrecht

93

Im objektiven Tatbestand ist daher die Begehung einer rechtswidrigen Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) als Organ Voraussetzung der Strafbarkeit. Im subjektiven Tatbestand stellt sich die Frage, ob der Verband vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Dies ist akzessorisch zum Handeln des Organs zu beantworten. Liegt der Strafgrund in der Begehung der Straftat selbst, handelt der Verband vorsätzlich, wenn die Person, die zur Festlegung von Verbandssinn berufen ist, vorsätzlich handelt. Entsprechendes gilt für die fahrlässige Begehungsweise. Des Weiteren muss die Tat des Verbands rechtswidrig sein. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Verbandsstraftat rechtswidrig ist, wenn das Organ rechtswidrig gehandelt hat. In seltenen Ausnahmefällen kann die Beurteilung jedoch auseinanderfallen. Der Bruder des Geschäftsführers kann z.B. versuchen, den Geschäftsführer in einen Raum einzusperren, damit dieser einen wichtigen Geschäftsabschluss verpasst. Der Geschäftsführer kann sich dadurch wehren, dass er seinen Bruder beim Einsperrversuch zur Seite schiebt oder ihn direkt niederschlägt, ohne seinen Bruder dabei schwer zu verletzen. Geht man davon aus, dass das Niederschlagen effektiver ist als das Zur-Seite-Schieben, wäre die verbandsbezogene Körperverletzung durch den Niederschlag als Notwehr (§ 32 StGB) für den Verband gerechtfertigt. Der Geschäftsführer steht dagegen in einem besonderen Näheverhältnis zum Angreifer und wäre daher gehalten, sich zunächst durch das Zur-Seite-Schieben zu wehren. Mangels Nähebeziehung des Verbands zum Angreifer gilt diese Notwehreinschränkung für den Verband nicht. Überdies muss die Tat auch schuldhaft erfolgen. Hierzu kommt es darauf an, ob von dem Verband erwartet werden konnte, dass er der verbandsbezogenen Zuwiderhandlung mit zumutbaren Anstrengungen entgegentritt. Beim Organ bedeutet dies, ob von dem Organ in dieser Rolle und nicht als Individualtäter erwartet werden konnte, dass es von der verbandsbezogenen Straftat Abstand nimmt.657 Schließlich muss noch das Verhältnis der Sanktionierung des Verbands zur Bestrafung des Individualtäters geklärt werden. In der Schweiz ist der Verband teilweise nur subsidiär verantwortlich, wenn keine natürliche Person für die Straftat verantwortlich ist.658 Hiergegen werden Gerechtigkeitserwägungen und kriminalpolitische Bedenken erhoben. Die Verantwortlichkeit des Verbands hinge von sachfremden Umständen ab und der Verband hätte es in der Hand, sich durch Präsentation eines Schuldigen seiner Verantwortung zu entziehen.659 Der österreichische Gesetzgeber geht daher von einer kumulativen Verantwortlichkeit von Verband und Individualtäter aus (§ 3 Abs. 4 VbVG). Da die Verbandsgeldstrafe Ausdruck einer Verantwortlichkeit für eigene Delinquenz ist, spricht sich auch das Schrifttum für eine kumulative Verantwortlichkeit aus.660 Dem ist zuzustimmen. Im Gegensatz zum zivilrechtlichen Schadensersatz wird der durch die Tat verursachte Normgeltungsschaden nicht unter den Tatbeteiligten verteilt. Vielmehr bedarf die Strafe gegenüber jedem Rechtssubjekt einer eigenständigen Begründung.661 Sie ist

657

Siehe hierzu 1. Teil D. V. 2. Vgl. Art. 102 Abs. 1 SchwStGB; hierzu Zieschang GA 2014, 91 (96). 659 Pieth ZStrR 2001, 1 (15 f.); Heine ÖJZ 2000, 871 (875). 660 Dannecker GA 2001, 101 (124); Hirsch ZStW 107, 285 (315); Vogel StV 2012, 427 (431). 661 Böse in FS Jakobs S. 15 (22). 658

94

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

daher sachlich unabhängig von gegenüber anderen Rechtssubjekten für dieselbe Tat ausgesprochenen Strafen. II. Verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern Auch die Strafbarkeit des Mitarbeiters tritt aus den gerade genannten Gründen neben die Verantwortlichkeit des Verbands. Zunächst ist bei der Mitarbeiterstraftat der Aufbau des Straftatbestands zu erläutern, um anschließend zur Frage Stellung zu nehmen, in welchen Fällen der Verband nur für Vorsatz und in welchen Fällen er auch für fahrlässiges Verhalten einzustehen hat. 1. Tatbestandliche Struktur Im Unterschied zu verbandsbezogenen Straftaten von Organen liegt das Unrecht hier in der mangelhaften Aufsicht des Verbands in Bezug auf die Verhinderung von Straftaten.662 Daneben ist die verbandsbezogene Straftat eines Mitarbeiters erforderlich. Wie gezeigt, muss zwischen dem Verband und der natürlichen Person ein Subordinationsverhältnis bestehen.663 Ein derartiges Subordinationsverhältnis besteht, wenn dem Verband das Direktions- und Weisungsrecht (§ 106 GewO) über die Tätigkeit der natürlichen Person zusteht. Dies ist bei Arbeitnehmern der Fall. Ein Anstellungsverhältnis zum Verband ist für das Vorliegen eines Subordinationsverhältnisses nicht erforderlich. Der Leiharbeitnehmer ist Verbandsangehöriger des Entleihers, obwohl er in einem Anstellungsverhältnis zum Verleiher steht, weil dem Entleiher das Direktionsrecht hinsichtlich seiner Tätigkeit zusteht. Das Handeln als Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) allein vermag dagegen die Angehörigenstellung nicht zu begründen. Auch in Fällen eines fehlerhaften Vertragsverhältnisses, in denen sich der Mitarbeiter dem Verband faktisch unterordnet, liegt ein Subordinationsverhältnis vor. a) Rechtliche Einordnung der Mitarbeiterstraftat Fraglich ist, wie die verbandsbezogene Straftat des Mitarbeiters rechtlich einzuordnen ist. Diese muss wie beim Organ tatbestandsmäßig und rechtswidrig sein. Zudem muss sie den notwendigen Verbandsbezug aufweisen. Im Rahmen der strukturell vergleichbaren Norm des § 130 OWiG gehen die Rechtsprechung und die Literatur davon aus, dass die verbandsbezogene Zuwiderhandlung lediglich eine objektive Bedingung der Ahndbarkeit darstellt.664 Dies ist das ordnungswidrigkeitenrechtliche Pendant zur objektiven Bedingung der Strafbarkeit. Auch im Schrifttum zur Verbandsstrafbarkeit wird die Begehung einer verbandsbezogenen Straftat des Mitarbeiters als objektive Bedingung der Strafbarkeit eingeordnet.665 Würde die verbandsbezogene Straftat des Mitarbeiters zum Tatbestandsmerkmal erhoben, müssten sich Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit des Verbands – vermittelt über die Organe des Verbands – auch auf die konkrete Straftat beziehen.666 Hieran wird es regelmäßig fehlen.

662

Siehe 1. Teil D. V. 1. Siehe hierzu Einleitung. 664 BGH NStZ 1985, 77; OLG München DB 1984, 498 (498 f.); OLG Düsseldorf MDR 1985, 78; HWSt/Achenbach 1/3 Rn. 48; Göhler/Gürtler OWiG § 130 Rn. 17. 665 Dannecker GA 2001, 101 (119). 666 KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 18; Rogall ZStW 98, 573 (594 f.). 663

F. Systematik der Straftatbestände im Verbandsstrafrecht

95

Daher ist der Qualifizierung der verbandsbezogenen Straftat als objektive Bedingung der Strafbarkeit zuzustimmen. b) Unterlassene Aufsichtsmaßnahmen durch ein Organ Das Aufsichtsdefizit ist Merkmal des objektiven Tatbestands. Umstritten ist, ob sich das tatbestandsmäßige Verhalten im Unterlassen der erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen erschöpft. Dies hängt mit dem geschützten Rechtsgut zusammen. Die herrschende Ansicht sieht die Ordnung im Betrieb im Sinne eines staatlichen Ordnungsinteresses als geschütztes Rechtsgut an.667 Daher erschöpft sich das tatbestandsmäßige Verhalten nach ihrer Ansicht im Unterlassen der erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen.668 Es bleibt jedoch unklar, um was es sich genau bei der Aufrechterhaltung der betrieblichen Ordnung handeln soll.669 Deswegen ist die herrschende Ansicht abzulehnen. Die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit (Art. 12 GG) gestattet es dem Betriebsinhaber, den Betrieb im Grundsatz nach seinem Belieben zu führen. Ihre Grenze findet diese Freiheit aber in jedem Fall dort, wo es um die Verwirklichung verbandsbezogener Straftaten geht. Aus dem Betrieb heraus begangene Straftaten sollen vermieden werden. Aufsichtsmaßnahmen setzen denklogisch im Vorfeld der Verwirklichung von Straftaten anderer Personen an. Der Rechtsgüterschutz bei betrieblichen Zuwiderhandlungen wird hierdurch verstärkt. Die Verstärkung des Schutzes liegt in der Vorverlagerung, denn der Betriebsinhaber wird dazu angehalten, Straftaten bereits im Vorfeld zu begegnen. Als Schutzgut sind die von den einzelnen Strafvorschriften geschützten Rechtsgüter zu betrachten.670 Die Aufsichtspflichtverletzung ist erfolgsbezogen. Ohne die Einbeziehung der Zuwiderhandlung in die Gebotsmaterie lässt sich keine ausreichende Verhaltensbeschreibung gewinnen.671 Eine generelle Aufsichtspflicht besteht nicht. Vielmehr geht es um die Verhinderung von Straftaten. Art und Umfang der erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen können regelmäßig erst im Hinblick auf die zu beachtenden Vorschriften im Einzelfall und die jeweilige betriebliche Situation bestimmt werden.672 Eine effektive Vorsorge gegen Straftaten kann nicht erst ansetzen, wenn die Verwirklichung einer verbandsbezogenen Straftat unmittelbar bevorsteht. Aus diesen Gründen muss die Aufsichtspflicht die Verhinderung der Gefahr von Straftaten zum Ziel haben. Aus diesen Erwägungen ist der Verband nach einer Ansicht im Schrifttum erst dann verantwortlich, wenn er infolge des Versäumens der erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen den

667 BGH NJW 1994, 1801 (1803); Bosch Organisationsverschulden in Unternehmen S. 321 ff.; Helmrich wistra 2010, 331 (333 f.). 668 BGH NStZ 1985, 77; OLG München DB 1984, 498 (499); OLG Düsseldorf MDR 1985, 78; HWSt/Achenbach 1/3 Rn. 48. 669 Kritisch zu diesem Rechtsgutsverständnis auch Rogall ZStW 98, 573 (586); KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 15. 670 KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 16; Göhler/Gürtler § 130 OWiG Rn. 3a; Lemke/Mosbacher § 130 OWiG Rn. 3; Rönnau ZGR 2016, 277 (281). 671 KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 18. 672 Rogall ZStW 98, 573 (590).

96

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

Eintritt der konkreten Gefahr verbandsbezogener Zuwiderhandlungen nicht verhindert, die der späteren Individualtat vergleichbar sind.673 Diese Gefahr ist Tatbestandsmerkmal. Begeht ein Mitarbeiter eine verbandsbezogene Straftat, bestand jedoch stets die konkrete Gefahr einer Begehung derartiger Taten, die sich anschließend im Erfolg realisiert hat. Der entscheidende Unterschied zur herrschenden Ansicht liegt jedoch darin, dass sich Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit des Verbands auf diese konkrete Gefahr beziehen müssen.674 Auf die konkrete Zuwiderhandlung müssen sich Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit wegen ihres Charakters als objektive Bedingung der Strafbarkeit nicht beziehen. Zwischen dem Unterlassen der Aufsichtsmaßnahmen und der konkreten Gefahr ist hypothetische Kausalität erforderlich. Zudem muss die konkrete Gefahr in einem inneren Zusammenhang mit dem Unterlassen der Aufsichtsmaßnahmen stehen und ihren Grund gerade in der im Gesetz typisierten Verhaltensweise haben. Des Weiteren darf sie nicht nur „gelegentlich eines solchen Verhaltens“ eintreten.675 Hierdurch kann eine unter Schuldgesichtspunkten unbedenkliche und zugleich hinreichend bestimmte Verhaltensbeschreibung gewonnen werden.676 Im Ergebnis ist daher neben dem Unterlassen der erforderlichen und zumutbaren Aufsichtsmaßnahmen die konkrete Gefahr vergleichbarer verbandsbezogener Zuwiderhandlungen erforderlich. Auf beides müssen sich Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit beziehen. c) Kausalzusammenhang Fraglich ist, ob die konkrete Zuwiderhandlung durch die Aufsichtsmaßnahmen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden sein muss oder ob im Sinne der Risikoerhöhungslehre auch eine wesentliche Erschwerung ausreicht.677 Für die Risikoerhöhungslehre wird angeführt, dass sich der Nachweis, eine konkrete Zuwiderhandlung wäre infolge der Aufsichtsmaßnahmen verhindert worden, praktisch nicht führen lässt.678 Kausalität führt jedoch stets zu Beweisschwierigkeiten. Bei der Mitarbeiterstraftat ist zu berücksichtigen, dass die verbandsbezogene Zuwiderhandlung, die der Verband verhindern soll, an das Verhalten des Mitarbeiters, also einer natürlichen Person, anknüpft. Im Schrifttum wird betont, dass menschliches Verhalten in den nicht deterministischen Bereich fällt und demgemäß keiner kausalgesetzlichen Betrachtung zugänglich sei.679 Zumindest wenn das menschliche Verhalten nicht wie bei der mittelbaren Täterschaft manipuliert wird, ist dieser Aussage zuzustimmen. Ein Mensch folgt seinem autonom gebildeten Willen. Reichen die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen nicht so weit, dass dem Individualtäter die Tat physisch unmöglich, sondern nur erschwert wird, lässt sich die Kausalität nicht feststellen. Es ist nicht zu bestimmen, ob der Mitarbeiter von der Straftat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Abstand genommen hätte, wenn vom 673

So auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 19. Rogall ZStW 98, 573 (597); KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 19. 675 Vgl. für § 315c StGB Fischer StGB § 315c Rn. 16. 676 KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 19. 677 So beispielsweise der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch in § 2 Abs. 2 VerbStrG-E (S. 8). 678 Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 239. 679 Rogall ZStW 98, 573 (611). 674

F. Systematik der Straftatbestände im Verbandsstrafrecht

97

Verband die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen ergriffen worden wären. Daher handelt es sich bei der Verknüpfung zwischen Aufsichtsmaßnahmen und Individualtat nicht um die allgemeinen Beweisprobleme, die mit der Kausalität verbunden sind. Es geht vielmehr um spezifische Probleme, die aus der Normstruktur resultieren, die an das Verhalten einer natürlichen Person anknüpft. Daher ist es gerechtfertigt, hier eine Risikoerhöhung genügen zu lassen. Andernfalls würde die Norm funktionslos.680 Diese erweiterte Zurechnung beruht auf dem der Risikoerhöhungslehre entsprechenden Grundgedanken, dass der Täter verpflichtet ist, die ihm verfügbaren Möglichkeiten der Risikoverringerung in Bezug auf erkannte oder erkennbare Gefahren auch zu nutzen. Bleibt er untätig und tritt danach eine Zuwiderhandlung ein, erweist sich diese als Realisierung des nicht bekämpften Gefahrenkomplexes. Der Eintritt einer Risikominderung bei Anwendung der gehörigen Aufsicht muss aber feststehen. Lassen sich dazu keine Feststellungen treffen, ist der Betroffene in Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ freizusprechen.681 Zwischen der Aufsichtspflichtverletzung und der Zuwiderhandlung muss zudem ein Pflichtwidrigkeits- bzw. Schutzzweckzusammenhang bestehen.682 Die Zuwiderhandlung hat sich als Realisierung des nicht bekämpften Gefahrenkomplexes darzustellen.683 Dies ist nur dann der Fall, wenn die unterlassenen Aufsichtsmaßnahmen (wie z.B. die unterlassene Überprüfung eines Mitarbeiters vor seiner Einstellung) genau der Abwehr der Gefahren dienten, die sich später in der verbandsbezogenen Zuwiderhandlung realisiert haben. 2. Umfang der Verantwortlichkeit in subjektiver Hinsicht Die konkrete Zuwiderhandlung des Mitarbeiters muss tatbestandsmäßig sein. Im Individualstrafrecht ist nur vorsätzliches Handeln strafbar, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht (§ 15 StGB). Lässt man stets Fahrlässigkeit in Bezug auf das Aufsichtsdefizit genügen, wäre der Verband für den vorsätzlichen verbandsbezogenen Betrug eines Mitarbeiters bereits bei Fahrlässigkeit verantwortlich, obwohl der Mitarbeiter einen Betrug nicht fahrlässig begehen könnte. Wenngleich der Vorwurf an den Verband nicht an die Straftat selbst, sondern an die mangelhafte Aufsicht anknüpft, liegt die Gebotsmaterie in der Bekämpfung von Zuwiderhandlungsgefahren gegen bestimmte Straftatbestände. Hat sich aber der Gesetzgeber im Individualstrafrecht dazu entschieden, bestimmte Rechtsgüter strafrechtlich nur vor vorsätzlichen Rechtsgutsangriffen zu schützen, wäre es im Hinblick auf den Gleichheitssatz zumindest bedenklich, wenn der Verband in diesem Fall bereits für eigenes fahrlässiges Verhalten verantwortlich ist.684 Zudem ergäbe sich in diesem Fall auch eine Inkonsistenz zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Verbands für verbandsbezogene Straftaten von Organen. Da der Betrug als Fahrlässigkeitstat nicht strafbar ist, würde mangels eines tatbestandsmäßigen Verhaltens des Organs in diesem Fall eine Verbandsstrafbarkeit ausscheiden. Es wäre aber wertungs680

So wohl Achenbach wistra 1998, 296 (300). Zum Ganzen KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 116. 682 Göhler/Gürtler § 130 OWiG Rn. 22b; Rogall ZStW 98, 573 (612); KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 118. 683 KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 118. 684 Rogall ZStW 98, 573 (607) hält die Ungleichbehandlung mit Blick auf die unterschiedliche Materie gerechtfertigt. 681

98

1. Teil: Grundlegende Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe

widersprüchlich, wenn der Verband für fahrlässige Falschangaben seiner Repräsentanten nicht einstehen muss, für eine fahrlässig defizitäre Aufsicht über seine Mitarbeiter dagegen schon. Es ist etwas qualitativ anderes, ob ein Repräsentant, der zur Festlegung von Verbandssinn berufen ist, oder ein „nachgeordneter“ Mitarbeiter eine Straftat begeht. Ein Verstoß gegen das Schuldprinzip, wie teilweise angenommen wird,685 liegt hierin nicht, weil der Vorwurf bei Mitarbeiterstraftaten ein anderer ist.686 Dennoch ist für das Verbandsstrafrecht davon auszugehen, dass der Verband den Tatbestand vorsätzlich verwirklicht haben muss, wenn die verbandsbezogene Straftat nur bei Vorsatz strafbar ist. Obwohl ein Verstoß gegen das Schuldprinzip ausscheidet, bleibt der Wertungswiderspruch bestehen. Nicht alles, was der Gesetzgeber rechtlich darf, überzeugt auch inhaltlich. Ist die verbandsbezogene Straftat sowohl bei Vorsatz als auch bei Fahrlässigkeit strafbar, hat der Verband ebenfalls für Vorsatz und Fahrlässigkeit in Bezug auf das Aufsichtsdefizit einzustehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Mitarbeiter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.687 3. Zwischenergebnis Im objektiven Tatbestand muss der Verband zumutbare Aufsichtsmaßnahmen unterlassen und hierdurch die konkrete Gefahr von der Individualstraftat vergleichbaren, verbandsbezogenen Zuwiderhandlungen geschaffen haben. Diesbezüglich muss der Verband vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Ist die Individualstraftat nur bei vorsätzlichem Handeln strafbar, ist der Verband ebenfalls nur verantwortlich, wenn er selbst vorsätzlich gehandelt hat. Die konkrete Zuwiderhandlung des Mitarbeiters ist eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, die durch die unterlassenen Aufsichtsmaßnahmen hätte verhindert oder wesentlich erschwert werden müssen. III. Zwischenergebnis Auf Basis der vorstehenden Ausführungen ergeben sich daher bei Organen und Mitarbeitern unterschiedliche Voraussetzungen für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verbands. Begeht das Organ eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) als Organ und nicht als Privatperson, kann der Verband hierfür zu einer Strafsanktion verurteilt werden. Begeht ein Mitarbeiter eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) als Mitarbeiter und nicht als Privatperson, ist der Verband hierfür verantwortlich, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig zumutbare Aufsichtsmaßnahmen unterlassen und dadurch die konkrete Gefahr von vergleichbaren Taten verursacht hat. Zudem ist erforderlich, dass die rechtswidrige Tat des Mitarbeiters durch die zumutbaren Aufsichtsmaßnahmen verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Ist die rechtswidrige Tat des Mitarbeiters nur als Vorsatztat strafbar, muss der Verband Vorsatz bzgl. des Unterlassens der Aufsichtmaßnahmen und der konkreten Gefahr aufweisen. Die rechtswidrige Tat des Mitarbeiters stellt eine objektive Bedingung der Strafbarkeit dar.

685

Schünemann wistra 1982, 41 (49). So zu Recht Rogall ZStW 98, 573 (607). 687 Zur Folgefrage, ob sich vorsätzliches bzw. fahrlässiges Handeln des Mitarbeiters auf die Strafe gegenüber dem Verband auswirkt, wird unter 2. Teil C. I. 3. a) näher eingegangen. 686

F. Systematik der Straftatbestände im Verbandsstrafrecht

99

Die Strafbarkeit des Verbandsangehörigen tritt jeweils neben die Verantwortlichkeit des Verbands.

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe A. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Geldstrafe I. Verfassungsrechtliche Grundsätze Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Wie gezeigt, verpflichtet dies den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so präzise zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst erkennbar sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen.688 Der Bestimmtheitsgrundsatz beschränkt sich jedoch nicht auf die Voraussetzungen der Strafbarkeit. Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit gilt auch für die Strafdrohung. Diese muss in einem vom Schuldprinzip geprägten Straftatsystem gerecht auf den Straftatbestand und das in ihm vertypte Unrecht abgestimmt sein.689 Sie gibt Aufschluss über die gesetzgeberische Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestands, der das strafbare Verhalten beschreibt.690 Die Strafe als missbilligende hoheitliche Reaktion auf schuldhaftes kriminelles Unrecht hat deshalb in Art und Maß durch den parlamentarischen Gesetzgeber normativ bestimmt zu sein.691 Eine strafende staatliche Reaktion auf eine Zuwiderhandlung muss für den Normadressaten vorhersehbar sein.692 Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit hat im Bereich der Strafrechtsfolgen erheblich an Bedeutung gewonnen. Wenngleich das Bundesverfassungsgericht den Bestimmtheitsgrundsatz von Anfang an über seinen Wortlaut hinaus auch auf den Bereich der Rechtsfolgen erstreckt hat,693 war es zunächst sehr zurückhaltend bei der Überprüfung strafrechtlicher Sanktionen im Hinblick auf ihre Bestimmtheit.694 Diese Zurückhaltung hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe aufgegeben.695 Dies ist zu begrüßen. Nicht nur das „Ob“, sondern auch das „Wie“ der Strafbarkeit muss hinreichend bestimmt sein. Daraus resultieren gesteigerte Anforderungen an die Strafdrohung, denen auch ein Verbandsstrafgesetzbuch Rechnung tragen muss. In ein gewisses Spannungsverhältnis zum Bestimmtheitsgrundsatz gerät das Schuldprinzip, indem es im Bereich der Straffolgen verlangt, dass die Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schuld des Täters steht.696 Das individuelle Maß der Schuld kann jedoch erst der Richter im konkreten Einzelfall bestimmen.

688

BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 64. BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 65 unter Verweis auf BVerfGE 86, 288 (313). 690 BVerfGE 25, 269 (286). 691 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 66. 692 BVerfGE 26, 41 (42); BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 66. 693 BVerfGE 25, 269 (286 ff.). 694 Dannecker in FS Otto S. 25 (37). 695 Dannecker in FS Otto S. 25 (37). 696 Zu diesem Erfordernis vgl. BVerfGE 45, 187 (228); 50, 5 (12); 96, 245 (249); 109, 133 (171); 110, 1 (13); 120, 224 (254). 689

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Görden, Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe, Juridicum – Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht 3, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27618-8_3

102

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Wie sich die verfassungsrechtlichen Vorgaben auf die Sanktionierung im Einzelnen auswirken, kann am besten an den verschiedenen Voraussetzungen dargestellt werden. Ein übergeordnetes Postulat, das gleichsam für alle Elemente der Sanktionierung gilt, lässt sich nicht formulieren. Deswegen beschränken sich die einleitenden Bemerkungen auf diese Ausführungen. Detailliert werden die verfassungsrechtlichen Vorgaben bei den einzelnen Elementen der Verbandsgeldstrafe erläutert. II. Internationale Verpflichtungen Die internationalen Vorgaben zu Verbandssanktionen stammen von der EU, dem Europarat, den Vereinten Nationen sowie der OECD. Die Regelungen sind zahlreich. Da sie zu einzelnen Kriminalitätsbereichen sehr ähnliche Vorgaben machen, soll ihre vollständige Auflistung hier unterbleiben.697 Vielmehr werden lediglich die gemeinsamen Anforderungen dieser Regelungen herausgearbeitet. Wie gezeigt, verpflichten die internationalen Vorschriften Deutschland jedoch nicht dazu, ein Verbandsstrafrechtrecht einzuführen, weil die Vorgaben im Ordnungswidrigkeitenrecht umgesetzt werden können.698 Daher muss sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Verbandsstrafrechts nicht zwingend an den internationalen Anforderungen orientieren. In den Grenzen des Grundgesetzes ist er hierzu jedoch berechtigt, weswegen die internationalen Anforderungen im Folgenden darzustellen sind. 1. Europäische Vorgaben Die weitreichendsten Vorgaben zur Verbandssanktionierung macht die EU. Eine generelle Verantwortlichkeit von Verbänden ist dem Unionsrecht fremd. Die Regelungen des Unionsrechts adressieren vielmehr einzelne Kriminalitätsphänomene, weil die Strafrechtskompetenz der Union beschränkt ist.699 Ein gewisses Maß an Vereinheitlichung resultiert jedoch daraus, dass viele Regelungen an das ZP-PIF700 angelehnt sind.701 Es bezweckt die Sanktionierung von Verbänden bei Delikten zu Lasten der finanziellen Interessen der Union.702 Gemäß Art. 9 Satz 2 des 36. Protokolls zum Vertrag von Lissabon gilt das ZP-PIF auch nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags fort.703 Im Bereich der Rechtsfolgen differenziert das ZP-PIF zwischen verbandsbezogenen Straftaten von Entscheidungsträgern und solchen von Mitarbeitern. Gemäß Art. 4 Abs. 1 ZP-PIF haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass bei Straftaten zugunsten von Verbänden durch deren Entscheidungsträger wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorgesehen werden. Diese müssen strafrechtliche oder nicht strafrechtliche Geldsanktionen umfassen. Fakultativ können weitere Sanktionen, wie der Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen und Hilfen, das vorübergehende oder ständige Verbot der Handelstätigkeit, die richterliche Aufsicht und die richterlich angeordnete Auflösung, vorgesehen werden. Art. 4 Abs. 2 ZP-PIF regelt Straftaten zugunsten des Verbands durch Mitarbeiter, die durch gehörige Aufsicht der Entscheidungsträger hätten verhindert werden können. In einem solchen Fall 697

Eine detaillierte Liste findet sich bei Engelhart eucrim 2012, 110; Rönnau/Wegner ZRP 2014, 158. Siehe 1. Teil B. III. 1. 699 Engelhart eucrim 2012, 110. 700 Zum Begriff siehe 1. Teil B. III. 1. 701 Rönnau/Wegner ZRP 2014, 158. 702 Übereinkommen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften v. 26.07.1995, ABl. C 316 v. 27.11.1995; Zweites Zusatzprotokoll v. 19.06.1997 ABl. C 221 v. 19.07.1997; in Kraft getreten am 19.05.2009. 703 36. Protokoll zum Lissabon-Vertrag ABl. C 115, 322. 698

A. Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben zur Geldstrafe

103

sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen oder Maßnahmen vorzusehen. Zentral ist daher der Begriff der wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen, der auch als sog. Mindesttrias bezeichnet wird.704 Wirksam und im Wesentlichen inhaltsgleich abschreckend bedeutet, dass die Ziele der verletzten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen angestrebt und tatsächlich verwirklicht werden müssen, wofür eine spezialund generalpräventive Wirkung zu fordern ist.705 Dies verlangt mehr als bloße Geeignetheit.706 Für die Wirksamkeit der Sanktion ist nicht nur die angedrohte Strafe entscheidend. Vielmehr sind auch die Intensität von Kontrollen, die Verfolgungs- bzw. Einstellungspraxis sowie die Art und Weise des Vollzugs maßgeblich.707 Verhältnismäßig meint, dass die Sanktionen im Hinblick auf die angestrebten Ziele hinreichend sein und dem Grad der Rechtsverletzung entsprechen müssen.708 Dies ist zumindest dann nicht der Fall, wenn der nationale Gesetzgeber Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht weniger streng ahndet als vergleichbare Rechtsverstöße gegen nationales Recht (sog. Gleichstellungserfordernis).709 In diesem Fall setzt sich der Gesetzgeber in Widerspruch zu seiner eigenen Entscheidung.710 Der Begriff der Verhältnismäßigkeit ist nicht mit dem deutschen Verständnis als Übermaßverbot identisch. Der Mindesttrias genügen insbesondere Sanktionen nicht, die auf eine Schadensersatzzahlung angerechnet711 oder an die Stelle eines anderen zivilrechtlichen Anspruchs treten können.712 Neben dem ZP-PIF existieren diverse Rahmenbeschlüsse zur Verantwortlichkeit von Verbänden für verbandsbezogene Straftaten. Wenngleich Rahmenbeschlüsse seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags am 01.12.2009 nicht mehr möglich sind, gelten bestehende Rahmenbeschlüsse jedoch fort (Art. 9 Satz 1 des 36. Protokolls zum Vertrag von Lissabon v. 09.05.2008).713 Eine Besonderheit weist in diesem Zusammenhang der TerrorismusRahmenbeschluss 2002/475/JI v. 13.06.2002 auf.714 Dieser macht für verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern die gleichen Vorgaben wie für verbandsbezogene Straftaten von Entscheidungsträgern und differenziert bei den Sanktionen – anders als ZP-PIF – nicht. Durch Art. 83 AEUV nimmt die EU ihre Kompetenz zur Strafrechtsharmonisierung nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags nunmehr durch Richtlinien wahr. Von ihrer Kompetenz hat die EU durch zahlreiche zwischenzeitlich umgesetzte sowie noch umzusetzende Richtlinien Gebrauch gemacht. Bei den vorgegebenen Sanktionen sind die Richtlinien deutlich

704

Gröblinghoff Verpflichtung des deutschen Gesetzgebers S. 13. Siehe auch 1. Teil B. III. 1. Satzger EStR § 9 Rn. 27. 706 Satzger Europäisierung S. 368. 707 Satzger Europäisierung S. 369. 708 Satzger EStR § 9 Rn. 27. 709 Siehe hierzu 1. Teil B. III. 1. 710 Satzger Europäisierung S. 372 f. 711 EuGH Urt. v. 08.06.1994 Az.: C-382/92, Slg. 1994, I-2435. 712 EuGH Urt. v. 08.06.1994 Az.: C-383/92, Slg. 1994, I-2479. 713 36. Protokoll zum Lissabon-Vertrag ABl. C 115, 322. 714 RB 2002/475/JI v. 13.06.2002 Abl. L 164 v. 22.06.2002 S. 3. 705

104

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

inhomogener als die Rahmenbeschlüsse. Jedoch erheben auch die Richtlinien die Mindesttrias von wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen zur zentralen Vorgabe.715 Neben Rechtsvorschriften der EU sprechen sich auch Regelungen des Europarats für eine Verbandsstrafbarkeit aus. Gemäß der Empfehlung Nr. R (88) 18 soll eine strafrechtliche Verantwortlichkeit vorgesehen werden, wenn dies die Art und Schwere der Tat sowie die Schuld des Verbands und die Generalprävention gebieten.716 Neben dieser Empfehlung sehen mehrere verpflichtende Abkommen die Sanktionierung von Verbänden vor.717 2. Völkerrechtliche Übereinkommen Jenseits der europäischen Regelungen sprechen sich verschiedene UN-Übereinkommen für Sanktionen gegenüber Verbänden aus. Zu nennen sind hier z.B. die Übereinkommen bezüglich grenzüberschreitender Kriminalität, Terrorismusfinanzierung und Korruption.718 Im Bereich der Sanktionen überlassen die Übereinkommen den Staaten die Wahl zwischen strafrechtlichen und nicht strafrechtlichen Sanktionen. Sie verlangen jedoch, dass die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind. Ein wichtiges OECD-Übereinkommen bezüglich der Verbandssanktionierung ist das Übereinkommen zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger.719 Dieses sieht auch eine Verbandsverantwortlichkeit vor. Die Sanktionen müssen ebenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. III. Zwischenergebnis In verfassungsrechtlicher Hinsicht wirkt sich vor allem der Bestimmtheitsgrundsatz als zentrale Vorgabe für das System der Sanktionierung von Verbänden aus. Er setzt der Regelungsbreite möglicher Sanktionen Grenzen. Gemeinsamer Nenner der zwischenstaatlichen Regelungen ist trotz Unterschieden im Detail die Forderung, dass Sanktionen gegen Verbände wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

715

Hierzu Engelhart eucrim 2010, 110 (115). Siehe Empfehlung Nr. R (88) 18 betreffend die Verantwortlichkeit von Unternehmen mit Rechtspersönlichkeit für Delikte, die in Ausübung ihrer Tätigkeiten begangen wurden. Abrufbar unter https://publicsearch.coe.int. 717 Hierzu näher Engelhart eucrim 2012, 110 (118 f.). 718 Engelhart eucrim 2012, 110 (119 ff.). 719 OECD Konvention gegen die Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr v. 17.12.1997. 716

B. Tagessatzsystem Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch spricht sich für eine Strafbemessung nach dem Tagessatzsystem aus (§ 6 VerbStrG-E). Die Alternative hierzu wäre ein Geldsummensystem. Nach der Entscheidung für eine Strafbemessung nach Tagessätzen (hierzu I.) ist zur Höhe des einzelnen Tagessatzes Stellung zu nehmen (hierzu II.). I. Strafbemessung nach Tagessätzen Um die Bemessung der Geldsanktion gegenüber Verbänden auszugestalten, muss zunächst entschieden werden, ob die Geldsanktion nach dem Geldsummen- oder dem Tagessatzsystem zu bemessen ist. Beim Geldsummensystem wird der Täter von vornherein zu einer bestimmten Geldsumme verurteilt. Das Tagessatzsystem trennt dagegen die Bewertung der Tat durch die Anzahl der Tagessätze von der finanziellen Belastung des Täters, die sich entsprechend der jeweiligen Leistungsfähigkeit in der Höhe des einzelnen Tagessatzes ausdrückt. Die absolute Höhe der Geldsanktion ergibt sich bei einem Tagessatzsystem aus dem Produkt der Anzahl der Tagessätze und der Höhe des einzelnen Tagessatzes. Der österreichische Gesetzgeber hat sich im VbVG dazu entschlossen, ein Tagessatzsystem einzuführen.720 Die Wahl hierfür begründet er damit, dass auch bei Verbänden zwischen der Schwere des Vorwurfs, die mit der Anzahl der Tagessätze zum Ausdruck gebracht wird, und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unterschieden werden kann, nach der die Höhe des Tagessatzes festgelegt wird. Die Strafhöhe soll nicht nur schuld- und tatbezogen, sondern auch wirtschaftlich täterbezogen sein. Durch die Berechnung nach Tagessätzen erhalten die Schuld und die wirtschaftliche Leistungskraft jeweils einen eigenen Stellenwert. Dies erhöht die Transparenz der Strafzumessung, da zwischen der Schwere des Tatvorwurfs und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Täters getrennt wird.721 Aufgrund dieser Vorzüge befürworten auch viele Stimmen im österreichischen Schrifttum ein Tagessatzsystem.722 Eine Sanktionierung von Verbänden nach dem Geldsummensystem erfolgt in Deutschland im Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 17 OWiG). Ein Nachteil dieser Sanktionierung liegt darin, dass sich aus der Höhe der Geldsanktion keine Aussage über das Maß der Verantwortlichkeit entnehmen lässt, da sich die Höhe der Geldsanktion auch nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters bestimmt (§ 17 Abs. 3 S. 2 OWiG). Im Verbandsstrafrecht wird die Strafzumessung wesentlich von der Schuld des betreffenden Verbands geprägt. Das Maß der Schuld stellt die Grundlage der Strafzumessung dar.723 Dies lässt sich besser durch ein Strafzumessungssystem ausdrücken, das zwischen der Bewertung der Tat und der absoluten finanziellen Belastung des Täters trennt.724 Dies gilt 720 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 25 von 41. 721 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 25 von 41. 722 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 445; Bauer ÖJZ 2004, 491 (493 FN 13); Zeder ÖJZ 2001, 630 (639); Steininger VbVG § 4 Rn. 1. 723 Siehe hierzu ausführlich unter 2. Teil D. I. 724 Für ein Tagessatzsystem auch Waßmer ZWH 2018, 233 (238).

106

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

umso mehr im Verbandsstrafrecht, weil sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Verbände erheblich unterscheidet.725 Deswegen kann aus der absoluten Höhe der Geldsanktion nicht ansatzweise auf das Maß der Schuld des Verbands geschlossen werden. Zudem ist mit der Strafe eine sozialethische Missbilligung verbunden. Dies ist bei einer Ordnungswidrigkeit trotz des damit verbundenen Tadels nicht der Fall.726 Deswegen muss bei einer Strafe gegenüber dem Rechtsverkehr transparent gemacht werden, wie hoch ein staatliches Gericht das Maß der Schuld bewertet. Aus den dargelegten Gründen ist die Bemessung der Verbandsgeldstrafe nach dem Tagessatzsystem einem Geldsummensystem vorzuziehen.727 II. Höhe des einzelnen Tagessatzes 1. Anknüpfungspunkte für die Bestimmung Die Strafzumessung erfolgt nach einem Tagessatzsystem, das die Bewertung der Tat, die sich in der Zahl der Tagessätze ausdrückt, von der absoluten finanziellen Belastung des Täters durch die Höhe des Tagessatzes trennt. Deswegen muss sich seine Höhe nach einem Parameter richten, der geeignet ist, die Leistungsfähigkeit des Verbands abzubilden. Dies dient dem Grundsatz der Opfergleichheit, nach dem einem Wohlhabenden für die gleiche Tat ein in gleicher Weise spürbarer Verlust wie einem „Minderbemittelten“ zugefügt wird.728 Gleichzeitig muss dieser Parameter auch hinreichend bestimmt i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG sein. Zunächst ist auf die Rechtslage in Österreich einzugehen, da sich der Gesetzgeber dort ebenfalls für ein Tagessatzsystem entschieden hat (hierzu a)). Nach der Darstellung möglicher Alternativen zur Bemessung der Tagessatzhöhe (hierzu b) und c)) schließt sich ein eigener Vorschlag an (hierzu d)). Abschließend wird die Berücksichtigung des Vermögens bei der Tagessatzhöhe thematisiert (hierzu e)). a) Rechtslage in Österreich § 4 Abs. 4 VbVG bestimmt, dass der Tagessatz nach der Ertragslage des Verbandes unter Berücksichtigung von dessen sonstiger wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu bestimmen ist. Ziel der an die Ertragslage anknüpfenden Regelung ist es, in entsprechender Anwendung der Grundsätze zur Bemessung der Tagessatzhöhe im Individualstrafrecht dem Verband Überschüsse zu entziehen, ohne dass die Betriebsgrundlage gefährdet wird.729 Dieser Grundsatz gilt auch für die Beurteilung, inwieweit die sonstige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verbands in die Bemessung der Tagessatzhöhe einfließen soll.730 725

Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 445. 726 Achenbach ZIS 2012, 178 (180); BVerfGE 27, 18 (33). 727 So auch Hirsch ZStW 107, 285 (318). 728 BGHSt 28, 360 (363); Brandis Geldstrafe und Nettoeinkommen S. 152 ff.; BGHSt 27, 70 (73); Mösl NStZ 1981, 425; OLG Stuttgart NJW 1995, 67 (68). Zu den Grenzen des Prinzips der Opfergleichheit Hellmann GA 1997, 503 (509). 729 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 25 f. von 41. 730 So wohl 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41.

B. Tagessatzsystem

107

aa) Überschüsse Orientierungsgröße für die Ertragslage ist jener Zahlungsüberschuss des Verbandes, welcher nach Berücksichtigung notwendiger Investitionen und Fremdfinanzierungsaufwendungen grundsätzlich für Ausschüttungszwecke an die Eigentümer zur Verfügung stehen würde.731 Zur Begründung wird in den Materialien ausgeführt, dass durch das Abstellen auf diesen Betrag einerseits die betriebliche Tätigkeit des Verbands nicht eingeschränkt werden müsse. Andererseits werde eine „indirekte Bestrafung“ von Arbeitnehmern, Gläubigern und Lieferanten des Verbandes vermieden.732 Das VbVG sieht von einer Festlegung ab, nach welchen Grundlagen die Höhe des Ertrags bemessen wird. Der Grund hierfür ist, dass verschiedene Verbände unterschiedlichen Vorschriften zur Ertragsermittlung unterliegen, wie z.B. Gewinn- und Verlustrechnung sowie Bilanz oder internationale Rechnungslegungsvorschriften.733 Grundlage für die Ermittlung der Ertragslage ist zunächst eine vom Verband aufzustellende Bilanz. Eine Buchführungspflicht kann sich sowohl aus handelsrechtlichen Vorschriften (§ 189 Unternehmensgesetzbuch) als auch subsidiär (§ 124 BAO) aus steuerrechtlichen Vorschriften (§ 125 BAO) ergeben. Diese knüpfen an einen bestimmten Wert oder bestimmte Umsatzschwellen an. Bei einer Befreiung des Verbandes von der Buchführungspflicht ist die Ermittlung des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben zugrunde zu legen (§ 4 Abs. 3 Ö-EStG). Dieser basiert auf einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (§§ 126 f. BAO). Bei Verbänden, deren Umsätze nicht mehr als 220.000 € betragen, besteht die Möglichkeit einer vereinfachten Gewinnermittlung, bei der Betriebsausgaben mit einem bestimmten Durchschnittssatz der Umsätze angesetzt werden (§ 17 Ö-EStG). bb) Berücksichtigung von sonstigem Vermögen In die Bemessung der Tagessatzhöhe fließt auch die sonstige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ein. Für den Umfang der Berücksichtigung schlägt die Gesetzesbegründung einen Zu- oder Abschlag bis zu einem Drittel vom „Tagesertrag“, d.h. dem 360. Teil des Jahresüberschusses, vor.734 Die gesetzlich festgelegten Mindest- (50 €) bzw. Maximalbeträge (10.000 €) sind jedoch einzuhalten.735 Die Berücksichtigung der sonstigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verbands soll nicht dazu führen, dass auf betriebsnotwendiges Vermögen (Anlage- und Umlaufvermögen) zugegriffen wird.736 Sachgerecht sei dagegen die Einbeziehung nicht betriebsnotwendigen

731 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41. 732 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41. 733 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41. 734 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41. 735 Steininger VbVG § 4 Rn. 18; Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 202. 736 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41.

108

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Vermögens, dessen Verwertung keinen negativen Einfluss auf die Ertragslage habe.737 Dies bedeutet, dass das nicht betriebsnotwendige Vermögen keine Erträge erzielen darf. Die Einbeziehung potentieller Veräußerungserlöse hat Kritik hervorgerufen. In die Verbandsgeldbuße seien nur die laufenden Einkünfte einzubeziehen, da der Verbandsgeldbuße wie der Geldstrafe kein konfiskatorischer Charakter zukomme.738 Allenfalls könnten potentielle Nutzungen aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen berücksichtigt werden.739 Für den praktisch wichtigen Fall der Konzernzugehörigkeit des Verbands ist zu beachten, dass der bloße Umstand einer Konzernzugehörigkeit allein noch keine Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verbands nach sich zieht. Im Einzelfall soll es jedoch denkbar sein, unterlassene Gewinnausschüttungen von Unternehmen, an denen der Verband beteiligt ist, zu berücksichtigen.740 cc) Verfassungsrechtliche Bedenken Bedenken gegen die Regelung zur Tagessatzbemessung des VbVG sind im Hinblick auf die Bestimmtheit der Strafandrohung geltend gemacht worden.741 § 1 Ö-StGB bestimmt, dass eine Strafe nur wegen einer Tat verhängt werden darf, die unter eine ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung fällt. Da der ursprünglich als Verfassungsnorm konzipierte § 1 Ö-StGB (Bestimmtheitsgrundsatz) später nicht als Verfassungsnorm beschlossen wurde,742 ist die Bestimmtheit der Regelung zur Verbandsgeldbuße am Maßstab des Legalitätsprinzips, das in Art. 18 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz enthalten ist, zu prüfen.743 Um dem Legalitätsprinzip zu genügen, muss die verfassungskonforme Grundlage der Tätigkeit der Vollziehung (d.h. der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit) ein gewisses Ausmaß an Bestimmtheit haben.744 Der Verfassungsdienst des österreichischen Bundeskanzleramts geht davon aus, dass die Regelung die richterlichen Entscheidungen in einer dem Art. 18 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz entsprechenden Weise determiniert.745 Die zu erwartenden Sanktionen seien für die Rechtsunterworfenen vorhersehbar sowie im Nachhinein nachzuvollziehen und überprüfbar.

737 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41. 738 Boller Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden nach dem VbVG S. 218; Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 202. 739 Boller Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden nach dem VbVG S. 218; Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 202. 740 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41. 741 Boller spricht von einem typischen Fall von Scheinbestimmtheit vgl. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden nach dem VbVG S. 219. 742 Schick in FS Walter S. 625 (633). 743 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 195. 744 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 195. 745 Stellungnahme des Verfassungsdiensts des Ö-BKA (318.071/0001-II.2/2004 v. 14.06.2004) nv zitiert über Steininger VbVG § 4 Rn. 13.

B. Tagessatzsystem

109

Im Schrifttum werden dagegen Bedenken geäußert, dass die Regelung des VbVG zur Tagessatzbemessung das ausreichende Maß an Bestimmtheit erreicht.746 Der Begriff „Ertragslage“ sei unklar, die Berücksichtigung der sonstigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit über einen Zu- oder Abschlag bis zu einem Drittel unkalkulierbar. Dem ist zuzustimmen. Daher sind diverse andere Vorschläge zur Bemessung der Höhe des einzelnen Tagessatzes gemacht worden. Um die Darstellung nicht unnötig auseinanderzureißen, werden die österreichischen Vorschläge bei den einzelnen diskutierten Bemessungsgrundlagen dargestellt. dd) Zwischenergebnis Die österreichische Regelung zur Bemessung der Verbandsgeldbuße wird mit guten Gründen als zu unbestimmt kritisiert. Daher kann sie in ein deutsches Verbandsstrafrecht nicht übertragen werden. Nichtsdestotrotz liefert die österreichische Regelung den wichtigen Ansatz, dass ggf. auch nicht betriebsnotwendiges Vermögen des Verbands für die Bemessung der Verbandsgeldstrafe heranzuziehen ist, wenn dieses keine Erträge erzielt. b) Umsatz Eine Sanktion gegenüber Verbänden in Relation zum erzielten Umsatz zu bemessen, ist aus dem deutschen Kartellordnungswidrigkeitenrecht bekannt. Das Bundeskartellamt bemisst die Kartellbuße in Relation zum tatbezogenen Umsatz.747 Für eine Bemessung anhand des Umsatzes spricht sich auch der Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes aus.748 Für die Tagessatzbemessung der Verbandsgeldstrafe anhand des Umsatzes lässt sich zunächst das Argument anführen, dass Umsatzzahlen relativ leicht festzustellen sind.749 „Bequemlichkeiten“ bei der Sachverhaltsermittlung vermögen allein das Abstellen auf den Umsatz aber nicht zu rechtfertigen. Von größerem Gewicht ist der Verweis auf die hohe Bestimmtheit von Umsatzzahlen.750 Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit gilt auch für die Strafdrohung.751 Ihr Umsatz ist den Verbänden regelmäßig bekannt und stellt daher die Vorhersehbarkeit der Geldstrafe sicher.752 Dagegen lässt sich auch nicht mit Erfolg einwenden, dass Umsätze starken Schwankungen unterliegen können.753 Dies gilt für alle Parameter, die an die Geschäftstätigkeit des Verbands anknüpfen. Die verfassungsrechtlich geforderte Vorhersehbarkeit ist zudem nicht im Sinne einer mathematischen Berechenbarkeit zu verstehen. Für den Normadressaten muss lediglich erkennbar sein, anhand welchen Kriteriums die Höhe des Tagessatzes bemessen wird.

746 Boller Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden nach dem VbVG S. 219; Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 196. 747 Vgl. hierzu näher Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamts S. 4 (Stand 25.06.2013). 748 Ausführlich zum Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend NZWiSt 2018, 1. 749 Dieses Argument hat der BGH zur Rechtfertigung der umsatzbezogenen Obergrenze im Kartellordnungswidrigkeitenrecht herangezogen vgl. BGH NJW 2013, 1972 (1974). 750 So BGH NJW 2013, 1972 (1974). 751 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rz. 66. 752 So auch für das Kartellordnungwidrigkeitenrecht BGH NJW 2013, 1972 (1974). 753 So aber Wegner Die Systematik der Zumessung unternehmensbezogener Geldbußen S. 67.

110

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Bei der Strafzumessung nach einem Tagessatzsystem ist neben der Bestimmtheit entscheidend, ob der Umsatz als Parameter zur Bemessung der Leistungsfähigkeit des Verbands geeignet ist.754 Der BGH hat in der Grauzementkartellentscheidung das Abstellen auf den Umsatz im Kartellordnungswidrigkeitenrecht mit dem Argument gebilligt, dass die Umsatzzahlen im Hinblick auf die Größe des Verbands aussagekräftig seien.755 Aus ihnen ließen sich Rückschlüsse auf die Stellung des Verbands am Markt ziehen. Die Feststellung des BGH ist zwar richtig, aber wenig aussagekräftig. Der Jahresumsatz eines Verbands erlaubt keine Rückschlüsse auf dessen Leistungsfähigkeit. Es bleibt dabei völlig unberücksichtigt, wie rentabel das Betätigungsfeld des Verbands ist. Erwirtschaftet z.B. Verband A bei einem Jahresumsatz i.H.v. 20 Millionen € einen Jahresgewinn i.H.v. 1 Million € und erzielt demgegenüber Verband B bei einem Jahresumsatz i.H.v. 10 Millionen € einen Jahresgewinn i.H.v. 4 Millionen €, ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund bei Verband A ein doppelt so hoher Tagessatz angesetzt werden soll. Es besteht gerade kein Erfahrungssatz, dass aus einem hohen Umsatz auf eine gesteigerte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geschlossen werden kann.756 Wie das Beispiel zeigt, bildet der Umsatz die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht zutreffend ab. Daher ist er ungeeignet, um die Belastungsgleichheit zwischen unterschiedlich leistungsstarken Verbänden im Rahmen einer Verbandsgeldstrafe sicherzustellen.757 Aus den gleichen Gründen lehnt auch das österreichische Schrifttum Vorschläge zur Bemessung der dortigen Verbandsgeldbuße nach dem Umsatz758 mehrheitlich ab.759 c) Steuerbilanzgewinn In der Literatur wird vorgeschlagen, die Höhe des Tagessatzes am Steuerbilanzgewinn auszurichten, um eine einheitliche Behandlung aller Verbände ungeachtet ihrer Rechtsform sowie Größe und damit ihrer Buchführungspflicht zu gewährleisten.760 Zudem wird der Steuerbilanzgewinn von den Finanzbehörden im Rahmen eines Steuerbescheids ermittelt. Dies erschwert zumindest Manipulationen. Gegen eine Bemessung der Tagessatzhöhe am Steuerbilanzgewinn sprechen jedoch praktische Probleme und rechtliche Bedenken. Die praktischen Probleme resultieren daraus, dass zwischen der Abgabe einer Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen und der Rechtskraft eines Steuerbescheids regelmäßig eine große Zeitspanne liegt. Auch ohne ein Überschreiten der Abgabefrist und bei normalem Geschäftsgang kann durchaus ein Zeitraum von bis zu 2 Jahren nach Ablauf des Veranlagungs754

Siehe 2. Teil B. II. 1. BGH NJW 2013, 1792 (1794). 756 Ähnlich auch Brettel/Thomas ZWeR 2009, 25 (47). 757 So auch für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht Brettel/Thomas ZWeR 2009, 25 (47). 758 Köck JBl 2005, 477 (485). 759 Bauer ÖJZ 2004, 491 (492); Zirm/Limberg ÖJZ 2009, 708 (712); Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 201; Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 445. 760 So für Österreich Bauer ÖJZ 2004, 491 (493). 755

B. Tagessatzsystem

111

zeitraums vergehen, bis ein Steuerbescheid erlassen wird.761 Dieser Bescheid steht im unternehmerischen Bereich häufig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO). Grund hierfür ist, dass sich das Finanzamt regelmäßig eine steuerliche Außenprüfung vorbehält (§§ 193 ff. AO). Folge des Vorbehalts der Nachprüfung ist, dass die Steuerfestsetzung durch das Finanzamt jederzeit aufgehoben oder geändert werden kann, solange der Vorbehalt wirksam ist (§ 164 Abs. 2 Satz 1 AO). Er entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO). Die Festsetzungsfrist für Ertragssteuern beträgt 4 Jahre (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) und erhöht sich auf 5 Jahre bei leichtfertiger Steuerverkürzung bzw. 10 Jahre bei Steuerhinterziehung. Wird vor Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist mit einer steuerlichen Außenprüfung begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO). Bereits wegen der steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften werden im Zeitpunkt einer strafrechtlichen Gerichtsentscheidung daher häufig keine rechtskräftigen Steuerbescheide vorliegen. Die rechtlichen Bedenken gegen die Bemessung der Tagessatzhöhe am Steuerbilanzgewinn beziehen sich auf die Verwertung der Steuerdaten sowie auf die Eignung des Steuerbilanzgewinns als Indikator für die Leistungsfähigkeit des Verbands. Probleme bei der Verwertung der Angaben in der Steuererklärung resultieren aus dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) und der Selbstbelastungsfreiheit des betroffenen Verbands.762 Ob auch Verbänden die Selbstbelastungsfreiheit zusteht, ist umstritten.763 Unabhängig davon scheidet der Steuerbilanzgewinn als Bemessungsgrundlage für die Tagessatzhöhe bereits deswegen aus, weil er als Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Verbands ungeeignet ist. Handelsrechtliche Ansätze haben entsprechend dem Grundsatz des true and fair view (§ 264 Abs. 2 Satz 1 HGB) das Ziel, die wirtschaftliche Situation eines Verbands möglichst realitätsgetreu abzubilden. Demgegenüber sind steuerrechtliche Bewertungsansätze häufig stark konjunktur- oder haushaltspolitisch motiviert.764 Dies kann sich sowohl zu Lasten des Verbands als auch zu seinen Gunsten auswirken. Um den Absatz bestimmter Produkte temporär zu fördern, verbessert der Gesetzgeber beim Käufer häufig deren Abschreibungsmöglichkeiten über den Grad der tatsächlichen Abnutzung hinaus. Die Abschreibung mindert daher den Verbandsgewinn mehr, als es dem realen Wertverlust der Produkte entspricht. Hiervon profitiert der Verband. Umgekehrt wird z.B. bei Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz vom Gesetzgeber unterstellt, dass der Verband auf Vermögenswerte Zinsen i.H.v. 6 v.H. erwirtschaften kann, die er 761

Brandis Geldstrafe und Nettoeinkommen S. 193 FN 226 . Für das Individualstrafrecht Brandis Geldstrafe und Nettoeinkommen S. 190; Fischer StGB § 40 Rn. 18. 763 Ausführlich zum Streitstand Fink wistra 2014, 457; Böse ZStW 126, 132 (162 ff.); zu den Folgen für den Individualtäter Ringelmann in GS Heine S. 295 (304 f.). 764 Einen ähnlichen Befund konstatieren für Österreich auch Zirm/Limberg ÖJZ 2009, 708 (713). 762

112

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

zur Erfüllung der zukünftig fällig werdenden Pensionsverpflichtungen verwendet (§ 6a Abs. 3 Satz 3 EStG). Dies ist im derzeitigen Niedrigzinsumfeld aber unmöglich.765 Pensionsrückstellungen mindern den Gewinn. Die unrealistische Annahme des Gesetzgebers hat zur Folge, dass in der Steuerbilanz der Gewinn und die darauf zu zahlenden Steuern höher ausfallen, als sie nach der wirtschaftlichen Situation des Verbands gerechtfertigt wären. Zur Vermeidung von gravierenden Steuerausfällen hält der Gesetzgeber an dieser unrealistischen Annahme fest. Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass der Steuerbilanzgewinn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verbands nicht realitätsgetreu abbildet. Er ist daher als Grundlage für die Bemessung der Tagessatzhöhe ungeeignet. d) Vorschlag: nachhaltig erzielter handelsrechtlicher Jahresüberschuss Im Schrifttum wird vorgeschlagen, den handelsrechtlichen Jahresüberschuss als Bemessungsgrundlage für die Tagessatzhöhe heranzuziehen.766 Dieser ist nicht mit dem Handelsbilanzgewinn identisch. Der handelsrechtliche Jahresüberschuss gibt den in einer Periode (Geschäftsjahr) erwirtschafteten Erfolg an. Der Handelsbilanzgewinn beziffert dagegen das am Ende der Periode (Geschäftsjahr) vorhandene Vermögen der Gesellschaft, soweit es durch Ausschüttungen an die Gesellschafter als verteilungsfähig angesehen wird.767 Der Handelsbilanzgewinn errechnet sich aus dem handelsrechtlichen Jahresüberschuss, dem Gewinn- bzw. Verlustvortrag aus dem Vorjahr sowie den Entnahmen bzw. Einstellungen in Rücklagen.768 Die Folge ist, dass der Handelsbilanzgewinn gezielt durch die Bildung oder Auflösung von Rücklagen beeinflusst werden kann. Daher scheidet der Handelsbilanzgewinn zur Bemessung der Tagessatzhöhe von vornherein aus.769 Zunächst ist zu untersuchen, ob der handelsrechtliche Jahresüberschuss grundsätzlich zur Bemessung der Tagessatzhöhe geeignet ist. Anschließend ist darzustellen, wie Sondereffekte im Rahmen der Verbandstätigkeit zu berücksichtigen sind. Darauf aufbauend wird ein Regelungsvorschlag vorgestellt. aa) Grundsätzliche Eignung des handelsrechtlichen Jahresüberschusses Um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Verbands adäquat abzubilden, ist es aus betriebswirtschaftlicher Sicht erforderlich, die nachhaltige Ertragskraft aus der Verbandstätigkeit zu ermitteln. Dies bedeutet, dass Sondereffekte aus dem Jahresergebnis auszuscheiden sind.770 Als nachhaltig werden Aufwendungen und Erträge dann bezeichnet, wenn sie voraussichtlich auch künftig in ähnlicher Höhe auftreten.771

765 Das Finanzgericht Köln hat mit Beschluss v. 12.10.2017 Az.: 10 K 977/17 dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 6a Abs. 3 S. 3 EStG verfassungskonform ist. 766 So wohl Steininger VbVG § 4 Rn. 13 ff., der jedoch die Festlegung auf eine bestimmte Größe ablehnt, weil unterschiedliche Vorschriften zur Ergebnisermittlung für Verbände gelten. 767 Falterbaum/Bolk/Reiß/Kirchner, Buchführung und Bilanzierung S. 1551. 768 Engelhardt/Raffée/Wischermann Grundzüge der doppelten Buchhaltung S. 182. 769 So auch für Österreich Bauer ÖJZ 2004, 491 (492 FN 10). 770 So sinngemäß Coenenberg S. 574. 771 Baetge/Kirsch/Thiele Übungsbuch Bilanzen und Bilanzanalyse S. 422.

B. Tagessatzsystem

113

Dies gewährleistet – im Grundsatz – das Abstellen auf den handelsrechtlichen Jahresüberschuss. Im Unterschied zum Umsatz werden auch Aufwendungen des Verbands berücksichtigt. Dies bildet die Leistungsfähigkeit besser ab als der Umsatz. Gleiches gilt zwar auch für den Steuerbilanzgewinn. Anders als dieser verfolgt der handelsrechtliche Jahresüberschuss wegen des Grundsatzes des true and fair view (§ 264 Abs. 1 HGB) das Ziel, die wirtschaftliche Situation des Verbands auf Basis realitätsnaher Annahmen abzubilden. Die zu zahlenden Steuern sind im handelsrechtlichen Jahresüberschuss bereits berücksichtigt. Der Jahresüberschuss ist der letzte Posten der Gewinn- und Verlustrechnung nach dem vom HGB für Kapitalgesellschaften vorgeschriebenen Gliederungsschema (§ 275 HGB). Dem Publizitätsgesetz unterliegende Verbände haben das Gliederungsschema des § 275 HGB sinngemäß anzuwenden (§ 5 Abs. 1 Satz 2 PublG). Für Nicht-Kapitalgesellschaften fehlt es zwar an einer gesetzlichen Vorschrift zur Ausgestaltung der Gewinn- und Verlustrechnung. Dennoch hat sich die Anwendung der Gliederungsvorschrift des § 275 Abs. 2 und 3 HGB auf freiwilliger Basis weitgehend durchgesetzt.772 Daher ist der handelsrechtliche Jahresüberschuss auch hinreichend bestimmt i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG. Verbände können die Gewinn- und Verlustrechnung wahlweise nach dem Gesamt- (§ 275 Abs. 2 HGB) oder nach dem Umsatzkostenverfahren (§ 275 Abs. 3 HGB) erstellen. Beide Verfahren führen bei gleicher Bewertung zum selben Ergebnis.773 Die Gewinn- und Verlustrechnung muss als Bestandteil des Jahresabschlusses von Wirtschaftsprüfern bzw. vereidigten Buchprüfern testiert werden (§§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 HGB). Voraussetzung hierfür ist, dass große bzw. mittelgroße Kapitalgesellschaften und diesen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 PublG gleichgestellte Gesellschaften bestimmte Kriterien (Bilanzsumme, Umsatzerlöse, Arbeitnehmerzahl) an 2 aufeinanderfolgenden Stichtagen erfüllen (§ 267 Abs. 1 HGB). Somit ist zum einen sichergestellt, dass der Verband durch die Wahl des Gesamt- bzw. Umsatzkostenverfahrens die Höhe des Jahresüberschusses nicht gezielt steuern kann. Zum anderen gewährleistet die Überprüfung des Jahresabschlusses durch Wirtschaftsprüfer bzw. vereidigte Buchprüfer eine gesteigerte Verlässlichkeit der Zahlen, so dass Manipulationen zumindest erschwert werden. Im Ergebnis ist der handelsrechtliche Jahresüberschuss im Grundsatz zur Bemessung der Tagessatzhöhe geeignet, weil er in der Regel die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit widerspiegelt, hinreichend bestimmt und schwer zu manipulieren ist. bb) Berücksichtigung von Sondereffekten Wenngleich der handelsrechtliche Jahresüberschuss grundsätzlich geeignet ist, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abzubilden, kann er ausnahmsweise doch durch Sondereffekte positiv wie negativ beeinflusst worden sein. Beispiele hierfür sind Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung von Teilbetrieben, Aufwendungen zur Zahlung von Abfindungen bei Massenentlassungen sowie Schäden infolge von Bränden. Daher ist der Frage nachzugehen, wie verhindert werden kann, dass Sondereffekte den handelsrechtlichen Jahresüberschuss beeinflussen. Hierfür stehen 2 Möglichkeiten zur Verfü-

772

Wiedmann/Böcking/Gros Bilanzrecht § 275 HGB Rn. 2. Wöhe/Döring Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre S. 753; ebenso Baetge/Kirsch/Thiele Übungsbuch Bilanzen und Bilanzanalyse S. 358. 773

114

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

gung: entweder wird auf ein (anderes) Geschäftsjahr ohne Sondereffekte abgestellt oder diese werden aus dem Geschäftsjahr herausgerechnet. (1) Geschäftsjahr ohne Sondereffekte Im europäischen Kartellrecht ist es zulässig, von dem Grundsatz, dass das der Behördenentscheidung vorangehende Geschäftsjahr zugrunde zu legen ist, abzuweichen, wenn die Wahl eines anderen Zeitraums die tatsächliche Größe und Wirtschaftskraft des Verbands besser ausdrückt.774 Andere Stimmen wollen im Kartellordnungswidrigkeitenrecht auf das letzte Geschäftsjahr mit „normaler wirtschaftlicher Tätigkeit“ abstellen.775 An einer normalen wirtschaftlichen Tätigkeit fehle es z.B., wenn die Geschäftstätigkeit des Verbands im relevanten Markt veräußert und der Erlös an die Anteilseigner ausgekehrt werde.776 Da das Gebot der Gesetzesbestimmtheit auch für die Strafdrohung gilt,777 muss die Bemessungsgrundlage für die Tagessatzhöhe nicht nur die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit widerspiegeln, sondern zugleich hinreichend bestimmt i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG sein. Für das deutsche Verbandsstrafrecht ist der Ansatz des europäischen Kartellrechts abzulehnen. Eine solche Regelung widerspricht dem Bestimmtheitsgebot, weil keinerlei Kriterien dafür erkennbar sind, unter welchen Umständen ein anderes Geschäftsjahr den Verband besser kennzeichnet.778 Auch die Begriffsbestimmung, die auf das letzte Geschäftsjahr „mit normaler wirtschaftlicher Tätigkeit“ abstellt, erweist sich für das deutsche Verbandsstrafrecht als zu unbestimmt. Es ist nicht ersichtlich, wann eine normale Geschäftstätigkeit vorliegt.779 Das Aufzählen von Negativbeispielen kann eine positive Definition des Begriffs der normalen Geschäftstätigkeit nicht ersetzen. Eine solche ist bisher nicht gelungen. Im Ergebnis leiden die Ansichten, die auf ein anderes Geschäftsjahr abstellen, alle unter dem Mangel fehlender Bestimmtheit. (2) Eliminierung von Sondereffekten Teilweise wird vorgeschlagen, den Durchschnittsertrag aus 3 Jahren anzusetzen, um Sondereffekte zu eliminieren.780 Hierfür spricht, dass sich Schwankungen der Ertragslage über einen längeren Zeitraum ausgleichen können. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass dies keineswegs immer der Fall ist. Vielmehr können positive wie negative Sondereffekte jeweils gehäuft auftreten. Eine Regelung, die allenfalls zufällig zu gerechten Ergebnissen führt, überzeugt nicht. 774

Hierzu Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker § 81 GWB Rn. 423. Mundt WuW 2007, 458 (463); Vollmer ZWeR 2007, 168 (179). 776 Mundt WuW 2007, 458 (463). 777 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 66 unter Verweis auf BVerfGE 86, 288 (311). 778 Gegen eine Anwendung dieser Rechtsfigur im deutschen Kartellordnungswidrigkeitenrecht auch Dannecker/ Biermann in Immenga/Mestmäcker § 81 GWB Rn. 423. 779 So auch Buntscheck in FS Bechtold S. 81 (91). 780 NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 57; Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 723. 775

B. Tagessatzsystem

115

Um Sondereffekte zu eliminieren, kann daher der Betrachtungszeitraum nicht verbreitert werden. Vielmehr müssen die Sondereffekte aus dem Geschäftsjahr herausgerechnet werden. Bis zum 31.12.2015 galt sowohl beim Gesamtkosten- (§ 275 Abs. 2 HGB) als auch beim Umsatzkostenverfahren (§ 275 Abs. 3 HGB) der Grundsatz der betriebswirtschaftlichen Erfolgsspaltung. Dieser besagte, dass das (nachhaltige) Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (Betriebs- und Finanzergebnis) in § 275 Abs. 2 Nr. 14 bzw. Abs. 3 Nr. 13 HGB a.F. und das (nicht nachhaltige) außerordentliche Ergebnis in § 275 Abs. 2 Nr. 17 bzw. Abs. 3 Nr. 16 HGB a.F. in der Gewinn- und Verlustrechnung getrennt ausgewiesen wurden. Der handelsrechtliche Jahresüberschuss setzte sich zusammen aus dem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (§ 275 Abs. 2 Nr. 14 bzw. Abs. 3 Nr. 13 HGB a.F.), dem außerordentlichen Ergebnis (§ 275 Abs. 2 Nr. 17 bzw. Abs. 3 Nr. 16 HGB a.F.) und dem Steueraufwand (§ 275 Abs. 2 Nr. 18 f. bzw. Abs. 3 Nr. 17 f. HGB a.F.). Hierdurch wurden Sondereffekte, die den handelsrechtlichen Jahresüberschuss beeinflussen, bereits in der Gewinn- und Verlustrechnung sichtbar. Mit dem am 23.07.2015 in Kraft getretenen Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz hat der Gesetzgeber die neue Bilanzrichtlinie 2013/34/EU in nationales Recht umgesetzt. Nach den Übergangsvorschriften zum BilRUG (Art. 75 EGHGB) ist die Anwendung aller Änderungen grundsätzlich erstmals für ab dem 01.01.2016 beginnende Geschäftsjahre vorgesehen.781 Folge des BilRUG ist, dass nach § 275 HGB n.F. außerordentliche Posten (und somit auch ein außerordentliches Ergebnis) nicht mehr gesondert in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen werden dürfen. Die mit der Streichung der betreffenden Posten in der Gewinnund Verlustrechnung bewirkte Änderung hat aber keine Auswirkung auf die Ermittlung der Höhe des handelsrechtlichen Jahresüberschusses.782 Der Grund hierfür ist, dass die bisher in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert ausgewiesenen Erträge und Aufwendungen nach neuem Recht den verbleibenden Posten der Gewinn- und Verlustrechnung zuzuordnen sind.783 Somit bildet der handelsrechtliche Jahresüberschuss nach neuem Recht das Ergebnis der Verbandstätigkeit ab, ohne dieses in ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und ein außerordentliches Ergebnis zu unterteilen. Der Gesetzgeber hat die Problematik der Abgrenzung außerordentlicher Aufwendungen und Erträge in den Anhang verlagert.784 Für Geschäftsjahre, die ab dem 01.01.2016 beginnen (Art. 75 Abs. 1 EGHGB), sind nach § 285 Nr. 31 HGB n.F. erstmals Angaben zu Betrag und Art der einzelnen Aufwendungen und Erträge von außergewöhnlicher Größenordnung oder außergewöhnlicher Bedeutung zu machen, soweit die Beträge nicht von untergeordneter Bedeutung sind. An die Stelle des alten Begriffs „außerordentlich“ treten nach neuer Rechtslage die Begriffe „außergewöhnliche Größenordnung“ und „außergewöhnliche Bedeutung“. Hinsichtlich des Merkmals „außergewöhnliche Größenordnung“ führt die Gesetzesbegründung an, dass diese im Hinblick auf die das Unternehmen ansonsten prägenden Größenordnungen zu bestimmen sein dürfte. Im Unterschied zum geltenden Recht (§ 275 781

Zu Ausnahmen vgl. Zwirner/Petersen WpG 2015, 811 (816); Lüdenbach/Freiberg StuB 2015, 563. Begründung RegE, BT-Drucks. 18/4050 S. 55. 783 Hanke in Russ/Janßen/Götze, BilRUG-Kommentar § 275 HGB Rn. 61. 784 Schiffers in GmbH-Handbuch Rn. II 938. 782

116

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Abs. 2 bzw. Abs. 3 HGB a.F.) könne sie aber auch Erträge aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit erfassen.785 In Betracht kommen Absatzsprünge oder -rückgänge infolge singulärer Ereignisse wie z.B. Naturkatastrophen. Zum Merkmal der „außergewöhnlichen Bedeutung“ heißt es, dass sich diese auf die das Unternehmen prägenden Vorgänge beziehe. Dabei sei es möglich, die von der Praxis bisher entwickelte Abgrenzung nach dem Merkmal der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit indiziell weiter heranzuziehen, zumal § 277 Abs. 4 HGB a.F. in der Praxis häufig teleologisch reduziert worden sein dürfte.786 Unter § 285 Nr. 31 HGB n.F. fällt alles, was nach früherer Rechtslage dem außerordentlichen Ergebnis unterfiel. Zusätzlich sind aber auch Erträge aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erfasst, die im Hinblick auf ihre Größenordnung außergewöhnlich sind. Im Ergebnis wird durch die neue Rechtslage die Erkennbarkeit von Sondereffekten verbessert. Der Inhalt des außerordentlichen Ergebnisses i.S.d. alten Rechtslage wurde durch langjährige Rechtsprechung konkretisiert. Die neuen Begriffe werden in den Gesetzesmaterialien erläutert und lehnen sich überwiegend an die alte Rechtslage an, so dass die dort gewonnenen Erkenntnisse verwertbar bleiben. Die neuen Begriffe sind deswegen hinreichend bestimmt i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG. Sind daher im Anhang zur Bilanz Angaben nach § 285 Nr. 31 HGB enthalten, ist der Jahresüberschuss um diese zu korrigieren. Der auf diesen Betrag entfallende Steueraufwand ist ebenfalls zu berücksichtigen. cc) Bestimmung der konkreten Höhe des Tagessatzes Die Höhe des Tagessatzes ist grundsätzlich nach dem handelsrechtlichen Jahresüberschuss zu bemessen. Dieser spiegelt im Regelfall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wider und ist hinreichend bestimmt i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG. Wird der handelsrechtliche Jahresüberschuss ausnahmsweise durch Sondereffekte beeinflusst, sind diese im Anhang zur Bilanz anzugeben (§ 285 Nr. 31 HGB n.F.). Um diesen Betrag und den darauf entfallenden Steueraufwand ist der handelsrechtliche Jahresüberschuss anzupassen. Diese Größe ist als nachhaltig erzielter handelsrechtlicher Jahresüberschuss zu bezeichnen, weil sie Sondereffekte ausblendet. Um die Höhe des einzelnen Tagessatzes zu ermitteln, ist das Ergebnis durch 360 zu dividieren. e) Berücksichtigung des Vermögens bei der Bemessung der Tagessatzhöhe Wie in Österreich ist auch in Deutschland die Frage zu beantworten, ob sich das Vermögen auf die Höhe des Tagessatzes auswirken soll. Nach der Darstellung der Rechtslage im Individualstrafrecht geht es um die Möglichkeit, das Vermögen im Verbandsstrafrecht sinnvoll in die Tagessatzhöhe einzubeziehen. aa) Vermögen im Individualstrafrecht Ob sich der Stamm eines Vermögens, der von den hieraus erzielten laufenden Erträgen zu unterscheiden ist, auf die Höhe des Tagessatzes auswirken soll, ist im Individualstrafrecht

785 786

Begründung RegE, BT-Drucks. 18/4050 S. 67. Begründung RegE, BT-Drucks. 18/4050 S. 67.

B. Tagessatzsystem

117

Gegenstand einer langen Kontroverse.787 Einigkeit besteht darin, dass die Berücksichtigung des Vermögens keinesfalls konfiskatorische Wirkung entfalten darf.788 Vereinzelt wird im Schrifttum davon ausgegangen, dass jegliche Berücksichtigung des Vermögens zu unterbleiben habe, da jeder Zwang zur Verwertung von Vermögen konfiskatorischen Charakter entfalte.789 Teilweise wird eine grundsätzliche Berücksichtigung des Vermögens mit dem Argument der Opfergleichheit befürwortet.790 Bei größeren Vermögen sei eine teilweise Verwertung zumutbar und daher die Tagessatzhöhe summenmäßig über das Nettoeinkommen hinaus zu erhöhen. Vermittelnde Ansichten wollen das Vermögen nur ausnahmsweise berücksichtigen. Für eine Berücksichtigung wird plädiert, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters durch das Vorhandensein von Vermögen erheblich erhöht ist.791 Demgegenüber wird teilweise danach gefragt, ob das Vermögen eine einkommensvertretende Funktion habe, der Täter dieses also zum Leben oder zum Konsum nutzt.792 Das OLG Köln spricht sich ebenfalls dafür aus, dass das Vermögen in eingeschränktem Umfang herangezogen werden kann.793 Aus der Vorschrift des § 40 Abs. 3 StGB, nach der Einkommen und Vermögen geschätzt werden dürfen, lasse sich entnehmen, dass das Vermögen nicht gänzlich außer Betracht bleiben dürfe.794 Bei der Beurteilung, ob und ggf. in welchem Umfang Vermögen zur Bestimmung der Tagessatzhöhe berücksichtigt werden dürfe, sei aber große Zurückhaltung geboten.795 Einerseits sei zu beachten, dass die Berücksichtigung von Vermögen nicht zu einem konfiskatorischen Eingriff führen dürfe.796 Andererseits solle nach dem Sinn des Gesetzes eine Ungleichbehandlung von hohen Einkommen und hohen Vermögen vermieden werden, nicht aber derjenige besonders getroffen werden, der von seinem Einkommen Ersparnisse gebildet habe.797 Deshalb komme es darauf an, Art und Umfang des Vermögens, seine Liquidität sowie seine Funktion für den Vermögensträger so zu berücksichtigen, dass eine unangemessene Bevorzugung von Vermögenden vermieden, die Grenze zur Konfiskation aber nicht überschritten

787 Ausführlich hierzu mit einer Darstellung der historischen Entwicklung der Geldstrafe von Selle wistra 1995, 161 (162 f.). 788 Lackner/Kühl § 40 Rn. 12; Meemar Die Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe S. 61; Fischer StGB § 40 Rn. 12. 789 Meemar Die Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe S. 62. 790 Krehl NStZ 1988, 62 (62 f.). 791 SK-StGB/Wolters § 40 Rn. 11. 792 von Selle Gerechte Geldstrafe S. 193 ff. 793 OLG Köln Beschl. v. 02.02.2001 Az.: Ss 15/01- 12 – Rn. 11. 794 Stree/Kinzig in S/S StGB § 40 Rn. 12. 795 BayObLG NJW 1987, 2029. 796 OLG Köln Beschl. v. 02.02.2001 Az.: Ss 15/01- 12 – Rn. 11. 797 BayObLG NJW 1987, 2029.

118

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

werde.798 Kleine und mittlere Vermögen hätten außer Betracht zu bleiben, denn derjenige, der gespart habe, dürfe nicht schlechter stehen als derjenige, der sein Geld ausgegeben habe.799 Der Vermögensstamm bedarf als absolute Größe eines zeitlichen Bezugsrahmens, um ihn in die Strafzumessung nach dem Tagessatzsystem einzubeziehen. Es kommt m.a.W. darauf an festzulegen, welcher Anteil am Vermögen pro Tagessatz anzusetzen ist. Hierfür bietet es sich an, auf den Umfang des Vermögensverbrauchs in einer bestimmten Zeitspanne abzustellen.800 Verwendet der Verurteilte sein Vermögen in einkommensvertretender Weise, gibt er das Maß der Vermögensberücksichtigung selbst vor.801 Eine Berücksichtigung von Vermögen ist im Individualstrafrecht vor allem dann angezeigt, wenn dieses in einkommensvertretender Weise genutzt wird. Die Diskussion um die Berücksichtigung des Vermögens im Individualstrafrecht liefert für das Verbandsstrafrecht die wichtige Erkenntnis, dass das Vermögen eines zeitlichen Bezugsrahmens bedarf, damit es in die Bemessung der Tagessatzhöhe einbezogen werden kann. bb) Vermögen im Verbandsstrafrecht Der österreichische Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, nur nicht betriebsnotwendiges Vermögen in die Bemessung der sonstigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einzubeziehen. Die Differenzierung zwischen nicht betriebsnotwendigem und betriebsnotwendigem Vermögen überzeugt.802 Das betriebsnotwendige Vermögen ist bei der Bemessung der Tagessatzhöhe schon berücksichtigt worden, weil die daraus erzielten laufenden Einnahmen die Höhe des Tagessatzes beeinflusst haben. Würde auch noch das betriebsnotwendige Vermögen als Stamm einbezogen, läge eine doppelte Berücksichtigung des betriebsnotwendigen Vermögens vor. Anders sieht es dagegen beim nicht betriebsnotwendigen Vermögen aus, das keine Einnahmen erzielt. Wie bereits im Individualstrafrecht dargestellt, besteht beim Vermögen als absoluter Größe das Problem, dass ermittelt werden muss, welcher Teil des Vermögens einem Tagessatz entspricht. Im Individualstrafrecht ist der Umfang des Vermögensverbrauchs innerhalb einer gewissen Zeitspanne maßgeblich. Dieses Kriterium ist im Verbandsstrafrecht untauglich, weil der Verband Vermögen nicht verwendet, um seinen „Lebensunterhalt“ zu bestreiten. Das Vorhandensein ungenützter Vermögensgegenstände steht nicht im Einklang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist. Deshalb wird nicht betriebsnotwendiges Vermögen grundsätzlich nicht vorliegen. Werden Vermögensgegenstände bei Verbänden ausnahmsweise nicht genutzt, ist dies in der Regel auf 2 Gründe zurückzuführen. Entweder ist ein wirtschaftlicher Betrieb nicht möglich oder dieser wäre zwar möglich, jedoch ist nicht genügend Geld vorhanden bzw. das Geld wird in andere

798

Stree/Kinzig in S/S StGB § 40 Rn. 12. OLG Köln Beschl. v. 02.02.2001 Az.: Ss 15/01- 12 – Rn. 12. 800 von Selle wistra 1995, 161 (165). 801 von Selle wistra 1995, 161 (165). 802 Siehe hierzu 2. Teil B. II. 1. a) bb). 799

B. Tagessatzsystem

119

Projekte investiert und der ungenutzte Vermögensgegenstand soll aus Spekulationsgründen nicht veräußert werden. Ein Beispiel für Vermögensgegenstände, bei denen eine wirtschaftliche Nutzung keinen Sinn macht, ist ein Grundstück mit Altlasten im Erdreich. Entsprechen die Sanierungskosten dem Grundstückswert oder übersteigen diesen, rechnet sich ein wirtschaftlicher Betrieb nicht. Gehört dem Verband hingegen ein Grundstück in bester Innenstadtlage und fehlt ihm das nötige Kapital zur Errichtung einer Immobilie, kann sich der Verband dazu entscheiden, das Grundstück nicht zu veräußern, um von späteren Wertsteigerungen zu profitieren. Um auch derartiges Vermögen in die Bemessung der Höhe des Tagessatzes sinnvoll einzubeziehen, bietet es sich an, auf die in zumutbarer Weise erzielbaren Überschüsse abzüglich der hierauf hypothetisch zu zahlenden Steuern abzustellen. Auf diese Weise wird verhindert, dass nicht betriebsnotwendiges Vermögen, mit dem keine Überschüsse erzielt werden können, die Höhe des Tagessatzes unangemessen beeinflusst. Zugleich wird aber sichergestellt, dass auch „brachliegendes“ Potential eines Verbands in die Bemessung der Tagessatzhöhe einbezogen wird, um die Leistungsfähigkeit des Verbands adäquat zu erfassen. Für diese Lösung spricht auch die individualstrafrechtliche Regelung des § 40 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StGB, nach der auch das Nettoeinkommen zu berücksichtigen ist, das der Täter erzielen könnte. Die in zumutbarer Weise innerhalb eines Geschäftsjahrs erzielbaren Überschüsse abzüglich der darauf hypothetisch zu zahlenden Steuern sind durch 360 zu teilen. f) Zwischenergebnis Die Höhe des Tagessatzes bemisst sich nach dem nachhaltig erzielten handelsrechtlichen Jahresüberschuss. Dieser bildet die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verbands ab und ist hinreichend bestimmt. Können aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen in zumutbarer Weise Überschüsse erzielt werden, erhöhen diese unter Berücksichtigung der darauf hypothetisch zu zahlenden Steuern die Höhe des Tagessatzes. 2. Einbeziehung der Konzernertragslage bei der Höhe der Geldstrafe Verbände können sehr unterschiedlich strukturiert sein. Die Bandbreite reicht vom kleinen Privatverein bis zu multinationalen Unternehmen, die weltweit tätig sind. Bei diesen ist es üblich, dass mehrere Verbände sich zu einem Konzern (§ 18 AktG) zusammenschließen. Wird für die Bemessung der Tagessatzhöhe lediglich die Ertragslage des Verbands einbezogen, der die verbandsbezogene Straftat begangen hat, wäre für den Konzern die Geldstrafe häufig kaum spürbar. Dies birgt die Gefahr, dass die Geldstrafe keine verhaltenssteuernde Wirkung entfaltet. Darüber hinaus ist der Konzernmutterverband in der Lage, die Ertragssituation in den Tochterverbänden gezielt zu beeinflussen. So lassen sich die Ergebnisse von Tochterverbänden mittels der Festlegung von Preisen für den Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb des Konzerns steuern. Das Abstellen auf die Ertragslage des einzelnen Verbands kann deshalb zu mehr oder weniger zufälligen Ergebnissen führen.803

803

So auch Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen S. 117.

120

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch spricht sich in Anlehnung an § 81 Abs. 4 Satz 3 GWB dafür aus, bei der Ermittlung der Ertragslage die weltweite Ertragslage aller natürlichen und juristischen Personen zugrunde zu legen, soweit diese als wirtschaftliche Einheit operieren. Trotz des missverständlichen Wortlauts von § 6 Abs. 5 Satz 2 VerbStrG-E, der vom weltweiten Umsatz spricht, ergibt sich aus den Materialien, dass es unter diesen Voraussetzungen auf die weltweite Ertragslage ankommt.804 In diesem Zusammenhang geht es nicht um die Frage, gegen welches Rechtssubjekt die Verbandsstrafe gerichtet werden kann. Adressat der Verbandsstrafe kann nur der Verband sein, dessen Angehörige eine verbandsbezogene Straftat begangen haben.805 Davon zu trennen ist jedoch die Problematik, ob nur die Erträge des delinquenten Verbands oder ob auch die Erträge anderer Konzernverbände in die Bemessung der Tagessatzhöhe einzubeziehen sind. Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst die rechtliche Zulässigkeit des Abstellens auf die Konzernertragslage darzustellen. Anschließend ist zu überlegen, ob es inhaltlich überzeugt, auf die Konzernertragslage abzustellen. a) Zulässigkeit der Berücksichtigung des Konzerns Bedenken gegen die Einbeziehung der Konzernertragslage ergeben sich aus dem Schuldprinzip sowie aus dem Gleichheitssatz. aa) Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip Zunächst stellt sich die Frage, inwieweit das Abstellen auf die Konzernertragslage mit dem verfassungsrechtlichen Schuldprinzip in Einklang steht. Der Grund hierfür ist, dass die Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen muss.806 Da im Kartellordnungswidrigkeitenrecht eine ähnliche Kontroverse besteht, wird diese zuerst dargestellt, um anschließend vor dem Hintergrund der dort ausgetauschten Argumente die Situation im Verbandsstrafrecht zu bewerten. Im deutschen Kartellordnungswidrigkeitenrecht richtet sich die Geldbuße gegen den Rechtsträger und nicht gegen das Unternehmen.807 § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB gestattet es, eine Geldbuße bis zu 10 v.H. des erzielten Gesamtumsatzes gegen den Delinquenten festzusetzen. Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes ist nach § 81 Abs. 4 Satz 3 GWB der weltweite Umsatz aller natürlichen und juristischen Personen zugrunde zu legen, die als wirtschaftliche Einheit operieren. In der Konsequenz lässt § 81 Abs. 4 GWB den Adressaten der Sanktion und den Maßstab zur Berechnung ihrer Höhe auseinanderfallen.808 804 NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 57. 805 Siehe hierzu 1. Teil E. II. 2. 806 BVerfGE 45, 187 (228); 50, 5 (12); 96, 245 (249); 109, 133 (171); 110, 1 (13); 120, 224 (254). 807 Buntscheck in FS Bechtold S. 81 (87); Göhler/Gürtler OWiG § 17 Rn. 48b; Lemke/Mosbacher OWiG § 30 Rn. 12; Bohnert OWiG § 30 Rn. 11. 808 Barth/Budde NZKart 2013, 311 (314).

B. Tagessatzsystem

121

Gegen die Regelung des § 81 Abs. 4 Satz 3 GWB wird vorgebracht, dass der Gesamtumsatz verbundener Unternehmen für die Schuld ohne Relevanz sei. Deswegen fehle der Geldbuße die Schuld- und Tatangemessenheit.809 Zudem wird geltend gemacht, dass die Einbeziehung von Konzernumsätzen die Zurechnung fremder Schuld nach sich ziehe.810 Die Gegenansicht verweist darauf, dass es sich bei der Zurechnung von Umsätzen eines einheitlichen Unternehmens nicht um eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Schuldzurechnung handele. Die Regelung diene ausschließlich der Festlegung des Bußgeldrahmens.811 Es erfolge lediglich eine Umsatz-, nicht jedoch eine bußgeldrechtliche Haftungszurechnung.812 Dass der Adressat der Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG eine juristische Person oder Personenvereinigung sei, schließe es daher nicht aus, dem Adressaten andere Unternehmensumsätze zuzurechnen.813 Für das Verbandsstrafrecht ist davon auszugehen, dass eine Berücksichtigung der Konzernertragslage dem verfassungsrechtlichen Schuldprinzip nicht widerspricht.814 Im Verbandsstrafrecht gilt das Tagessatzsystem. Bei diesem ist die Berücksichtigung von Konzernerträgen mit dem Schuldprinzip vereinbar. Auf die Anzahl der Tagessätze, die in einem gerechten Verhältnis zur Schuld des Verbands stehen muss, wirken sich Konzernerträge nicht aus. Diese beeinflussen vielmehr die Höhe des einzelnen Tagessatzes. Diese steht in keiner Beziehung zur Schuld des Verbands unabhängig davon, ob auf die Erträge des Täterverbands oder auf die Konzernerträge abgestellt wird. Deswegen kommt es entscheidend darauf an, ob die Einbeziehung von Konzernerträgen in die Bemessung der Tagessatzhöhe mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist. bb) Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz Ob auf die Ertragslage des Konzerns abgestellt werden kann, ist vor dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen. Dieser gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.815 Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber. Diese reichen vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse.816

809 Barth/Budde NZKart 2013, 311 (314); Deselaers WuW 2006, 118 (121); Barth/Budde WRP 2010, 712 (718); Heinichen NZWiSt 2013, 161 (165 f.); Brettel/Thomas ZWeR 2009, 25 (61); kritisch auch Bach in FS Bechtold S. 1 (8). 810 Wagner EWS 2006, 251 (256). 811 Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker § 81 GWB Rn. 426; keine Bedenken auch bei Klocker/Ost in FS Bechtold S. 229 (247). 812 Meyer-Lindemann NJW 2013, 1976; Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker § 81 GWB Rn. 426; Mundt WuW 2007, 458 (467). 813 Vollmer ZWeR 2007, 168 (180). 814 So für § 81 Abs. 4 GWB auch Thiele in WRP 2006, 999 (1006); MüKo-Vollmer GWB § 81 Rn. 116. 815 BVerfGE 120, 1 (29); 122, 210 (230); 129, 49 (68). 816 BVerfGE 88, 87 (96 f.).

122

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist insbesondere dann durchzuführen, wenn die Ungleichbehandlung zugleich negative Auswirkungen auf den Gebrauch von Freiheitsrechten hat.817 Da sich eine Ungleichbehandlung von konzernangehörigen und nicht konzernangehörigen Verbänden negativ auf die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) auswirken kann, ist die Ungleichbehandlung auf ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Nach diesem Maßstab kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, ob eine unterschiedliche Behandlung von konzernangehörigen und nicht konzernangehörigen Verbänden gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt. Die Einbeziehung der Konzernertragslage dient dem legitimen Ziel, dass die Höhe des Tagessatzes nicht von der zufälligen Verantwortungsverteilung zwischen einzelnen Konzernverbänden abhängig gemacht und Vermögensverschiebungen innerhalb von Unternehmensgruppen vorgebeugt wird.818 Zur Erreichung dieses Ziels ist die Regelung geeignet und auch erforderlich, weil ein weniger eingriffsintensives, gleich geeignetes Mittel nicht ersichtlich ist. Überdies ist die Regelung angemessen, wenn der Konzernmutterverband im Wege einer steuerlichen Organschaft (§§ 14 ff. KStG) mit dem delinquenten Tochterverband verbunden ist. Folge des zwingend abzuschließenden Ergebnisabführungsvertrags ist, dass der Tochterverband einen möglichen Gewinn an den Mutterverband abzuführen hat. Umgekehrt ist ein etwaiger Verlust vom Mutterverband auszugleichen. Aus diesem Grund scheidet eine finanzielle Überforderung des Tochterverbands in diesem Fall aus. Fehlt dagegen ein Ergebnisabführungsvertrag, übersteigt eine Sanktionierung des Tochterverbands auf Konzernertragslage dessen Leistungsfähigkeit in der Regel erheblich, es sei denn, der Tochterverband erwirtschaftet einen Großteil der Konzernerträge. Ein Verlustausgleichsanspruch gegen den Konzernmutterverband besteht in diesem Fall nicht. Daher würde eine derartige Sanktionierung das „Überleben“ des Tochterverbands regelmäßig gefährden. Fehlt zwischen dem Konzernmutterverband und dem Konzerntochterverband ein Ergebnisabführungsvertrag, ist eine Berücksichtigung der Konzernerträge bei der Bemessung der Tagessatzhöhe gegenüber dem Tochterverband unverhältnismäßig. cc) Zwischenergebnis Die Bemessung der Höhe des Tagessatzes an der Konzernertragslage bei konzernangehörigen Verbänden ist rechtlich zulässig, wenn zwischen dem Konzernmutterverband und dem Konzerntochterverband ein Ergebnisabführungsvertrag besteht. In diesem Fall verstößt eine solche Regelung weder gegen das Schuldprinzip noch gegen den Gleichheitssatz. Beim Fehlen eines Ergebnisabführungsvertrags ist sie unzulässig. b) Verhältnis der Geldstrafe zur Leistungsfähigkeit ihres Adressaten Wie gerade gezeigt, ist die Bemessung der Verbandsgeldstrafe nach der Konzernertragslage im Fall eines Ergebnisabführungsvertrags zwischen dem Konzernmutter- und dem Konzerntochterverband rechtlich zulässig. Fraglich ist, ob eine Einbeziehung der Konzernertragslage in diesem Fall auch inhaltlich überzeugt, d.h. rechtlich geboten ist. 817 818

BVerfGE 88, 87 (96 f.). Hierzu Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker § 81 GWB Rn. 426.

B. Tagessatzsystem

123

Für die Einbeziehung der Konzernertragslage in die Bemessung der Verbandsgeldstrafe wird das damit verbundene Abschreckungsmoment angeführt.819 Auch die internationale Mindesttrias „wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender“ Sanktionen, an denen sich der Gesetzgeber in den Grenzen des Grundgesetzes orientieren darf aber nicht muss,820 sprechen hierfür. Eine Sanktion, die sich an der Ertragslage des einzelnen Verbands orientiert, ist für den Konzern nicht abschreckend. Strafe ist die Auferlegung eines Rechtsnachteils wegen einer schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat.821 Sie ist – neben ihrer Aufgabe abzuschrecken und zu resozialisieren – eine angemessene Antwort auf strafrechtlich verbotenes Verhalten.822 Da die Strafe neben der Abschreckung auch anderen Zielen dient, vermag die Abschreckungswirkung allein das Abstellen auf die Konzernertragslage nicht zu rechtfertigen. Das Abstellen auf die Konzernertragslage führt dazu, dass der Tochterverband auf Konzernniveau sanktioniert wird.823 Zur Rechtfertigung weist das OLG Düsseldorf im Kartellordnungswidrigkeitenrecht darauf hin, dass dem Tochterverband als Teil eines Konzerns ein erweiterter Verhaltensspielraum zuwachse. Er sei nicht auf seine eigenen Ressourcen angewiesen, sondern könne auf die Wirtschaftskraft des Gesamtkonzerns zurückgreifen.824 Dem ist der BGH zumindest im Ergebnis gefolgt.825 Wenngleich ein solches Vorgehen im Fall eines Ergebnisabführungsvertrags nicht rechtlich unzulässig ist,826 führt es dazu, dass der Adressat der Geldstrafe und die Bemessungsgrundlage auseinanderfallen. Adressat der Geldstrafe bliebe der einzelne Verband, wohingegen sich die Bemessungsgrundlage für die Höhe des Tagessatzes an den Konzernertrag anlehnte. Dieses Auseinanderfallen erscheint in systematischer Hinsicht unbefriedigend. Zudem würde über den Umweg der Berechnungsgrundlage die Haftung des Unternehmens durch die Hintertür eingeführt. Dies konterkariert die Entscheidung für das Rechtsträgerprinzip auf Tatbestandsebene im Verbandsstrafrecht.827 Um die Verbandsgeldstrafe sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenseite in ein kohärentes System einzubetten, ist das Rechtsträgerprinzip auch auf der Rechtsfolgenebene konsequent fortzuschreiben.828 Der einzelne Verband ist Adressat der Verbandsgeldstrafe. Deswegen überzeugt es im Sinne eines schlüssigen Gesamtkonzepts einer Verbandsbestrafung, dass die Höhe des Tagessatzes 819

MüKo-Vollmer § 81 GWB Rn. 120; Mundt WuW 2007, 458 (466 f.). Siehe 1. Teil B. III. 1., 2. Teil A. II. 821 BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 58. 822 BVerfGE 21, 391 (404); 45, 187 (253 f.); 95, 96 (140); BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 58. 823 Thomas in FS Möschel S. 675 (688). 824 OLG Düsseldorf Urt. v. 26.06.2009 Az.: VI-2a Kart 2 – 6/08 OWi (Zementkartell) Rn. 624. 825 BGH NJW 2013, 1972 (1975). 826 Siehe 2. Teil B. II. 2. a) cc). 827 Vgl. den entsprechenden Vorwurf im Ordnungswidrigkeitenrecht Barth/Budde NZKart 2013, 311 (314); kritisch auch Haus NZKart 2013, 183 (186 ff.). 828 So auch Haus für das Ordnungswidrigkeitenrecht in NZKart 2013, 183 (188) sowie Wagner EWS 2006, 251 (256), der von konzeptionellen Brüchen spricht. 820

124

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit ihres Adressaten, also des einzelnen Verbandes, steht.829 c) Zwischenergebnis Das Abstellen auf die Konzernertragslage zur Bemessung der Tagessatzhöhe ist im Fall eines Ergebnisabführungsvertrags zwischen dem Konzernmutterverband und dem Konzerntochterverband zulässig, um Vermögensverschiebungen innerhalb des Konzerns vorzubeugen. Dennoch ist es vorzugswürdig, das Rechtsträgerprinzip auch auf Rechtsfolgenseite konsequent fortzuschreiben. Fehlt ein Ergebnisabführungsvertrag, ist das Abstellen auf die Konzernertragslage von vornherein unzulässig. Daher ist in beiden Fällen die Ertragslage des verantwortlichen Verbands für die Höhe der Tagessatzbemessung maßgeblich. 3. Höchstgrenze Strafe ist eine angemessene Antwort auf ein strafrechtlich verbotenes Verhalten.830 Um diese Angemessenheit sicherzustellen, bedarf es einer Begrenzung der Strafe nach oben. Im deutschen Kartellordnungswidrigkeitenrecht darf die Kartellgeldbuße maximal 10 v.H. des Gesamtumsatzes des Unternehmens betragen (§ 81 Abs. 4 Satz 2 GWB). Auch für das Verbandsstrafrecht ist zu überlegen, wie eine Geldstrafe nach oben zu begrenzen ist. Nach dem NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch darf die Verbandsgeldstrafe 10 v.H. des Umsatzes nicht übersteigen (§ 6 Abs. 4 Satz 3 VerbStrG-E). Zudem schlägt er wie bei der Ermittlung der Ertragslage831 vor, den weltweiten Umsatz aller natürlichen und juristischen Personen zugrunde zu legen, soweit diese als wirtschaftliche Einheit operieren (§ 6 Abs. 5 Satz 2 VerbStrG-E). Das Abstellen auf die weltweite Situation hat bereits bei der Ermittlung der Ertragslage nicht überzeugt.832 Aus den gleichen Gründen ist das Abstellen auf den weltweiten Umsatz auch bei der Höchstgrenze abzulehnen. Die Erörterung der Problematik einer Höchstgrenze beginnt mit der Darstellung der Debatte um eine Höchstgrenze im österreichischen VbVG, die bereits die entgegen gesetzten Argumentationslinien diesbezüglich aufzeigt (hierzu a)). Danach sind die beiden verschiedenen Möglichkeiten einer Höchstgrenze, Kappungs- und Obergrenze, darzustellen und einer rechtlichen Bewertung zu unterziehen (hierzu b)). Im Anschluss ist die Zulässigkeit einer flexiblen Obergrenze zu erörtern (hierzu c)), um abschließend zur Frage Stellung zu nehmen, ob die Höhe des einzelnen Tagessatzes durch einen Maximalbetrag zu begrenzen ist (hierzu d)). a) Rechtslage in Österreich Im Ministerialentwurf für das VbVG war ein Maximalbetrag für die Höhe des einzelnen Tagessatzes noch mit dem bereits zuvor im Schrifttum vertretenen833 Argument abgelehnt

829 So auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht Haus NZKart 2013, 183 (189); Koch ZHR 171, 554 (564); Thomas in FS Möschel S. 675 (688). 830 BVerfGE 45, 187 (253 f.); 95, 96 (140). 831 Siehe hierzu 2. Teil B. II. 2. 832 Siehe hierzu 2. Teil B. II. 2. c). 833 Löschnig-Gspandl Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich S. 446.

B. Tagessatzsystem

125

worden, dass eine solche Begrenzung sehr hoch sein müsse.834 Der Gesetzgeber hat sich im VbVG dagegen für einen Maximalbetrag entschieden, der an eine feste Zahl anknüpft (im Folgenden: konstanter Maximalbetrag). Der maximale Tagessatz beträgt 10.000 € (§ 4 Abs. 4 Satz 2 VbVG). Aus der Höchstzahl der Tagessätze i.H.v. 180 (§ 4 Abs. 3 VbVG) und dem konstanten Maximalbetrag ergibt sich eine Höchstgeldbuße i.H.v. 1.800.000 €. Demgegenüber gehen Stimmen im Schrifttum davon aus, dass die abschreckende Wirkung auf große und ertragsstarke Verbände durch diese Begrenzung reduziert werde.835 Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Großverbänden wird die Vereinbarkeit dieser Begrenzung mit dem Gleichheitssatz in Zweifel gezogen.836 Diese würden gegenüber kleineren Verbänden begünstigt. Die Debatte um eine Höchstgrenze in Österreich zeigt die Schwierigkeit auf, einerseits die Strafdrohung hinreichend klar zu begrenzen und andererseits die unterschiedliche Leistungsfähigkeit von Verbänden angemessen zu berücksichtigen. Für ein deutsches Verbandsstrafrecht bedarf es einer differenzierteren Auseinandersetzung mit dieser Frage. b) Höchstgrenze als Kappungs- oder Obergrenze Eine Höchstgrenze einer strafenden Sanktion kann durch eine Kappungs- oder eine Obergrenze erreicht werden. Während die Obergrenze die höchste Sanktion für die denkbar schwersten Fälle darstellt, verfolgt die Kappungsgrenze einen anderen Zweck. Sie soll Verbände vor einer Gefährdung ihrer Existenz schützen.837 Die Kappungsgrenze dient dazu, Geldsanktionen zu verhindern, die der Verband voraussichtlich nicht zahlen kann.838 Zu diesem Zweck wird die nach den normalen Zumessungsfaktoren bestimmte Geldsanktion bei Erreichen eines bestimmten Höchstbetrags gekappt.839 Daher stellt sich die Frage, ob eine Höchstgrenze der Verbandsgeldstrafe als bloße Kappungsgrenze ausgestaltet werden kann oder ob sie eine Obergrenze darstellen muss. Die Antwort auf diese Frage hängt von den verfassungsrechtlichen Vorgaben ab, die an Höchstgrenzen zu stellen sind. Diesen muss eine Höchstgrenze genügen. Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Höchstgrenzen im Kartellordnungswidrigkeitenrecht hat sich der BGH in der Grauzementkartellentscheidung geäußert. Anschließend werden die dort getroffenen Aussagen bewertet und die verfassungsrechtlichen Vorgaben an Höchstgrenzen im Verbandsstrafrecht dargestellt.

834 Materialien zum Ministerialentwurf eines Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit von Verbänden für mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlungen S. 25. 835 Frank-Thomasser/Punz Unternehmensstrafrecht S. 15; Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S.193; zur Regierungsvorlage Köck JBl 2005, 477 (485). 836 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 193. 837 MüKo-Vollmer § 81 GWB Rn. 109. 838 So zu Art. 23 Abs. 2 Satz 2 VO 1/2003 etwa EuGH Urt. v. 28.06.2005 Az.: C-189/02 Rn. 280. 839 So für das Ordnungswidrigkeitenrecht MüKo-Vollmer § 81 GWB Rn. 109.

126

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Zur nationalen Kartellgeldbuße in § 81 Abs. 4 GWB hat der BGH in verfassungskonformer Auslegung festgestellt, dass die in dieser Vorschrift enthaltene Begrenzung auf 10 v.H. des Umsatzes (§ 81 Abs. 4 Satz 2 GWB) nicht als Kappungs-, sondern als Obergrenze zu verstehen ist.840 Zur Begründung führt er aus, dass die Festlegung einer Unter- und Obergrenze des Sanktionsrahmens die Fixpunkte für die tatrichterliche Entscheidung im Einzelfall schaffe. Diese stellten den unverzichtbaren Orientierungsrahmen für die richterliche Abwägung dar.841 Dieses Erfordernis erfülle eine bloße Kappungsgrenze nicht. Sie entspräche nicht einmal annähernd dem denkbar schwersten Fall, für den allein grundsätzlich die schwerste Sanktion verhängt werden dürfe.842 Die Bußgeldbemessung im Kartellrecht unterliege keinem festen Sanktionsrahmen. Es fehlten gesetzliche Vorschriften, an denen sich die Bußgeldbemessung bei einem flexiblen Sanktionsrahmen orientieren könne.843 Im Urteil zur Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe habe das Bundesverfassungsgericht festgestellt,844 dass es Aufgabe des Gesetzgebers sei, über die allgemeinen Kriterien zu befinden, die den konkreten Ahndungsvorgang leiten.845 Würde die Bußgeldobergrenze als Kappungsgrenze verstanden, wäre die normative Vorprägung des richterlichen Ahndungsprozesses nicht gewährleistet. Sei kein fester Ahndungsrahmen vorhanden, fehle den Zumessungskriterien das sie einordnende Bezugssystem.846 Nur wenn die in § 81 Abs. 4 GWB enthaltene Begrenzung als Obergrenze verstanden werde, bestehe für die Bußgeldzumessung ein hinreichend bestimmter Rahmen, innerhalb dessen anhand der allgemeinen Zumessungskriterien das zu verhängende Bußgeld im Einzelfall festgesetzt werden könne.847 Für das gerichtliche Bußgeldverfahren wie auch für das Strafverfahren gelte vielmehr, dass der Richter die Sanktion selbstständig innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens zu finden habe.848 Dabei habe er die schärfenden und mildernden Faktoren gegeneinander abzuwägen und anhand der gesetzlich vorgegebenen Bemessungskriterien die Geldsanktion festzusetzen. Um dem Richter eine eigenständige Ahndung zu ermöglichen, bedürfe es neben einer Untergrenze einer Obergrenze.849 Den Aussagen des BGH ist in der Literatur widersprochen worden. Kritisiert wird, dass das Gericht die traditionelle Zumessungsmethode des deutschen Rechts mit Verfassungsrang ausstatte, obwohl es sich dabei nur um einfaches Recht handele.850 Der Verweis des BGH auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe851 840 BGH NJW 2013, 1972 (1973); zur abweichenden Ansicht des BKartA und den daraus resultierenden Folgen und Problemen vgl. Saliger in FAZ v. 13.06.2018; Mäger WuW 2018, 293; a.A. Ost/Breuer NZKart 2019, 119. 841 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 72. 842 BGH NJW 2013, 1972 (1973). 843 BGH NJW 2013, 1972 (1974). 844 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 73. 845 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 73. 846 BGH NJW 2013, 1972 (1974). 847 BGH NJW 2013, 1972 (1974). 848 BGH NJW 2013, 1972 (1974). 849 BGH NJW 2013, 1972 (1974). 850 MüKo-Vollmer § 81 GWB Rn. 112. 851 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95.

B. Tagessatzsystem

127

überzeuge nicht, weil sich dessen Aussagen nur auf Sanktionen bei Straftaten von natürlichen Personen bezögen.852 Es ist zwar richtig, dass sich die vom Bundesverfassungsgericht gemachten Aussagen nur auf Sanktionen bei Straftaten von natürlichen Personen beziehen. Dennoch ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund bei verbandsbezogenen Gesetzesübertretungen geringere rechtsstaatliche Standards gelten sollten. Der BGH hat die vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur Vermögensstrafe entwickelten Maßstäbe im Ergebnis zu Recht auch auf Kartellgeldbußen angewandt.853 Die Anforderungen an die Höchstgrenze der Verbandsgeldstrafe sind anhand des Bestimmtheitsgebots zu entwickeln. Der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit ist im Ordnungswidrigkeiten- wie im Strafrecht zu beachten.854 Was im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt, muss erst recht im eingriffsintensiveren Strafrecht Geltung beanspruchen. Deswegen sind die zum Kartellordnungswidrigkeitenrecht gemachten Ausführungen auf das Verbandsstrafrecht zu übertragen. Der Bestimmtheitsgrundsatz sichert den Grundsatz der Gewaltenteilung ab.855 Es obliegt allein dem demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgeber, nicht dem Rechtsanwender, auch nicht dem Richter, das angemessene Verhältnis zwischen der Sanktionsdrohung und dem im Tatbestand vertypten Unrechtsgehalt normativ zu bestimmen.856 Eine strafende staatliche Antwort auf eine Zuwiderhandlung gegen eine Strafnorm muss für den Normadressaten vorhersehbar sein.857 Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit verlangt, dass sich der Gesetzgeber bei den Strafdrohungen in den einzelnen Straftatbeständen auf Strafrahmen festlegt. Diesen müssen sich grundsätzlich das Mindestmaß einer Strafe ebenso wie die Sanktionsobergrenze entnehmen lassen, damit sie einen Orientierungsrahmen für die richterliche Abwägung nach Tatunrecht und Schuldmaß bilden.858 Die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Orientierungsfunktion wird nur dadurch gewährleistet, dass eine Höchstbegrenzung als Ober- und nicht als Kappungsgrenze verstanden wird.859 Nur wenn die Höchststrafe dem denkbar schwersten Fall vorbehalten bleibt, hat der Gesetzgeber dem Richter einen Orientierungsrahmen für das Schuldmaß zur Verfügung gestellt. Dies gewährleistet eine Kappungsgrenze gerade nicht, weil auch für eine von der Tatschwere

852

MüKo-Vollmer § 81 GWB Rn. 112. Für eine Geltung dieser Maßstäbe auch Achenbach ZWeR 2009, 3 (17); Brettel/Thomas ZWeR 2009, 25 (34 ff.); Dannecker/Dannecker/Müller ZWeR 2013, 417 (444); Barth/Budde WRP 2010, 712 (721). 854 Achenbach ZWeR 2009, 3 (17 f.); Wagner EWS 2006, 251 (252 f.); für die Geltung von Art. 103 Abs. 2 GG im Ordnungswidrigkeitenrecht auch Thiele WRP 2006, 999 (1003). 855 Heinichen NZWiSt 2013, 161 (162). 856 Dannecker in FS Roxin S. 285 (287 f.); ähnlich auch Brettel/Thomas ZWeR 2009, 25 (40). 857 BVerfGE 26, 41 (42); 45, 363 (370 ff.). 858 Zum Ganzen BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 72. 859 So auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht Hassemer/Dahlmeyer S. 41 f. 853

128

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

eher als leichter einzustufende Normverletzung eine bereits an die Grenze gehende Geldsanktion verhängt werden könnte.860 Die Vorhersehbarkeit der Sanktion für den Adressaten wird durch eine Obergrenze gegenüber einer Kappungsgrenze deutlich erhöht. Die Gesetzesfassung soll Klarheit über das Verbot und seine Folgen schaffen, damit Verhalten daran ausgerichtet werden kann.861 Es geht bei hinreichender Bestimmtheit auch um Verhaltenssteuerung durch Vorhersehbarkeit.862 Potentielle Normbrecher werden nicht durch Unberechenbarkeit, sondern durch Transparenz und Vorhersehbarkeit der Konsequenzen abgeschreckt. Unbestimmte gesetzliche Vorgaben können den Normadressaten auch zu einer zu optimistischen Prognose der Unrechtsfolgen veranlassen und dadurch gerade zu verbotswidrigem Tun ermutigen.863 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Bestimmtheit von Rechtsfolgen im Strafrecht durch eine Kappungsgrenze verfehlt werden. Deswegen ist die Höchstgrenze im Verbandsstrafrecht als Obergrenze auszugestalten. Die Höchststrafe bleibt dem denkbar schwersten Fall vorbehalten. c) Verfassungsmäßigkeit einer flexiblen Obergrenze der Geldstrafe Wie gerade festgestellt wurde, ist die Höchstgrenze aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben als Obergrenze auszugestalten. In einem nächsten Schritt ist der Frage nachzugehen, ob diese starr zu konzipieren ist, d.h. für alle Verbände die gleiche Obergrenze gilt, oder ob auch eine flexible Obergrenze den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen kann. In einem Tagessatzsystem errechnet sich die Verbandsgeldstrafe aus dem Produkt der Anzahl der Tagessätze und der Höhe des einzelnen Tagessatzes. Da sich der Gesetzgeber auf Strafrahmen festlegen muss,864 ist die Höchstzahl der Tagessätze vorgegeben. Eine starre Obergrenze kann im Tagessatzsystem erreicht werden, indem die Höhe des einzelnen Tagessatzes durch einen konstanten Maximalbetrag865 begrenzt wird. Eine flexible Obergrenze ist in einem Tagessatzsystem dadurch realisiert, dass die individuelle Tagessatzhöhe mit der feststehenden Höchstzahl der Tagessätze multipliziert wird. Aus diesem Produkt ergibt sich für jeden Verband eine individuelle Obergrenze. Eine flexible Obergrenze wirft die Frage auf, inwiefern diese Begrenzung mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist. Eine strafende staatliche Antwort auf eine Zuwiderhandlung gegen eine Strafnorm muss für den Normadressaten vorhersehbar sein.866 Zunächst ist auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensstrafe im Individualstrafrecht einzugehen, um anschließend die Zulässigkeit flexibler Obergrenzen im Verbandsstrafrecht zu besprechen.

860

Langen/Bunte-Raum § 81 GWB Rn. 164. BVerfG NJW 1972, 860 (862); BVerfG NJW 1979, 1981 (1982). 862 Zur Vorhersehbarkeit vgl. BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 66. 863 Brettel/Thomas ZWeR 2009, 25 (35). 864 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 72. 865 Zum Begriff siehe 2. Teil B. II. 3. a). 866 BVerfGE 26, 41 (42); 45, 363 (370 ff.). 861

B. Tagessatzsystem

129

aa) Individualstrafrecht Zur Frage einer flexiblen Obergrenze im Individualstrafrecht hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur Vermögensstrafe (§ 43a StGB) Stellung genommen.867 Mit einer knappen Entscheidung von 5 zu 3 Stimmen hat es die Verfassungswidrigkeit der Norm festgestellt. Die Mehrheit der Richter stützt sich auf 3 Erwägungen, weshalb § 43a StGB den Vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht genüge. (1) Unklarheit über den Anwendungsbereich Zunächst betonen die Richter die Wichtigkeit, präzise zu regeln, in welchen Fällen die Vermögensstrafe zur Anwendung kommen soll. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die Vermögensstrafe neben die bestehenden Sanktionen des Individualstrafrechts trete. Sehe ein Straftatbestand mehrere Strafarten alternativ oder kumulativ vor, sei es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen auferlegt, dem Richter für die Auswahl der Sanktionen Leitlinien an die Hand zu geben. Dadurch könne dieser im Einzelfall eine schuldangemessene und vorhersehbare Reaktion bemessen und begründen.868 Die allgemeinen Strafzumessungsregelungen (§ 46 StGB) reichten für die Wahl nicht aus, weil die Vermögensstrafe neben eine Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren trete.869 Die Vermögensstrafe sei eine neue Strafart, die gleichsam konfiskatorisch das gesamte Vermögen des Verurteilten aufzehren könne und deshalb von hoher Eingriffsintensität sei. Sie berge die Gefahr, leicht mit dem Schuldprinzip in Konflikt zu geraten.870 Das Verhältnis von Freiheitsund Vermögensstrafe bleibe unklar.871 (2) „Wandernder“ Strafrahmen Zudem habe es der Gesetzgeber versäumt, für die Bestimmung des Strafrahmens der Vermögensstrafe ausreichende Feststellungen zu treffen. Die Höhe der Vermögensstrafe sei nur durch den Wert des Vermögens begrenzt und enthalte keine abstrakt bestimmte oder auch nur bestimmbare Obergrenze.872 Der Gesetzgeber habe sich für einen „wandernden“ Strafrahmen entschieden und dessen individuelle Bestimmung der richterlichen Rechtsanwendung übertragen.873 Hier werde eine Aufgabe, die herkömmlich dem Strafgesetzgeber obliege, dem Richter übertragen.874 Der gesetzlich bestimmte herkömmliche Strafrahmen vermittle einen verbindlichen Eindruck des Unwertgehalts, den der Gesetzgeber mit einem unter Strafe gestellten Verhalten verbunden habe.875 Diese Orientierungsfunktion gehe bei einer individuellen Bestimmung der Obergrenze verloren, so dass die Festsetzung der Höhe einer konkreten Vermögensstrafe

867

BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95. BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 84. 869 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 84 f. 870 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 85. 871 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 87. 872 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 93. 873 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 94. 874 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 95. 875 BVerfGE 25, 269 (286). 868

130

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

keinem gesetzlichen Maßstab folgen könne.876 Die Obergrenze der Vermögensstrafe stütze sich allein darauf, wie viel an Vermögensmasse faktisch existiere.877 (3) Fehlende Strafzumessungskriterien Schließlich begründe sich die verfassungswidrige Unbestimmtheit der Regelung auch mit dem Verzicht des Gesetzgebers, Kriterien für die Zumessung der konkreten Vermögensstrafe in das Gesetz aufzunehmen. Er habe damit die Verantwortung für den Umfang einer Vermögensstrafe allein in die Hände des Richters gelegt, ohne selbst auch nur anzudeuten, welche Zumessungskriterien für die Höhe der Vermögensstrafe ausschlaggebend sein sollen.878 Zudem habe der Gesetzgeber davon Abstand genommen, den Strafrichter anzuleiten, wie er Freiheits- und Vermögensstrafe ins Verhältnis setzen solle. Dieser Umstand war schon für die Frage von Bedeutung, ob der Gesetzgeber hinsichtlich der Art der Strafe die nach Art. 103 Abs. 2 GG notwendigen Feststellungen getroffen hat. Er lasse zudem Zweifel aufkommen, ob der Richter für die konkrete Umrechnung von Vermögens- in Freiheitsstrafe zur Reduzierung der an sich verwirkten Freiheitsstrafe vom Gesetzgeber hinreichend orientiert worden sei.879 bb) Verbandsstrafrecht Fraglich ist, welche Implikationen sich aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensstrafe (§ 43a StGB) für eine flexible Obergrenze im Verbandsstrafrecht herleiten lassen. Ob diese Erwägungen zum Individualstrafrecht überhaupt auf die Sanktionierung von Verbänden übertragbar sind, ist bereits im Rahmen der flexiblen Obergrenze des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB im Kartellordnungswidrigkeitenrecht Gegenstand einer intensiven Kontroverse.880 Für das Verbandsstrafrecht ist darüber hinaus noch zu untersuchen, inwieweit die Unterschiede zwischen einem Tagessatz- und einem Geldsummensystem einer Übertragung der dort gemachten Erwägungen entgegenstehen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann nicht ohne Weiteres auf Geldsanktionen gegenüber Verbänden angewandt werden.881 Vielmehr ist zu prüfen, ob die 3 Erwägungen, mit denen das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe begründet hat, auf eine flexible Obergrenze im Verbandsstrafrecht übertragbar sind. (1) Anwendungsbereich und Strafzumessungskriterien Die Verbandsgeldstrafe tritt nicht neben eine Strafe, die einer Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren im Individualstrafrecht vergleichbar wäre. Zudem kann sie nicht das gesamte Vermögen aufzehren, weil sie durch eine bestimmte Höchstzahl der Tagessätze von vornherein begrenzt ist. Außerdem hat das Vermögen nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die 876

Eser in FS für Stree/Wessels S. 833 (841). BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 96. 878 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 105. 879 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 109. 880 Ausführlich zum Streitstand mit eingehender Darstellung des Meinungsspektrums Achenbach ZWeR 2009, 3 (16 ff.). 881 BGH NJW 2013, 1972 (1974); MüKo-Vollmer § 81 GWB Rn. 116. 877

B. Tagessatzsystem

131

Höhe des Tagessatzes.882 Wenngleich neben einer Verbandsgeldstrafe weitere Sanktionen wie z.B. der Ausschluss von Subventionen oder der Vergabe öffentlicher Aufträge denkbar sind, ist das Verhältnis der Verbandsgeldstrafe zu diesen Sanktionen eindeutig. Die Verbandsgeldstrafe ist die Hauptsanktion, neben die andere Sanktionen treten können.883 Wegen der geringeren Eingriffsintensität der Verbandsgeldstrafe im Vergleich zur Vermögensstrafe reichen daher für die Wahl allgemeine, § 46 StGB vergleichbare Strafzumessungskriterien aus. Der Anwendungsbereich der Verbandsgeldstrafe ist somit eindeutig. § 46 StGB entsprechende Strafzumessungskriterien lassen sich auch für die konkrete Bemessung der Verbandsgeldstrafe entwickeln. Die Höhe der Verbandsgeldstrafe wird in einem 1. Schritt durch den vom Gesetzgeber für jeden Straftatbestand zu bestimmenden Strafrahmen vorgeprägt.884 Dieser Strafrahmen wird in einem 2. Schritt durch zu entwickelnde Strafzumessungskriterien weiter konkretisiert.885 Der Umfang der Verbandsgeldstrafe ist durch den Gesetzgeber deutlich engmaschiger vorgeprägt als bei der Vermögensstrafe. Im Ergebnis gelten die 1. und die 3. Erwägung, mit denen das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe begründet hat, für die Verbandsgeldstrafe nicht. (2) Flexibler Strafrahmen im Verbandsstrafrecht Es verbleibt die 2. Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, nach der § 43a StGB auf einen festgelegten Strafrahmen verzichte und daher zu unbestimmt sei. (a) Bestimmtheitsgrundsatz Flexible Strafobergrenzen bedürfen vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots einer Überprüfung.886 Die flexible Obergrenze des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB887 wird vielfach für verfassungswidrig gehalten unter Verweis darauf, dass das Bundesverfassungsgericht flexible Obergrenzen im Sanktionsrecht für schlechthin unvereinbar mit dem Bestimmtheitsgebot erachte.888 Eine derartige Aussage kann dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht entnommen werden.889 Die Vereinbarkeit flexibler Strafobergrenzen mit dem Bestimmtheitsgebot wird daran deutlich, dass die lebenslange Freiheitsstrafe als höchste Strafe im Individualstrafrecht auch flexibel ist.890 Die lebenslange Freiheitsstrafe ist gegenüber einer flexiblen Obergrenze, die an eine bestimmte Größe anknüpft, sogar noch unbestimmter. Nicht 882

Siehe 2. Teil B. 1. II. e) bb). Dannecker in FS Böttcher S. 465 (484). 884 Zum Strafrahmen im Verbandsstrafrecht siehe 2. Teil C. 885 Siehe zu den Strafzumessungsfaktoren im Verbandsstrafrecht 2. Teil D. 886 Für hohe Anforderungen an die Bestimmtheit auch im Bereich der Strafrechtsfolgen Dannecker in FS Otto S. 25 (39). 887 Siehe hierzu 2. Teil B. II. 3. 888 Deselaers WuW 2006, 118 (121); Bechtold/Buntscheck NJW 2005, 2966 (2970) sprechen davon, dass ganze Passagen des Urteils zur Vermögensstrafe wörtlich auf § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB übertragbar erscheinen. 889 So auch BGH NJW 2013, 1972 (1974); MüKo-Vollmer § 81 GWB Rn. 116. 890 Minderheitenvotum der Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 130; Brettel/Thomas ZWeR 2009, 25 (37). 883

132

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

einmal im Zeitpunkt der Verurteilung steht sicher fest, wie hoch die Strafe mit Blick auf die verbleibende Lebenszeit des Verurteilten ausfällt. Dies gilt ungeachtet der Möglichkeit, einen Strafrest zur Bewährung auszusetzen. Auch das Bundesverfassungsgericht selbst hat angedeutet, dass trotz des Urteils zur Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe flexible Strafobergrenzen nicht stets unzulässig sind. Das Gericht hat es in einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 abgelehnt, zur Verfassungsmäßigkeit der flexiblen Obergrenze in § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB Stellung zu nehmen.891 Zur Begründung führt es an, dass die Beschwerdeführerin nur auf das Urteil zur Vermögensstrafe verweise. Sie setze sich aber mit den dort aufgestellten Maßstäben und der Frage ihrer Übertragbarkeit auf die angegriffene Regelung nicht ansatzweise auseinander. Bei der flexiblen Obergrenze der Vermögensstrafe hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass das Fehlen einer allgemeinen Obergrenze und der individuelle Umfang des Tätervermögens zu einem sehr weiten, abstrakt uferlosen Strafrahmen führen. Dieser könne nicht mehr als Orientierung für die konkrete Bemessung der Vermögensstrafe dienen.892 Die Wirtschaftskraft von Verbänden ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von Kleinstverbänden bis zu global agierenden Verbänden, die Milliardenüberschüsse pro Jahr erwirtschaften. Auch natürliche Personen können erhebliche Einkommensunterschiede aufweisen. Im Unterschied zu Verbänden sind natürliche Personen aber nur sehr selten in der Lage, ein Milliardeneinkommen zu erzielen, selbst wenn sie über ein Milliardenvermögen verfügen. Diese gewaltigen Unterschiede bei der Wirtschaftskraft führen dazu, dass selbst bei einer starren Obergrenze ein sehr weiter Rahmen nötig ist, um alle Verbände gemäß ihrer Leistungsfähigkeit angemessen sanktionieren zu können.893 Bestimmtheit heißt nicht, dass für alle Verbände, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft, derselbe Sanktionsrahmen gelten muss.894 Die Bestimmtheit der Strafdrohung ist nicht nur absolut in Bezug auf alle Verbände, sondern auch relativ in Bezug auf den einzelnen Verband zu gewährleisten. Eine starre Obergrenze müsste wegen der starken Ertragskraft mancher Verbände sehr hoch sein, um auch diese gemäß ihrer Leistungskraft zu sanktionieren. Für kleinere Verbände wäre die mittels der Bestimmtheit zu gewährleistende Vorhersehbarkeit der Strafe nicht gegeben. Die starre Obergrenze müsste sich wegen der großen Verbände in einem Bereich bewegen, in dem kleinere Verbände ohnehin nicht sanktioniert werden.895 Wie weit sich die Höchststrafe für kleinere Verbände von der starren Obergrenze entfernt, ist für diese nicht vorhersehbar. Zudem ist die Verbandsgeldstrafe im Unterschied zur Vermögensstrafe bereits dadurch erheblich bestimmter, dass ein vom Gesetzgeber mit Blick auf den einzelnen Tatbestand zu definierender Strafrahmen vorliegen muss. Folglich ist die Höchstzahl der Tagessätze fest 891

BVerfG NZKart 2015, 447 (448). BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 95. 893 So für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht auch BGH NJW 2013, 1972 (1974); Mundt WuW 2007, 458 (465). 894 So für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht auch Langen/Bunte-Raum § 81 GWB Rn. 164. 895 BGH NJW 2013, 1972 (1974); Mundt WuW 2007, 458 (465). 892

B. Tagessatzsystem

133

vorgegeben. Lediglich die Höhe des einzelnen Tagessatzes unterliegt keinem konstanten Maximalbetrag.896 Verzichtet man für die Höhe des Tagessatzes auf einen konstanten Maximalbetrag, ist dies zumindest dann mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar, wenn die Anzahl der Tagessätze durch eine feste Höchstzahl begrenzt ist. (b) Grundsatz der Opfergleichheit Schließlich darf nicht übersehen werden, dass eine verfassungsmäßige Obergrenze nicht nur dem Bestimmtheitsgebot genügen muss. Sie hat vielmehr auch dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Der Gleichheitssatz verlangt nicht nur die Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem, sondern auch die Ungleichbehandlung von wesentlich Ungleichem.897 Eine absolute Obergrenze behandelt aber wesentlich Ungleiches gleich. Sie unterwirft Verbände, die sich in ihrer Wirtschaftskraft unterscheiden, einer identischen Obergrenze. Die absolute Obergrenze begünstigt den reichen Täter.898 Letztlich stellt nur eine flexible Obergrenze sicher, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der unterschiedlichen Verbände berücksichtigt werden.899 Hierdurch wird der Grundsatz der Opfergleichheit realisiert. Dieser soll gewährleisten, dass ertragsstarke wie ertragsschwache Verbände durch die Sanktion unter sonst gleichen Umständen auch einen sie gleich schwer treffenden wirtschaftlichen Verlust erleiden.900 cc) Zwischenergebnis Eine flexible Obergrenze im Verbandsstrafrecht ist jedenfalls verfassungsmäßig, wenn sie den nachstehenden Anforderungen genügt. Erstens muss der Anwendungsbereich der Verbandsgeldstrafe hinreichend bestimmt sein. Hierfür reichen die allgemeinen Strafzumessungskriterien aus, weil die Verbandsgeldstrafe die Primärsanktion darstellt. Zweitens darf die Obergrenze keinen „wandernden“ Strafrahmen beinhalten. Ist die Höchstzahl der Tagessätze durch einen Strafrahmen für jedes Delikt vorgegeben und unterliegt lediglich die Höhe des einzelnen Tagessatzes keinem Maximalbetrag, liegt kein „wandernder“ Strafrahmen vor. Überdies trägt eine derartige Regelung zur Opfergleichheit bei und stellt sicher, dass Täter mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft gleich schwer belastet werden. Drittens sind Strafzumessungskriterien für die Ausfüllung des Strafrahmens im Einzelfall zu entwickeln.

896

Zum Begriff siehe 2. Teil B. II. 3. a). BVerfGE 98, 365 (385). 898 Weitbrecht/Mühle WuW 2006, 1106 (1112); Minderheitenvotum der Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 128. 899 So für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht Langen/Bunte-Raum § 81 GWB Rn. 164. 900 Zum Grundsatz der Opfergleichheit siehe 2. Teil B. II. 897

134

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

d) Variabler Maximalbetrag für die Höhe des einzelnen Tagessatzes Bestimmt der Gesetzgeber eine Höchstzahl der Tagessätze, ohne zugleich die Höhe des einzelnen Tagessatzes zu beschränken, genügt dies den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das Bestimmtheitsgebot ist jedoch ein fundamentales Prinzip des Strafrechts. Die Strafdrohung sollte daher über die verfassungsrechtlichen Mindeststandards hinaus möglichst bestimmt ausgestaltet werden, ohne den Grundsatz der Opfergleichheit zu missachten. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes durch einen konstanten Maximalbetrag901 zu beschränken, ist mit Blick auf die sehr unterschiedliche Leistungsfähigkeit der verschiedenen Verbände nicht sinnvoll. Eine Begrenzung, die von einem variablen Faktor abhängt (im Folgenden: variabler Maximalbetrag), vermeidet diesen Nachteil. Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch beschränkt in Anlehnung an § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB die Verbandsgeldstrafe auf 10 v.H. des durchschnittlichen Jahresumsatzes des Verbands oder der Verbandsvereinigung (§ 6 Abs. 4 Satz 3 VerbStrG-E).902 Er begrenzt daher nicht die Höhe des einzelnen Tagessatzes, sondern das Produkt aus der Anzahl der Tagessätze und der Höhe des einzelnen Tagessatzes (im Folgenden: variabler Absolutbetrag). Die Begrenzung der Verbandsgeldstrafe durch einen variablen Absolutbetrag ist in einem Tagessatzsystem nicht sinnvoll. Überschreitet eine bestimmte Geldstrafe den variablen Absolutbetrag, stellt sich die Frage, wie die Höhe der Geldstrafe anzupassen ist. Gegen eine Absenkung der Anzahl der Tagessätze spricht, dass dieser Faktor der Geldstrafe das Maß der Schuld widerspiegelt. Deshalb könnte zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Schuldgrundsatz nur die Höhe des einzelnen Tagessatzes reduziert werden, um den variablen Absolutbetrag nicht zu überschreiten. Ein derartiges Vorgehen verstieße aber gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Während beim Überschreiten des variablen Absolutbetrags die Höhe des einzelnen Tagessatzes nach unten angepasst wird, unterbleibt eine entsprechende Anpassung, wenn die Geldstrafe den variablen Absolutbetrag nicht erreicht. Einer Privilegierung beim Überschreiten des variablen Absolutbetrags entspricht keine vergleichbare Entlastung beim Unterschreiten der Grenze, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. Deswegen ist an Stelle eines variablen Absolutbetrags die Höhe des einzelnen Tagessatzes durch einen variablen Maximalbetrag zu begrenzen. Hiervon profitieren Verbände in Fällen einer geringen und einer hohen Strafe in gleichem Maße.

901

Zum Begriff siehe 2. Teil B. II. 3. a). NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 57. 902

B. Tagessatzsystem

135

Eine Verbandsgeldstrafe drückt eine ausgeprägtere Missbilligung als eine Ordnungswidrigkeit aus.903 Um dies auch finanziell widerzuspiegeln, ist die Verbandsgeldstrafe auf 20 v.H. des Jahresumsatzes, also das Doppelte von § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB, zu begrenzen. Wie gezeigt, ist der Umsatz ungeeignet, um die Höhe des Tagessatzes zu bemessen. Er stellt keinen verlässlichen Indikator für die Leistungsfähigkeit des Verbands dar.904 Dennoch ist er ein tauglicher Faktor für die Obergrenze einer Verbandsgeldstrafe, weil er im Hinblick auf die Größe des Verbands Aussagekraft besitzt. Der Umsatz stellt somit sicher, dass die Geldstrafe, angepasst an die jeweilige Größe des Verbands, keine exzessiven Ausmaße annimmt. Geht man, wie noch zu zeigen ist, von einer maximalen Anzahl von 720 Tagessätzen aus,905 ist der einzelne Tagessatz auf 20 (v.H.) geteilt durch 720 (Tagessätze), also auf gerundet 0,028 v.H. des Jahresumsatzes zu begrenzen. Diese tagessatzbezogene Begrenzung vermeidet einerseits einen Verstoß gegen das Schuldprinzip und ist andererseits im Hinblick auf den Gleichheitssatz unbedenklich, weil alle Verbände von ihr in gleichem Maße profitieren. Wie im Individualstrafrecht (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB) wird die Höhe des einzelnen Tagessatzes nach oben beschränkt. Mit Blick auf die sehr unterschiedliche Wirtschaftskraft von Verbänden im Vergleich zu natürlichen Personen wird im Unterschied zum Individualstrafrecht kein konstanter Maximalbetrag, sondern ein variabler Maximalbetrag für die Höhe des einzelnen Tagessatzes gewählt. Im Ergebnis ist die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf 0,028 v.H. des Jahresumsatzes des betroffenen Verbands zu begrenzen. 4. Verlustperiode eines gewinnorientierten Verbands Ein Verluste schreibender Verband kann nicht sinnvoll mit einer Geldsanktion belegt werden, die sich an seiner Ertragslage ausrichtet.906 Es gibt einerseits Verbände, die trotz anfallender Verluste neben ihrem betriebsnotwendigen über nicht betriebsnotwendiges Vermögen verfügen. Andererseits existieren auch Verbände, die ausschließlich betriebsnotwendiges Vermögen besitzen. Beiden Fällen muss eine gesetzliche Regelung angemessen Rechnung tragen. a) Rechtslage in Österreich § 4 Abs. 4 Satz 2 VbVG bestimmt, dass der Mindesttagessatz bei gewinnorientierten Verbänden 50 € beträgt. Dieser findet auch Anwendung, wenn der Verband Verluste schreibt.907 In Österreich ist der Tagessatz nach der Ertragslage des Verbands unter Berücksichtigung von dessen sonstiger Leistungsfähigkeit zu bestimmen (§ 4 Abs. 4 VbVG). Die sonstige Leistungsfähigkeit soll das nicht betriebsnotwendige Vermögen berücksichtigen. Ihr wird dergestalt Rechnung getragen, dass Zu- und Abschläge von bis zu einem Drittel des 903 Hierzu Achenbach ZWeR 2009, 3 (18); Achenbach ZIS 2012, 178 (179 f.); BVerfGE 27, 18 (33). BVerfGE 9, 167 (171). 904 Siehe hierzu 2. Teil B. II. 1. b). 905 Siehe hierzu 2. Teil C I. 4. b) bb). 906 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41. 907 Steininger VbVG § 4 Rn. 20.

136

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Tagessatzes gemacht werden.908 Die Verwertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens hält der Gesetzgeber für sachgerecht, weil dessen Verwertung keinen negativen Einfluss auf die Ertragslage habe.909 Schreibt ein Verband, der sowohl über betriebsnotwendiges als auch nicht betriebsnotwendiges Vermögen verfügt, Verluste, besteht lediglich die Möglichkeit, den Mindesttagessatz von 50 € um ein Drittel auf 66,67 € zu erhöhen. Dieser erhöhte Mindesttagessatz greift bei Verbänden unabhängig davon, wie wertvoll ihr nicht betriebsnotwendiges Vermögen tatsächlich ist. Eine sinnvolle Berücksichtigung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens bei der Sanktionierung von Verluste schreibenden Verbänden ist nach dieser Regelung nicht möglich. Aber auch bei Verbänden, die ausschließlich über betriebsnotwendiges Vermögen verfügen und Verluste schreiben, ergeben sich Schwierigkeiten. Wird in diesen Fällen ein Mindesttagessatz festgesetzt, muss der Verband auf sein betriebsnotwendiges Vermögen zurückgreifen, um die Geldbuße bezahlen zu können. Hierdurch gefährdet er seine zukünftige Ertragslage. Zu dieser Problematik stellt der österreichische Gesetzgeber lediglich fest, dass es unbefriedigend wäre, auf eine Bestrafung zu verzichten.910 Ob sich eine Geldsanktion gegenüber diesen Verbänden rechtfertigen lässt, bedarf daher einer eingehenderen Betrachtung. Sowohl Verbände, die neben ihrem betriebsnotwendigen über nicht betriebsnotwendiges Vermögen verfügen, als auch solche, die ausschließlich betriebsnotwendiges Vermögen besitzen, müssen durch eine deutsche Regelung angemessen sanktioniert werden. b) Mindeststrafe bei Verlusten Wie gezeigt, ist nach der vorgeschlagenen Lösung für die Bemessung der Höhe des Tagessatzes auf den nachhaltig erzielten handelsrechtlichen Jahresüberschuss und die hypothetisch erzielbaren Überschüsse aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen korrigiert um den Steueraufwand abzustellen.911 Dies ermöglicht eine leistungsgerechte Sanktionierung von Verluste schreibenden Verbänden, die aus dem nicht betriebsnotwendigen Vermögen Überschüsse erzielen könnten. Grund hierfür ist, dass der unterbreitete Vorschlag im Unterschied zum österreichischen Gesetzgeber beim nicht betriebsnotwendigen Vermögen keine Korrektur bei der Höhe des Tagessatzes um einen bestimmten Zu- oder Abschlag vornimmt, sondern auf die hypothetisch erzielbaren Einnahmen abstellt. Zudem ist noch zu diskutieren, wie Verbände, die Verluste schreiben und nur über betriebsnotwendiges Vermögen verfügen, zu sanktionieren sind. Bei derartigen Verbänden geht es um die Frage, ob gegen den Verband trotz der Verluste überhaupt eine Geldstrafe verhängt werden kann. 908 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41. 909 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41. 910 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41. 911 Siehe hierzu 2. Teil B. II. 1. f).

B. Tagessatzsystem

137

Eine Geldstrafe hat im Grundsatz keine konfiskatorischen Zwecke zu verfolgen.912 Dies steht zwar der Berücksichtigung von hypothetisch erzielbaren Einnahmen nicht entgegen, denn die vorwerfbare Herabsetzung seiner Leistungsfähigkeit darf dem Täter nicht zugute kommen.913 Um die Verbandsgeldstrafe zu begleichen, muss ein Verluste schreibender Verband ohne nicht betriebsnotwendiges Vermögen aber auf sein betriebsnotwendiges Vermögen zurückgreifen. Zudem ist ihm nicht vorzuwerfen, dass er seine Leistungsfähigkeit mutwillig herabgesetzt hat. Im Unterschied zu natürlichen Personen ist es bei Verbänden nicht unüblich, dass sie zumindest zeitweise überhaupt keinen Gewinn erzielen. Gerade in der Gründungs- und Aufbauphase werden zugunsten zügiger Expansion und starkem Wachstum häufig Verluste in Kauf genommen. Obwohl ein Verband bisher stets nur negative Ergebnisse ausgewiesen hat, kann er wirtschaftlich sehr wertvoll sein. Dies drückt sich z.B. in Kaufpreisen in Milliardenhöhe für Start-ups im Internetbereich aus, die häufig bis zum Verkaufszeitpunkt noch keinen Gewinn erwirtschaftet haben. Aber auch bei etablierten Verbänden werden häufig kurzfristig Verluste zugunsten langfristiger Gewinne akzeptiert, wie beispielsweise bei erfolgversprechenden Investitionen in neue Produkte oder Fertigungstechniken. Daher kann ein gewinnorientierter Verband, der vorübergehend Verluste schreibt, durchaus eine starke wirtschaftliche Kraft besitzen. Im Unterschied zu natürlichen Personen sind Verlustphasen bei Verbänden nicht selten eintretende Szenarien. Diese werden zumindest teilweise bewusst in Kauf genommen. Bei Verlusten von einer monetären Sanktionierung des Verbandes gänzlich abzusehen, ist deswegen verfehlt. Nichtsdestotrotz muss der Verband zur Begleichung der Geldstrafe auf sein betriebsnotwendiges Vermögen zurückgreifen. Ob sich in der Zukunft Gewinne einstellen werden, bleibt ungewiss. Um dieser Unsicherheit und der hohen Eingriffsintensität Rechnung zu tragen, ist es sinnvoll, einen geringen Tagessatz festzusetzen. Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch spricht sich für einen Mindesttagessatz in Höhe von 5 € aus (§ 6 Abs. 1 VerbStrG-E). Dies erscheint jedoch zu gering angesichts des teilweise hohen Werts von Verluste schreibenden Verbänden. Wie in Österreich ist der Tagessatz in diesem Fall auf 50 € festzusetzen. Dies nimmt Rücksicht auf die momentan schwache Ertragssituation des Verbands und gewährleistet gleichzeitig eine hinreichende Abgrenzung zu gemeinnützigen Verbänden. 5. Gemeinnützige Verbände Bei gemeinnützigen Verbänden ist zu überlegen, ob bei der Höhe der Geldstrafe Modifikationen gegenüber wirtschaftlich tätigen Verbänden erforderlich sind. Gemeinnützige Verbände streben keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an.

912

OLG Hamm MDR 1983, 1043; Fischer StGB § 40 Rn. 12; OLG Köln Beschl. v. 02.02.2001 Az.: Ss 15/0112 – Rn. 11; Meemar Die Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe S. 61 f. 913 Fischer StGB § 40 Rn. 8.

138

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

a) Rechtslage in Österreich Der österreichische Gesetzgeber hat für bestimmte Verbände einen eigenen Rahmen für die Tagessatzhöhe geschaffen. Dieser reicht von 2 € bis maximal 500 €. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des reduzierten Rahmens ist, dass der Verband gemeinnützigen, humanitären oder kirchlichen Zwecken dient (§§ 34 bis 47 BAO).914 Die Verbandsgeldbuße reicht in einem solchen Fall von 2 € (1 Tagessatz) bis maximal 90.000 € (180 Tagessätze). § 34 BAO bestimmt, dass der Verband nach Gesetz, Satzung, Stiftungsbrief oder seiner sonstigen Rechtsgrundlage sowie nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar der Förderung von gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen muss. Auf eine nähere Konkretisierung, wie die Höhe des Tagessatzes im Einzelfall zu bestimmen ist, hat der Gesetzgeber weitgehend verzichtet. Er betont lediglich, dass die Vermögenslage des Verbands umfassend zu berücksichtigen sei. Zudem können Herkunft (z.B. Spenden Dritter) und die Zweckwidmung von Einkünften oder Vermögen des Verbands eine Rolle spielen.915 Für ein deutsches Verbandsstrafrecht ist daher zu untersuchen, ob die Konzeption eines eigenständigen Tagessatzrahmens für gemeinnützige Verbände zu übernehmen ist und wie die Höhe des Tagessatzes im Einzelfall festgelegt werden kann. b) Gemeinnützige Verbände in Deutschland Gemeinnützige Verbände verfügen teilweise über Milliarden-Vermögen, aus denen sie erhebliche Einkünfte im Millionenbereich erzielen können. So verfügt beispielsweise die Robert Bosch Stiftung GmbH über ein Vermögen von mehr als 5 Milliarden €.916 Gemeinnützige Verbände sind auf die Förderung von Zwecken gerichtet, an denen die Allgemeinheit ein Interesse hat. Sie streben zudem keine Überschüsse an, die an Verbandsmitglieder ausgezahlt werden sollen. Diese Unterschiede zu kommerziellen Verbänden rechtfertigen einen eigenen Strafrahmen für gemeinnützige Verbände. Das österreichische Konzept eines eigenen Strafrahmens für gemeinnützige Verbände ist für das deutsche Verbandsstrafrecht zu übernehmen. Wie in Österreich ist an die steuerrechtliche Definition der Gemeinnützigkeit anzuknüpfen, um den Anwendungsbereich für den eigenständigen Strafrahmen zu bestimmen. Diese ist in jahrzehntelanger Rechtsprechung konkretisiert worden. Daher ist sie hinreichend bestimmt im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG. Steuerbegünstigte Zwecke sind gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke (§ 51 Abs. 1 AO). Von Steuervergünstigungen ausgeschlossen sind Verbände, die der Demokratie oder dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandeln (vgl. § 51 Abs. 3 AO).

914

Bundesabgabenordnung siehe hierzu 2. Teil B. II. 1. a) aa). 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 von 41. 916 www.stiftungen.org/uploads/tx_templavoila/Stiftungen-nach-Vermoegen-2014_01.JPG zuletzt abgerufen am 03.01.2015. 915

B. Tagessatzsystem

139

Für Verbände, die steuerbegünstigte Zwecke verfolgen, ist ein Tagessatzrahmen von 5 € bis 500 € angemessen. Der Mindesttagessatz entspricht der Regelung in § 17 Abs. 1 OWiG. Um das gegenüber einer bloßen Ordnungswidrigkeit gesteigerte Unwerturteil einer Verbandsstrafe917 auch finanziell auszudrücken, bleibt dieser Mindesttagessatz auf privilegierungswürdige Verbände beschränkt. Die Maximalhöhe ist mit 500 € ausreichend hoch bemessen, um auch leistungsstarke Verbände angemessen zu sanktionieren. Da der Gedanke der Profitmaximierung bei derartigen Verbänden nicht das Handeln bestimmt, ist diese im Vergleich zu anderen Verbänden geringe Tagessatzhöhe vertretbar. Abschließend sind noch Kriterien zu entwickeln, wie die Höhe des Tagessatzes im Einzelfall zu bemessen ist. Eine umfassende Berücksichtigung der Vermögenslage wie in Österreich hat dabei zu unterbleiben. Vermögen wird derartigen Verbände zur Verfügung gestellt, damit sie aus den laufenden Einkünften dauerhaft ihre steuerbegünstigten Zwecke verfolgen können. Auf ein derartiges Vermögen sind diese Verbände angewiesen, weil sie regelmäßig keine oder nur eine sehr geringe eigene Geschäftstätigkeit entfalten. Die Außerachtlassung des Vermögens stellt sicher, dass die Verbände dauerhaft ihrem steuerlich begünstigten Zweck nachgehen können. Deswegen ist die Höhe des Tagessatzes derartiger Verbände anhand der laufenden Einnahmen zu bemessen. Verbände, die steuerbegünstigte Zwecke verfolgen, nehmen Aufgaben wahr, die aus Sicht der Allgemeinheit honorierungswürdig erscheinen. Daher ist bei der Bemessung der Höhe des Tagessatzes darauf zu achten, dass laufende Vorhaben, die dieser Verband fördert, nicht gefährdet werden. Zukünftige Vorhaben werden nicht für die Bemessung der Tagessatzhöhe berücksichtigt. Da das Vermögen für die Bemessung der Tagessatzhöhe außer Betracht bleibt und somit auch in Zukunft genügende Einnahmen zur Förderung von Projekten zu erwarten sind, ist eine Beeinträchtigung der zukünftigen Verbandstätigkeit nicht zu befürchten. 6. Öffentlich-rechtliche Verbände Da das Verbandsstrafrecht auch auf öffentlich-rechtliche Verbände Anwendung findet,918 ist zu überlegen, wie diese sinnvoll monetär sanktioniert werden können. Nach der Darstellung der Rechtslage in Österreich ist zunächst zu bestimmen, an wen die Geldstrafe zu zahlen ist, um anschließend zur Tagessatzhöhe Stellung zu nehmen. a) Rechtslage in Österreich Wie gezeigt, sind öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Verbände nur dann vom Anwendungsbereich des VbVG ausgenommen, wenn sie in Vollziehung der Gesetze handeln (§ 1 Abs. 3 Z 2 VbVG).919 Hierunter ist hoheitliches Handeln zu verstehen.920 Ausnahmsweise können auch privatrechtliche Verbände hoheitlich handeln, wenn ihnen bestimmte öffentliche Aufgaben im Wege der Beleihung übertragen werden.921 Im Grundsatz ist das VbVG daher auch auf öffentlich-rechtliche Verbände anwendbar.922 917

Achenbach ZWeR 2009, 3 (18); Achenbach ZIS 2012, 178 (179 f.); BVerfGE 9, 167 (171); 27, 18 (33). Siehe hierzu 1. Teil E. IV. 3. 919 Siehe hierzu 1. Teil E. I. 2. 920 Steininger VbVG § 1 Rn. 29. 921 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 17 von 41. 922 Steininger VbVG § 1 Rn. 29. 918

140

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Eine Sonderregelung für öffentlich-rechtliche Verbände ist im VbVG nicht vorgesehen. Daher ist danach zu differenzieren, ob die Verbände gewinnorientiert sind oder nicht. Ist der öffentlich-rechtliche Verband nicht gewinnorientiert, beträgt der Tagessatz mindestens 2 € und höchstens 500 €. Eine genaue Bestimmung, wie die Höhe des einzelnen Tagessatzes bei nicht gewinnorientierten juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu bemessen sein soll, ist bisher nicht erfolgt. Demgegenüber gelten bei öffentlich-rechtlichen Verbänden mit Gewinnorientierung die gleichen Grundsätze wie bei privatrechtlichen Verbänden. Maßgeblich ist die Ertragslage des Verbands unter Berücksichtigung von dessen sonstiger Leistungsfähigkeit (§ 4 Abs. 4 VbVG). b) Sanktionierung öffentlich-rechtlicher Verbände Soll ein öffentlich-rechtlicher Verband sanktioniert werden, stellt sich zunächst die Frage, an wen die Geldstrafe gezahlt werden soll. Zahlt der Staat an sich selbst, fehlt es an einer fühlbaren Beeinträchtigung. Dies gilt aufgrund der vielfältigen Finanzbeziehungen der öffentlichen Hand selbst dann, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts an eine andere zahlt. Deswegen wird vorgeschlagen, dass die gegen einen öffentlich-rechtlichen Verband verhängte Geldstrafe an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt wird.923 Eine derartige Rechtsfolge einer Straftat ist im Strafverfahrensrecht in § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO anerkannt. Wenngleich die Unschuldsvermutung durch eine Einstellung nach § 153a StPO nicht widerlegt wird,924 ist die Anwendung gegenüber einem möglicherweise Unschuldigen untersagt.925 Da der Beschuldigte aber zustimmen muss und die Erfüllung auch dann noch unterlassen kann, wenn er der vorläufigen Einstellung zugestimmt hatte, handelt es sich nicht um eine Strafe.926 Dennoch ist dieser Norm zu entnehmen, dass die Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung als Konsequenz einer Straftat dem deutschen Strafrecht nicht völlig fremd ist. Zudem besteht auch im Bereich der Strafaussetzung zur Bewährung sowohl bei der Freiheits(§ 56b Abs. 2 Nr. 2 StGB) als auch bei der Geldstrafe (§ 59a Abs. 2 Nr. 3 StGB) die Möglichkeit, dem Täter die Auflage zu erteilen, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen. Die Zahlung an eine gemeinnützige Organisation führt bei der öffentlichen Hand zu einer fühlbaren Beeinträchtigung. Für die Bemessung der Höhe des Tagessatzes ist die österreichische Systematik mit der Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen Verbänden mit und ohne Gewinnerzielungsabsicht für das deutsche Recht zu übernehmen. Eine derartige Differenzierung überzeugt. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Verbände gegenüber privatrechtlichen Verbänden zu privilegieren.

923

So auch Schmitt Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände S. 211. BVerfG MDR 1991, 891 (892); BVerfG NStZ-RR 1996, 168 (169); Fezer ZStW 106, 1 (33). 925 Saliger GA 2005, 155 (173); Beulke/Fahl NStZ 2001, 426 (427); so wohl auch R. Hamm NJW 2001, 1694. 926 Saliger GA 2005, 155 (168); Beulke in FS Dahs S. 209 (215); Fezer ZStW 106, 1 (33); Schünemann ZStW 114, 1 (60). 924

B. Tagessatzsystem

141

Für öffentlich-rechtliche Verbände mit Gewinnerzielungsabsicht gelten daher die oben gemachten Ausführungen entsprechend.927 Bei ihnen ist die Höhe des Tagessatzes nach dem nachhaltig erzielten handelsrechtlichen Jahresüberschuss und den hypothetisch erzielbaren Überschüssen aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen abzüglich der darauf zu zahlenden Steuern zu bemessen. Demgegenüber gilt für öffentlich-rechtliche Verbände ohne Gewinnerzielungsabsicht ein eigener Rahmen für die Tagessatzhöhe von 5 € bis 2.000 €. Für die Mindesttagessatzhöhe ist wiederum an die Regelung des § 17 Abs. 3 OWiG anzuknüpfen. Der gegenüber gemeinnützigen Verbänden höhere Maximaltagessatz rechtfertigt sich daraus, dass öffentlich-rechtliche Verbände zumindest teilweise über deutlich höhere Einnahmen verfügen als gemeinnützige Verbände. So betrugen die Einnahmen des Bundes 2015 nach dem 2. Nachtragshaushalt mehr als 300 Milliarden €.928 Auch gegenüber derartig leistungsstarken öffentlich-rechtlichen Verbänden muss die Verbandsgeldstrafe geeignet sein, eine verhaltenssteuernde Wirkung zu entfalten. Dieser Rahmen ist anhand folgender Umstände auszufüllen. Ein 1. Parameter sind die Haushaltsmittel, die dem Verband zur Verfügung stehen. Gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Verband mit einem Haushalt in zweistelliger Millionenhöhe ist der Mindesttagessatz unangebracht. Je größer die Haushaltsmittel sind, desto höher ist der Tagesatz zu bemessen. Umfangreiche Haushaltsmittel bedeuten indes nicht stets, dass der öffentlich-rechtliche Verband besonders leistungsstark ist. Häufig steht großen Mittelzuweisungen die Wahrnehmung ausgabenintensiver Aufgaben gegenüber. Deswegen ist der 1. Parameter durch einen 2. Parameter zu komplettieren. Dieser hat auf das Verhältnis von Mittelzuweisungen zu Ausgaben abzustellen, um die wirtschaftliche Stärke zu erfassen. Übersteigen die Mittelzuweisungen die Ausgaben, ist der Tagessatz zu erhöhen. Im umgekehrten Fall verringert sich der Tagessatz. Öffentlich-rechtliche Verbände nehmen Belange des Gemeinwohls wahr, welche durch die Verbandsgeldstrafe nicht gefährdet werden dürfen. Es ist gegenüber der Allgemeinheit nicht legitimierbar, dass die öffentliche Hand infolge der durch ihr Fehlverhalten ausgelösten Verbandsgeldstrafe ihren Aufgaben nur noch in eingeschränktem Maße nachkommen kann. Dies gilt umso mehr, weil der Staat in bestimmten Bereichen ein Monopol beansprucht, so dass die Bürger auf Leistungen des Staates existentiell angewiesen sind. Deshalb ist bei der Bemessung der Höhe des Tagessatzes stets darauf zu achten, dass die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Verbands nicht beeinträchtigt wird. 7. Sonstige, nicht gewinnorientierte Verbände Da das Verbandsstrafrecht vom Rechtsträgerprinzip beherrscht wird und nicht auf das Unternehmen abstellt, werden auch andere, nicht auf Gewinn gerichtete Verbände von ihm erfasst.929 Bei diesen macht es keinen Sinn, für die Höhe des Tagessatzes auf die Ertragslage abzustellen. 927

Siehe hierzu 2. Teil B. II. 1. d), e), f). www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Oeffentliche_Finanzen/Bundeshaushalt/Bundeshaushalt2015/2015_11_25_Zweiter_Nachtrag_2015-Anlage.pdf zuletzt abgerufen am 03.01.2016. 929 Siehe hierzu 1. Teil E. I. 1. 928

142

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

a) Rechtslage in Österreich Die reduzierte Tagessatzhöhe von 2 € bis 500 € findet neben gemeinnützigen Verbänden auch auf Verbände ohne Gewinnerzielungsabsicht Anwendung (§ 4 Abs. 4 Satz 2 VbVG). Deren maximale Verbandsgeldbuße beträgt daher 90.000 € (180 Tagessätze x 500 €). Diese Maximalhöhe wird als deutlich zu gering kritisiert.930 Für viele nicht auf Gewinn gerichtete Verbände führe die Maximalhöhe dazu, dass die Geldbuße nicht angemessen an der Leistungskraft ausgerichtet werden könne. Als Beispiel wird auf die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. verwiesen, die als gemeinnützige und humanitäre Gesellschaft Krankenhäuser betreibt. Mit einem Jahresumsatz von über 628 Millionen € im Jahr 2005 handelt es sich um das sechstgrößte Unternehmen der Steiermark, gemessen am Umsatz. Dass gegenüber einem solchen Verband eine Maximalgeldbuße von 90.000 € hinreichende präventive Wirkung entfalten könne, sei fraglich.931 b) Fester Tagessatzrahmen Im Unterschied zu Österreich ist der privilegierte Tagessatzrahmen für gemeinnützige Verbände nicht auf andere Verbände ohne Gewinnerzielungsabsicht zu übertragen. Hier bestünde ebenfalls die Gefahr, dass die Verbandsgeldstrafe aufgrund ihrer zu geringen Höhe erheblich an Abschreckung einbüßt. Nicht gewinnorientierte Verbände können trotzdem über erhebliche finanzielle Mittel (z.B. Mitgliedsbeiträge) verfügen. Ein Beispiel hierfür ist der ADAC. Organisiert als eingetragener Verein verfügte er zum 31.12.2014 über knapp 19 Millionen Mitglieder.932 Infolge dessen nahm er über Mitgliedsbeiträge im Jahr 2014 mehr als 1 Milliarde € ein.933 Dies ist nicht repräsentativ für Verbände ohne Gewinnorientierung. Es zeigt aber, welche Bedeutung nicht gewinnorientierte Verbände annehmen können. Eine maximale Tagessatzhöhe von 500 € orientiert sich nicht am Leistungsvermögen derartiger Verbände. Nicht gewinnorientierte Verbände sind in ihrer Betätigung öffentlich-rechtlichen Verbänden ohne Gewinnerzielungsabsicht ähnlich. Sie nehmen zumeist eine bestimmte Aufgabe wahr, die jedoch nicht durch den Staat sondern durch Private vorgegeben wird. Zur Erfüllung dieser Aufgabe werden sie mit bestimmten Finanzmitteln, die sich vor allem aus Mitgliedsbeiträgen speisen, ausgestattet. Der Strafrahmen gegenüber öffentlich-rechtlichen Verbänden muss sicherstellen, dass auch Verbände mit sehr hohen Einnahmen angemessen sanktioniert werden können. Ein derartiges Bedürfnis besteht auch bei Verbänden ohne Gewinnerzielungsabsicht. Deswegen ist die Regelung zur Tagessatzhöhe für öffentlich-rechtliche Verbände auch auf privatrechtliche Verbände ohne Gewinnerzielungsabsicht anzuwenden. Folglich gilt für sonstige, nicht gewinnorientierte Verbände ein Tagessatzrahmen von 5 € bis 2.000 €. Zur Bemessung der Höhe des Tagessatzes im konkreten Einzelfall ist auf das 2-parametrige System für öffentlich-rechtliche Verbände zurückzugreifen.934 Zunächst hat sich die Höhe des Tagessatzes am Umfang der Einnahmen zu orientieren. In einem 2. Schritt ist die Höhe des

930

Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 206. Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 206 f. 932 https://www.adac.de/wir-ueber-uns/daten_fakten abgerufen am 22.12.2015. 933 https://www.adac.de/wir-ueber-uns/daten_fakten/geschaeftsbericht/adac-ev abgerufen am 22.12. 2015. 934 Siehe hierzu 2. Teil B. II. 6. b). 931

B. Tagessatzsystem

143

Tagessatzes entsprechend anzupassen, abhängig davon, ob die Einnahmen die Ausgaben übersteigen oder umgekehrt. Anders als bei öffentlich-rechtlichen Verbänden ist bei privatrechtlichen Verbänden unerheblich, ob die Wahrnehmung der satzungsmäßigen Aufgabe durch die Bemessung des Tagessatzes beeinträchtigt wird. Diese Verbände können ihren Zweck frei wählen und die Bürger sind auf derartige Leistungen nicht existentiell angewiesen. Dies bedeutet nicht, dass keine Rücksicht darauf zu nehmen ist, ob der Verband die Geldstrafe zahlen kann, ohne Insolvenz beantragen zu müssen. Gewisse Einschränkungen seiner zukünftigen Tätigkeit sind dem privatrechtlichen Verband jedoch zumutbar. III. Bemessungszeitpunkt für die Höhe des einzelnen Tagessatzes Gewerblich tätige Verbände unterliegen Veränderungen und Entwicklungen in Bezug auf ihre Ertragskraft. Dies resultiert zum einen aus internen Veränderungen im Tätigkeitsfeld des Verbands. Die Nachfrage nach den vom Verband angebotenen Gütern oder Dienstleistungen schwankt naturgemäß. Zum anderen resultieren positive wie negative Entwicklungen in der Ertragskraft aus externen Faktoren. Der Verband kann andere Betriebe erwerben oder eigene Betriebe veräußern. Aber auch die anderen Verbände unterliegen Veränderungen in Bezug auf ihre wirtschaftliche Situation. So können z.B. Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen für Vereine wegen Ein- und Austritten schwanken. Aus diesen Gründen gewinnt die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Bemessung der Höhe des Tagessatzes abzustellen ist, im Verbandsstrafrecht eine wichtige Bedeutung (hierzu 2.). Zunächst wird jedoch dargestellt, wie der österreichische Gesetzgeber diese Frage beantwortet hat (hierzu 1.). 1. Rechtslage in Österreich Der Ministerialentwurf zum VbVG bestimmte das dem erstinstanzlichen Urteil vorausgehende Geschäftsjahr als Grundlage für die Bemessung (§ 4 Abs. 3 VbVG-E). Im VbVG hat der Gesetzgeber jedoch bewusst darauf verzichtet, auf ein bestimmtes Geschäftsjahr abzustellen.935 Zur Begründung führt er an, dass hierdurch eine Flexibilisierung erreicht werde, die es z.B. auch ermögliche, den Durchschnittsertrag aus mehreren Jahren heranzuziehen.936 Durch diesen Ansatz kombiniert der österreichische Gesetzgeber die Frage, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, mit der Problematik, wie normalen Schwankungen der Ertragslage begegnet werden kann.937 Als eine Alternative zu dem Geschäftsjahr, das vor dem erstinstanzlichen Urteil vollständig abgelaufen ist, werden die letzten 12 Monate vor dem erstinstanzlichen Urteil erwogen. Für das Abstellen auf das abgelaufene Geschäftsjahr sprechen dabei wegen der bestehenden Jahresbilanzen Praktikabilitätserwägungen.938 Wird dagegen von den letzten 12 Monaten vor 935 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 26 f. von 41. 936 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 27 von 41. 937 Siehe hierzu 2. Teil B. II. 1. d) bb). 938 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 199.

144

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

dem erstinstanzlichen Urteil ausgegangen, würden sich auch Änderungen der Ertragskraft infolge medialer Berichterstattung über das Strafverfahren auswirken.939 Ein gewisser Schutz vor missbräuchlichen Manipulationen der Ertragskraft des Verbands wird in Österreich durch den Grundsatz der Bilanzstetigkeit erreicht.940 Dieser untersagt den willkürlichen Wechsel von einmal gewählten Bewertungs- und Bilanzierungsgrundsätzen, die Änderung von Abschreibungsmethoden sowie die jährliche Neuwahl von Abzinsungssätzen.941 Rechtsmissbräuchlich manipulierte Bilanzen, die die Ertragslage anlässlich einer drohenden Verbandsgeldbuße mittels unterschiedlicher Gewinnermittlungsmethoden zu gering darstellen, werden ausgeschlossen. Dennoch kann nicht jegliche Gewinnmanipulation verhindert werden.942 Insgesamt ist die österreichische Regelung zu unbestimmt. Die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Bemessung der Tagessatzhöhe abzustellen ist, darf nicht dem Richter überlassen, sondern muss vom Gesetzgeber geregelt werden. Zudem ist diese Frage von der Problematik zu trennen, wie normalen Schwankungen der Ertragslage begegnet werden kann. 2. Möglichkeiten der Anknüpfung Nach dem hier unterbreiteten Vorschlag ist die Höhe des Tagessatzes im Grundsatz nach dem nachhaltig erzielten handelsrechtlichen Jahresüberschuss und den hypothetisch erzielbaren Überschüssen aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen korrigiert um den Steueraufwand zu bemessen.943 Dies löst im Unterschied zum VbVG die Problematik von Schwankungen der Ertragslage. Dieser Vorschlag eliminiert Sondereffekte aus dem handelsrechtlichen Jahresüberschuss. Dennoch muss der Zeitpunkt für die Bemessung der Tagessatzhöhe bestimmt werden, weil die wirtschaftliche Situation von Verbänden Entwicklungen unterliegt. a) In Frage kommende Zeitpunkte Der früheste Zeitpunkt, an den zur Bemessung der Ertragslage angeknüpft werden kann, ist derjenige der Tathandlung.944 Hierfür spricht die Regelung des § 8 StGB, nach der eine Tat zu der Zeit begangen ist, zu welcher der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. § 8 StGB gilt nicht nur für die Schuld-, sondern auch für die Straffrage. So ist § 8 StGB z.B. für die Problematik, ob die Tat vor der früheren Verurteilung begangen wurde, im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB von Bedeutung.945 Um den Zeitpunkt bei Straftaten für Schuld- und Straffrage einheitlich zu regeln, spricht viel dafür, auf den Zeitpunkt der Tathandlung abzustellen. Alternativ ist es möglich, den Zeitpunkt der Einleitung von externen Ermittlungsmaßnahmen gegenüber dem Verband heranzuziehen. Hierfür lässt sich anführen, dass Manipulationen der Ertragslage erschwert werden. Ab der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens muss der Verband befürchten, dass gegen ihn eine Verbandsgeldstrafe verhängt werden wird. Konzerninterne Umstrukturierungen nach Eröffnung des Ermittlungsverfahrens mit dem Ziel, 939

Hierauf hinweisend Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 199. Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 198. 941 Vgl. § 201 Abs. 2 Nr. 1 UGB. 942 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 198. 943 Siehe hierzu 2. Teil B. II. 1. d), e), f). 944 Für diesen Zeitpunkt plädiert im Kartellordnungswidrigkeitenrecht Buntscheck EuZW 2007, 423 (426 f.). 945 Fischer StGB § 8 Rn. 1; § 55 Rn. 7. 940

B. Tagessatzsystem

145

die Ertragskraft für die Bemessung der Geldstrafe zu senken, würden dann ins Leere laufen. Hierfür besteht umso mehr ein Bedürfnis, weil die Konzernerträge als Grundlage für die Bemessung der Ertragskraft ausscheiden. Deswegen steht dieses Instrument zur Bekämpfung missbräuchlicher Umstrukturierungen nicht zur Verfügung.946 Schließlich könnte auch auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellt werden. Dafür spräche eine Parallele zum Individualstrafrecht. Dort ist das Einkommen zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung für die Bemessung der Tagessatzhöhe zugrunde zu legen.947 Auch der Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes plädiert hierfür.948 Für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht hat der BGH das Abstellen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheids gebilligt. Dies entspräche dem allgemeinen Grundsatz, dass für die Ahndung die der Entscheidung sachnächsten Zahlen zugrunde zu legen seien.949 b) Zeitpunkt der Tathandlung Für die Beantwortung der Frage, auf Basis welchen Zeitpunkts die Höhe des Tagessatzes zu bemessen ist, sind auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Strafdrohung in den Blick zu nehmen. Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit gilt gleichermaßen für die Strafdrohung.950 Wird auf die Ertragslage zum Zeitpunkt der Aufnahme von Ermittlungen oder der Verurteilung abgestellt, ist für den Verband im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung nicht vorhersehbar, wie hoch die Bemessungsgrundlage ausfallen wird.951 Daraus den Schluss zu ziehen, dass das Abstellen auf einen späteren Zeitpunkt als den der Zuwiderhandlung gegen das Bestimmtheitsgebot und den Schuldgrundsatz verstößt,952 dürfte zu weit gehen. Dennoch ist festzuhalten, dass dem Bestimmtheitsgebot unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit der Strafe am besten durch eine Regelung genügt wird, die an die Ertragskraft des Verbandes zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung anknüpft. Überdies lässt sich durch das Abstellen auf diesen Zeitpunkt konzerninternen Umstrukturierungen mit dem Ziel der Ergebnisreduzierung des zu bestrafenden Verbandes am besten entgegenwirken. Erfährt der Verband durch Untersuchungen der internen Revisionsabteilung bereits vor der Einleitung von externen Ermittlungsmaßnahmen von der verbandsbezogenen Straftat, kann er schon vorbeugend Umstrukturierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Ergebnisreduzierung des Täterverbands einleiten. Die Gefahr, dass die Ertragslage beeinflusst wird, ist bei Verbänden erheblich größer als bei natürlichen Personen. Für Konzerne ist es im Ergebnis unerheblich, bei welchem Tochterverband Gewinne erwirtschaftet werden. Dies spielt für das Konzernergebnis keine Rolle.

946

Siehe hierzu 2. Teil B. II. 2 c). BGH Urt. v. 21.12.1988 Az.: 2 StR 596/88 Rn. 11. 948 Vgl. hierzu Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend NZWiSt 2018, 1 (2). 949 BGH NJW 2013, 1972 (1975). 950 BVerfGE 86, 288 (311); BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 66. 951 Für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht weisen hierauf hin Weitbrecht/Mühle WuW 2006, 1106 (1115); Barth/Budde NZKart 2013, 311 (313); Achenberg WuW 2013, 688 (698). 952 So für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht wohl Göhler/Gürtler OWiG § 17 Rn. 48c. 947

146

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Natürliche Personen verfügen dagegen nicht über vergleichbare Möglichkeiten, Gewinne zu „verschieben“. Außerdem ist für natürliche Personen der Anreiz geringer, solche Maßnahmen vorzunehmen. Dies resultiert zum einen aus der Begrenzung des Tagessatzes auf 30.000 € (§ 40 Abs. 2 Satz 2 StGB) sowie zum anderen aus der Tatsache, dass bei schweren Delikten gegenüber natürlichen Personen anders als bei Verbänden regelmäßig Freiheitsstrafen verhängt werden. Überdies erweist sich das Abstellen auf den Zeitpunkt der Tathandlung auch für den betroffenen Verband als sinnvoll. Es darf nicht übersehen werden, dass der Verband auch während eines Strafverfahrens weiterhin seiner geschäftlichen Tätigkeit nachgeht. Das Resultat eines Strafprozesses kann auch ein Freispruch des Verbands sein. Die Entscheidung über die Strafbarkeit des Verbands ist das Ergebnis einer freien Beweiswürdigung des Tatrichters und hängt in bestimmten Fällen von bisher ungeklärten Rechtsfragen ab. Deswegen kann das Resultat eines Strafverfahrens für den betroffenen Verband mitunter sehr schwer zu prognostizieren sein. Würde für die Bemessung der Ertragskraft auf den Zeitpunkt der Verurteilung des Verbands abgestellt, könnte dieser von weiterer Expansion für die Dauer des Strafverfahrens abgehalten werden. Dies zöge eine Erhöhung des nachhaltig erzielten handelsrechtlichen Jahresüberschusses und der hypothetisch erzielbaren Überschüsse aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen korrigiert um den Steueraufwand nach sich. Dementsprechend wäre die Höhe des Tagessatzes anzuheben. Dies ist im Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit des Verbands (Art. 12 GG) problematisch. Es bleibt festzustellen, dass das Abstellen auf den Zeitpunkt der Tathandlung den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes an die Strafdrohung am besten genügt. Zudem ist das Abstellen auf den Tatzeitpunkt inhaltlich überzeugend, weil es zu einer sinnvollen Verknüpfung von Tatunrecht und Tatschuld führt.953 Das Abstellen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung würde die Höhe des Tagessatzes von der Leistungsfähigkeit des Verbands zur Tatzeit entkoppeln. Schließlich wird auch Manipulationen der Ertragslage effektiv vorgebeugt. Deshalb ist für die Bestimmung der Tagessatzhöhe auf das Geschäftsjahr der Tathandlung abzustellen. Der Zeitpunkt des Erfolgseintritts ist nicht maßgebend. IV. Zwischenergebnis Die Verbandsgeldstrafe ist nach dem Tagessatzsystem zu bemessen. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes bestimmt sich nach dem nachhaltig erzielten handelsrechtlichen Jahresüberschuss zuzüglich der aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen in zumutbarer Weise erzielbaren Überschüsse abzüglich der hierauf hypothetisch zu zahlenden Steuern. Die Ertragslage des Konzerns in die Bemessung der Tagessatzhöhe einzubeziehen, ist abzulehnen. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes ist auf 0,028 v.H. des Jahresumsatzes zu begrenzen. 953 So für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker § 81 GWB Rn. 357.

B. Tagessatzsystem

147

Sonderregeln gelten für gewinnorientierte Verbände, die Verluste schreiben, gemeinnützige Verbände, öffentlich-rechtliche Verbände ohne Gewinnerzielungsabsicht sowie sonstige, nicht gewinnorientierte Verbände. Für die Bemessung der Tagessatzhöhe kommt es auf das Geschäftsjahr der Tathandlung an.

C. Strafrahmen bei Verbänden I. Gesetzlicher Strafrahmen Nach der Herausarbeitung des grundsätzlichen Systems zur Ausgestaltung der Verbandsgeldstrafe ist im Folgenden darauf einzugehen, wie der Strafrahmen bei der Verbandsgeldstrafe zu konzipieren ist. Die Darstellung beginnt mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafrahmen (hierzu 1.), um anschließend den Umstand zu bestimmen, der den Strafrahmen maßgeblich beeinflusst (hierzu 2.). Danach wird die notwendige Tiefe der Strafrahmendifferenzierung erläutert (hierzu 3.), um sich abschließend der Frage nach konkreten Strafrahmengrenzen zu widmen (hierzu 4.). 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben zum Strafrahmen Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz,954 der den gesamten Bereich staatlichen Strafens beherrscht.955 Der Schuldgrundsatz hat Verfassungsrang und ist auch im Rechtsstaatsprinzip verankert. Aus diesem Grund beansprucht er auch im Verbandsstrafrecht Geltung.956 Das Rechtsstaatsprinzip umfasst als eine der Leitideen des Grundgesetzes auch die Forderung nach materieller Gerechtigkeit.957 Es beinhaltet den Grundsatz der Rechtsgleichheit als eines der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate.958 Für den Bereich des Strafrechts werden diese rechtsstaatlichen Anliegen ebenfalls im Schuldgrundsatz aufgenommen.959 Gemessen an der Idee der Gerechtigkeit sind Straftatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abzustimmen.960 Die Strafe hat in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters zu stehen.961 In diesem Sinn kommt ihr die Bestimmung zu, gerechter Schuldausgleich zu sein.962 Nachdem eine zentrale Voraussetzung der Strafe umrissen ist, muss aufgezeigt werden, welchen Anforderungen der Strafrahmen zu genügen hat. Die sich aus dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Schuldprinzip ergebenden Anforderungen hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 20.03.2002963 und vom 19.03.2013964 zum Individualstrafrecht ausführlich dargelegt. Da der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit und das Schuldprinzip auch im Verbandsstrafrecht gelten,965 sind die Ausführungen auf das Verbandsstrafrecht übertragbar.

954

BVerfGE 123, 267 (413). BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 53. 956 Siehe 1. Teil B. I. 2. b). 957 BVerfGE 7, 89 (92); 74, 129 (152). 958 BVerfGE 84, 90 (121). 959 BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 55; BVerfGE 95, 96 (130 f.). 960 BVerfGE 20, 323 (331); 25, 269 (286); 27, 18 (29); 50, 205 (214 f.); 120, 224 (241). 961 BVerfGE 45, 187 (228); 50, 5 (12); 73, 206 (253); 86, 288 (313); 109, 133 (171); 110, 1 (13). 962 BVerfGE 45, 187 (253 f.); 109, 133 (173). 963 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95. 964 BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10. 965 Siehe 1. Teil B. I. 2. b), II. 1. 955

C. Strafrahmen bei Verbänden

149

a) Spannungsverhältnis zwischen Gesetzesbestimmtheit und Schuldprinzip Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) beansprucht auch für die Strafdrohung Geltung, die in einem vom Schuldprinzip geprägten Straftatsystem gerecht auf den Straftatbestand und das in ihm vertypte Unrecht abzustimmen ist.966 Außerdem gibt die Strafdrohung Aufschluss über die gesetzgeberische Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestands, der das strafbare Verhalten beschreibt.967 Die Strafe als missbilligende hoheitliche Reaktion auf schuldhaftes kriminelles Unrecht ist deshalb in Art und Maß durch den parlamentarischen Gesetzgeber normativ zu bestimmen.968 In diesem Fall wird eine strafende staatliche Antwort auf eine Zuwiderhandlung gegen eine Strafnorm für den Normadressaten vorhersehbar.969 Das Grundgesetz verlangt nicht, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung der Strafrechtsfolgen ein Höchstmaß an Präzision vorsieht, wie es mit absoluten Strafen zu erreichen wäre. Stattdessen darf er dem Richter die Festsetzung einzelner Rechtsfolgen innerhalb gesetzlich festgelegter Strafrahmen überlassen. Den Besonderheiten des Einzelfalls kann regelmäßig erst der Richter in der konkreten Strafe Rechnung tragen. Auch Art. 103 Abs. 2 GG hat dem rechtsstaatlichen Grundsatz zu genügen, dass Strafe Schuld voraussetzt.970 Daraus folgt zunächst, dass der gesetzliche Tatbestand und der Strafrahmen einander entsprechen müssen. Des Weiteren hat die im Einzelfall verhängte Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters zu stehen.971 Da sich Straftaten regelmäßig nach dem Grad des Verschuldens und nach der Schwere des Unrechts unterscheiden, muss dem Richter grundsätzlich die Möglichkeit belassen werden, die von ihm verhängte Strafe diesen Unterschieden anzupassen. Er darf nicht durch eine zu starre gesetzliche Strafandrohung gezwungen sein, eine Strafe zu verhängen, die nach seiner Überzeugung mit Unrecht und Schuld des Täters nicht in Einklang stünde.972 Das Schuldprinzip fordert zur Vermeidung unverhältnismäßiger und ungerechter Strafen tendenziell die Bestimmung von Strafrahmen ein, aus denen der Richter im Einzelfall die schuldangemessene Strafe zu entnehmen hat.973 Demgegenüber verlangt das Bestimmtheitsgebot, die Entscheidung über die für eine Straftat zu verhängende Sanktion hinsichtlich ihres Rahmens und der ihn ausfüllenden Kriterien dem Gesetzgeber zu belassen. Dies dient der allgemeinen Orientierung der Richter und trägt zu einer gleichmäßigen Bestrafung bei.974 Bei den Anforderungen an die Bestimmtheit von Rechtsfolgen treten 2 Verfassungsprinzipien in ein Spannungsverhältnis. Schuldprinzip und Einzelfallgerechtigkeit auf der einen Seite sowie Rechtsfolgenbestimmtheit und Rechtssicherheit auf der anderen Seite sind abzuwägen. 966

BVerfGE 86, 288 (311); BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 66 ff. BVerfGE 25, 269 (286). 968 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 66. 969 BVerfGE 26, 41 (42); 45, 363 (370 ff.). 970 BVerfGE 25, 269 (285). 971 BVerfGE 27, 18 (29); 45, 187 (260); 50, 5 (12); 54, 100 (108). 972 BVerfGE 54, 100 (109). 973 BVerfGE 73, 206 (254). 974 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 69. 967

150

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Hierbei müssen diese in einen verfassungsrechtlich tragfähigen Ausgleich gebracht werden, der beiden Prinzipien möglichst viel an Substanz belässt.975 b) Verfassungsrechtliche Regelungsdichte Der Strafgesetzgeber genügt diesen Anforderungen, wenn er durch die Wahl der Strafandrohung sowohl den Strafrichter als auch die betroffenen Bürger hinreichend orientiert. Dabei hat die Bewertung der tatbestandlich beschriebenen Delikte deutlich zu werden. Zudem muss der Betroffene das Maß der drohenden Strafe abschätzen können und dem Strafrichter die Bemessung einer schuldangemessenen Reaktion möglich bleiben.976 Der Gesetzgeber ist gehalten, die grundsätzlichen Entscheidungen zu Art und Ausmaß denkbarer Rechtsfolgen selbst zu treffen und dem Richter den Rahmen möglichst klar vorzugeben, innerhalb dessen er sich zu bewegen hat. Die Anforderungen an den Gesetzgeber steigen, je intensiver der Eingriff wirkt.977 Je schwerer die angedrohte Strafe ist, umso mehr wird der Gesetzgeber verpflichtet, dem Richter Leitlinien an die Hand zu geben. Diese müssen die Sanktion vorhersehbar machen und den Bürger über die zu erwartende Strafrechtsfolge informieren.978 Bei den Strafdrohungen in den einzelnen Straftatbeständen muss sich der Gesetzgeber auf Strafrahmen festlegen. Denen müssen sich grundsätzlich das Mindestmaß einer Strafe ebenso wie die Sanktionsobergrenze entnehmen lassen. Auf diese Weise bilden die Strafrahmen einen Orientierungsrahmen für die richterliche Abwägung nach Tatunrecht und Schuldmaß.979 Das Mindestmaß der konkreten Strafdrohung kann sich auch aus den Bestimmungen des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs (§§ 38 ff. StGB) ergeben. Jedoch darf dies im Zusammenspiel mit der Sanktionsobergrenze nicht zu uferlosen Strafrahmen führen. Uferlose Strafrahmen beinhalten eine doppelte Gefahr. Das normative Verhältnis zwischen Unrecht und Schuld einerseits sowie Sanktion andererseits bleibt unscharf. Zudem wird die Bestimmung der konkreten Strafe zu einem unberechenbaren Akt richterlicher Entscheidung.980 c) Zwischenergebnis Um den gegenläufigen verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen, die sich aus dem Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit und dem Schuldprinzip ergeben, muss der Gesetzgeber Strafrahmen für jedes einzelne Delikt schaffen. Diese geben Aufschluss über die gesetzgeberische Charakterisierung des Straftatbestands. Sie ermöglichen dem Betroffenen, das Maß der Strafe abzuschätzen, und dem Strafrichter die Bemessung einer schuldangemessenen Reaktion. Dabei dürfen die Ober- und die Untergrenze nicht so weit auseinander liegen, dass die konkrete Strafzumessung zu einem unberechenbaren Akt richterlicher Entscheidung wird.

975

BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 70. BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 70. 977 BVerfGE 86, 288 (311). 978 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 71. 979 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 72. 980 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 72. 976

C. Strafrahmen bei Verbänden

151

2. Strafrahmen der Straftatbestände im Verbandsstrafrecht Zunächst ist zu klären, ob sich der Strafrahmen für die Verbandsgeldstrafe bei Organ(hierzu a)) und Mitarbeiterstraftaten (hierzu b)) an der Bewertung der vom Individualtäter verwirklichten Straftat zu orientieren hat. Anschließend wird zur Frage Stellung genommen, ob für Organ- und Mitarbeiterstraftaten beim selben Delikt ein identischer Strafrahmen gilt (hierzu c)). a) Verbandsbezogene Straftaten von Organen Hat ein Organ gehandelt, ist die Orientierung am Strafrahmen der verbandsbezogenen Straftat des Organs folgerichtig. Das Verhalten einer natürlichen Person muss auf den Verband bezogen werden.981 Es geht bei Organen nicht darum, dem Verband das Verhalten eines Dritten wie das eines Fremden zuzurechnen. Das normwidrige Organverhalten wird dem Verband als eigenes rechtswidriges Verhalten vorgeworfen. Wie oben herausgearbeitet wurde,982 verstößt der Verband bei Straftaten von Organen gegen seine Organisationspflicht, verbandsbezogenen Straftaten entgegenzutreten. Indem das zur Festlegung von Verbandssinn berufene Organ eine verbandsbezogene Straftat begeht, organisiert es zugleich den Verband fehlerhaft. Ist das Handeln des Organs somit als eigenes Handeln des Verbands zu qualifizieren, muss sich die Strafdrohung an den Verband in ihren Abstufungen danach richten, welche Straftat das Organ begangen hat. Daraus folgt jedoch nicht, dass für verbandsbezogene Straftaten von Organen der gleiche Strafrahmen gelten muss wie für entsprechende Taten einer natürlichen Person. Der Grund hierfür ist, dass die Schuld des Verbands nicht mit der Schuld des Organs gleichzusetzen ist. Die Schuld des Verbands liegt darin, dass er die an ihn als Kollektiv gerichtete Erwartung, zumutbare Anstrengungen gegen verbandsbezogene Zuwiderhandlungen zu unternehmen, nicht erfüllt hat, obwohl dies von ihm zu erwarten war.983 Demgegenüber basiert die Schuld im Individualstrafrecht darauf, dass „der Mensch auf freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt ist, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden“.984 b) Verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern Auch bei Straftaten eines Mitarbeiters kommt es für die Abstufung der Strafrahmen maßgeblich auf die von ihm verwirklichte Straftat an. Zwar ist die Aufsichtspflichtverletzung gegenüber der verwirklichten Straftat des Individualtäters ein eigenständiger Tatbestand.985 Deswegen wird teilweise davon ausgegangen, dass die Qualität der Anknüpfungstat nur ein untergeordneter Gesichtspunkt neben anderen sein könne.986 Je bedeutender die durch den Mitarbeiter verwirklichte Rechtsgutsverletzung ist,

981

Ransiek NZWiSt 2012, 45 (47). Siehe 1. Teil D. V. 1. 983 Siehe 1. Teil D. V. 2. 984 BGHSt 2, 194 (200). 985 So für Ordnungswidrigkeiten KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 123. 986 Kubiciel/Gräbener ZRP 2016, 137 (139). 982

152

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

desto größer wird aber auch das Unrecht des Verbands in Gestalt der unterlassenen Aufsichtsmaßnahmen. Bei gravierenden Rechtsgutsverletzungen muss der Verband diesen durch besonders engmaschige und effektive Aufsichtsmaßnahmen Einhalt gebieten. Demgegenüber kann sich der Verband bei weniger gravierenden Rechtsgutsverletzungen mit reduzierten Aufsichtspflichten begnügen. Das Unterlassen von Aufsichtspflichten, die besonders engmaschig sein müssen, wiegt schwerer als das Unterlassen von solchen, die lediglich in einem reduzierten Umfang bestehen.987 Für diese Überlegung spricht auch die Erfolgsbezogenheit der Aufsichtsmaßnahmen. Der Zweck der Aufsichtsmaßnahmen besteht darin, verbandsbezogenen Rechtsgutsverletzungen durch natürliche Personen Einhalt zu gebieten.988 Je bedeutender diese Rechtsgutsverletzungen sind, desto größer wird das eigenständige Verbandsunrecht. Außerdem stellt die konkrete Gefahr der Anknüpfungstat vergleichbarer Straftaten ein Tatbestandsmerkmal der Mitarbeiterstraftat dar. Dennoch muss ein eigenständiger Strafrahmen für die verbandsbezogenen Straftaten des Mitarbeiters gebildet werden. Der Grund hierfür ist, dass die Schuld des Verbands wie bei Organstraftaten nicht mit der Schuld des Mitarbeiters als Individualperson gleichgesetzt werden kann. c) Identischer Strafrahmen für Organ- und Mitarbeiterstraftaten Man könnte erwägen, für verbandsbezogene Straftaten von Organen und verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern unterschiedliche Strafrahmen vorzusehen, wenn der Individualtäter dasselbe Delikt verwirklicht. Der österreichische Gesetzgeber sieht für verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern keinen geringeren Strafrahmen vor als bei verbandsbezogenen Straftaten von Entscheidungsträgern. Jedoch ist nach § 5 Abs. 3 Z 2 VbVG die Anzahl der Tagessätze geringer zu bemessen, wenn der Verband lediglich für Straftaten von Mitarbeitern verantwortlich ist. Zur Begründung führt der österreichische Gesetzgeber an, in diesen Fällen bestehe der Vorwurf gegen den Verband darin, dass er die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen habe, indem er bestimmten Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten nicht nachgekommen sei. Diese Voraussetzungen seien der Begehung durch Unterlassen im Individualstrafrecht (§ 2 Ö-StGB) vergleichbar. Dies stellt einen Milderungsgrund dar (§ 34 Abs. 1 Z 5 Ö-StGB).989 Für ein deutsches Verbandsstrafrecht sind unterschiedliche Strafrahmen abzulehnen. Das Maß der Verbandsschuld ist bei Mitarbeiterstraftaten nicht geringer als bei Organstraftaten. Verbandsbezogene Straftaten von Organen muss sich der Verband entgegenhalten lassen, weil das normwidrige Organverhalten dem Verband als eigenes rechtswidriges Verhalten

987

Vgl. auch für Ordnungswidrigkeiten KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 123. Siehe 1. Teil F. II. 1. b). 989 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 28 von 41. 988

C. Strafrahmen bei Verbänden

153

vorgehalten wird. In diesem Fall hat eine natürliche Person, durch die der Verband selbst handelt, die Rechtsgutsverletzung unmittelbar herbeigeführt. Dies ist bei Straftaten von Mitarbeitern anders. Sie handeln lediglich für den Verband, der Verband handelt nicht durch sie. In diesem Fall hat eine Person, deren Verhalten nicht als Handeln des Verbands zu werten ist, die Rechtsgutsverletzung unmittelbar herbeigeführt. Dies verringert das Maß der Schuld des Verbands aber nicht, weil dieser schuldmindernde durch einen schulderhöhenden Umstand kompensiert wird. Schulderhöhend wirkt sich das Unterlassen zumutbarer Aufsichtsmaßnahmen durch den Verband aus. Deswegen ist für verbandsbezogene Straftaten von Organen und von Mitarbeitern derselbe Strafrahmen zugrunde zu legen. d) Zwischenergebnis Der Strafrahmen für die Verbandsgeldstrafe hat sich am Unrecht zu orientieren, das der Individualtäter verwirklicht hat. Da die Schuld des Verbands nicht mit der Schuld der handelnden Person gleichzusetzen ist, besteht kein Zwang, den entsprechenden Strafrahmen bei natürlichen Personen zu übernehmen oder diesen Strafrahmen mathematisch „eins zu eins“ in eine Geldstrafe umzurechnen. Unterschiedliche Strafrahmen für Organ- und Mitarbeiterstraftaten überzeugen nicht. 3. Strafrahmen für die einzelnen Delikte Zunächst ist zur Frage Stellung zu nehmen, für welche unterschiedlichen Deliktstypen im Verbandsstrafrecht eigene Strafrahmen zu bilden sind (hierzu a)). Im Individualstrafrecht bestehen die Geldstrafe für leichtere Kriminalität und die Freiheitsstrafe für gravierende Kriminalität als Regelsanktion nebeneinander. Es ist daher zu überlegen, ob dieses normative Stufenverhältnis sinnvoll auf das Verbandsstrafrecht übertragen werden kann (hierzu b)). a) Tiefe der notwendigen Differenzierung Es ist zunächst zwischen der vorsätzlichen und der fahrlässigen Begehung des Delikts zu unterscheiden. Der Strafrahmen für die vorsätzliche Deliktsbegehung wird dabei regelmäßig über dem für fahrlässiges Verhalten liegen, um dem erhöhten personalen Handlungsunrecht Rechnung zu tragen. Für Qualifikationen, Privilegierungen und Regelbeispiele sind entsprechende eigenständige Strafrahmen wie im Individualstrafrecht zu bilden. Gleiches gilt für Erfolgsqualifikationen (§ 18 StGB) sowie für Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen (z.B. § 315c Abs. 3 StGB). Auch hier sind jeweils gesonderte Strafrahmen zu bilden. Fraglich ist, ob es noch weiterer Strafrahmendifferenzierungen bedarf. Bei § 130 OWiG wird beim Bußgeldrahmen neben der vorsätzlichen und fahrlässigen Begehungsweise auch danach unterschieden, ob der Mitarbeiter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.990 Daher ist zu überlegen, ob diese weitere Differenzierung bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern vorgenommen werden sollte.

990 Zu den Einzelheiten der Bußgeldbemessung bei vorsätzlichem und fahrlässigem Mitarbeiterverhalten siehe KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 121.

154

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Dafür ließe sich vorbringen, dass der Verband in besonderem Maße verpflichtet ist, vorsätzlichen Gesetzesverletzungen seiner Mitarbeiter vorzubeugen. Gegen eine weitere Unterscheidung spricht jedoch die Regelung des § 29 StGB, nach der jeder Beteiligte entsprechend seiner Schuld bestraft wird. Dies gilt auch im Verbandsstrafrecht. Die objektive Rechtsgutsverletzung des Mitarbeiters ist von seinem vorsätzlichen oder fahrlässigen Handeln unabhängig. Für das Maß der individuellen Vorwerfbarkeit gegenüber dem betroffenen Verband spielt ein vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln des Mitarbeiters überdies keine Rolle. Entscheidend ist, ob der Verband bezüglich des Unterlassens der Aufsichtsmaßnahmen und der konkreten Gefahr vergleichbarer Zuwiderhandlungen vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.991 b) Übertragbarkeit des Stufenverhältnisses zwischen Freiheits- und Geldstrafe In der Literatur wird ein System von gestaffelten Tagessätzen für die Verbandsgeldstrafe vorgeschlagen.992 Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass für einen Verband eine Freiheitsstrafe denklogisch ausscheide. Das Individualstrafrecht sieht eine Abstufung zwischen Freiheits- und Geldstrafe vor. Die Geldstrafe ist dabei das mildere Mittel für Täter, die einer intensiveren Einwirkung zur Verhinderung weiterer Straftaten nicht bedürfen.993 Um eine ähnliche Abstufung im Verbandsstrafrecht zu erreichen, wird ausgehend von einer maximalen Tagessatzanzahl von 360 für eine 2-stufige Staffelung der Tagessätze plädiert.994 Die 1. Stufe reicht von 5 bis 90 Tagessätzen. Die 2. Stufe, die 91 bis 360 Tagessätze umfasst, soll zur Anwendung kommen, wenn besondere Umstände eine Einwirkung auf den Verband unerlässlich machen oder dies zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten erscheint. Der Vorschlag einer 2-stufigen Staffelung entspricht nicht der Rechtslage im Individualstrafrecht. Hier überschneiden sich im Gegensatz zur vorgeschlagenen Staffelung die Anwendungsbereiche von Geld- und Freiheitsstrafe. Die Geldstrafe beträgt bis zu 360 Tagessätze (§ 40 Abs. 1 StGB). Die Freiheitsstrafe dauert mindestens 1 Monat (§ 38 Abs. 2 StGB). Dass die Auswahl zwischen beiden Strafarten in Grenzen durch Vorrangregeln wie § 47 StGB vorgegeben wird, ändert hieran nichts. Letztendlich können beide Strafen sogar ausnahmsweise nebeneinander angeordnet werden (§ 41 StGB). Überdies bleibt unklar, wie die gesteigerte Einwirkungsintensität einer Freiheits- gegenüber einer Geldstrafe im Individualstrafrecht bei einer Staffelung der Tagessätze sinnvoll auf das Verbandsstrafrecht übertragen werden kann. Eine lediglich erhöhte Anzahl von Tagessätzen im Verbandsstrafrecht ist nicht geeignet, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Freiheitsstrafe nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Steigerung der Einwirkung auf den Täter darstellt. Aus den dargelegten Gründen ist dieser Vorschlag abzulehnen. Vielmehr sind in Anlehnung an die Strafdrohung im Individualstrafrecht auf den jeweiligen Tatbestand zugeschnittene Strafrahmen ohne eine 2-stufige Staffelung zu entwickeln.

991

Siehe zur Struktur des Tatbestands bei Mitarbeiterstraftaten 1. Teil F. II. Peters/Hammes ZWH 2015, 49 (54). 993 Lohbeck JSE 2014, 5 (17). 994 Peters/Hammes ZWH 2015, 49 (54). 992

C. Strafrahmen bei Verbänden

155

4. Strafrahmengrenzen Die Darstellung beginnt mit der Strafrahmenregelung in Österreich. In der Folge wird ein Vorschlag für ein deutsches Verbandsstrafrecht unterbreitet. a) Rechtslage in Österreich Zunächst ist das Tagessatzsystem des österreichischen VbVG vorzustellen und anschließend anhand der grundgesetzlichen Vorgaben zum Strafrahmen zu bewerten. aa) Ausgestaltung des Tagessatzsystems Österreich hat sich ebenfalls für ein Tagessatzsystem entschieden (§ 4 Abs. 2 VbVG). Die Mindestzahl der Tagessätze beträgt dabei für alle Delikte einheitlich 1 Tagessatz (§ 4 Abs. 2 Satz 2 VbVG). Die Höchstzahl für die einzelnen Delikte definiert Österreich in Anlehnung an die Höchststrafdrohung gegenüber natürlichen Personen. Die Anzahl der Tagessätze (§ 4 Abs. 3 VbVG) beträgt bis zu ! ! ! ! ! ! ! !

180, wenn die Tat mit lebenslanger oder Freiheitsstrafe bis zu zwanzig Jahren bedroht ist; 155, wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu fünfzehn Jahren bedroht ist; 130, wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bedroht ist; 100, wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht ist; 85, wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist; 70, wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht ist; 55, wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht ist; 40 in allen übrigen Fällen.

Zur Begründung wird zunächst ausgeführt, dass eine Anknüpfung an die im Gesetz gegenüber natürlichen Personen angedrohte Geldstrafe nicht in Betracht komme, weil im österreichischen (Individual-)Strafrecht bei schwereren Delikten ausschließlich Freiheitsstrafe angedroht wird.995 Eine Anknüpfung der Verbandsgeldbuße an den aus der strafbaren Handlung erlangten Gewinn oder den dadurch verursachten Schaden lehnt der Gesetzgeber ebenfalls ab. Diese Kriterien seien zur Bemessung nicht geeignet, weil es Fälle gebe, in denen kein Schaden, kein Gewinn oder keines von beiden vorliege.996 Auch die Festlegung einer für alle Straftatbestände gleichen Höchstzahl von Tagessätzen der Geldbuße wird abgelehnt. Andernfalls ginge durch eine einheitliche Höchstzahl der Tagessätze die vom Gesetzgeber durch die unterschiedliche Höhe der angedrohten Strafen zum Ausdruck gebrachte Abstufung nach der Schwere (Sozialschädlichkeit) des Deliktstyps verloren.997 995 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 24 von 41. 996 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 24 von 41. 997 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 24 von 41.

156

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Die Ausgestaltung der Progression bei den Obergrenzen der Tagessätze zur Verbandsgeldbuße lehnt sich an die im österreichischen Individualstrafrecht geltende Staffelung der Höchst(freiheits)strafen an. bb) Österreichische Regelung und Vorgaben des Grundgesetzes Wird an die österreichische Strafrahmenregelung der Maßstab des Grundgesetzes angelegt, ergibt sich ein gemischter Befund. Wie gezeigt, ist in Deutschland von Verfassungs wegen gefordert, dass sich der Gesetzgeber bei den Strafdrohungen in den einzelnen Straftatbeständen auf Strafrahmen festlegt, denen das Mindest- und das Höchstmaß einer Strafe entnommen werden können.998 Das Mindestmaß der Strafe kann sich auch aus einer allgemeinen Bestimmung ergeben, wenn dies im Zusammenspiel mit der Sanktionsobergrenze nicht zu einem uferlosen Strafrahmen führt.999 Die in Österreich vorgenommene Differenzierung bei der Höchstzahl der Tagessätze ist zu begrüßen. Sie gibt dem Strafrichter einen klaren Orientierungsrahmen vor und enthält für die Obergrenze eine Bewertung der tatbestandlich beschriebenen Delikte. Problematisch ist demgegenüber das einheitliche Mindestmaß der Strafe. Bei Straftaten mit einer niedrigen Strafobergrenze ist der Strafrahmen noch hinreichend bestimmt. Bei Straftatbeständen mit einer hohen Obergrenze führt die einheitliche Untergrenze zu einem verfassungsrechtlich unzulässigen uferlosen Strafrahmen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Höchstzahl insgesamt nur 180 Tagessätze beträgt. Steht dem Strafrichter die gesamte Bandbreite des Strafspektrums zur Verfügung, wird die Bestimmung der konkreten Strafe zu einem unberechenbaren Akt richterlicher Entscheidung. Insgesamt genügt die österreichische Regelung deshalb nicht den Anforderungen des Grundgesetzes an den Strafrahmen. Sie scheidet daher als Vorlage für eine deutsche Regelung aus. b) Gestuftes System für Deutschland Zunächst ist zum Strafrahmenvorschlag des NRW-Entwurfs zum Verbandsstrafgesetzbuch Stellung zu nehmen, um anschließend einen eigenen Vorschlag vorzustellen. aa) Regelung des NRW-Entwurfs zum Verbandsstrafgesetzbuch Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch enthält in § 6 VerbStrG-E eine Regelung zum Strafrahmen für die Geldstrafe. Das Tagessatzsystem des StGB wird dabei übernommen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VerbStrG-E). Die Untergrenze des Strafrahmens beträgt 5 Tagessätze (§ 6 Abs. 1 Satz 2 VerbStrG-E). Im Gegensatz zum VbVG enthält der NRW-Entwurf eine einheitliche Höchstzahl für alle Straftatbestände i.H.v. 360 Tagessätzen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Dieser Ansatz eines Globalstrafrahmens genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafrahmen nicht. Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch ermöglicht dem Strafrichter ein Höchstmaß an Flexibilität. Er verschiebt die verfassungsrechtlich vorgegebene Balance zwischen Einzelfallgerechtigkeit und Bestimmtheitsgebot einseitig zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit. Diese wird deutlich überbetont.

998 999

BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 72. BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 72.

C. Strafrahmen bei Verbänden

157

Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch läuft darauf hinaus, in ihrer Unrechtsdimension vollkommen verschiedene Delikte bei Verbänden demselben Strafrahmen zu unterwerfen. Als Beispiele seien ein verbandsbezogener Betrug und ein verbandsbezogener Totschlag im Rahmen einer strafbaren Produkthaftung genannt. Diese Delikte weisen im Individualstrafrecht einen völlig unterschiedlichen Strafrahmen auf. Während der Betrug mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet wird (§ 263 Abs. 1 StGB), ist die Freiheitsstrafe beim Totschlag nicht unter fünf Jahren (§ 212 Abs. 1 StGB). Für das Verbandsstrafrecht sollen diese Delikte nach dem NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch einem einheitlichen Strafrahmen unterworfen werden. Bei einem Globalstrafrahmen kann keine Rede mehr davon sein, dass die Strafdrohung – wie verfassungsrechtlich vorgeschrieben –1000 gerecht auf den Straftatbestand und das in ihm vertypte Unrecht abgestimmt ist. Bei der Höchstzahl der Tagessätze für die einzelnen Delikte muss sich der Gesetzgeber für ein abgestuftes System entscheiden. Nur dadurch wird die Bewertung und die Charakterisierung der tatbestandlich beschriebenen Delikte durch den Gesetzgeber deutlich und der Betroffene in die Lage versetzt, das Maß der drohenden Strafe abzuschätzen. Die einheitliche Strafuntergrenze im NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken, die denjenigen gegen das VbVG vergleichbar sind. Im Gegensatz zum VbVG liegt beim NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch stets ein unzulässiger uferloser Strafrahmen vor, weil eine einheitliche Höchstzahl der Tagessätze gilt. Wenn für alle Delikte derselbe Strafrahmen anwendbar ist, wird die Bestimmung der konkreten Strafe erst recht zu einem unberechenbaren Akt richterlicher Entscheidung. Die vom NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch vorgeschlagene Regelung verstößt gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Dies gilt sowohl für die Unter- als auch die Obergrenze des Strafrahmens. bb) Eigener Vorschlag Wie gezeigt, ist die Bildung separater Strafrahmen für die einzelnen Straftatbestände verfassungsrechtlich zwingend geboten.1001 Zur Bildung der konkreten Strafrahmen bestehen 2 Möglichkeiten. Entweder orientiert sich der Gesetzgeber an der Progression, die für die entsprechenden Delikte bei einer natürlichen Person vorgesehen sind, oder er trifft eine eigenständige Entscheidung zur Strafrahmenprogression. Vorzugswürdig ist die 1. Lösung.1002 Wie gezeigt, muss die Strafdrohung in einem vom Schuldprinzip geprägten Straftatsystem gerecht auf den Straftatbestand und das in ihm vertypte Unrecht abgestimmt sein. Sie gibt Aufschluss über die gesetzgeberische Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestands.1003 Um diesen Anforderungen zu 1000

BVerfGE 86, 288 (313). Siehe 2. Teil C. I. 1. b). 1002 Zu den von Verbänden begehbaren Delikten vgl. Kudlich in Unternehmensstrafrecht S. 217 (227). 1003 BVerfGE 25, 269 (286). 1001

158

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

entsprechen, hat der Gesetzgeber die Straftatbestände im Individualstrafrecht in ein normatives Wertungssystem bzgl. der Schwere des verwirklichten Unrechts eingeordnet. Diese Wertung beansprucht auch für das Verbandsstrafrecht Geltung. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass die von der natürlichen Person bewirkte Tat auch das Unrecht des Verbands wesentlich prägt.1004 Dies gilt aber nicht nur für das einzelne Delikt, sondern auch für das Verhältnis der Delikte zueinander, also wie stark sich z.B. die Wertung eines Totschlags von der eines Betrugs unterscheidet. Zunächst ist die Höchstzahl der Tagessätze bei der Verbandsgeldstrafe zu bestimmen. Denkbar wäre es, diese auf 360 Tagessätze festzulegen in Anlehnung an die Geldstrafe im Individualstrafrecht (§ 40 Abs. 1 StGB). Dies würde jedoch nicht dem Umstand Rechnung tragen, dass die Geldstrafe bei natürlichen Personen lediglich den Bereich der unteren Kriminalität erfasst und bei schweren Delikten regelmäßig Freiheitsstrafen verhängt werden. Um diesen Umstand zu berücksichtigen, könnte die Höchstzahl der Tagessätze in Anlehnung an das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (§ 38 Abs. 2 StGB) auf 15 x 360 Tagessätze festgelegt werden.1005 Einer solchen Höchstzahl ist jedoch entgegenzuhalten, dass sie in keinem angemessenen Verhältnis zur Schuld des Verbands steht. Beim Verbandsunrecht ist zu berücksichtigen, dass die Verbandsstrafbarkeit – beim Organ wie beim Mitarbeiter – an das strafbare Handeln einer natürlichen Person anknüpft. Weil die Schuld auf das Unrecht bezogen ist,1006 ist das Maß der Verbandsschuld strukturell geringer anzusehen als das Maß der Schuld des unmittelbar Handelnden, der der Rechtsgutsverletzung näher steht als der Verband. Um diese beiden Überlegungen zu einem sinnvollen Ausgleich zu bringen, ist es überzeugend, die Höchstzahl der Tagessätze auf 720 zu beschränken. Dies würde bei einer natürlichen Person einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren entsprechen. Bis zu dieser Höhe kann im Individualstrafrecht eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 56 Abs. 2 StGB). Dies gewährleistet einerseits, dass auch auf Straftatbestände mit erhöhtem Unrechtsgehalt gegenüber Verbänden angemessen reagiert werden kann. Andererseits wird dem gegenüber einer natürlichen Person reduzierten Schuldmaß Rechnung getragen. Als Mindestzahl der Tagessätze ist die Regelung im österreichischen Verbandsstrafrecht i.H.v. 1 Tagessatz (§ 4 Abs. 2 Satz 2 VbVG) zu übernehmen. Zwar beträgt die Mindestzahl im deutschen Individualstrafrecht 5 Tagessätze (§ 40 Abs. 1 Satz 2 StGB). Die Verbandsgeldstrafe muss jedoch neben dem oberen Strafbereich, bei dem im Individualstrafrecht eine Freiheitsstrafe zu verhängen wäre, auch im unteren Bereich der Kriminalität, bei dem im Individualstrafrecht lediglich eine Geldstrafe in Betracht käme, eine angemessene Sanktionierung ermöglichen. Die Höchstzahl von 720 Tagessätzen ist deutlich geringer als die lebenslange Freiheitsstrafe als Obergrenze im Individualstrafrecht. Das erhöhte Mindestmaß der Verbandsgeldstrafe beträgt, wie gleich zu zeigen ist, nur 10 Tagessätze. Daher ist die Mindestzahl der Tagessätze hier niedriger anzusetzen als im Individualstrafrecht. 1004

Siehe 2. Teil C. I. 2. So der Vorschlag von Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 723; der für jeden Monat Freiheitsstrafe 30 Tagessätze verhängen möchte, aber für eine einheitliche Untergrenze von 5 Tagessätzen plädiert, was bei hohen Obergrenzen zu einem verfassungsrechtlich unzulässigen uferlosen Strafrahmen führt. 1006 Dannecker GA 2001, 101 (112); Lampe ZStW 106, 683 (732). 1005

C. Strafrahmen bei Verbänden

159

Das StGB kennt folgende Strafobergrenzen: Lebenslang, 15 Jahre, 10 Jahre, 5 Jahre, 3 Jahre, 2 Jahre, 1 Jahr und 6 Monate. Für die lebenslange Freiheitsstrafe sind dementsprechend 720 Tagessätze anzusetzen. An die Stelle einer zeitigen Freiheitsstrafe von 15 Jahren treten 540 Tagessätze, von 10 Jahren 360 Tagessätze, von 5 Jahren 180 Tagessätze. Einer 3-jährigen Freiheitsstrafe entsprächen 108 Tagessätze, einer 2-jährigen Freiheitsstrafe 72 Tagessätze. Zur einfacheren Handhabung wird die Anzahl der Tagessätze von 108 auf 110 aufgerundet sowie von 72 auf 70 abgerundet. Bei 1 Jahr ergäben sich 36 Tagessätze und bei 6 Monaten 18 Tagessätze. Diese werden von 36 auf 35 Tagessätze abgerundet sowie von 18 auf 20 Tagessätze aufgerundet. Bei der Untergrenze kennt das StGB neben der allgemeinen Untergrenze ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe von 10 Jahren, 5 Jahren, 3 Jahren, 2 Jahren, 1 Jahr, 6 Monaten sowie 3 Monaten. Für die Mindestgrenze gelten die zur Obergrenze genannten Werte entsprechend. Bei 10 Jahren Freiheitsstrafe ergeben sich also mindestens 360 Tagessätze, bei 5 Jahren mindestens 180 Tagessätze und bei 3 Jahren mindestens 110 Tagessätze. An die Stelle einer Untergrenze von 2 Jahren treten 70 Tagessätze, von 1 Jahr 35 Tagessätze und von 6 Monaten 20 Tagessätze. Dementsprechend sind bei einer Untergrenze von 3 Monaten Freiheitsstrafe im Individualstrafrecht an Stelle der rechnerischen 9 Tagessätze mindestens 10 Tagessätze zu verhängen. Ansonsten beträgt das Mindestmaß wie gezeigt 1 Tagessatz.1007 II. Milderungsmöglichkeit in Anlehnung an § 49 StGB Selbst wenn ein Delikt tatbestandlich voll verwirklicht wurde, ist im Individualstrafrecht nicht stets der reguläre Strafrahmen anzuwenden. Die im Besonderen Teil des StGB geregelten minder schweren und besonders schweren Fällen werden im Verbandsstrafrecht bereits durch die gerade dargestellten allgemeinen Ober- und Untergrenzen der Tagessätze erfasst. Daneben besteht noch die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 StGB. Auch für das Verbandsstrafrecht bedarf es Überlegungen dazu, ob und wie der Strafrahmen ggf. zu verschieben ist. 1. Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB Das Individualstrafrecht kennt bei bestimmten Umständen die Möglichkeit der fakultativen Strafmilderung (z.B. bei der verminderten Schuldfähigkeit, § 21 StGB) oder der obligatorischen Strafmilderung (z.B. beim Versuch der Beteiligung, § 30 StGB). In diesen Fällen ist der Strafrahmen nach Maßgabe des § 49 Abs. 1 StGB zu verschieben. Zumindest bestimmte Fälle, die im Individualstrafrecht eine Strafrahmenverschiebung auslösen können, sind ebenso im Verbandsstrafrecht möglich. Auch ein Verband kann z.B. einem vermeidbaren Verbotsirrtum unterliegen (§ 17 Satz 2 StGB). Glaubt er an die Rechtmäßigkeit eines bestimmten Verhaltens, hat er keinen Grund, die Handlung des Individual1007

Für die konkrete Formulierung wird auf § 4 des Gesetzesvorschlag im 3. Teil verwiesen.

160

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

täters zu unterbinden. War dieser Irrtum vermeidbar, ist das Maß seiner Schuld geringer im Vergleich zu Verbänden, denen bewusst war, dass die natürliche Person rechtswidrig handelt.1008 Die Strafrahmenverschiebung im Verbandsstrafrecht ist entsprechend der Regelung des § 49 StGB im Individualstrafrecht zu entwickeln, weil die Strafgrenzen des Verbandsstrafgesetzbuchs in Anlehnung an die Strafrahmen des StGB konzipiert wurden.1009 Entsprechend § 49 Abs. 1 StGB ergibt sich für ein Verbandsstrafrecht Folgendes. An die Stelle von 720 Tagessätzen tritt eine Geldstrafe von 110 bis 540 Tagessätze. Bei sonstigen Geldstrafen darf auf höchstens drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Das erhöhte Mindestmaß der Verbandsgeldstrafe ermäßigt sich beim Mindestmaß von 360 oder 180 Tagessätzen auf 70 Tagessätze, bei 110 bzw. 70 Tagessätzen auf 18 Tagessätze, bei 35 Tagessätzen auf 9 Tagessätze und im Übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß in Höhe von 1 Tagessatz. Wegen der einfacheren Handhabbarkeit werden die Werte von 9 auf 10 Tagessätze sowie von 18 auf 20 Tagessätze aufgerundet.1010 2. Strafmilderung nach § 49 Abs. 2 StGB und Doppelverwertungsverbot Daneben eröffnet § 49 Abs. 2 StGB eine fakultative Strafmilderung durch Absenkung des Mindestmaßes der Strafe in bestimmten Fällen, wie etwa tätiger Reue in § 306e StGB. Derartige Fälle sind auch im Verbandsstrafrecht denkbar. Hat ein Mitarbeiter z.B. die Fabrikhalle fahrlässig in Brand gesteckt, ohne dass hinreichende Aufsichtsmaßnahmen vom Verband ergriffen wurden, kann das Organ den Brand löschen, bevor ein erheblicher Schaden entstanden ist. Da jeder Beteiligte nach seiner Schuld zu bestrafen ist, müssen die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 StGB beim Verband vorliegen. Hierfür ist zu fordern, dass ein Organ die Handlung zur tätigen Reue ausführt bzw. veranlasst oder dass ein Mitarbeiter im Rahmen einer vorherigen Anweisung des Verbands die Handlung vornimmt. Bei unzureichenden Organisationsmaßnahmen des Verbands zur Verhinderung eines Brands ist es dennoch strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Verband wenigstens ordnungsgemäße Anweisungen dazu gegeben hat, wie auf die Vollendung von Straftatbeständen zu reagieren ist. § 50 StGB statuiert im Individualstrafrecht ein Verbot der Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen in Bezug auf die Strafrahmenwahl beim Zusammentreffen eines minder schweren Falls mit vertypten Strafmilderungsgründen. Da auch für minder schwere Fälle im Verbandsstrafrecht ein eigener Strafrahmen gebildet werden muss,1011 ist eine § 50 StGB entsprechende Regelung in ein Verbandsstrafrecht aufzunehmen. III. Zwischenergebnis Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Strafrahmen verlangen, dass sich der Gesetzgeber auf Strafrahmen für die einzelnen Delikte festlegt, denen sich eine Mindest- und eine Höchstzahl der Tagessätze entnehmen lassen. Die Strafrahmen dürfen nicht uferlos weit

1008

Zum Unterschied zwischen dem Verbotsirrtum des Verbands und des Individualtäters vgl. 1. Teil D. V. 2. Siehe 2. Teil C. I. 4. b) bb). 1010 Für die konkrete Formulierung wird auf § 10 des Gesetzesvorschlags im 3. Teil verwiesen. 1011 Siehe 2. Teil C. I. 3. a). 1009

C. Strafrahmen bei Verbänden

161

ausgestaltet sein, damit die Bemessung der konkreten Strafe zu keinem unberechenbaren Akt richterlicher Entscheidung wird. Der Strafrahmen gibt zugleich Aufschluss über die gesetzgeberische Charakterisierung des Straftatbestands. Das vom Individualtäter verwirklichte Unrecht prägt auch die Verbandsstraftat wesentlich. Aus diesen Gründen ist an die gesetzgeberische Progression im Individualstrafrecht anzuknüpfen und diese mit Modifikationen in Strafrahmen für eine Verbandsgeldstrafe zu übertragen. Da auch im Verbandsstrafrecht vertypte Strafmilderungsgründe in Betracht kommen, bedarf es einer Regelung zur Strafrahmenverschiebung. Um die Anknüpfung an die Bewertung der Straftaten im Individualstrafrecht konsequent fortzuführen, ist die Verschiebung in Anlehnung an das Individualstrafrecht vorzunehmen.

D. Strafzumessung bei Verbänden I. Schuld des Verbands 1. Grundsätzliches zur Schuld Der Begriff der Schuld ist sowohl für die Verbrechenslehre als auch für die Strafzumessung bedeutsam. Erst die Schuld des Täters an seiner rechtswidrigen Tat macht diese zur Straftat. Die Schuld ist es auch, die die Grundlage der Strafzumessung bildet.1012 a) Begriffsbestimmung der Strafzumessungsschuld Da der Schuldbegriff sowohl auf der Strafbegründungs- als auch auf der Strafzumessungsebene verwendet wird, stellt sich die Frage, ob beide Schuldbegriffe deckungsgleich sind. Die vertretenen Ansichten – Divergenz- (hierzu aa)) und Identitätsthese (hierzu bb)) – reklamieren das Gegenteil des jeweils anderen für sich. Daher spricht das, was für die Identitätsthese spricht, zugleich gegen die Divergenzthese und umgekehrt. Bevor der Frage der Deckungsgleichheit nachgegangen werden kann, ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass auch bei einer grundsätzlichen Identität der beiden Schuldbegriffe 2 Unterschiede zwischen diesen verbleiben. Aus diesem Grund bedarf der Begriff der Schuld auf Strafzumessungsebene einer eigenständigen Darstellung, unabhängig davon, ob man von einer Identität oder Divergenz der Schuldbegriffe ausgeht. Erstens beschreibt der Begriff der Schuld auf Strafzumessungsebene nicht nur eine Beziehung des Täters zu dem von ihm begangenen Unrecht, sondern das verschuldete Unrecht insgesamt. Das Ausmaß der Strafe hängt entscheidend vom Maß des verschuldeten Unrechts ab.1013 Zweitens ist die Anzahl der schuldrelevanten Sachverhalte auf der Ebene der Strafzumessung facettenreicher. Auf Tatbestandsebene bestehen nur wenige Sachverhalte, die die Schuld im Sinne einer Verantwortlichkeit gänzlich aufheben. Dagegen sind viele verschiedene Sachverhalte denkbar, die die Schuld auf Strafzumessungsebene modifizieren, sie also größer oder weniger groß erscheinen lassen.1014 Anders als auf Tatbestandsebene, wo die Frage beantwortet wird, ob Schuld vorliegt oder fehlt, geht es auf Strafzumessungsebene um eine graduelle Abstufung, also „wie schuldig“ der Verband ist. aa) Divergenzthese Über die gerade genannten Unterschiede hinaus stellen die Vertreter der Divergenzthese die Identität der Schuldbegriffe auf Tatbestands- und Rechtsfolgenebene grundsätzlich in Frage.1015 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass bestimmte Umstände wie etwa „Rücksichtslosigkeit“ oder „Rohheit“ für die Strafzumessung relevant sind, die mit der 1012

Frisch in FS Müller-Dietz S. 237. Hörnle JZ 1999, 1080 (1082 f.); Schäfer Praxis der Strafzumessung S. 161 ff.; Frisch in FS Müller-Dietz S. 237 (238). 1014 Frisch in FS Müller-Dietz S. 237 (239). 1015 Achenbach Historische und dogmatische Grundlagen der strafrechtssystematischen Schuldlehre S. 5 ff.; 10 ff.; Roxin AT I, § 19 Rn. 54; wohl auch Schäfer Praxis der Strafzumessung S. 161. 1013

D. Strafzumessung bei Verbänden

163

Strafbegründungsschuld im Sinne einer Verantwortlichkeit für eine Rechtsgutsverletzung nichts zu tun haben.1016 Die Rechtsprechung und die überwiegende Ansicht im Schrifttum sehen das Wesen der Individualschuld darin, dass der Täter sich für die rechtswidrige Tat entschieden hat, obwohl er fähig war, sich (durch Orientierung am Recht) rechtlich richtig zu verhalten.1017 Wie gezeigt, bedarf diese Begriffsbestimmung im Verbandsstrafrecht einer Modifizierung.1018 Dort ist danach zu fragen, ob von dem Verband als Kollektiv in der konkreten Situation zu erwarten war, dass er die zumutbaren Anstrengungen für einen nicht deliktischen Geschäftsbetrieb unternimmt.1019 Einem derartig verstandenen Schuldbegriff im Verbandsstrafrecht kommt auch im Rahmen der Strafzumessung erhebliche Bedeutung zu. Die an den Verband gerichtete Erwartung zur ordnungsgemäßen Organisation lässt sich nicht nur unter dem Aspekt der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit ihrer Erfüllung thematisieren. Vielmehr sind hier ebenfalls graduelle Nuancen denkbar. Das Versagen, dieser Erwartung zu genügen, wiegt umso schwerer, je naheliegender es für den Verband war, dass die konkrete Gefahr von verbandsbezogenen Zuwiderhandlungen bestand, die der Anknüpfungstat vergleichbar sind. Überdies ist ein derartiges Versagen umso stärker ausgeprägt, je einfacher es dem Verband möglich gewesen wäre, diese konkrete Gefahr verbandsbezogener Zuwiderhandlungen zu unterbinden. Umgekehrt wiegt die Schuld entsprechend weniger schwer, wenn es für den Verband vergleichsweise kompliziert war, dieser Anforderung zu genügen. Deshalb kann davon gesprochen werden, dass das, was im Rahmen der Strafbegründung unter dem Aspekt des „Ob“ thematisiert wird, im Bereich der Strafzumessung als „Wie“ fortgeführt wird.1020 Verlässt man den Bereich der Relativierungen des Versagens bei der Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation und wendet sich den Strafschärfungsgründen zu, ergeben sich Friktionen, wenn von einer Identität der Strafbegründungs- und der Strafzumessungsschuld ausgegangen wird. Dies gilt z.B. für die qualifizierte Tatbegehung trotz einschlägiger Vorstrafen.1021 Dieser Umstand, dessen straferhöhende Wirkung mit einer gesteigerten Schuld des Täters begründet wird, lässt sich kaum in den Schuldbegriff auf Tatbestandsebene einordnen. Die Pflicht, mittels Organisationsmaßnahmen einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb zu gewährleisten, gilt für den vorbestraften Verband in gleichem Maß wie für den nicht vorbestraften Verband. Insgesamt ist bei strafschärfenden Umständen zu konstatieren, dass zwar unterhalb des Maximums Relativierungen und Einschränkungen möglich sind. Dagegen hat die Erwartung, mittels Organisationsmaßnahmen einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb zu gewährleisten, 1016

Roxin AT I, § 19 Rn. 54. BGHSt 2, 194 (200); Eisele in S/S StGB vor §§ 13 ff. Rn. 109 f. 1018 Siehe 1. Teil D. II. 1019 Siehe 1. Teil D. V. 2. 1020 Frisch in FS Müller-Dietz S. 238 (241). 1021 Frisch in FS Müller-Dietz S. 238 (241). 1017

164

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

ein natürliches Höchstmaß. Mehr als die uneingeschränkte Erwartung an den Verband, dieser Pflicht nachzukommen, gibt es nicht.1022 Diese Erwartung wird auch nicht dadurch in höherem Maße enttäuscht, dass der Verband etwa verwerfliche Ziele verfolgt. Strafschärfende Momente sind deshalb schwierig in ein Schuldverständnis einzuordnen, das von einer grundsätzlichen Identität zwischen Strafbegründungs- und Strafzumessungsschuld ausgeht. bb) Identitätsthese Trotzdem wäre der Identitätsthese der Vorzug einzuräumen, wenn die Strafzumessung kein Aliud gegenüber der Qualifikation eines Geschehens als Straftat wäre, es bei Straftatbegründung und Strafzumessung also um grundsätzlich Identisches ginge.1023 Dies ist der Fall.1024 Die Ermittlung der schuldgemäßen Strafe stellt nichts weiter als eine Fortsetzung der Qualifizierung des Geschehens als Straftat dar. Das, was als Straftat identifiziert wurde, wird nunmehr darauf untersucht, wie ausgeprägt es als Straftat ist.1025 Für diese „gewichtsmäßige“ Erfassung der Straftat sind dieselben Maßstäbe anzulegen wie für die Qualifikation des Geschehens als Straftat. Diese Maßstäbe werden lediglich mit einer anderen Fragestellung in den Blick genommen. Es geht nicht mehr darum, was sich aus ihnen für die Voraussetzungen der Straftat ergibt. Vielmehr rückt die Frage in den Mittelpunkt, ob das konkret zu beurteilende Geschehen nach diesen Maßstäben eine gewichtigere oder weniger gewichtigere Straftat ist.1026 Im Ergebnis vermag daher die Identitätsthese zu überzeugen. Strafbegründung und Strafzumessung basieren auf einer einheitlichen Grundlage. Ihre Probleme, strafschärfende Umstände überzeugend in die Strafzumessung zu integrieren, können in der Praxis weitgehend dadurch aufgefangen werden, dass solche Umstände ein erhöhtes Präventionsbedürfnis auslösen. Nach der von der Rechtsprechung vertretenen Spielraumtheorie, auf die im Folgenden einzugehen ist, führt dies dazu, dass ein Strafmaß am oberen Ende des durch die Schuld vorgegebenen Rahmens festzusetzen ist.1027 b) Höhenbemessung der Strafe nach der Schuld Im Individualstrafrecht bestimmt § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB, dass die Schuld des Täters Grundlage für die Strafzumessung ist. Da die im Einzelfall zu verhängende Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schuld des Täters stehen muss,1028 ist auch im Verbandsstrafrecht die Schuld für die Festlegung der konkreten Strafe innerhalb des Strafrahmens der maßgebliche Faktor. Wie der abstrakte Strafrahmen in eine konkrete Strafe im Einzelfall transformiert werden kann, ist im Individualstrafrecht Gegenstand einer langen Kontroverse. Die Ansichten unterscheiden sich zum einen im Hinblick auf die Frage, ob dem Richter ein Spielraum für die Strafbemessung zur Verfügung steht (hierzu aa)). Zum anderen ist auch umstritten, welche 1022

So auch für das Individualstrafrecht Frisch in FS Müller-Dietz S. 238 (242). Frisch in FS Müller-Dietz S. 238 (247). 1024 Frisch ZStW 99, 349 (386); Frisch GA 1989, 338 (355 f.); Hörnle JZ 1999, 1080 (1087 f.). 1025 Frisch in FS Müller-Dietz S. 238 (247). 1026 Zum Ganzen Frisch in FS Müller-Dietz S. 238 (247 f.). 1027 Siehe 2. Teil D. I. b) aa) (1). 1028 BVerfG Urt. v. 19.03.2013 Az.: 2 BvR 2628/10 Rn. 55. 1023

D. Strafzumessung bei Verbänden

165

Aspekte zur Ausfüllung eines ggf. verbleibenden Spielraums heranzuziehen sind (hierzu bb)). Diese Fragen bedürfen im Verbandsstrafrecht ebenfalls einer Klärung. aa) Spielraum bei der Strafbemessung Die zu dieser Frage vertretenen Ansichten unterscheiden sich danach, ob ein Spielraum bei der Bemessung der Strafe für den Richter besteht, ob ein ggf. verbleibender Spielraum lediglich einer Ober- oder auch einer Untergrenze unterliegt und inwiefern präventive Überlegungen beim Maß der Strafe Berücksichtigung finden dürfen. (1) Spielraumtheorie Nach der von der Rechtsprechung und Teilen der Literatur vertretenen Spielraumtheorie ist dem Richter bei der Bemessung der Strafe ein Spielraum zuzubilligen. Dieser ist nach unten durch die schon schuldangemessene und nach oben durch die noch schuldangemessene Strafe begrenzt.1029 Bei der Festsetzung der Strafhöhe innerhalb dieses gegenüber dem Strafrahmen engeren Schuldrahmens sind die präventiven Strafzwecke zu berücksichtigen. Daher wird diese Lehre teilweise auch als Schuldrahmentheorie bezeichnet.1030 Die präventiven Strafzwecke dürfen jedoch weder zur Über- noch zur Unterschreitung des Schuldrahmens führen.1031 Schlagwortartig wird von „Prävention im Rahmen der Repression“ gesprochen.1032 Die Rechtsprechung verlangt nicht, dass der Strafrichter den zugrunde gelegten Schuldrahmen in den Urteilsgründen offenlegt.1033 Dies wird im Hinblick auf die Transparenz der Strafzumessung kritisch beurteilt.1034 Weitergehend behaupten andere Stimmen in der Literatur, dass sich viele Juristen zur Entwicklung eines Schuldrahmens, innerhalb dessen dann die Strafe anhand präventiver Gesichtspunkte festgesetzt wird, nicht in der Lage sähen.1035 Wie anhand einer empirischen Studie gezeigt werden konnte, bestehen in der Praxis jedoch nur geringe Widerstände gegen die Festsetzung eines Schuldrahmens.1036 Gegen die Spielraumtheorie ist zudem eingewandt worden, dass sich die Grenzen des Schuldrahmens nur schwer bestimmen ließen.1037 Derartige Ober- und Untergrenzen können durchaus rational bestimmt werden. Dies zeigt die Regelung zur Verfahrensverständigung, bei der dem Gericht die Angabe einer Ober- und Untergrenze der Strafe gestattet ist (§ 257c Abs. 3 Satz 2 StPO).

1029

BGHSt 7, 28 (32); 20, 264 (266 f.); Jescheck/Weigend Strafrecht AT S. 880 f.; Zipf/Dölling in Maurach/ Gössel/Zipf AT 2 S. 748 ff. 1030 Zipf/Dölling in Maurach/Gössel/Zipf Strafrecht AT 2 S. 750; Meine NStZ 1994, 159 (162). 1031 BGHSt 7, 28 (32); 20, 264 (266 f.). 1032 Streng in FS Müller-Dietz S. 875. 1033 Schaffstein in FS Gallas S. 99 (107). 1034 Grasnick JA 1990, 81 (84). 1035 H.-J. Albrecht Strafzumessung bei schwerer Kriminalität S. 40 f.; Jescheck/Weigend Strafrecht AT S. 880. 1036 Detailliert zu den Befunden der von ihm durchgeführten Studie vgl. Streng in FS Müller-Dietz S. 875 (877 ff.). 1037 Dreher JZ 1967, 41 (45).

166

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Grob unbillige Ergebnisse werden bei der Strafzumessung durch die Grenze der schon und der noch schuldangemessenen Strafe vermieden.1038 Daher ist die Spielraumtheorie durchaus praktikabel. Ein Schuldrahmen für die einzelne Tat ist näherungsweise bestimmbar. (2) Lehre von der Schuldobergrenze Die Lehre von der Schuldobergrenze erkennt auch einen Schuldrahmen an. Eine Überschreitung dieses Rahmens hält sie ebenfalls für unzulässig. Im Gegensatz zur Spielraumtheorie geht die Lehre von der Schuldobergrenze aber davon aus, dass das durch die Tatschuld bestimmte Strafmaß unterschritten werden dürfe, wenn aus präventiven Gründen eine niedrigere Strafe angezeigt sei.1039 Diese Auffassung wird im Individualstrafrecht abgelehnt. Sie steht nicht im Einklang mit § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB, wonach die Schuld die Grundlage der Strafzumessung und nicht lediglich deren Obergrenze ist.1040 Zudem widerspricht diese Meinung dem Grundsatz des gerechten Strafens. Wäre die Strafe unterhalb der Schuldobergrenze allein nach präventiven Gesichtspunkten zu bemessen, müssten 2 Täter mit unterschiedlich großer Schuld die gleiche Strafe erhalten, wenn präventive Gründe für eine niedrige Strafe in identischer Höhe sprechen.1041 Das wäre aber mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar. Dieser verpflichtet auch dazu, Ungleiches ungleich zu behandeln. Dementsprechend dürfen Täter mit einem unterschiedlichen Maß an verwirklichter Schuld nicht dieselbe Strafe erhalten. Schließlich widerspricht die Lehre von der Schuldobergrenze der Idee der „Prävention im Rahmen der Repression“.1042 Dasselbe muss im Verbandsstrafrecht gelten. Auch dort hat die Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und der Schuld des Verbands zu stehen.1043 Wird die Schuld indes nur als Obergrenze einer Strafe begriffen, löst sich die Strafe an der Untergrenze von ihrer auch im Verbandsstrafrecht zu beachtenden Vorgabe, gerechter Schuldausgleich zu sein.1044 Da die Strafe im Verbandsstrafrecht ebenfalls durch die schon schuldangemessene Strafe nach unten begrenzt ist, vermag die Lehre von der Schuldobergrenze auch im Verbandsstrafrecht nicht zu überzeugen. (3) Theorie der Punktstrafe Die Theorie der Punktstrafe geht davon aus, dass es nur eine schuldangemessene Strafe gebe.1045

1038 So auch Schöch in Festgabe BGH S. 309 (310), der davon spricht, dass sich der Tatrichter in der Oktave vergriffen hat. 1039 Roxin in Festgabe Hans Schultz S. 463 (473 ff.); Roxin AT I, § 3 Rn. 54 ff. 1040 Schaffstein in FS Gallas S. 99 (105); Dölling in FS Schreiber S. 55 (57). 1041 Dölling in FS Schreiber S. 55 (57). 1042 Streng in FS Müller-Dietz S. 875 (890). 1043 Siehe 2. Teil C. I. 1. 1044 Siehe 2. Teil C. I. 1. 1045 Kaufmann Schuldprinzip S. 261; Schneidewin JZ 1955, 505 (507).

D. Strafzumessung bei Verbänden

167

Der Strafrahmen ist als eine Schwereskala zu verstehen, die von den leichtesten bis zu den schwersten Fällen alle Schweregrade des jeweiligen Delikts abdecken soll.1046 Da den Stufen der Skala Taten mit unterschiedlicher Schuldhöhe zugeordnet sind, legt dies den Schluss nahe, dass eine Tat mit einer bestimmten Schuldhöhe immer nur einer Stufe entspricht.1047 Dennoch vermag die Theorie der Punktstrafe im Individualstrafrecht nicht zu überzeugen. Schuld bedeutet eine auf den Täter und seine Tat bezogene Zuschreibung anhand gesellschaftlicher Werte und Normen. Gleichermaßen besteht für die Umrechnung von Schuld- in Strafeinheiten kein objektivierbarer Wechselkurs, sondern es handelt sich bei diesem Vorgang um einen rechtsgestaltenden Akt anhand gesellschaftlicher Werte und Normen.1048 Es geht bei der Schuldwertung und einer entsprechenden Strafbemessung daher nicht um einen Erkenntnisvorgang. Außer der schlichten Faktenlage kann nichts Vorfindbares „erkannt“ und als wahr eingestuft werden.1049 Die Theorie der Punktstrafe berücksichtigt nicht, dass die Strafzumessung kein rein objektiver Akt ist. Bei der Strafzumessung spielen auch aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung und dem Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten gewonnene Momente eine Rolle, die sich einer exakten Richtigkeitskontrolle entziehen.1050 Dementsprechend sind im Urteil auch nur die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände anzugeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO).1051 Eine exakte Richtigkeitskontrolle müsste aber nach der Theorie der Punktstrafe möglich sein. Da die Strafe eben nicht schon feststeht und nur noch gefunden werden muss, handelt es sich bei der Strafbemessung richtigerweise auch nicht um einen Rechtsfindungs-, sondern um einen Rechtserzeugungsprozess.1052 Daneben treten rechtstheoretische Erwägungen. Strafzumessung hat als gesellschaftlich getragene und legitimierte Maßnahme – bezogen auf die Merkmale der Tat und des jeweiligen Täters – die Werte und Normen der Gesellschaft auszudrücken. Dieser Ausdruck ist daher der Werteordnung der Gesamtkultur verpflichtet, die das Strafrechtssystem trägt.1053 Welche die eine richtige Wertung eines bestimmten Vorfalls darstellt, ist wegen der Abstraktheit der Gesamtkultur und der daraus resultierenden notwendigen Konkretisierung eine schon im Ansatz verfehlte Fragestellung. Übereinstimmung ist nur bezüglich der Grundfragen, nicht aber bezüglich der letzten Feinheit eines konkreten Strafmaßes möglich. Der im Rahmen der abstrakten Gesamtkultur mögliche Wertungskonsens kann daher nur eine Strecke zwischen Grenzwerten sein, nicht aber im Sinne der Punktstrafetheorie genau einen Wert aus der gesetzlichen Strafenskala betreffen.1054 Auch im Verbandsstrafrecht gilt, dass der Richter als Individuum mit psychologisch fassbaren individuellen Merkmalen urteilt, die in seine Wertung eingehen.1055 Solange Menschen 1046

BGHSt 27, 2 (3). Frisch NJW 1973, 1345 (1349); Frisch ZStW 99, 349 (362 f.). 1048 Streng in FS Müller-Dietz S. 875 (887 f.). 1049 Henkel Die „richtige“ Strafe S. 31 ff.; vgl. auch Neumann in FS Spendel S. 435 (441 ff.). 1050 BGHSt 27, 2 (3). 1051 BGHSt 27, 2 (3). 1052 Grasnick JA 1990, 81 (84). 1053 Vgl. hierzu Streng JZ 1993, 109 (112 f.); Henkel Die „richtige“ Strafe S. 36 ff. 1054 Zum Ganzen Streng in FS Müller-Dietz S. 875 (888 f.). 1055 So für das Individualstrafrecht Streng in FS Müller-Dietz S. 875 (889). 1047

168

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Urteile fällen, ist es inkonsequent, individuelle Wertungen a priori mit dem Makel des Verfehlens eines angeblichen solitären Gerechtigkeitswerts zu stigmatisieren. Auch Kollegialgerichte können in ihren Strafzumessungsentscheidungen nicht mehr als die individuelle Stellungnahme einer Kleingruppe leisten. Zu Recht wird daher betont, dass Wertungsspielräume bei einer Strafzumessung durch Menschen notwendiger Bestandteil derselben und als solche rechtlich abzusichern sind.1056 (4) Stellenwerttheorie und Lehre von der Tatproportionalität Eine weitere Meinungsgruppe geht davon aus, dass präventive Erwägungen bei der Strafzumessung auszublenden seien. Nach der Stellenwerttheorie ist die Strafhöhe grundsätzlich nur nach dem Gewicht des verschuldeten Unrechts festzulegen. Dagegen sollen präventive Überlegungen für die Entscheidung über die Strafart und die Vollstreckung maßgeblich sein.1057 Auch nach der Lehre von der Tatproportionalität ist die Strafhöhe unter Ausblendung präventiver Gesichtspunkte nach der Tatschwere festzusetzen.1058 Die Tatschwere wird dabei als das Produkt des verschuldeten Erfolgs- und des Handlungsunrechts verstanden. Der Schwerpunkt liegt auf dem Erfolgsunwert.1059 Spezial- und generalpräventive Strafzwecke sollen dadurch bei der Strafzumessung zurückgedrängt werden.1060 Beide Auffassungen werden im Individualstrafrecht abgelehnt. Sie widersprechen dem gesetzgeberischen Willen, der in § 46 StGB zum Ausdruck kommt. § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB ordnet die Berücksichtigung der Wirkungen an, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters zu erwarten sind. Dieser Satz bezieht sich auf die Zumessung der Strafe i.S.v. § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB, welche insbesondere die Festsetzung der Strafhöhe umfasst.1061 Wenngleich wenig empirisch gesichertes Wissen über die spezial- und generalpräventiven Wirkungen bestimmter Strafhöhen vorliegt, entspricht die Berücksichtigung dieser Umstände dem Wortlaut von § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB.1062 Die Stellenwerttheorie und die Lehre von der Tatproportionalität können im Verbandsstrafrecht nur dann ein taugliches Modell zur Strafbemessung bieten, wenn eine Strafe im Verbandsstrafrecht ohne Berücksichtigung präventiver Zwecke verhängt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht betont ausdrücklich, dass die Prävention von Straftaten ein Aspekt einer angemessenen Sanktionierung ist.1063 Das Strafrecht beinhaltet als bedachte Zufügung eines Übels einen bewussten Eingriff in die Rechte eines Rechtssubjekts. Ein derartiger Eingriff lässt sich nicht mit einer zweckgelösten Majestät der Strafe begründen, sondern muss sich mit Gründen rechtfertigen.1064 Diese Gründe sind in der Prävention zu suchen.1065 Die 1056 Zum Ganzen im Individualstrafrecht Streng in FS Müller-Dietz S. 875 (889). Teilweise wird der Theorie der Punktstrafe daher eine Theologisierung der Strafzumessung attestiert, weil sie Maßstäbe an die Strafzumessung anlege, denen ein weltlicher Richter nicht genügen könne vgl. Grasnick JA 1990, 81 (83). 1057 Henkel Die „richtige“ Strafe S. 22 ff. 1058 Hörnle Tatproportionale Strafzumessung S. 143 ff.; vgl. hierzu auch Schünemann in Neuere Tendenzen in der Kriminalpolitik S. 209 (224 ff.). 1059 Hörnle Tatproportionale Strafzumessung S. 223 ff.; 373 ff. 1060 Hörnle Tatproportionale Strafzumessung S. 394 ff. 1061 Streng Strafrechtliche Sanktionen S. 314; Dölling in FS Schreiber S. 55 (57). 1062 Streng in FS Müller-Dietz S. 875 (891). 1063 BVerfG Urt. v. 21.06.1977 Az.: 1 BvL 14/76 Rn. 210. 1064 So für das Individualstrafrecht Hassemer in FS Schroeder S. 51 (56). 1065 So für das Individualstrafrecht Hassemer in FS Schroeder S. 51 (56).

D. Strafzumessung bei Verbänden

169

Prävention von Straftaten ist deswegen auch im Verbandsstrafrecht ein bedeutendes Legitimationselement von Strafe. Das völlige Ausblenden präventiver Erwägungen ist mit dem Wesen der Strafe unvereinbar. Deswegen sind die Stellenwerttheorie und die Lehre von der Tatproportionalität im Verbandsstrafrecht ebenfalls abzulehnen. (5) Theorie des sozialen Gestaltungsakts Nach der Theorie des sozialen Gestaltungsakts kann die vom Richter in einem schöpferischen sozialen Akt festgelegte schuldangemessene Strafe nur eine einzige bestimmte Strafe sein.1066 Aus präventiven Gründen seien aber gewisse Über- und Unterschreitungen dieser Schuldstrafe zulässig.1067 Die Theorie des sozialen Gestaltungsakts überschneidet sich im praktischen Ergebnis weitgehend mit der Spielraumtheorie. Das Maß, in dem der Richter nach dieser Theorie aus präventiven Gründen von der von ihm als schuldangemessen gewerteten Strafhöhe abweichen darf, entspricht regelmäßig den Grenzen des Schuldrahmens.1068 Dennoch muss die Theorie des sozialen Gestaltungsakts der Spielraumtheorie wegen deren überlegener Konzeption den Vortritt lassen. Solange eine Schuldüberschreitung nicht erkennbar ist, ermöglicht die Spielraumtheorie die Berücksichtigung von auch im Verbandsstrafrecht zu beachtenden1069 Präventionsgesichtspunkten.1070 Die Spielraumtheorie versteht das reine Schuldmaß als Bandbreite innerhalb eines Rahmens und nicht als Punkt. Daher stellt sich bei ihr das Problem nicht, ein durch Präventionsaspekte mitbestimmtes Strafmaß als schuldunteroder schuldüberschreitend ansehen zu müssen. Bei einer Bandbreite ist die Frage einer straftheoretischen Legitimierung des unverzichtbaren Präventionseinsatzes ohne Verstoß gegen das Schuldprinzip gelöst.1071 (6) Zwischenergebnis Die Spielraumtheorie ist auch im Verbandsstrafrecht der taugliche Ansatz zur Bemessung der Strafe. Dass ein Bereich der Strafzumessung verbleibt, der sich einer exakten Richtigkeitskontrolle entzieht, ist bei einer Strafzumessung durch Menschen hinzunehmen. Zudem ermöglicht die Spielraumtheorie die Integration der Prävention in die Strafzumessung, ohne dem Schuldprinzip zu widersprechen. Grob unbillige Ergebnisse werden bei der Strafzumessung durch die Grenze der schon und der noch schuldangemessenen Strafe vermieden. bb) Ausfüllung des Spielraums Der Richter hat sich zur Festlegung der Strafhöhe zunächst Klarheit über die Höhe der Schuld des Täters zu verschaffen und auf dieser Grundlage den Rahmen schuldangemessener Strafe zu bestimmen. Dieser Schuldrahmen ist dann anhand präventiver Strafzumessungsüberlegungen auszufüllen.1072

1066

Dreher JZ 1967, 41 (45 f.). Dreher JZ 1968, 209 (211). 1068 Dölling in FS Schreiber S. 55 (57). 1069 Siehe 2. Teil D. I. 1. b) aa) (4). 1070 Streng JuS 1993, 919 (920 f.); Jescheck/Weigend Strafrecht AT S. 880. 1071 Streng in FS Müller-Dietz S. 875 (886). 1072 Dölling in FS Schreiber S. 55 (58). 1067

170

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Für die Ausfüllung des Schuldrahmens sind mit Blick auf § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB im Individualstrafrecht vor allem spezialpräventive Aspekte maßgeblich.1073 Die Spezialprävention untergliedert sich dabei in die negative, die positive sowie die passive Spezialprävention. Die negative Spezialprävention betrifft den Schutz der Allgemeinheit vor dem Täter und zielt darauf ab, den Täter davon abzubringen, nochmals eine Straftat zu begehen. Die positive Spezialprävention soll zur Besserung des Täters führen und die passive Spezialprävention will eine entsozialisierende Wirkung der Strafe auf den Täter vermeiden.1074 Die passive Spezialprävention spielt bei Verbänden eine untergeordnete Rolle, weil der Verbandsgeldstrafe eine entsozialisierende Wirkung fehlt. Dagegen sind die Strafzwecke der negativen und positiven Spezialprävention auch im Verbandsstrafrecht von Bedeutung. Ziel ist es, durch die Strafe und das mit ihr verbundene Unwerturteil im Rahmen der negativen Spezialprävention einen Verband dazu anzuhalten, verbandsbezogene Straftaten zu unterbinden. Die positive Spezialprävention soll im Verbandsstrafrecht insbesondere dadurch realisiert werden, dass sich die Einführung von oder die Verbesserung bestehender Criminal-Compliance-Programme strafmildernd auswirkt, damit sich vergleichbare Verbandsstraftaten in der Zukunft nicht wiederholen.1075 Umstritten ist im Individualstrafrecht, ob bei der Ausfüllung des Schuldrahmens neben spezialpräventiven auch generalpräventive Erwägungen Berücksichtigung finden dürfen. Dagegen wird angeführt, dass der generalpräventive Aspekte umfassende Begriff „Verteidigung der Rechtsordnung“ lediglich in §§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 3 und 59 Abs. 1 Nr. 3 StGB, nicht aber in dem für die Festsetzung der Strafhöhe maßgeblichen § 46 StGB erwähnt wird.1076 § 46 StGB ist jedoch kein Ausschluss der Generalprävention zu entnehmen, weil sich diese Vorschrift auch im Sinne einer Schwerpunktsetzung verstehen lässt.1077 Die Strafzumessung muss dabei in erster Linie nach den Grundsätzen des gerechten Schuldausgleichs und der Spezialprävention erfolgen. Sie darf die Generalprävention nur nachrangig berücksichtigen. Die generalpräventiven Strafzwecke der Stabilisierung der Rechtstreue der Bevölkerung (positive Generalprävention) und der Abschreckung der Allgemeinheit (negative Generalprävention) werden in der Regel durch die ggf. spezialpräventiv ausgestaltete Schuldstrafe erfüllt. Deswegen kommt eine Anhebung der Strafe aus generalpräventiven Gründen nur ausnahmsweise in Betracht.1078 Eine straferhöhende Berücksichtigung setzt voraus, dass eine

1073

Dölling in FS Schreiber S. 55 (59). Zu den Dimensionen der Spezialprävention vgl. Meier Strafrechtliche Sanktionen S. 24 ff. 1075 So auch NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 54. 1076 Roxin in Festgabe Hans Schultz S. 463 (469 ff.); Roxin in FS Bruns S. 183 (195 ff.). 1077 Stree/Kinzig in S/S StGB § 46 Rn. 5.; für eine Berücksichtigung der Generalprävention bei der Strafzumessung auch Roxin in FS Volk S. 601 (613). 1078 Dölling in FS Schreiber S. 55 (60). 1074

D. Strafzumessung bei Verbänden

171

gemeinschaftsgefährdende Zunahme von entsprechenden Straftaten festgestellt wurde und die Gefahr der Nachahmung besteht.1079 Für eine Strafmilderung aus generalpräventiven Gründen, die lediglich tätergünstig wirkt, haben dagegen weniger strenge Anforderungen zu gelten. Ein sachlicher Grund für eine Strafmilderung genügt insoweit. Die bewährten Grundsätze der Strafzumessung im Individualstrafrecht sind auf das Verbandsstrafrecht zu übertragen. Ein Grund, weshalb andere Maßstäbe für die Strafzumessung im Verbandsstrafrecht gelten sollten, ist nicht ersichtlich. cc) Zwischenergebnis Es bleibt festzuhalten, dass dem Richter bei der konkreten Strafzumessung im Verbandsstrafrecht ein gegenüber dem Strafrahmen engerer Schuldrahmen zuzubilligen ist, der nach unten durch die schon schuldangemessene Strafe und nach oben durch die noch schuldangemessene Strafe begrenzt wird. Innerhalb dieses Schuldrahmens ist die Strafe vorrangig anhand spezialpräventiver Gesichtspunkte zu bestimmen. Generalpräventive Erwägungen spielen dagegen nur eine nachrangige Rolle. Eine Strafschärfung kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Für eine Strafmilderung aus generalpräventiven Gesichtspunkten gelten weniger strenge Maßstäbe. 2. Bestimmung des Strafmaßes Zur Bestimmung der Strafe hat der Richter wie gerade gezeigt einen Schuldrahmen festzulegen. Innerhalb dieses Rahmens ist die Strafe anhand präventiver Gesichtspunkte zu bestimmen. Im Folgenden werden Kategorien für die Umstände gebildet, die das Maß der Schuld und die präventiven Bedürfnisse gegenüber dem Verband beeinflussen (hierzu a)). Anschließend ist darauf einzugehen, in welchem Umfang diese Umstände das Strafmaß bei Organ- (hierzu b)) und Mitarbeiterstraftaten (hierzu c)) beeinflussen. a) Bildung von Kategorien Um die konkrete Strafe festsetzen zu können, ist aufzuzeigen, welche Umstände sich auf das Strafmaß und die präventiven Belange auswirken. Diese Umstände lassen sich in 3 Kategorien einteilen: die Umstände, die das Unrecht der Anknüpfungstat1080 prägen, die vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen und die sonstigen Umstände. Die Umstände, die das Unrecht der Anknüpfungstat prägen, beeinflussen das Schuldmaß. Je schwerwiegender die Tatfolgen sind, desto größer ist prinzipiell auch der Grad der Vorwerfbarkeit gegenüber dem Verband. Dennoch ist das Maß der Schuld nicht mit demjenigen des Individualtäters gleichzusetzen. Entscheidend für das Maß der Verbandsschuld ist, wie sich die Anknüpfungstat im Verbandskontext darstellt.1081 Was dies bedeutet, wird im Einzelnen bei den jeweiligen Strafzumessungsgründen erläutert. Zudem richtet sich das Schuldmaß danach, inwieweit der Verband Aufsichtsmaßnahmen ergriffen hat. Hierfür sind verbandsbezogene Umstände wie Auswahl- und Überwachungs1079

BGH wistra 1982, 225; BGH NStZ 2007, 702; BGH NStZ-RR 2013, 240. Zum Begriff siehe Einleitung. 1081 Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 434; Göhler/Gürtler OWiG § 30 Rn. 36a; so wohl auch Sieber in FS Tiedemann S. 449 (471 f.); Wegner wistra 2000, 361 (363). 1080

172

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

mängel, sonstige Organisationsdefizite sowie Vorsorgemaßnahmen des Verbands zur Verhinderung verbandsbezogener Straftaten vor der Tat relevant.1082 Schließlich bestimmt sich das Maß der Verbandsschuld auch nach sonstigen Umständen. Hier kommt z.B. zum Tragen, inwieweit der Verband den aus der Tat resultierenden Schaden wiedergutgemacht hat. Die sonstigen Umstände wirken sich aber v.a. auf die innerhalb des Schuldrahmens maßgeblichen präventiven Belange aus, wie z.B. nachträgliche Criminal-ComplianceBemühungen. Zwischen verbandsbezogenen Organ- und Mitarbeiterstraftaten bestehen Unterschiede bzgl. der Frage, inwiefern die 3 Kategorien das Strafmaß beeinflussen. b) Verbandsbezogene Straftaten von Organen Wie oben gezeigt, liegt das Verbandsunrecht bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen in der Begehung der verbandsbezogenen Straftat selbst. Für die Schuld im Rahmen der Verbrechenslehre ist danach zu fragen, ob von dem Verband zu erwarten war, dass er seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation nachkommt.1083 Bei Organen bedeutet dies, ob von dem Organ in seiner Rolle als Verbandsrepräsentant zu erwarten war, dass er von der verbandsbezogenen Straftat Abstand nimmt. Da das strafbare Unrecht in diesem Fall in der Straftat selbst liegt und die Schuld auf das Unrecht bezogen ist, beurteilt sich das Maß der Schuld vor allem anhand der Umstände, die das Unrecht der Anknüpfungstat prägen. In Abgrenzung zur Tat der natürlichen Person ist jedoch zu prüfen, wie sich diese Umstände im Verbandskontext darstellen.1084 Aufsichtsmängel beeinflussen ebenfalls das Maß der Verbandsschuld, denn der Verband, der sich zumindest bemüht hat, seine Organe zu überwachen, lädt weniger Schuld auf sich als derjenige, der von vornherein darauf verzichtet. Dennoch spielt dieser Aspekt bei verbandsbezogenen Straftaten von Personen, die zur Festlegung von Verbandssinn berufen sind, nur eine untergeordnete Rolle. Die Strafbarkeit des Verbands hängt bei Straftaten von Organen, wie gezeigt,1085 nicht von einer Aufsichtspflichtverletzung ab. Organe unterliegen vielmehr einer Pflicht zur Selbstkontrolle. Die sonstigen Umstände beeinflussen das Schuldmaß in gleichem Umfang wie die Umstände der Anknüpfungstat, sofern sie schuldrelevant sind. Ansonsten wirken sie sich auf die innerhalb des Schuldrahmens zu beachtenden präventiven Belange aus. Das Verbandsunrecht bei Organstraftaten (Straftat selbst) und die darauf bezogene Strafbegründungsschuld werden hierdurch auf Strafzumessungsebene konsequent fortgeführt.

1082

Sieber in FS Tiedemann S. 449 (472). Siehe 1. Teil D. V. 2. 1084 Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 434; Göhler/Gürtler OWiG § 30 Rn. 36a; so wohl auch Sieber in FS Tiedemann S. 449 (471 f.); Wegner wistra 2000, 361 (363). 1085 Siehe 1. Teil D. V. 1. 1083

D. Strafzumessung bei Verbänden

173

c) Verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern Bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern ist das Maß der Schuld des Verbands dagegen anders zu bestimmen. Wie oben gezeigt,1086 liegt das Verbandsunrecht bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern in dem Unterlassen der erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen. Für die Schuld im Rahmen der Verbrechenslehre ist danach zu fragen, ob von dem Verband zu erwarten war, dass er seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation nachkommt.1087 Das Maß der Verbandsschuld bestimmt sich daher bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern vor allem danach, inwieweit das Unterlassen der erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen, also die Aufsichtspflichtverletzung, dem Verband vorwerfbar ist. Lediglich ergänzend ist danach zu fragen, zu welchen Umständen die Anknüpfungstat geführt hat. Das Maß der Vorwerfbarkeit gegenüber dem Verband richtet sich auch danach, zu welcher konkreten Tat es infolge des Unterlassens von Aufsichtsmaßnahmen gekommen ist.1088 Je mehr diese Tat von strafschärfenden Umständen geprägt ist, desto größer ist entsprechend die Schuld des Verbands. Die sonstigen Umstände beeinflussen das Schuldmaß in gleichem Umfang wie die vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen, sofern sie schuldrelevant sind. Andernfalls wirken sie sich auf die innerhalb des Schuldrahmens zu beachtenden präventiven Belange aus. Das Verbandsunrecht bei Mitarbeiterstraftaten (Unterlassen der Aufsichtsmaßnahmen) und die darauf bezogene Strafbegründungsschuld werden hierdurch auf Strafzumessungsebene konsequent fortgeführt. 3. Zwischenergebnis Die Strafbegründungs- und die Strafzumessungsschuld sind grundsätzlich identisch. Das, was im Bereich der Strafbegründung unter dem Aspekt des „Ob“ thematisiert wird, wird im Bereich der Strafzumessung als „Wie“ fortgeführt. Bei der Festlegung der konkreten Strafe ist dem Richter ein gegenüber dem Strafrahmen engerer Schuldrahmen zuzubilligen, der nach unten durch die schon schuldangemessene Strafe und nach oben durch die noch schuldangemessene Strafe begrenzt ist. Der Schuldrahmen ist vorrangig anhand spezialpräventiver Gesichtspunkte im Einzelfall auszufüllen. Lediglich ausnahmsweise können generalpräventive Erwägungen innerhalb des Schuldrahmens eine Strafschärfung rechtfertigen. Für eine Strafmilderung aus generalpräventiven Gründen reicht dagegen bereits ein sachlicher Grund aus, weil sich diese tätergünstig auswirkt. Das Strafmaß ist nach den Umständen, die das Unrecht der Anknüpfungstat prägen, den vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen und den sonstigen Umstände zu bestimmen. Letztere beeinflussen teilweise das Maß der Schuld; teilweise wirken sie sich jedoch nur auf die innerhalb des Schuldrahmens zu beachtenden präventiven Belange aus. Ihr Einfluss auf das Strafmaß ist bei verbandsbezogenen Organ- und Mitarbeiterstraftaten gleich. 1086

Siehe 1. Teil D. V. 1. Siehe 1. Teil D. V. 2. 1088 So auch für die vergleichbare Vorschrift des § 130 OWiG KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 124. 1087

174

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Unterschiede zwischen verbandsbezogenen Organ- und Mitarbeiterstraftaten ergeben sich jedoch beim Einfluss der Umstände der Anknüpfungstat und den vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen. Diese beeinflussen jeweils das Maß der Schuld. Bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen ist das Maß der Schuld primär anhand der Umstände der Anknüpfungstat zu bestimmen. Es ist lediglich sekundär nach den vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen zu fragen. Dieses Verhältnis dreht sich bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern um. Dies korrespondiert mit der unterschiedlichen Bestimmung des Verbandsunrechts bei Straftaten von Organen (Begehung der Straftat) und bei Straftaten von Mitarbeitern (Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen). Da die Schuld auf das Unrecht bezogen ist, wirken sich die Unterschiede beim Unrecht auch auf die Strafbegründungsschuld aus. Die Strafbegründung wird mit Blick auf die grundsätzliche Identität von Strafbegründungs- und Strafzumessungsschuld auf Strafzumessungsebene konsequent fortgeschrieben. II. Strafzumessungsfaktoren Lediglich 3 Kategorien von Strafzumessungsgründen vorzuschlagen und ihren Einfluss auf das Maß der Schuld darzulegen, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Der Gesetzgeber ist gehalten, die Strafzumessung über die Angabe eines Strafrahmens und die Schuldorientierung der konkreten Strafe hinaus zu konkretisieren, um die Strafzumessung transparent zu gestalten. Es bedarf einer gesetzgeberischen Entscheidung zu Wertungskriterien, an denen sich die richterliche Entscheidung bei der Ausfüllung des konkreten Strafrahmens zu orientieren hat.1089 Dabei sind die individualstrafrechtlichen Regeln zur Strafzumessung (§§ 46 ff. StGB) – neben ihrer Bedeutung als Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Schuldprinzips1090 – auch eine Bedingung zur Verwirklichung des Bestimmtheitsgebots. Nur mit Hilfe der kodifizierten und richterrechtlich konkretisierten Strafzumessungsregeln können weite Strafrahmen rechtsstaatlich ausgestaltet werden.1091 Erst die in § 46 StGB aufgezählten traditionellen Strafzumessungsgründe und ihre richterrechtliche Ausformung bieten die Gewähr dafür, dass eine Strafe nicht grenzenloser richterlicher Diskretion überlassen ist, sondern innerhalb eines strukturierten Rahmens gefunden werden kann. Nur so ist sie für den Normadressaten vorauszusehen und für die Strafjustiz zu kontrollieren.1092 Da das Bestimmtheitsgebot und die Schuldorientierung der Strafe auch im Verbandsstrafrecht gelten,1093 muss der Gesetzgeber über den abstrakten Strafrahmen und die generelle Schuldorientierung der Strafe hinaus konkrete Wertungskriterien zur Strafzumessung angeben.

1089 Schmidt-Aßmann in Maunz-Dürig, Kommentar zum GG Art. 103 Abs. 2 Rn. 197; zustimmend Dannecker in FS Otto S. 25 (38). 1090 BVerfGE 86, 288 (313). 1091 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 73. 1092 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 73. 1093 Siehe 1. Teil B. I. 2. b); 2. Teil A. I.

D. Strafzumessung bei Verbänden

175

Daher sind die das Maß der Verbandsschuld und die präventiven Bedürfnisse prägenden Umstände als konkrete Strafzumessungsfaktoren in eine gesetzliche Regelung aufzunehmen. Den Regelungen des Individualstrafrechts ist dabei die rechtsstaatlich notwendige Regelungsdichte zu entnehmen. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, jeden Strafzumessungsfaktor zu erwähnen, was angesichts ihrer Vielzahl auch „utopisch“ wäre. Dennoch müssen die Grundzüge der Strafzumessung erkennbar sein, anhand derer der Richter die konkrete Strafe festlegen kann. Im Folgenden wird daher ein System von konkreten Strafzumessungsfaktoren entwickelt, das die verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllt. Die herausgearbeitete Dreiteilung in die Umstände, die das Unrecht der Anknüpfungstat prägen (hierzu 1.), die vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen (hierzu 2.) und die sonstigen Umstände (hierzu 3.)1094 wird für die folgende Darstellung beibehalten. Dies ermöglicht eine systematisierte Darstellung der Strafzumessungsgründe. Deswegen löst sich diese Darstellung bewusst vom Wortlaut des österreichischen VbVG und des NRW-Entwurfs zum Verbandsstrafgesetzbuch, die die einzelnen Strafzumessungsfaktoren „beziehungslos“ hintereinander auflisten. Bei den jeweiligen Strafzumessungsfaktoren wird auch zu diesen Regelungen Stellung genommen. 1. Umstände der Anknüpfungstat Die Umstände, die das Unrecht der Anknüpfungstat prägen, sind vor allem für die Strafzumessungsschuld bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen bedeutsam. Eine untergeordnete Rolle spielen sie bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern.1095 In Abgrenzung zum Individualstrafrecht ist stets zu prüfen, wie sich diese Umstände im Verbandskontext darstellen.1096 Die regelungsbedürftigen Grundzüge der Umstände der Anknüpfungstat umfassen die erfolgsbezogenen Konsequenzen der Tat (hierzu a)), die handlungsbezogene Begehungsweise (hierzu b)) und die subjektiven Momente (hierzu c)). Abschließend ist zu überlegen, ob die weiteren im VbVG genannten Strafzumessungsfaktoren in den Katalog der benannten Strafzumessungsgründe aufzunehmen sind (hierzu d)). a) Erfolgsbezogene Konsequenzen der Tat Im Individualstrafrecht bestimmt § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB, dass die verschuldeten Auswirkungen der Tat bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Diese umfassen die Konsequenzen der Straftat für den Geschädigten, Dritte und den Täter selbst.1097 Auch das Verbandsstrafrecht muss den Auswirkungen der Tat bei der Strafbemessung Rechnung tragen. Zunächst ist der Blick auf die Rechtslage in Österreich zu lenken, um dann näher darzulegen, wie die Tatauswirkungen die Straftat im Verbandskontext beeinflussen. aa) Rechtslage in Österreich Im VbVG ist die Anzahl der Tagessätze umso höher zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, für die der Verband verantwortlich ist (§ 5 Abs. 2 Z 1 VbVG). Dabei wird zwischen tatbestandlichen und außertatbestandlichen Folgen differenziert.1098 Unter 1094

Siehe 2. Teil D. I. 2. a). Siehe 2. Teil D. I. 2. b), c). 1096 Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 434; Göhler/Gürtler OWiG § 30 Rn. 36a; so wohl auch Sieber in FS Tiedemann S. 449 (471 f.); Wegner wistra 2000, 361 (363). 1097 Fischer StGB § 46 Rn. 34 ff. 1098 Hierzu Steininger VbVG § 5 Rn. 20. 1095

176

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Letzteren sind Folgen zu verstehen, die nicht die Rechtsgüter treffen, welche durch die verletzte Norm geschützt werden.1099 Im österreichischen Individualstrafrecht kann außertatbestandliches Unrecht nur berücksichtigt werden, soweit es vom Täterverschulden erfasst ist.1100 Als problematisch wird an der Regelung des VbVG im Schrifttum vor allem das Merkmal der Verantwortlichkeit kritisiert.1101 Es bleibe unklar, ob es für die Verbandsverantwortlichkeit auf das Verschulden des Individualtäters oder ein originäres Verbandsverschulden ankomme oder ob ein Verschulden entbehrlich sei. Angesichts dieses unklaren Wortlauts kann die österreichische Regelung nicht als rechtssichere Formulierung für ein deutsches Verbandsstrafrecht dienen. bb) Tatauswirkungen im System der Strafzumessung Tatauswirkungen auf das Tatopfer und Dritte können dem Täter im deutschen Individualstrafrecht erschwerend angelastet werden, soweit sie verschuldet sind.1102 Die Tatauswirkungen unterteilen sich in tatbestandliche Folgen, also solche, die die Schwere der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts betreffen, und außertatbestandliche Folgen. Damit Letztere das Strafmaß beeinflussen, müssen sie vom Schutzbereich der verletzten Norm erfasst sein.1103 Zudem sind auch Auswirkungen auf den Täter selbst zu berücksichtigen. Bei Verbänden kommen vor allem Umsatzrückgänge infolge einer Berichterstattung über ein etwaiges Ermittlungs- und Strafverfahren in Betracht. Naheliegende Nachteile, deren Eintreten der Täter entweder bewusst riskiert hat oder die sich ihm aufdrängen mussten, veranlassen in der Regel jedoch keine Milderung.1104 Im Individualstrafrecht sind die Auswirkungen der Tat verschuldet, wenn sie nach Art und Gewicht im Wesentlichen vorausgesehen werden konnten und vorwerfbar sind.1105 Da es für die Strafzumessung gegenüber dem Verband darauf ankommt, wie sich die Straftat im Verbandskontext darstellt,1106 bedarf diese Definition im Verbandsstrafrecht einer Modifizierung. Es kommt nicht auf die Vorhersehbarkeit für den individuellen Täter an, sondern ob für den Verband als Kollektiv vorhersehbar war, dass ein Organ oder ein Mitarbeiter eine verbandsbezogene Straftat mit den eingetretenen Folgen begeht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn in der Vergangenheit bereits verbandsbezogene Straftaten mit gleichen oder ähnlichen Folgen aufgetreten sind. Bei einer erstmaligen verbandsbezogenen Zuwiderhandlung ist danach zu fragen, inwieweit es nach dem Verbandskontext vorhersehbar war, dass der Individualtäter diesen ausnützen würde, um Straftaten mit den eingetretenen Folgen zu begehen.

1099

Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 183. Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 183. 1101 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 183. 1102 Fischer StGB § 46 Rn. 34. 1103 OLG Düsseldorf StV 2001, 233. 1104 Fischer StGB § 46 Rn. 34c; BGH wistra 2005, 458; Streng in FS Jung S. 959 (968 ff.). 1105 BGH NStZ-RR 2010, 170. 1106 Siehe 2. Teil D. I. 2. a). 1100

D. Strafzumessung bei Verbänden

177

Davon ist vor allem dann auszugehen, wenn die Geschäftstätigkeit des Verbands die Gefahr von derartigen Zuwiderhandlungen und Auswirkungen typischerweise mit sich bringt. Lässt z.B. ein Verband der Automobilindustrie Fahrzeuge mit defekten Bremsanlagen von unzulänglich überwachten Mitarbeitern herstellen, sind Körperverletzungs- und Tötungsdelikte sowie alle typischen Unfallfolgen für den Verband als Kollektiv vorhersehbar. Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch benennt das Gewicht und die Auswirkungen der Zuwiderhandlung explizit als Strafzumessungsfaktor (§ 6 Abs. 3 VerbStrG-E). Dies trägt jedoch nicht dem Umstand Rechnung, dass sich das Verschulden des Verbands auf die Auswirkungen der Tat erstrecken muss. Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit verpflichtet den Gesetzgeber, die Grundzüge der Strafzumessung zu konkretisieren.1107 Da die Auswirkungen der Tat bei jeder verbandsbezogenen Straftat eine Rolle spielen können, gehören sie zu diesen Grundzügen und sind daher in eine gesetzliche Regelung aufzunehmen. b) Handlungsbezogene Begehungsweise Im Individualstrafrecht ist die Art der Ausführung ausdrücklich in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB als Strafzumessungsfaktor genannt. Hierunter ist zu verstehen, was die Tat im Übrigen begleitet oder sie sonst prägt.1108 Die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Straftatbestände kann regelmäßig strafschärfend berücksichtigt werden, wenn dem tateinheitlich verwirklichten Tatbestand eigenständiges Gewicht zukommt.1109 Dies gilt ebenso im Verbandsstrafrecht. Inwiefern andere Modalitäten der Anknüpfungstat die Strafzumessung gegenüber dem Verband beeinflussen, bedarf dagegen einer differenzierteren Betrachtung. Dabei wird zunächst kurz auf die Rechtslage in Österreich eingegangen, um dann anhand eines Beispiels zu verdeutlichen, wie diese Umstände die Strafzumessung gegenüber dem Verband beeinflussen. aa) Rechtslage in Österreich In Österreich sind die Modalitäten der Tatbegehung nicht im Katalog der Strafzumessungsgründe des § 5 VbVG enthalten. Über § 12 VbVG finden die Strafzumessungsgründe des österreichischen Individualstrafrechts Anwendung.1110 Das österreichische Individualstrafrecht unterscheidet zwischen allgemeinen (§ 32 Ö-StGB) und besonderen Strafzumessungsgründen (§§ 33 f. Ö-StGB).1111 Während allgemeine Strafzumessungsgründe je nach Einzelfall strafschärfend oder strafmildernd berücksichtigt werden können, ist die Auswirkung zu Gunsten oder zu Lasten des Täters bei besonderen Strafzumessungsgründen vorgegeben.1112 Ein hohes Maß an Gewaltanwendung ist beispielsweise bei bestimmten Delikten strafschärfend zu berücksichtigen (§ 33 Abs. 3 Z 3 Ö-StGB).

1107

Siehe 2. Teil D. II. Fischer StGB § 46 Rn. 32; BGHSt 37, 153 (154). 1109 BGH NStZ 1993, 434; BGH NStZ-RR 2000, 104. 1110 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 28 von 41. 1111 Ausführlich zum österreichischen System der Strafzumessung Steininger VbVG § 5 Rn. 2 ff. 1112 Steininger VbVG § 5 Rn. 4. 1108

178

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Insgesamt ist zu konstatieren, dass die österreichische Regelung zur Bemessung der Verbandsgeldbuße die Modalitäten der Tatbegehung nur fragmentarisch regelt. Daher ist sie nicht als Vorlage für ein deutsches Verbandsstrafrecht geeignet. bb) Modalitäten der Tatbegehung Wie gezeigt, kommt es bei den tatbezogenen Strafzumessungsfaktoren in Abgrenzung zur Strafzumessung im Individualstrafrecht darauf an, wie sich diese Umstände im Verbandskontext darstellen.1113 Was dies konkret bei den Modalitäten der Tatbegehung bedeutet, soll exemplarisch anhand von Verschleierungsmaßnahmen erläutert werden. Im Individualstrafrecht kann eine planmäßige Verminderung des Überführungsrisikos als Ausdruck krimineller Energie strafschärfend gewertet werden.1114 Verschleierungsmaßnahmen finden im Verbandsstrafrecht dagegen nur insoweit Berücksichtigung, als es um die Verschleierung der Tat gegenüber Ermittlungsbehörden geht. Die Verschleierung dieser Tat gegenüber anderen Verbandsangehörigen durch den Individualtäter zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen charakterisiert lediglich die individuelle Straftat der natürlichen Person. Für die Straftat im Verbandskontext kommt es indes darauf an, ob diese gegenüber externen Dritten verschleiert wurde. Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch benennt die Modalitäten der Tatbegehung durch den Individualtäter nicht explizit als Strafzumessungsgrund. Wie gezeigt, verpflichtet das Bestimmtheitsgebot den Gesetzgeber, die Grundzüge der Strafzumessung zu konkretisieren.1115 Da die Modalitäten der Begehung bei jeder verbandsbezogenen Straftat zum Tragen kommen können, gehören sie zu diesen Grundzügen und es bedarf deshalb einer expliziten Regelung. c) Subjektive Momente Im Individualstrafrecht bestimmt § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB, dass die Beweggründe und die Ziele des Täters sowie die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille zu berücksichtigen sind. Auch im Verbandsstrafrecht spielt der motivationale Hintergrund einer Tat für das Maß der Verbandsschuld eine Rolle. Eine Straftat kann nicht losgelöst von der inneren Einstellung des Individualtäters schuldangemessen bewertet werden. Begeht der Individualtäter die Tat aus verwerflichen Motiven, kann auch das Maß der Verbandsschuld größer sein, gegen diese Zuwiderhandlung keine Organisationsmaßnahmen ergriffen zu haben. Zunächst wird der Blick auf Österreich gelenkt, um sich anschließend Gedanken darüber zu machen, wie im deutschen Verbandsstrafrecht subjektive Elemente des Individualtäters sinnvoll in die Strafzumessung gegenüber dem Verband integriert werden können. aa) Rechtslage in Österreich Die persönliche Motivation des Individualtäters ist nicht im Strafzumessungskatalog des § 5 VbVG berücksichtigt. In den über § 12 VbVG subsidiär anwendbaren Strafzumessungs-

1113

Siehe 2. Teil D. I. 2. a). Detter NStZ 2001, 130 (132). 1115 Siehe 2. Teil D. II. 1114

D. Strafzumessung bei Verbänden

179

regelungen des Individualstrafrechts1116 ist jedoch ausdrücklich aufgeführt, dass heimtückische Handlungen strafschärfend zu berücksichtigen sind (§ 33 Abs. 1 Z 6 Ö-StGB). Taten, die durch eine nicht auf Arbeitsscheu zurückzuführende drückende Notlage bestimmt worden sind, wirken sich dagegen strafmildernd aus (§ 34 Abs. 1 Z 10 Ö-StGB). Daneben ist bestimmt, dass die Strafe danach zu bemessen ist, wie reiflich der Täter die Tat überlegt hat (§ 32 Abs. 3 Ö-StGB). Wie bei den Modalitäten der Tatbegehung bleibt die österreichische Regelung zur Motivation fragmentarisch. Deshalb kann sie nicht als Vorlage für ein deutsches Verbandsstrafrecht dienen. bb) Motivationen und Strafzumessung Bei den Motivationen ist in besonderem Maße darauf zu achten, dass die Motivationslagen des Individualtäters nicht einfach der Verbandsstraftat „übergestülpt“ werden, sondern kritisch geprüft wird, ob diese auch die Verbandsstraftat prägen. Bei den subjektiven Strafzumessungsgesichtspunkten ist ebenfalls zu prüfen, wie sich diese im Verbandskontext darstellen. Zunächst sind die Beweggründe und die Tatziele zu berücksichtigen. Ein Handeln aus Not ist geeignet, sich im Individualstrafrecht strafmildernd auszuwirken.1117 Eine derartige Motivation kann auch im Verbandsstrafrecht eine Rolle spielen. Hierfür reicht es jedoch nicht aus, dass der Individualtäter aus einer Notlage heraus handelt. Er muss vielmehr die Abwendung einer Notlage des Verbands bezwecken. Begeht das Organ einen verbandsbezogenen Betrug (§ 263 StGB) gegenüber Kunden, um den Verband vor der drohenden Insolvenz und dessen Arbeitnehmer vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze zu retten, prägt dies die Verbandsstraftat. Die Straftat stellt sich in diesem Fall im Verbandskontext als aus einer Notlage heraus begangen dar. Daneben ist die Gesinnung des Individualtäters zu berücksichtigen, ob er z.B. roh oder rücksichtslos gehandelt hat. Damit diese Umstände die Straftat im Verbandskontext prägen, muss diese Motivation und nicht nur die Tat an sich verbandsbezogen sein. Dies bedeutet, dass der Individualtäter gerade zur Durchsetzung von Verbandsinteressen roh und rücksichtslos gehandelt haben muss. Diente sein Handeln dagegen nicht der Durchsetzung von Verbandsinteressen, charakterisiert dieses Handeln nur die Tat des Individualtäters, nicht aber die Verbandsstraftat. Der bei der Tat aufgewendete Wille betrifft insbesondere die kriminelle Intensität.1118 Hierzu zählt auch eine hartnäckige Begehungsweise. Damit diese die Straftat im Verbandskontext prägt, reicht es nicht aus, dass der Individualtäter sein deliktisches Ziel hartnäckig verfolgt. Eine hartnäckige Begehungsweise ist im Verbandskontext z.B. anzunehmen, wenn die verbandsbezogene Zuwiderhandlung fortgesetzt wird, nachdem der Verband Kenntnis von möglichen Verstößen erlangt hat. In einem solchen Fall ist er gehalten, unverzüglich den Sachverhalt aufzuklären und ein etwaiges Verhalten abzustellen. 1116 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 28 von 41. 1117 BGH StV 1988, 248 (249); BGH StV 1992, 570. 1118 Fischer StGB § 46 Rn. 30.

180

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch benennt die Motivation des Individualtäters nicht explizit als Strafzumessungsgrund. Wie gezeigt verpflichtet das Bestimmtheitsgebot den Gesetzgeber, die Grundzüge der Strafzumessung zu konkretisieren.1119 Auch subjektive Momente jenseits von speziellen Absichten (wie z.B. einer Bereicherungsabsicht) können regelmäßig bei Straftaten auftreten. Daher gehören diese ebenfalls zu den konkretisierungsbedürftigen Grundzügen der Strafzumessung. d) Weitere Strafzumessungsfaktoren in Österreich Der Gesetzgeber hat die vorstehenden Strafzumessungsgründe teilweise explizit im VbVG, teilweise implizit über die Verweisung (§ 12 VbVG) auf das Ö-StGB zumindest fragmentarisch geregelt. Darüber hinaus wurden noch weitere Strafzumessungserwägungen, die sich auf die Anknüpfungstat beziehen, in das VbVG aufgenommen. Daher ist im Folgenden zu untersuchen, inwiefern es inhaltlich überzeugt, das Maß der Strafe gegenüber dem Verband anhand dieser Umstände zu bestimmen und ob diese Umstände zu den regelungsbedürftigen Grundzügen der Strafzumessung gehören. Angesichts der Vielzahl der in Frage kommenden Strafzumessungserwägungen verpflichtet auch das Bestimmtheitsgebot den Gesetzgeber nicht, alle denkbaren Strafzumessungserwägungen zu regeln.1120 aa) Durch die Tat erlangte Vorteile Die Anzahl der Tagessätze für die Geldbuße nach dem VbVG ist umso höher zu bemessen, je höher der aus der Straftat erlangte Vorteil ist (§ 5 Abs. 2 Z 2 VbVG). (1) Begriff des Vorteils Der durch die Tat erlangte Vorteil ist nicht mit einem Vermögensschaden des Opfers gleichzusetzen. Der Begriff des Vermögensschadens bezieht sich auf das Opfer, während der Begriff des Vorteils auf den Täter abstellt. Beides muss nicht deckungsgleich sein. Der Schaden des Opfers kann größer sein als der Vorteil des Täters, weil dieser nur einen Teil des Opferschadens für sein Vermögen realisiert. Umgekehrt kann aber auch der Tätervorteil den Opferschaden übersteigen, wenn der Vermögensgegenstand dem Täter mehr nützt als dem Opfer. Der Schaden des Opfers wird vom Begriff der „Schädigung“ in § 5 Abs. 2 Z 1 VbVG erfasst und ist nur straferhöhend zu berücksichtigen, soweit der Verband dafür verantwortlich ist. Der Begriff des Vorteils ist wirtschaftlich zu verstehen. Materielle Vorteile können sowohl aus dem Delikt unmittelbar hervorgehen als auch durch das Verhalten Dritter oder des Opfers herbeigeführt werden.1121 Im Hinblick auf mittelbare Vorteile erscheint diese Definition problematisch. Es fehlt an Abgrenzungskriterien zur Bestimmung von Vorteilen, die durch die Straftat zurechenbar herbeigeführt wurden, und solchen, für die die Straftat lediglich kausal ist, die aber in keinem inneren Zusammenhang mit ihr stehen.

1119

Siehe 2. Teil D. II. Siehe 2. Teil D. II. 1121 Steininger VbVG § 5 Rn. 21. 1120

D. Strafzumessung bei Verbänden

181

(2) Tätervorteile in der Strafzumessung Zunächst ist zu kritisieren, dass die erlangten Vorteile nach der österreichischen Regelung unabhängig von einem Verschulden des Verbands in die Strafzumessung einzubeziehen sind. Auch im Verbandsstrafrecht muss die Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schuld stehen.1122 Gerade wenn auf die Vorteile der Tat abgestellt wird, ist zu fordern, dass sich die Schuld des Verbands auf deren Erlangung erstreckt. Schließlich können dem Verband auch Vorteile zufließen, die in einem inneren Zusammenhang mit der Straftat stehen, ohne dass der Verband hierfür verantwortlich ist. Würde die Strafe in diesem Fall mit der Erwägung erhöht, dass dem Verband hohe Vorteile zugeflossen sind, stünde die Strafe nicht mehr in einem gerechten Verhältnis zur Schuld des Verbands. Das Strafrecht darf aber nicht einfach in ein zivilrechtliches Bereicherungsrecht umgedeutet werden. Unabhängig von der Problematik des fehlenden Verschuldens ist die Einbeziehung der erlangten Vorteile an sich bereits problematisch. Zur Abschöpfung der aus der Tat erlangten Vorteile steht das Rechtsinstitut des Verfalls (§§ 73 ff. StGB) zur Verfügung.1123 Auf diese Problematik ist auch in Österreich hingewiesen worden, das über ein ähnliches Rechtsinstitut gleichen Namens in §§ 20 ff. Ö-StGB verfügt.1124 Da die Abschöpfung und die Geldbuße nach dem VbVG nebeneinander verhängt werden können,1125 soll der Vorteil für die Bemessung der Geldbuße auf den Geldbetrag beschränkt werden, der dem Verband dauerhaft, also nach Abschöpfung der Bereicherung zur Verfügung steht.1126 Für ein deutsches Verbandsstrafrecht ist dieser Ansatz wenig praktikabel, weil der Verfall in Deutschland nach dem Bruttoprinzip berechnet wird.1127 Dies hat zur Folge, dass Gegenleistungen und Kosten des Täters nicht in Ansatz zu bringen sind. Deswegen wird nach dem Verfall häufig kein realer Vermögensvorteil mehr beim Täter verbleiben. Aufgrund des Nebeneinanders von Verfall und Verbandsgeldstrafe wäre es auch in Deutschland möglich, dass dem Verband die erlangten Vorteile entzogen und diese trotzdem straferhöhend berücksichtigt werden. Ein solches Vorgehen würde nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) verstoßen, wenn mit dem Bundesverfassungsgericht der Verfall nicht als Strafe eingeordnet wird.1128 Unabhängig von der Frage, ob dieser Einordnung zu folgen ist, sind die durch die Tat erlangten Vorteile grundsätzlich nicht in die Bemessung der Anzahl der Tagessätze einzubeziehen. Bereits die Schädigung, für die der Verband verantwortlich ist, wirkt sich straf-

1122

Siehe 2. Teil C. I. 1. Vgl. hierzu I. Roxin in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht S. 37 ff. 1124 Boller Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden nach dem VbVG S. 226 f.; Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 184; zum Verfall im österreichischen Recht Kert NZWiSt 2016, 203. 1125 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 30 von 41. 1126 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 184. 1127 Hierzu Fischer StGB § 73 Rn. 8 ff. 1128 BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 60. 1123

182

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

erhöhend aus.1129 Der Begriff des Vorteils ist – wie oben gezeigt – nicht mit dem Begriff der Schädigung gleichzusetzen.1130 Dennoch können beide Begriffe zumindest teilidentisch sein. Resultiert der Vorteil des Täters teilweise aus dem Schaden des Opfers und kann beides straferhöhend berücksichtigt werden, liegt der Vorwurf nahe, ein und denselben Umstand doppelt zu Lasten des Täters zu werten. Es mag Fälle geben, in denen der Täter aus einer Tat Vorteile zieht, die eindeutig nicht mehr aus dem Schaden des Opfers resultieren. Bewegt der Verband durch Täuschung über die Werthaltigkeit seines Produkts einen Prominenten zum Kauf, kann er allein aus diesem Grund wegen der gestiegenen Nachfrage Absatzerfolge erzielen. Diese stehen in einem inneren Zusammenhang mit der Täuschung des Prominenten, beruhen aber nicht auf seiner Schädigung. Da es sich dabei um seltene Einzelfälle handelt, zählen diese nicht zu den mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz regelungsbedürftigen Grundzügen der Strafzumessung. Hierüber kann das Gericht im Einzelfall entscheiden, ohne dass der Gesetzgeber hierzu Vorgaben machen muss. (3) Zwischenergebnis Für ein deutsches Verbandsstrafrecht sind die aus der Tat erlangten Vorteile nicht als eigenständiger Strafzumessungsgrund aufzunehmen. Zum einen ergeben sich Abgrenzungsprobleme zum Rechtsinstitut des Verfalls. Zum anderen ist der Begriff des Tätervorteils häufig zumindest teilidentisch mit der Schädigung des Opfers. Diese wird über den Strafzumessungsgrund der Tatauswirkungen bereits berücksichtigt. Anders gelagerten Einzelfällen kann im Rahmen der Strafzumessung Rechnung getragen werden, ohne dass es einer gesetzlichen Regelung bedarf. bb) Berufliche Stellung des Individualtäters Nach § 5 Abs. 3 Z 2 VbVG ist die Anzahl der Tagessätze geringer zu bemessen, wenn der Verband lediglich für die Straftaten von Mitarbeitern verantwortlich ist. (1) Begründung für die Strafmilderung Der Gesetzgeber unterscheidet in § 3 VbVG zwischen Straftaten eines Entscheidungsträgers (§ 3 Abs. 2 VbVG) und von Mitarbeitern (§ 3 Abs. 3 VbVG) eines Verbands. Hat ein Entscheidungsträger die Straftat begangen, ist der Verband ohne weitere Voraussetzungen verantwortlich. Bei Mitarbeitern muss der Verband zumutbare Aufsichtsmaßnahmen unterlassen haben. Zur Begründung der Strafmilderung führt der Gesetzgeber aus, dass man von unterschiedlichen Strafrahmen für Taten von Mitarbeitern und von Entscheidungsträgern bewusst Abstand genommen habe. Dennoch erscheine es sachgerecht, für Fälle einer Mitarbeitertat einen besonderen Milderungsgrund vorzusehen. In diesen Fällen bestehe der Vorwurf gegen den Verband darin, dass er die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen habe, indem er insbesondere bestimmte Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen habe. Diese

1129 1130

Siehe 2. Teil D. II. 1. a). Siehe 2. Teil D. II. 1. d) aa) (1).

D. Strafzumessung bei Verbänden

183

Voraussetzungen seien der Begehung durch Unterlassen (§ 2 Ö-StGB) vergleichbar. Die Begehung durch Unterlassen stelle einen Milderungsgrund dar (§ 34 Abs. 1 Z 5 Ö-StGB).1131 Die Konsequenz dessen ist, dass es zu einer doppelten Strafmilderung kommen kann. Handelt der Mitarbeiter selbst durch Unterlassen, findet § 34 Abs. 1 Z 5 Ö-StGB auf die Anlasstat des Mitarbeiters Anwendung. Diese ist unabhängig vom Unterlassen der Entscheidungsträgerebene zu beurteilen, weil sich die Verbandsverantwortlichkeit in den Fällen des § 3 Abs. 3 VbVG nur nach dem Delikt des Mitarbeiters richtet.1132 Dieser 1. Milderung folgt eine 2. Milderung (§ 5 Abs. 3 Z 2 VbVG) nach. Im österreichischen Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass sich der Strafmilderungsgrund des § 5 Abs. 3 Z 2 VbVG (bloße Verbandsverantwortlichkeit für eine Mitarbeiterstraftat) nicht richtig von dem Strafschärfungsgrund des § 5 Abs. 2 Z 3 VbVG (umfangreichere Duldung des gesetzeswidrigen Verhaltens von Mitarbeitern) abgrenzen lasse.1133 (2) Bedenken im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot Nach § 46 Abs. 3 StGB dürfen im deutschen Individualstrafrecht Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestands sind, bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden. Das Doppelverwertungsverbot hat seinen Grund darin, dass vom Gesetzgeber bei der Aufstellung des Strafrahmens allgemein vorausgesetzte Umstände nicht geeignet sind, innerhalb dieses Rahmens die gerechte Strafe für die einzelne Tat zu bestimmen.1134 Gleiches muss auch für das Verbandsstrafrecht gelten. Strafzumessungsgründe, die bereits in der „Deliktsbeschreibung“ enthalten sind, bestimmen die gesetzliche Strafdrohung. Sie dürfen daher nicht ein 2. Mal bei der konkreten Strafzumessung berücksichtigt werden. Andernfalls würde derselbe Umstand doppelt berücksichtigt, sei es zum Vorteil oder zum Nachteil des Täters.1135 Tatbestand im Sinne des Doppelverwertungsverbots ist die Art. 103 Abs. 2 GG unterfallende Beschreibung für die Anwendung eines bestimmten Strafrahmens.1136 Wird die Tatsache, dass ein Mitarbeiter gehandelt hat, strafmildernd gewertet, wird ein Umstand, der Merkmal des gesetzlichen Tatbestands ist, nochmals berücksichtigt. Wenn der Gesetzgeber der Ansicht ist, dass verbandsbezogene Zuwiderhandlungen von Mitarbeitern stets weniger schwer wiegen als solche von Organen, hat er dies durch die Wahl unterschiedlicher Strafrahmen zu verdeutlichen. Ein so bedeutsamer Umstand muss mit Blick auf die Bestimmtheit der Strafdrohung durch den Gesetzgeber geregelt werden. Er darf nicht auf die Ebene der Strafzumessung verlagert werden, die sich aufgrund des dem Richter zustehenden Spielraums bei der Strafbemessung1137 einer exakten Richtigkeitskontrolle

1131 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 28 von 41. 1132 Steininger VbVG § 5 Rn. 29. 1133 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 185. 1134 BGHSt 37, 153 (153 f.); Gribbohm in FS Salger S. 39 (41). 1135 Gribbohm in FS Salger S. 39 (41); so auch für Österreich Steininger VbVG § 5 Rn. 11. 1136 Fischer StGB § 46 Rn. 76a. 1137 Siehe 2. Teil D. I. 1. b) aa).

184

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

entzieht. Wie bereits gezeigt, ist es nicht überzeugend, unterschiedliche Strafrahmen für verbandsbezogene Straftaten von Organen und von Mitarbeitern vorzusehen.1138 Die Tatsache, dass der Verband für die Straftat eines Mitarbeiters und nicht eines Organs einzustehen hat, ist daher nicht strafmildernd zu berücksichtigen. cc) Gewichtige rechtliche Nachteile Im Rahmen der weiteren Einwände gegen eine Strafbarkeit von Verbänden wurde herausgearbeitet, dass kein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung vorliegt, wenn der Gesellschafter als Individualtäter bestraft wird und zugleich negativ von der Verbandssanktion betroffen ist.1139 Dies gilt auch bei der Ein-Mann-GmbH. Trotzdem ist nach dem Willen des österreichischen Gesetzgebers die Anzahl der Tagessätze umso geringer zu bemessen, wenn die Tat bereits gewichtige rechtliche Nachteile für den Verband oder seine Eigentümer nach sich gezogen hat (§ 5 Abs. 3 Z 6 VbVG). (1) Bedenken wegen der Ein-Mann-GmbH Hintergrund für diese Regelung ist, dass im Gesetzgebungsverfahren zum VbVG Bedenken geäußert wurden, dass es zu unverhältnismäßigen Härten gegenüber der Ein-Mann-GmbH kommen könne. In diesem Fall sei es möglich, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund seiner Doppelstellung als Entscheidungsträger und Eigentümer Gefahr laufe, zunächst als Individualtäter bestraft und dann nochmals indirekt durch die Verhängung einer Geldbuße über den Verband sanktioniert zu werden.1140 In diesen Fällen will der Gesetzgeber nicht gänzlich von einer Strafe absehen.1141 Zur Begründung für die Strafmilderung führt der Gesetzentwurf aus, dass die Geldbuße des Verbands oft höher zu bemessen sein wird als die Geldstrafe des Entscheidungsträgers. Zudem könnte die absolute Entscheidung zwischen Verfolgung und Absehen jenen in der Praxis zahlreichen Grenzfällen nicht gerecht werden, in denen zwar keine „Ein-Mann-GmbH“, aber sehr ähnliche Verhältnisse vorliegen. Ein Beispiel hierfür ist ein Gesellschaftsanteil des Geschäftsführers i.H.v. 99 v.H..1142 Sollte im Einzelfall durch die Bestrafung natürlicher Personen bereits jenes Strafmaß erreicht werden, dem eine angemessene Verbandsgeldbuße entspricht, ist die Verbandsgeldbuße mit der Untergrenze von 1 Tagessatz festzusetzen. Dabei sind die Eigentumsverhältnisse und die Ertragslage des Verbands zu berücksichtigen.1143 (2) Verhältnis der Strafbarkeit des Verbands und seiner Eigentümer Die Beantwortung der Frage, ob eine Strafmilderung gegenüber dem Verband bei gleichzeitiger Bestrafung von dessen Eigentümer als Individualtäter überzeugt, erfolgt getrennt für juristische Personen und Personengesellschaften. 1138

Siehe 2. Teil C. I. 2. c). Siehe 1. Teil C. III. 2. 1140 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 28 von 41. 1141 Steininger VbVG § 5 Rn. 35. 1142 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 28 von 41. 1143 Steininger VbVG § 5 Rn. 35. 1139

D. Strafzumessung bei Verbänden

185

Juristische Personen sind durch eine eigene Rechtsfähigkeit gekennzeichnet sowie durch die Tatsache, dass keine natürliche Person für Verbindlichkeiten haftet, sondern grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen den Gläubigern zur Verfügung steht.1144 Für eine Strafmilderung ließe sich anführen, dass die Eigentümer wirtschaftlich betrachtet doppelt belastet werden. Dagegen spricht jedoch, dass die juristische Person mit einem Haftungsprivileg zugunsten ihrer Gesellschafter verbunden ist. Für Verbindlichkeiten der juristischen Person haftet grundsätzlich nur diese selbst. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird lediglich in den seltenen Fällen der Durchgriffshaftung angenommen.1145 Das Haftungsprivileg entspringt der rechtlichen Eigenständigkeit der juristischen Person. Wer dieses Privileg in Anspruch nehmen möchte, kann bei einer zu zahlenden Verbandsgeldstrafe nicht einwenden, dass die juristische Person wirtschaftlich mit ihm identisch sei und er schon bestraft wurde. Ein solches Verhalten wäre in sich widersprüchlich. Personengesellschaften sind entweder rechtsfähig, wie z.B. die OHG § 124 Abs. 1 HGB, oder zumindest nach höchstrichterlicher Rechtsprechung teilrechtsfähig, wie z.B. die GbR.1146 Mindestens ein Gesellschafter haftet jedoch immer persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 128 HGB bzw. § 128 HGB analog bei der GbR). Dennoch ist auch bei der Sanktionierung von Personengesellschaften eine Strafmilderung in den Fällen abzulehnen, in denen die Gesellschafter bereits als Individualtäter für die verbandsbezogene Straftat bestraft werden. Die Strafe hat in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters zu stehen.1147 In diesem Sinne kommt der Strafe die Bestimmung zu, gerechter Schuldausgleich zu sein.1148 Die Verbandsschuld ist jedoch von der Individualschuld zu unterscheiden. Der eigenständige Schuldvorwurf, der sich an den Verband richtet, muss auch in der Verbandsgeldstrafe zum Ausdruck kommen. Die Verbandsgeldstrafe stünde aber nicht mehr in einem gerechten Verhältnis zum Verschulden des Täters (also des Verbands), wenn sie mit der bloßen Erwägung reduziert wird, dass die Gesellschafter bereits als Individualtäter bestraft worden sind. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die Verbandsgeldstrafe letztlich doch den Gesellschafter über die Haftung für Gesellschaftsschulden aus § 128 HGB treffen kann. Entscheidend ist, dass sich das mit der Strafe verbundene Unwerturteil gegen den Verband richtet. Aus der Sicht des Gesellschafters ist die Verbandsgeldstrafe somit eine ganz „normale“ Gesellschaftsverbindlichkeit, für die er einzustehen hat. An ihn richtet sich das mit der Verbandsgeldstrafe verbundene Unwerturteil nicht.

1144

Statt aller K. Schmidt Gesellschaftsrecht S. 657 f. Vgl. hierzu K. Schmidt Gesellschaftsrecht S. 224 ff. 1146 BGHZ 142, 315 ff.; BGHZ 146, 341 ff. Österreich hält jedoch weiter an der fehlenden Rechtsfähigkeit der GbR fest, vgl. hierzu 1. Teil E. I. 1. 1147 BVerfGE 45, 187 (228); 50, 5 (12); 96, 245 (249); 109, 133 (171); 110, 1 (13); 120, 224 (254). 1148 BVerfGE 45, 187 (253 f.); 109, 133 (173); 120, 224 (253 f.). 1145

186

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

(3) Zwischenergebnis Für das deutsche Verbandsstrafrecht ist die Strafe nicht mit der Erwägung zu reduzieren, dass die Gesellschafter bereits als natürliche Person sanktioniert worden sind. Die Verbandsgeldstrafe und die Bestrafung der natürlichen Personen stehen selbstständig nebeneinander, weil sie jeweils eine unterschiedliche Schuld sanktionieren. e) Zwischenergebnis Bei den Umständen, die das Unrecht der Anknüpfungstat prägen, sind die erfolgsbezogenen Konsequenzen der Tat, die handlungsbezogene Begehungsweise und die subjektiven Momente in den Katalog der benannten Strafzumessungsgründe aufzunehmen. Die durch die Tat erlangten Vorteile, die berufliche Stellung des Individualtäters und gewichtige rechtliche Nachteile für den Verband sind nicht aufzunehmen. 2. Vor der Straftat ergriffene Aufsichtsmaßnahmen Im Folgenden ist der Frage nachzugehen, wie sich vor der Straftat bestehende Aufsichtsmängel auf die Anzahl der Tagessätze auswirken. Um eine defizitäre Aufsicht zu vermeiden, werden in der Praxis Criminal-Compliance-Programme aufgelegt, die verbandsbezogene Straftaten verhindern sollen. Aufsichtsmängel sind vor allem für die Strafzumessungsschuld bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern bedeutsam. Eine untergeordnete Rolle spielen sie bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen.1149 Die Darstellung beginnt mit der Rechtslage in Österreich (hierzu a)). Anschließend ist der in diesem Zusammenhang wichtige Begriff der Criminal Compliance und sein Verhältnis zu den betrieblichen Organisationspflichten zu erläutern (hierzu b)). Daran anknüpfend wird der Strafzumessungsgrund des Aufsichtsmangels behandelt (hierzu c)). a) Rechtslage in Österreich In Österreich ist die Verbandsgeldbuße milder zu bemessen, wenn der Verband schon vor der Tat Vorkehrungen zur Verhinderung solcher Taten getroffen oder Mitarbeiter zu rechtstreuem Verhalten angehalten hat (§ 5 Abs. 3 Z 1 VbVG). Dieser Strafzumessungsgrund soll den Präventionswillen des Gesetzgebers erkennen lassen.1150 Bei den vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen ist zwischen verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern (§ 3 Abs. 3 VbVG) und solchen von Entscheidungsträgern (§ 3 Abs. 2 VbVG) zu differenzieren. Werden bei verbandsbezogenen Straftaten durch Mitarbeiter von den Entscheidungsträgern geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung von entsprechendem Fehlverhalten getroffen, entfällt bereits der Tatbestand und der Verband ist für die Mitarbeiterstraftat nicht verantwortlich.1151 Den Milderungsgrund des § 5 Abs. 3 Z 1 VbVG erfüllen daher Maßnahmen, die einerseits keine ausreichende Aufsicht darstellen, weil sie bereits aufgrund der gebotenen ex-ante-Betrachtung unzureichend sind. Diese müssen aber andererseits ein Bemühen um Vorbeugung enthalten.1152

1149

Siehe 2. Teil D. I. 2. b), c). Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 186. 1151 Steininger VbVG § 5 Rn. 28. 1152 Steininger VbVG § 5 Rn. 27. 1150

D. Strafzumessung bei Verbänden

187

Damit ist jedoch nicht die Frage beantwortet, welche Anforderungen an ein letztendlich erfolgloses Aufsichtssystem zu stellen sind. Das Kriterium des „Bemühens des Verbands“ ist ein subjektives. Objektive Mindestkriterien, denen vorherige Aufsichtsmaßnahmen für eine strafmildernde Berücksichtigung genügen müssen, sind bisher im Gesetz nicht definiert worden. Bei Straftaten von Entscheidungsträgern (§ 3 Abs. 2 VbVG) vermeidet das Anhalten zu rechtstreuem Verhalten die Verbandsverantwortlichkeit dagegen nicht. Hier sind Vorkehrungen zur Verhinderung solcher Taten stets nur strafmildernd zu berücksichtigen. Je ausdifferenzierter dieses Aufsichtssystem ist, desto geringer ist die Schuld des Verbands zu bewerten. Auch hier fehlt es an objektiven, gesetzlich verankerten Mindestkriterien, denen Vorkehrungen zur Verhinderung von verbandsbezogenen Straftaten genügen müssen. Die österreichische Regelung zur Berücksichtigung von Aufsichtsmängeln kann daher nicht als Vorlage für ein deutsches Verbandsstrafrecht dienen. Bisher sind keine objektiven Mindestanforderungen an ein letztlich erfolgloses Aufsichtssystem definiert worden, damit es sich strafmildernd auswirken kann. b) Einordnung von Criminal Compliance Der Begriff Compliance hat eine „steile“ Karriere hinter sich.1153 Bis vor wenigen Jahren weitgehend unbekannt ist er nun in aller Munde. Wenngleich mittlerweile ein Wettbewerb der Rechtsgebiete um die Vereinnahmung von Compliance entbrannt ist,1154 ist für das Verbandsstrafrecht die strafrechtsbezogene Compliance von Interesse, die vornehmlich als Criminal Compliance bezeichnet wird.1155 Im Rahmen der Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe ist Criminal Compliance als Strafzumessungsfaktor einzuordnen. Zu Recht wird konstatiert, dass eine Diskussion tatsächlicher oder vermeintlich spezifischer Compliance-Fragen im Strafrecht ohne vorherige Klärung dessen, was Criminal Compliance grundsätzlich ausmacht, nicht sinnvoll geführt werden kann.1156 Zunächst wird Criminal Compliance daher als tatsächliches Phänomen beschrieben (hierzu aa)). Nach der Beantwortung der Frage, wie Criminal Compliance rechtlich einzuordnen ist (hierzu bb)), wird das Verhältnis zu den betrieblichen Aufsichtspflichten geklärt (hierzu cc)). aa) Criminal Compliance als tatsächliches Phänomen Unter dem Stichwort Criminal Compliance wird ein eminent praxisrelevantes Phänomen diskutiert. Criminal Compliance ist die strafrechtliche Ausprägung des allgemeinen und interdisziplinären Compliance-Gedankens.1157 Der Begriff Compliance umfasst zunächst die bloße Befolgung von (nicht nur rechtlichen) Normen.1158 Das Phänomen Compliance hat dabei unterschiedliche Stellungnahmen hervorgerufen. Teilweise wird davon gesprochen, dass die Befolgung von Regeln eine Binsenweisheit sei.1159 1153

Rotsch ZIS 2010, 614. Rotsch ZIS 2010, 614. 1155 Vgl. etwa Saliger RW 2013, 263; Rotsch ZIS 2010, 614; Bock Criminal Compliance. 1156 Rotsch ZStW 125, 481 (498). 1157 Rotsch in FS Samson S. 141. 1158 Saliger RW 2013, 263. 1159 Schneider ZIP 2003, 645 (646). 1154

188

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Überdies wird die Privatisierung staatlicher Eingriffsrechte kritisiert1160 und darauf hingewiesen, dass Compliance einen unzulässigen Vorrang vor dem Recht beanspruchen würde.1161 Positive Stellungnahmen bezeichnen Compliance dagegen als Pflichtprogramm guter Unternehmensführung.1162 Zudem würde durch Compliance gewährleistet, dass die Einhaltung des gültigen Rechts nicht mehr dem Zufall, individuellen Engagement oder partiellen Abteilungsinteresse zu verdanken sei.1163 Unabhängig von der Einstellung zu Criminal Compliance stellt diese ein neues Phänomen dar. Zum einen handelt es sich bei ihr um eine Selbstregulierung und zum anderen führt sie zu einer (Teil-) Privatisierung der Kriminalprävention. Der moderne Staat dehnt dabei sein materielles Strafrecht in einer Art und einem Umfang aus, dass er dessen Durchsetzung mangels ausreichender Kapazitäten nicht selbst sicherstellen kann.1164 Um die Durchsetzungschance seines expansiven Strafrechts sicherzustellen, setzt der Staat immer stärker auf Selbstregulierung.1165 Diese Selbstregulierung beschränkt sich dabei auf den Vollzug der Strafregelungen. Der Normsetzungsteil verbleibt beim Staat.1166 Weitergehende Verhaltensanforderungen in Criminal-Compliance-Programmen stellen einen nachrangigen Nebeneffekt dar.1167 Die Verbände akzeptieren dieses Instrument, um den aus dem expansiven Strafrecht drohenden, unkalkulierbaren Strafbarkeitsrisiken zu entgehen.1168 bb) Criminal Compliance als Rechtsbegriff Damit Criminal Compliance bei der Strafzumessung überhaupt berücksichtigt werden kann, muss es sich um einen Rechtsbegriff handeln, der in einer Beziehung zur Schuld des Verbands steht, die Grundlage der Strafzumessung ist.1169 Teilweise wird Criminal Compliance als reiner Wirtschaftsbegriff eingeordnet. Die Einhaltung strafrechtlicher Regeln als Ziel von Criminal Compliance könne nur funktionieren, wenn sie aus der wirtschaftlichen Logik des Verbandsinteresses her formuliert werde. Die zentrale Funktion von Criminal Compliance bestehe in der Senkung von strafrechtlichen Haftungsrisiken aus ökonomischen Motiven.1170

1160

Wastl ZRP 2011, 57. Hamm NJW 2010, 1332. 1162 Moosmayer NJW 2012, 3013; vgl. auch Schneider ZIP 2003, 645 (650), der Compliance als Bestandteil guter Unternehmensführung einordnet, obwohl er betont, dass die Befolgung von Regeln eine Binsenweisheit sei ZIP 2003, 645 (646). 1163 Klindt/Pelz/Theusinger NJW 2010, 2385. 1164 Saliger RW 2013, 263 (284); den Aspekt der Selbstregulierung betonen auch Kölbel ZStW 125, 499 (507); Rotsch ZStW 125, 481 (496); vgl. ferner Saliger in Begegnungen im Recht S. 215 (219 ff.); Rönnau in Begegnungen im Recht S. 234 (241 ff.). 1165 Saliger RW 2013, 263 (284). 1166 Daher spricht Kölbel von „regulierter Selbstregulierung“ ZStW 125, 499 (507); ähnlich auch Bussmann in FS Achenbach S. 57 (66); Wessing in FS Volk S. 867 (880). 1167 Kölbel ZStW 125, 499 (508). 1168 Zum Ganzen Saliger RW 2013, 263 (284). 1169 Siehe 2. Teil D. I. 1. 1170 Fateh-Moghadam in Wirtschaftsstrafrecht des StGB S. 25 (26 ff.). 1161

D. Strafzumessung bei Verbänden

189

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass mit Criminal Compliance nicht ausschließlich wirtschaftliche Ziele verfolgt werden. Es ist richtig, dass hiermit das Ziel von wirtschaftlicher Gewinnmaximierung durch Risikominimierung, Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen und Imageschäden verfolgt wird.1171 Nichtsdestotrotz bleibt ein weiteres zentrales Anliegen von Criminal Compliance die Vermeidung einer strafrechtlichen Haftung. Daher ist Criminal Compliance beides, sowohl ein Wirtschafts- als auch ein Rechtsbegriff.1172 Um die Frage zu beantworten, ob Criminal Compliance in einer Beziehung zur Schuld des Verbands steht, muss bestimmt werden, worauf sie sich bezieht und was ihre Funktion ist. Criminal Compliance kann nicht mit den bekannten wirtschaftsstrafrechtlichen Fragestellungen gleichgesetzt werden. Dies überzeugt schon deshalb nicht, weil Criminal Compliance andernfalls tatsächlich inhaltslos wäre.1173 Criminal Compliance setzt bereits im Vorfeld des materiellen, durch Gesetz und Auslegung geprägten Wirtschaftsstrafrechts an, um eine strafrechtliche Haftung auszuschließen.1174 Criminal Compliance ist aber nicht auf den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts beschränkt. Es dient vielmehr der Verhinderung jedweder Strafbarkeitsrisiken.1175 Mögliche verbandsbezogene Straftaten können nicht nur im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts begangen werden. Vielmehr kommt grundsätzlich jeder Straftatbestand in Betracht. Im Bereich der strafbaren Produkthaftung sind sowohl Tötungs- als auch Körperverletzungsdelikte als verbandsbezogene Straftaten denkbar.1176 Criminal Compliance zielt auf Verhalten, das im Vorfeld der Verwirklichung von Straftatbeständen anzusiedeln ist.1177 Die Bestimmung des Gegenstandsbereichs von Criminal Compliance weist zugleich auf ihre Funktion hin, nämlich die Vermeidung einer strafrechtlichen Haftung.1178 Der ungewöhnliche Begriff der strafrechtlichen Haftung1179 erklärt sich systematisch aus dem Charakter von Criminal Compliance als Unterfall der allgemeinen Compliance-Idee. Die Grundfunktion von Criminal Compliance kann ebenfalls als Vermeidung strafbewehrter Normverletzungen beschrieben werden,1180 wobei sich diese Grundfunktion wiederum in die 3 Unterfunktionen Prävention, Aufklärung und Sanktionierung von strafrechtlichem Fehlverhalten unterteilen lässt.1181

1171

Saliger RW 2013, 263 (270). Saliger RW 2013, 263 (270 f.). 1173 HWSt/Rotsch 1/4 Rn. 8; Rotsch ZIS 2010, 614 (615). 1174 Saliger RW 2013, 263 (271). 1175 Saliger RW 2013, 263 (272). 1176 Kudlich in Unternehmensstrafrecht S. 217 (224). 1177 Saliger RW 2013, 263 (267). 1178 Kuhlen in Corporate Compliance und Arbeitsrecht S. 11 (12, 19); Kuhlen in Compliance und Strafrecht S. 1 (11); Rotsch in FS Samson S. 141 (142 ff.); Rotsch ZIS 2010, 614 (615); Fateh-Moghadem in Wirtschaftsstrafrecht des StGB S. 25 (27); Bock in Compliance und Strafrecht S. 57. 1179 Kritisch zum Begriff der strafrechtlichen Haftung Achenbach ZIS 2012, 178. 1180 Kuhlen in Compliance und Strafrecht S. 1. 1181 Moosmayer NJW 2012, 3013 (3014); Schneider ZIP 2003, 645 (649 f.); Krause StraFo 2011, 437 (438). 1172

190

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Criminal Compliance dient daher der Verhinderung verbandsbezogener Straftaten. Ob das Bemühen des Verbands, verbandsbezogene Straftaten zu unterbinden, das Maß der Vorwerfbarkeit gegenüber dem Verband verringert, ist umstritten. Einzelne Stimmen gehen davon aus, dass die Begehung einer Straftat trotz eines Criminal-Compliance-Programms strafschärfend wirken müsse, weil dies auf eine erhöhte rechtsfeindliche Gesinnung schließen lasse.1182 Teilweise wird Criminal-Compliance-Bemühungen die Schuldrelevanz abgesprochen und sie werden dementsprechend neutral bewertet.1183 Richtigerweise mindert das Bemühen des Verbands, verbandsbezogene Straftaten seiner Angehörigen zu unterbinden, das Maß der Verbandsschuld.1184 Der BGH hat die schuldmindernde Wirkung der Installation eines Compliance-Programms für Geldbußen ausdrücklich anerkannt.1185 Die Verbandsstrafbarkeit knüpft an das strafbare Verhalten natürlicher Personen an.1186 Wenn der Verband wenigstens versucht hat, dieses zu unterbinden, ist das Maß seiner Verantwortlichkeit für die Rechtsgutsverletzung geringer gegenüber Verbänden, die nicht einmal derartige Anstrengungen unternehmen. Dass das Maß der Schuld des Individualtäters in diesem Fall ggf. höher ist, weil er Schutzmechanismen gegen Straftaten überwunden hat, darf nicht auf den Verband zurückfallen. Seine Schuld ist nicht mit der Schuld des Individualtäters identisch. Neben der Grundfunktion, strafrechtliche Verantwortlichkeit zu vermeiden, werden Criminal Compliance zusätzliche Funktionsbestimmungen zugeschrieben. Diese umfassen eine Beratungs- und Informationsfunktion, eine Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion sowie eine Marketingfunktion.1187 Die Beratungs- und Informationsfunktion betrifft Schulungen der Mitarbeiter. Sie verweist auf Anlaufstellen sowie auf Verfahren bei Hinweisen bzgl. Regelverstößen. Die Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion beruht darauf, dass mehr Wissen eines Verbands über Risikopotentiale im Umgang mit seinen Kunden zu einem kundenabgestimmten und erfolgreicheren Produktangebot führen kann. Die Marketingfunktion erlaubt es den Verbänden, der Öffentlichkeit ein hohes Maß an Rechtstreue zu kommunizieren sowie ihr Ansehen bei Kunden und Geschäftspartnern steigern zu können. Dadurch versuchen sie, sich Vorteile im Wettbewerb zu verschaffen.1188

1182

So Ost in FS Roth S. 413 (420), wenn das Organ, welches ein Compliance-Programm installiert, trotzdem einen Verstoß begeht; für eine strafschärfende Berücksichtigung wohl auch Pampel BB 2007, 1636 (1638). 1183 So für das europäische Kartellordnungswidrigkeitenrecht GD Wettbewerb Broschüre „Wettbewerbsrechtliche Compliance“, 2011 S. 19. 1184 Für eine sanktionsmindernde Berücksichtigung derartigen Verhaltens im Kartellordnungswidrigkeitenrecht auch Brettel/Thomas Compliance und Unternehmensverantwortlichkeit im Kartellrecht S. 75; Krebs/Eufinger/ Jung CCZ 2011, 213 (214 f.). Allgemein für eine mildernde Berücksichtigung Beulke/Moosmayer CCZ 2014, 146 (148). 1185 BGH Urt. v. 09.05.2017 Az.: 1 StR 265/16 Rn. 118; zur Rezeption im Schrifttum vgl. Baur/Holle NZG 2018, 14; Eufinger NZG 2018, 327. 1186 Siehe 1. Teil C. I. 2. a) aa); b) bb). 1187 Lösler NZG 2005, 104. 1188 Zu den verschiedenen Funktionen Saliger RW 2013, 263 (269).

D. Strafzumessung bei Verbänden

191

Ob auch diese zusätzlichen Funktionsbestimmungen tatsächlich Bestandteil von Criminal Compliance sind, kann in diesem Zusammenhang offen bleiben. Für die Berücksichtigung von Criminal Compliance auf Strafzumessungsebene spielen sie keine Rolle, weil diese Funktionsbestimmungen in keinem selbstständigen Zusammenhang zur Schuld des Verbands stehen, die Grundlage der Strafzumessung ist. Für die Marketing- sowie die Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion ist dies offensichtlich. Die Beratungs- und Informationsfunktion ist dagegen ohnehin Bestandteil eines Criminal-Compliance-Programms, so dass dieser Umstand nicht doppelt bei der Strafzumessung berücksichtigt werden darf. Criminal Compliance ist deshalb ein Rechtsbegriff, der sich auf die Verhinderung verbandsbezogener Straftaten bezieht und daher in einem Verhältnis zur Schuld des Verbands steht. Er kann deswegen auf der Strafzumessungsebene berücksichtigt werden. cc) Verhältnis von Criminal Compliance zu den Aufsichtspflichten Schließlich ist noch das Verhältnis von Criminal Compliance zu den betrieblichen Aufsichtspflichten zu klären. Beide sind eng miteinander verbunden.1189 Sind in einem Verband hinreichende Maßnahmen zur Einhaltung verbandsbezogener Pflichten implementiert worden, kann sich der Verband bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern regelmäßig darauf berufen, dass die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen erfüllt wurden.1190 Eine Strafbarkeit des Verbands scheidet in diesem Fall aus. Hat sich dieser im Rahmen eines Criminal-ComplianceProgramms zumindest, wenn auch unzureichend, darum bemüht, verbandsbezogene Straftaten zu unterbinden, mindert dies das Maß der Verbandsschuld. Bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen ist die Strafbarkeit des Verbands sogar bei hinreichenden Criminal-Compliance-Bemühungen nicht ausgeschlossen. Der Grund hierfür ist, dass die Strafbarkeit nicht an die Verletzung einer Aufsichtspflicht anknüpft, sondern an die Verletzung der Pflicht zur Selbstkontrolle.1191 Jedoch mindert es das Maß der Schuld des Verbands, wenn er sich zumindest bemüht, verbandsbezogene Straftaten seiner Organe mit Aufsichtsmaßnahmen zu unterbinden. Seit der Diskussion um die Installation von Criminal-Compliance-Programmen kann davon gesprochen werden, dass die Debatte um hinreichende Aufsichtsmaßnahmen heute unter dem Stichwort Corporate Compliance (präziser: Criminal Compliance) geführt wird.1192 dd) Zwischenergebnis Criminal Compliance ist ein Rechtsinstrument zur Vermeidung strafrechtlicher Verantwortlichkeit, das bereits im Vorfeld der Verwirklichung von Straftatbeständen ansetzt. Durch Criminal-Compliance-Maßnahmen erfüllt der Verband seine betrieblichen Aufsichtspflichten. Da Criminal Compliance das Maß der Verbandsschuld beeinflusst, sind vorherige Criminal-Compliance-Bemühungen im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. 1189

Wittig WiStrR S. 87. Wittig WiStrR S. 87; vgl. auch Kubiciel in FS Wessing S. 69 (77), der Compliance-Maßnahmen Tatbestandsrelevanz attestiert, wenn die Strafbarkeit an Aufsichtsmängel anknüpft. 1191 Siehe 1. Teil D. V. 1. 1192 So zu § 130 OWiG explizit KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 57. 1190

192

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

c) Mangelnde Aufsicht wegen fehlerhafter Criminal Compliance Um den Strafzumessungsfaktor Aufsichtsmangel näher bestimmen zu können, muss zunächst festgelegt werden, zu welchen Aufsichtsmaßnahmen der Verband im Einzelfall verpflichtet war (hierzu aa)). Der Strafrahmen ist als Schwereskala zu verstehen, die von den denkbar leichtesten Fällen bis zu den denkbar schwersten Fällen alle Schweregrade des jeweiligen Delikts abdecken soll.1193 Daher reicht es für die Strafzumessung nicht aus, festzustellen, dass die Bemühungen des Verbands hinter den Anforderungen an ein effektives Criminal-Compliance-Programm zurückgeblieben sind. Vielmehr muss anhand bestimmter Kriterien das Ausmaß des Zurückbleibens hinter diesen Anforderungen quantifiziert werden, um festzustellen, wie umfangreich die Aufsichtsmängel im konkreten Fall waren. Je größer diese waren, desto höher ist das Maß der Verbandsschuld (hierzu bb)). aa) Hinreichende Aufsichtsmaßnahmen Um sich darüber Klarheit zu verschaffen, wie hinreichende Aufsichtsmaßnahmen auszusehen haben, müssen zunächst abstrakte Qualitätskriterien für die Aufsichtsmaßnahmen definiert werden (hierzu (1)). In einem 2. Schritt sind diese abstrakten Qualitätskriterien mittels eines Criminal-Compliance-Programms zu konkretisieren. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu beantworten, aus welchen Säulen eines Criminal-Compliance-Programms sich die vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen zusammensetzen (hierzu (2)). Schließlich werden die Grenzen von Criminal-Compliance-Maßnahmen bestimmt (hierzu (3)). (1) Abstrakte Qualität der Aufsichtsmaßnahmen Der Verband ist gehalten, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um verbandsbezogenen Straftaten vorzubeugen. Diese stehen unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit. Erforderlich sind dabei von vornherein nur solche Aufsichtsmaßnahmen, die geeignet sind, verbandsbezogene Verstöße zu verhindern.1194 Zudem gilt der Grundsatz des mildesten Mittels. Stehen dem Aufsichtspflichtigen also mehrere gleich geeignete Mittel zur Verfügung, darf er eine Auswahl treffen und sich für das mildeste Mittel entscheiden.1195 Das Ausmaß der Aufsichtspflicht findet seine Grenze in der Zumutbarkeit. Nicht verlangt werden können Maßnahmen, die in ihrem Umfang und damit in kostenmäßiger Hinsicht wirklichkeitsfremd und überspannt sind.1196 Es hängt dabei vom Einzelfall ab, welche Aufsichtsmaßnahmen geboten sind.1197 Für den Umfang der Aufsichtspflicht kommt es in erster Linie auf Art, Größe und Organisation des Verbands sowie die unterschiedlichen Überwachungsmöglichkeiten an. Relevant sind aber auch die Vielfalt und die Bedeutung der zu beachtenden Vorschriften sowie die Anfälligkeit des Verbands für Verstöße gegen diese Bestimmungen.1198 Eine 1. grobe Konkretisierung der Aufsichtspflicht kann dadurch erfolgen, dass zu einer ordnungsgemäßen Aufsicht Leitungs-,

1193

BGHSt 27, 2 (3). KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 45. 1195 KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 50. 1196 KK-Rogall OWiG § 130 Rn. 51. 1197 Pampel BB 2007, 1636 (1637); Többens NStZ 1999, 1 (4). 1198 OLG Düsseldorf wistra 1999, 115 (116); OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998, 311 (311 f.). 1194

D. Strafzumessung bei Verbänden

193

Koordinations-, Organisations- und Kontrollpflichten gehören.1199 Die Aufsicht ist im Grundsatz so wahrzunehmen, dass die betriebsbezogenen Pflichten voraussichtlich eingehalten werden.1200 (2) Konkretisierung durch Criminal-Compliance-Programme Die Leistung der Diskussion um den Compliance-Begriff liegt in der Transformation der allgemein gehaltenen, gesetzlichen Anforderungen an Aufsichtsmaßnahmen in ein in sich geschlossenes, kohärentes System. Ein Criminal-Compliance-Programm muss wirksam gestaltet sein, um zur Rechtseinhaltung im Verband beitragen zu können. Eine Detailvorgabe durch den Gesetzgeber ist aufgrund der Verschiedenheit der Verbandsaktivitäten nicht möglich und widerspricht zudem dem Gedanken der Selbstregulierung.1201 Dennoch lässt sich eine gewisse Grundstruktur feststellen. Ein Criminal-Compliance-Programm teilt sich in grundlegende Elemente auf, die jeweils dem Ziel der Rechtseinhaltung dienen: die Prävention von Verstößen und die Aufdeckung möglicher Verstöße.1202 Richtigerweise tritt daneben noch deren Sanktionierung.1203 Diese 3 grundlegenden Elemente beziehen sich aufeinander, weil ein funktionierendes System zur Aufdeckung möglicher Verstöße und deren Sanktionierung auch zur Prävention beiträgt. Im Bereich der Prävention geht es darum, den Umständen, die Rechtsbrüche begünstigen, entgegenzutreten und die Aspekte, die die Rechtseinhaltung stärken, zu unterstützen. Das Präventionselement setzt die Grundfunktion von Criminal Compliance – Vermeidung strafrechtlicher Verantwortung – durch die Aufstellung von Regeln um, welche die strafrechtliche Verantwortlichkeit antizipieren sollen.1204 Deswegen agiert Criminal Compliance anders als das Strafrecht grundsätzlich prospektiv, nicht retrospektiv.1205 Criminal Compliance bezweckt den Ausweis des „sicheren Hafens“, in dem sich der Normadressat mit Gewissheit nicht strafbar macht.1206 Daher muss Criminal Compliance im Vorfeld der Erfüllung strafrechtlicher Tatbestände ansetzen und bereits potentiell strafrechtlich verbotenem Verhalten entgegentreten.1207 Bei der Aufstellung und Implementierung präventiver Criminal-Compliance-Maßnahmen kann ein effektives Programm aber nicht stehen bleiben. Es müssen aktiv Maßnahmen zur Aufklärung möglicher Verstöße ergriffen werden und auf festgestellte Verstöße muss angemessen durch Sanktionen reagiert werden, um eine auf Prävention beschränkte 1199

HWSt/Achenbach 1/3 Rn. 48 ff.; BGHSt 9, 319 (323); 25, 158 (162 f.); BGH wistra 1985, 228 (228 f.). BGHSt 9, 319 (322 f.); OLG Düsseldorf wistra 1991, 38 (39); OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998, 311 (312). 1201 Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 711. 1202 Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 711. 1203 Saliger RW 2013, 263 (267). 1204 Rotsch ZIS 2010, 614 (615); HWSt/Rotsch 1/4 Rn. 7; Rotsch ZStW 125, 481 (484). 1205 Vgl. HWSt/Rotsch 1/4 Rn. 7. 1206 Saliger RW 2013, 263 (267). 1207 Nieto Martín in Compliance und Strafrecht S. 27 (33); Bock Criminal Compliance S. 234 f.; so wohl auch Kuhlen in Corporate Compliance und Arbeitsrecht S. 11 (22). 1200

194

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

„Schönwetter-Compliance“ zu vermeiden.1208 Die Aufklärungskomponente erfolgt dabei u.a. durch interne Ermittlungen im Verband.1209 Die Funktion der unternehmensinternen Sanktionierung übernehmen arbeits- und disziplinarrechtliche Regelungen.1210 Ausgehend von diesen 3 Grundelementen beruht ein wirksames Criminal-ComplianceProgramm auf 3 Säulen.1211 Die 1. Säule umfasst die grundlegenden Entscheidungen, die strafrechtlichen Risikopotentiale aufzuspüren und zu bewerten und auf dieser Basis ein Criminal-Compliance-Programm zu entwerfen. Die 2. Säule betrifft die Implementierung des Criminal-Compliance-Programms, während sich die 3. Säule der Durchsetzung und Weiterentwicklung dieses Programms widmet. (a) Entwurf eines Criminal-Compliance-Programms Die 1. Säule beginnt mit einer Risikoanalyse und -bewertung der strafrechtlichen Risiken der Verbandstätigkeit.1212 Diese Risiken sind vor dem Hintergrund der Verbandsziele und strategischen Ausrichtung zu untersuchen. Zunächst sind dabei die relevanten nationalen und internationalen Strafvorschriften zu identifizieren. In einem weiteren Schritt werden diese Risiken dann in Bezug auf Bedeutung, Häufigkeit sowie Art und Umfang möglicher Schäden bewertet. Anhand dieser Bewertung ist eine Priorisierung der Risikobereiche vorzunehmen, um festzustellen, wo Criminal-Compliance-Maßnahmen besonders engmaschig sein müssen. Diese Risikoermittlung muss permanent fortgeschrieben werden, um auf Änderungen sowohl hinsichtlich von Strafvorschriften als auch von Geschäftsfeldern des betroffenen Verbands zu reagieren. Ist die anfängliche Risikoanalyse und -bewertung abgeschlossen, werden auf deren Basis die einzuhaltenden Vorschriften in schriftlicher Form festgehalten. Diese rechtlichen Vorgaben, die darauf abzielen, strafrechtlich relevantes Verhalten zu unterbinden, müssen auf den einzelnen Verband abgestimmt werden. Auf die schriftliche Niederlegung von Verhaltensanweisungen darf sich der Verband dabei aber nicht beschränken. Vielmehr ist er gehalten, die Verhaltensanweisungen mit adäquaten personellen und sachlichen Strukturen zu unterlegen. Die Anforderungen variieren dabei in Abhängigkeit von der Größe des Verbands. Während in kleineren Verbänden die Wahrnehmung der Criminal-Compliance-Aufgabe durch eine Person genügen kann, bedarf es in größeren Verbänden einer ausdifferenzierteren Struktur. Criminal Compliance liegt in der Gesamtverantwortung der Geschäftsführung. Im Wege der Delegation auf andere Personen kann sich der Verband seiner Verantwortung nicht entledigen.1213 Grundlegende Entscheidungen wie die schriftliche Fixierung der Criminal-Compliance-Regeln müssen von der Gesamtheit der Geschäftsführung getroffen werden. Für die laufende Geschäftstätigkeit ist dagegen ein Criminal-Compliance-Verant1208 Moosmayer NJW 2012, 3013 (3014); Montiel in Compliance und Strafrecht S. 185 (188 f.); Schneider ZIP 2003, 645 (649 f.). 1209 Vgl. hierzu HWSt/Rotsch 1/4 Rn. 57 ff. 1210 Schneider ZIP 2003, 645 (650); Bock ZIS 2009, 68 (79); Krause StraFo 2011, 437 (438). 1211 Modell nach Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 712. 1212 Die Darstellung zur 1. Säule lehnt sich an die Ausführungen von Engelhart in Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 713 f. an. 1213 Siehe hierzu 1. Teil D. V. 1.

D. Strafzumessung bei Verbänden

195

wortlicher zu benennen, der als Ansprechpartner für Criminal-Compliance-Fragen fungiert und an die Geschäftsführung berichtet. Bei größeren Verbänden wird darüber hinaus eine eigene Criminal-Compliance-Abteilung einzurichten sein, deren Leiter an den für Criminal Compliance zuständigen Vorstand berichtet. Diese Abteilung ist mit der nötigen Zahl von qualifizierten Mitarbeitern zu besetzen, die der Größe des Verbands und der Komplexität der Geschäftstätigkeit Rechnung trägt. Die 1. Säule dient ausschließlich der Prävention künftiger Straftaten und wird bei allen Verbänden relevant. Sie prägt daher die hinreichenden, vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen. (b) Implementierung eines Criminal-Compliance-Programms Die 2. Säule, die sich der Implementierung des Criminal-Compliance-Programms widmet, setzt zunächst die Kommunikation und Vermittlung der Criminal-Compliance-Vorgaben voraus.1214 Dem einzelnen Verbandsangehörigen sind die für ihn relevanten Vorschriften und Wege, diese einzuhalten, konkret zu erklären. Außerdem ist der Wissensstand der Verbandsangehörigen einer regelmäßigen Prüfung zu unterziehen. Darüber hinaus kann der Verband durch Einzelmaßnahmen die Einhaltung von Criminal-Compliance-Vorgaben fördern. Dies umfasst selbstverständlich das Bekenntnis des Verbands zu den selbst gesetzten Zielen. Die Einhaltung von Criminal-Compliance-Standards ist von der Verbandsleitung vorzuleben. Daneben muss den Verbandsangehörigen ermöglicht werden, in zumutbarer Weise von Criminal-Compliance-Vorgaben auch im Alltag Kenntnis nehmen zu können. Dies kann durch Bereitstellung der Informationen im Intranet gewährleistet werden. Zudem sollte ein persönlicher Ansprechpartner für eventuelle Fragen zur Verfügung stehen. Die Förderung der Einhaltung von Criminal-Compliance-Vorgaben beginnt bereits beim Einstellungsprozess von Verbandsangehörigen. Bei besonders anfälligen Positionen können sich Maßnahmen zur Überprüfung der Zuverlässigkeit neuer Verbandsangehöriger anbieten, wie z.B. die Frage nach einschlägigen Vorstrafen. Des Weiteren ist der Verband gehalten, die Einhaltung der Criminal-Compliance-Vorgaben im laufenden Betrieb durch organisatorische Maßnahmen abzusichern. Diese dienen dazu, Gelegenheiten zu Rechtsverstößen zu vermeiden und Zuwiderhandlungen leichter aufzudecken. Die Intensität der erforderlichen Maßnahmen richtet sich dabei nach dem in der Eingangsanalyse festgestellten Risiko. Bei Führungskräften sind besonders wirksame Maßnahmen zu ergreifen, weil diese nur in eingeschränktem Umfang von weiteren Vorgesetzten kontrolliert werden können. Hier bieten sich Gegenzeichnungspflichten und das Vier-Augen-Prinzip an, um strafbare Handlungen zu erschweren. Es ist in diesem Zusammenhang ausdrücklich zu betonen, dass ein Criminal-ComplianceProgramm auch die Organe überwachen muss. Sie sind gehalten, sich gegenseitig zu kontrollieren. Es besteht keine Vermutung dafür, dass sich Organe rechtstreu verhalten. 1214 Die Darstellung zur 2. Säule lehnt sich an die Ausführungen von Engelhart in Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 714 ff. an.

196

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Deswegen hat der Verband nicht erst bei konkreten Verdachtsmomenten seine Organe zu kontrollieren, sondern verdachtsunabhängig von Anfang an. Ein weiterer Bestandteil zur Aufdeckung von Verstößen ist ein Meldesystem. Verbandsbezogene Straftaten können häufig nicht begangen werden, ohne dass andere Personen hiervon Kenntnis erlangen. Damit Verbandsangehörige von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, sollten Hinweise vertraulich möglich sein. Um eventuelle Falschmeldungen auszuschließen, empfiehlt es sich, den Hinweisen zunächst vertraulich nachzugehen. Bei der Einrichtung und Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen besteht ein gewisser Gestaltungsspielraum der Verbände. Aus den identischen Gründen wie bei der 1. Säule1215 prägt auch die 2. Säule die hinreichenden, vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen. (c) Durchsetzung und Weiterentwicklung eines implementierten Criminal-ComplianceProgramms Die 3. Säule eines Criminal-Compliance-Programms betrifft die Reaktion auf bekannt gewordene Verfehlungen.1216 In diesem Fall ist festzulegen, wer die Untersuchung in welchem Umfang durchführt. Zudem sind die Dokumentation der Ergebnisse und der Personenkreis, der hiervon informiert wird, zu bestimmen. Sind Führungskräfte möglicherweise in die Verfehlungen verwickelt, muss sichergestellt werden, dass diese keinen Einfluss auf die Ermittlungen nehmen können. Überdies sind die Sanktionen für Verstöße festzulegen. Diese haben sich an der Schwere und Bedeutung des Verstoßes zu orientieren sowie an der Frage, ob der betreffende Verbandsangehörige Wiederholungstäter ist. Außerdem ist die Aufdeckung einer verbandsbezogenen Straftat auch zum Anlass zu nehmen, das Criminal-Compliance-Programm auf etwaige Schutzlücken zu überprüfen. Abschließend ist die Frage zu beantworten, ob die 3. Säule auch zu den Elementen der vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen gehört. Hinreichende, vor der Straftat ergriffene Aufsichtsmaßnahmen werden nicht durch die 3. Säule geprägt, weil die Durchsetzung und Weiterentwicklung retrospektiv auf bereits begangene Verstöße reagiert und nicht prospektiv zukünftige verhindert. Die 3. Säule dient lediglich mittelbar der Prävention künftiger Straftaten, weil eine konsequente Durchsetzung und Weiterentwicklung auch künftige Straftäter abschreckt. Außerdem können Verbände, bei denen noch keine verbandsbezogene Zuwiderhandlung aufgetreten ist, naturgemäß ihr Criminal-Compliance-Programm nicht aus Anlass einer Verfehlung weiterentwickelt oder durchgesetzt haben. Dies ist bei der 1. und 2. Säule anders.1217

1215

Siehe 2. Teil D. II. 2. c) aa) (2) (a). Die Darstellung zur 3. Säule lehnt sich an die Ausführungen von Engelhart in Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance S. 717 ff. an. 1217 Siehe 2. Teil D. II. 2. c) aa) (2) (a), (b). 1216

D. Strafzumessung bei Verbänden

197

Die Elemente der 3. Säule spielen vor allem im noch darzustellenden Nachtatverhalten eine Rolle.1218 (3) Grenzen von Criminal-Compliance-Programmen Criminal-Compliance-Programme dienen der Verhinderung von verbandsbezogenen Straftaten. Dennoch reichen sie nicht so weit, dass sie Straftaten um jeden Preis verhindern möchten. Auch ein optimales Criminal-Compliance-Programm unterliegt im Rahmen der Zumutbarkeit Grenzen. Umstritten ist, ob es sich bei Criminal-Compliance-Maßnahmen um rechtlich zulässige Maßnahmen handeln muss. Teilweise werden auch unzulässige Maßnahmen als Criminal-Compliance-Maßnahmen mit der Begründung anerkannt, dass die bloße Unzulässigkeit einer Maßnahme nicht zu ihrer Untauglichkeit als Mittel der Strafvorbeugung führe.1219 Eine vermittelnde Ansicht spricht sich für eine Unterscheidung zwischen außerstrafrechtlich unzulässigen und strafrechtswidrigen Maßnahmen aus.1220 Die außerstrafrechtliche Unzulässigkeit einer Maßnahme könne für die Beurteilung ihrer Criminal-Compliance-Qualität keine Rolle spielen. Davon seien strafrechtswidrige Maßnahmen zu unterscheiden. Wer unter Verstoß gegen die Voraussetzungen eines Straftatbestands Kriminalitätsprävention betreiben wolle, halte sich nicht im Rahmen der Anforderungen von Criminal Compliance, weil Criminal Compliance ihrerseits strafcompliant sein müsse. Diese Differenzierung erscheint wenig überzeugend. Auch die Vorbeugung von Straftaten muss sich im Rahmen der geltenden Rechtsordnung bewegen. Nur weil ein Rechtsverstoß nicht strafbewehrt ist, bedeutet dies nicht, dass die Norm deswegen keine oder nur eine eingeschränkte Geltung beansprucht. Wenngleich die Vorbeugung von Straftaten ein wichtiges Ziel ist, muss sich deren Bekämpfung insgesamt rechtmäßig vollziehen. Im Ergebnis sind daher rechtmäßige Criminal-Compliance-Maßnahmen nur solche Maßnahmen, die insgesamt rechtlich zulässig sind. (4) Zwischenergebnis Der Verband ist verpflichtet, mittels erforderlicher und zumutbarer Aufsichtsmaßnahmen verbandsbezogenen Straftaten von Organen und Mitarbeitern entgegenzutreten. Derartige Maßnahmen müssen mit dem geltenden Recht vollumfänglich vereinbar sein. Diese Vorgaben werden durch Criminal-Compliance-Programme konkretisiert, die aus 3 Säulen bestehen. Auf Basis einer Risikoanalyse ist zunächst ein Criminal-Compliance-Programm zu entwerfen (1. Säule). Anschließend ist dieses Programm zu implementieren (2. Säule). Die 3. Säule umfasst die Sanktionierung von bekannt gewordenen Verstößen und die Weiterentwicklung des Criminal-Compliance-Programms. Während es im Rahmen des Strafzumessungsgrunds „vor der Strafttat ergriffene Aufsichtsmaßnahmen“ vor allem auf die 1. und 2. Säule ankommt, spielt die 3. Säule hauptsächlich im Rahmen der nachträglichen Criminal-Compliance-Bemühungen eine Rolle.

1218

Siehe hierzu näher unter 2. Teil D. II. 3. a). Hilgendorf in Criminal Compliance vor den Aufgaben der Zukunft S. 19 (20). 1220 HWSt/Rotsch 1/4 Rn. 39; Rotsch ZStW 125, 481 (493). 1219

198

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

bb) Umfang des Aufsichtsmangels Um den Aufsichtsmangel als Strafzumessungsfaktor handhabbar zu machen, reicht es – wie gezeigt – nicht aus, lediglich festzustellen, dass der Verband keine hinreichenden Aufsichtsmaßnahmen ergriffen hat.1221 Vielmehr muss der Umfang des Zurückbleibens hinter den hinreichenden Aufsichtsmaßnahmen quantifiziert werden, damit bestimmt werden kann, in welchem Umfang die vor der Tat bestehenden Aufsichtsmängel das Maß der Verbandsschuld beeinflussen. Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch schlägt vor, die Art, Schwere und Dauer des Aufsichtsmangels in die Strafzumessung einzubeziehen (vgl. § 6 Abs. 3 VerbStrG-E). Auf eine nähere Konkretisierung dieser Umstände hat der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch verzichtet. Daher ist im Folgenden zu untersuchen, inwieweit die Schwere des Aufsichtsmangels (hierzu (1)) und weitere Kriterien (hierzu (2)) geeignet sind, das Ausmaß des Aufsichtsmangels zu quantifizieren. (1) Schwere des Aufsichtsmangels Die Schwere des Aufsichtsmangels wird von 2 Determinanten bestimmt. Zum einen kommt es auf die Wahrscheinlichkeit einer verbandsbezogenen Straftat aus der ex-ante-Perspektive an. Zum anderen ist die Reichweite des Zurückbleibens hinter hinreichenden Criminal-Compliance-Bemühungen relevant. (a) Wahrscheinlichkeit einer verbandsbezogenen Straftat Die Schwere des Aufsichtsmangels ist danach zu beurteilen, inwieweit es aus der ex-antePerspektive wahrscheinlich war, dass das Aufsichtsdefizit zur Begehung einer verbandsbezogenen Straftat ausgenutzt wird. Die Verantwortlichkeit des Verbands ist dabei umso größer, je wahrscheinlicher die Begehung einer verbandsbezogenen Straftat war. Dabei ist der Maßstab eines objektiven Beobachters ex-ante zugrunde zu legen, weil der Verband bei der Konzeption von Aufsichtsmaßnahmen antizipieren muss, ob es zu verbandsbezogenen Straftaten kommen wird. Anhaltspunkt für die Wahrscheinlichkeit kann bei Vorsatztaten insbesondere die Frage sein, in welchem Maß der Individualtäter persönlich von etwaigen Straftaten profitieren würde. Werden z.B. Vertriebsmitarbeiter auf Provisionsbasis bezahlt, ohne dass sie über ein Grundgehalt verfügen, das die Existenz eines „normalen“ Mitarbeiters sicherzustellen vermag, müssen etwaige Geschäftsabschlüsse stichprobenartig daraufhin untersucht werden, ob die Kunden beim Vertragsschluss betrogen wurden. Ein persönlicher Vorteil des Individualtäters kann aber auch aus längerfristigen Vorgängen resultieren. In der Regel wirkt sich das Erfüllen von Zielvorgaben positiv auf die Karriereaussichten von Verbandsangehörigen aus. Ist es möglich, dass hierbei vorsätzliche verbandsbezogene Straftaten verwirklicht werden (z.B. der Einbau nicht fachgerechter Teile in ein Automobil, was dessen Wert schmälert), muss der Verband zumindest bei Verdachtsmomenten überprüfen, wie die Zielvorgaben erreicht wurden. Bei fahrlässigen verbandsbezogenen Straftaten wird dagegen vor allem im Vordergrund stehen, inwieweit es Abläufe im Verband wahrscheinlich machen, dass natürliche Personen die gebotene Sorgfalt außer Acht lassen werden.

1221

Siehe 2. Teil D. II. 2. c).

D. Strafzumessung bei Verbänden

199

Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit kommt insbesondere dann in Betracht, wenn verschiedene Personen zusammenarbeiten, einer sich auf den anderen verlässt und nicht festgelegt ist, wer die Letztverantwortung für die Sicherstellung der Abläufe trägt. Zudem sind monotone Arbeitsabläufe und zunehmende Arbeitsverdichtung Faktoren, die das Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt bei natürlichen Personen begünstigen können. (b) Ausmaß des Aufsichtsmangels Die Reichweite des Zurückbleibens hinter einem hinreichenden Criminal-ComplianceProgramm ist vergleichsweise einfach zu bestimmen, wenn der Verband vor der Straftat überhaupt kein Criminal-Compliance-Programm installiert hatte. Schwieriger wird es dagegen, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein defizitäres Criminal-Compliance-Programm installiert worden war. Einerseits kann ein Criminal-Compliance-Programm als „Feigenblatt“, welches aus Imagegründen der Öffentlichkeit und den Strafgerichten lediglich vorspiegeln soll, dass der Verband Anstrengungen zur Unterbindung verbandsbezogener Gesetzesverstöße unternimmt, nicht ausreichen. Andererseits werden die Criminal-Compliance-Bemühungen selten hinreichend gewesen sein. Hat der Verband hinreichende Criminal-Compliance-Bemühungen ergriffen, scheidet eine Verbandsstrafbarkeit bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern aus. Hätte der Verband bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen hinreichende Criminal-Compliance-Bemühungen ergriffen, wäre es häufig gar nicht erst zur Straftat gekommen. Ist es trotz hinreichender Criminal-Compliance-Bemühungen zu einer verbandsbezogenen Straftat eines Organs gekommen, reduziert dies das Maß der Verbandsschuld. Zwischen diesen beiden Eckpunkten liegen die im Folgenden zu behandelnden (praxisrelevanten) defizitären Criminal-Compliance-Programme. Damit sich das Criminal-ComplianceProgramm strafmildernd auswirkt, muss festgestellt werden, ob dieses trotz seiner Fehlerhaftigkeit einen zumindest teilweise geeigneten und subjektiv ernst gemeinten Versuch darstellt, verbandsbezogene Straftaten zu unterbinden.1222 Compliance umfasst die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Dies lässt sich auf fast jedes Rechtsgebiet erstrecken, wie beispielsweise das Arbeits-, das Kartell- und das Steuerrecht. Damit ein Compliance-Programm im Verbandsstrafrecht bei der Strafzumessung überhaupt berücksichtigt werden kann, ist zu fordern, dass es sich spezifisch mit den strafrechtlichen Risiken der Verbandstätigkeit und deren Eindämmung beschäftigt, also ein Criminal-Compliance-Programm ist. Darüber hinausgehend muss das Criminal-Compliance-Programm bei einer auf das Strafrecht bezogenen Gesamtbetrachtung als ein im Grundsatz funktionsfähiges und effektives Programm erscheinen, das lediglich punktuell Lücken und Fehler aufweist. Zur weiteren Konkretisierung dieses Erfordernisses ist auf das oben beschriebene 3-SäulenModell zurückzugreifen, wonach ein optimales Criminal-Compliance-Programm sich aus dem Entwurf eines Criminal-Compliance-Programms, dessen Implementierung und seiner Durchsetzung und Weiterentwicklung zusammensetzt.1223 1222 Für die Festlegung von Mindeststandards für Compliance-Programme bei der Bemessung von Geldbußen im Ordnungswidrigkeitenrecht Moosmayer/Gropp-Stadler NZWiSt 2012, 241 (243). 1223 Siehe 2. Teil D. II. 2. c) aa) (2) (a), (b), (c).

200

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Um ein vorheriges Criminal-Compliance-Programm berücksichtigen zu können, müssen zumindest die Elemente der 1. und der 2. Säule vorliegen, also die Entwicklung und Implementierung des Criminal-Compliance-Programms. Die Elemente der 3. Säule in Gestalt der Durchsetzung und Weiterentwicklung sind indessen nur dann erforderlich, wenn es bereits in der Vergangenheit zu anderen verbandsbezogenen Straftaten gekommen ist, die dem Verband bekannt geworden sind. Damit bei der Entwicklung des Criminal-Compliance-Programms die Rede davon sein kann, dass es lediglich punktuelle Lücken aufweist, müssen die relevanten nationalen und internationalen Strafvorschriften systematisch dahingehend begutachtet worden sein, durch welche verbandsbezogenen Verhaltensweisen sie verletzt werden können. Anschließend ist die Wahrscheinlichkeit der Realisierung zu untersuchen, um festlegen zu können, welche konkreten Criminal-Compliance-Maßnahmen zu ergreifen sind. Diese müssen so ausgestaltet sein, dass verbandsbezogene Zuwiderhandlungen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren voraussichtlich unterbunden werden. Sind bei dieser Analyse einzelne Szenarien übersehen worden, können die Criminal-Compliance-Anstrengungen dennoch strafmindernd berücksichtigt werden. Im Rahmen der Implementierung des Criminal-Compliance-Programms müssen die entwickelten Maßnahmen zeitnah und konsequent umgesetzt werden, indem dem Criminal-Compliance-Beauftragten regelmäßig über die Fortschritte berichtet wird. Zudem muss in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden, ob die Criminal-Compliance-Vorgaben in der Praxis auch tatsächlich eingehalten werden. Ist es hierbei in einzelnen Bereichen zu Kontrolldefiziten gekommen, obwohl sich der Verband ansonsten redlich um die Kontrolle bemüht hat, können die Criminal-Compliance-Anstrengungen strafmildernd berücksichtigt werden. (2) Weitere Kriterien Als weitere Kriterien zur Bemessung des Aufsichtsmangels kommen seine Art und Dauer (zeitliches Ausmaß) in Betracht. Bezüglich der Art des Aufsichtsmangels könnte man erwägen, zwischen sog. direkten und indirekten Aufsichtsmängeln zu differenzieren. Erstere sind dadurch gekennzeichnet, dass der Individualtäter die Rechtsgutsverletzung unmittelbar selbst herbeigeführt hat. Demgegenüber zeichnen sich Letztere dadurch aus, dass die Rechtsgutsverletzung dem Individualtäter objektiv zurechenbar ist, jedoch noch ein weiterer Zwischenschritt erforderlich war. Für den Verband ist es grundsätzlich einfacher, solchen Handlungen durch Aufsichtsmaßnahmen zu begegnen, die unmittelbar zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung geführt haben. Ist die kausale Verbindung dagegen komplexer, wird es für den Verband tendenziell schwieriger, das Gefahrenpotential einer solchen Handlung ex-ante vorauszusehen und ihr durch Aufsichtsmaßnahmen zu begegnen. Dennoch erscheint diese Differenzierung nicht wirklich überzeugend. Auch bei indirekten Aufsichtsmängeln kann eine Rechtsgutsverletzung nahe liegen, wenn der Verbraucher ein defektes Verbandsprodukt entsprechend seinem Zweck verwendet. Maßgeblich für die Wahrscheinlichkeit der Rechtsgutsverletzung sind stets die Umstände des Einzelfalls. Dies führt jedoch dazu, dass eine Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Aufsichtsmängeln mit keinem Erkenntnisgewinn in Bezug auf das Ausmaß des Aufsichtsmangels

D. Strafzumessung bei Verbänden

201

verbunden ist. Daher ist die Art des Aufsichtsmangels kein geeignetes Kriterium, um dessen Ausmaß zu quantifizieren. Die Dauer umschreibt die zeitliche Komponente des Aufsichtsdefizits. Je länger dieser Mangel im Verband bestand, desto größer ist seine Verantwortlichkeit. Besteht ein Aufsichtsmangel über einen längeren Zeitraum, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass er zur Begehung einer verbandsbezogenen Straftat ausgenutzt wird. Zur Entdeckung von Aufsichtsdefiziten ist dem Verband jedoch eine gewisse Zeitspanne zuzubilligen. Schließlich kann dieser nicht permanent sein Criminal-Compliance-Programm auf Mängel überprüfen. In welchen zeitlichen Abständen er dies tun muss, hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind dabei die Schwere drohender Rechtsgutsverletzungen infolge verbandsbezogener Straftaten und deren Eintrittswahrscheinlichkeit. (3) Zwischenergebnis Der Umfang des Zurückbleibens hinter hinreichenden Criminal-Compliance-Anforderungen ist anhand der Schwere und Dauer des Aufsichtsmangels zu bestimmen. Für die Schwere des Aufsichtsmangels kommt es sowohl auf die Wahrscheinlichkeit von verbandsbezogenen Straftaten als auch auf die Frage an, ob das Criminal-Compliance-Programm trotz seiner Fehler- und Lückenhaftigkeit einen zumindest teilweise geeigneten und subjektiv ernst gemeinten Versuch darstellt, verbandsbezogene Straftaten zu unterbinden. d) Zwischenergebnis Criminal Compliance ist ein Rechtsinstrument zur Vermeidung strafrechtlicher Verantwortlichkeit. Durch ein ordnungsgemäßes Criminal-Compliance-Programm erfüllt der Verband die ihm obliegende Aufsichtspflicht bzgl. betriebsbezogener Zuwiderhandlungen. Inwieweit der Verband Criminal-Compliance-Maßnahmen ergriffen hat, beeinflusst das Maß seiner Schuld. Daher gehört dies zu den mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG regelungsbedürftigen Grundzügen der Strafzumessung. Ein ordnungsgemäßes Criminal-Compliance-Programm beruht auf 3 Säulen: dem Entwurf eines Criminal-Compliance-Programms, dessen Implementierung sowie dessen Durchsetzung und Weiterentwicklung. Im Rahmen der vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen werden v.a. der Entwurf des Criminal-Compliance-Programms und dessen Implementierung relevant. Criminal-Compliance-Maßnahmen müssen mit geltendem Recht vollumfänglich in Einklang stehen. Ein etwaiger, vor der Tat bestehender Aufsichtsmangel ist anhand der Kriterien der Dauer und der Schwere zu quantifizieren. Die Schwere des Aufsichtsmangels ist nach der Wahrscheinlichkeit verbandsbezogener Straftaten und des Ausmaßes des Aufsichtsdefizits zu bestimmen. 3. Sonstige Umstände bei der Strafzumessung Alle Strafzumessungsfaktoren, die sich nicht auf das Unrecht der Anknüpfungstat oder das Aufsichtsdefizit des Verbands beziehen, werden bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen wie auch bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern in gleichem Maße relevant.1224

1224

Siehe 2. Teil D. I. 2. b), c).

202

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Diese umfassen vor allem Verhalten nach der verbandsbezogenen Straftat. Derartiges Verhalten darf nur dann für die Strafzumessung berücksichtigt werden, wenn es Schlüsse auf den Unrechtsgehalt der Tat zulässt oder Einblick in die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat gewährt.1225 Zu den mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot regelungsbedürftigen Grundzügen1226 zählen nachträgliche Criminal-Compliance-Maßnahmen (hierzu a)), die Schadenswiedergutmachung (hierzu b)), verbandsseitige Angaben zu Straftaten (hierzu c)) und interne Untersuchungen (hierzu d)). a) Nachträgliche Criminal-Compliance-Maßnahmen Durch die erstmalige Einrichtung eines Criminal-Compliance-Programms oder durch die Verbesserung eines schon vor der Tat bestehenden Criminal-Compliance-Programms sowie durch die Entlassung der Individualtäter dokumentiert der Verband Einsicht in das von ihm begangene Unrecht.1227 Innerhalb des von der Schuld vorgegebenen Rahmens kann dies eine Minderung der spezialpräventiven Bedürfnisse indizieren. Der BGH hat die bußgeldmindernde Wirkung von nachträglichen Compliance-Maßnahmen im Ordnungswidrigkeitenrecht festgestellt.1228 Um die Frage beantworten zu können, wie sich ein nachträgliches Criminal-ComplianceProgramm auf die Strafhöhe auswirkt, ist zunächst darzustellen, inwiefern der österreichische Gesetzgeber nachträgliche Criminal-Compliance-Bemühungen bei der Strafzumessung berücksichtigt (hierzu aa)). Nach den Ausführungen zu den Anforderungen an nachträgliche Criminal-Compliance-Bemühungen (hierzu bb)) ist abschließend zum Umfang der Berücksichtigung bei der Strafzumessung Stellung zu nehmen (hierzu cc)). aa) Rechtslage in Österreich § 5 Abs. 3 Z 5 VbVG sieht die strafmildernde Berücksichtigung von nach der Tat installierten Aufsichtsmaßnahmen vor. In Frage kommende Präventivmaßnahmen sind dabei laufende Schulungen der Mitarbeiter sowie effiziente interne Kontrollsysteme. Daneben ist an die Bestellung geeigneter verantwortlicher Beauftragter zu denken.1229 Hiermit will der österreichische Gesetzgeber Anreize schaffen, präventives Risikomanagement zu forcieren.1230 Auch wenn der Ansatz, präventives Risikomanagement zu fördern, zu begrüßen ist, ist eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, was nachträgliche Criminal-Compliance-Bemühungen ausmacht. bb) Anforderungen an nachträgliche Criminal-Compliance-Programme Bei der Berücksichtigung von nachträglichen Criminal-Compliance-Bemühungen kommt in besonderem Maße der Gedanke zum Tragen, dass aus den vorangegangenen Verfehlungen Konsequenzen zu ziehen sind. Entscheidend für nachträgliche Criminal-Compliance1225

BGH NStZ 1985, 545; BGH StV 1988, 340. Siehe 2. Teil D. II. 1227 Für eine Berücksichtigung als Nachtatverhalten im Kartellordnungswidrigkeitenrecht Brettel/Thomas Compliance und Unternehmensverantwortlichkeit im Kartellrecht S. 71 f.; Krebs/Eufinger/Jung CCZ 2011, 213 (215 f.). 1228 BGH Urt. v. 09.05.2017 Az.: 1 StR 265/16 Rn. 118; zur Rezeption im Schrifttum vgl. Baur/Holle NZG 2018, 14; Eufinger NZG 2018, 327. 1229 Steininger VbVG § 5 Rn. 33. 1230 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 187. 1226

D. Strafzumessung bei Verbänden

203

Bemühungen ist die 3. Säule des 3-Säulen-Modells für Criminal-Compliance-Programme,1231 also die Weiterentwicklung und die Durchsetzung des Criminal-Compliance-Programms. (1) Weiterentwicklung des Criminal-Compliance-Programms Ein bestehendes Criminal-Compliance-Programm ist in 2 Dimensionen zu überprüfen. Zum einen ist zu untersuchen, wie die Verwirklichung vergleichbarer Straftaten in Zukunft besser vermieden werden kann. Dafür ist es erforderlich zu analysieren, welche Aufsichtsmaßnahmen unzureichend waren und wie der Täter ggf. bestehende Kontrollmechanismen überwunden hat. Zum anderen ist der Frage nachzugehen, inwieweit die Verfehlung Ausdruck eines strukturellen Mangels im Criminal-Compliance-Programm ist, der auch zur Begehung anderer Straftaten ausgenutzt werden könnte.1232 Diese Analyse ist dabei detailliert zu dokumentieren. Die gewonnenen Erkenntnisse sind anschließend im Criminal-Compliance-Programm umzusetzen. Hat der Verband dagegen bisher überhaupt kein Criminal-Compliance-Programm installiert, sind ein erstmaliger Entwurf eines Criminal-Compliance-Programms (1. Säule) und dessen Implementierung (2. Säule) vorzunehmen.1233 Soweit der Verband diese Anforderungen erfüllt hat, kann auch die nachträgliche Installation oder Verbesserung eines Criminal-Compliance-Programms strafmildernd berücksichtigt werden. (2) Durchsetzung des Criminal-Compliance-Programms Die Durchsetzung des Criminal-Compliance-Programms beinhaltet neben dem unverzüglichen Abstellen des beanstandeten Verhaltens die angemessene Reaktion auf Fehlverhalten, um die Verbandsangehörigen zu normgemäßem Verhalten zu motivieren. Die Reaktion auf Fehlverhalten hat sich an dem Ziel von Criminal Compliance – der Verhinderung verbandsbezogener Straftaten – zu orientieren. In Betracht kommen die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen1234 und Personalmaßnahmen. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen befördert auch die Prävention künftiger Straftaten, weil sie Täter von verbandsbezogenen Straftaten abschreckt. Dennoch beeinflusst sie die Strafzumessung nicht, weil der Verband diese Maßnahmen ausschließlich im eigenen Interesse vornimmt, Schäden aus der verbandsbezogenen Straftat geltend zu machen. Die präventive Wirkung ist ein reiner Reflex. Derartiges Handeln ist nicht strafmildernd zu berücksichtigen. 1231

Siehe 2. Teil D. II. 2. c) aa) (2) (c). Kritisch in Bezug auf eine Beschränkung von nachträglichen Compliance-Bemühungen auf vergleichbare Straftaten auch Utz NZWiSt 2015, 377 (380); Hein CCZ 2014, 75 (78 f.). 1233 Siehe 2. Teil D. II. 2. c) aa) (2) (a), (b). 1234 Die Frage, ob Geldsanktionen einen ersatzfähigen Schaden des Verbands darstellen, ist umstritten. Vgl. Zimmermann WM 2008, 433; Bachmann BB 2015, 911; Fleischer BB 2008, 1070; Gaul AG 2015, 109; Glöckner/Müller-Tautphaeus AG 2001, 344; Horn ZIP 1997, 1129; Dreher in FS Konzen S. 85; Rust ZWeR 2015, 299; Kollmann/Aufdermauer BB 2015, 1024; Koch VersR 2015, 655; Bischke/Brack NZKart 2015, 349. Das LAG Düsseldorf hält die Kartellgeldbuße für nicht ersatzfähig Urt. v. 20.01.2015 Az.: 16 Sa 459/14. Mögliche Schäden sind nicht auf Geldbußen beschränkt, sondern umfassen beispielsweise auch Schadensersatzzahlungen, Rechtsanwaltskosten, etc. 1232

204

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Die Entlassung von Verbandsangehörigen bezweckt demgegenüber unmittelbar, zukünftige verbandsbezogene Straftaten zu verhindern. Die Präventionswirkung ist nicht lediglich ein Rechtsreflex. Überdies hat der Verband gerade bei leistungsstarken Verbandsangehörigen häufig trotz der Straftat kein Interesse, diese zu verlieren. Daher kann die Entlassung von Verbandsangehörigen strafmildernd zu berücksichtigen sein. Die Reaktion auf Fehlverhalten muss – wie alle anderen Criminal-Compliance-Maßnahmen auch1235 – die Grenzen des geltenden Rechts respektieren. Personelle Maßnahmen wie Kündigungen und Abmahnungen können vom Verband nur in den Grenzen des geltenden Rechts verlangt werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass verbandsbezogene Straftaten sowohl durch rechtsgeschäftliches (z.B. Betrug durch Übersenden überhöhter Abrechnungen) als auch durch tatsächliches Handeln (z.B. Körperverletzung durch Inverkehrbringen gefährlicher Gegenstände) begangen werden können. Ist die rechtliche Zulässigkeit der Maßnahme gesichert, ist in einem 2. Schritt zu prüfen, ob die Anforderungen eines effektiven Criminal-Compliance-Programms die entsprechende Maßnahme verlangen. Das ist nicht stets der Fall. Insbesondere bei lediglich fahrlässigem Verhalten des Individualtäters können auch mildere Maßnahmen als eine Entlassung ausreichen, wenn das Verhalten nicht längere Zeit angedauert hat. Hierbei ist zwischen verbandsbezogenen Straftaten von Organen und Mitarbeitern zu differenzieren. (a) Verbandsbezogene Straftaten von Organen Begeht ein Organ eine verbandsbezogene Straftat, verletzt es zugleich seine nebenvertraglichen Pflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) aus dem Dienstvertrag bzw. seine Treuepflicht als Gesellschafter, wenn es zugleich Gesellschafter ist. Der Verband muss sich daher überlegen, welche rechtlichen Konsequenzen er gegenüber dem Organ ergreift. Hierbei ist zwischen juristischen Personen und Personengesellschaften zu unterscheiden. Zunächst ist jeweils darauf einzugehen, wie zukünftig Straftaten bei den Verbänden verhindert werden können, um anschließend aufzuzeigen, welche Maßnahmen bei vorsätzlichen und bei fahrlässigen verbandsbezogenen Straftaten rechtlich möglich sind. (aa) Personelle Maßnahmen bei juristischen Personen Organe einer juristischen Person müssen nicht zugleich deren Gesellschafter sein (Grundsatz der Fremdorganschaft). Außerdem werden die Organe nicht durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt, sondern müssen förmlich bestellt werden (sog. gekorene Organe). Von der Bestellung – der Ernennung zum Organ – ist die diesem Rechtsverhältnis zugrundeliegende schuldrechtliche Anstellung zu unterscheiden.1236 Die Bestellung ist grundsätzlich frei widerruflich.1237 Sowohl die externe Vertretungsmacht als auch die interne Geschäftsführungsbefugnis erlöschen durch die Abberufung.1238 Das 1235

Siehe 2. Teil D. II. 2. c) aa) (3). Münch. Hdb. GesR III/Diekmann/Marsch-Barner § 42 Rn. 19; Scholz/Schneider/Hohenstatt § 35 GmbHG Rn. 251; Michalski/Lenz GmbHG § 35 Rn. 114 f.; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen in GmbHG § 35 Rn. 32. 1237 Vgl. exemplarisch für die GmbH § 38 Abs. 1 GmbHG. 1238 Oetker in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht § 38 GmbHG Rn. 42. 1236

D. Strafzumessung bei Verbänden

205

Erlöschen der externen Vertretungsmacht beugt verbandsbezogenen Straftaten vor, die durch rechtsgeschäftliches Handeln begangen werden. Die interne Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich auf alle Handlungen, die die Tätigkeit dieses Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt. Hierzu zählen auch tatsächliche Handlungen. Durch den Entzug der internen Geschäftsführungsbefugnis werden somit Straftaten verhindert, die durch tatsächliches Handeln als Organ begangen werden. Der Widerruf der Bestellung kann allerdings im Gesellschaftsvertrag auf das Vorliegen eines wichtigen Grunds beschränkt werden.1239 Dieser entspricht regelmäßig den Gründen für eine außerordentliche Kündigung.1240 In Anlehnung an § 314 Abs. 1 BGB, der bei Dienstverhältnissen durch § 626 BGB konkretisiert wird, muss der Umstand so gewichtig sein, dass ein Verbleiben des Organs in seiner Organstellung für den Verband unzumutbar ist. Durch die Abberufung endet der einer Anstellung zugrundeliegende Dienstvertrag regelmäßig nicht automatisch,1241 es sei denn, es besteht eine Koppelungsklausel, nach der die Abberufung auch zur Beendigung des Dienstverhältnisses führt. Vielmehr muss das Dienstverhältnis grundsätzlich gekündigt werden. Dies kann außerordentlich nach § 626 BGB oder ordentlich geschehen. Zu beachten ist, dass das Kündigungsschutzgesetz auf Organe keine Anwendung findet (§ 14 Abs. 1 KSchG). Auch das schuldrechtliche Verhältnis kann somit ohne besondere Anforderungen zumindest fristgerecht beendet werden. Eine Ausnahme gilt, wenn der Geschäftsführer zuvor Arbeitnehmer war und das Arbeitsverhältnis ausnahmsweise nicht durch den Geschäftsführerdienstvertrag beendet, sondern lediglich suspendiert wurde. Im Gegensatz zu Arbeitnehmern steht einem Organ, wenn das Dienstverhältnis trotz Abberufung fortbesteht, kein Anspruch auf eine tatsächliche Beschäftigung zu – weder als Organ noch als sonstiger Mitarbeiter.1242 Dies ist von Bedeutung, weil verbandsbezogene Straftaten auch durch tatsächliches Handeln als Mitarbeiter begangen werden können. Ist das Organ zugleich Gesellschafter (Gesellschafter-Geschäftsführer), ist auch der Ausschluss des Organs als Gesellschafter zu erwägen. Diese Problematik stellt sich jedoch typischerweise bei Personengesellschaften, weil das Organ wegen des dort geltenden Grundsatzes der Selbstorganschaft1243 zugleich Gesellschafter sein muss. Daher wird zu dieser Problematik sogleich bei den Personengesellschaften Stellung genommen. Bei vorsätzlichen verbandsbezogenen Straftaten kann die Bestellung als Organ widerrufen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Widerruf auf das Vorliegen eines wichtigen Grunds beschränkt wird. Vorsätzliche verbandsbezogene Straftaten stellen einen wichtigen Grund dar. Daneben kann auch der Dienstvertrag außerordentlich gekündigt werden. Jedenfalls eine fristgemäße Kündigung des Dienstverhältnisses bleibt möglich. Bei fahrlässigen verbandsbezogenen Straftaten kann die Bestellung als Organ stets widerrufen werden, wenn sie frei widerruflich ist. Ist der Widerruf an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebunden, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Bei einem gravierenden 1239

Vgl. exemplarisch für die GmbH § 38 Abs. 2 GmbHG. Oetker in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht § 38 GmbHG Rn. 20. 1241 Oetker in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht § 38 GmbHG Rn. 43. 1242 Oetker in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht § 38 GmbHG Rn. 43. 1243 Hierzu Servatius in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht § 709 BGB Rn. 13; § 714 BGB Rn. 4 f. 1240

206

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Fehlverhalten, das zu einem objektiven Vertrauensverlust in die Fähigkeiten des Organs zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung führt, wird ein Widerruf der Bestellung meistens auch bei einem erstmaligen Fehlverhalten möglich sein. Ansonsten wird man bei fahrlässigen verbandsbezogenen Straftaten einen wichtigen Grund in der Regel nur bei wiederholtem Fehlverhalten annehmen können. Der Dienstvertrag ist immer ordentlich kündbar. Eine fristlose Kündigung des Dienstvertrags wird dann möglich sein, wenn ein wichtiger Grund für einen Widerruf vorliegt. Zumindest fristgemäß kann sich der Verband stets vom Dienstvertrag mit dem Organ lösen. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass bei vorsätzlichen Organstraftaten sowohl die Bestellung widerrufen als auch der Dienstvertrag regelmäßig fristlos gekündigt werden kann. Begeht das Organ die verbandsbezogene Zuwiderhandlung lediglich fahrlässig, ist ein Widerruf der Bestellung stets möglich, wenn hierfür kein wichtiger Grund erforderlich ist. Ansonsten hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab. Gleiches gilt für die Frage der fristlosen Kündigung des Dienstvertrags. Eine fristgemäße Kündigung des Dienstvertrags ist grds. stets möglich. Ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung steht dem Organ nicht zu. (bb) Personelle Maßnahmen bei Personengesellschaften Wegen des Grundsatzes der Selbstorganschaft1244 müssen Organe dieser Verbände stets zugleich Gesellschafter sein. Sofern der Gesellschaftsvertrag nicht regelt, wer Organ ist, gelten die Regeln des dispositiven Gesetzesrechts (bei der GbR §§ 709, 714 BGB; bei der OHG §§ 114, 125 HGB). Begeht ein Organ eine verbandsbezogene Straftat, ist zu prüfen, ob dem Organ die Vertretungsmacht zu entziehen ist, um Straftaten durch rechtsgeschäftliches Handeln zu verhindern, und ob seine tatsächliche Tätigkeit für den Verband zu beenden ist, um Straftaten durch tatsächliches Handeln zu unterbinden. Daneben ist noch zu überlegen, ob dem Organ die Gesellschafterstellung zu entziehen ist, damit dieses keinen Einfluss mehr auf den Verband nehmen kann. Die Vertretungsmacht kann dem Organ bei Vorliegen eines wichtigen Grunds entweder durch Gesellschafterbeschluss (bei der GbR § 715 BGB) oder durch gerichtliche Entscheidung (bei der OHG § 127 HGB) entzogen werden. Im Gesellschaftsvertrag der OHG darf bestimmt werden, dass ein Entzug auch durch Gesellschafterbeschluss möglich ist.1245 Auf das Vorliegen eines wichtigen Grunds kann verzichtet werden.1246 In diesem Fall ist der Entzug der Vertretungsmacht stets möglich. Die Tätigkeit des Organs für den Verband ist bei Personengesellschaften dadurch zu beenden, dass dem Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis entzogen wird. Diese erstreckt sich auf alle Handlungen, die die Verbandstätigkeit gewöhnlicherweise mit sich bringt (vgl. § 116 Abs. 1 HGB für die OHG). Die Geschäftsführungsbefugnis kann dem Organ bei Vorliegen eines wichtigen Grunds entweder durch Gesellschafterbeschluss (bei der GbR § 715 BGB) oder durch gerichtliche 1244

Hierzu Servatius in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht § 709 BGB Rn. 13; § 714 BGB Rn. 4 f. Baumbach/Hopt HGB § 127 Rn. 12. 1246 Servatius in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht § 712 BGB Rn. 12. 1245

D. Strafzumessung bei Verbänden

207

Entscheidung (bei der OHG § 117 HGB) entzogen werden. Im Gesellschaftsvertrag der OHG kann wie bei der Vertretungsmacht geregelt werden, dass ein Entzug auch durch Gesellschafterbeschluss ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich ist.1247 Daneben ist noch an einen Ausschluss des Gesellschafters zu denken. Dies ist sowohl bei der OHG (§ 131 HGB) als auch bei der GbR möglich, wenn eine Fortsetzungsklausel besteht, die eine Auflösung der Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters verhindert.1248 Der Ausschluss eines Gesellschafters ist lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grunds möglich. Dies ist nur der Fall, wenn der Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich bzw. grob fahrlässig verletzt oder wenn ihm deren Erfüllung unmöglich wird.1249 Den übrigen Gesellschaftern muss es objektiv und bei verständiger Würdigung aller Gesamtumstände unzumutbar sein, mit dem „störenden“ Gesellschafter die Gesellschaft fortzusetzen. Die Ausschließung hat im Lichte der gesellschaftlichen Treuepflicht die „ultima ratio“ zu sein, weil andere Möglichkeiten der Bewältigung der Krise nicht mehr in Betracht kommen. Zu erwägen sind stets mildere Lösungen wie z.B. der Entzug der Vertretungsmacht und der Geschäftsführungsbefugnis.1250 In die grundsätzlich notwendige Gesamtabwägung sind neben dem eigentlichen Fehlverhalten des Auszuschließenden seine Stellung als Gesellschafter im Verband, seine Verdienste für das gemeinsame Unternehmen sowie das Maß der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses einzubeziehen.1251 Bei vorsätzlichen verbandsbezogenen Straftaten wird ein Entzug der Vertretungsmacht regelmäßig möglich sein. Bedarf es eines wichtigen Grundes, kommt es bei fahrlässigen verbandsbezogenen Straftaten auf den Einzelfall an. Bei gravierendem Fehlverhalten, das zu einem objektiven Vertrauensverlust in die Fähigkeiten des Organs zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung führt, wird – wie bei juristischen Personen – regelmäßig ein wichtiger Grund vorliegen. Sofern die Vertretungsmacht durch einfachen Gesellschafterbeschluss ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes entzogen werden kann, reicht eine fahrlässige verbandsbezogene Straftat stets aus. Für die Geschäftsführungsbefugnis gilt das Gleiche wie für die Vertretungsmacht. Ein Ausschluss als Gesellschafter wird bei vorsätzlichen verbandsbezogenen Straftaten häufig möglich sein. Bei fahrlässigen verbandsbezogenen Straftaten ist er die Ausnahme. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass ein Entzug der Vertretungsmacht und der Geschäftsführungsbefugnis bei vorsätzlichen Straftaten regelmäßig, bei fahrlässigen Straftaten abhängig vom Einzelfall möglich ist. Beim Verzicht auf einen wichtigen Grund ist beides stets zulässig. Bei vorsätzlichen Straftaten kann ein Organ häufig, bei fahrlässigen Straftaten nur ausnahmsweise als Gesellschafter ausgeschlossen werden.

1247

Baumbach/Hopt HGB § 117 Rn. 12. Kilian in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht § 737 BGB Rn. 3. 1249 Kilian in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht § 737 BGB Rn. 5. 1250 Kilian in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht § 737 BGB Rn. 5; BGH NZG 2003, 625 (626). 1251 Vgl. BGHZ 4, 108 (111); BGH NZG 2003, 625 (626). 1248

208

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

(cc) Effektives Criminal-Compliance-Programm Ist die rechtliche Zulässigkeit der Maßnahmen sichergestellt, ist in einem 2. Schritt zu fragen, ob die Anforderungen eines effektiven Criminal-Compliance-Programms die zulässigen Maßnahmen auch verlangen. Damit dieses effektiv zur Verhinderung von verbandsbezogenen Straftaten beitragen kann, muss angemessen auf Verfehlungen reagiert werden.1252 Ein effektives Criminal-Compliance-Programm erfordert nicht, dass der Verband jede Maßnahme ergreift, die rechtlich zulässig ist. Es können auch mildere Maßnahmen als die Trennung von dem Individualtäter ausreichen. Entscheidender Parameter bei der Frage, wie auf eine bekannt gewordene Verfehlung reagiert werden muss, ist das Ziel von Criminal Compliance, nämlich die Begehung verbandsbezogener Straftaten zu verhindern. Abgestimmt auf die Schwere des persönlichen Fehlverhaltens der natürlichen Person muss der Verband so reagieren, dass einerseits der Individualtäter voraussichtlich keine weiteren verbandsbezogenen Straftaten begehen wird und andererseits weitere Verbandsangehörige von der Begehung einer verbandsbezogenen Straftat abgeschreckt werden. Ersteres kann als compliance-orientierte Spezialprävention bezeichnet werden, weil es hier darum geht, weitere Straftaten durch den Delinquenten zu verhindern. Letzteres ist als compliance-orientierte Generalprävention einzuordnen, die die Rechtstreue der übrigen Belegschaft stabilisieren soll. Bei vorsätzlichen Straftaten von Organen einer juristischen Person ist deren Abberufung in der Regel geboten. Auch der Dienstvertrag wird regelmäßig fristlos zu beenden sein. Derjenige, der vorsätzlich verbandsbezogene Straftaten begeht, setzt sich bewusst über das Verbandsinteresse an strafrechtskonformem Verhalten hinweg. Bei diesem Täter ist grundsätzlich mit der Begehung weiterer verbandsbezogener Straftaten zu rechnen. Zudem muss der übrigen Belegschaft signalisiert werden, dass die vorsätzliche Begehung verbandsbezogener Straftaten keinesfalls akzeptiert wird. Ausnahmen kommen allenfalls dann in Betracht, wenn das Organ nach gründlicher Analyse der Rechtslage davon ausging, dass das Verhalten nicht strafbar ist. Ist das Organ zugleich Gesellschafter (Gesellschafter-Geschäftsführer), wird ein effektives Criminal-Compliance-Programm dessen Ausschluss aus der Gesellschaft nicht stets verlangen. Sofern sichergestellt ist, dass der Gesellschafter nicht mehr operativ für den Verband tätig ist, ist die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten in hinreichendem Maße gebannt. Ein differenziertes Bild ergibt sich in Bezug auf fahrlässige verbandsbezogene Organstraftaten bei juristischen Personen. Hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, ob eine Abberufung und Beendigung des Dienstverhältnisses geboten ist. In diesem Zusammenhang sind insbesondere der Grad der Fahrlässigkeit, die Dauer des Außerachtlassens der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt sowie das Ausmaß der Rechtsgutsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen. Bei groben und langwierigen Verstößen können eine Abberufung und die Beendigung des Dienstverhältnisses erforderlich sein. Häufig wird eine Abmahnung jedoch ausreichen, es sei denn, das Organ hat in der Vergangenheit bereits fahrlässige verbandsbezogene Zuwiderhandlungen begangen. Begeht es erstmals eine fahrlässige verbandsbezogene Zuwider1252

Siehe 2. Teil D. II. 2. c) aa) (2).

D. Strafzumessung bei Verbänden

209

handlung, kann in der Regel erwartet werden, dass das Organ durch eine Abmahnung von der Begehung weiterer verbandsbezogener Straftaten abgehalten wird. Dadurch wird auch der übrigen Belegschaft verdeutlicht, dass der Verband fahrlässige verbandsbezogene Zuwiderhandlungen nicht hinnimmt, ohne zugleich unangemessen hart auf „Fehler“ zu reagieren. Die gleichen Grundsätze gelten bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen einer Personengesellschaft. Bei vorsätzlichen Straftaten dieser Personen werden aus Criminal-Compliance-Gesichtspunkten regelmäßig die Vertretungsmacht und die Geschäftsführungsbefugnis zu entziehen sein. Bei fahrlässigen Straftaten kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Ein Ausschluss aus der Gesellschaft wird nur in seltenen Ausnahmefällen erforderlich sein, weil die Gefahr der Verwirklichung weiterer verbandsbezogener Straftaten dadurch hinreichend gebannt ist, dass das Organ nicht mehr für den Verband tätig sein wird. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen wird auch nicht bei sog. Amnestieprogrammen angezeigt sein. Diese werden von Verbänden bei der Aufklärung verbandsbezogener Straftaten eingesetzt.1253 Um die Aussagebereitschaft der Verbandsangehörigen bei einer internen Untersuchung zu erhöhen, wird bei einer Aussage häufig auf eine Kündigung verzichtet. Daneben können weitere Zusagen treten, wie z.B. der Verzicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, die Freistellung von Rechtsverteidigungskosten sowie die Übernahme der gegen den Individualtäter verhängten Geldstrafe.1254 Organe sind jedoch von Amnestieprogrammen auszunehmen, wenn ihnen rechtmäßig gekündigt werden kann.1255 Diese haben Vorbildfunktion und sind zur Festlegung von Verbandssinn berufen. Begehen sie dennoch eine verbandsbezogene Straftat, werden die dargestellten Konsequenzen regelmäßig unerlässlich sein, um glaubwürdig zu kommunizieren, dass der Verband verbandsbezogene Straftaten nicht toleriert. (b) Verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern Auch bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern ist der Verband gehalten zu überlegen, wie er wem gegenüber reagiert. Der Verband muss sich darüber Gedanken machen, ob er personelle Maßnahmen gegenüber dem delinquenten Mitarbeiter zu unternehmen gedenkt (hierzu (aa)). Da neben die Straftat stets ein Aufsichtsdefizit tritt, ist der Verband verpflichtet, ebenfalls zu entscheiden, ob er personelle Maßnahmen gegenüber seinen Organen ergreift (hierzu (bb)). Anschließend ist darauf einzugehen, ob die Anforderungen eines effektiven Criminal-Compliance-Programms die zulässigen Maßnahmen verlangen (hierzu cc)). (aa) Reaktion gegenüber dem Mitarbeiter Mitarbeiter können verbandsbezogene Straftaten vor allem durch tatsächliches Handeln begehen. Sollte dem Mitarbeiter Vertretungsmacht erteilt worden sein, ist diese grundsätzlich frei widerruflich (§ 168 S. 1 BGB). Bedarf es ausnahmsweise eines wichtigen Grundes, gelten die gleichen Grundsätze wie für den Entzug der Vertretungsmacht bei Organen.1256

1253 Ausführlich zu Amnestieprogrammen und den damit verbundenen Problemen Kahlenberg/Schwinn CCZ 2012, 81; Kienast in FS Wessing S. 649. 1254 Kahlenberg/Schwinn CCZ 2012, 81 (83). 1255 So auch Kahlenberg/Schwinn CCZ 2012, 81 (82); eher kritisch in Bezug auf Organe auch Kienast in FS Wessing S. 649 (658). 1256 Siehe 2. Teil D. II. 3. a) bb) (2) (a) (aa).

210

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Dem Mitarbeiter steht ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung zu.1257 Um weitere verbandsbezogene Straftaten zu verhindern, muss der Verband das Arbeitsverhältnis beenden. Neben einer einvernehmlichen Aufhebung kann der Verband das Arbeitsverhältnis einseitig durch eine außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung beenden. Dabei ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die Kündigung keine Sanktionierung für vergangenes Fehlverhalten darstellt, sondern den Eintritt zukünftiger Störungen verhindern soll (Prognoseprinzip).1258 Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB ist in einem 2-stufigen Schema zu prüfen.1259 Zuerst ist die Frage zu beantworten, ob der Sachverhalt – unabhängig von den Umständen des Einzelfalls – an sich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellt.1260 Dies wird bei verbandsbezogenen Straftaten regelmäßig der Fall sein, weil der Mitarbeiter hierdurch seine vertraglichen Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag (§ 241 Abs. 2 BGB) erheblich verletzt. Dies beeinträchtigt das Arbeitsverhältnis auch für die Zukunft. Auf der 2. Stufe bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung.1261 Es müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist stets von einer Einzelfallabwägung abhängig. Anders als bei Organen besteht bei vorsätzlich begangenen Mitarbeiterstraftaten kein Erfahrungssatz, dass in diesem Fall eine außerordentliche Kündigung regelmäßig wirksam ist. Dies gilt sogar bei vorsätzlichen Straftaten zum Nachteil des Arbeitgebers,1262 die keine verbandsbezogenen Straftaten sind.1263 Ist aber selbst bei Straftaten zum Nachteil des Verbands eine einzelfallbezogene Abwägung unumgänglich, gilt dies natürlich erst recht bei sonstigen Straftaten. Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung eines Mitarbeiters bedarf einer Rechtfertigung nach dem Kündigungsschutzgesetz, sofern dieses in persönlicher und sachlicher Hinsicht auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Dies ist der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht (§ 1 Abs. 1 KSchG) und grundsätzlich im Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden (§ 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG). Bei leitenden Angestellten besteht stets die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen (§ 14 Abs. 2 KSchG). Außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes bedarf die ordentliche Kündigung aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben, die sich aus der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs. 1 GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) 1257

BAG Urt. v. 27.02.2002 Az.: 9 AZR 562/00 Rn. 38; BAG Urt. v. 09.04.2010 Az.: 10 AZR 637/13. BAG Urt. v. 13.12.2007 Az.: 2 AZR 818/06 Rn. 40. 1259 BAG NZA 2000, 421 (423 ff.). 1260 BAG NZA 2000, 421 (423 ff.). 1261 BAG NZA 2000, 421 (425 ff.). 1262 BAG Urt. v. 10.06.2010 Az.: 2 AZR 541/09 Rn. 44. 1263 Siehe 1. Teil C. I. 2. a) cc) (1). 1258

D. Strafzumessung bei Verbänden

211

ergeben,1264 über die Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB eines Mindestmaßes an sozialer Rücksichtnahme.1265 Der Arbeitgeber darf sich z.B. nicht widersprüchlich verhalten.1266 Sofern der Mitarbeiter nicht von den Organen zu den verbandsbezogenen Straftaten aufgefordert wurde, ist eine Kündigung gerechtfertigt. Um eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes rechtfertigen zu können, bedarf es zunächst eines vertragswidrigen Verhaltens. Dies ist bei verbandsbezogenen Straftaten der Fall. Hieraus folgt die erforderliche negative Prognose, weil die Vertragsstörung so schwerwiegend ist, dass eine vertrauensvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich erscheint. Auch bei der ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung ist stets zu prüfen, ob nicht mildere Mittel zur Verfügung stehen, wie etwa eine Abmahnung.1267 Daneben bedarf es immer einer umfassenden Interessenabwägung. Bei dieser spielen u.a. der Grad des Verschuldens, die Bedeutung der verletzten Vertragspflicht, die Beeinträchtigung betrieblicher Belange, die Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie die Dauer der störungsfreien Vertragsbeziehung eine Rolle.1268 Anders als bei der außerordentlichen Kündigung muss dem Verband hier aber nicht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, sondern nur die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Kündigungsfrist hinaus unzumutbar sein. Der Anspruch des Mitarbeiters auf tatsächliche Beschäftigung endet grundsätzlich mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Widerspricht der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung des Mitarbeiters und erhebt dieser Kündigungsschutzklage, steht dem Mitarbeiter ein Weiterbeschäftigungsanspruch über die Kündigungsfrist hinaus zu (§ 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG). Erweist sich die Kündigung als rechtmäßig, erlischt das Arbeitsverhältnis. Auf Antrag kann sich der Verband von der Pflicht zur Weiterbeschäftigung entbinden lassen, wenn die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BetrVG). Bei einer außerordentlichen Kündigung besteht dagegen kein Weiterbeschäftigungsanspruch. Es ist festzuhalten, dass eine dem Mitarbeiter erteilte Vollmacht grundsätzlich stets widerrufen werden kann, wenn nicht ein wichtiger Grund erforderlich ist. Dieser liegt bei vorsätzlichen verbandsbezogenen Straftaten regelmäßig vor, bei fahrlässigen Straftaten in Abhängigkeit vom Einzelfall. Anders als bei Organen bedürfen sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung stets einer Interessenabwägung im Einzelfall. Etwas anderes gilt nur für die ordentliche Kündigung, wenn das KSchG keine Anwendung findet. Bei leitenden Angestellten besteht zumindest die Möglichkeit, sich gegen Zahlung einer Geldsumme vom Arbeitsverhältnis zu lösen. (bb) Konsequenzen für das Organ Neben der Sanktionierung von Mitarbeitern wegen einer verbandsbezogenen Straftat muss sich der Verband Gedanken darüber machen, ob zusätzlich Personalmaßnahmen gegenüber Organen ergriffen werden müssen. Der Grund hierfür ist, dass neben die verbandsbezogene 1264

BVerfGE 97, 169 (177 ff.). BAG Urt. v. 21.02.2001 Az.: 2 AZR 15/00. 1266 BAG Urt. v. 05.04.2001 Az.: 2 AZR 185/00. 1267 BAG Urt. v. 22.10.2015 Az.: 2 AZR 569/14. 1268 BAG Urt. v. 22.10.2015 Az.: 2 AZR 569/14. 1265

212

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Mitarbeiterstraftat stets ein Überwachungsdefizit treten muss, damit sich der Verband strafbar macht. Mit der Überwachung betraut sind die Organe des Verbands.1269 Im Unterschied zum Verband können diese als natürliche Person einwenden, dass sie die Kontrollaufgabe auf andere Personen übertragen haben und diese Personen ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht haben.1270 Sofern den Organen bei der Überwachung oder der Delegation persönliche Versäumnisse anzulasten sind, muss überlegt werden, ob diese ggf. auszutauschen sind. Zur rechtlichen Zulässigkeit von Personalmaßnahmen gegenüber dem Organ gelten die oben gemachten Ausführungen bei verbandsbezogenen Organstraftaten entsprechend. Ist diesem bezüglich des Überwachungsdefizits Vorsatz vorzuwerfen, werden Personalmaßnahmen regelmäßig Erfolg haben. Bei juristischen Personen kann das Organ in der Regel abberufen und der Dienstvertrag fristlos gekündigt werden, bei Personengesellschaften können dem Organ die Vertretungsmacht und die Geschäftsführungsbefugnis entzogen werden. Unter Umständen kommt auch ein Entzug der Gesellschafterstellung in Betracht. Hat das Organ lediglich fahrlässig in Bezug auf das Überwachungsdefizit gehandelt, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Liegt ein grobes Überwachungsverschulden vor, werden die gleichen Personalmaßnahmen wie bei vorsätzlichem Verhalten möglich sein. Bei normaler Fahrlässigkeit sind Personalmaßnahmen nur zulässig, wenn sie nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grunds gekoppelt sind. (cc) Effektives Criminal-Compliance-Programm Wie oben gezeigt, ist nach Feststellung der rechtlichen Zulässigkeit etwaiger Maßnahmen in einem 2. Schritt danach zu fragen, ob die Anforderung eines effektiven Criminal-ComplianceProgramms diese Maßnahmen auch erfordern.1271 Entscheidender Parameter bei der Frage, wie auf eine bekannt gewordene Verfehlung reagiert werden muss, ist – wie gezeigt – das Ziel von Criminal Compliance, die Begehung verbandsbezogener Straftaten zu verhindern. Abgestimmt auf die Schwere des persönlichen Fehlverhaltens der natürlichen Personen muss der Verband so reagieren, dass einerseits der Mitarbeiter voraussichtlich keine weiteren verbandsbezogenen Straftaten begehen wird und die Organe ihrer Aufsichtsaufgabe gerecht werden. Andererseits müssen weitere Verbandsangehörige von der Begehung von verbandsbezogenen Straftaten abgeschreckt werden. Zunächst ist dabei auf die Frage der Sanktionen gegenüber dem Mitarbeiter einzugehen. Wie oben gezeigt, kann sich der Verband regelmäßig nicht sicher sein, ob er den Mitarbeiter rechtswirksam entlassen kann.1272 Aufgrund dieser nicht zu behebenden Unsicherheit ist dem Verband bei der Frage, ob und wie er auf eine verbandsbezogene Straftat eines Mitarbeiters reagiert, ein Prognosespielraum zuzubilligen. Der Verband hat dabei die Wirksamkeitschancen einer Kündigung auf Basis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, ggf. nach Einholung von qualifiziertem Rechtsrat, zu analysieren. Der Prognosespielraum ist dann überschritten, wenn sich die von dem Verband anzustellende Prognose als unhaltbar erweist. 1269

Siehe 2. Teil D. II. 2. c) aa) (2) (a). Zum Einwand ordnungsgemäßer Delegation durch den Verband siehe 1. Teil D. V. 1. 1271 Siehe 2. Teil D. II. 3. a) bb) (2). 1272 Siehe 2. Teil D. II. 3. a) bb) (2) (b) (aa). 1270

D. Strafzumessung bei Verbänden

213

Der dem Verband zustehende Prognosespielraum kann von diesem auch dergestalt ausgefüllt werden, dass er sich zu einer einvernehmlichen Trennung gegen Zahlung einer Abfindung entschließt. Hierzu ist der Verband berechtigt, wenn nach der Analyse der Chancen einer etwaigen Kündigung substantielle Zweifel an deren Rechtswirksamkeit verbleiben. Über die einvernehmliche Trennung stellt der Verband sicher, dass der Mitarbeiter den Verband definitiv verlässt. Diese Gewissheit darf sich der Verband durch die Zahlung einer angemessenen Abfindung „erkaufen“. Deren Höhe muss dabei realistischer Ausdruck des Risikos der Unwirksamkeit der Kündigung sein. Je wahrscheinlicher sich die Kündigung als rechtswirksam erweist, desto geringer muss der Betrag ausfallen. Keinesfalls darf durch unangemessen hohe Abfindungen der Eindruck entstehen, dass sich die Begehung verbandsbezogener Straftaten finanziell lohnt. Daneben muss sich der Verband auch überlegen, welche Maßnahmen er gegenüber den Organen ergreift, die den Mitarbeiter defizitär überwacht haben. Bei vorsätzlichem Überwachungsverschulden wird die Entfernung des Organs in aller Regel geboten sein. Bei fahrlässigem Verhalten kommt es dagegen auf die Umstände des Einzelfalls an. Sofern kein wiederholtes Fehlverhalten oder ein besonders gravierendes Überwachungsverschulden vorliegt, wird eine Abmahnung regelmäßig ausreichen. Anders als bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen kann eine Ausnahme von diesen Grundsätzen bei sog. Amnestieprogrammen1273 zugunsten der Mitarbeiter unter bestimmten Voraussetzungen angezeigt sein. Bei Organen scheidet eine Amnestie mit Blick auf deren Vorbildfunktion aus.1274 Zunächst muss ein Amnestieprogramm erforderlich sein, d.h. die Sachverhaltsaufklärung muss ohne den Einsatz einer Amnestie unzumutbar erschwert sein.1275 Die Teilnahme am Amnestieprogramm ist davon abhängig zu machen, dass der Mitarbeiter vollständig aussagt und einen echten Mehrwert zur Sachverhaltsaufklärung beisteuert.1276 Außerdem darf der Mitarbeiter nicht zuvor an einem Amnestieprogramm teilgenommen haben. Von der Freistellung von Rechtsverteidigungskosten und der Übernahme einer gegen den Mitarbeiter verhängten Geldstrafe ist dagegen abzusehen. Wird der Mitarbeiter von allen Rechtsnachteilen, die aus seinem strafbaren Verhalten resultieren, befreit, ist dies mit einer effektiven Kriminalprävention durch ein Criminal-Compliance-Programm nicht zu vereinbaren. cc) Umfang der Berücksichtigung Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch schlägt vor, dass das Gericht von einer Verbandssanktion absehen kann, wenn der Verband ausreichende organisatorische oder personelle Maßnahmen getroffen hat, um vergleichbare Verbandsstraftaten in Zukunft zu vermeiden. Zudem darf ein bedeutender Schaden nicht entstanden sein oder dieser muss zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht worden sein (§ 5 Abs. 1 VerbStG-E).

1273

Siehe 2. Teil D. II. 3. a) bb) (2) (a) (cc). Siehe 2. Teil D. II. 3. a) bb) (2) (a) (cc). 1275 Kahlenberg/Schwinn CCZ 2012, 81 (82). 1276 Für derartige Voraussetzungen auch Kahlenberg/Schwinn CCZ 2012, 81 (82 f.). 1274

214

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Nachträgliche Criminal-Compliance-Bemühungen setzen dem Handlungsunwert der verbandsbezogenen Straftat positive Leistungen entgegen. Der Verband bemüht sich, dass er zukünftig seiner Aufgabe gerecht werden kann, verbandsbezogenen Straftaten mit Aufsichtsmaßnahmen entgegenzutreten. Dies gilt für verbandsbezogene Straftaten von Mitarbeitern wie für verbandsbezogene Straftaten von Organen. Wenngleich selbst hinreichende Criminal-Compliance-Bemühungen eine Strafbarkeit bei Letzteren nicht ausschließen, ist es doch positiv zu bewerten, dass der Verband Anstrengungen unternimmt, dass sich verbandsbezogene Straftaten nicht wiederholen. Solche Bemühungen mindern die im Schuldrahmen zu beachtenden spezialpräventiven Bedürfnisse gegenüber dem Verband und können daher eine Strafmilderung innerhalb des Schuldrahmens rechtfertigen. Eine Strafrahmenverschiebung oder gar ein Absehen von Strafe ist jedoch allein durch nachträgliche Criminal-Compliance-Bemühungen nicht zu rechtfertigen. Dies liegt daran, dass dem Erfolgsunwert keine positiven Leistungen gegenüberstehen. Zur Frage, inwiefern derartige Konsequenzen gerechtfertigt sind, wenn nachträgliche Criminal-Compliance-Bemühungen mit Wiedergutmachungsleistungen zusammentreffen, wird sogleich bei den Wiedergutmachungsleistungen Stellung genommen. An der Regelung des NRW-Entwurfs ist jedoch zu kritisieren, dass sie lediglich verlangt, dass sich nachträgliche Criminal-Compliance-Bemühungen auf vergleichbare Straftaten erstrecken. Wie gezeigt, sollte die Begehung einer verbandsbezogenen Straftat zum Anlass genommen werden, das Criminal-Compliance-Programm insgesamt zu überprüfen. Daher ist der Frage nachzugehen, inwieweit es strukturelle Mängel aufweist, die auch zur Begehung nicht vergleichbarer Straftaten ausgenutzt werden können. Nachträgliche Criminal-Compliance-Maßnahmen, die nicht hinreichend sind, können strafmildernd berücksichtigt werden, wenn sie sich dennoch als Ausdruck der Einsicht des Verbands in seine defizitäre Aufsichtsstruktur darstellen. Je näher die nachträglichen Criminal-Compliance-Maßnahmen an das erforderliche Maß heranreichen, desto stärker werden sie strafmindernd zu berücksichtigen sein. dd) Zwischenergebnis Die nachträglichen Criminal-Compliance-Bemühungen umfassen die Weiterentwicklung des Criminal-Compliance-Programms und die angemessene Reaktion auf Fehlverhalten der natürlichen Personen. Bei der Weiterentwicklung ist einerseits darauf zu achten, wie vergleichbare Straftaten in Zukunft vermieden werden können. Andererseits ist zu prüfen, inwiefern ein Aufsichtsdefizit auch zur Begehung anderer verbandsbezogener Straftaten ausgenutzt werden kann. Bei der angemessenen Reaktion auf Fehlverhalten ist zunächst zu klären, welche Maßnahmen rechtlich zulässig sind. Anschließend ist in einem 2. Schritt zu prüfen, ob die Anforderungen eines effektiven Criminal-Compliance-Programms diese Maßnahme verlangen. Die angemessene Reaktion auf Fehlverhalten hat sich an dem Ziel von Criminal Compliance – der Unterbindung von verbandsbezogenen Straftaten – zu orientieren. Verbandsbezogene Straftaten können durch rechtsgeschäftliches oder tatsächliches Handeln begangen werden. Bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen einer juristischen Person ist zu prüfen, ob die Bestellung zu widerrufen und der Anstellungsvertrag zu kündigen ist. Handelt es sich bei dem Verband um eine Personengesellschaft, geht es um den Entzug der Vertretungsmacht und der

D. Strafzumessung bei Verbänden

215

Geschäftsführungsbefugnis des delinquenten Organs. Unter Umständen kommt auch ein Ausschluss als Gesellschafter in Betracht, falls das Organ zugleich Gesellschafter ist. Ist die Maßnahme rechtlich zulässig, werden die Anforderungen eines effektiven Criminal-Compliance-Programms bei vorsätzlichen Straftaten die Anwendung zulässiger Maßnahmen regelmäßig erfordern. Bei fahrlässigen Straftaten kommt es auf den Einzelfall an. Bei verbandsbezogenen Straftaten eines Mitarbeiters kommen diesem gegenüber eine Kündigung und der Entzug einer ggf. erteilten Vollmacht in Betracht. Gegenüber den Organen, die den Individualtäter unzureichend beaufsichtigt haben, sind die gleichen Maßnahmen wie bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen zu prüfen. Ist die Maßnahme rechtlich zulässig, gelten für Organe die oben genannten Grundsätze für ein effektives Criminal-Compliance-Programm. Bei Mitarbeitern können weniger strenge Maßnahmen im Rahmen eines Amnestieprogramms zulässig sein. Nachträgliche Criminal-Compliance-Bemühungen setzen dem Handlungsunwert der verbandsbezogenen Straftat positive Leistungen entgegen. Der Verband demonstriert, dass er zukünftig seiner Aufgabe gerecht werden will, verbandsbezogenen Straftaten mit Aufsichtsmaßnahmen entgegenzutreten. Derartige Bemühungen mindern die im Schuldrahmen zu beachtenden spezialpräventiven Bedürfnisse gegenüber dem Verband. Sie können daher eine Strafmilderung innerhalb des Schuldrahmens rechtfertigen. Eine Strafrahmenverschiebung oder gar ein Absehen von Strafe ist jedoch allein mit nachträglichen Criminal-Compliance-Bemühungen nicht begründbar. b) Schadenswiedergutmachung § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB verpflichtet das Gericht im Individualstrafrecht ausdrücklich, das Bemühen des Täters zur Schadenswiedergutmachung sowie sein Bemühen zum Ausgleich mit dem Verletzten bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Darüber hinaus ermöglicht § 46a StGB – als weiterer gesetzgeberischer Anreiz zu Ausgleichsbemühungen –1277 eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe bei bestimmten Wiedergutmachungsleistungen des Täters. Die Regelung in § 46a StGB sieht sich vielfältiger Kritik ausgesetzt.1278 Bemängelt werden z.B. eine kaum kalkulierbare Flexibilisierung des Verfahrens sowie gegen Strafzwecke und Opferinteressen zuwiderlaufende Scheinlösungen. Ungeachtet dieser Kritik muss sich ein deutsches Verbandsstrafrecht der Herausforderung stellen, überzeugende Lösungen für die Berücksichtigung von Wiedergutmachungsleistungen durch den Verband bereitzuhalten. Vorab ist die Berücksichtigung von Wiedergutmachungsleistungen des Verbands in Österreich in den Blick zu nehmen (hierzu aa)). Danach ist darzustellen, wie die Schadenswiedergutmachung unter Berücksichtigung der präventiven Belange von Strafe in die Sanktionierung integriert werden kann (hierzu bb)). Im Anschluss wird erläutert, inwiefern Verbände zur Schadenswiedergutmachung in der Lage sind (hierzu cc)), bevor auf die Problematik der Schadenswiedergutmachung bei mehreren Tätern einzugehen ist (hierzu dd)). Abschließend wird zum Umfang der Berücksichtigung im Rahmen der Strafzumessung Stellung genommen (hierzu ee)). 1277

Hierzu BGH NJW 2001, 2557. Meier JuS 1996, 436; Meier GA 1999, 1; Kilchling NStZ 1996, 309; Loos in FS Hirsch S. 851 ff.; Noltenius GA 2007, 518; Weigend in FS Müller-Dietz S. 975 (987 ff.); Detter in FS Mehle S. 157 (160).

1278

216

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

aa) Rechtslage in Österreich Im VbVG wird das Verhalten des Verbands nach der Tat berücksichtigt. Explizit als strafmildernder Strafzumessungsfaktor genannt ist die Wiedergutmachung der Folgen der Tat (§ 5 Abs. 3 Z 4 VbVG). Die Rechtfertigung dieses Milderungsgrunds liegt in der Reduktion der objektiven Tatschwere.1279 Eine Wiedergutmachung ist dabei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu berücksichtigen.1280 Interessant ist, dass das österreichische Individualstrafrecht eine Strafmilderung auch zulässt, wenn der Schaden von einem Dritten für den Täter gutgemacht worden ist (§ 34 Z 14 2. Fall Ö-StGB). Im Verbandsstrafrecht wäre dies nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 3 Z 4 VbVG nicht möglich. Dennoch wird im Schrifttum davon ausgegangen, dass auch Wiedergutmachungsleistungen durch Dritte strafmildernd zu berücksichtigen seien.1281 Diese Fragestellung bedarf jedoch einer vertieften Erörterung. Anders als im Individualstrafrecht sind bei der verbandsbezogenen Straftat regelmäßig der Individualtäter und der Verband verantwortlich.1282 Daher muss sich ein Verbandsstrafrecht detailliert mit der Frage auseinandersetzen, wie sich Wiedergutmachungsleistungen des Individualtäters auf die Verbandsstrafbarkeit auswirken. Angesichts dieser ungelösten Probleme kann die österreichische Regelung nicht als Vorlage für ein deutsches Verbandsstrafrecht dienen. bb) Schadenswiedergutmachung und präventive Strafbelange Die Berücksichtigung der Wiedergutmachung im Strafrecht darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Strafrecht sich nicht auf die Lösung eines Konflikts zwischen dem Täter und dem Opfer beschränkt. Die im staatlichen Strafanspruch zum Ausdruck kommenden Interessen der Gesellschaft in Gestalt der Bewährung der Rechtsordnung und dem Schutz künftiger Opfer müssen angemessen berücksichtigt werden.1283 Die freiwillige Schadenswiedergutmachung stellt ein im Rahmen der positiven Spezialprävention zu berücksichtigendes Moment dar. Vor dem Strafzweck der Spezialprävention ist die strafmildernde Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung nicht zu beanstanden. Die generalpräventive Wirkung von Strafe wird jedoch empfindlich herabgesetzt, wenn die Rechtsfolgen einer Straftat im Wesentlichen den zivilrechtlichen Restitutionsregeln entsprächen.1284 Andere Tatgeneigte werden im Rahmen der negativen Generalprävention weniger abgeschreckt. Zudem leidet auf Dauer auch die positive Generalprävention in Gestalt

1279

Steininger VbVG § 5 Rn. 31. Steininger VbVG § 5 Rn. 32. 1281 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 187. 1282 Eine Ausnahme ist z.B. denkbar, wenn die natürliche Person im Gegensatz zum Verband nicht schuldhaft gehandelt hat; vgl. zum unterschiedlichen Schuldverständnis 1. Teil D. II., V. 2.; zur kumulativen Verantwortlichkeit von Individualtäter und Verband siehe 1. Teil F. I. 1283 Kritisch Kubink in FS Kohlmann S. 53 (61), der davon spricht, dass das Opfer in die Sanktionsverantwortung genommen wird. 1284 Hirsch ZStW 102, 534 (536); Bedenken im Hinblick auf die Generalprävention äußert auch Loos in FS Hirsch S. 851 (853 ff.). 1280

D. Strafzumessung bei Verbänden

217

der Stabilisierung der Normtreue der Bevölkerung, wenn die Allgemeinheit feststellt, dass die Normübertretung weitgehend risikolos wird.1285 Ob ein unzumutbarer Verlust der generalpräventiven Wirkung der Strafe eintritt, hängt vom Maß der Berücksichtigung der Wiedergutmachung bei den Straffolgen ab.1286 Einer Berücksichtigung des Wiedergutmachungsgedankens im Strafrecht an sich steht die Generalprävention nicht entgegen. Daher sind die verschiedenen Modelle für eine Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung darauf zu untersuchen, ob sie inhaltlich überzeugen und ob sie den generalpräventiven Bedürfnissen angemessen Rechnung tragen. (1) Wiedergutmachung als selbstständige strafrechtliche Sanktion Eine Meinungsgruppe geht davon aus, dass die Wiedergutmachung eine selbstständige strafrechtliche Sanktion darstellt. Sie unterteilt sich in 2 Strömungen. Nach der 1. Strömung soll die im Strafverfahren als Rechtsfolge einer Straftat angeordnete Wiedergutmachung den Charakter einer Strafe haben.1287 Zur Begründung wird angeführt, dass sie generalpräventiv wirke und vom Täter als Übel empfunden werde. Dies reicht jedoch nicht aus, um die Wiedergutmachung als Strafe zu qualifizieren. Generalprävention und Übelsempfindung sind allen negativen Konsequenzen einer Straftat immanent, seien sie zivil- oder strafrechtlich. Das Bundesverfassungsgericht betont ausdrücklich, dass eine Übelszufügung nicht ausreicht, um eine Reaktion als Strafe oder strafähnliche Maßnahme zu qualifizieren.1288 Bei einer Strafe geht es anders als beim Schadensersatz um die Zufügung eines Übels, das über die Schadenskompensation hinausgeht.1289 Das dem Täter auferlegte Strafübel soll den schuldhaften Normverstoß ausgleichen. Es ist Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit.1290 Wenngleich Wiedergutmachung und Schadenskompensation nicht identisch sind,1291 ist die Schnittmenge zwischen beiden sehr groß. Die 2. Strömung ordnet die Wiedergutmachung nicht als Strafe, sondern als eine selbstständige strafrechtliche Sanktion ein, die als strafrechtliche 3. Spur neben Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung trete.1292 Zur Begründung wird angeführt, dass sich aus der positiven Generalprävention als Teilaspekt die Integrationsprävention ergebe.1293 Diese sei auf den Befriedungseffekt gerichtet, der sich einstelle, wenn der Delinquent so viel getan habe, dass das allgemeine Rechtsbewusstsein sich über den Rechtsbruch beruhige und den Konflikt mit dem Täter als erledigt ansehe. Daher sei es möglich, die Wiedergutmachung als eine die Strafe ersetzende oder ergänzend

1285

Dölling ZStW 102, 1 (17 f.). So auch Loos in FS Hirsch S. 851 (855). 1287 Sessar in FS Leferenz S. 145 (152 ff.); Jung ZStW 99, 497 (518 ff.). 1288 BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 59. 1289 Hirsch ZStW 102, 534 (538). 1290 BVerfGE 95, 96 (140); BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 58. 1291 BGH NStZ-RR 2009, 133 (134); Kaspar GA 2003, 146 (150); Kilchling NStZ 1996, 309 (312); so wohl auch Rose JZ 2010, 189 (192). 1292 Roxin in Wiedergutmachung und Strafrecht S. 37 (51 f.). 1293 Roxin in Wiedergutmachung und Strafrecht S. 37 (47 ff.). 1286

218

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

mildernde 3. Spur neben Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung in den Rechtsfolgenkatalog aufzunehmen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die durch die Tat entstehende Befriedungsaufgabe des Strafrechts sich auf den Bereich des Strafanspruchs beschränkt. Die Entschädigung betrifft dagegen die friedensstiftende Funktion des zivilen Deliktsrechts, selbst wenn sie über das Adhäsionsverfahren mit dem Strafverfahren verbunden wird.1294 Das Strafrecht als Teilgebiet der Rechtsordnung befasst sich mit den staatlichen Strafansprüchen sowie den daraus resultierenden Strafen und Maßregeln. Bei der zu verhängenden Strafe handelt es sich um die gerechte Ahndung der Tat und der Prävention, die davon auf Täter und Allgemeinheit ausgeht. Die Befriedungsfunktion besteht gegenüber der Allgemeinheit. Die Strafzwecke beziehen sich auf Rechtsfolgen spezifisch strafrechtlicher Natur. Es geht um Instrumente der Einwirkung auf den Täter.1295 Dass das Opfer eine Entschädigung erhält, ist ein außerhalb dieser Zwecke liegendes Aliud.1296 Im Ergebnis vermag die Qualifikation der Wiedergutmachung als selbstständige strafrechtliche Sanktion inhaltlich nicht zu überzeugen. Weder handelt es sich bei ihr um eine Strafe noch um eine 3. Spur neben Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung. (2) Wiedergutmachung als Strafzumessungsfaktor Aus den vorherigen Ausführungen folgt indes nicht, dass die Wiedergutmachung überhaupt ohne strafrechtliche Relevanz bleiben müsste. Es kommt vielmehr darauf an, ihr eine Rolle innerhalb des Strafrechts zuzuweisen, die ihren genuin zivilrechtlichen Charakter unberührt lässt.1297 Ist eine Straftat begangen worden, sollen nach der Rechtsordnung zivil- und strafrechtliche Rechtsfolgen eintreten, die die Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens bezwecken. Wirkt der Täter an der Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Rechtszustands mit, verdient er eine Strafmilderung. Er dokumentiert hierdurch seine motivatorische Reue.1298 Überdies setzt der Täter dem Erfolgs- und dem Handlungsunwert der Tat positive, sozial-konstruktive Leistungen entgegen, die das Unrecht der Tat mindern. Der Erfolgsunwert wird dabei durch die Rückgängigmachung der Tatfolgen reduziert, dem Handlungsunwert wird eine freiwillige Leistung über die Rückgängigmachung der Tatfolgen entgegengesetzt.1299 Die Wiedergutmachung stellt einen „actus contrarius“ zur Auflehnung des Täters gegen die Rechtsordnung durch die Tat dar.1300 Die Strafmilderung ist umso größer zu bemessen, je mehr der Täter an der Wiederherstellung mitgewirkt hat.1301

1294

Hirsch ZStW 102, 534 (540 f.). Kaufmann Strafrechtsdogmatik zwischen Sein und Wert S. 276. 1296 Hirsch ZStW 102, 534 (541). 1297 So auch Hirsch ZStW 102, 534 (544). 1298 Hirsch ZStW 102, 534 (544). 1299 Meier GA 2015, 443 (449). 1300 Freund/Garro Carrera ZStW 118, 76 (98). 1301 Dölling in FS Frisch S. 1181 (1186). 1295

D. Strafzumessung bei Verbänden

219

Schließlich dient die Wiedergutmachung auch einer auf Reintegration des Opfers ausgerichteten Prävention. Das durch die Viktimisierung gestörte Normvertrauen soll wiederhergestellt werden, damit das Opfer nicht selbst in Zukunft Straftaten in kriminogenen Anreizsituationen begeht.1302 Grundsätzlich ist die Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung daher bei der Strafzumessung nicht zu beanstanden.1303 Die Schadenswiedergutmachung im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen, trägt ihrem zivilrechtlichen Charakter Rechnung. Deswegen überzeugt diese Methode der Berücksichtigung inhaltlich. Außerdem vermeidet sie einen unzulässigen Verlust der generalpräventiven Wirkung von Strafe. cc) Schadenswiedergutmachung durch Verbände Ist die grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit der Schadenswiedergutmachung gesichert, ist in einem 2. Schritt der Frage nachzugehen, wie die Schadenswiedergutmachung im Individualstrafrecht systematisch aufgebaut ist und wie sie sich von der zivilrechtlichen Restitution unterscheidet (hierzu (1)). Anschließend ist zu untersuchen, welche Wiedergutmachungsleistungen von Verbänden sinnvoll erbracht werden können (hierzu (2)). (1) Systematik und Abgrenzung zur zivilrechtlichen Restitution Im Individualstrafrecht besteht neben der Erwähnung der Schadenswiedergutmachung als allgemeiner Strafzumessungsgrund in § 46 Abs. 2 StGB eine spezielle Regelung zum Täter-Opfer-Ausgleich in § 46a StGB. § 46a StGB ist gegenüber § 46 Abs. 2 StGB die speziellere Norm.1304 Bei Wiedergutmachungsbemühungen ist vorrangig zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 46a StGB vorliegen. Ist dies nicht der Fall, sind derartige Leistungen im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung nach § 46 StGB zu berücksichtigen. Die Abgrenzung der beiden Alternativen des § 46a StGB ist umstritten. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass § 46a Nr. 1 StGB die immateriellen und § 46a Nr. 2 StGB die materiellen Folgen der Straftat betrifft.1305 Zur Begründung verweist sie auf den Wortlaut. In § 46a Nr. 1 StGB sei vom „Täter-Opfer-Ausgleich“, dem „Ausgleich mit dem Verletzten“ und der „Wiedergutmachung“ der Tat die Rede, während § 46a Nr. 2 StGB von „Schadenswiedergutmachung“ und „Entschädigung“ spreche. Dieser Abgrenzung ist in der Literatur widersprochen worden.1306 Sie führt zu Wertungswidersprüchen, weil dem Täter, der dem Opfer neben materiellen auch immaterielle Schäden zufügt, der „voraussetzungsärmere“ § 46a Nr. 1 StGB zur Verfügung steht. Dagegen muss der

1302

Zu diesem Aspekt Kilchling NStZ 2002, 57 (59). Dölling in FS Frisch S. 1181 (1186); Loos in FS Hirsch S. 851 (853); explizit für den Täter-OpferAusgleich Stein NStZ 2000, 393 (395 ff.). 1304 Fischer StGB § 46a Rn. 4; Loos in FS Hirsch S. 851 (859 f.); Rössner/Bannenberg in GS Meurer S. 157 (172); Kilchling NStZ 1996, 309 (311). 1305 BGH NStZ 1995, 492. 1306 Rose JZ 2010, 189 (190 f.); Schöch in Festgabe BGH S. 309 (323); Dierlamm NStZ 2000, 536; Kühl/Heger JZ 2002, 363; kritisch auch Kaspar GA 2003, 146 (148). 1303

220

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Täter, der dem Opfer „lediglich“ materielle Schäden zufügt, den „umständlicheren Weg“ über § 46a Nr. 2 StGB gehen.1307 Richtigerweise sind die Alternativen von § 46a StGB nach der Art der Ausgleichsleistung voneinander abzugrenzen.1308 In § 46a Nr. 1 StGB wird die erfolgreiche oder ernsthaft erstrebte Schadenskompensation mit einem persönlichen Ausgleich in Form eines kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer verknüpft. Dagegen umfasst § 46a Nr. 2 StGB die reine Schadenswiedergutmachung, die ohne kommunikative Konfliktlösung zwischen Täter und Opfer auskommt, dafür jedoch erhebliche finanzielle Einbußen beim Täter erfordert. Zudem verlangt § 46a Nr. 2 StGB ein Gelingen der Wiedergutmachung, wohingegen bei § 46a Nr. 1 StGB das ernsthafte Bemühen ausreicht. Da beide Alternativen des § 46a StGB unterschiedliche personale Elemente voraussetzen, stehen sie gleichwertig nebeneinander und können sich sogar überschneiden.1309 Strafrechtliche Schadenswiedergutmachung ist nicht mit der zivilrechtlichen Restitution identisch.1310 Zur Abgrenzung der strafrechtlichen Wiedergutmachung von der zivilrechtlichen Restitution ist einerseits festzuhalten, dass die Erfüllung der zivilrechtlichen Ansprüche für sich allein nicht ausreicht. Andererseits bedarf es keiner vollständigen Erfüllung der zivilrechtlichen Forderungen.1311 Hinzutreten muss ein personales Element auf Seiten des Täters. Bei § 46a Nr. 1 StGB bedarf es eines persönlichen Bemühens des Täters um einen Ausgleich mit dem Opfer.1312 Eine erhebliche persönliche Leistung ist Voraussetzung für die Anwendung von § 46a Nr. 2 StGB. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die Schadenswiedergutmachung und die zivilrechtliche Restitution eine große Schnittmenge aufweisen. Eine vollständige Erfüllung der zivilrechtlichen Forderungen ist einerseits nicht vonnöten, andererseits aber – wegen des personalen Elements – auch nicht ausreichend für die Schadenswiedergutmachung. (2) Verbandsseitige Wiedergutmachungsleistungen Auch bei Verbänden ist zwischen Leistungen nach § 46a Nr. 1 StGB, § 46a Nr. 2 StGB und sonstigen Leistungen (§ 46 Abs. 2 StGB) zu differenzieren. § 46a Nr. 1 StGB verlangt eine völlige oder überwiegende Wiedergutmachung bzw. das Erstreben derselben. Als Wiedergutmachungsleistungen kommen die materielle Wiedergutmachung (z.B. Rückgabe oder Schadensersatz), die immaterielle Wiedergutmachung

1307

Rose JZ 2010, 189 (190); Dierlamm NStZ 2000, 536. Rose JZ 2010, 189 (190 f.); Schöch in Festgabe BGH S. 309 (323 f.); Dierlamm NStZ 2000, 536 (537); Dölling/Hartmann NStZ 2002, 366; Kühl/Heger JZ 2002, 363. 1309 Rose JZ 2010, 189 (191); Schöch in Festgabe BGH S. 309 (319). 1310 BGH NStZ-RR 2009, 133 (134); Kaspar GA 2003, 146 (150); Kilchling NStZ 1996, 309 (312); so wohl auch Rose JZ 2010, 189 (192). 1311 Kaspar GA 2003, 146 (150). 1312 Dölling/Hartmann NStZ 2002, 366; Rössner/Bannenberg in GS Meurer S. 157 (167); so auch Schöch in FS Rissing-van Saan S. 639 (653), der unter Verweis auf den BGH von einem kommunikativen Prozess durch Einbeziehung des Verletzten spricht. 1308

D. Strafzumessung bei Verbänden

221

(z.B. Hilfsdienste für das Opfer) und symbolische Leistungen auf Wunsch des Opfers (z.B. Spende an gemeinnützige Organisationen) in Betracht.1313 Eine überwiegende Wiedergutmachung wird erstrebt, wenn der Täter z.B. Sicherungsinstrumente für die zukünftigen Zahlungen aufbringen kann. Als Formel kommt dabei in Betracht, dass der Täter bis zur Hälfte des aufzubringenden Betrags vollwertige Sicherheiten stellen muss.1314 Des Weiteren verlangt § 46a Nr. 1 StGB ein Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen. Zur Konkretisierung dieses Erfordernisses verlangt die Rechtsprechung, dass ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer erfolgen muss. Dieser hat sich auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen zu richten. Einseitiges Wiedergutmachungsbestreben ohne jedenfalls den Versuch einer Einbeziehung des Opfers reicht hierfür nicht aus.1315 Entscheidend ist die Einbeziehung des Opfers in die Ausgleichsbemühungen.1316 Dafür ist ein förmliches Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren nicht erforderlich, weil der Wortlaut von § 46a Nr. 1 StGB ein solches nicht voraussetzt.1317 Auch ein Wiedergutmachungsangebot durch den Verteidiger kann genügen, wenn dieser nur als Überbringer der vom Täter selbst initiierten Entschuldigung und Mitteilung der Zahlungsbereitschaft agiert.1318 Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch geht in der Gesetzesbegründung davon aus, dass ein personalisierter Ausgleich zwischen Täter und Opfer bei Verbänden nicht möglich sei.1319 Dem ist jedoch zu widersprechen. Auch ein Verband kann sich zu seiner Schuld als Kollektiv für die verbandsbezogene Straftat bekennen, die sich von der Individualschuld unterscheidet. Er ist in der Lage, als rechtsfähiges Subjekt Verantwortung für das von ihm (mit-) verschuldete Unrecht zu übernehmen. Ein personalisierter Ausgleich zwischen dem Verband und dem Geschädigten ist daher sinnvoll durchführbar. Es besteht überdies ein praktisches Bedürfnis für die Anwendung von § 46a Nr. 1 StGB auf Verbände. Leistungen nach § 46a Nr. 2 StGB erfordern eine erhebliche persönliche Leistung, an der es bei wirtschaftlich erfolgreichen Verbänden häufig fehlen wird. § 46a Nr. 2 StGB setzt eine zumindest überwiegende Entschädigung des Opfers sowie eine erhebliche persönliche Leistung oder einen persönlichen Verzicht des Täters voraus. Im Rahmen des § 46a Nr. 2 StGB ist eine vollständige Erfüllung der zivilrechtlichen Ansprüche nicht erforderlich. Durch die Voraussetzungen der „erheblichen persönlichen

1313

Rössner/Bannenberg in GS Meurer S. 157 (167). So Rose JZ 2010, 189 (193). 1315 BGH NStZ 1995, 492 (493); BGH NStZ 2000, 205. 1316 Schöch in Festgabe BGH S. 317 (336). 1317 Rose JZ 2010, 189 (193 f.). 1318 Kühl/Heger JZ 2002, 363 (364). 1319 NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 54. 1314

222

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Leistungen“ bzw. des „persönlichen Verzichts“ wird ein Beitrag über die rein rechnerische Kompensation gewährleistet.1320 Dieses Element verhindert den „Freikauf“ reicher Täter.1321 Trotz der Einbeziehung auch immaterieller Wiedergutmachungsbemühungen ist bei ausschließlich materiellen Schäden eine überwiegende Entschädigung nur anzunehmen, wenn mehr als die Hälfte des Schadens wiedergutgemacht wird.1322 Der Begriff der Wiedergutmachung enthält zugleich eine erfolgsbezogene Komponente dahingehend, dass das Opfer die Leistung des Täters auch tatsächlich erhalten muss. Deswegen genügt ein bloßes Schuldanerkenntnis ohne zusätzliche Sicherheiten nicht.1323 Eine erhebliche persönliche Leistung oder ein persönlicher Verzicht des Täters ist anzunehmen, wenn er sein gesamtes Vermögen zur Befriedigung des Opfers einsetzt.1324 Diese Voraussetzung wird bei Verbänden selten vorliegen. Erhebliche Leistungen von Verbänden können aber anzunehmen sein, wenn der Verband trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten Leistungen an den Geschädigten erbringt. Gerade Verbände können auch andere Verbände schädigen, z.B. durch Betrugsdelikte. Werden infolge des Vorfalls die Geschäftsbeziehungen zwischen beiden Verbänden beendet und führt dies zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten beim Täterverband, kann eine erhebliche Leistung des Verbands vorliegen, wenn er das Opfer trotzdem entschädigt. Verbände sind in der Lage, Leistungen i.S.d. § 46a Nr. 2 StGB zu erbringen. Sofern eine erhebliche persönliche Leistung vorliegt, ist diese Vorschrift auch auf Verbände sinnvoll anwendbar. Alle verbandsseitigen Maßnahmen, die den Erfordernissen von § 46a Nr. 1 StGB und § 46a Nr. 2 StGB nicht gerecht werden, aber trotzdem darauf abzielen, die materiellen oder immateriellen Folgen der Tat ganz oder teilweise zu beseitigen, sind als sonstige Wiedergutmachungsleistungen im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung zu berücksichtigen. Im Ergebnis können Leistungen nach § 46a StGB auch von Verbänden erbracht werden. Daher ist das differenzierte, individualstrafrechtliche System zur Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung (§§ 46, 46a StGB) auf das Verbandsstrafrecht zu übertragen. dd) Schadenswiedergutmachung bei mehreren Tätern Verbandsbezogene Straftaten sind dadurch gekennzeichnet, dass sich neben dem Verband regelmäßig auch der Individualtäter strafbar gemacht hat.1325 Deswegen ist im Verbandsstrafrecht der Frage nachzugehen, wie sich etwaige Leistungen der Täter zueinander verhalten und inwieweit die Leistung des Individualtäters dem Verband zugute kommt. Zivilrechtlich

1320

Kaspar GA 2003, 146 (150). BT-Drucks. 12/6853 S. 22. 1322 Zum Ganzen Rose JZ 2010, 189 (195); Eschelbach in SSW-StGB § 46a Rn. 34; Kaspar GA 2003, 146 (151); Schöch in Festgabe BGH S. 309 (321). 1323 Schöch in Festgabe BGH S. 309 (321); BGH NStZ 2000, 205 (206). 1324 Rose JZ 2010, 189 (195). 1325 Eine Ausnahme ist z.B. denkbar, wenn die natürliche Person im Unterschied zum Verband nicht schuldhaft gehandelt hat. Vgl. zum unterschiedlichen Schuldverständnis 1. Teil D. V. 2. 1321

D. Strafzumessung bei Verbänden

223

sind beide Täter regelmäßig Gesamtschuldner (§ 840 BGB). Wie gezeigt, tritt die Verbandsstrafbarkeit neben die Strafbarkeit des Individualtäters.1326 Das Schrifttum verlangt, wie gezeigt, für eine überwiegende Entschädigung im Rahmen des § 46a Nr. 2 StGB den Ersatz von mindestens der Hälfte des Schadens bei rein materiellen Schäden.1327 Der BGH hat betont, dass bei Mittätern im Individualstrafrecht nicht jeder die Hälfte des materiellen Schadens ersetzen muss, wenn auch der andere Leistungen erbringt und der eigene Beitrag trotzdem erheblich ist.1328 Erbringen der Individualtäter und der Verband gemeinsam eine Leistung, spräche nichts dagegen, § 46a Nr. 2 StGB analog anzuwenden.1329 Nichtsdestotrotz muss immer noch eine erhebliche persönliche Leistung bei jedem Täter vorliegen. Daran kann es insbesondere beim Verband wegen dessen hoher Leistungsfähigkeit fehlen. Bezahlt der Individualtäter den überwiegenden Teil der Wiedergutmachung, kommt dessen Zahlung zivilrechtlich wegen der Gesamtwirkung (§ 425 BGB) auch dem Verband zugute. Strafrechtlich liegt dagegen nur eine Wiedergutmachung des zahlenden Individualtäters vor. Das bloße Veranlassen der Zahlung eines anderen reicht für eine Wiedergutmachung nicht aus.1330 Denkbar wäre es, eine nach der Befriedigung des Opfers geleistete Ausgleichszahlung eines Täters an den anderen im Rahmen von § 46a Nr. 2 StGB zu berücksichtigen. Es mag auf den 1. Blick kurios erscheinen, eine Leistung, die nicht dem Geschädigten zugute kommt, als Wiedergutmachungsleistung zu bewerten. Eine Zahlung an das Opfer ist jedoch nicht zwingende Voraussetzung für eine Wiedergutmachungsleistung. Zahlungen des Täters an eine Versicherung, die als Folge ihrer geleisteten Befriedigung des Opfers im Wege der Legalzession (§ 86 VVG) Inhaber der Ersatzforderung geworden ist, erkennt die Rechtsprechung als Wiedergutmachung an.1331 Ein entsprechender Forderungsübergang findet auch bei Gesamtschuldnern statt (§ 426 Abs. 2 BGB). Jedoch tritt der zahlende Täter nicht wie eine Versicherung an die Stelle des Geschädigten, sondern erfüllt eine eigene Pflicht. Die Lösung, nach der Befriedigung des Opfers geleistete Ausgleichszahlungen von Tätern untereinander (Binnenregress) als Wiedergutmachungsleistungen zu berücksichtigen, ist daher abzulehnen.1332 Bei konsequenter Anwendung von § 46a StGB ist dem Verband der Weg über § 46a Nr. 2 StGB versperrt. Dadurch wird dieser jedoch nicht unbillig benachteiligt, weil ihm die Option verbleibt, Leistungen nach § 46a Nr. 1 StGB zu erbringen. Die dort geforderte Wiedergutmachung kann auch durch Leistungen an Dritte erfolgen, wie z.B. durch eine Spende an eine gemeinnützige Organisation.1333 1326

Siehe 1. Teil F. I. Siehe 2. Teil D. II. 3. b) cc) (2). 1328 BGH NStZ-RR 2009, 133 (134). 1329 So für natürliche Personen Kaspar GA 2003, 146 (151). 1330 BGH NStZ-RR 2010, 147. 1331 BGH NJW 2001, 2557 (2558). 1332 So auch Kaspar GA 2003 S. 146 (152). 1333 Siehe 2. Teil D. II. 3. b) cc) (2). 1327

224

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Derartige Leistungen kommen auch dann in Betracht, wenn der Verband das Opfer gemeinsam mit dem Individualtäter entschädigt hat, es aber an einer erheblichen persönlichen Leistung des Verbands fehlt. In diesem Fall darf die Leistung an die gemeinnützige Organisation geringer ausfallen. Wegen der Möglichkeit, an eine gemeinnützige Organisation zu spenden, stellt sich bei Leistungen nach § 46a Nr. 1 StGB das Problem einer „Konkurrenz“ zwischen dem Individualtäter und dem Verband nicht. Im Ergebnis können daher sowohl der Individualtäter als auch der Verband Leistungen nach § 46a StGB nebeneinander erbringen. ee) Umfang der Berücksichtigung Das wesentliche Problem der Berücksichtigung der Wiedergutmachung im Strafrecht liegt in der Frage, wie weit man die Wiedergutmachung bei der Strafzumessung berücksichtigen darf, ohne hierdurch die mit der Strafe verbundenen generalpräventiven Bedürfnisse sachwidrig zu verkürzen.1334 Die Berücksichtigung der Wiedergutmachung darf nicht darauf hinauslaufen, dass Generalprävention durch Generalinvitation ersetzt wird. Über den Interessen des einzelnen aktuellen Opfers an der Wiedergutmachung des durch eine begangene Straftat bewirkten Schadens sind die Interessen potentieller künftiger Opfer an der Verhinderung von Straftaten im Blick zu halten.1335 Durch die Wiedergutmachung des Schadens setzt der Verband dem Erfolgsunwert positive Leistungen entgegen. Die Tatschuld ist jedoch mit der Tatbegehung und der abgeschlossenen Entwicklung der Tathandlungsfolgen zu einer weitgehend festen Größe erstarrt.1336 Daher modifiziert Nachtatverhalten des Täters, wozu auch die Wiedergutmachung gehört, im Prinzip nicht das Maß seiner Schuld. Von diesem Grundsatz ist aber bei Wiedergutmachungsleistungen eine Ausnahme zu machen. Das Maß der Schuld bestimmt sich auch nach den vorwerfbar verursachten Folgen der Tat.1337 Der Richter beurteilt dieses Maß ex-post und vermag daher auch die weitere Tatfolgenentwicklung bis zum Zeitpunkt der Urteilsfällung einzubeziehen. Er kann daher z.B. berücksichtigen, dass die Körperverletzung zu psychischen Schäden geführt hat oder dass eine schwere Verletzung ungewöhnlich gut verheilt ist. Resultieren derartige Entwicklungen aus einem Nachtatverhalten des Täters, ist nicht einzusehen, aus welchem Grund dieses Verhalten nicht schuldrelevant sein sollte.1338 Entsprechendes Drittverhalten, wie etwa die notärztliche Versorgung, die schlimmere Tatfolgen verhindert, beeinflusst die Schuldhöhe auf jeden Fall. Erst recht müssen daher tätereigene

1334

Hirsch ZStW 102, 534 (545). Hirsch ZStW 102, 534 (546). 1336 Kaufmann Schuldprinzip S. 259; Miebach in MüKo-StGB § 46 Rn. 123. 1337 Siehe 2. Teil D. II. 1. a). 1338 So zu Recht Heghmanns in FS Dencker S. 155 (157). 1335

D. Strafzumessung bei Verbänden

225

Leistungen Berücksichtigung finden.1339 Daher mindern Wiedergutmachungsleistungen nicht nur die spezialpräventiven Bedürfnisse, sondern sind unmittelbar schuldrelevant.1340 Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch spricht sich in § 5 Abs. 1 VerbStrG-E dafür aus, dass das Gericht von Strafe absehen kann, wenn ein bedeutender Schaden nicht entstanden oder dieser zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht worden ist. Zusätzlich muss der Verband ausreichende organisatorische und personelle Maßnahmen getroffen haben, um vergleichbare Verbandsstraftaten in Zukunft zu vermeiden. Ein Absehen von Strafe bzw. eine Strafrahmenverschiebung ist nur bei besonders honorierungswürdigen Leistungen nach § 46a StGB angezeigt. Es überzeugt, dass der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch für ein Absehen von Strafe bzw. eine Strafrahmenverschiebung zusätzlich nachträgliche Criminal-Compliance-Maßnahmen verlangt. Nur wenn eine gesteigerte Erwartung für ein künftiges rechtstreues Verhalten des Verbandes besteht, ist eine so weitgehende Privilegierung gerechtfertigt. Es begegnet jedoch Bedenken, dass nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 VerbStrG-E bei nicht bedeutenden Schäden von Strafe abgesehen werden kann, ohne dass der Schaden wiedergutzumachen ist. Wer gänzlich straffrei ausgehen möchte, sollte auch verpflichtet werden, unbedeutende Schäden wiedergutzumachen. Es darf nicht der Eindruck vermittelt werden, eine Straftat sei eine Bagatelle, nur weil kein bedeutender Schaden entstanden ist. Ein Absehen von Strafe kommt parallel zur individualstrafrechtlichen 1-Jahres-Grenze nur bei Verbandsgeldstrafen bis zu 35 Tagessätzen in Betracht. Bei darüber hinausgehenden Strafen ist nicht mehr als eine fakultative Strafrahmenverschiebung in Anlehnung an § 49 Abs. 1 StGB angezeigt.1341 Wiedergutmachungsbemühungen, die nicht den Vorgaben des § 46a StGB genügen oder die nicht mit nachträglichen Criminal-Compliance-Maßnahmen zusammentreffen, ist unter Berücksichtigung ihres geminderten Werts im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung Rechnung zu tragen. ff) Zwischenergebnis Berücksichtigt man die Schadenswiedergutmachung im Rahmen der Strafzumessung, werden die generalpräventiven Bedürfnisse von Strafe nicht sachwidrig verkürzt. Die Wiedergutmachungsbemühungen unterteilen sich bei natürlichen Personen in Leistungen nach § 46a StGB und sonstige Wiedergutmachungsleistungen, denen lediglich im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung Rechnung getragen wird. Die Alternativen von § 46a StGB sind nach der Art der Ausgleichsleistung voneinander abzugrenzen. Sie stehen gleichwertig nebeneinander und können sich sogar überschneiden. Die Schadenswiedergutmachung ist nicht mit der zivilrechtlichen Restitution identisch. Eine vollständige Erfüllung der zivilrechtlichen Forderungen ist einerseits nicht vonnöten, andererseits aber auch nicht ausreichend für die Schadenswiedergutmachung. 1339

Heghmanns in FS Dencker S. 155 (157 f.). Für eine Schuldrelevanz von Wiedergutmachungsleistungen auch Heghmanns in FS Dencker S. 155 (157). 1341 Siehe 2. Teil C. II. 1340

226

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Auch bei Verbänden kann zwischen Leistungen nach § 46a Nr. 1 StGB, § 46a Nr. 2 StGB und sonstigen Wiedergutmachungsleistungen differenziert werden. Sowohl der Individualtäter als auch der Verband können Leistungen nach § 46a StGB nebeneinander erbringen. Scheidet beim Verband eine Leistung nach § 46a Nr. 2 StGB mangels persönlicher Erheblichkeit aus, verbleibt ihm die Möglichkeit, Leistungen nach § 46a Nr. 1 StGB zu erbringen. Durch die Wiedergutmachung des Schadens setzt der Verband dem Erfolgsunwert positive Leistungen entgegen. Daher ist die Wiedergutmachung unmittelbar schuldrelevant. Treffen Leistungen nach § 46a StGB mit nachträglichen Criminal-Compliance-Maßnahmen zusammen, kann dies ein Absehen von Strafe bzw. eine Strafrahmenverschiebung rechtfertigen. Sonstigen Wiedergutmachungsleistungen ist im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung Rechnung zu tragen. c) Angaben eines Verbands zu Straftaten Der BGH hat ursprünglich entschieden, dass es unzulässig sei, den „geständigen Verbrecher nur seines Geständnisses wegen milder und den leugnenden Verbrecher nur seines Leugnens wegen härter zu bestrafen“.1342 Von dieser Position hat sich das Gericht inzwischen denkbar weit entfernt.1343 Diese Änderung der Rechtsprechung ist Teil einer praktischen Entwicklung in Justiz und Gesetzgebung, die wertfrei als zunehmende Favorisierung von „kooperativen“ Prozessmodellen bezeichnet werden kann.1344 Neben das Geständnis als zentrale Form des kooperativen Prozessverhaltens treten die Angaben zu fremden Straftaten, bei denen der Täter als Kronzeuge fungiert. Dass kooperatives Verhalten sich strafmildernd auswirken soll, ist nicht verwunderlich. Ansonsten kann der Betroffene zwar völlig frei seine Entscheidung darüber treffen, ob er Angaben machen möchte. Jedoch verlieren die Angaben ihren Sinn.1345 Dies gilt umso mehr, weil für den Betroffenen derartige Angaben nur Nachteile mit sich bringen, wenn sie sich nicht strafmildernd auswirken. Entscheidet sich der Betroffene dazu, anstelle eines Geständnisses zu schweigen oder falsche Angaben zum Tatvorwurf zu machen, erhöht er die Chance, dass ihn das Gericht wegen des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes vom Tatvorwurf freispricht. Fungiert er als Kronzeuge, ist er häufig Repressalien seitens der Rechtssubjekte ausgesetzt, die er belastet hat. Dies gilt auch dann, wenn ein Verband andere Verbände belastet. Dem Kronzeugenverband kann z.B. der Ausschluss aus Branchenvereinigungen oder der Abbruch von Geschäftsbeziehungen drohen. Will man eine funktionstüchtige Strafrechtspflege gewährleisten, wozu der Gesetzgeber mit Blick auf das Rechtsstaatsgebot verfassungsrechtlich verpflichtet ist,1346 spricht viel dafür, kooperatives Verhalten strafmildernd zu berücksichtigen. Die Schwierigkeit, diese Aspekte in 1342

BGHSt 1, 105 (106). Fischer StGB § 46 Rn. 50. 1344 Dencker ZStW 102, 51 (53). 1345 So für das Geständnis Dencker ZStW 102, 51 (57). 1346 BVerfGE 29, 183 (194); 33, 367 (383); 77, 65 (76); 100, 313 (389). 1343

D. Strafzumessung bei Verbänden

227

die Strafzumessung zu integrieren, liegt darin, dass weder das Geständnis noch Kronzeugenangaben am Maß der Schuld – bis auf sehr seltene Ausnahmefälle – etwas ändern.1347 Trotz dieser identischen Problemstellung widmet sich die strafrechtliche Literatur beiden Formen des kooperativen Verhaltens sehr unterschiedlich. Während die Probleme von Kronzeugenregelungen detailliert beleuchtet werden,1348 trifft der vor über 25 Jahren geäußerte Befund, dass das Geständnis von der Dogmatik trotz seiner immensen strafrechtspraktischen Bedeutung bislang stiefmütterlich behandelt wurde,1349 nach wie vor zu. Auch im Verbandsstrafrecht ist zu klären, ob und wenn ja in welchem Umfang Geständnisse (hierzu bb)) und Kronzeugenangaben (hierzu cc)) im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden können. Zunächst ist aber darauf einzugehen, wie in Österreich derartige Angaben das Strafmaß beeinflussen (hierzu aa)). aa) Rechtslage in Österreich In Österreich wird bei der Berücksichtigung von kooperativem Prozessverhalten zwischen dem Geständnis und Kronzeugenangaben differenziert. (1) Geständnis Nach § 5 Abs. 3 Z 3 VbVG ist die Anzahl der Tagessätze herabzusetzen, wenn der Verband nach der Tat erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat. Berücksichtigt wird hierdurch, ob dieser die Ermittlungen unterstützt oder behindert hat.1350 Zunächst muss die Frage beantwortet werden, unter welchen Voraussetzungen bei einem Verband davon ausgegangen werden kann, dass er erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat. Dies muss für Verbände im Unterschied zu natürlichen Personen gesondert festgestellt werden. Bei Verbänden ist zu klären, in welchen Fällen die Äußerung einer natürlichen Person als erheblicher Beitrag zur Wahrheitsfindung des Verbands und nicht der natürlichen Person selbst einzuordnen ist. Das österreichische Schrifttum plädiert dafür, Angaben von Entscheidungsträgern und von Mitarbeitern zu berücksichtigen, wenn diese auf Veranlassung oder zumindest mit Billigung der Leitungsorgane erfolgen.1351 Was inhaltlich unter einem erheblichen Beitrag zur Wahrheitsfindung zu verstehen ist, wurde bisher nicht näher präzisiert. Insbesondere ist zu klären, ob es für einen erheblichen Beitrag zur Wahrheitsfindung erforderlich ist, dass nicht nur die Straftat, sondern zugleich deren Verbandsbezogenheit offenbart wird. Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 Z 3 VbVG würde das Offenbaren der Anknüpfungstat ausreichen, weil diese einen erheblichen Teil der Verbandsstraftat darstellt.

1347

Heghmanns in FS Dencker S. 155 (159); für das Geständnis auch Dencker ZStW 102, 51 (56). Kaspar/Wengenroth GA 2010, 453; Frank/Titz ZRP 2009, 137; Peglau wistra 2009, 409; König NJW 2009, 2481; Salditt StV 2009, 375; König StV 2012, 113; Peglau NJW 2013, 1910. 1349 Dencker ZStW 102, 51. 1350 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 27 von 41. 1351 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 186; Boller Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden nach dem VbVG S. 229. 1348

228

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Auf der Rechtsfolgenseite ist festzuhalten, dass sich Österreich beim Geständnis dazu entschieden hat, auf ein vollständiges Absehen von Strafe zu verzichten und lediglich eine Strafmilderung zu gewähren. (2) Kronzeugenregelung Der österreichische Gesetzgeber hat zum 01.01.2011 in § 209a Ö-StPO eine Kronzeugenregelung geschaffen, die nach § 209a Abs. 6 Ö-StPO auch auf Verfahren gegen Verbände nach dem VbVG Anwendung findet.1352 Daneben existieren bereichsspezifische Kronzeugenregelungen zur organisierten Kriminalität in § 41a Ö-StGB und im Kartellrecht.1353 Der Regelung im Verfahrensrecht anstatt im materiellen Strafzumessungsrecht liegt das Konzept der Diversion zugrunde. Dieses entstammt dem anglo-amerikanischen Rechtskreis und bedeutet „Ab- oder Umleitung“.1354 Bestimmte Straftaten sollen dabei nicht durch ein förmliches, staatliches Strafverfahren, sondern durch informelle Verfahrensformen erledigt werden, die alternative Reaktionen bzw. Sanktionen für abweichendes Verhalten vorsehen. Das Strafverfahren wird dabei ohne Schuldspruch und ohne förmliche Sanktionierung des Verdächtigen beendet.1355 Die prozessuale Diversion wird als 3. Spur des Systems der österreichischen Strafrechtspflege neben Strafen und vorbeugenden Maßnahmen bezeichnet, die nicht an die Vorwerfbarkeit, sondern die Gefährlichkeit des Täters anknüpfen.1356 Auf der Tatbestandsseite verlangt die Kronzeugenregelung, dass der Beschuldigte freiwillig Tatsachen offenbart, die noch nicht Gegenstand eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens sind. Zudem muss deren Kenntnis wesentlich dazu beitragen, dass die Aufklärung von Straftaten möglich wird, die in die Zuständigkeit des Landgerichts als Schöffen- oder Geschworenengericht oder der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft fallen. Alternativ kommt die Ausforschung führender Persönlichkeiten von kriminellen Organisationen in Betracht. Daneben kann dem Verband auferlegt werden, einen Geldbetrag bis zu 75 Tagessätzen zuzüglich der Kosten des Strafverfahrens zu zahlen, eine Probezeit von bis zu 3 Jahren ggf. in Verbindung mit bestimmten Weisungen nach § 8 Abs. 3 VbVG zu absolvieren oder bestimmte gemeinnützige Leistungen zu erbringen. Außerdem ist erforderlich, dass eine Bestrafung im Hinblick auf die übernommenen Leistungen und das Aussageverhalten nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Auf Rechtsfolgenebene findet wegen des Konzepts der Diversion weder ein Schuldspruch noch eine förmliche Sanktionierung statt. Speziell gegen die diversionelle Erledigung sind in Österreich Bedenken im Hinblick auf die Rechtsweggarantie,1357 die Unschuldsvermutung1358 und den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 3 Ö-StPO) erhoben worden.1359 Kritik 1352 Die Regelung war zunächst bis zum 31.12.2016 befristet. Mit Anfang des Jahres 2017 wurde die Regelung neu gefasst. Zur Neufassung vgl. Pollak WiJ 2017, 90. 1353 Ausführlich zur Regelung des Kronzeugen im österreichischen Strafrecht Steinhäusler Verrat als „Trumpf“. 1354 Steininger JBl 1990, 137 (141); Steininger VbVG § 19 Rn. 1. 1355 Steininger VbVG § 19 Rn. 1. 1356 Steininger JBl 1990, 137. 1357 Pernthaler/Ranacher JBl 2002, 280 (285). 1358 Pernthaler/Ranacher JBl 2002, 280 (284). 1359 Zur Kritik Steinhäusler Verrat als „Trumpf“ S. 239 ff.

D. Strafzumessung bei Verbänden

229

an einer Kronzeugenregelung im Allgemeinen ist im österreichischen Schrifttum wegen der Selbstbelastungsfreiheit, des Gleichheitssatzes und des Schuldgrundsatzes geäußert worden.1360 Da sich die Bedenken inhaltlich mit denjenigen der deutschen Debatte decken, wird hierzu im Rahmen der Ausführungen zu Kronzeugenangaben in Deutschland Stellung genommen. (3) Zwischenergebnis Angesichts der wenig gelungenen Formulierung von § 5 Abs. 3 Z 3 VbVG kann diese Vorschrift nicht als Vorbild für eine Regelung zum Geständnis im deutschen Verbandsstrafrecht dienen. Dennoch ist die Diskussion im österreichischen Schrifttum für die Frage hilfreich, unter welchen Voraussetzungen Angaben von natürlichen Personen als Verbandsangaben zu werten sind. In Bezug auf eine Kronzeugenregelung ist festzuhalten, dass diese sich einer Vielzahl von Einwänden ausgesetzt sieht und daher besonders sorgfältig geprüft werden muss, ob und wie derartige Angaben bei der Strafzumessung berücksichtigt werden können. bb) Verbandsseitige Angaben zu eigenen Straftaten Um die verbandsseitigen Angaben zu eigenen Straftaten als Strafzumessungsfaktor zu erfassen, muss zunächst geklärt werden, welche Anforderungen an Verbandsangaben zu stellen sind. Anschließend ist darzustellen, wie sich derartige Angaben auf die Strafzumessung auswirken. (1) Anforderungen an Geständnisse von Verbänden An verbandsseitige Angaben zu eigenen Straftaten sind inhaltliche und personelle Anforderungen zu stellen. Es geht es darum, welche Person welche Angaben tätigen muss. Zunächst ist auf die inhaltliche Seite einzugehen. Angaben, die sich lediglich auf die Zuwiderhandlung des Individualtäters beziehen, genügen nicht. Vielmehr muss sich aus den Angaben ergeben, dass eine Verbandsstraftat vorliegt.1361 Ein Verband, der lediglich auf die Straftat des Individualtäters verweist und nicht seine eigene Verantwortung einräumt oder diese sogar zu verschleiern versucht, verdient keine Strafmilderung. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Zuwiderhandlung noch nicht entdeckt ist. Auch die Vermittlung genauerer oder zuverlässigerer Kenntnis kann genügen.1362 Bezüglich der nötigen Angaben ist zwischen verbandsbezogenen Straftaten von Organen und von Mitarbeitern zu unterscheiden. Im 1. Fall muss der Verband die Straftat des Organs sowie deren Verbandsbezogenheit offenbaren. Im 2. Fall sind dagegen die Straftat des Mitarbeiters, deren Verbandsbezogenheit und zusätzlich das Aufsichtsdefizit offenzulegen. Die letzte Angabe ist erforderlich, weil das Ergreifen erforderlicher und zumutbarer Aufsichtsmaßnahmen den Tatbestand entfallen lässt.1363 Um das Aufsichtsdefizit anzugeben, genügt es, dass der Verband die von ihm getroffenen Aufsichtsmaßnahmen benennt. Welche Aufsichtsmaßnahmen dagegen geboten gewesen wären, ist vom Gericht festzustellen.

1360

Steinhäusler Verrat als „Trumpf“ S. 204 ff. So auch NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 56. 1362 BGH StV 1988, 388; BGH StV 1998, 601; BGH StV 2002, 254. 1363 Siehe 1. Teil F. II. 1. b). 1361

230

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

In einem weiteren Schritt ist zu fragen, wessen Angaben unter welchen Umständen als solche des Verbands angesehen werden können. Da nur eine natürliche Person unmittelbar Angaben machen kann, ist der Problematik nachzugehen, unter welchen Voraussetzungen sich der Verband deren Angaben zurechnen lassen kann. Hierbei ist zum einen zwischen Angaben von Organen und von Mitarbeitern zu unterscheiden. Zum anderen muss danach differenziert werden, ob die natürliche Person Angaben zu einer verbandsbezogenen Straftat macht, deren Individualtäter sie ist. Macht ein Organ Angaben über eine verbandsbezogene Zuwiderhandlung, bei der es nicht selbst der Individualtäter ist, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass diese Angaben als Angaben des Verbands anzusehen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob eine verbandsbezogene Straftat eines anderen Organs oder eines Mitarbeiters vorliegt. Der Verband handelt durch seine Organe und es ist in diesem Fall regelmäßig anzunehmen, dass das Organ nicht privat, sondern in Angelegenheiten des Verbandes tätig wird. Wenn ein Organ Angaben über eine von ihm begangene verbandsbezogene Zuwiderhandlung macht, ist die Frage schwieriger zu beantworten, ob das Organ privat oder in Angelegenheiten des Verbands handelt. Zu derartigen Angaben kann sich das Organ z.B. entschließen, wenn es weiß, dass die Innenrevision des Verbands bereits bezüglich des Verhaltens eine Untersuchung eingeleitet hat. In einem solchen Fall kann sich ein Geständnis aus taktischer Sicht anbieten, wenn mit der Aufdeckung des Verstoßes und der Anzeige gegenüber den Strafverfolgungsbehörden ohnehin zu rechnen ist. Liegt dieser Fall vor, ist eine Abgrenzung erforderlich, wann das Organ Angaben als Privatperson oder als Repräsentant des Verbands tätigt. Damit es sich um Angaben des Verbands handelt, ist ein Handeln im Namen des Verbands erforderlich. Maßgeblich hierfür sind die Umstände des Einzelfalls. Eine gewisse Abgrenzung zwischen privatem Handeln des Organs und einer Handlung als Repräsentant resultiert daraus, dass für Verbandsangaben im Unterschied zum persönlichen Geständnis des Organs nicht nur die Straftat an sich, sondern auch deren Verbandsbezogenheit offenbart werden muss. Im Zweifel wird das Organ für sich persönlich handeln, um selbst von den Angaben zu profitieren. Bei Angaben von Mitarbeitern kommt es ebenfalls darauf an, ob sie diese privat oder für den Verband tätigen. Im Gegensatz zu Organen repräsentieren Mitarbeiter den Verband nicht.1364 Ihre Handlungen gelten nicht als Handlungen des Verbands; sie handeln lediglich für ihn. In diesen Fällen ist zumindest – wie im österreichischen Schrifttum zutreffend festgestellt wurde –1365 erforderlich, dass die Angaben auf Veranlassung oder mit Billigung der Organe erfolgen, damit es sich um solche des Verbands handelt. Dies ist z.B. anzunehmen, wenn die Angaben im Rahmen einer internen Untersuchung gemacht und anschließend auf Veranlassung des Verbands gegenüber den Strafverfolgungsbehörden wiederholt wurden. Beziehen sich die Angaben des Mitarbeiters auf verbandsbezogene Straftaten von Organen, müssen die Angaben lediglich mit Billigung eines Organs erfolgen, das nicht der Individualtäter der Anknüpfungstat ist. Das von dem strafrechtlichen Vorwurf betroffene Organ ist in analoger Anwendung der §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 GmbHG, 136 Abs. 1 AktG von der 1364 1365

Siehe 1. Teil C. I. 2. a) bb). Siehe 2. Teil D. II. 3. c) aa) (1).

D. Strafzumessung bei Verbänden

231

Vertretungsmacht ausgeschlossen. In diesem Fall besteht ein unauflösbarer Interessenkonflikt zwischen dem Verbandswohl und der Selbstbelastungsfreiheit des einzelnen Organs. Beziehen sich die Angaben von Mitarbeitern auf verbandsbezogene Straftaten anderer Mitarbeiter, bedarf es der Billigung dieser Angaben durch ein Organ des Verbands. Vergleichbare Schwierigkeiten wie bei Organen ergeben sich, wenn der Mitarbeiter Angaben zu einer verbandsbezogenen Straftat macht, bei der er selbst der Individualtäter ist. Auch für den Mitarbeiter kann ein Geständnis Sinn machen, wenn er ohnehin mit einer Aufdeckung der Straftat rechnen muss. Damit überhaupt von einem Geständnis des Verbands ausgegangen werden kann, müssen, wie gezeigt, neben der Tat des Individualtäters deren Verbandsbezogenheit und die vom Verband ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen benannt werden.1366 Gerade zu den Aufsichtsmaßnahmen wird ein Mitarbeiter, der für sich selbst gesteht, selten Angaben machen können. In personeller Hinsicht ist zu fordern, dass die Angaben mit Billigung eines Organs geschehen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein Geständnis des Verbands 2 Voraussetzungen genügen muss. Erstens dürfen sich die Angaben nicht auf die Straftat des Individualtäters beschränken, sondern es ist auch zu offenbaren, dass eine Verbandsstraftat vorliegt. Zweitens muss die Angaben machende natürliche Person dabei im Namen des Verbands und nicht im eigenen Namen handeln. (2) Auswirkung auf die Strafzumessung Nach der hier vertretenen Spielraumtheorie besteht für den Tatrichter ein Spielraum, der nach unten durch die schon schuldangemessene und nach oben durch die noch schuldangemessene Strafe begrenzt ist.1367 Bei der Festsetzung der Strafhöhe innerhalb des gegenüber dem Strafrahmen engeren Schuldrahmens sind die präventiven Strafzwecke zu berücksichtigen. Diese dürfen jedoch weder zur Über- noch zur Unterschreitung des Schuldrahmens führen.1368 Deswegen kann sich ein Geständnis nur strafmildernd auswirken, wenn es geeignet ist, das Maß der Schuld zu reduzieren, oder wenn es die präventiven Bedürfnisse gegenüber dem Geständigen vermindert.1369 Um eine Strafmilderung für einen geständigen Beschuldigten begründen zu können, bedient sich die Rechtsprechung einer zweifachen Indizkonstruktion. Das Geständnis lasse einerseits Rückschlüsse auf eine weniger rechtsfeindliche Gesinnung des Täters zur Tatzeit und damit auf eine geringere persönliche Schuld des Täters zu.1370 Andererseits könne ein Geständnis auch als Indiz für ein geringeres spezialpräventives Bedürfnis herangezogen werden.1371 Daher ist im Folgenden der Frage nachzugehen, ob ein Geständnis einen Rückschluss auf eine geringere persönliche Schuld des Täters zulässt bzw. das Maß der Schuld sonst mindert oder geringere präventive Bedürfnisse gegenüber dem Geständigen auslöst.

1366

Siehe 2. Teil D. II. 3. c) bb) (1). BGHSt 7, 28 (32); 20, 264 (266 f.); Dölling in FS Schreiber S. 55. 1368 BGHSt 7, 28 (32); 20, 264 (266 f.). 1369 Heghmanns in FS Dencker S. 155 (157). 1370 BGHSt 1, 105 (106). 1371 BGH NStZ-RR 2014, 106. 1367

232

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

(a) Schuldminderung Zur Bestimmung der Strafzumessungsschuld ist auf den Grad der persönlichen Vorwerfbarkeit und die Schwere der Tat abzustellen.1372 Es ist fraglich, ob der Täter, der später Angaben zu Straftaten macht, tatsächlich eine weniger rechtsfeindliche Gesinnung bei der Tat aufweist und dadurch ein geringeres Maß an persönlicher Schuld verwirklicht. Zu Recht wird kritisiert, dass es sich bei Annahme einer weniger rechtsfeindlichen Gesinnung um eine unüberprüfbare Fiktion handelt.1373 Teilweise wird dem Geständnis nur eine mittelbar strafmildernde Funktion dergestalt zugebilligt, dass der Angeklagte durch ein Geständnis für ihn günstige Strafzumessungsgesichtspunkte in die Hauptverhandlung einbringen könne.1374 Die Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verpflichtet das Gericht nicht, jeder für den Angeklagten günstigen theoretischen Möglichkeit nachzugehen. Deswegen stehe der Angeklagte unter der praktischen Notwendigkeit, die Richtigkeit von Normalfallannahmen in Zweifel zu ziehen, wenn dem Gericht keine dem Normalfall entgegenstehenden Indizien vorliegen. Sofern der Angeklagte das Geständnis nicht als Mittel der aktiven Verteidigung einsetzt,1375 sondern sich auf das Einräumen der in der Hauptverhandlung bereits thematisierten Aspekte beschränkt, ist eine Strafmilderung nicht begründbar. Zudem kann dieser Ansatz nicht erklären, worin eine eigenständige Bedeutung des Geständnisses als Strafzumessungsfaktor liegen soll. Werden derartige entlastende Momente z.B. durch die Aussage einer Person, der sich der Täter offenbart hat, in die Hauptverhandlung eingeführt, kommen sie auch dem schweigenden oder leugnenden Angeklagten zugute. Dennoch mindert das Geständnis das Maß der Schuld auf andere Weise in bestimmten Fällen. Die Strafzumessungsschuld ist mit der Tatbegehung und der beendeten Entwicklung der Tatfolgen zu einer weitgehend unveränderbaren Größe geworden. Späteres Verhalten des Täters beeinflusst nur noch das Maß der Schuld, wenn es die Tatfolgen mildert oder intensiviert.1376 Die Strafzumessungsschuld kann im Unterschied zur Strafbegründungsschuld durch Nachtatverhalten verändert werden. Dies liegt daran, dass sie nicht nur eine Beziehung des Täters zu dem von ihm begangenen Unrecht, sondern das verschuldete Unrecht insgesamt beschreibt.1377 Geständige Einlassungen, die dem Opfer eine Vernehmung in der Hauptverhandlung und damit ein nochmaliges Durchleben der Tat und eine weitere Traumatisierung ersparen, mindern als schadenswirksames Nachtatverhalten das Maß der Schuld.1378 Das kommt z.B. bei Sexualdelikten in Betracht. Abseits dieser Fälle ist festzustellen, dass ein Geständnis am Maß der Schuld nichts ändert.1379 1372

BGHSt 3, 179; 20, 264 (266); BGH NJW 1987, 2685 (2686). Dencker ZStW 102, 51 (56 f.); Heghmanns in FS Dencker S. 151 (158); Eschelbach in SSW-StGB § 46 Rn. 129; Frisch ZStW 99, 751 (779). 1374 Dencker ZStW 102, 51 (74 ff.). 1375 Hierzu Hammerstein StV 2007, 48 (51). 1376 Heghmanns in FS Dencker S. 155 (157). 1377 Siehe 2. Teil D. I. 1. a). 1378 Dencker ZStW 102, 51 (60 f.); Heghmanns in FS Dencker S. 151 (158). 1379 Hörnle GA 2007, 440 (443 f.); Dencker ZStW 102, 51 (56); Heghmanns in FS Dencker S. 155 (158 f.). 1373

D. Strafzumessung bei Verbänden

233

(b) Minderung der präventiven Bedürfnisse Da ein Geständnis das Maß der Schuld grundsätzlich unberührt lässt, ist zu prüfen, inwieweit die präventiven Bedürfnisse gegenüber dem Geständigen gemindert sind. Zunächst ließe sich anführen, dass der Beschuldigte der Allgemeinheit bei einem Geständnis Kosten und Aufwand erspare und so etwas sozial Verdienstliches leiste.1380 Dem ist entgegenzuhalten, dass das Gericht auch bei einem Geständnis weiterhin zur Aufklärung des Sachverhalts und zu einer kritischen Beweiswürdigung verpflichtet bleibt. Das Geständnis ist keinesfalls die Königin der Beweisführung („regina probationum“).1381 Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Geständnis, insb. wenn sog. Täterwissen offenbart wird, dem Gericht die Beweisführung zumindest erleichtert, kann der verringerte Aufwand eine Minderung der präventiven Bedürfnisse nicht rechtfertigen. Es wäre in sich widersprüchlich, wenn ein aufwändiges Strafverfahren mit Blick auf eine möglicherweise erforderliche Sanktion durchzuführen ist und auf diese bei einem Verfahren mit weniger Aufwand teilweise verzichtet wird.1382 Die spezialpräventiven Bedürfnisse gegenüber einem Täter sind bei einem Geständnis reduziert, wenn sich darin eine selbstkritische Haltung des Täters zu seiner Tat zeigt.1383 Zugunsten des Angeklagten gilt dabei der In-dubio-pro-reo-Grundsatz, weswegen im Zweifel eine derartige Motivation des Angeklagten zu unterstellen ist. Jedoch setzt die Anwendung des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes auch Zweifel beim erkennenden Gericht voraus. Hat der Angeklagte – wie im Regelfall – das Geständnis zur Überzeugung des Gerichts ausschließlich mit dem Ziel der Strafmilderung abgegeben, ist eine Minderung der spezialpräventiven Bedürfnisse ihm gegenüber nicht begründbar.1384 Wie oben gezeigt wurde, werden die generalpräventiven Strafzwecke in der Regel durch die ggf. spezialpräventiv ausgestaltete Strafe erfüllt.1385 Eine Strafschärfung aus generalpräventiven Gesichtspunkten ist nur zulässig, wenn diese Gesichtspunkte über die vom Gesetzgeber bereits berücksichtigte allgemeine Abschreckungswirkung hinausgehen. Im Folgenden ist jedoch zu prüfen, inwieweit generalpräventive Bedürfnisse eine Strafabsenkung rechtfertigen. Da dies tätergünstig ist, sind die Anforderungen an eine Strafsenkung aus generalpräventiven Gründen deutlich niedriger als diejenigen an eine Strafschärfung. Ein sachlich nachvollziehbarer Grund für eine Privilegierung genügt insoweit. Eine Strafmilderung bei einem Geständnis berührt nicht das Abschreckungsmoment im Sinne der negativen Generalprävention. Die Abschreckung wird nicht wesentlich von der Strafhöhe, sondern von der Entdeckungswahrscheinlichkeit bestimmt.1386 Die positive Generalpräven-

1380 1381

Schmidt-Hieber NJW 1982, 1017 (1020 f.); Schmidt-Hieber in FS Wassermann S. 995 (995 ff.). Hammerstein StV 2007, 48 (51); kritisch in Bezug auf eine derartige Rolle auch Dencker ZStW 102, 51

(65). 1382

Dencker ZStW 102, 51 (59). Heghmanns in FS Dencker S. 151 (159). 1384 Heghmanns in FS Dencker S. 151 (160). 1385 Siehe 2. Teil D. I. 1. b) bb). 1386 Schöch in FS Jescheck S. 1081 (1095 ff.). 1383

234

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

tion vermag eine Strafmilderung zu rechtfertigen.1387 Teilweise wird darauf verwiesen, dass die Bevölkerung eine Strafmilderung als gerecht empfinde.1388 Überzeugender ist es, darauf abzustellen, dass der nicht geständige Angeklagte durch sein Prozessverhalten die Chance erhöht, straffrei auszugehen, weil dem Gericht bei Würdigung der sonstigen Beweise Zweifel an der Schuld verbleiben. Wegen des Geständnisses kann die Strafrechtspflege ihrer Aufgabe, Straftaten aufzuklären und zu sanktionieren, nachkommen und muss den Straftäter nicht aus Mangel an Beweisen freisprechen. Dadurch wird die Normtreue der Bevölkerung gestärkt. Das Maß der Strafmilderung hängt bei einem nur zur Erlangung von Strafvorteilen abgegebenen Geständnis vom Zeitpunkt der Angaben und der sonstigen Beweislage ab. Je früher diese erfolgen und je schlechter die sonstige Beweislage ist, desto höher muss die Strafmilderung ausfallen. Das Risiko, dass der Angeklagte ohne ein Geständnis freigesprochen wird, ist in diesem Fall größer. Folglich muss beim Geständnis die Generalprävention in vielen Fällen eine Strafmilderung rechtfertigen, die sich weder aus Schuldgesichtspunkten noch aus spezialpräventiven Erwägungen begründen lässt.1389 cc) Verbandsseitige Angaben zu fremden Straftaten Im Individualstrafrecht hat der Gesetzgeber zum 01.09.2009 mit § 46b StGB eine Kronzeugenregelung im allgemeinen Strafrecht (sog. große Kronzeugenregelung) eingeführt, die neben bestimmte bereichsspezifische Kronzeugenregelungen wie z.B. § 31 BtMG (sog. kleine Kronzeugenregelungen) tritt.1390 Auch der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch sieht in § 5 Abs. 2 VerbStrG-E eine Kronzeugenregelung vor. Zweck von Kronzeugenregelungen ist es, ein Instrument zur Verfügung zu stellen, um kooperationswilligen Tätern einen Anreiz zur Aufklärung und zur Verhinderung von Straftaten zu bieten.1391 Dem Gesetzgeber ist bewusst, dass bei Strafnachlässen infolge einer Kronzeugentätigkeit abweichend von der Schuldorientierung der Strafe Umstände und Erwägungen zugrunde gelegt werden, die an Tatschuld und Tatunrecht unmittelbar nichts ändern. Diese können, wenn überhaupt, allenfalls mittelbar die Tatschuld beeinflussen.1392 Auch für das Verbandsstrafrecht ist zu überlegen, ob kooperationswilligen Verbänden Anreize zur Aufklärungs- und Präventionshilfe rechtspolitisch in Aussicht gestellt werden sollen und wenn ja, welche Anreize diesen Verbänden rechtlich gewährt werden dürfen. Bezüglich der Frage, unter welchen Voraussetzungen es sich um Angaben des Verbands handelt, kann auf die Erkenntnisse zu den personellen Anforderungen im Rahmen der Ausführungen zum Geständnis verwiesen werden.1393 Die inhaltlichen Anforderungen richten sich danach, ob der Verband Angaben zu Straftaten von anderen Verbänden oder von 1387

So auch Heghmanns in FS Dencker S. 151 (161 f.). Heghmanns in FS Dencker S. 151 (161 f.). 1389 Heghmanns in FS Dencker S. 151 (162). 1390 Zum Konkurrenzverhältnis siehe BT-Drucks. 16/6268 S. 14 f. 1391 BT-Drucks. 16/6268 S. 1. 1392 BT-Drucks. 16/6268 S. 13. 1393 Siehe 2. Teil D. II. 3. c) bb) (1). 1388

D. Strafzumessung bei Verbänden

235

natürlichen Personen macht. Im 1. Fall gelten die oben gemachten Ausführungen zu den inhaltlichen Anforderungen im Rahmen der Ausführungen zum verbandsseitigen Geständnis entsprechend.1394 Im 2. Fall müssen die Tatsachen mitgeteilt werden, aus denen sich die Straftat der natürlichen Person ergibt. Bei Kronzeugen wird zwischen dem internen Kronzeugen, der über sein Geständnis hinaus weitere Tatbeteiligte belastet, und dem externen Kronzeugen differenziert, der Angaben zu Taten macht, an denen er selbst nicht beteiligt ist.1395 Beim internen Kronzeugen muss zwischen den Angaben, die ihn selbst betreffen (Geständnis), und solchen, die sich auf andere Rechtssubjekte beziehen (Kronzeugenangaben), als eigenständige Strafzumessungsfaktoren unterschieden werden. Zunächst ist der rechtspolitische Hintergrund von Kronzeugenregelungen darzustellen und der Frage nachzugehen, inwieweit die für eine Kronzeugenregelung angeführten Gründe auch im Verbandsstrafrecht gelten. Anschließend wird zu den rechtlichen Einwänden gegen die Berücksichtigung von Kronzeugenangaben Stellung genommen. (1) Rechtspolitischer Hintergrund von Kronzeugenregelungen Beweggrund für den Gesetzgeber zur Schaffung der großen Kronzeugenregelung im Individualstrafrecht war, dass die Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität, einschließlich der schweren Wirtschaftskriminalität, in besonderem Maße auf Probleme im Rahmen der Beweisführung stoßen. Ein Grund hierfür ist, dass deren Strukturen durch ein hohes Maß an Konspirativität geprägt sind.1396 Mit von außen wirkenden Ermittlungsmaßnahmen gelinge es vielfach nicht, in die abgeschotteten Strukturen einzudringen und die zur Aufklärung und Verhinderung schwerer Straftaten erforderlichen Erkenntnisse zu gewinnen. Die Ermittler seien daher vor allem auf die Hinweise von selbst ins kriminelle Milieu verstrickten Personen angewiesen, die über wertvolle Informationen zu Strukturen und Hintermännern verfügen, unabhängig davon, ob diese selbst derartige Straftaten begangen haben.1397 Auch im Verbandsstrafrecht können konspirative Strukturen bestehen. Häufig arbeiten verschiedene Verbände im Rahmen sog. Joint-Ventures zusammen. Da eine solche Zusammenarbeit regelmäßig den Einblick in Teilbereiche der Tätigkeit des jeweils anderen Verbands erfordert, erhalten Verbände auf diese Weise ggf. Kenntnis von verbandsbezogenen Straftaten anderer Verbände. Teilweise erlangen sie derartige Kenntnisse auch durch Mitarbeiter, die von anderen Verbänden zum betroffenen Verband gewechselt sind. Dennoch werden diese Vorgänge den Strafverfolgungsbehörden gerade von Verbänden nur sehr selten angezeigt. Dahinter steht häufig die Befürchtung des Kronzeugenverbands, dass der anzuzeigende Verband über Informationen bezüglich verbandsbezogener Verfehlungen des Kronzeugenverbands verfügt und sich entsprechend „revanchiert“. Vielfach soll auch das Geschäftsklima zwischen beiden Verbänden nicht durch eine Anzeige belastet werden. 1394

Siehe 2. Teil D. II. 3. c) bb) (1). Kaspar/Wengenroth GA 2010, 453 (460). 1396 BT-Drucks. 16/6268 S. 1. 1397 BT-Drucks. 16/6268 S. 1 f. 1395

236

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Im Ergebnis ist daher zu konstatieren, dass der Bereich der Verbandskriminalität ebenfalls durch ein hohes Maß an Konspirativität geprägt ist. Daher stellt sich auch hier die Frage, wie diese abgeschotteten Strukturen aufgebrochen und Erkenntnisse zur Aufklärung und Verhinderung von Straftaten gewonnen werden können. (2) Rechtliche Einwände Trotz der Schwierigkeiten der Strafverfolgungsbehörden, in abgeschotteten Kriminalitätsbereichen ohne Angaben von Straftätern Ermittlungserfolge zu erzielen, sieht sich die Berücksichtigung von Kronzeugenangaben bei der Strafzumessung verschiedenen Einwänden ausgesetzt. (a) Verstoß gegen das Schuldprinzip Die größten Bedenken gegen eine Kronzeugenregelung werden im Hinblick auf den Schuldgrundsatz erhoben, insb. wenn der Täter eine Straftat offenbart, die in keinem Zusammenhang mit der Tat steht, die Gegenstand des Verfahrens ist.1398 Die Bedenken im Hinblick auf das Schuldprinzip wären gegenstandslos, wenn eine Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe möglich wäre. Bereits im Rahmen der Ausführungen zur Lehre von der Schuldobergrenze ist darauf hingewiesen worden, dass das Maß der Schuld nicht nur die Ober- sondern auch die Untergrenze einer Strafe bestimmt.1399 Teilweise wird in Österreich befürwortet, den Grundsatz schuldangemessenen Strafens mit Blick auf die durch Kronzeugenangaben bewirkte Steigerung der Effektivität der Strafrechtspflege partiell aufzugeben.1400 Diese Ansicht ist für ein deutsches Verbandsstrafrecht abzulehnen.1401 Erstens ist es in sich widersprüchlich, zur Rechtfertigung der Schuldunterschreitung beim Kronzeugen auf eine Steigerung der Effektivität der Strafverfolgung bei anderen Tätern zu verweisen. Die Effektivität der Strafverfolgung gegenüber dem Kronzeugen wird gerade vermindert. Zweitens ist der Schuldgrundsatz, der die Bestrafung von Tätern mindestens durch die schon schuldangemessene Strafe im Grundsatz erfordert, einer quantitativen Betrachtung nicht zugänglich. Die schuldangemessene Bestrafung beim Kronzeugen darf nicht aufgegeben werden, nur um die Sanktionierung von anderen Tätern zu ermöglichen. Deswegen ist auch bei Kronzeugenangaben an dem Grundsatz festzuhalten, dass die Strafe durch die schon schuldangemessene Strafe nach unten begrenzt ist. Daher ist der Frage nachzugehen, inwieweit Angaben des Kronzeugen unter Beachtung des Schuldprinzips das Maß seiner Strafe verringern können. Damit seine Angaben eine strafmildernde Wirkung entfalten können, müssen sie entweder das Maß der Schuld reduzieren

1398

Kritisch Frank/Titz ZRP 2009, 137 (139); König StV 2012, 113; Salditt StV 2009, 375 (376). Siehe 2. Teil D. I. 1. b) aa) (2). 1400 Steinhäusler Verrat als „Trumpf“ S. 253. 1401 Gegen eine Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe bei Kronzeugenangaben im Individualstrafrecht auch Kaspar/Wengenroth GA 2010, 453 (462 ff.). 1399

D. Strafzumessung bei Verbänden

237

(hierzu (aa)) oder sich auf die innerhalb des Schuldrahmens zu beachtenden präventiven Bedürfnisse auswirken (hierzu (bb)).1402 (aa) Schuldminderung Zunächst ist zu untersuchen, ob von Kronzeugenangaben eine direkt oder zumindest eine indirekt schuldmindernde Wirkung ausgeht. Zur Bestimmung der Strafzumessungsschuld ist auf den Grad der persönlichen Vorwerfbarkeit und die Schwere der Tat abzustellen.1403 Beide stehen aber mit der Tatvollendung fest und können mit Ausnahme der Tatfolgen nach der Tat nicht mehr verändert werden.1404 Eine direkt schuldkompensierende Wirkung der erst später erfolgten Angaben des Kronzeugen besteht daher nicht. Sie sind vielmehr schuldindifferent.1405 Möglicherweise lassen die Kronzeugenangaben aber Rückschlüsse auf eine weniger rechtsfeindliche Gesinnung des Täters zur Tatzeit und damit auf eine geringere persönliche Schuld des Täters zu.1406 Macht der Kronzeuge Angaben lediglich zu dem Zweck, eine Strafmilderung zu erlangen, weist der Täter bei der Tat gerade keine weniger rechtsfeindliche Gesinnung auf. Ist die Kooperation Ausdruck einer radikal gewandelten Einstellung, die es dem Verband ermöglicht, andere einer Straftat zu bezichtigen, verbietet sich der Rückschluss auf eine weniger rechtsfeindliche Gesinnung bei der Tat erst recht.1407 Kronzeugenangaben lassen das Maß der Schuld unberührt. Weder beeinflussen sie dieses unmittelbar noch lässt sich aus ihnen auf eine weniger rechtsfeindliche Gesinnung des Täters zur Tatzeit schließen. (bb) Präventionsbedürfnis bei Kronzeugenangaben Da Kronzeugenangaben somit stets schuldindifferent sind, ist im Folgenden zu prüfen, inwieweit ein geringeres Präventionsbedürfnis besteht. Dabei ist zwischen der Spezial- und der Generalprävention zu unterscheiden. Das Geständnis als ein Indiz für ein geringeres spezialpräventives Bedürfnis beim internen Kronzeugen zu werten, ist nicht überzeugend. Das Geständnis in Bezug auf die eigene Tat ist ein separater Strafzumessungsfaktor, der von Angaben zu anderen Straftaten zu trennen ist.1408 Insbesondere beim externen Kronzeugen, der Angaben zu Straftaten anderer macht, an denen er nicht selbst beteiligt ist, ist es unzulässig, auf ein Geständnis zur Begründung der Strafmilderung abzustellen. Der externe Kronzeuge kann nämlich seine eigene Tatbeteiligung leugnen und zugleich Angaben zur Aufklärung von anderen Taten machen. Ein derartiges Vorgehen bietet sich an, wenn der Kronzeuge die Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen dadurch erschüttern möchte, dass er Angaben zu Straftaten dieses Zeugen macht.

1402

Vgl. bereits die entsprechenden Ausführungen zum Geständnis siehe 2. Teil D. II. 3. c) bb) (2). BGHSt 3, 179; 20, 264 (266). 1404 Heghmanns in FS Dencker S. 155 (157). 1405 Kaspar/Wengenroth GA 2010, 453 (463 f.); so auch BT-Drucks. 16/6268 S. 13. 1406 So für das Geständnis BGHSt 1, 105. 1407 Heghmanns in FS Dencker S. 155 (159). 1408 Siehe hierzu 2. Teil D. II. 3. c) bb). 1403

238

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Teilweise wird darauf verwiesen, dass ein Täter, der Angaben zu einer anderen Tat mache, kooperiere sowie Reue und Einsicht zeige. Er erkenne zumindest äußerlich die Rechtsordnung an und werde deswegen mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit Straftaten begehen als der uneinsichtige Täter.1409 Ob der Kronzeuge tatsächlich Reue und Einsicht zeigt und eine geringere Wahrscheinlichkeit für zukünftige Straftaten besteht, erscheint eher fraglich. Inwiefern das äußere Anerkenntnis der Rechtsordnung die präventiven Bedürfnisse mindern soll, ist nicht ersichtlich. Der Kronzeuge muss nur Tatsachen mitteilen, aus denen sich die Straftaten anderer ergeben. Ob er dieses Verhalten selbst für strafbar oder strafwürdig hält, ist irrelevant. Ein günstiger Aspekt, der im Rahmen der positiven Spezialprävention zu berücksichtigen wäre, ergibt sich aus den Kronzeugenangaben nicht. Daneben tritt ein verringertes Abschreckungsmoment im Sinne der negativen Spezialprävention. Wenn der Verband weiß, dass er sich das Absehen von Strafe durch die Weitergabe von Informationen an Strafverfolgungsorgane erkaufen kann, wird er zur Absicherung ein Informationspolster über Straftaten ansammeln.1410 In Bezug auf die Spezialprävention ist somit festzuhalten, dass sich eine Senkung der Strafe innerhalb des Schuldrahmens nicht rechtfertigen lässt. Wie beim Geständnis ist auch bei Kronzeugenangaben zu überlegen, ob generalpräventive Bedürfnisse für eine Strafmilderung sprechen. In Bezug auf die negative Generalprävention ändern die Angaben des Verbands nichts daran, dass er schuldhaft eine Straftat verwirklicht und damit ein generalpräventiv schädliches Beispiel zur Tatnachahmung für andere Personen gesetzt hat. Zur Aufrechterhaltung der Abschreckungswirkung gegenüber Dritten ist daher eine staatliche Reaktion grundsätzlich nötig.1411 Außerdem werden andere Tatgeneigte in ihre Überlegungen einbeziehen, dass sie das ihnen drohende Strafmaß durch Kronzeugenangaben verringern können, wenn man eine Strafmilderung aus diesem Grund zulässt. Eine Strafe darf auch nicht das im Rahmen der positiven Generalprävention zu berücksichtigende Rechtsbewusstsein der Bevölkerung erschüttern. Es müssen daher sachliche Gründe vorliegen, um sich am unteren Rand des Schuldrahmens zu bewegen. Eine Strafmilderung für Angaben des Täters zu fremden Straftaten kann dazu führen, Straftaten aufzudecken, die andernfalls unentdeckt geblieben wären. Eine verbesserte Strafverfolgung trägt zu einer Stärkung des Rechtsbewusstseins der Bevölkerung insgesamt bei. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass die Kronzeugenangaben keinen Bezug zu dem strafbaren Handeln des Täters und seiner Verantwortung für die Rechtsgutsverletzung aufweisen. Daher ist dem Rechtsbewusstsein der Bevölkerung eine Strafmilderung auch mit Blick auf anderweitige Aufklärungserfolge nicht zu vermitteln. Die Höhe der Strafe ist keine handelbare „Ware“. Eine verbesserte Strafverfolgung in abgeschotteten Kriminalitätsbereichen ist durch eine personelle Verstärkung der Strafverfolgungsbehörden und nicht durch „Strafrabatte“ zu gewährleisten.

1409

Kaspar/Wengenroth GA 2010, 453 (467). Kaspar/Wengenroth GA 2010, 453 (467). 1411 Kaspar/Wengenroth GA 2010, 453 (468). 1410

D. Strafzumessung bei Verbänden

239

Um die Bedenken im Hinblick auf den Schuldgrundsatz zu mildern, hat der Gesetzgeber die Kronzeugenregelung auf Taten beschränkt, die im Zusammenhang mit der Tat des Kronzeugen stehen (sog. Konnexitätszusammenhang).1412 Auch dies ist nicht geeignet, die Bedenken im Hinblick auf den Schuldgrundsatz auszuräumen. Der Täter kann z.B. Angaben zu Mittätern machen, aber seine eigene Tatbeteiligung leugnen, wenn er angibt, von Dritten erfahren zu haben, wer die Täter sind. Räumt er zugleich seine eigene Tatbeteiligung ein, ist diesem Verhalten schon beim Strafzumessungsgrund Geständnis Rechnung zu tragen. Bei einem Geständnis ist anders als bei Kronzeugenangaben eine Strafmilderung aus generalpräventiven Erwägungen möglich. Der Grund für die unterschiedliche Behandlung liegt darin, dass nur die Angaben zu eigenen Straftaten einen Bezug zum strafbaren Handeln des Täters und zu seiner Verantwortung für die Rechtsgutsverletzung aufweisen. (b) Weitere Einwände Zudem werden gegen eine Kronzeugenregelung Einwände in Bezug auf den Gleichheitssatz erhoben. Kronzeugenregelungen werden deshalb kritisiert, weil sie den in organisierten Strukturen verhafteten Kriminellen durch eine Strafmilderung begünstigen und andere Täter mangels Kenntnis von zu offenbarenden Straftaten hiervon ausschließen.1413 Der Gleichheitssatz gilt auch im Rahmen der Strafzumessung und ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl kein Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht besteht, dass er eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würde.1414 In Österreich wird zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung darauf verwiesen, dass ohne eine Strafmilderung keine Kronzeugenangaben zu erlangen seien.1415 Ein rechtfertigender Grund für eine unterschiedliche Behandlung beim Maß der Strafe liegt hierin nicht. Wie gezeigt, mindern die Kronzeugenangaben das Maß der Verbandsschuld nicht und lassen die präventiven Bedürfnisse unberührt.1416 Wie gerade ausgeführt, sind Ermittlungserfolge in abgeschotteten Kriminalitätsbereichen durch einen verstärkten Personaleinsatz zu erreichen und nicht durch fragwürdige „Strafrabatte“. Eine Berücksichtigung von Kronzeugenangaben bei der Strafzumessung verstößt daher gegen den Gleichheitssatz. Darüber hinaus werden beim internen Kronzeugen, der sich über die Angabe anderer Tatbeteiligter hinaus selbst belastet, Bedenken im Hinblick auf seine Selbstbelastungsfreiheit geltend gemacht.1417 Im Schrifttum wird versucht, einen Verstoß gegen die Selbstbelastungsfreiheit damit auszuschließen, dass das Schweigerecht verzichtbar sei.1418 In Österreich wird teilweise darauf 1412

46. StrÄndG v. 10.06.2013 (BGBl. I S. 1497). Frank/Titz ZRP 2009, 137 (139); König NJW 2009, 2481 (2483); vgl. auch Schaefer NJW 2000, 2325 (2326). 1414 Kaspar/Wengenroth GA 2010, 453 (458) unter Verweis auf BVerfGE 78, 232 (247). 1415 Steinhäusler Verrat als „Trumpf“ S. 224. 1416 Siehe 2. Teil D. II. 3. c) cc) (2) (a) (aa), (bb). 1417 Frank/Titz ZRP 2009, 137 (139). 1413

240

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

verwiesen, dass der interne Kronzeuge zu derartigen Angaben nicht verpflichtet sei.1419 Beiden Auffassungen ist jedoch entgegenzuhalten, dass kein unzulässiger Druck auf den Täter ausgeübt werden darf, sich zur Sache einzulassen. Die Inaussichtstellung einer schuldunangemessen niedrigen Strafe ist nicht erlaubt.1420 Beim internen Kronzeugen ist eine Berücksichtigung von Kronzeugenangaben bei der Strafzumessung überdies mit Blick auf die ihm zustehende Selbstbelastungsfreiheit unzulässig. dd) Zwischenergebnis Bei verbandsseitigen Angaben zu Straftaten sind die Angaben des Verbands zu eigenen Straftaten (Geständnis) von den Angaben des Verbands zu fremden Straftaten (Kronzeugenangaben) zu trennen. Bei der Berücksichtigung im Rahmen der Strafzumessung ergibt sich ein unterschiedlicher Befund. Das Geständnis lässt das Maß der Schuld grundsätzlich unberührt, es sei denn, dem Opfer werden ein nochmaliges Durchleben der Tat und eine weitere Traumatisierung erspart. Eine Strafmilderung bis zur schon schuldangemessenen Strafe innerhalb des Schuldrahmens ist aus spezialpräventiven Gründen ausnahmsweise möglich, wenn sich in dem Geständnis des Täters eine kritische Haltung zu seiner Tat offenbart. Ansonsten ist eine Strafmilderung aus generalpräventiven Erwägungen möglich, um eine verbesserte Strafverfolgung zu ermöglichen. Kronzeugenangaben sind dagegen bei der Strafzumessung nicht zu berücksichtigen. Weder beeinflussen sie das Maß der Schuld noch mindern sie die präventiven Bedürfnisse gegenüber dem Täter. Auch aus generalpräventiven Erwägungen lässt sich eine Strafmilderung nicht rechtfertigen, weil diese Angaben keinen Bezug zur Verantwortung des Täters für seine Tat aufweisen. Zudem verstößt eine Berücksichtigung von Kronzeugenangaben gegen den Gleichheitssatz und beeinträchtigt die Selbstbelastungsfreiheit beim internen Kronzeugen unangemessen. d) Interne Untersuchungen Erfährt der Verband Anhaltspunkte für mögliche verbandsbezogene Straftaten, gebieten die Anforderungen eines effektiven Criminal-Compliance-Programms, dass er diesen Anhaltspunkten nachgeht. Der Zweck interner Untersuchungen liegt aus Sicht des Verbands in der Vermeidung bzw. Minimierung von Haftungsrisiken.1421 Neben diesem präventiven Aspekt geht es in repressiver Hinsicht darum, einen Verdacht bzw. eine bereits festgestellte Verfehlung so (-weit) aufzuarbeiten, dass formelle (z.B. kartell-, straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche) und informelle (blacklisting, schlechte Darstellung in der Medienöffentlichkeit) Sanktionen vermieden oder auf ein für den Verband erträgliches Maß beschränkt werden.1422

1418

Kaspar/Wengenroth GA 2010, 453 (460). Steinhäusler Verrat als „Trumpf“ S. 218. 1420 BGH StraFo 2003, 97 (98). 1421 Rotsch Criminal Compliance-Momsen § 34 Rn. 1. 1422 Rotsch Criminal Compliance-Momsen § 34 Rn. 1; Hugger ZHR 179, 214 (222). 1419

D. Strafzumessung bei Verbänden

241

Bei internen Untersuchungen handelt es sich strafzumessungssystematisch um Nachtatverhalten. Eine Strafmilderung ist nur bei rechtmäßigem Nachtatverhalten angezeigt. Daher ist zunächst die Zulässigkeit von internen Untersuchungen an sich zu erläutern. Anschließend ist aufzuzeigen, welche Rechtsvorschriften bei einer internen Untersuchung typischerweise zu beachten sind. Da nicht jedes rechtmäßige Verhalten nach einer Straftat auch Strafzumessungsrelevanz aufweist, ist abschließend zu klären, worin diese bei internen Untersuchungen liegt. aa) Zulässigkeit interner Untersuchungen Nach der Darstellung der Bedenken gegen interne Untersuchungen ist zu erörtern, ob Verbände nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind, interne Untersuchungen durchzuführen. (1) Bedenken gegen interne Untersuchungen Ablehnende Stimmen warnen bei internen Untersuchungen vor einem drohenden Verlust des Rechtsstaats1423 oder kritisieren eine Privatisierung staatsanwaltlicher Ermittlungen.1424 Auch bei internen Untersuchungen verbleibt das Anklagemonopol mit Ausnahme der Privatklagedelikte (§§ 374 ff. StPO) jedoch stets beim Staat.1425 Damit korrespondiert das in § 152 Abs. 2 StPO verankerte Legalitätsprinzip, das einen grundsätzlichen Verfolgungszwang statuiert, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat bestehen. Interne Untersuchungen können daher strafprozessuale Ermittlungen niemals ersetzen. Um zu verdeutlichen, dass es sich bei Sachverhaltserforschungsmaßnahmen des Verbands um etwas anderes als staatliche Ermittlungen handelt, sollte hierfür der Begriff der „internen Untersuchung“ anstatt des vielfach anzutreffenden Begriffs der „internen Ermittlung“ verwendet werden.1426 Die Unterschiedlichkeit von staatlichen Ermittlungen und verbandsseitigen Untersuchungen wird auch daran deutlich, dass es den ermittelnden Behörden untersagt ist, ungeprüft Erkenntnisse der internen Untersuchung zu übernehmen. Derartige Erkenntnisse sind stets anhand der gewonnenen eigenen Beweismittel zu bewerten. Die Staatsanwaltschaft bleibt trotz interner Untersuchungen verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, und muss ihre Rolle als „Herrin“ des Vorverfahrens wahrnehmen.1427 Wenngleich die Staatsanwaltschaft vom Beschuldigten zur Verfügung gestellte Beweismittel stets kritisch zu hinterfragen hat, ist institutionelles Misstrauen gegenüber privaten Untersuchungen nicht angezeigt. Als staatliches Organ ist die Staatsanwaltschaft an das Übermaßverbot gebunden. Erscheint die Wahrheitserforschung gewährleistet, ist der freiwilligen Zur-Verfügung-Stellung von Beweismitteln der Vorrang vor staatlichen Zwangsmitteln einzuräumen.1428 Bei der vorzunehmenden Abwägung muss sich die Staatsanwaltschaft bei

1423

Hamm NJW 2010, 1332; Wastl ZRP 2011, 57. Taschke NZWiSt 2012, 89. 1425 Hierauf weist zu Recht Bittmann hin in Rotsch Criminal Compliance-Bittmann § 34 Rn. 124. 1426 So Rotsch Criminal Compliance-Taschke/Schoop § 34 Rn. 85. 1427 Wimmer in FS I. Roxin S. 537 (551). 1428 Rotsch Criminal Compliance-Bittmann § 34 Rn. 139. 1424

242

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

ihren Ermittlungen vom Erfordernis der bestmöglichen Sachverhaltsaufklärung leiten lassen. Wie sie dabei vorgeht, entscheidet sie nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Den Kritikern von internen Untersuchungen ist zwar zuzugestehen, dass Staatsanwälte bei begrenzten eigenen Ressourcen einer nicht zu unterschätzenden Versuchung unterliegen, sich bei der ihnen zustehenden Ermessensentscheidung von sachfremden Erwägungen leiten zu lassen.1429 Diese Gefahr ist jedoch hinzunehmen, weil der betroffene Verband ein billigenswertes Interesse an internen Untersuchungen hat. Dem Verband muss ein Recht auf Untersuchungen zugestanden werden, wenn der Verdacht auf verbandsbezogene Straftaten besteht. Es gibt keine Vorschrift, die „Neugier“ verbietet. Daher darf grds. jeder ermitteln, was er will.1430 Der Verband ist aber nicht nur ein „Jedermann“. Entweder ist er bereits Beschuldigter eines Strafverfahrens oder muss damit rechnen, in Zukunft ein solcher zu werden. Dem Beschuldigten ist es jedoch gestattet, den Sachverhalt selbst aufzuklären und in diesem Zusammenhang auch nach ihn entlastenden Beweismomenten zu suchen. Er muss sich nicht darauf verlassen, dass die Staatsanwaltschaft ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommt, auch die entlastenden Umstände zu ermitteln (§ 160 Abs. 2 StPO). Vielmehr darf er selbst aktiv werden und nach Entlastungszeugen und anderen, für ihn günstigen Beweismitteln forschen. Rechtswidrig wird ein derartiges Vorgehen nur dann, wenn der beschuldigte Verband versucht, Beweismittel zu manipulieren oder unlauter auf Zeugen einzuwirken.1431 Dies gilt auch, wenn der Verband externe (ausländische) Anwälte mit der Untersuchung beauftragt.1432 Interne Untersuchungen sind daher unter Einhaltung ihrer Rechtsmäßigkeitsgrenzen zulässig. (2) Rechtspflicht zu internen Untersuchungen Zudem besteht eine Rechtspflicht, bei Anhaltspunkten für Verstöße interne Untersuchungen aufzunehmen. Eine derartige Verpflichtung ergibt sich aus den §§ 30, 130 OWiG. Die nach § 130 OWiG erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen umfassen die Verpflichtung, Maßnahmen zu ergreifen, um zukünftige Rechtsverstöße zu vermeiden. § 130 OWiG verpflichtet die Verbandsleitung aber auch dazu, möglichen Verdachtsmomenten nachzugehen.1433 Aus dieser Verpflichtung wird abgeleitet, dass Verbände Criminal-Compliance-Programme einzurichten haben, die interne Untersuchungen effektiv betreiben können.1434 Ohne die Aufklärung begangener Straftaten können im Übrigen auch keine Erkenntnisse gewonnen werden, um das bestehende Criminal-Compliance-Programm zu verbessern.

1429

In diesem Zusammenhang vgl. Achenbach, der interne Untersuchungen als Ausdruck einer ungenügenden Leistungsfähigkeit des Justizsystems sieht; GA 2004, 559 (574). 1430 HWSt/Salvenmoser/Schreier 15 Rn. 15, 22 ff., 40. 1431 Rotsch Criminal Compliance-Bittmann § 34 Rn. 123. 1432 Vgl. hierzu Jahn StV 2009, 41 (42 f.). 1433 Taschke NZWiSt 2012, 89 (90 f.). 1434 Moosmayer NJW 2012, 3013; so wohl Moosmayer Compliance S. 5 f.; Momsen in Momsen/Grützner Kap. 1 C. Rn. 27.

D. Strafzumessung bei Verbänden

243

Des Weiteren lässt sich auch aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG für Vorstände und aus § 116 AktG für Aufsichtsräte einer Aktiengesellschaft eine derartige Verpflichtung herleiten.1435 Gleiches gilt für die Geschäftsführung einer GmbH (§ 43 Abs. 1 GmbHG).1436 Bei Wertpapierdienstleistungsverbänden kann eine Notwendigkeit von internen Untersuchungen aus §§ 31 ff. WpHG resultieren. Für einige Finanzinstitute besteht nach § 25c Abs. 3 KWG eine Verpflichtung, zweifelhafte Buchungsvorgänge unter bestimmten Voraussetzungen intern zu untersuchen. Für international tätige Verbände kann sich eine derartige Pflicht auch aus ausländischen Rechtsnormen ergeben. Unterhalten Verbände geschäftliche Beziehungen in die USA, untersagt ihnen der Foreign Corrupt Procedures Act, Bestechungszahlungen an ausländische Amtsträger zu leisten. Dieser verlangt, dass Verbände effektive Compliance-Programme unterhalten, was die Verpflichtung zur Aufklärung von Gesetzesverletzungen mitumfasst.1437 Daneben ist der UK Bribery Act zu beachten. Dieser erfasst ausländische Verbände, sofern sie einen irgendwie gearteten Bezug zum Vereinigten Königreich aufweisen.1438 Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit kann dabei entfallen, wenn geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Bestechungshandlungen getroffen wurden.1439 bb) Rechtliche Voraussetzungen Die interne Untersuchung zur Aufklärung von verbandsbezogenen Straftaten muss rechtmäßig erfolgen. Dies bedeutet, dass die nationalen Vorgaben in dem Land, in dem die Untersuchungshandlung stattfindet, einzuhalten sind. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hat dabei in jedem Fall Vorrang vor dem Aufklärungsinteresse des Verbands.1440 Wie gezeigt, muss Criminal Compliance ihrerseits compliant sein.1441 Im Rahmen von internen Ermittlungen können dabei einerseits Straftatbestände wie Nötigung (§ 240 StGB), Amtsanmaßung (§ 132 StGB) oder Strafvereitelung (§ 258 StGB) verwirklicht werden. Werden der Email-Verkehr oder Gespräche überwacht, ist andererseits auch an Verstöße gegen das Datenschutzgesetz oder an Straftatbestände wie §§ 201, 201a StGB zu denken.1442 Zunächst ist auf die Frage einzugehen, in welchen Fällen interne Untersuchungen einzuleiten und wie diese durchzuführen sind. Anschließend wird zu der Problematik Stellung genommen, ob strafprozessuale Grundsätze auf interne Untersuchungen zu übertragen sind. (1) Einleitung und Durchführung Erhält der Verband Hinweise auf ein irgendwie geartetes Fehlverhalten, muss er sich überlegen, wie er mit diesen weiter verfährt. Für die Frage der Einleitung interner Untersuchungen 1435

Moosmayr NJW 2012, 3013; Taschke NZWiSt 2012, 89 (90); Hugger ZHR 179, 214 (219). Rotsch Criminal Compliance-Taschke/Schoop § 34 Rn. 92. 1437 Taschke NZWiSt 2012, 89 (91). Näher zum FCPA Spehl/Grützner CCZ 2013, 198. 1438 Knauer ZWH 2012, 41 (43). 1439 Schorn/Sprenger CCZ 2013, 104 (106 f.). 1440 Rotsch Criminal Compliance-Taschke/Schoop § 34 Rn. 101. 1441 Siehe 2. Teil D. II. 2. c) aa) (3). 1442 Rotsch Criminal Compliance-Bittmann § 34 Rn. 130. 1436

244

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

kommt es darauf an, ob sich der Verdacht auf ein strafrechtlich relevantes Verhalten bezieht, das als zumindest potentiell verfolgbar erscheint. Der Anfangsverdacht, der eine förmliche interne Untersuchung legitimiert, entspricht somit der Schwelle für staatliche Ermittlungen gem. § 152 StPO.1443 Liegen die Hinweise unter dieser Schwelle und liefern trotzdem Anhaltspunkte für verbandsbezogene Straftaten, hat der Verband im Rahmen von zumutbaren Anstrengungen den Versuch zu unternehmen, diese Vorwürfe zu plausibilisieren. Ergeben sich hierbei keine näheren Indizien auf strafrechtlich relevantes Verhalten, ist der Verband nicht gehalten, diesen Vorwürfen weiter nachzugehen. Bezüglich der Maßnahmen, die die Verbandsleitung zur Aufklärung der Vorwürfe ergreift, steht ihr ein Auswahlermessen zu.1444 Die Auswahl hat sich dabei an der Schwere der Verdachtsmomente zu orientieren. Ergeben sich gravierende Anhaltspunkte für systematische verbandsbezogene Straftaten, reduziert sich das Auswahlermessen der Geschäftsleitung auf effektive und nachhaltige Untersuchungen.1445 Hat sich der Verband für bestimmte Maßnahmen entschieden, muss er die gesetzlichen Vorgaben hierfür respektieren. Diese ergeben sich vornehmlich aus dem Arbeits- und dem Datenschutzrecht.1446 Alle bei internen Untersuchungen einzuhaltenden Vorschriften lassen sich nicht darstellen, weil die einschlägigen Vorschriften davon abhängen, wie die interne Untersuchung im Einzelfall geführt wird. Auf strafrechtliche Risiken von internen Untersuchungen ist bereits hingewiesen worden.1447 Vor allem sind die am 25.05.2018 in Kraft getretene EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie die Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zu beachten. Der deutsche Gesetzgeber hat von der in Art. 88 DSGVO eröffneten Möglichkeit, nationale gesetzliche Regelungen zu treffen, in Form des § 26 BDSG Gebrauch gemacht. Bei der Auswertung des Email-Verkehrs können zudem die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) relevant werden, wenn die private Nutzung gestattet bzw. toleriert wird. Liegt keine Einwilligung vor (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 2 BDSG), muss die Datenverarbeitung anderweitig gestattet (Art. 6 Abs. 1 lit. b - f DSGVO) sein (z.B. § 26 Abs. 1 BDSG). Unter der alten Rechtslage war jahrelang umstritten, ob § 32 Abs. 1 Nr. 2 BDSG a.F. (Verdacht einer Straftat) eine Sperrwirkung gegenüber anderen Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung entfaltet.1448 Das BAG hat diese Frage zur alten Rechtslage nunmehr geklärt, indem es eine Sperrwirkung abgelehnt hat.1449 Ob dies auch unter der neuen Rechtslage gilt, ist richterlich noch nicht geklärt.

1443

Rotsch Criminal Compliance-Moosmayer § 34 Rn. 73. Reichert ZIS 2011, 113 (117 f.); Hugger ZHR 179, 214 (219). 1445 Ähnlich auch Reichert ZIS 2011, 113 (117). 1446 Hugger ZHR 179, 214 (220). 1447 Siehe 2. Teil D. II. 3. d) bb). 1448 Für eine Sperrwirkung LAG Baden-Württemberg Urt. v. 20.07.2016 Az.: 4 Sa 61/!5; dagegen Taeger/Gabel BDSG § 32 Rn. 6 ff. 1449 BAG Urt. v. 29.06.2017 Az.: 2 AZR 597/16. 1444

D. Strafzumessung bei Verbänden

245

Interne Untersuchungen müssen jedoch rechtmäßig ablaufen.1450 Bei ungeklärten Rechtsfragen sollte von einer Untersuchungsmaßnahme nach Einholung von Rechtsrat im Zweifel eher Abstand genommen werden. In diesem Fall ist dem Verband auch kein Vorwurf zu machen, bestimmte Aufklärungsmaßnahmen unterlassen zu haben. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Verbandsleitung bei der Durchführung von internen Untersuchungen eine Ermessensentscheidung bezüglich der Maßnahmen zu treffen hat, die sich an der Schwere des Verdachts orientieren muss. Die gesetzlichen Vorgaben sind stets einzuhalten. (2) Übertragung strafprozessualer Grundsätze Teilweise wird die Übertragung strafprozessualer Regelungen auf interne Untersuchungen gefordert. Insbesondere die Regelungen zur Vernehmung in §§ 136, 136a StPO sollen zum Schutz der Verbandsangehörigen anwendbar sein.1451 Dies wird damit begründet, dass der Staat seine Ermittlungen gezielt auf Private auslagere, die mittels professionell ermittelnder Anwälte einen erheblichen Druck auf die Verbandsangehörigen ausüben. Eine Übertragung strafprozessualer Grundsätze auf interne Untersuchungen ist jedoch abzulehnen. Dies dient einerseits dazu, die arbeitsrechtlich zulässigen Ermittlungsmethoden nicht unzumutbar einzuschränken.1452 Dem Verband stehen keine Eingriffs- und Zwangsbefugnisse wie einem staatlichen Ermittler zu.1453 Andererseits wird hierdurch auch der betroffene Verbandsangehörige geschützt. Der Verband kann ihm nicht mit den sehr weit reichenden Befugnissen eines staatlichen Ermittlers gegenübertreten. Er darf weder die Wohnung des Verbandsangehörigen durchsuchen noch Untersuchungshaft gegen ihn anordnen. Dies wäre in einem Rechtsstaat auch nicht wünschenswert. Die deutsche Strafprozessordnung stellt ein System bereit, das die widerstreitenden Interessen im Rahmen von Ermittlungen zu einem ausgewogenen Ausgleich bringt. Der rechtsstaatlichen Beschränkung und grundrechtlichen Bindung der Ermittlungsorgane steht die Möglichkeit der Zwangsausübung gegenüber. Dadurch verfügen staatliche Organe über sehr weitreichende Möglichkeiten der Informationsgewinnung. Die Ausdehnung in die Tiefe erlaubt eine Beschränkung der Ermittlungsbefugnis in der Breite.1454 Da die Ermittlungsbefugnis von Privaten aus rechtsstaatlichen Gründen eine geringere Tiefe in Bezug auf Eingriffsrechte hat, muss ihre Befugnis breiter sein, d.h. mehr Informationsquellen umfassen. Eine Übertragung einzelner Regelungen der Strafprozessordnung auf interne Untersuchungen ist ebenfalls abzulehnen. Andernfalls würde ein einheitliches, in sich geschlossenes System auseinandergerissen. 1450

Siehe 2. Teil D. II. 3. d) bb). Zerbes ZStW 125, 551 (571 f.). 1452 Ausführlich zur Befragung des Mitarbeiters Lützeler/Müller-Sartori CCZ 2011, 19; vgl. auch Gänswein/ Hiéramente NZKart 2017, 502 (507). 1453 Momsen/Grützner DB 2011, 1792 (1793 ff.); Schumann/Knierim NZWiSt 2016, 194 (199). 1454 Rotsch Criminal Compliance-Momsen § 34 Rn. 12. 1451

246

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

cc) Interne Untersuchungen als Strafzumessungsfaktor Interne Untersuchungen sollen dazu beitragen, dass strafrechtliche Sanktionen vermieden oder auf ein für den Verband erträgliches Maß beschränkt werden.1455 Die Strafe für den Verband ist nach dem Maß seiner Schuld zu bestimmen.1456 Daher muss eine interne Untersuchung entweder das Maß der Schuld reduzieren oder zumindest innerhalb des nach der Spielraumtheorie zu bildenden Schuldrahmens1457 eine Minderung der präventiven Bedürfnisse indizieren, um sich strafmildernd auswirken zu können. Mittels einer internen Untersuchung bezweckt der Verband, Gewissheit darüber zu erlangen, ob verbandsbezogene Straftaten begangen wurden. Dies lässt das Maß der Schuld im Sinne einer Verantwortlichkeit für die Rechtsgutsverletzung unberührt. Daher ist im Folgenden zu prüfen, inwieweit derartiges Verhalten die präventiven Bedürfnisse mindern kann. Die interne Untersuchung ist zunächst zu den bereits dargestellten Strafzumessungsfaktoren abzugrenzen. Anschließend ist auf die Frage einzugehen, inwiefern das Zur-Verfügung-Stellen von Beweismitteln eine Minderung der präventiven Bedürfnisse indiziert. (1) Abgrenzung zu anderen Strafzumessungsfaktoren Um zu klären, inwiefern sich interne Untersuchungen auf die Strafzumessung auswirken, bedarf es zunächst einer Abgrenzung zu den bereits dargestellten Strafzumessungsfaktoren. Zum einen muss die interne Untersuchung zu Geständnissen des Verbands abgegrenzt werden. Interne Untersuchungen dienen dazu, dem Verband darüber Gewissheit zu verschaffen, ob er verbandsbezogene Straftaten verwirklicht hat. Macht der Verband hierzu Angaben, wirkt sich dies strafmildernd aus.1458 Ob er um die verbandsbezogene Straftat von vornherein weiß oder von ihren genauen Umständen erst im Rahmen einer internen Untersuchung Kenntnis erlangt, spielt keine Rolle. Andernfalls würden Angaben des Verbands doppelt strafmildernd berücksichtigt. Zum anderen kann eine interne Untersuchung auch dazu führen, dass Lücken in einem bestehenden Criminal-Compliance-Programm aufgedeckt und geschlossen werden. Diesen Umständen ist aber bereits im Rahmen des Strafzumessungsfaktors nachträgliche Criminal-Compliance-Bemühungen Rechnung zu tragen.1459 Weder Angaben des Verbands zu Straftaten noch die Beseitigung von Criminal-ComplianceMängeln infolge einer internen Untersuchung vermögen eine eigenständige Minderung der präventiven Bedürfnisse durch eine interne Untersuchung zu indizieren. Die Durchführung der internen Untersuchung selbst genügt hierfür ebenfalls nicht. Der Verband kann hierzu verpflichtet sein1460 und führt die interne Untersuchung auch in dem Interesse durch, nach ihn entlastenden Umständen zu suchen.

1455

Siehe 2. Teil D. II. 3. d). Siehe 2. Teil D. I. 1. b). 1457 Siehe 2. Teil D. I. 1. b) bb). 1458 Siehe hierzu näher 2. Teil D. II. 3. c) bb). 1459 Siehe 2. Teil D. II. 3. a). 1460 Siehe 2. Teil D. II. 3. d) aa) (2). 1456

D. Strafzumessung bei Verbänden

247

Deswegen ist zu klären, worin die eigenständige Bedeutung von internen Untersuchungen als Strafzumessungsfaktor liegt, die über ein Geständnis und die Verbesserung des Criminal-Compliance-Programms hinausgeht. Durch die interne Untersuchung kann der Verband direkt Beweismittel gewinnen, die er den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellt. Zudem können diese auch als Spurenansatz zum Auffinden weiterer Beweismittel dienen. Derartige Beweismittel umfassen nicht das Geständnis des Verbands bezüglich eigener Straftaten. Diesem Umstand wurde unter dem Strafzumessungsfaktor Geständnis Rechnung getragen.1461 Wenngleich eine Rechtspflicht zur Durchführung einer internen Untersuchung unter bestimmten Umständen besteht,1462 ist der Verband in Fällen einer fehlenden Beschlagnahmeanordnung grundsätzlich nicht verpflichtet, die gewonnenen Beweismittel an die Strafverfolgungsorgane herauszugeben.1463 (2) Zur-Verfügung-Stellung von Beweismitteln Dem Zur-Verfügung-Stellen von Beweismitteln, die bei einer internen Untersuchung gewonnen wurden, ist noch nicht durch die Strafzumessungsfaktoren Verbandsangaben oder nachträgliche Criminal-Compliance-Bemühungen Rechnung getragen worden. Daher ist im Folgenden zu untersuchen, inwiefern dies eine Minderung der präventiven Bedürfnisse rechtfertigen kann. Dabei ist zwischen Beweismitteln, die sich auf den Verband selbst beziehen, und solchen, die sich gegen andere Rechtssubjekte richten, zu unterscheiden. Anderen Beweismitteln, die sich auf den Verband selbst beziehen, kommt neben dem Beweismittel Geständnis eine eigenständige Bedeutung bei der Überzeugungsbildung des Gerichts in Bezug auf die Schuld- und Straffrage zu. Wenngleich in der Praxis vielfach missachtet, entbindet auch ein Geständnis nicht von der Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 244 Abs. 2 StPO). In diesem Fall bedarf es sorgfältiger Prüfung, ob ein präsentierter „Sündenbock“ den wahren Schuldigen deckt. Dies spielt im Verbandsstrafrecht insbesondere bei einem Konzern eine Rolle. Geht der Konzernoberverband davon aus, eine verbandsbezogene Zuwiderhandlung werde demnächst ohnehin von den Strafverfolgungsbehörden entdeckt, könnte er den ertragsschwächsten Konzernverband dazu anhalten, seine „Verantwortlichkeit“ zu gestehen. Der Grund hierfür ist, dass die gegenüber diesem Verband zu verhängende Geldstrafe in ihrer Gesamtsumme geringer ausfällt als bei ertragsstarken Verbänden. Da der Konzernmutterverband die Geldstrafe wirtschaftlich ohnehin zu tragen hat, ist es für ihn irrelevant, bei welchem Tochterverband sie rechtlich anfällt.1464 Deswegen kann er ein Interesse daran haben, dass ein unschuldiger Verband gesteht. Räumt der delinquente Verband also nicht lediglich den Vorwurf ein, sondern stellt zugleich weitere ihn überführende Beweismittel zur Verfügung, handelt es sich dabei um ein Nachtatverhalten mit einer eigenständigen Bedeutung für die Strafzumessung. Dieses Verhalten kann neben dem Geständnis eine weitere Senkung der präventiven Bedürfnisse rechtfertigen und 1461

Siehe 2. Teil D. II. 3. c) bb). Siehe 2. Teil D. II. 3. d) aa) (2). 1463 Zu den Ausnahmen Hugger ZHR 179, 214 (221 f.). 1464 Zum Konzern siehe 1. Teil E. III. 1462

248

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

daher als Strafmilderungsgrund herangezogen werden. Der Grund hierfür ist, dass der Täter sich nicht nur zu seiner Schuld bekennt, sondern dem Gericht auch Mittel zur Überzeugungsbildung über die Schuld- und Straffrage zur Verfügung stellt, die über sein Geständnis hinausgehen. Dadurch besteht bei derartigen Tätern die spezialpräventiv günstige Annahme eines erhöhten Maßes an Einsicht und einer geringeren Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten als bei einem Täter, der lediglich zum Zweck der Strafmilderung gesteht. Dass sich diesbezüglich keine völlige Gewissheit bilden kann, steht einer strafmildernden Berücksichtigung nicht im Weg. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt auch für Strafzumessungstatsachen.1465 Andernfalls ist eine Strafmilderung aus generalpräventiven Erwägungen in Anlehnung an die Grundsätze zu Geständnissen möglich.1466 Diese Minderung darf jedoch maximal bis zur schon schuldangemessenen Strafe gehen. Für den Umfang der Strafmilderung kommt es auf die Qualität der Beweismittel an. Das Zur-Verfügung-Stellen von Beweismitteln gegen andere Rechtssubjekte wirkt sich dagegen nicht strafmildernd aus. Wie bei Kronzeugenangaben steht dieses Verhalten in keinem Bezug zur Verantwortung des Verbands für seine Tat.1467 Deswegen lässt sich weder eine Verringerung des Schuldmaßes noch eine Minderung der präventiven Bedürfnisse begründen. dd) Zwischenergebnis Interne Untersuchungen sind mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar. Dem Verband als potentiell Beschuldigtem steht ein Recht auf Sachverhaltserforschung zu. Ggf. ist er zu einer internen Untersuchung sogar verpflichtet. Interne Untersuchungen sind strafmildernd zu berücksichtigen, wenn der Verband den Strafverfolgungsbehörden Beweismittel gegen sich selbst zur Verfügung stellt. Voraussetzung hierfür ist, dass die interne Untersuchung selbst rechtmäßig durchgeführt wurde. Nur rechtmäßiges Nachtatverhalten rechtfertigt eine Strafmilderung. Dabei müssen neben den Straftatbeständen v.a. Vorschriften des Datenschutzrechts beachtet werden. Strafprozessuale Regelungen sind auf interne Untersuchungen dagegen nicht anwendbar. Aus spezialpräventiven Erwägungen lässt sich eine Senkung der Strafe begründen, wenn wegen des Zur-Verfügung-Stellens eines Beweismittels von einem erhöhten Maß an Einsicht ausgegangen werden kann. Ansonsten ist es möglich, auf generalpräventive Gründe wie beim Geständnis abzustellen. Mangels Schuldrelevanz des Zur-Verfügung-Stellens der Beweismittel kommt eine Strafmilderung nur innerhalb des Schuldrahmens bis zur schon schuldangemessenen Strafe in Betracht. Für den Umfang der Strafmilderung ist die Qualität der Beweismittel relevant.

1465

BGH Beschl. v. 12.09.2000 Az.: 4 StR 305/00 Rn. 6. Siehe 2. Teil D. II. 3. c) bb) (2) (b). 1467 Siehe 2. Teil D. II. 3. c) cc) (2) (a) (bb). 1466

D. Strafzumessung bei Verbänden

249

III. Zwischenergebnis Der Begriff der Schuld ist sowohl für die Verbrechenslehre als auch für die Strafzumessung bedeutsam. Die Strafzumessungsschuld ist mit der Strafbegründungsschuld im Wesentlichen identisch. Bei der Strafzumessung steht dem Richter ein gegenüber dem Strafrahmen engerer Schuldrahmen zu, der nach oben durch die noch schuldangemessene und nach unten durch die schon schuldangemessene Strafe begrenzt ist. Innerhalb dieses Schuldrahmens ist die Strafe vorrangig anhand der spezialpräventiven Belange zu bestimmen. Lediglich ergänzend sind generalpräventive Aspekte zu berücksichtigen. Das Strafmaß bestimmt sich nach den Umständen, die das Unrecht der Anknüpfungstat prägen, den vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen und den sonstigen Umständen. Letztere wirken sich teilweise auf das Maß der Schuld aus; teilweise beeinflussen sie jedoch nur die innerhalb des Schuldrahmens zu beachtenden präventiven Belange. Ihr Einfluss auf das Strafmaß ist bei verbandsbezogenen Organ- und Mitarbeiterstraftaten identisch. Unterschiede zwischen verbandsbezogenen Organ- und Mitarbeiterstraftaten bestehen jedoch beim Einfluss der Umstände der Anknüpfungstat und den vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen. Diese wirken sich jeweils auf das Maß der Schuld aus. Bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen ist das Maß der Schuld primär anhand der Umstände der Anknüpfungstat zu bestimmen. Es ist lediglich sekundär nach den vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen zu fragen. Dieses Verhältnis dreht sich bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern um. Zu den Umständen der Anknüpfungstat zählen die erfolgsbezogenen Konsequenzen, die handlungsbezogene Begehungsweise und die subjektiven Momente. Im Rahmen der vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen ist zu prüfen, inwieweit der Verband ein hinreichendes Criminal-Compliance-Programm installiert hat, um verbandsbezogenen Straftaten seiner Angehörigen entgegenzutreten. Zu den sonstigen Umständen gehören die nachträglichen Criminal-Compliance-Maßnahmen, die Schadenswiedergutmachung, das Geständnis sowie das Zur-Verfügung-Stellen von Beweismitteln gegen den Verband selbst, die er durch eine interne Untersuchung gewonnen hat.

E. Verzinsung der Verbandsgeldstrafe Die Verzinsung von Sanktionen gegenüber Verbänden ist aus dem Kartellordnungswidrigkeitenrecht bekannt (§ 81 Abs. 6 GWB). Auch für das Verbandsstrafrecht stellt sich die Frage, ob die Geldstrafe einer Zinspflicht unterworfen werden soll. Nach der Darstellung der Gründe für eine Verzinsungspflicht in Anlehnung an das Ordnungswidrigkeitenrecht (hierzu I.) ist zu fragen, inwiefern verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Verzinsung von Verbandsgeldstrafen bestehen (hierzu II.). Anschließend ist zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Verzinsungspflicht Stellung zu nehmen (hierzu III.). Schließlich ist zu untersuchen, ob sich die Verzinsung der Verbandsgeldstrafe auf die Höhe der Verbandsgeldstrafe auswirkt (hierzu IV.). I. Gründe für eine Zinspflicht Verbände verwalten ihr Vermögen professionell. Zu diesem Zweck legen sie nicht benötigte Gelder und sonstige Vermögensgegenstände an, um mit ihnen Erträge zu erzielen. Vor allem generiert der Verband Zinserträge aus dem verwalteten Vermögen. Der Zahlungszeitpunkt einer Geldstrafe bestimmt maßgeblich den Umfang ihrer wirtschaftlichen Belastung für den Adressaten. Deshalb hat der Verband regelmäßig ein Interesse daran, seine Verpflichtung möglichst spät zu erfüllen, um in der Zwischenzeit die finanziellen Mittel zur Erwirtschaftung von Zinserträgen einsetzen zu können. Aus diesen Gründen besteht die Gefahr, dass Rechtsbehelfe gegen Strafzahlungen ausschließlich mit dem Ziel eingelegt werden, einen Zinsvorteil zu erlangen.1468 Dies gilt insbesondere bei hohen Strafzahlungen, weil der Zinsvorteil in diesem Fall für den Verband eine große Bedeutung erlangt.1469 Diese Gefahr droht selbst in Niedrigzinsphasen. Durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs ist der Verband in der Lage, auf sein eigenes Geld für notwendige Investitionen zurückzugreifen. Hierdurch erspart er sich die Zinsen für einen Bankkredit. Um dieser Gefahr im Kartellordnungswidrigkeitenrecht zu begegnen, hat der Gesetzgeber in § 81 Abs. 6 GWB eine Vorschrift geschaffen, die eine Verzinsung von gegen juristische Personen und Personenvereinigungen festgesetzten Kartellbußen ermöglicht.1470 Aber auch wenn der Verband ernsthaft eine Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung erstrebt, kann er durch den verzögerten Eintritt der Rechtskraft bei fehlender Verzinsungspflicht einen deutlichen Zinsvorteil erlangen. Die Gefahr eines missbräuchlichen Einsatzes von Rechtsbehelfen mit dem Ziel, die Rechtskraft des Urteils hinauszuzögern, besteht ebenfalls bei Verbandsgeldstrafen. Auch hier kann der Verband durch eine verzögerte Zahlung der Geldstrafe regelmäßig Zinsvorteile erlangen. Zudem muss der Verband weder bei der Berufung (§ 331 StPO) noch bei der Revision (§ 358 Abs. 2 StPO) eine Verböserung befürchten, wenn lediglich er Rechtsmittel einlegt. Dies erhöht die Attraktivität von strafrechtlichen Rechtsmitteln für den Verband zusätzlich. 1468

Siehe BT-Drucks. 15/3640 S. 42. Siehe BT-Drucks. 15/3640 S. 42. 1470 Kahlenberg/Haellmigk BB 2005, 1509 (1514). 1469

E. Verzinsung der Verbandsgeldstrafe

251

Der Zinsvorteil, der häufig etwaige Verfahrenskosten übersteigen wird, verbliebe dem Verband in jedem Fall. Da der Instanzenzug im Strafrecht in bestimmten Fällen durch eine Berufung und eine anschließende Revision 3-zügig ist, kann der betroffene Verband die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung in erheblichem Umfang hinauszögern. Überdies darf sich der Gesetzgeber an der internationalen Mindesttrias von „wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden“ Sanktionen in den Grenzen des Grundgesetzes orientieren.1471 Kann der Verband durch die Einlegung von Rechtsmitteln erhebliche Zinsgewinne erzielen, wird die Abschreckungswirkung der Strafe deutlich reduziert. Ist eine Verzinsungspflicht zulässig, wäre sie aus den genannten Erwägungen im Verbandsstrafrecht vorzusehen. Aus diesen Gründen ist zu untersuchen, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, die Verbandsgeldstrafe einer Verzinsungspflicht zu unterwerfen. II. Verfassungsrechtliche Probleme Bereits im Gesetzgebungsverfahren zur kartellrechtlichen Verzinsungspflicht wurde vom Bundesrat hieran Kritik geäußert.1472 Im Schrifttum ist die Regelung ebenfalls auf ein kritisches Echo gestoßen.1473 Vereinzelt wird davon ausgegangen, dass die Verfassungswidrigkeit der Norm evident sei.1474 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Verzinsungspflicht für Kartellgeldbußen werden im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erhoben.1475 Des Weiteren wird die Vereinbarkeit mit der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) herzuleitenden Unschuldsvermutung bezweifelt.1476 Schließlich soll die Verzinsungspflicht mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG) unvereinbar sein.1477 Auch das OLG Düsseldorf hat die Verfassungsmäßigkeit von § 81 Abs. 6 GWB bezweifelt und deshalb die Norm dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt.1478 Das Bundesverfassungsgericht ist den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Verzinsungspflicht nicht gefolgt und hat die Regelung für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt.1479 Diese Entscheidung hat Zustimmung, aber auch Kritik erfahren.1480

1471

Siehe 1. Teil B. III. 1.; 2. Teil A. II. Siehe BT-Drucks. 15/3640 S. 82. 1473 Burrichter in FS Bechtold S. 97 (112); Achenbach in FK § 81 GWB 2013 Rn. 611 ff.; Meyer-Lindemann in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff § 81 GWB Rn. 132 ff. 1474 Göhler/Gürtler OWiG § 17 Rn. 48d in 15. Aufl., der in der 16. Aufl. von verfassungsrechtlichen Bedenken spricht. 1475 Stellungnahme des Bundesrats v. 09.07.2004, BT-Drucks. 15/3640 S. 82; Burrichter in FS Bechtold S. 97 (112); wohl auch Meyer-Lindemann in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff § 81 GWB Rn. 136. 1476 Achenbach in FK § 81 GWB 2013 Rn. 611; vgl. hierzu auch Göhler/Gürtler OWiG § 17 Rn. 48d. 1477 Achenbach in FK § 81 GWB 2013 Rn. 611; Göhler/Gürtler OWiG § 17 Rn. 48d; vgl. hierzu auch Vollmer wistra 2013, 289 (293 ff.). 1478 OLG Düsseldorf Beschl. v. 24.05.2011 Az.: V-1 Kart 1/11 (OWi). 1479 BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11. 1480 Zustimmend Ost NZKart 2013, 173; ablehnend Meinhold-Heerlein/Engelhoven NZKart 2013, 104. 1472

252

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Bedenken gegen die Verzinsung von Kartellbußen zur Unzulässigkeit einer Verzinsungspflicht für Verbandsgeldstrafen führen. Bei den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Verzinsungspflicht im Verbandsstrafrecht ist zwischen dem Zeitraum vor (hierzu 2.) und nach einer rechtskräftigen Entscheidung (hierzu 1.) über die Verbandsgeldstrafe zu differenzieren. 1. Rechtskräftige Verbandsgeldstrafen Teilweise wird vertreten, dass eine Verzinsungspflicht für rechtskräftige Verbandsgeldstrafen völlig unbedenklich sei.1481 Dafür lässt sich anführen, dass mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung feststeht, dass der Verband zur Zahlung der festgesetzten Geldsumme verpflichtet ist. Zudem ist kein Grund ersichtlich, den Verband bei Geldstrafen gegenüber sonstigen finanziellen Verpflichtungen zu privilegieren, die ebenfalls bei Verzug zu verzinsen sind. Diese Ansicht übersieht aber, dass eine Verzinsungspflicht auch den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) genügen muss. a) Verzinsung und Gleichheitssatz Eine Verletzung des Gleichheitssatzes kommt in Betracht, weil die Verzinsungspflicht nur für gegen Verbände verhängte Strafen gilt. Geldstrafen im Individualstrafrecht sind nicht zu verzinsen. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.1482 Hieraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen reichen können.1483 Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist.1484 Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wurde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können.1485 Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab. Sein Inhalt

1481 So entsprechend für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker § 81 GWB Rn. 569; Burrichter in FS Bechtold S. 97 (99). 1482 BVerfGE 120, 1 (29); 122, 210 (230); 129, 49 (68). 1483 BVerfGE 126, 400 (416); 127, 263 (280). 1484 BVerfGE 124, 199 (220); 129, 49 (68 f.). 1485 BVerfGE 129, 49 (69).

E. Verzinsung der Verbandsgeldstrafe

253

und seine Grenzen lassen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen.1486 Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für Einzelne verfügbar sind1487 oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern.1488 Eine strengere Bindung kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben.1489 Im Übrigen hängt das Maß der Bindung u.a. davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird.1490 Welchem Rechtfertigungsmaßstab die Ungleichbehandlung bei der Verzinsungspflicht unterliegt und ob diese auf Basis des anzuwendenden Maßstabs gerechtfertigt ist, ist umstritten. b) Rechtfertigung der Zinspflicht in § 81 Abs. 6 GWB Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB gilt ebenfalls nur für gegen Verbände verhängte Geldsanktionen. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass sich eine derartige Verzinsungspflicht lediglich am Willkürverbot messen lassen muss.1491 Auf Basis dieser Kontrolldichte hält das Bundesverfassungsgericht eine solche Regelung für mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar. Die Beschränkung der Verzinsungspflicht auf Verbände lasse sich auf einen hinreichenden Sachgrund stützen. Gerade bei dieser Personengruppe sei die Gefahr einer Einlegung von Rechtsbehelfen zur Erlangung von Zinsvorteilen besonders groß. Die durchschnittliche Höhe der Geldsanktionen gegen natürliche Personen erreiche keinen Betrag, der finanzielle Vorteile erwarten lasse, um deretwillen eine Einlegung von Rechtsbehelfen zur Erlangung von Zinsvorteilen Sinn ergebe.1492 Das OLG Düsseldorf ist demgegenüber der Auffassung, dass eine Verzinsungspflicht, die nur für Verbände gilt, einem strengeren Prüfungsmaßstab unterliegt, weil es sich um eine personenbezogene Regelung handele.1493 Diese Auffassung hat im Schrifttum Zustimmung erfahren.1494 Auf Basis dieses Prüfungsmaßstabs ist nach Ansicht des OLG Düsseldorf eine Verzinsungspflicht, die lediglich für Verbände gilt, nicht durch hinreichend rechtfertigende Gründe legitimiert.

1486

BVerfGE 129, 49 (68 f.); BVerfG Beschl. v. 24.01.2012 Az.: 1 BvL 21/11 Rn. 41. BVerfGE 88, 87 (96); 129, 49 (69). 1488 BVerfGE 124, 199 (220); 129, 49 (69). 1489 BVerfGE 88, 87 (96); 129, 49 (69); BVerfG Beschl. v. 24.01.2012 Az.: 1 BvL 21/11 Rn. 41. 1490 BVerfGE 129, 49 (69). 1491 BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 50. 1492 BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 50, 58. 1493 OLG Düsseldorf Beschl. v. 24.05.2011 Az.: V-1 Kart 1/11 (OWi) Rn. 50. 1494 Vollmer wistra 2013, 289 (294). 1487

254

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Natürliche Personen hätten ebenfalls ein Interesse daran, zur Erzielung von Zinsgewinnen die Rechtskraft von Bescheiden durch Rechtsbehelfe zu verzögern. Diese Gefahr sei gegenüber Verbänden keineswegs geringer einzuschätzen. Auch sei der Bußgeldrahmen gegenüber einer natürlichen Person nicht geringer, weswegen dort ebenfalls ein erheblicher Anreiz bestehe, den Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung zu verzögern.1495 Soweit eine Verzinsungspflicht auch dem Ziel diene, eine durch die spätere Zahlung eingetretene Bereicherung abzuschöpfen und wirtschaftlich die Sanktionswirkung der verhängten Geldbuße aufrecht zu erhalten, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen lediglich bei Verbänden der Zinsvorteil abgeschöpft werde.1496 c) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung im Verbandsstrafrecht Zunächst ist dem OLG Düsseldorf darin zuzustimmen, dass eine Verzinsungspflicht, die zwischen Verbänden und natürlichen Personen differenziert, sich am strengeren Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (sog. „Neue Formel“) und nicht lediglich am Willkürverbot messen lassen muss. Eine Ungleichbehandlung ist am Maßstab der „Neue(n) Formel“ zu messen, wenn sie personenbezogen ist, also an Eigenschaften einer Person anknüpft, oder wenn sie negative Auswirkungen auf den Gebrauch von Freiheitsrechten hat. Eine Regelung, die eine Verzinsungspflicht für Verbandsgeldstrafen anordnet und Geldstrafen gegenüber natürlichen Personen ausnimmt, knüpft an den personenbezogenen Umstand an, wer eine Strafe begeht.1497 Zudem ist die Verzinsungspflicht geeignet, sich negativ auf die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 GG auszuwirken, weil sie es weniger attraktiv macht, sich beim Betreiben eines Unternehmens zu einem Verband zusammenzuschließen. Für die vorgesehene Differenzierung zwischen natürlichen Personen und Verbänden müssen daher Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können,1498 m.a.W. ist zu prüfen, ob sich die Differenzierung als verhältnismäßig erweist. Eine Verzinsungspflicht dient dem legitimen Zweck der Abschöpfung von Zinsvorteilen, die sich aus einer verzögerten Zahlung der Geldstrafe infolge der Ausübung von Rechtsmitteln ergeben. Somit wird der missbräuchlichen Einlegung von Rechtsmitteln allein zum Zweck der Hinauszögerung der Rechtskraft vorgebeugt. Die Beschränkung der Verzinsungspflicht auf Verbände müsste auch geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen. Dies setzt voraus, dass sich die Wahl des Differenzierungskriteriums im Hinblick auf den Zweck sachlich begründen lässt.1499 Da Verbände ihr Vermögen grundsätzlich professionell verwalten, lässt sich die Differenzierung sachlich begründen. Von einer professionellen Vermögensverwaltung kann demgegenüber bei natürlichen Personen nicht stets ausgegangen werden. Im Ergebnis ist die Geeignetheit zu bejahen.

1495

OLG Düsseldorf Beschl. v. 24.05.2011 Az.: V-1 Kart 1/11 (OWi) Rn. 55. OLG Düsseldorf Beschl. v. 24.05.2011 Az.: V-1 Kart 1/11 (OWi) Rn. 56. 1497 Dafür, eine derartige Differenzierung als personenbezogene Regelung einzuordnen, spricht sich auch das OLG Düsseldorf aus. Vgl. OLG Düsseldorf Beschl. v. 24.05.2011 Az.: V-1 Kart 1/11 (OWi) Rn. 53. 1498 Zum Prüfungsmaßstab für personenbezogene Regelungen BVerfGE 82, 126 (146); 88, 87 (96 f.). 1499 Epping Grundrechte Rn. 807. 1496

E. Verzinsung der Verbandsgeldstrafe

255

Bedenken gegen die Erforderlichkeit bestehen nicht. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung kommt es darauf an, ob die Ungleichbehandlung und der rechtfertigende Grund in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.1500 Gegenüber natürlichen Personen wird die absolute Summe der Geldstrafe regelmäßig deutlich geringer ausfallen als gegenüber Verbänden. Dies ist auf 2 Ursachen zurückzuführen. Erstens werden gegenüber natürlichen Personen bei gravierenden Straftaten regelmäßig Freiheitsstrafen verhängt. Im Verbandsstrafrecht ist dagegen stets die Geldstrafe die Regelsanktion. Verbandsfreiheitsstrafen, wie z.B. das Verbot bestimmter Tätigkeiten, kommen wegen der schwer zu prognostizierenden Auswirkungen auf den Verband (insb. Insolvenzgefahr) nur ausnahmsweise in Betracht.1501 Gegenüber Verbänden müssen Geldstrafen daher auch die Funktion übernehmen, gravierende Rechtsverstöße zu sanktionieren. Zweitens ist die Bemessungsgrundlage für die Höhe der Tagessätze bei Verbänden regelmäßig deutlich höher. Im Individualstrafrecht ist die Tagessatzhöhe auf 30.000 € begrenzt (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB). Im Verbandsstrafrecht unterliegt die Tagessatzhöhe dagegen einer flexiblen Obergrenze i.H.v. 0,028 v.H. des Jahresumsatzes.1502 Bereits bei einem Jahresumsatz von 110.000.000 € läge die Obergrenze höher als 30.000 €. Große Verbände generieren Umsätze im hohen dreistelligen Millionen- oder im Milliardenbereich. Da die absolute Summe der Geldstrafe bei natürlichen Personen daher regelmäßig deutlich niedriger ausfallen wird, profitieren diese von Zinsvorteilen in erheblich geringerem Maße. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die erfolglose Einlegung von Rechtsmitteln mit einer Kostenbelastung des Rechtsmittelführers einhergeht. Ein möglicher Geldvorteil ist also von vornherein auf die Differenz zwischen Zinsvorteil und Rechtsmittelkosten beschränkt. Da sich diese aber nicht an den erlangten Zinsvorteilen orientieren, wird die Einlegung eines Rechtsmittels finanziell unattraktiver, je geringer die absolut zu zahlende Geldstrafe ist. Daher ist bei natürlichen Personen nicht mit einer erhöhten missbräuchlichen Einlegung von Rechtsbehelfen zur Erlangung von Zinsvorteilen zu rechnen. Der Gesetzgeber darf vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden und dabei von einem Gesamtbild ausgehen, das sich aus den vorliegenden Erfahrungen ergibt.1503 Im Ergebnis ist die Beschränkung der Verzinsungspflicht auf Verbände zu rechtfertigen. d) Zwischenergebnis Eine Verzinsungspflicht, die nur für Verbandsgeldstrafen und nicht für Geldstrafen gegenüber natürlichen Personen gilt, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Es handelt sich dabei um eine zulässige Typisierung, weil bei natürlichen Personen die Gefahr der missbräuchlichen Einlegung von Rechtsbehelfen zur Erlangung von Zinsvorteilen erheblich geringer ist. Eine Verzinsungspflicht für den Zeitraum nach der Rechtskraft der Verbandsgeldstrafe ist daher zulässig. 1500

BVerfGE 58, 369 (373 f.); 82, 126 (146). Näher zur Unternehmensfreiheitsstrafe Bauer ÖJZ 2004, 491 (494). 1502 Siehe 2. Teil B. II. 3. d). 1503 BVerfGE 78, 214 (226 f.). 1501

256

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

2. Nicht rechtskräftige Verbandsgeldstrafen Wie die Ausführungen zur rechtskräftigen Verbandsgeldstrafe gezeigt haben, verstößt eine Verzinsungspflicht nicht gegen den Gleichheitssatz. Dies gilt gleichermaßen für noch nicht rechtskräftige Verbandsgeldstrafen, weil der Zeitpunkt für die Frage der Differenzierung zwischen Verbänden und natürlichen Personen keine Rolle spielt. Im Unterschied zur rechtskräftigen Verbandsgeldstrafe stellen sich aber für den Zeitraum vor Rechtskraft 2 weitere verfassungsrechtliche Fragen. Eine Anknüpfung der Verzinsungspflicht an den Zeitraum vor Rechtskraft darf weder gegen die Unschuldsvermutung (hierzu a)) noch gegen den Justizgewährleistungsanspruch (hierzu b)) verstoßen. a) Vereinbarkeit mit der Unschuldsvermutung Die Unschuldsvermutung, die gem. Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts ist, genießt Verfassungsrang als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG).1504 Sie verlangt, dass dem Betroffenen Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen.1505 Bis zum rechtskräftigen Nachweis darf diese dem Verurteilten im Rechtsverkehr allgemein nicht vorgehalten werden.1506 Daneben umfasst die Unschuldsvermutung auch eine zeitliche Dimension. Solange der gesetzliche Nachweis der Schuld nicht in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren geführt worden ist, ist der Betroffene auch vor Nachteilen geschützt, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen.1507 Fraglich ist bereits, ob eine Verzinsungspflicht einen Nachteil darstellt, der einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommt. Unter einer Strafe wird die Auferlegung eines Rechtsnachteils wegen einer schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat verstanden, eine „missbilligende hoheitliche Reaktion auf schuldhaftes Verhalten“.1508 Strafähnliche Maßnahmen sind nicht alle mit einem „Übel“ (Einbuße an Freiheit oder Eigentum) verbundenen Maßnahmen, sondern nur solche, die nach Anlass und Zweck auf einem strafrechtlichen Schuldvorwurf aufbauen und bei denen die vergeltende Sanktion im Vordergrund steht.1509 Von diesem Begriffsverständnis ausgehend sprechen die besseren Gründe dafür, eine Verzinsungspflicht nicht als einen Nachteil zu qualifizieren, der einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommt. Die Verzinsungspflicht baut nicht auf einem eigenen strafrechtlichen Schuldvorwurf auf, sondern sie knüpft lediglich an einen anderen strafrechtlichen Schuldvorwurf und die dadurch ausgelöste Geldstrafe an. Der Betroffene, der prozessuale Rechte in Gestalt von Rechtsmitteln wahrnimmt, verwirklicht kein strafbares Unrecht. Er macht lediglich von den ihm nach der Strafprozessordnung eröffneten Möglichkeiten Gebrauch.

1504

BVerfGE 74, 358 (370); 110, 1 (22). BVerfGE 9, 167 (170); 74, 358 (371). 1506 BVerfGE 74, 358 (371). 1507 BVerfGE 74, 358 (371); 110, 1 (23). 1508 BVerfGE 26, 186 (204); Degenhart in Sachs GG Art. 103 Rn. 57 unter Verweis auf BVerfGE 110, 1 (13). 1509 Degenhart in Sachs GG Art. 103 Rn. 57 unter Verweis auf BVerfGE 110, 1 (14). 1505

E. Verzinsung der Verbandsgeldstrafe

257

Dies gilt sogar dann, wenn es dem Betroffenen ausschließlich darum geht, die Rechtskraft der Entscheidung hinauszuzögern. Eine Selbstbegünstigung ist nach § 258 Abs. 5 StGB straflos. Dieser Norm ist die Wertentscheidung zu entnehmen, dass derjenige straflos bleibt, der seine eigene Bestrafung verhindern oder verzögern möchte. Zudem steht bei einer Verzinsungspflicht auch nicht die vergeltende Sanktion im Vordergrund. Der Sinn einer Verzinsungspflicht liegt darin, eine Besserstellung des beschuldigten Verbands durch Zeitverzug zu verhindern. Die Zinspflicht ist keine zusätzliche Sanktion, sondern dient allein der Aufrechterhaltung der Sanktionswirkung der eigentlichen Geldsanktion.1510 Außerdem ist einer Zinspflicht vor Eintritt der Rechtskraft ein prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen. Ist die Verzinsungspflicht so ausgestaltet, dass die Verpflichtung bei erfolgreichem Rechtsmittel rückwirkend entfällt und der Betroffene zwischenzeitlich auch nicht auf Zahlung in Anspruch genommen werden kann, genügt dies den Anforderungen der Unschuldsvermutung.1511 Entscheidend kommt es darauf an, dass der Zinsanspruch erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung fällig wird. Es spielt keine Rolle, dass dieser bereits vor Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung entstanden ist. Deswegen wirkt sich eine Verzinsungspflicht nur auf die Höhe der insgesamt zu entrichtenden Geldsumme aus. Sie verlagert aber die Zahlungspflicht als solche nicht auf einen Zeitpunkt vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Täterschaft und die Schuld des Betroffenen.1512 Eine Verzinsungspflicht stellt daher keinen Nachteil dar, der einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommt. Jedenfalls ist aber einer Pflicht zur Zahlung von Zinsen, die erst mit Rechtskraft der Entscheidung fällig wird, ein prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen. Eine derartige Zinspflicht steht folglich mit der Unschuldsvermutung in Einklang. b) Vereinbarkeit mit justiziellen Gewährleistungen des Grundgesetzes Bedenken gegen eine Verzinsungspflicht von Kartellbußen sind auch mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG geltend gemacht worden.1513 Der Begriff der öffentlichen Gewalt umfasst die gesamte vollziehende Gewalt.1514 Eine Ordnungswidrigkeit kann auch durch eine von Behörden festgesetzte Geldbuße geahndet werden (§ 35 OWiG). Eine Strafe darf indes nach Art. 92 GG nur von einem Gericht, nicht aber von einer Behörde festgesetzt werden,1515 nachdem es sich in einem rechtsförmigen Verfahren von der Schuld des Betroffenen überzeugt hat. Art. 19 Abs. 4 GG bietet keinen Schutz gegen gerichtliche Entscheidungen, denn er gewährt nur Rechtsschutz durch den Richter, nicht gegen ihn.1516 1510

Siehe BT-Drucks. 15/3640 S. 42. BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 91. 1512 BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 91. 1513 Stellungnahme des Bundesrats v. 09.07.2004, BT-Drucks. 15/3640 S. 82; Burrichter in FS Bechtold S. 97 (112); wohl auch Meyer-Lindemann in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff § 81 GWB Rn. 136. 1514 Jarass/Pieroth GG Art. 19 Rn. 42. 1515 BVerfGE 22, 49 (73). 1516 BVerfGE 49, 329 (340 f.). 1511

258

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 19 Abs. 4 GG ist der aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende allgemeine Justizgewährleistungsanspruch der verfassungsrechtliche Maßstab für ein gerichtliches Verfahren. Der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch verlangt keinen Instanzenzug.1517 Entscheidet sich der Gesetzgeber aber, einen Instanzenzug zu gewähren, darf der Zugang hierzu nicht unzumutbar erschwert werden.1518 Der Gesetzgeber hat im Dritten Buch der Strafprozessordnung ein Rechtsmittelsystem zur Überprüfung strafgerichtlicher Entscheidungen geschaffen. Muss der Rechtsmittelführer befürchten, dass eine gegen ihn verhängte Geldstrafe während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens zu verzinsen ist, könnte er von der Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten werden. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Rechtsmittelführern, die ohne die ernsthafte Absicht zur Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung lediglich zwecks Erlangung von Zinsvorteilen einen Rechtsbehelf einlegen, und solchen, denen es tatsächlich um eine Korrektur der gerichtlichen Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht geht. aa) Einlegung von Rechtsmitteln zur Erlangung von Zinsvorteilen Der Rechtsmittelführer, der einen Rechtsbehelf nur zur Erlangung von Zinsvorteilen erhebt, handelt rechtsmissbräuchlich. In diesem Fall scheidet eine Verletzung des Justizgewährleistungsanspruchs aus.1519 Der Zugang zu den Gerichten wird vom Grundgesetz nicht lediglich als formelles Recht, die Gerichte anzurufen, garantiert, sondern zielt auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes.1520 Der damit garantierte Rechtsschutz erfolgt durch eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands sowie eine verbindliche richterliche Entscheidung.1521 Dies beabsichtigt der betroffene Verband jedoch nicht. Er erstrebt keine ernsthafte gerichtliche Prüfung und Entscheidung über die verhängte Strafe, sondern will diese häufig vermeiden, indem er das Rechtsmittel noch vor der mündlichen Verhandlung durch das Gericht zurücknimmt (§§ 302, 303 StPO). Hieran kann der betroffene Verband trotz des bei der Berufung (§ 331 StPO) und der Revision (§ 358 Abs. 2 StPO) geltenden Verböserungsverbots ein Interesse haben, weil eine negative Änderung des Schuldspruchs ohne Änderung des Strafmaßes nach Ansicht des BGH nicht dem Verböserungsverbot unterfällt.1522 Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt jedoch außerhalb des Schutzes der justiziellen Gewährleistungen des Grundgesetzes.1523 1517

Sachs in Sachs GG Art. 20 Rn. 164; Schulze-Fielitz in Dreier GG Art. 20 Rn. 215; BVerfGE 49, 329 (342); 87, 48 (61); 89, 381 (390). 1518 Sachs in Sachs GG Art. 20 Rn. 164; Schulze-Fielitz in Dreier GG Art. 20 Rn. 215; BVerfGE 74, 228 (234). 1519 BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 72. 1520 BVerfGE 93, 1 (13); 112, 185 (207). 1521 BVerfGE 112, 185 (207). 1522 BGHSt 14, 5 (7); BGH NJW 1986, 332 (333); Meyer-Goßner StPO § 331 Rn. 8; § 358 Rn. 11. 1523 BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 72.

E. Verzinsung der Verbandsgeldstrafe

259

bb) Einlegung von Rechtsmitteln mit ernsthafter Überprüfungsabsicht Eine Pflicht zur Verzinsung der Verbandsgeldstrafe hat aber auch das Potenzial, auf andere Weise als Beeinträchtigung des Zugangs zum Rechtsmittelsystem zu wirken. Sie kann nämlich dazu führen, dass Verbände, auch wenn sie ernsthaft eine Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils anstreben, wegen der drohenden Zinsbelastung von der Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten werden. Die Inanspruchnahme von Rechtsschutz darf nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden.1524 Dies bedeutet allerdings nicht, dass den Rechtssuchenden der Zugang zu den Gerichten kostenlos oder auch nur ohne Kostenrisiko zur Verfügung stehen muss. Ferner ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt, mit einer Gebührenregelung neben der Deckung der dem Staat entstehenden Kosten auch das Ziel zu verfolgen, einer leichtfertigen oder gar missbräuchlichen Einlegung von Rechtsbehelfen entgegenzuwirken.1525 Allerdings darf die Bemessung der Verfahrenskosten nicht in einer Weise erfolgen, die es den Betroffenen praktisch unmöglich macht, das Gericht anzurufen.1526 Hierzu muss die Höhe der Kosten gesetzlich so geregelt sein, dass sie vorher überschaubar ist und bei vernünftiger Abwägung mit den Erfolgsaussichten nicht von vornherein rechtsschutzhemmend wirkt.1527 Außerdem dürfen die Kosten nicht außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert stehen, den das gerichtliche Verfahren für die einzelnen Beteiligten hat.1528 Eine an sich gerechtfertigte Regelung darf schließlich nicht so gestaltet werden, dass sie in ihrer tatsächlichen Auswirkung tendenziell dazu führt, Rechtsschutz vornehmlich nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu eröffnen.1529 Diese Maßstäbe sind vom Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit der Kostenpflichtigkeit von Gerichtsverfahren entwickelt worden. Eine Pflicht zur Zahlung von Gerichtskosten ist ebenso wie eine Verzinsungspflicht potentiell geeignet, einen Betroffenen von der Einlegung ihm eröffneter Rechtsmittel abzuhalten. Die geschilderten Grundsätze können daher auch für die verfassungsrechtliche Prüfung herangezogen werden, ob einer Verpflichtung zur Zinszahlung eine unzumutbare rechtsschutzhemmende Wirkung zukommt.1530 (1) Bestimmbarkeit der Kosten Eine Verzinsungspflicht ist mit Blick auf die Bestimmbarkeit der Kosten problematisch. Die Höhe einer Zinszahlung hängt ausschließlich von der Länge des Verfahrens ab. Weil der

1524

BVerfGE 40, 272 (274 f.); 78, 88 (99); 88, 118 (124). BVerfGE 50, 217 (230 f.); 85, 337 (346 f.). 1526 BVerfGE 54, 39 (41); BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 81. 1527 BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 81. 1528 BVerfGE 85, 337 (347). 1529 BVerfGE 50, 217 (231); 117, 163 (197). 1530 So auch für die Verzinsungspflicht im Kartellordnungswidrigkeitenrecht BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 82. 1525

260

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Betroffene hierauf keinen Einfluss hat, wird eine Verzinsungspflicht aus diesem Grund als mit der Rechtsmittelgarantie unvereinbar angesehen.1531 Die Dauer eines Verfahrens hängt auch von Umständen ab, die nicht in der Sphäre des Verbandes liegen bzw. auf die er keinen Einfluss hat. Hierzu zählen vor allem die Belastung des Gerichts und der Umfang des Verfahrens, der maßgeblich durch die Schwierigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beeinflusst wird. Dies führt allerdings nicht dazu, dass die Zinsbelastung vollkommen unprognostizierbar wird. Unwägbarkeiten sind dem gerichtlichen Verfahren immanent. Daher kann auch der Justizgewährleistungsanspruch nicht sicherstellen, dass den Rechtssuchenden bereits vor Erhebung des Rechtsmittels der genaue Betrag aller im Verfahren anfallenden Kosten bekannt ist. Ausreichend ist vielmehr, dass für den Rechtssuchenden absehbar ist, welche Kosten dem Grunde nach überhaupt anfallen und welche Höhe diese Kosten erreichen können.1532 Im Übrigen liegt es in der Logik einer mit einer Zinspflicht belasteten Schuld, dass die Zinsbelastung steigt, solange die Schuld nicht beglichen wird.1533 Eine Regelung, die erkennen lässt, dass und in welchen Fällen Zinsen zu zahlen sind, genügt den Anforderungen an die Bestimmbarkeit der Kosten. Eine Abschätzung der etwaigen Kostenbelastung ist somit möglich. (2) Unzumutbare Erschwerung des Rechtswegs Außerdem dürfen aus der Verzinsungspflicht keine Kosten entstehen, die eine Größenordnung erreichen, die bei vernünftiger Betrachtung den Rechtsweg für die betroffenen Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen verstellen oder auch nur spürbar erschweren kann. Solange der Betroffene die Verbandsgeldstrafe nicht zahlen muss, steht ihm das für die Zahlung benötigte Geld zur Verfügung, um entweder Zinsen für Kredite zu sparen oder durch den Einsatz der Gelder im operativen oder investiven Geschäftsbereich Einnahmen zu erzielen.1534 Es kann jedoch durchaus vorkommen, dass es dem Verband nicht möglich ist, die aufgrund der Verzinsungspflicht zu entrichtende Summe auf dem Kapitalmarkt zu erwirtschaften. Der Justizgewährleistungsanspruch bietet jedoch keinen Schutz vor finanziellen Belastungen als Konsequenz der Erfolgslosigkeit des Rechtsmittels.1535 Lediglich die Höhe der anfallenden finanziellen Nachteile darf keine abschreckende und rechtsschutzhemmende Wirkung entfalten, die einen wirtschaftlich vernünftig Denkenden von Anfang an von der Anrufung der staatlichen Gerichte abhalten könnte.1536

1531 Stellungnahme des Bundesrats v. 09.07.2004, BT-Drucks. 15/3640 S. 82; Burrichter in FS Bechtold S. 97 (105 f.). 1532 BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 83. 1533 Hassemer/Dallmeyer S. 76. 1534 Auf den Aspekt der Verfügbarkeit des Geldes zur Einnahmeerzielung weisen auch Hassemer/Dallmeyer S. 75 hin. 1535 So BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 86 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 1536 BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 86.

E. Verzinsung der Verbandsgeldstrafe

261

Aus diesen Gründen verfehlt der starre Zinssatz des § 238 Abs. 1 AO (jährlich 6 v.H.) diese Anforderungen. Der variable Zinssatz des § 81 Abs. 6 GWB (5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz) orientiert sich am Marktzins und soll lediglich den Schaden ausgleichen, den der Gläubiger typischerweise durch den Zahlungsverzug erleidet und der umgekehrt den dem Schuldner typischerweise entstehenden Vorteilen entspricht.1537 Die Zinshöhe des § 81 Abs. 6 GWB entfaltet keine rechtsschutzhemmende Wirkung dergestalt, dass ein wirtschaftlich vernünftig Denkender von Anfang an von der Anrufung der staatlichen Gerichte abgehalten wird.1538 cc) Zwischenergebnis Eine Verzinsungspflicht für noch nicht rechtskräftige Verbandsgeldstrafen ist mit dem Justizgewährleistungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar. Der Rechtsmittelführer, der keine ernsthafte Überprüfung der Entscheidung erstrebt, kann sich ohnehin nicht auf dieses Recht berufen. Für alle anderen Rechtsmittelführer scheidet eine Verletzung des Justizgewährleistungsanspruchs aus, weil die Kostenbelastung durch die Zinspflicht weder unvorhersehbar noch geeignet ist, in unzumutbarer Weise von der Einlegung von Rechtsmitteln abzuhalten. 3. Zwischenergebnis Eine Verzinsungspflicht für Verbandsgeldstrafen kann einfachgesetzlich sowohl für rechtskräftige als auch für noch nicht rechtskräftige Verbandsgeldstrafen eingeführt werden. Im letzteren Fall darf die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs jedoch erst mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung eintreten. Eine Zinspflicht verstößt weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen die Unschuldsvermutung und den Justizgewährleistungsanspruch. III. Tatbestandliche Voraussetzungen der Verzinsungspflicht Im Verbandsstrafrecht ist eine Verzinsungspflicht vorzusehen, weil dort mögliche Zinsgewinne infolge einer verzögerten Zahlung der Geldstrafe erheblich höher ausfallen. Teilweise wird eine Beschränkung der Verzinsungspflicht auf missbräuchlich eingelegte Rechtsbehelfe vorgeschlagen.1539 Dies ist nicht sachgerecht. Wenngleich es bestimmte objektive Indizien für ein solches Verhalten gibt, wie z.B. eine Rücknahme des Rechtsmittels vor der mündlichen Verhandlung, ist doch stets zu berücksichtigen, dass sich nur schwer feststellen lässt, ob das Rechtsmittel in diesem Fall tatsächlich rechtsmissbräuchlich eingelegt wurde. Es ist dem Betroffenen grds. erlaubt, Rechtsmittel zurückzunehmen. Die Rücknahme kann auch aus billigenswerten Motiven erfolgen und nicht von vornherein beabsichtigt sein. Zudem ist auch im Fall der erfolglosen Einlegung von Rechtsmitteln in ehrlicher Überprüfungsabsicht der Entscheidung nicht einzusehen, warum der Verband, der von Rechtsmitteln Gebrauch macht, besser stehen soll als derjenige, der dies unterlässt. Des Weiteren ist die Frage zu klären, ab welchem Zeitpunkt die Zinspflicht zu laufen beginnt. Dabei lassen sich Zeitpunkte vor einer erstinstanzlichen Entscheidung, der Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils und der Zeitpunkt der Rechtskraft unterscheiden. 1537

Vgl. hierzu Palandt-Grüneberg § 288 BGB Rn. 2. BVerfG Beschl. v. 19.12.2012 Az.: 1 BvL 18/11 Rn. 88. 1539 Vollmer wistra 2013, 289. 1538

262

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Für eine Verzinsungspflicht ab Tathandlung lässt sich anführen, dass der betroffene Verband nicht davon profitieren soll, wann die verbandsbezogene Straftat entdeckt wird. Für eine Verzinsungspflicht ab der Einleitung von Ermittlungsmaßnahmen spräche, dass der Verband ab diesem Zeitpunkt mit der Verhängung einer Verbandsgeldstrafe gegen ihn rechnen muss. Dennoch kann eine Verzinsungspflicht nicht an einen Zeitpunkt anknüpfen, der vor einer erstinstanzlichen Entscheidung über die Verbandsgeldstrafe liegt, weil in diesem Zeitraum die Höhe einer etwaigen Verbandsgeldstrafe nicht bestimmbar ist. Die Festlegung einer Tagessatzanzahl, die in einem ausgewogenen Verhältnis zur Schuld des Verbands steht, ist ein richterlicher Akt wertender Erkenntnis, wobei dem erkennenden Gericht ein Spielraum zur Verfügung steht.1540 Für den betroffenen Verband ist sie daher nicht vorhersehbar. Steht aber die Höhe einer Verbindlichkeit nicht fest, wäre es unzumutbar, den Schuldner mit einer Verzinsung zu belasten. Da er die Höhe der Verbindlichkeit nicht kennt, kann er sie auch nicht erfüllen. Ab Zustellung des erstinstanzlichen Urteils ist für den betroffenen Verband ersichtlich, in welcher Höhe er eine etwaige Verbandsgeldstrafe zu zahlen hat. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn das Rechtsmittel des Verbands ohne Erfolg bleibt und das Ausgangsurteil nicht abgeändert wird. Wird die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert, ist es nicht dem betroffenen Verband anzulasten, dass das erstinstanzlich zuständige Gericht fehlerhaft geurteilt hat. Dies gilt auch dann, wenn das betroffene Urteil nur zum Teil abgeändert und daher teilweise bestätigt wird. Der betroffene Verband hat einen Anspruch auf eine insgesamt rechtmäßige Entscheidung. Fehler des Gerichts dürfen ihm nicht zum Nachteil gereichen. Die Rechtskraft einer Entscheidung kann jedoch auch durch Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hinausgezögert werden. Macht diese von einem Rechtsmittel Gebrauch, um eine Aufhebung zu Ungunsten des betroffenen Verbands zu erreichen, kann eine Verzinsungspflicht erst ab Rechtskraft der Entscheidung greifen. Dies gilt unabhängig davon, ob das Rechtsmittel Erfolg hat oder nicht. Es ist nicht dem betroffenen Verband vorzuwerfen, dass eine staatliche Behörde eine Aufhebung der Entscheidung zu seinen Ungunsten erreichen möchte. Die Staatsanwaltschaft kann Rechtsmittel auch mit dem Ziel einer Änderung des Urteils zu Gunsten des betroffenen Verbands einlegen. Ist das Rechtsmittel erfolgreich, kann die Verzinsungspflicht erst ab Rechtskraft des Urteils beginnen. Fraglich ist, ob bei erfolglosen Rechtsmitteln der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Verbands eine Verzinsungspflicht schon ab Zustellung des erstinstanzlichen Urteils gilt oder ob auch hier eine Verzinsung erst ab Rechtskraft der Entscheidung eintritt. Richtigerweise greift auch in diesem Fall eine Verzinsungspflicht erst ab Rechtskraft der Verbandsgeldstrafe. Zwar kann der betroffene Verband in diesem Fall nur vom Rechtsmittel profitieren, weil das Urteil nur zu seinen Gunsten geändert werden darf (§§ 331, 358 Abs. 2 StPO). Jedoch hat der Verband keinerlei Einfluss darauf, ob die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel einlegt. Eine Verzinsungspflicht sollte aber nicht an ein Verhalten anknüpfen, das der betroffene Verband nicht beeinflussen kann. 1540

Siehe 2. Teil D. I. 1. b) aa) (1).

E. Verzinsung der Verbandsgeldstrafe

263

Mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens steht die Verpflichtung zur Zahlung der Verbandsgeldstrafe definitiv fest. Wird die Verbandsgeldstrafe dann immer noch nicht gezahlt, ist die Geldstrafe ab diesem Zeitpunkt stets zu verzinsen. Bei der Bestimmung des Zeitpunkts für den Beginn der Verzinsungspflicht ist zu differenzieren. Legt der Verband erfolglos Rechtsmittel ein, knüpft die Verzinsungspflicht an den Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an. In allen anderen Fällen beginnt eine Verzinsungspflicht erst ab Rechtskraft. In Anlehnung an § 81 Abs. 6 GWB ist dem Verband aber ab Zustellung der jeweiligen Entscheidung eine 2-Wochen-Frist zur Leistung der Zahlung zu gewähren. Für die Angemessenheit dieser Frist spricht auch die Regelung in § 459c Abs. 1 StPO, nach der Geldstrafen vor Ablauf von 2 Wochen nach Eintritt der Fälligkeit nur beigetrieben werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen erkennbar ist, dass sich der Verurteilte der Zahlung entziehen will. IV. Implikationen für die Verbandsgeldstrafe Ein etwaiger Zinsvorteil kann entweder in die Strafzumessung integriert werden oder der Betrag der Geldstrafe wird separat einer Verzinsungspflicht unterworfen. Man könnte erwägen, einen etwaigen Zinsvorteil im Rahmen der Strafzumessung straferhöhend zu berücksichtigen. Dies geschieht im Ordnungswidrigkeitenrecht, wenn das Gericht die Kartellbußgeldentscheidung trifft. Die Verzinsungspflicht nach § 81 Abs. 6 GWB gilt nur für von Behörden festgesetzte Geldbußen.1541 Die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB ist dabei als Hinweis des Gesetzgebers an das Gericht zu verstehen, dass Zinsvorteile zu berücksichtigen sind.1542 Für das Verbandsstrafrecht gilt jedoch, dass die Zinspflicht von einer Verbandsgeldstrafe zu trennen und nicht in die Strafzumessung einzubeziehen ist. Die Schuld des Täters ist auch im Verbandsstrafrecht Grundlage für die Zumessung der Strafe.1543 Das Ausschöpfen von Rechtsschutzmöglichkeiten ist aber kein schulderhöhender Umstand, sondern lediglich das legale Ausnutzen von seitens des Gesetzgebers eröffneten Möglichkeiten. Es steht in keinerlei Beziehung zur Schuld des betroffenen Verbands. Wie bereits festgestellt wurde, ist eine Verzinsungspflicht weder eine Strafe noch eine strafähnliche Maßnahme.1544 Um dies auch gegenüber dem Rechtsverkehr zu verdeutlichen, ist es unabdingbar, dass die Verzinsungspflicht von der Strafe und der Strafzumessung abgekoppelt wird. Zudem würden durch eine Einbeziehung von Zinsvorteilen in die Strafzumessung die Vorteile des im Verbandsstrafrecht anzuwendenden Tagessatzsystems teilweise zunichte gemacht. Der Vorzug eines Tagessatzsystems besteht darin, dass die Bewertung der Tatschuld durch die Anzahl der Tagessätze vom Absolutbetrag der Geldsanktion gelöst wird. Werden Umstände 1541

Vgl. BT-Drucks. 15/3640 S. 67; Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker § 81 GWB Rn. 571. Vgl. BT-Drucks. 15/3640 S. 67. 1543 Siehe 2. Teil D. I. 1. 1544 Siehe 2. Teil E. II. 2. a). 1542

264

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

bei der Bemessung der Anzahl der Tagessätze berücksichtigt, die in keinerlei Beziehung zur Schuld des Täters stehen, spiegelt dies den Schuldgehalt nicht mehr wider. Die Verzinsungspflicht erhöht aus den dargelegten Gründen nicht die Anzahl der Tagessätze, sondern ist separat auszuweisen. V. Zwischenergebnis Verbände verwalten ihr Vermögen professionell. Da die ihnen gegenüber verhängten Geldstrafen regelmäßig eine Höhe erreichen, bei der die Einlegung von Rechtsmitteln zur Erlangung von Zinsvorteilen Sinn macht, ist die Verbandsgeldstrafe zu verzinsen. Knüpft die Zinspflicht an Vorgänge vor Rechtskraft der Entscheidung an, wird sie aber erst nach Rechtskraft fällig und entfällt bei erfolgreichem Rechtsmittel rückwirkend, steht sie mit dem Verfassungsrecht in Einklang. Eine Beschränkung auf rechtsmissbräuchlich eingelegte Rechtsmittel ist abzulehnen. Die Zinspflicht beginnt 2 Wochen nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung, wenn der Verband erfolglos Rechtsmittel einlegt. In allen anderen Fällen beginnt diese Pflicht 2 Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung. Der Zinssatz beträgt in Anlehnung an § 81 Abs. 6 GWB 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz. Durch diese Zinshöhe wird ein wirtschaftlich vernünftig Denkender nicht von der Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten. Die Verzinsung ist nicht in die Strafzumessung zu integrieren, weil sie in keiner Beziehung zur Schuld des Verbands steht. Vielmehr ist sie selbstständig neben der Verbandsgeldstrafe anzuordnen.

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe Im Ordnungwidrigkeitenrecht bestimmt § 30 Abs. 2a OWiG, dass die Geldbuße unter bestimmten Umständen den Rechtsnachfolger treffen kann. Auch im Verbandsstrafrecht ist zu überlegen, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen der Rechtsnachfolger für verbandsbezogene Zuwiderhandlungen seines Vorgängers verantwortlich ist. Die Darstellung beginnt mit den Hintergründen, aus denen eine Rechtsnachfolge im Verbandsstrafrecht im Unterschied zum Individualstrafrecht überhaupt zu erwägen ist (hierzu I.). Hiervon ausgehend sind zunächst die verschiedenen Szenarien darzustellen, die bei einer Rechtsnachfolge auftreten können (hierzu II.). Sodann ist zu untersuchen, wie Österreich auf die Herausforderung reagiert hat, dass sich Verbände durch Umstrukturierung einer Strafe entziehen können (hierzu III.). Anschließend muss man sich der Frage widmen, ob eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht möglich ist und wie andernfalls das gezielte „Unterwandern“ von Geldstrafen durch Umstrukturierungen in diesem Fall verhindert werden kann (hierzu IV.). Zum Schluss ist zur Rechtsnachfolge in die konkrete Pflicht Stellung zu nehmen (hierzu V.). I. Problemstellung 1. Gründe für die Erstreckung der Geldstrafe auf den Rechtsnachfolger Sieht sich ein Verband damit konfrontiert, dass gegen ihn eine Verbandsgeldstrafe verhängt werden könnte, wird er nach Wegen suchen, sich dieser zu entziehen.1545 Um dies zu erreichen, kann es sich für den Verband anbieten, Umstrukturierungen vorzunehmen, die dazu führen, dass der Verband, dessen Angehöriger die verbandsbezogene Straftat begangen hat, erlischt oder wirtschaftlich erheblich geschwächt wird. Dies gilt insbesondere, wenn der Verband Teil eines Konzerns ist. So kann der delinquente Tochterverband liquidiert werden, um seine Vermögenswerte auf andere Konzernverbände zu übertragen. Gerade im Bereich des Kartellordnungswidrigkeitenrechts wird häufig der Versuch unternommen, sich durch eine Umwandlung den sehr hohen Kartellgeldbußen zu entziehen.1546 Diese Umgehungsmöglichkeit ist indes nicht auf das Kartellordnungswidrigkeitenrecht beschränkt, sondern gilt vielmehr für jegliche Sanktionierung von Verbänden.1547 Auch bei Strafverfahren gegen natürliche Personen kann es vorkommen, dass das Sanktionssubjekt im Laufe des Verfahrens nicht mehr zur Verfügung steht. Stirbt die natürliche Person während des Erkenntnisverfahrens, ist das Strafverfahren gegen sie wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses einzustellen. Tritt der Tod des Straftäters erst während des Vollstreckungsverfahrens ein, ist die Vollstreckung der Geldstrafe in den Nachlass nach § 459c Abs. 3 StPO unzulässig. Im Gegensatz zum Tod einer natürlichen Person ist das Erlöschen von Verbänden regelmäßig kein schicksalhaftes Ereignis, sondern lässt sich gezielt herbeiführen.1548 Zwar kann die bewusste Aushöhlung eines Verbands wegen Insolvenzstraftaten und Haftungsdurchgriffen 1545

Mittels einer Umstrukturierung hat sich z.B. die Tönnies-Gruppe der Zahlung einer Kartellbuße i.H.v. 128 Mio. € entzogen. FAZ v. 20.10.2016. 1546 Görner ZWeR 2014, 102 (104); Dück/Schultes WM 2013, 9; Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (322). 1547 Reichling NJW 2012, 166. 1548 Achenbach wistra 2012, 413 (416 f.).

266

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

negative Folgen haben.1549 Das ist aber auf Ausnahmefälle beschränkt. Aus diesem Grund widerspricht es dem Rechtsgefühl, dass sich der Verband seiner Verantwortlichkeit durch bloße juristische Konstruktionen entziehen können soll.1550 Die Problematik der Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe ist eng mit der Frage verknüpft, wer Sanktionssubjekt der Verbandsgeldstrafe ist. Würde sich die Verbandsgeldstrafe wie die EU-Kartellgeldbuße gegen das „wirtschaftliche Unternehmen“, unabhängig von seiner gesellschaftsrechtlichen Organisation richten, läge das Problem der Enthaftung durch Rechtsnachfolge nicht vor.1551 Im Verbandsstrafrecht gilt jedoch das Rechtsträgerprinzip. Die Strafe muss sich gegen den Verband selbst richten.1552 2. Rechtsnachfolge und Rechtsträgerprinzip Wegen der Geltung des Rechtsträgerprinzips im Verbandsstrafrecht stellt sich die Frage, ob bereits die Sanktionstatbestände an sich die Erstreckung einer Geldstrafe auf den Rechtsnachfolger ermöglichen. Ist dies nicht der Fall, bedarf es einer eigenen gesetzlichen Regelung, die rechtspolitisch überzeugen und mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang stehen muss. Mit der Frage, ob eine im Ordnungswidrigkeitenrecht festgesetzte Geldbuße ohne eine gesonderte Norm auf den Rechtsnachfolger erstreckt werden kann, sah sich der BGH in der Versicherungsfusionsentscheidung konfrontiert.1553 Der BGH hat es abgelehnt, die bußgeldrechtliche Haftung auf den Gesamtrechtsnachfolger zu erstrecken. Nach § 30 OWiG könne nur der Verband mit einem Bußgeld belegt werden, dessen in Leitungsfunktion handelnde Mitarbeiter eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen haben. Einer Erstreckung der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit auf den Gesamtrechtsnachfolger seien durch diesen Wortlaut enge Grenzen gesetzt.1554 Nach § 30 OWiG treffe die bußgeldrechtliche Sanktion für Organtaten im Ausgangspunkt den Verband, der das Unternehmen betreibe. Diese gesetzgeberische Entscheidung für das Rechtsträgerprinzip lasse eine Auslegung, das Unternehmen als Sanktionssubjekt anzuerkennen und den Rechtsnachfolger bei Übernahme des Vermögens oder wesentlicher Teile hiervon sanktionieren zu können, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Die Möglichkeit, die verbandsbezogene Tat durch eine Verbandsgeldbuße zu ahnden, stehe und falle daher grundsätzlich mit dem Fortbestand des Rechtsträgers, für den das Organ oder der leitende Mitarbeiter zum Tatzeitpunkt gehandelt habe.1555

1549

Bosch/Fritzsche NJW 2013, 2225 (2229). Achenbach wistra 2012, 413 (416 f.). 1551 Werner wistra 2015, 176 (177); Dück/Schultes WM 2013, 9 (13). 1552 Siehe 1. Teil E. II. 2. 1553 BGH Beschl. v. 10.08.2011 Az.: KRB 55/10. 1554 BGH Beschl. v. 10.08.2011 Az.: KRB 55/10 Rn. 13. 1555 BGH Beschl. v. 10.08.2011 Az.: KRB 55/10 Rn. 15. 1550

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

267

Ohne eine gesetzgeberische Regelung ist eine Rechtsnachfolge beim Rechtsträgerprinzip im Grundsatz ausgeschlossen.1556 Aufgrund dieser Rechtsprechung ist es möglich, eine Geldbuße durch Umwandlung zu vermeiden.1557 Gleiches gilt auch für die Verbandsgeldstrafe. Die strafrechtliche Unternehmensverteidigung ist gehalten, auf diese Gestaltungsmöglichkeit, sich einer Geldsanktion zu entledigen, hinzuweisen.1558 Zudem haben die Organe des betroffenen Verbands zu bedenken, dass sie sich möglicherweise schadensersatzpflichtig machen, wenn legale Wege zur Befreiung des Verbands von der Geldsanktion nicht ernsthaft erwogen und ggf. beschritten werden.1559 Daneben kann eine merkwürdig anmutende Konsequenz eintreten. Wenn die Organe die rechtlich zulässigen Maßnahmen zur Umgehung einer Verbandssanktion nicht ergreifen, kommt eine Strafbarkeit der Organe selbst wegen Untreue zu Lasten des Verbands gemäß § 266 StGB in Betracht.1560 Dem BGH ist bewusst, dass es bei Geltung des Rechtsträgerprinzips ohne eine gesetzliche Regelung zur Rechtsnachfolge zu misslichen Konsequenzen kommen kann. Es wird Verbänden hierdurch die Möglichkeit eröffnet, eine drohende Sanktion durch die gezielte Wahl gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen zu umgehen.1561 Seine Sichtweise auf die Problematik der Rechtsnachfolge hat der BGH in der Grauzementkartellentscheidung nochmals ausdrücklich bestätigt.1562 3. Rechtspolitische Aspekte einer Rechtsnachfolge Da wegen des im Verbandsstrafrecht geltenden Rechtsträgerprinzips eine Rechtsnachfolge ohne eine gesetzliche Anordnung ausscheidet, ist zunächst die Frage in den Blick zu nehmen, inwieweit eine Haftung des Rechtsnachfolgers rechtspolitisch geboten ist. Im Ordnungswidrigkeitenrecht existiert eine derartige Norm bereits in Gestalt von § 30 Abs. 2a OWiG.1563 Verbandsgeldstrafen können zu signifikanten Einnahmen im Staatshaushalt führen.1564 Zu berücksichtigen ist aber, dass Geldstrafen nicht dem strafrechtlichen Vermögensschutz unterfallen.1565 Sie dienen nicht der Erzielung von Einnahmen. Rein fiskalische Gründe reichen daher als rechtspolitische Begründung für eine sanktionsrechtliche Verantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers nicht aus.1566 1556 Zur inhaltlich nicht überzeugenden Ausnahme des BGH für den Fall der Beinahe-Identität siehe 2. Teil F. IV. 1. b). 1557 Löbbe ZHR 177, 518 (521); Waßmer NZWiSt 2012, 187. 1558 Eisele wistra 2014, 81 (82); Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (327); Reichling NJW 2012, 166 (167); Mäger/ v. Schreitter DB 2014, 643 (647). 1559 Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (327). 1560 Eisele wistra 2014, 81 (82). 1561 BGH Beschl. v. 10.08.2011 Az.: KRB 55/10 Rn. 25. 1562 BGH Beschl. v. 26.02.2013 Az.: KRB 20/12 Rn. 82. 1563 Im Rahmen der 9. GWB-Novelle wurden Lücken im Bereich der Rechtsnachfolge geschlossen vgl. Wessing/Janssen WuW 2017, 253. 1564 Vgl. hierzu näher Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (323 f.), der auch auf die Gewinnabschöpfung verweist. 1565 Fischer StGB § 263 Rn. 99; BGHSt 38, 345 (351); 43, 381 (405 f.). 1566 Eisele in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund S. 153 (157).

268

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gestattet und verlangt die Berücksichtigung einer funktionstüchtigen Rechtspflege durch den Gesetzgeber im Bereich des Strafrechts.1567 Der Staat ist von Verfassungs wegen gehalten, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann.1568 Die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zur Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege umfasst auch die Pflicht, die Durchführung eingeleiteter Strafverfahren und die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen sicherzustellen. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und der Anspruch aller in Strafverfahren Beschuldigten auf Gleichbehandlung erfordern grundsätzlich, dass der Strafanspruch durchgesetzt wird. Deswegen müssen in der Regel eingeleitete Verfahren fortgesetzt und rechtskräftig verhängte Strafen vollstreckt werden.1569 Eine Regelung, die Verbandsumstrukturierungen zur Umgehung von Geldsanktionen verhindert, kann dazu dienen, die präventive Wirkung von Strafen aufrechtzuerhalten.1570 Dies gilt sowohl für die Spezial- als auch für die Generalprävention. Die negative Spezialprävention wird dadurch realisiert, dass sich der Verband der ihm drohenden Strafe nicht einfach entziehen kann. Zugleich wird das Vertrauen der Bevölkerung in die Geltung der normativen Ordnung gestärkt (positive Generalprävention). Überdies werden andere Verbände von der Begehung verbandsbezogener Straftaten abgeschreckt, weil sie realisieren, dass sie sich ihrer Verantwortlichkeit nicht durch eine bloße Umstrukturierung entziehen können (negative Generalprävention). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass weder die Effektivität der Strafverfolgung noch die präventive Wirkung von Strafen Selbstzweck sind. Einzelne Verbände sind selbstständige Rechtspersönlichkeiten mit eigenen Rechten und Pflichten. Wenngleich sich der Rechtsnachfolger aktiv am Umwandlungsvorgang beteiligt, ist doch zu berücksichtigen, dass in diesem Fall eine Strafe auf einen Verband erstreckt werden soll, dem kein Vorwurf gemacht werden kann. Auf die Gefahr der „Verwässerung“ der Identität von Verbänden wird zu Recht hingewiesen.1571 4. Zwischenergebnis Das Erlöschen von Verbänden lässt sich gezielt herbeiführen. Ohne eine spezielle gesetzliche Grundlage kommt eine Rechtsnachfolge beim Rechtsträgerprinzip nicht in Betracht. Aus rechtspolitischer Perspektive ist die Erstreckung der strafrechtlichen Haftung auf den Rechtsnachfolger ambivalent. Einerseits muss der Staat eine hinreichend effektive Strafverfolgung sicherstellen, andererseits darf er dabei nicht über das Ziel hinausschießen und Unschuldige einer Strafe aussetzen. Deswegen ist herauszuarbeiten, unter welchen Umständen die Erstreckung einer Verbandsgeldstrafe auf den Rechtsnachfolger rechtsstaatlich legitimiert werden kann.

1567

BVerfG Beschl. v. 12.10.2011 Az.: 2 BvR 236/08 Rn. 238. BVerfGE 33, 367 (383); 46, 214 (222); 122, 248 (272); 130, 1 (26). 1569 BVerfGE 46, 214 (222 f.); 49, 24 (54); 51, 324 (344). 1570 Eisele in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund S. 153 (157 f.). 1571 Kahlenberg/Neuhaus BB 2013, 131 (137). 1568

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

269

II. Szenarien einer Rechtsnachfolge Bei den denkbaren Szenarien einer Rechtsnachfolge sind 2 verschiedene Aspekte auseinanderzuhalten. Erstens kommt es auf den Status der Verbandsgeldstrafe im Zeitpunkt der Rechtsnachfolge und zweitens auf die Art der Rechtsnachfolge an. 1. Status der Verbandsgeldstrafe Für die Frage, ob der Rechtsnachfolger strafrechtlich für die Tat seines Rechtsvorgängers einzustehen hat, ist von Bedeutung, ob die Geldstrafe im Zeitpunkt der Rechtsnachfolge bereits rechtskräftig verhängt war (Nachfolge in die konkrete Pflicht) oder nicht (Nachfolge in die abstrakte Pflicht). Hat die Verurteilung vor der Rechtsnachfolge noch keine Rechtskraft erlangt, liegt eine Nachfolge in die abstrakte Pflicht vor. Hierbei sind die einfache und die qualifizierte Nachfolge zu unterscheiden. Die einfache Nachfolge ist dadurch gekennzeichnet, dass der Rechtsnachfolger vom Rechtsverstoß beim Vorgänger keine Kenntnis hat. Zudem ist ihm auch keine leichtfertige Unkenntnis bezüglich des Rechtsverstoßes vorzuwerfen. Demgegenüber zeichnet sich die qualifizierte Nachfolge dadurch aus, dass der Nachfolger entweder Kenntnis von der Straftat oder hiervon leichtfertig keine Kenntnis hatte. In diesem Zusammenhang ist zwischen konzerninternen Umstrukturierungen und regulären Mergers& Acquisitions-Transaktionen zu unterscheiden. Unter einer regulären M&A-Transaktion ist die Veräußerung eines Verbands oder Verbandsteils zwischen Parteien zu verstehen, die nicht Teil desselben Konzerns sind. Bei konzerninternen Umstrukturierungen liegt eine qualifizierte Nachfolge unproblematisch vor, wenn der Erwerberverband um die Rechtsverstöße weiß oder leichtfertig nicht um sie weiß. Fraglich ist, ob im Fall der Unkenntnis auch dann von einer qualifizierten Nachfolge auszugehen ist, wenn die Voraussetzungen der Wissenszurechnung beim Erwerber oder Aufnehmenden (z.B. bei Verschmelzungen) erfüllt sind. Ursprünglich rechnete der BGH das Wissen sog. Wissensvertreter zu.1572 Nach der Rechtsprechung ist Wissensvertreter „jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten“.1573 In neueren Entscheidungen1574 stellt der BGH eher auf die Pflicht zur Wissensorganisation ab.1575 Diese leitet er aus dem Gedanken des Verkehrsschutzes her. Relevantes Wissen muss gespeichert, intern weitergegeben bzw. abgerufen und genutzt werden.1576 Der BGH erlegt diese Pflicht prinzipiell jeder Organisationsform auf, deren arbeitsteilige Organisation 1572

BGH NJW 1992, 1099 (1100). BGH NJW 1992, 1099 (1100). 1574 Zur Entwicklung der BGH-Rechtsprechung Hoenig/Klingen NZG 2013, 1046; Weißhaupt WM 2013, 782 (786). 1575 BGH NJW 1996, 1339 (1340 f.). 1576 Vgl. BGH NJW 1997, 1917 (1918). 1573

270

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

notwendig zu einer Wissensaufspaltung führt. Die Grundsätze der Wissenszurechnung sind nicht auf einzelne Verbände beschränkt.1577 Ob die Grundsätze der Wissenszurechnung auch für einen Konzern gelten, ist streitig. Das OLG München spricht sich für die uneingeschränkte Anwendbarkeit der Grundsätze aus.1578 Der BGH hat die Zurechnung von Wissen bei der Wahrnehmung der Aufgaben von Konzernverbänden in Erwägung gezogen. Die Wahrnehmung der Aufgaben muss hierfür teilweise auf eine natürliche Person oder eine selbständige juristische Einheit dergestalt organisatorisch ausgegliedert sein, dass dafür ein anderer Verband des Konzerns in eigener Verantwortung zuständig ist.1579 Im Schrifttum wird betont, dass die bloße Zugehörigkeit zu einem Konzern nicht ausreiche. Hinzukommen müsse eine besondere Ausübung von Leitungsmacht (Konzernleitungspflicht) und eine Ausgliederung von Aufgaben.1580 Wird auf Anweisung der Konzernmutter eine Umstrukturierung eingeleitet, ist nach den Grundsätzen der Wissenszurechnung regelmäßig von einer qualifizierten Rechtsnachfolge auszugehen, weil sich der Erwerberverband das Wissen im Konzern um den Rechtsverstoß zurechnen lassen muss. Bei einer regulären M&A-Transaktion wird der Käufer regelmäßig eine Due-Diligence durchführen.1581 Hierbei richtet er sein Augenmerk auch auf mögliche Rechtsverstöße der Zielgesellschaft.1582 Dies gilt besonders vor dem Hintergrund von § 30 Abs. 2a OWiG, der für Ordnungswidrigkeiten eine Haftung des Rechtsnachfolgers in bestimmten Fällen vorsieht.1583 Nichtsdestotrotz ist es für den Erwerber in der Praxis relativ schwierig, Rechtsverstöße des Zielunternehmens zu entdecken. Strafrechtliche Zuwiderhandlungen werden sich selten aus den im Datenraum zur Verfügung gestellten Materialien ergeben. Häufig können derartige Zuwiderhandlungen erst in Interviews mit Organen und Mitarbeitern aufgedeckt werden. Derartige Kontakte werden dem Käufer aber regelmäßig untersagt. Meistens darf der Erwerber nur einzelne Fragen an Mitglieder des Managements stellen. Eine solche Untersagung ist auch nicht per se geeignet, beim Käufer einen entsprechenden Verdacht zu begründen.1584 Oft möchte der Verkäufer seine Verkaufsabsichten vor den eigenen Beschäftigten verbergen, um keine Unruhe aufkommen zu lassen. Aus diesen Gründen ist besondere Zurückhaltung bei der Annahme von Leichtfertigkeit bei regulären M&A-Transaktionen geboten. In der Regel wird man beim Käufer weder von Vorsatz noch von Leichtfertigkeit ausgehen können, es sei denn, dass sich dem Käufer die Rechtsverstöße geradezu aufdrängen mussten. 1577

Weißhaupt WM 2013, 782 (786); OLG München BB 2007, 14 (15). OLG München BB 2007, 14 (15). 1579 BGH NJW 2001, 359 (360). 1580 Staudinger/Schilken BGB § 166 Rn. 32; NK-BGB-Stoffels § 166 Rn. 15; ähnlich auch Drexl ZHR 161, 491. 1581 Zum Begriff der regulären M&A-Transaktion siehe 2. Teil F. II. 1. a). 1582 Zur Due Diligence im Hinblick auf kartellrechtliche Bußgeldrisiken Timmerbeil/Mansdörfer BB 2011, 323 (325). 1583 Altenburg/Peukert BB 2014, 649 (653). 1584 Timmerbeil/Mansdörfer BB 2011, 323 (325). 1578

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

271

Bei einer Nachfolge in die konkrete Pflicht ist die Geldstrafe bereits gegenüber dem Rechtsvorgänger rechtskräftig ergangen. Die Rechtsnachfolge tritt erst zu einem Zeitpunkt ein, in dem die Geldstrafe bereits als konkrete Geldsumme festgesetzt worden ist. Die Unschuldsvermutung verlangt den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor dem Verurteilten die Tat im Rechtsverkehr allgemein vorgehalten werden darf.1585 Deswegen liegt eine konkrete Pflicht im Strafrecht erst vor, wenn die Verurteilung des Verbands im Zeitpunkt der Rechtsnachfolge rechtskräftig ist. Einer Differenzierung zwischen der einfachen und der qualifizierten Rechtsnachfolge1586 bedarf es in diesem Fall nicht. 2. Art der Rechtsnachfolge Der Begriff der Rechtsnachfolge bezeichnet den Rechts- und Pflichtenübergang von einem Rechtssubjekt auf ein anderes. Hier ist zunächst zwischen der Einzel- und der Gesamtrechtsnachfolge zu unterscheiden. Während bei der Einzelrechtsnachfolge Vermögensgegenstände einzeln übertragen werden, versteht man unter der Gesamtrechtsnachfolge den (umfassenden) Eintritt in alle wirtschaftlichen Rechte und Pflichten eines anderen Rechtssubjekts.1587 Eine Gesamtrechtsnachfolge kommt bei Umstrukturierungen nach dem UmwG in Betracht. Die Varianten möglicher Umstrukturierungen sind äußert zahlreich.1588 Daher können nur die wichtigsten Umwandlungsarten berücksichtigt werden. Hierzu zählen die Verschmelzung (§§ 2-122e UmwG), die Aufspaltung (§ 123 Abs. 1 UmwG) und der Formwechsel (§§ 190-304 UmwG). Bei der Verschmelzung wird das Vermögen eines Rechtsträgers oder mehrerer Rechtsträger unter Auflösung ohne Abwicklung als Ganzes auf einen Rechtsträger gegen Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger übertragen (§ 2 UmwG). Überträgt ein Rechtsträger sein gesamtes Vermögen auf mehrere andere Rechtsträger unter seiner Auflösung ohne Abwicklung, liegt eine Aufspaltung (§ 123 Abs. 1 UmwG) vor. Der Formwechsel ist dadurch gekennzeichnet, dass der Rechtsträger lediglich seine Rechtsform ändert, z.B. von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft (§ 190 Abs. 1 UmwG). Das Vermögen des Rechtsträgers wird nicht übertragen. Rechtlich und wirtschaftlich ändert sich die Identität des Rechtsträgers nicht. Vielmehr wechselt er lediglich in eine andere Rechtsform.1589 III. Rechtslage in Österreich Österreich hat im VbVG eine explizite Regelung zur Rechtsnachfolge geschaffen. Zur Begründung wird angeführt, dass Verbände beendet werden können. Jedoch gebe es in vielen

1585 BVerfG Beschl. v. 05.04.2010 Az.: 2 BvR 366/10 Rn. 6 unter Verweis auf BVerfGE 19, 342 (347); 35, 311 (320); 74, 358 (371). 1586 Zum Begriff siehe 2. Teil F. II. 1. a). 1587 Steininger VbVG § 10 Rn. 5, 10. 1588 In der Kommentarliteratur werden mehr als 270 Möglichkeiten unterschieden (vgl. Schmitt/Hörtnagel/ Stratz UmwG/UmwStG UmwG Einführung Rn. 12 ff.). Allein bei der Spaltung bestehen 34 Wege (vgl. Semler/ Stengel UmwG Einleitung A Rn. 57). 1589 Semler/Stengel UmwG, Einleitung A Rn. 49.

272

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Fällen einen neuen Verband, der Rechtsnachfolger ist oder zumindest den Betrieb oder die Tätigkeit fortführt.1590 Obwohl sich Österreich für das Rechtsträgerprinzip bei der Verbandssanktionierung entschieden hat, fehlt in den Gesetzgebungsmaterialien eine Auseinandersetzung mit der Problematik, die Geldsanktion auf einen anderen Verband zu erstrecken als denjenigen, der die Straftat begangen hat.1591 Zumindest im Schrifttum wird jedoch von einem Spannungsverhältnis dieser Regelung zum Schuldgrundsatz gesprochen.1592 Zunächst ist festzuhalten, dass Rechtsnachfolger nur ein Verband sein kann, auf den das VbVG Anwendung findet.1593 Ausgeschlossen ist eine Rechtsnachfolge bei der Übernahme durch einen Gesellschafter als natürliche Person.1594 Die Regelung des § 10 VbVG differenziert zwischen der Gesamt- und der Einzelrechtsnachfolge. Zudem enthält sie eine Regelung für den Fall, dass es mehrere Rechtsnachfolger gibt. 1. Gesamt- und Einzelrechtsnachfolge § 10 Abs. 1 Satz 1 VbVG bestimmt, dass die Rechtsfolgen des VbVG den Rechtsnachfolger treffen, wenn die Rechte und Verbindlichkeiten des Verbands im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen anderen Verband übertragen werden. Diese Regelung betrifft den Fall, dass noch keine Geldbuße gegen den Rechtsvorgänger verhängt wurde. Eine Regelung zur Frage, auf wessen Ertragslage bei der Bemessung der Tagessatzhöhe abzustellen ist, fehlt. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass die Ertragslage des Rechtsnachfolgers und nicht des Rechtsvorgängers maßgeblich ist.1595 Demgegenüber regelt § 10 Abs. 1 Satz 2 VbVG, dass über den Rechtsvorgänger verhängte Rechtsfolgen auch für den Rechtsnachfolger wirken. Es bleibt jedoch unklar, ob die Geldbuße im Zeitpunkt des Übergangs rechtskräftig gewesen sein muss. Ist die Geldsanktion bereits verhängt worden, haftet der Rechtsnachfolger nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 2 VbVG mit seinem gesamten Vermögen. Den Gesetzgebungsmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass der österreichische Gesetzgeber eine Haftungsbegrenzung überhaupt erwogen hat.1596 Für die Einzelrechtsnachfolge gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Gesamtrechtsnachfolge, wenn im Wesentlichen dieselben Eigentumsverhältnisse am Verband bestehen und

1590 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 29 von 41. 1591 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 29 f. von 41. 1592 Wess ÖZW 2015, 131 (136); Dietrich NZWiSt 2016, 186 (187). 1593 Steininger VbVG § 10 Rn. 2. 1594 Boller Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden nach dem VbVG S. 267. 1595 So Steininger VbVG § 10 Rn. 4, der davon spricht, dass alle Fragen aus der Perspektive des „neuen“ Verbands zu prüfen sind. 1596 994 der Beilagen XXII.GP – Regierungsvorlage – Materialien zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 29 f. von 41.

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

273

der Betrieb oder die Tätigkeit im Wesentlichen fortgeführt wird (§ 10 Abs. 2 VbVG). Diese Regelung wird im österreichischen Schrifttum als zu unbestimmt abgelehnt.1597 Andere Stimmen kritisieren, dass nicht ersichtlich sei, welchen Anwendungsfall die Einzelrechtsnachfolge überhaupt erfassen will.1598 Im Fall der Einzelrechtsnachfolge, also des Rechtserwerbs an einzelnen Rechtspositionen, bleibt der ursprüngliche Rechtsträger erhalten und steht als Sanktionssubjekt zur Verfügung. Nach dem Rechtsträgerprinzip kommt es allein auf die Identität des Verbands an. Hält man dagegen die Eigentumsverhältnisse an dem Betrieb, in dem strafbares Verhalten verübt wurde, oder die Eigentümerstruktur für maßgeblich, nähert man sich dem Unternehmen als Sanktionssubjekt an. Das VbVG ist dagegen vom Rechtsträgerprinzip geprägt.1599 Des Weiteren wird auf eine gravierende Lücke der Regelung hingewiesen. § 10 Abs. 2 VbVG ist nur anwendbar, wenn die Rechte und Verbindlichkeiten von einem Verband unmittelbar auf den anderen übertragen werden. Sobald eine natürliche Person zwischengeschaltet wird, ist § 10 Abs. 2 VbVG nicht anwendbar.1600 2. Mehrere Rechtsnachfolger Eine gesonderte Regelung trifft § 10 Abs. 3 VbVG bei einer Rechtsnachfolge mit mehreren Rechtsnachfolgern, wie z.B. bei der Aufspaltung. In diesem Fall kann die über den Rechtsvorgänger verhängte Geldbuße gegen jeden Rechtsnachfolger vollstreckt werden. Diese Regelung sieht sich diverser Kritik ausgesetzt. Im Bereich der Rechtsfolgen wird bemängelt, dass unklar bleibe, bei welchem Verband die Geldbuße (vorrangig) vollstreckt werden soll. Im Schrifttum wird vorgeschlagen, auf den Verband abzustellen, der jenen Betrieb fortführt, in dessen Sphäre die Anlassstraftat verübt wurde.1601 Außerdem fehlt eine Anordnung dazu, wie die Rechtsnachfolger untereinander haften, also ob ein Regress möglich ist. Bei den Tatbestandsvoraussetzungen wird kritisiert, dass § 10 Abs. 3 VbVG eine schwerwiegende (Zurechnungs-) Lücke für jene Fälle enthalte, in denen eine Rechtsnachfolge zwischen der Tatbegehung und der Verurteilung erfolge (Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht). In diesem Fall sei eine Sanktionierung nicht mehr möglich.1602 3. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die österreichische Regelung zur Rechtsnachfolge diverse ungelöste Probleme aufweist. Dies gilt für die Gesamt- und die Einzelrechtsnachfolge sowie den Fall, dass mehrere Rechtsnachfolger existieren.

1597

Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 22. So Steininger VbVG § 10 Rn. 11 unter Verweis auf die (nv) Stellungnahme des Ö-BKA (318.071/0001II.2/2004 vom 14.06.2004). 1599 Zum Rechtsträgerprinzip im österreichischen Verbandsstrafrecht siehe 1. Teil E. I. 1. 1600 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 22 f. 1601 Boller Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden nach dem VbVG S. 267. 1602 Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz S. 21. 1598

274

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Rechtsnachfolge in die strafrechtliche Verantwortlichkeit überhaupt möglich ist, hat in Österreich bisher nicht stattgefunden. IV. Begründungsmodelle für eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht Um sich der Problematik der Rechtsnachfolge zu nähern, kann man von der Art der Rechtsnachfolge (so das VbVG in Österreich) oder vom Status der Verbandsgeldstrafe (so der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch) ausgehen. Letzteres ist vorzugswürdig, weil es für die Frage, ob eine Rechtsnachfolge möglich ist, vor allem auf den Status der Verbandsgeldstrafe ankommt. Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch spricht sich in § 2 Abs. 4 Satz 1 VerbStrG-E für eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht, also die noch nicht rechtskräftige Verbandsgeldstrafe, aus, wenn dem Erwerber im Zeitpunkt des Rechtsübergangs die Zuwiderhandlung ganz oder zum Teil bekannt oder aus Leichtfertigkeit nicht bekannt war. Zur Begründung wird ausgeführt, dass aus Gründen der rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Verbandsstrafrechts die Rechtsnachfolger eines Verbands mangels eigener Verantwortung für die Zuwiderhandlung nicht ohne Weiteres für Versäumnisse des Rechtsvorgängers verantwortlich gemacht werden könnten. Anders liege es, wenn durch eine Rechtsnachfolge eine Verbandssanktion gezielt umgangen werden soll.1603 Im Folgenden ist zunächst zu untersuchen, ob eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht bei der einfachen Nachfolge legitimiert werden kann (hierzu 1.). Scheidet dies aus, ist zu überlegen, ob wenigstens im Fall der qualifizierten Nachfolge eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht begründet werden kann (hierzu 2.). Anschließend muss der Frage nachgegangen werden, ob sich die Begründungsansätze mit dem Schuldprinzip in Einklang bringen lassen (hierzu 3.). Abschließend ist zur Problematik Stellung zu nehmen, wie die Geldstrafe bei Umstrukturierungen vor Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung gesichert werden kann (hierzu 4.). 1. Einfache Rechtsnachfolge Um eine Nachfolge in die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei der einfachen Rechtsnachfolge1604 zu begründen, stehen die Legitimationsansätze des Konzepts der Geldbußlast und der Rechtsfigur der „Nahezu-Identität“ zur Verfügung. a) Übernahme der finanziellen Geldbußlast Um den Übergang der rechtlichen Verantwortung auf einen Rechtsnachfolger im Ordnungswidrigkeitenrecht dogmatisch zu legitimieren, wird vorgeschlagen, dass die sog. Geldbußlast auf den Rechtsnachfolger übergehe.1605 Die Problematik ist derjenigen im Strafrecht vergleichbar. Deswegen wird das Konzept der Geldbußlast auch dazu herangezogen, die Rechtsnachfolge in die strafrechtliche Verantwortlichkeit zu begründen.1606 1603 NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 50. 1604 Zum Begriff siehe 2. Teil F. II. 1. 1605 Achenbach wistra 2012, 413 (417); Achenbach wistra 2013, 369 (372); zustimmend Eisele in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund S. 153 (165). 1606 NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 50.

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

275

Zutreffend geht diese Ansicht zunächst davon aus, dass sich die Problematik der Rechtsnachfolge nicht auf eine reine Frage der Haftung für eine finanzielle Verbindlichkeit reduzieren lässt. Bei der Festsetzung einer Geldsanktion gegen den Verband geht es um die Ahndung eines verantwortlichen Verhaltens durch Leitungspersonen und um einen damit verbundenen Tadel und Vorwurf gegen den Unternehmensträger selbst.1607 Dies gilt insbesondere für den Bereich des Strafrechts. Strafe ist eine „missbilligende hoheitliche Reaktion“.1608 Sie knüpft an ein sozialethisches Unwerturteil an.1609 Daher bedarf es einer Rechtfertigung, wenn das mit einer Strafe verbundene Unwerturteil gegenüber einem anderen Verband als demjenigen ergehen soll, der strafrechtlich verantwortlich ist. Diese Rechtfertigung wird darin gesehen, dass der Rechtsnachfolger die Geldbußlast des Vorgängers zu übernehmen habe. Der Rechtsnachfolger trete nicht nur in die Verfahrensstellung des Vorgängers ein, sondern auch in die durch das strafbare Verhalten seiner verantwortlichen Leitungspersonen begründete Belastung mit einer Geldsanktion.1610 Die Verantwortlichkeit des Rechtsträgers des Täter-Verbands sei bereits begründet, auch wenn dies noch einer rechtskräftigen Feststellung bedürfe. Dem Rechtsnachfolger werde die Last auferlegt, die dadurch begründete, eigentlich gegen den Rechtsvorgänger gerichtete Geldbußforderung zu begleichen.1611 Für ein solches Konzept lässt sich anführen, dass die Sicherung einer funktionstüchtigen Rechtspflege im Bereich des Strafrechts einen vom Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verfassungsrechtlich geschützten Belang darstellt.1612 Dieser umfasst auch die Einführung von Regelungen, die verhindern, dass Verbände die über sie zu verhängenden Sanktionen umgehen können.1613 Im Polizei- und Ordnungsrecht wird die Rechtsnachfolge in ordnungsrechtliche Pflichten von der herrschenden Meinung zugelassen, wenn es sich um vertretbare, also nicht höchstpersönliche Pflichten handelt.1614 Das Strafrecht unterscheidet sich jedoch vom Polizei- und Ordnungsrecht dadurch fundamental, dass mit einer Strafe ein sozialethisches Unwerturteil verbunden ist,1615 was einer polizei- und ordnungsrechtlichen Verfügung fehlt. Das Polizei- und Ordnungsrecht ist beherrscht vom Gedanken der Effektivität der Gefahrenabwehr. Dementsprechend können Polizeiverfügungen auch gegen Rechtssubjekte ergehen, denen bezüglich des ordnungswidrigen Zustands kein Vorwurf zu machen ist (schuldunfähige Handlungsstörer) oder die noch nicht einmal zu diesem Zustand beigetragen haben (Nichtstörer).1616 1607

Achenbach wistra 2012, 413 (415). BVerfGE 26, 186 (204); Degenhart in Sachs GG Art. 103 Rn. 57 unter Verweis auf BVerfGE 110, 1 (13). 1609 BVerfGE 95, 96 (140); 96, 245 (249). 1610 Achenbach wistra 2012, 413 (417), Achenbach NZWiSt 2012, 321 (328). 1611 Achenbach wistra 2012, 413 (417). 1612 BVerfG Beschl. v. 12.10.2011 Az.: 2 BvR 236/08 Rn. 238. 1613 Explizit zum Kartellrecht Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (324). 1614 Zur Rechtsnachfolge in polizeiliche Pflichten Schenke POR Rn. 292 ff.; Denninger in Handbuch des Polizeirechts S. 237 ff. 1615 BVerfGE 20, 323 (331); 95, 96 (140). Vgl. auch BVerfGE 110, 1 (13). 1616 Vgl. exemplarisch § 17 Abs. 2 OBG NRW für den schuldunfähigen Handlungsstörer und § 19 OBG NRW für den Nichtstörer. 1608

276

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Beides wäre im Strafrecht nicht möglich. Der Schuldgrundsatz schließt die strafende oder strafähnliche Ahndung einer Tat ohne Schuld des Täters aus.1617 Auch gegenüber einer Person, die nichts zum deliktischen Erfolg beigetragen hat, ist eine Strafe mangels Kausalität für die Rechtsgutsverletzung ausgeschlossen. Gegen das Konzept einer Geldbußlast ist überdies einzuwenden, dass trotz der Erklärungsversuche im Ergebnis unklar bleibt, worum es sich hierbei eigentlich handelt. Die Strafe soll dabei so „entindividualisiert“ werden, dass sie zu einer vertretbaren und damit übergangsfähigen Pflicht mutiert. Das Konzept der Geldbußlast versucht, das mit der Strafe verbundene Unwerturteil von einem Rechtssubjekt abzuspalten, um die Übergangsfähigkeit der Geldsanktion zu ermöglichen. Dies ist jedoch wegen des im Verbandsstrafrecht geltenden Schuldgrundsatzes nicht möglich. Das sozialethische Unwerturteil, das mit der noch nicht rechtskräftig verhängten Strafe verbunden ist, steht einer Übergangsfähigkeit der Geldstrafe entgegen. Die Verurteilung des Rechtsnachfolgers zu einer Geldstrafe erschöpft sich nicht darin, die gegen den Rechtsvorgänger gerichtete Geldforderung zu begleichen. Vielmehr müsste der Rechtsnachfolger auch hinnehmen, dass ihn das sozialethische Unwerturteil trifft, das mit der Verurteilung zu einer Strafe verbunden ist. Dies ist für den Rechtsnachfolger aber bereits deswegen unzumutbar, weil er an der Verwirklichung des Unrechts nicht beteiligt war und ihm diesbezüglich auch kein Vorwurf zu machen ist. Das Konzept der finanziellen Geldbußlast vermag daher die Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht nicht zu rechtfertigen. b) Fortbestand des übertragenen Vermögens Lässt sich das sozialethische Unwerturteil der Strafe nicht vom zuwiderhandelnden Rechtsträger abspalten, wäre zu überlegen, ob und unter welchen Voraussetzungen der Rechtsträger nicht auch nach einer Umwandlung weiterhin derselbe sein kann. In einem solchen Fall würde das mit der Strafe verbundene Unwerturteil nicht gegen einen anderen Verband ergehen. aa) „Nahezu-Identität“ der Vermögensverbindung Im Ordnungswidrigkeitenrecht erkannte der BGH vor der Einführung einer Regelung zur Rechtsnachfolge in § 30 Abs. 2a OWiG eine Erstreckung der bußgeldrechtlichen Haftung auf einen anderen Verband als denjenigen, für den der Individualtäter gehandelt hat, unter 2 Voraussetzungen an. Der betreffende Verband müsse Gesamtrechtsnachfolger der Organisation geworden sein, dessen Organ die Tat begangen habe, und zwischen der früheren und der neuen Vermögensverbindung müsse nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise „Nahezu-Identität“ bestehen. Eine solche sei gegeben, wenn das „haftende Vermögen“ weiterhin vom Vermögen des gem. § 30 OWiG Verantwortlichen getrennt, in gleicher oder ähnlicher Weise wie bisher eingesetzt werde und in dem neuen Verband einen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens ausmache.1618 Das Verständnis des Begriffs des „wesentlichen Teils“ habe sich daran zu orientieren, die Identität oder „Nahezu-Identität“ der in die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit genommenen Verbände sicherzustellen. Die Annahme einer wirtschaftlichen Identität müsse 1617 1618

BVerfGE 20, 323 (331); 45, 187 (228); 50, 125 (133); 50, 205 (214 f.). BGH NJW 2012, 164 (165).

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

277

auf Fälle beschränkt bleiben, in denen das Unternehmen unverändert oder doch nahezu unverändert von einem neuen Rechtsträger fortgeführt werde, dessen sonstige Vermögenswerte demgegenüber weitgehend in den Hintergrund träten. Eine Festlegung auf bestimmte Schwellenwerte oder Verhältniszahlen scheide angesichts der Vielzahl und der Verschiedenartigkeit der möglicherweise relevanten Umstände aus.1619 Zur Begründung führt der BGH an, dass sich solche Fälle zwar in ihrer gesellschaftsrechtlichen Gestaltung, nicht aber in ihren Ergebnissen und Wirkungen von einem bloßen Wechsel der Firma oder der Rechtsform des das Unternehmen führenden Rechtsträgers unterschieden. Sie wiesen damit Bezüge zu gesellschaftsrechtlichen Vorgängen auf, die die bußgeldrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten nach § 30 OWiG unberührt ließen. Es liege in der Konsequenz des Rechtsträgerprinzips, dass eine bloße Änderung der Firma und der Wechsel der Rechtsform auf die Verantwortlichkeit nach § 30 OWiG jeweils ohne Einfluss seien. Für den Rechtsformwechsel in § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG sei dementsprechend ausdrücklich bestimmt, dass er die Identität des Rechtsträgers nicht berühre.1620 Es fehle demgegenüber an einer wirtschaftlichen Identität, wenn Unternehmen mit annähernd gleicher Größe und fast identischen Marktanteilen fusioniert und deren Geschäftsbereiche zusammengeführt würden.1621 bb) Missachtung des Rechtsträgerprinzips Diese Rechtsprechung ist auf berechtigte Kritik im Schrifttum gestoßen.1622 Zunächst ist festzuhalten, dass sich der BGH selbst dabei entlarvt, das Rechtsträgerprinzip zu missachten, wenn er lediglich eine „Nahezu-Identität“ verlangt. Nahezu identisch ist eben nicht identisch. Es wird ein nur der Identität ähnlicher Fall einbezogen.1623 Zudem ist die vom BGH vorgenommene wirtschaftliche Betrachtung mit dem Rechtsträgerprinzip nicht in Einklang zu bringen.1624 Da dieses auch im Verbandsstrafrecht gilt, stehen die Bedenken gegen eine wirtschaftliche Betrachtung auch einer Rechtsnachfolge im Verbandsstrafrecht entgegen. Ein Verband in seiner Rolle als Sanktionssubjekt ist einer wirtschaftlichen Betrachtung nicht zugänglich.1625 Der Begriff des Verbands bezeichnet ein Rechtssubjekt, das zumindest teilrechtsfähig sein muss.1626 Die Existenz des Verbands endet formal mit dem Erlöschen seiner Rechtspersönlichkeit. Dieses gesellschaftsrechtliche Verständnis ist für den Begriff des Verbands zugrunde zu legen.1627

1619

BGH NJW 2012, 164 (165). BGH NJW 2012, 164 (165). 1621 BGH NJW 2012, 164 (165). 1622 Achenbach wistra 2012, 413 (415); Eisele wistra 2014, 81 (82); Heinichen WRP 2012, 159 (166). 1623 Achenbach wistra 2012, 413 (416). 1624 So Heinichen WRP 2012, 159 (162 f.); Achenbach wistra 2012, 413 (415 f.) jeweils für § 30 OWiG, der auch auf den Rechtsträger abstellt. 1625 Achenbach wistra 2012, 413 (415 f.); Heinichen WRP 2012, 159 (162 f.). 1626 Siehe Einleitung. 1627 So auch Heinichen WRP 2012, 159 (163) zum Parallelproblem im Rahmen von § 30 OWiG. 1620

278

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen können die rechtliche Identität eines Verbands unangetastet lassen oder zu einem Identitätswechsel führen. Eine identitätswahrende Umstrukturierung liegt bei einem Rechtsformwechsel vor (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Der BGH geht daher zutreffend davon aus, dass in diesem Fall gegen den Verband in seiner neuen Rechtsform eine Geldsanktion unter Wahrung des Rechtsträgerprinzips festgesetzt werden kann. Es handelt sich unverändert um denselben Verband, gegen den der strafrechtliche Vorwurf zu richten ist.1628 Führt die Umstrukturierung dagegen zu einem Wechsel des Rechtsträgers, kann die Geldsanktion nicht gegen den Rechtsnachfolger festgesetzt werden. Wird die strafrechtliche Verantwortung auf den Gesamtrechtsnachfolger erstreckt, richtet sich die Verbandsgeldstrafe gegen einen anderen Rechtsträger als denjenigen, dessen Organe oder Mitarbeiter strafrechtlich gehandelt haben. Eine solche Haftungserstreckung steht im Widerspruch zum Rechtsträgerprinzip.1629 Dies gilt auch dann, wenn nach wirtschaftlicher Betrachtung eine echte Identität, also keine „Nahezu-Identität“, vorliegt. Die wirtschaftliche Identität orientiert sich am Fortbestand des Unternehmens oder der Haftungsmasse. Dies wird als Fortbestand des Rechtsobjekts in Abgrenzung zum rechtsfähigen Verband, dem sog. Rechtssubjekt, bezeichnet.1630 Durch die wirtschaftliche Betrachtung würde das Unternehmen als Haftungssubjekt wieder eingeführt. Für das Verbandsstrafrecht gilt jedoch das Rechtsträgerprinzip.1631 Die BGH-Rechtsprechung zur Erstreckung der Verantwortlichkeit auf den Rechtsnachfolger im Ordnungswidrigkeitenrecht ist aus den dargelegten Gründen mit dem Rechtsträgerprinzip nicht in Einklang zu bringen. cc) Fehlende Bestimmtheit einer Regelung Neben den zuvor geäußerten Bedenken wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsträgerprinzip sind auch die Kriterien der BGH-Rechtsprechung zur Erstreckung der Verantwortlichkeit auf den Rechtsnachfolger in der Literatur als zu unbestimmt abgelehnt worden.1632 Das Bestimmtheitsgebot verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen.1633 In seinem Beschluss v. 20.08.2015 hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des BGH zur „Nahezu-Identität“ als hinreichend bestimmt eingestuft.1634 Ohne nähere Begründung stellt es fest, dass die vom BGH zur Überprüfung der Identität bzw. „Nahezu-Identität“ 1628

So auch Heinichen WRP 2012, 159 (163) zum Parallelproblem im Rahmen von § 30 OWiG. Heinichen WRP 2012, 159 (163) zum Parallelproblem im Rahmen von § 30 OWiG. 1630 Heinichen WRP 2012, 159 (163). 1631 Siehe 1. Teil E. II. 2. 1632 Achenbach wistra 2012, 413 (416); Heinichen WRP 2012, 159 (163 f.). 1633 BVerfG Urt. v. 20.03.2002 Az.: 2 BvR 794/95 Rn. 64; BVerfGE 73, 206 (234); 75, 329 (340 f.); 78, 374 (381 f.). 1634 BVerfG NZKart 2015, 447 (447 f.). 1629

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

279

entwickelten Kriterien den dargelegten Anforderungen genügen.1635 Zu Recht wird an der Entscheidung kritisiert, dass sie sich nicht mit den Bedenken auseinandersetze, die im Schrifttum gegen die hinreichende Bestimmtheit der Kriterien geäußert wurden.1636 In welchen Fällen das haftende Vermögen einen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens ausmacht, ist nicht erkennbar.1637 Eine Festlegung auf bestimmte Schwellenwerte lehnt der BGH ab.1638 Wann davon gesprochen werden kann, dass die sonstigen Vermögenswerte des Rechtsnachfolgers gegenüber dem haftenden Vermögen weitgehend in den Hintergrund treten,1639 bleibt unklar. Es ist nicht vorhersehbar, anhand welcher Kriterien ein solcher Vermögensvergleich durchgeführt werden soll. Dies gilt besonders bei der Verschmelzung von Unternehmen unterschiedlicher Branchen. Auch im Fall der Aufspaltung bleibt völlig unklar, ob eine ausschließlich quantitative Betrachtung vorzunehmen ist oder ob auch die Qualität der übernommenen Vermögensbestandteile zu berücksichtigen ist.1640 Daher kann bei derart „schwammigen“ Kriterien nicht mehr die Rede davon sein, dass jeder Erwerber vorhersehen kann, ob er in die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Rechtsvorgängers eintritt und sich daher überlegen kann, von der Transaktion Abstand zu nehmen. c) Zwischenergebnis Die Begründungsansätze für eine Legitimierung der Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht bei einer einfachen Rechtsnachfolge vermögen nicht zu überzeugen. Das Konzept der Geldbußlast, das die Strafe zu einer übergangsfähigen Pflicht erheben will, ist mit dem der Strafe immanenten sozialethischen Unwerturteil nicht vereinbar. Die BGH-Rechtsprechung zur „Nahezu-Identität“ missachtet das Rechtsträgerprinzip des Verbandsstrafrechts. Ihre hinreichende Bestimmtheit kann mit guten Gründen abgelehnt werden. Daher scheidet bei der einfachen Rechtsnachfolge die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers mit Ausnahme des Rechtsformwechsels aus. 2. Qualifizierte Rechtsnachfolge Auch bei der qualifizierten Rechtsnachfolge vermögen das Konzept der Geldbußlast und die Rechtsfigur der „Nahezu-Identität“ mit Ausnahme des Rechtsformwechsels eine Nachfolge in die abstrakte Pflicht nicht zu rechtfertigen. Es bestehen die gleichen Einwände wie bei der einfachen Rechtsnachfolge. Kennt der Rechtsnachfolger den Rechtsverstoß bzw. weiß er leichtfertig nicht um ihn, bestehen jedoch zusätzliche Legitimationsansätze, um eine Rechtsnachfolge zu begründen. Daher ist zu prüfen, ob wenigstens im Fall der qualifizierten Rechtsnachfolge eine Nachfolge in die strafrechtliche Verantwortlichkeit gerechtfertigt werden kann.

1635

BVerfG NZKart 2015, 447. von Saucken ZWH 2015, 386 (388). 1637 Kritisch in Bezug auf die hinreichende Bestimmtheit einer „Nahezu-Identität“ auch Zieschang GA 2014, 91 (101). 1638 BGH NJW 2012, 164 (165). 1639 So die vom BGH verwendete Formulierung in BGH NJW 2012, 164 (165). 1640 Heinichen WRP 2012, 159 (164); kritisch zu fehlenden Kriterien zur Bestimmung der wirtschaftlichen Identität bei der Aufspaltung auch Löbbe ZHR 177, 518 (534 f.). 1636

280

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

a) Nachträgliche Übernahme des Pflichtverstoßes Man könnte erwägen, dass der Erwerber, der um Verstöße des Rechtsvorgängers weiß oder leichtfertig nicht weiß, den Rechtsverstoß quasi billigt. Tritt der Rechtsnachfolger dennoch in die Position des Rechtsvorgängers ein, entscheidet er sich bewusst dafür, den Rechtsvorgänger inklusive seiner Rechtsverletzung zu übernehmen. Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, dass derjenige, der in die Rechtsposition eines anderen eintritt, obwohl er um dessen Rechtsverstoß weiß, selbst kein strafbares Unrecht verwirklicht. Dies gilt selbst dann, wenn er den Rechtsverstoß ausdrücklich gutheißt. Eine Intensivierung der bereits begangenen Rechtsgutsverletzung liegt hierin nicht. Neben diesen Bedenken sprechen auch weitere Erwägungen dagegen, in den Fällen der qualifizierten Rechtsnachfolge eine nachträgliche Übernahme des Pflichtverstoßes zu erblicken. Ein kriminalpolitisches Bedürfnis für eine Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe resultiert daraus, dass das Ende eines Verbands bewusst steuerbar ist. Dies hat zur Folge, dass der Verband nicht bestraft werden kann. Die Frage, inwieweit es strafbar ist, die Verhängung einer Strafe gegen ein Rechtssubjekt zu verhindern, ist in der Vorschrift zur Strafverfolgungsvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) geregelt. Die Wertungen und Begrenzungen dieser Norm würden umgangen, wenn eine Regelung zur Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht bei Vorsatz oder Leichtfertigkeit geschaffen wird. Dies bezieht sich sowohl auf die Tatbestands- als auch auf die Rechtsfolgenebene. Auf Tatbestandsseite ist zu berücksichtigen, dass sozialadäquates Verhalten nicht tatbestandsmäßig ist.1641 Bezüglich der Rechtsfolge ist zu beachten, dass § 258 Abs. 1 StGB einen eigenen Strafrahmen enthält. Gegen den Täter der Strafvereitelung ist eine eigene Strafe zu verhängen und nicht einfach die Strafe desjenigen zu übernehmen, zu dessen Gunsten die Strafvereitelung begangen werden sollte. § 258 Abs. 3 StGB bestimmt lediglich, dass die Strafe nicht schwerer sein darf als die für die Vortat angedrohte Strafe. In der qualifizierten Rechtsnachfolge kann daher keine nachträgliche Übernahme des Pflichtverstoßes gesehen werden. Zudem würden die Wertungen des § 258 StGB umgangen. b) Rechtsgedanke des § 261 Abs. 5 StGB Für die Übernahme der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Falle einer qualifizierten Rechtsnachfolge könnte schließlich die Wertung des § 261 Abs. 5 StGB angeführt werden.1642 Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer bei einer Geldwäschestraftat gem. § 261 Abs. 1 StGB oder gem. § 261 Abs. 2 StGB leichtfertig nicht erkennt, dass der Gegenstand aus einer bestimmten Vortat herrührt.

1641

Fischer StGB § 258 Rn. 7. So wohl NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 50, der davon spricht, sich am Unrechtstatbestand des § 261 Abs. 5 StGB zu orientieren. 1642

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

281

Gegen eine Übertragung der Wertung aus § 261 Abs. 5 StGB lässt sich zunächst anführen, dass sich die Norm selbst starker Kritik ausgesetzt sieht.1643 Verfassungsrechtliche Bedenken sind im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot und den Schuldgrundsatz erhoben worden.1644 Der BGH ist diesen Bedenken nicht gefolgt.1645 Ein Teil der Literatur hat sich ihm vorbehaltlos angeschlossen.1646 Allerdings hat auch der BGH betont, dass eine restriktive Interpretation des Tatbestands geboten sei.1647 Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen halten weitere Stimmen in der Literatur den Tatbestand für rechtmäßig.1648 Unabhängig von den gegen § 261 Abs. 5 StGB erhobenen Bedenken ist diese Norm schon deshalb nicht zur Legitimierung der Rechtsnachfolge geeignet, weil ihr Normzweck ein gänzlich anderer ist und sich auch das geschützte Rechtsgut unterscheidet. Der Gesetzgeber sieht den Normzweck der Geldwäsche darin, die organisierte (Wirtschafts-) Kriminalität zu bekämpfen, indem die Einschleusung inkriminierter Vermögenswerte in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf zum Zwecke der Tarnung verhindert werden soll.1649 Darum geht es bei der Rechtsnachfolge aber nicht. Durch diese soll die Sanktionswirkung einer Strafe bei Umstrukturierungen aufrechterhalten, nicht aber die Einschleusung inkriminierter Vermögenswerte in den legalen Wirtschaftskreislauf verhindert werden. Das von § 261 StGB geschützte Rechtsgut ist trotz intensiver Debatte weiterhin umstritten.1650 Geschützt werden soll die Aufgabe der inländischen Rechtspflege, die Wirkung von Straftaten zu beseitigen.1651 § 261 Abs. 2 StGB, auf den auch § 261 Abs. 5 StGB Bezug nimmt, schützt nach überwiegender Auffassung ebenfalls die durch die Vortaten geschützten Rechtsgüter.1652 Eine Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe dient aber nicht der inländischen Rechtspflege zur Beseitigung der Wirkung von Straftaten. Vielmehr werden lediglich die durch die ursprüngliche Straftat geschützten Rechtsgüter auch im Fall einer Umstrukturierung geschützt. Anders als bei § 261 Abs. 2 StGB geht es bei der Rechtsnachfolge nicht darum, sich ähnlich der Hehlerei (§ 259 StGB) die Vorteile einer Vortat zu sichern, sondern sich der Verhängung einer Geldsanktion zu entziehen. Somit fehlt es bei einer Rechtsnachfolge an einem erneuten Angriff auf das geschützte Rechtsgut.

1643 Daneben wird auch der gesamte Straftatbestand der Geldwäsche sehr kritisch gesehen. Jahn/Ebner sprechen etwa vom Enfant terrible des Strafrechts JuS 2009, 597 (598). 1644 Sommer in AnwK StGB § 261 Rn. 57; Lampe JZ 1994, 123 (129); Fischer StGB § 261 Rn. 42a; kritisch auch Herzog/Hoch StV 2008, 524 (525). 1645 BGH NJW 2008, 2516 (2517). 1646 Lackner/Kühl StGB § 261 Rn. 13; Stree/Hecker in S/S StGB § 261 Rn. 28. 1647 BGH NJW 2008, 2516 (2517). 1648 Ruhmannseder in v. Heintschel-Heinegg StGB § 261 Rn. 57; Jahn in SSW-StGB § 261 Rn. 80. 1649 BT-Drucks. 12/989 S. 26; 11/7663 S. 24; Jahn in SSW-StGB § 261 Rn. 7. 1650 Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet die Rechtsgutsbestimmung dementsprechend als „vage“ (BVerfG Urt. v. 30.04.2004 Az.: 2 BvR 1520/01 Rn. 100). Ausführlich zum Streitstand MüKoStGB-Neuheuser § 261 Rn. 6 ff. 1651 BT-Drucks. 12/989 S. 27; dem folgend Lampe JZ 1994, 123 (125 f.). 1652 BT-Drucks. 12/289 S. 27; Ruhmannseder in v. Heintschel-Heinegg StGB § 261 Rn. 6; Jahn in SSW-StGB § 261 Rn. 11; Jahn/Ebner JuS 2009, 597.

282

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Dass § 261 Abs. 5 StGB nicht als Wertung für eine Rechtsnachfolge herangezogen werden kann, wird auch daran deutlich, dass die Norm als Anschlussdelikt einen eigenen Strafrahmen aufweist, der sich nicht an der Vortat orientiert. Bei einer Rechtsnachfolge in die strafrechtliche Verantwortlichkeit würde sich die Strafe aber am Strafrahmen des ursprünglichen Delikts orientieren. Auch der Rechtsgedanke des § 261 Abs. 5 StGB vermag eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht selbst bei Vorsatz oder Leichtfertigkeit in Bezug auf die Verbandsstraftat nicht zu rechtfertigen. 3. Vereinbarkeit mit dem Schuldgrundsatz Der Schuldgrundsatz verlangt, dass Strafen in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters zu stehen haben. Insoweit entspricht der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen dem Verfassungsgrundsatz des Übermaßverbots. Er untersagt die strafende oder strafähnliche Ahndung einer Tat ohne Schuld des Täters.1653 Strafe knüpft als „missbilligende hoheitliche Reaktion“1654 an ein sozialethisches Unwerturteil an.1655 Mit ihr wird ein rechtswidriges sozialethisches Fehlverhalten vergolten. Das dem Täter auferlegte Strafübel bezweckt den Ausgleich des schuldhaften Normverstoßes. Es stellt einen Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit dar.1656 Vereinzelt wird davon ausgegangen, dass das Schuldprinzip durch eine Regelung zur Rechtsnachfolge bereits deshalb nicht verletzt sein könne, weil es seine Grundlage in der Garantie der Menschenwürde habe, die Verbänden nicht zukomme.1657 Diese Ansicht übersieht aber, dass der Schuldgrundsatz ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelt, das gegenüber Verbänden Geltung beansprucht.1658 Auch im Verbandsstrafrecht ist die Schuld, wie gezeigt, unverzichtbares Legitimationselement von Strafe.1659 Das Schuldprinzip steht einer Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht im Verbandsstrafrecht entgegen.1660 Das Verständnis des Schuldgrundsatzes durch das Bundesverfassungsgericht ist mit einer Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht nicht zu vereinbaren. Eine missbilligende hoheitliche Reaktion, die mit einem sozialethischen Unwerturteil verbunden ist, kann nicht gegenüber einem Rechtssubjekt ergehen, dem kein Vorwurf für die Straftat zu machen ist. Um eine Rechtsnachfolge dennoch zu legitimieren, könnte man in Erwägung ziehen, auf die internationale Mindesttrias von „wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden“ Sanktionen zu verweisen. Eine Strafe, der sich ein Verband durch Umstrukturierung leicht 1653 BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 57; BVerfGE 20, 323 (331); 45, 187 (228); 50, 125 (133); 50, 205 (214 f.). 1654 BVerfGE 26, 186 (204); Degenhart in Sachs GG Art. 103 Rn. 57 unter Verweis auf BVerfGE 110, 1 (13). 1655 BVerfGE 95, 96 (140); 96, 245 (249). 1656 BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 58. 1657 Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (328); Görner ZWeR 2014, 102 (114). 1658 Haspl EuZW 2013, 888 (889). 1659 Siehe 1. Teil B. I. 2. b). 1660 So auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht Heinichen WRP 2012, 159 (164); Verjans in FS Schiller S. 662 (666).

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

283

entziehen kann, wäre nicht mehr abschreckend. Im EU-Kartellsanktionsrecht ist anerkannt, dass zur effektiven Durchsetzung der Wettbewerbsregeln Ausnahmen vom Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit erforderlich werden können, wenn die wettbewerbsrechtliche Sanktion ihre Wirkung beim ursprünglichen Betreiber des Unternehmens nicht entfalten kann.1661 Zur Rechtfertigung wird darauf verwiesen, dass Kartellgeldbußen nicht in den Bereich des Kernstrafrechts fallen, so dass rechtsstaatliche Garantien nicht notwendigerweise in ihrer vollen Strenge anzuwenden sind.1662 Der Gesetzgeber darf sich nur in den Grenzen des Grundgesetzes an internationalen Vorgaben orientieren. Eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht ist mit Blick auf den Schuldgrundsatz in einem Verbandsstrafrecht unzulässig. Eine Strafe ohne Schuld ist mit dem Grundgesetz unvereinbar.1663 Der Schuldgrundsatz gehört, wie gezeigt, zur unverfügbaren Verfassungsidentität, die auch vor Eingriffen durch die supranational ausgeübte Gewalt geschützt ist.1664 Eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht kann daher auch nicht mit Verweis auf internationale Vorschriften gerechtfertigt werden. 4. Sicherung der Strafvollstreckung Ist eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht nur in engen Ausnahmefällen möglich, stellt sich die Frage, wie zu verhindern ist, dass sich Verbände durch Umwandlung drohenden Geldstrafen entziehen können. Eine solche Regelung ist grundsätzlich geboten, weil der Gesetzgeber zu einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege verpflichtet ist. Das Verbandsstrafrecht darf nicht dadurch zu einem stumpfen Schwert verkommen, dass lediglich der „dumme“ Verband, der eine Umwandlung unterlässt, einer Sanktion unterworfen wird. Dabei sind aber die verfassungsrechtlichen Vorgaben einzuhalten. Da eine Erstreckung der abstrakten Pflicht auf den Rechtsnachfolger nicht möglich ist, muss die Lösung beim Rechtsvorgänger ansetzen. § 30 Abs. 6 OWiG ermöglicht im Ordnungswidrigkeitenrecht einen dinglichen Arrest zur Sicherung der Geldbuße. Diese Möglichkeit kann auf das Verbandsstrafrecht übertragen werden. Eine entsprechende Regelung schlägt der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch in § 20 VerbStrG-E vor. Ein dinglicher Arrest wahrt die gegenläufigen Interessen der Strafverfolgungsbehörden und der beschuldigten Verbände. Den Strafverfolgungsbehörden kommt es darauf an, einer Verbandsauflösung zuvorzukommen, um ein Strafverfahren zu ermöglichen und die Vollstreckung einer etwaigen Geldstrafe sicherzustellen, indem Vermögensverschiebungen unterbunden werden. Für den Verband streitet bis zur rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Vorläufige Maßnahmen zur Sicherung verletzen die Unschuldsvermutung nicht. Durch den Richtervorbehalt wird abgesichert, dass die Rechte des Verbands bereits bei Erlass der Maßnahmen berücksichtigt werden.

1661

GA Kokott, Rs. C-280/06, ECLI:EU:C:2007:404, Rn. 83 – ETI. So ausdrücklich GA Kokott, Rs. C-501/11 P, ECLI:EU:C:2013:248, Rn. 26 – Schindler, unter Verweis auf EGMR, Urt. v. 23.11.2006, Nr. 73053/01 § 43 – Jussila v. Finland; EGMR, Urt. v. 27.09.2011, Nr. 43509/08, § 62 – Menarini Diagnostics v. Italy. 1663 Siehe 1. Teil B. I. 2. b). 1664 Siehe 1. Teil B. I. 1662

284

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Die Lösung über den dinglichen Arrest ermöglicht es, unter Wahrung des Rechtsträgerprinzips und des Schuldgrundsatzes Umstrukturierungen vorzubeugen, die lediglich dazu dienen sollen, sich einer drohenden Verbandsgeldstrafe zu entziehen. Sie führt zwar zu Schutzlücken bei der Umwandlung von Verbänden, wenn sich der Verband umstrukturiert, bevor Ermittlungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden.1665 Diese Schutzlücken sind aber mit Blick auf das Rechtsträgerprinzip und den Schuldgrundsatz aus rechtstaatlichen Gründen hinzunehmen. 5. Zwischenergebnis Eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht ist mit Ausnahme des Rechtsformwechsels (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), der die rechtliche Identität des Verbands unberührt lässt, nicht legitimierbar. Die verschiedenen Begründungsansätze vermögen nicht zu überzeugen. Zudem verstößt die Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht gegen den auch im Verbandsstrafrecht geltenden Schuldgrundsatz. Umstrukturierungsmaßnahmen von Verbänden muss bei der Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht durch die rechtzeitige Beantragung eines dinglichen Arrests vorgebeugt werden. V. Übergang der konkreten Pflicht auf den Rechtsnachfolger Bei der konkreten Pflicht ist die Verbandsgeldstrafe bereits gegenüber dem Rechtsvorgänger rechtskräftig festgesetzt worden. Der NRW-Entwurf zum Verbandsstrafgesetzbuch spricht sich in § 2 Abs. 4 Satz 2 VerbStrG-E dafür aus, dass gegen den Rechtsvorgänger verhängte Geldstrafen auch gegen den Rechtsnachfolger wirken. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob in diesem Fall ein Übergang der Geldstrafe auf den Rechtsnachfolger dem Grunde nach möglich ist (hierzu 1.). Ist dies zu bejahen, stellt sich das Problem der Begrenzung der Haftung des Rechtsnachfolgers der Höhe nach (hierzu 2.). Abschließend wird die Sonderfrage der Verteilung des Verbandsvermögens auf mehrere Rechtsträger nach der Umstrukturierung thematisiert (hierzu 3.). 1. Übergangsfähigkeit der rechtskräftigen Geldstrafe Strafe ist eine „missbilligende hoheitliche Reaktion“.1666 Sie knüpft an ein sozialethisches Unwerturteil an.1667 Ist die Geldstrafe bereits gegenüber dem Rechtsvorgänger rechtskräftig festgesetzt worden, ergeht auch nur diesem gegenüber die damit verbundene sozialethische Missbilligung. Dem Rechtsnachfolger verbleibt lediglich die Zahlungspflicht. Er wird jedoch nicht dem mit der Strafe verbundenen sozialethischen Unwerturteil ausgesetzt. Dies ist ein wichtiger Unterschied zur Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht. Neben der sozialethischen Missbilligung ist Strafe die Auferlegung eines Rechtsnachteils wegen einer schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat. Das dem Täter auferlegte Strafübel bezweckt den Ausgleich des schuldhaften Normverstoßes und ist Ausdruck vergeltender

1665

Hierauf hinweisend Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (328). BVerfGE 26, 186 (204); Degenhart in Sachs GG Art. 103 Rn. 57 unter Verweis auf BVerfGE 110, 1 (13). 1667 BVerfGE 95, 96 (140); 96, 245 (249). 1666

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

285

Gerechtigkeit.1668 Muss der Rechtsnachfolger die Geldstrafe begleichen, trifft das Übel formal betrachtet ihn und nicht den Rechtsvorgänger. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der übernehmende Rechtsträger die rechtskräftige Verbandsgeldstrafe regelmäßig in seine Entscheidung bezüglich der Übernahme einbeziehen wird. Anders als bei einer natürlichen Person, die erst eine Geldstrafe bezahlt haben muss, damit ihr das Übel zugefügt wurde, reicht bei dem Verband bereits die bloße Verurteilung für die Übelszufügung aus, wenn die Geldstrafe später tatsächlich vom Rechtsnachfolger bezahlt wird. Dem Verband kommt im Gegensatz zu einer natürlichen Person ein monetärer Wert zu, der sich bereits mit der rechtskräftigen Verurteilung um den Betrag der zu zahlenden Geldstrafe mindert. Materiell wird das Übel daher durchaus dem Rechtsvorgänger zugefügt. Es ist zudem nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ausgerechnet Geldstrafen anders behandelt werden sollen als sonstige Verbindlichkeiten des Rechtsvorgängers, für die der Rechtsnachfolger ebenfalls einzustehen hat. Das Schuldprinzip steht einer Rechtsnachfolge in die konkrete Pflicht nicht entgegen, weil das mit der Strafe verbundene Unwerturteil gegenüber dem Rechtsvorgänger ergeht. Zudem wird dem Rechtsvorgänger und nicht dem Rechtsnachfolger materiell das mit der Geldstrafe verbundene Übel zugefügt. Ist die Geldstrafe rechtskräftig festgesetzt worden, muss verhindert werden, dass sich der sanktionierte Verband der drohenden Vollstreckung durch eine Rechtsnachfolge einfach entziehen kann. Dies gebietet der aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Belang einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege.1669 Eine Rechtsnachfolge in die konkrete Pflicht muss neben der Beachtung des Schuldprinzips auch dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) genügen. Ob den Voraussetzungen des Bestimmtheitsgrundsatzes entsprochen werden kann, hängt von der Art der Rechtsnachfolge ab. Erfolgt die Umstrukturierung im Wege der Einzelrechtsnachfolge, erlischt der übertragende Rechtsträger nicht. Dennoch ist eine Verantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers zu erwägen, weil der Rechtsvorgänger häufig lediglich als „leere Hülle“ zurückbleibt.1670 Die Übernahme einzelner Vermögensgegenstände reicht nicht aus. Andernfalls würde niemand mehr Vermögensgegenstände von Verbänden erwerben. Erforderlich ist vielmehr eine Identität von Rechtsvorgänger und -nachfolger. Die vom BGH im Rahmen der „Nahezu-Identität“ entwickelten Kriterien sind zu unbestimmt.1671 Wegen der Vielschichtigkeit der in Frage kommenden Sachverhalte ist es auch sonst nicht möglich, hinreichend klare Kriterien für eine Identität bei der Einzelrechtsnachfolge zu bestimmen. Gegenüber dem übertragenden Rechtsträger kann im Fall der Einzelrechtsnachfolge eine rechtskräftige Geldstrafe jedoch vollstreckt werden, weil seine rechtliche Identität durch die Übertragung einzelner Vermögenswerte unberührt bleibt. Auch hier ist ggf. rechtzeitig ein dinglicher Arrest zu beantragen, um einer wirtschaftlichen Aushöhlung zuvorzukommen. 1668

BVerfG Beschl. v. 14.01.2004 Az.: 2 BvR 564/95 Rn. 58. Siehe 2. Teil F. I. 3. 1670 Hierauf weist zu Recht hin NRW-Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden S. 42. 1671 Siehe 2. Teil F. IV. 1. b) aa), cc). 1669

286

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Bei einer Gesamtrechtsnachfolge werden die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes dagegen gewahrt. In den Fällen der Verschmelzung und der Aufspaltung erlischt der übertragende Rechtsträger ohne Liquidation und sein Vermögen geht auf den oder die Erwerber über. 2. Begrenzung der Haftung Tritt der Gesamtrechtsnachfolger in die rechtskräftige Verbandsgeldstrafe ein, ist zu überlegen, ob seine Haftung der Höhe nach zu begrenzen ist. Im Ordnungswidrigkeitenrecht bestimmt § 30 Abs. 2a OWiG, dass die Geldbuße durch den Wert des übernommenen Vermögens beschränkt ist. Der Wert des übernommenen Vermögens ist in der Praxis jedoch vergleichsweise schwer zu bestimmen.1672 Dies liegt daran, dass der betroffene Verband ein starkes Interesse hat, den Verbandswert eher am Buchwert und nicht am Zeit- bzw. Marktwert (§ 255 Abs. 4 Satz 1 HGB) zu orientieren und den Geschäfts- bzw. Firmenwert (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB) möglichst ganz auszublenden.1673 Die Aufdeckung stiller Reserven soll regelmäßig vermieden werden. Tragende Erwägung für die Begrenzung auf den Wert des übernommenen Vermögens ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.1674 Es ist nicht Sinn und Zweck der Rechtsnachfolge, die Strafvollstreckungsmöglichkeiten des Staates zu erweitern. Es soll lediglich die Sanktionswirkung der Strafe aufrechterhalten werden. Wäre es nicht zu einer Rechtsnachfolge gekommen, stünde auch nur das Vermögen des Rechtsvorgängers zur Strafvollstreckung zur Verfügung. Der Rechtsnachfolger wird so vor einer übermäßigen Inanspruchnahme geschützt. Mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist die Geldsanktion bei § 30 Abs. 2a OWiG außerdem durch die Höhe einer fiktiven Geldsanktion gegen den Rechtsvorgänger begrenzt. Einer Übernahme dieses Kriteriums bedarf es beim Verbandsstrafrecht indes nicht, weil die Geldstrafe bereits rechtskräftig gegen den Rechtsvorgänger festgesetzt worden ist. Teilweise wird in der Literatur vorgeschlagen, eine mögliche Haftung des Rechtsnachfolgers auf den gezahlten Kaufpreis für den Verband zu begrenzen.1675 Eine solche Begrenzung ist aber nicht sinnvoll. Ein etwaiger Kaufpreis stellt kein geeignetes Kriterium dar, um die Verantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers zu begrenzen. Gerade bei konzerninternen Umstrukturierungen ist der Kaufpreis besonders manipulationsanfällig.1676 Aber auch bei regulären M&A-Transaktionen besteht erhebliches Manipulationspotential. Im Zusammenhang mit Verbandskaufverträgen kommt es z.B. vor, dass sog. Service-Verträge abgeschlossen werden, die den Veräußerer verpflichten, bestimmte Dienstleistungen für den Erwerber wie Lohn- und Finanzbuchhaltung für einen Übergangszeitraum zu erbringen. Daran hat der Erwerber ein Interesse, wenn der veräußerte Verband über keine eigenen Abteilungen hierfür verfügt hat. Andernfalls könnte der Erwerber den Verband nicht sinnvoll führen.

1672

Werner wistra 2015, 176 (179).; Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (326 f.). Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (326 f.). 1674 Für das Ordnungswidrigkeitenrecht BT-Drucks. 17/11053 S. 22. 1675 Kahlenberg/Neuhaus BB 2013, 131 (135). 1676 Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (326). 1673

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

287

Bei derartigen Verträgen kann der Kaufpreis bewusst zu niedrig angesetzt werden und dieser „Verlust“ durch überhöhte Honorare für die Service-Dienstleistungen ausgeglichen werden. Um derartige Manipulationen aufzudecken, muss der Wert des übernommenen Verbands festgestellt werden. Überdies ist zu berücksichtigen, dass bei vielen Umstrukturierungen nach dem UmwG kein Kaufpreis gezahlt wird, weil anstelle eines Kaufpreises Anteile am Rechtsnachfolger gewährt werden.1677 Im Ergebnis kann man nicht darauf verzichten, den Wert des übernommenen Verbands zu ermitteln, wenngleich dies mit hohem Aufwand verbunden sein mag. Trotz der praktischen Probleme bezüglich der Feststellung des Verbandswerts ist an diesem als Kriterium für die Begrenzung festzuhalten. Eine Regelung zur Rechtsnachfolge muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Die Rechtsnachfolge dient nicht dazu, die Strafvollstreckungsmöglichkeiten des Staates zu erweitern. 3. Mehrere Vermögensinhaber nach der Umwandlung Verteilt sich das Vermögen nach der Umstrukturierung auf mehrere Rechtsnachfolger, stellt sich die Frage, in welchem Umfang diese Verbände in Anspruch genommen werden können. Zunächst sind die verschiedenen Modelle für eine Haftung vorzustellen (hierzu a)). Anschließend ist zu prüfen, ob die zivilrechtlichen Voraussetzungen einer Gesamtschuld auch bei Geldstrafen vorliegen (hierzu b)). Danach ist die Vereinbarkeit einer gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Schuldprinzip zu erörtern (hierzu c)). Abschließend ist darauf einzugehen, wie sich der Innenausgleich bei einer Gesamtschuld gestaltet (hierzu d)). a) Haftungsmodelle In Betracht kommen eine Haftung „pro rata“, die sich am Anteil der nach der Umstrukturierung verbleibenden Vermögenswerte des übertragenden Rechtsträgers orientiert, also eine Teilschuld, sowie eine gesamtschuldnerische Haftung. Im Ordnungswidrigkeitenrecht bestimmt § 30 Abs. 2a OWiG, dass die Geldbuße gegen die Rechtsnachfolger festgesetzt werden kann. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus, dass sich die Regelung am Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung nach § 133 UmwG orientiert.1678 Danach haften die an der Spaltung beteiligten Rechtsträger für die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirksamwerden der Aufspaltung begründet worden sind, als Gesamtschuldner. Daher geht das Schrifttum davon aus, dass eine gesamtschuldnerische Haftung vom Gesetzgeber explizit gewollt ist.1679 Für eine Teilschuld im Verbandsstrafrecht spricht der Gedanke, dass durch die Rechtsnachfolge die Strafvollstreckungsmöglichkeiten nicht erweitert werden sollen. Hätte keine Rechtsnachfolge stattgefunden, wäre auch keine Gesamtschuld möglich gewesen. Die in § 133 UmwG statuierte gesamtschuldnerische Haftung bezweckt gemäß der Überschrift den Schutz der Gläubiger. Ein Gläubigerschutzsystem bei der Spaltung ist erforderlich, weil Spaltungsmaßnahmen Gläubigerinteressen massiv beeinträchtigen können. Die umfassende Spaltungsfreiheit erlaubt es, Aktiva und Passiva frei auf verschiedene Rechts1677

Siehe 2. Teil F. II. 2. BT-Drucks. 17/11053 S. 22. 1679 KK-Rogall § 30 OWiG Rn. 54 ff.; Eisele wistra 2014, 81 (84). 1678

288

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

träger aufzuteilen. Damit diese Gestaltungsmöglichkeiten nicht missbräuchlich eingesetzt werden, wurde in den §§ 133 f. UmwG ein weitreichender Gläubigerschutz festgeschrieben.1680 Nachdem die Geldstrafe rechtskräftig festgesetzt worden ist, stellt sie eine normale Zahlungsverbindlichkeit dar. Dieser Umstand rechtfertigt ihren Übergang auf den Rechtsnachfolger.1681 Da es sich bei der rechtskräftigen Geldstrafe um eine normale Zahlungsverbindlichkeit handelt, ist das Gläubigerschutzsystem des § 133 UmwG hierauf zu erstrecken. Es wurde bereits gezeigt,1682 dass die Haftung des Rechtsnachfolgers aus Verhältnismäßigkeitsgründen auf den Wert des übernommenen Verbands beschränkt ist. Bei mehreren Rechtsnachfolgern bedeutet dies, dass die Haftung jedes Rechtsnachfolgers auf den Teil des Vermögens beschränkt ist, der ihm nach der Umstrukturierung zur Verfügung steht. Hierdurch wird sichergestellt, dass kein beteiligter Rechtsnachfolger mit einer Haftung konfrontiert wird, die außer Verhältnis zu seiner Größe steht.1683 Aus Gläubigerschutzgründen haften die Rechtsnachfolger im Außenverhältnis jedoch als Gesamtschuldner auf den Wert des gesamten übernommenen Verbandsvermögens. Daher greift die Haftungsbeschränkung auf den jeweils verbleibenden Teil des Verbandsvermögens erst beim Innenausgleich zwischen den Gesamtschuldnern (hierzu d)). Durch eine gesamtschuldnerische Haftung auf den Wert des gesamten übernommenen Vermögens werden die Rechtsnachfolger auch nicht unbillig benachteiligt, weil es ihnen unbenommen gewesen wäre zu veranlassen, dass die rechtskräftige Geldstrafe bereits vor der Umstrukturierung beglichen wird. In Fällen einer Gesamtrechtsnachfolge entspricht eine gesamtschuldnerische Haftung dem gesetzlich vorgeschriebenen Gläubigerschutzsystem. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob die zivilrechtlichen Voraussetzungen hierfür auch bei einer Verbandsgeldstrafe vorliegen. b) Voraussetzungen der Gesamtschuld Aus § 421 BGB ergibt sich, dass mehrere Schuldner verpflichtet sein müssen, dasselbe Leistungsinteresse des Gläubigers zu befriedigen. Dies wäre der Fall, wenn alle beteiligten Verbände dem Staat gegenüber zur Zahlung der Geldstrafe verpflichtet sind. Sofern man mit der zivilrechtlichen Rechtsprechung für die Annahme einer Gesamtschuld über den Wortlaut hinaus eine Gleichstufigkeit der Verbindlichkeiten verlangt,1684 ist diese Voraussetzung gegeben.1685 Hierfür spricht die Regelung des § 133 Abs. 1 UmwG, wonach für Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründet worden sind, alle an der Spaltung beteiligten Rechtsträger haften. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass einer der Beteiligten vorrangig haften soll.

1680

Zum Ganzen Fischer in Böttcher/Habighorst/Schulte UmwR § 133 UmwG Rn. 1. Siehe 2. Teil F. V. 1. 1682 Siehe 2. Teil F. V. 2. 1683 So für die vergleichbare Problematik im Kartellordnungswidrigkeitenrecht auch Verse/Wiersch ZWeR 2015, 21 (30). 1684 BGH NJW 2007, 1268 (1269); BGH NJW 2012, 1071 (1072). 1685 Eisele wistra 2014, 81 (84). 1681

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

289

Auch das von der zivilrechtlichen Rechtsprechung geforderte Kriterium eines inneren Zusammenhangs im Sinne einer rechtlichen Zweckgemeinschaft1686 wäre in diesem Fall gegeben. Die Haftung der beteiligten Verbände lässt sich aus demselben Verhalten des übertragenden Rechtsträgers und der darauf folgenden Umstrukturierung ableiten.1687 Problematisch ist aber, ob die Geldstrafe von der Strafvollstreckungsbehörde nach ihrem Belieben verlangt werden kann (§ 421 BGB). Man könnte zunächst erwägen, ob das im Strafrecht geltende Legalitätsprinzip einer Gesamtschuld entgegensteht. Hier geht es aber nicht um Strafverfolgung. Diese hat bereits gegen den Vorgänger stattgefunden und ist rechtskräftig abgeschlossen worden. Kann die Strafvollstreckungsbehörde die Geldstrafe von mehreren Verbänden verlangen, ist ihr ein Ermessen einzuräumen, von wem sie die Zahlung verlangt. Das Legalitätsprinzip steht einer Gesamtschuld daher nicht entgegen. Das der Strafvollstreckungsbehörde eingeräumte Ermessen könnte jedoch einer Gesamtschuld entgegenstehen. Die Rechtsprechung geht bei einer Störermehrheit im Polizei- und Ordnungsrecht davon aus, dass eine Ermessensentscheidung einer beliebigen Inanspruchnahme nicht gleichstehe und versagt einen Ausgleich im Innenverhältnis.1688 Dieser Ansicht wird im Schrifttum mit dem Argument widersprochen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften § 421 BGB überlagerten und die Worte „nach Belieben“ durch die Worte „nach Ermessen“ zu ersetzen seien.1689 Außerdem sei die Möglichkeit, den Schuldner nach Belieben zu wählen, nicht Voraussetzung, sondern erst Rechtsfolge einer nach anderen Maßstäben festzustellenden Gesamtschuld.1690 § 85 Abs. 2 Nds. SOG und § 73 Abs. 2 RhPfPOG ordnen z.B. eine Gesamtschuld zwischen mehreren Störern an. Dies zeigt, dass eine Ermessensentscheidung einer Gesamtschuld nicht strukturell entgegensteht. Diese Erwägungen zur Frage, ob eine Ermessensentscheidung im Polizei- und Ordnungsrecht einer Gesamtschuld entgegensteht, sind auf das Verbandsstrafrecht zu übertragen. Das Vorliegen einer Gesamtschuld scheitert nicht daran, dass der Strafvollstreckungsbehörde bei der Auswahl der Schuldner ein Ermessen zusteht. Die zivilrechtlichen Voraussetzungen einer Gesamtschuld liegen deshalb vor. c) Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip Trotz des Vorliegens der zivilrechtlichen Voraussetzungen der Gesamtschuld wäre eine Gesamtschuld im Verbandsstrafrecht dennoch ausgeschlossen, wenn sie dem Schuldgrundsatz widersprechen würde.

1686

BGHZ 19, 114 (123); 43, 227 (229); 59, 97 (103). So für die Spaltung Eisele wistra 2014, 81 (84). 1688 BGH NJW 1981, 2457 (2458); BGHZ 184, 288 (295 f.); BGH NJW 2006, 3628 (3631). 1689 Finkenauer NJW 1995, 432 (433); Seibert DöV 1983, 964 (972). 1690 Denninger in Handbuch des Polizeirechts S. 242; Finkenauer NJW 1995, 432 (433); Kohler-Gehrig NVwZ 1992, 1049 (1050). 1687

290

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Die Strafe orientiert sich am Maß der Schuld.1691 Gegen eine gesamtschuldnerische Verantwortlichkeit im EU-Kartellbußenrecht1692 werden Bedenken im Hinblick auf das Schuldprinzip erhoben. Wenn jeder Täter als Gesamtschuldner hafte, stehe die von ihm zu entrichtende Strafe nicht mehr in einem gerechten Verhältnis zu seiner Schuld im Sinne einer Teilverantwortlichkeit.1693 Ist die Verbandsgeldstrafe vor der Rechtsnachfolge rechtskräftig geworden, wurde sie entsprechend der Schuld des Täters, also des übertragenden Rechtsträgers, bemessen. Die Haftung des Rechtsnachfolgers für die Verbandsgeldstrafe kann in keinem gerechten Verhältnis zur Schuld des Rechtsnachfolgers stehen, weil diesem gegenüber mangels Verantwortlichkeit kein sozialethischer Vorwurf erhoben werden kann. Zudem handelt es sich aus Sicht des Rechtsnachfolgers um eine schlichte Zahlungsverbindlichkeit, die nicht mit einem gegenüber dem Rechtsnachfolger ergangenen Unwerturteil verbunden ist.1694 Die Gefahr einer „doppelten“ Geldstrafe droht bei einer gesamtschuldnerischen Haftung nicht, weil die Zahlung des einen befreiend für den oder die anderen wirkt (§ 422 Abs. 1 Satz 1 BGB). Aus den dargelegten Gründen steht das Schuldprinzip einer Gesamtschuld im Strafrecht nicht entgegen. d) Innenausgleich zwischen den Gesamtschuldnern Zur Frage, wie ein Gesamtschuldnerinnenausgleich ablaufen kann, wenn im Außenverhältnis mehrere Verbände für eine Geldsanktion haften müssen, hat der BGH in der CalciumcarbidEntscheidung Stellung genommen.1695 Das Verfahren betraf den Innenausgleich zwischen mehreren Konzernverbänden, die wegen Verstoßes eines konzernangehörigen Verbands gesamtschuldnerisch auf Zahlung der Kartellgeldbuße in Anspruch genommen wurden.1696 Im Folgenden ist daher zu untersuchen, inwieweit die dort gemachten Ausführungen auch für den Gesamtschuldnerinnenausgleich im Verbandsstrafrecht Geltung beanspruchen können. Zunächst muss die einschlägige Rechtsgrundlage festgestellt werden. Der Ausgleich zwischen mehreren Gesamtschuldnern richtet sich nach § 426 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift ist im Rechtsverhältnis zwischen Rechtsträgern des Privatrechts auch dann anwendbar, wenn die Verpflichtung im Außenverhältnis auf öffentlich-rechtlichen oder strafrechtlichen Grundlagen beruht.1697 Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung in diesem Sinne kann sich aus einer (auch stillschweigenden) Vereinbarung der Beteiligten,1698 aus 1691

Siehe 2. Teil D. I. 1. EuGH, C-231/11 P, ECLI:EU:C:2014:256, Rn. 48 – Siemens Österreich. 1693 Thomas in FS Möschel S. 675 (683). 1694 Siehe 2. Teil F. V. 1. 1695 BGH Urt. v. 18.11.2014 Az.: KZR 15/12. 1696 Zur Frage des Ausgleichs für zivilrechtlichen Schadensersatz vgl. Gänswein NZKart 2016, 50. 1697 BGH Urt. v. 28.10.2010 Az.: 4 StR 215/10 Rn. 22, 26; BGH Urt. v. 23.05.2007 Az.: XII ZR 250/04 Rn. 14; BGH Urt. v. 10.07.2014 Az.: III ZR 441/13 Rn. 20; BGH Urt. v. 29.01.2013 Az.: II ZR 91/11 Rn. 10. 1698 BGH Urt. v. 21.07.2010 Az.: XII ZR 104/08 Rn. 14 ff.; BGH Urt. v. 18.11.2014 Az.: KZR 15/12 Rn. 33. 1692

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

291

sonstigen zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehungen,1699 aus besonderen Regeln1700 oder aus der Natur der Sache und den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben.1701 Daneben kommt ein Ausgleichsanspruch aus einer Legalzession nach § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. der Geldstrafenforderung in Betracht.1702 aa) Vereinbarung Vorrangig ist daher zu prüfen, ob eine Vereinbarung zwischen den Parteien vorliegt. Dies ist durchaus praxisrelevant. Wird der Rechtsträger umstrukturiert, nachdem die Verbandsgeldstrafe rechtskräftig festgesetzt wurde, macht es aus Sicht der Parteien Sinn, eine vertragliche Regelung darüber zu treffen, wer welchen Anteil der Geldstrafe im Innenverhältnis zu tragen hat. Auch der Sanktionszweck einer Verbandsgeldstrafe steht einer privatautonomen Regelung im Innenverhältnis nicht entgegen. Die Bezahlung einer fremden Geldstrafe ist keine Vollstreckungsvereitelung i.S.v. § 258 Abs. 2 StGB.1703 Ein derartiges Verhalten läuft nicht den Strafzwecken zuwider, weil andernfalls jede den Strafzweck vereitelnde Zuwendung an den zu einer Geldstrafe Verurteilten tatbestandsmäßig sein könnte. Dies würde in nicht mehr tragbarer Weise in private Beziehungen eingreifen und die Gefahr begründen, dass sozialadäquates Verhalten unter Strafe gestellt wird.1704 Daraus ist die Wertung abzuleiten, dass privatautonome Regelungen darüber möglich sein müssen, wer eine Geldstrafe letztlich wirtschaftlich trägt. Die Grenze einer zulässigen Vereinbarung liegt aber in den Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 57 AktG, 30 GmbHG).1705 bb) Individuelle Verursachungs- und Verschuldensbeiträge Haben die Parteien keine vertragliche Regelung getroffen, sind die Ausgleichsansprüche anhand der Umstände des Einzelfalls zu bemessen, insbesondere anhand der individuellen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Beteiligten sowie anhand der für die Bemessung der Geldsanktion maßgeblichen Tatsachen.1706 (1) Tatbeiträge Bei einer Haftung auf Schadensersatz bestimmt sich das Innenverhältnis der Gesamtschuldner nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem Rechtsgedanken des § 254 Abs. 1 BGB regelmäßig danach, inwieweit die einzelnen Gesamtschuldner zur Verursachung der für die Haftung maßgeblichen Umstände beigetragen haben und in welchem Maß sie ein Verschulden trifft.1707

1699

BGH Urt. v. 03.02.2010 Az.: XII ZR 53/08 Rn. 10. BGH Urt. v. 18.11.2014 Az.: KZR 15/12 Rn. 33. 1701 BGH Urt. v. 03.02.2010 Az.: XII ZR 53/08 Rn. 17; BGH Urt. v. 11.06.1992 Az.: IX ZR 161/91 Rn. 22. 1702 Kersting NZKart 2016, 147 (153). 1703 BGHSt 37, 226, Lackner/Kühl StGB § 258 Rn. 13. 1704 BGHSt 37, 226. 1705 Kersting NZKart 2016, 147 (149). 1706 BGH Urt. v. 18.11.2014 Az.: KZR 15/12 Rn. 40. 1707 BGH Urt. v. 10.07.2014 Az.: III ZR 441/13 Rn. 21; BGH Urt. v. 05.10.2010 Az.: VI ZR 286/09 Rn. 9; BGH Beschl. v. 09.06.2008 Az.: II ZR 268/07 Rn. 2. 1700

292

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

Diese Gesichtspunkte sind auch bei der gesamtschuldnerischen Haftung für eine Geldsanktion relevant.1708 Eine Berücksichtigung dieser Umstände für den Innenausgleich ist deshalb folgerichtig, weil sich die konkret festzusetzende Strafe primär am Maß der persönlichen Schuld zu orientieren hat.1709 In einem solchen Fall ist es konsequent, den Innenausgleich davon abhängig zu machen, wer wie viel zu den Umständen beigetragen hat, die letztlich die Höhe der Strafe determiniert haben. Es kommt darauf an, wer nach der Umstrukturierung Inhaber des Verbandsteils geworden ist, in dem die verbandsbezogene Zuwiderhandlung begangen wurde. Eine strikte Aufteilung nach Kopfteilen ist demgegenüber nicht angezeigt.1710 Wenngleich eine differenzierte Betrachtung im Einzelfall dazu führen kann, dass ein Gesamtschuldner die volle finanzielle Belastung zu tragen hat, wird die effektive Durchsetzung des Verbandsstrafrechts hierdurch nicht behindert. Die Frage, ob die interne Verteilung der Geldstrafe im Einklang mit einer effektiven Durchsetzung des Verbandsstrafrechts steht, kann nicht unabhängig vom Einzelfall beurteilt werden. Eine starre Verteilung, die unabhängig von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls jedem Gesamtschuldner denselben Anteil zuweist, könnte diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Die Anwendung des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ermöglicht demgegenüber auch unter diesem Aspekt eine angemessene und den Umständen des jeweiligen Einzelfalls Rechnung tragende Verurteilung.1711 (2) Sonstige Kriterien Zu den nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgeblichen Umständen zählt auch der wirtschaftliche Erfolg, den die jeweils übernommenen Verbandsteile aufgrund der Zuwiderhandlung erzielt haben.1712 Im Rahmen der Festsetzung der Geldsanktion können auch etwaige finanzielle Vorteile zu berücksichtigen sein, die dem übertragenden Rechtsträger durch die Straftat zugeflossen sind.1713 Daher ist diesem Umstand, der sich auf die Strafhöhe auswirken kann, ebenfalls im Rahmen des Gesamtschuldnerinnenausgleichs Bedeutung beizumessen, wenn dieser sich auf die Anzahl der Tagessätze ausgewirkt hat. Im Unterschied zum Kartellordnungswidrigkeitenrecht1714 kommt es bei der Verbandsgeldstrafe jedoch nicht in Betracht, den Abschöpfungsteil der Geldsanktion im Innenverhältnis demjenigen Gesamtschuldner aufzuerlegen, dem der Erlös ohne die Sanktionierung verblieben wäre. Im Verbandsstrafrecht erhöhen erzielte Erlöse nicht die Anzahl der Tagessätze, sondern werden über den Verfall (§§ 73 ff. StGB) abgeschöpft.

1708

BGH Urt. v. 18.11.2014 Az.: KZR 15/12 Rn. 42. Siehe 2. Teil D. I. 1. 1710 So die Ansicht des Bundeskartellamts für Kartellordnungswidrigkeiten wiedergegeben in BGH Urt. v. 18.11.2014 Az.: KZR 15/12 Rn. 53. 1711 So für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht BGH Urt. v. 18.11.2014 Az.: KZR 15/12 Rn. 55. 1712 BGH Urt. v. 18.11.2014 Az.: KZR 15/12 Rn. 59. 1713 Siehe 2. Teil D. II. 1. d) aa). 1714 BGH Urt. v. 18.11.2014 Az.: KZR 15/12 Rn. 61. 1709

F. Rechtsnachfolge in die Verbandsgeldstrafe

293

Schließlich ist auch noch das Verhältnis der Erträge für den Innenausgleich zu berücksichtigen. Die Höhe des Tagessatzes ist unter Bestimmung der Ertragslage des übertragenden Verbands zu bestimmen. Dies wirkt sich auf die Gesamthöhe der Verbandsgeldstrafe aus. Deshalb ist für den Innenausgleich bedeutsam, wer welchen Anteil am Vermögen vom ursprünglichen Verband übernommen hat. (3) Verhältnis der Kriterien und Regressbegrenzung Abschließend ist noch zu überlegen, welchem Kriterium im Rahmen dieser Gesamtabwägung die größte Bedeutung zukommt. Richtigerweise muss es sich dabei um den Tatbeitrag handeln.1715 Wer nach der Umstrukturierung Inhaber des Verbandsteils geworden ist, in dem die Verbandsstraftat begangen wurde, soll auch den überwiegenden Teil der Geldsanktion im Innenverhältnis tragen. Wie gezeigt, ist aus Verhältnismäßigkeitsgründen die Haftung des Rechtsnachfolgers auf den Wert des übernommenen Vermögens beschränkt. Daher ist der Binnenregress zwischen den Gesamtschuldnern auf den Wert des jeweils übernommenen Vermögensteils begrenzt.1716 e) Zwischenergebnis Verteilt sich das Vermögen nach der Umstrukturierung auf mehrere Rechtsnachfolger, haften diese als Gesamtschuldner begrenzt durch den Gesamtwert des übernommenen Verbandsvermögens. Die zivilrechtlichen Voraussetzungen einer Gesamtschuld liegen vor. Das Schuldprinzip steht der Annahme einer Gesamtschuld nicht entgegen. Der Innenregress bestimmt sich nach § 426 BGB und ist auf den Wert des jeweils verbleibenden Verbandsteils begrenzt. Vorrangig ist zu prüfen, ob die Parteien eine Vereinbarung getroffen haben. Treffen diese keine Vereinbarung, werden die Tatbeiträge, die Ertragslage und ein etwaiger Vorteil aus der Tat in Bezug auf die übernommenen Verbandsteile relevant. VI. Zwischenergebnis Eine Rechtsnachfolge in die noch nicht rechtskräftige Verbandsgeldstrafe (abstrakte Pflicht) ist nur im Fall des Formwechsels möglich, weil dieser die rechtliche Identität des Verbands unberührt lässt. Kommt eine Rechtsnachfolge nicht in Betracht, ist zur Sicherung der Geldstrafe ein dinglicher Arrest zu beantragen. Für die rechtskräftige Verbandsgeldstrafe (konkrete Pflicht) hat der Gesamtrechtsnachfolger dagegen begrenzt auf den übernommenen Verbandswert einzustehen. Der Einzelrechtsnachfolger kann dagegen nicht in Anspruch genommen werden, weil hinreichend bestimmte Kriterien zur Identität des wesentlichen Verbandsvermögens nicht festgelegt werden können. Der übertragende Rechtsträger kann bei der Einzelrechtsnachfolge weiterhin in Anspruch genommen werden, weil seine rechtliche Identität durch die Umstrukturierung nicht erlischt. Ggf. ist auch hier ein dinglicher Arrest zu beantragen, um einer wirtschaftlichen Aushöhlung zuvorzukommen. Verteilt sich das Verbandsvermögen nach der Umstrukturierung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf mehrere Rechtsnachfolger, haften diese als Gesamtschuldner auf den Wert des 1715 So für die vergleichbare Problematik im Kartellordnungswidrigkeitenrecht auch Bodenstein NZKart 2015, 141 (145). 1716 Zu diesem Aspekt Verse/Wiersch ZWeR 2015, 21 (30).

294

2. Teil: Probleme der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

insgesamt übernommenen Vermögens. Der Innenausgleich richtet sich nach § 426 BGB und ist auf den Wert des jeweils übernommenen Vermögensteils begrenzt.

3. Teil: Gesamtergebnis Die Klärung der dogmatischen Grundlagen einer Verbandsstrafbarkeit ist unverzichtbar. Dies ist jedoch nur der 1. Schritt auf dem Weg zu einem Verbandsstrafrecht. Auch die Verbandsgeldstrafe unterliegt eigenen rechtsstaatlichen Anforderungen, denen eine gesetzliche Regelung Rechnung tragen muss. A. Grundlegende Konstruktion einer Verbandsgeldstrafe Die Ansicht zur Frage der Kriminalstrafe gegen Verbände hat sich im Laufe der Zeit mehrfach gewandelt. Eine strafrechtliche Sanktionierung von Verbänden ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Ein Verbandsstrafrecht ohne Schuld darf der Gesetzgeber jedoch nicht einführen. Auch im Verbandsstrafrecht ist die Schuld unverzichtbares Legitimationselement des staatlichen Strafanspruchs. Der Bestimmtheitsgrundsatz und die Grundrechte setzen lediglich der Ausgestaltung einer Verbandsstrafe Grenzen, stehen einem Verbandsstrafrecht an sich aber nicht entgegen. Verbandsdelinquenz nur über einen Ausbau des bestehenden Ordnungswidrigkeitenrechts zu sanktionieren, ist mit Blick auf das der Geldbuße fehlende sozialethische Unwerturteil nicht in gleichem Maß zur Kriminalitätsprävention geeignet. Im Übrigen ist es nur schwer begründbar, weshalb die Beeinträchtigung desselben Rechtsguts durch einen Verband (Ordnungswidrigkeit) einen geringeren Unrechts- und Schuldgehalt aufweisen soll als durch einen Menschen (Straftat). Zudem droht bei einem (weiteren) Ausbau der Sanktionierung im Ordnungswidrigkeitenrecht die Gefahr, unter der formellen Bezeichnung „Ordnungswidrigkeit“ materiell Sanktionen vorzusehen, die so gravierend sind, dass diese nur bei einer Straftat gerechtfertigt sein können. Internationale Vorgaben erfordern keine Verbandsstrafbarkeit. Der Gesetzgeber darf sich hieran in den Grenzen des Grundgesetzes orientieren, muss es aber nicht. Es ist daher allein Sache des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, sich für oder gegen eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden zu entscheiden. Die gegen eine Verbandsstrafbarkeit erhobenen dogmatischen Einwände überzeugen nicht. Verbände sind handlungsfähig. Sie verfügen über eigene Mechanismen zur Willensbildung und setzen diesen Willen mittels natürlicher Personen im Kontakt mit dem Rechtsverkehr um. Im klassischen individualstrafrechtlichen Sinn kann der Verband nur „durch“ seine Organe handeln. Diese repräsentieren den Verband. Andere Verbandsangehörige (Mitarbeiter) handeln lediglich „für“ den Verband, ohne das System Verband zu repräsentieren. Dies gilt auch für sonstige Leitungspersonen. Bei Mitarbeitern lässt sich die Handlungsfähigkeit des Verbands mit seiner originären Verantwortlichkeit zur Verhinderung verbandsbezogener Straftaten begründen. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines Organisationsmangels. Auf die Straftat eines Verbandsangehörigen kann jedoch nicht verzichtet werden. Diese Straftat muss der Verbandsangehörige als Organ bzw. als Mitarbeiter und nicht als Privatperson begangen haben. Spezial- und generalpräventive Strafzwecke lassen sich gegenüber Verbänden realisieren. Auch der Strafzweck der Vergeltung kann gegenüber Verbänden erreicht werden, sofern man an diesem Strafzweck überhaupt festhält. Daher sind Verbände straffähig.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Görden, Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe, Juridicum – Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht 3, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27618-8_4

296

3. Teil: Gesamtergebnis

Eine Verbandsstrafe führt überdies wegen ihrer mittelbaren Konsequenzen für die Gesellschafter weder zu einer Bestrafung noch zu einer strafgleichen Betroffenheit Unschuldiger. Negative Konsequenzen für Dritte sind einer Strafe immanent. Außerdem liegt keine verbotene Doppelbestrafung vor, wenn der Individualtäter als natürliche Person bestraft wird und die Verbandsstrafe zugleich negative Auswirkungen auf ihn in seiner Rolle als Gesellschafter hat. Das Verbot der Doppelbestrafung untersagt lediglich die mehrfache Verurteilung eines Täters wegen derselben Tat, nicht aber die Bestrafung mehrerer Rechtssubjekte für dasselbe Delikt. Schließlich sind Verbände schuldfähig, obwohl sie nicht zu einem schuldhaften Handeln im individualstrafrechtlichen Sinn in der Lage sind. Der mit Verurteilung zu Strafe verbundene individualethische Vorwurf darf im Verbandsstrafrecht durch einen kollektivethischen Vorwurf ersetzt werden. Kollektivethisch kann auch einem System der Vorwurf mangelnder Richtigkeit gemacht werden. Eine Zurechnung von Schuld ist ausgeschlossen. Im Unterschied zur Handlung, die unter bestimmten Umständen zugerechnet werden darf, ist die Schuld höchstpersönlich. Ebenso wenig lässt sich die Schuldfähigkeit von Verbänden damit begründen, dass in der sozialen Wirklichkeit ein sittlicher Maßstab an diese angelegt wird. Der „umgangssprachliche“ Begriff der Schuld kann einer ethisch-sittlichen Verantwortung für eine Rechtsgutsverletzung nicht gleichgestellt werden. Die Lehre vom Organisationsverschulden löst die Strafbarkeit des Verbands von der Strafbarkeit des Individualtäters, indem sie auf die mangelnde verbandsseitige Vorsorge gegen Straftaten von Verbandsangehörigen abstellt. Sie bedient sich jedoch der fragwürdigen Annahme einer unwiderleglichen Vermutung der fehlerhaften Auswahl des Organs, wenn dieses eine Straftat begeht. Zudem vermag sie nicht zu begründen, worin die Verantwortung des Verbands bei Straftaten des in der Verbandshierarchie an der Spitze stehenden Organs liegt. Dieses kann naturgemäß von niemandem überwacht werden. Überdies setzt sie in unzulässiger Weise Unrecht und Schuld gleich. Dennoch ist die Lehre vom Organisationsverschulden im Kern der überzeugende Erklärungsansatz für eine Verbandsstrafbarkeit. Sie weist lediglich punktuelle, wenngleich bedeutende Lücken auf, die durch den hier unterbreiteten Vorschlag der doppelspurigen Organisationspflicht geschlossen werden können. Der Verband unterliegt einer doppelspurigen Organisationspflicht, verbandsbezogenen Zuwiderhandlungen seiner Angehörigen mit zumutbaren Anstrengungen entgegenzutreten. Er ist für Straftaten eines Mitarbeiters verantwortlich, wenn er seine Aufsichtspflicht durch ein Organ vorwerfbar verletzt hat (1. Spur). Begeht ein Organ eine verbandsbezogene Straftat, organisiert es als Person, die zur Festlegung von Verbandssinn berufen ist, durch diese Straftat zugleich „uno actu“ den Verband fehlerhaft (2. Spur). Hierbei handelt es sich um 2 Spuren einer einheitlichen Organisationspflicht. Bei der 1. Spur geht es um eine Aufsichtspflicht, bei der 2. Spur um eine Pflicht zur Selbstkontrolle. Hinreichende Aufsichtsmaßnahmen in der 1. Spur lassen die Strafbarkeit entfallen. In der 2. Spur wirken sie sich lediglich strafmildernd aus. Die Zuständigkeit für die doppelspurige Organisationspflicht liegt zentral bei den Organen. Übertragen die Organe diese Pflicht auf andere (Leitungs-) Personen, kann der Verband nicht einwenden, dass er diese Personen ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht hat. Der

A. Grundlegende Konstruktion einer Verbandsgeldstrafe

297

Verband darf sich seiner strafrechtlichen Verantwortung nicht mittels seiner Binnenorganisation entziehen. In dieser Organisationspflichtverletzung liegt das Unrecht des Verbands. Für die auf das Unrecht bezogene Verbandsschuld ist festzustellen, ob von dem Verband als Kollektiv in der konkreten Situation zu erwarten war, dass er der verbandsbezogenen Zuwiderhandlung des Individualtäters mit zumutbaren Anstrengungen entgegentritt. Hierbei ist zwischen verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern und von Organen zu unterscheiden. Bei verbandsbezogenen Mitarbeiterstraftaten kommt es darauf an, ob die Durchführung der zumutbaren Aufsichtsmaßnahmen in der konkreten Situation erwartet werden konnte. Begeht dagegen ein Organ die verbandsbezogene Straftat, ist zu fragen, ob von dem Organ in seiner Rolle als Verbandsrepräsentant und nicht als Individualtäter zu erwarten war, dass er von der verbandsbezogenen Straftat Abstand nimmt, durch die er zugleich den Verband fehlerhaft organisiert. Eine „Verwässerung“ des individualstrafrechtlichen Schuldprinzips droht nicht. Der Vorschlag der doppelspurigen Organisationspflicht ersetzt weder das Schuldprinzip durch ein anderes Legitimationsprinzip noch erlaubt er eine Schuldzurechnung. Zudem ist er auf das Verbandsstrafrecht beschränkt, weil gegenüber Menschen der individualethische Vorwurf nicht durch einen kollektivethischen Vorwurf ersetzt werden kann. Subjekt des Verbandsstrafrechts ist der Verband, also ein zumindest teilrechtsfähiger Personenzusammenschluss. Nur ihm gegenüber kann das mit Verurteilung zu Strafe verbundene Unwerturteil sinnvoll ergehen. Das Unternehmen im Sinne einer eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübenden Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform, scheidet dagegen als Sanktionssubjekt aus. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Konzernoberverbands für Straftaten von rechtlich selbstständigen Tochterverbänden ist abzulehnen. Jeder Verband ist ausschließlich für Straftaten seiner eigenen Angehörigen verantwortlich. Eine Bereichsausnahme für hoheitliches Handeln überzeugt nicht. Begeht ein Organ eine Straftat in dieser Rolle, kann der Verband hierfür zu einer Strafe verurteilt werden, falls der Verband schuldhaft gehandelt hat. Organ ist, wer den Verband im Rechtsverkehr repräsentiert. Bei einer verbandsbezogenen Straftat eines Mitarbeiters ist der Verband verantwortlich, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig zumutbare Aufsichtsmaßnahmen unterlassen und dadurch eine konkrete Gefahr von vergleichbaren Taten verursacht hat. Mitarbeiter ist, wer in einem Subordinationsverhältnis zum Verband steht. Die Straftat des Mitarbeiters ist eine objektive Bedingung der Strafbarkeit. Sie muss durch die zumutbaren Aufsichtsmaßnahmen verhindert oder wesentlich erschwert worden sein. Ist die rechtswidrige Tat des Mitarbeiters nur bei Vorsatz strafbar, muss der Verband vorsätzlich hinsichtlich des Unterlassens der Aufsichtsmaßnahmen und der konkreten Gefahr handeln. Die Verbandsverantwortlichkeit tritt jeweils neben die Straftat des Individualtäters. Die Verbandsstrafe ist Ausdruck einer Verantwortlichkeit für eigene Delinquenz.

B. Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe Bei der Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe ist vor allem der Bestimmtheitsgrundsatz, der auch für die Strafzumessung gilt, zu beachten. In den Grenzen des Grundgesetzes ist der Gesetzgeber befugt, sich an der internationalen Mindesttrias von „wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden“ Sanktionen zu orientieren. I. Tagessatzsystem und Strafrahmen bei Verbänden Die Verbandsgeldstrafe ist nach dem Tagessatz- und nicht nach einem Geldsummensystem zu bemessen. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes hat sich an einem Parameter zu orientieren, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verbands widerspiegelt. Bei wirtschaftlich tätigen Verbänden, die keine Verluste schreiben, ist der Tagessatz gemäß dem hier unterbreiteten Vorschlag nach dem nachhaltig erzielten handelsrechtlichen Jahresüberschuss zu bemessen. Darüber hinaus sind in zumutbarer Weise erzielbare Überschüsse aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen abzüglich der darauf hypothetisch zu zahlenden Steuern zu berücksichtigen. Der nachhaltig erzielte handelsrechtliche Jahresüberschuss spiegelt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wider und ist hinreichend bestimmt. Über die Berücksichtigung von Angaben im Anhang zur Bilanz nach § 285 Nr. 31 HGB und den darauf entfallenden Steueraufwand werden Sondereffekte ausgeschieden. Die Einbeziehung von nicht betriebsnotwendigem Vermögen, das keinen Beitrag zum handelsrechtlichen Jahresüberschuss geleistet hat, ist sachgerecht, um die Leistungsfähigkeit von Verbänden adäquat zu erfassen. Die Berücksichtigung von Konzernerträgen bei der Bemessung der Tagessatzhöhe ist nur zulässig, wenn zwischen dem Konzernmutter- und dem Konzerntochterverband ein Ergebnisabführungsvertrag besteht. Dennoch überzeugt es nicht, die Konzernerträge für die Bemessung der Tagessatzhöhe zu berücksichtigen. Die Geldstrafe hat sich stets an der Leistungsfähigkeit ihres Adressaten, des einzelnen Verbands, zu orientieren. Eine Strafobergrenze ist als Höchstgrenze, die dem denkbar schwersten Fall vorbehalten bleibt, und nicht als Kappungsgrenze zu konzipieren. Sieht der Gesetzgeber für jeden Straftatbestand eine maximale Anzahl von Tagessätzen vor, ist er nicht verpflichtet, die Höhe des einzelnen Tagessatzes zu begrenzen. Flexible Strafobergrenzen sind mit Blick auf den Grundsatz der Opfergleichheit zulässig. Um die Strafdrohung über die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen hinaus möglichst bestimmt auszugestalten, ist die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf 0,028 v.H. des Jahresumsatzes des Verbands zu beschränken. Trotz seiner fehlenden Eignung zur Bemessung der Tagessatzhöhe stellt der Umsatz sicher, dass die Verbandsgeldstrafe keine exzessiven Ausmaße annimmt. Im Unterschied zum Individualstrafrecht, bei dem die Höhe des einzelnen Tagessatzes durch einen konstanten Maximalbetrag i.H.v. 30.000 € (§ 40 Abs. 2 StGB) begrenzt ist, wird im Verbandsstrafrecht ein variabler Maximalbetrag gewählt. Zwischen Verbänden bestehen erheblich größere Unterschiede bei der Wirtschaftskraft als zwischen natürlichen Personen. Dem trägt der variable Maximalbetrag Rechnung. Daneben gelten Sonderregeln zur Bemessung der Tagessatzhöhe für Verbände, bei denen nicht auf den nachhaltig erzielten handelsrechtlichen Jahresüberschuss abgestellt werden kann. Bei gewinnorientierten Verbände, die Verluste schreiben und über nicht betriebsnotwendiges Vermögen verfügen, ist auf die zumutbar erzielbaren Überschüsse abzüglich der darauf hypothetisch zu zahlenden Steuern abzustellen. Verluste schreibende Verbände ohne nicht betriebsnotwendiges Vermögen sind mit einem Mindesttagessatz i.H.v. 50 € zu

B. Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

299

sanktionieren. Verlustperioden sind bei Verbänden typischerweise eintretende Szenarien. Deswegen wäre es verfehlt von einer monetären Sanktionierung gänzlich abzusehen. Bei gemeinnützigen Verbänden ist die Höhe des einzelnen Tagessatzes innerhalb eines Rahmens von 5 € bis 500 € anhand der laufenden Einnahmen zu bemessen. Besonderheiten gelten für öffentlich-rechtliche Verbände. Damit eine fühlbare Beeinträchtigung eintritt, ist die Geldstrafe an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Öffentlichrechtliche Verbände mit Gewinnerzielungsabsicht sind wie normale privatrechtliche Verbände zu behandeln. Weist der öffentlich-rechtliche Verband dagegen keine Gewinnerzielungsabsicht auf, ist die Höhe des einzelnen Tagessatzes innerhalb eines Rahmens von 5 € bis 2.000 € festzusetzen. Maßgeblich für die Tagessatzhöhe sind die dem Verband zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und das Verhältnis von Mittelzuweisungen zu Ausgaben. Bei der Festlegung der Tagessatzhöhe ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Verbands nicht beeinträchtigt wird. Der Tagessatzrahmen von 5 € bis 2.000 € gilt ebenfalls für sonstige, nicht auf Gewinn gerichtete Verbände. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes orientiert sich hier am Umfang der Einnahmen und am Verhältnis von Einnahmen zu Ausgaben. Für den Zeitpunkt der Bemessung der Tagessatzhöhe kommt es auf das Geschäftsjahr der Tathandlung an. Der Zeitpunkt des Erfolgseintritts ist nicht maßgebend. Gezielte Beeinflussungen der Ertragslage anlässlich einer drohenden Geldstrafe werden hierdurch unterbunden. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben verlangen, dass sich der Gesetzgeber auf Strafrahmen für die einzelnen Delikte festlegt. Diese müssen eine hinreichende Differenzierung nach dem unterschiedlichen Schweregrad ermöglichen, ohne uferlos zu sein. Für die Strafrahmen des Verbandsstrafrechts ist an die Strafdrohung bei natürlichen Personen anzuknüpfen. Dennoch stimmt der Strafrahmen für eine Verbandsstraftat nicht mit der Strafdrohung des Individualstrafrechts überein, weil die Schuld des Verbands nicht mit der Schuld des Individualtäters identisch ist. Diesen Anforderungen trägt § 4 des Gesetzesvorschlags (Verhängung der Verbandsgeldstrafe in Tagessätzen) Rechnung. Auch im Verbandsstrafrecht kommen vertypte Strafmilderungsgründe in Betracht. Deswegen bedarf es hier ebenfalls einer Regelung zur Strafrahmenverschiebung, die in § 10 des Gesetzesvorschlags (Besondere gesetzliche Milderungsgründe) vorgenommen wird. II. Strafzumessung bei Verbänden Die Strafzumessungs- und die Strafbegründungsschuld sind im Wesentlichen identisch. Was anhand bestimmter Maßstäbe als Straftat bestimmt wurde, ist bei der Strafzumessung darauf zu untersuchen, wie ausgeprägt es als Straftat ist. Bei der Strafbemessung steht dem Richter ein gegenüber dem Strafrahmen engerer Schuldrahmen zu, der nach unten durch die schon schuldangemessene und nach oben durch die noch schuldangemessene Strafe begrenzt ist. Innerhalb dieses Schuldrahmens sind vor allem spezialpräventive Aspekte für die Festlegung der konkreten Strafe maßgeblich. Generalpräventive Gesichtspunkte spielen nur eine ergänzende Rolle. Eine Strafschärfung aus

300

3. Teil: Gesamtergebnis

generalpräventiven Gründen kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Für eine Strafmilderung gelten weniger strenge Maßstäbe. Die Umstände, die das Strafmaß im Verbandsstrafrecht beeinflussen, lassen sich in 3 Kategorien unterteilen: die Umstände der Anknüpfungstat, die vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen und die sonstigen Umstände. Letztere wirken sich teilweise auf das Maß der Schuld aus, teilweise beeinflussen sie jedoch nur die innerhalb des Schuldrahmens zu beachtenden präventiven Belange. Ihr Einfluss auf das Strafmaß ist bei Organ- und Mitarbeiterstraftaten gleich. Unterschiede ergeben sich bei den Umständen der Anknüpfungstat und den vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen. Beide wirken sich auf das Schuldmaß aus. Bei verbandsbezogenen Organstraftaten ist das Maß der Schuld primär anhand der Umstände der Anknüpfungstat zu bestimmen. Es ist lediglich sekundär nach den vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen zu fragen. Dieses Verhältnis dreht sich bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern um. Dies korrespondiert mit der unterschiedlichen Bestimmung des Verbandsunrechts im Rahmen der doppelspurigen Organisationspflicht bei Organen (Straftat selbst) und bei Mitarbeitern (Aufsichtsmaßnahmen). Weil die Schuld auf das Unrecht bezogen ist, wirken sich diese Unterschiede auch auf die Strafbegründungsschuld aus. Mit Blick auf die grundsätzliche Identität von Strafbegründungs- und Strafzumessungsschuld wird die unterschiedliche Strafbegründung auf der Strafzumessungsebene konsequent fortgeschrieben. Ausgehend von der gerade dargestellten Dreiteilung wird ein System konkreter Strafzumessungsfaktoren vorgeschlagen, das die verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllt. Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber, die Grundzüge der Strafzumessung zu regeln. Bei den Umständen der Anknüpfungstat (1. Kategorie) kommen die erfolgsbezogenen Konsequenzen, die handlungsbezogene Begehungsweise und die subjektiven Momente in Betracht. Dabei ist stets zu prüfen, inwieweit diese Umstände die Verbandsstraftat prägen. Weitere tatbezogene Strafzumessungsfaktoren sind nicht in eine gesetzliche Regelung aufzunehmen. Bei den vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen (2. Kategorie) wird relevant, inwieweit der Verband zu diesem Zeitpunkt ein Criminal-Compliance-Programm installiert hatte. Criminal Compliance stellt ein Rechtsinstrument zur Vermeidung strafrechtlicher Verantwortlichkeit dar. Bemühungen des Verbands zur Vermeidung strafrechtlicher Verantwortlichkeit beeinflussen das Maß seiner Schuld. Durch ein Criminal-Compliance-Programm erfüllt der Verband seine Aufsichtspflicht in Bezug auf verbandsbezogene Zuwiderhandlungen. Ein Criminal-Compliance-Programm setzt sich aus 3 Säulen zusammen: dem Entwurf eines Criminal-Compliance-Programms, dessen Implementierung sowie dessen Durchsetzung und Weiterentwicklung. Criminal-Compliance-Maßnahmen müssen mit dem geltenden Recht vollumfänglich in Einklang stehen. Bei den vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen kommt es v.a. auf den Entwurf des Criminal-Compliance-Programms (1. Säule) und dessen Implementierung (2. Säule) an.

B. Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

301

Ein etwaiger, vor der Tat bestehender Mangel, hinreichende Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen, ist anhand der Kriterien der Dauer und der Schwere zu quantifizieren. Die Schwere des Aufsichtsmangels bestimmt sich nach der Wahrscheinlichkeit verbandsbezogener Zuwiderhandlungen und dem Ausmaß des Aufsichtsdefizits. Bei den sonstigen Umständen (3. Kategorie), die das Strafmaß im Verbandsstrafrecht prägen, gehören die folgenden 4 Strafzumessungsfaktoren zu den regelungsbedürftigen Grundzügen der Strafzumessung. Erstens kommen nachträgliche Criminal-Compliance-Maßnahmen in Betracht. Diese betreffen die Weiterentwicklung des Criminal-Compliance-Programms und dessen Durchsetzung (3. Säule). Bei der Weiterentwicklung geht es darum, Lücken des Criminal-ComplianceProgramms zu schließen, um in Zukunft verbandsbezogene Straftaten effektiver zu verhindern. Die Durchsetzung beinhaltet personelle Maßnahmen, um angemessen auf Fehlverhalten zu reagieren. Diese haben den rechtlichen Vorgaben zu genügen. Zudem müssen die Anforderungen eines effektiven Criminal-Compliance-Programms diese auch verlangen. Zweitens ist eine Schadenswiedergutmachung durch den Verband bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Dies steht den präventiven Belangen von Strafe nicht entgegen. Die Wiedergutmachungsbemühungen unterteilen sich bei natürlichen Personen in Leistungen nach § 46a StGB und sonstige Wiedergutmachungsleistungen, denen lediglich im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung Rechnung getragen wird. Auch bei Verbänden lässt sich zwischen Leistungen nach § 46a Nr. 1 StGB, § 46a Nr. 2 StGB sowie sonstigen Wiedergutmachungsleistungen differenzieren. Sowohl der Individualtäter als auch der Verband können Leistungen nach § 46a StGB erbringen. Scheidet beim Verband eine Leistung nach § 46a Nr. 2 StGB mangels persönlicher Erheblichkeit aus, verbleibt ihm die Möglichkeit, Leistungen nach § 46a Nr. 1 StGB zu erbringen. Die Schadenswiedergutmachung mindert die durch die Tat verursachten Folgen. Deswegen ist sie unmittelbar schuldrelevant. In Verbindung mit nachträglichen Criminal-ComplianceMaßnahmen lassen sich daher bei Leistungen nach § 46a Nr. 1, 2 StGB ein Absehen von Strafe (bis 35 Tagessätze) oder eine Strafrahmenverschiebung rechtfertigen. Andere Wiedergutmachungsbemühungen sind strafmildernd im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung zu berücksichtigen. Drittens wirken sich Angaben eines Verbands zu eigenen Straftaten (Geständnis) strafmildernd aus. Ein Geständnis des Verbands liegt nur vor, wenn sich aus den Angaben ergibt, dass es sich um eine Verbandsstraftat handelt. Ein bloßer Verweis auf die Tat des Individualtäters genügt nicht. Zudem muss die Angaben machende Person dabei im Namen des Verbands handeln. Ein Geständnis reduziert das Maß der Schuld, wenn dem Opfer eine weitere Traumatisierung und eine damit einhergehende Schadensvertiefung erspart werden. Aus spezialpräventiven Erwägungen kommt eine Strafmilderung bis zur schon schuldangemessenen Strafe in Betracht, wenn sich in dem Geständnis eine kritische Haltung des Täters zur Tat offenbart. Mit Blick auf generalpräventive Gründe lässt sich eine Strafmilderung wegen der gesteigerten Effektivität der Strafverfolgung rechtfertigen.

302

3. Teil: Gesamtergebnis

Angaben zu fremden Straftaten (Kronzeugenangaben) wirken sich dagegen nicht strafmildernd aus, weil sie keinen Bezug zur Verantwortung des Täters für seine Tat aufweisen. Zudem verstößt eine Berücksichtigung von Kronzeugenangaben gegen den Gleichheitssatz, weil sie den in kriminellen Strukturen eingebundenen Täter begünstigt. Aufklärungserfolge in abgeschotteten Kriminalitätsbereichen sind durch einen verstärkten Personaleinsatz der Strafverfolgungsbehörden und nicht durch rechtsstaatlich fragwürdige „Strafrabatte“ zu erreichen. Viertens können interne Untersuchungen strafmildernd zu berücksichtigen sein. Dem Verband als potentiell Beschuldigtem steht das Recht auf Sachverhaltserforschung zu, um nach ihn entlastenden Umständen zu suchen. Unter Umständen ist der Verband zu einer internen Untersuchung sogar verpflichtet. Damit sich interne Untersuchungen strafmildernd auswirken, müssen sie zunächst rechtmäßig durchgeführt worden sein. Strafprozessuale Grundsätze gelten für interne Untersuchungen nicht. Stellt der Verband im Rahmen einer internen Untersuchung gewonnene Beweismittel gegen ihn selbst zur Verfügung, wozu er grds. nicht verpflichtet ist, handelt es sich um ein Nachtatverhalten mit einer neben dem Geständnis eigenständigen Bedeutung. Mangels Schuldrelevanz kommt eine Strafmilderung aus spezialpräventiven Gründen bis zur schon schuldangemessenen Strafe in Betracht, wenn infolge der Zur-Verfügung-Stellung der Beweismittel von einem erhöhten Maß an Einsicht auszugehen ist. Andernfalls ist aus generalpräventiven Überlegungen aus den gleichen Gründen wie beim Geständnis eine Strafmilderung begründbar. Stellt der Verband Beweismittel gegen andere Rechtssubjekte zur Verfügung, kommt eine Strafmilderung mangels Bezug zur Verantwortung des Täters für seine Tat wie bei Kronzeugenangaben nicht in Betracht. III. Verzinsung und Rechtsnachfolge Eine gegenüber Verbänden verhängte Geldstrafe ist zu verzinsen. Deren Zahlungszeitpunkt wirkt sich wegen der professionellen Vermögensverwaltung von Verbänden wesentlich auf den Umfang der Übelszufügung aus. Die Verbandsgeldstrafe wird regelmäßig eine Höhe erreichen, bei der die Einlegung von Rechtsmitteln auch zur Erlangung von Zinsvorteilen sinnvoll sein kann. Eine Verzinsungspflicht, die nur Verbandsgeldstrafen und nicht gegen natürliche Personen verhängte Geldstrafen erfasst, ist verfassungsgemäß. Dies gilt sowohl für die rechtskräftige als auch für die noch nicht rechtskräftige Verbandsgeldstrafe. Es liegen weder ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz noch eine Verletzung der Unschuldsvermutung und des Justizgewährleistungsanspruchs vor. Da die Verzinsung in keiner Beziehung zur Schuld des Verbands steht, ist sie nicht in die Strafzumessung zu integrieren, sondern selbstständig neben der Geldstrafe anzuordnen. Im Gegensatz zum Tod einer natürlichen Person ist das Ende der Existenz eines Verbands kein schicksalhaftes Ereignis. Daher muss sichergestellt werden, dass sich der Verband durch Umwandlung nicht einfach einer Geldstrafe entziehen kann. Dabei ist zwischen der Rechtsnachfolge in eine noch nicht rechtskräftige Geldstrafe (abstrakte Pflicht) und einer solchen in eine rechtskräftige Geldstrafe (konkrete Pflicht) zu unterscheiden. Eine Rechtsnachfolge in die noch nicht rechtskräftige Geldstrafe ist nur im Fall des Formwechsels (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) möglich. Dieser lässt die rechtliche Identität des Verbands unberührt. Der Schuldgrundsatz steht einer Rechtsnachfolge in die abstrakte Pflicht entgegen, weil der mit Verurteilung zu Strafe verbundene sozialethische Vorwurf nicht gegenüber dem Rechtsnachfolger ergehen darf. Diesem gegenüber kann kein Vorwurf in

B. Ausgestaltung einer Verbandsgeldstrafe

303

Bezug auf die Straftat erhoben werden. Zur Sicherung der Verbandsgeldstrafe ist in diesem Fall vor der Umstrukturierung ein dinglicher Arrest in das Verbandsvermögen zu beantragen. Für die rechtskräftige Verbandsgeldstrafe dagegen hat der bzw. haben die Gesamtrechtsnachfolger begrenzt auf den Wert des übernommenen Vermögens einzustehen. In diesem Fall ist das mit der Verurteilung zu Strafe verbundene sozialethische Unwerturteil gegenüber dem Rechtsvorgänger ergangen. Die rechtskräftige Verbandsgeldstrafe ist daher aus Sicht der Rechtsnachfolger eine „normale“ Zahlungsverbindlichkeit, für die sie einzustehen haben. Der Einzelrechtsnachfolger kann dagegen nicht in Anspruch genommen werden, weil hinreichend bestimmte Kriterien zur Identität des wesentlichen Verbandsvermögens nicht bestimmt werden können. Der übertragende Rechtsträger ist bei der Einzelrechtsnachfolge weiterhin verantwortlich, weil seine rechtliche Identität durch die Umstrukturierung nicht erlischt. Ggf. ist auch hier ein dinglicher Arrest zu beantragen, um einer wirtschaftlichen Aushöhlung zuvorzukommen. Verteilt sich das Verbandsvermögen nach der Umstrukturierung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf mehrere Rechtsnachfolger, haften diese als Gesamtschuldner auf den Wert des insgesamt übernommenen Vermögens. „Doppelte“ Geldstrafen drohen bei einer gesamtschuldnerischen Haftung nicht. Die Zahlung des einen wirkt befreiend für den oder die anderen. Der Innenausgleich richtet sich nach § 426 BGB und ist auf den Wert des jeweils übernommenen Vermögensteils begrenzt.

C. Gesetzesvorschlag Der Gesetzesvorschlag1717 sieht wie folgt aus: § 1 Begriffsbestimmungen (1) Verband im Sinne dieses Gesetzes ist eine juristische Person, ein nicht rechtsfähiger Verein, eine rechtsfähige Personengesellschaft sowie jeder sonstige zumindest teilrechtsfähige Personenzusammenschluss. (2) Organ im Sinne dieses Gesetzes ist, wer den Verband im Rechtsverkehr repräsentiert. Hierzu zählen insb. a) vertretungsberechtigte Organe einer juristischen Person oder Mitglieder eines solchen Organs b) der Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder Mitglieder eines solchen Vorstands c) vertretungsberechtigte Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft. (3) Mitarbeiter im Sinne dieses Gesetzes ist jede natürliche Person, die in einem Subordinationsverhältnis zum Verband steht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn dem Verband das Direktionsrecht (§ 106 GewO) über die Tätigkeit der natürlichen Person zusteht. (4) Ein Criminal-Compliance-Programm dient der Verhinderung verbandsbezogener Straftaten. Es setzt sich aus 3 Säulen zusammen. Zunächst ist das Criminal-Compliance-Programm zu entwerfen. Anschließend ist es im Verband zu implementieren. Bei Verstößen ist das Criminal-Compliance-Programm durchzusetzen und weiterzuentwickeln. § 2 Verbandsstraftaten (1) Begeht jemand als Organ eines Verbands eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB), wird der Verband zu einer Verbandsgeldstrafe verurteilt. (2) Begeht jemand als Mitarbeiter eines Verbands eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB), wird der Verband zu einer Verbandsgeldstrafe verurteilt, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig zumutbare Aufsichtsmaßnahmen unterlassen und dadurch die konkrete Gefahr von dieser Tat vergleichbaren Taten verursacht hat. Durch die zumutbaren Aufsichtsmaßnahmen muss die rechtswidrige Tat des Mitarbeiters verhindert oder wesentlich erschwert worden sein. Ist die rechtswidrige Tat des Mitarbeiters nur als Vorsatztat strafbar, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass der Verband nur bei eigenem Vorsatz verantwortlich ist. § 3 Schuld Ohne Schuld handelt der Verband, sofern von ihm in der konkreten Situation nicht erwartet werden konnte, dass er der verbandsbezogenen Straftat mit zumutbaren Anstrengungen entgegentritt. § 4 Verhängung der Verbandsgeldstrafe in Tagessätzen (1) Die Verbandsgeldstrafe ist in Tagessätzen zu bemessen. Der Strafrahmen für den jeweiligen Straftatbestand im Verbandsstrafrecht orientiert sich an dessen individualstrafrechtlichem Strafrahmen. 1717

Von einem Formulierungsvorschlag für einen dinglichen Arrest wurde abgesehen, weil dieser als strafprozessuale Maßnahme nicht zu den Konstruktionsproblemen einer Verbandsgeldstrafe gehört. Für einen Formulierungsvorschlag wird auf § 20 VerbStrG-E NRW (Verfahrenssichernde Maßnahmen) verwiesen.

C. Gesetzesvorschlag

305

(2) An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt eine Verbandsgeldstrafe von 720 Tagessätzen. (3) Die Höchstzahl der Tagessätze beträgt -540, wenn die Tat mit einer Obergrenze von 15 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, -360, wenn die Tat mit einer Obergrenze von 10 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, -180, wenn die Tat mit einer Obergrenze von 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, -110, wenn die Tat mit einer Obergrenze von 3 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, -70, wenn die Tat mit einer Obergrenze von 2 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, -35, wenn die Tat mit einer Obergrenze von 1 Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist, und -20, wenn die Tat mit einer Obergrenze von 6 Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist. (4) Weist der Straftatbestand im Individualstrafrecht bei der Freiheitsstrafe ein erhöhtes Mindestmaß auf, beträgt die Mindestzahl der Tagessätze -360, wenn die Tat mit einer Untergrenze von 10 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, -180, wenn die Tat mit einer Untergrenze von 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, -110, wenn die Tat mit einer Untergrenze von 3 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, -70, wenn die Tat mit einer Untergrenze von 2 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, -35, wenn die Tat mit einer Untergrenze von 1 Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist, -20, wenn die Tat mit einer Untergrenze von 6 Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist, und -10, wenn die Tat mit einer Untergrenze von 3 Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist. Andernfalls beträgt das Mindestmaß 1 Tagessatz. § 5 Höhe des Tagessatzes (1) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht nach dem nachhaltig erzielten handelsrechtlichen Jahresüberschuss und den aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen in zumutbarer Weise erzielbaren Überschüssen abzüglich der darauf hypothetisch zu zahlenden Steuern jeweils geteilt durch 360. Der nachhaltig erzielte handelsrechtliche Jahresüberschuss berechnet sich nach dem handelsrechtlichen Jahresüberschuss unter Berücksichtigung von Angaben im Anhang zur Bilanz nach § 285 Nr. 31 HGB und dem darauf entfallenden Steueraufwand. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes ist auf 0,028 v.H. des Jahresumsatzes begrenzt. Sie beträgt mindestens 50 €.

306

3. Teil: Gesamtergebnis

(2) Verfolgt der Verband steuerbegünstigte Zwecke im Sinne des § 51 AO, wird der einzelne Tagessatz auf mindestens 5 € und höchstens 500 € festgesetzt. Das Gericht bestimmt die Höhe anhand der laufenden Einnahmen ohne Berücksichtigung des Verbandsvermögens dergestalt, dass laufende, vom Verband durchgeführte Vorhaben nicht gefährdet werden. (3) Ergeht die Geldstrafe gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Verband, ist diese an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Für öffentlich-rechtliche Verbände mit Gewinnerzielungsabsicht gelten die Grundsätze des Abs. 1 entsprechend. Weist der öffentlichrechtliche Verband keine Gewinnerzielungsabsicht auf, wird der einzelne Tagessatz auf mindestens 5 € und höchstens 2.000 € festgesetzt. Das Gericht bestimmt in diesem Fall die Höhe anhand der dem Verband zur Verfügung stehenden Mittel und dem Verhältnis von Mittelzuweisungen zu Aufgaben. Die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Verbands darf durch die Geldstrafe nicht eingeschränkt werden. (4) Für sonstige, nicht auf Gewinn gerichtete Verbände, die keine steuerbegünstigten Zwecke im Sinne des § 51 AO verfolgen, wird die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf mindestens 5 € und höchstens 2.000 € festgesetzt. Das Gericht bestimmt die Höhe anhand des Umfangs der Einnahmen und des Verhältnisses von Einnahmen zu Ausgaben. (5) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben. § 6 Zeitpunkt Für die finanziellen Verhältnisse zur Bestimmung der Höhe des Tagessatzes kommt es auf das Geschäftsjahr der Tathandlung an. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend. § 7 Grundsätze der Strafzumessung (1) Die Schuld des Verbands ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Das Maß der Schuld bestimmt sich anhand der Umstände der Anknüpfungstat, der vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen und der sonstigen Umstände. (2) Bei den Umständen der Anknüpfungstat kommen insbesondere in Betracht: das Gewicht und die Auswirkungen der verbandsbezogenen Zuwiderhandlung im konkreten Fall, soweit sie für den Verband als Kollektiv vorhersehbar waren, die Art der Ausführung, wie sie sich im Verbandskontext darstellt, sowie die Beweggründe, die Ziele und der bei der Tat aufgewendete Wille des Individualtäters sowie die Gesinnung, die aus der Anknüpfungstat spricht, soweit sie jeweils die Verbandsstraftat prägen. (3) Bei den vor der Straftat vom Verband ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen ist zu prüfen, inwieweit der Verband vor der Tat zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung von vergleichbaren Taten unternommen hat. Insbesondere kommt es darauf an, inwieweit der Verband ein Criminal-Compliance-Programm entworfen und implementiert hat. Das Ausmaß eines etwaigen Aufsichtsmangels ist anhand der Kriterien der Dauer und der Schwere zu quantifizieren. Die Schwere des Aufsichtsmangels bestimmt sich nach der Wahrscheinlichkeit von vergleichbaren Taten und dem Umfang des Zurückbleibens hinter optimalen Criminal-Compliance-Bemühungen.

C. Gesetzesvorschlag

307

(4) Bei den sonstigen Umstände kommen insbesondere in Betracht: nach der Tat unternommene Anstrengungen des Verbands zur Vermeidung künftiger verbandsbezogener Straftaten, insb. die Durchsetzung und Weiterentwicklung eines bestehenden oder die erstmalige Entwicklung und Implementierung eines Criminal-Compliance-Programms, Wiedergutmachungsleistungen, die nicht den Anforderungen des § 9 genügen, ein Geständnis des Verbands sowie das Zur-Verfügung-Stellen von Beweismitteln zur Verbandsstraftat, die rechtmäßig gewonnen wurden. (5) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestands sind, dürfen nicht berücksichtigt werden. § 8 Konkrete Strafzumessung (1) Bei der Zumessung der konkreten Strafe wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Verband sprechen, gegeneinander ab. (2) Das Maß der Schuld bei verbandsbezogenen Straftaten von Organen bestimmt sich primär anhand der Umstände der Anknüpfungstat und der sonstigen Umstände. Die vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen sind sekundär zu berücksichtigen. (3) Das Maß der Schuld bei verbandsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern bestimmt sich primär anhand der vor der Straftat ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen und der sonstigen Umstände. Die Umstände der Anknüpfungstat sind sekundär zu berücksichtigen. § 9 Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung Hat der Verband 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder 2. in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche eigene Leistungen oder eigenen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt, kann das Gericht, wenn der Verband im Rahmen eines Criminal-Compliance-Programms ausreichend organisatorische Maßnahmen getroffen hat, um Verbandsstraftaten in Zukunft zu vermeiden, die Strafe nach § 10 mildern oder, wenn keine höhere Verbandsgeldstrafe als 35 Tagessätze verwirkt ist, von Strafe absehen.

308

3. Teil: Gesamtergebnis

§ 10 Besondere gesetzliche Milderungsgründe (1) Liegen Umstände bei der Verbandsstraftat vor, die im Individualstrafrecht eine Milderung nach § 49 Absatz 1 StGB rechtfertigen würden, gilt für die Milderung der Verbandsgeldstrafe folgendes: 1. An die Stelle von 720 Tagessätzen tritt eine Verbandsgeldstrafe von mindestens 110 bis maximal 540 Tagessätze. 2. Ansonsten darf auf höchstens drei Viertel der unter § 4 Absatz 3 genannten Höchstzahl der Tagessätze erkannt werden. 3. Das erhöhte Mindestmaß der Verbandsgeldstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von 360 oder 180 Tagessätzen auf 70 Tagessätze, im Falle eines Mindestmaßes von 110 oder 70 Tagessätzen auf 20 Tagessätze, im Falle eines Mindestmaßes von 35 Tagessätzen auf 10 Tagessätze und im Übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß. (2) Liegen die Voraussetzungen für eine Milderung nach § 49 Absatz 2 StGB bei der Verbandsstraftat vor, kann das Gericht bis auf das gesetzliche Mindestmaß herabgehen. § 11 Zusammentreffen von Milderungsgründen Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 10 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden. § 12 Verzinsungspflicht Die im Urteil verhängte Verbandsgeldstrafe ist zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt 2 Wochen nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung, wenn der Verband erfolglos Rechtsmittel einlegt; andernfalls 2 Wochen nach Zustellung der die Rechtskraft herbeiführenden Entscheidung. § 288 Absatz 1 Satz 2 und § 289 Satz 1 BGB sind entsprechend anzuwenden. § 13 Rechtsnachfolge (1) Eine Rechtsnachfolge in die noch nicht rechtskräftige Verbandsgeldstrafe ist nur im Fall des Formwechsels (§ 202 Absatz 1 Nummer 1 UmwG) möglich. (2) Im Falle der Gesamtsrechtsnachfolge haben der oder die Rechtsnachfolger für die rechtskräftig verhängte Verbandsgeldstrafe einzustehen. Die Einstandspflicht ist begrenzt auf den Wert des insgesamt übernommenen Verbandsvermögens. Mehrere Rechtsnachfolger haften als Gesamtschuldner.

Literaturverzeichnis Aberle, Lukas/ Holle, Philipp Maximilian: Aufsichtspflichten im Unternehmensverbund in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund; Jörg Eisele/ Jens Koch/ Hans Theile (Hrsg.), Tübingen 2014, 117-136 zitiert als Aberle/Holle in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund Achenbach, Hans: Historische und dogmatische Grundlagen der strafrechtssystematischen Schuldlehre, Berlin 1974 Ders.: Diskrepanzen im Recht der ahndenden Sanktionen gegen Unternehmen in Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag, Wilfried Küper/ Jürgen Welp (Hrsg.), Heidelberg 1993, 545-562 Ders.: Ahndende Sanktionen gegen Unternehmen und die für sie handelnden Personen im deutschen Recht in Bausteine des europäischen Strafrechts Coimbra-Symposium für Claus Roxin; Bernd Schünemann/ Jorge de Figueiredo Dias (Hrsg.), Köln 1996, 283-305 Ders.: Rezension zu Günter Maschke, Aufsichtspflichtverletzungen in Betrieben und Unternehmen – Die Sanktionierung von Verstößen gegen die Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen nach § 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes unter besonderer Berücksichtigung des Zusammenhangs zwischen Tathandlung und Zuwiderhandlung, wistra 1998, 296 Ders.: Zur aktuellen Lage des Wirtschaftsstrafrechts in Deutschland, GA 2004, 559 Ders.: Das Strafrecht als Mittel der Wirtschaftslenkung, ZStW 119 (2007), 789 Ders.: Die Kappungsgrenze und die Folgen – Zweifelsfragen des § 81 Abs. 4 GWB, ZWeR 2009, 3 Ders.: Das Schicksal der Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG bei Erlöschen des TäterUnternehmensträgers durch Gesamtrechtsnachfolge, wistra 2012, 413 Ders.: Haftung und Ahndung Wider die Vertauschung zweier disparater Rechtsfolgemodelle, ZIS 2012, 178 Ders.: Verbandsgeldbuße und Aufsichtspflichtverletzung (§§ 30 und 130 OWiG) – Grundlagen und aktuelle Probleme, NZWiSt 2012, 321 Ders.: Die 8. GWB-Novelle und das Wirtschaftsstrafrecht, wistra 2013, 369 Ders.: Grauzement, Bewertungseinheit und Bußgeldobergrenze Bemerkungen zu BGH Beschl. v. 26.02.2013, KRB 20/12, WuW 2013, 688 Ders./ Ransiek, Andreas/Rönnau, Thomas (Hrsg.): Handbuch Wirtschaftsstrafrecht 4. Aufl., Heidelberg 2015, zitiert als HWSt/Bearbeiter Teil/Kapitel

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Görden, Konstruktionsprobleme einer Verbandsgeldstrafe, Juridicum – Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht 3, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27618-8

310

Literaturverzeichnis

Adam, Dirk: Die Begrenzung der Aufsichtspflichten in der Vorschrift des § 130 OWiG, wistra 2003, 285 Albrecht, Hans-Jörg: Strafzumessung bei schwerer Kriminalität Eine vergleichende theoretische und empirische Studie zur Herstellung und Darstellung des Strafmaßes, Berlin 1995, zitiert als H.-J. Albrecht Strafzumessung bei schwerer Kriminalität Altenburg, Johannes/ Peukert, Matthias: Neuerungen in § 30 OWiG – Haftungsrisiken und -vermeidung vor dem Hintergrund gesetzgeberischen Überschwangs, BB 2014, 649 Alwart, Heiner: Strafrechtliche Haftung des Unternehmens – vom Unternehmenstäter zum Täterunternehmen, ZStW 105 (1993), 752 Ders.: Establishing a Basis for Criminal Responsibility of Collective Entities in Criminal Responsibility of Legal and Collective Entities International Colloquium Berlin May 4-6 1998; Albin Eser/ Gunter Heine/ Barbara Huber (Hrsg.); Freiburg 1999, 143-152, zitiert als Alwart in Criminal Responsibility Athanassiou, Chariklia: Die Strafbarkeit juristischer Personen am Beispiel des Umweltstrafrechts, Dissertation Heidelberg, Berlin 2002, zitiert als Athanassiou Die Strafbarkeit juristischer Personen Bach, Albrecht: Verschärfungen von Unternehmensbußen – ein gescheiterter Versuch Zum Verständnis von § 81 Abs. 4 GWB in Recht und Wettbewerb Festschrift für Rainer Bechtold; Ingo Brinker/ Dieter H. Scheuing/ Kurt Stockmann (Hrsg.), München 2006, 1-8 Bachmann, Gregor: „LAG Düsseldorf: Kein Regress gegen Geschäftsleiter wegen Kartellbuße“, BB 2015, 911 Baetge, Jörg/ Kirsch, Hans-Jürgen/ Thiele, Stefan: Übungsbuch Bilanzen und Bilanzanalyse, 4. Aufl., Düsseldorf 2010 Bahnmüller, Marc: Strafrechtliche Unternehmensverantwortlichkeit im europäischen Gemeinschafts- und Unionsrecht, Dissertation Tübingen, Frankfurt (Main) 2004 Barth, Christoph/Budde Stefanie: Die „neue“ Bußgeldobergrenze des OLG Düsseldorf Eine Untersuchung der Auswirkungen auf die Kartellbußgeldberechnung und auf in der Vergangenheit abgeschlossene Kartellverfahren, WRP 2010, 712 Dies.: „Die Strafe soll nicht größer sein als die Schuld“ Zum Urteil des BGH in Sachen Grauzement und den neuen Leitlinien für die Bußgeldzumessung, NZKart 2013, 311 Bauer, Christina: Fragen der Verbandsstrafbarkeit, Dissertation Linz, Linz 2003, zitiert als Bauer Verbandsstrafbarkeit Dies.: Neue strafrechtliche Sanktionen gegen juristische Personen?, ÖJZ 2004, 491

Literaturverzeichnis

311

Baumann, Jürgen: Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Wirtschaftsprüfer in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, BB 1966, 1237 Baumbach, Adolf/ Hopt, Klaus (Hrsg.): HGB, 37. Aufl., München 2016 Baur, Alexander/ Holle, Philipp Maximilian: Compliance-Defense bei der Bußgeldbemessung und ihre Einpassung in das gesellschaftsrechtliche Pflichtenprogramm, NZG 2018, 14 Bechtold, Rainer/ Buntscheck, Martin: Die 7. GWB-Novelle und die Entwicklung des deutschen Kartellrechts 2003 bis 2005, NJW 2005, 2966 Beulke, Werner/ Fahl, Christian: Anmerkung zu LG Bonn Beschl. v. 28.02.2011 – 27 AR 2/01, NStZ 2011, 427 Ders.: Die unbenannten Auflagen und Weisungen des § 153a StPO in Festschrift für Hans Dahs; Gunther Widmaier/ Heiko Lesch/ Bernd Müssig/ Rochus Wallau (Hrsg.), Köln 2005, 209-227 Ders./ Moosmayer, Klaus: Der Reformvorschlag des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen zu den §§ 30, 130 OWiG – Plädoyer für ein modernes Unternehmenssanktionenrecht –, CCZ 2014, 146 Beuthien, Volker: Zur Theorie der Stellvertretung im Gesellschaftsrecht in Festschrift für Wolfgang Zöllner Band I; Manfred Lieb/ Ulrich Noack/ Harm Peter Westermann (Hrsg.), Köln 1998, 87-109 Bischke, Alf-Henrik/ Brack, Sebastian: Neuere Entwicklungen im Kartellrecht LAG Düsseldorf schließt Regress von Unternehmensgeldbußen bei Geschäftsleitern aus, NZKart 2015, 349 Bock, Dennis: Strafrechtliche Aspekte der Compliance – § 130 OWiG als zentrale Norm der Criminal Compliance, ZIS 2009, 68 Ders.: Criminal Compliance, Habilitation Kiel, Baden-Baden 2011 Ders.: Compliance und Aufsichtspflichten in Unternehmen in Compliance und Strafrecht; Lothar Kuhlen/ Hans Kudlich/ Íñigo Ortiz de Urbina (Hrsg.), Heidelberg 2013, 57-70, zitiert als Bock in Compliance und Strafrecht Bodenstein, Ines: Zurück zum bewährten Grundsatz: Wer handelt, haftet Wegweisende Klärung zum Gesamtschuldnerausgleich bei Kartellgeldbußen durch den BGH in Sachen Calciumcarbid, NZKart 2015, 141 Bosch, Niklaus: Organisationsverschulden in Unternehmen, Habilitation Augsburg, BadenBaden 2002 Bosch, Wolfgang/ Fritzsche, Alexander: Die 8. GWB-Novelle – Konvergenz und eigene wettbewerbspolitische Akzente, NJW 2013, 2225

312

Literaturverzeichnis

Ders.: Verantwortung der Konzernobergesellschaft im Kartellrecht, ZHR 177 (2013), 454 Böse, Martin: Die Strafbarkeit von Verbänden und das Schuldprinzip in Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag am 26. Juli 2007; Michael Pawlik/ Rainer Zaczyk (Hrsg.); Köln 2007, 15-26 Ders.: Strafbarkeit juristischer Personen – Selbstverständlichkeit oder Paradigmenwechsel im Strafrecht, ZStW 126 (2014), 132 Böttcher, Lars/ Habighorst, Oliver/ Schulte, Christian (Hrsg.): Umwandlungsrecht Kommentar, Baden-Baden 2015, zitiert als Bearbeiter in Böttcher/Habighorst/Schulte UmwR Bohnert, Joachim/ Krenberger, Benjamin/ Krumm, Carsten: OWiG Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 4. Aufl., München 2016, zitiert als Bohnert OWiG Boller, Martin: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden nach dem VbVG, Dissertation Wien, Wien 2007 Bottke, Wilfried: Standortvorteil Wirtschaftskriminalrecht: Müssen Unternehmen „strafmündig“ sein?, wistra 1997, 241 Brandis, Peter: Geldstrafe und Nettoeinkommen, Dissertation Köln, Köln 1987 Brettel, Hauke/ Thomas, Stefan: Unternehmensbußgeld, Bestimmtheitsgrundsatz und Schuldprinzip im novellierten deutschen Kartellrecht, ZWeR 2009, 25 Dies.: Compliance und Unternehmensverantwortlichkeit im Kartellrecht, Tübingen 2016 von Bubnoff, Eckart: Ein eigenständiges Verbandssanktionenrecht Europäische Gestaltungsvorgaben, Ansätze und Anregungen, ZEuS 2004, 447 Bürger, Christian: Die Haftung der Konzernmutter für Kartellrechtsverstöße ihrer Tochter nach deutschem Recht, WuW 2011, 130 Buntscheck, Martin: Der „verunglückte Abschied“ von der Mehrerlösgeldbuße für schwere Kartellverstöße Kritische Anmerkungen zu § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB in Recht und Wettbewerb Festschrift für Rainer Bechtold; Ingo Brinker/ Dieter H. Scheuing/ Kurt Stockmann (Hrsg.), München 2006, 81-96 Ders.: Die gesetzliche Kappungsgrenze für Kartellgeldbußen, EuZW 2007, 423 Burrichter, Jochen: Die Verzinsungspflicht von Geldbußen gemäß § 81 Abs. 6 GWB n.F. in Recht und Wettbewerb Festschrift für Rainer Bechtold; Ingo Brinker/ Dieter H. Scheuing/ Kurt Stockmann (Hrsg.), München 2006, 97-120 Bussmann, Kai: Compliance in der Zeit nach Siemens – Corporate Integrity, das unterschätzte Konzept, BFuP 2009, 506

Literaturverzeichnis

313

Ders.: Sozialisation in Unternehmen durch Compliance in Festschrift für Hans Achenbach; Uwe Hellmann/ Christian Schröder (Hrsg.); Heidelberg 2011, 57-82 Coenenberg, Adolf G./ Haller, Axel/ Mattner, Gerhard/ Schultze, Wolfgang: Einführung in das Rechnungswesen Grundlagen der Buchführung und Bilanzierung, 5. Aufl., Stuttgart 2014, zitiert als Coenenberg Dannecker, Gerhard: Zur Notwendigkeit der Einführung kriminalrechtlicher Sanktionen gegen Verbände Überlegungen zu den Anforderungen und zur Ausgestaltung eines Verbandsstrafrechts, GA 2001, 101 Ders.: Nullum crimen, nulla poena sine lege und seine Geltung im Allgemeinen Teil des Strafrechts in Festschrift für Harro Otto zum 70. Geburtstag am 01. April 2007; Gerhard Dannecker/ Winrich Langer/ Otfried Ranft/ Roland Schmitz/ Joerg Brammsen (Hrsg.), Köln 2007, 25-40 Ders.: Die Ahndbarkeit von juristischen Personen im Wandel in Recht gestalten – dem Recht dienen Festschrift für Reinhard Böttcher zum 70. Geburtstag am 29. Juli 2007; Heinz Schöch/ Roland Helgerth/ Dieter Dölling/ Peter König (Hrsg.), Berlin 2007, 465-487 Ders.: Das Verbot unbestimmter Strafen: Der Bestimmtheitsgrundsatz im Bereich der Deliktsfolgen in Festschrift für Claus Roxin zum 80. Geburtstag am 15. Mai 2011 Strafrecht als Scientia universalis; Manfred Heinrich/ Christian Jäger/ Bernd Schünemann (Hrsg.), Berlin 2011, 285-303 Ders./ Dannecker, Christoph/ Müller, Nadja: Das Kartellordnungswidrigkeitenrecht nach der 8. GWB-Novelle: weiterer Reformbedarf?, ZWeR 2013, 417 Ders./ Ders.: Europäische und verfassungsrechtliche Vorgaben für das materielle und formelle Unternehmensstrafrecht, NZWiSt 2016, 162 Demuth, Hennrich/ Schneider, Tilmann: Die besondere Bedeutung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten für Betrieb und Unternehmen, BB 1970, 642 Dencker, Friedrich: Zum Geständnis im Straf- und Strafprozessrecht, ZStW 102 (1990), 51 Denninger, Erhard/ Rachor, Frederik (Hrsg.): Handbuch des Polizeirechts Gefahrenabwehr Strafverfolgung Rechtsschutz, 5. Aufl., München 2012, zitiert als Bearbeiter in Handbuch des Polizeirechts Deruyck, Filiep: Verbandsdelikt und Verbandssanktion, Eine rechtsvergleichende Untersuchung nach belgischem und deutschem Recht, Dissertation Gießen, Gießen 1990, zitiert als Deruyck Verbandsdelikt und Verbandssanktion Ders.: Probleme der Verfolgung und Ahndung von Verbandskriminalität im deutschen und belgischen Recht, ZStW 103 (1991), 705

314

Literaturverzeichnis

Deselaers, Wolfgang: Uferlose Geldbußen bei Kartellverstößen nach der neuen 10% Umsatzregel des § 81 Abs. 4 GWB?, WuW 2006, 118 Detter, Klaus: Zum Strafzumessungs- und Maßregelrecht, NStZ 2001, 130 Ders.: Der Verteidiger und der Täter-Opfer-Ausgleich – Probleme des § 46a StGB – in Festschrift für Volkmar Mehle zum 65. Geburtstag am 11.11.2009; Stefan Hiebl/ Nils Kassebohm/ Hans Lilie (Hrsg.), Baden-Baden 2009, 157-176 Detterbeck, Steffen: Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungsprozessrecht, 14. Aufl., München 2016, zitiert als Detterbeck Allg. Verwaltungsrecht Dierlamm, Alfred: Anmerkung zu BGH Urt. v. 18.11.1999 – 4 StR 435/99, NStZ 2000, 536 Dietrich, Otto: Modelle eines Unternehmensstrafrechts und ihre Effektivität Österreich – Verbandsverantwortlichkeit, NZWiSt 2016, 186 Dölling, Dieter: Generalprävention durch Strafrecht: Realität oder Illusion?, ZStW 102 (1990), 1 Ders./ Hartmann, Arthur: Anmerkung zu BGH Urt. v. 25.05.2011 Az.: 2 StR 78/01, NStZ 2002, 366 Ders.: Über die Höhenbemessung bei der Freiheits- und der Jugendstrafe in Strafrecht Biorecht Rechtsphilosophie Festschrift für Hans-Ludwig Schreiber zum 70. Geburtstag am 10. Mai 2003; Knut Amelung/ Werner Beulke/ Hans Lilie/ Henning Rosenau/ Hinrich Rüping/ Gabriele Wolfslast, Heidelberg 2003, 55-62 Ders.: Zur Bedeutung des Nachtatverhaltens des Täters für die Strafzumessung in Grundlagen und Dogmatik des gesamten Strafrechtssystems Festschrift für Wolfgang Frisch zum 70. Geburtstag; Georg Freund/ Uwe Murmann/ René Bloy/ Walter Perron (Hrsg.), Berlin 2013, 1181-1188 Dreher, Eduard: Zur Spielraumtheorie als der Grundlage der Strafzumessungslehre des Bundesgerichtshofs, JZ 1967, 41 Ders.: Gedanken zur Strafzumessung Eine Besprechung von Hans-Jürgen Bruns: Strafzumessungsrecht Allgemeiner Teil, JZ 1968, 209 Dreher, Meinrad: Die kartellrechtliche Bußgeldverantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern Vorstandshandeln zwischen aktienrechtlichem Legalitätsprinzip und kartellrechtlicher Unsicherheit in Festschrift für Horst Konzen zum siebzigsten Geburtstag; Barbara Dauner-Leib/ Peter Hommelhoff/ Matthias Jacobs/ Dagmar Kaiser/ Christoph Weber (Hrsg.), Tübingen 2006, 85-107 Dreier, Horst (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl., Tübingen 2013, Band II, 3. Aufl., Tübingen 2015, zitiert als Bearbeiter in Dreier GG Drexl, Josef: Wissenszurechnung im Konzern ZHR 161 (1997), 491

Literaturverzeichnis

315

Dück, Hermann/ Schultes, Marion: Bußgeldhaftung und Rechtsnachfolge – Schlupfloch für Kartellsünder?, WM 2013, 9 Ehrhardt, Anne: Unternehmensdelinquenz und Unternehmensstrafe Sanktionen gegen juristische Personen nach deutschem und US-amerikanischem Recht, Dissertation Köln, Berlin 1993, zitiert als Ehrhardt Unternehmensdelinquenz Eidam, Gerd: Straftäter Unternehmen, München 1997 Ders.: Die Verbandsgeldbuße des § 30 Abs. 4 OWiG – eine Bestandsaufnahme, wistra 2003, 447 Ders. (Hrsg.): Unternehmen und Strafe, 4. Aufl., Köln 2014 Eisele, Jörg: Die bußgeldrechtliche Haftung des Rechtsnachfolgers in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund; Jörg Eisele/ Jens Koch/ Hans Theile (Hrsg.), Tübingen 2014, 153-170, zitiert als Eisele in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund Ders.: Gesamtschuldnerische Haftung – Eine neue Rechtsfigur im deutschen Sanktionenrecht, wistra 2014, 81 Engelhardt, Werner H./ Raffée, Hans/ Wischermann, Barbara: Grundzüge der doppelten Buchhaltung, 8. Aufl., Wiesbaden 2010 Engelhart, Marc: Sanktionierung von Unternehmen und Compliance, 2. Aufl., Dissertation Freiburg, Berlin 2012 Ders.: Unternehmensstrafbarkeit im europäischen und internationalen Recht, eucrim 2012, 110 Ders.: Verbandsverantwortlichkeit – Dogmatik und Rechtsvergleichung, NZWiSt 2015, 201 Ders.: Verfassungsrechtliches Placet für österreichisches Verbandsstrafrecht, ZWH 2018, 165 Engisch, Karl: Referat im Rahmen des 40. Deutschen Juristentags zur Frage der Verbandsstrafbarkeit, S. E 8, zitiert als Engisch Verbandsstrafbarkeit Epping, Volker: Grundrechte, 6. Aufl., Berlin 2015 Eser, Albin: Neue Wege der Gewinnabschöpfung im Kampf gegen die organisierte Kriminalität in Beiträge zur Rechtswissenschaft Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag; Wilfried Küper/ Jürgen Welp (Hrsg.), Heidelberg 1993, 833-853 Ders. (Hrsg.): Schönke/Schröder Strafgesetzbuch Kommentar, 29. Aufl., München 2014, zitiert als Bearbeiter in S/S StGB

316

Literaturverzeichnis

Eufinger, Alexander: Das Judikat des BGH zur Compliance und seine Bedeutung für die kartellrechtliche Verbandsgeldbuße, NZG 2018, 327 Falterbaum, Hermann/ Bolk, Wolfgang/ Reiß, Wolfram/ Kirchner, Thomas: Buchführung und Bilanzierung, 22. Aufl., Achim 2015 de Faria-Costa, José: Die strafrechtliche Haftung des Unternehmens und seiner Organe Eine strafrechtliche Untersuchung zum Vertreterbegriff bei Verbandspersonen in Bausteine des europäischen Strafrechts Coimbra-Symposium für Claus Roxin; Bernd Schünemann/ Jorge de Figueiredo Dias (Hrsg.), Köln 1996, 337-353 Fateh-Moghadam, Bijan: Criminal Compliance ernst genommen – zur Garantenstellung des Compliance-Beauftragten in Das Wirtschaftsstrafrecht des StGB; Georg Steinberg/ Brian Valerius/ Andreas Popp (Hrsg.), Baden-Baden 2010, 25-48 zitiert als FatehMoghadam in Wirtschaftsstrafrecht des StGB Fezer, Gerhard: Vereinfachte Verfahren im Strafprozeß, ZStW 106 (1994), 33 Fink, Gudrun: Gilt „nemo tenetur se ipsum accusare“ auch für juristische Personen?, wistra 2014, 457 Finkenauer, Thomas: Noch einmal: Der gesamtschuldnerische Ausgleich zwischen polizeilich Verantwortlichen, NJW 1995, 432 Fischer, Gero: Bericht über das Kolloquium „Die Problematik der Umwandlung der Verkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten“ anlässlich der Sitzung des Kuratoriums des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht am 26.02.1969 in Freiburg, ZStW 82 (1979), 108 Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch, 64. Aufl., München 2017, zitiert als Fischer StGB Fleischer, Holger: Kartellrechtsverstöße und Vorstandsrecht, BB 2008, 1070 Frank, Christoph/ Titz, Andrea: Die Kronzeugenregelung zwischen Legalitätsprinzip und Rechtsstaatlichkeit, ZRP 2009, 137 Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Wolfgang Jaeger/ Juliane Kokott/ Petra Pohlmann/ Dirk Schroeder (Hrsg.), Loseblattsammlung, zitiert als Bearbeiter in FK Frank-Thomasser, Alix/ Punz, Wolfgang: Das neue Unternehmensstrafrecht Praxiskommentar zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, Wien 2006, zitiert als Frank-Thomasser/ Punz Unternehmensstrafrecht von Freier, Friedrich: Kritik der Verbandsstrafe, Dissertation Hamburg, Berlin 1998 Ders.: Zurück hinter die Aufklärung: Zur Wiedereinführung von Verbandsstrafen, GA 2009, 98

Literaturverzeichnis

317

Freund, Georg/ Garro Carrera, Enara: Strafrechtliche Wiedergutmachung und ihr Verhältnis zum zivilrechtlichen Schadensersatz, ZStW 118 (2006), 76 Frisch, Wolfgang: Ermessen, unbestimmter Begriff und „Beurteilungsspielraum“ im Strafrecht, NJW 1973, 1345 Ders.: Gegenwärtiger Stand und Zukunftsperspektiven der Strafzumessungsdogmatik Teil 1 und 2, ZStW 99 (1987), 349 und 751 Ders.: Über die „Bewertungsrichtung“ von Strafzumessungstatsachen. Ein Beitrag zur Problematik komparativer Aussagen im Strafrecht, GA 1989, 338 Ders.: Unrecht und Schuld im Verbrechensbegriff und in der Strafzumessung in Grundfragen staatlichen Strafens Festschrift für Heinz Müller-Dietz zum 70. Geburtstag; Guido Britz/ Heike Jung/ Heinz Koriath/ Egon Müller (Hrsg.), München 2001, 237-259 Frister, Helmut: Schuldprinzip, Verbot der Verdachtsstrafe und Unschuldsvermutung als materielle Grundprinzipien des Strafrechts, Dissertation Bonn, Berlin 1988, zitiert als Frister Schuldprinzip Gänswein, Oliver: Gesamtschuldnerausgleich unter Kartellbeteiligten: Bestimmung des Haftungsansteils und Verjährung der Ausgleichsansprüche, NZKart 2016, 50 Ders./ Hiéramente, Mayeul: Kartellstrafverfahren – Herausforderungen für die Unternehmensverteidigung, NZKart 2017, 502 Gallwas, Hans-Ullrich: Strafnormen als Grundrechtsproblem, MDR 1969, 982 Gaul, Felix: Regressansprüche bei Kartellbußen im Lichte der Rechtsprechung und der aktuellen Debatte über die Reform der Organhaftung, AG 2015, 109 Glöckner, Jochen/ Müller-Tautphaeus, Ken: Rückgriffshaftung von Organmitgliedern bei Kartellrechtsverstößen, AG 2001, 344 Görner, André: Die Gesamtrechtsnachfolge in Kartellbußgeldverfahren nach § 30 Abs. 2a OWiG, ZWeR 2014, 102 Graf, Jürgen Peter/ Jäger, Markus/ Wittig, Petra: Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, München 2011, zitiert als Graf/Jürgen/Wittig/Bearbeiter Grasnick, Walter: Strafzumessung als Argumentation – Der „richtige“ Weg zur „richtigen“ Strafe, JA 1990, 81 Greco, Luís: Steht das Schuldprinzip der Einführung einer Strafbarkeit juristischer Personen entgegen? Zugleich Überlegungen zum Verhältnis von Strafe und Schuld, GA 2015, 503

318

Literaturverzeichnis

Gribbohm, Günter: Das Verbot strafschärfender Analogie und die strafzumessungsrechtlichen Doppelverwertungsverbote in Straf- und Strafverfahrensrecht, Recht und Verkehr Recht und Medizin Festschrift für Hannskarl Salger zum Abschied aus dem Amt als Vizepräsident des Bundesgerichtshofs; Albin Eser/ Hans Josef Kullmann/ Lutz Meyer-Goßner/ Walter Odersky/ Rainer Voss (Hrsg.), Köln 1995, 39-46 Gröblinghoff, Stefan: Die Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers zum Schutz der Interessen der Europäischen Gemeinschaften, Dissertation Freiburg, Heidelberg 1996, zitiert als Gröblinghoff Verpflichtung des deutschen Gesetzgebers Gürtler, Franz/ Seitz, Helmut (Hrsg.): Göhler Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 15. Aufl., München 2009, zitiert als Bearbeiter in Göhler 2009 Dies.: Göhler Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 16. Aufl., München 2012, zitiert als Göhler/ Bearbeiter Haeusermann, Axel: Der Verband als Straftäter und Strafprozeßsubjekt, Dissertation Freiburg, Freiburg 2003, zitiert als Haeusermann Verband als Straftäter Hamm, Rainer: Auch das noch: Strafrecht für Verbände!, NJW 1998, 662 Ders.: Wie man in richterlicher Unabhängigkeit vor unklaren Gesetzeslagen kapituliert, NJW 2001, 1694 Ders.: Compliance vor Recht? Anwälte bei der Bewältigung eines „Datenskandals“, NJW 2010, 1332 Hammerstein, Dominik: Geständnis und Strafzumessung, StV 2007, 48 Hartung, Fritz: Referat im Rahmen des 40. Deutschen Juristentags zur Frage der Verbandsstrafbarkeit, S. E 43, zitiert als Hartung Verbandsstrafbarkeit Hassemer, Winfried: Strafrecht, Prävention, Vergeltung. Eine Beipflichtung in Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder zum 70. Geburtstag; Andreas Hoyer/ Henning Ernst Müller/ Michael Pawlik/ Jürgen Wolter (Hrsg.), Heidelberg 2006, 51-65 Ders.: Grenzen des Wissens im Strafprozess, ZStW 121 (2009), 829 Ders./ Dallmeyer, Jens: Gesetzliche Orientierung im deutschen Recht der Kartellgeldbußen und das Grundgesetz, Baden-Baden 2009, zitiert als Hassemer/ Dallmeyer Haspl, Rüdiger: „Bußgeldrechtliche Haftung“ des Rechtsnachfolgers nach der Verschmelzungsrichtlinie, EuZW 2013, 888 Haus, Florian: Verfassungsprinzipien im Kartellbußgeldrecht – ein Auslaufmodell? Zu den anwendbaren Maßstäben bei der Bemessung umsatzbezogener Geldbußen nach § 81 Abs. 4 GWB, NZKart 2013, 183

Literaturverzeichnis

319

Heghmanns, Michael: Strafmilderungen für Geständnis oder Kooperation? in Festschrift für Friedrich Dencker zum 70. Geburtstag; Wilhelm Degener/ Michael Heghmanns (Hrsg.), Tübingen 2012, 155-170 Heidel, Thomas/ Hüßtege, Rainer/ Noack, Ulrich (Hrsg.): Nomos Kommentar BGB Band 1, 3. Aufl., Baden-Baden 2016, zitiert als NK-BGB-Bearbeiter Hein, Oliver: Verbandsstrafgesetzbuch (VerbStrG-E) – Bietet der Entwurf Anreize zur Vermeidung von Wirtschaftskriminalität in Unternehmen, CCZ 2014, 75 Heine, Günter: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, Habilitation Basel, Baden-Baden 1995, zitiert als Heine Verantwortlichkeit Ders.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen: internationale Entwicklung – nationale Konsequenzen, ÖJZ 1996, 211 Ders.: Kollektive Verantwortlichkeit in Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht; Albin Eser/ Peter Huber/ Karin Cornils, Freiburg 1998, 95-115 zitiert als Heine in Eser/Huber/Cornils Ders.: Unternehmen, Strafrecht und europäische Entwicklungen, ÖJZ 2000, 871 Ders.: Europäische Entwicklung bei der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Wirtschaftsunternehmen und deren Führungskräften, ZStrR 119 (2001), 22 Heinichen, Christian: Rechtsnachfolge im deutschen Kartellordnungswidrigkeitenrecht, WRP 2012, 159 Ders.: Auslegung des Kartellrechts – zugleich Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.2.2013 – KRB 20/12, NZWiSt 2013, 161 Heinitz, Ernst: Empfiehlt es sich, die Strafbarkeit der juristischen Person gesetzlich vorzusehen? Gutachten für den 40. Deutschen Juristentag, zitiert als Heinitz Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentags Gutachten E von Heintschel-Heinegg, Bernd (Hrsg.): Strafgesetzbuch Kommentar, 2. Aufl., München 2015, zitiert als Bearbeiter in v. Heintschel-Heinegg StGB Hellmann, Uwe: Richterliche Überzeugungsbildung und Schätzung bei der Bemessung strafrechtlicher Sanktionen, GA 1997, 503 Helmrich, Jan: Straftaten von Mitarbeitern zum Nachteil des „eigenen“ Unternehmens als Anknüpfungstaten für eine Verbandsgeldbuße, wistra 2010, 331 Henkel, Heinrich: Die „richtige“ Strafe Gedanken zur richterlichen Strafzumessung, Tübingen 1969, zitiert als Henkel Die „richtige“ Strafe Henssler, Martin/ Strohn, Lutz: Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., München 2016, zitiert als Bearbeiter in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht

320

Literaturverzeichnis

Ders./ Hoven, Elisa/ Kubiciel, Michael/ Weigend, Thomas: Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes, NZWiSt 2018, 1 Herbst, Christoph/ Wess, Norbert: Das VbVG und die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen, ZWF 2015, 118 Herzog, Felix/ Hoch, Temba: Anmerkung zu BGH Urt. v. 24.01.2006 – 1 StR 357/05, StV 2008, 524 Hettinger, Michael (Hrsg.): Verbandsstrafe Band 3 Bericht der Arbeitsgruppe „Strafbarkeit juristischer Personen“ an die Kommission nebst Gutachten sowie Auszug aus dem Abschlußbericht der Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionenrechts, Baden-Baden 2002, zitiert als Autor in Verbandsstrafe Hilf, Marianne: Grundkonzept und Terminologie des österreichischen strafrechtlichen Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG), NZWiSt 2016, 189 Hilgendorf, Eric: Grundfragen strafrechtlicher Compliance am Beispiel der strafrechtlichen Produkthaftung für teilautonome technische Systeme in Criminal Compliance vor den Aufgaben der Zukunft; Thomas Rotsch (Hrsg.), Baden-Baden 2013, 19-32, zitiert als Hilgendorf in Criminal Compliance vor den Aufgaben der Zukunft Hirsch, Hans Joachim: Wiedergutmachung des Schadens im Rahmen des materiellen Strafrechts, ZStW 102 (1990), 534 Ders.: Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden Vorträge G 324, RheinischWestfälische Akademie der Wissenschaften, Opladen 1993, zitiert als Hirsch Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden Ders.: Strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen, ZStW 107 (1995), 285 Hoenig, Klaus Marinus/ Klingen, Sebastian: Grenzen der Wissenszurechnung beim Unternehmenskauf, NZG 2013, 1046 Hörnle, Tatjana: Tatproportionale Strafzumessung, Dissertation München, Berlin 1999 Dies.: Das antiquierte Schuldverständnis der traditionellen Strafzumessungsrechtsprechung und -lehre, JZ 1999, 1080 Dies.: Rezension zu Lutz Meyer-Goßner Strafprozessordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen, 49. Aufl., GA 2007, 440 Holzinger, Kerstin/ Moringer, Wolfgang: Zur Frage der Verfassungswidrigkeit des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG), ÖJZ 2015, 403 Horn, Norbert: Die Haftung des Vorstands der AG nach § 93 AktG und die Pflichten des Aufsichtsrats, ZIP 1997, 1129

Literaturverzeichnis

321

Hoven, Elisa: Der nordrhein-westfälische Entwurf eines Verbandsstrafgesetzbuchs – Eine kritische Betrachtung von Begründungsmodell und Voraussetzungen der Straftatbestände, ZIS 2014, 19 von Hülsen, Philipp/ Kasten, Boris: Passivlegitimation von Konzernen im Kartell-Schadensersatzprozess? – Gedanken zur Umsetzung der Richtlinie 2014/104/EU, NZKart 2015, 296 Hugger, Heiner: Unternehmensinterne Untersuchungen – Erfahrungen und Standards der Praxis, ZHR 179 (2015), 214 Huss, Alphonse: Die Strafbarkeit der juristischen Personen, ZStW 90 (1978), 237 Immenga, Ulrich/ Mestmäcker, Ernst-Joachim: Wettbewerbsrecht Band 2 GWB/Teil 1 Kommentar zum Deutschen Kartellrecht, 5. Aufl., München 2014, zitiert als Bearbeiter in Immenga/Mestmäcker Ipsen, Jörn: Staatsrecht II Grundrechte, 19. Aufl., München 2016, zitiert als Ipsen Staatsrecht II Jäger, Christian: Die Unternehmensstrafe als Instrument zur Bekämpfung der Wirtschaftsdelinquenz in Festschrift für Imme Roxin; Lorenz Schulz/ Michael Reinhart/ Oliver Sahan (Hrsg.), Heidelberg 2012, 43-56 Jahn, Matthias: Ermittlungen in Sachen Siemens/SEC, StV 2009, 41 Ders./ Ebner, Markus: Die Anschlussdelikte – Geldwäsche (§§ 261-262 StGB), JuS 2009, 597 Ders./ Pietzsch, Franziska: Der NRW-Entwurf für ein Verbandsstrafgesetzbuch Eine Einführung in das Konzept und seine Folgefragen, ZIS 2015, 1 Ders./ Schmitt-Leonardy, Charlotte/ Schoop, Christian: Unternehmensverantwortung für Unternehmenskriminalität – „Frankfurter Thesen“, wistra 2018, 27 Jakobs, Günther: Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Berlin 1993, zitiert als Jakobs AT Ders.: Das Schuldprinzip Vorträge G 319, Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Opladen 1993, zitiert als Jakobs Schuldprinzip Ders.: Staatliche Strafe: Bedeutung und Zweck G 390, Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Paderborn 2004, zitiert als Jakobs Staatliche Strafe Ders.: Das Strafrecht zwischen Funktionalismus und „alteuropäischem“ Prinzipiendenken, ZStW 107 (1995), 843

322

Literaturverzeichnis

Ders.: Strafbarkeit juristischer Personen? in Festschrift für Klaus Lüderssen Zum 70. Geburtstag am 2. Mai 2002; Cornelius Prittwitz/ Michael Baurmann/ Klaus Günter/ Lothar Kuhlen/ Reinhard Merkel/ Cornelius Nestler/ Lorenz Schulz (Hrsg.); Baden-Baden 2002, 559-575 Jarass, Hans/ Pieroth, Bodo: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: GG, 14. Aufl., München 2016, zitiert als Jarass/Pieroth GG Jescheck, Hans-Heinrich: Zur Frage der Strafbarkeit von Personenverbänden, DöV 1953, 539 Ders.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Personenverbände, ZStW 65 (1953), 210 Ders.: Die Behandlung der Personenverbände im Strafrecht, ZStrR 70 (1955), 243 Ders./ Weigend, Thomas: Lehrbuch des Strafrechts Allgemeiner Teil, 5. Aufl., Berlin 1996, zitiert als Jescheck/ Weigend Strafrecht AT Jung, Heike: Compensation order – Ein Modell der Schadenswiedergutmachung, ZStW 99 (1987), 497 Kahlenberg, Harald/ Haellmigk, Christian: Neues Deutsches Kartellgesetz, BB 2005, 1509 Ders./ Schwinn, Hannes: Amnestieprogramme bei Compliance-Untersuchungen im Unternehmen, CCZ 2012, 81 Ders./ Neuhaus, Kai: Die Achte GWB-Novelle: Reform des deutschen Kartellrechts, BB 2013, 131 Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Lothar Senge (Hrsg.), 4. Aufl., München 2014, zitiert als KK-Bearbeiter OWiG Karollus, Martin: Zur verfassungsrechtlichen Verankerung des strafrechtlichen Schuldprinzips, ÖJZ 1987, 677 Kaspar, Johannes: Schadenswiedergutmachung und Täter-Opfer-Ausgleich bei Gesamtschuldnern Zugleich Besprechung von BGH, Urteil vom 25.5.2001, GA 2003, 146 Ders./ Wengenroth, Lenard: Die neue Kronzeugenregelung in § 46b StGB: Voraussetzungen, Kritikpunkte und straftheoretische Bedeutung, GA 2010, 453 Kaufmann, Arthur: Das Schuldprinzip eine strafrechtliche-rechtsphilosophische Untersuchung 2. Aufl., Heidelberg 1976, zitiert als Kaufmann Schuldprinzip Ders.: Strafrechtsdogmatik zwischen Sein und Wert, Gerhard Dornseifer/ Eckhard Horn/ Georg Schilling/ Wolfgang Schöne/ Eberhard Struensee/ Diethart Zielinski (Hrsg.) Köln 1982

Literaturverzeichnis

323

Kelker, Brigitte: Die Strafbarkeit juristischer Personen unter europäischem Konvergenzdruck in Festschrift für Volker Krey zum 70. Geburtstag am 09. Juli 2010, Knut Amelung/ Hans-Ludwig Günther/ Hans-Heiner Kühne (Hrsg.), Stuttgart 2010, 221-247 Kersting, Christian: Gesamtschuldnerausgleich bei Kartellgeldbußen, NZKart 2016, 147 Kert, Robert: Verfall und Abschöpfung in Österreich, NZWiSt 2016, 203 Ders.: Verbandsverantwortlichkeit und Schuldgrundsatz, ÖZW 2018, 16 Kienast, Rainer: Kronzeugenregelung: Amnestieangebote und ihre Grenzen in Unternehmensstrafrecht Festschrift für Jürgen Wessing zum 65. Geburtstag; Heiko Ahlbrecht/ Matthias Dann/ Helga Wessing/ Helmut Frister/ Dennis Bock (Hrsg.); München 2015, 649-663 Kilchling, Michael: Aktuelle Perspektiven für den Täter-Opfer-Ausgleich und Wiedergutmachung im Erwachsenenstrafrecht. Eine kritische Würdigung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 46a StGB aus viktimologischer Sicht, NStZ 1996, 309 Ders.: Opferschutz und der Strafanspruch des Staates – ein Widerspruch?, NStZ 2002, 57 Kirch-Heim, Claudio: Sanktionen gegen Unternehmen Rechtsinstrumente zur Bekämpfung unternehmensbezogener Straftaten, Dissertation Bucerius Law School, Berlin 2007, zitiert als Kirch-Heim Sanktionen gegen Unternehmen Klesczweski, Diethelm: Gewinnabschöpfung mit Säumniszuschlag – Versuch über die Rechtsnatur der Verbandsgeldbuße (§ 30 OWiG) in Festschrift für Manfred Seebode zum 70. Geburtstag am 15. September 2008; Hendrik Schneider/ Michael Kahlo/ Diethelm Klesczweski/ Heribert Schumann (Hrsg.), Berlin 2008, 179-196 Ders.: Ordnungswidrigkeitenrecht Ein Lehrbuch, 2. Aufl., München 2016 Klindt, Thomas/ Pelz, Christian/ Theusinger, Ingo: Compliance im Spiegel der Rechtsprechung, NJW 2010, 2385 Klocker, Peter/ Ost, Konrad: Nach der Novelle ist vor der Novelle – Themen einer 8. GWBNovelle in Recht und Wettbewerb Festschrift für Rainer Bechtold; Ingo Brinker/ Dieter H. Scheuing/ Kurt Stockmann (Hrsg.), München 2006, 229-251 Knauer, Christoph: Interne Ermittlungen (Teil I) – Grundlagen, ZWH 2012, 41 Koch, Jens: Der kartellrechtliche Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund, ZHR 171 (2007), 554 Ders.: Die Konzernobergesellschaft als Unternehmensinhaber i.S.d. § 130 OWiG?, AG 2009, 564 Koch, Robert: Ersatzfähigkeit von Kartellbußen, VersR 2015, 655

324

Literaturverzeichnis

Köck, Elisabeth: Zur Regierungsvorlage eines Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes, JBl 2005, 477 Kölbel, Ralf: Criminal Compliance – ein Missverständnis des Strafrechts?, ZStW 125 (2013), 499 Ders.: Kriminologischer Kommentar zum Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes, NZWiSt 2018, 407 König, Stefan: Wieder da: Die „große“ Kronzeugenregelung, NJW 2009, 2481 Ders.: Kronzeuge – abschaffen oder regulieren?, StV 2012, 113 Kohler, Josef: Straffähigkeit der juristischen Person, GA 1917, 500 Kohler-Gehrig, Eleonora: Der gesamtschuldnerische Innenausgleich zwischen Zustands- und Verhaltensstörer im Polizei- und Ordnungsrecht, NVwZ 1992, 1049 Kollmann, Anni/ Aufdermauer, Christian: „Für die gegen eine Gesellschaft verhängte Unternehmenskartellgeldbuße kann im Innenverhältnis kein Regress beim Geschäftsführer genommen werden“, BB 2015, 1024 Korte, Matthias: Juristische Personen und strafrechtliche Verantwortung, Dissertation Bonn, Bonn 1991 Krause, Daniel: Was bewirkt Compliance?, StraFo 2011, 437 Krebs, Peter/ Eufinger, Alexander/ Jung, Stefanie: Bußgeldminderung durch ComplianceProgramme im deutschen Kartellbußgeldverfahren?, CCZ 2011, 213 Krehl, Christoph: Vermögensberücksichtigung bei der Geldstrafenbemessung?, NStZ 1988, 62 Krekeler, Wilhelm: Brauchen wir ein Unternehmensstrafrecht ? in Festschrift für Ernst-Walter Hanack zum 70. Geburtstag am 30.08.1999; Udo Ebert/ Peter Rieß/ Claus Roxin/ Eberhard Wahle (Hrsg.); Berlin 1999, 639-663 Kubiciel, Michael: Verbandsstrafe – Verfassungskonformität und Systemkompatibilität, ZRP 2014, 133 Ders.: Compliance als Strafausschlussgrund in einem künftigen Unternehmensstrafrecht in Unternehmensstrafrecht Festschrift für Jürgen Wessing zum 65. Geburtstag; Heiko Ahlbrecht/ Matthias Dann/ Helga Wessing/ Helmut Frister/ Dennis Bock (Hrsg.); München 2015, 69-78 Ders.: Die deutschen Unternehmensgeldbußen: Ein nicht wettbewerbsfähiges Modell und seine Alternativen, NZWiSt 2016, 178

Literaturverzeichnis

325

Ders./ Gräbener, Niklas: Grundlinien eines modernen Verbandssanktionenrechts, ZRP 2016, 137 Kubink, Michael: Das Prinzip der Selbstverantwortung – ein neuer Strafrechtsparameter für Tatbestand und Sanktion in Festschrift für Günter Kohlmann zum 70. Geburtstag; Hans Joachim Hirsch/ Jürgen Wolter/ Uwe Brauns (Hrsg.); Köln 2003, 53-70 Kudlich, Hans: Deliktskataloge für eine Verbandsstrafbarkeit in Unternehmensstrafrecht; Eberhard Kempf/ Klaus Lüderssen/ Klaus Volk (Hrsg.); Berlin 2012, 217-229, zitiert als Kudlich Unternehmensstrafrecht Kühl, Kristian/ Heger, Martin: Anmerkung zu BGH Urt. v. 25.05.2011 – 2 StR 78/01, JZ 2002, 363 Dies.: Lackner Kühl Strafgesetzbuch Kommentar, 28. Aufl., München 2014, zitiert als Lackner Kühl StGB Kuhlen, Lothar: Strafrechtliche Haftung von Führungskräften in Corporate Compliance und Arbeitsrecht; Frank Maschmann (Hrsg.), Baden-Baden 2009, 11-30, zitiert als Kuhlen in Corporate Compliance und Arbeitsrecht Ders.: Grundfragen von Compliance und Strafrecht in Compliance und Strafrecht; Lothar Kuhlen/ Hans Kudlich/ Íñigo Ortiz de Urbina (Hrsg.); Heidelberg 2013, 1-25, zitiert als Kuhlen in Compliance und Strafrecht Lampe, Ernst-Joachim: Der neue Tatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB), JZ 1994, 123 Ders.: Systemunrecht und Unrechtssysteme, ZStW 106 (1994), 683-735 Landau, Herbert: Die deutsche Strafrechtsdogmatik zwischen Anpassung und Selbstbehauptung – Grenzkontrolle der Kriminalpolitik durch die Dogmatik, ZStW 121 (2009), 965 Ders.: Strafrecht nach Lissabon, NStZ 2011, 537 Langen, Eugen/ Bunte, Hermann Josef (Hrsg.): Kartellrecht Band 1 Deutsches Kartellrecht, 12. Auflage, Köln 2012, zitiert als Langen/Bunte-Bearbeiter Lang-Hinrichsen, Dietrich: Verbandsunrecht in Festschrift für Hellmuth Mayer zum 70. Geburtstag am 1. Mai 1965, Friedrich Geerds/ Wolfgang Naucke (Hrsg.), Berlin 1966, 49-78 Leipold, Klaus/ Tsambikakis, Michael/ Zöller, Mark (Hrsg.): AnwaltKommentar StGB, 2. Aufl., Heidelberg 2015, zitiert als Bearbeiter in AnwK StGB Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch; Heinrich-Wilhelm Laufhütte/ Ruth Rissing-van Saan/ Klaus Tiedemann (Hrsg.); Großkommentar, 12. Aufl., Berlin 2010, zitiert als Bearbeiter in LK StGB

326

Literaturverzeichnis

Lemke, Michael/ Mosbacher, Andreas: Ordnungswidrigkeitengesetz Kommentar, 2. Aufl., Heidelberg 2005, zitiert als Lemke/Mosbacher OWiG Lewisch, Peter: Verfassung und Strafrecht, Wien 1993 von Liszt, Franz: Der Zweckgedanke im Strafrecht, ZStW 3 (1883), 1 Löbbe, Marc: Konzernverantwortung und Umwandlungsrecht – Vermeidung von Verantwortlichkeit am Beispiel des Kartellordnungswidrigkeitenrechts – , ZHR 177 (2013), 518 Löffelmann, Markus: Der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden, JR 2014, 185 Loewenheim, Ulrich/ Meessen, Karl/ Riesenkampff, Alexander/ Kersting, Christian/ MeyerLindemann, Hans Jürgen (Hrsg.): Kartellrecht Kommentar, 3. Aufl., München 2016, zitiert als Bearbeiter in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff Löschnig-Gspandl, Marianne: „Strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen“ Österreichische Gesellschaft für europäisches Strafrecht, Fachtagung vom 6. bis 8.11.1998 in Graz, ÖJZ 2000, 888 Dies.: Zur Bestrafung juristischer Personen, ÖJZ 2002, 241 Dies.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in Österreich, Habilitation Graz, Graz 2003 Lösler, Thomas: Das moderne Verständnis von Compliance im Finanzmarktrecht, NZG 2005, 104 Lohbeck, Andreas: Societas delinquere non potest – Ein Federstrich des Gesetzgebers und das Unternehmen ist strafbar?, JSE 2014, 5 Loos, Fritz: Bemerkungen zu § 46a StGB in Festschrift für Hans Joachim Hirsch zum 70. Geburtstag am 11. April 1999; Thomas Weigend/ Georg Küpper (Hrsg.); Berlin 1999, 851-877 Lüdenbach, Norbert/ Freiberg, Jens: Die Regelungen des BilRUG im Jahresabschluss, StuB 2015, 563 Lützeler, Martin/ Müller-Sartori, Patrick: Die Befragung des Arbeitnehmers – Auskunftspflicht oder Zeugnisverweigerungsrecht?, CCZ 2011, 19 Mäger, Thorsten/ von Schreitter, Florian: Abschütteln von Kartellgeldbußen durch Umstrukturierung? – Eine Zwischenbilanz nach der 8. GWB-Novelle, DB 2014, 643 Ders.: Dürfen im deutschen Bußgeldverfahren mitten im Spiel die Regeln verändert werden?, WuW 2018, 293

Literaturverzeichnis

327

Mansdörfer, Marco: „Zuwiderhandlungen“ der „Entscheidungsträger“ und „Verletzung von Verbandspflichten“ Dogmatische Inkonsistenzen im nordrhein-westfälischen Entwurf eines Verbandsstrafrechts, ZIS 2015, 23 Ders./ Timmerbeil, Sven: Zurechnung und Haftungsdurchgriff im Konzern – Eine rechtsgebietsübergreifende Betrachtung –, WM 2004, 362 Marcuse, H.: Die Verbrechensfähigkeit juristischer Personen, GA 1917, 478 Maunz, Theodor/ Dürig, Günter: Grundgesetz, 77. Aufl., Roman Herzog/ Rupert Scholz/ Matthias Herdegen/ Hans Klein (Hrsg.), München 2016, zitiert als Bearbeiter in Maunz-Dürig Kommentar zum GG Maurach, Reinhart/ Gössel, Karl Heinz/ Zipf, Heinz: Strafrecht Allgemeiner Teil Teilband 2, 8. Aufl., Heidelberg 2014, zitiert als Maurach/Gössel/Zipf Strafrecht AT 2 Maurer, Hartmut: Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl., München 2009, zitiert als Maurer Allg. Verwaltungsrecht Meemar, Andrea Farivar: Die Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe Der Versuch eines Ausgleichs zwischen Verfahrensökonomie und Opfergleichheit unter Berücksichtigung des Steuerrechts, Dissertation, Berlin 2008, zitiert als Meemar Die Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe Meier, Bernd-Dieter: Täter-Opfer-Ausgleich und Wiedergutmachung im Strafrecht, JuS 1996, 436 Ders.: Konstruktive Tatverarbeitung im Strafrecht – Bestandsaufnahme und Perspektiven –, GA 1999, 1 Ders.: Nachtatverhalten und Strafzumessung, GA 2015, 443 Ders.: Strafrechtliche Sanktionen, 4. Aufl., Berlin 2015 Meine, Hans-Gerd: Der Schuldrahmen in der Praxis der Strafzumessung, NStZ 1994, 159 Meinhold-Heerlein, Dirk/ Engelhoven Philipp: Verzinsung von Kartellbußen, NZKart 2013, 104 Meyer, Jürgen: Verbotsirrtum im Ordnungswidrigkeitenrecht, JuS 1983, 513 Meyer-Goßner, Lutz/ Schmitt, Bertram: Strafprozessordnung, 59. Aufl., München 2016, zitiert als Meyer-Goßner StPO Meyer-Lindemann, Hans Jürgen: Anmerkung zu BGH Beschluss v. 26.02.2013 – KRB 20/12, NJW 2013, 1976 Michalski, Lutz: Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 2. Aufl., München 2010, zitiert als Michalski/ Bearbeiter

328

Literaturverzeichnis

Mitsch, Wolfgang: Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Aufl., Berlin 2005, zitiert als Mitsch OWiR Ders.: Täterschaft und Teilnahme bei der „Verbandsstraftat“, NZWiSt 2014, 1 Momsen, Carsten/ Grützner, Thomas: Verfahrensregeln für interne Ermittlungen, DB 2011, 1792 Dies.: Wirtschaftsstrafrecht Handbuch für die Unternehmens- und Anwaltspraxis, München 2013, zitiert als Bearbeiter in Momsen/Grützner Montiel, Juan Pablo: Unternehmerische „Selbstreinigung“: Compliance-Programme, interne Untersuchungen und Neutralisierung strafrechtlicher Risiken in Compliance und Strafrecht; Lothar Kuhlen/ Hans Kudlich/ Íñigo Ortiz de Urbina (Hrsg.); Heidelberg 2013, 185-208, zitiert als Montiel in Compliance und Strafrecht Moosmayer, Klaus/ Gropp-Stadler, Susanne: Der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Änderung der §§ 30, 130 OWiG: Ein Zwischenruf, NZWiSt 2012, 241 Ders.: Modethema oder Pflichtprogramm guter Unternehmensführung? – Zehn Thesen zu Compliance, NJW 2012, 3013 Ders.: Compliance Praxisleitfaden für Unternehmen, 3. Aufl., München 2015, zitiert als Moosmayer Compliance Mösl, Albert: Zum Straftzumessungsrecht, NStZ 1981, 425 Mühlhoff, Uwe: Lieber der Spatz in der Hand ... oder: Nach der Novelle ist vor der Novelle! Zu den wesentlichen Änderungen des allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrechts und des Kartellordnungswidrigkeitenrechts durch die 8. GWB-Novelle, NZWiSt 2013, 321 Müller, Ekkehart: Die Stellung der juristischen Person im Ordnungswidrigkeitenrecht, Köln 1985 Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch; Wolfgang Joecks/ Klaus Miebach (Hrsg.); Band 2, Band 4, 2. Aufl., München 2012, zitiert als Bearbeiter in MüKo StGB Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht; Joachim Bornkamm/ Frank Montag/ Franz Jürgen Säcker (Hrsg.); Band 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), 2. Aufl., München 2015, zitiert als MüKo-Bearbeiter GWB Mundt, Andreas: Die Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamtes, WuW 2007, 458 Neumann, Ulfrid: Zur Bedeutung von Modellen in der Dogmatik des Strafzumessungsrechts („Punktstrafe“, „Spielraumtheorie“, „Normalfall“) in Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag am 11. Juli 1992, Manfred Seebode (Hrsg.), Berlin 1992, 435-449

Literaturverzeichnis

329

Ders.: Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden – rechtstheoretische Prolegomena in Unternehmensstrafrecht; Eberhard Kempf/ Klaus Lüderssen/ Klaus Volk (Hrsg.); Berlin 2012, 13-20, zitiert als Neumann in Kempf/Lüderssen Volk Unternehmensstrafrecht Nieto Martín, Adán: Grundlegende Probleme von Compliance und Strafrecht in Compliance und Strafrecht; Lothar Kuhlen/ Hans Kudlich/ Íñigo Ortiz de Urbina (Hrsg.); Heidelberg 2013, 27-55, zitiert als Nieto Martín in Compliance und Strafrecht Noltenius, Bettina: Kritische Anmerkungen zum Täter-Opfer-Ausgleich, GA 2007, 518 Ost, Konrad: Kartellbußgelder, Grundrechte und europäische Konvergenz: der Nebel lichtet sich ..., NZKart 2013, 173 Ders.: Much ado about nothing? Zur Forderung stärkerer Berücksichtigung von ComplianceProgrammen im deutschen Kartellbußgeldverfahren in Privat- und Wirtschaftsrecht in Europa Festschrift für Wulf-Henning Roth zum 70. Geburtstag; Thomas Ackermann/ Johannes Köndgen (Hrsg.); München 2015, 413-429 Ders./ Kallfaß, Gunnar/ Roesen, Katrin: Einführung einer Unternehmensverantwortlichkeit im deutschen Kartellsanktionenrecht – Anmerkungen zum Entwurf der 9. GWBNovelle, NZKart 2016, 447 Ders./ Breuer, Ludger: Behördliche und gerichtliche Bußgeldzumessung im Kartellrecht: Fakten und Mythen, NZKart 2019, 119 Otto, Harro: Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden, Berlin 1993 Ders.: Die Haftung für kriminelle Handlungen im Unternehmen, Jura 1998, 409 Palandt, Otto (Begr.): Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, 75. Aufl., München 2016 Pampel, Gunnar: Die Bedeutung von Compliance-Programmen im Kartellordnungswidrigkeitenrecht, BB 2007, 1636 Papachristos, Spyridon: Sanktionen gegen ausländische juristische Personen, Personenvereinigungen und Handelsgesellschaften, Dissertation Gießen, Gießen 1998, zitiert als Papachristos Sanktionen Peglau, Jens: Unbeantwortete Fragen der Strafbarkeit von Personenverbänden, ZRP 2001, 406 Ders.: Strafbarkeit von Personenverbänden, JA 2001, 606 Ders.: Die neue „Kronzeugenregelung“ (§ 46b StGB), wistra 2009, 409 Ders.: Neues zur „Kronzeugenregelung“ – Beschränkung auf Zusammenhangstaten, NJW 2013, 1910

330

Literaturverzeichnis

Pernthaler, Peter/ Ranacher, Christian: Der verfassungswidrige „Ablasshandel“. Eine Untersuchung zur strafrechtlichen Diversion der Zahlung eines Geldbetrages durch den Staatsanwalt, JBl 2002, 280 Petermann, Stefan: Konzernweite Compliance-Maßnahmen und die angezogenen unternehmensrechtlichen „Daumenschrauben“ in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund; Jörg Eisele/ Jens Koch/ Hans Theile (Hrsg.); Tübingen 2014, 99-115, zitiert als Petermann in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund Peters, Sebastian/ Hammes, Philipp Gerald: Neuralgische Punkte des Entwurfs zum Gesetz eines Unternehmensstrafrechts – Aktuelles zum Stand der Dinge, ZWH 2015, 49 Pieth, Mark: Internationale Anstöße zur Einführung einer strafrechtlichen Unternehmenshaftung in der Schweiz, ZStrR 119 (2001), 1 Ders.: Strafverfahren gegen das Unternehmen in Menschengerechtes Strafrecht Festschrift für Albin Eser zum 70. Geburtstag; Jörg Arnold/ Björn Burkhard/ Walter Gropp/ Günter Heine/ Hans-Georg Koch/ Otto Lagodny/ Walter Perron/ Susanne Walter (Hrsg.), München 2005, 599-616 Pohl-Sichtermann, Rotraut: Geldbuße gegen Verbände, Dissertation Bochum, Bochum 1974 Pollak, Andreas: Die neue österreichische Kronzeugenregelung im Wirtschaftsstrafrecht, WiJ 2017, 90 Priester, Hans Joachim: Unbeschränkte Konzernhaftung des GmbH-Gesellschafters, ZIP 1986, 137 Ders./ Mayer, Dieter/ Wicke, Hartmut (Hrsg.): Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Band 3 Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 4. Aufl., München 2012, zitiert als Münch. Hdb. GesR III/ Bearbeiter Prütting, Hanns/ Wegen, Gerhard/ Weinreich, Gerd (Hrsg.): Prütting Wegen Weinreich Bürgerliches Gesetzbuch Kommentar, 11. Aufl., München 2016, zitiert als PWW Queck, Nadine: Die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zugunsten von Unternehmen, Dissertation Dresden, Berlin 2005, zitiert als Queck Ransiek, Andreas: Unternehmensstrafrecht, Habilitation Bielefeld, Heidelberg 1996 Ders.: Strafrecht im Unternehmen und Konzern, ZGR 1999, 613 Ders.: Zur strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmen, NZWiSt 2012, 45 Reichert, Jochem: Reaktionspflichten und Reaktionsmöglichkeiten der Organe auf (möglicherweise) strafrechtsrelevantes Verhalten innerhalb des Unternehmens, ZIS 2011, 113

Literaturverzeichnis

331

Reichling, Tilman: Anmerkung zu BGH Beschluss v. 10.08.2011 – KRB 55/10, NJW 2012, 166 Ringelmann, Christoph: Kollektive Verantwortlichkeit in Strafrecht als ultima ratio Gedächtnisschrift für Günter Heine; Walter Gropp/ Bernd Hecker/ Arthur Kreuzer/ Christoph Ringelmann/ Lars Witteck/ Gabriele Wolfslast (Hrsg.); Tübingen 2016, 295-308 Rönnau, Thomas: Strafrecht und Selbstregulierung – Chance und Risiko in Begegnungen im Recht Ringvorlesung der Bucerius Law School zu Ehren von Karsten Schmidt anlässlich seines 70. Geburtstags, Tübingen 2012, 237-258, zitiert als Rönnau in Begegnungen im Recht Ders./ Wegner, Kilian: Reform des Rechts der Verbandssanktionen – europäische und internationale Vorgaben, ZRP 2014, 158 Ders.: Haftung für unterlassene Aufsicht nach § 130 OWiG und strafrechtlicher (Drittempfänger-) Verfall gemäß § 73 Abs. 3 StGB – zwei bedeutsame Bedrohungsszenarien für Unternehmen, ZGR 2016, 277 Rössner, Dieter/ Bannenberg, Britta: Das System der Wiedergutmachung im StGB unter besonderer Berücksichtigung von Auslegung und Anwendung des § 46a StGB in Gedächtnisschrift für Dieter Meurer; Eva Graul/ Gerhard Wolf (Hrsg.); Berlin 2002, 157-177 Rogall, Klaus: Dogmatische und kriminalpolitische Probleme der Aufsichtspflichtverletzung in Betrieben und Unternehmen (§ 130 OWiG), ZStW 98 (1986), 573 Ders.: Kriminalstrafe gegen juristische Personen?, GA 2015, 260 Rohregger, Michael: Die Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten, ÖZW 2018, 27 Rose, Frank: Das Verhältnis von zivilrechtlichen Zahlungen nach Vergleichsverhandlungen und strafrechtlicher Wiedergutmachung nach § 46a StGB, JR 2010, 189 Rotberg, Hans Eberhard: Für Strafe gegen Verbände! in Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages; Ernst von Caemmerer/ Ernst Friesenhahn/ Richard Lange (Hrsg.); Karlsruhe 1960, 193-228, zitiert als Rotberg in Festschrift 100 Jahre Deutscher Juristentag Rotsch, Thomas: Criminal Compliance, ZIS 2010, 614 Ders.: Compliance und Strafrecht – Konsequenzen einer Neuentdeckung in Recht – Wirtschaft – Strafe Festschrift für Erich Samson zum 70. Geburtstag; Wolfgang Joecks/ Heribert Ostendorf/ Thomas Rönnau/ Thomas Rotsch/ Roland Schmitz (Hrsg.), Heidelberg 2010, 141-160 Ders.: Compliance und Strafrecht – Fragen, Bedeutung, Perspektiven Vorbemerkungen zu einer Theorie der sog. „Criminal Compliance“, ZStW 125 (2013), 481

332

Literaturverzeichnis

Ders. (Hrsg.): Handbuch Criminal Compliance, Baden-Baden 2015, zitiert als Rotsch Criminal Compliance-Bearbeiter Roxin, Claus: Strafzumessung im Lichte der Strafzwecke in Lebendiges Strafrecht Festgabe zum 65. Geburtstag von Hans Schultz; Hans Walder/ Stefan Trechsel (Hrsg.); Bern 1977, 463-481 Ders.: Prävention und Strafzumessung in Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag; Wolfgang Frisch/ Werner Schmid (Hrsg.); Köln 1978, 183-204 Ders.: Die Wiedergutmachung im System der Strafzwecke in Wiedergutmachung und Strafrecht Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Friedrich Schaffstein; Heinz Schöch (Hrsg.); München 1987, 37-55 zitiert als Roxin in Wiedergutmachung und Strafrecht Ders.: Strafrecht Allgemeiner Teil Band I, 4. Aufl., München 2006, zitiert als Roxin AT I Ders.: Strafe und Strafzwecke in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in In dubio pro libertate Festschrift für Klaus Volk zum 65. Geburtstag; Winfried Hassemer/ Eberhard Kempf/ Sergio Moccia (Hrsg.); München 2009, 601-616 Roxin, Imme: Im Straf- und Strafprozessrecht geregelte Sanktionen gegen Unternehmen in Unternehmensstrafrecht; Eberhard Kempf/ Klaus Lüderssen/ Klaus Volk (Hrsg.); Berlin 2012, 37-54 zitiert als I. Roxin in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht Rübenstahl, Marcus: Deutschland braucht kein (solches) Unternehmensstrafrecht Kritische Anmerkungen zum Entwurf eines Verbandsstrafgesetzbuchs, ZRFC 2014, 26 Russ, Wolfgang/ Janßen, Christian / Götze, Thomas: BilRuG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht Kommentar, Düsseldorf 2015, zitiert als Autor in Russ/Janßen/Götze, BilRUG-Kommentar Rust, Ulrich: Innenregress und Haftung der Unternehmensleitung bei Kartellverstößen, ZWeR 2015, 299 Ders.: Kartellverstoß und Gesamtschuld – Bestandsaufnahme und Ausblick, NZKart 2015, 502 Sachs, Michael: Ziele eines Unternehmensstrafrechts und die Frage seiner Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht in Unternehmensstrafrecht; Eberhard Kempf/ Klaus Lüderssen/ Klaus Volk (Hrsg.); Berlin 2012, 195-204, zitiert als Sachs in Kempf/Lüderssen/Volk Unternehmensstrafrecht Ders. (Hrsg.): Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl., München 2014, zitiert als Bearbeiter in Sachs GG Salditt, Franz: Allgemeine Honorierung besonderer Aufklärungshilfe – Anmerkungen zum Entwurf einer dritten Säule des Strafzumessungsrechts (§ 46b E-StGB), StV 2009, 375

Literaturverzeichnis

333

Saliger, Frank : Grenzen der Opportunität: § 153a StPO und der Fall Kohl Zugleich Besprechung von LG Bonn, Beschluss vom 28.2.2001, GA 2005, 155 Ders.: Umweltstrafrecht, München 2012 Ders.: Privatisierung im Strafrecht in Begegnungen im Recht Ringvorlesung der Bucerius Law School zu Ehren von Karsten Schmidt anlässlich seines 70. Geburtstags, Tübingen 2012, 215-235, zitiert als Saliger in Begegnungen im Recht Ders.: Grundfragen von Criminal Compliance, RW 2013, 263 Satzger, Helmut: Die Europäisierung des Strafrechts Eine Untersuchung zum Einfluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das deutsche Strafrecht, Habilitation Passau, Köln 2000, zitiert als Satzger Europäisierung Ders.: Internationales und Europäisches Strafrecht, 7. Auflage, München 2016, zitiert als Satzger EStR Ders./ Schluckebier, Wilhelm/ Widmaier, Gunter (Hrsg.): StGB Strafgesetzbuch Kommentar, 3. Aufl., München 2016, zitiert als Bearbeiter in SSW-StGB von Saucken, Alexander: Anmerkung zu BVerfG, Urt. v. 20.8.2015 – 1 BvR 980/15, ZWH 2015, 386 Schäfer, Gerhard/ Sander, Günther/ van Gemmeren, Gerhard: Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., München 2012, zitiert als Schäfer Praxis der Strafzumessung Schaefer, Hans Christoph: Zu einer möglichen Neuauflage der Kronzeugenregelung, NJW 2000, 2325 Schaffstein, Friedrich: Spielraum-Theorie, Schuldbegriff und Strafzumessung nach den Strafrechtsreformgesetzen in Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag am 22. Juli 1973, Berlin 1973, 99-116 Schall, Hero/ Schreibauer, Marcus: Gegenwärtige und zukünftige Sanktionen bei Umweltdelikten, NuR 1996, 440 Schenke, Wolf Rüdiger: Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl., Heidelberg 2016, zitiert als Schenke POR Schick, Peter: Bestimmtheitsgrundsatz und Analogieverbot. Der Weg zu einer „Kriminalpolitischen Auslegungslehre“ in Staatsrecht in Theorie und Praxis, Festschrift für Robert Walter zum 60. Geburtstag; Heinz Mayer/ Clemens Jabloner/ Gabriele KucskoStadlmayer/ René Laurer/ Kurt Ringhofer/ Rudolf Thienel (Hrsg.); Wien 1991, 625-647 Schiffers, Joachim: GmbH Handbuch, Lfg. 154 November 2015

334

Literaturverzeichnis

Schmid, Niklaus: Einige Aspekte der Strafbarkeit des Unternehmens nach dem neuen Allgemeinen Teil des Schweizerischen Gesetzbuchs in Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht Festschrift für Peter Forstmoser zum 60. Geburtstag; Hans Caspar von der Crone/ Rolf H. Weber/ Roger Zäch/ Dieter Zobl (Hrsg.); Zürich 2003, 761-781 Schmidt, Karsten: Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Köln 2002 Ders.: Handelsrecht, 6. Aufl., Köln 2014 Schmidt-Hieber, Werner: Vereinbarungen im Strafverfahren, NJW 1982, 1017 Ders.: Hinweis auf die strafmildernden Wirkungen eines Geständnisses? in Festschrift für Rudolf Wassermann zum sechzigsten Geburtstag; Christian Broda/ Erwin Deutsch/ Hans-Ludwig Schreiber/ Hans-Jochen Vogel; München 1985, 995-1005 Schmitt, Joachim/ Hörtnagel, Robert/ Stratz, Rolf Christian: Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz, 6. Aufl., München 2012, zitiert als Schmitt/Hörtnagel/Stratz UmwG/UmwStG Schmitt, Rolf: Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände, Habilitation Mainz, Stuttgart 1958 Schneider, Uwe: Compliance als Aufgabe der Unternehmensleitung, ZIP 2003, 645 Schneidewin, Karl: Zur Lehre vom Strafmaß, JZ 1955, 505 Schöch, Heinz: Empirische Grundlagen der Generalprävention in Festschrift für HansHeinrich Jescheck zum 70. Geburtstag; Theo Vogler/ Joachim Herrmann/ Justus Krümpelmann/ Reinhard Moos/ Otto Triffterer/ Rudolf Leibinger/ Dieter Schaffmeister/ Jürgen Meyer/ Peter Hüne (Hrsg.); Berlin 1985, 1081-1106 Ders.: Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung in 50 Jahre Bundesgerichtshof Festgabe aus der Wissenschaft Band IV Strafrecht, Strafprozessrecht; Claus Roxin/ Gunter Widmaier (Hrsg.); München 2000, 309-338, zitiert als Schöch in Festgabe BGH Ders.: Die „unterbelichtete“ Schadenswiedergutmachung gemäß § 46a StGB in Festschrift für Ruth Rissing-van Saan zum 65. Geburtstag am 25. Januar 2011; Klaus Bernsmann/ Thomas Fischer (Hrsg.); Berlin 2011, 639-655 Scholz, Franz (Hrsg.): GmbHG, 11. Aufl., Köln 2015, zitiert als Scholz/ Bearbeiter Scholz, Rupert: Strafbarkeit juristischer Personen ?, ZRP 2000, 435 Schorn, Martin/ Sprenger, Johanna: Deferred Prosecution Agreements im Anwendungsbereich des UK Bribery Act, CCZ 2013, 104 von Schreitter, Florian: Die kartellordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung nach § 130 OWiG – ein Risiko für Konzernobergesellschaften, NZKart 2016, 253

Literaturverzeichnis

335

Schröder, Christian: Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., Köln 2015 Schünemann, Bernd: Unternehmenskriminalität und Strafrecht Eine Untersuchung der Verantwortlichkeit der Unternehmen und ihrer Führungskräfte nach geltendem und geplantem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, Köln 1979, zitiert als Schünemann Unternehmenskriminalität Ders.: Strafrechtsdogmatische und kriminalpolitische Grundfragen der Unternehmenskriminalität, wistra 1982, 41 Ders.: Plädoyer für eine neue Theorie der Strafzumessung in Neuere Tendenzen der Kriminalpolitik Beiträge zu einem deutsch-skandinavischen Strafrechtskolloquium; Albin Eser/ Karin Cornils (Hrsg.); Freiburg 1987, 209-238, zitiert als Schünemann in Neuere Tendenzen der Kriminalpolitik Ders.: Ist eine strafrechtliche Haftung von Wirtschaftsunternehmen zulässig und erforderlich? in International Conference on Environmental Criminal Law, The Taiwan/ROC Chapter, International Association of Penal Law (AIDP), Taiwan 1992, 433-473, zitiert als Schünemann in Taiwan ROC/Chapter Ders.: Die Strafbarkeit der juristischen Person aus deutscher und europäischer Sicht in Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, Madrid-Symposium für Klaus Tiedemann; Bernd Schünemann/ Carlos Suárez González (Hrsg.); Köln 1996, 265-295 zitiert als Schünemann in Madrid-Symposium Ders.: Criticising the Notion of a Genuine Criminal Law against Legal Entities in Criminal Responsibility of Legal and Collective Entities International Colloquium Berlin May 4-6 1998; Albin Eser/ Gunter Heine/ Barbara Huber (Hrsg.); Freiburg 1999, 143-152, zitiert als Schünemann in Criminal Responsibility Ders.: Strafrechtliche Sanktionen gegen Wirtschaftsunternehmen? in Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht – Dogmatik, Rechtsvergleich, Rechtstatsachen – Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag; Ulrich Sieber/ Gerhard Dannecker/ Urs Kindhäuser/ Joachim Vogel/ Tonio Walter (Hrsg.); Köln 2008, 429-447 Ders.: Wohin treibt der deutsche Strafprozess?, ZStW 114 (2002), 60 Ders.: Die aktuelle Forderung eines Verbandsstrafrechts – Ein kriminalpolitischer Zombie, ZIS 2014, 1 Ders.: Das Schuldprinzip und die Sanktionierung von juristischen Personen und Personenverbänden Lehren aus dem deutsch-spanischen Strafrechtsdialog, GA 2015, 274 Ders.: Zur Frage der Verfassungswidrigkeit und der Folgen eines Strafrechts für Unternehmen Rechtsgutachten zum Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen im Internet abrufbar unter: www.familienunternehmen.de/mediapublic/publikationenstudien/studien/Studie_Stiftung_Familienunternehmen_Unternehmensstrafrecht.pdf zuletzt besucht am 27.10.2016

336

Literaturverzeichnis

Schumann, Stefan/ Knierim, Thomas: Wettbewerb im Unternehmensstrafrecht: Individual- vs. Verbandsverteidigung, NZWiSt 2016, 194 Schwander, Vital: Der Einfluss der Fiktions- und Realitätstheorie auf die Lehre von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der juristischen Personen in Ius et Lex Festgabe zum 70. Geburtstag von Max Gutzwiller; Juristische Fakultät der Universität Freiburg (Schweiz) Hrsg.; Basel 1959, 603-619 Schwinge, Christina: Strafrechtliche Sanktionen gegenüber Unternehmen im Bereich des Umweltstrafrechts, Dissertation München, Pfaffenweiler 1996, zitiert als Schwinge Strafrechtliche Sanktionen gegenüber Unternehmen Seelmann, Kurt: Unternehmensstrafbarkeit: Ursachen, Paradoxien und Folgen in Wirtschaft und Strafrecht Festschrift für Niklaus Schmid zum 65. Geburtstag; Jürgen-Beat Ackermann/ Andreas Donatsch/ Jörg Rehberg (Hrsg.); Zürich 2001, 169-186 Seibert, Max-Jürgen: Gesamtschuld und Gesamtschuldnerausgleich im Polizei- und Ordnungsrecht, DöV 1983, 964 Seiler, Walter: Strafrechtliche Maßnahmen als Unrechtsfolgen gegen Personenverbände, Freiburg (Schweiz) 1967, zitiert als Seiler Strafrechtliche Maßnahmen von Selle, Dirk: Vermögen, Strafe und Steuer zur Verfassungsmäßigkeit und Zumessung auf das Vermögen zugreifender Strafen, wistra 1995, 161 Ders.: Gerechte Geldstrafe eine Konkretisierung des Grundsatzes der Opfergleichheit, Dissertation Berlin, Berlin 1997, zitiert als von Selle Gerechte Geldstrafe Semler, Johannes/ Stengel, Arndt: Umwandlungsgesetz mit Spruchverfahrensgesetz, 3. Aufl., München 2012, zitiert als Semler/Stengel UmwG Sessar, Klaus: Schadenswiedergutmachung in einer künftigen Kriminalpolitik in Kriminologie – Psychiatrie – Strafrecht Festschrift für Heinz Leferenz zum 70. Geburtstag; Hans-Jürgen Kerner/ Hans Göppinger/ Franz Streng (Hrsg.); Heidelberg 1983, 145-161 Sieber, Ulrich: Compliance-Programme im Unternehmensstrafrecht – Ein neues Konzept zur Kontrolle von Wirtschaftskriminalität in Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht – Dogmatik, Rechtsvergleich, Rechtstatsachen – Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag, Köln 2010, 449-484 Silva Sánchez, Jesús-María: Zum Stand der Diskussion über den Schuldbegriff sowie über die Verbandsstrafe in der spanischen Doktrin und Gesetzgebung, GA 2015, 267 Spehl, Stephan/ Grützner, Thomas: „Resource Guide to the U.S. Foreign Corrupt Procedures Act“ („FCPA-Guide“) – Eine Hilfe für Unternehmen im Umgang mit dem FCPA, CCZ 2013, 198

Literaturverzeichnis

337

von Staudinger, J. (Begr.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Neubearbeitung 2014, Berlin 2014, Band 1, zitiert als Staudinger/Bearbeiter BGB Stein, Wolfgang: Täter-Opfer-Ausgleich und Schuldprinzip – Überlegungen zur geringen Akzeptanz des Täter-Opfer-Ausgleichs für Erwachsene in der Praxis, NStZ 2000, 393 Steinhäusler, Claudia: Verrat als „Trumpf“ – Das Instrumentarium der Kronzeugenregelung im österreichischen Straf- und Wettbewerbsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte und Grundprinzipien, Dissertation Salzburg, zitiert als Steinhäusler Verrat als „Trumpf“ Steininger, Einhard: Wiedergutmachung als dritte Spur neben Strafen und Maßnahmen, JBl 1990, 137 Ders.: Verbandsverantwortlichkeitsgesetz Kommentar, Wien 2006, zitiert als Steininger VbVG Stratenwerth, Günter: Strafrechtliche Unternehmenshaftung? in Festschrift für Rudolf Schmitt zum 70. Geburtstag; Klaus Geppert/ Joachim Bohnert/ Rudolf Rengier (Hrsg.); Tübingen 1992, 295-307 Streng, Franz: Die Öffnung der Grenzen und die Grenzen des Strafrechts, JZ 1993, 109 Ders.: Grundfälle zum Strafzumessungsrecht, JuS 1993, 919 Ders.: Praktikabilität und Legitimität der „Spielraumtheorie“ – Perspektiven einer Strafzumessungstheorie angesichts neuer Befunde und Entwicklungen – in Grundfragen staatlichen Strafens Festschrift für Heinz Müller-Dietz zum 70. Geburtstag; Guido Britz/ Heike Jung/ Heinz Koriath/ Egon Müller (Hrsg.); München 2001, 875-903 Ders.: Strafersatz und Paradoxieverbot in Festschrift für Heike Jung zum 65. Geburtstag am 23. April 2007; Heinz Müller-Dietz/ Egon Müller/ Karl-Ludwig Kunz/ Henning Radtke/ Guido Britz/ Carsten Momsen/ Heinz Koriath (Hrsg.); Baden-Baden 2007, 959-972 Ders.: Strafrechtliche Sanktionen Die Strafzumessung und ihre Grundlagen, 3. Aufl., Stuttgart 2012, zitiert als Streng Strafrechtliche Sanktionen Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch; Jürgen Wolter (Hrsg.); 9. Aufl., Köln 2016, zitiert als SK-StGB/Bearbeiter Taeger, Jürgen/ Gabel, Detlev: Kommentar zum BDSG und zu den Datenschutzvorschriften des TKG und TMG, 2. Aufl., Frankfurt (Main) 2013, zitiert als Taeger/Gabel BDSG Taschke, Jürgen: Zur Entwicklung der Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen in der Bundesrepublik Deutschland Teil 3: Auf dem Weg zur Privatisierung der Strafverfolgung, NZWiSt 2012, 89 Thiele, Dominic: Zur Verfassungswidrigkeit des § 81 IV GWB, WRP 2006, 999

338

Literaturverzeichnis

Thomas, Stefan: Die Gesamtschuld im EU-Kartellbußgeldrecht – die Kommission als „juristischer Pascha“? in Recht, Ordnung und Wettbewerb Festschrift für Wernhard Möschel; Stefan Bechtold/ Joachim Jickeli/ Matthias Rohe (Hrsg.); Baden-Baden 2011, 675-690 Ders./ Legner, Sarah: Die wirtschaftliche Einheit im Kartellzivilrecht, NZKart 2016, 155 Tiedemann, Klaus: Strafrechtliche Grundprobleme im Kartellrecht, NJW 1979, 1849 Ders.: Die „Bebußung“ von Unternehmen nach dem 2. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, NJW 1988, 1169 Ders.: Strafbarkeit und Bußgeldhaftung von juristischen Personen und ihren Organen in Old Ways and New Needs in Criminal Legislation; Albin Eser/ Jonatan Thormundson (Hrsg.); Freiburg 1989, 157-183, zitiert als Tiedmann in Criminal Legislation Ders.: Anmerkung zu EuGH Urt. v. 21.09.1989 – Rs. 68/88, EuZW 1990, 99 Ders.: Zur Kultur der Unternehmensstrafbarkeit in Droit pénal et diversités culturelles Mélanges en l’honneur de José Hurtado Pozo; Nicolas Queloz/ Marcel Niggli/ Christof Riedo (Hrsg.); Zürich 2012, 495-511 Timmerbeil, Sven/ Mansdörfer, Marco: Die Behandlung kartellrechtlicher Bußgeldrisiken im Rahmen von M&A-Transaktionen, BB 2011, 323 Tipold, Alexander: Zurechnung fremden Verhaltens – Vertrauensgrundsatz, Compliance und Verbandsverantwortlichkeit in Festschrift für Helmut Fuchs; Susanne Reindl-Krauskopf/ Ingeborg Zerbes/ Wolfgang Brandstetter/ Peter Lewisch/ Alexander Tipold (Hrsg.); Wien 2014, 595- 619 Többens, Hans: Die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität durch die Troika der §§ 9, 130 und 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, NStZ 1999, 1 Triffterer, Otto: Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Wien 1994 Tschierschke, Anja: Ein Überblick über den Sanktionsdurchgriff in Unternehmensverbindungen de lege lata und de lege ferenda in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund; Jörg Eisele/ Jens Koch/ Hans Theile (Hrsg.); Tübingen 2014, 137-151, zitiert als Tschierschke in Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund Ulmer, Peter/ Habersack, Matthias/ Löbbe, Marc (Hrsg.): GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 2. Aufl., Tübingen 2014, zitiert als Ulmer/ Habersack/Löbbe/ Bearbeiter Utz, Maximilian: Die Selbstanzeige im Unternehmenssanktionsrecht, NZWiSt 2015, 377 Venier, Andreas: Eine Alternative zu einem Strafverfahren gegen juristische Personen, ÖJZ 2002, 718

Literaturverzeichnis

339

Verjans, Renate: „Rechtsnachfolge“ in die Verbandsgeldbuße in Festschrift für Wolf Schiller zum 65. Geburtstag am 12.01.2014; Klaus Lüderssen/ Klaus Volk/ Eberhard Wahle (Hrsg.); Baden-Baden 2014, 662-671 Verse, Dirk/ Wiersch, Rachid René: Gesamtschuldnerausgleich für Kartellbußen in der wirtschaftlichen Einheit Besprechung BGH, Urt. v. 18.11.2014 - KZR 15/12 – Calciumcarbid-Kartell II, ZWeR 2015, 21 Vogel, Joachim: Wege zu europäisch-einheitlichen Regelungen im Allgemeinen Teil des Strafrechts Kompetenzrechtliche, methodische und inhaltliche Grundfragen, JZ 1995, 331 Ders.: Unrecht und Schuld in einem Unternehmensstrafrecht, StV 2012, 427 Ders.: Unrecht und Schuld in einem Unternehmensstrafrecht in Unternehmensstrafrecht; Eberhard Kempf/ Klaus Lüderssen/ Klaus Volk (Hrsg.); Berlin 2012, 205-216, zitiert als Vogel in Unternehmensstrafrecht Volk, Klaus: Zur Bestrafung von Unternehmen, JZ 1993, 429 Vollmer, Christof: Die Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamts, ZWeR 2007, 168 Ders.: Zinsen auf Geldbußen gemäß § 81 Abs. 6 GWB, wistra 2013, 289 Wabnitz, Bernd/ Janovsky, Thomas: Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl., München 2014, zitiert als Bearbeiter in Wabnitz/Janovsky Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts Wagner, Eckart: Die Übernahme der europäischen 10%-Regel für Geldbußen bei Kartellverstößen schafft einen verfassungsrechtlich fragwürdigen Fremdkörper im deutschen Recht, EWS 2006, 251 Wagner, Gerhard: Steuerung unternehmerischen Verhaltens durch Verbandsstrafen – Präventionsgewinne durch Sanktionierung von Unternehmen? –, NZWiSt 2018, 399 Walther, Julien: Schuld und Haftung juristischer Personen im deutsch-französischen Vergleich – Kurze Bemerkungen zum Zusammenspiel von Dogmatik und Pragmatik, GA 2015, 682 Waßmer, Martin Paul: Anmerkung zu BGH Beschluss v. 10.08.2011 – KRB 55/10, NZWiSt 2012, 187 Ders.: Unternehmensstrafrecht – quo vadis?, ZWH 2018, 233 Wastl, Ulrich: Zwischenruf Privatisierung staatsanwaltlicher Ermittlungen, ZRP 2011, 57 von Weber, Hellmuth: Über die Strafbarkeit juristischer Personen, GA 1954, 237

340

Literaturverzeichnis

Wegner, Carsten: Die Systematik der Zumessung unternehmensbezogener Geldbußen, Dissertation Osnabrück, Frankfurt (Main) 2000 Ders.: Die Auswirkungen fehlerhafter Organisationsstrukturen auf die Zumessung der Unternehmensgeldbuße, wistra 2000, 361 Weigend, Thomas: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Grenze staatlicher Strafgewalt in Festschrift für Hans Joachim Hirsch zum 70. Geburtstag am 11. April 1999; Thomas Weigend/ Georg Küpper (Hrsg.); Berlin 1999, 917-938 Ders.: Wiedergutmachung als, neben oder statt Strafe? in Grundfragen staatlichen Strafens Festschrift für Heinz Müller-Dietz zum 70. Geburtstag; Guido Britz/ Heike Jung/ Heinz Koriath/ Egon Müller (Hrsg.); München 2001, 975-994 Weißhaupt, Frank: Haftung und Wissen beim Unternehmenskauf – über Gestaltungsspielräume im M&A-Recht –, WM 2013, 782 Weitbrecht, Andreas/ Mühle, Jan: Zur Verfassungsmäßigkeit der Bußgelddrohung gegen Unternehmen nach der 7. GWB-Novelle, WuW 2006, 1106 Welzel, Hans: Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl., Berlin 1969 Werner, Rüdiger: Verbandsgeldbuße und Gesamtrechtsnachfolge, wistra 2015, 176 Wess, Norbert: Verbandsverantwortlichkeit – Anspruch und Wirklichkeit, ÖZW 2015, 131 Wessing, Jürgen: Compliance – oder wie sich der Staat aus der Kriminalprävention stiehlt in In dubio pro libertate Festschrift für Klaus Volk zum 65. Geburtstag; Winfried Hassemer/ Eberhard Kempf/ Sergio Moccia (Hrsg.); München 2009, 885-900 Ders./ Janssen, Maximilian: Auswirkungen der 9. GWB-Novelle auf kartellrechtliche Bußgeldverfahren, WuW 2017, 253 Wiedmann, Harald/ Böcking, Hans-Joachim/ Gros, Marius: Bilanzrecht, 3. Aufl., München 2014 Wimmer, Renate: Die Verwertung unternehmensinterner Untersuchungen – Aufgabe oder Durchsetzung des Legalitätsprinzips? in Festschrift für Imme Roxin; Lorenz Schulz/ Michael Reinhart/ Oliver Sahan (Hrsg.); Heidelberg 2012, 537-552 Wirtz, Markus: Die Aufsichtspflichten des Vorstandes nach OWiG und KonTraG, WuW 2001, 342 Wittig, Petra: Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., München 2014, zitiert als Wittig WiStrR Wöhe, Günter/ Döring, Ulrich: Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 25. Aufl., München 2013 Wohlfahrt, Jürgen: Die Kommune vor dem Strafrichter, NJW 1980, 2237

Literaturverzeichnis

341

Wolff, Heinrich: Der Grundsatz „nulla poena sine culpa“ als Verfassungsrechtssatz, AöR 1999, 55 Yoon, Young-Cheol: Strafrecht als ultima ratio und Bestrafung von Unternehmen, Dissertation Frankfurt (Main), Frankfurt (Main) 2001, zitiert als Yoon Strafrecht als ultima ratio Zeder, Fritz: Ein Strafrecht juristischer Personen: Grundzüge einer Regelung in Österreich, ÖJZ 2001, 630 Zerbes, Ingeborg: Unternehmensinterne Untersuchungen, ZStW 125 (2013), 551 Zieschang, Frank: Das Verbandsstrafgesetzbuch Kritische Anmerkungen zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden, GA 2014, 91 Zimmermann, Martin: Kartellrechtliche Bußgelder gegen Aktiengesellschaft und Vorstand: Rückgriffsmöglichkeiten, Schadensumfang und Verjährung, WM 2008, 433 Zirm, Maximilian: Rechtspolitische Visionen zur Verbandsverantwortlichkeit auf Basis einer praxisbezogenen Analyse des VbVG, Dissertation Graz, 2008, zitiert als Zirm Verbandsverantwortlichkeitsgesetz Ders./ Limberg, Clemens: Zur Tagessatz-Bemessung im VbVG, ÖJZ 2009, 708 Zweigert, Konrad/ Kötz, Hein: Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl., Tübingen 1996 Zwirner, Christian/ Petersen, Karl: Wie reformiert das BilRUG das Bilanzrecht? – Wesentliche Änderungen für Einzel- und Konzernabschuss sowie Offenlegung, WPg 2015, 811